Gute Ritter, böse Heiden: Das Türkenbild auf den Kreuzzügen (1095–1291) 9783412504878, 9783412503376


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Gute Ritter, böse Heiden: Das Türkenbild auf den Kreuzzügen (1095–1291)
 9783412504878, 9783412503376

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Niels Brandt

GU T E R IT TER, BÖSE HEIDEN Das Türkenbild auf den Kreuzzügen (1095–1291)

2016

Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: 5. Kreuzzug, Gefecht zwischen fränkischen und ägyptischen Reitern außerhalb Damiette, Abbildung aus Matthäus Paris, Chronica majora, ca. 1255 (Parker Library, Corpus Christi College, Cambridge, Ms 16 Fol. 54v)

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Karin Gasch, Wien Satz: synpannier. Gestaltung & Wissenschaftskommunikation, Bielefeld Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50337-6

Inhalt 1 Einleitung   .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

2 Die Kreuzfahrer und ihre Gegner   . . . . . . . . . . . 2.1 Eine andere Religion: Die Entwicklung des Islambildes in Europa bis zum 13. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . 2.2 Eine andere Art zu kämpfen: Berittene Bogenschützen  . . 2.3 Fremde Völker: Die Bezeichnungen Turci und Saraceni  . . 2.4 Unbekannte Länder: Der Erste Kreuzzug und das Wissen um die politische Situation im Nahen Osten  . . . . . . .

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. . .  30

30 43  51

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3 Böse Heiden: Die ersten Kreuzfahrer und die Muslime   .  62 3.1 Die Türken in der Kreuzzugspredigt Urbans II.  . . . . . . . . .  62 3.2 Die islamische Religion in den Chroniken zum Ersten Kreuzzug  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  68 4 Die Türken in den Schlachtenschilderungen des Ersten Kreuzzuges (1096 – 1099)   . . . . . . . . . . . . 4.1 Ein unbequemer Gegner: Die Feldschlachten gegen türkische Heere . . . . . . . . . . . a)  Nikäa, Mai 1097  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b)  Doryläum, 1. Juli 1097 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c)  Schlacht gegen Duqāq von Damaskus, 30. Dezember 1097  d)  Schlacht gegen Riḍwān von Aleppo, 9. Februar 1098  . . . e)  Schlacht gegen Karbuġā, 28. Juni 1098  . . . . . . . . . . . 4.2 Wo schnelle Pferde nutzlos sind: Belagerungen  . . . . . . . . 4.3 Die andere Art des Kämpfens: Listigkeit, Überfälle und Hinterhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Gescheitertes Nachspiel: Die Kreuzzüge von 1101  . . . . . . . 5 Die der 5.1 5.2

Türken in der „zweiten Generation“ Kreuzzugschroniken (1106 – 1120/30)   . . . Die Überarbeitungen der Gesta Francorum   . . . . Weitere Werke zum Ersten Kreuzzug aus Europa und dem Nahen Osten  . . . . . . . . . . . . . .

.  76

77 77  81  89  91  93  97

.  .  . . . . .

. 104 . 110

. . . . . . . 116 . . . . . . . 116 . . . . . . . 132

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| Inhalt

a)  Europa: Gilo von Paris und Wilhelm von Malmesbury  b)  Syrien: Radulph von Caen . . . . . . . . . . . . . . .

. . . 132 . . . 137

6 Gute Ritter? Blickwinkel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Gesta Francorum: Die besten Ritter nach den Franken …   . . 6.2 … oder eher Räuber als Krieger: Ekkehard von Aura  . . . . 7 Vor der Schlacht, nach der Schlacht und abseits des Schlachtfeldes   . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Das Schicksal geschlagener Gegner  . . . . . . . . . . . . . 7.2 Verhandlung statt Kampf: Abkommen über Kapitulationen, Waffenruhen und Bündnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Umgeben von hinterhältigen Orientalen? Erste Herrschaftsgründungen in Syrien  . . . . . . . . . . . 7.4 Die türkischen Herrscher und Befehlshaber . . . . . . . . . a)  Der Sultan: Kılıç Arslān  . . . . . . . . . . . . . . . . . b)  Der Statthalter: Yaġī Siyān . . . . . . . . . . . . . . . . c)  Der Feldherr: Karbuġā  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Heiliger Krieg und alltägliche Nachbarschaft: Das 12. Jahrhundert bis 1187  . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Das Türkenbild in den ersten Jahrzehnten der Kreuzfahrerstaaten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Ordericus Vitalis: Normannische Ritter und türkische Prinzessinnen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Türkische Schwerter und griechische List: Der zweite Kreuzzug (1147 – 1148)  . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Neue Umgangsformen? Wilhelm von Tyrus und seine Zeit  . 9 Die Ägypter: Ein schwächerer Gegner?  

. . 142 . . 142 . . 163

. . 175 . . 175 . . 187 . . 193 . . 198 . . 198 . . 201 . . 204

. . 207 . . 207 . . 219 . . 225 . . 231

. . . . . . . . . . . 246

10 Ein aussergewöhnlicher Feldherr und seine Krieger: Saladin und sein Heer in den christlichen Quellen   . 10.1 Die türkischen Krieger der Ayyubiden in den christlichen Werken zum Dritten Kreuzzug  . . . . . . . . . . . . . . . a)  Wie Heuschrecken: Ḥaṭṭīn und die Eroberung des Königreichs Jerusalem (1187) . . . . . . . . . . . . .

. . 253 . . 254 . . 254

Inhalt |

b)  Türkische Zauberer: Die Belagerung Akkons bis zum Frühjahr 1191  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c)  Tapfere Verteidiger: Die Türken in den Berichten zum Kreuzzug Richards von England (1191 – 1192)  . . . . . 10.2 Vom Usurpator zum edlen Heiden: Die Darstellung Saladins in den Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a)  „Babylonius Canis“: Usurpator, Sieger von Ḥaṭṭīn und Eroberer Jerusalems . . . . . . . . . . . . . . . . . . b)  Courtoisie und Diplomatie: Saladin, Saphadin und Richard Löwenherz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . c)  Edler Heide: Saladin aus dem Blickwinkel eines „Poulain“  10.3 Verrat, Missverständnisse oder christliche Unkenntnis: Der Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas (1189 – 1190)  . . . .

. 258 . 262 . 273 . 273 . 278 . . 289 . 306

11 Ayyubiden, Mamluken und Choresmier: Das 13. Jahrhundert   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Böse Heiden? Die islamische Religion in den Kreuzzugschroniken des späten 12. und des 13. Jahrhunderts  . . 11.2 Neues Wissen und alte Vorurteile: Das Türkenbild zwischen 1193 und 1249  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Mamlukische Ritter: Die Türken im Werk Joinvilles und anderer Chronisten des Siebten Kreuzzuges (1249 – 1250)  . . . . 11.4 Übermächtige Gegner: Sultan Baibars und das Ende der Kreuzfahrerstaaten (1260 – 1291)  . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Schluss  

314 314 318 334 351

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Abkürzungsverzeichnis   . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

Verzeichnis der verwendeten Literatur  . . Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register   . . . . . . Ortsregister . . . . Personenregister . .

. . . . . . . . . . . 380 . . . . . . . . . . . 380 . . . . . . . . . . . 389

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

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1 Einleitung

Als die Heere des ­Ersten Kreuzzuges im Jahre 1097 auf ihrem Weg nach Jerusalem von Konstantinopel nach Kleinasien übersetzten, erwartete sie dort mit den Türken ein bis dato unbekannter Feind. Im Kreuzfahrerheer mochten Gerüchte kursieren über jene Heiden aus dem Osten, die dem öst­lichen Kaiserreich Kleinasien entrissen hatten, Christen unterdrückten und die Heiligen Stätten schändeten, vielleicht hatte man auch von eng­lischen, skandinavischen oder normannischen Söldnern in byzantinischen Diensten etwas über die Kämpfe gegen gottlose Eindringlinge gehört, aber noch nie hatte ein westeuro­päisches Heer den türkischen Reiterkriegern gegenüber gestanden. Niemand kann mehr mit Sicherheit sagen, mit ­welchen Vorstellungen die ersten Kreuzfahrer nach Anatolien kamen, die muslimischen Türken sollten jedoch in den nächsten zwei Jahrhunderten zum Hauptgegner der christ­lichen Ritter auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens werden. Dass es vor allem Angehörige von Turkvölkern waren, die den Kreuzrittern gegenübertraten und nicht andere islamische Völker, etwa arabische oder per­sische Armeen, war das Resultat einer beeindruckenden militärischen Erfolgsgeschichte der Türken, die die politische und militärische Landschaft des Mittleren Ostens am Ende des 11. Jahrhunderts bereits nachhaltig verändert hatte. Mitglieder türkischer Stämme, ursprüng­lich in den Steppen Südrusslands und Zentralasiens beheimatet, waren bereits im 9. Jahrhundert bei den Abbasiden­ kalifen wegen ihrer militärischen Tüchtigkeit als Kriegersklaven, sogenannte Mamluken, sehr begehrt. Die Türken, im Kindesalter gekauft, zu Muslimen gemacht und militärisch ausgebildet, wurden in der Folgezeit in steigendem Maße zum Bestandteil muslimischer Armeen im Nahen Osten. Mit der militärischen Bedeutung der Berufskrieger aus der Steppe stieg auch deren Einfluss in Armee und Verwaltung der islamischen Staaten. Schließ­lich gelang es den Seldschuken, einem im 10. Jahrhundert zum sunni­ tischen Islam konvertierten türkischen Stamm, in der Mitte des 11. Jahrhunderts zur vorherrschenden Macht in Zentralasien aufzusteigen. Bald darauf gerieten auch der west­liche Iran, Armenien und Aserbaidschan in den Machtbereich der Seldschuken, bis diese schließ­lich 1055 in Bagdad einmarschierten, woraufhin der Kalif, der nur noch als geist­licher Führer fungierte, den seldschukischen Führer Togrul Beg als welt­lichen Herrscher anerkannte und ihm den Titel eines Sultans verlieh.

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| Einleitung

Togrul Begs Nachfolger regierten ein Reich, das sich von Syrien bis zu den Grenzen Chinas erstreckte. Im Sommer 1071 erlitt die byzantinische Armee nahe der Stadt Manzikert in Armenien eine schwere Niederlage. In den folgenden Jahren drangen türkische Stämme ungehindert in Kleinasien ein, das einst das Kernland des oströmischen Reiches gewesen war, die Landroute von Europa ins Heilige Land wurde unterbrochen. 1085 schließ­lich fiel im äußersten Westen der kleinasiatischen Halbinsel Nikäa in türkische Hände, eine der größten Städte des Reiches und der Ort, an dem im Jahre 325 die Grundsätze der christ­lichen Lehre festgelegt worden waren. Der Verlust solch wichtiger Territorien hatte Byzanz schwer getroffen und so waren schließ­lich die Erfolge der Türken auch der Grund für die Bitte um militärische Hilfe, die K ­ aiser Alexios an Papst Urban II. sandte. Es sollen hier nicht die Vorgeschichte des ­Ersten Kreuzzuges oder die Motive des Papstes erörtert werden, aber dem anschließenden Aufruf Urbans in Clermont im November 1095 war außergewöhn­licher Erfolg beschieden und zahlreiche Kreuzfahrerheere machten sich auf den Weg nach Osten. Wenn zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges auch die verschiedenen türkischen Dynastien und Statthalter in Syrien fast selbstständig regierten, da die Macht des seldschukischen Sultans in Bagdad inzwischen nicht mehr genügte, um das Reich vor dem inneren Zerfall zu bewahren, so waren die Türken doch nach wie vor das dominierende Element in den islamischen Armeen, die sich den Kreuzfahrern entgegenstellten. Daran änderte sich auch im Laufe des 12. Jahrhundert nichts, als Herrscher aus anderen türkischen Familien, wie den Ortoqiden, den Zengiden oder schließ­lich den kurdischen Ayyubiden, die seldschukischen Machthaber in Syrien ersetzten. Sogar die schiitischen Fatimidenkalifen in Kairo, eigent­lich erbitterte Feinde der sunnitischen Seldschuken, reihten türkische Krieger, wenn auch in geringerer Zahl, in ihre Armeen ein.1 Mit der Machtübernahme Saladins in Ägypten und dem Ende des fatimidischen Kalifats 1171 bildeten die türkischen berittenen Bogenschützen fortan aber den Kern der ägyptischen Armeen und verdrängten auch dort die arabischen, armenischen und nubischen Einheiten. Dies bedeutete, dass sich die Kreuzfahrer nun an allen Fronten islamischen Armeen gegenübersahen, deren dominierendes Element die türkischen Reiterkrieger waren. Türkische Mamluken übernahmen schließ­lich 1250 selbst die Macht am Nil und etablierten für die nächsten Jahrhunderte ein Reich, dessen Nachwuchs 1 John France, Victory in the East. A military history of the First Crusade, Cambridge 1994, S. 146.

Einleitung |

an Führungskräften sich immer wieder aus türkischen Militärsklaven rekrutierte. Die Mamlukensultane waren es auch, die bis 1291 die letzten Bas­tionen der Lateiner in der Levante eroberten und damit das Ende der Kreuzfahrerstaaten besiegelten. Ein Großteil der türkischen Erfolge auf den Schlachtfeldern zur Zeit der Kreuzzüge beruhte auf der von den türkischen Reitern angewandten Taktik. Als Steppenvolk stützten sich die nur leicht gerüsteten Türken im Kampf auf ihre schnellen Pferde und die Kunst des Bogenschießens aus dem Sattel, um den Feind durch schnelle Angriffe, Überfälle und Hinterhalte zu zermürben. Diese Art des Kriegführens war dem gepanzerten westeuro­päischen Ritter, der auf die Wirksamkeit des Frontalangriffs der schweren Kavallerie und den anschließenden Nahkampf vertraute, völlig fremd. Darüber hinaus bedingte die mobile Art des Kämpfens aus der Ferne auch andere Tugenden des Kriegers. Der Kampf aus der Ferne, ja sogar das Ausweichen bzw. die Flucht, um den Gegner auf Distanz zu halten war nicht weniger achtbar als der Kampf Mann gegen Mann mit Schwert oder Lanze, der gewissermaßen den Mittelpunkt des ritter­lichen Ethos in Europa bildete, wo demgegenüber die Bogenschützen am unteren Ende der Hierarchie auf dem Schlachtfeld rangierten. Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, zu untersuchen, wie die Türken in den Kreuzzugsquellen dargestellt werden und welches Bild die Kreuzfahrer von ihren türkischen Gegnern hatten. Welche Einschätzung entwickelten die Teilnehmer des ­Ersten Kreuzzuges von ­diesem ob seiner Taktik neuartigen und gefähr­lichen und ob seiner anderen Religion fremdartigem Gegner? Waren die euro­päischen Ritter bereit, die militärische Schlagkraft des Gegners anzuerkennen, der per­sische, byzantinische und ägyptische Armeen zum Opfer gefallen waren? Wurde die fremdartige, aber offenbar wirkungsvolle Kampftaktik als ­solche anerkannt und wenn aus welchem Grund, oder wurden die wendigen, berittenen Bogenschützen von den euro­päischen Panzerreitern wegen ihrer auf Fernwaffen basierenden Taktik als feige angesehen? Ein Schwerpunkt wird dabei zunächst auf dem ­Ersten Kreuzzug liegen, da es hier zum ersten Mal zu einem Zusammentreffen der euro­päischen Panzerreiter mit den asiatischen Reiterkriegern kam. Eine Beurteilung des Türkenbildes wird dadurch erschwert, dass es sich bei den muslimischen Türken nicht nur um „normale“ Feinde handelte, sondern um „den Anderen“, den religiösen Feind, der außerhalb der christ­lichen Gemeinschaft stand, eine Tatsache, die naturgemäß auf einem Kreuzzug eine besondere Relevanz erhält. Interessierten sich die Chronisten auf dem Kreuzzug überhaupt für ihr Gegenüber, informierten sie sich über die islamische Religion,

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über die politische Situa­tion im Nahen Osten oder über die Völker, denen sie in der Schlacht, aber nicht nur dort, begegneten? Hatte die Religionszugehörigkeit Einfluss auf die Einschätzung des Feindes als tapfere Krieger? Lässt sich das Türkenbild auf die im Titel der Arbeit wiedergegebene Kurzformel „Gute Ritter, böse Heiden“ bringen? Entsprechend dieser Überlegungen erscheint es angebracht, zuerst einen Überblick über die Entwicklung des Islambildes im lateinischen Europa zu geben, um anschließend das Bild des Islam in den Kreuzzugschroniken besser einordnen und eventuell zu beobachtende Veränderungen mit der Entwicklung des Islambildes abgleichen zu können. In Verbindung damit stellt sich die Frage, was die Kreuzfahrer überhaupt über ihre Gegner und die politische Landschaft des Nahen Ostens wussten. Nahmen sie innerislamische Differenzen wahr oder sahen sie sich einem einheit­lichen heidnischen Block gegenüber? Für die Fragestellung der Arbeit entscheidend ist natür­lich auch, wen sie überhaupt als Turci wahrnahmen und in welcher Beziehung sie diese zu den übrigen Muslimen sahen. Erst dann kann als Kern der Arbeit das Bild von den Türken als Gegner in der Schlacht untersucht werden. Hierbei soll für den ­Ersten Kreuzzug ­zwischen offenen Feldschlachten, Hinterhalten und Überfällen sowie Belagerungen und Kämpfen um befestigte Plätze unterschieden werden. Diese Differenzierung erscheint für den ­Ersten Kreuzzug sinnvoll, da auf diese Weise am besten festgestellt werden kann, ob die unterschied­liche und für die Kreuzfahrer neuartige Kampfweise die Bewertung der Türken als Gegner in der Schlacht beeinflusste. Die Betrachtung soll allerdings nicht nur die Kämpfe im engeren Sinne umfassen, sondern die Quellen auch auf vorausgehende Verhandlungen sowie auf den Umgang mit dem besiegten Gegner und den Nicht-­Kombattanten befragen. Infolge dieser Überlegungen muss auch auf die Frage eingegangen werden, ob die Kämpfe im Verlauf des Kreuzzuges brutaler und schonungs­ loser waren als gleichzeitige Kriege in West- und Mitteleuropa, bei denen sich auf beiden Seiten Christen gegenüber standen. Denn nicht zuletzt lassen auch diplomatische Beziehungen oder die Behandlung des geschlagenen Feindes Rückschlüsse auf das Türkenbild der ersten Kreuzfahrer zu und zeigen, inwieweit die religiöse Dimension die Beurteilung des Gegners beeinflusst haben könnte bzw. inwiefern man bereit war, dem Gegner einen ähn­lichen Status zuzubilligen wie Feinden in innerchrist­lichen Konflikten. Nach der Untersuchung des Türkenbildes auf dem ­Ersten Kreuzzug soll danach der Blick auf die Darstellung der Türken in den Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts gerichtet werden. Hierbei scheint ein chronolo­gischer Aufbau

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gerechtfertigt, da sich auf diese Weise am besten Unterschiede, Entwicklungen und Kontinuitäten zu den Berichten über den ­Ersten Kreuzzug herausarbeiten lassen. Auf Unterschiede in der Darstellung der Türken wird auch beim Vergleich ­zwischen Werken euro­päischer Chronisten und solcher Autoren, die im Heiligen Land schrieben und für die die Türken zu alltäg­lichen Nachbarn geworden waren, zu achten sein. Entsprechend des Titels der Arbeit ist es unerläss­lich, im Rahmen der Darstellung des Dritten Kreuzzuges 1189 – 1192 auch auf den ritter­lichen „Ausnahme-­ Sarazenen“ Saladin, das Saladinbild in den Quellen und die Gründe dafür einzugehen. Die Darstellung Saladins in euro­päischen Quellen hat in der Forschungsliteratur bereits hinreichend Niederschlag gefunden. Gleichwohl ist eine Einbeziehung Saladins geboten. Er war der Hauptgegner während des Dritten Kreuzzuges und in Quellen und Literatur nimmt er einen dominanten Platz ein, wie kein islamischer Heerführer vor ihm. Ohnehin würde ein Übergehen der ayyubidischen Dynastie, wenngleich kurdischen und nicht türkischen Ursprungs, eine große Lücke in jede Darstellung des Türkenbildes während des 12. und 13. Jahrhunderts reißen. Der Kurde Saladin bietet zugleich auch Gelegenheit, zu überprüfen, inwieweit die Kreuzfahrer ethnische Unterschiede ­zwischen einzelnen muslimischen Völkern überhaupt wahrnahmen. Kampfweise und Zusammensetzung seiner Truppen unterschieden sich zudem nicht von denen seiner Vorgänger und Nachfolger. Die militärgeschicht­liche Forschung hat mehrere Werke hervorgebracht, die sich mit der türkischen Taktik und der Militärgeschichte der Kreuzzüge beschäftigen. Genannt sei hier vor allem das Standardwerk von Raymond C. Smail über die Kriegführung auf den Kreuzzügen im 12. Jahrhundert,2 in dem der Autor in einem gesonderten Kapitel auf Zusammensetzung, Kampfweise und Taktik der islamischen Armeen, d. h. besonders der türkischen Heere, eingeht. Das Werk Smails wird für das 13. Jahrhundert ergänzt durch eine entsprechende Untersuchung Christopher Marshalls. 3 John France hat eine wertvolle Studie über die Militärgeschichte des E ­ rsten Kreuzzuges vorgelegt, in der er die militärischen Auseinandersetzungen des Unternehmens detailliert untersucht und die Quellenberichte zu den einzelnen Schlachten abgleicht und hinterfragt.4 2 Raymond C. Smail, Crusading warfare 1097 – 1193, Cambridge 1956, darin Kap. IV, The ­Muslim armies, S.  64 – 87. 3 Christopher Marshall, Warfare in the Latin East, 1192 – 1291, Cambridge 1992. 4 France, Victory in the East.

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Ohne Kenntnisse über die Kriegführung in Europa während des 12. und 13. Jahrhunderts lassen sich Besonderheiten der militärischen Ak­tionen auf Kreuzzügen frei­lich nur schwer erkennen. Dies gilt in Bezug auf das Türkenbild etwa für die Behandlung des geschlagenen Gegners oder auch für die Frage, ­welche Rolle offene Feldschlachten im Vergleich zu Plünderungszügen oder der Taktik der verbrannten Erde spielten.5 All diese Werke sind hilfreich, informieren sie doch über die türkische und westeuro­päische Ausrüstung und Taktik und rekonstruieren aus den Quellen genau die Abläufe der Schlachten, sodass sich auf dieser Grundlage Aussagen über die kriegerischen Tugenden der türkischen Gegner besser einordnen lassen. Die militärgeschicht­liche Literatur gibt jedoch keine befriedigende Antwort darauf, wie die Kreuzfahrer ihr Gegenüber als Gegner in der Schlacht wirk­lich einschätzten. Gerade das Türkenbild spielt hier keine oder nur eine geringe Rolle. Um sich dem Thema gleichsam von der anderen Seite zu nähern bietet sich daher die Forschungsliteratur über das Islambild im mittelalter­lichen Europa an. Dieses Thema war in den letzten Jahren Gegenstand einer Vielzahl von Veröffent­lichungen. Bereits in den 1960er Jahren haben Richard Southern und Norman Daniel mit ihren Darstellungen die Grundlage für weitere Forschungen gelegt.6 Zwar haben beide Autoren inzwischen an verschiedenen Stellen Widerspruch erfahren, doch zählen die Werke der beiden Gelehrten nach wie vor zur Standardliteratur in d ­ iesem Themenkomplex. Für die neuere Forschung sind insbesondere die zahlreichen Untersuchungen von John Tolan zu nennen, der sich dem Thema in den letzten Jahren sowohl in einer umfassenden Monographie als auch in zahlreichen spezielleren Werken angenommen hat.7 Was den Bereich der Kreuzzüge anbetrifft, entfachte sich eine für das Thema der Arbeit nicht uninteressante Forschungsdebatte um das Islambild des Wilhelm von Tyrus. Rainer Christoph Schwinges löste mit seiner These, in Wilhelms Werk fänden sich Belege für eine neuartige Toleranz gegenüber Muslimen 8 5 Zur Kriegführung in Europa siehe etwa: John France, Western warfare in the age of the ­Crusades, 1000 – 1300 (Warfare and History), London 1999; J. F. Verbruggen, The art of warfare in western Europe during the Middle Ages, Amsterdam 1954; Matthew Strickland, War and Chivalry. The conduct and percep­tion of war in England and Normandy 1066 – 1217, Cambridge 1996. 6 Norman Daniel, Islam and the West. The making of an image, Edinburgh 1960; Richard W. Southern, Das Islambild des Mittelalters, Stuttgart 1981. 7 John Victor Tolan, Saracens. Islam in the medieval European imagina­tion, New York 2002; zu weiteren Literaturhinweisen siehe Kap. 2.1, Fn. 54. 8 Rainer Christoph Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz. Studien zu Wilhelm von Tyrus (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 15), Stuttgart 1977; Rainer Christoph Schwinges,

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z. T. ener­gischen Widerspruch aus.9 So kam Thomas Rödig zu dem Ergebnis, dass sich Wilhelm ideolo­gisch wesent­lich weniger als von Schwinges behauptet von seiner Zeit unterschieden habe und zeigte, dass bereits die Chroniken zum ­Ersten Kreuzzug Einfühlungsvermögen in den gegnerischen, d. h. muslimischen, Standpunkt aufweisen. Hans Eberhard Mayer und Hannes Möhring haben gegen Schwinges die Tatsache betont, dass die Darstellung islamischer Herrscher in Wilhelms Chronik sich eher an der politischen Situa­tion des Königreiches Jerusalem und der Bündnislage orientierte als an einem hehren Toleranzideal. Gemäß den Gegnern von Schwinges ­Theorie erscheint Wilhelm eher als Pragmatiker und Realpolitiker. Es wird im Laufe der Arbeit zu prüfen sein, ob das Türkenbild des Erzbischofs von Tyrus wirk­lich dem Schlagwort vom „bösen Heiden“ entgegensteht und sich in signifikanter Weise von dem früherer Chronisten unterscheidet oder ob vielleicht gar ein allgemeiner Wandel des Islambildes in den Kreuzzugschroniken zu beobachten ist. All diese Werke gehen zwar der Frage nach, was das mittelalter­liche Europa über den Islam wusste und über Moslems dachte, sie lassen aber dabei den militärischen Bereich und das Bild, das man sich vom Türken als Gegner in der Schlacht machte außen vor, sodass eine Lücke bleibt. Die Frage nach den „bösen Heiden“, also nach dem Islambild, wird beantwortet, nicht jedoch die nach den „guten Rittern“ bzw. nach der gegenseitigen Beeinflussung der beiden Komplexe in der Vorstellung der Kreuzfahrer. Dieses Bild der Kreuzfahrer vom Türken als Gegner in der Schlacht wurde von der Forschung nur selten ausführ­lich behandelt. Ledig­lich auf das erstaun­ liche Lob, das die Gesta Francorum, eine anonyme Quelle zum E ­ rsten Kreuzzug, den türkischen Reitern anläss­lich der Schlacht von Doryläum 1097 zuteilwerden lässt, gehen fast alle Überblicksdarstellungen über die Kreuzzüge kurz ein. Diese preist die Tapferkeit der Türken und meint, niemand außer den Franken und den Türken könne Ritter sein – wenn letztere nur Christen wären.10 Wilhelm von Tyrus: Vom Umgang mit Feindbildern im 12. Jahrhundert, in: S: Burghartz u. a. (Hg.), Spannungen und Widersprüche. Gedenkschrift für Frantisek Graus, Sigmaringen 1992, S.  155 – 169. 9 Hans Eberhard Mayer, Rezension zu Schwinges Buch, in: Deutsches Archiv 34 (1978), S. 255 – 257; Hannes Möhring, Heiliger Krieg und politische Pragmatik: Salahadinus Tyrannus, in: Deutsches Archiv 39 (1983), S. 417 – 466, S. 440 ff.; Thomas Rödig, Zur politischen Ideenwelt Wilhelms von Tyrus, Frankfurt a. M. 1990, S. 68 ff. 10 Anonymi, Gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum, hrsg. von Heinrich Hagenmeyer, Heidelberg 1890, IX, 11, S. 206 ff; die Teilnehmer des E ­ rsten Kreuzzuges bezeichneten sich selbst vereinheit­lichend als „Franken“ und wurden auch in muslimischen Quellen so genannt (Ifranğ), siehe dazu: Peter Thorau, Die Kreuzzüge, München 2004, S. 65.

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„Ihre Siegestrunkenheit verhinderte sie [die Kreuzfahrer] aber doch nicht, der Tapferkeit der Türken Gerechtigkeit widerfahren zu lassen […] Die gleichzeitigen Geschichtsschreiber, die den Muth der Türken außerordent­lich erheben, setzen hinzu, daß ihnen nichts fehlte, als das Christenthum, um in allen Stücken mit den Kreuzfahrern vergleichbar zu seyn,“

heißt es bereits 1827 in der deutschen Übersetzung des Werkes von Joseph François Michaud.11 Ähn­lich äußert sich René Grousset auch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Er setzt die Bedeutung der Schlacht von Doryläum nicht nur in Vergleich mit der Niederlage der Byzantiner bei Manzikert 1071, sondern auch in eine Reihe mit den Schlachten Alexanders des Großen am Granikos oder bei Arbela. Der Schlacht ­seien zwei Jahrhunderte der euro­päischen Hegemonie in Asien gefolgt, die den türkischen Vormarsch gestoppt hätten. Angesichts dieser zweifelhaften und heute nicht mehr vertretenen Hypothese der fränkischen militärischen Dominanz sieht sich Grousset gezwungen festzustellen, dass die Franken überraschenderweise, „chose curieuse“, sich und die Türken als die militärisch fähigsten Völker im Vorderen Orient angesehen hätten. Es folgt eine franzö­ sische Übersetzung der entsprechenden Textstelle aus den Gesta Francorum.12 Eine Erörterung der Stelle fehlt ebenfalls nicht in Steven Runcimans Abhandlung über den ­Ersten Kreuzzug in dem umfangreichen Sammelwerk von ­Setton zur Geschichte der Kreuzzüge. „[…] and the battle had taught them [den Kreuzfahrern] to respect the Turks as fighters.“13 Diese Hochachtung der Franken vor den militärischen Fähigkeiten der Türken erwähnt Runciman ebenso in seiner eigenen „Geschichte der Kreuzzüge“.14 In beiden Werken geht er zudem auf die von den Gesta in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Türkenlob geschilderte angeb­liche gemeinsame Abstammung der Franken und der Türken ein. Gemeinsamer Ahnherr, so der Autor, sollten wohl die Trojaner sein. Eine 11 Joseph François Michaud, Geschichte der Kreuzzüge, 6. Bde., Quedlinburg 1827 – 31, Bd. 1, S. 166. 12 René Grousset, Histoire des Croisades, 3 Bde., Paris 1934 – 36, Bd. 1: L’anarchie musulmane et la monarchie franque, S. 35 f. 13 Steven Runciman, The First Crusade: Constantinople to Antioch, in: K. M. Setton (Hg.), A History of the Crusades, 6 Bde., Bd. I: Marshall W. Baldwin (Bearb.), The First Hundred Years, Philadelphia 1958, S. 280 – 304, S. 294. 14 Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde. (Bd. I: Der erste Kreuzzug und die Gründung des Königreichs Jerusalem, Bd. II: Das Königreich Jerusalem und der fränkische Osten 1100 – 1187, Bd. III: Das Königreich Akkon und die späteren Kreuzzüge) München 1957 – 1960, Bd. I, S. 176.

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Legende, die laut Runciman mehr die gemeinsame Feindschaft gegenüber den Griechen rechtfertigen sollte als dass sie auf ethnischen Grundlagen beruht habe.15 In jüngerer Zeit hat auch Peter Thorau es nicht versäumt, darauf hinzuweisen, wie „tief beeindruckt von dem Mut und der militärischen Tüchtigkeit des Gegners“ die Kreuzfahrer gewesen s­ eien.16 Zuletzt hat Christopher Tyerman festgestellt, dass „the western invaders of 1097 acknowledged that Turkish military supremacy had ‚terrorized the Arabs, Saracens, Armenians, Syrians and Greeks.‘“17 Zwar bezieht er diese Aussage nicht unmittelbar auf die Schlacht von Doryläum, stützt sich aber dennoch auf eine Textstelle aus den Gesta Francorum, die dem besagten Lob der türkischen Tüchtigkeit unmittelbar vorausgeht. So häufig und berechtigt diese Hinweise auf die Wertschätzung der türkischen Tapferkeit auch sein mögen, so bleibt es doch meist bei ­kurzen Erwähnungen, deren Umfang eigent­lich nie einen Absatz überschreitet. Längere ­Abhandlungen darüber, wie die milites Christi ihre Gegner sahen sind deut­lich seltener. Adolf Waas widmet in seinem zweibändigen Werk über die Kreuzzüge dem Thema „Fränkische Ritter und Muslime“ immerhin ein Kapitel. 18 Zu dessen Beginn weist er darauf hin, dass der Kreuzzug kein Krieg wie andere Kriege gewesen sei und meint damit die Rolle, die die religiösen Unterschiede in den Kampfhandlungen spielten. Auch auf das negative Islambild am Vorabend der Kreuzzüge geht Waas ein, bevor er unter Bezugnahme auf das Türkenlob der Gesta Francorum die für die Kreuzfahrer „überraschende Erkenntnis“19 schildert, dass es sich bei den Türken um tapfere Ritter handele. Im Folgenden versucht Waas zu zeigen, wie sich die veränderte Auffassung vom Islam im Abendland durchsetzte. Leider beschränkt er sich dabei auf den Bereich der Epik, etwa Wolfram von Eschenbachs Parzival. Hier wird die Argumenta­tion etwas undeut­ lich, da er zuvor den Willehalm des gleichen Autors als Beispiel dafür anführte, wie schwarz man die Muslime in der Anfangszeit der Kreuzzüge gemalt habe. Dann aber soll Wolfram, der von etwa 1170 – 1220 lebte, seine Schaffensperiode also nach gut einem Jahrhundert Kreuzzugsgeschichte begann, als Beweis für das sich wandelnde Islambild herhalten.20 15 Ebd., S. 176; Runciman, The First Crusade, S. 294. 16 Thorau, Kreuzzüge, S. 59. 17 Christopher Tyerman, God’s War. A new history of the Crusades, London 2006, S. 127. 18 Adolf Waas, Geschichte der Kreuzzüge, 2 Bde., Freiburg 1956, Bd. 1, S. 369 – 389. 19 Ebd., S. 369. 20 Zu Wolframs Orientbild: Alfred Raucheisen, Orient und Abendland. Ethisch-­mora­lische Aspekte in Wolframs Epen Parzival und Willehalm (Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte),

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Auch gibt Waas das Konversionsangebot des muslimischen Feldherrn Karbuġā, mit dem dieser die Kreuzfahrer laut Gesta Francorum zur Konversion bewegen wollte, als historisch gesichert wieder. Es ist aber frag­lich, ob Szenen aus dem muslimischen Lager in den Chroniken nicht so dargestellt wurden, wie man sie sich vorstellte und weniger an historischen Wahrheiten orientiert. Im Folgenden versucht Waas eine im Laufe des 12. Jahrhunderts entstandene gegenseitige Hochachtung ­zwischen Muslimen und Franken zu belegen, gestützt u. a. auf Aussagen des muslimischen Edelmannes und Chronisten Usāma ibn Munqiḏ sowie Wilhelms von Tyrus. Dass im Falle des letzteren zumindest ein Teil der Forschung politische Pragmatik hinter lobenden Aussagen über muslimische Herrscher gesehen hat, wurde bereits erwähnt und Usāmas Frankenbild wird heute wohl ebenfalls nicht mehr so ungebrochen positiv gesehen.21 Waas bringt zahlreiche Beispiele ritter­lichen Verhaltens und freundschaft­ licher Gesten auf beiden Seiten, besonders aus der Zeit des Dritten K ­ reuzzuges, vergisst aber auch nicht zu betonen, dass die Kreuzzüge Glaubenskriege sind, „mit der vollen Härte und Grausamkeit, die in solchen in Erscheinung zu treten pflegt“.22 Wenn man ihm auch hierin folgen kann, so scheinen seine Schlussfolgerungen doch gelegent­lich etwas zu pauschal. Die Seldschuken ­seien wild und grausam gewesen, hätten diese Charakterzüge aber durch den Kontakt mit der islamisch-­arabischen Kultur verloren. So sei Zangī grausamer gewesen als Nūr ad-­Dīn und dieser grausamer als Saladin. „Die späteren ägyptischen Sultane, wie Baibars, aber haben diese Kultur nicht mehr.“23 Die Tatsache, dass politische Gründe, das Weltbild der Autoren und Kreuzzugspropaganda die Darstellung der Muslime in den christ­lichen Quellen beeinflusst haben könnten, zieht Waas nicht in Betracht. Auf die Frage etwa, ob ein Autor des ­Ersten Kreuzzuges Muslime anders beschrieben haben könnte als ein Autor, der im 12. oder 13. Jahrhundert im Heiligen Land lebte und für den die Nachbarschaft der Türken etwas Alltäg­liches war, geht er nicht ein. Mit anderen Worten: Änderten sich die Muslime oder änderte sich die Sichtweise der christ­lichen Chronisten? Waas weist auf vieles hin, was es zu beachten gilt, etwa die Anerkennung der türkischen Tapferkeit oder die Betonung der Grausamkeiten gerade auch auf Seiten der Kreuzfahrer. Allerdings erscheinen die Quellenbelege zuweilen Frankfurt a. M. 1997. 21 Carole Hillenbrand, The Crusades: Islamic perspectives, Edinburgh 1999, S. 355 ff. 22 Waas, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1, S. 380. 23 Ebd., S. 384.

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etwas dürftig und die Schlussfolgerungen zu pauschal. In vielen Fällen ist die Forschung in den letzten fünf Jahrzehnten aber auch einfach vorangeschritten. 24 Dem Kapitel, das Waas der Zeit von 1097 – 1291 widmete, steht eine Monographie von Nicolas Zbinden gegenüber, in der dieser auf deut­lich breiterem Raum die Begegnung von Abendländern, Griechen und Türken auf dem E ­ rsten Kreuzzug untersucht.25 Da er sich speziell mit dem ­Ersten Kreuzzug beschäftigt, geht Zbinden auch auf das Konzil von Clermont ein. Bereits dort sei den Zuhörern klar geworden, dass der Kreuzzug einen Kriegszug gegen die „gefürchteten Türken“ bedeute.26 Nachdem er auf Fragen wie Fehde und feudales Recht, sowie auf verschiedene Gottesanschauungen eingegangen ist, kommt Zbinden auf die Schlacht von Doryläum und das Türkenlob der Gesta Francorum zu sprechen. Dabei betont er, die Kreuzfahrer hätten die Türken bei Doryläum als ebenbürtige Ritter anerkannt. Die Legende von der gemeinsamen Troja-­Abstammung diene zudem der Abgrenzung zu den verweich­lichten Griechen. Hier liegt der Autor nahe bei R ­ unciman, der die Aussage ähn­lich deutete. Die „Ritterschlacht“ von Doryläum stellt für Zbinden aber eine Ausnahme dar. Nach Doryläum hätten die Kreuzfahrer den kriegerischen Fähigkeiten der Türken keineswegs Wertschätzung entgegengebracht. Auch ein Kreuzzug unterliege den „Spielregeln“ des Ritterkrieges, es müsse ein „ehrenvoller“ Krieg sein. Da die Türken das Ritterhandwerk jedoch nicht nach Art der Franken betrieben hätten – Zbinden spielt hier auf die unterschied­ lichen Kampfweisen an –, ­seien sie in den Chroniken „immer wieder“ als Räuber und Wegelagerer verurteilt worden.27 Als Quellenbeleg für diese Aussage bringt Z ­ binden eine Behauptung Ekkehards von Aura 28 von 1101 und eine 24 Dies gilt wie bereits erwähnt für die Debatte um das Islambild Wilhelms von Tyrus und das Werk des Usāma ibn Munqiḏ. Desweiteren haben viele Veröffent­lichungen über Saladin gezeigt, dass der Begriff des Heiligen Krieges auf muslimischer Seite vielfach als Propagandamittel eingesetzt wurde. Zu guter Letzt wird heute auch der „Ritterkrieg“ im Westen wohl nicht mehr so idealisiert gesehen, etwa was das Köpfen von Gegnern oder die Verwüstung von Feldern und Ernten anbetrifft. 25 Nicolas Zbinden, Abendländische Ritter, Griechen und Türken im ersten Kreuzzug. Zur Proble­ matik ihrer Begegnung (Texte und Forschungen zur byzantinisch-­neugriechischen Philologie 48), Athen 1975. 26 Ebd., S. 10. 27 Ebd., S. 23 f. 28 Ekkehard von Aura, Chronica, hrsg. u. übers. von Franz Josef Schmale, Irene Schmale-­Ott: Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters (Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe, Bd. XV), Darmstadt 1972, S. 168.

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Aussage Fulchers von Chartres zum Jahre 1110.29 Für eine Aussage, die in der Argumenta­tion einen solch zentralen Platz einnimmt, hätte man sich aber eine bessere Unterfütterung durch entsprechende Quellenaussagen gewünscht. Ein Beleg aus dem E ­ rsten Kreuzzug fehlt völlig und Ekkehard dürfte wohl nie an einer Schlacht gegen Türken teilgenommen haben. Die Taktik der Türken, so Zbinden, mache sie für Ekkehard zu Räubern, trotz ihrer Kriegstüchtigkeit und guten Ausrüstung, die der Chronist anerkenne. Die Vermeidung des Kampfes Mann gegen Mann ohne klare Schlachtlinie sei für die Kreuzfahrer verwerf­lich gewesen. Nach Ansicht der Franken ­seien die Türken nur zu Raubzügen und Überfällen ausgezogen und hätten keinen Krieg geführt. Ebenso sei die von den Türken angewandte Taktik der verbrannten Erde von den euro­päischen Rittern verachtet worden.30 Der Kriegführung der Türken stellt Zbinden seine Sicht des Krieges in Europa gegenüber, wo nur der plumpe Frontalangriff als Kampf gegolten habe. Der „offene Ritterkrieg mit schön aufgestellten Schlachtreihen“ sei im Orient aber wegen Personalmangels nicht mög­lich gewesen. Aufgrund der harten Entbehrungen und des Verlustes der Pferde hatte der Zug laut Zbinden „nichts mehr von einem edlen fränkischen Heere, wie man es gewohnt war.“31 Dem folgt die Aussage, die Franken hätten die türkische Kampftaktik seit Doryläum als „hinterhältig, verschlagen und feige“ beurteilt.32 Einen Quellenbeleg für diese Aussage bleibt Zbinden frei­lich schuldig. Zbinden beschreibt in seinem Werk also ein deut­lich negatives Türkenbild der Kreuzfahrer. Das Türkenlob der Gesta Francorum erscheint als Einzelfall, ja wirkt angesichts der oben zitierten Aussagen nur mehr als stilistisches Mittel zur Herabwürdigung der verhassten Byzantiner. Mit dem Fazit, die Türken ­seien nach Doryläum als feige Räuber angesehen worden, kommt Zbinden zu einem Ergebnis, das in der Forschung zuvor so noch nicht ausgesprochen wurde. Weder in den ­kurzen Kommentaren zum Türkenlob der Gesta in vielen Überblicksdarstellungen noch in der längeren Abhandlung von Waas war Vergleichbares zu lesen. Letzterer geht zwar auf Grausamkeiten in der Kriegführung ein und auf das negative Islambild der Europäer, die Charakterisierung der Türken als feige liest er aber nicht aus den Quellen heraus. 29 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, hrsg. von Heinrich Hagenmeyer, Heidelberg 1913, II, XLII, 6, S. 542. 30 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 27 ff. 31 Ebd., S. 30 f. 32 Ebd., S. 32.

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Zugute halten muss man Zbinden, dass seine Schlussfolgerungen auf den ersten Blick durchaus Sinn ergeben: Hier die schwer gepanzerten Ritter, die den Nahkampf mit Schwert und Lanze suchen und zu Hause die (unberittenen) Bogenschützen zutiefst verachten, dort die Türken, die dem Kampf ausweichen und sich auf ihre Fernwaffen verlassen. Zbinden bietet allerdings gerade für seine zentralen Aussagen nur dürftige Quellenbelege an, obwohl Kämpfe gegen die Türken in den Chroniken zum ­Ersten Kreuzzug zur Genüge beschrieben werden. Die Ursache für das von Zbinden postulierte negative Türkenbild scheint aber in einem anderen Bereich zu liegen. Ohne bereits näher ins Quellenstudium einzutreten, drängt sich bereits durch seine Wortwahl die Frage auf, ob der Autor hier nicht den fränkischen „Ritterkrieg“ in einem völlig verklärten, idealisierten Licht sieht. Im Vergleich mit Zbindens „edlem fränkischen Heere“, das stets mit „schön aufgestellten Schlachtreihen“ kämpfte, die Taktik der verbrannten Erde nicht kannte, müssen die Türken natür­lich abfallen. Eine tragfähige Aussage über das Türkenbild ist aber nur zu gewinnen, wenn auch der euro­päische miles als Vergleichsmaßstab realistisch dargestellt wird. Bereits oben wurde auf die Wichtigkeit hingewiesen, Literatur und Quellen zum Kriegswesen in Europa zu konsultieren, um Besonderheiten der Kämpfe mit den Türken besser herausarbeiten zu könne. Hierauf wird im Laufe der Arbeit zurückzukommen sein. An dieser Stelle mag es genügen, mit Marcus Bull darauf hinzuweisen, dass „sich die rohe, aber effektive Kriegsführung [in Europa] in der Regel gegen die Besitztümer der Gegner richtete, und das hieß gegen ihre Bauern, ihren Viehbestand, ihren Ernteertrag und gegen ihre Gehöfte.“33

Das ist nicht die Art Krieg, die Zbinden gesehen hat, für den Überfälle, Razzien und Strafexpedi­tionen im Abendland zu Ausnahmefällen zählten.34 Darüber hinaus wird entgegen der Behauptung Zbindens, das Fußvolk habe im Laufe der Kreuzzüge an Bedeutung verloren, in der modernen Forschung im Gegenteil die Wichtigkeit der Fußsoldaten dargestellt, die die Reiterei vor den türkischen Pfeilen zu ­schützen hatte. Zbinden weist aber auch auf einige Punkte hin, die das Türkenbild der Kreuzfahrer verdeut­lichen könnten. So geht er darauf ein, dass bei der Darstellung 33 Marcus Bull, Ursprünge, in: Jonathan Riley-­Smith (Hg.), Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge, Frankfurt a. M. 1999, S. 22 – 45, S. 24. 34 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 30.

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der Türken als tüchtige Krieger durch die Gesta das Prinzip von terror und timor zum Tragen kommt. Timor, das Ansehen bei Untergebenen und Genossen und der terror, den die Türken über die umliegenden Völker ausüben als Merkmal vollwertiger Krieger, das für die Kreuzfahrer wichtig gewesen sei. 35 Ein weiterer interessanter Punkt, den Zbinden erwähnt, ist der Schrecken und die Verwirrung, die die noch unbekannte türkische Taktik, hier wohl insbesondere der Pfeilbeschuss, im Kreuzfahrerheer auslösten. Dies, sowie das Misstrauen gegenüber den Griechen, das unbekannte Land und die strengen Temperaturen hätten zu einer Art Angstpsychose geführt.36 Es scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein, diese psycholo­gische Situa­tion der Kreuzfahrer zu berücksichtigen, sich gleichsam in einen Teilnehmer des Zuges hinein zu versetzen. Es mag durchaus Einfluss auf das Türkenbild gehabt haben, dass die Ritter weit entfernt von der Heimat, in einem fremden Land gegen einen unbekannten Gegner kämpfen mussten. In eine ganz ähn­liche Richtung argumentiert auch Rudolf Hiestand.37 Die Tatsache, dass die Türken den Angriffen der schweren christ­lichen Reiterei auswichen und den Christen mit den Pfeilsalven immer wieder schwer zusetzten, habe unter den Kreuzfahrern Gefühle der Hilflosigkeit und der Angst verursacht. Natür­lich geht auch Hiestand auf das Türkenlob der Gesta Francorum ein und entgegen Zbinden gesteht er auch ein, dass man den Gegner in bestimmten Bereichen als durchaus gleichwertig anerkannt habe. Der von den Gesta im Zusammenhang mit dem Türkenlob erwähnten gemeinsamen Abstammung von Türken und Franken misst er noch andere Zwecke zu als Zbinden und Runciman, die diese Stelle beide v. a. als gegen die Griechen gerichtet sehen. Hiestand betont daneben auch, dass die christ­lichen Autoren damit mög­lichen Einwänden gegen die eigene Leistung zuvorkommen wollten. Niemand solle glauben, man habe nur einen Haufen Bauern besiegt, gibt der Autor eine Aussage Guiberts von Nogent wieder,38 die sich frei­lich nicht in den Gesta ­Francorum findet. Außerdem sei die Legende der gemeinsamen Abstammung aus der Suche nach einer Erklärung für die Stärke der Türken entsprungen.39 35 Ebd., S. 22. 36 Ebd., S. 26 f, 36 f. 37 Rudolf Hiestand, Der Kreuzfahrer und sein islamisches Gegenüber, in: Das Ritterbild in Mittel­ alter und Renaissance (Studia humaniora-­Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance, Bd. 1), Düsseldorf 1985, S. 51 – 68, S. 55. 38 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, hrsg. von R. B. C. Huygens: Dei Gesta per ­Francos et cinq autres textes, Turnhout 1996, III, 11, S. 162. 39 Hiestand, Kreuzfahrer, S. 56 ff.

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In einen Gegensatz zu Zbinden setzt sich Hiestand auch , indem er nicht nur Unterschiede ­zwischen Franken und Türken herausarbeitet, sondern auch Gemeinsamkeiten auf einer ganz grundlegenden Ebene. Sowohl im Osten wie im Westen, so Hiestand, dominierte im 11. Jahrhundert das „kriegerisch, militärische Element“. Im Westen sei nach dem Zerfall des karolin­gischen Großreiches der bellator oder miles zum welt­lichen Exponenten der Gesellschaft aufgestiegen, während im Osten die türkische Kriegerkaste die Herrschaft übernommen habe.40 Dies erwähnt auch Claude Cahen in seiner detaillierten Monographie über die Geschichte Nordsyriens während der Kreuzzugsepoche. Auch er macht auf die Ähn­lichkeiten z­ wischen Orient und Okzident aufmerksam, sowohl im sozia­len Bereich, als auch bei der Organisa­tion der Armee. Fehden, Privat­ armeen und Kleinkriege hier wie da, das feudale Heeresaufgebot in Europa, das iqtâ-­System mit Aufgeboten einzelner Emire im Nahen Osten. Die entsprechende gesellschaft­liche Entwicklung hier begünstigt durch die Wikinger-­ Überfälle, dort durch das Eindringen der Türken. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte, so Cahen, hätten sich die Franken in Syrien eigent­lich wie zu Hause fühlen können.41 Diese grundsätz­lichen Ähn­lichkeiten gilt es im Kopf zu behalten, bieten sie doch bessere Ansatzpunkte und liefern sie doch bessere Erklärungsmög­lichkeiten für die Einschätzung des türkischen Gegners als eine undifferenzierte Verklärung des euro­päischen Ritters. Die Anerkennung der militärischen Tüchtigkeit der Türken durch die Kreuzfahrer ergibt sich auch für Norman Housley aus den Quellen. Als Beispiel führt er wiederum die Gesta Francorum an, aber auch Belege aus dem Itinerarium Peregrinorum, einem Bericht zum Dritten Kreuzzug. Einen wesent­lichen Grund für die freimütige Bewunderung des Feindes sieht Housley in der Tatsache, dass in ­diesem Bereich die Beurteilung des Feindes nicht durch ideolo­gische Motive und Spannungen überlagert worden sei. Er zieht hier eine klare Trennlinie zum religiösen Bereich. Die Feindseligkeit gegenüber dem Islam als Religion, als ein in sein genaues Gegenteil pervertiertes Christentum, sei in der Kreuzzugschronistik wesent­lich stärker ausgeprägt. Eben dies komme auch in den Gesta zum Ausdruck: Die militärisch tüchtigen Türken s­ eien einzig durch die Kreuzfahrer besiegt worden, denn keine Tapferkeit könne gegen den Zorn Gottes bestehen.42 40 Ebd., S. 58 f. 41 Claude Cahen, La Syrie du nord a l’époque des Croisades et la principauté franque d’Antioche, Paris 1940, S. 193 f, 196. 42 Norman Housley, Fighting for the Cross. Crusading to the Holy Land, New Haven 2008, S.  208 ff, 226 ff, 235 f.

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Auf die Gemeinsamkeiten von Kreuzfahrern und Türken macht Rosalind Hill ebenfalls aufmerksam.43 Auch sie geht von dem Türkenlob der Gesta aus und ist der Meinung, der Autor habe die Türken als würdige Gegner auf dem Schlachtfeld respektiert. Sie geht aber noch einen Schritt weiter und sucht nach dem Grund für diese Wertschätzung. Als mög­liche Erklärung führt sie die Tatsache an, dass sich sowohl die euro­päischen Ritter als auch die Türken im Kampf auf die Reiterei stützten.44 Diese interessante These unterfüttert sie mit dem Hinweis, dass die Kreuzfahrer von den Ägyptern, bei denen das Fußvolk eine wesent­lich größere Rolle spielte, eine deut­lich geringere Meinung gehabt hätten. Leider geht sie in ihrem ohnehin nur acht Seiten starken Aufsatz nicht weiter auf diesen vielversprechenden Ansatz ein. Es bleibt, wie so oft in der Forschungsliteratur, bei wenigen Sätzen über das Türkenbild der Kreuzfahrer. Auf den bereits erwähnten Vergleich der Türken mit Räubern durch E ­ kkehard von Aura stützt sich auch Martin Völkl bei der Bewertung des Türkenbilds der ersten Kreuzfahrer. Völkls Werk untersucht sowohl das Selbst- als auch das Feindbild der Kreuzfahrer und geht dabei in einem Kapitel auf die Rolle der Türken als Gegner in der Schlacht ein. Er betont, dass die in den Quellen immer wieder erwähnte Vorliebe der Türken für Hinterhalte, Kriegslisten und der Kampf aus der Ferne den Chronisten zur Delegitimierung des Gegners gedient hätten. Aus der Beschreibung der türkischen Kriegführung durch die Augenzeugen spreche nicht „anerkennende Bewunderung, sondern eher abwertende Distanzierung“, wie sie vor allem bei Ekkehard von Aura deut­lich werde. Obwohl Völkl hier ähn­lich wie Zbinden ein eher negatives Bild der Kreuzfahrer von ihrem türkischen Gegner zeichnet, kommt er doch zu dem Ergebnis, das Feindbild habe nicht grundsätz­lich gewaltmotivierend gewirkt. Ansonsten ­ließen sich die zahlreichen Waffenstillstände und Bündnisse mit den Muslimen nicht erklären. „Politischer Opportunismus und militärischer Pragmatismus schienen die Kreuzfahrer viel mehr in ihrem Handeln beeinflusst zu haben, als blinde Wut auf den nichtchrist­lichen Feind.“45 Es ist deut­lich geworden, dass das Türkenlob der Gesta Francorum eine von der Forschung häufig genutzte Stelle ist, um die Wertschätzung der türkischen Tapferkeit durch die Kreuzfahrer darzulegen. Weitergehende Untersuchungen 43 Rosalind Hill, The Christian view of the Muslims at the time of the First Crusade, in: P. M. Holt (Hg.), The eastern mediterranean lands in the period of the Crusades, Warminster 1977, S. 1 – 8, S. 2 f. 44 Ebd., S. 2. 45 Martin Völkl, Muslime –Märtyer –Militia Christi. Identität, Feindbild und Fremderfahrung während der ersten Kreuzzüge, Stuttgart 2011, S. 246 ff, 270.

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sind allerdings selten. Von den Werken, die sich d­ ieses Themas annehmen, werden von Zbinden eher die Unterschiede, von Cahen, Hill und Hiestand eher die Gemeinsamkeiten ­zwischen Türken und Kreuzfahrern betont. Kann man sich anhand dieser Literatur leid­lich über das Türkenbild auf dem ­Ersten Kreuzzug informieren, fehlt für die folgenden Jahrzehnte jeg­liche Darstellung, sieht man einmal davon ab, dass die Werke Hiestands, Housleys und Hills ins 12. Jahrhundert ausgreifen und z. T. noch auf Saladin und seine Zeit eingehen. Unterbrochen wird diese „Leere“ ledig­lich durch die oben bereits angesprochene Debatte über das Islambild Wilhelms von Tyrus. Allerdings steht dort nicht das Bild vom Türken als Gegner in der Schlacht im Vordergrund, sondern mentalitätsgeschicht­liche Fragen. Der nächste „Schwerpunkt“, der eine Fülle von Literatur zum Thema des ritter­lichen „Sarazenen“ zu bieten hat, ist der Themenkomplex um Saladin und den Dritten Kreuzzug. Wenn bezüg­lich des ­Ersten Kreuzzuges die Quellen ­darauf untersucht wurden, wie man die Türken sah, so geht es jetzt allein um den Sultan – einen Kurden, den die Zeitgenossen jedoch als Türken wahrnahmen. In ­diesem Sinne fehlt auch für die Zeit des Dritten Kreuzzuges eine Untersuchung über das Türkenbild. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten stehen das ritter­ liche Verhalten Saladins gegenüber den geschlagenen Christen, seine Kontakte zu Richard Löwenherz und seine Darstellung in den abendländischen Quellen. Es wurde schon viel über den „edlen Heiden“ Saladin geschrieben, sodass es an dieser Stelle genügen kann, einige wenige der neueren Werke zu nennen. Ein deutscher Historiker, der sich in zahlreichen Veröffent­lichungen mit Saladin beschäftigt hat, ist Hannes Möhring. Die großzügigen Kapitula­tionsbedingungen, die Saladin den christ­lichen Städten und Burgen nach der Katastrophe von Ḥaṭṭīn 1187 gewährte, führt er vor allem auf pragmatische Erwägungen zurück, näm­lich auf das Ziel, vor Ankunft christ­licher Verstärkungen mög­lichst viele befestigte Plätze zu erobern.46 Politische Erwägungen ­seien auch der Grund dafür gewesen, dass der Sultan die Tötung von 3000 muslimischen Gefangenen durch Richard Löwenherz vor Akkon nicht vergolten habe. Er habe seine christ­lichen Gefangenen als Trumpf für etwaige Verhandlungen zurückhalten wollen. Dass der Ayyubide sich bei solchem Vorgehen nicht von ritter­lichem 46 Hannes Möhring, Saladin und der dritte Kreuzzug, Aiyubidische Strategie und Diplomatie im Vergleich vornehm­lich der arabischen mit den lateinischen Quellen, Wiesbaden 1980, S. 26; Hannes Möhring, Der andere Islam: Zum Bild vom toleranten Sultan Saladin und neuen Propheten Schah Ismail, in: O. Engels, P. Schreiner (Hg.), Die Begegnung des Westens mit dem Osten (Kongreßakten des 4. Symposions des Mediävistenverbandes in Köln 1991 aus Anlaß des 1000. Todesjahres der Kaiserin Theophanu), Sigmaringen 1993, S. 131 – 155, S. 142.

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Denken leiten ließ, sondern zumindest auch ein Gutteil pragmatische Erwägungen eine Rolle spielten, scheint ohnehin heute nicht mehr grundsätz­lich in Frage zu stehen.47 Den Grund für die positive Darstellung Saladins in abendländischen Chroniken, besonders da die frühen Berichte wenig schmeichelhaft waren, sieht Möhring in der unblutigen Einnahme Jerusalems, der Schonung der Grabeskirche und der sich im 13. Jahrhundert verstärkenden Kreuzzugskritik. Zudem sei Saladin vor dem düsteren Islambild der Europäer umso heller erschienen. Aber anstatt anzuerkennen, dass dessen Handlungsweisen den Ge- und Verboten des Korans entsprachen, habe man ihn lieber zum Anhänger des Ritter­ ideals bzw. zum heim­lichen Christen erklärt. In Saladin bereits das Toleranz­ ideal der Aufklärung verwirk­licht zu sehen, sei daher verfehlt. Ebenso wenig erkläre sich das Bild vom edlen Heiden dadurch, dass die Europäer versucht hätten, das eigene Unvermögen durch die Fik­tion eines vorbild­lichen Gegners zu kaschieren.48 Im Gegensatz dazu betont John Tolan, die Darstellung Saladins in den zeitgenös­sischen Werken zum Dritten Kreuzzug erkläre sich aus apologetischen Bedürfnissen. Saladin werde als Beschützer der ­Kirche dargestellt, um Vorwürfe gegen Richard Löwenherz wegen seiner Heimkehr nach Europa zurückzuweisen. Im 13. Jahrhundert sei der apologetische Zweck in Texten über Saladin verschwunden, seine militärischen Erfolge ­seien dann auf seine Tugenden zurückgeführt worden.49 Dieser für die Darstellung des Türkenbildes nicht unwichtige Hinweis zeigt, dass bei der Niederschrift einer Chronik immer auch politische Gründe mitspielen konnten. Eine detaillierte Studie über die Entwicklung der Saladin-­Legende in Europa hat Margaret Jubb vorgelegt. Für den hier interessierenden Zeitraum (die Arbeit Jubbs stellt das Saladinbild in Europa bis in die Neuzeit hinein dar) untersucht die Autorin detailliert den Wandel im euro­päischen Saladinbild. Sie betont wie andere Autoren, dass politische Gründe die Darstellungen muslimischer Herrscher bei Wilhelm von Tyrus beeinflusst haben. Durch einen detaillierten Vergleich des Werkes Wilhelms von Tyrus mit dem seiner Fortsetzer, aber auch von 47 Siehe auch William J. Hamblin, Saladin and Muslim military theory, in: B. Z. Kedar (Hg.), The Horns of Hattin, Jerusalem 1992, S. 228 – 238, S. 236 f. 48 Möhring, Der andere Islam, S. 144 ff; Hannes Möhring, Saladin. Der Sultan und seine Zeit, 1138 – 1193, München 2005, S. 109 ff. 49 John Victor Tolan, Mirror of Chivalry: Salah al-­Din in the medieval European imagina­tion, in: David R. Blanks (Hg.), Images of other: Europe and the Muslim world before 1700 (Cairo papers in social science 19), Kairo 1997, S. 7 – 38, S. 20 ff.

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Chroniken des Dritten Kreuzzuges, die zu unterschied­lichen Zeiten entstanden, kann sie zeigen, dass sich das Saladinbild zunehmend positiv entwickelte, nachdem der Sultan nicht mehr als Gefahr angesehen wurde, d. h. nach seinem Tode 1193. Für Wilhelm sei Saladins Macht noch eine konkrete Bedrohung gewesen, nicht aber für die Fortsetzer von Wilhelms Chronik im 13. Jahrhundert. Diese hätten zudem für ein Laienpublikum geschrieben, das eher an epischen Qualitäten interessiert gewesen sei.50 Diese detaillierte Untersuchung ermög­licht es, den Wandel im Saladinbild zeit­lich recht genau einzugrenzen und die Gründe dafür plausibel zu erklären und liefert daher auch für die vorliegende Arbeit interessante Ansatzpunkte. Es wird zu zeigen sein, ob neben der Darstellung des Sultans auch die seiner Armeen, also das Türkenbild allgemein, in diesen Jahrzehnten einem Wandel unterlag. Die zahlreichen Werke der neueren Forschung haben sehr dazu beigetragen ein realistisches Bild des ayyubidischen Sultans zu zeichnen und seine Darstellung in den Quellen nachvollziehbar zu erklären. Für die Zeit nach dem Dritten Kreuzzug fehlt außerhalb der Saladin-­ Forschung allerdings jeg­liche Behandlung des Türkenbildes. Ledig­lich für das Ende der Kreuzzugszeit liegt von Peter Thorau eine Arbeit über die Darstellung eines türkischstämmigen Herrschers, näm­lich Sultan Baibars, in den west­lichen Quellen vor. Darin untersucht der Autor, ob die Religion des Sultans für die christ­lichen Chronisten eine Rolle spielte oder ob sie ihn vor einem realen politischen Hintergrund nüchtern als Gegner darstellten. Thorau gelangt zu dem Ergebnis, dass Baibars zwar von einigen Autoren als Feind der K ­ irche dargestellt wurde, von vielen Quellen aber auch nüchtern als gefähr­licher Gegner, dessen Religion die Autoren keine herausgehobene Bedeutung zumaßen.51 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass für den E ­ rsten Kreuzzug das Türkenbild häufig kurz erwähnt und nur in wenigen Werken breiter behandelt wird. Das Türkenlob der Gesta Francorum fehlt dabei nie. Zweiter und deut­ lich besser erforschter Schwerpunkt der Forschung ist das Saladinbild, bevor dann im 13. Jahrhundert bis zu Sultan Baibars wieder eine Lücke klafft, wobei betont werden muss, dass bei Saladin und Baibars jeweils Einzelpersonen im Mittelpunkt stehen und nicht das west­liche Türkenbild insgesamt. 50 Margaret Jubb, The legend of Saladin in western literature and historiography, Lewiston 2000, S.  19 ff. 51 Peter Thorau, Sultan Baibars im Urteil abendländischer Quellen, in: Saeculum 40 (1989), S. 56 – 69, S. 57, 68.

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Im Gegensatz zur Forschungsliteratur ist die Quellenlage für die Zeit der Kreuzzüge durchaus zufriedenstellend. Zwar wechselt die Menge des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials je nach Zeitraum, eine Lücke klafft aber nie. Für viele Ereignisse verfügen wir zudem über Berichte von Augen- oder zumindest von Zeitzeugen. Die große Mehrzahl der Werke stammt aus der Feder von Klerikern bzw. Mönchen. Eine Arbeit, die dem Bild vom Türken als (ritter­lichem) Gegner in der Schlacht nachgeht, hat natür­lich ein besonderes Interesse an den Aussagen der unmittelbaren Teilnehmer der Schlachten, also der Kombattanten, zumindest aber an Aussagen von dem ritter­lichen Leben nahestehenden Laien. Leider sind schrift­liche Zeugnisse, die sich zweifelsfrei Mitgliedern dieser Gruppen zuordnen lassen in der Kreuzzugschronistik die Ausnahme. Ein normannischer Ritter galt der Forschung lange als Autor der bereits angesprochenen Gesta Francorum. Es gibt allerdings Stimmen, die einen Geist­lichen als Urheber des Werkes ausmachen wollen.52 Ähn­liches gilt für die L’Estoire de la Guerre Sainte, einem Werk zum Dritten Kreuzzug, aus der Feder eines gewissen ­Ambroise. Diesen hielt man lange für einen franzö­sischen Spielmann, bevor auch hier jüngst ein Kleriker als Autor angenommen wurde.53 Bei anderen Werken ist die ursprüng­liche Urheberschaft nicht völlig geklärt, viele liegen auch nur in späteren Überarbeitungen vor. So etwa das Itinerarium ­Peregrinorum, dessen Autor wohl ein eng­lischer Teilnehmer des Dritten Kreuzzuges war, das aber nur in einer erweiterten Version aus den 1220er Jahren erhalten ist. Ein weiteres Beispiel ist die Chronik des Ernoul, deren Kernbericht über die Eroberungen Saladins ursprüng­lich von einem Adligen aus den Kreuzfahrerstaaten verfasst sein könnte, die aber nur noch in Fortsetzungen vorliegt, die Jahrzehnte ­später entstanden. Eine Quelle, die zweifelsfrei aus der Feder eines ritter­lichen Laien stammt, finden wir erst zum Kreuzzug Ludwig des Heiligen nach Ägypten, der seinen Chronisten in dem franzö­sischen Adligen Joinville fand. Joinville war Augenzeuge der Kämpfe und hinterließ einen ausführ­lichen Bericht über das Unternehmen Ludwigs.

52 Colin Morris, The Gesta Francorum as narrative history, in: Reading Medieval Studies 19 (1993), S. 55 – 71, S. 66 ff; Jean Flori, Chroniqueurs et propagandistes. Introduc­tion critique aux sources de la Première Croisade, Genf 2010, S. 70 ff, 100, 167. 53 Marianne Ailes und Malcolm Barber: The history of the Holy War. Ambroise‘s L’estoire de la Guerre Sainte, 2 Bde. (Bd. 1 Edi­tion, Bd. 2 Übersetzung), Woodbridge 2003; Bd. 2, S. 2.

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Neben den Chroniken sind auch Briefe aus der Hand von Laien bzw. Kämpfern erhalten. Die Zeilen von Männern wie dem Grafen von Blois zum E ­ rsten Kreuzzug oder König Konrads III . zum Zweiten Kreuzzug bieten zwar ein weniger umfassendes Bild als die längeren Chroniken, haben aber den Vorteil, dass sie direkt nach den beschriebenen Ereignissen verfasst wurden, während andere Autoren manchmal erst Jahre nach dem Kreuzzugsunternehmen die Feder zur Hand nahmen. Um aber überhaupt ermessen zu können, mit ­welchen Vorstellungen die ersten Kreuzfahrer den Türken gegenübertraten, soll zunächst auf die Entwicklung des Islambildes im lateinischen Europa eingegangen werden. Nur so ist es mög­lich, zu ermitteln, auf ­welchen „Erfahrungsschatz“ und ­welche gängigen Stereotypen über den Islam die Chronisten des E ­ rsten Kreuzzuges zurückgreifen konnten. Was wussten sie über die Religion Mohammeds und ­welche Erwartungshaltung verband sich bei ihnen und ihren Zeitgenossen mit den Muslimen und damit mit den Kriegern, die ihnen z­ wischen Nikäa und Askalon mit Schwert und Bogen gegenüber traten?

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2.1 Eine andere Religion: Die Entwicklung des Islambildes in Europa bis zum 13. Jahrhundert 1 Wie Richard Southern richtigerweise betont, stellte die Beschäftigung mit dem Islam für die christ­lichen Autoren im Mittelalter eine schwierige Herausforderung dar. Wie sollte man das Auftreten dieser neuen, erfolgreichen Religion erklären, w ­ elche Rolle spielte sie in der Geschichte? Handelte es sich um Heiden, Ungläubige, Schismatiker oder Häretiker? Nach Southern stellte der Islam wegen des Wohlstands vieler islamischer Gebiete und der militärischen Erfolge der muslimischen Heere für den mittelalter­lichen Gelehrten stets eine konkrete Gefahr dar, die keinen Platz für Toleranz ließ. Anders die moderne Islamwissenschaft, die, so Southern, mit dem Gefühl der Überlegenheit der west­lichen Welt den Islam betrachten konnte, der nunmehr keine Bedrohung mehr bedeutete. Hinzu kam, dass bei den christ­lichen Zeitgenossen der islamischen Eroberungen das Prinzip galt, der rechte Glaube bringe auch militärischen Erfolg mit sich. Wie also das Auftauchen, die Siege und den Wohlstand der Muslime erklären? Im Mittelalter musste man in seiner Ratlosigkeit Zuflucht bei dem suchen, was man kannte und was aller Wissenschaft Maßstab war, bei der Bibel und den Werken der Kirchenväter. Diese Texte konnten selbstverständ­lich keine Hilfe bringen, da sie allesamt älter als der Islam waren. Auch die Situa­tion der Juden, die als weitere Buchreligion eine intellektuell ähn­liche Posi­tion einnahmen, brachte keine Klärung. Die Juden waren den Christen, sowohl was ihre Anzahl als auch was die politische Macht anbetraf, unterlegen, ihre Argumente waren also leicht zu entkräften. Nicht so im Falle des Islam, der sich bald als militärisch äußerst erfolgreich und daher aus christ­licher Sicht als Bedrohung erwies.2 1 Siehe dazu: Marie Thérèse d’Alverny, La connaissance de l’Islam en Occident du IXe au milieu du XIIe siècle, in: Settimane di studio del Centro Italiano di studi sull‘ alto medioevo XII (L’Occi­dente e l’Islam nell‘ alto medioevo), Spoleto 1964, S. 577 – 602; Daniel, Islam and the West; Jean Flori, La Première Croisade. L’Occident Chrétien contre l’Islam, Brüssel 1992, S. 179 – 216; Benjamin Z. Kedar, Crusade and mission. European approaches toward the Muslims, Princeton 1984; John C. Lamoreaux, Early eastern Christian responses to Islam, in: John Victor Tolan (Hg.), Medieval Christian Percep­tions of Islam. A book of essays, New York 1996, S. 3 – 31; Ekkehard Rotter, Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter, Berlin 1986; Southern, Islambild; Tolan, Saracens. 2 Southern, Islambild, S. 10 – 12.

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In dem Jahrhundert nach dem Tod Mohammeds 632 drangen islamische Armeen nicht nur bis tief nach Asien hinein vor, sondern überrannten vor allem auch viele bis dahin christ­liche Gebiete an der Süd- und Ostküste des Mittel­ meeres. Getragen von religiösem Sendungsbewusstsein entrissen die Heere der frühen Kalifen dem Byzantinischen Reich Syrien, Palästina und Ägypten (634 – 646), Nordafrika (698), unternahmen Raubzüge nach Anatolien und belagerten mehrmals Konstantinopel (668/69, 674 – 78, 717/18). 711 überschritt eine islamische Armee die Straße von Gibraltar und zerschlug das Reich der Westgoten. Einfälle in das Frankenreich, Überfälle auf Küstenstädte sowie die Eroberung von Sizilien und Kreta (9. Jh.) folgten. Angesichts des Ausmaßes dieser nicht nur militärischen Bedrohung, sondern auch des beispiellosen Erfolges einer rivalisierenden Buchreligion verwundert die zunächst relativ verhaltene, ja von Desinteresse gezeichnete Reak­tion christ­ licher Gelehrter in Europa. In den ersten Jahren seiner Expansion scheint der Islam von der römischen ­Kirche und von Pilgerreisenden ins Heilige Land zwar als politische Macht wahrgenommen worden zu sein, nicht aber als religiöser Konkurrent. So fehlt bei dem fränkischen Bischof Arkulf, der als Pilger um 679/82 das Heilige Land besuchte, außer der Feststellung, dass es sich bei den Arabern um Ungläubige handele, jede Informa­tion über die neue Religion. Ebenso findet sich keine Klage über die nichtchrist­lichen Machthaber, im Gegenteil, sie werden durchaus positiv beschrieben. Auch der Angelsachse Willibald, der 723 – 27 Palästina bereiste und s­ päter erster Bischof von Eichstätt werden sollte, berichtet nichts über die Religion der Muslime. Klagen über seine zweimalige Gefangenschaft wegen eines Spionagevorwurfs fehlen, Spannungen z­ wischen Christen und Muslimen werden nur einmal angedeutet.3 Im frühen achten Jahrhundert waren die Muslime für Beda Venerabilis (673/74 – 735) im angelsäch­sischen England nur eine entfernte und unklare Bedrohung.4 Er beschäftigte sich hauptsäch­lich mit deren Herkunft und mit 3 Rotter, Abendland und Sarazenen, S. 31 ff, S. 43 ff; zu den Pilgerreisen dieser Zeit siehe auch: Sabine Penth, Die Reise nach Jerusalem. Pilgerfahrten ins Heilige Land, Darmstadt 2010, S.  75 ff. 4 Heinrich Bacht, Wolfgang Becker u. a., Beda Venerabilis, in: LexMA, Bd. I, Sp. 1774 ff; Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, hrsg. u. übers. von Günter Spitzbart, 2 Bde., Darmstadt 1982, V, XXIII, Bd. 2, S. 532: „Quo tempore gravissima Sarracenorum lues Gallias misera caede vastabat, et ipsi non multo post in eadem provincia dignas suae perfidiae poenas luebant“; Bedae Venerabilis, Expositio Actuum Apostolorum et Retractatio, hrsg. von M. L. W. Laistner, Cambridge 1939, VII: 43, S. 34; Beda Venerabilis, Nomina Regionum atque

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theoretischen Diskussionen, etwa mit der Schreibweise von Namen.5 Auch Hrotsvitha von Gandersheim stellt in der Mitte des 10. Jahrhunderts in ihrem Gedicht Pelagius die Sarazenen unter Rückgriff auf antik-­heidnische Bilder noch als heidnische Götzendiener dar.6 Gelegent­liche engere Kontakte, wie etwa die Gesandtschaft des Johannes von Gorze nach Cordoba, wurden nicht zu einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Islam genutzt und es kam zu keinem wirk­lichen Austausch unterhalb der politischen Ebene.7 Die Dichtung der Nonne aus Gandersheim dürfte viel eher die Vorstellungswelt dieser Zeit widerspiegeln als die Aufzeichnungen über die Gesandtschaft aus Gorze.8 Das Interesse an der islamischen Religion war zu dieser Zeit im Europa nörd­lich der Pyrenäen gering. Die Sarazenen waren für die Westeuropäer nur eine Gruppe von Invasoren, Ungläubige, nicht anders als die heidnischen Wikinger, Awaren oder Ungarn. Im Gegensatz zu den heidnischen Völkern Nordeuropas waren die Muslime in dieser Zeit nicht einmal das Ziel von Missionierungsversuchen.9 Das Islambild des am Vorabend der Kreuzzüge noch weitgehend desinteres­ sierten lateinischen Europa sollte entscheidend von den Werken der Autoren geprägt werden, die als erste direkt mit der neuen Religion und den neuen Machtverhältnissen in Berührung kamen, den Christen in Syrien und Palästina und den Gelehrten in Konstantinopel. Auch in den frühesten öst­lichen Werken sucht man vergeb­lich eine Auseinan­ dersetzung mit der islamischen Religion. Nicht einmal religiöse Motive der Invasoren werden in den erhaltenen Schriften genannt. Zunächst sah man die muslimische Herrschaft als Strafe Gottes für die eigenen Sünden und hielt sie, wie Sophronius, Patriarch von Jerusalem, nur für ein kurzfristiges Zwischenspiel.10 Nachdem aber bald klar wurde, dass die muslimische Herrschaft mehr als eine vorübergehende Erscheinung war, stellten einige Autoren die islamischen Locorum de Actibus Apostolorum, in: Spitzbart (Hg.), Beda Venerabilis, Historia, S. 149, 152, 157. 5 Southern, Islambild, S. 19 f. 6 Hrotsvithae Opera, hrsg. von Helene Homeyer, Paderborn 1972, S. 123 ff, Z. 34, 37 f, 70, 84, 94, S. 249, 254. 7 Helmut G. Walter, Der gescheiterte Dialog: Das ottonische Reich und der Islam, in: Albert Zimmermann, Ingrid Craemer-­Ruegenberg (Hg.), Orienta­lische Kultur und Euro­päisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), Berlin 1985, S. 20 – 44, S. 42. 8 Johannes von St. Arnulf, Vita Iohannis abbatis Gorziensis, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 4 (Annales, chronica et historiae aevi Carolini et Saxonici), Hannover 1841, S. 335 – 377, S. 371; S. 373; S. 376. 9 Kedar, Crusade and Mission, S. 6 ff bietet einen Überblick über verschiedene Erklärungsversuche für diese Tatsache. 10 Tolan, Saracens, S. 42 f.

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Invasionen als Beginn des Endes der Zeit dar. In der Apokalypse des Pseudo-­ Methodius ist die muslimische Herrschaft ein Teil des Dramas der letzten Tage, eine Strafe Gottes für sexuelle Sünden und ein Mittel, um die wahren Christen zu erkennen. Der heidnische und barbarische Islam ist für ihn ein Vorbote des Antichrists; einen Versuch, sich mit der Religion auseinanderzusetzen unternimmt aber auch er nicht.11 Allerdings wurden die neuen Machthaber nicht von allen in so düsteren Farben gesehen. Die unter der byzantinischen Herrschaft verfolgten christ­lichen Gruppen, wie die Jakobiten, Nestorianer oder die Monophysiten, die in den ehemals byzantinischen Gebieten teilweise die Orthodoxen an Zahl übertrafen, freundeten sich sehr schnell mit der toleranten muslimischen Herrschaft an. Jetzt profitierten auch sie von der Mög­lichkeit der freien Religionsausübung. Dementsprechend war der Islam für Dionysius von Tel-­Mare, einen syrischen Monophysiten, die von Gott gesandte Geißel gegen die byzantinischen Häretiker. In Konstantinopel dagegen sah man die Mohammedaner wiederum als Strafe Gottes für die syrischen Abweichler. Obwohl Anastasius, ein Mönch aus dem Sinai, Ende des siebten Jahrhunderts die Araber als teuf­lische Dämonen darstellte, waren für ihn immer noch die Monophysiten die eigent­lichen Gegner.12 Erst als sich der Islam mehr und mehr etablierte, wurde er zunehmend als ernsthafter religiöser Gegner wahrgenommen und die älteren Erklärungsver­ suche genügten nicht mehr. Weil immer mehr Christen zum Islam konvertierten, waren die christ­lichen Gelehrten gezwungen, sich mit der neuen Religion und ihrem beispiellosen Erfolg auseinanderzusetzen. Die Tendenz, die fremde Lehre in Polemiken zu deformieren, begann mit den Werken des Johannes von ­Damaskus (um 675 – 749) und Theodors Abū Qurrah (um 750 – 820/25).13 Obwohl, oder weil, Johannes’ Werk in einfacher Sprache geschrieben war und den Christen im täg­lichen Leben als Handreichung gegen gängige ­islamische Vorwürfe dienen sollte,14 um sie von der Konversion abzuhalten, wurden hier die Grundlagen für das Islambild späterer Jahrhunderte gelegt.15 Für den ­syrischen Mönch war der Islam keine neue Religion, sondern die letzte von hundert 11 Ebd., S. 46 ff. 12 Ebd., S. 40, 43. 13 Johannes Damaskenos und Theodor Abū Qurrah, Schriften zum Islam, hrsg. u. übers. von Reinhold Glei und Adel Theodor Khoury (Kommentierte griechisch-­deutsche Textausgabe), Würzburg 1995, S.11, 47. 14 Siehe auch zahlreiche fiktive Streitgespräche bei Theodor Abū Qurrah, Opuscula Ismalica, in: ebd., S.  88 – 183. 15 Ebd., S. 50 ff, S. 58 ff; Daniel, Islam and the West, S. 3 f.

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christ­lichen Häresien. Der, so Johannes, „falsche Prophet“ Mohammed, für dessen Offenbarungen es nicht einmal Zeugen gäbe, sei von einem häre­ tischen, arianischen Mönch beeinflusst worden.16 Mit dieser Geschichte, die auch Guibert von Nogent im 12. Jahrhundert noch verwendet, 17 versucht Johannes, die islamische Lehre zu diskreditieren, indem er sie mit bekannten christ­lichen Häresien in Verbindung bringt. Auf den muslimischen Vorwurf, bei der Verehrung des Kreuzes handele es sich um Götzendienst, antwortet Johannes, wahre Götzenanbetung sei die Verehrung eines Steines, der Ka’aba in Mekka.18 Unter Verwendung des tradi­tionellen Bildes vom heidnischen, vor-­islamischen Sarazenen, das sich unter anderem bei Isidor von Sevilla findet, behauptet Johannes, unter der äußeren Fassade des Monotheismus werde nach wie vor heidnischer Götzendienst betrieben. Wie auch ihre Glaubensgenossen im Westen, griffen die Christen im Nahen Osten auf ältere Werke über die vor-­islamischen Araber zurück. Schon dort waren die Bewohner der arabischen Halbinsel als heidnische, barbarische Wilde bezeichnet worden. Diese unvorteilhafte Charakterisierung wurde gerne übernommen, weil die Autoren nicht fähig oder nicht willens waren, ­zwischen (vor-­islamischen) Arabern und Muslimen zu unterscheiden. Diese anti-­islamischen Polemiken fanden bald auch Eingang in die byzantinische Literatur. So berichtet zu Beginn des 9. Jahrhunderts Theophanes in seiner Chronik in ähn­licher Weise wie Johannes über Mohammed.19 Der Leser erfährt zwar einiges über die angeb­liche Biographie des Lehrers, nichts aber über die Lehre an sich. Darüber hinaus wurde in wohl fiktiven Briefwechseln versucht, die gängigen muslimischen Kritikpunkte am Christentum zu entkräften und den Islam zu diskreditieren. Die bekanntesten Werke dieser Art sind ein Briefwechsel ­zwischen ­Kaiser Leo III . und Kalif Umar II ., über den Theophanes ebenfalls berichtet und das Risālat al-­Kindī, ein Briefwechsel z­ wischen einem christ­lichen und einem muslimischen Mitglied des abbasidischen Hofes.20 16 Johannes Damaskenos, De haerisibus, in: Damaskenos, Abū Qurrah, Schriften zum Islam, S. 77. 17 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, IV, S. 95, Z. 275 ff. 18 Johannes Damaskenos, De haerisibus, in: Damaskenos, Abū Qurrah, Schriften zum Islam, S. 79. 19 Harry Turtledove (Übers.), The Chronicle of Theophanes. An English transla­tion of anni mundi 6095– 6305 (A. D. 602 – 813), with introduc­tion and notes, Philadelphia 1982, zum Jahr 630/631, S. 35. 20 Tolan, Saracens, S. 60 f.

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Hauptangriffspunkt der christ­lichen Autoren in Syrien und Konstantinopel war die Person Mohammeds. Man versuchte, ihn als falschen Propheten darzustellen, um so die Lehre des Islam schon an ihrer Wurzel anzugreifen. Die Biographie und der Lebenswandel Mohammeds, wie er von islamischen Schriftstellern beschrieben wurde, waren völlig entgegengesetzt zu dem, was sich ein christ­licher Mönch unter einem idealen Propheten, vor allem im Vergleich zu Jesus, vorstellte und boten daher für Polemiken zahlreiche Ansatzpunkte. Hauptangriffspunkte waren Mohammeds Sexualleben, seine politische bzw. militärische Karriere und die gewaltsame Ausbreitung des neuen Glaubens.21 Gerade weil in diesen Bereichen das Leben Mohammeds und die christ­liche Vorstellung vom Lebenswandel eines Propheten bzw. die Moralvorstellungen der Kleriker weit voneinander abwichen, genügte es, die wahre Lebensgeschichte des Propheten auszuschmücken und zu deformieren. Mohammed, in seiner Jugend ein Heide, sei durch seine Heirat mit der älteren, reichen Witwe Ḫadīǧa zum Anführer barbarischer Nomaden aufgestiegen und habe nach immer mehr Macht gestrebt. Er habe im Gegensatz zu Jesus seine Lehre mit dem Schwert verbreiten müssen, wobei seine Niederlage und Verwundung in der Schlacht von Uhud (625) ohnehin zeige, dass ihm der gött­ liche Beistand gefehlt habe. Die Heirat des Propheten mit Zaynab, die zuvor die Frau seines Adoptivsohnes gewesen war, war eine beliebte Geschichte in den christ­lichen Polemiken  22 und allein schon die Anzahl der Frauen Mohammeds, über die verschiedene Listen kursierten, galt als skandalös.23 In der Tat gibt es in ­diesem Bereich wenige Gemeinsamkeiten z­ wischen den beiden Religionen. Das Verbot für Muslime, Schweinefleisch zu essen, wurde damit erklärt, dass der Prophet nach einem epileptischen Anfall von Schweinen gefressen worden sei. Auch die muslimische Paradiesvorstellung war Zielscheibe für christ­liche Gelehrte.24 Der Islam wurde aufgrund des so entwickelten Bildes als Religion der Gewalt und des frivolen Luxus dargestellt, kurz, als Religion von dieser Welt, im Gegensatz zum Christentum als Religion des Jenseits. Über die byzantinische Literatur gelangten diese Vorwürfe nach und nach in den Westen, wie etwa die in der Chronik des Theophanes, die um 871 – 874 ins Lateinische übersetzt wurde.25 21 Daniel, Islam and the West, Kap. III: The Life of Muhammad: Polemic Biography, S. 79 – 108. 22 Schon bei Johannes Damaskenos, De haeresibus, in: Damaskenos, Abū Qurrah, Schriften zum Islam S. 81. 23 Daniel, Islam and the West, S. 91 ff. 24 Turtledove, Theophanes, S. 635. 25 Jean Flori, Croisade et chevalerie, XIe–XIIe siècles, Paris 1998, S. 169.

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Auch im muslimischen Spanien mussten sich die Christen mit der Religion ihrer neuen Herren auseinandersetzen. Ihre zunächst liberale Haltung gegenüber dem Islam änderte sich erst im 9. Jahrhundert, als christ­liche Kleriker von der kulturellen Blüte des Omaijaden-­Kalifats in Cordoba und der Einbindung der Bischöfe in die Politik alarmiert waren.26 In den Werken von Paulus Alvarus und Eulogius erscheinen die Sarazenen als wilde Tiere und Mohammed als Vorgänger des Antichrists. Auch finden sich bei ihnen eine, wohl wider besseren Wissens, polemisch verzerrte Biographie Mohammeds, sowie die gängigen Vorwürfe der Wollust und der Gewalt, die auch in byzantinischen Werken vorherrschen. Diese Verzerrung der islamischen Religion erstaunt angesichts der Tatsache, dass beide Autoren unter Muslimen lebten. Bezeichnend ist auch, dass sie ihre Informa­tionen über den Islam wohl aus nordspanischen, christ­lichen Quellen schöpften.27 Insgesamt blieben diese Werke aber ohne größeren Einfluss sowohl auf die Christen Spaniens als auch auf das lateinische Europa. Es ist aber natür­lich nicht auszuschließen, dass Informa­ tionen über den Islam, welcher Art auch immer, über Spanien Eingang in das Gedankengut des übrigen Europa gefunden haben. Zu denken ist hier auch an ­später weit verbreitete epische Werke, wie etwa das Rolandslied, deren Schauplatz Spanien ist.28 Eine ähn­liche Auseinandersetzung mit dem Islam wie sie zuerst im Nahen Osten, dann in Byzanz und in Spanien erfolgt war, fehlte in Westeuropa bis zum 12. Jahrhundert fast völlig. Werke über den Islam waren vor den Kreuzzügen im lateinischen Europa sehr rar, es bestand offensicht­lich kaum Interesse, sich mit der anderen Religion zu beschäftigen. Wenn die Sarazenen überhaupt Gegenstand der Beschäftigung waren, setzte man sie eher mit den antiken Heiden gleich. Dennoch stand mit der Zusammenfügung der byzantinischen und nahöst­lichen Polemiken und Verleumdungen, der Informa­tionen aus Spanien und der Werke der Kirchenväter über die heidnischen Araber der Nährboden für das Islambild des west­lichen Europa in der Zeit der ersten Kreuzzüge bereit. Kedar weist allerdings darauf hin, dass in westeuro­päischen Quellen des 7. bis 11. Jahrhunderts immer wieder zahlreiche erstaun­lich wahrheitsgetreue Informa­tionen über den Islam zu finden sind.29 So wusste etwa Gregor VII. vom 26 Southern, Islambild, S. 20 ff; Tolan, Saracens, S. 78 ff. 27 Southern, Islambild, S. 24. 28 Siehe dazu: Jo Ann Hoeppner, Moran Cruz, Popular attitudes towards Islam in medieval Europe, in: David R. Blanks, Michael Frassetto (Hg.), Western views of Islam in medieval and early modern Europe. Percep­tion of other, New York 1999, S. 55 – 81. 29 Kedar, Crusade and Mission, S. 29 ff.

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strengen Monotheismus des Islam 30 und Ademar von Chabannes (ca. 989 – 1034) bezeichnet die Sarazenen zwar als Häretiker, Günstlinge des Antichrist und geißelt ihre Sexualmoral, weiß aber, dass sie Gott als Einheit und nicht als Trinität verehren.31 Kedar und andere halten es daher für unangebracht, die Zeit bis 1100 wie Richard Southern als „Zeitalter der Unwissenheit“32 zu bezeichnen. Treffender sei es, von mangelndem Interesse zu sprechen.33 Vor allem geographische und politische Gründe ­seien Ursache ­dieses Desinteresses. So habe Konstantinopel näher an den Zentren des Kalifats gelegen, die Bedrohung an seiner Grenze sei stärker gewesen und die große Zahl von Ostchristen unter muslimischer Herrschaft habe eine Beschäftigung mit dem Islam gefördert.34 Mit der beginnenden Reconquista in Spanien und vor allem mit den Kreuzzügen verschwand das Desinteresse in Europa allerdings recht schnell. Zwar muss Guibert von Nogent noch für den Beginn des 12. Jahrhunderts den Mangel wissenschaft­licher Werke über den Islam beklagen und sich auf münd­liche Überlieferungen stützen,35 doch schon in den nächsten Jahren entstanden neben den Kreuzzugschroniken, die sich unterschied­lich intensiv mit dem fremden Glauben beschäftigten, zahlreiche Werke und Abhandlungen über den Islam. Auch im lateinischen Europa lag das Zentrum des Interesses der meisten Autoren bei dem Religionsgründer Mohammed. Die öst­liche Tradi­tion der Deformierung von Mohammeds Biographie und die Darstellung des Islam als Häresie bildeten die Basis, wurden von den Autoren aber in verschiedenem Ausmaß und in unterschied­lichen Ausgestaltungen übernommen und darüber hinaus lebendig und detailreich ausgeschmückt. Vorherrschend waren auch hier die genannten Stereotypen Gewalt, Wollust und Götzendienst. Der Islam wurde im Prinzip zum negativen Spiegelbild des Christentums deformiert, man stellte die fremde Religion durch die Perversion des Bekannten dar.36 30 Brief Gregors VII. an König Anazir von Mauretanien, in: MGH Epp. Sel. II, 1, S. 287 f; ­D’­Alverny, La connaissance de l’Islam, S. 596. 31 Michael Frassetto, The Image of the Saracen as heretic in the sermons of Ademar of ­Chabannes, in: Michael Frassetto, David R. Blanks (Hg.), Western views of Islam in medieval and early modern Europe. Percep­tion of other, New York 1999, S. 83 – 96, S. 83 f, 88 f. 32 Southern, Islambild, S. 10 ff. 33 Kedar, Crusade and Mission, S. 35; Flori, Première Croisade, S. 183; Frassetto, Image of the Saracen, S. 83 f, 91; Bernard Hamilton, Knowing the enemy: Western understanding of Islam at the time of the Crusades, in: Journal of the Royal Asiatic Society (Third Series) 7 (1997), S. 373 – 387, S. 373. 34 Kedar, Crusade and Mission, S. 35 ff. 35 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, III, S. 94, Z. 250 ff. 36 Sothern, Islambild, S. 27.

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Zu den eher gelehrten Werken innerhalb ­dieses Genres zählten die Dialogi contra Iudaeos des Spaniers Petrus Alfonsi, die bald zu dem am weitesten verbreiteten Text über den Islam avancierten 37 und in denen der Autor versuchte, die islamische Lehre argumentativ zu widerlegen. Alfonsi, ein konvertierter Jude aus dem muslimischen Teil Spaniens konnte sich dabei auch auf eigenes Wissen über den Islam und auf noch nicht ins Lateinische übersetzte Werke stützen, wie das Risālat al-­Kindī.38 Aufgrund ­dieses Wissensvorsprungs übertrafen die Dialogi zu ­diesem Zeitpunkt daher in Sachen Kenntnis des Islam alle vergleichbaren lateinischen Werke.39 Andere Schriften enthielten neben zum Teil erstaun­lich korrekten Informa­tionen lebendige und detailreiche Ausschmückungen von Mohammeds Leben. So berichten Wilhelm von M ­ almesbury 40 oder Guibert von Nogent über den strengen Monotheismus oder die Verehrung Mohammeds als Propheten,41 Guibert bringt aber auch die üb­lichen Geschichten über Tricks des Propheten mit denen dieser Wunder vorgetäuscht habe.42 In anderen populären Werken wurde die Biographie Mohammeds mit seiner polemischen Darstellung als Scharlatan oder Magier noch weiter verzerrt. Zu nennen wären hier die Vita Mahumeti Embrichos von Mainz 43 oder die Vita Machumeti von Adelphus.44 Zielpublikum dieser Werke waren die Christen im Abendland, aufgrund der zahlreichen Entstellungen hätte keine der Schriften die Grundlage zur Diskussion mit einem Muslim bilden können. Daneben trat die von Guibert erwähnte und kritisierte münd­liche Tradi­tion. Dabei handelt es sich wohl um volkstüm­liche Erzählungen, die Vorläufer der erst ­später schrift­lich fixierten Heldenepen, der Chansons de Geste, die sich im 37 Tolan, Saracens, S. 136.; John Victor Tolan, Petrus Alfonsi and his medieval readers, Gainesville 1993, S. XIVf, S. 98. 38 Tolan, Petrus Alfonsi, S. 28. 39 Ebd. 40 Siehe dazu: Rodney M. Thomson, William of Malmesbury and some other western writers on Islam, in: Medievalia et Humanistica 6 (1975), S. 179 – 187. 41 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, III, S. 94, Z. 245 ff und I, IV, S. 100, Z. 408 ff. 42 Ebd., I, IV, S. 97, Z. 335 ff. 43 Zu Embricho siehe John Victor Tolan, Anti-­Hagiography: Embricho of Mainz’s Vita Mahumeti, in: Journal of Medieval History 22 (1996), S. 25 – 41; Ekkehart Rotter, Embricho von Mainz und das Mohammed-­Bild seiner Zeit, in: Franz Staab (Hg.), Auslandsbeziehungen unter den sa­lischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik, Speyer 1994, S. 69 – 136. 44 Adelphus, Vita Machumeti, hrsg. von Bernhard Bischoff: Ein Leben Mohammeds (Adelphus?), in: Bernhard Bischoff (Hg.), Anecdota Novissima. Texte des vierten bis sechzehnten Jahrhunderts (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters, Bd. 7), Stuttgart 1984, S. 106 – 122: Die einzige erhaltene Handschrift stammt aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, über die Person des Verfassers, dessen Name nicht gesichert ist, ist sonst nichts bekannt.

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12. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten. Tatsäch­lich präsentieren diese Lieder einen als Gott verehrten Mohammed und einen im Übrigen polytheis­ tischen Islam. Eine klare Unterscheidung z­ wischen dem eher populären Bild des Götzen­dieners und dem eher theolo­gisch-­gelehrten Bild vom Islam als Häresie ist kaum mög­lich.45 Ein gutes Beispiel hierfür bietet Wilhelm von Malmesbury. In seinen Gesta Regum Anglorum weiß der gelehrte eng­lische Chronist zwar zu berichten, dass Mohammed nicht als Gott verehrt wird, erwähnt aber wenig ­später eine Mohammed-­Statue im Tempel in Jerusalem.46 Selbst Autoren wie Fulcher von Chartres (von dem Wilhelm die Stelle wohl übernahm) oder Radulph von Caen, die im Nahen Osten lebten und es besser wissen mussten, berichten über Götzenbilder Mohammeds.47 Während das Bild vom gewaltbereiten Islam noch durchaus aus dessen Geschichte zu erklären ist, verwundert das hartnäckige Festhalten am Bild vom Polytheismus und Götzendienst. In der Forschung ist umstritten, warum sich diese falschen Stereotype so hartnäckig halten konnten. Dabei reichen die Erklärungsversuche von einem Unterlegenheitsgefühl der Christen gegenüber der arabischen Kultur 48 bis zu einem Überlegenheitsgefühl angesichts der Eroberung von Jerusalem.49 In diese letztere Richtung tendieren auch die Ansichten, die die Darstellung der Sarazenen der Kreuzzugspropaganda bzw. ideolo­gischen Gründen geschuldet sehen. So argumentiert Jean Flori im Falle der Heldenepen, ­dieses falsche und doch so präzise ausgeschmückte Bild könne, angesichts der streng monotheistischen und bilderfeind­lichen Mohammedaner, nicht alleine durch die künstlerische Freiheit erklärt werden.50 45 Tolan, Saracens, S. 136 f. 46 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, hrsg. u. übers. von R. A. B. Mynors, R. M. Thomson, M. Winterbottom, 2 Bde., Oxford 1998, II, 189, 1, Bd. 1 S. 339 f und IV, 367, 3, Bd. 1, S. 641. 47 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, I, XXVII, 2, S. 294; Radulph von Caen, Gesta Tancredi in expedi­tion Hierosolymitana, in: RHC occ. Bd. III, Paris 1866, CXXIX, S. 695F: „Stabat in excelsum simulacrum fusile throno scilicet argentum grave…Nam gemmis totus et ostro Mahummed redimitus erat, radiabat et auro. “ 48 David R. Blanks, Western views of Islam in the premodern period: A brief history of past approaches, in: David R. Blanks, Michael Frassetto (Hg.), Western views of Islam in medieval and early modern Europe. Percep­tion of other, New York 1999, S. 11 – 53, S. 14. 49 Penny Cole, O God, the heathen have come into your inheritance: The theme of religious pollu­tion in crusade documents 1095 – 1188, in: Maya Shatzmiller (Hg.), Crusaders and ­Muslims in twelfth-­century Syria, Leiden 1993, S. 84 – 111, S. 84 ff. 50 Flori, Croisade et chevalerie, S. 165.

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Flori widerspricht hier der Meinung Norman Daniels, die Spielleute hätten nicht das Ziel gehabt, ihre Zuhörer glauben zu machen, dass der Islam so aufgebaut sei. Vielmehr, so Flori, hätten es die mittelalter­lichen Christen geglaubt und die ­Kirche und die Schreiber hätten diesen Prozess gefördert, auch wenn sie es, zumindest teilweise, nicht selbst geglaubt hätten. 51 Nach Flori handelt es sich um eine bewusste, ideolo­gisch geförderte Verleumdung. Dabei habe es auch keine Rolle gespielt, dass manche Vorwürfe, wie etwa der Götzendienst, so augenschein­lich der Realität widersprachen. Die „Wahrheit“ sei der ideolo­gische Befehl gewesen, dem sich die Tatsachen hätten anpassen müssen.52 Eine ­solche Annahme macht vor allem im Zusammenhang mit der Kreuzzugswerbung Sinn, konnte man doch so die christ­lichen Scharen mit bib­lischen Kämpfern oder Märtyrern gleichsetzen. In d ­ iesem Sinne betont auch John Tolan, dass die Kämpfe im Heiligen Land einen lebendigen und farbenfrohen Feind in den Chroniken verlangt hätten, gegen den der Krieg gerechtfertigt sei.53 Als vielsagender Beleg dieser Ansichten kann wieder Guibert von Nogent herangezogen werden. Bevor er zu seinem Bericht über Mohammed und den Islam ansetzt, macht er darauf aufmerksam, dass es eigent­lich keinen Unterschied mache, ob die Geschichten, die man über Mohammed erzähle, wahr oder falsch ­seien. Schließ­lich könne man von einem Mann, der so viel Böses getan habe, ruhig schlecht reden.54 Diese Aussage beweist, dass die Wahrheit, die, wenn auch mit Mühe, durchaus zu ermitteln war, erst an zweiter Stelle kam und dass die Verfügbarkeit von akkuraten Informa­tionen noch nichts über deren Verwendung aussagt. Gleichwohl heißt dies nicht, dass hinter alldem ein umfassender Plan zur Verunglimpfung des muslimischen Feindes stand. Es wird sich wohl um eine Mischung aus Unwissen, eingeschränkter Informa­tion über den Orient, näm­lich Quellen über die vorislamischen Araber oder die antiken Christenverfolgungen, und die zu allen Zeiten üb­liche Herabsetzung des Feindes durch Propaganda gehandelt haben. Einen neuen Impuls erhielt die Beschäftigung mit dem Glauben der Muslime daher auch nicht aus dem Osten sondern aus Südwest-­Europa. Nach der Eroberung Toledos durch christ­liche Heere 1085 hatte sich hier ein Zentrum für die 51 Ebd., S. 171; Daniel, Islam and the West, S. 19. 52 Flori, Croisade et chevalerie, S. 175. 53 John Victor Tolan, Muslims as pagan idolaters in chronicles of the First Crusade, in: David R. Blanks, Michael Frassetto (Hg.), Western views of Islam in medieval and early modern Europe. Percep­tion of other, New York 1999, S. 97 – 117, S. 98 f. 54 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, III, S. 94, Z. 250 ff.

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Übersetzung arabischer Werke ins Lateinische gebildet. Zwischen 1116 und 1187 entstanden nicht weniger als 116 Übersetzungen.55 Hier gab Petrus Venerabilis, Abt von Cluny, im Jahre 1142 die erste lateinische Koranübersetzung in Auftrag. Wenn auch die Übersetzung an vielen Stellen fehlerhaft war,56 ging man nun bei der Auseinandersetzung mit und der Argumenta­tion gegen den Islam zum ersten Mal von Originalzeugnissen aus. Petrus‘ Darstellung Mohammeds und seiner Lehre als vom Satan geschaffene Häresie in seinen zwei anti-­islamischen Traktaten 57 brachte nichts wesent­lich Neues, der Abt von Cluny hielt aber immerhin die Muslime für fähig, die christ­liche Wahrheit zu erkennen.58 Im 13. Jahrhundert lagen die Werke fast aller großen muslimischen Philosophen in Latein vor. Die Kenntnis der Arbeiten von Avicenna, Averroes und anderen förderte im Westen die Ansicht von Männern wie Wilhelm von Rubruk, Ramon Llull, Roger Bacon oder Thomas von Aquin, es müsse mög­lich sein, den Muslimen die christ­liche Wahrheit mit Hilfe ra­tionaler Argumenta­tion und der scholastischen Theologie zu vermitteln, zumindest müsse man aber in der Lage sein, den fremden Glauben auf diese Weise zu widerlegen.59 Damit griff man im Grundsatz den von Petrus Venerabilis ein Jahrhundert zuvor entwickelten Gedanken auf, dass Muslime die christ­liche Wahrheit erkennen könnten.60 Trotz zunehmend breiter Kenntnisse, etwa auch über die gängige islamische Kritik an der christ­lichen Lehre, nutzten die Autoren aber zum Teil noch die alten Darstellungen Mohammeds für ihre Argumenta­tion.61 Auch ist es unwahrschein­lich, dass etwa Thomas von Aquin je Zugang zu einer Koranübersetzung hatte.62 55 Charles F. Burnett, Some Comments on the transla­tion of works from Arabic into Latin in the mid-­twelfth century, in: Albert Zimmermann, Ingrid Craemer-­Ruegenberg (Hg.), Orienta­lische Kultur und euro­päisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), Berlin 1985, S. 161 – 171. 56 Ludwig Hagemann, Die erste lateinische Koranübersetzung- Mittel zur Verständigung ­zwischen Christen und Muslimen im Mittelalter?, in: Albert Zimmermann, Ingrid Craemer-­Ruegenberg (Hg.), Orienta­lische Kultur und euro­päisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), Berlin 1985, S. 45 – 58, S. 51 ff. 57 John V. Tolan, Peter the Venerable on the diabolical heresy of the Saracens, in: Alberto F ­ erreiro (Hg.), The devil, heresy and witchcraft in the middle ages. Essays in honor of Jeffrey B. Russell (Cultures, Beliefs and Tradi­tion 6), Leiden 1998, S. 345 – 367. 58 Tolan, Saracens, S. 155 ff, S. 161. 59 Ebd., S. 221, 226. 60 James Waltz, Muhammad and the Muslims in St. Thomas Aquinas, in: The Muslim World 66 (1976), S. 81 – 95, S. 90. 61 Thomas von Aquin, Summa contra gentiles, hrsg. u. übers. von Karl Albert, Paulus Engelhardt u. a., 4 Bde., Darmstadt 1974 – 1996 (Sonderausgabe 2001), Bd. 1, S. 23 f. 62 Waltz, Thomas Aquinas, S. 87.

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Nun wurde auch zum ersten Mal die Bekehrung der Muslime als Lösung des Glaubensgegensatzes erwogen. Testgebiet für Bekehrungen war die iberische Halbinsel, wo durch Eroberungen zahlreiche Muslime unter christ­liche Herrschaft geraten waren.63 Bei den Bekehrungsversuchen taten sich besonders die Orden der Franziskaner und Dominikaner hervor. Die Missionare lernten nun auch arabisch und hebräisch, studierten Talmud und Koran. Jakob von Vitry und Oliver von Paderborn waren zur Zeit des fünften Kreuzzuges durchaus guter Dinge, einen endgültigen Erfolg über den Islam erzielen zu können.64 Zu dieser optimistischen Grundhaltung trug auch das Auftreten der heidnischen Mongolen bei, die den Muslimen empfind­liche Niederlagen beibrachten, 1258 das Kalifat der Abbasiden in Bagdad auslöschten und so die Hoffnung der Christen nährten, der Islam sei am Ende. Gleichzeitig erweiterte sich das geographische Wissen durch Reisen nach Asien enorm und zeigte den Gelehrten, dass es eine weitaus größere Anzahl Nichtchristen, aber auch Nicht-­ Muslime d. h. Angehöriger weiterer Religionen gab, als bisher angenommen.65 Es wäre aber verfehlt, anzunehmen, das veränderte Islambild der Gelehrten habe sich allgemein durchgesetzt. Auch in der Mitte des 13. Jahrhunderts konnte man Saladin noch eine Rede in den Mund legen, in der er Mohammed als seinen Gott anruft.66 Wenn das 13. Jahrhundert für die christ­lichen Gelehrten auch verheißungsvoll begonnen hatte, so setzte sich gegen Ende des Jahrhunderts doch eine pessimistische Grundhaltung durch. Die Bekehrungsversuche hatten nicht den erhofften Erfolg gebracht, nicht zuletzt auch deshalb, weil alle vernünftigen Argumenta­tionsmuster (samt den vermuteten Gegenargumenten) in den Schreibstuben entwickelt worden waren und sich in der Diskussion mit Muslimen nicht durchsetzen konnten. Dass diese sich auch den vermeint­ lich ra­tionalen Argumenten nicht zugäng­lich gezeigt hatten, brachte ihnen den Vorwurf der Irra­tionalität und Minderwertigkeit seitens der christ­lichen Gelehrten ein. Die Texte der großen muslimischen Philosophen ließen sich mit dieser Meinung schlecht vereinbaren, sodass sich Männer wie Ramon Martí oder Riccoldo von Montecroce zu der Auffassung retteten, die berühmten islamischen Gelehrten, wie etwa Avicenna, hätten den Koran insgeheim 63 Tolan, Saracens, S. 233. 64 Ebd., S. 199. 65 Southern, Islambild, S. 33 f. 66 Récits d’un Ménestrel de Reims au treizième siècle, VI, 35, S. 18, hrsg. von Natalis de Wailly, Paris 1876.

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abgelehnt.67 Die schlechten Nachrichten wurden durch den endgültigen Verlust des Heiligen Landes 1291 und den Übertritt der mongo­lischen Il-­Chane in Persien zum Islam 1295 vervollständigt. Dies führte auf christ­licher Seite zu Pessimismus und Desillusion, die wiederum Gleichgültigkeit und Phantasie in Bezug auf den Islam neuen Auftrieb verliehen. Diese weitere Entwicklung braucht hier nicht verfolgt zu werden, da mit der Eroberung Akkons 1291 die letzte große Bas­tion der Lateiner im Osten gefallen und das Zeitalter der Kreuzzüge in den Orient zu Ende gegangen war. Für den von der Arbeit umfassten Zeitraum bleibt damit festzuhalten, dass die Kreuzzüge in den Orient nicht unbedingt zu einem besseren Wissen über den Islam (zumindest nicht auf breiter Basis) führten, wohl aber zu einem gesteigerten Interesse und dass bald eine große Anzahl Werke zum Islam zur Verfügung standen. Obwohl wahrheitsgemäße Informa­tionen in zunehmendem Maße zugäng­lich wurden, bestimmten die hartnäckige, über Jahrhunderte gewachsene Vorstellung vom heidnischen Götzendienst, die Verleumdungen über Mohammeds Leben und die Bezeichnung als Häresie, sowie das Stereotyp einer gewalttätigen, frivolen, welt­lichen Religion das Islambild der Kreuzzugszeit. Dies gilt sowohl für münd­lich tradierte Erzählungen und Heldenlieder, mit denen auch das einfache Volk in Kontakt kam, als auch für die Werke vieler Gelehrter, unabhängig von der Tatsache, ob man es nicht besser wusste oder ob man das falsche Bild zu ideolo­gischen Zwecken bewusst bestehen ließ oder sogar förderte. Es ist damit sehr wahrschein­lich, dass die Chronisten, die als Augenzeugen am ­Ersten Kreuzzug teilnahmen, vor ihrer Kreuznahme wohl die von Guibert von Nogent s­ päter bemängelte öffent­liche Meinung teilten, waren sie doch einfache Kleriker oder Soldaten.68 Auch für die weiteren Kreuzzüge dürfte für die breite Masse der Kreuzfahrer ähn­liches gelten, wenn auch die Mög­lichkeit, wahre Informa­tionen zu erhalten besonders für gebildete Kreuzfahrer, also meist Kleriker, mit der Zeit gestiegen sein dürfte.

2.2 Eine andere Art zu kämpfen: Berittene Bogenschützen Nicht nur die Religion trennte Kreuzritter und Türken, sondern auch eine völlig unterschied­liche Kampfweise. Wenn Radulph von Caen in seiner Chronik über den ­Ersten Kreuzzug, den Gesta Tancredi, von den kriegerischen 67 Tolan, Saracens, S. 241, 249. 68 Flori, Croisade et chevalerie, S. 171; Tolan, Muslims as pagan Idolaters, S. 111.

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Auseinandersetzungen der Kreuzfahrer mit den Türken erzählt, spricht er oft symbo­lisch vom Kampf der Lanze gegen den Bogen.69 Damit bringt er in prägnanter Form den grundlegenden Unterschied in der Kampfweise dieser beiden Gegner zum Ausdruck. In der Schlacht suchten die mit Kettenhemd, dem großen normannischen Schild und dem Helm geschützten Ritter die Entscheidung durch den Frontalangriff mit der unter dem Arm eingelegten Lanze und das anschließende Handgemenge. Nach France war der Erste Kreuzzug sogar der entscheidende Wendepunkt hin zu dieser Art des Lanzeneinsatzes. Während man auch früher schon die Lanze unter den Arm eingelegt habe – die natür­liche Haltung ein solch schweres Objekt zu halten –, sei das eigent­lich Neue der massenhafte und koordinierte Einsatz dieser Technik gewesen, die bei der Schlacht von Hastings 1066 noch in den Kinderschuhen gesteckt habe. Da dem Mittelalter stehende Heere unbekannt waren, hätten erst die zunehmende Disziplin und die gemeinsame Kampferfahrung auf dem langen Marsch dem Kreuzfahrerheer diesen koordinierten Einsatz ermög­licht.70 Die Türken hingegen kämpften als berittene Bogenschützen mit ihrem aus Horn, Sehnen und Holzschichten gefertigten Kompositbogen, der im Westen unbekannt war und den sie aus vollem Gallopp und auch nach hinten betätigen konnten. Im Unterschied zu den Panzerreitern des Westens suchten die Türken im Kampf zunächst die Distanz zu wahren, Angriffen auszuweichen und die Moral des Feindes durch Pfeilsalven zu zermürben. Ein Elitesoldat konnte in zweieinhalb Sekunden bis zu fünf Pfeile abschießen.71 Die Kombina­tion aus schnellen Manövern mit dem effektiven Einsatz des Bogens machte die Türken zu schwer bezwingbaren Gegnern. Ihre hohe Mobilität benutzten die türkischen Reiter zu Angriffen auf die Flanke und in den Rücken des Feindes, auch Attacken auf das feind­liche Heer während des Marsches waren nicht unüb­lich. So waren die Kreuzfahrer manchmal über längere Zeiträume ständigen Überfällen und Pfeilbeschuss ausgesetzt. Ihre Schnelligkeit versetzte die Türken in die Lage, den Moment des 69 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, S. 640E: „Ceterum hostis sagittifer, plurimo sui numero plurimim immanis, nostro viso, latebras spernit, occurit palam, pudet catuisse qui hastas ­singulas denis et supra arcubus oppugnabat.“ 70 France, Victory in the East, S. 71, 295; John France, Technology and success of the First ­Crusade, in: Yaacov Lev (Hg.), War and Society in the Eastern Mediterranean 7th–15th Centuries (The medieval Mediterranean Peoples, Economies and Cultures, 400 – 1453), Leiden 1997, S. 163 – 176, S. 167. 71 David Nicolle, Kriegstechnologie und Waffenherstellung 1050 – 1350 n.Chr., in: Hans-­Jürgen Kotzur (Hg.), Kein Krieg ist heilig. Die Kreuzzüge, Mainz 2004, S. 97 – 115, S. 102.

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Angriffs selbst wählen zu können. Selbst wenn sie in der Unterzahl waren, versuchten die schnellen Reiter ihren Gegner wenn mög­lich zu umzingeln. Eine auch in Europa nicht unbekannte Taktik der Türken war die der vorgetäuschten Flucht. Die Reiter aus der Steppe setzten diese Technik allerdings permanent und unter Umständen mehrere Tage lang ein. Das Ziel lag darin, den Feind zu reizen, ihn zur Auflösung seiner Forma­tion und zur Verfolgung zu veranlassen. An einer geeigneten Stelle wurden die gegnerischen Krieger dann durch einen unvermuteten Angriff aus dem Hinterhalt überrascht.72 Ein Rückzug war daher für die Türken nicht weniger achtbar und ehrenvoll als der Angriff. So hatte der seldschukische Sultan Alp Arslan 1071 bei Manzikert den Byzantinern das Feld überlassen. Erst als der K ­ aiser bei Einbruch der Dunkelheit dem Heer den Befehl zur Umkehr gab und daher wegen der schlechten Sichtverhältnisse Unruhe in den Reihen entstand, griffen die Türken an und errangen einen vollständigen Sieg.73 Der Pfeilbeschuss war aber alleine nicht ausreichend, um einen Gegner zu vernichten, er konnte den Feind nur schwächen.74 Die Pfeile der Türken konnten die fränkischen Rüstungen zwar durchdringen, hatten aber oft nicht genug Durchschlagskraft, um den Träger zu töten oder auch nur schwer zu verwunden.75 Deshalb mussten auch die Türken die Entscheidung im Nahkampf suchen, aber dies im Unterschied zu den Europäern nicht sofort, sondern erst als letztes Mittel, nachdem der Feind bereits entscheidend geschwächt war. So berichtet etwa Wilhelm von Tyrus, der mit der türkischen Kampfweise vertraut gewesen sein dürfte, über blutige Handgemenge mit den Türken bei der Schlacht von Doryläum.76 Die Beschreibung von teils heftigen Nahkämpfen findet sich immer wieder in den Chroniken. Dementsprechend waren die Türken auch mit Schwertern, Speeren, Keulen und anderen Waffen für den Nahkampf ausgerüstet. Sie trugen ebenfalls Rüstungen, wenn diese auch leichter waren als die der Kreuzfahrer. Es handelte sich um Lederkoller und wattierte Wämser, die auch mit Eisenplatten verstärkt sein konnten.77 Die Tatsache, dass Rüstungen im Orient oft unter

72 Smail, Crusading warfare, S. 78 ff. 73 Alfred Friendly, The dreadful day. The Battle of Manzikert 1071, London 1981, S. 188 – 191. 74 Smail, Crusading warfare, S. 78 ff. 75 Ebd., S. 81. 76 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, hrsg. von R. B. C. Huygens, 2 Bde., Turnhout 1986, III,14, S. 215. 77 Peter Thorau, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Kriegführung ­zwischen Kreuzfahrern und Muslimen, in: Roland Marti (Hg.), Grenzkultur-­Mischkultur? (Veröffent­lichungen

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der Kleidung getragen wurden,78 erklärt vielleicht die Aussage Radulphs von Caen, die Türken hätten auf ihre Überzahl vertraut, die Franken aber auf ihre Rüstungen.79 France hat darüber hinaus nachgewiesen, dass es auf Seiten der Kreuzfahrer keinen technolo­gischen Vorteil gab, alle charakteristischen Waffen der Kreuzfahrer ­seien auch im Orient bekannt gewesen. Die geringere Verbreitung der normannischen Schilde und der Kettenhemden habe den Kreuzfahrern aber einen Vorteil im Nahkampf und in der Defensive verschafft.80 Einen weiteren Vorteil bildete nach France nicht zuletzt die höhere Motiva­tion der Christen. Gegen France und eine allzu weitgehende Nivellierung der Unterschiede in Ausrüstung und Kampfweise ­zwischen Türken und euro­päischen Rittern hat sich Thorau ausgesprochen. Zwar stimmt er mit France überein, dass es keine militärtechnische Überlegenheit der Kreuzfahrer gegeben habe, er betont aber gleichzeitig die Unterschied­lichkeit der Kampfweisen. Die Nivellierung durch France in ­diesem Bereich sei allenfalls für einzelne Aspekte aufrechtzuerhalten. 81 Dafür, dass eine allzu große Ähn­lichkeit in Ausrüstung und Kampfweisen nicht bestand, lässt sich die Aussage der Quellen ins Feld führen. Angefangen vom ­Ersten Kreuzzug fehlt es in den Kreuzzugschroniken über das ganze 12. Jahrhundert nicht an z. T. erstaunten Bemerkungen über die türkische Kampfweise. Zur Genüge wird berichtet, die Türken kämpften ohne bzw. mit leichter Rüstung, sie kämpften lieber aus der Ferne mit ihrem Bogen als im Nahkampf 82 oder die Flucht gelte bei ihnen nicht als etwas Schänd­liches.83 Auch der ständige Pfeilbeschuss durch die Türken findet immer wieder Erwähnung.84 Wären die Unterschiede nicht ins Gewicht gefallen, hätten sich viele Chronisten ihre Aussagen darüber erspart. Dies gilt umso mehr, da die Mehrzahl der Autoren Kleriker waren, die wohl meist keinen Sinn für Feinheiten der militärischen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e. V.), Saarbrücken 2000, S. 167 – 187, S. 170; France, Victory in the East, S. 149. 78 France, Victory in the East, S. 149. 79 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXI, S. 621E: “Turcos sua numero careens numerositas defendit; nostros autem loricae, scuta et galae.” 80 France, Technology and success, S. 165 ff; France, Victory in the East, S. 295. 81 Peter Thorau, Panzerreiter im Pfeilhagel? Anmerkungen zu militärtechnischer Differenz und Annäherung von Orient und Okzident im Zeitalter der Kreuzzüge, in: Militärgeschicht­liche Zeitschrift 65 (2006), S. 63 – 78, S. 70, 77 f. 82 Itinerarium peregrinorum et gesta regis Ricardi, hrsg. von William Stubbs (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 38, 1), London 1864, I, 23, S. 50. 83 Ebd. 84 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXVI, S. 624D.

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Ausrüstung hatten und deshalb nur über markantere Unterschiede geschrieben haben dürften. Aber auch auf muslimischer Seite erwähnte man immer wieder die schwere Panzerung der Franken, die sie unverwundbar mache, was ebenfalls dafür spricht, dass für die Zeitgenossen sichtbare Unterschiede bestanden. Allerdings scheint eine Differenzierung insofern angebracht, als z­ wischen den verschiedenen türkischen Gruppen durchaus noch einmal Unterschiede in der Ausrüstung bestanden haben dürften. Ebenso wie sich auch in Europa nicht jeder Ritter alle teuren Ausrüstungsgegenstände leisten konnte. Ein nomadischer Turkmene Kleinasiens dürfte sich in der Ausrüstung durchaus von einem Krieger etwa in Saladins Elite-­Regiment Ḥalqa 85 unterschieden haben. War ersterer eher leicht oder gar nicht gepanzert, könnte letzterer wohl durchaus Ausrüstungsgegenstände, wie von France beschriebenen, besessen haben und dürfte im Nahkampf gegen einen Kreuzfahrer nicht chancenlos gewesen sein, wenn natür­lich die Zermürbungstaktik aus der Ferne auch in d ­ iesem Fall üb­lich war. Schwerere Rüstungen kamen auf muslimischer Seite erst unter den Mamluken im 13. Jahrhundert auf. Auch scheinen zu dieser Zeit zunehmend kräftigere, beschlagene Pferde Verwendung gefunden zu haben. Der euro­päische Topfhelm wurde von den Muslimen wohl wegen der klimatischen Bedingungen im Nahen Osten nicht übernommen und auch der Reiterangriff mit eingelegter Lanze blieb eine Seltenheit.86 Auf christ­licher Seite belegen die sogenannten Turkopolen eine gewisse Anpassung an die öst­liche Art der Kriegführung. Bei den Turkopolen handelte es sich um leichter gepanzerte Reiter, die auch als berittene Bogenschützen eingesetzt wurden.87 Außerdem setzten die Kreuzfahrer ­später anstelle des schweren, dreieckigen Schildes häufiger auch runde oder ovale Schilde ein, da diese leichter zu handhaben waren.88 „Einen technischen und wissenschaft­lichen Austausch im großen Stil […] gab es jedoch auf militärischer Ebene nicht.“89 Das Ziel der Franken musste es daher sein, den Feind wenn mög­lich in einen Nahkampf zu verwickeln oder enges Gelände auszuwählen, bei dem die eigenen Flanken vor Umgehungsversuchen geschützt waren und das den Türken bei einem Angriff der christ­lichen Kavallerie keine Ausweichmög­lichkeit gab.90 Im 85 David Ayalon, Aspects of the Mamlūk phenomenon, in: Der Islam 53 (1976), S. 196 – 225 (Part I); Der Islam 54 (1977), S. 1 – 32 (Part II), hier: Part II, S. 15. 86 Thorau, Panzerreiter, S. 73 f. 87 Thorau, Unterschiede und Gemeinsamkeiten, S. 171. 88 Thorau, Panzerreiter, S. 74 f. 89 Ebd., S. 78. 90 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, CLV, S. 714F.

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Gegenzug suchten die Türken offenes Terrain oder solches, das den christ­lichen Panzerreitern den Angriff erschwerte, etwa weiche Sandböden. Im Laufe der Zeit lernten die Franken, das Manöver der Scheinflucht zu erkennen und sich durch den Pfeilbeschuss nicht provozieren zu lassen.91 Die leichten türkischen Reiterkrieger waren zwar ein unbequemer Gegner, aber von einer disziplinierten Streitmacht durchaus zu bezwingen. Einem gut geplanten Angriff schwerer Reiterei, die sich zuvor hinter einem Schutzschild aus Fußvolk gesammelt hatte, hatten die leicht bewaffneten Bogenschützen wenig entgegenzusetzen.92 Wichtig war die Kombina­tion der Waffengattungen. Dies gilt besonders für die in der Forschung als „fighting march“93 bekannte Marschforma­tion, bei der ein Kreuzfahrerheer auf dem Marsch unter ständigen Angriffen und Störmanövern der Türken zusammengehalten werden musste. David Nicolle betont, dass den Kreuzfahrern der Zusammenhalt der Marschkolonne wichtiger gewesen sei als andere militärische Aspekte.94 Der Marsch des Heeres von Richard Löwenherz nach Süden nach der Eroberung Akkons 1191 bietet ein Musterbeispiel dafür, wie Fußvolk und Bogenschützen die Reiterei schützten. Dieser Schutz betraf vor allem die ungepanzerten und daher verwundbaren Pferde. Schnell hatten die Muslime gelernt, dass das Töten der Tiere ein probates Mittel war, dem verheerenden Angriff der fränkischen Panzerreiter zu entgehen.95 Ein fränkischer Ritter mit einem gesunden und unversehrten Pferd könne nicht aufgehalten werden, von Kopf bis Fuß in ein Kettenhemd gekleidet g­ leiche er einem Block aus Eisen, berichtet der arabische Chronist Abū Šāma. Sei das Pferd aber getötet, so könne man den Ritter niederstoßen und gefangen nehmen. Aufgrund dieser Tatsache, so fährt der Chronist fort, habe man in der Schlacht von Ḥaṭṭīn zwar viele tausend Ritter gefangengenommen, aber unter der Beute hätten sich nur wenige Pferde befunden.96 Wenn sich allerdings die Gelegenheit bot, konnte die Reiterei durch einen Angriff den Druck auf das Heer mildern. Da es dauern konnte, bis sich eine 91 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, hrsg. u. übers. von Susan B. Edgington, Oxford 2007, III, 49, S. 214. 92 Charles R. Bowlus, Tactical and strategic weaknesses of horse archers on the eve of the First Crusade, in: Michel Balard (Hg.), Autour de la Première Croisade, Paris 1996, S. 159 – 166, 162 ff. 93 Smail, Crusading warfare, S. 156 ff; Matthew Bennet, The Crusaders ‘fighting march’ revisited, in: War in History 8 (2001), S. 1 – 18. 94 Nicolle, Kriegstechnologie, S. 98. 95 Smail, Crusading warfare, S. 81; Thorau, Panzerreiter, S. 65. 96 Abu Schāma, Le livre des deux jardins. Histoire des deux règnes, celui de Nour ed-­Din et celui de Salah ed-­Din, in: RHC or. Bd. IV, Paris 1898, S. 271 f.

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­solche Situa­tion zum ritter­lichen Kavallerieangriff ergab, „war die wichtigste Tugend der Kreuzfahrer nicht, erfolgreich angreifen zu können, sondern die Fähigkeit, längeren Angriffen standzuhalten.“97 Gerade das dürfte die gepanzerten euro­päischen Ritter große Überwindung gekostet haben. Es erforderte jedenfalls einen blutigen Lernprozess und eine strenge Disziplin, die nicht immer vorhanden war. Wilhelm von Tyrus berichtet von strengen Strafen bei Ausbruch aus der Marschordnung 98 und auch die Templerregel enthielt ein entsprechendes Verbot. In den Heeren der Kreuzfahrerstaaten war das Wissen um ­solche Notwendigkeiten vorhanden, bei euro­päischen Armeen auf Kreuzzügen ließ man sich allerdings immer wieder zu verhängnisvollen Manövern reizen. Zwar war der türkische Reiterkrieger gewissermaßen eine Konstante in den Armeen, denen die Kreuzfahrer im Laufe ihrer zweihundertjährigen Präsenz im Heiligen Land gegenüberstanden, dennoch waren die islamischen Armeen in ihrer Zusammensetzung nicht immer völlig gleich. Dass es im Laufe der Zeit gewisse Änderungen bei der Ausrüstung gab, wurde bereits erwähnt, aber auch die jeweilige geographische Region spielte bei der inneren Struktur der Armeen eine Rolle. Ledig­lich bei Kämpfen in Kleinasien trafen die Christen auf größere muslimische Armeen, die nur aus türkischen Reiterkriegern bestanden. Diese setzten sich zusammen aus den regulären Einheiten des Sultans (sowohl freie türkische Krieger als auch Mamluken, d. h. Militärsklaven) und einer großen Zahl turkmenischer Reiter. Letztere, nomadische Hirten, operierten eigenständig und unterwarfen sich nur für den Feldzug dem Kommando eines Befehlshabers. Zwar waren auch sie geübte Bogenschützen und Reiter, doch fehlte ihnen das professionelle Training der regulären Einheiten und zuweilen auch die nötige Disziplin.99 Besonders im griechisch-­türkischen Grenzgebiet trafen die Kreuzfahrer zunächst allein auf die Turkmenen ohne die regulären Truppen des ­Sultans, wie es etwa beim Kreuzzug Friedrich Barbarossas der Fall war. Die islamischen Armeen in Syrien bestanden neben den eben beschriebenen Gruppen aus weiteren Einheiten.100 Zwar waren die berittenen Bogenschützen auch hier das bestimmende Element, doch beinhalteten die Armeen der Seldschuken und ihrer Nachfolger in Syrien und Mesopotamien auch Fußvolk und 97 Nicolle, Kriegstechnologie, S. 102; zum Abwarten des richtigen Zeitpunkts für den Kavallerie­ angriff siehe auch Smail, Crusading warfare, S. 114. 98 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVI, 12, S. 732. 99 Alessio Bombaci, The army oft he Saljuqs of Rum, in: Annali del Instituto orientale di Napoli 38 (1978), S. 343 – 369, S. 348. 100 France, Victory in the East, S. 159.

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schwere Kavallerie. Letztere, von den Christen „Agulani“ genannt, dürften den west­lichen Rittern nicht unähn­lich gewesen sein. Die Tatsache, dass sogar deren Pferde gepanzert waren, beeindruckte die ersten Kreuzfahrer, da Rüstungen für Pferde im Westen zu dieser Zeit noch sehr selten waren. 101 Das Fußvolk setzte sich aus städtischen Milizen zusammen, die Bedeutung dieser Waffen­ gattung blieb aber gering 102 und entfaltete ledig­lich bei Belagerungen größere Bedeutung. Neben die berittenen Türken traten auch einheimische arabische Einheiten, die ebenfalls vom Pferd aus kämpften, dabei aber, ähn­lich wie die Kreuzfahrer, als Hauptwaffe die Lanze verwendeten.103 Gleiches gilt für die arabischen Beduinen, die manchmal mit den Kreuzfahrern zusammenarbeiteten, manchmal auch in muslimischen Armeen als Hilfstruppen eingesetzt wurden. Turkmenische Nomadenstämme lebten nur in Kleinasien, im nörd­lichen Syrien und der Gezira,104 sodass sie nur dort in größerer Zahl für die Armeen rekrutiert wurden. Neben den türkischen Einheiten wurden auch Kurden, sowohl als Hilftstruppen wie auch bei den regulären Einheiten, eingesetzt.105 Ayalon beschreibt die Armee der Zengiden als türkisch-­mamlukische Armee, die mit kurdischen und turkmenischen Einheiten verstärkt wurde.106 Die Armeen der ägyptischen Fatimiden bestanden sogar hauptsäch­lich aus schwerem, gut ausgerüstetem Fußvolk, das von schwerer Kavallerie unterstützt wurde. Türkische Kontingente aus berittenen Bogenschützen gab es Ende des 11. Jahrhunderts in ägyptischen Heeren aufgrund der langen Auseinandersetzungen mit den Seldschuken kaum. Bei den Bogenschützen handelte es sich vor allem um Fußsoldaten aus dem Sudan.107 Deren Kampfweise war weniger mobil als die türkische, ähnelte der im Westen und stellte die Kreuzfahrer daher nicht vor größere Schwierigkeiten. Nach der Machtübernahme Saladins in Ägypten 1169/71 brach dieser mit der fatimidischen Militärtradi­tion, löschte die Regimenter der Schwarzen und der Armenier aus,108 rekrutierte auch hier 101 France, Technology and success, S. 166; Gesta Francorum, XXI, 1, S. 315: „Et Agulani […] qui neque lanceas neque sagittas neque ulla arma timebant, quia omnes erant undique cooperti ferro et equi eorum […]“. 102 Yaacov Lev, Infantry in Muslim armies during the crusades, in: John H. Pryor (Hg.), ­Logistics of warfare in the age of the crusades, Aldershot 2006, S. 185 – 207, S. 197. 103 Ebd., S. 196. 104 Ebd. 105 Hamilton A. R. Gibb, The armies of Saladin, in: Stanford J. Shaw, William R. Polk (Hg.), Studies on the civiliza­tion of Islam by Hamilton A. R. Gibb, Princeton 1982, S. 74 – 90, S. 82. 106 Ayalon, Mamlūk phenomenon, S. 30. 107 France, Victory in the East, S. 359 f; Smail, Crusading warfare, S. 85 ff. 108 Lev, Infantry, S. 193.

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türkische Reiterkrieger für die Armee und schuf, so wie in Syrien, eine Armee mit starker Präferenz für die Kavallerie. An dieser grundsätz­lichen Dominanz berittener Bogenschützen änderte sich auch im 13. Jahrhundert nichts mehr, ledig­lich der Anteil der türkischen Militärsklaven innerhalb der Armee stieg unter den späten Ayyubiden stark an. Dementsprechend bestanden auch die mamlukischen Armeen seit 1250 im Kern aus türkischen Reitern mit Hilfskontingenten aus Turkmenen, Beduinen, Kurden und Dschihad-­Freiwilligen.109 Sieht man einmal von den fatimidischen Armeen ab, blieb während des 12. und 13. Jahrhunderts der berittene türkische Bogenschütze der Hauptgegner des schwergepanzerten euro­päischen Ritters auf den Schlachtfeldern von Kleinasien bis Ägypten. Das Bild, das die Kreuzfahrer und die Lateiner im Heiligen Land von ihm entwickelten soll im Hauptteil der Arbeit untersucht werden.

2.3 Fremde Völker: Die Bezeichnungen Turci und Saraceni Im vorangegangenen Kapitel war viel von türkischen Reiterkriegern zu lesen. „Türkisch“ steht dabei für unsere heutige ethnische Bezeichnung und wir sprechen vom türkischen Reiterkrieger aufgrund unseres Wissens über die Turkifizierung der islamischen Armeen, die Bevölkerungsbewegungen von Zentralasien bis Anatolien, die Ausdehnung des Reiches der türkischen Seldschuken und anderer türkischer Dynastien oder über das Vordringen der turkmenischen Stämme. Das alles aber wussten die Kreuzfahrer nicht. Dies gilt ganz besonders für die Teilnehmer des E ­ rsten Kreuzzuges, deren Kenntnisse über den Nahen Osten vor ihrem Aufbruch kaum über sagenhafte Berichte über das reiche Konstantinopel oder über Bibelgeschichten zu den Heiligen Stätten hinausgegangen sein dürften. Für das Thema der Arbeit ist es also ganz essentiell zu fragen, wen die Kreuzfahrer überhaupt als Turci bezeichneten. War diese Bezeichnung deckungsgleich mit unserem heutigen ethnischen Begriff? Waren Turci für die Kreuzfahrer etwas anderes als Saraceni oder war türkisch für die Teilnehmer der Kreuzfahrt gar nur ein anderes Wort für muslimisch, war es also eine religiös und nicht ethnisch besetzte Bezeichnung? Erst nach Beantwortung dieser Frage ist es mög­lich, die Quellen auf das Türkenbild der Kreuzfahrer zu befragen, da erst dann klar ist, ob mittelalter­liche Autoren und moderner Sprachgebrauch dieselbe Personengruppe bezeichnen, 109 Marshall, Warfare, S. 33 f.

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ob sich also bei Erwähnungen von Turci in den zeitgenös­sischen Berichten tatsäch­lich Aussagen über das Türkenbild treffen lassen. Besonderes Augenmerk soll hier dem ­Ersten Kreuzzug gelten, einerseits da von dessen Teilnehmern die geringsten „Vorkenntnisse“ zu erwarten sind, und weil andererseits deren Begriffswahl prägend für spätere Chronisten und Neuankömmlinge in Syrien gewesen sein dürfte. Von den vielen Begriffen, mit denen die Kreuzfahrer ihre islamischen Gegner bezeichneten, können natür­lich nur s­ olche zur Untersuchung herangezogen werden, bei denen zumindest die Mög­lichkeit besteht, dass sie ethnisch differenzieren sollen. In der großen Mehrheit sind dies die Begriffe Turci und Saraceni. Außerdem werden die muslimischen Gegner gelegent­lich auch als Araber, Perser bzw. Parther oder Syrer bezeichnet. Neben dieser Gruppe steht die Vielzahl von Fällen, in denen die Muslime als Heiden oder Ungläubige oder mit anderen abwertenden Begriffen wie etwa barbari 110 oder inimici Dei 111 bedacht werden, die allesamt in ­diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt zu werden brauchen. Dass die Chronisten die Türken als Ethnie sahen und diese recht genau von anderen Völkern abgrenzen konnten, zeigt die Verwendung des Namens in dem Augenzeugenbericht der Gesta Francorum. In der Wiedergabe eines Briefes spricht der anonyme Autor von allen „qui sunt ex genere Turcorum“.112 Turci war für ihn also zunächst einmal eine Stammesbezeichnung. In Kleinasien waren die Türken die einzigen muslimischen Gegner, die den Kreuzfahrern gegenüber traten, in der Gesta findet sich in ­diesem Bereich auch fast ausschließ­lich die Bezeichnung Turci,113 abgesehen von Begriffen wie pagani. Die Gegner der Kreuzfahrer werden bis zur Ankunft vor Antiochia über 30-mal als Türken bezeichnet. Sarazenen und Araber finden als nächst häufige Bezeichnungen nur vier- bzw. dreimal Erwähnung. Schon dies zeigt, dass bereits die Teilnehmer des ­Ersten Kreuzzuges sehr genau ­zwischen ihren muslimischen Gegnern differenzieren konnten. Noch aussagekräftiger ist hier aber das Türkenlob der Gesta Francorum, eine Stelle auf die s­ päter noch genauer zurückzukommen sein wird. Der anonyme Autor schreibt, die Türken hätten gedacht, mit ihren Pfeilen ebenso Schrecken über die Franken bringen zu können, wie ihnen dies bei Arabern, Sarazenen, Armeniern, Syrern und Griechen gelungen sei.114 Dies 110 Gesta Francorum, XIV, 2, S. 254. 111 Ebd., XIV, 1, S. 254. 112 Ebd., XXI, 9, S. 323. 113 Ebd., beispielsweise: II, 5, S. 118; VIII, 4, S. 183; VIII, 6, S. 187; IX, 1, S. 194; X, 1, S. 208. 114 Ebd., IX, 11, S. 206: „Qui putabant terrere gentum Francorum minis suarum sagittarum, sicut terruerunt Arabes, Saracenos, et Hermenios, Suranios et Grecos.“

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belegt, dass Türken, Araber und Sarazenen nicht nur als verschiedene Ethnien wahrgenommen wurden, sondern auch, dass man durchaus die militärischen Erfolge der Türken und ihre militärische und administrative Dominanz im Nahen Osten realisierte. Ein ähn­liches Verhältnis ­zwischen den Begriffen prägt die Beschreibung der Geschehnisse um Antiochia, allerdings ist hier schon öfter (18-mal) von Sarazenen die Rede, bevorzugterweise wenn über Fourageexpedi­tionen ins Umland berichtet wird, die in Saracenorum terram 115 geführt hätten. Auch wenn der Begriff Türken über 50-mal verwendet wird, ist bemerkenswerterweise nicht von der terra Turcorum, dem Land der Türken die Rede. Dies bestätigt Tyermans Aussage, wonach die Kreuzfahrer „distinguished between Muslim ‚Turks‘ – the warrior elite originating in the Eurasian steppes – and ‚Saracens‘ or ‚Arabs‘ – the arab speaking settled popula­tion of the Levant.“116 Da die einheimische „Zivilbevölkerung“ als Sarazenen angesehen wurde, war es eben auch die terra Saracenorum. Nach d ­ iesem Maßstab verwendet der Anonymus auch im mittleren Teil seines Werkes korrekte Bezeichnungen, waren die Verteidiger von Antiochia doch Mitglieder der türkischen Kriegerkaste, während die Bevölkerung der Stadt und des Umlands nicht türkisch war. Beim Marsch nach Süden verschwindet das Wort Turci korrekterweise aus dem Sprachgebrauch der Gesta (nur noch 6-mal), während die Bezeichnungen Saraceni und Arabi dominant werden (14- bzw. 8-mal).117 Das Heer verließ nun den türkisch-­seldschukischen Machtbereich und zog durch das Gebiet der unter arabischen Dynastien unabhängigen oder unter fatimidischer Oberhoheit stehenden Küstenstädte. Bei der Schlacht von Askalon erwähnt der anonyme Autor richtigerweise gar keine Türken mehr, was wiederum zeigt, dass er die verschiedenen Gegner recht genau zu trennen verstand. Auch für einen anderen Chronisten des E ­ rsten Kreuzzuges, Albert von Aachen, hat Susan Edgington gezeigt, dass er sehr sorgfältig und korrekt ­zwischen Türken und Sarazenen unterschied,118 obwohl er selbst nie im Heiligen Land war. 115 Ebd., XIII, 2, S. 249; XXIX, 11, S. 381; XXX, 5, S. 386. 116 Christopher Tyerman, God’s war, S. 125. 117 Gesta Francorum, beispielsweise: XI, 5, S. 233; XIII, 1, S. 248; XIV, 1, S. 254; XVI, 4, S. 265; XXX, 8, S. 388; XXXIII, 1, S. 402; XXXIV, 9, S. 420, XXXIV, 11, S. 425; XXXV, 2, S. 432; XXXVII, 5, S. 457; XXXVIII, 1, S. 462; XXXIX, 1, S. 476; siehe auch: John France, First Crusade and Islam, in: The Muslim World LXVII (1977), S. 247 – 257, S. 254 f. 118 Susan B. Edgington, Albert of Aachen reappraised, in: Alan V. Murray (Hg.), From Clermont to Jerusalem. The crusades and crusader societies 1095 – 1500 (Interna­tional medieval Research 3),

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In den Werken von Fulcher von Chartres und Raimund von Aguilers ist eine ähn­liche Entwicklung wie in den Gesta Francorum zu beobachten,119 auch wenn beide fälschlicherweise Türken unter den Verteidigern Jerusalems vermuten,120 das zu dieser Zeit von den ägyptischen Fatimiden gehalten wurde. Dennoch gibt es in seltenen Fällen Ausnahmen. So lässt der Autor der Gesta den muslimischen Feldherrn Karbuġā sprechen, der den Franken anbietet, Türken zu werden und dem christ­lichen Gott abzuschwören, also zu konvertieren. Hier wird Türke im Sinne von Muslim verwendet.121 Wie erwähnt, ist Saraceni die häufigste Bezeichnung für die muslimische Bevölkerung in Syrien und Palästina. Der Begriff stammt schon aus v­ orislamischer Zeit und bezeichnete die arabischen Völker im nordwest­lichen Grenzraum der arabischen Halbinsel.122 Der Name leitet sich ab von Sarah, der Frau Abrahams. Nach Ansicht mittelalter­licher Gelehrter waren die Sarazenen die Nachkommen von Ismael, des Sohnes von Sarahs ägyptischer Magd Hagar mit Sarahs Mann Abraham.123 Isidor von Sevilla zufolge hätten die Sarazenen sich selbst diesen Namen gegeben, um eine legitime Abkunft von Sarah anstatt von der unfreien ­ ewburgh, die Hagar anzudeuten.124 Dementsprechend meint Wilhelm von N Sarazenen müssten richtigerweise Agarenen genannt werden, eine Bezeichnung, die in den Quellen ebenfalls vorkommt.125 Nach Johannes von Damaskus leitet sich der Name Sarazenen von der Tatsache ab, dass Sarah ihre Magd mit leeren Händen weggeschickt habe.126 Was die Verwendung des Sarazenenbegriffes in der Kreuzzugszeit angeht, wird man wohl weitgehend Tyerman folgen können, nach dem es die Bezeichnung der Turnhout 1998, S. 55 – 67, S. 61; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, etwa IV, 56, S. 336; V, 33, S. 380. 119 France, First Crusade and Islam, S. 254 f. 120 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XXX, 3, S. 308; Raimund von Aguilers, Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem, in: RHC occ. Bd. III, Paris 1866, S. 231 – 309, XX, S. 297D. 121 Gesta Francorum, XXVIII, 4, S. 366. 122 Rotter, Abendland und Sarazenen, S. 104. 123 1. Mose Kap. 16 und 21 124 Rotter, Abendland und Sarazenen, S. 75; Isidor von Sevilla, Etymologiae, hrsg. von W. M. Lindsay, 2 Bde., Oxford 1911, IX, ii, 6; IX, ii, 57. 125 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, hrsg. von Richard Howlett: Chronicles of the reigns of Stephen, Henry II. and Richard I, 2 Bde. (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 82.1; 82.2), London 1884/85, V, 1, Bd. 2, S. 448. 126 Johannes Damaskenos, De haeresibus, S. 75; Lamoreaux, Early Eastern Christian Responses, S. 10.

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Kreuzfahrer für die muslimisch-­arabische Bevölkerung der Levante war. Mög­lich scheint aber auch, wie France annimmt, dass man Saraceni als eine Art vagen Oberbegriff für den islamischen Feind verwendete.127 Zwar sprechen die angeführten Quellenstellen dagegen, die oft explizit ­zwischen Türken und Sarazenen trennen, so wie etwa auch Ekkehard von Aura, der klar unterscheidet, wenn er sagt, die Sarazenen ­seien noch schänd­licher als die Türken.128 Allerdings ist es durchaus mög­lich, dass sich die Autoren nicht immer über die Zusammensetzung feind­licher Heere oder die Bevölkerung der Landstriche durch die sie zogen im Klaren waren und dann Saraceni als Art Sammelbegriff verwendeten. Jedenfalls ist die Feststellung von Rosalind Hill, die Formulierung „Araber, Türken und Sarazenen“ sei die pauschale Bezeichnung des Anonymus für Feinde,129 nicht mehr haltbar und muss dahingehend korrigiert werden, dass der anonyme Autor der Gesta in den meisten Fällen genau unterscheiden konnte, wem er gegenüber stand. In jedem Fall ist die Verwendung des Wortes Turci schon bei den Chronisten des E ­ rsten Kreuzzuges erstaun­lich korrekt und deckt sich mit heutigen ethnischen Unterscheidungen. Vielleicht waren für die Chronisten auch die verschiedenen Kampfweisen zur Unterscheidung hilfreich. Radulph von Caen etwa ordnet den verschiedenen Völkern in metaphorischer Weise charakteristische Waffen zu.130 Den Kombattanten wird durchaus der Wechsel von reinen Kavallerietruppen der Türken in Kleinasien über die zusammengesetzten Heere in Syrien bis zu den von Fußtruppen dominierten Aufgeboten der Fatimiden aufgefallen sein. Nach Guibert von Nogent hätten die Kreuzfahrer bei der Eroberung Jerusalems nur mit den Sarazenen gekämpft, da die Türken im Davidsturm sich ruhig verhalten hätten.131 Die Aussage ist historisch falsch, 1099 hielten sich keine türkischen Truppen in Jerusalem auf. Allerdings hatten die Fatimiden zur Verstärkung der Stadt eine 4.000 Mann starke Kavallerietruppe entsandt.132 Waren hier etwa für Guibert, der nicht am Kreuzzug teilgenommen hatte, Reiter immer gleichbedeutend mit Türken, während die Ägypter zu Fuß kämpften? 127 France, First Crusade and Islam, S. 255. 128 Ekkehard, Chronica, S. 134: „quod opprimentium se Sarracenorum Thurcis multo turpior plebs equa sorte multatur.“ 129 Gesta Francorum, hrsg. u. übers. von Rosalind Hill: The deeds of the Franks and the other pilgrims to Jerusalem, Oxford 1962, S. 88, Fn. 3. 130 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXXII, S. 629E: „Tunc nec Arabs jaculo, nec fidit Turcus in arcu […]“. 131 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VII, III, S. 272, Z. 162 ff. 132 France, Victory in the East, S. 334.

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Klar zu bestimmen ist der Begriff der Perser. Er findet sich immer wieder, wenn von den Seldschuken im Zweistromland, d. h. von dem Sultan, oder von dem Kalifen in Bagdad die Rede ist. Guibert von Nogent setzt die Türken in seinen gelehrten Ausschweifungen mit den Parthern der Antike gleich,133 die jetzt wegen eines neuen Sprachgebrauchs Türken genannt würden. Auch ­Fulcher rechnet die Türken der per­sischen Völkerfamilie zu.134 Vermut­lich wussten die Autoren von der Herkunft der Türken aus dem Osten, davon dass sich das seldschukische Reich über Persien erstreckte und auch vom seldschukischen Sultan in Bagdad, den Fulcher als Rex Persarum bezeichnet,135 und setzten dies mit einer per­sischen Herkunft gleich. Die zahlreichen sonstigen Völkernamen, die bei Aufzählungen anläss­lich der Schlachten genannt werden, wie die Agulani, die Publicani oder die Azopati dürfen nicht ethnisch verstanden werden. Man kann mit Svetlana Louchitskaya übereinstimmen, dass der direkte Kontakt mit den Völkern im Nahen Osten hier keinen Einfluss ausübte.136 Es handelt sich vielmehr um religiöse, antike oder aus dem byzantinischen Gebrauch entlehnte Begriffe. Interessant ist aber, dass Guibert von Nogent anläss­lich der Aufzählung verschiedener Völkerschaften bei der Schlacht von Doryläum diese fiktiven Völker von den Türken, Arabern und Sarazenen unterscheidet. Letztere Gruppe steche nicht nur durch ihre Anzahl, sondern auch durch Würde und Tüchtigkeit hervor.137 Die Publicani und andere sind für Guibert eher Monster als Menschen.138 Im weiteren Verlauf des 12. Jahrhunderts wird die genaue Unterscheidung ­zwischen Türken und anderen muslimischen Völkern aufrecht erhalten. Wenn Fulcher von Chartres in seinem zweiten Buch von den Ereignissen im Königreich Jerusalem berichtet, schreibt er von Sarazenen oder Arabern,139 anläss­ lich von Nachrichten aus dem nörd­lichen Fürstentum Antiochia ist dagegen 133 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, Praefatio, S. 83, Z. 97 ff; I, V, S. 100, Z. 424 ff; V, L, S. 352, Z. 2202. 134 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, III, 3, S. 133: „Turci, gens Persica“ 135 Ebd., I, XIX, 1, S. 242. 136 Svetlana Igorevna Luchitskaya, Barbarae Na­tiones: Les peuples muselmans dans les ­chroniques de la Première Croisade, in: Michel Balard (Hg.), Autour de la Première Croisade, Paris 1996, S. 99 – 107, S. 105. 137 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, III, X, S. 155, Z. 559 ff. 138 Ebd., V, VIII, S. 209, Z. 252 f: „[…] Publicani scilicet, Curti, Azimitae et Agulani, cum aliis innumerabilibus nequaquam gentibus sed portentis.” 139 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II: IV, 2, S. 372; IV, 4, S. 375; V, 5, S. 379; VI, 5, S. 387; VIII, 2, S. 397.

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korrekterweise öfter von Türken die Rede.140 Auch hier scheint der Chronist in den Sarazenen vor allem die einheimischen muslimischen Bewohner Syriens und Palästinas sowie die Fatimiden zu sehen, im Gegensatz zur Kriegerkaste der Türken in Syrien, Kleinasien und Mesopotamien. Gleiches gilt für den Bericht Odos von Deuil zum Kreuzzug Ludwig VII. durch Anatolien.141 Hier werden als muslimische Gegner nur die Türken erwähnt. Auch dies ist historisch korrekt. Da Odos Bericht nach der Durchquerung Kleinasiens endet, waren die einzigen Muslime, denen der Kreuzzug bis dorthin begegnen konnte Türken. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass auch Wilhelm von Tyrus in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, mit seinem im Vergleich zu den Chronisten des ­Ersten Kreuzzuges unvergleich­lich besseren Wissen, ebenso ­zwischen Türken und anderen Muslimen differenziert. Wie bei Fulcher ist auch bei Wilhelm bei Kriegszügen gegen die türkischen Herrschaften Damaskus oder Aleppo von Türken die Rede, nicht aber bei Kämpfen mit den Fatimiden um Askalon. Riḍwān von Aleppo 142 und Zangī 143 werden von Wilhelm historisch korrekt als Türken bezeichnet. Der Erzbischof von Tyrus unterscheidet auch deut­lich ­zwischen Türken und Ägyptern, weiß von der Antipathie letzterer gegen die Türken,144 denen er ganz im Gegensatz zu den Ägyptern Tugenden wie Tapferkeit oder Kriegstüchtigkeit zuweist. Der Machtwechsel in Ägypten 1169/71, die „subiugata Turcis Egypto“,145 schlägt sich auch insofern in Wilhelms Wortwahl nieder, als danach korrekterweise von Saladins ägyptischen Heeren als Türken gesprochen wird.146 Bleibt also bisher festzuhalten, dass die Turci in den Kreuzzugschroniken bis weit ins 12. Jahrhundert hinein so gut wie immer historisch korrekt als ­solche bezeichnet werden, scheinen sich die Begriff­lichkeiten während des Dritten Kreuzzuges und danach aufzuweichen. Die beiden umfangreichsten Chroniken d ­ ieses Unternehmens, die L’Estoire de la Guerre Sainte von Ambroise und das zum Großteil auf ihr basierende Itinerarium peregrinorum verwenden die Begriffe „Türken“ und „Sarazenen“ in häufigem Wechsel, 140 Ebd., II: XVI, 2, S. 431; XVI, 4, S. 432; XXVII, 9, S. 475; XXX, 2, S. 485. 141 Odo von Deuil, De profec­tione Ludovici VII in orientem, hrsg. u. übers. von Virginia G ­ ingerick Berry, New York 1948, beispielsweise V, S. 88, 90, 92, 94; VI, S. 108, 110, 112. 142 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIII, 27, S. 623, Z. 3 f. 143 Ebd., XIV, 6, S. 638, Z. 19. 144 Ebd., XX, 11, S. 925, Z. 8 f. 145 Ebd., XX, 11, S. 926, Z. 6 f. 146 Ebd., XX, 20, S. 939, Z. 52.

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ohne dass sich eine klare Unterscheidung treffen ließe. 147 Zwar dominiert die Bezeichnung „Türken“, doch werden dieselben Gruppen in häufigem Wechsel öfter auch als „Sarazenen“ bezeichnet. Die Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus sprechen sogar ganz überwiegend nur noch von Sarazenen. Dies resultiert eventuell daraus, dass man im Dritten Kreuzzug ohnehin nur noch gegen türkisch dominierte Heere kämpfte, noch dazu unter einem einzigen Befehlshaber, man also keine klare Unterscheidung mehr treffen musste und deshalb immer wieder, wie vielleicht schon auf dem ­Ersten Kreuzzug, auf Saraceni als Sammelbegriff zurückgriff. Auch die Akkultura­tion der türkischstämmigen Eliten in den islamischen Kulturkreis dürfte zu jener Zeit weiter fortgeschritten sein als bei den türkischen Herrschern zur Zeit des ­Ersten Kreuzzuges. Viele Mitglieder der ersten türkischen Genera­tion, die nach Syrien und Obermesopotamien gekommen waren, sprachen nicht einmal arabisch.148 Insofern dürfte es den ersten Kreuzfahrern leichter gefallen sein, z­ wischen den verschiedenen muslimischen Gruppen zu differenzieren als ihren Nachfolgern 90 Jahre ­später. Auch ohne eine umfangreichere Untersuchung der von den Kreuzzugschronisten verwendeten Begriff­lichkeiten kann daher festgestellt werden, dass Turci die von den Franken verwendete Bezeichnung für die türkischstämmigen Reiterkrieger war, und dass diese Bezeichnung in der übergroßen Mehrzahl der Fälle auch historisch korrekt ist. Selbstverständ­lich gibt es ­zwischen einzelnen Werken Unterschiede. Besonders Autoren, die nie im Heiligen Land waren und Kreuzzugsberichte nur aus anderen Werken in ihre Chroniken einfügten, sprechen dann, wenn sie Türken meinten, gerne von Sarazenen oder ganz allgemein von Heiden. Dies betrifft allerdings nur einen kleinen Teil der Quellen und verändert das Gesamtergebnis nicht. Als Befund für die weitere Untersuchung bleibt daher festzuhalten, dass Türken gemeint sind, wenn die Autoren über Turci schreiben und das diese im allgemeinen recht genau von der arabisch-­muslimischen „Zivilbevölkerung“ unterschieden werden.

147 Bei Ambroise, L’Estoire de la guerre sainte, lautet die Bezeichnung bespielsweise Türken in Z. 2197, 2224, 2272, 2291, Sarazenen in Z. 2251, 2261; das Itinerarium peregrinorumnennt in IV, 24, S. 281 f die Gegner je zweimal Sarazenen und Türken; in IV, 25, S. 282 Türken; in IV, 26, S. 283 f einmal Sarazenen und viermal als Türken; Völkl, Muslime, S. 219. 148 Cahen La Syrie du nord, S. 183 ff.

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2.4 Unbekannte Länder: Der Erste Kreuzzug und das Wissen um die politische Situation im Nahen Osten Wie gezeigt, waren die Kreuzfahrer in der Lage, die Türken von anderen Völkern abzugrenzen. Eng damit zusammenhängend ist die Frage, was sie über die politische Situa­tion im Nahen Osten wussten. Konnten sie die Interessen der verschiedenen islamischen Machthaber voneinander unterscheiden oder sahen sie sich einem einheit­lichen, heidnischen Block gegenüber? Es mag genügen, sich hier auf den ­Ersten Kreuzzug zu beschränken, da die späteren Kreuzfahrer auf die Informa­tionen der syrischen Franken zurückgreifen konnten. Die Lage in Syrien und Palästina war zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges geprägt vom Gegensatz ­zwischen dem schiitischen Kalifat der Fatimiden in Kairo und dem Reich der türkischen Seldschuken, das sich zum sunnitischen Islam bekannte und den (sunnitischen) Kalifen in Bagdad als Marionette unter seiner Kontrolle hatte. Im Laufe der Auseinandersetzungen mit den Fatimiden war es den siegreichen Seldschuken gelungen, Syrien zu erobern und 1073 schließ­lich auch Palästina und Jerusalem zu besetzen. Das nörd­liche Syrien mit Antiochia war nach dem Zusammenbruch der byzantinischen Macht an die Seldschuken gefallen (1084 – 1086). Nach dem Tode des Sultans Malikšāh 1092 hatte das Seldschukenreich allerdings den Zenit seiner Macht überschritten. Sein Nachfolger Berkyārūq besaß nicht mehr die Macht, das Reich zusammenzuhalten, mit der Folge, dass die Statthalter in Syrien sich der Kontrolle aus Bagdad entzogen und sich wie selbstständige Herrscher gebärdeten. In den nächsten Jahren bestimmten wechselnde Allianzen und Konflikte ­zwischen den lokalen Herrschern die Szene. Das eben erst den Byzantinern entrissene Kleinasien erlebte zahlreiche Auseinandersetzungen ­zwischen verschiedenen türkischen Clans. Einer der mächtigsten Herrscher war Kılıç Arslān, der in Nikäa residierte und erster Gegner der Kreuzfahrer werden sollte. Die zwei wichtigsten Gegenspieler in Syrien waren die verfeindeten Brüder Duqāq von Damaskus und Riḍwān von Aleppo, während weiter im Osten Karbuġā, der Atabeg von Mosul, eine machtvolle Posi­tion gewonnen hatte und die Lage in Syrien im Auge behielt. Verkompliziert wurde die Situa­tion durch die starken Minderheiten der christ­lichen Armenier und Syrer, sowie durch unabhängige Emirate, wie das der arabischen Banu-­Munqidh von Schaizar oder das der Banu-­Ammar in Tripolis, die keinerlei Sympathie für die Türken empfanden.149 149 France, Victory in the East, S. 197 ff; Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 64 ff; Thorau, Kreuzzüge, S. 63 f; Heinz Halm, Kalifen und Assassinen, Ägypten und der Vordere

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In den Chroniken wird deut­lich, dass die Kreuzfahrer auch in d ­ iesem Bereich die Situa­tion, zumindest in Grundzügen, kannten. Als Informa­tionsquelle konnten sich die Franken sicher­lich auf die vielen west­lichen Söldner stützen, die in byzantinischen Diensten standen.150 Die Feindschaft z­ wischen Fatimiden und Seldschuken war den Kreuzfahrern bekannt, nicht zuletzt wohl wegen der zeitweiligen Bündnisverhandlungen mit den Fatimiden.151 Raimund von Aguilers berichtet sogar von dem religiösen Schisma des Islam als Grund für die Feindschaft.152 Selbst dem Autor der Gesta Francorum, der sich ansonsten mit Berichten über die politische Situa­tion zurückhält, blieben Spannungen innerhalb der islamischen Reiche, sogar innerhalb des Seldschukenreichs, nicht verborgen. Er berichtet über die Forderung Karbuġās nach Übergabe der Zitadelle von Antiochia als Preis für seine Hilfe.153 Wenn der wiedergegebene Dialog ­zwischen Karbuġā und Šams ad-­Daula, dem bisherigen Befehlshaber der Zitadelle, auch erfunden sein dürfte, so kommt doch klar zum Ausdruck, dass der Autor den Islam keineswegs als monolithischen Feind sieht, sondern feine Brüche und Interessensunterschiede durchaus wahrnimmt. In dem ebenfalls frei erfundenen Brief des islamischen Feldherrn, den der anonyme Autor wenig s­ päter wiedergibt, offenbart sich seine rudimentäre Kenntnis des Aufbaus des Seldschuken-­ Reiches. Das Schreiben ist adressiert an den welt­lichen Herrn, den Sultan und an den Kalifen als geist­lichen Führer.154 Detailliertere Informa­tionen finden sich in den Chroniken über Vorfälle, die den Kreuzzug direkt betrafen. So wissen viele Autoren gut über die jüngere Geschichte von Antiochia und Jerusalem Bescheid. Die Rückeroberung der Heiligen Stadt von den Türken durch die Fatimiden war bekannt 155 und Raimund von Aguilers weiß, dass die Türken Antiochia 14 Jahre zuvor besetzen konnten.156 Orient zur Zeit der ersten Kreuzzüge 1074 – 1171, München 2014, S. 22 ff, 37 ff. 150 France, Victory in the East, S. 168. 151 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 59, S. 230; Köhler, Allianzen und Verträge ­zwischen fränkischen und islamischen Herrschern im Vorderen Orient. Eine Studie über das zwischenstaat­liche Zusammenleben vom 12. bis ins 13. Jahrhundert, Berlin 1991, S. 56 ff. 152 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XVI, S. 277D 153 Gesta Francorum, XXI, 3, S. 316. 154 Ebd., XXI, 7, S. 321: „[…] Caliphae nostro apostolico, ac nostri regi domino Soldano militi fortissimo, […]“. 155 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XVI, S. 277F; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 59, S. 230. 156 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, VIII, S. 250I.

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Robert der Mönch unternimmt einen Versuch, seinen Lesern die Gliederung eines islamischen Staates in einzelne Provinzen unter einem Emir und zwölf Grafen zu erörtern.157 In Roberts rudimentärer Beschreibung wird man zwar gewisse Ähn­lichkeiten zum System der seldschukischen iqtâ erkennen, bei dem im Gegenzug für die Zuweisung der Einkünfte eines bestimmten Gebietes Militärdienst und evtl. auch die Stellung von Soldaten geschuldet wurde.158 Allerdings bleibt es äußerst zweifelhaft, ob Robert hier wirk­lich diese Institu­tion anspricht. Die Erwähnung der zwölf Grafen deutet eher auf eine Übernahme münd­licher Überlieferung hin, wie sie Bennett für große Teile der Chroniken nachgewiesen hat.159 Interessant ist dennoch, dass Robert meinte, seinem Publikum diese Tatsachen erklären zu müssen, dass also eine gewisse Erwartungshaltung bezüg­lich einiger Informa­tionen bestand.

157 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, in: RHC occ. Bd. III, Paris 1866, S. 717 – 882, IV, XXI, S. 788A: „Et quos admiraldos vocant, reges sunt, qui provinciis regionum praesunt. Provincia quidem est, quae unum habet metropolitanum, XII consules et unum regem.“ 158 Smail, Crusading warfare, S. 65. 159 Matthew Bennett, First crusaders images of Muslims: The influence of vernacular poetry?, in: Forum for Modern Language Studies 22 (1986), S. 101 – 122, S. 114.

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3 Böse Heiden: Die ersten Kreuzfahrer und die Muslime

3.1 Die Türken in der Kreuzzugspredigt Urbans II. Mit w ­ elchen Worten trieb Urban II. seine Zuhörer an, als erste das Kreuz zu nehmen? Waren die Türken in seiner Rede ungläubige Heiden oder lag die Betonung eher auf der militärischen Macht und den militärischen Fähigkeiten der ­Seldschuken? Endgültige Klarheit wird darüber nicht mehr zu gewinnen sein, da alle vier relativ zeitnahen Berichte, die sich mit der Kreuzzugspredigt befassen, nach der Eroberung Jerusalems, teilweise über zehn Jahre s­ päter, geschrieben wurden. Der Bericht Fulchers von Chartres ist der zeitnächste, es ist auch wahrschein­ lich, dass der franzö­sische Kleriker die Rede Urbans als Augenzeuge verfolgt hat.1 Im Abgleich mit den Überlieferungen Guiberts von Nogent, ­Balderichs von Dol und Robert des Mönchs kann versucht werden, den Kerngehalt dessen herauszufiltern, was der Papst seinen Zuhörern über die Türken mitteilte. Dies zu ermitteln erscheint insofern interessant, als es einen Hinweis darauf ermög­licht, wie die Masse der Kreuzfahrer die Türken vor dem ersten Zusammentreffen beurteilte. Zumindest kann davon ausgegangen werden, dass der Inhalt der Rede, die ihre Zuhörer wohl sehr beeindruckte, während des Zuges münd­lich weiterverbreitet wurde. Bereits vor der Wiedergabe der Rede berichtet Fulcher von Chartres von einem grausamen Überfall der Türken auf das innere Romaniens, also Kleinasiens, durch den die dort lebenden Christen unterjocht worden s­ eien und der Urban zum Aufruf von Clermont veranlasst habe.2 Von einer anderen Religion der Türken ist zunächst noch nicht die Rede. Aber auch in der Rede selbst werden die Türken zunächst nicht ausdrück­lich als Heiden oder Ungläubige bezeichnet. Dies erschließt sich nur aus der Gegenüberstellung zu den Christen. Erst ­später folgt der konkrete Aufruf, gegen die Ungläubigen in den Krieg zu ziehen und Urban bezeichnet die Türken als eine von Dämonen geknechtete Rasse.3 1 Verena Epp, Fulcher von Chartres. Studien zur Geschichtsschreibung des ersten Kreuzzuges, Düsseldorf 1995, S. 25. 2 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, I, 3, S. 121. 3 Ebd., I, III, 6, S. 135: „gens tam spreta, degener et daemonum ancilla“

Die Türken in der Kreuzzugspredigt Urbans II.  |

Die Betonung liegt eher auf der Wildheit und der Grausamkeit der türkischen Invasoren, die die Christen „siebenmal in ebenso vielen Schlachten besiegt“ und viele getötet hätten.4 Dieser Rückgriff auf die Zahl sieben in Anspielung auf die Apokalypse dürfte dabei den Eindruck von der militärischen Gefähr­lichkeit der Türken noch untermalt haben. Alle anderen Chronisten geben ihren Schilderungen einen wesent­lich breiteren Raum als Fulcher, im Mittelpunkt stehen aber auch bei ihnen die angeb­lichen türkischen Schandtaten. Der heidnische Ritus der Türken nimmt bei Robert und Balderich den meisten Raum ein. Balderich von Dol beschreibt ausdrück­lich, wie die barbarae na­tiones im Tempel Salomos ihre Götzenbilder aufgestellt hätten. 5 Seine Schilderung entspricht daher dem klas­sischen Bild des heidnischen Sarazenen. Robert beschreibt ausführ­lich, wie die Türken das Blut der Beschnittenen über Altären und Taufbecken ausschütten.6 Hier kann Flori daher nicht gefolgt werden, wenn er schreibt, bei Robert spiele das Heidentum der Türken noch weniger eine Rolle als bei anderen.7 Die Kenntnis von der Beschneidung bei Muslimen offenbart auch wiederum eine detaillierte Kenntnis der fremden Religion, allerdings ist Roberts Bericht nach dem E ­ rsten Kreuzzug geschrieben, als mehr ­Wissen verfügbar war. Balderich und Guibert sprechen beide von einer „Verunreinigung“ der Heiligen Stätten durch die Heiden.8 Diese pagani sind bei Guibert im Gegensatz zu Fulcher an mehreren Stellen erwähnt.9 Die anderen Th ­ emen, mit denen die drei späteren Darstellungen sich, jeweils in unterschied­licher Intensität, beschäftigen, sind die Entweihung der K ­ irchen, die Folter von Pilgern und die Behandlung der unterworfenen Christen. Mit einer fast schon morbiden Begeisterung beschreibt Robert, wie die Christen ausgepeitscht, an Pfähle gebunden, von Pfeilen durchbohrt und grausam gefoltert worden ­seien. Über die Behandlung der Frauen möchte er lieber schweigen. Aber auch er deutet die militärischen Erfolge der Türken an, die das 4 Ebd., I, III, 3, S. 134: „[…] lite bellica iam septuplicata victos superaverunt, […]”. 5 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, in: RHC occ. Bd. IV, Paris 1879, S. 1 – 111, I, S. 13E. 6 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, I, I, S. 727 f: „Christianos cicumdunt, ­cruoremque circumcisionis aut super altaria fundunt aut in vasis baptisterii immergunt.“ 7 Flori, Croisade et chevalerie, S. 186. 8 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, II, IV, S. 112, Z. 152 f: „[…] quae gentilium frequenta­tione, quantum in ipsis est, crebro polluitur“; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, I, S. 13E: „spurcitiam Paganorum“. 9 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, II, IV, S. 114, Z. 195 und II, IV, S. 114, Z. 204.

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griechische Reich zerstückelt und ein riesiges Gebiet erobert hätten.10 Kaum weniger detailreich lässt Guibert Urban II. in seiner Version auf die Behandlung der Pilger eingehen, die man auf der Suche nach Geld zuerst geschlagen habe, bevor man ihnen die Bäuche aufgeschlitzt habe, um verschluckte Wertgegenstände zu finden.11 Im Übrigen eine Tat, die Guibert und andere Chronisten ­später den christ­lichen Eroberern syrischer Städte ebenso zuschreiben. Fast schon harmlos mutet da Balderichs Vorwurf an, die Türken hätten ­Kirchen geplündert und als Ställe benutzt.12 Der wohl einzige Augenzeuge Fulcher gibt damit den nüchternsten Bericht von den Türken in Urbans Rede. Das Heidentum der Türken wird bei ihm nur erwähnt, nicht so breit ausgemalt wie in den anderen Versionen. Die grundlegenden Charakterzüge, die den Türken in den Quellen zugeschrieben werden, wie Wildheit und Grausamkeit, finden sich aber auch schon in F ­ ulchers Bericht, allerdings nur sach­lich feststellend und ohne die fantasievollen Ausschmückungen von Guibert, Balderich und Robert. Dort treten als weitere Elemente noch die sexuelle Verderbtheit (Behandlung der Frauen) und die Gier nach Gold (Behandlung der Pilger) hinzu. Zumindest bei Robert und Fulcher klingt aber auch an, dass es sich bei den Türken um nicht zu unterschätzende militärische Gegner handelt. Auch wenn der wirk­liche Inhalt der Rede nicht mehr zu rekonstruieren ist, so lassen sich doch die genannten Punkte als Kernbereich herausschälen. All die geschilderten Verbrechen der Türken passen dabei zu den Charakteristika, die man dem Islam ohnehin zuschrieb: Gewalttätigkeit, Wolllust und Habgier. Der Götzendienst wird dagegen nur einmal erwähnt. Jean Flori meint dazu, Urban habe es gar nicht nötig gehabt, darauf näher einzugehen. Abgesehen davon, dass er ohnehin gewusst habe, dass es sich bei den Muslimen um Monotheisten handele, hätten nur einige Schlagworte wie pagani oder gentiles genügt, um bei seiner Zuhörerschaft die fest gefügten Bilder von den ­heidnischen Götzendienern zu wecken. Außerdem sei es angesichts seines aus Laien bestehenden Publikums wirksamer gewesen, die türkischen Bedrohungen in der Praxis aufzuzählen und den anwesenden Rittern die Missetaten vor Augen zu führen, die sie selbst kannten.13

10 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, I, I, S. 727 f. 11 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, IV, S. 116, Z. 250 ff. 12 Balderich von Dol, Historia Jerosolymitana, I, S. 13B. 13 Flori, Croisade et chevalerie, S. 187.

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Die Inten­tion Urbans bzw. der Chronisten, hier Kreuzzugspropaganda zu betreiben, indem festgefügte Bilder bedient und der Kampf gegen die S­ arazenen als Kampf gegen das Böse dargestellt werden, ist nicht zu verkennen. Am deut­ lichsten wird dies bei der Schilderung des angeb­lichen Götzendienstes bei ­Balderich von Dol, aber auch die übrigen Vorwürfe gegen die Türken entsprachen kaum der Wahrheit. So ist Roberts Behauptung, die Türken hätten Christen gefoltert, indem sie ihnen die Därme herausgerissen hätten, der Geschichte des spätantiken Märtyrers Erasmus entlehnt.14 Hier wird wieder die Tendenz deut­lich, die Muslime mit den heidnisch-­römischen Christenverfolgern gleichzusetzen. Man bediente sich bekannter Bilder eines heidnischen Feindes, um die Türken vor den Lesern oder Zuhörern wirkungsvoll als grausamen Gegner des Christentums darzustellen und mög­lichst weit herabzusetzen. Die Christen in Syrien und Palästina kamen in den Genuss der religiösen Toleranz des Islam. Sie waren steuerpflichtig und besaßen, immerhin, als geschützte Minderheit eine begrenzte Kultfreiheit. Christenfeind­liche Ausschreitungen lassen sich in Palästina im 11. Jahrhundert nur für das Jahr 1009 unter dem Kalifen Hakim nachweisen.15 Eine Verfolgung aus dem Jahre 1078 unter dem Turkmenen Atsiz dürfte sich v. a. gegen die Fatimiden gerichtet haben.16 Der Vorwurf, dass die Pilger für das Betreten der Heiligen Stätten zahlen mussten, scheint demgegenüber auf historischen Tatsachen zu fußen. Allerdings waren es die Byzantiner, die sich den Eintritt in die Grabeskirche bezahlen ließen, eventuell als Beitrag für den von ihnen finanzierten Wiederaufbau nach den Zerstörungen durch Hakim.17 Quelle dieser Anschuldigung können aber auch die veränderten Machtverhältnisse in Syrien in den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts sein. Der Rückgang der fatimidischen Macht hatte in Syrien das Entstehen einiger weitgehend unabhängiger Emirate begünstigt. Diese neuen Herrschaften gedachten alle, von den über Land reisenden Pilgern zu profitieren, was zur Einrichtung von zahlreichen neuen Maut- und Zollstellen 14 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, I, I, S. 727 f; Hans-­Henning Kortüm, West­liche Gotteskrieger unterwegs im Osten. Abendländische Legitima­tionsstrategien militärischer Gewalt im Zeitalter der Kreuzzüge, in: Hans-­Joachim Heintze, Annette Fath-­Lihic (Hg.), Kriegsbegründungen. Wie Gewaltanwendung und Opfer gerechtfertigt werden sollten (Bochumer Schriften zur Friedenssicherung und zum humanitären Völkerrecht 59), Berlin 2008, S. 19 – 29, S. 27. 15 Penth, Reise nach Jerusalem, S. 87. 16 Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart 92000, S. 11. 17 Steven Runciman, The pilgrimages to Palestine before 1095, in: K. M. Setton (Hg.), A history of the Crusades, 6 Bde., Bd. I: Marshall W. Baldwin (Bearb.), The First Hundred Years, Phila­ delphia 1958, S. 68 – 78, S. 77.

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führte. Dies wiederum erhöhte die finanzielle Belastung der Pilger.18 Sollten diese Vorkommnisse den Kern derartiger Vorwürfe bilden, so wurden sie doch kräftig ausgeschmückt. Überdies fand sich die Praxis, für das Betreten heiliger Stätten zu zahlen, auch im Westen 19, weshalb die Chronisten hier als verstärkendes Element wohl noch die Folter auf der Suche nach Gold einbauten. Selbst Wilhelm von Tyrus, der lange im Heiligen Land lebte, in Kontakt mit Muslimen kam und daher wissen musste, dass die gängigen Bilder nicht der Wahrheit entsprachen, liefert eine ähn­liche Schilderung von Urbans Predigt. Dabei geht Wilhelm in der Wahl seiner Begriffe für Muslime, wenn auch auf Bibelstellen gestützt, über die anderen Berichte hinaus. Auch er beschreibt die Vergewaltigung und Ermordung von Frauen und die Tötung von Priestern. Darüber hinaus spricht er von „heidnischer Unreinheit“, „heidnischem Aberglauben“ und bezeichnet die Muslime als „Hunde“.20 Aus den Versionen der Rede geht nicht klar hervor, auf welches Gebiet die angeb­lichen Schandtaten der Türken bezogen werden. Balderich und Robert sprechen von dem gesamten Osten, von Jerusalem bis zum Bosporus 21, während die Überlieferung Fulchers 22, in der das Wort „Jerusalem“ nicht erwähnt wird, nahe legt, dass nur die Gebiete Kleinasiens und des nörd­lichen Syriens gemeint sind, in die infolge des Verfalls der byzantinischen Macht ab 1071 vermehrt türkische Stämme eindrangen. Für Jerusalem selbst und Palästina erscheinen die genannten Vorkommnisse, wie oben gezeigt, äußerst unwahrschein­lich bzw. übertrieben. Zudem waren die Fatimiden, bis 1073 Herren über Jerusalem, den Christen ausgesprochen freund­lich gesinnt. Das 11. Jahrhundert, als das nörd­liche Syrien in byzanti­ nischer und das Land süd­lich davon in fatimidischer Hand war, war eine Blüte­ zeit der Pilgerreisen.23 Wenn allerdings ausschließ­lich die Gebiete Kleinasiens gemeint bzw. mit eingeschlossen sind, so sind gewaltsame Vorkommnisse wie sie die Quellen schildern, durchaus wahrschein­lich. Die byzantinische Staatsmacht war in 18 Ebd., S. 78. 19 Flori, La Première Croisade, S. 37. 20 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, I, XV, S.40 f. 21 Balderich von Dol, Historia Jerosolymitana, I, 1066A; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, I, I, S. 727D. 22 Fulcher von Chartres, Historia Hieroslymitana, I, III, 3, S. 133: „[…] invaserunt enim eos, sicuti plerisque vestrum iam dictum est, usque mare Mediterraneum, ad illud scilicet quod dicunt Brachium S. Georgii […]“. 23 Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 48 ff.

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Kleinasien völlig zusammengebrochen und türkische Nomaden drangen ungehindert in das Land ein, nicht ohne sich gegenseitig zu bekämpfen. Dass es im Verlauf dieser Ereignisse zu Plünderungen und Übergriffen auf die ungeschützte Zivilbevölkerung kam oder auch auf Pilger, die noch nichts von der neuen Situa­tion wussten, kann nicht bezweifelt werden. Die byzantinischen Quellen des späteren 11. Jahrhunderts berichten zur Genüge von solchen Vorkommnissen. Zur Eroberung von Caesarea durch die Türken 1067 heißt es bei Michael Attaleiates und Johannes Skylitzes, die Eroberer hätten geplündert und gebrandschatzt, K ­ irchen entweiht, Kultobjekte zerstört und sich sogar am Grab des Ortsheiligen Basilius vergriffen.24 Vorwürfe, die bei der Erstürmung einer Stadt durch Truppen einer anderen Religion nicht unwahrschein­lich sind und die den Behauptungen der abendländischen Chronisten sehr ähneln. Infolge der türkischen Einfälle kam es in Anatolien im 11. Jahrhundert zu Zerstörungen von Städten und Verwüstungen von ganzen Landstrichen, gefolgt von einem Rückgang der Bevölkerung.25 Es ist gut mög­lich, dass die Erfahrungen der Einheimischen und die Berichte in Konstantinopel münd­lich weiterverbreitet wurden und so auch nach Westeuropa gelangten. Viele Christen flüchteten vor den türkischen Reitern nach Konstantinopel, wo ihre Berichte die Stimmung beeinflussten. Urban II. waren diese Vorkommnisse zweifellos bekannt, zumal es mög­lich ist, dass einige der Vertriebenen auf dem Konzil von Piacenza im März 1095 mit Urban zusammentrafen und vielleicht sogar in Clermont anwesend waren.26 Aufgrund der Berichte ließ sich leicht eine propagandawirksame Strategie aufbauen, die die Türken als grausame Invasoren und wilde Krieger schilderte. Letzteres dürfte auch geeignet gewesen sein, um speziell an die anwesenden Ritter zu appellieren. Wenn Fulcher und vielleicht auch Urban dies noch kurz und in nüchternen Worten taten, so ließen die anderen Autoren ihrer Fantasie freien Lauf, fügten sich die Vorwürfe doch gut in das Bild vom Sarazenen und vom Islam, das sie selber hatten oder das sie zumindest bei ihren Lesern erzeugen wollten.

24 Xavier Jacob (Übers.), Les Turcs au moyen-­age textes-­byzantins, Ankara 1990, S. 16 f, 98. 25 Speros Vryonis, The decline of medieval Hellenism in Asia Minor and the process of islamiza­ tion from the eleventh through the fifteenth century, Berkeley 1971, S. 144, 146, 148, 172 ff. 26 Flori, La Première Croisade, S. 30.

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3.2 Die islamische Religion in den Chroniken zum Ersten Kreuzzug Gemäß dem Titel der Arbeit, „gute Ritter, böse Heiden“, soll nun zunächst der Frage nachgegangen werden, wie der Islam in den Berichten zum ­Ersten Kreuzzug dargestellt wird. Waren die Muslime für die Kreuzfahrer die im Titel angesprochenen „bösen Heiden“ und ­welche Rolle spielte die Kreuzzugspropaganda in ­diesem Bereich? Herrschte im 11. Jahrhundert in Europa weitgehend Desinteresse über die Lehre des Islam, so war das bei den Chronisten des ­Ersten Kreuzzuges nicht anders. Außer bei Guibert von Nogent findet sich keine längere, zusammenhängende Abhandlung über die islamische Religion. Wenn der Leser etwas über die Vorstellungen oder Praktiken der fremden Religion erfährt, dann meistens im Zuge anderer Ereignisse, denen die theolo­gischen Details in einem Halbsatz angefügt sind. Ledig­lich der Abt des Klosters Nogent beschäftigt sich also länger mit dem Islam. Allerdings war der Chronist niemals im Heiligen Land und schrieb erst etwa 10 Jahre nach dem Zug, als vielleicht schon zusätz­liche Informa­tionen zu erhalten waren. Sach­liche Informa­tionen über die Religionsausübung der Muslime finden sich aber auch in seiner Chronik nur wenige. Die Geschichten über den häretischen Mönch als Lehrer Mohammeds und die Wiedergabe der pervertierten Biographie des Propheten 27 entnahm Guibert, wie er auch zugibt 28, den im Umlauf befind­lichen Erzählungen. Wenn die Autoren nicht ethnisch geprägte Bezeichnungen für die Muslime verwendeten, so dominieren die Begriffe pagani oder gentiles als Bezeichnung für Heiden. Dies gilt auch für Guibert, obwohl er zuvor noch feststellte, dass die Muslime durchaus Gott verehren. Hier wird über die Wortwahl das Vorurteil vom Götzendienst impliziert, denn man kann davon ausgehen, dass wie schon bei Isidor von Sevilla als pagani ­solche Völker galten, die dem Götzendienst huldigten.29 Begriffe wie „Islam“ oder „Muslime“ werden dagegen nie verwendet.30 Diese Gleichsetzung der Sarazenen mit anderen Heiden, seit Beda in Westund Nordeuropa üb­lich, setzt sich in der Bezeichnung der Muslime als Polytheisten fort. Zwar wird dies nicht ausdrück­lich erwähnt, doch rufen die sarazenischen 27 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, I, IV, S. 95, Z. 275 bis I, IV, S. 99, Z. 381. 28 Ebd., I, III, S. 94, Z. 250 ff. 29 Louchitskaya, Barbarae Na­tiones, S. 105 f. 30 Tolan, Muslims as pagan Idolaters, S. 98.

Die islamische Religion in den Chroniken zum Ersten Kreuzzug  |

Heerführer und Regenten mehrmals ihre Götter an. So zwingen die Sarazenen von Antiochia den Ritter Rainald Porchet zur Konvertierung und zur Anerkennung Mohammeds und der anderen Götter.31 Neben dem angeb­lichen Polytheismus der Muslime wird Mohammed gemäß Tudebods Aussage von ihnen auch als Gott verehrt. Die Gesta Francorum geben einen Brief von ­Karbuġā, des A ­ tabegs von Mosul, an den Kalifen wieder, in dem dieser „per omnium deorum nomina“32 schwört, die Christen aus dem Nahen Osten zu vertreiben. Wenig ­später bittet ihn seine M ­ utter, mit der gleichen Formel, nicht gegen die Franken ins Feld zu ziehen.33 Gerade diese Szenen, die völlig der Fantasie der Chronisten entsprungen sind, geben ihr Bild von einem heidnischen, polytheistischen Islam am deut­lichsten wieder. Eine Ausnahme bildet an einer Stelle Albert von Aachen, der ansonsten auch von mehreren Göttern schreibt. Albert lässt Karbuġā hier bei seinem Gott, im Singular, schwören.34 Wieder schildert er eine Szene, bei der kein Christ Zeuge gewesen sein kann. Handelt es sich hier um ein „Versehen“, bei dem das bessere Wissen zutage trat oder erfuhr Albert diese Geschichte von einem Gewährsmann, der ein größeres Interesse an der Religion des Gegners hatte? Nicht nur im Hinblick auf die Vielgötterei wird der Islam in die Nähe des Aberglaubens und der heidnischen Kulte gerückt, auch die Religionsausübung ist gemäß den Berichten von okkulten und abergläubischen Praktiken geprägt. Den Sultan in Bagdad lässt Albert von Aachen Zauberer und Wahrsager über einen künftigen Sieg befragen.35 Die Bücher in arabischer Schrift, die man nach dem Sieg über Karbuġā in dessen Lager fand und bei denen es sich wohl um den Koran handelte, interpretiert Albert zwar richtig als Werke, in denen die religiösen Vorschriften der Türken niedergeschrieben s­ eien, doch handele es sich dabei laut Albert um die gottlosen Lieder von Zauberern und Vogeldeutern.36 Es ist nicht verwunder­lich, dass im Heer Geschichten über den Inhalt der Bücher entstanden, den niemand entziffern konnte. Die einfachen 31 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, in RHC occ. Bd. III, Paris 1866, S. 1 – 117, VIII, II, S. 51; Peter Tudebod, Historia de hierosolymitano itinere, hrsg. von John Hugh Hill, Laurita L. Hill, Paris 1977, S. 80: „[…] et crede Malphumet et nostris aliis diis.“ 32 Gesta Francorum, XXI, 9, S. 322. 33 Ebd., XXII, 1 ff, S. 323 ff. 34 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 11, S. 266: „[…] in Deo suo jurat […]“. 35 Ebd., IV, 8, S. 258: „Rex autem Corruzana […] magos, ariolos et aruspices deorum suum ­inuibat, de victoria future requirit.“ 36 Ebd., IV, 56, S. 336: „Codices vero innumerabiles in eisdem castris Gentilium repererunt, in quibus sacrilegi ritus Sarracenorum […] inscripti erant, et nefanda carmina ariolorum et aruspi­cum cum caracteribus exsecrabilis.“

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Kreuzfahrer legten den Inhalt der Schriften mit dem Bild im Hinterkopf aus, das sie von zu Hause über den Islam hatten, näm­lich als heidnischen Aberglauben. Auch sechzig Jahre s­ päter findet sich bei Wilhelm von Tyrus noch eine ähn­liche Vermischung von korrekten Beobachtungen und Verleumdungen. Bei der Beschreibung der Minarette der Moscheen in Jerusalem bezeichnet er die Muezzine, die zum Gebet rufen, als „Priester des sarazenischen Aberglaubens.“ 37 Die Verachtung für den muslimischen Glauben ging so weit, dass man die Anwesenheit der Muslime in Jerusalem als Verschmutzung der Heiligen Stätten ansah. Die Gewalt bei der Eroberung sei für die Kreuzfahrer ein notwendiges und gerechtfertigtes Mittel gewesen, um die Stadt zu reinigen, so Cole.38 Interessant in Bezug auf das Thema der Arbeit ist aber die Tatsache, dass die Chroniken die muslimischen Führer fast nie beschuldigen, Hexerei oder okkulte Riten zu ihrem Vorteil in der Schlacht eingesetzt zu haben. Derlei Praktiken werden in den Chroniken von den Muslimen meist zur Deutung der Zukunft herangezogen, nicht aber um den Christen Schaden zuzufügen.39 Eine beliebte Geschichte in den Chroniken ist das Konversionsangebot muslimischer Führer an christ­liche Gefangene. Die Chronisten können bei dieser Gelegenheit gleich mehrere der von ihnen gepflegten Bilder bedienen. Deut­lich wird dies bei Peter Tudebod, der den Fall des Ritters Rainald Porchet schildert. Yaġī Siyān, der Statthalter von Antiochia, bietet dem gefangenen Kreuzfahrer zahlreiche Gaben, etwa Gold, Pferde oder Frauen, um ihm die Konversion schmackhaft zu machen.40 Allerdings erfolgen diese Versprechungen erst, das gesteht auch Tudebod zu, nachdem zuvor Lösegeldverhandlungen gescheitert sind.41 Hier kommt deut­lich das K­lischee des Islam als verwelt­lichte Religion zum Ausdruck. Rainald lehnt ab, woraufhin Yaġī Siyān ihn köpfen lässt. In seiner Wut ordnet der Statthalter daraufhin an, alle gefangenen Pilger zu verbrennen.42 Bedient wird hier zum einen, entsprechend des Selbstverständnisses der Kreuzfahrer, das Bild des standhaften christ­lichen Pilgers, der zum 37 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, VIII, 3, S. 387: „supersti­tionis Sarracenorum sacerdotes.“ 38 Cole, O God, S. 88 ff. 39 Rosalind Hill, Crusading warfare: A camp-­followers view 1097 – 1120, in: Reginald Allen Brown (Hg.), Proceedings of the Battle Conference on Anglo-­Norman Studies I, 1978, Ipswich 1979, S. 75 – 83, S. 80. 40 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, VIII, II, S. 51; Edi­tion Hill S. 80: „Quod si feceris, dabimus tibi omnia que petieris, videlicet aurum et argentum, equos et mulas, et alia plurima ornamenta que volueris, et uxores et hereditates, et maximo honore, ditabimus te.“ 41 Siehe dazu: Yvonne Friedmann, Encounter between enemies. Captivity and ransom in the Latin kingdom of Jerusalem, Leiden 2002, S. 23 f. 42 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano itinere, VIII, II, S. 52 = Edi­tion Hill, S. 80 f.

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Märtyrer wird, zum anderen das Bild des grausamen muslimischen Herrschers, entsprechend der Darstellung des Islam als Religion der Gewalt. Die Sarazenen bzw. Türken übernehmen die Rolle der alten römischen Verfolger und werden in Kontrast zur Frömmigkeit der Kreuzfahrer gesetzt.43 Dass hier Kreuzzugspropaganda betrieben wird ist klar, dennoch könnte in solchen Darstellungen auch ein wahrer Kern stecken. Im Krieg gegen „Ungläubige“ sind Muslime zunächst dazu angehalten, Feinden die Konversion anzubieten. Gefangene dürfen getötet werden, nicht aber, wenn sie den islamischen Glauben annehmen.44 Vielleicht hielt sich Yaġī Siyān hier an das islamische Recht und bot Rainald als gefangenem „Ungläubigen“, den zu töten ihm freistand, zuerst die Konversion an. Dies schließt natür­lich nicht aus, dass die christ­lichen Chronisten die Geschichte gemäß ihrer Vorstellungen vom Islam ausbauten, etwa was die Geschenke oder was die übrigen Grausamkeiten des Statthalters betrifft. Für die Chronisten manifestierte sich die Minderwertigkeit des islamischen Glaubens im Erfolg des Kreuzheeres auf dem Schlachtfeld. Bei der Niederschrift bot sich dann die Gelegenheit, ­dieses Thema in fiktiven Gesprächen oder Klage­ reden breiter darzustellen. Der muslimische Feldherr Karbuġā wird von seiner ­Mutter vor der Macht des christ­lichen Gottes gewarnt. Es sei sinnlos, gegen die Christen zu kämpfen, da ihr Gott ihnen zur Seite stehe.45 Die Tatsache, dass eine „Heidin“ hier die Macht Gottes propagiert, machte die Stelle argumentativ besonders wirksam.46 Das Gespräch des Feldherrn mit seiner ­Mutter nimmt allein dreieinhalb Seiten in der nur etwa 100 Seiten umfassenden Edi­tion der Gesta ein, was zeigt, wie wichtig dem Chronisten diese Szene war. Einen anderen Weg wählt Robert der Mönch in einer nicht minder fiktiven Szene. Anstatt die Warnungen vor der Schlacht zu thematisieren, lässt er den ägyptischen Wesir al-­Afḍal nach der verlorenen Schlacht von Askalon klagen und sich bei Mohammed beschweren. Mohammeds Begräbnisstätte sei mit viel mehr Gold und Juwelen geschmückt als die Grabeskirche. Was nützten aber alle Ehrerweisungen, wenn man dafür keine Gegenleistung erhalte?47 Der Zweck solcher Reden ist klar. Der christ­liche Gott gewährt den Sieg in 43 Tolan, Muslims as pagan idolaters, S. 101. 44 John Kelsay, Islam and the distinc­tion between combatants and noncombatants, in: John K ­ elsay, John Turner Johnson (Hg.), Cross, crescent and sword. The justifica­tion and limita­tion of war in western and Islamic tradi­tion, Westport 1990, S. 197 – 220, S. 201 f. 45 Gesta Francorum, XXII, 4, S. 325 f. 46 Tolan, Muslims as pagan idolaters, S. 104 f. 47 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IX, XXI, S. 877E: „Cujus igitur culpa ita degene­ resefficimur quum omnem tibi exhibimus honorem, et nullam nobis rependis vicem?“

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der Schlacht, er ist mächtiger als Mohammed, trotz des welt­lichen Prunks der Muslime, Widerstand gegen die Christen ist daher eigent­lich zwecklos. Hier sprechen ein ungeheures Sendungsbewusstsein und die Selbsteinschätzung der Kreuzfahrer als Werkzeuge Gottes. Demgegenüber tauchen in den Quellen aber auch immer wieder Stellen auf, in denen der Islam und die Muslime nüchtern und wahrheitsgetreu beschrieben werden und die eine teils profunde Kenntnis der islamischen Welt offenbaren. Über den zu dieser Zeit machtpolitisch unbedeutenden abbasidischen Kalifen in Bagdad, al-­Mustaẓhir, waren die Chronisten informiert. Der anonyme Autor der Gesta beschreibt den geist­lichen Führer der Sunniten als „Papst der Türken.“48 Eine knappe, aber angesichts der Tatsache, dass der Autor wohl ein einfacher Ritter war, im Kern zutreffende Beschreibung. Das Schisma z­ wischen Schiiten und Sunniten blieb den Kreuzfahrern ebenfalls nicht verborgen. Raimund von Aguilers wusste sogar, dass Erstere sich auf Ali, den Schwiegersohn Mohammeds berufen.49 Anläss­lich seines Berichtes über die Rückeroberung des seit 1073 türkischen Jerusalems durch die Fatimiden 1098 erwähnt Albert von Aachen nur Positives über den ägyptischen Wesir al-­Afḍal (zumindest scheint dieser hier gemeint zu sein, wenn Albert auch vom „König von Babylon“ spricht). So habe der Muslim demütig in der al-­Aqṣā Moschee gebetet, wie es seine Religion verlange, habe fried­lich die Grabeskirche besucht und habe den Christen die freie Ausübung ihres Glaubens gewährt.50 Nach Raimund von Aguilers habe er der Grabeskirche sogar Geschenke überreicht.51 Guibert von Nogent weiß, wie bereits erwähnt, dass Mohammed nicht als Gott verehrt wird, sondern nur als Prophet.52 Auch die Tatsache, dass die Muslime die christ­liche Trinität ablehnen, nur Gott allein verehren und Jesus als menschlich betrachten, ist ihm bekannt.53 Hier finden sich erstaun­lich ­korrekte und detaillierte Informa­tionen, völlig frei von Polemik und Verleumdung. 48 Gesta Francorum, XXI, 1, S. 313: „Calipha illorum apostolico.“ 49 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XVI, S. 277D: „Turci vero ut nobis relatum est, volebant hoc facere illi: Si veniret cum ipsis contra nos in praelium, colerent Alim, quem ipse colet, qui est de genere Mahumet […]“ (angesprochen sind die Fatimiden, denen die Türken im Falle eines Bündnisses angeb­lich d ­ ieses Versprechen gemacht hätten) – siehe dazu auch Halm, Kalifen und Assassinen, S. 94. 50 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 32, S. 444: „[…] rex Iherusalem ingressus, templum Domini juxta ritum Gentilium, summa reverentia et humilitate subiit. Dein templum sepulchri Dominici cum omni habitu religionis Gentilis introivit, omnia pacifice perlustrans, et nullum Christianorum a fide et ordine sui ritus avertens.“ 51 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XVI, S. 277F. 52 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, IV, S. 100, Z. 408 ff. 53 Ebd., I, III, S. 94, Z. 245 ff.

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Konnten Mönche in Europa wie Albert oder Guibert weitab von der „Quelle“ über ­dieses Wissen verfügen, das zumindest Guibert ja nach eigenen Angaben aus Erzählungen erhielt und nicht aus wissenschaft­lichen Werken, so ist es mehr als wahrschein­lich, dass den Autoren im Osten vergleichbares Wissen zugäng­lich war. Dennoch setzen gerade zwei Augenzeugen den Islam in ihren Schilderungen mit heidnischen Götzenkulten gleich. Fulcher von Chartres und Radulph von Caen, zwei Männer, die lange im Nahen Osten lebten, berichten über eine Statue Mohammeds, die in der al-­Aqṣā Moschee in Jerusalem gestanden habe.54 Nach Radulph sei das Idol über und über mit Kostbarkeiten behängt gewesen. Nicht nur wird dem Islam hier Götzendienst vorgeworfen, auch die Rolle Mohammeds wird völlig verkannt. Dieser Fehler tritt auch in anderen Chroniken auf, in denen über Mohammedstatuen geschrieben oder dem Propheten die Rolle eines Gottes zugesprochen wird.55 Aber auch ­dieses Bild ist nicht einheit­lich. Wie bei Albert sind auch in d ­ iesem Punkt in denselben Wer56 ken unterschied­liche Zitate zu finden. Es ist mehr als unwahrschein­lich, dass Fulcher und Radulph nichts von der Rolle Mohammeds und von der Bilderfeind­lichkeit des Islam wussten. Beide lebten zu lange gemeinsam mit Muslimen im Heiligen Land. Selbst wenn man ihnen Unwissen unterstellt, bleibt die Frage, wo sie eine s­ olche Statue gesehen haben wollen. Die Hypothese, dass die Kreuzfahrer eine alte römische Statue gesehen haben können, verwirft Matthew Bennett richtigerweise als unwahrschein­lich.57 Gegen die einfache Übernahme byzantinischer Anschuldigungen spricht die sehr präzise Beschreibung der reich geschmückten Statue bei Radulph.58 Durch den Vergleich der Gesta Francorum mit den späteren Chansons de Geste hat Bennett nachgewiesen, dass viele Berichte zum 54 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, I, XXVII, 2, S. 294; Radulph von Caen, Gesta Tancredi, CXXIX, S. 695F: „Stabat in excelsum simulacrum fusile throno scilicet argentum grave […]. Nam gemmis totus et ostro Mahummed redimitus erat, radiabat et auro.“ 55 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IX, XXI, S. 878C: „Mathome, Mathome, quis unquam venustiori te cultu colitur, in delubris auro argentoque insignitis, pulchrisque de te imaginibus decorates, et caerimoniis et solemnitatibus omnique ritu sacrorum?“; Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, hrsg. u. übers. von Marjorie Chibnall: The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis, 6 Bde., Oxford 1969 – 1980, IX, 15, Bd. 5, S. 166: „Machometi Deo nostro Dignas laudes pangite.“ 56 So z. B. Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IX, XXI, S. 877A: „O Mathome praeceptor noster et patrone“, im Gegensatz zur vorangestellten Anmerkung. 57 Matthew Bennett, First crusaders images of Muslims, S. 102. 58 Ebd., S. 102.

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­ rsten Kreuzzug stark von münd­lichen Überlieferungen beeinflusst worden E sind bzw. dass beide auf einer gemeinsamen Tradi­tion fußen.59 Nach Matthew Bennett ­seien die ersten Kreuzfahrer von den in der münd­lichen Dichtung überlieferten Vorurteilen geprägt gewesen. Diese Geschichten, die s­ päter in den Chansons de Geste überlebten, hätten auch den Blick der Christen auf die islamische Religion beeinflusst. Völkl sieht die Erwähnung der Statue als einen Versuch, die Gegner im Rahmen des antimuslimischen Feindbildes als besonders verwerf­lich darzustellen, also als eine bewusste und vorsätz­liche Falschdarstellung.60 Ein gutes Beispiel dafür, wie realistische Schilderungen von ausgeschmückten Geschichten überlagert werden konnten, bietet die Historia Belli Sacri, eine Überarbeitung der Gesta Francorum aus dem Jahre 1130.61 Zuerst wird recht authentisch die Umwandlung einer antiochenischen ­Kirche in eine Moschee beschrieben. Man habe die Bilder mit Kalk und Gips bedeckt und in der ehemaligen ­Kirche Schriftzüge angebracht. Ein Bild Jesu bleibt zunächst hängen, soll aber ­später ebenfalls entfernt werden. Jeder Versuch, das Bild niederzureißen, schlägt fehl. Das Bildnis wird nicht von Pfeilen getroffen und ein Mann, der auf eine Leiter steigt, um es abzureißen, stürzt hinab. Dies habe unter den Muslimen große Furcht verursacht.62 Ohne Zweifel teilten die Chronisten die öffent­liche Meinung über den Islam. Zu viele K­lischees, die sich seit dem 10. Jahrhundert in Westeuropa gebildet hatten, hielten sich hartnäckig in den Chroniken des Kreuzzuges, wie etwa der Vorwurf des Aberglaubens, des Götzendienstes oder des Polytheismus. Albert von Aachen scheint neben den Berichten heimkehrender Kreuzfahrer auch epische Quellen benutzt zu haben.63 Allerdings reicht dies nicht, um so offensicht­lich falsche Schilderungen wie die der Mohammed-­Statue durch Augenzeugen wie Fulcher zu erklären. Hier wird man Jean Flori folgen müssen, der ideolo­gische Gründe für die falsche Darstellung anführt. So habe man die Mög­lichkeit 59 Ebd., S. 101 f, 107 ff. 60 Völkl, Muslime, S. 195. 61 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 319; John France, The use of the anonymous Gesta Francorum in the early twelfth-­century sources for the First Crusade, in: Alan V. Murray (Hg.), From Clermont to Jerusalem. The Crusades and crusader societies 1095 – 1500, Turnhout 1998, S. 29 – 42, S. 36 ff. 62 Historia belli sacri, in: RHC occ. Bd. V, S. 165 – 229 (unter dem Titel Tudebodus imitatus et continuatus), LX, LXI, S. 195. 63 Susan B. Edgington, Albert of Aachen and the Chansons de Geste, in: John France, William G. Zajac (Hg.), The Crusades and their sources. Essays presented to Bernard Hamilton, Aldershot 1998, S.  23 – 37.

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gehabt, die Kreuzfahrer mit bib­lischen Kämpfern oder Märtyrern im Kampf gegen gottlose Heiden gleichzusetzen. 64 Ebenso sei an die plausible These John Tolans erinnert, der betont hat, die Darstellung der Schlachten gegen die „Sarazenen“ habe eine lebendige und farbenfrohe Schilderung des ungläubigen Feindes verlangt, gegen den der Krieg gerechtfertigt sei. Diese Geschichten halfen, den Kämpfen Sinn zu geben und den Kreuzzug zu glorifizieren, indem er in den Kontext der christ­lichen Geschichte gesetzt wurde.65 Man darf nicht vergessen, dass die Teilnehmer des ­Ersten Kreuzzuges den Islam hassten, wenn auch in unterschied­licher Intensität.66 Die Kreuzfahrer besaßen durchaus eine genaue Beobachtungsgabe. Den modernen Leser erstaunen die teilweise recht genauen Kenntnisse von Feinheiten der islamischen Religion und die Erwähnung der religiösen Toleranz des Islam. Dass diese exakten Beobachtungen dennoch von den üb­lichen Anschuldigungen umgeben sind, lässt nur den Schluss zu, dass letztere wider besseres Wissen erfolgten und dass hier Propaganda zugunsten des Kreuzzuges betrieben wurde, um den „bösen Heiden“ als besonders verwerf­lichen Gegner zu schaffen. Aber gilt dies auch für den welt­lichen Bereich, wurde der muslimische Gegner auf dem Schlachtfeld ebenso verzerrt dargestellt wie seine Religion oder waren sie für die Kreuzfahrer tatsäch­lich die „guten Ritter“? Wenn ja, wie erklärt sich diese unterschied­liche Bewertung? Um diese Frage beantworten zu können, muss zuerst untersucht werden, wie die Türken in den ­Schlachtenschilderungen des E ­ rsten Kreuzzuges überhaupt dargestellt werden. Dies soll im folgenden Kapitel geschehen.

64 Flori, Croisade et chevalerie, S. 183. 65 Tolan, Muslims as pagan idolaters, S. 98 f, 111. 66 John France, First Crusade and Islam, S. 250 f.

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4 Die Türken in den Schlachtenschilderungen des Ersten Kreuzzuges (1096 – 1099) Im Wesent­lichen sind es vier Augenzeugenberichte, die über die militärischen Auseinandersetzungen des E ­ rsten Kreuzzuges informieren. Bereits erwähnt wurden die Gesta Francorum, das Werk eines anonymen Autors aus ­Süditalien. Zwei weitere Werke von Kreuzzugsteilnehmern liegen von Fulcher von C ­ hartres 1 und Raimund von Aguilers 2 vor. Fulcher brach im Gefolge des Grafen Stephan von Blois nach Osten auf, wurde 1097 Kaplan Balduins von Boulogne und ­später Kanoniker der Grabeskirche von Jerusalem, wo er bis zu seinem Tod 1127 lebte. Er begleitete Balduin ab Oktober 1097 auf dessen Zug nach Edessa, erlebte die Kämpfe um Antiochia, den Zug nach Jerusalem, die Belagerung und Eroberung der Heiligen Stadt daher nicht als Augenzeuge. Raimund nahm als Kaplan des Grafen Raimund von Toulouse in dessen provenza­lischem Gefolge am Zug teil. Ein weiterer Augenzeuge war Peter Tudebod 3, ein franzö­sischer Priester, der sich zwar darauf beschränkte, die Gesta Francorum abzuschreiben, dem Werk des Anonymus jedoch immer wieder Details aus eigenem Erleben hinzufügte. Einzelheiten in Bezug auf die Autoren und die Abhängigkeit der Werke voneinander sind zwar in der Forschung umstritten, doch wurden sie alle unmittelbar nach dem Kreuzzug von Augenzeugen abgefasst, eventuell schon auf dem Zug begonnen.4 Die ausführ­lichste Chronik zum E ­ rsten Kreuzzug, die Historia Ierosolimitana des Albert von Aachen, stammt allerdings nicht von einem Augenzeugen. Der Autor befragte heimkehrende lothrin­gische Kreuzfahrer und schuf so einen reichhaltigen und interessanten Bericht, dessen Wert sich auch durch die Unabhängigkeit von anderen Werken, insbesondere den Gesta und ihrer Abkömmlinge auszeichnet.5 1 2 3 4

Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana. Raimund von Aguilers, Historia Francorum. Peter Tudebod Historia de Hierosolymitano Itinere. Zu den Verbindungen der frühesten Kreuzzugschroniken und den Autoren siehe: Flori, Chroni­ queurs; John France, The Anonymous Gesta Francorum and the Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem of Raymond of Aguilers and the Historia de Hierosolymitano itinere of Peter Tudebode: An Analysis of the Textual Rela­tionsship between Primary Sources for the First Crusade, in: John France, William G. Zajac (Hg.), The Crusades and their Sources. Essays presented to Bernard Hamilton, Aldershot 1998, S. 39 – 69. 5 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana; siehe zu Albert auch: Edgington, Albert of Aachen reappraised; Flori, Chroniqueurs, S. 259 ff.

Ein unbequemer Gegner  |

Im folgenden Kapitel soll versucht werden, die Darstellung der Türken vor allem aus den Augenzeugenberichten zu rekonstruieren, da so das Ziel, das Türkenbild der ersten Kreuzfahrer nachzuzeichnen, am besten erreicht wird. Spätere Chroniken, insbesondere die Überarbeitungen der Gesta Francorum, sollen in einem späteren Abschnitt untersucht werden. Leider ist es nicht mög­lich, sich nur auf die manchmal etwas knappen Berichte der Kreuzzugsteilnehmer zu stützen. Albert von Aachen bietet oft wertvolle Zusatzinforma­tionen und Radulph von Caen, der Anfang des 12. Jahrhundetts nach Syrien kam, bringt zusätz­liche Schilderungen, sodass es in solchen Fällen sinnvoll erscheint, diese bereits jetzt mit den Augenzeugenberichten abzugleichen.

4.1 Ein unbequemer Gegner: Die Feldschlachten gegen türkische Heere a) Nikäa, Mai 1097 6 Sultan Kılıç Arslān war aus Ost-­Anatolien herbeigeeilt, um seine von den Kreuzfahrern belagerte Hauptstadt Nikäa zu entsetzen. Das türkische Heer kam von den bewaldeten Hügeln im Süden der Stadt herab und griff die Armee der Provenzalen unter Graf Raimund von Toulouse an, die gerade angekommen war und begonnen hatte, ihr Lager aufzuschlagen. Das Ziel Kılıç Arslāns war es, die Südfranzosen in d ­ iesem verwundbaren Moment zu überrennen und mit seinen Truppen die Stadt zu verstärken. Die Armee Graf Raimunds erwies sich im entstehenden Handgemenge als zäher Gegner, vermut­lich hatte der Sultan die Stärke des christ­lichen Heeres nach dem leichten Erfolg über den Volkskreuzzug völlig unterschätzt.7 Darüber hinaus waren die Christen in der Überzahl, als die Franzosen Hilfe von den Kontingenten Gottfrieds von Lothringen und Roberts von Flandern erhielten, die im Osten der Stadt lagerten und die rechte Flanke der Türken angriffen. Der größte Nachteil für 6 Das genaue Datum ist umstritten, Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 170, plädiert für den 21. Mai; Philipp Endmann, Die Schlacht vor Nikaia am 17. Mai 1097 in militärgeschicht­licher Perspektive, in: Concilium medii aevi 4 (2001), S. 133 – 151, S. 142 f für den 17. Mai; zu Terrain des Schlachtfeldes, Schlachtentstehung und -verlauf: France, Victory in the East, S. 160 – 162, dessen Forschungsergebnisse zur Rekonstruk­tion der Schlachten des ­Ersten Kreuzzuges auch den weiteren in ­diesem Kapitel behandelten Schlachten zugrunde gelegt sind. 7 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 126 ff.

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die Türken aber war, dass sie in dem hügeligen Gelände ihre charakteristische Taktik nicht anwenden konnten und sich auf den ungeliebten Nahkampf einlassen mussten.8 Der Leser erfährt bei Raimund von Aguilers, der das Geschehen als Augenzeuge bei den Provenzalen unmittelbar verfolgt haben muss, nicht viel über dessen Einschätzung der türkischen Krieger. Raimund verliert nicht viele Worte über die Schlacht, erweckt daher aber den Eindruck, es habe sich um einen leichten Sieg gehandelt. Allerdings klingt bei ihm auch an, dass es sich bei den Türken um listige Gegner handelt, wenn er schreibt, sie hätten mit zwei Kontingenten angegriffen, um zuerst mit einer Gruppe die Franken abzulenken, und um dann mit der anderen die Stadt betreten zu können. Diese Abteilung sollte, so Raimund, Nikäa durch ein anderes Tor wieder verlassen und über die unvorbereiteten Kreuzfahrer herfallen.9 Fulcher von Chartres widmet der Schlacht nur zwei Sätze. Er ist allerdings kein Augenzeuge, da er mit dem Heer der Nordfranzosen erst einige Tage s­ päter eintraf.10 Aber auch bei ihm wird deut­lich, dass die Türken keinesfalls unüberlegt handeln. Als sie die Stärke der Franken erkennen, ziehen sie sich vorerst zurück und warten auf eine günstige Gelegenheit.11 Diese letzte Aussage sollte aber nicht überbewertet werden, da Fulcher sie ohne Zweifel mit dem Wissen um die späteren Ereignisse, d. h. der Schlacht von Doryläum, niederschrieb. Dass die Türken von der Stärke des fränkischen Heeres überrascht waren ist durchaus mög­lich, da sie im Jahr zuvor mit den undisziplinierten Haufen des Volkskreuzzuges leichtes Spiel gehabt hatten. Der dritte Augenzeuge, der anonyme Autor der Gesta Francorum befand sich wohl mit den übrigen Normannen auf der Nordseite der Stadt und nahm nicht selbst an der Schlacht teil. Auch seine Schilderung lässt die Türken nicht als gefähr­liche Gegner erscheinen, der Sieg ist schnell erfochten, die Türken werden geköpft. Der Anonymus betont aber die Siegesgewissheit und die Überheb­lichkeit der Türken, die Stricke mit sich geführt hätten, um die Christen zu fesseln und abzuführen.12 Ob die Geschichte mit den Stricken historisch ist, ist unsicher, aber auch hier kommt zum Ausdruck, dass die Türken die Kreuzfahrer nach den Erfahrungen mit dem Volkskreuzzug zunächst unterschätzten. Während sich 8 France, Victory in the East, S. 160 – 162. 9 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, III, S. 239D. 10 Endmann, Nikäa, S. 136. 11 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, X, 2, S. 182. 12 Gesta Francorum, VIII, 3, S. 181.

Ein unbequemer Gegner  |

Fulcher damit begnügt, die Fehleinschätzung der Feinde zu beschreiben, geht der Anonymus weiter und bezeichnet die Türken als überheb­lich. Es ist Albert von Aachen, der der Auseinandersetzung den breitesten Raum widmet. Er berichtet von einem türkischen Boten, den man aufgegriffen habe und der unter Drohungen ausgesagt habe, man solle sich vor einem „hinterlistigen und unvermuteten“ Überfall hüten.13 Dennoch bringt Albert im Folgenden die positivste Beschreibung der türkischen Krieger. Er beschreibt das türkische Heer mit Worten, die er ohne Weiteres auch für die Armeen der Kreuzfahrer hätte verwenden können: „Lauter tapfere und im Krieg wohlerfahrene Leute, glänzend bewaffnet mit Panzer, Helm und Schild aus Gold, ungezählte Banner von wunderbarer Schönheit in den Händen.“14 Albert vergisst nicht (erstaunt?) zu erwähnen, es habe sich ausschließ­lich um berittene Bogenschützen gehandelt.15 Er schildert das Aufeinandertreffen aber auch als hitziges Gefecht, in dem frei­lich die Türken unterliegen, fliehen und keinen Angriff in offener Feldschlacht mehr wagen.16 In dieser Darstellung folgt ihm ledig­lich Wilhelm von Tyrus,17 der Albert als Quelle benutzt. Auch in einem weiteren Punkt hebt sich Albert von den Augenzeugenberichten ab. So beschreibt er den türkischen Kompositbogen und die schnellen Pferde, die die Türken zu gefähr­lichen Gegnern gemacht hätten.18 Zwar ist frag­lich, in welchem Ausmaß die Türken bei Nikäa Gebrauch von ihrem Bogen machten, da kein anderer Chronist davon berichtet, doch erstaunt die detaillierte Beschreibung Alberts, da er kein Kreuzzugsteilnehmer war. Wie erwähnt waren die Türken den Christen zwar im Nahkampf unterlegen, waren aber dennoch gerüstet und in der Lage, in einem solchen auch zu bestehen, wenn es notwendig war. Über das Aussehen der Türken, ausgenommen deren militärische Ausrüstung, schweigen sich die Quellen zum ­Ersten Kreuzzug leider völlig aus. Weder in Nikäa noch zu irgendeiner anderen Gelegenheit während des E ­ rsten Kreuzzuges berichten die Autoren etwas über Haut-, Haarfarbe, Frisur oder Kleidung ihrer Gegner. 13 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 26, S. 104: „[…] et eius dolos ac repentinos incursos“. 14 Ebd., II, 27, S. 106: „[…] omnes viri fortissimi, et bello cautissimi, loricis et galeis et clipeis aureis valde armati, signaque plurima mirae pulchritudinis in manibus praeferentes“; Übersetzung nach: Herman Hefele (Übers.), Albert von Aachen, Geschichte des E ­ rsten Kreuzzuges, Erster Teil: Die Eroberung des Heiligen Landes, Jena 1923. 15 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 27, S. 106. 16 Ebd., II, 27, S. 108. 17 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, III, 3/4, S. 200 ff. 18 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 27, S. 106: „Arcus corneos et osseos“.

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Die zeitnächsten Schilderungen der Kreuzfahrer über die Schlacht bei Nikäa finden sich in drei Briefen, die kurz nach der Schlacht bzw. im Folgejahr verfasst wurden. Erstaun­licherweise geben diese frühesten Zeugnisse teilweise ein etwas anderes Bild der Türken. Anselm von Ribemont berichtet in einem Brief an den Erzbischof von Reims, Kılıç Arslān hätte gerade an dem Tag angegriffen, an dem sich die Türken angeb­lich hätten ergeben wollen.19 Dies geht über die Schläue der Türken bei Raimund hinaus. Hier werden die muslimischen Gegner zum ersten Mal als listig und hinterhältig dargestellt. Hintergrund ­dieses Vorwurfs könnte sein, dass ­Kaiser Alexios unmittelbar vor der Schlacht mit der Garnison von Nikäa Übergabeverhandlungen geführt hatte. Als aber Nachrichten vom heranrückenden Heer des Sultans eintrafen, wurde diese abgebrochen.20 Es ist nicht klar, was die Kreuzfahrer von diesen byzantinisch-­türkischen Unterredungen mitbekommen haben, sodass es mög­lich ist, dass sich bei ihnen der falsche Eindruck einer bevorstehenden Übergabe der Stadt verfestigte und der Sultan als hinterlistig erschien. Stephan von Blois berichtet in zwei Briefen an seine Gemahlin über die Schlacht von Nikäa. Im ersten Schreiben vom 24. Juni 1097 geht er nur kurz auf die schnelle Flucht der Türken ein 21, im zweiten Brief vom folgenden Frühjahr schreibt er dagegen von einer Schlacht gegen die perfidis Turcis.22 Es sind vor allem die zeitnächsten Quellen, die List und Hinterhältigkeit der Türken betonen. Ein Charakterzug, der aber, wenn auch schwächer, ebenfalls in Alberts Schilderung zu finden ist. In den Chroniken dominieren eher Schläue und Überheb­lichkeit als türkische Charaktereigenschaften und es kommt ebenfalls zum Ausdruck, dass die Türken es vorziehen, einen Nahkampf mit den Franken zu vermeiden. Verurteilt wird dies von den Augenzeugen allerdings nicht. Im Gegenteil, zumindest bei Albert werden die Türken als militärische Gegner durchaus positiv dargestellt. Ledig­lich Radulph von Caen, der etwa 15 bis 20 19 Epistula I Anselmi de Ribodimonte ad Manassem archieepiscopum Remorum, 10. 02. 1098, in: Heinrich Hagenmeyer (Hg.), Epistulae et Chartae ad historiam primi belli sacri spectantes. Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088 – 1100, Innsbruck 1901 (Nachdruck Hildesheim 1973), S. 144/5: „[…]calliditas Turcorum, sicut saepe fecerat, multum nos fefellit. Nam una die, qua se reddituros spoponderat, Solimannus et omnes Turci, ex vicinis et longinquis regionibus coadunate, ex improvise castra nostra invader cupientes, nos obvios habuerunt.“ 20 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 169 f; Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, S. 257, Fn. 20. 21 Epistula I Stephani comitis Carnotensis ad Adelam uxorem suam, 24. 06. 1097, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, S. 139/7. 22 Epistula II Stephani comitis Carnotensis ad Adelam uxorem suam, 29. 03. 1098, in: Ebd., S. 149/4.

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Jahre nach den Ereignissen in Syrien schrieb 23, schreibt von den „unehrenhaften Wunden auf den Rücken“ der Türken als Zeichen ­­ für ihre schnelle Flucht.24 Dabei ist aber zu bedenken, dass er die Schilderung der Schlacht ganz auf seinen Helden Tankred zuschneidet, der laut Radulph das Gefecht erst entscheidet. Damit bringen bereits die Schilderungen des ersten Gefechtes die Charakterisierung der Türken, die während der folgenden Jahre grundlegend werden sollte. Eine deut­lich gewichtigere Rolle für die Ausformung des Türkenbildes bei den Kreuzfahrern spielte aber die Schlacht von Doryläum wenige Wochen nach den Ereignissen von Nikäa. b) Doryläum, 1. Juli 1097 In der Schlacht von Doryläum 25 im Nordwesten Kleinasiens waren die Türken zum ersten Mal in der Lage, gegen das Kreuzfahrerheer ihre bevorzugte Taktik anzuwenden, was ihnen vor Nikäa nicht vergönnt gewesen war. Nach der Kapitula­tion Nikäas war das Kreuzheer in zwei Marschkolonnen weiter nach Südosten marschiert. Die erste Gruppe umfasste die Normannen Bohemund, Tankred und Robert von der Normandie, sowie Stephan von Blois mit wohl weniger als 20.000 Mann. Auch Fulcher von Chartres und der Autor der Gesta Francorum befanden sich darunter und können daher als unmittelbare Augenzeugen der gesamten Schlacht gelten. Die Aufteilung des Zuges war eine günstige Gelegenheit für Kılıç Arslān, der sich mit seinem Heer von etwa 10.000 Reitern noch immer in Unterzahl befand.26 Er erwartete die Kreuzfahrer in einem Tal in der Nähe von Doryläum. Während die Nicht-­Kombattanten und das Fußvolk das Lager aufschlugen, gingen die Ritter zum Angriff über. Aber die Türken stellten sich nicht zum Nahkampf, sondern schlugen den Angriff mit Pfeilsalven blutig zurück. In der Folge entwickelte sich ein heftiger Abwehrkampf um das Lager, das die Türken umzingelt hatten. Die Rettung für die bedrohten Kreuzfahrer kam von der zweiten Heersäule unter Gottfried von Bouillon, Raimund von Toulouse, Robert von Flandern und dem Erzbischof von Puy.27 Die Türken flohen angesichts 23 Laetitia Boehm, Die „Gesta Tancredi“ des Radulf von Caen. Ein Beitrag zur Geschichtsschreibung der Normannen um 1100, in: Historisches Jahrbuch 75 (1956), S. 47 – 72, S. 51. 24 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XVI, S. 617 F: „Multi tamen inhonesta tergo vulnera domum reportarunt.“ 25 Zum genauen Ort und zum Verlauf der Schlacht: France, Victory in the East, S. 171 ff. 26 Ebd., S. 169 ff. 27 Ebd., S. 180 ff.

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der neuen Bedrohung auf ihrer linken Flanke, aber nicht ohne immer wieder zurückzukehren und töd­liche Pfeilsalven abzuschießen. Der erste Kontakt mit der türkischen Kampfweise hatte die Christen an den Rand einer Niederlage gebracht und ihnen gezeigt, dass sie auf diese Art des Kampfes reagieren mussten. Allein der breite Raum, den die Schlachtbeschreibung in den Chroniken einnimmt, spricht dafür, dass die Schlacht für die Chronisten auch bei der Niederschrift Jahre ­später einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Die Beschreibungen gehen in ihrer Eindring­lichkeit weit über die Schilderungen der Schlacht von Nikäa hinaus. Aus der Fülle der Aussagen über die Kampfhandlungen heben sich zwei charakteristische Merkmale ab. Zum einen ist dies der psycholo­gische Aspekt, der tiefe Eindruck der Gefahr und Ausweglosigkeit, den der türkische Angriff bei den Beteiligten hinterließ, zum anderen die Beschreibung der türkischen Wildheit, sowohl im Sinne eines wilden und kühnen Angriffs als auch eines unbarmherzigen Vorgehens gegen die Zivilisten im Lager. Bereits zu Beginn der Schlacht scheint das türkische Heer die Kreuzfahrer sehr beeindruckt zu haben. Fulcher von Chartres, der wegen seines späten Eintreffens vor Nikäa ja noch nie ein solches gesehen hatte, beschreibt erstaunt, dass alle Türken beritten gewesen ­seien.28 Ohne negative Kommentierung erwähnt er auch, alle Türken s­ eien mit Bögen bewaffnet, weil dies bei ihnen so üb­lich sei. Was die beiden Augenzeugen Fulcher und den Autor der Gesta gleichermaßen beeindruckte, war das Kriegsgeschrei der Türken. Der Anonymus berichtet, die Türken hätten geheult und geschrien und andauernd ein teuf­lisches Wort gerufen, „diabolicum sonum“, das er nicht verstehe und wie Dämonen geschrien, „demoniaca voce“.29 Tatsäch­lich handelte es sich bei ­diesem Ruf, den Radulph von Caen mit „Allachibar“30 wiedergibt, um den Ruf „Allāhū akbar“ – Gott ist groß.31 Der Lärm aus Rufen und Trommeln schien sich bis zu den Sternen zu erheben, berichtet Wilhelm von Tyrus noch siebzig Jahre s­ päter.32 Zwar kann der Erzbischof von Tyrus hier nicht mehr als Primärquelle gelten, aber es ist davon auszugehen, dass er Ähn­liches von Kämpfern seiner Zeit erfahren und deshalb an dieser Stelle seinem Werk hinzugefügt hatte. Allgemeine Charakteristika der 28 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 4, S. 193: „Equites erant omnes.“ 29 Gesta Francorum, IX, 3, S. 198. 30 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XL, S. 636B. 31 Thorau, Kreuzzüge, S. 58. 32 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, III, XIV, S. 131.

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türkischen Kampfweise, etwa das Ausweichen vom Nahkampf, f­licht ­Wilhelm öfter in seine Chronik ein. Fulcher von Chartres schreibt, die Türken hätten wie Wölfe geheult, die Kreuzfahrer ­seien wie gelähmt gewesen und hätten dem Tod ins Auge gesehen. Eindring­lich malt er die Furcht unter den Menschen im Lager aus.33 Interessant ist Fulchers Wortwahl. Nicht nur, dass er das Verhalten der Türken mit dem von wilden Tieren, Wölfen, gleichsetzt, er verwendet auch das Verb ululare für seine Beschreibung. Fulcher war wohl mit antiken Autoren wie Lucan, Vergil, Ovid o. a. vertraut, was auf eine gründ­liche Ausbildung in den artes schließen lässt.34 Emily Albu hat auf die Bedeutung des Wortes ululare bei Vergil hingewiesen: „He associates it always with beasts or with females who are savage or crazed or tormented by anguish.“35 Es kennzeichnet also Situa­tionen, in denen der Heulende nicht von ra­tionalem Verstand gelenkt wird. Setzt man voraus, dass Fulcher aufgrund seiner klas­sischen Bildung Vergil kannte, so wird deut­lich, dass es sich hier um eine bewusste Anlehnung handeln könnte, die die Türken in einer ganz bestimmten Weise charakterisiert: Als wild, unzivilisiert aber auch als räuberisch und gefähr­lich. Aber Fulcher setzt nicht nur die Türken mit Wölfen gleich, er komplettiert sein Bild, indem er die Christen mit zitternden, zusammengedrängten und verängstigten Schafen vergleicht.36 Diese Metapher führt nicht nur die Angst der Menschen im Lager der Kreuzfahrer vor Augen, sie zeigt auch das Selbstverständnis der Kreuzfahrer als neue Apostel und Märtyrer.37 Die Bezugnahme auf die Worte Jesu an die Apostel wird hier sehr deut­lich: „Siehe, ich sende euch wie die Schafe mitten unter die Wölfe.“38 Es ist nicht unwahrschein­lich, dass sich die Menschen im Lager wirk­lich wie Beutetiere in einer töd­lichen Falle fühlten. Zumindest unter den Zivilisten bestand wohl wenig Hoffnung, dem Angriff widerstehen zu können.39 33 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 6, S. 194 f: „Turci autem ululatibus concrepantes et pluviam sagittarum vehementer emittentes; nos ilico stupefacti mortique proximi, etiam multi laesi, mox dorsa fugae dedimus“; ebd., I, XI, 7, S. 195. 34 Epp, Fulcher von Chartres, S. 25. 35 Emily Albu, The Normans in their histories: Propaganda, myth and subversion, Woodbridge 2001, S. 44. 36 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 8, S. 195. 37 Tolan, Muslims as pagan idolaters, S. 100. 38 Matthäus 10, 16; Lukas 10, 3. 39 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, III, II, S. 25; Edi­tion Hill S. 52: „Nos itaque nequivimus resistere eis neque sufferre pondus tantorum hostium […]“; Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 8, S. 196.

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Diese Situa­tion wurde durch den bald einsetzenden zermürbenden Pfeilbeschuss, der so typisch für die Kampfweise der Türken war, noch verschlimmert. Die Gesta Francorum bewundern die große Reichweite, aus der die Gegner ihre Geschosse abfeuerten und Fulcher vergleicht die Pfeile mit einem Regenschauer.40 Andere Chronisten wählen den Vergleich mit einem Unwetter 41 oder behaupten, die Pfeile hätten den Himmel verdunkelt.42 Der ständige Pfeilbeschuss demoralisierte die Kreuzfahrer, da nach und nach immer mehr Männer verwundet oder getötet wurden. In Doryläum war die Wirkung dieser Kampfweise besonders prägnant, da sie den Kreuzfahrern noch völlig unbekannt war.43 Es bedarf nicht großer Vorstellungskraft, um sich die Panik im Lager vorzustellen, als immer mehr Menschen und Pferde von den Pfeilen verletzt oder getötet wurden. Es dürfte die Mobilität der schnellen türkischen Reiter gewesen sein, die Radulph von Caen zu der Aussage veranlasste, die Feinde ­seien überall gewesen, nirgendwo aber Hilfe.44 Gerade die Ritter, das Rückgrat jeder Armee in Europa, mussten die ständigen Angriffe der Türken tatenlos hinnehmen. Griffen die euro­päischen Panzerreiter an, zogen sich die Türken zurück und ließen die christ­liche Kavallerie ins Leere reiten. Radulph von Caen erwähnt, die schwere Reiterei hätte sich schließ­lich nur noch auf die Verteidigung beschränkt. Als die Türken mit der Plünderung des christ­lichen Lagers begannen, konnte noch nicht einmal das laut Radulph den Mut der gepanzerten Krieger anstacheln. Die Kombattanten waren durch die blutige Zurückweisung ihrer Kavallerieattacke und den anschließenden türkischen Angriff demoralisiert, niemand dachte mehr an einen Gegen­angriff, man wünschte sich nur noch, irgendwie dem Ansturm zu widerstehen.45 Man kann Rudolf Hiestand nur zustimmen, wenn er schreibt, das vergeb­ liche Sich-­zum-­Kampf-­Stellen habe unter den Kreuzfahrern ein Gefühl der Hilflosigkeit und der Angst verursacht.46 Der Teil des Heeres, der in Europa immer aktiv und unter Umständen schlachtentscheidend am Kampfgeschehen teilnahm, war nun zur Passivität verurteilt und musste sogar zusehen, wie der 40 Gesta Francorum, IX, 5, S. 200; Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 6, S. 194. 41 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXVI, S. 624D. 42 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, XI, S. 761D. 43 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 6, S. 194: „Nec hoc mirandum, quia nobis omnibus tale bellum erat incognitum.“ 44 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXVI, S. 624E: „[…] hostis undique, adjutor nusquam“. 45 Ebd., XXIII, S. 622H; siehe auch France, Victory in the East, S. 180. 46 Hiestand, Kreuzfahrer, S. 55.

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Feind begann, das eigene Lager auszuplündern. Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man den Erfahrungen während der Schlacht von Doryläum, also dem ständigen Pfeilbeschuss und der eigenen Machtlosigkeit, eine große Bedeutung für das im Entstehen befind­liche Türkenbild zuschreibt. In den Schilderungen der Augenzeugen findet sich keine Verurteilung der türkischen Kampfweise. Der Anonymus verwendet zu Beginn seiner Schlachtenschilderung ledig­lich das Adjektiv vehementer um den türkischen Ansturm zu beschreiben 47, ebenso Albert von Aachen,48 eine neutrale, wenn nicht gar eher positiv-­bewundernde Charakterisierung des feind­lichen Angriffs. Den Angriff der Türken auf das christ­liche Lager benutzen einige Chronisten, um Wildheit und Grausamkeit der Türken auszumalen. Albert erwähnt, Mädchen, Frauen und Alte ­seien gleichermaßen umgebracht worden.49 Als die Türken in das Lager eingedrungen ­seien, hätten junge Frauen sich geschmückt, um den Angreifern zu gefallen und so dem Tod durch das Schwert zu entgehen.50 Dies „lässt sich als Versuch beschreiben, unter Rückgriff auf ein ihnen vertrautes Zeichensystem mit den Angreifern zu kommunizieren. […] Es hat daher den Anschein, dass sich die jungen Adeligen als potenziell wertvolle Geiseln zu erkennen geben wollten […].“51

Wieder werden Angst und Hoffnungslosigkeit der Menschen im Lager erkennbar. Von einem ähn­lichen Massaker wie Albert weiß auch Radulph von Caen zu berichten. Er erwähnt in dem entsprechenden Kapitel 23 allein viermal Wildheit und Raublust der Türken, um wenig ­später erneut mehrmals deren Wildheit zu betonen .52 Radulph verwendet die Adjektive saevus und ferox. Je nach Lesart kann dies mutig, kampflustig und grimmig bedeuten, aber auch wild, wohl vornehm­lich als Bezeichnung für Tiere. Dafür, dass die Chronisten die türkischen Krieger hier eher in der letzteren Weise sehen, könnten der Vergleich des türkischen Kriegsgeschreis mit dem Heulen von Wölfen und ihre Beschreibung vom Wüten der Türken unter den Zivilisten im Lager sprechen. 47 Gesta Francorum, IX, 3, S. 197. 48 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 39, S. 130: „impetu vehementi“ 49 Ebd., II, 39, S. 130 50 Ebd., II, 39, S. 130: „Hac crudelitate atrocissme necis stupefactae ac pavidae tenerae pullae et nobilissimae, vestibus ornari festinabant, Turcis se offerebant, ut saltem amore honestarum formarum accensi et placati, discant captivis misereri.“ 51 Sabine Geldsetzer, Frauen auf Kreuzzügen, 1096 – 1291, Darmstadt 2003, S. 107. 52 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXIII, S. 622; XXVII, S. 625.

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Diese angeb­lichen Gräueltaten finden in den Schilderungen der Augenzeugen allerdings so gut wie keinen Raum. In den Gesta fehlt diese Szene ganz. Raimund, der sich in der zweiten Heeresabteilung befand, erwähnt die Schlacht ohnehin nur kurz. Fulcher kommt der Wahrheit wohl am nächsten, wenn er sagt, die Türken s­eien eingedrungen, hätten einige Personen getötet und die Habseligkeiten an sich gerissen.53 Diese Äußerungen zeigen eine bemerkenswerte Differenz in Bezug auf angeb­liche türkische Grausamkeiten ­zwischen den Werken der Augenzeugen und späteren Werken. Erstere berichten gar nichts oder nur sehr nüchtern, während letztere die angeb­lichen Ereignisse im Lager zu einer sehr negativen Darstellung von grausamen, rasenden und raubgierigen „Wilden“ ­nutzen. Die Moral der christ­lichen Truppen war zu ­diesem Zeitpunkt auf einem Tiefpunkt angelangt. Es war daher eine außerordent­liche Leistung der Kreuzfahrer, ihre Linien trotz der Panik zusammen zu halten und die Türken zu einem heftigen Kampf mit den in dichter Forma­tion stehenden christ­lichen Reihen um das Lager zu zwingen. Schließ­lich, als auch die Führer der Kreuzfahrer von Angst ergriffen worden waren,54 brachte die, inzwischen über die türkische „Kühnheit“55 unterrichtete, zweite Heeresabteilung Entlastung für die Angegriffenen und bedrohte die linke Flanke der überraschten Türken. Diese wandten sich angesichts der gegne­rischen Verstärkung zur Flucht. Die Schilderungen Fulchers und des Anonymus enden mit der Feststellung dieser Tatsache und der Plünderung des türkischen Lagers durch die Kreuzfahrer. Radulph von Caen allerdings schildert detailliert die Gefähr­lichkeit der Türken auf der Flucht. Zunächst erwähnt Radulph eine eiserne Schlachtreihe, „aciem ferratam“,56 die der Sultan in die Schlacht geworfen habe. Diese Soldaten hätten sich durch ihre Wildheit, aber auch durch ihre Tapferkeit ausgezeichnet. Mög­licherweise handelt es sich dabei um eine Art Leibgarde, die besser gerüstet war als die übrigen Truppen, bei denen es sich größtenteils um leichtbewaffnete turkmenische Stammesverbände gehandelt haben dürfte.57 In Kleinasien waren diese

53 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XI, 7, S. 195. 54 Episula I Anselmi de Ribodimonte ad Manassem archiepiscopum Remorum, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, S. 145/7: „[…]his ita timore correptis […]“. 55 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 41, S. 132: „Turcorum audacia […]“. 56 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXVII, S. 625C. 57 H. A. R. Gibb (Übers.), The Damascus chronicle of the crusades. Extracted and translated from the Chronicle of Ibn al-­Qalanisi, London 1932, S. 41.

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Nomadenverbände regelmäßiger Bestandteil der türkischen Armeen und in der Region um Doryläum siedelten sie besonders zahlreich.58 Die Rückzugsgefechte beschreibt Radulph über fünf Kapitel. Dabei geht er auf die Ausrüstung der Türken ein, ihre kleineren Schilde, die Tatsache, dass sie keine eisernen Sporen kannten, ihre leichtere Rüstung und ihre schnellen Pferde.59 Besonders aber kommt die Tatsache zum Ausdruck, dass die schnelleren, weil leichtbewaffneten, Türken auch auf der Flucht noch gefähr­lich sind, da sie die Verfolger auch jetzt noch mit Pfeilen eindecken.60 „Quo magis effugiunt, magis horrida vulnera spargunt,“61 je mehr die Türken sich zur Flucht wenden, umso schlimmere Wunden verursachen sie! Albert, der die Szene auch beschreibt, bezeichnet das Verhalten der Türken hier als tapfer („viriliter“).62 Von Kritik ist also zumindest bei Albert nichts zu lesen. Radulph nennt, was den Türken seiner Meinung nach zum Vorteil gereichte: „Astuque, locoque, doloque“,63 List, die bessere Posi­tion und Täuschung. Wie zuvor die Wildheit, so betont er nun den Trick- und Listenreichtum der Türken. Im folgenden Kapitel spricht er viermal von List und Täuschung der Türken. Das gipfelt in der Aussage, diese hätten mehr auf ihre Listen als auf ihre Bögen vertraut, Herzog Gottfried habe von ihrer Tücke und ihren gemeinen Tricks („fraudis et artis iniqua“) nichts geahnt.64 Trotz solch ungleicher Voraussetzungen gelingt es schließ­lich auch in ­Radulphs Version der Schlacht, die Türken in die Flucht zu schlagen. Die nur leicht gerüsteten Türken waren auf der Flucht schneller als ihre Verfolger, ohnehin war Kılıç Arslān nicht bereit, viele Verluste zu akzeptieren, die Christen würden sowieso weiterziehen. Vor d ­ iesem Hintergrund ist Fulchers Aussage zu sehen, die Türken hätten sich in ganz Romanien versteckt.65 Es ist auch anzunehmen, dass die türkischen Reiter ihrer üb­lichen Kampfweise folgten und auch auf der Flucht immer wieder Pfeile abfeuerten. Erwähnt wird dies von keinem der Augenzeugen, erst recht nicht verurteilt. Der Anonymus begnügt sich gar mit der Feststellung „statim autem venientibus militbus nostris, Turci et Arabes, et 58 Vryonis, Decline, S. 146. 59 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXIX, S. 629G; XXIX, S. 630A; XXXI, S. 628C; XXXI, S. 628D. 60 Ebd., XXIX, S. 627A; XXXI, S. 628B; XXXI, S. 628C. 61 Ebd., XXXI, S. 628B. 62 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 42, S. 134. 63 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXX, S. 627G. 64 Ebd., XXXI, S. 628A. 65 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XII, 6, S. 199.

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Saraceni et Agulani omnesque barbarae na­tiones dederunt velociter fugam […]“ und der Beschreibung der Beute.66 Guibert von Nogent gefällt sich in seiner Überarbeitung der Gesta in einer detaillierten Beschreibung eines regelrechten Abschlachtens der Reste des türkischen Heeres.67 In den Beschreibungen der Augenzeugen wird bei Doryläum vor allem die psycholo­gische Wirkung deut­lich, die die türkische Kampfweise auslöste. Furcht, Hoffnungslosigkeit und Panik werden in den Quellen greifbar. Die eindring­liche Weise, in der das geschieht, lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass hier nur der Gegner überhöht werden soll, um die eigene Leistung besser darzustellen. Eine s­ olche Tendenz ist ebenfalls vorhanden, doch geschieht dies meist durch Hervorhebung der angeb­lich großen Anzahl der Feinde. Die Gesta Francorum erwähnen anläss­lich der Schlacht von Doryläum, alle Berge, Hügel und Täler s­ eien mit Feinden bedeckt gewesen.68 Das Bild der Türken, die auf ihre Zahl vertrauen, während die Christen sich in die Hände Gottes geben, zieht sich durch fast alle Schlachtenschilderungen in den Kreuzzugsberichten. Es entspricht in gewisser Weise dem Bild vom Islam als verwelt­lichter Religion. Die Muslime zählen auf ihre Waffen und die Stärke ihrer Armee, die Christen aber vertrauen auf Gottes Hilfe. Es sind die ­später entstandenen Quellen, und hier vor allem Radulph von Caen, die Wildheit, Schläue und Listenreichtum der Türken besonders hervorheben. Dabei kommt aber kaum deut­liche Kritik an einer aus seiner Sicht eventuell unritter­lichen Kampfweise der Moslems auf, an keiner Stelle werden die Türken als feige bezeichnet. Vielmehr schwingt eine Warnung vor der Gefähr­lichkeit des Gegners mit und ein Hinweis, auch nach dem scheinbaren Sieg Vorsicht walten zu lassen. Radulph, der Anfang des 12. Jahrhunderts in Antiochia lebte, kannte die gefähr­liche Taktik der Scheinflucht sicher aus eigener Erfahrung. Auch in anderen Quellen überwiegen positive Bezeichnungen für das türkische Verhalten, wie etwa audacia, vehementer oder viriliter. Die Schilderungen der Kämpfe um das Lager stellen die Türken als auch im Nahkampf nicht zu unterschätzende Gegner dar. Die angeb­liche Wildheit der Türken in einigen Quellen mag ihren rein militä­ rischen Wert nicht mindern, ihn vielleicht sogar fördern. Dass die Türken keineswegs als unwürdiger militärischer Gegner gesehen wurden, zeigt das einzigartige Lob, dass der Autor der Gesta den türkischen Truppen anläss­lich der Schlacht von Doryläum zuteilwerden ließ und auf das ­später noch genauer einzugehen sein wird. 66 Gesta Francorum, IX, 9, S. 203. 67 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, III, X, S. 157, Z. 600 f. 68 Gesta Francorum, IX, 7, S. 202; siehe auch Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 42, S. 134

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Der Vergleich mit wilden Tieren könnte jedoch dafür sprechen, dass zumindest einige Chronisten, in den Gesta liest man außer bei der Erwähnung der dämonischen Stimmen nichts dergleichen, die Türken jedenfalls zivilisatorisch als minderwertig ansahen. Vielleicht wollte man den Lesern auch zeigen, dass selbst das tapferste Heer gegen diese „Tiere“ machtlos sei. Aber zumindest Fulcher schreibt die „Schockwirkung“ nicht der vermeint­lichen Wildheit des Gegners zu, sondern der Tatsache, dass den Franken diese Art der K ­ riegführung unbekannt war. Auch die von Radulph erwähnte Elitetruppe zeichnet sich durch ihren militärischen Wert aus. Von einer Abwertung oder einer Reduzierung des militärischen Könnens ausschließ­lich auf eine Art primitive Wildheit und Grausamkeit ist zumindest hier nichts zu spüren. Dennoch zieht sich der Vergleich der Türken mit Wölfen bzw. mit Hunden durch die Chronistik des ­Ersten Kreuzzuges. Das erste Zusammentreffen mit den Türken vor Nikäa hatte bei den Kreuzfahrern längst nicht den bleibenden Eindruck hinterlassen wie die Schlacht von Doryläum. Erst hier waren sie zum ersten Mal mit der türkischen Art zu kämpfen konfrontiert worden. Es würde sich in den kommenden Schlachten zeigen, ob es ein „heilsamer“ Schock gewesen war und ob die Franken daraus gelernt hatten. c) Schlacht gegen Duqāq von Damaskus, 30. Dezember 1097 Über diese Auseinandersetzung liegen nur widersprüch­liche Schilderungen in den Kreuzzugschroniken vor, zudem war keiner der am Kreuzzug teilnehmenden Autoren Augenzeuge. Der Verlauf der Schlacht lässt sich daher nur in groben Zügen rekonstruieren.69 Nach der Durchquerung Anatoliens belagerten die Kreuzfahrer Antiochia. Dessen Statthalter, Yaġī Siyān, hatte nach Damaskus um Hilfe geschickt. Während sich das Heer der Damaszener unter Duqāq und seinen Verbündeten nach Norden bewegte, brachen Bohemund und Robert von Flandern zu einem Plünderungszug in die Umgegend von Antiochia auf, um dringend benötigte Lebensmittel zu beschaffen. Bei der Stadt Albara wurde das Kontingent Bohemunds vom Feind überrascht. Nach den Forschungen von France gelang es den Rittern, in geschlossener Forma­tion den Weg aus der Falle freizukämpfen, während das Fußvolk schwere Verluste hinnehmen musste. Das Eingreifen Roberts am nächsten Tag brachte keine Entscheidung.70 Duqāq 69 Zum Verlauf der Schlacht: France, Victory in the East, S. 240. 70 Ebd., S.  238 – 241.

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von Damaskus, der ohnehin nur zöger­lich gehandelt hatte, zog sich zurück, zu gefähr­lich schien es, seinen verhassten Bruder Riḍwān in Aleppo im Rücken zu haben.71 Albert von Aachens Überlieferung hält France für plausibel, obwohl keine lothrin­gischen Ritter, Alberts Gewährsleute, an der Schlacht teilnahmen. Albert gibt erneut die Verzweiflung der Männer wieder, als diese der türkischen Umzingelung gewahr werden, eine Szene die der in Doryläum ähnelt. Das angeb­lich rücksichtslose Vorgehen der Muslime gegen die Fußsoldaten nach der Flucht der Reiterei ist ebenfalls häufiger als Charakteristikum zu finden. 72 Ohne Zweifel darf man den Umgang mit dem geschlagenen Feind nicht mit modernen Maßstäben messen, doch werden die türkische Wildheit und Grausamkeit, das gnadenlose Vorgehen gegen den unterlegenen, zum Teil hilflosen Gegner häufig betont, wobei nur an die Verwendung entsprechender Adjektive oder an die regelmäßig wiederkehrende Raubtier-­Metapher erinnert sei. Raimund von Aguilers gibt eine kurze Übersicht der türkischen Taktik und erwähnt deren Schwächen im Nahkampf.73 Er erkennt auch, dass die Türken selbst in Unterzahl versuchen, den Feind zu umzingeln. Aber die Umsicht Bohemunds habe den Erfolg der türkischen Hinterhalte, Raimund benutzt das Wort „insidiae“, verhindert.74 Inzwischen waren die Kreuzfahrer in der Lage, die Taktik ihrer Feinde zu durchschauen, ihre eigene Vorgehensweise danach auszurichten und die Schwächen der türkischen Heere auszunutzen. Raimund und andere Chronisten verlieren kein Wort der Kritik an dieser Kampfweise, die sie wohl selbst als sehr effektiv erlebten. Auch in der Gesta-­ Familie wird die Absicht der Damaszener erwähnt, die Christen zu umzingeln, ansonsten wird aber der Eindruck eines leichten Sieges erweckt.75 Die Tendenz der Chronisten, die unentschiedene Schlacht mit hohen Verlusten, die nur durch Duqāqs Zögern und Bohemunds beherzten Reiterangriff keine Niederlage wurde, in einen glorreichen Sieg umzuschreiben, ist nicht zu verkennen. 71 Amin Maalouf, Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber, München 1996, S. 38. 72 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 51, S. 218: „Gentilium acies miseros et ­profugos pedites involverunt, quos gladiis et sagittis consumere non pepercerunt.“ 73 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 244D: „Turci vero insoliti agere bellum ­gladiis, fugam pro refugio arripuerunt.“; VI, S. 244F: „Etenim id moris pugnandi apud ­Turcos est, ut, licet pauciores sint, tamen semper nitantur hostes cingere suos: quod etiam in hoc bello facere conati sunt.“ 74 Ebd., VI, S. 244F. 75 Gesta Francorum, XIII, 6, S. 252; Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, V, VIII, S. 38, Edi­tion Hill S. 66.

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Die Besatzung Antiochias nutzte die Abwesenheit Roberts und Bohemunds für einen Ausfall. Die Christen konnten den Angriff zwar abwehren, aber nachdem das Pferd eines Ritters durchgegangen war, erfasste Panik das christ­liche Heer. Erst nach schweren Kämpfen konnten die Türken, die die Gesta hier als „iniquissimi barbari“76 bezeichnen, erneut in die Stadt zurückgedrängt werden.77 Die Chronisten sprechen von harten Kämpfen und einem mutigen Angriff der Türken.78 Auch in d ­ iesem Kampf werden in den Chroniken wieder Schläue und Grausamkeit der Türken hervorgehoben, denn die Verteidiger erkunden vor ihrem Angriff die schwachen Stellen im Belagerungsring. Nach Raimund hätten die Türken, wiede­rum wird deren Unbarmherzigkeit betont, die fliehenden Christen gnadenlos gejagt, getötet und die Toten ausgeraubt.79 Das Heer Raimunds von Toulouse, bei dem Raimund von Aguilers sich befand, trug die Hauptlast dieser blutigen Kämpfe und der Chronist erlebte die zwischenzeit­liche panikartige Flucht der Christen, die sicher einen bleibenden Eindruck hinterließ, aus nächster Nähe mit. d) Schlacht gegen Riḍwān von Aleppo, 9. Februar 109880 Die zweite Entsatzarmee für das belagerte Antiochia wurde von Riḍwān, dem Herrscher über das benachbarte Aleppo, geführt. Während die Franken zu dieser Zeit nur noch über etwa 700 einsatzbereite Pferde verfügten, hatte Riḍwān wohl etwa 12.000 Männer unter seinem Kommando. Das Fußvolk ließen die Franken im Lager zurück und entschieden, Riḍwān in einem Hinterhalt zu überraschen. In der Nacht nahmen die fränkischen Reiter in sechs Abteilungen hinter einem Hügel Aufstellung. Die Wahl des Schlachtfeldes und der folgende Kavallerieangriff mit eingelegter Lanze zeigen, dass die Kreuzfahrer gelernt hatten, sich auf die türkische Taktik einzustellen und inzwischen zu einer kampfstarken, professionellen Armee geworden waren. Zunächst gelang es den Franken auch, die türkische Vorhut auf deren Hauptstreitmacht zurückzuwerfen, doch dann drohten die Linien der Kreuzfahrer zu brechen. Schließ­lich brachte Bohemund, der seine Abteilung bisher in Reserve gehalten hatte, mit seinem Angriff die Entscheidung und der Feind flüchtete.81 76 Gesta Francorum, XIV, 2, S. 254. 77 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 209 f. 78 Gesta Francorum, XIV, 1, S. 254: „[…] audacter veniebant preliari nobiscum“; Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 243G. 79 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 243H. 80 Zum Verlauf der Schlacht: France, Victory in the East, S. 245 ff. 81 Ebd., S. 245 ff.

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Hatten bei Doryläum die Türken noch die Kreuzfahrer überrascht, so war es nun umgekehrt. Raimund von Aguilers vermerkt ausdrück­lich, dass die Beschaffenheit des Schlachtfeldes z­ wischen Orontes und dem See Amikgölu die türkische Umzingelungs-­Taktik unmög­lich machte.82 Diesmal wird nicht das beeindruckende Kriegsgeschrei der Türken beschrieben, im Gegenteil, Raimund berichtet von einem cantus militares der Christen. Man habe den Eindruck gewinnen können, es handele sich nur um ein Spiel, so der Chronist weiter.83 Trotz der vorausschauenden Planung christ­licherseits erwiesen sich die Türken als hartnäckige Gegner und es entwickelte sich ein blutiges Handgemenge, in dem die Christen viele Verluste zu beklagen hatten.84 Der Autor der Gesta Francorum, der vermut­lich an der Schlacht teilnahm, spricht von einem wilden Angriff („­acriter“) der türkischen Hauptstreitmacht, der die Christen zunächst zurückweichen ließ. Die Gesta-­Abkömmlinge haben diese Beschreibung übernommen.85 Alle berichten auch wieder von den türkischen Pfeilsalven, die den Himmel verdunkelt hätten. Albert von Aachen bringt ein interessantes Detail, wenn er schreibt, die Kompositbogen der Türken ­seien wegen des Regens nicht einsetzbar gewesen 86 und hätten so die Türken geschwächt. Es ist frag­lich, ob es an dem Tag der Schlacht wirk­lich regnete, weil die anderen Chroniken vom Pfeilbeschuss der Türken reden. Dennoch ist es interessant, dass Albert, der nie im Osten war, d ­ ieses kleine, richtige 87 und wichtige Detail hier aufnimmt. Dies zeigt, dass er über präzise Informa­ tionsquellen zur türkischen Kampfweise verfügt haben muss. Auch diesmal führte die Garnison in Antiochia zeitgleich einen Ausfall durch, um die Kreuzfahrer in die Zange zu nehmen. Albert von Aachen bezeichnet den Ausfall als fortiter,88 das aus dem Vorstoß resultierende Gefecht habe den ganzen Tag gedauert.89 Ein Indiz dafür, dass man hier durchaus gegen gleichwertige Gegner antrat. 82 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, VII, S. 247B. 83 Ebd., VII, S. 247A: „De audacia vero illorum qui loquar? quum etiam cantus militares tam festive milites agerent, ut quasi pro ludo imminens bello haberent.“ 84 Ebd., VII, S. 247C: „At nostri tantum patiebantur, dum priores de Turcis posterioribus infarcirentur.“ 85 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, XV, S. 784A; Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, IV, XIII, S. 187; Z. 569; Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, VI, X, S. 43, Edi­tion Hill S. 72; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, II, XV, S. 46. 86 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 62, S. 236: „Die etiam auxilio nervi arcuum eorum, pre pluvia molliti ac defecti nil poterant, quod illis magno fuit impedimento […]“. 87 Bowlus, Tactical and strategic Weaknesses of Horse Archers, S. 160 f. 88 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 62, S. 236. 89 Gesta Francorum, XVII, 8, S. 274.

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Nach wie vor werden die Türken als ernstzunehmende militärische Gegner beschrieben, die auch im Nahkampf bestehen können. Die Franken schienen aber gelernt zu haben, mit den psycholo­gischen Auswirkungen der Pfeilsalven oder des Kriegsgeschreis umzugehen, jedenfalls soweit das mög­lich war. Wurde bei der Schlacht von Doryläum in allen Quellen die Verzweiflung der Christen geschildert, so fehlt dies hier völlig. Eine andere Erklärung für diese Tatsache wäre aber Alberts Feststellung, dass die Bögen nicht einsetzbar gewesen s­ eien. Dann müsste die Erwähnung der Pfeile in den anderen Quellen als eine Art stereotype Beschreibung der türkischen Kampfweise gesehen werden, die nach der einprägenden Erfahrung von Doryläum üb­lich geworden war. Selbst wenn man das Detail der Pfeile außer Acht lässt, wogegen noch immer der Augenzeugenbericht der Gesta spricht, so wirken die Türken in den Schlachtbeschreibungen deut­lich weniger furchterregend. e) Schlacht gegen Karbuġā, 28. Juni 109890 Die dritte Entsatzarmee für Antiochia, unter Karbuġā, dem Atabeg von Mosul, traf erst ein, als die Kreuzfahrer die Stadt bereits erobert hatten. Nachdem die Christen ihrerseits drei Wochen von Karbuġā in Antiochia belagert worden waren, wagten sie, völlig erschöpft von einer Hungersnot und mit nur noch 200 Pferden, einen Ausfall. Gemäß ihres Plans gelang es den Franken schnell, Einheiten von Karbuġās Armee in Nahkämpfe zu verwickeln. Die Kräfte des Atabeg waren über eine zu große Fläche verstreut und er selbst befand sich mit seinem Hauptquartier zu weit abseits des Geschehens, um schnell genug reagieren zu können und seine Übermacht zum Tragen zu bringen. Hinzu kam, dass die Kreuzfahrer buchstäb­lich „mit dem Rücken zur Wand“ kämpften, zudem waren sie durch das Auffinden der Heiligen Lanze wenige Tage zuvor in hohem Grade von einem religiösen Enthusiasmus beseelt. Karbuġās Armee war dagegen durch innere Zerwürfnisse geschwächt. Vielen seiner Verbündeten, wie Duqāq von Damaskus, war die wachsende Macht Karbuġās nicht geheuer. Deshalb dachte keiner von ihnen daran, sich für den Atabeg aufzuopfern und sie flohen nach den ersten Erfolgen der Christen mit ihren Einheiten vom Schlachtfeld.91 Die vernichtende Niederlage, die Karbuġā trotz aller Vorteile erlitt, konnten sich die Franken nur durch dessen persön­liche Feigheit und durch angeb­liche 90 Zum Verlauf der Schlacht: France, Victory in the East, S. 282 ff. 91 Ebd., S. 282 ff.

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Wunder, die in den Schlachtbericht eingeflochten wurden, erklären.92 Diese metaphy­sische Ebene beeinflusst in den Chroniken teilweise den realen Schlachtverlauf und ist daher bei einer Untersuchung des Bildes vom türkischen Gegner im Auge zu behalten. Die Darstellung der Feinde entzieht sich einer Einordnung durch Adjektive wie tapfer, wild, grausam oder feige. Bei Robert dem Mönch etwa veranlasst erst das Auftauchen einer Armee aus Heiligen die Türken zur Flucht.93 Sofern die Zeitgenossen an ein himm­lisches Eingreifen geglaubt haben, könnte dies deren Türkenbild beeinflusst haben. Ein Heer, das vor der Macht Gottes flüchtet, ist nicht feige, sondern eventuell sogar vernünftig, weil es die Überlegenheit der Christen erkennt. Zugegebenermaßen bleibt für den heutigen Leser aber nur, darüber zu spekulieren. Abgesehen von der Einarbeitung der Wundergeschichten in den Schlachtverlauf finden sich in den Kreuzzugschroniken bei der Darstellung der Türken keine größeren Unterschiede zu anderen Schlachten. Merkwürdigerweise betonen nicht die Augenzeugen das „psycholo­gische“ Element, also die Wirkung, die Pfeile und Kriegsgeschrei der Türken auslösten. Hier tun sich ledig­lich Albert von Aachen und Guibert von Nogent hervor.94 Albert bringt den Vergleich mit einer Schafherde, die von Wölfen umzingelt ist. Dieser Vergleich erinnert an die Darstellunen der Schlacht von Doryläum, wo Fulcher von Chartres ganz ähn­liche Worte wählte. Der Zweck, die Anspielung auf die Rolle der Kreuzfahrer als Märtyrer und Apostel unter Bezugnahme auf das Matthäus- und das Lukasevangelium, dürfte der ­gleiche sein. Guibert schreibt, das Geschrei habe sogar die Pferde erschreckt. Dies ist nicht unwahrschein­lich, zumal es sich bei einem Großteil der wenigen den Kreuzfahrern zur Verfügung stehenden Pferde wohl um „Ersatztiere“ gehandelt haben dürfte, die, im Gegensatz zu trainierten Streitrossen, durch Schlachtenlärm durchaus zu erschrecken gewesen sein dürften. Frag­lich ist, ob diese Umstände auf die Kreuzfahrer ob der scheinbar ausweglosen Lage tatsäch­lich ähn­lich wie in Doryläum wirkten oder ob es sich nur um ein literarisches Stilmittel Alberts und Guiberts handelt, um den späteren, mit Gottes Hilfe erfochtenen Sieg, noch dramatischer beschreiben zu können. Die Augenzeugen, der Anonymus und Raimund von Aguilers, halten sich in d ­ iesem 92 So z. B. Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XII, S. 261C; Gesta Francorum, XXIX, 5, S. 374. 93 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, XIII, S. 832C. 94 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 48, S. 324; IV, 50, S. 326; Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VI, IX, S. 240 f, Z. 223 ff.

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Bereich zurück. Zumindest vor der Schlacht lag die Moral im Kreuzfahrerheer am Boden. Dies zeigt die timor Turcorum, die Angst vor den Türken am Tag der Schlacht, von der die Gesta sprechen.95 Immerhin hatte man zuvor schon einmal einen Ausfall versucht und war zurückgeschlagen worden.96 Bohemund sah sich einige Tage nach jener erfolglosen Ak­tion sogar gezwungen, den Palast Yaġī Siyāns anzünden zu lassen, um seine Männer zum Verlassen ihrer benachbarten Häuser zu bewegen, aus denen sie wegen des Hungers, aber auch wegen der Angst vor den Türken, nicht herauskommen wollten um zu kämpfen. Das Feuer geriet schnell außer Kontrolle und beinahe wären einige ­Kirchen ein Raub der Flammen geworden, was sich zur großen Erleichterung Bohemunds vermeiden ließ.97 Zwar war die Situa­tion der Franken ziem­lich ausweglos und daher die Lethargie der Männer nachvollziehbar, doch zeigt diese Szene indirekt auch, w ­ elchen Respekt die Männer Bohemunds (und andere sicher auch) vor den Türken hatten. Auch in dieser Schlacht gab es Versuche der Türken, das Heer der Franken zu umzingeln und der Anonymus berichtet, dass viele Männer durch Pfeile getötet worden ­seien.98 Die Listigkeit, die man den Türken zuschrieb, äußert sich in den Chroniken darin, dass diese ein Feuer gelegt hätten, um den Christen die Sicht zu rauben.99 Die Version der Gesta Francorum, das Feuer sei gelegt worden, um den Rückzug zu signalisieren, hält France für unwahrschein­lich.100 Auf die üb­lichen türkischen Taktiken zu reagieren, hatten die Franken inzwischen gelernt. Versuche, die Christen zu umzingeln oder das Ausweichen vor dem Nahkampf konnten die Chronisten nicht mehr überraschen bzw. beeindrucken.101 Anstatt einer eindring­lichen Beschreibung des dämonischen türkischen Kriegsgeschreis wie noch bei Doryläum vermerken die Gesta jetzt nur noch lapidar „exclamaverunt autem Persae et Turci“.102 Aus den Gesta geht auch hervor, dass man inzwischen in der Lage war, schnell und flexibel Gegenmaßnahmen gegen türkische Ak­tionen zu ergreifen.103 Hier 95 Gesta Francorum, XXVIII, 5, S. 367. 96 Ebd., XXIII, 1, S. 331. 97 Ebd., XXVI, 2, S. 348. 98 Ebd., XXIX, 4, S. 374. 99 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LXXXIX, S. 669C; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 50, S. 326. 100 France, Victory in the East, S. 285. 101 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XXIV, 10, S. 263: „Sed nobis multis bellis contra eorum calliditates et ingenia edoctis […]“; Gesta Francorum, XXIX, 5, S. 374. 102 Gesta Francorum, XXIX, 7, S. 377. 103 Ebd., XXIX, 3, S. 373.

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ist eine deut­liche Weiterentwicklung seit Doryläum zu erkennen. Guibert von Nogent tadelt sogar ausdrück­lich einen christ­lichen Ritter, der aus der Forma­ tion ausgebrochen sei und so unnötige Verluste verursacht habe.104 Wiederum wird die Kampfweise der Türken nicht ausdrück­lich verurteilt und auch die relativ schnelle Flucht des feind­lichen Heeres wird in den meisten Chroniken nicht negativ beurteilt. Die in einigen Werken erwähnten vorausgegangenen heftigen Kämpfe mit hohen Verlusten 105 oder das oben erwähnte angeb­liche Eingreifen der überirdischen Mächte könnten der Grund dafür sein. Ledig­lich Radulph von Caen impliziert mit seiner Aussage, die Türken hätten das Leben der Ehre vorgezogen („vivere laudi“)106, dass er das Verhalten der Feinde für unehrenhaft und feige hält. Zuvor benutzte er aber den beliebten Vergleich mit Raubtieren, diesmal allerdings mit den Franken in der Rolle der Löwen. Dies legt nahe, dass seine Aussage nur auf die konkrete Situa­tion bezogen ist und nicht auf das Kampfverhalten der Türken allgemein. Jeg­licher Respekt vor dem Gegner endete aber spätestens bei der Beschreibung der Fluchtszenen. Diesmal tut sich Albert von Aachen in einer detaillierten Beschreibung des Mordens an dem fliehenden Gegner hervor. Albert, ein Chronist, der bei anderen Gelegenheiten den Gegner auch positiv beschreibt, wie etwa das türkische Heer vor Nikäa, spricht von einem Blutbad ohne Maß und einem unermess­lichen Morden.107 Nach den Untersuchungen von France dürften wohl vor allem das türkische Fußvolk und die zivilen Begleiter von Karbuġās Heer einen hohen Blutzoll gezahlt haben.108 Fulcher berichtet, dass man Frauen im Lager antraf und bemerkt dazu in einer unklaren Aussage, man habe ihnen kein Leid angetan, außer ihnen die Lanzen in den Unterleib zu stoßen.109 Der Autor der Gesta Francorum berichtet von im Lager gefundenen Vorräten, bleibt dabei aber nüchtern und sach­ lich und zählt nur alle Arten von Tieren und Lebensmitteln auf, dazu Gold und Silber.110 104 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VI, VIII, S. 239, Z. 176 ff: „Quod nostri attendentes, ausu quodam presumptivo sese itidem, intensa in eos acie, a ceteris divisere, sed hac sua insolentia ipsi ea die sese solos nostro exercitui dampnum fecere, dum vix preter aliquos equites peditum ulli vivi evasere.“ 105 Ebd., VI, VIII, S. 239, Z. 186 f. 106 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LXXXVIII, S. 668F. 107 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 49, S. 326. 108 France, Victory in the East, S. 286, 294. 109 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XXIII, 5, S. 257. 110 Gesta Francorum, XXIX, 8, S. 378.

Belagerungen |

Albert von Aachen verblüfft den modernen Leser hier wieder einmal mit zwei interessanten Details. Aus Töpfen hätten die Türken den Christen Feuer in den Weg geworfen, erzählt er zu einem Nebenschauplatz der Schlacht. 111 Hier handelt es sich wohl um griechisches Feuer, das in der Tat in kleine Tongefäße abgefüllt wurde, w ­ elche mit einer Art Zündschnur versehen waren. Das Ganze konnte dann als eine Art Handgranate geschleudert werden.112 Außerdem habe man auf der Zitadelle ein schwarzes Tuch von „fürchter­licher“ Farbe geschwenkt, um dem Feldheer anzuzeigen, dass die Christen sich zur Schlacht rüsten.113 Schwarz war die Farbe der Abbasiden und Seldschuken 114, sodass der Chronist auch hier ein korrektes kleines Detail des Schlachtverlaufs wiedergibt. Die Schilderungen der Schlacht gegen Karbuġā verdeut­lichen noch einmal den Respekt, den die Franken vor ihrem zahlenmäßig überlegenen Gegner hatten. Sie zeigen wieder einige typische Charakteristika von Schlachten gegen türkische Heere, näm­lich das Kriegsgeschrei, den Pfeilhagel, den Umzingelungsversuch und die List der Feinde. Nach Beginn der Kampfhandlungen allerdings wirken alle Handlungen der Franken professionell und flexibel. Nichts ist mehr zu spüren von der Konfusion und Panik, die noch in Doryläum vorherrschten.

4.2 Wo schnelle Pferde nutzlos sind: Belagerungen Die Kämpfe bei Belagerungen oder Angriffe auf befestigte Plätze stellen i­ nsofern einen Sonderfall dar, als dort die türkische Überfalltaktik, die den Kreuzfahrern so zu schaffen machte, nicht anwendbar war. Diese Schlachten wurden letztend­lich durch den Nahkampf auf der Mauerkrone und durch den Einsatz von Belagerungsmaschinen und -türmen entschieden bzw. durch die Mög­ lichkeit der Verteidiger, diese zu zerstören. Schon bei der Belagerung Nikäas erwähnen Chroniken und Briefe den Mut und die Fähigkeit der Verteidiger.115 Ausführ­lich werden die vergeb­lichen 111 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 49, S. 326: „ignem proiecerunt ab ollis in faciem terre“. 112 Nicolle, Kriegstechnologie, S. 106; Hans-­Jürgen Kotzur (Hg.), Kein Krieg ist heilig. Die Kreuzzüge, Mainz 2004, Ausstellungskatalog, Kat.nr. 119, S. 479. 113 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 48, S. 324: „[…] sed pannum latissimum nigerrimi et horrendi coloris […]“. 114 Amin Maalouf, Der heilige Krieg der Barbaren, S. 44. 115 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, III, S. 239E; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 35, S. 120; Gesta Francorum, VIII, 4, S. 183; Epistula I Stephani comitis

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­ ersuche der Franken beschrieben, die Verteidigung zu durchbrechen. Diese, wenn V auch knappe, Wertschätzung der Verteidiger steht im Gegensatz zum Gefecht mit dem Feldheer des Sultans bei dessen Entsatzversuch. Dieser Schlacht (s. o.) widmen die Quellen außer Albert nur wenig Raum und erwecken den Eindruck eines leichten Sieges gegen Gegner, die sich relativ schnell zur Flucht wenden. France hat darauf hingewiesen, dass es sich bei den Verteidigern von Nikäa wohl nicht um berittene Nomaden wie im übrigen Heer Kılıç Arslāns handelte, sondern um angeworbene Spezialeinheiten. Dafür spreche die Tatsache, dass Nikäa die einzige türkische Stadt in Kleinasien war, die überhaupt verteidigt wurde.116 Albert und Fulcher berichten von einem toten fränkischen Ritter, den die Türken mit Haken über die Mauer zogen und in den folgenden Tagen zur Schau stellten.117 Ein Lob für türkische Verteidiger findet sich in Alberts Darstellung von Balduins Feldzug gegen das Emirat von Samosata vom Februar 1098.118 Die Männer der Festungsbesatzung bezeichnet er als „fortissimos et indeffesos“.119 Es ist anzunehmen, dass Albert über die Unternehmungen Balduins relativ gut informiert war, da es sich um lothrin­gische Kontingente handelte. Allerdings könnte es sich hier auch um den Versuch handeln, den Fehlschlag von Balduins Feldzug durch die Aufwertung seiner Gegner zu erklären. Fulcher berichtet nichts über diese Unternehmung. Albert ist der einzige Chronist, der eine ausführ­liche Beschreibung des Kampfes an der sog. „Eisernen Brücke“ gibt, einem befestigten Übergang über den Orontes vor Antiochia. Auch hier bewertet der Chronist die Türken als tapfere Gegner .120 Nach der Darstellung Alberts versuchen die ­Verteidiger in den Türmen und türkische Truppen am anderen Flussufer, die Franken durch Pfeilbeschuss zurückzudrängen. Interessanterweise beeinflusst auch die ausschließ­liche Verwendung des bei den euro­päischen Rittern ungeliebten Bogens das Bild der Verteidiger nicht negativ. Der Chronist spricht von kühnem und standhaftem Widerstand und einem schweren Kampf. Die von Albert besonders hervorgehobene Standhaftigkeit der Türken gipfelt in der Aussage, diese hätten lieber sterben als fliehen wollen. Carnotensis ad Adelam uxorem suam, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, S. 139/6. 116 France, Victory in the East, S. 159. 117 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 34, S. 120; Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, X, 7, S. 187. 118 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 195. 119 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 21, S. 172. 120 Ebd., III, 33, S. 190: „[…] fortiter in arcu et sagittarum grandine transire volentibus resistebant […]“; III, 34, S. 192: „Turci […] videntes constantiam et defensionem suorum in ponte.“

Belagerungen |

Hier kommt nicht das Bild vom wilden, grausamen Türken zum Vorschein, der Angriffen ausweicht und seine Feinde durch Pfeilbeschuss zermürbt, sondern das eines Gegners, der durch seine mora­lische Stärke und seine Fähigkeiten im Nahkampf zu einem achtbaren Kontrahenten wird. Wenn auch die Augenzeugen Raimund und der Anonymus diese Schlacht nicht oder nur knapp erwähnen, so fehlt es bei ihnen nicht an ähn­lichen Belegen anläss­lich anderer Gefechte. Besonders im Hinblick auf die Belagerung der Kreuzfahrer in Antiochia durch Karbuġā sprechen die oben genannten Chronisten von schweren Kämpfen um die Befestigungswerke der Stadt. Raimund von Aguilers erwähnt schwere Kämpfe bei dem Angriff Karbuġās auf die fränkische Befestigung La M ­ ahommerie vor 121 den Toren Antiochias. Mehrmals hätten die Muslime den Vorposten angegriffen, bevor sich die Franken aufgrund der aussichtslosen Lage vor der Stadt zurückgezogen hätten. Raimund scheut sich nicht, zu erwähnen, jener Rückzug habe die Angst der Christen gesteigert.122 Viele der Kreuzzugsführer hätten anschließend an nächt­liche Flucht gedacht, da „fuimus in maximo terrore Turcorum“.123 Aus solchen Aussagen spricht alles andere als Verachtung für den Gegner, allenfalls für die eigenen Befehlshaber. Schwere Gefechte überliefern die Gesta Francorum für das Areal vor der Zitadelle der Stadt Anfang Juni 1098.124 Diese wurde auch nach der Eroberung Antiochias durch die Kreuzfahrer noch von türkischen Truppen gehalten. Der Verfasser der Gesta lässt sich an dieser Stelle zwar nicht zu einem solchen Lob wie Albert hinreißen, erwähnt aber mehrmals die lang andauernden harten Kämpfe und die heftigen Attacken der Türken, die er mit den Adverbien mirabiliter und acriter beschreibt. Man habe Tag und Nacht gekämpft und das einzige was die Franken von ihren Gegnern getrennt habe, ­seien ihre Waffen gewesen. Um die Bedrohung, die von der Besatzung der Zitadelle ausging, so gut wie mög­lich zu vermindern, errichteten die Franken auf dem Weg zur Festung eine Mauer, auf der sie die Angriffe der Garnison abwehren konnten.125 121 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, IX, S. 252G. 122 Ebd., IX, S. 253A: „Auctus itaque timor Francorum est, et hostium audacia excrevit: quipped qui nihil extra civitatem haberemus, et ab inimicis nostris castellum, quod caput civitatis est, retineretur.“ 123 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, X, VIII, S. 68; Edi­tion Hill S. 98: „Alia parte fuimus in maximo terrore Turcorum, ita quod multi nostrorum maiorum volebant fugere nocte, sicuti alii fecerunt.“ 124 Gesta Francorum, XXVI, 1 ff, S. 345 ff. 125 France, Victory in the East, S. 273 ff.

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Wenig ­später berichtet der Chronist, wie Bohemund erfolglos Kämpfer in der Stadt zur Unterstützung des bedrohten Abschnitts sammeln wollte. Diese ­seien aber aus Hunger und aus Angst vor den Türken in den Häusern geblieben. Dass dem Normannen ein von ihm gelegtes Feuer als einziger Ausweg erschien, um seine Männer zum kämpfen anzuhalten, wurde bereits erwähnt. All dies lässt darauf schließen, dass die Türken auch im Nahkampf als ernstzunehmende Gegner betrachtet wurden und diese sich hier auch nicht scheuten, mit den Franken handgemein zu werden. Eine weitere Wertschätzung erfahren die Fähigkeiten der Gegner im Kampf um die Stadt Ma’arrat-­an-­Nu’man in Syrien. Die Gegenwehr der Feinde sei so heftig gewesen, dass einige der Kreuzfahrer, die bereits eine Stelle auf der Mauer erobert hatten, aus Panik wieder herunter gesprungen ­seien.126 Radulph von Caen erwähnt schwere Kämpfe, bei denen zunächst keine Seite Schwäche gezeigt habe.127 Diese Krieger sind nicht die feigen Räuberbanden, die Zbinden aus den Chroniken herausgelesen hat, sondern vielmehr auch im Nahkampf mit Schwert und Schild tüchtige Gegner. Zu beachten ist allerdings, dass die Kreuzfahrer bei Belagerungen nicht den typischen türkischen Kriegern gegenüber standen, die ihnen als Reiter auf dem Schlachtfeld so zugesetzt hatten. Wie auch die Feldarmeen der syrischen Herrscher nicht nur aus leichter Reiterei bestanden, wurden zur Verteidigung von Städten wohl Fußtruppen und ört­liche Milizen eingesetzt, wobei es sich bei letzteren dann wahrschein­lich nicht um Türken gehandelt haben dürfte. Es ist durchaus mög­lich, dass diese Infanterie den Kreuzfahrern in Bezug auf die Ausrüstung in nichts nachstand und daher auch in den beschriebenen heftigen Handgemengen standhalten konnte.128 Mög­licherweise könnte die Schilderung der Verteidiger von Ma’arrat-­an-­ Nu’man auch durch die Tatsache beeinflusst worden sein, dass es ihnen einige Monate zuvor schon einmal gelungen war, ein fränkisches Kontingent zu schlagen.129 Ein starker Gegner würde die frühere Niederlage erträg­licher machen. Da sich die Gesta aber auch an anderen Stellen nicht scheuen, die Tüchtigkeit 126 Gesta Francorum, XXXIII, 5, S. 406: „Saraceni igitur tam robuste invaserunt illos per murum et per terram, sagittando et spiculando comminus cum suis lanceis; ut multi ex nostris timore perterriti demitterent se per murum.“ 127 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, CIV, S. 679C/679E. 128 France, Victory in the East, S. 204 f; France, Technology and success, S. 168 f. 129 Gesta Francorum, XXX, 7, S. 387; Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, XII, III, S. 85; Edi­tion Hill S. 116, Tudebod erwähnt den Tod eines Arnold Tudebod in dieser Schlacht, mög­licherweise handelt es sich um den Bruder des Autors.

Belagerungen |

des Gegners anzuerkennen, erscheint dies auch hier eher unwahrschein­lich. Die vergeb­liche Belagerung der Festung Arqah kommentiert Albert mit den Worten, die Christen hätten die Verteidiger unermüd­lich und unbesiegbar vorgefunden.130 Den „Höhepunkt“ der Schlachtbeschreibungen bildete für die Chronisten sicher­lich die Belagerung Jerusalems, weshalb sie auch hier mit einbezogen werden soll, obwohl es sich nicht um einen Kampf gegen türkische Truppen handelte. Die Verteidiger der Heiligen Stadt setzten sich aus einem Kern regulärer ägyptischer Truppen, der Stadtmiliz und einer Anzahl jüdischer Bürger zusammen, dazu kam noch eine etwa 4.000 Mann starke Kavallerietruppe.131 Die Fatimiden verfügten über eine gut ausgerüstete Infanterie, zudem dürfte den Verteidigern inzwischen klar gewesen sein, dass sie von den Christen keine Gnade zu erwarten hatten. So denn die Gegner der Kreuzfahrer als besonders standhaft geschildert werden, muss dies also nicht, oder nicht nur, der literarischen Dramaturgie geschuldet sein, die für die letzte Schlacht einen starken Gegner aufbauen will. Der Autor der Gesta Francorum erzählt von schweren Gefechten auf der Mauer beim ersten Angriff.132 Raimund von Aguilers, der ansonsten nur geringe Bereitschaft zeigt, die kriegerischen Fähigkeiten des Gegners anzuerkennen, lobt die überwältigende Verteidigungsfähigkeit der Sarazenen, die die Christen in Ratlosigkeit stürzt.133 Der provenza­lische Chronist lässt die schweren Kämpfe deut­lich vor dem Auge des Lesers entstehen, wenn er berichtet, die Sarazenen hätten Steine, Pfeile, brennendes Holz und Stroh, Wachs, Schwefel und andere Materialien gegen die Belagerungstürme geschleudert, um diese in Brand zu stecken.134 Raimund ist es auch, der den Verteidigern gar den Einsatz von Magie unterstellt. Zwei Hexen hätten versucht, ein Katapult der Franken zu verhexen, s­ eien dann aber zusammen mit drei kleinen Mädchen von einem Stein, geschleudert von ebendieser Maschine, erschlagen worden.135 Es ist dies eine der ganz seltenen Stellen, in denen den Muslimen die Verwendung solcher Mittel unterstellt wird. In gewisser Weise bedient Raimund hier das Bild vom Islam als heidnischem Aberglauben. 130 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, V, 31, S. 376: „Sed eos defensores indefessos repererunt et invictissimos.“ 131 France, Victory in the East, S. 334, 343. 132 Gesta Francorum, XXXVII, 2, S. 452. 133 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XX, S. 299 f. 134 Ebd., XX, S. 299A. 135 Ebd., XX, S. 299F.

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Alle Chroniken bezeichnen die Verteidiger von Jerusalem als tapfere Männer. Albert von Aachen spricht von „vires pugnatores“, während Guibert von Nogent geradezu überschwäng­lich schreibt, niemand könne ausdrücken, wie zäh Jerusalem verteidigt worden sei.136 Kaum sei ein Mann gefallen, habe ein anderer seinen Platz eingenommen. Die Sarazenen würden zwar den offenen Kampf nicht mögen, ­seien aber in der Verteidigung sehr fähig.137 Guibert gibt mit diesen Lobesreden wieder einmal ein widersprüch­liches Bild, denn kurz zuvor berichtet er, die Sarazenen hätten in der Stadt versteckte Fallen gebaut, die viele Christen verletzt hätten.138 Kein anderer Chronist erwähnt d ­ ieses Detail, das sich als eine von Guiberts häufigen, erfundenen und deut­lich ­negativ gefärbten Geschichten über Muslime entpuppt. Die Verteidiger der Stadt, die im Tempelbezirk noch letzten Widerstand leisteten, erfahren in den Gesta Francorum noch einmal besondere Wertschätzung, wenn der Autor schreibt, sie hätten bewunderungswürdig gekämpft. 139 Auch Raimund von Aguilers berichtet über schwere Kämpfe im Inneren des Tempels. Die Sarazenen hätten so wild gekämpft, als ob sie nicht geschlagen ­seien.140 Die Bewunderung für die Verteidiger von Jerusalem übertrifft die Schilderungen anderer Belagerungen deut­lich. Wie erwähnt dürfte der Realitätsgehalt der meisten Schilderungen relativ hoch sein, sieht man einmal von der erwähnten Stelle bei Guibert ab. Es lässt sich somit zeigen, dass z­ wischen der Beschreibung der Feinde bei Belagerungen oder bei Kämpfen um befestigte Plätze und bei Feldschlachten qualitative Unterschiede bestehen. An Hochachtung vor dem Gegner mangelt es weder hier noch da. Bei der Beschreibung von Belagerungen fehlt hingegen der Hinweis auf die psycholo­gische Wirkung wie sie bei Feldschlachten typischerweise durch Kriegsgeschrei, Pfeile, vergeb­liche Angriffe der christ­ lichen Kavallerie hervorgerufen wurde. Auch Charakterisierungen wie Wildheit, 136 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 17, S. 424; Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VII, XXXVI, S. 334, Z. 1769 f: „Iherosolimorum igitur civitas obsessa exprimi non potest quanta sit civium suorum animositate defensa.“ 137 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos,, VII, XXXVI, S. 334, Z. 1780 ff; VII, XLV, S. 347, Z. 2080 f: „Sarraceni namque, cum sint in expositis aciebus inertes, intra presidia mira sunt sagacitate rebelles.“ 138 Ebd., VII, VII, S. 279, Z. 337 ff. 139 Gesta Francorum, XXXVIII, 5, S. 469: „Illi autem qui intus erant mirabiliter preliabantur cum nostris…“ […]“. 140 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XX, S. 300B: „[…] ac si nunquam capiendierrent.“

Belagerungen |

Grausamkeit, List und Tücke fehlen. Diese Merkmale werden allerdings bei den Feldschlachten vor allem von den Nicht-­Augenzeugen betont. Stattdessen werden die Gegner bei Belagerungen öfter als standhaft und auch tapfer beschrieben. Die Erwähnung von schweren Gefechten und heftigen Handgemengen ist nicht selten. Dies ändert sich übrigens auch in der Zeit nach dem ­Ersten Kreuzzug nicht.141 Keine größere Belagerung während des Kreuzzuges, bei der nicht die Chronisten dem Feind Lob gezollt hätten, sei es vor Nikäa, bei den Kämpfen um Antiochia mit den Christen als Angreifer oder als Belagerte, vor Ma’arrat-­an-­Nu’man oder vor Jerusalem. Bei den Feldschlachten ist dies nicht immer der Fall, wenn auch die Türken nie als unwürdige Gegner beschrieben werden. Die Hochschätzung der Feinde bei Belagerungen resultierte nicht aus der Konfronta­tion mit unbekannten, technisch überlegenen Befestigungen. Das Belagerungswesen im Nahen Osten unterschied sich nicht wesent­lich von dem in Europa. Höchstens die Größe von Städten beeindruckte die Kreuzfahrer, nicht aber die Verteidigungswerke an sich und auch bei den Belagerungsmaschinen dürften keine größeren Unterschiede bestanden haben.142 Die abendländischen Ritter erlebten die Türken in Belagerungssitua­tionen als starke Gegner im Nahkampf, also in einem Bereich, der bei ihrer eigenen Kampfweise besonders viel galt. Dies förderte sicher die Anerkennung der Türken als tüchtige Gegner. Dass die Erfahrungen der harten Kämpfe bei Belagerungen aber ebenso wie die Erlebnisse bei den Feldschlachten einen psycholo­gischen Effekt haben konnten, wird während der Belagerung der Kreuzfahrer in Antiochia im Juni 1098 deut­lich. Die schweren Kämpfe und die hoffnungslose Lage ließen die Moral der Soldaten schnell sinken, eine Situa­tion in der das Auffinden der heiligen Lanze (zufälligerweise) gerade zur rechten Zeit geschah. Ob diese Unterschiede der Beschreibung der Türken bei Belagerungen und im offenen Kampf den Umkehrschluss erlauben, dass die türkische Art der Kriegführung im Feld von den Franken doch in gewisser Weise missachtet wurde, ist frag­lich. Eine klare Antwort darauf zu geben, hieße wohl die Aussage der Quellen überzustrapazieren.

141 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, IX, 4, S. 402; II, XXII, 1, S. 457. 142 France, Technology and success, S. 171 ff.

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4.3 Die andere Art des Kämpfens: Listigkeit, Überfälle und Hinterhalte Bieten die Schilderungen der großen Feldschlachten gegen die seldschukischen Heere auch die „Brennpunkte“, an denen sich das Bild der Kreuzfahrer von den türkischen Kämpfern gut ablesen lässt, so waren sie doch eher selten. Viel häufiger sahen sich die Kreuzfahrer türkischen Hinterhalten und Überfällen ausgesetzt. Die Türken auf ihren schnellen Pferden waren Meister in ­diesem zermürbenden Kleinkrieg aus kleineren Scharmützeln, Hinterhalten und plötz­ lichen Überfällen. In der Argumenta­tion Zbindens machte gerade diese Art des Kriegführens die Türken für die Franken zu ehrlosen Räubern. Eine Untersuchung der Quellen muss zeigen, ob sich diese Aussage halten lässt. Zunächst darf nicht vergessen werden, dass der Krieg auch in Westeuropa nur zu einem kleinen Teil aus risikoreichen, offenen Feldschlachten bestand.143 Wenn mög­lich, versuchte man diese zu vermeiden und dem Gegner durch das Verwüsten seiner Ländereien wirtschaft­lichen Schaden zuzufügen. Daher dürfte der Abnutzungskrieg während der Belagerung von Antiochia den Franken nicht neu gewesen sein. Die etwa 4.000 Mann zählende Besatzung Antiochias war nicht stark genug, den Kreuzfahrern in einer offenen Schlacht gegenüberzutreten, während die Christen nicht in der Lage waren, die Stadt im Sturm zu nehmen. 144 Bis es den Franken gelang, die Ausgänge der Stadt mit Befestigungswerken zu blockieren, versuchten die Türken daher immer wieder, die Kreuzfahrer durch schnelle Überfälle auf Nahrungssuchende, durch Hinterhalte oder durch den Beschuss des Lagers zu zermürben. Albert von Aachen berichtet mehrmals über s­ olche Überfälle auf Versorgungstrupps.145 Die Schilderung dieser Vorkommnisse nimmt er stets zum Anlass, um Hinterlist, Tücke und vor allem die Grausamkeit der Türken zu betonen. So spricht er von „der Mordgier der Türken gegen die Christen“.146 Diese angeb­liche Mordgier veranlasst die Christen, den Türken eine Falle zu stellen, indem sie einen einsamen Pilger ausschicken, um die Muslime aus der Stadt zu locken. Dass ­dieses Lockmittel in Alberts nicht nachprüfbarer Geschichte letzt­lich erfolgreich war und die Türken aus der Stadt kamen, um 143 France, Victory in the East, S. 27; andere Ansicht: Zbinden, Abendländische Ritter, S. 29 ff. 144 France, Victory in the East, S. 223, S. 227, S. 232. 145 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 43, S. 206; 47, S. 210 f; 48, S. 212 f; 53, S. 220 f. 146 Ebd., III, 48, S. 212: „Turci itaque, non immemores suae crudelitatis et caedis christianae“, Übers. nach Hefele, Albert von Aachen.

Listigkeit, Überfälle und Hinterhalte  |

den Pilger zu töten, spricht für diesen negativen Aspekt in Alberts Türkenbild. Den Höhepunkt dieser Geschichten bildet der Überfall auf einen Archidiakon, der von Pfeilen durchbohrt und geköpft wird.147 Albert verwendet hier wieder den Wolf-­Schaf-­Vergleich um das Wüten der Türken bildhaft darzustellen. Eine ganz ähn­liche dramatische Schilderung bringt der Chronist hinsicht­lich des Endes des von Sven von Dänemark angeführten Zuges durch Kleinasien. Beim Angriff der Türken habe eine adlige Dame, von sechs Pfeilen durchbohrt, vergeb­lich versucht, auf einem Maultier zu entkommen. Zudem hätten die Türken fieberkranke Pilger getötet.148 Auch bei Raimund von Aguilers entsteht in d ­ iesem Zusammenhang das Bild vom blutrünstigen und räuberischen Türken. Die Gelegenheit zu töten und zu plündern habe die Türken zu den regelmäßigen Ausfällen veranlasst.149 Ein ähn­liches Verhalten unterstellt Raimund den Sarazenen in der syrischen ­Festung Arqa. Diese hätten einen Ausfall in der Hoffnung unternommen, etwas stehlen oder jemanden verletzen zu können.150 Der Anonymus berichtet nüchterner. In seiner Schilderung erscheinen die Türken vor allem als schlau und vorsichtig. Sie bemerken die Abwesenheit einiger Kreuzzugsführer, suchen zunächst die Stellen, an denen die Belagerer am schwächsten sind und wagen sich dort vorsichtig aus der Stadt hinaus bevor sie angreifen.151 Die Überfälle auf die Nahrungssuchenden haben stattgefunden, es war die wirkungsvollste Taktik, die Yaġī Siyān in Anbetracht der Lage zur Verfügung stand. Die Chronisten ließen sich die Gelegenheit, den Feind zu dämonisieren, nicht entgehen, indem sie den ungleichen Kampf ­zwischen Not leidenden Pilgern, im „Idealfall“ wehrlosen Klerikern oder Frauen und mordgierigen Türken ausmalten. Es ist unzweifelhaft, dass die geschilderten Übergriffe gegen Zivilisten nicht mit heutigen Maßstäben verg­lichen werden dürfen. Auch unterscheiden sich diese Berichte nicht wesent­lich von den Schilderungen der Massaker in den von den Kreuzfahrern eroberten Städten, die die Chronisten keineswegs verschweigen. Albert, der sich bei diesen reißerischen Geschichten besonders hervortut, schildert ebenso drastisch die Folter und die Hinrichtung eines jungen Türken vor Antiochia.152 147 Ebd., III, 53, S. 220. 148 Ebd., III, 54, S. 224. 149 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 242F: „Illi vero hostes, facultate caedis et rapinae, multo acrius vias obsidebant.“ 150 Ebd., XVI, S. 277A: „Sarracenos: qui de castello latenter egressi, usque ad tentoria nostra venire volebant, ut aliquid inde subriperent, vel alicui nocerent.“ 151 Gesta Francorum, XIV, 1, S. 254. 152 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 56, S. 226 ff.

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Dennoch ist diese häufige und detailreiche Schilderung von Ereignissen, die oft kein Chronist miterlebte, sehr auffällig. Ob hier bewusst Kreuzzugspropaganda betrieben wurde oder ob die Chronisten nur die „Horrorgeschichten“ über den Feind wiedergaben, die sich im Laufe der Zeit münd­lich im Lager verbreiteten und immer mehr ausgeschmückt wurden, muss dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall scheint es aber unangebracht, Alberts Geschichten, wie etwa die von der von Pfeilen durchbohrten Prinzessin, in ihrer ganzen d­ ramatischen Ausgestaltung als glaubwürdig zu übernehmen, wie Sabine Geldsetzer es scheinbar getan hat.153 Der Autor der Gesta Francorum enthält sich, wie meistens, böswilliger Ausschmückungen, erwähnt ledig­lich, dass es Überfälle und Hinterhalte gab und schildert die Plünderungen durch türkische Truppen.154 Zudem verschweigt der Anonymus nicht, dass auch die christ­lichen Kämpfer „durstig auf türkisches Blut“ gewesen ­seien.155 Ein weiteres Detail der türkischen Kampfweise, das von den Chronisten klar erkannt wird, ist der Versuch, einzelne Kämpfer aus dem Lager herauszulocken und diese dann anzugreifen.156 Allerdings wurde ­dieses Ziel von den Führern des Kreuzzugs erkannt und die Ritter wurden ermahnt, sich nicht provozieren zu lassen. Die Türken würden Tag und Nacht wachen, um die Kreuzfahrer alleine oder ohne einen Führer zu fassen. Sie versuchten immer, die Christen zu töten oder in Gefangenschaft zu führen, ermahnt Bohemund in den Gesta seine Gefolgsleute.157 Listigkeit und angeb­liche Grausamkeit hatten aber keinen ablesbaren Einfluss auf die Beurteilung des militärischen Wertes der türkischen Kämpfer. ­Zbinden kann daher nicht gefolgt werden, wenn er sagt, diese Taktik hätten die Kreuzfahrer für feige und unehrenhaft gehalten und die Türken mit Räubern verg­lichen.158 Zwar stimmt es, dass den Türken auch Beutegier und Raublust unterstellt wird, doch weder die Augenzeugenberichte noch der relativ gut informierte Albert bezeichnen die Türken als feige. Für Albert, der Hinterlist und Mordlust sehr ausführ­lich darstellt, sind Türken, die einen Fouragetrupp angegriffen haben, verwegen.159 Eine Charakterisierung, die man durchaus 153 Geldsetzer, Frauen auf Kreuzzügen, S. 86. 154 Gesta Francorum, XII, 4, S. 245; XXIII, 3, S. 334 f. 155 Ebd., XI, 1, S. 227: „[…] sitientes atque aestuantes Turcorum sanguinem.“ 156 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 49, S. 214. 157 Gesta Francorum, XIV, 3, S. 256: „[…] quia die noctuque vigilant, ut vos sine ductore ­segregatos sive solos inveniant, vosque cotidie occidere et in captivitatem ducere laborant.“ 158 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 28 ff. 159 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 44, S. 206,

Listigkeit, Überfälle und Hinterhalte  |

positiv sehen kann, jedenfalls nicht abwertend-­negativ. Die Gesta Francorum erwähnen das Kastell Harenc in der Nähe von Antiochia, von dem unter anderem die Überfälle auf die Kreuzfahrer ausgingen. Die Besatzung bezeichnet der Autor als äußerst tapfer („fortissimi“), ebenso charakterisiert Stephan von Blois die türkischen Truppen in Antiochia.160 Die Überfälle hindern Raimund von Aguilers nicht, einen Teil der Garnison von Antiochia als „optimi milites“ zu beschreiben.161 Egal, ob man milites hier allgemein als Soldaten übersetzt oder in der spezielleren zeitgenös­sischen Bedeutung als Ritter, feige Räuber sind „optimi milites“ sicher­lich nicht. List und Tücke sind nicht gleichbedeutend mit Feigheit. Dass Heimtücke und Kriegstüchtigkeit sich im Denken der Chronisten nicht ausschlossen, zeigt Albert von Aachen bei der Charakterisierung zweier türkischer Fürsten. Diese ­seien „zwei heimtückische Türken, aber gute Krieger und hochberühmt im Waffen­ handwerk“.162 In einem anderen Fall berichtet Albert, wie die Christen einen türkischen Hinterhalt erkannten, die Türken aber dennoch kühn („fortiter“) den Kampf mit den Kreuzfahrern aufnahmen.163 Wiederum gilt es zu betonen, dass die Strategie im Abnutzungskrieg vor Antiochia vergleichbaren Situa­tionen im Westen nicht unähn­lich war. Auf diesen Aspekt wird noch einzugehen sein. Die Türken werden als ebenbürtige militärische Gegner anerkannt. Aber wie schon in vielen Schlachtbeschreibungen erscheinen sie auch hier häufig als „Wilde“, die von Blutgier und Mordlust getrieben werden. Beachtenswert ist wiederum, ähn­lich wie bei Doryläum, die psycholo­gische Wirkung, die das türkische Vorgehen auf die Menschen im Kreuzfahrerlager hatte. Die notwendige Nahrungsbeschaffung wurde während der frühen Phase der Belagerung von Antiochia zu einem lebensgefähr­lichen Unternehmen. Der Autor der Gesta Francorum und Peter Tudebod beschreiben eindring­lich die verzweifelte Lage der Franken, die nicht mehr wagten, das Lager ohne Schutz zu verlassen.164 Den Menschen blieb die Wahl z­ wischen der Hungersnot im Lager und lebensgefähr­lichen Fourage-­Unternehmen. Viele flüchteten infolgedessen nach Zypern, nach Kleinasien oder in die Berge. Die Lage wurde auch durch 160 Gesta Francorum, XIV, 5, S. 246; Epistula II Stephani comitis Carnotensis ad Adelam ­uxorem, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, S. 150/7. 161 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 242C. 162 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 8, S. 260: „[…] Turci dolosi, milites vero armis et bello famosi“, Übers. nach Hefele, Albert von Aachen. 163 Ebd., V, 27, S. 372. 164 Gesta Francorum, XIII, 2, S. 249; XVI, 2, S. 264 f; Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, V, V, S. 37; VI, VI, S. 42; Edi­tion Hill S. 65, 70.

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die Tatsache verschlimmert, dass noch nicht einmal das Lager den Kreuzfahrern ausreichenden Schutz bot. Die Türken schossen Pfeile von den Hügeln oder der anderen Seite des Flusses ab 165 und stellten so eine permanente Gefahr dar. Pfeilbeschuss und Futtermangel führten auch zu hohen Verlusten an ­Pferden, die nicht ersetzt werden konnten.166 Die Folge war, dass die Ritter sich nur sehr ungern zum Schutz der Versorgungstrupps zur Verfügung stellten, bis der Graf von Toulouse eine Entschädigung für alle versprach, die ihre Pferde verloren hatten.167 Es ist anzunehmen, dass das Zielen auf die Pferde in der Absicht der Türken lag, da sie erkannt hatten, dass die Kavallerie die gefähr­lichste Waffe der Franken war, die Pferde aber, im Gegensatz zu den Reitern, kaum geschützt waren. Die Genugtuung, die in vielen Quellen zum Ausdruck kommt, wenn man die Türken doch einmal im Nahkampf „zu fassen bekam“ liegt auch sicher in dem hohen ökonomischen Schaden begründet, den die Türken mit dieser Taktik den euro­päischen Rittern zufügten. All diese Faktoren, der Dauerstress durch den Pfeilbeschuss, das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Verlust der wertvollen Pferde, trugen wohl nicht unerheb­lich dazu bei, die Türken als gefähr­liche Gegner erscheinen zu lassen.168 Die Verzweiflung der Christen wird in den Quellen greifbar, nicht aber Klagen über eine unritter­liche Kampfweise, wie Zbinden meint. Raimund von Aguilers erwähnt den Verlust aller Pferde, nur um anschließend darauf hinzuweisen, dass die Kunst im Bogenschießen die Türken zu gefähr­lichen, nicht feigen, Gegnern mache.169 Teilweise führten türkische Überfälle auf Versorgungstrupps auch zu größeren Gefechten. Am 6. März 1098 gelang es türkischen Truppen, Bohemund und Raimund von Toulouse bei der Rückkehr vom Hafen St. Simeon zu überraschen und deren Truppen in die Flucht zu schlagen.170 Die Wiedergabe d ­ ieses Ereignisses in den Gesta Francorum enthält die gleichen Charakteristika wie andere Schlachtberichte. Die Schlacht beginnt mit dem Heulen und dem Kriegsgeschrei der Türken, dann folgen die Pfeilwolken, 165 Gesta Francorum, XII, 6, S. 247. 166 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 243C; VI, S. 245C; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV,28, S. 288 f. 167 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, VI, S. 245G; France, Victory in the East, , S. 242. 168 Zu dem Stress und den Entbehrungen, denen die Kreuzfahrer ausgesetzt waren, siehe J­ onathan Riley-­Smith, The First Crusade and the idea of crusading, Cambridge 1986, S. 73. 169 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 243D: „Turci non lanceis vel gladiis bellum conferre parati, sed sagittis eminus: juxta metuendi, dum fugiunt, et dum insequuntur.“ 170 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 216 f.

Listigkeit, Überfälle und Hinterhalte  |

bevor die Türken einen wilden („acriter“) Angriff unternehmen und die Franken wiederum brutal niederschlagen („crudeliter detruncando“).171 Die Aussage von Raimund von Aguilers, die Christen im Lager wären allesamt geflohen, hätten sie von der Niederlage gewusst 172, zeigt, in welch krisenhafte Situa­tion die türkische Zermürbungstaktik den Kreuzzug gebracht hatte und wie schlecht es um die Moral der Christen bestellt war. Die Besatzung Antiochias unternahm einen Ausfall, um den mit Beute beladenen Rückkehrern den Weg in die Stadt zu öffnen. Inzwischen hatten aber Bohemund und Raimund ihre Truppen sammeln können und kehrten zum Lager zurück. Die türkischen Truppen wurden auf der Brücke über den Orontes zusammengedrängt und erlitten eine schwere Niederlage mit hohen Verlusten. Trotz der Überfalltaktik und wahrschein­lich hoher Verluste unter seinen Kameraden aus dem Gefolge Bohemunds, gesteht der Anonymus zu, dass 1.500 der tapfersten und mutigsten („prudentissimorum et fortiorum“) türkischen Soldaten gefallen ­seien.173 Raimund von Aguilers spricht von einem mutigen („audacter“) türkischen Angriff beim Kampf auf der Brücke.174 Die ist insofern bemerkenswert, als in den meisten Schlachtenschilderungen die Heftigkeit türkischer Angriffe mit Ausdrücken bedacht wird, die vor allem Wildheit und Heftigkeit ausdrücken. Im Gegensatz dazu wurden hier Wörter gewählt, die typisch menschliche Eigenschaften wie Tapferkeit oder Mut bezeichnen. Der konkrete Grund gerade dieser Wertschätzung bleibt im Dunkel, zumal beide Chronisten zuvor ohne Mitleid schildern, wie die Türken auf der Brücke regelrecht abgeschlachtet oder im Fluss ertränkt wurden. Zumindest Raimund erwähnt aber, der Statthalter von Antiochia, Yaġī Siyān, habe die Tore schließen lassen. Vielleicht beeindruckte die Christen die Tatsache, dass die Türken mit dem Rücken zur Wand, ohne Hoffnung auf Rettung weiterkämpften. Bei Robert dem Mönch 175 kommt zudem eine gewisse Genugtuung zum Ausdruck, dass den Türken nun ihre Pfeile und Pferde nichts mehr genutzt hätten. Eine ­solche Gefühlsregung bei den Kreuzfahrern ist nicht unwahrschein­lich, immerhin gilt es zu bedenken, dass sie zuvor monatelang Pfeilbeschuss und Hinterhalten ausgesetzt gewesen waren, ohne ihre Gegner stellen zu können – ein Gefühl der Ohnmacht, das dem bei Doryläum ähn­lich gewesen sein dürfte. 171 Gesta Francorum, XVIII, 4, S. 280. 172 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, VIII, S. 248F. 173 Gesta Francorum, XVIII, 8, S. 284. 174 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, VIII, S. 249A. 175 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, XIX, S. 786B.

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Auch im weiteren Verlauf des Zuges berichten die Quellen ständig von ­türkischen Überfällen.176 Immer wieder wird die, besonders bei Albert allgegenwärtige, tür­kische Hinterlist betont, aber auch die Gier nach Beute findet Erwähnung. Allerdings wussten sowohl die Chronisten als auch ihre Leser genau, dass auch im Westen die schutzlosen Bauern die Hauptleidtragenden in den Kriegen und Privatfehden waren. Um die Türken zu dämonisieren, eigneten sich andere Szenen besser, etwa die Beschreibung ihrer angeb­lich tyrannischen Herrschaft oder das Feindbild des polytheistischen Heiden. Von daher lässt sich die Aussage Zbindens, man habe die Türken als feige und ehrlose Krieger angesehen, nicht halten. Keine Quelle zum E ­ rsten Kreuzzug bezeichnet die Türken direkt als feige oder ehrlos, weder bei Feldschlachten noch bei Belagerungen und noch nicht einmal anläss­lich von Überfällen und Hinterhalten.

4.4 Gescheitertes Nachspiel: Die Kreuzzüge von 1101 Nach den Erfolgsmeldungen aus Jerusalem zogen seit 1100 weitere Kontingente in den Osten. Im Frühsommer 1101 brach zuerst ein lombardisches Heer aus Oberitalien auf, ihm folgte ein franzö­sisches Heer unter Stephan von Blois. Diese Gruppen vereinigten sich in Nikomedia, wo sich auch Graf Raimund von Toulouse dem Zug anschloss. Nach dem Abmarsch ­dieses Zuges trafen in kurzem Abstand zwei weitere Heere ein, ein franzö­sisches unter Graf Wilhelm II. von Nevers und ein franzö­sisch-­deutsches unter Wilhelm IX. von Aquitanien und Welf von Bayern. Allen diesen Heeren war gemeinsam, dass sie auf dem Marsch durch Kleinasien von türkischen Verbänden nahezu vollständig aufgerieben wurden. Geplagt von Hunger und Durst (unter anderem weil die Türken die wenigen Wasserstellen zugeschüttet hatten) wurden sie Opfer der zermürbenden türkischen Taktik aus Überfällen, Pfeilsalven und Hinterhalten. Leider liegen keine Werke von Augenzeugen der Kämpfe ­dieses Jahres vor. Abt Ekkehard von Aura ist der Chronist, der dem Geschehen am nächsten stand. Er war Teilnehmer des Zuges unter Welf von Bayern, entging dem Schicksal seiner Mitreisenden aber, da er das Heer in Konstantinopel verließ und per Schiff nach Palästina reiste.177 Es ist wieder einmal Albert von Aachen, der die mit Abstand umfangreichste Schilderung des Unternehmens gibt. Kürzere Berichte liegen in 176 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XIV, S. 273F; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, V, 11, S. 352; V, 30, S. 374. 177 Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 18 – 31, zu Ekkehard S. 27 f.

Gescheitertes Nachspiel  |

den Werken von Fulcher von Chartres, Wilhelm von Tyrus, Guibert von Nogent und Ordericus Vitalis vor. Die beiden letzten haben Europa aber nie verlassen. Das desaströse Ende der Züge gab den Chronisten Gelegenheit, Grausamkeit, Raublust und Mordgier der Türken noch einmal zu betonen. Wie schon bei den türkischen Überfällen vor Antiochia 1097/98 tut sich auch hier Albert von Aachen hervor. Er ist übrigens der einzige, der die drei Züge unterscheidet. Wieder einmal werden die Türken als schlaue und listige Gegner dargestellt. Nach der Eroberung von Ankara durch das lombardische Heer hätten sie den christ­lichen Führern Bestechungsgeschenke geschickt, um den Kreuzzug von den Städten weg in unwegsame Landstriche zu locken.178 Dort wiederholt sich dann das, was Albert schon beim E ­ rsten Kreuzzug erwähnte: Die türkischen Überfälle, das Geschrei, die schnellen Pferde, der Pfeilbeschuss, die Ermordung der Pilger.179 Anscheinend war die Geschichte von den Bestechungsgeldern ein Versuch, den Schwenk des Zuges in das nörd­liche Anatolien zu erklären, wo die Lombarden den Helden des E ­ rsten Kreuzzuges, Bohemund, aus türkischer Gefangenschaft befreien wollten.180 Kritik erfahren bei Albert aber nicht die Türken ob ihrer Taktik, sondern die Lombarden. Sie geben sich ­Ausschweifungen hin 181 und sind faul und feige, als sie in der Nachhut des Heeres gegen die Türken kämpfen müssen.182 Albert bietet (wieder einmal) ein ambivalentes Türkenbild. Die Gegner sind für ihn „wild“, „grausam“, Mörder und „gottlose Tyrannen“.183 Das H ­ inschlachten der Christen vergleicht er mit dem Mähen von Getreide. Mehrmals schildert Albert die Ermordung von Pilgern, deren Versklavung oder die ­Vergewaltigung von Frauen. Einer der Höhepunkte ist das Verbrennen von Pilgern in einem Feld aus Buschwerk.184 Das Legen von Bränden, um den Feind durch den entstehenden Rauch zu verwirren, gehörte durchaus zur türkischen Taktik. Schon die Truppen Karbuġās hatten sie vor Antiochia angewendet.185 Ob das Feuer gezielt gelegt wurde, um die Feinde zu verbrennen, ist bestenfalls frag­ lich. Albert baute d ­ ieses Detail jedenfalls in seine Beschreibung der türkischen Grausamkeiten mit ein. 178 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VIII, 9, S. 596 ff 179 Ebd., VIII, 8; VIII, 9, S. 596 ff. 180 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 21. 181 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VIII, 8, S. 596. 182 Ebd., VIII, 9, S. 598. 183 Ebd., VIII, 21, S. 614; VIII, 30, S. 622; VIII, 23, S. 616; VIII, 23, S. 616. 184 Ebd., VIII, 12, S. 602. 185 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LXXXIX, S. 669C.

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Im Rahmen einer anderen Geschichte weist der Chronist auch auf das ungeklärte Schicksal der Gräfin Ida von Österreich hin, einer Teilnehmerin des Zuges.186 Hier liegt der Kern der späteren Legenden, die Ida, verschleppt in einen muslimischen Harem, als ­Mutter ʽImād ad-­Dīn Zangīs sehen, des Eroberers von Edessa.187 Legenden, die militärisch erfolgreichen Muslimen eine christ­liche Abstammung zuschrieben und so ihren Erfolg zu erklären versuchten, finden sich schon während des E ­ rsten Kreuzzuges, erinnert sei an das Türkenlob der Gesta Francorum, wonach Türken und Franken dieselbe Abstammung teilten. Populärer wurden diese Geschichten allerdings mit der Verklärung Saladins in der euro­päischen Literatur ab dem 13. Jahrhundert.188 Die Kampfweise der Türken an sich findet bei Albert allerdings ebenso wenig Kritik wie in seiner Schilderung des E ­ rsten Kreuzzuges. Er erwähnt zwar die türkischen Überfälle, beschreibt die Taktik der verbrannten Erde, also das Zerstören der Ernte und das Zuschütten von Brunnen, 189 seine Sprache ist hier aber erheb­lich weniger drastisch als bei seiner Schilderung des Schicksals der Pilger. Zwar sind die Türken für ihn hinterlistig, böse und ihre Erfolge beflügeln sie,190 aber er spricht auch von mutigen und grimmigen türkischen Angriffen, anläss­lich einer von ihnen durchgeführten Scheinflucht sind die Türken für Albert auch erfahren und kriegsgeübt.191 Dass die Türken für ihn keineswegs ein dämonischer Feind sind, sondern durchaus menschlich, beweist Alberts Aussage an einer Stelle, auch die Türken hätten Angst gehabt und hätten an Flucht gedacht.192 Die Taktik der verbrannten Erde erwähnt auch Ekkehard von Aura. Er berichtet von Feuer, von zugeschütteten Brunnen und Pfeilbeschuss. Er bezeichnet die Türken auch als ausgesuchte Leute auf sehr schnellen Pferden und geschickt im Umgang mit Waffen und im Bogenschießen.193 Insoweit stimmt er nicht nur sehr weitgehend mit Albert, sondern auch mit allen anderen Chronisten des ­Ersten Kreuzzuges überein. Allerdings kommt der Abt von Aura nach dieser 186 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VIII, 39, S. 630. 187 Historia welforum Weingartensis, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), Ludwig Weiland (Bearb.), MGH SS 21 (Historici Germaniae saec. XII, 1), Hannover 1869, S. 454 – 471, S. 462. 188 Jubb, The legend of Saladin, S. 53 ff. 189 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VIII, 29, S. 622; VIII, 37, S. 628. 190 Ebd., VIII, 38, S. 628; VIII, 30, S. 622. 191 Ebd., VIII, 28, S. 620; VIII, 15, S. 606: „callide et prelio docti“ 192 Ebd., VIII, 18, S. 610. 193 Ekkehard von Aura, Chronica, S. 168: „[…] qui tamen ipsi electi et equis velocissimis, armis telisque ac sagittandi peritia nimis instructi […]“.

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Schilderung zu der Feststellung, die Türken würden nach Räuberart vorgehen und niemals offen nach Art der Krieger kämpfen.194 Ein Grund für die negativere Haltung mag sicher das unglück­liche Schicksal des Zuges von 1101 sein. Angesichts der Tatsache, dass es kaum Überlebende gab, werden wohl viele Weggefährten oder Freunde Ekkehards zu den Opfern gezählt haben. Zudem liegt es in der menschlichen Natur, nach einer Niederlage das Verhalten des Gegners eher zu kritisieren als nach einem Sieg. Die Teilnehmer des E ­ rsten Kreuzzuges waren sicher­lich erbost oder auch frustriert darüber, dass sich die Türken nicht zum offenen Kampf stellten, aber da ihr Unternehmen letzt­lich erfolgreich und die Schlachten siegreich verliefen, konnten sie darüber hinwegsehen. Immerhin hatten die Türken in den Kämpfen das aus ihrer Sicht verdiente Schicksal erhalten. Ganz anders 1101. Hier waren die Christen Opfer der türkischen Taktik geworden. Was lag aus ihrer Sicht also näher, als in der angeb­lichen Feigheit der Türken, die sich nicht zum Kampf stellten, die Ursache zu sehen. Gedanken der verbitterten Überlebenden und Ekkehards etwa derart, „wenn die Türken richtig gekämpft hätten, wären wir siegreich gewesen“, sind einleuchtend. Dem entspricht auch die Tatsache, dass ein weiterer Text zum Kreuzzug von 1101 die Türken/Sarazenen in diffamierender und entstellender Weise beschreibt. In der Geschichte des Erzbischofs Thiemo von Salzburg, ebenfalls einer der 1101 getöteten Teilnehmer der Kreuzfahrt, wird dessen Martyrium beschrieben. Die Sarazenen sind hier als tyrannische, heidnische Götzendiener dargestellt, die schließ­lich sogar das Blut des Märtyrers trinken.195 Diese Darstellung geht weit über das hinaus, was Chroniken zum E ­ rsten Kreuzzug über die fremde Religion berichten. Zudem hatte Ekkehard keinen Kampf gegen türkische Truppen miterlebt. Ihm fehlte daher die einschneidende Erfahrung anderer Kreuzzugsteilnehmer, etwa des Anonymus, die die psycholo­gischen Auswirkungen, also Angst und Panik, aus eigener Erfahrung kannten. Alle Augenzeugen kamen nicht umhin, zumindest die Effektivität der türkischen Kriegsführung anzuerkennen. Mochten die Muslime in ihren Augen auch wilde und grausame Heiden sein, die den

194 Ebd., S. 168: „Unde inprimis latrocinantium more vulgus extremum diripere […]“,„Inter hec tamen omnia numquam acie directa, numquam fronte aperta more preliantium congrediebantur, sed resistentibus cedebant, insequentes fugiebant, revertentes denuo subsequuntur.“ 195 Passio Thiemonis archiepiscopi, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), Wilhelm Wattenbach (Bearb.), MGH SS 11 (Historiae aevi Salici), Hannover 1854, Nachdruck Stuttgart 1963, S. 51 – 62; John Victor Tolan, Muslims as pagan idolaters, S. 97 f.

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|  Die Türken in den Schlachtenschilderungen des Ersten Kreuzzuges

Nahkampf scheuten, so hatten sie deren außergewöhn­liche Kriegstüchtigkeit doch am eigenen Leib erfahren und würdigten diese auch in den Chroniken. Andere Chronisten stellen meist nur kurz den Fehlschlag des Zuges und die hohen Verluste fest. Fulcher von Chartres erwähnt noch, die Unerfahrenheit der Kreuzfahrer im Kampf gegen berittene Bogenschützen sei u. a. Schuld an der Niederlage gewesen.196 Dies ist sicher richtig, denn die Erfahrungen, die die ersten Kreuzfahrer gemacht hatten, nutzten den Neuankömmlingen aus Europa nichts, sodass immer wieder die gleichen Fehler begangen wurden, etwa das Ausbrechen aus der Marschforma­tion oder die unbedachte Verfolgung des Feindes. So macht denn auch Wilhelm von Tyrus die mangelnde militärische Disziplin für den Fehlschlag verantwort­lich.197 Die Betrachtung aus der Distanz und die lange Erfahrung im Kampf gegen die Türken in seiner Umgebung ermög­lichen ihm ein knappes, präzises und richtiges Urteil. Wilhelm wusste, wie wichtig es war, die Disziplin auch angesichts des dauernden Pfeilbeschusses zu wahren. Sieht man von Ekkehard ab, hielten sich alle Versionen im Rahmen dessen, was man auch anläss­lich des ­Ersten Kreuzzuges über die Türken geschrieben hatte. Albert von Aachen und Ordericus Vitalis bringen allerdings neue, interes­ sante Beobachtungen. Albert kommt das Verdienst zu, als Erster das Aussehen der Türken, wenn auch wenig positiv, beschrieben zu haben. Recht genau und auch korrekt gibt Albert die Frisur der Türken wieder. Die Seite des Kopfes und der Nacken ­seien kahl geschoren, die wenigen Haare ­seien struppig und hingen auf allen Seiten herunter, ebenso der lange Bart.198 In der Tat trugen die türkischen Reiterkrieger dieser Zeit einen langen, im Nacken herabhängenden Zopf.199 Dies zeigt wiederum, dass Albert aufgrund der Fülle der erstaun­lich korrekten Informa­ tionen auch über scheinbar unwichtige Details als Quelle nicht gering geschätzt werden darf. Die türkische Haartracht lässt diese für den Mönch allerdings eher häss­lichen und schmutzigen Geistern ähneln. 196 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, XVI, 3, S. 431. 197 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, X, 13, S. 467, Z. 15 ff. 198 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VIII, 19, S. 612: „[…] quorum capita ante et retro, a dextris et a sinistris in modum colli rasa sunt, et quorum rari capilli ab hiis quatuor collis dependentes intonsa coma horrescunt, cum barba etiam intonsa et prolixa, et qui solum tetris et inmundis spiritibus similes esse in suo habitu referuntur.“ 199 Hillenbrand, Crusades, S. 449, siehe dort auch die Abbildung eines Mamluken; für eine (moderne) bild­liche Darstellung siehe auch: Terence Wise, Armies oft he Crusades, Oxford 1978, Neudruck 2004, Tafel G (nach S. 24), S. 35.

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30 Jahre nach Albert fügte der normannische Mönch Ordericus Vitalis seiner Chronik auch einen Bericht über die Ereignisse von 1101 bei. Dieser hält sich zum Großteil in den tradi­tionellen Bahnen, u. a. begegnet einem hier wieder der Vergleich der Türken mit Wölfen.200 Anläss­lich einer Schlacht erwähnt Ordericus aber, die Türken hätten ihre Frauen, ihre Herden und ihre beweg­liche Habe auf Wagen mitgebracht.201 Wie schon der Erste Kreuzzug, so trafen die Züge von 1101 in Kleinasien auf turkmenische Nomaden. Die Differenzierung ­zwischen diesen Stämmen und den türkischstämmigen Mamluken der syrischen und anato­ lischen Herrscher war durch die Augenzeugen und die Chronisten, die unmittelbar nach dem Kreuzzug schrieben, noch nicht erfolgt. Hier findet sich nun ein erster Hinweis auf die nomadische Lebensweise. Es ist nicht unwahrschein­lich, dass die Turkmenen ihre beweg­liche Habe und zumindest Teile der Herden in relative Nähe des Schlachtfeldes brachten. Ordericus schöpft hier wohl aus einer münd­lichen Quelle, denn dieser Hinweis findet sich nicht in älteren Vorlagen. Dass es sich um eine nicht-­sesshafte Bevölkerung handelt, scheint Ordericus aber nicht bewusst zu sein, denn er versucht das Mitbringen von Hab und Gut und Familie zu interpretieren. Interessanterweise tut er dies gemäß der allgemeinen Vorurteile über den Islam als welt­liche Religion. Er schreibt, die Türken hätten dies getan, um den Feind durch ihren Reichtum zu beeindrucken, letzt­ lich aber auch, um im Feld nicht dem heimischen Luxus entsagen zu müssen. Wie schon beim ­Ersten Kreuzzug stehen die für Gott kämpfenden Christen gegen die Prunk und welt­lichen Freuden zugeneigten Muslime. Hier findet sich ein schönes Beispiel dafür, wie das Türkenbild durch die Vorstellungen, die man vom Islam allgemein hatte, beeinflusst wurde. Die Schlacht an sich wird aber auch bei Ordericus gegen geübte Gegner geführt, der türkische Angriff ist terribiliter und es entwickelt sich eine sehr heftige („acerrime“) Schlacht.202 Die Züge von 1101 bringen für das Türkenbild wenig Neues. Schläue, List, Grausamkeit und Wildheit werden von Albert betont. Herauszuheben sind aber die Kritik Ekkehards, auf die noch einzugehen sein wird, die erste Beschreibung des türkischen Äußeren, die Grundlegung der Legende um Ida von Österreich durch Albert und der erste Hinweis auf das Nomadentum durch Ordericus Vitalis. 200 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, X, 20, Bd. 5, S. 326. 201 Ebd., X, 20, iv 126 f, Bd. 5, S. 336: „Uxores quippe suas armentorum greges secum ducebant, et vehiculis ingentes divitiarum copias trahebant ut opum molem suarum presentia sui summo­pere servarent, et tam hostibus quam affinibus thesaurus suos ostentarent, ut enormitate gazarum visa cunctis terrori existerent, ad extremum vero ut ubique tam domi quam militia omnigenis delecta­tionibus abunsarent.“ 202 Ebd., X, 20, iv 126 f, Bd. 5, S. 336.

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5 Die Türken in der „zweiten Generation“ der Kreuzzugschroniken (1106 – 1120/30)

5.1 Die Überarbeitungen der Gesta Francorum Die breiteste Nachwirkung der frühen Kreuzzugschroniken entfaltete die anonyme Gesta Francorum. Sie war Vorlage für eine Anzahl von Überarbeitungen, die in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts in Frankreich entstanden und begründete so eine regelrechte Gesta-­Familie innerhalb der Chronistik des E ­ rsten Kreuzzuges. Die Vorlage, die ursprüng­liche Gesta, war wenige Jahre nach Ende des Kreuzzuges nach Frankreich gelangt, wahrschein­lich anläss­lich Bohemunds Europa-­Reise, auf der der neue Herzog von Antiochia um Unterstützung für ein neues Unternehmen im Osten warb.1 In kurzer Folge entstanden in Nordfrankreich verschiedene Überarbeitungen des Werkes durch Benediktinermönche, keiner von ihnen war Teilnehmer des Kreuzzuges gewesen. Den Anfang machte ein gewisser Mönch Robert aus Reims um 1106/07, dessen Identität nicht vollständig geklärt ist, mit seiner Historia Iherosolimitana.2 Ihm folgte um 1107 die Historia Jerosolimitana des Balderich von Bourgueil/von Dol. Dieser war Abt des Klosters St. Pierre-­de-­ Bourgueil und ab 1107 Bischof von Dol in der Bretagne.3 Die dritte Überarbeitung der Gesta, die Dei Gesta per Francos, stammt aus der Feder Abt Guiberts von Nogent und entstand um 1108/09.4 Die mit Abstand weiteste Verbreitung

1 Carol Sweetenham (Übers.), Robert the Monk’s History of the First Crusade. Historia Iherosolimitana, Aldershot 2005, S. 6; Riley-­Smith, First Crusade, S. 136 f; Flori, Chroniqueurs, S. 72 ff hält die über Bohemund nach Frankreich gelangte Gesta bereits für eine überarbeitete Version des Werkes durch denselben Autor. 2 Sweetenham, Robert the Monk, S. 3, 7; Flori, Chroniqueurs, S. 125 ff; P. Bourgain, Robert der Mönch, in: LexMA Bd. 7, Sp. 918 f; zu den Bearbeitern der Gesta siehe auch Riley-­Smith, First Crusade, S. 135 f, bezüg­lich der Identität Roberts vertritt Riley-­Smith eine andere Meinung als Sweetenham, Flori und Bourgain und setzt ihn mit dem 1096/97 exkommunizierten Abt Robert von St. Rémi gleich, dieser Robert nahm wohl am Kreuzzug teil. 3 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, S. IV, VI; Flori, Chroniqueurs, S. 107 ff; A. Vernet, Balderich von Bourgueil, in: LexMA Bd.1, Sp. 1364 f. 4 Huygens (Hg.), Guibert de Nogent. Dei Gesta per Francos, S., 51 ff; Flori, Chroniqueurs, S. 143 ff; Robert Levine (Übers.), The deeds of God through the Franks. A transla­tion of

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fand mit 100 erhaltenen Manuskripten (39 davon allein aus dem 12. Jahrhundert) die Darstellung Roberts.5 Alle drei Autoren bemängelten den ihrer Meinung nach mangelhaften Stil der Gesta.6 Sie legten Wert darauf, die Geschichte in eine dem wichtigen Thema angemessene Sprache zu kleiden. Die Bearbeiter der Gesta waren alle gebildete, literarisch geschulte Männer. Dies gilt auch für die Verfasser der anderen zu dieser Zeit in Europa entstehenden Kreuzzugschroniken, Gilo von Paris und besonders Wilhelm von Malmesbury. Von den Autoren der Augenzeugen­berichte verfügte nur Fulcher von Chartres über Kenntnisse in den artes, ­Raimund von Aguilers hatte allenfalls eine moderate Bildung genossen, in den Gesta ­lassen sich nur einfache Bibelzitate nachweisen und auch Peter Tudebod scheint nicht über die Bildung eines Guibert von Nogent oder eines Balderich von Bourgueil verfügt zu haben.7 Diese Tatsache macht sich natür­lich im Stil der Werke bemerkbar, hat aber, wie zu zeigen sein wird, auch Auswirkungen auf die Darstellung der Türken. Während die Gesta den Kreuzzugsaufruf nur kurz erwähnen, bringen die Bearbeiter auch die vermeint­liche Rede Urbans und insbesondere Guibert stellt seinem Werk eine gelehrige Abhandlung über den Orient und die dortigen Menschen voran. Die Reinheit der Luft im Orient sei verantwort­lich für den leichteren Körperbau und den agileren Geist der dort lebenden Menschen, so Guibert. Letzteres habe viele nutzlose Ideen hervorgebracht und daher s­ eien im Orient zahlreiche Häresien entstanden.8 Von den Türken ist hier noch nicht die Rede und daher ist nicht sicher, ob Guibert auch sie bei der Beschreibung d ­ ieses orienta­lischen

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Guibert de Nogents Gesta Dei per Francos, Woodbridge 1997, S. 1; J. Archambault (Übers.), A monks confession. The memoirs of Guibert of Nogent, Pennsylvania 1996, S. XVII. Sweetenham, Robert the Monk, S. 8; Flori, Chroniqueurs, S. 127. Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, S. 10; Robert der Mönch, Historia ­Iherosolymitana, S. 721; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, Praefatio, S. 79, Z. 10 ff. Epp, Fulcher von Chartres, S. 25; John Hugh Hill, Laurita L. Hill (Übers.), Raymond d­ ’­Aguilers. Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem (Memoirs of the American Philosophical ­Society 71), Philadelphia 1968, S. 8, 1; John Hugh Hill, Laurita L. Hill (Hg.), Petrus Tudebodus, Historia de Hierosolymitano Itinere, S. 12 ff; Hans Oehler, Studien zu den Gesta Francorum, in: Mittellateinisches Jahrbuch 6 (1970), S. 58 – 97, S. 60; Riley-­Smith, First Crusade, S. 81. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, II, S. 89, Z. 133 ff: „Ipsi plane hominis pro aeris et celi cui innati sunt puritate cum sint levioris corpulentiae et idcirco alacrioris ingenii, multis et inutilibus commentis solent radio suae perspicacitatis abuti et, dum maiorum sive coevorum suorum despiciunt obtemperare magisterio, scrutati sunt iniquitates, defecerunt scrutantes scrutinio: inde hereses et pestium variorum genera portentuosa […]“.

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Naturells einbezieht. Die muslimische Eroberung, so fährt der Abt fort, sei die gerechte Strafe für solcherart Verfehlungen. Es folgt die Beschreibung der islamischen Religion und des Lebens Mohammeds. Dann erwähnt Guibert zum ersten Mal die Türken in Zusammenhang mit ihren Eroberungen in Syrien und Kleinasien. Die Türken setzt er mit den Parthern der Antike gleich und er erklärt dies mit Veränderungen im Sprachgebrauch.9 Hier begegnen uns bereits zwei Charakteristika dieser neueren Kreuzzugs­ chroniken. Entsprechend ihrer Ausbildung flochten die Bearbeiter der Gesta „wissenschaft­liche“ Erklärungsmuster in ihre Werke ein, wie es Guibert hier zur Erklärung des orienta­lischen Naturells tut. Aufgrund ihrer Bildung waren sie aber auch mit den Werken antiker Autoren vertraut, die seit dem 11. Jahrhundert zunehmend zum Lektürekanon gehörten, wie etwa Lucan, Ovid, Vergil oder Sallust.10 Gerade Nord-­Frankreich, der Entstehungsort der Gesta-­Derivate, beherbergte mit Chartres, Reims und Orléans zu Beginn des 12. Jahrhunderts mehrere Zentren dieser „Renaissance“ der klas­sischen Autoren.11 Die Gelehrten des frühen 12. Jahrhunderts waren mit den antiken Werken vertraut, Vergil galt als vorbild­licher Dichter, Lucan wurde als Historiker und Poet zugleich gesehen.12 Regelmäßig finden sich in den Kreuzzugschroniken von gebildeten Autoren daher auch entsprechende Zitate. Die römischen Autoren galten zugleich als Autoritäten, „jede Quelle galt für gut. Historischer und kritischer Sinn fehlten.“13 Dementsprechend informierten sich Männer wie Guibert, Balderich oder Robert in Werken, die teilweise über 1000 Jahre zuvor entstanden waren, nicht nur über den Orient, sondern auch über den neuen Gegner. Hier beginnt nun der bildungstechnische Hintergrund der Autoren für das vorliegende Thema interessant zu werden. Man wusste, dass die Türken aus dem Osten gekommen waren, wollte sich weiter informieren, wohl auch um das eigene Werk mit seiner Gelehrsamkeit aufzuwerten, suchte und fand bei den Autoritäten viel über den Hauptfeind an der Ostgrenze des römischen Imperiums, die Parther. Bei Pompeius Trogus etwa konnte man lesen, dass bei den Parthern, wie nach 9 Ebd., I, V, S. 100, Z. 424 ff. 10 Günter Glauche, Schullektüre im Mittelalter. Entstehung und Wandlungen des Lektürekanons bis 1200 nach den Quellen dargestellt (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-­ Forschung 5), München 1970, S. 63, 65, 69, 72, 74. 11 Charles Homer Haskins, The Renaissance of the 12th century, Cleveland 1970 (Neudruck der Ausgabe von 1927), S. 101 ff. 12 Ebd., S. 104 ff. 13 Ernst Robert Curtius, Euro­päische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern 1948, S. 56, 59.

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einer Teilung des Erdkreises, jetzt die Herrschaft über den Osten liege.14 Die Türken beherrschten zur Zeit des Kreuzzuges ganz fraglos den Osten. Was lag also näher, als der Schluss, bei den Türken handele es sich eigent­lich um die Parther der Antike? Robert schreibt dies ausdrück­lich, Guibert, Gilo und dessen anonymer Bearbeiter erwähnen die angeb­liche Identität der Völker mehrmals.15 Wer daran zweifele, so Guibert, der solle Solin, Pompeius Trogus oder Jordanes lesen.16 Da zudem die Kampfweise der Parther, wie sie sich aus den römischen Quellen ergab, der der Türken ganz ähn­lich war, bot sich ein Blick in antike Quellen umso mehr an. Wie aber wirkte sich diese Lektüre auf die Darstellung der Türken in den Chroniken aus? Direkte Zitate die Türken in der Schlacht betreffend, finden sich bei den drei Bearbeitern der Gesta kaum, häufiger sind sie bei Gilo von Paris und ­später bei Wilhelm von Malmesbury. Auffällig ist aber, dass die drei Benediktiner in ihre Werke öfter allgemeine Beschreibungen der türkischen Taktik einbauten, die sich bei den Augenzeugen nicht finden. Man könnte annehmen, dass dies ledig­lich der begrenzten Sichtweise des Augenzeugen bzw. dem beseren Überblick des fernstehenden Beobachters geschuldet ist. Dennoch finden sich immer wieder Ähn­lichkeiten zur Beschreibung der Parther bei den antiken Autoren. Zur Schlacht von Doryläum heißt es bei Guibert, die Türken hätten in ihrer üb­lichen Weise gekämpft, indem sie im Fliehen Pfeile auf ihre Verfolger geschossen und diese an der Brust verwundet hätten. Robert schildert die Szene ganz ähn­lich.17 In den Gesta fehlt aber überhaupt jeder Hinweis, es sei bei oder nach der Flucht der Türken zu Verlusten oder Kampfhandlungen gekommen. Die Stelle erinnert vielmehr an Vergil, der berichtet, der Parther verlasse sich auf Flucht und umgewendete Pfeile.18 Ähn­liches findet sich auch bei Ovid, 14 Pompeius Trogus, Historiae Philippicae, XLI, 1, hrsg. von Otto Seel: M. Iuniani Iustini epitome historiarum Philippicarum Pompei Trogi accedunt prologi in Pompeum Trogum, Stuttgart 1972, S. 276. 15 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VIII , III , S. 844F; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, V, S. 100, Z. 424 ff; VII , L, S. 352, Z. 2202 – 2205; Gilo von Paris/­ Anonymus, Historia Vie Hierosolimitane, hrsg. u. übers. von C. W. Grocock u. J. E. Siberry: The Historia Vie Hierosolimitane of Gilo of Paris and a second anonymous author, Oxford 1997, IV (I), Z. 188, S. 82; V (II ), Z. 239, S. 114; VI , Z. 100, S. 138; VII (III ), Z. 119, S. 168 (die Zahlen in Klammern geben die Bücher Gilos an, ohne die Zufügungen seines anonymen Bearbeiters mitzuzählen) 16 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VII, L, S. 352, Z. 2202 – 2205. 17 Ebd., III, X, S. 154, Z. 524 ff; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, IX, S. 760B. 18 P. Vergilius Maro, Georgica, hrsg. u. übers. von Manfred Erren, Heidelberg 1985, III, Z.  30 f, S. 94.

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der von Geschossen schreibt, die der Parther vom abgewendeten Pferd aus schleudert, während die Römer den Feinden die Brust bieten würden (beachte die Wunden auf der Brust bei Guibert).19 Aufschlussreich für den Umgang der mittelalter­lichen Gelehrten mit ihren antiken Vorlagen ist auch, dass sie offenbar nichts dabei fanden, aus einem Buch über die Liebeskunst, Ovids Ars amatoria, Informa­tionen über Kriegführung, wie hier die parthische Kampfweise, zu ziehen. Eine weitere Stelle, die der Lektüre der Klassiker entsprungen sein könnte, findet sich bei Robert kurz vor der Schlacht gegen Karbuġā. Er lässt Adhemar von Puy eine Rede halten, in der dieser den Männern vor der Schlacht Mut zuspricht. Die Türken ­seien eher geneigt zu fliehen als zu kämpfen, hätten sie erst ihre Pfeile verschossen, setzten sie ihr Vertrauen eher auf Flucht als auf Kampf.20 Die Gesta bringen an dieser Stelle überhaupt keine Rede. Lucan dagegen erzählt von den Medern, die schon zu Beginn der Schlacht keine Waffen mehr hätten und mit leerem Köcher zurückweichen müssten.21 Ovid wiederum spricht von dem „fugax Parthus“22 und ruft dem Feind zu: „Qui fugis, ut vincas […] Parthe.“23 Gerade wört­liche Reden, die Robert, selbst wenn historisch, zehn Jahre nach den Ereignissen vor Antiochia, nur noch sinngemäß kennen konnte, boten sich für Zitate und Ausschmückungen an. Kurz ­später schildert der Mönch eine Begebenheit während der Schlacht. Die Türken hätten ihre Pfeile abgeschossen, aber ein Seitenwind hätte sie weit am Ziel vorbeigetragen. Daraufhin ­seien die Schützen geflohen.24 In der Gesta Francorum oder einer anderen Quelle findet sich nichts dergleichen, vielmehr erwähnen die Gesta sogar, die türkischen Pfeile hätten viele Männer verwundet.25 Nach Lucan überlassen es die Parther dem Wind, Wunden zu tragen, wohin er will.26 Robert könnte nach der Lucan-­Lektüre das leicht abgewandelte Wind-­Thema durchaus für geeignet befunden haben, um die knappe Schlachtenschilderung der Gesta qualitativ aufzuwerten. 19 Ovid, Ars Amatoria, hrsg. u. übers. von Friedrich Walter Lenz: Ovid. Die Liebeskunst, Darmstadt 1969, I, Z. 209 ff, S. 48. 20 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, X, S. 830C. 21 Lucan, Bellum civile, hrsg. u. übers. von Georg Luck: Lukan. Der Bürgerkrieg (Schriften und Quellen der antiken Welt, Bd. 34), Berlin 1989, VIII, V. 386 ff,S. 390. 22 Ovid, Remedia amoris, hrsg. von E. H. Warmington, übers. von J. H. Mozley: Ovid in six volumes (Bd.II: The art of love and other poems), London 1969, V. 155, S. 188. 23 Ovid, Ars amatoria, I, Z. 211, S. 48. 24 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, XI, S. 831A/B. 25 Gesta Francorum, XXIX, 4, S. 374. 26 Lucan, Bellum civile, VIII, V, 384, S. 390.

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Auch Guiberts Mitteilung, das Königreich der Parther, die man nun Türken nenne, zeichne sich besonders in militärischen Dingen aus, im Reiten und in Tapferkeit, obwohl es nur ein sehr kleines Land sei, mag dem Studium antiker Werke entnommen sein.27 Zugegeben, mehr als eine Inspira­tion durch die Klassiker bei der Beschreibung der Türken lässt sich hier nicht herauslesen.28 Allerdings gibt es eine Behauptung, die eindeutig auf Lucan als Quelle hinweist und die zudem zu den gröbsten Unterstellungen zu Lasten der Türken in der frühen Kreuzzugs­ chronistik zählt. Robert der Mönch berichtet mehrmals von angeb­lich vergifteten Pfeilen 29 der Türken. Gilo von Paris folgt ihm darin. Die Verwendung vergifteter Pfeile wäre natür­lich geeignet, die Türken als ritter­liche Gegner zu diskreditieren. Wie kommt der franzö­sische Mönch zu dieser Behauptung, die von keinem der Augenzeugen auch nur ansatzweise erwähnt wird? Ein ähn­liches Gerücht war über die eng­lischen Bogenschützen im Spätmittel­ alter im Umlauf. Dies rührte daher, dass sie ihre Pfeile neben sich in den Boden steckten, was eine Verunreinigung und Infek­tion der Wunde durch Schmutz verursachte, besonders wenn die Pfeilspitze im Körper verblieb, oder dass bei dem Opfer generell die Gefahr von Wundbrand, einer Infek­tion oder einer Bauchfellentzündung bestand, wenn Magen- oder Darmwand durchbohrt worden waren.30 Bei berittenen Schützen wie den Türken scheidet die erste Mög­ lichkeit aus, während die beschriebenen Komplika­tionen nach Pfeilwunden natür­lich auch zu Opfern unter den Kreuzfahrern geführt haben. Dies erklärt aber bestenfalls den konkreten Todesfall des Odo von Beaugency, den Robert dem Pfeilgift zuschreibt 31 nicht aber die anderen Fälle, in denen Robert ganz allgemein behauptet, die Türken hätten vergiftete Pfeile benutzt. Es ist Lucan, der in seinem Buch vom Bürgerkrieg den Parthern diese Taktik unterstellt. Mehrmals wird erwähnt, die Parther würden ihre Pfeile mit Gift beschmieren, sodass schon kleine Wunden Verderben brächten, wenige 27 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, V, S. 100, Z. 424 ff. 28 Hier liegt wohl das vor, was Neil Wright, ‚Industriae testimonium‘: William of Malmesbury and Latin poetry revisited, in: Revue Bénédictine 103 (1993), S. 482 – 531 als Imita­tionen oder Echos der antiken Werke bezeichnet. 29 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, II, S. 756C (bei Nikäa); III, IX, S. 760B (Doryläum); IV, XV, S. 784A (vor Antiochia) 30 Hagen Seehase, Ralf Krekeler, Der gefiederte Tod. Die Geschichte des eng­lischen Langbogens in den Kriegen des Mittelalters, Ludwigshafen 2001, S. 48; Clive Bartlett, English Longbowman 1330 – 1515, Oxford 1995, S. 50; Piers D. Mitchell, Medicine in the Crusades. Warfare, wounds and the medieval surgeon, Cambridge 2004, S. 158. 31 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, XII, S. 831F.

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Blutstropfen den Tod bedeuteten.32 Auch letzteres übernahm Robert: „Turci toxicatas mittebant sagittas, ut quos vel levi jactu sauciarent, gravi morte perimerent.“33 Anders als durch eine direkte Übernahme aus Lucan, lässt sich dies nicht erklären, zumal sich diese Unterstellung nur noch bei Gilo von Paris und Wilhelm von Malmesbury findet, beide Kenner klas­sischer Werke, und dann für den Rest der Kreuzzugschronistik verschwindet. Es bleibt unklar, ob es Roberts Ziel war, die Türken hier negativ darzustellen oder ob er in bestem Gewissen den klas­sischen Autoritäten folgte. Mög­lich ist beides, andere Autoren kannten Lucan, brachten diese Stelle jedoch nicht, bewiesen aber dennoch Hörigkeit gegenüber den Klassikern, indem sie, wie erwähnt, Ovids Buch über die Liebeskunst als Quelle für Kriegstaktiken ausschlachteten. Lucan jedenfalls verurteilt sowohl Gift als auch Pfeile und ruft Pompeius zu: „Hältst du für Männer, Pompeius, denen es nicht genügt, nur mit dem Schwert den Gefahren der Schlacht zu trotzen?“34 Festzuhalten bleibt, dass die Verwendung klas­sischer Zitate, oder auch nur die Inspira­tion durch antike Werke, den Türken in den Chroniken nicht zum Vorteil gereichte. Schärfer als dies die mittelalter­lichen milites auf dem Kreuzzug taten, verurteilten die römischen Autoren näm­lich den Kampf mit Pfeil und Bogen aus der Ferne gegen ihre nahkampferprobten Legionen. Der Bildungsgrad der mittelalter­lichen Autoren und ihr Bemühen, die Gesta literarisch zu verbessern, wirkten sich durch die Verwendung klas­sischer Zitate, unter Umständen unbewusst, auf das Türkenbild aus. In der Forschung besteht aber Einigkeit, dass mit den Neufassungen der Gesta auch bestimmte Ziele verfolgt wurden. Darüber, um w ­ elche Ziele es sich hierbei handelt, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Nach Oehler hätten die franzö­sischen Chronisten vor allem Anstoß an der hervorgehobenen Rolle Bohemunds in den Gesta genommen. Die Rolle des Normannen sei deshalb gekürzt und der anderer Führer gleichgestellt worden, da ein „Halbfranzose“ nicht den ersten Platz unter den Großen des Zuges einnehmen sollte.35 Einen entgegengesetzten Standpunkt nimmt Albu ein. Ihrer Untersuchung zufolge werde B ­ ohemund in den Gesta gar nicht so positiv dargestellt. Sie bezweifelt demzufolge, ob 32 Lucan, Bellum civile, III, V, 266, S. 162; VIII, V, 304 ff, S. 386: „Spicula nec solo spargunt fidentia ferro, stridula sed multo saturantur tela veneno; volnera parva nocent, fatumque in sanguine summon est.”; VIII, V. 388 ff, S. 390: “Nulla manus illis, fiducia tota veneni est.“ 33 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, II, S. 756C. 34 Lucan, Bellum civile, VIII, V. 389 f, S. 390: „Credis Magne, viros, quos in discrimina belli cum ferro misisse parum est?“ 35 Oehler, Studien, S. 83 ff, 97.

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Bohemund die Gesta wirk­lich benutzte, um seine Rolle auf dem Kreuzzug herauszustellen. Wenn er das Werk gut gekannt habe, sei er vermut­lich nicht sehr zufrieden mit der Darstellung seiner Person gewesen.36 Sweetenham, die Übersetzerin von Roberts Werk, und Flori sehen die Gesta-­ Derivate als Versuch, im Rahmen von Bohemunds Europa-­Reise Enthusiasmus für einen neuen Kreuzzug zu erwecken und den E ­ rsten Kreuzzug theolo­ gisch und heilsgeschicht­lich einzuordnen.37 Eine einflussreiche Rolle schreibt Sweetenham dabei sowohl dem Kloster Cluny als auch dem franzö­sischen Hof zu. Alle drei Werke ­seien in der kapetin­gischen Einflusssphäre in Nordfrankreich entstanden, zwei von ihnen geschrieben von bzw. für hohe Kleriker. Alle Werke setzten den Zug zudem in ein klares theolo­gisches Grundgerüst. Am augenschein­lichsten ist dies bei Guibert, der den Titel, Gesta Francorum („Die Taten der Franken“) umänderte in Dei Gesta per Francos („Die Taten Gottes durch die Franken“). Berücksichtige man darüber hinaus die Tatsache, dass Bohemund die Tochter des franzö­sischen Königs geheiratet hatte und die Bedeutung, die Roberts Abtei St. Rémi in Reims für die franzö­sische Krone hatte, so ergäben sich starke Hinweise darauf, dass man versucht habe, eine Art offizielle Version des Kreuzzuges zu schaffen, sowohl in theolo­gischer als auch in historischer Hinsicht.38 Schließt man sich dieser Meinung an und sieht die Schaffung einer propagandawirksamen und theolo­gisch eingebetteten Kreuzzugsgeschichte als Inten­ tion der Werke, so dürfte dies nicht ohne Auswirkung auf die Darstellung der muslimischen Gegner geblieben sein. Ein Blick auf die im Vergleich zur Gesta geänderten Passagen der drei Werke in Bezug auf die Darstellung der Türken ist daher aufschlussreich. Alle drei Chronisten fügten der ihrer Meinung nach unvollständigen Gesta eine Darstellung des Konzils von Clermont bei, um den Ursprung der Kreuzzugsbewegung darzustellen. Die verschiedenen Versionen der Predigt Urbans wurden bereits in einem anderen Kapitel untersucht. Schließ­lich gelangt Guibert zur Beschreibung der muslimischen/türkischen Herrschaft über die Ostchristen, bei der er deut­lich über das hinausgeht, was die Augenzeugenberichte erwähnen. Man habe Jungfrauen zu Prostituierten gemacht, Mütter vor den Augen ihrer 36 Albu, The Normans, S. 177 ff. 37 Sweetenham, Robert the Monk, S. 6; Flori, Chroniqueurs, S. 123, 128, 137 ff, 148 ff, 160 f; siehe auch Völkl, Muslime, S. 23 zur Deutung des Kreuzzuges als Manifesta­tion gött­lichen Willens und Wirkens durch diese Autoren. 38 Sweetenham, Robert the Monk, S. 6, S. 14.

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Töchter vergewaltigt. Könne man all dies noch entschuldigen, da im Einklang mit der Natur, ­seien die Muslime aber schlimmer als Tiere geworden, als sie sich Männern zugewendet hätten.39 In d ­ iesem Zusammenhang vergisst der Autor auch nicht, die islamische Polygamie zu erwähnen. In den Gesta treten die Türken zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Volkskreuzzug und der vernichtenden Niederlage bei Xerigordon bzw. Civetot auf. Laut Gesta ­seien Pilger als Zielscheiben benutzt worden, ein Priester sei während der Messe am Altar erschlagen worden und viele Christen ­seien als Sklaven nach Osten verschleppt worden. Dies alles übernahmen die Neubearbeiter, bauten die Stelle aber aus. Balderich bringt hier den Vergleich der Türken mit Wölfen („more luporum“). Ganz ähn­lich Robert, die Türken, bei ihm als „diabolica legio“ bezeichnet, hätten wie wilde Tiere nach der Ankunft der Pilger gelechzt und sich anschließend bei der Folter der Gefangenen amüsiert.40 Die Schlacht von Nikäa stellen zwar alle Augenzeugen als relativ leichten Sieg dar, aber es ist Robert, der schreibt, die Türken, zunächst auf ihre Überzahl vertrauend, hätten schon beim Nahen der Christen kehrt gemacht und ­seien geflohen. Balderich erwähnt über die Gesta hinausgehend noch, die Türken hätten auf die Überzahl und den Mut ihrer Männer vertraut.41 Das Aufeinandertreffen bei Doryläum wird von den Bearbeitern der Gesta ebenfalls ausgebaut und auch farbiger geschildert als in ihrer Vorlage. Die lapidare Feststellung des Anonymus, die Türken hätten Pfeile abgeschossen wird ersetzt durch die Aussage, die Kreuzfahrer hätten im Schatten der ­türkischen Pfeilwolken gestanden. Beim Kampf um das Lager ­seien von den Türken Mütter und Kinder und andere Unbewaffnete getötet worden, fügt Robert der Darstellung hinzu.42 Die „innumerabiles Turcos“ der Gesta schreiben sie um 39 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, V, S. 102, Z. 460 ff: „Virgines enim fidelium deprehensae publicum fiery precipiebantur scortum, cum nusquam pudori d­ eferretur ac honestati coniugum. Matres correptae in conspectus filiarum multipliciter repetitis diversorum coitibus vexabantur, cum filiae assistentes carmina precinere saltando nefaria inter huiusmodi cogerentur. […] cumque sexui femineo non parcitur- quod tamen excusari poterit pro competent natura, in masculinum, pecualitate transgressa, solutis humanitatum legibus itur.“ 40 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, I, X, S. 20A; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, I, VI, S. 732C: „Turcorum enim numerous infinitus erat, qui adventum illorum bestiali mente sitiebat”; I, X, S. 734C; I, XIII, S. 736B: „Turci tandem illos vi c­ omprehenderunt, et secundum ludibrium suum variis poenarum generibus affectos […]“. 41 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, III, S. 757B; III, IV, S. 757D; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, I, XXIII, S. 27A. 42 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, XI, S. 761D; III, IX, S. 760E.

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zu einer Masse, die Hügel und Berge verdeckt habe.43 Sie vertrauen wieder auf ihre Überzahl.44 Diese Änderungen können alle noch in dem Bestreben gesehen werden, die karge Schilderung der Gesta lebhafter und farbiger zu gestalten, ohne sich deshalb negativ auf das Türkenbild auszuwirken. Guibert bringt aber noch zusätz­liches Material. Seiner Meinung nach hätten sich Türken, Araber und Sarazenen von den zahlreichen Feinden sowohl in Anzahl als auch in Würde abgehoben. Eine merkwürdige Stelle, waren doch die genannten die einzigen Feinde der Gesta, die auf realer Grundlage fußten.45 In einer Rede an die Soldaten lässt er die Kreuzzugsführer erwähnen, bei den Gegnern handele es sich kaum um Menschen, eine ähn­liche Aussage trifft er auch zum Heer Karbuġās.46 Zudem betont der Abt mit den Adjektiven trux und ferox zweimal die Wildheit der Türken.47 Bezeichnungen, die in der Gesta fehlen. In Guiberts Schilderung sind die Türken zwar keine unwürdigen Gegner, aber der „zivilisatorische Graben“ ­zwischen Kreuzfahrern und Muslimen ist viel breiter als in der Gesta. Sie sind wild und kaum mehr Menschen. Wie gingen die Chronisten aber mit dem geradezu überschweng­lichen Lob um, das der Anonymus dem türkischen Gegner zuteil werden ließ, als er schrieb, niemand außer Franken und Türken könne miles sein? Vor der Wiedergabe des eigent­lichen Türkenlobs fügt Guibert ein, man solle nicht denken, man habe in dieser Schlacht gegen Bauern gekämpft. Dann folgt, als Bestätigung des zuvor gesagten, das eigent­liche Türkenlob, in dem sich der Abt auf die Teilnehmer des Zuges beruft. Diese hätten bezeugt, es gäbe in militärischen Dingen kein mit den Türken vergleichbares Volk. Die Verzweiflung in den Reihen der Franken wird erwähnt. Grund dafür ­seien die für die Christen neuartige Taktik, die schnellen Pferde, die Fähigkeit, dem Lanzenangriff auszuweichen und besonders das Abschießen von Pfeilen auf der Flucht. Hier liegt wohl eine Anleihe von Fulcher vor, dessen Werk Guibert kannte und der bei Doryläum ebenfalls die Neuartigkeit der türkischen Taktik betont hatte. Guibert fährt fort, es sei die Meinung der Türken, dass höchste militärische 43 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, III, X, S. 155, Z. 562 f. 44 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, II, I, S. 33D. 45 Die Gesta Francorum nennen als weitere Beteiligte auf muslimischer Seite die „Agulani“ und die „Publicani“. Die Paulikianer waren eine christ­liche Sekte. Der Anonymus verwendet die Bezeichnung hier wohl stellvertretend für Häretiker. Woher der Begriff Agulani stammt, ist umstritten, siehe Hill, Gesta Francorum, S. 20, Fn. 3; France, Technology and Success, S. 166. 46 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, V, VIII, S. 209, Z. 252 f: „[…] cum alliis innume­ rabilibus nequaquam gentibus sed portentis.“ 47 Ebd., III, X, S. 155, Z. 559 ff; III, X, S. 156, Z. 580; III, X, S. 157, Z. 600 f.

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Tapferkeit ihnen und den Franken vor allen anderen zukomme.48 Bezeichnenderweise fehlt aber die Bestätigung der Gesta, dass dies wahr sei. Inhalt­lich ist Guibert nicht weit von seiner Quelle entfernt, aber man gewinnt bei ihm wegen der Versicherung, es habe sich bei den Türken keineswegs um Bauern gehandelt, den Eindruck, die Stelle diene vor allem dazu, die Tapferkeit der Kreuzfahrer durch das Lob des Gegners zu betonen. Balderich, und ihm folgend Ordericus Vitalis, formulieren die Stelle ganz anders. Die Türken ­seien demnach fähige und mutige Kämpfer, sowohl mit dem Bogen als auch mit dem Schwert und anderen Waffen. Ferner behaupteten sie, gemeinsamer Abstammung mit den Franken zu sein und dass niemand außer ihnen und den Franken Ritter sein könne. Ordericus Vitalis lässt sein Türkenlob im Gegensatz zu seiner Quelle Balderich bereits nach d ­ iesem Satz enden. Wenn sie zum Christentum zurückkehrten, dem ihre Vorfahren abgeschworen hätten, könnten sie sich der fränkischen Abstammung zu Recht rühmen, so Balderich weiter. Erfahren, listig und kriegerisch ­seien die Türken, aber leider von Gott entfremdet.49 Auch hier findet sich also die Anerkennung der militärischen Fähigkeiten der Türken. Wie Guibert lässt der Bischof von Dol aber die Bestätigung der angeb­lichen türkischen Meinung bezüg­lich ihrer „Ritterfähigkeit“ weg. Ordericus Vitalis schwächte einige Jahrzehnte ­später durch Kürzung noch etwas ab.50 48 Ebd., III, XI, S. 158, Z. 639 ff: „Sed forsitan quivis obiectat: rustica manus erat, et gregariorum militum peripsima passim undecumque coierat. Certe ipsi Franci, qui se tanto obtulere discrimini, pleno ore fatentur nusquam Turcis illis genus hominum comparabile posse cognosci, adeo argutos animis ac strenuous armis. Qui etiam cum in initiis cum eis bello confligere cepissent, eorundem novitiate armorum prope sunt desperate: nostris enim inexperta erat tanta eorum in euitando agilitas, in evitandis nostrorum incursibus vel ictibus mira pernicitas, presertim cum non soleant ipsas emitter nisi fugaciter pugnando sagittas. Est autem eorum opinion quod Francorum contribules existant et pre ceteris gentibus solis specialiter Turcis et Francis deberi militare fastigium.“ 49 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, II, III, S.35F: „Non enim Turcos imbelles audemus dicere, qui astu nimio praepollentes audaci vigent animo, et irreverberato confligunt gladio. Mortes etiam eminus inimicis creberrime infligunt, quia utuntur arcubus, et multis instrumentis bellicis nituntur. Sed tamen multum tunc dedicerant usum praeliandi, quoniam habuerant diuturnum tempus feriandi. Jactitant tamen se de Francorum stripe duxisse genealogicam, eorumque proavos a Christianitate descisse. Dicunt etiam nullos naturaliter debere militare nisi se et Francos. Si tamen ad Christianismum ultronei redirent, tunc demum de Francorum prosapia exortos sese recte gloriarentur. Hoc ad praesens sufficiat, quoniam indubitanter viri sunt ingeniosi, callidi et belliciosi, sed, proh dolor! a Deo alienati.“ 50 Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica, IX, 8, Bd. 5, S. 62: „Turci enim astu nimio pollentes audaci vigent animo, et inreverberato confligunt gladio. Mortes eminus inimicus creberrime

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Robert der Mönch hat das Türkenlob der Gesta bezeichnenderweise nicht in sein Werk übernommen. Er ersetzt dies, wenn auch nicht gleichwertig, durch eine indirekte Respektsbekundung für die türkischen Verteidiger von Antiochia. Er berichtet von Belagerungsmaschinen vor Antiochia, fragt dann aber, von welchem Nutzen diese ­seien gegen eine Stadt voller Verteidiger, die, wären sie nicht Feinde Christi, gemeinsam mit den Franken hätten kämpfen können.51 Alle drei Bearbeiter schmälerten also das Türkenlob der Gesta mehr oder weniger deut­lich, ohne den Türken aber den militärischen Wert völlig abzusprechen. Zur Schlacht von Doryläum fügt Robert noch ein interessantes Detail hinzu. Er schreibt, man hätte christ­liche nicht von muslimischen Gefallenen unterscheiden können, wenn erstere nicht ein Kreuz auf ihrer Kleidung getragen hätten.52 Robert ging also davon aus, dass sich die Türken äußer­lich und vielleicht sogar auch in Rüstung bzw. Kleidung nicht von Europäern unterschieden. Ein interessanter Hinweis auf die Vorstellung eines Europäers von orienta­lischen Völkern. Vryonis vermutet demgegenüber, dass sich die Physiognomie der Türken im 11. Jahrhundert noch stärker von der der Griechen (erst recht also von Westeuropäern) unterschied als s­ päter, als der asiatische Einschlag bei den Türken durch Vermischung schwächer geworden sei. Noch im 15. Jahrhundert habe ein Europäer über den osmanischen Sultan Murad II. gesagt, dieser sehe aus wie ein Tartar. Laut dem byzantinischen Chronisten Niketas Choniates zogen die Türken 1176 den Gefallenen die Haut ab und entfernten die Genitalien, um die Toten unkennt­lich zu machen und auf diese Weise eigene hohe Verluste zu kaschieren.53 Selbst wenn hinter Niketas Aussage andere Gründe stehen, so würde er nichts geschrieben haben, was jedem seiner Landsleute der schon einmal einen Türken gesehen hatte, unwahrschein­lich vorkommen musste. Man muss also davon ausgehen, dass ein Türke durchaus, allein schon durch Haut- und Haarfarbe, von einem Mitteleuropäer zu unterscheiden war und sich in Roberts Aussage allein seine Vorstellung spiegelt. Der Mönch stellte sich die Türken wohl mittelaltertypisch als schlichtes heidnisches Spiegelbild seiner eigenen Welt vor. infigunt quia utuntur arcubus et multis instrumentis nituntur bellicis. Iactitant se de Francorum stripe genealogicam duxisse, eorumque proavos a Christianitate descisse. Dicunt etiam nullos naturaliter militare nisi se et Francos.“ 51 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, I, S. 775D: „Praesertim quum tot in ea essent defensores qui etiam cum nostris campestri praelio pugnare potuissent, si Christiani nominis inimici non fuissent.“ 52 Ebd., III, XV, S. 764A. 53 Vryonis, Decline, S. 125, 277 f.

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Es wurde bereits erwähnt, dass die Neubearbeiter, besonders Guibert, die Verfolgung und die Tötung der geschlagenen Türken deut­lich ausbauten und wesent­lich „farbiger“ schilderten als der Anonymus. Dies gilt für Doryläum, aber auch andere Schlachten.54 Auch hier also das Bemühen, das rücksichtslose Vorgehen gegen die Heiden in den Vordergrund zu stellen und die Differenzen ­zwischen Muslimen und Christen herauszuarbeiten. Diese Tendenz setzt sich auch in der Schilderung der Kämpfe um A ­ ntiochia fort. Einige der tapfersten („fortissimi“) Türken s­ eien im Kastell Harenc nicht weit von Antiochia sta­tioniert gewesen, so die Gesta Francorum. Balderich und Robert erwähnen zwar auch diesen Stützpunkt, lassen das Adjektiv aber weg. Guibert ersetzt fortis durch ferox, ein qualitativer Unterschied.55 In einer anderen Schlacht, so der Anonymus, hätten die Kreuzfahrer 1500 der erfahrensten und tapfersten („prudentissimorum et fortiorum“) der türkischen milites getötet. Hier ein ähn­liches Bild: Balderich übernimmt die Stelle aus der Gesta, bezeichnet die Gefallenen ebenfalls als milites. Robert übergeht wiederum jedes Lob, während Guibert schreibt, es ­seien die wichtigsten und wohlhabendsten Leute gefallen.56 Reichtum ist aber im Gegensatz zu Tapferkeit keine Tugend. Lassen sich Ausschmückungen noch mit dem Wunsch erklären, die Gesta literarisch aufzuwerten, so sind diese Auslassungen doch eher motiviert durch das Bestreben, den Feind nicht zu positiv erscheinen zu lassen. Eine zweite Schlüsselszene der Gesta ist das Angebot Karbuġās an die Christen, milites zu werden, wie es auch die Türken ­seien. Sollten sie konvertieren, so würden sie Pferde erhalten und niemand müsse pedes bleiben. Die Verwendung des Wortes milites zeigt, dass der Anonymus den Türken prinzipiell den gleichen Status zubilligt wie christ­lichen Rittern, den des berittenen, e­ ventuell sozia­l gut gestellten, Berufskriegers. Wie gingen die Bearbeiter der Gesta mit dieser Stelle um? Nach allen drei Autoren bietet der Atabeg den Christen ebenfalls an, Türken (d. h. Muslims) zu werden, dann würde er alle pedites 54 Gesta Francorum, IX, 9, S. 203; XIII, 6, S. 252; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, III, X, S. 157, Z. 600 ff; IV, IV, S. 174, Z. 228 ff; IV, XIII, S. 188, Z. 595 ff.; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, XIII, S. 763A 55 Gesta Francorum, XII, 5, S. 246; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, II, IX, S. 41; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, II, S. 776B; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, IV, III, S. 171, Z. 158 ff. 56 Gesta Francorum, XVIII, 8, S. 284; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, II, XVII, S. 51; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, XXI, S. 787G; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, IV, XIV, S. 192, Z. 712 ff: „[…] aliique quam plures de magis preditis ac sollertioribus ipsorum personis […]“.

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zu equites machen. Die Wörter „wie wir“, die sich noch in den Gesta finden, fehlen.57 Während der Anonymus also annimmt, dass die Türken milites, also prinzipiell gleichrangig, sind, wird dies in den Bearbeitungen verschwiegen. Fand man es für eine offizielle Kreuzzugsgeschichte etwa unpassend, dass den milites Christi, von Heiden, die ebenfalls milites sind, angeboten wird, sie zu Rittern zu machen? In der Tat handelt es sich bei der Stelle in den Gesta nicht um eine Szene, die propagandawirksam den tiefen Unterschied z­ wischen Christen und Heiden darstellt. Diese These wird durch den Vergleich z­ wischen Gesta und Bearbeitern an anderer Stelle gestützt. Die Gesta geben den Wortlaut eines Briefes Karbuġās an den Kalifen wieder, den der Feldherr auch an alle Corrozanae militibus adressiert. Balderich und Robert haben diese Wörter gestrichen, ledig­lich die Adressierung an den Kalifen und andere stehen lassen. Guibert verwendet zwar das Wort ­militia,58 allerdings scheint es hier im allgemeineren Sinn von Kämpfer oder Armee gebraucht zu sein.59 Was die Tatsache betrifft, dass die Bearbeiter der Gesta den Begriff milites häufig durch equites ersetzt haben, so nimmt van Luyn an, dass hier die klas­sische Bildung der Autoren durchschlägt, die sich bemühten, den antik-­römischen Begriff für Ritter/Reiter zu verwenden. Außerdem werde bei der Gegenüberstellung mit dem Fußvolk, den pedites, besonders häufig der Begriff equites verwendet. Ein solcher Fall liegt bei dem Angebot Karbuġās vor. Im Übrigen handele es sich bei milites und equites wohl um Synonyme.60 Hatte man hier die zu wenig kontrastierende Beschreibung des Gegners bemängelt, so störte man sich auch an anderen Szenen, in denen der Anony­ mus zu freimütig die Schwäche der Kreuzfahrer und damit die Stärke der Türken betonte. Bei der Belagerung Antiochias habe niemand (aus Angst vor ­türkischen Überfällen) gewagt („audebat“), im Umland Beute zu machen, so die Gesta. Der Anonymus scheut sich nicht, zweimal in d­ iesem Zusammenhang 57 Gesta Francorum, XXVIII, 4, S. 367; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, III, XV, S. 75; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, VI, S. 826B; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VI, III, S. 236, Z. 82 ff. 58 Gesta Francorum, XXI, 7, S. 321; Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, III, III, S. 62; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VI, XI, S. 811A; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VI, X, S. 211, Z. 334 ff: „Domino Regi magnifico Persarum papaeque beatissimo et omnibus adversus Christianos sanctam professis militiam Curbaran, suae militia princeps, salute atque victoriam.“ 59 Johann Johrendt, ‚Milites‘ und ‚Militia‘ im 11. Jahrhundert. Untersuchung zur Frühgeschichte des Rittertums in Frankreich und Deutschland, Diss.-phil. Erlangen-­Nürnberg 1971, S. 13. 60 P. van Luyn, Les milites dans la France du XIe siècle. Examen des sources narratives, in: Le Moyen Age 77 (1971), S. 5 – 51 und 193 – 238, S. 20 f.

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die Furcht der Franken zu erwähnen.61 Bei Robert sucht man die Stelle vergebens, Balderich übergeht die Angst der Franken und Guibert benutzt das Verb können/im Stande sein („valebat“) statt wagen. Er erwähnt hier nur einmal die Furcht der Franken.62 Ein allgemeines Vorurteil über den Islam bedient der Abt von Nogent als er nach der Schlacht gegen Karbuġā berichtet, in dessen Lager hätten sich Frauen aufgehalten, mit denen Kinder gezeugt werden sollten. Diese hätten die Säuglinge auf der Flucht ins Gras geworfen, wo die Franken sie ­später gefunden hätten. Auch Fulcher berichtet über Frauen in Karbuġās Lager, aber wesent­lich zurückhaltender.63 Es ist offensicht­lich, dass Guibert hier das Vorurteil über den luxuriösen, wolllüstigen Islam bedient. Des Weiteren betonen die Gesta-­Bearbeiter einige Charakterzüge der Türken, die im Original nicht derart herausgehoben werden, oder sie verwenden Bezeichnungen für den Gegner, die sich so ebenfalls nicht im Werk des anonymen Normannen finden. Bei Guibert sind dies Arroganz, 64 Wildheit und Grausamkeit bzw. sexuelle Verderbtheit. In den Chroniken wird auch immer wieder von Stolz und Arroganz der Türken besprochen. Das Prahlen und Provozieren des Gegners vor einem Kampf wurde bei der Schilderung durch Geist­liche in Europa gemäß deren Wertekanon oft als Hochmut ausgelegt. Um wie viel mehr musste dies aus ihrer Sicht auf die Türken zutreffen, deren Taktik ja gerade darauf angelegt war, den Feind durch Provoka­tionen zum Angriff zu reizen. Verlor der Gegner die Schlacht, konnten die Chronisten die Prahlerei als leere Worte und die Niederlage daher als besonders schmäh­lich darstellen.65 Robert erwähnt oft das Vertrauen der Türken auf ihre Überzahl und bringt den Vergleich mit Wölfen bzw. mit Hunden.66 Darüber hinaus ist Robert der einzige Chronist, der die Türken bzw. Karbuġā als dumm bezeichnet. In anderen Quellen sind sie eher listig und schlau. Der Mönch beschreibt die Aufteilung 61 Gesta Francorum, XIII, 2, S. 249; XVI, 4, S. 265. 62 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, IV, III, S. 173, Z. 197 ff; IV, XI, S. 184, Z.483 ff. 63 Ebd., V, XXII, S. 225, Z. 716 ff; Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XXIII, 5, S. 256. 64 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, IV, III, S. 169, Z. 109; IV, XIV, S. 192, Z. 715 ff; V, VIII, S. 209, Z. 258; IV, XIII, S. 189, Z. 608 ff; IV, XIV, S. 191, Z. 660; VII, XLIX, S. 349, Z.  2145 ff. 65 Malte Prietzel, Kriegführung im Mittelalter. Handlungen, Erinnerungen, Bedeutungen, Paderborn 2006, S. 49, 53. 66 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, VI, S. 778D; IV, XV, S. 784A; IV, XVIII, S. 785E; V, VI, S. 795A; VI, VIII, S. 809C.

Die Überarbeitungen der Gesta Francorum  |

des türkischen Heeres bei der Schlacht gegen Duqāq als Dummheit, diese sei aber ein Charakteristikum der Heiden. Karbuġās Entscheidung, die Christen zunächst aus Antiochia herausziehen zu lassen, bezeugt für Robert dessen Dummheit. Die Herausgeber der Übersetzung der Historia Iherosolymitana kennzeichnen diese Aussagen als Zitate aus der Bibel.67 Balderich erwähnt, wenn auch in geringerem Maße, Blutgier, Raublust und bringt auch die Wolfsmetapher.68 In den Werken Roberts, Guiberts und Balderichs werden Charakteristika der türkischen Gegner deut­licher herausgearbeitet als in den recht nüchtern gehaltenen Gesta. Man bemerkt hier durchaus die größere literarische Begabung der Autoren, denen es, ganz wie in einem guten Roman, gelingt, ein farbigeres Bild vom Gegner zu zeichnen. Die Änderungen, die die drei bei der Darstellung der Türken vornehmen, verschieben in ihrer großen Mehrzahl das Türkenbild allerdings ins Negative, ohne den Reiterkriegern dabei die militärische Tüchtigkeit abzusprechen. Es handelt sich nach wie vor um furchterregende Gegner. Der Lärm, den die Türken vor der Schlacht veranstalteten, habe Männer und Pferden gleichermaßen erschreckt, äußert sich Guibert an einer Stelle, an der die Gesta das türkische Kriegsgeschrei schon nicht mehr erwähnenswert finden.69 Die Stelle zeigt aber auch, dass der Graben ­zwischen Kreuzfahrern und Türken in den Überarbeitungen tiefer geworden ist als noch in den Gesta. Die Türken sind häufiger wild, öfter wie Raubtiere und seltener milites. Unter Berücksichtigung der These, bei den Überarbeitungen der Gesta handele es sich um Propaganda für ein neues Unternehmen gen Osten und den Versuch einer offiziellen Kreuzzugsgeschichte, lassen sich diese Unterschiede erklären. Propaganda erfordert eine schärfere Abgrenzung zum Feind als sie noch der Anonymus geliefert hatte. Es ist eine schärfere schwarz-­weiß Zeichnung, eine stärkere Abgrenzung z­ wischen Gut und Böse, um den Kreuzzug auch mora­lisch zu legitimieren. Eine Argumenta­tionsweise, die Hans-­Henning Kortüm bereits anhand der Kreuzzugspredigt Urbans untersucht hat, auch unter Rückgriff auf die Versionen der Gesta-­Bearbeiter.70 67 Sweetenham, Robert the Monk, S. 124 Fn. 18; S. 167 Fn. 16; s. Sprüche I, 7; XIV, 33. 68 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, II, XV, S. 47; III, XXI, S. 82. 69 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VI, IX, S. 240, Z. 223 ff: „E regione etiam hostium multitudo, rabie intoleranda conclamans, et ipsa concurrit. Est autem huiusmodi eorum mos in acie positorum, ut cannis aeries, quibus pro hastilibus utuntur, et cimbalorum tinnitibus terrificisque vocibus infinitos fragores emittant, ut vix equi hominesque a tanti sonitus terrore subsistant.“ 70 Kortüm, West­liche Gotteskrieger, S. 25; siehe auch Völkl, Muslime, S. 23 und Flori, Chroni­ queurs, S. 150.

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Gleichzeitig durfte der Gegner in der Propaganda aber nicht als unwürdig oder militärisch unfähig erscheinen, wollte man die eigene Leistung bzw. die Leistung Bohemunds, der ja gerade die franzö­sische Königstochter geheiratet hatte, nicht schmälern. Dies ist Robert, Balderich und Guibert gut gelungen. Das Türkenbild wurde nicht wesent­lich, aber doch an entscheidenden Stellen verändert, die Darstellung der Feinde akzentuierter.

5.2 Weitere Werke zum Ersten Kreuzzug aus Europa und dem Nahen Osten a) Europa: Gilo von Paris und Wilhelm von Malmesbury Neben den Bearbeitungen der Gesta wurden in den folgenden Jahren in Europa noch drei weitere umfangreiche Werke über den Kreuzzug verfasst, die teils ihrerseits eine Überarbeitung der Gesta-­Derivate darstellen, teils auf anderen Quellen basieren. Von diesen entstand zuerst die Historia Vie Hierosolimitane des Gilo von Paris. Gilo war ein cluniazen­sischer Mönch, der s­ päter Kardinalbischof von Tusculum wurde. Er schrieb sein Werk wohl während seiner Zeit als Kleriker in Paris vor 1120, eventuell aber schon im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts. Seine Quellen sind nicht eindeutig zu ermitteln, die meisten Übereinstimmungen weist seine Chronik aber mit dem Werk Roberts auf. Die Herausgeber vermuten daher ein heute verlorenes Werk als Quelle Gilos. Dieses habe auch Robert neben den Gesta benutzt. Des Weiteren weise die Historia Gilos auch verschiedent­lich Ähn­ lichkeiten zu den vier Augenzeugenberichten des Zuges auf.71 In seine Gesta Regum Anglorum fügte der eng­lische Gelehrte Wilhelm von Malmesbury auch einen Bericht über den ­Ersten Kreuzzug ein. Das Werk entstand wohl in den 20er Jahren des 12. Jahrhunderts 72 und stützt sich vor allem auf das erste Buch des Fulcher von Chartres, aber auch auf münd­liche Berichte.73 Der normannisch-­eng­lische Mönch Ordericus Vitalis benutzte für seine Darstellung des ­Ersten Kreuzzuges das Werk Balderichs von Dol als Quelle ohne wesent­lich neues zum Türkenbild zu bringen. Sein Bericht wird erst für die Ereignisse im Heiligen Land ab dem Jahr 1100 unabhängiger und interessanter. 71 Grocock/Siberry, Gilo of Paris, S. 18, 24, 57 ff. 72 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, Bd.2, S. xxxvii. 73 Rod Thomson, William of Malmesbury. Historian of Crusade, in: Reading Medieval Studies 23 (1997), S. 121 – 134, S. 123.

Weitere Werke zum Ersten Kreuzzug  |

Bei Gilo und Wilhelm setzen sich die Tendenzen fort, die schon bei den Werken Roberts, Balderichs und Guiberts deut­lich wurden. Die Verwendung klas­sischer Zitate zur Beschreibung der türkischen Kampfweise ist hier nicht nur eindeutig nachzuweisen, sie kommt auch häufiger vor als bei den drei oben untersuchten Werken.74 Gleichzeitig werden, wie in den Gesta-­Neufassungen, bestimmte Charakterzüge der Türken stärker betont als in den Augenzeugenberichten. Auch die „wissenschaft­liche“ Herangehensweise wird bei Wilhelm von Malmesbury deut­lich. Hatte Guibert von Nogent das Aufkommen von Häresien im Orient mit dem Naturell der Orientalen zu erklären versucht, liefert der eng­lische Gelehrte zum ersten Mal in der Kreuzzugschronistik eine Erklärung für die türkische Kampfweise. Unter starken Anleihen bei Lucan 75 wird zunächst bei der Wiedergabe von Urbans Rede in Clermont die türkische Taktik beschrieben. Türken und ­Sarazenen ­seien die am wenigsten tapferen Menschen und setzten kein Vertrauen auf den Nahkampf. Der Türke spanne aus der Ferne seinen Bogen und vertraue sein Geschoss dem Wind an. Hier handelt es sich um zwei wört­liche Übernahmen aus Lucan. Es folgt die Erwähnung der vergifteten Pfeile, wiederum aus Lucan. Es sei deshalb Gift und nicht Tapferkeit, was ihren Gegnern den Tod bringe und wenn die Türken etwas erreichten, dann nicht durch Stärke sondern durch Glück, ihre Waffen ­seien Flucht und Gift.76 Nun liefert Wilhelm die Erklärung für solcherart Kampf, auf ein Neues inspiriert von Lucans Werk zum Bürgerkrieg. Die Völker im Osten ­seien von der Sonne durch die große Hitze ausgetrocknet. Sie ­seien deshalb vielleicht verständiger, hätten aber weniger Blut. Deshalb wagten sie keinen Nahkampf, sie hätten eben kein Blut übrig.77 Ganz ähn­lich der Römer über die Völker des Orients. Sie ­seien nicht mutig, die Völker des Nordens dagegen s­ eien unbezwungen in Schlachten und versessen auf Krieg. Je tiefer man nach Süden komme, desto 74 Ebd., S. 124, 131. 75 Siehe zur Verwendung Lucans durch Wilhelm: Wright, Industriae testimonium, bes. S. 492 ff. 76 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, IV, 347, 7, S. 600 f: „[…] homines inertissimi et qui, comminus pugnandi, fidutiam non habentes, fugax bellum diligunt. Numquam enim Turchus pede conserto martem audet, sed pulsus loco longe tendit nervos et permittit vulnera ventis; et quoniam habet tela mortifero suco ebria, in homine quem percutit non virtus sed virus mortem facit. Quicquid igitur agit, fortunae, non fortitudini attribuerim, quod pugnat fuga et venero“; Lucan, Bellum civile, VIII, V. 383 f: „[…] sed longe tendere nervos et, quo ferre velint, permittere volnera ventis.“ 77 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, IV, 347, 8: „[…]amplius quidem sapit, sed minus habet sanguinis; ideoque vicinam pugnam fugiunt, quia parum sanguinis se habere norunt.“

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mehr verweich­liche das milde Klima die Menschen.78 Über den Einfluss des Klimas auf den Charakter hatte bereits Isidor von Sevilla geschrieben 79 und schon lange vor ihm war diese Ansicht in der antiken Literatur verbreitet, etwa bei Sallust.80 Auch in diesen Quellen könnte sich Wilhelm informiert haben. Lucan wird aber bei ihm nicht nur als gelehrte Ausschmückung verwendet. Der römische Autor fungiert hier als Autorität, dessen Argumente Urbans Worten in Wilhelms Wiedergabe der Rede größeres Gewicht zukommen lassen.81 Später führt Wilhelm auch die seiner Meinung nach lange Dauer und weite Ausdehnung des Seldschuken-­Sultanats auf den Mangel an Blut und die daher unkriegerische Natur der Perser zurück, die es nicht verständen, wie es schon Lucan sage, das Schwert zu gebrauchen. Die west­lichen Völker dagegen ­seien freiheitsliebend und wild und würden jede andauernde Vorherrschaft einer Na­tion ablehnen.82 Die Türken wüssten nicht, dass nicht das Vertrauen in Waffen oder Rüstungen die Schlacht entscheide, sondern die Tapferkeit im Herzen und die Stärke der Arme.83 Es verwundert nicht, dass Wilhelm als „the most antiquarian of historians“ bezeichnet wurde. Für viele ­Themen, wie etwa Stadtbeschreibungen, lagen ihm Augenzeugenberichte vor, er griff aber lieber auf die antiken Schriftsteller zurück. Bei der Belagerung Jerusalems erwähnt er eine Belagerungsmaschine, deren Beschreibung fast wört­lich aus Vegetius übernommen ist.84 Feigheit wurde den Türken von keinem der Augenzeugen vorgeworfen und die Teilnehmer des Zuges berichten auch über teils heftige Nahkämpfe. Selbst die Bearbeiter der Gesta gehen nicht so weit wie Wilhelm. Zwar berichtet 78 Lucan, Bellum civile, VIII, Z. 362 ff: „Non haec fiducia genti est. Omnis in arctois populous quicumque pruinis nascitur, indomitus bellis et Martis amator: Quidquid ad eoos tractus mundique teporem ibitur, emollit gentes clementia caeli.“ 79 Isidor von Sevilla, Etymologiae, IX, ii, 105. 80 G. A. Loud, ‘The Gens Normannorum’- myth or reality?, in: Reginald Allen Brown (Hg.), Proceedings of the Battle Conference on Anglo-­Norman Studies 4 (1981), Woodbridge 1982, S.  104 – 116, 204 – 209, S.  110. 81 Wright, Industriae testimonium, S. 513. 82 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, IV, 360, 2, S. 632: „Quod ideo, ut estimo, tam diu manet et propagatur imperium, quod gens illa, parum, ut dixi, bellicosa et vivacis sanguinis inops, semel acceptum nescit dediscere servitium, ignorantque, ut Lucanus ait, ideo datos ne quisquam serviat enses. At vero gens occidentalis, audax et effera, diuturnam unius populi dedignatur domina­tionem, sepe se servitio exuens et de uno in aliud transferens“; Lucan, Bellum civile, IV, Z. 579. 83 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, IV, 374, 11, S. 664. 84 Thomson, William of Malmesbury, S. 131 f.

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auch er, bei Doryläum sei die Moral der Ritter gebrochen worden, auch bei ihm sind die Türken grausam und wild und er weiß auch, welches Gelände für die türkische Taktik ungeeignet ist,85 aber durch die Anlehnung an klas­ sische Vorbilder entsteht bei ihm ein in militärischer Hinsicht noch negativeres Türkenbild. Die Orientalen insgesamt werden hier gegenüber dem angeb­lich kampflustigen, tapferen und freiheitsliebenden Europäer zurückgesetzt. Die „wissenschaft­liche“ Herangehensweise führt dazu, dass es nicht mehr wie in den Gesta nur das Christentum ist, das den Türken fehlt, um gleichwertig zu sein. Die Unterschied­lichkeit liegt schon im Charakter bzw. in den „­Erbanlagen“ (Blut) begründet und ließe sich daher auch nicht durch einen Glaubenswechsel überbrücken. Klas­sische Zitate lassen sich auch in Gilos Werk nachweisen. Es sind dies die üb­lichen Textstellen, die auch schon von den Gesta-­Bearbeitern und ­Wilhelm übernommen wurden. In der Erwähnung der vergifteten Pfeile folgt Gilo Robert und Lucan 86, die Türken überlassen es dem Wind, Wunden zu tragen,87 kämpfen im Fliehen,88 aber ein massiver Schild bilde immer eine Mauer gegen ihre Pfeile.89 Mit Robert teilt Gilo auch die Wiedergabe einer Rede des Bischofs von Le Puy, die dieser vor der Schlacht gegen Karbuġā gehalten habe. Deut­ licher als noch bei Robert werden die Türken hier als feige und als schwäch­ liches Volk bezeichnet.90 Trotz dieser mehr oder weniger deut­lich negativ gefärbten Stellen erkennt der franzö­sische Kleriker doch die Fähigkeiten der Türken mit dem Bogen und im Sattel an. Auch bei ihm findet sich die Erwähnung, während der Schlacht von Doryläum ­seien die Kreuzfahrer so demoralisiert gewesen, dass sie nicht mehr zu kämpfen gewagt hätten.91 Diese unterschied­lichen Tendenzen erklären sich wohl aus Gilos verschiedenen Quellen von antiken Autoren bis hin zu münd­ lichen Berichten. Deut­lich wird aber auch noch bei den Werken aus Europa Jahre ­später die große psycholo­gische Wirkung, die Doryläum bei den Augenzeugen auslöste und die viel zur Formung des Türkenbildes beitrug. 85 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, IV, 357, 4, S. 628; IV, 357, 5, S. 630; IV, 357, 6, S. 630. 86 Gilo von Paris, Historia, IV (I), S. 72, Z. 45, S. 88, Z. 282, S. 88, Z. 302. 87 Ebd. IX (V), S. 230, Z. 53; Lucan, Bellum civile, VIII, Z. 384, S. 390. 88 Gilo von Paris, Historia, IV (I), S. 82, Z. 189; Vergil, Georgica, III, Z. 31, S. 94. 89 Gilo von Paris, Historia, IV (I), S. 230, Z. 55; Lucan, Bellum civile, VIII, Z. 379, S. 388. 90 Gilo von Paris, Historia, VII (III), S. 185, Z. 380 f: „Ite per ignavos, gladiis disrumpite gentes quas primi iactus exarmant deficientes.“ 91 Ebd., IV (I), S. 80, Z. 177; IV, S. 82, Z. 184; IV, S. 86, Z. 241.

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Als besondere türkische Charaktereigenschaft tritt bei Gilo, wie bei Albert von Aachen, die List hervor. Sechs Mal, bzw. neun Mal, rechnet man die Ergänzungen durch Gilos anonymen Bearbeiter hinzu, wird dieser Charakterzug erwähnt. Meist geht es dabei um den Kleinkrieg bei der Belagerung Antiochias oder um das Legen eines Feuers durch die Truppen Karbuġās. Gilo übernimmt zusammen mit Guibert, Robert und dem Chanson d’Antioche aus einem Brief Anselms von Ribemont den Vorwurf, die Türken hätten vor Antiochia einen Waffenstillstand gebrochen. Ein gewisser Gualo sei von den Türken durch diesen Verrat getötet worden. Die verräterische Rasse habe sein Leben nicht im Krieg nehmen können, also habe sie es durch Betrug genommen, wirft die Witwe dem muslimischen Gegner vor.92 Wahrschein­lich handelte es sich bei dem vermeint­lichen Waffenstillstand nur um ein Abflauen der Kämpfe im Frühjahr 1098.93 Die stärkere Herausarbeitung von angeb­lichen türkischen Charakterzügen hat Gilo mit den Neufassungen der Gesta gemeinsam. Die spezielle Betonung der türkischen List und Hinterhältigkeit verbindet ihn mit Albert von Aachen. Erklärung dafür könnte sein, dass sich beide für ihre Werke zu einem Gutteil auf münd­liche epische Überlieferungen, nament­lich auf eine frühe münd­ liche Form des Chanson d’Antioche stützten.94 Albert verwebte alles, was er an Informa­tionen bekommen konnte, zu einer Erzählung. Gilo konnte neben den Chansons auch auf Robert bzw., folgt man den Herausgebern von Gilos Werk, mit Robert gemeinsam auf eine verlorene Quelle zurückgreifen. Beide Einflüsse zeigen sich klar in Gilos Türkenbild: Die ins negative verschobene Darstellung der Reiterkrieger unter Beibehaltung ihrer Fähigkeiten im Reiten und Bogenschießen, die Demoralisierung der Kreuzfahrer, die Übernahme des Hunde- bzw. Wolfsvergleichs von Robert, sowie die Betonung der List als typisch türkisch. Hin und wieder tauchen in dieser Genera­tion der Kreuzzugschronistik auch Hinweise auf Äußeres oder Lebensform der Türken sowie andere Details auf. Wilhelm von Malmesbury weiß etwa, dass Regen die türkischen Komposit­ bogen unbrauchbar macht.95 Bislang war es nur Albert von Aachen, bei dem der Leser ­solche Details erfahren konnte. Rein zeit­lich ist es mög­lich, dass Wilhelm 92 Ebd., V (II), S. 126, Z. 423 ff; V (II), S. 128, Z. 451 f: „Sed quam non poterat gens perfida demere bello est sublata tibi vita beata dolo“; Epistula II Anselmi de Ribodimonte ad Manassem, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, XV, S. 159, 13, siehe auch S. 322, Fn. 66. 93 Grocock/ Siberry, Gilo of Paris, S. 126, Fn. 3. 94 Ebd., S. lxi; Edgington, Albert of Aachen and the Chansons de Geste, S. 30. 95 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, IV, 374, 11, S. 664.

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Alberts Werk kannte, erste Manuskripte der Historia Ierosolimitana lassen sich Ende der zwanziger Jahre nachweisen, eventuell kursierte auch schon eine erste Redak­tion von Alberts Werk mit den Büchern I bis VI.96 Gilo berichtet, die Sehnen der türkischen Bogen würden aus Pferdedarm hergestellt und würden beim Abschuss ein lautes Geräusch verursachen.97 Es ist erstaun­lich, welch hohen Anteil der Bogen bei Erwähnungen von äußeren Details hat. Er muss die Kreuzfahrer sehr beeindruckt haben. Wie Albert erwähnt auch Gilo die langen Haare der Türken, wenn auch weniger detailreich. Es handelt sich hier um eine korrekte Beobachtung, die Herausgeber schreiben diese Stelle allerdings dem Einfluss der Epik zu, näm­lich der Darstellung des Chernuble von Monigre im altfranzö­sischen Rolandslied.98 Es mag aber durchaus sein, dass die Beschreibung Chernubles in dem um diese Zeit schrift­lich fixierten Rolandslied 99 wiederum den Berichten heimkehrender Kreuzfahrer geschuldet ist. Im Gegensatz zu Robert geht Gilo wohl auch von der äußer­lichen Unterscheidbarkeit von Türken und Europäern aus, denn er bezeichnet letztere einmal als dunkel gefärbt und meint damit wohl die Hautfarbe.100 Ein erster Hinweis auf eine nomadische Lebensweise findet sich auch bei Gilo, als er zu Ereignissen in Syrien von „peregrini gentiles“ schreibt.101 Allerdings bleibt die Stelle unklar, da es der Chronist bei dieser k­ urzen Erwähnung belässt. Turkmenische Stammesverbände haben sich zur Zeit des ­Ersten Kreuzzuges wohl nicht in Syrien aufgehalten.102 b) Syrien: Radulph von Caen Es konnte gezeigt werden, dass die in Europa entstandenen Kreuzzugschroniken der zweiten Genera­tion in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts das Türkenbild ins Negative verschoben, wenn auch in unterschied­lichem Ausmaß. Wie 96 Edgington, Albert of Aachen, S. xxivff. 97 Gilo von Paris, Historia, IV (I), S. 88, Z. 279 f. 98 Crocock/Siberry, Gilo of Paris, S. 119, Fn. 3; Das altfranzö­sische Rolandslied, hrsg. u. übers. von Wolf Steinsieck, Stuttgart 1999, S. 78, Z. 976. 99 I. Short, Rolandslied, in: LexMA, Bd. VII, Sp. 959 ff. 100 Gilo von Paris, Historia, IV (I), S. 80, Z. 174: „ferrugine tincta“. 101 Ebd., VIII (IV), S. 196, Z. 19 f. 102 Claude Cahen, The Turkish invasion: The Selchükids, in: Kenneth M. Setton (Hg.), A history of the Crusades, 6 Bde., Bd.1: Marshall W. Baldwin (Bearb.), The first hundred years, Philadelphia 1958, S. 135 – 176, S. 165.

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aber verhält es sich mit dem Autor, der zwar kein Kreuzzugsteilnehmer war, aber immerhin in Syrien ein Werk über den ersten Kreuzzug verfasste? Die Rede ist von Radulph von Caen und seinen Gesta Tancredi. Der normannische Priester, geboren wohl in den 80er Jahren des 11. Jahrhunderts, schloss sich 1107 Bohemund auf dessen zweitem Balkanunternehmen an und kam kurz darauf nach Syrien, wo er in die Dienste Tankreds trat, Bohemunds Neffen und Nachfolger als Fürst von Antiochia. Die Gesta ­Tancredi entstanden wahrschein­lich in der Zeit z­ wischen 1112 und 1118 in Jerusalem. Allerdings erwähnt Radulph in seinem Werk noch den Tod Bohemunds II. im Jahre 1130. Zum Jahr 1105 brechen die Gesta unvermittelt ab, ohne die rest­ lichen Jahre von Tankreds Regierungszeit zu behandeln. Eventuell ist der Rest des Werkes verloren.103 „Radulf gliedert sich […] organisch in die gesamt-­nordfranzö­sische Bildungswelle ein.“ Wie auch Guibert von Nogent stehe er für die Anfang des 12. Jahrhunderts wachsende Verehrung der antiken Klassiker.104 Es verwundert daher nicht, dass auch bei Radulph klas­sische Zitate bei der Darstellung der Türken in der Schlacht nachweisbar sind, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie bei Wilhelm oder Gilo. Seine Ausführungen zu den Türken, die im Fliehen Pfeile verschießen und so die Verfolger verwunden, erinnern an Vergil und Ovid.105 Lucans Behauptung der vergifteten Pfeile folgt Radulph allerdings nicht, hier schlägt sich eventuell die Tatsache nieder, dass sich Radulph in Syrien aufhielt und nicht im entfernten Europa. Auch die Beschreibung türkischer Ausrüstung, die sich bei Radulph anläss­lich der Schlacht von Doryläum aber auch an anderen Stellen findet,106 dürfte ihren Grund in seinem Aufenthalt in Syrien haben. Wie auch euro­päische Chronisten betont Radulph Wildheit und List der Türken. Besonders auffällig ist dies bei seiner Wiedergabe der Schlacht von Doryläum, worauf bereits hingewiesen wurde. Insbesondere Listigkeit unterstellt Radulph aber auch an anderen Stellen seines Werkes den türkischen Gegnern. So etwa der Garnison von Tarsus, die im Schutze der Nacht vor den Truppen Tankreds flieht, den Türken vor Artah oder bei der Schlacht gegen 103 Bernard S. Bachrach, David S. Bachrach (Übers.), The Gesta Tancredi of Ralph of Caen. A History of the Normans on the First Crusade, Aldershot 2005, S. 1 ff, 13; Boehm, Gesta Tancredi, S. 50 f. 104 Boehm, Gesta Tancredi, S. 52, 54. 105 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, CXLI, S. 705A; CLV, S. 715B; Vergil, Georgica, III, S. 95, Z. 31; Ovid, Ars Amatoria, I, Z. 210 f., S. 48. 106 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXXV, S. 631E; zu Doryläum siehe S. 75.

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Karbuġā.107 Habgier und Raublust sind ebenfalls Merkmale, die der Chronist den Türken unterstellt.108 Regelmäßig bezeichnet der Normanne die Türken auch als Barbaren.109 Ein beliebtes Stilmittel von Radulph ist es, die Ungleichheit bei den Kämpfen gegen die Türken zu betonen. Stets liegen alle Vorteile, wie etwa Anzahl, Kenntnis des Geländes, bessere Verpflegung oder ausgeruhte Pferde, bei den Türken, die dann frei­lich trotzdem meistens geschlagen werden. Radulph stellt dabei gerne Vor- und Nachteile der verwendeten Waffen einander gegenüber. Zuerst ­seien die Lanzen siegreich gewesen, hätten unter den Gegnern gewütet. Dann aber ­seien die Träger der Lanzen ermüdet und hätten die Schilde nicht mehr durchdringen können, Pferde ­seien verwundet oder vom Gewicht des Sattels geschwächt worden. Der Bogen dagegen, obwohl viel billiger, habe wesent­lich mehr Wunden geschlagen. Bogen könnten immer Wunden zufügen, sie s­ eien immer nütz­lich, sei es von Ferne, vorne oder hinten in der Schlacht.110 Hier kommt nicht zum Ausdruck, dass man den Bogen für eine unehrenhafte Waffe und die Türken daher für feige hält. Ganz im Gegenteil, die türkische Taktik erscheint als gefähr­lich und flexibel während Radulph klar erkennt, dass ein fränkischer Kavallerieangriff schnell zum Erliegen kommen konnte, waren erst die Pferde ermüdet oder verwundet. Radulph hätte die christ­liche Niederlage, die er in dem vorliegenden Fall beschrieb, auch mit einer türkischen Weigerung, sich zum Kampf zu stellen, Hinterhalten o. ä. erklären können, wenn es ihm nur darum gegangen wäre, den Gegner aufzuwerten, um seinen Helden Tankred positiv darzustellen. Radulphs Türkenbild unterscheidet sich nicht wesent­lich von dem seiner euro­päischen Zeitgenossen. An einigen Stellen lässt er einen Wissensvorsprung erkennen, wiederholt aber an anderer Stelle das typische Bild vom islamischen Götzendiener, wenn er von der Mohammed-­Statue im Tempel zu Jerusalem schreibt.111 Dennoch ist Laetitia Boehm darin zu folgen, dass Radulphs Werk des 107 Ebd., XXXVI, S. 632B; XLVII, S. 641C; LXXXVIII, S. 668H. 108 Ebd., XXV, S. 623D; L, S. 643E; XLI, S. 636D. 109 Ebd., XVI, S. 617E; XXI, S. 621C; XLVII, S. 641B. 110 Ebd., XXV, S. 624B; LIII, S. 646D; LXXIII, S. 659D; XLVI, S.640G: „Primo in congress lancea viget, lancea perfodit, lancea dejicit: quae mox tanto sub onere fatiscens, tot penetrare peltas, pectora, clavengos nequit integra: quoniam hanc elitellae dissilientes extenuant, illam cuspis truncate decurtat, aliam Turcus ensis dimidiate, ut bastitenens putetur potius venisse armatus sude pedes, quam lancea miles; at frugalior longe arcus, vulnerumque ditior, simper mittit, crebro laedit, nunquam mittitur, sero laeditur: cominus, eminus, ante, retro fervidus; etiam quum ab inten­tione propria fallitur, casu saepe ministro non permittitur falli.“ 111 Siehe Kap. 3.2.

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„eschatolo­gischen oder apokalyptischen Charakters entbehrt“ der etwa Guiberts Dei Gesta per Francos ausgezeichnet hatte. Der Kreuzzug wird nicht in größere theolo­gisch-­historische Zusammenhänge eingeordnet.112 Dies unterscheidet ihn von den Bearbeitern der Gesta und deren propagandistischen Zwecken. Umso interessanter ist es, festzustellen, dass sich sowohl im Heiligen Land als auch in Europa in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts das Türkenbild in eine ähn­liche Richtung entwickelte. Die Verwendung klas­sischer Zitate beruht auf dem Bildungsgrad der Autoren, unabhängig von deren Aufenthaltsort. Aber angeb­liche türkische Charakterzüge wie Listigkeit, Wildheit oder auch Grausam­ keit wurden auf beiden Seiten des Mittelmeeres von einzelnen Autoren in ihren Werken zwar in unterschied­lichem Maße, aber insgesamt betrachtet doch stärker herausgearbeitet als dies noch Augenzeugen wie der Anonymus, Fulcher oder auch Raimund getan hatten. Im Falle Radulphs, der relativ nahe am Geschehen war und sicher Kontakt zu Teilnehmern des Zuges hatte, liegt es nahe, die Ursache in eigenen Erfahrungen zu suchen. Setzt man die Entstehungszeit der Gesta Tancredi mit der Forschung ­zwischen 1112 und 1118 an, so muss Radulph während der Niederschrift von den Feldzügen des neuen Atabeg von Mosul, Maudūd, erfahren haben, die dieser offiziell im Auftrag des seldschukischen Sultans in Nordsyrien durchführte. 1110 erschien dieser mit allen seldschukischen und turkmenischen Kräften aus der Gezira im Umland von Edessa. Die Belagerung der Stadt verlief für die Muslime zwar erfolglos, aber das Land wurde ausgeplündert und zerstört, die christ­liche Landbevölkerung musste von den Franken evakuiert werden, fiel aber beim Übergang über den Euphrat zum Großteil einem Massaker durch die türkischen Truppen zum Opfer. Ähn­liche Zerstörungen erfolgten während Maudūds zweiter, ebenso erfolgloser, Offensive gegen Edessa 1113. Die weiten verheerten Landstriche erleichterten ­später die dauerhafte Ansiedlung turkmenischer Clans,113 die Grafschaft Edessa erholte sich nicht mehr von den Zerstörungen dieser Jahre.114 Radulph erwähnt Balduin, unter dessen Herrschaft Edessa einst für einige Zeit geblüht habe („floruit“).115 Die Verwendung des Perfekts zeigt, dass sich der Chronist durchaus des derzeitigen Zustands der Grafschaft bewusst war. Berichte von den umfangreichen Zerstörungen können durchaus dazu 112 Boehm, Gesta Tancredi, S. 66 f. 113 Cahen, La Syrie du Nord, S. 257 ff. 114 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 112 115 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XLVII, S. 641A.

Weitere Werke zum Ersten Kreuzzug  |

beigetragen haben, den Türken bei Schlüsselstellen wie Doryläum (Radulph widmet der Schlacht immerhin 12 der 157 Kapitel seines Werkes), Attribute wie Wildheit zuzuschreiben. Ebenso ließ die politische Lage in Syrien mit ständig wechselnden Bündnissen die Beteiligten den Gegner schnell als listig sehen. Auch die erstmalige Ankunft turkmenischer Stammesverbände könnte zu Radulphs Türkenbild beigetragen haben. Diese Gruppen waren von den muslimischen Machthabern nur schwer zu kontrollieren und ihr Hauptaugenmerk auf Feldzügen galt der Beute.116 Durchschauten die Christen die Struktur muslimischer Heere nicht (wie es etwa im Heer Karbuġās der Fall war, wo man die unterschied­lichen politischen Interessen der Kommandeure nicht kannte und so den Feldherrn als feige ansah) konnten einzelne, vom gegnerischen Befehlshaber nicht zu kontrollierende Gruppen, die sich Abmachungen nicht unterwarfen, schnell dazu beitragen, die Türken insgesamt als listig zu brandmarken. Gesteht man zu, dass Radulph auch nach 1118 noch Stellen zu seinem Werk hinzufügte, worauf die Erwähnung Bohemunds II. hindeutet, so können auch die verheerende Niederlage der Franken 1119 auf dem ager sanguinis oder die harten, von religiösen Gefühlen getragenen, Kämpfe der Jahre 1124/25117 die Darstellung beeinflusst haben. Das Merkmal der Raublust konnte man den Turkmenen ohnehin schnell zuweisen. So könnten die Ereignisse während der Abfassung der Gesta Tancredi die Darstellungsweise Radulphs mit beeinflusst haben. Das muss nicht bedeuten, dass er sich bei der Konzep­tion des Werkes in erster Linie nach aktuellen Ereignissen und Eindrücken richtete, aber nach Erhalt der Nachrichten aus dem Norden war schnell ein zusätz­liches Adjektiv in den Notizen und Konzepten eingefügt.

116 Bombaci, Army oft he Saljuqs, S. 347; Hillenbrand, Crusades, S. 441 ff; Carole Hillenbrand, The career of Najm al-­Dīn İl-­Ghāzī, in: Der Islam 58 (1981), S. 250 – 292, S. 271. 117 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 139.

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6 Gute Ritter? Blickwinkel In den vorangegangenen Kapiteln wurde das Türkenbild der ersten Kreuzfahrer vor allem unter dem Gesichtspunkt des „Wie“ untersucht. Wie wurden die Türken dargestellt, ­welche Charakterzüge schrieb man ihnen zu? Es konnte auch erklärt werden, warum die Darstellung der Türken sich in den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts in einer bestimmten Weise gegenüber den Werken der Augenzeugen veränderte. Auch die Auswirkungen bestimmter Situa­tionen, etwa des erfolglosen Angriffs der fränkischen Panzerreiter bei Doryläum, auf die Formung des Türkenbildes wurden erläutert. Welche Bedeutung aber hatte diese Charakterisierung für das Türkenbild eines Ritters auf dem Kreuzzug oder für einen Chronisten? Was bedeutete es für die Zeitgenossen, wenn sie die Türken etwa als wild, listig oder raubgierig bezeichneten? Machten sie ­solche Merkmale zu ehrlosen Räubern wie Ekkehard von Aura schrieb? Aber wie verhält es sich dann mit dem Türkenlob der Gesta Francorum, der größten Respektsbekundung für den muslimischen Gegner in der frühen Kreuzzugschronistik? Darf man überhaupt vom Türkenbild „der Kreuzfahrer“ sprechen, bei einem Heer das viele tausend Menschen umfasste, reiche Adlige und arme Pilger, ungestüme Panzerreiter und fromme Kleriker? Es scheint daher sinnvoll, die zwei gegensätz­lichsten Beschreibungen der Türken zum Ausgangsbild der Betrachtungen zu machen: Ekkehards Räubervergleich und das Türkenlob des anonymen Autors der Gesta Francorum.

6.1 Gesta Francorum: Die besten R itter nach den Franken … Niemand, und sei er noch so gelehrt, könne von der militärischen Tüchtigkeit der Türken schreiben, die geglaubt hätten, sie könnten unter den Franken ebenso Schrecken verbreiten wie unter Sarazenen, Armeniern, Syrern und Griechen. Die Türken würden behaupten, von gemeinsamer Abstammung mit den Franken zu sein, und dass außer den beiden Völkern niemand sonst zum miles geboren sei. „Veritatem dicam“, dies sei wahr, denn wären die Türken Christen, so könne man keine stärkeren, tapfereren oder erfahreneren Soldaten finden.1 Mit diesen 1 Gesta Francorum, IX, 11, S. 206 ff: „Quis unquam tam sapiens aut doctus audebit describere prudentiam militiamque et fortitudinem Turcorum? Qui putabat terrere gentem Francorum

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Worten bringt der anonyme Chronist der Gesta Francorum seine Hochachtung vor den militärischen Fähigkeiten der Türken zum Ausdruck. Dieses Lob geht weit über die zahlreichen anderen Erwähnungen der türkischen Tüchtigkeit in den Kreuzzugsquellen hinaus und verdient deshalb eine besondere Beachtung. Was veranlasste den Autor, die militärischen Fähigkeiten der Türken so hervorzuheben? Vor allem, weil sich der Anonymus in der grundlegenden Darstellung der Türken als wild, grausam, schlau und listenreich nur unwesent­lich von anderen Chronisten unterscheidet. Nicolas Zbinden vertritt die Ansicht, das Hauptanliegen des Autors sei es gewesen, Franken und Türken als Gegner der verweich­lichten Griechen darzustellen. Nur Franken und Türken stünde, aufgrund ihrer militärischen Tüchtigkeit, die Herrschaft im Nahen Osten rechtmäßig zu.2 Das Türkenlob scheint nach seiner Ansicht daher vor allem ein geschicktes Stilmittel zur Herabwürdigung der ungeliebten Griechen zu sein. Dies besonders unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse des Autors, wonach die Kreuzfahrer in den Türken ehrlose Räuber gesehen hätten. Zbinden führt zugunsten seiner These an, der Autor habe bei der Niederschrift der Passage noch ganz unter dem Eindruck der Einnahme von Nikäa gestanden. Die Stadt hatte sich ­Kaiser Alexios ergeben und so die Kreuzfahrer um eine Gelegenheit zum Plündern gebracht. Doryläum sei dagegen, so die Ansicht des Anonymus nach Zbinden, eine ehrenhafte Ritter­ schlacht gewesen und keine Übernahme mit verräterischen Mitteln wie die Kapitula­tion von Nikäa.3 Es ist aber unwahrschein­lich, dass der Autor seine Chronik auf dem beschwer­ lichen Marsch durch Anatolien abfasste. Wenn er es doch getan haben sollte, etwa in Form von ­kurzen Notizen, so stand er keinesfalls unter dem Eindruck der Kapitula­tion von Nikäa, sondern unter dem der traumatischen Erlebnisse der Schlacht von Doryläum, die, wie gezeigt, ein Schlüsselmoment für das Türkenbild der Kreuzfahrer darstellt. Darüber hinaus belastete die Kapitula­tion Nikäas die Beziehungen der Kreuzfahrer zu Byzanz nur geringfügig, wie der Brief Stephans von Blois vom 24. Juni 1096 beweist, der nur fünf Tage nach dem minis suarum sagittarum, sicut terruerunt Arabes, Saracenos, et Hermenios, Suranios et G ­ recos. Sed si Deo placet nunquam tantum valebunt, quantum nostri. Verumtamen dicunt se esse de Francorum genera­tione, et quia nullus homo naturaliter debet esse miles nisi Franci et illi. Veritatem dicam quam nemo audebit prohibere. Certe si in fide Christi et Christianitate ­sancta semper firmi fuissent … ipsis potentiores vel fortiores vel bellorum ingeniosissimos nullus invenire potuisset.“ 2 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 23 3 Ebd.

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Fall Nikäas abgeschickt wurde und voll des Lobes über den K ­ aiser ist.4 Der wirk­liche Bruch entstand erst mit Alexios‘ Rückzug aus Anatolien, während die Kreuzfahrer in Antiochia von Karbuġā belagert wurden. Nimmt man an, dass der Großteil der Gesta Ende 1098 in Antiochia entstand,5 so könnte in dem Rückzug ein Grund für die Herabwürdigung der Byzantiner gesehen werden. Dennoch erscheint es nicht plausibel, dass der Anonymus den Feind, dem in der mörderischen Schlacht sicher einige seiner Kameraden zum Opfer gefallen waren, nur deshalb so emporhebt, um seine Geringschätzung der Griechen zum Ausdruck zu bringen. Dies zumal, da zwar der byzantinische ­Kaiser Alexios negativ dargestellt wird, den Griechen allgemein aber keine sonder­liche Antipathie entgegengebracht wird.6 In jüngerer Zeit ist sogar die These vertreten worden, dass nicht einmal Alexios in den Gesta durchweg negativ dargestellt werde.7 Darüber hinaus entspricht eine s­ olche Vorgehensweise nicht dem Stil des Anonymus. Es bleibt zu bedenken, dass der Verfasser ein einfacher Mann war, dessen Chronik die „Gelehrten“ in Europa wegen ihres einfachen Stiles glaubten ausschmücken zu müssen. Es ist daher unwahrschein­lich, dass er Feinde, die er (nach Zbinden) für feige und ehrlos hielt und die er hasste, weil sie Muslime waren, so hoch lobte, nur um indirekt die Herrschaft der Byzantiner in Frage zu stellen. Natür­lich mag ein solcher Gesichtspunkt ebenfalls eine Rolle gespielt haben, aber ausschlaggebend waren wohl die wirk­lichen Empfindungen des Autors, also seine Wertschätzung der türkischen Qualitäten im Kampf. In der psycholo­gischen Wirkung der türkischen Kriegführung, die bereits beschrieben wurde, lag sicher­lich ein Grund für die Anerkennung der Türken als tüchtige Krieger. Das Gefühl des Ausgeliefertseins, die Ohnmacht gegenüber den gegnerischen Angriffen müssen extrem demoralisierend gewirkt haben.8 Dass die Kreuzfahrer mehrere Monatsreisen von ihrer Heimat entfernt waren und sich in einem fremden, feind­lichen Land befanden, wird dies alles noch verstärkt haben. Ohne Zweifel hat daher das psycholo­gische Moment viel zu der Beurteilung des Anonymus beigetragen. Ebenso die Tatsache, dass die turkmenischen Reiterkrieger wohl in der Tat zähe und ausdauernde Kämpfer waren. Vryonis schreibt diese Tatsache der Abhärtung durch das entbehrungsreiche 4 Epistula I Stephani comitis Carnotensis ad Adelam uxorem suam, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, Nr. IV, 3, S. 138. 5 Riley-­Smith, First Crusade, S. 60; Morris, Gesta Francorum, S. 66; Flori, Chroniqueurs, S. 167 differenziert ­zwischen verschiedenen Bearbeitungsstufen der Gesta. 6 Riley-­Smith, First Crusade, S. 145. 7 Albu, The Normans, S. 161 ff. 8 So auch: Hiestand, Kreuzfahrer, S. 55

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Nomadenleben und der proteinreichen, auf den Erzeugnissen ihrer Herden basierenden, Nahrung zu.9 Hinzu kommt, dass jene Männer als nomadische Hirten und Viehzüchter ausgezeichnete Reiter waren. Einen interessanten Ansatzpunkt zur Deutung dieser Textstelle bietet aber die These Rosalind Hills, die es für mög­lich hält, dass das Bild vom ritter­lichen Türken dadurch entstand, dass diese sich in der Schlacht auf die Kavallerie stützten. Den ägyptischen Armeen, bei denen die Infanterie eine wesent­lich größere Rolle spielte, so die Autorin, hätten die Kreuzfahrer längst nicht den Respekt entgegengebracht, den sie vor dem türkischen Gegner gehabt hätten.10 Leider führt Hill diese ­Theorie nicht näher aus. Lassen sich aus der Untersuchung des Türkenlobs der Gesta Francorum neue Hinweise gewinnen? Laut der Aussage des Anonymus könne niemand außer Franken und Türken miles sein. Was aber verstand der Autor der Gesta unter einem miles und ­welche Voraussetzungen waren nötig, um als solcher zu gelten? Dass der Anonymus besondere Fähigkeiten mit dem miles-­Begriff verbindet, ergibt sich schon aus seiner Aussage selbst, denn offenbar ist es nicht jedem gegeben, ein guter miles zu sein. Miles konnte einfach Soldat oder Krieger bedeuten. Zunehmend setzte sich aber eine speziellere Bedeutung durch, milites wurde im 11. Jahrhundert in Europa zur Bezeichnung für die berittenen, schwer bewaffneten Berufskrieger. „Au XIe siècle, en France, un miles est normalement un ‚chevalier‘, au moins dans le sens où on l’entend de quelqu’un qui se déplace et qui combat à cheval.“11 Es spricht einiges dafür, dass der Anonymus den Begriff auch in Bezug auf die Türken in letzterem Sinne verwendet. Von den 103 miles-­Erwähnungen in der Gesta wird das Wort 46-mal für berittene Krieger und/oder für Personen von höherem wirtschaft­lichem oder sozia­lem Status gebraucht. Diese von van Luyn als „sens chevaleresque“ bezeichnete Verwendung ist damit die größte Gruppe. Die zweitgrößte Gruppe bilden 40 Fälle, in denen sich der Sinn nicht eindeutig zuordnen lässt, van Luyn nennt sie „men­tions intermédiares“. In nur 17 Fällen ist das Wort in seiner allgemeinen Bedeutung als Soldat, „sens militaire“, gebraucht.12 Der funk­tionale Aspekt im Sinne von miles als berittener Krieger ist im Übrigen auch bei Fulcher von Chartres vorherrschend.13 In der Gesta 9 Vryonis, Decline, S. 278. 10 Hill, The Christian view of the Muslims, S. 2 f. 11 Van Luyn, Milites, S. 25. 12 Ebd., Tableau II, S. 47. 13 Epp, Fulcher von Chartres, S. 252.

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wird die Bedeutung des Wortes am deut­lichsten in der fiktiven Unterhaltung der christ­lichen Gesandten mit Karbuġā. Sollten die Kreuzfahrer konvertieren, würde er ihnen Reichtümer geben, sodass keiner pedes/Fußsoldat bleiben müsse, sondern alle milites werden könnten, wie es auch die Türken ­seien.14 Die Bedeutung der Stelle ist klar: Mit dem versprochenen Geld können sich die Christen Pferde kaufen und zu milites werden, was die Türken nach Meinung des Autors schon sind. Die Rede ist fiktiv und kann daher nicht als Beleg für die Haltung der Türken gegenüber den Kreuzfahrern dienen, wohl aber zeigt sie sehr deut­lich, wie der Anonymus den Gegner einschätzte. Auch den türkischen Reitern gesteht er jene spezielle Bezeichnung zu, die Bezeichnung für berittene, professionelle Kämpfer. Der Begriff des miles bezeichnete gegen Ende des 11. Jahrhunderts noch keinen abgeschlossenen Ritterstand, vielmehr war es die Bezeichnung für professionelle Krieger, die vom Pferderücken aus kämpften. Die milites waren noch eine offene Gesellschaftsschicht, deren Gemeinsamkeit gerade in ihrer Funk­ tion, also der berufsmäßigen Kriegsausübung, und nicht in Abstammung oder Vermögen lag.15 Zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges waren die feinen höfisch-­ kulturellen Verhaltensformen, die s­päter zum Ideal des Rittertums gehörten, noch weitgehend unbekannt.16 Gerade die Fähigkeit, vom Pferd aus zu kämpfen, das Wissen um das „Wie“, zeichnete die milites aus. Die Fähigkeiten der Türken auf dem Pferderücken werden von den Chronisten immer wieder bewundernd erwähnt.17 Vom Pferd aus zu kämpfen erforderte ein langes Training. Man musste lernen, das Pferd in der Schlacht nur mit den Knien zu lenken, die schwere Lanze zu halten und vieles mehr. Schon als Junge bekam man beigebracht „cum coaevis equitare iuvenibus, equum flectere in gyrum, vibrare hastam, facile clypeum circumferre“ wie H ­ ildebert von Lavardin es zu jener Zeit beschreibt.18 Dazu trat noch ein 14 Gesta Francorum, XXVIII, 4, S. 367: „[…] quod nemo vestrorum remanebit pedes, sed erunt omnes milites sicut et nos sumus […]“. 15 Johrendt, Milites und Militia, S. 131, S. 138, S. 235 ff; Maurice Keen, Das Rittertum, München 1987, Neuaufl. Düsseldorf 1999, S. 41 – 70; Matthew Strickland, War and Chivalry, S. 22. 16 Margaret Jubb, Enemies in the Holy War but brothers in chivalry: The Crusaders’ view of their Saracen opponents, in: Hans van Dijk, Willem Noomen (Hg.), Aspects de l’epopée romane: Mentalités, ideologies, intertextualités, Groningen 1995, S. 251 – 259, S. 252. 17 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 29, S. 184: „Ex his milibus Turcorum astutiores et agiliores triginta equis in modum venti currentibus insidentes“; Ebd., III, 34, S. 192: „[…] in equis celerrimis […]“; Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 243B. 18 Hildebert von Lavardin, Vita sancti Hugonis, in: Jacques Paul Migne (Hg.), PL, Bd. 159, Sp. 857 – 928, Sp. 860.

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ökonomischer Aspekt, näm­lich über die entsprechenden Mittel zum Unterhalt eines oder mehrerer Pferde zu verfügen.19 Zu den Kosten für die Tiere kamen noch diejenigen für Rüstung und Waffen hinzu. „Il fallait donc que le miles eût ou bien une situa­tion économique indépendante ou bien qu’il reçût tout de son seigneur.“20 Es wird nun klar, dass allein schon die Bezeichnung milites eine gewisse Auszeichnung für die Türken bedeutete, denn sie implizierte immerhin ein gewisses Vermögen bzw. einen reichen Herrn 21 und eine lange Ausbildung im Umgang mit Pferd und Waffen. Dies erklärt aber noch nicht die Tatsache, warum es gerade der Anonymus ist, der den Türken diese Respektsbekundung zuteil werden lässt. Der Autor der Gesta steht mit der Bezeichnung der Türken als milites keineswegs allein. Diese findet sich auch bei anderen Augenzeugen. Raimund spricht von den milites in Antiochia und Fulcher bezeichnet die Türken einmal als equites 22 und scheut auch sonst nicht davor zurück, den miles-­Begriff auf muslimische Heere anzuwenden.23 Selbst die Bearbeiter der Gesta haben diese Bezeichnung übernommen, wenn sie damit auch zurückhaltender waren als der Anonymus und dessen Formulierungen an entscheidenden Stellen entschärften. Es liegt daher nahe, sich dem Problem durch einen Blick auf die Person des Autors zu nähern. Seine Identität bleibt zwar ungeklärt, doch hat man bisher in der Forschung überwiegend angenommen, dass es sich um einen Ritter aus dem Gefolge Bohemunds handelte, mithin also um einen Normannen aus Süditalien. Dieser Ritter, so der Forschungstenor, habe wohl zumindest zeitweise eine klerikale Ausbildung genossen, die es ihm s­ päter ermög­licht habe, die Gesta zu verfassen. Mög­licherweise handele es sich bei ihm um den jüngeren Sohn eines ­normannischen Ritters, der, zuerst für ein geist­liches Amt vorgesehen, nach dem Tod eines älteren Bruders schließ­lich doch eine welt­liche Laufbahn eingeschlagen habe.24 Morris allerdings hat diese Ansicht mit gut vertretbaren Argumenten erschüttert und gelangte zu dem Schluss, der Verfasser der Gesta sei ein Geist­licher 19 Flori, Croisade et chevalerie, S. 395. 20 Van Luyn, Milites, S. 30. 21 Keen, Rittertum, S. 107 f. 22 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, V, S. 242C; Fulcher von Chartres, Historia Hiero­ solymitana, I, XI, 4, S. 193. 23 Epp, Fulcher von Chartres, S. 253. 24 Hill, Gesta Francorum, S. xiff; Riley-­Smith, First Crusade, S. 60; Kenneth Baxter Wolf, ­Crusade and narrative: Bohemond and the Gesta Francorum, in: Journal of Medieval History 17 (1991), S. 207 – 216, S. 208.

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gewesen. Auch Flori tendiert zu der Auffassung, bei dem Autor der Gesta habe es sich um einen Kleriker gehandelt. Er gesteht aber zu, dass der Anonymus bei der Abfassung seiner Chronik auch auf eine oder mehrere andere Informa­tionsquellen zurückgegriffen haben könnte (Reisetagebuch, Notizen, Briefe, Epik), die ihrerseits von einem Ritter stammen könnten, was Flori aber offen lässt. An der Herkunft des Anonymus aus Süditalien halten Morris und Flori allerdings fest.25 Es scheint sinnvoll, zunächst als Arbeitshypothese mit der bisherigen, wohl noch überwiegenden, Meinung anzunehmen, der Anonymus sei ein normannischer Ritter gewesen, da man so einen signifikanten Unterschied zu allen anderen Chronisten des E ­ rsten Kreuzzuges, die ausnahmslos Kleriker waren, feststellen kann. Handelte es sich bei dem Verfasser der Gesta aber um einen Ritter, dann ist es gut mög­lich, dass der Chronist der Gesta die Türken für eine Art „Berufs“oder Standesgenossen hielt und ihnen auch deshalb prinzipiell den gleichen militärischen Status wie den Christen zubilligte. Allein der Umgang der Türken mit den Pferden müsste die euro­päischen Ritter beeindruckt haben, da sie ja selbst zu guten Reitern ausgebildet wurden und da das Pferd darüber hinaus ein Statussymbol war, das jedem die ­sozia­le Stellung seines Besitzers vor Augen führte und das den milites auch äußer­lich klar vom Bauern trennte.26 Im Krieg wurde die Trennlinie daher nicht ­zwischen adligen und nichtadligen Rittern gezogen, sondern ­zwischen Rittern und Fußvolk.27 Ganz ähn­lich im Orient: „Authority was linked directly to military power which, in turn, was based primarily on cavalry. As a result the horse was promoted to a posi­tion of importance not only as a military but also as a social factor.“

Dieser Satz gilt uneingeschränkt auch für das feudale Europa, steht aber am Anfang der Saladin-­Biographie von Lyons/Jackson.28 Eine Gemeinsamkeit, die den Kreuzfahrern bewusst war, wenn Albert von Aachen über Duqāq von Damaskus schreibt, die Stärke seiner Reiterei habe diesen mächtig gemacht.29 25 Flori, Chroniqueurs, S. 70 ff, 100, 167; Morris, Gesta Francorum, S. 66 ff; siehe auch France, Use of the anonymous Gesta, S. 30, Fn. 5. 26 Johrendt, Milites und Militia, S. 28; van Luyn, Milites, S. 22. 27 Johrendt, Milites und Militia, S. 28; Strickland, War and Chivalry, S. 22. 28 Malcolm Cameron Lyons, D. E. P. Jackson, Saladin. The politics of the holy war, Cambridge 1982, S. 4. 29 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, VIII, S. 260: „[…] et potens erat ubertate glebe et equitum robore.“

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Die zentrale Rolle des Pferdes beschränkte sich hier wie dort ja nicht nur auf die Verwendung als Reittier in der Schlacht. Die berittenen Berufskrieger mussten ständig im Training bleiben und so entwickelten sich um das Pferd herum auch entsprechende Freizeitaktivitäten. In Europa wurden zu dieser Zeit die Turniere immer beliebter, im Nahen Osten spielten die türkischen Mamluken Polo. Nūr ad-­Dīn und Baibars ließen Hippodrome als Trainingsplätze für ihre Truppen errichten.30 Auch die Jagd diente nicht zuletzt dem Training und die Leidenschaft dafür war in Syrien unter muslimischen Herren ebenso groß wie unter dem euro­päischen Adel. Die zahlreichen Jagderlebnisse, die Usāma ibn Munqiḏ in seinem Werk schildert, geben beredtes Zeugnis davon.31 Er war zwar kein Türke, kämpfte aber mit der Lanze ebenfalls vom Pferd aus. Damit gewinnt die These Hills hohe Plausibilität. Jeder konnte sehen, dass die Türken beritten waren, „equites erant omnes“ erzählt Fulcher erstaunt zur Schlacht von Doryläum.32 Diese Gegebenheit übertrugen der Anonymus und andere Chronisten dann, typisch für die Zeit, auf die Verhältnisse, die sie von zu Hause kannten. Damit wurden die berittenen Türken zu milites mit allen Implika­tionen was Ausbildung, Vermögen und sozia­len Stand anbetraf, diese Implika­tionen waren für einen Ritter natür­lich positiver Natur. Oft genug wurde die islamische Welt im religiösen Bereich als Pervertierung der Christia­ nitas dargestellt. Hier wurden nun die euro­päischen Verhältnisse auf den Orient übertragen, ohne sie ins Negative zu verkehren. Milites waren eben nicht einfach nur irgendwelche Bewaffnete auf Pferden, sondern berittene Elitekrieger.33 In einem gewissen Sinne hat der Anonymus damit unbewusst den Status der türkischstämmigen Mamluken genau erfasst. Wie die euro­päischen Ritter wurden auch sie von frühester Jugend an auf den Kampf vorbereitet, recht­lich zwar im Status von Militärsklaven aber in den Inhalten nicht anders als die Söhne euro­päischer Feudalherren und ihrer Vasallen. Bei den freien, seldschukischen Stammeskriegern in Anatolien handelte es sich zwar nicht um s­ olche Berufskrieger, jedoch ist davon auszugehen, dass diese Nomaden sich schon seit frühester Jugend im Umgang mit Pferd und Bogen übten.

30 Keen, Rittertum, S. 129; Hillenbrand, Crusades, S. 447 ff; Lyons/Jackson, Saladin, S. 5. 31 Usāmah Ibn-­Munqidh, An arab-­syrian gentleman and warrior in the period of the crusades. Memoirs of Usāmah Ibn-­Munqidh, übers. von Philipp K. Hitti, Neudruck London 1987, S. 154, 173, 221 ff; siehe auch Smail, Crusading warfare, S. 44. 32 Fulcher von Chartres, I, XI, 4, S. 193. 33 Van Luyn, Milites, S. 33.

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Aber genügte die äußere Erscheinung, um die Türken für die Kreuzfahrer zu milites werden zu lassen? Gewiss, sie waren beritten, aber widerspricht nicht die Charakterisierung der Türken in den Chroniken der These, dass die Ritter in ihnen Standesgenossen sahen? Selbst wenn man die Werke der Daheimgebliebenen außer Acht lässt, so werden die Türken doch auch in den Gesta Francorum als listig bzw. schlau, wild und räuberisch dargestellt, ganz zu schweigen von der völlig unterschied­lichen Kampfweise. Nicht unbedingt positive Eigenschaften und nicht gerade das, was gemeinhin unter dem Begriff ritter­lich zu subsumieren wäre. Dies führt zwangsläufig zu der Frage, wie die euro­päischen Ritter sich selbst gerne charakterisierten und wie sich dies zu dem Bild verhält, das die Chroniken, und hier vor allem der Anonymus, von den Türken zeichneten. Da es der normannische Anonymus ist, der die Türken zu vorbild­lichen milites macht, muss man einen Blick auf seine Heimat werfen, um zu verstehen, was genau er unter einem guten miles verstand, abgesehen von den äußeren Merkmalen Pferd und sozia­ler Status. Dass es sich bei dem Verfasser der Gesta um einen Normannen aus Süditalien handelte, ist bisher durch die Forschung nicht infrage gestellt worden und soll daher als Voraussetzung gelten. Was machte also für einen süditalienischen Normannen um 1100 einen guten miles aus? Mit den Werken Wilhelms von Apulien und Gottfried Malaterras besitzen wir zwei umfangreiche Chroniken über die normannische Eroberung Süditaliens und Siziliens, die beide zudem fast gleichzeitig mit den Gesta Francorum entstanden sind.34 Beide Autoren waren zwar Kleriker, aber wichtig ist, dass sie für welt­liche Herren schrieben. Wilhelm schrieb die Taten Robert Guiscards für dessen Sohn Roger Borsa nieder 35 und Gottfried wurde von seinem Patron Roger von Sizilien beauftragt, ein Werk über dessen Taten zu verfassen.36 Da Publikum und Auftraggeber welt­liche Herren waren, kann man davon ausgehen, dass den Autoren daran gelegen war, diese zu ihrem Wohlgefallen darzustellen. Betrachtet man daher die Charakterisierung der normannischen H ­ auptpersonen, so lässt sich feststellen, ­welche Eigenschaften ein Normanne um 1100 als notwendig ansah um ein guter miles zu sein und ­welche vollbrachte Taten man der Nachwelt gerne überliefern wollte. 34 Eine dritte Chronik, das Werk des Amatus von Monte Cassino, ist nur in einer Version aus dem 14. Jahrhundert erhalten und soll daher hier von der Betrachtung ausgenommen werden, siehe Albu, The Normans, S. 108 f. 35 Marguerite Mathieu (Hg. u. Übers.), Guillaume de Pouille, La Geste de Robert Guiscard, Palermo 1961, S. 11. 36 Kenneth Baxter Wolf (Übers.), The deeds of count Roger of Calabria and Sicily and of his brother duke Robert Guiscard by Geoffrey Malaterra, Ann Arbor 2005, S. 8.

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Bereits zu Beginn seines Werkes bringt Gottfried Malaterra eine kurze aber in ­diesem Zusammenhang bemerkenswerte Charakterisierung der Normannen. Diese ­seien begierig auf Profit und Herrschaft und immer zu Täuschung und List bereit, sie hielten eine gewisse Balance z­ wischen Habgier und Großzügigkeit. Nicht durch ein strenges Regiment im Zaum gehalten, könnten sie recht ungestüm sein, sie könnten Hunger und Kälte ertragen, hätten aber eine Schwäche für Luxus sobald es um Pferde oder Waffen gehe.37 Auch Wilhelm beginnt sein Werk, so möchte man meinen, wenig schmeichelhaft für seine Auftraggeber. Zunächst ist von den wilden normannischen Rittern die Rede, die darauf aus sind, sich zu bereichern. Kurz darauf erwähnt Wilhelm mehrmals die Verwüstungen, die die Normannen in Apulien angerichtet haben und scheut sich auch nicht, sie als grausam zu bezeichnen. Die Normannen, so Wilhelm, ziehen den Kampf dem Frieden vor, sie wechseln häufig ihre Herren und verkaufen ihre Dienste an den Meistbietenden. Die Aussicht auf Beute mache die Normannen ganz aufgeregt, so Gottfried. Im geschilderten Fall entwerfen sie sofort einen listenreichen Plan, um an die Beute (in jenem Fall eine Viehherde) zu gelangen.38 Die Liste von Berichten über Verwüstungen, Plünderungen, Verrat und Wildheit der Normannen ließe sich in beiden Werken noch lange fortsetzen. Man denke daran, dass hier nicht vom Gegner, sondern von den Männern der eigenen Seite die Rede ist. Nun könnte man auf die Idee kommen, diese allgemeinen Aussagen über die Normannen dienten nur dem Ziel, den Stern der Hauptpersonen umso heller strahlen zu lassen. Dem ist bei weitem nicht so. Über Robert Guiscard, also den Vater seines Auftraggebers, sagt Wilhelm, es sei d ­ iesem egal, ob er etwas durch Waffen oder durch List erreiche. Nur wenig ­später berichtet er über die ausgiebige Plünderung Kalabriens durch Robert.39 Die Kalabrier ­seien ­erschrocken 37 Gottfried Malaterra, De rebus gestis Rogerii Calabriae et Siciliae comitis et Roberti Guiscardi ducis fratris eius, hrsg. von Ernesto Pontieri, in: Istituto storico Italiano (Hg.), Rerum Itali­ carum Scriptores, Bd. 5,1, Bologna 1927, S. 1 – 172, I, 3, S. 8: „Est quippe gens astutissima; injuriarum ultrix, spe alias plus lucrandi patrios agros vilipendens, quaestus et domina­tionis avida, cuiuslibet rei simulatrix ac dissimulatrix, inter largitatem et avaritiam quoddam medium habens […] quae quidem, nisi jugo justitiae prematur, effrenatissima est. Laboris, inediae et algoris, ubi fortuna expedit, patiens; vena­tioni et accipitrum exercitio inserviens; equorum caeterumque militia instrumentorum et vestium luxuria delectatur.“ 38 Ebd., III, 11, S. 63. 39 Wilhelm von Apulien, Gesta Roberti Wiscardi, hrsg. u. übers. von Marguerite Mathieu: Guillaume de Pouille, La Geste de Robert Guiscard, Palermo 1961, II, Z. 302 ff, S. 148: „Si contingebat sibi palma vel arte vel armis, aeque ducebat, quia quod violentia saepe non explore potest, explet versutia mentis“; II, Z. 310 f, S. 148.

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gewesen über die Ankunft eines Anführers so voller Wildheit („tanta feritate repleti“).40 Robert, tapfer und listig, erobere oft durch List, was er durch Waffengewalt nicht erlangen könne, beschreibt Wilhelm die Vorgehensweise Guiscards. So bei der Eroberung der Burg von Montepeloso: Robert habe sie nicht mit Gewalt einnehmen können, also habe er sie durch List genommen.41 Auch Versprechungen bedient sich Guiscard, um seine Ziele zu erreichen. 42 Man fühlt sich hier zu Recht an die Vorgehensweise seines Sohnes Bohemund bei der Eroberung Antiochias erinnert. Ganz ähn­lich stellt Gottfried Graf Roger dar. Was mache es für einen Unterschied, ob man durch Waffen oder durch eine List siege, bemerkt er zu Überlegungen Rogers über die richtige Vorgehensweise. Wenig s­ päter berichtet er, der Normanne habe eine ganze Provinz verwüsten und in Flammen setzen lassen.43 Was die Kampfweise anbetrifft, so erwähnt Gottfried zweimal die von den Normannen angewandte Scheinflucht.44 Eine Taktik, die sich auch in anderen euro­päischen Quellen der Zeit findet, ohne dass sie jemals negativ kommentiert wird.45 Es gilt noch einmal zu betonen: Hier handelt es sich um die Charakterisierung der Auftraggeber oder deren naher Verwandter. Weiterhin kann man davon ausgehen, dass Wilhelm und Gottfried mit ihren Werken ihren Auftraggebern gefallen wollten. Das heißt aber, dass Eigenschaften wie List und Wildheit, ein rücksichtsloses Vorgehen oder Plünderungen von den normannischen Herren durchaus positiv betrachtet wurden und als Zeichen ­­ eines tüchtigen Kriegsmannes galten. Dies muss nicht heißen, dass die beiden geist­lichen Verfasser diese Eigenschaften als ebenso positiv empfunden haben. Im Falle Gottfrieds konnte Wolf sogar nachweisen, dass unter der den Normannen gefälligen Darstellung eine zweite Ebene liegt, in der Roger und seine Mannen, ganz ähn­lich wie der Verschwörer Catilina bei Sallust und unter Anleihen bei Augustinus über die 40 Ebd., II, Z. 325, S. 150. 41 Ebd., II, Z. 476 f, S. 158: „Sic ducis astute prudentia, quod superare non armis potuit, superavit saepius arte“; II, Z. 460 f, S. 156: „[…] dux quod non evalit armis arte capit castrum.“ 42 Ebd. III, Z. 569, S. 194. 43 Gottfried Malaterra, De rebus gestis, II, 10, S. 32; II, 17, S. 34: „Comes vero Rogerius […] trecentos juvenes secum ducens, usque Agrigentum praedatum et terram inspectum vadit, totam provinciam incendio concremando devastans.“ 44 Ebd., II, 1, S. 29 f; II, 32, S. 42. 45 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, III, 242, 2, S. 455; Vita Heinrici IV imperatoris 12, S. 456, in: Franz Josef Schmale, Irene Schmale-­Ott, Quellen zur Geschichte ­Kaiser Heinrichs IV. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters- Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe, Bd. XII), Darmstadt 42000.

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römische libido dominandi, beschrieben werden.46 Ein gebildeter Leser konnte daher durchaus die Kritik des Kirchenmannes am Verhalten der Normannen erkennen. Allerdings ist dies unter dem untersuchten Aspekt unerheb­lich, denn hier geht es um die Ansichten der milites und nicht um die der gebildeten Kleriker. Die Untersuchung hat Erstaun­liches ergeben. Die Türken erschienen den Kreuzfahrern nicht nur äußer­lich als milites weil sie sich in der Schlacht auf die Kavallerie stützten, auch die Charakterisierung der Türken in den Augenzeugen­ berichten zum Kreuzzug stimmt genau mit den Merkmalen überein, die sich zumindest die normannischen Ritter gerne selbst zuschrieben: Raublust, Wildheit, Kampfeslust, List, Gier nach Beute und die Fähigkeit, Furcht und ­Schrecken zu verbreiten. Setzte man in den oben zitierten Stellen das Wort Turci ein, so ließe sich kein Unterschied zur Kreuzzugschronistik feststellen. Die Eigenschaften, die beim unbefangenen Lesen der Gesta und anderer Quellen als negative Charakterisierung der Türken empfunden werden könnten, waren dies aus der Sicht eines normannischen Ritters um 1100 keineswegs! Die Parallelen sind zum Teil äußerst erstaun­lich. Wilhelm erzählt eine Geschichte über die erste von Robert Guiscard eroberte Festung. Der Normanne habe vergeb­lich versucht, die Stadt zu erobern und habe daher (wieder einmal) zu einer List gegriffen. Einer der Normannen sei auf eine Bahre gelegt worden, habe sich tot gestellt und sei mit einem Leichentuch bedeckt worden. Dann habe man die Bahre vor die Tore des Klosters der Stadt gestellt, als wolle man den Toten beerdigen lassen. Die Mönche hätten den vermeint­lich Toten dann auch hinein getragen. Beim Totengebet sei dieser plötz­lich aufgesprungen, habe das unter ihm versteckte Schwert gezogen und seinen Kameraden die Tore geöffnet.47 Auch Wilhelm von Jumièges bringt eine fast identische Erzählung in seinen Gesta Normannorum Ducum. Dort ist die Hauptperson der heidnische Wikin­ ger Hasting, Opfer die italienische Stadt Luni.48 Ob historisch oder nicht, die Geschichte scheint unter den Normannen bekannt gewesen zu sein. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch der anonyme Verfasser der Gesta sie kannte. Sie weist jedenfalls erstaun­liche Ähn­lichkeiten zu seinem Bericht über die Eroberung der anato­lischen Städte durch die Türken nach der Schlacht von 46 Wolf, The deeds of Count Roger, S. 32 ff. 47 Wilhelm von Apulien, Gesta Roberti Wiscardi, II, Z. 333 ff, S. 150. 48 Wilhelm von Jumièges, Gesta Normannorum ducum I, 9, hrsg. u. übers. von Elisabeth M. C. van Houts, The Gesta Normannorum Ducum of William of Jumièges, Orderic Vitalis, and Robert of Torigni (Bd. 1: Introduc­tion and books I–IV), Oxford 1992, S. 24.

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Doryläum auf. Auch hier sind die von den Kreuzfahrern geschlagenen Türken nicht in der Lage, die Städte mit Waffengewalt zu erobern. Also erzählen sie den christ­lichen Einwohnern, sie hätten das Kreuzheer vernichtet, woraufhin diese die Tore öffnen und Raub und Plünderung durch die listigen Türken anheim fallen.49 Beim ersten Lesen der Stelle erscheinen die Türken aufgrund ihres hinter­ hältigen Vorgehens eher negativ. Hält man sich aber vor Augen, dass die entsprechende Geschichte über Robert Guiscard wohl eine beliebte „Räuberpistole“ unter seinen Männern war, erscheint dies schon ganz anders. Ohne Zweifel wird die Ak­tion in den Gesta missbilligt, da die Täter Muslime und die Opfer Christen sind, und ebenso zweifellos werden die Türken negativ bewertet, wenn sie als listig dargestellt werden, aber das Mittel an sich, also die List, wurde von jedem normannischen Ritter durchaus anerkannt, vielleicht sogar insgeheim bewundert. „Kriegslisten, Stratageme aller Art, standen in der adligen Kultur in gutem Ruf.“50 Da es sich bei der List um ein „Schwellenphänomen“ handelte, weder eindeutig Tugenden noch Lastern zuzuordnen, kam es bei ihrer Bewertung eben maßgeb­lich auf die Perspektive an.51 Wurde die List von der eigenen Seite angewandt, wurde diese „Schlauheit“ durchaus gerühmt. Wohl deshalb verwendete Wilhelm bezüg­lich Robert Guiscards das eher postiv besetzte Wort ars im Sinne von Gewitztheit oder Schlauheit, anstatt des eher negativ konnotierten dolus im Sinne von böswilliger Täuschung oder Arglist.52 Letzteres gebrauchte man in der Kreuzzugschronistik zwar durchaus zur (negativen) Beschreibung der Türken, die Anwendung von Listen im Krieg an sich wurde dadurch aber keineswegs verurteilt. Hier spielt die Frage der Historizität der Stelle in den Gesta nur eine untergeordnete Rolle. Selbst wenn es sich nicht so ereignet hat, dürften diejenigen es geglaubt haben, die es wenige Jahre ­später erzählt bekamen, zumal die Bearbeiter der Gesta die Stelle in ihren Werken übernahmen. Wenn die Stelle nicht historisch ist, wäre es zudem umso bezeichnender, dass der Anonymus eine beliebte Erzählung über listige Normannen umformte, um die angeb­lichen Schandtaten der Türken darzustellen.

49 Gesta Francorum, X, 2, S. 210 f. 50 Thomas Zotz, Odysseus im Mittelalter? Zum Stellenwert von List und Listigkeit in der Kultur des Adels, in: Harro von Senger (Hg.), Die List, Frankfurt a. M. 1999, S. 212 – 240, S. 238. 51 Ebd., S. 218; Martin Clauss, Kriegsniederlagen im Mittelalter. Darstellung – Deutung – Bewältigung (Krieg in der Geschichte Bd. 54), Paderborn 2010, S. 157, 160, 170. 52 Siehe Fn. 638; Zotz, Odysseus, S. 215.

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Man könnte nun einwenden, dass die Normannen eben besonders wild und kriegsbegeistert waren, sie die entsprechenden Attribute sogar pflegten 53 und die gewonnenen Ergebnisse deshalb nicht auf andere Kreuzfahrerkontingente übertragbar sind. Es ist aber zweifelhaft, ob sich normannische milites wirk­lich so grundlegend von ihren franzö­sischen Standesgenossen unterschieden. Auch die franzö­sische Gesellschaft war im 11. Jahrhundert äußerst gewalttätig, die Umtriebe der dortigen milites hatten das Entstehen der Gottesfriedensbewegung bewirkt und in vielen Gegenden führte die Abwesenheit der Magnaten auf dem Kreuzzug zu Turbulenzen der unruhigen kleineren Vasallen, so etwa in Flandern.54 Ganz so wie Gottfried Malaterra seine normannischen Zeit­genossen beschreibt. Hier wäre auch noch das altfranzö­sische Rolandslied anzuführen, das ungefähr um diese Zeit schrift­lich fixiert worden sein dürfte. Feine höfische Verhaltensformen finden sich dort kaum, stattdessen widmet sich der Großteil des Werkes der Beschreibung des Kampfes als „blutiges Gemetzel, als Schauplatz für Ruhm und Beute“55, eben das, was milites hören wollten. Ganz ähn­liche Belege für die Realität des ritter­lichen Kampfes wie in den normannischen Chroniken finden sich auch s­ päter noch, zur Blütezeit von Rittertum und höfischer Kultur. In der Lebensbeschreibung Wilhelm ­Marshals (1144 – 1219), der auch schon als idealer Ritter bezeichnet wurde, 56 treten im 13. Jahrhundert die gleichen Tugenden zutage, die bereits die Normannen auszeichneten. Auch die Biographie Marshals ist ein Werk, das für welt­liches Publikum verfasst wurde, auch hier für einen nahen Verwandten, näm­lich nach Wilhelms Tod für dessen Sohn. Autor war ein gewisser Jean, eventuell ein ehemaliger Herold Marshals.57 Man kann also auch in ­diesem Fall davon ausgehen, dass Wilhelm positiv dargestellt werden soll, und dass daher die ihm zugeschriebenen Taten und Charakterzüge als positiv angesehen wurden. Auch hier war im Krieg nichts Unehrenhaftes daran, den Feind zu täuschen. List wird sowohl dem franzö­sischen Feind unterstellt als auch selbst angewandt. 53 Alheydis Plassmann, Die Normannen. Erobern – Herrschen – Integrieren, Stuttgart 2008, S. 18, 98 ff. 54 Riley-­Smith, First Crusade, S. 3, S. 120; Bull, Ursprünge, S. 24. 55 Arno Borst, Das Rittertum im Hochmittelalter. Idee und Wirk­lichkeit, in: Arno Borst (Hg.), Das Rittertum im Mittelalter, Darmstadt 1976, S. 212 – 246, S. 233. 56 John Gillingham, War and chivalry in the history of William the Marshal, in: P. R. Coss, S. D. Lloyd (Hg.), Thirteenth century England II (Proceedings of the Newcastle upon Tyne Conference 1987), Woodbridge 1988, S. 1 – 13, S. 2,4. 57 Richard W. Kaeuper, Chivalry and violence in medieval Europe, Oxford 1999, S. 280; ­Gillingham, War and chivalry, S. 9.

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Wilhelm rät dem eng­lischen König, zunächst so zu tun, als löse man die Truppen auf, dann aber in franzö­sisches Gebiet einzufallen, woraufhin der König Wilhelm ausdrück­lich lobt.58 Wenig s­ päter wird auch hier die Art der Kriegführung beschrieben. Der König fordert Marshal auf, die Region um Montmirail zu verwüsten, nichts zu verschonen, denn wer das tue, könne Dinge nie zu einem erfolgreichen Ende bringen. Wenn man Montmirail genommen habe, solle man es völlig zerstören und niederbrennen. So geschieht es, und Marshals Biograph berichtet, wie sich die Engländer plündernd, raubend und brandschatzend auf den Weg machen. Alles, was sie ergreifen konnten, wurde als Kriegsbeute weggebracht.59 Auch der ritter­liche Krieg Wilhelms ist voll von Plünderungen und Belagerungen, Raub, List und Überraschung.60 Offene Feldschlachten, die Zbinden als so typisch für die fränkische Kriegführung ansah, werden nur zweimal beschrieben: 1167 und dann erst wieder 1217, 50 Jahre ­später!61 Man sollte sich daher von Vorstellungen eines offenen, ehrenhaften, ritter­ lichen Krieges in Europa im Gegensatz zu unehrenhaften, listigen Raubzügen im Nahen Osten verabschieden. In den Methoden unterschieden sich Kreuzfahrer und Türken bis auf die Kampfweise im unmittelbaren Zusammentreffen kaum. Die fränkischen milites erkannten dies und erkannten die Fähigkeiten des Gegners an. Wer der Beste war, erwies sich für sie im Kampf 62 und Kampf bedeutete eben auch für sie Plünderung, List und Überfälle. Damit wird auch erklär­lich, warum der Anonymus türkische Überfälle und Plünderungen kaum verurteilt. Es war für ihn ein üb­liches Mittel der Kriegführung, nichts was sich lohnte besonders herauszustellen. Denn auch in Europa lernte man schon als Junge, neben dem Umgang mit Pferd und Waffen, eben auch „spoliis instare et rapinis.“63 Angesichts der hohen Kosten für die Ausrüstung waren Beute und Plünderung sogar ein notwendiger Bestandteil der Finanzierung des ritter­lichen Lebens, der früh im Leben verinner­licht werden sollte.64 Die festgestellten Gemeinsamkeiten beruhten auf grundsätz­lichen strukturellen Ähn­lichkeiten ­zwischen dem Nahen Osten und der lateinischen Christenheit im 11. Jahrhundert. Rudolf Hiestand und Claude Cahen haben darauf hingewiesen, 58 History of William Marshal, hrsg. von A. J. Holden, übers. von S. Gregory, 2 Bde., London 2002, Bd.1 (Text and Transla­tion), S. 378, Z. 7449 ff; S. 396, Z. 7787 ff. 59 Ebd., S. 400, Z. 7872, Z. 7890 ff. 60 Gillingham, War and chivalry, S. 12 f. 61 Ebd., S. 10. 62 Keauper, Chivalry and violence, S. 149. 63 Hildebert von Lavardin, Vita sancti Hugonis, I, Sp. 860. 64 Van Luyn, Milites, S. 40.

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dass hier wie dort eine Kriegerkaste zum welt­lichen Exponenten der Gesellschaft aufgestiegen war.65 In Europa waren dies seit dem Zerfall des karolin­gischen Großreiches die bellatores/milites, im Nahen Osten seit dem 9. Jahrhundert die türkischstämmigen Mamluken. Hier wie dort nutze diese Klasse das Fehlen einer starken Zentralgewalt zum Aufbau eigener Macht aus, sei es im politisch zerissenen Süditalien, in Frankreich, wo die Königsmacht auf die Île de France beschränkt blieb, oder in Syrien, wo der Sultan weit weg war. In beiden Fällen war der Aufbau eines eigenen Gefolges durch die Vergabe von Land und/oder Geld wesent­ lich, sei es (trotz aller Unterschiede ­zwischen beiden Systemen 66) innerhalb des iqtâ-­Systems oder im feudalen Lehnswesen. Türkische und lateinisch-­christ­liche Herrschaft besaßen grundlegende Gemeinsamkeiten. Es ist daher auch nicht verwunder­lich, dass sich hier wie dort unter ähn­ lichen Situa­tionen ähn­liche Handlungsmuster ausbildeten. Im Vordergrund stand die kriegerische Tätigkeit. Der Ritter war ein Krieger und im Zentrum der ritter­lichen Tugenden stand die prouesse, die Tapferkeit.67 „Größter Wert wurde auf phy­sische Kraft, Tapferkeit und kämpferische Geschick­ lichkeit gelegt. Zu ­diesem Kriegerbild gehört die statt­liche körper­liche Erscheinung, die verwegene, rücksichtslose Verhaltensweise der frühfeudalen Zeit.“68 In der Darstellung Robert Guiscards, Rogers von Sizilien und Wilhelm ­Marshals kommt dies deut­lich zum Ausdruck und dies ist das Prinzip von „­terror und timor“, das Zbinden richtigerweise für die Einschätzung der Türken durch die Kreuzfahrer als so wesent­lich darstellt.69 Genau diese Qualitäten war man dann auch bereit beim Gegner anzuerkennen. Dies zeigt nicht nur das Türkenlob der Gesta, sondern auch ein Vergleich der Adjektive/Adverbien, die der Anonymus für die Türken und für die Kreuzfahrer verwendet. Beide Gruppen teilen sich Bezeichnungen, die sich direkt auf Fähigkeiten/Tätigkeiten im Kampf oder auf der militärischen Ebene beziehen: fortis, audax, prudens, robustus, vehementer, viriliter, acer. Andere Qualitäten, die Fürsten auszeichnen können und die sich nicht ausschließ­lich auf den Kampf beziehen, sind allein den christ­lichen Rittern und ihren Herren vorbehalten: 65 Cahen, La Syrie du Nord, S.193 f, 196; Hiestand, Kreuzfahrer, S. 58 f; ähn­lich auch Smail, Crusading warfare, S. 44; P. M. Holt, The age of the Crusades. The Near East from the eleventh century to 1517, London 1986, S. 35, 42. 66 Siehe dazu Ann K. S. Lambton, Reflec­tions on the iqṭā’, in: George Makdisi (Hg.), Arabic and Islamic studies in honor of Hamilton A. R. Gibb, Leiden 1965, S. 358 – 376. 67 Kaeuper, Chivalry and violence, S. 8, 135. 68 Johrendt, ‚Milites‘ und ‚Militia‘,S. 192. 69 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 22.

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honestus, sapiens, inclitus, doctus, egregius, venerabilis. Eine Ausnahme bilden nur die Wörter invictus und bellipotens, die in den Gesta ebenfalls nur Christen charakterisieren, wenn auch selten. Mit der Wahl seiner Epitheta für die christ­lichen milites liegt der Anonymus damit im Rahmen dessen, was auch in Europa üb­lich war.70 Darüber hinaus lassen sich ähn­liche Beobachtungen aus den Erinnerungen Usāmas gewinnen. Der syrische Edelmann berichtet zweimal über fränkische Ritter, die zu ihm oder einem Mitglied seiner Familie gekommen waren. Einer will sich die berittenen Kämpfer der Herrscher von Shaizar ansehen, ein anderer will einen Reiter kennenlernen, der sich im Kampf mit den Christen hervorgetan hat.71 Hier handelt es sich nicht um kulturelle Kontakte, um Interesse an der Lebenswelt der Muslime, sondern man erkennt das an, was auch für einen selbst wesent­lich ist, die prouesse auf dem Schlachtfeld, nicht mehr und nicht weniger. Usāma bringt dazu eine weitere interessante Geschichte: Ein junger Kurde namens Ḥasanūn überbringt Tankred ein Pferd als Geschenk eines Gefolgsmannes von Usāmas Onkel. Bei einem Rennen schlägt Ḥasanūn auf dem Pferd alle anderen Reiter. Tankred ruft ihn herbei, man betrachtet seine Waffen, erkennt in ihm einen tapferen Reiter und schenkt ihm ein Ehrengewand. Ḥasanūn erbittet sich von Tankred eine Sicherheitsgarantie für den Fall, dass er jemals gefangengenommen werden sollte. Dies wird gewährt, so denkt man jedenfalls, da keiner der Christen arabisch spricht. Wenig ­später fällt der Kurde in Tankreds Hände, woraufhin dieser ihm ein Auge ausstechen lässt und ein hohes Lösegeld verlangt.72 Die Verbindung besteht auch hier (nur) in der Bewunderung für das Pferd, die Reitkunst, die Waffen und die Tapferkeit, also den kriegerischen Qualitäten, die in Europa wie in Syrien von Rittern und türkischen Reitern geschätzt wurden. Wie wirkte sich aber die Tatsache aus, dass sich die türkische Kampfweise in der Schlacht so sehr von der euro­päischen unterschied, eine Beobachtung die immerhin in keiner Chronik fehlt? Den Bogenschützen brachten die euro­ päischen Ritter auf den Schlachtfeldern tiefste Verachtung entgegen. Gefangene Bogenschützen wurden oft exekutiert. Dies zeigte das Ausmaß der Empörung der Ritter darüber, dass sie, und vor allem ihre Pferde, gegenüber einer Waffe der unteren Klasse so verwundbar waren.73 Zudem traf Bogenschützen während 70 Van Luyn, Milites, Tableau VIII, S. 236. 71 Usāmah Ibn-­Munqidh, An arab-­syrian gentleman, S. 69, 98. 72 Ebd., S. 94 ff; siehe auch Smail, Crusading warfare, S. 45. 73 Strickland, War and chivalry, S. 181. Zwar bezieht sich die Untersuchung Stricklands nur auf England und die Normandie, doch waren viele der Kreuzfahrer Normannen, wie Robert, Bohemund oder Tankred, oder kamen aus benachbarten Gebieten, wie Robert von Flandern

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des gesamten Mittelalters häufig der Vorwurf der Feigheit.74 Bei der Beurteilung der Türken scheint dagegen die Tatsache, dass diese sich vornehm­lich auf Fernwaffen stützten, insgesamt nur wenig ins Gewicht gefallen zu sein. Man bleibt hier auf Vermutungen angewiesen. Trotz der Vorurteile setzten in Europa alle Befehlshaber in ihren Armeen Bogenschützen ein, daran änderte sich auch nach dem Verbot von Bogen und Armbrust durch das Zweite Laterankonzil nichts.75 Daraus wird deut­lich, dass die persön­liche Haltung gegenüber Bogenschützen keinen Einfluss auf die Anerkennung ihres militärischen Wertes hatte. Genau diese Haltung lässt sich auch bei den Kreuzfahrern in Bezug auf die Türken nachweisen. Die Chronisten scheuen sich nicht, die türkische Geschick­ lichkeit im Umgang mit dem Bogen fast bewundernd anzuerkennen. So schreibt Albert von Aachen anläss­lich der Schlacht an der Eisernen Brücke, die Türken ­seien bessere und ausdauerndere Bogenschützen (als die Kreuzfahrer).76 Die Verwendung der Schusswaffen verursacht keinen Makel an der militärischen Qualität. Der Anonymus staunt über die „unglaub­lichen Distanzen“, aus denen die Türken schossen.77 Auch Fulcher von Chartres bezeichnet die Türken als ausgezeichnete („probissimi“) Bogenschützen.78 Nicht vergessen werden darf zudem, dass der Bogen in Europa als Waffe der unteren Schichten, als s­ ozia­le Bedrohung, wahrgenommen wurde. Die Türken aber waren erstens beritten, also aus Sicht der euro­päischen Ritter von vergleichbarem sozia­lem Status. Zweitens standen sie als Muslime außerhalb der christ­lichen Gemeinschaft und Sozia­lordnung, konnten also den Status der euro­päischen Panzerreiter nicht bedrohen. Darüber hinaus war zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges der Gebrauch des Bogens durch die Ritterschaft anscheinend noch nicht unter allen Umständen verpönt. Wilhelm von Tyrus und Robert der Mönch berichten, wie Gottfried von B ­ ouillon in der Schlacht einen Bogen bzw. eine Armbrust benutzt.79 Zumindest in der oder Stephan von Blois. Zudem dürfte sich auch in Lothringen oder in Südfrankreich die Kriegführung in jener Zeit nicht wesent­lich unterschieden haben. 74 Jim Bradbury, The medieval archer, Woodbridge 1985, S. 3. 75 Strickland, War and chivalry, S. 181. 76 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 34, S. 192: „Tandem plurimum Turcis praevalentibus, et sagittarum notitia et luctamine praeeuntibus et perdurantibus […]“. 77 Gesta Francorum, IX, 5, S. 199: „[…] Turci undique iam erant circumcingentes nos, […] et mirabiliter longe lateque sagittando.“ 78 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, XXXI, 1, S. 490. 79 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, III, 9, S. 206, Z. 8 ff; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IX, VII, S. 866D.

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Hitze eines Gefechts sahen die Ritter also nichts Ehrenrühriges daran, zu Pfeil und Bogen zu greifen. Dies alles konnte aber den einen großen Unterschied den die Kreuzfahrer sahen nicht überbrücken: Die Türken, und auch das kommt im Türkenlob der Gesta Francorum klar zum Ausdruck, waren keine Christen. Für den Anonymus sind sie daher eine „excommunicata genera­tione“, „iniquissimi barbari“ und „inimici Dei et sanctae Christianitatis“.80 Verband sie mit den milites die Eigenschaft als berittene Elitesoldaten, die Religion trennte sie. Der Anonymus formulierte sein Türkenlob nicht umsonst im Konjunktiv. Man könne („potuisset“) keine besseren Kämpfer finden, aber eben nur, wenn die Türken Christen wären. Das Christentum fehlt dem Gegner, um völlig gleichwertig zu sein. Ähn­liche Stellen finden sich auch im altfranzö­sischen Rolandslied und im Canso d’Antioca in der okzitanischen Epik.81 Das (Nicht-) Christ-­Sein ist bedeutender als alle militärische Tapferkeit. Man darf das Anerkenntnis der Tapferkeit und die gemeinsamen Wertevorstellungen der Krieger daher nicht mit Toleranz im modernen Sinne gleichsetzen.82 Auch der Anonymus findet nichts Kritikwürdiges an den Massakern in den eroberten Städten oder an fliehenden Truppen, auch wenn er sie nicht so breit ausmalt wie etwa Guibert von Nogent. Auch er kämpfte für die Befreiung der heiligen Stätten von den Muslimen, auch er hasste den Islam. Er brauchte keine theolo­gischen Begründungen zur Rechtfertigung des Krieges wie die gelehrten Theologen, Christen waren einfach gut und Muslims böse,83 auch wenn sie milites waren. Aufgrund der religiösen Unterschiede blieb immer ein Graben, der nicht überbrückt werden konnte, den man wohl auch gar nicht völlig überbrücken wollte.84 Am besten hat Rudolf Hiestand diese widersprüch­liche Haltung zum Ausdruck gebracht: Ein Türke war demnach für die Kreuzfahrer „fast so wie wir, aber ein Heide und damit etwas ganz anderes.“85 Für die bestehenden und erkannten Ähn­lichkeiten abseits der Religion mussten die Zeitgenossen natür­lich eine Erklärung finden. Für den Anonymus war die einzig mög­liche Erklärung, wieder typisch für seine Zeit, die 80 Gesta Francorum, IX, 7, S. 202; X, 1, S. 208; XIV, 1, S. 254. 81 Steinsieck, Rolandslied, Z. 899; Z. 3164; The Canso d’Antioca. An Occitan epic chronicle of the First Crusade, hrsg. u. übers. von Carol Sweetenham und Linda M. Paterson, Aldershot 2003, S. 222, Z. 473 ff. 82 Hiestand, Kreuzfahrer, S. 62. 83 Cole, O God, S. 92. 84 Smail, Crusading warfare, S. 46; Housley, Fighting, S. 228. 85 Hiestand, Kreuzfahrer, S. 63.

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gemeinsame Abstammung von Franken und Türken. Nach mittelalter­licher Vorstellung hatte jede gens eigene Charaktereigenschaften und Geisteshaltungen.86 Waren die Türken tapfer wie die Franken bzw. tapfer und listig wie die Normannen, mussten sie in der Vorstellung des Anonymus gemeinsame Vorfahren haben. „Das war kein leeres Kompliment zu einer Zeit, als der Glauben vorherrschte, Charak­ tereigenschaften würden durch Blutsbande vererbt, und als Geschichten über die Abstammung der Völker von bib­lischen oder mythischen Vorfahren ein zentrales Element des unter den Menschen Europas verbreiteten Gefühls ihrer historischen Identität, ihrer ‚Schicksalsgemeinschaft‘ bildeten.“87

Der Anonymus schreibt es zwar nicht, aber es kommen wohl nur die Trojaner als gemeinsame Vorfahren in Frage. Schon zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges hatten sowohl Normannen als auch Franzosen/Franken die Bewohner Ilions als Stammväter auserkoren.88 Es ist nicht mehr zu klären, wie die Legende von der gemeinsamen Abstammung ihren Weg in das Werk des anonymen Autors fand, aufgrund des Umstands, dass es bereits ältere Vorbilder dafür gab, ist es jedoch nicht zwingend nötig, von einer „Neuerfindung“ der Troja-­Abstammung auszugehen.89 In einem Manus­ kript der Chronik des Wilhelm von Tyrus taucht die Legende eines türkischen Königs Turcus und dessen trojanischer Abstammung etwa 70 – 80 Jahre nach Abfassung der Gesta Francorum auf.90 86 Loud, Gens Normannorum, S. 110. 87 Bull, Ursprünge, S. 27. 88 Loud, Gens Normannorum, S. 113. 89 Im Westen erwähnte bereits im 7. Jahrhundert Fredegar eine gemeinsame Abstammung: Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Scholastici libri IV. cum continua­tionibus, in: MGH SS rer. Merov. II (Fredegarii et aliorum Chronica. Vitae sanctorum), Hannover 1888, S. 1 – 193, II , 6, S. 46; III , 2, S. 93; Claude Cahen, Frédégaire et les Turcs, in: Economies et sociétés au moyen age. Mélanges offerts à Edouard Perroy (Publica­tions de la Sorbonne 5), Paris 1973, S. 24 – 27; Peter Knoch, Studien zu Albert von Aachen (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik), Stuttgart 1966, S. 105 f, S. 106 Fn. 69; Aimoin von Fleury, Historia Francorum I, II, in: Jacques Paul Migne (Hg.), PL, Bd. 139, Paris 1853, Sp. 627 – 798, Sp. 639; Roricus von Moissac, Gesta Francorum, I, in: Jacques Paul Migne (Hg.), PL , Bd. 139, Paris 1853, Sp. 589 – 616, Sp. 591. 90 Alan V. Murray, William of Tyre and the origin of the Turks: Observa­tions on possible sources of the Gesta orientalium principum, in: I. Balard, Benjamin Kedar, Riley-­Smith, Dei Gesta per Francos: Etudes sur les croisades dedidiees a Jean Richard/ Crusade studies in honour of Jean Richard, Aldershot 2001, S. 217 – 229, S.221 ff; Wilhelm von Tyrus, Chronicon, I, 7, S. 114 f.

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Interessant ist allerdings ist die Umkehr der Perspektive. Der Anonymus sagt, es ­seien die Türken, die sich auf die gemeinsame Abstammung berufen. In Wirk­lichkeit war es ja zweifelsfrei so, dass die Legende auf christ­licher Seite entstanden war. Es muss unklar bleiben, ob es der normannische Autor war, der die Legende den Türken zuschrieb oder ob er sie schon so erzählt bekam. Dahinter könnte die Tatsache stehen, dass sich derjenige, der sich auf eine gemeinsame Abstammung beruft, immer etwas tiefer posi­tioniert als derjenige, mit dem man die Abstammung teilen will, denn die Berufung auf gemeinsame Herkunft impliziert ja einen gewissen Wert des anderen. Ansonsten bräuchte man sich nicht auf die Gemeinsamkeiten zu berufen. Eventuell wollte man hier die Franken dadurch hervorheben, dass sich sogar ihre Feinde auf die gemeinsame Abstammung mit ihnen beriefen und auf diese Weise ihre Qualitäten anerkannten. Durch das Lob aus dem Munde des Feindes, niemand könne Ritter sein außer Franken und Türken, baut der Anonymus hier, stilistisch nicht ungeschickt, ein Frankenlob innerhalb des Türkenlobes ein. Kommen wir zum Ende der Betrachtungen noch einmal auf die Person des Autors zurück. Das Türkenlob lässt sich am plausibelsten damit erklären, dass es sich bei dem Anonymus um einen Ritter handelte. Nur ein solcher konnte in den Türken Standesgenossen erkennen, die sich im Krieg nicht anders verhielten als er selbst und andere Ritter zu Hause. Diese gemeinsamen Wertvorstellungen verbanden sie, wenn die Religion sie auch trennte. Natür­lich wussten auch die Geist­lichen, was es bedeutete ein miles zu sein, auch sie sahen, dass die Türken beritten waren und bezeichneten diese daher als milites. Auch sie waren Augenzeugen und mussten die kämpferischen Leistungen des Gegners anerkennen, etwa den demoralisierenden Effekt des Pfeilbeschusses. Aber sie waren von den milites-­Eigenschaften wohl nicht so begeistert wie die Ritter, versuchte die ­Kirche in Europa doch gerade der Umtriebe von „terror und timor“ Herr zu werden. Wenn sie daher von den Türken als milites schrieben, verbanden die meisten von ihnen damit wohl keine so positiven Vorstellungen wie es bei einem Ritter als Autor der Fall war. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Anonymus zwingend ein Ritter gewesen sein muss. Insbesondere Weltkleriker mussten den miles-­Eigenschaften nicht distanziert gegenüberstehen, denkbar ist auch, dass er für einen welt­lichen Herrn, etwa Bohemund, schrieb wie es Gottfried Malaterra und Wilhelm von Apulien taten, die ja ebenfalls Kleriker waren. Insofern könnte es sich bei dem Autor der Gesta auch um einen Geist­lichen gehandelt haben, wie Morris und Flori meinen.91 91 Morris, Gesta Francorum, S. 66; Flori, Chroniqueurs, S. 100, 167.

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Zu weit geht allerdings die Auffassung, die milites hätten für den Anonymus nur ein notwendiges Übel bedeutet.92 Dann ließe sich sein überschweng­liches Lob für die Türken nicht erklären. Dies gilt auch für Hervorhebungen von christ­ lichen Waffentaten durch den Anonymus.93 Die Erzählungen über Helden­taten bestimmter Ritter im Kampf, wilde Angriffe, aufmunternde Reden oder das Köpfen des Gegners spricht doch eher für einen Blickwinkel, der näher an dem eines miles liegt. Dies gilt ebenso für die Verwendung von Epitheta für milites, die sich nicht von anderen Quellen unterscheidet. Denn man kann als Fazit festhalten: Den Türken wird das Lob nicht zuteil, obwohl sie listig und wild sind, sondern gerade weil sie es sind, weil sie genau die Eigenschaften besitzen, die Ende des 11. Jahrhunderts und s­ päter noch auch die euro­päischen milites schätzten, mögen sie uns heute auch wenig lobenswert erscheinen.

6.2 … oder eher Räuber als Krieger: Ekkehard von Aura Die Türken hätten die Kreuzfahrer nach Räuberart ausgeplündert, gefangengenommen und getötet. Sie hätten Brunnen zugeschüttet, die Christen durch Rauch gequält, ständig mit Pfeilen beschossen und alle durch Überfälle auf das Lager beunruhigt. Niemals kämpften sie in direkter Schlacht, niemals offen nach Art der Krieger, bei Widerstand ­seien sie sofort zurückgewichen.94 Dies berichtet der Mönch Ekkehard, späterer Abt des Klosters Aura, zu den Kreuzzügen von 1101. Auch an anderen Stellen bezeichnet er die muslimischen Truppen als Räuber.95 Ekkehard war zwar kein Augenzeuge der von ihm beschriebenen Ereignisse, aber dabei handelt es sich zweifelsfrei um die typische türkische Zermürbungstaktik, die schon dem ­Ersten Kreuzzug so sehr zugesetzt hatte. Bemerkenswert ist der Unterschied zum Türkenlob der Gesta Francorum, nach denen niemand 92 Wolf, Crusade and narrative, S. 209. 93 Gesta Francorum, VIII, 3, S. 181 f; XVII, 6, S. 272; XXI, 3, S. 349; XXXVII, 5, S. 457. 94 Ekkehard, Chronica, S. 168: „Unde inprimis latrocinantium more vulgus extremum diripere, post hec capere vel cedere, deinde per compete precurrentes incendio vel quocumque molimine pabula prevastare, aliquando etiam per iunceta vel carecta gradientem exercitum tota die flammis vel fumo vexare, nonnunquam fontes vel cisternas obdurare, a locis tutioribus telis infestare, per noctes nunc hac nunc illa castrorum parte irrumpentes cunctis ­inquietudinem inferred. Inter hec tamen omnia numquam acie directa, numquam fronte aperta more preliantium congrediebantur, sed resistentibus cedebant, insequentes fugiebant, revertentes denuo subsequuntur.“ 95 Ebd., S. 136, S. 170; Ekkehard, Hierosolimita, S. 330.

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außer Franken und Türken Ritter sein könne. Ekkehard spricht den Türken die Kriegereigenschaft gerade ab und bezeichnet sie als Räuber. Zwar klingen auch in anderen Chroniken ähn­liche Vorwürfe wie die Ekkehards an, etwa, dass die Türken den offenen Kampf vermeiden, doch fehlt es dort ebenfalls nicht an Anerkennung. Zudem formuliert der deutsche Mönch die Kritik am ausdrück­lichsten und weitgehendsten. Wie lässt sich diese Aussage Ekkehards unter Berücksichti­ gung der im vorangegangenen Kapitel gewonnenen Ergebnisse einordnen? Für Nicolas Zbinden ist Ekkehards Aussage eine der zentralen Quellenstellen, die er zum Beweis seiner These heranzieht, die Kreuzfahrer hätten in den Türken nur ehrlose Räuber gesehen. Zwar habe man Fähigkeit und Ausrüstung der Türken anerkannt, ihre Taktik aber verachtet. Ein Krieg, der nicht in offenem Kampf mit aufgestellten Schlachtreihen geführt werde, sei für die Franken kein ehrenwerter Krieg gewesen.96 Ekkehard beurteilt die Türken hier zweifel­los negativ, frag­lich ist aber, ob sich die Deutung Zbindens in dieser Form aufrecht erhalten lässt. Betrachtet man Ekkehards Kritik genauer, so unterteilt sie sich in zwei Vorwürfe: Die Türken plündern nach Räuberart und sie kämpfen niemals offen nach Art der Krieger. Dies so Zbinden, unterscheide sie gerade von den christ­ lichen Rittern, sodass die Kreuzfahrer ­dieses Verhalten als ehrlos und feige betrachtet hätten. Auffallend ist zunächst, dass Ekkehard durchaus die Fähigkeiten der Türken anerkennt. Sie reiten auf schnellen Pferden und sind geschickt im Umgang mit den Waffen.97 An anderer Stelle bezeichnet er die Türken als „bellatores inclyte fame.“98 Damit liegt Ekkehard dann doch wieder ganz auf der Linie der anderen Kreuzzugsberichte, die ja die genannten Fähigkeiten der Türken ebenfalls anerkannten. Also sind die Türken bei Ekkehard erfahrene bellatores, gleichzeitig aber auch, folgt man Zbinden,99 feige Räuber, die für die Europäer gerade keine Krieger sind? Dieser scheinbare Widerspruch besteht nur, wenn man die Ansicht vertritt, die Begriffe Räuber und bellator bezeichneten verschiedene Gruppen, weil der eine für feige Wegelagerer stehe, der andere für ehrenhafte Krieger. Das mag für die heutige Bedeutung der Wörter zutreffen, aber was verband ein Mönch zu Beginn des 12. Jahrhunderts mit dem Wort „Räuber“? 96 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 25. 97 Ekkehard, Chronica, S. 168: „Non multo plus quam IIII errant milia Thurcorum, qui tamen ipsi electi et equis velocissimis, armis telisque ac sagittandi peritia nimis instructi […]“. 98 Ebd., S. 132. 99 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 25.

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Ekkehard selbst gibt in seiner Chronik Beispiele dafür, wer für ihn ein R ­ äuber ist: Niemand anderes als die milites. In seiner Beschreibung der Unruhen im Reich während der zweiten Regierungshälfte ­Kaiser Heinrichs V. spart der Mönch nicht mit Kritik an den Rittern. „Predones quippe, qui sub nomine equitum undique superhabundabant“, schreibt er zum Jahre 1123 deut­lich, dass es die Ritter sind, die sich für ihn wie Räuber verhalten.100 Was die Ritter für ihn zu Räubern macht, sind die von ihnen angerichteten Verwüstungen, das Ausrauben der Bauern, das Plündern von ­Kirchen und die Taktik der verbrannten Erde mit dem Ziel, den Gegner wirtschaft­lich zu schwächen. Waffen, Rüstung und Pferden bedienen sie sich zur Sünde und fallen dafür nach dem Tode der Verdammnis anheim.101 Ekkehard steht mit dieser Sichtweise nicht alleine. Das mit Abstand prominenteste Beispiel ist der Kreuzzugsaufruf Urbans II . in Clermont: „Lasst die, die seit langem Räuber waren nun Soldaten Christi sein“, rief der Papst laut Fulcher seinen Zuhörern zu.102 Es besteht kein Grund zu bezweifeln, dass ­Fulchers Wiedergabe zumindest dem Sinngehalt nach korrekt ist. Gleich ob Fulcher Augenzeuge des Konzils von Clermont war und Urbans Rede korrekt wiedergibt oder nicht, würde der franzö­sische Chronist dem Papst keine Worte in den Mund gelegt haben, die für seine Zeitgenossen unverständ­lich waren. Hier sind es nach Urbans Ansicht gerade die milites/bellatores, also die schwergepanzerten Elitekrieger, die sich wie Räuber benehmen. Erst durch die Teilnahme am Kreuzzug sollen sie zu milites Christi werden. Der oben schon zitierte Hildebert von Lavardin erwähnt ja sogar, schon als Kinder hätten die künftigen milites die Räubereien erlernen müssen. Gerade ­dieses Verhalten widerstrebte aber, so der Kleriker Hildebert, dem heiligen Hugo, der sich mehr zu Christus hingezogen fühlte.103 Ebenso Honorius Augustodunensis. In einem fiktiven Gespräch wird er gefragt, was er über Ritter wisse. „Parum boni. De praeda enim vivunt, de rapina se vestiunt […] ideo ira Dei ascendit super eos.“104 Ähn­liche Beispiele 100 Ekkehard, Chronica, S. 362. 101 Ebd., S. 324, 362. 102 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, III, 7, S. 136: „Nunc fiant Christi milites, qui dudum extiterunt raptores.“ 103 Hildebert von Lavardin, Vita sancti Hugonis, I, Sp. 860: „[…] et quod ille altius a­ bhorrebat, spoliis instare et rapinis […] Ad arma minus habilis, indocilis ad rapinam, totus jam ad ­Christum et natura trahebatur et gratia.“ 104 Honorius Augustodunensis, Elucidarium, II, 54, in: Yves Lefèvre (Hg.), L’Elucidarium et les Lucidaires. Contribu­tion, par l’histoire d’um texte, à l’histoire des croyances religieuses en France au moyen âge, Paris 1954, S. 427.

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finden sich auch noch gegen Ende des Jahrhunderts, wenn Alanus ab Insulis von den Rittern sagt „nec jam exercent militiam, sed rapinam.“105 Damit wird klar, dass die Begriffe Räuber und Ritter für eine bestimmte Gruppe von Autoren keineswegs Gegensätze sind, sondern sogar bei der Beschreibung ein und derselben Personengruppe Verwendung finden. Das Verhalten der euro­päischen milites machte sie für viele Kleriker zu Räubern: Die zahl­ losen Fehden und Kleinkriege, die Überfälle und Plünderungen, die Zerstörung von Ernten und Kirchengut. Eben die malitia, die der Klerus im Verhalten der Ritterschaft kritisierte und die sie durch die Teilnahme am Kreuzzug ablegen und zur militia werden sollte.106 Hinter dieser Kritik standen die Furcht vor unkontrollierter ritter­licher Gewalt und der Wunsch nach Ordnung.107 Der biographische Hintergrund Ekkehards ist nicht völlig geklärt. Die Heraus­ geber seines Werkes vermuten, dass er, wie Papst Urban, aus einer edelfreien oder adligen Familie stammte, um 1102/03 als Benediktiner, wie Urban, in das Kloster Tegernsee eintrat. Vor seinem Eintritt ins Kloster war er wohl schon Kleriker. Seit 1108 war er als Abt von Aura vorgesehen. Er wird als sehr religiös und leicht erregbar beschrieben, zudem habe er die Einheit mit dem Papsttum zum Bewertungsmaßstab für das Handeln führender Personen gemacht.108 ­Ekkehards Biographie macht es damit wahrschein­lich, dass er die Kritik am Gebahren der milites teilte, an dem Verhalten, das gerne als Räuberei bezeichnet wurde. „Räuber“ sind für ihn die Personen, die die Art der Kriegführung praktizieren, wie sie in Europa zu jener Zeit, und noch lange danach, üb­lich war und die einzudämmen sich die K ­ irche zum Ziel gesetzt hatte. Genau in d ­ iesem Zusammenhang verwendet Ekkehard den Begriff aber auch hier, näm­lich für Plänkeleien, Plünderungen und Überfälle am Ende des Zuges. Einen weiteren Hinweis auf Ekkehards Verständnis von „Räuberart“ l­ iefert seine Aussage zum Jahre 1101, die Bewohner von Damaskus und Askalon ­seien auf Räubereien aus gewesen, die Babylonier (d. h. die Ägypter) aber auf Krieg.109 Sowohl Askaloniter als auch Damaszener betrieben wohl jene Art von Überfällen und Plünderungen, die auch in Europa bei Fehden alltäg­ lich war. Die Fatimiden dagegen führten zu dieser Zeit Jahr für Jahr ein 105 Alanus ab insulis, Summa de arte praedicatoria, XL, in: Jacques Paul Migne (Hg.), PL, Bd. 210, Paris 1855, Sp. 109 – 198, Sp. 186. 106 Balderich von Dol, Historia Jerosolimitana, I, IV, S. 14; Völkl, Muslime, S. 52. 107 Kaeuper, Chivalry and violence, S. 28. 108 Schmale/Schmale-­Ott, Frutolfs und Ekkehards Chroniken, S. 21 f, 24, 29 f. 109 Ekkehard, Chronica, S. 170: „[…] sed tam ab Ascalonitis atque Damascenis cotidiana latrocinia quam a Babyloniis bella parantur.“

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großes Heer von Ägypten nach Palästina. Dies entsprach wohl eher dem, was ­ kkehard unter Krieg verstand, weil es näm­lich nicht jene unkontrollierte Art E des Kleinkrieges war. Ähn­lich verhält es sich mit Ekkehards zweitem Kritikpunkt, der Vermeidung des offenen Kampfes. „Numquam fronte aperta more preliantium congrediebantur“ schreibt Ekkehard. „Niemals offen nach Art der Krieger“ lautet die Übersetzung von Franz-­Josef Schmale und Irene Schmale-­Ott.110 Ekkehards Wortwahl liefert hier ein interessantes Indiz, mehr ist es nicht, zu seinen Ansichten über Türken und Ritter. Er schreibt näm­lich gerade nicht, dass die Türken nicht nach Art der Ritter kämpfen, also etwa „numquam more militium“, sondern er verwendet das neutralere Partizip „preliantium“, wört­lich also „die Kämpfenden“. Natür­lich könnte dies unbewusst geschehen sein oder stilistische Gründe haben, vielleicht vermied der Mönch aber bewusst die Formulierung, weil er wusste, dass auch die milites nur selten offene Feldschlachten austrugen. Zbinden kann darin gefolgt werden, dass hier die türkische Art der Kriegführung kritisiert wird, wohl auch darin, dass Ekkehard s­ olche Umtriebe nicht für Kriegführung, sondern für die Taten von Räubern hält, und dass ihm offene Feldschlachten lieber sind als ständige Fehden und Plünderungen. Zwei wichtige Einschränkungen sind aber notwendig. Erstens wählt Ekkehard den Räubervergleich hier nicht, um die Türken von den christ­lichen Rittern abzusetzen. Die von Ekkehard kritisierte Art der Kriegsführung ist nicht anders, als die in Europa praktizierte. Wenn die Türken hier als „Räuber“ bezeichnet werden, unterscheidet sich dies daher nicht von der Charakterisierung der Ritter durch Kleriker in Europa. Mit anderen Worten: Die Türken waren für Ekkehard nicht Räuber, weil sie anders kämpften als die euro­päischen Ritter, sondern sie waren es, weil sie sich genauso verhielten wie die aggressiven Vasallen und Ministerialen, die er von zu Hause kannte. Ekkehard sagt dies sogar ausdrück­lich: Anläss­lich der Schilderung der Verwüstungen im Reich kritisiert er die Ritter, die „more barbarico“ gegen Christen vorgegangen ­seien.111 Es ist sehr wahrschein­lich, dass der Kreuzzugsteilnehmer Ekkehard mit Barbaren hier die muslimischen Türken im Sinn hatte. Zweitens sagt die Bezeichnung als „Räuber“ auch nichts über Feigheit oder Tapferkeit aus, sondern etwas über die angewandte Taktik. Diese Taktik wurde keineswegs von allen Kreuzfahrern kritisiert. Es konnte ja gezeigt werden, dass die Ritter im Kreuzheer den Türken gerade wegen der von der ­Kirche kritisierten Eigenschaften Respekt, unter Umständen sogar Bewunderung, entgegenbrachten. 110 Ekkehard, Chronica, S. 169. 111 Ebd., S. 324.

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Der im letzten Kapitel formulierten These, die Kreuzfahrer hätten die Türken für eine Art Standesgenossen gehalten, lässt sich daher ein neuer Aspekt hinzufügen. Alle Kreuzfahrer machten die gleichen Beobachtungen, näm­lich dass die Türken beritten waren und gut mit Waffen umgehen konnten. Dies erkannten sie alle an, auch Ekkehard. Aufgrund dieser Beobachtungen wurden die Türken für die Kreuzfahrer, wie im letzten Kapitel dargelegt, zu milites. Während dies aber für die Kombattanten uneingeschränkt positive Qualitäten implizierte (Wildheit, List, Beute), traf für Kleriker das Gegenteil zu. Die ­gleiche Beobachtung führte bei ihnen zu einer negativen Charakterisierung. Dies galt umso mehr, je ferner sie der welt­lichen Lebensweise standen und je mehr sie Gruppen angehörten, die sich in Europa um die Durchsetzung der kirch­lichen Ziele zur Friedenswahrung bemühten. Es gab also nicht mehrere Türkenbilder, sondern nur ein einziges (natür­lich mit verschiedenen Nuancen), mit dem aber, je nach Weltbild, ganz unterschied­ liche Assozia­­tionen verbunden wurden. Ein Ritter wie der Anonymus bewunderte genau die Qualitäten, die die Türken für Ekkehard zu Räubern werden ließen. Für einen Ritter hatte etwa das Merkmal der Wildheit eine ganz andere Bedeutung als für einen Mönch. Wilhelm von Malmesbury berichtet von dem „furor militum“, der bei einer Auseinandersetzung in einer ­Kirche sogar eine Christusfigur gespickt mit Pfeilen zurückgelassen habe.112 Während die Normannen gerne die Wildheit Robert Guiscards betonten, kritisiert der eng­lische Mönch hier ein Verhalten, das man genauso auch den wilden Türken unterstellte. Bei keinem Autor lässt sich die unterschied­liche Ausgangsposi­tion der Verfasser besser aufzeigen als bei Guibert von Nogent. Mit seiner Autobiographie ist ein Werk erhalten, das tiefe Einblicke in seine Vorstellungswelt erlaubt. Selbst über seinen Vater, einen miles, hat Guibert nicht die beste Meinung, noch weniger gilt dies für die Mitglieder von dessen Familie, die nach dem Tod von Guiberts Vater um die verwitwete M ­ utter warben, immer deren Ländereien im Auge. „Vir sicut potens sic cupidus“, so Guibert über einen von ihnen.113 Sich selbst kritisiert der Mönch für die Schwächen seiner Jugend. Er habe die ­Kirche verspottet, habe die Schule verachtet und die Gesellschaft seiner Vettern gesucht, die zu Rittern ausgebildet wurden.114 Schließ­lich geläutert, dankt er Gott, dass er fortan kein Interesse mehr an welt­lichen Ehren gehabt habe. Es wird bereits deut­lich, dass 112 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum anglorum, III, 270, S. 498. 113 Guibert von Nogent, De vita sua, hrsg. u. übers. von Edmond-­René Labande: Autobiographie, Paris 1981 (Les classiques de l’histoire de France au moyen age, Bd. 34), I, 4, S. 24; I, 13, S. 94. 114 Ebd., I, 15, S. 108

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ein Mensch, für den Kämpfen um des Herrschens willen verwerf­lich 115 und für den eine Leidenschaft für das Reiten eine Schwäche ist 116, kämpferische Qualitäten ganz anders beurteilt als ein normannischer Ritter. Betrachtet man nun Guiberts Darstellung der unruhigen franzö­sischen Ritter seiner Zeit, so wird deut­lich, dass für den franzö­sischen Benediktinermönch, ebenso wie schon für Ekkehard, keine großen Unterschiede zu den Türken bestehen. Zur Erinnerung, es war Guibert, der in seiner Kreuzzugschronik Wildheit, Grausamkeit und sexuelle Verderbtheit der Türken besonders hervorhob. Über Gérard von Quierzy schreibt der Abt von Nogent, dieser habe zwei durchreisende Jungen entführt, sobald er bemerkt habe, dass sie aus ­reichem Hause kommen. Von dem Lösegeld habe er sich einen schönen Mantel machen lassen. Derselbe Gérard, laut Guibert wild wie immer, wird kurze Zeit ­später in einer ­Kirche vom Bruder des ört­lichen Bischofs erschlagen.117 Einen anderen Ritter beschuldigt Guibert des Raubes, weil er Ochsen weggetrieben habe, die im Eigentum der Abtei von Nogent stünden. Über Thomas von Marle schreibt er, dessen Grausamkeit übertreffe alles, wovon man in seiner Zeit gehört habe, seit frühester Jugend habe er Pilger ausgeraubt. 118 Es folgt eine detaillierte Beschreibung von Thomas’ Foltermethoden. So habe er Gefangene häufig an den Hoden aufgehängt. In einem anderen Fall beklagt sich ein verwundeter Gefangener auf einem Marsch, er könne nicht mehr weiterlaufen, woraufhin ihm Thomas beide Füße abhackt.119 Ferner habe er Flüchtlinge in einer ­Kirche verbrannt und auch schwangere Frauen nicht geschont. Um seine Frau des Ehebruchs beschuldigen zu können, habe er einem Untergebenen befohlen, mit seiner eigenen Frau zu schlafen, seine sexuelle Verderbtheit mache, so Guibert, auch vor treuen Frauen und Nonnen nicht halt.120 Wildheit, Grausamkeit, das Streben nach welt­lichen Gütern und sexuelle Verderbtheit: Dies alles erinnert von der Qualität her an Guiberts Beschreibung der türkischen Herrschaft über die Ostchristen oder an Gräueltaten, die er türkischen Herrschern unterstellt, etwa die Umarbeitung des Kopfes eines Ritters in ein Trinkgefäß.121 115 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, I, S. 86, Z. 25 ff, man beachte hier die K ­ ritik an der „libido dominandi“ die genau dem entspricht, was Wolf für das Werk Gottfried ­Malaterras gezeigt hat. 116 Guibert von Nogent, De vita sua, I, 22, S. 176. 117 Ebd., III, 5, S. 300, 302. 118 Ebd., III, 11, S. 362; zu Guiberts Vorwürfen gegen Thomas siehe Bull, Ursprünge, S. 22 ff. 119 Guibert von Nogent, De vita sua, III, 11, S. 362 ff. 120 Ebd., III, 16, S. 426. 121 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VII, XLIX, S. 349, Z. 2145 ff.

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Die Forschung hat sich mit Guiberts Persön­lichkeit beschäftigt und ihm teilweise ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität unterstellt.122 Psychische Ursachen würden in der Tat einige der über das normale Maß hinausgehenden, exzessiven Schilderungen Guiberts erklären. Ein anderer Erklärungsversuch lautete, bei diesen übertriebenen Beschreibungen handele es sich um die Imita­ tion ­antiker Schmähreden.123 Der Grund für die Ausschweifungen des franzö­ sischen Mönches braucht in ­diesem Zusammenhang aber nicht weiter vertieft zu werden und auch nicht, ob sie im Falle des Thomas von Marle berechtigt waren. Allein erheb­lich ist, dass Guibert die Untaten der franzö­sischen milites qualitativ nicht anders, und mit den gleichen Mitteln, darstellt, als jene des muslimischen Feindes. In seinen Dei Gesta per Francos bedient Guibert mit derartigen Berichten zusätz­lich auch die gängigen Vorurteile über den Islam als Religion der Gewalt und der Wolllust. Eine zweite Ähn­lichkeit in der Beschreibung von unfried­lichen Rittern und Türken liegt in der Verwendung der Raubtiermetapher für beide Gruppen. Die Stiefmutter von Thomas ist für Guibert grausamer als eine wilde Bärin 124, Suger von St. Denis bezeichnet Thomas als einen rasenden Wolf.125 Der häufige Vergleich der Türken mit Wölfen wurde bereits erwähnt. Heiden waren in Bibellexika schon seit langem mit Tiernamen bezeichnet worden. Die Verwendung von Tiernamen für die Türken ist daher wohl keine Reak­tion auf den Kontakt mit dem Islam während der Kreuzzüge. In der Bibelexegese besaßen die Tierbilder ursprüng­lich allerdings keinen negativen Sinn. Die Autoren der Kreuzzugschroniken bedienten sich dieser Tradi­tion, bevorzugten dagegen aber wilde Tiere zur Darstellung feind­licher Heiden.126 Tierbilder wurden aber nicht nur zur Darstellung von Heiden verwendet, sie dienten daneben auch allgemein der allegorischen Deutung von Tugenden und

122 M. D. Coupe, The personality of Guibert von Nogent reconsidered, in: Journal of Medieval History 9 (1983), S. 317 – 329; der Autor gibt einen Überblick über verschiedene psychoanalytische Erklärungsversuche, wenn er sie in dieser Form auch letzt­lich ablehnt. 123 Robert Levine, Satiric vulgarity in Guibert de Nogents Gesta Dei per Francos, in: Rhetorica 7 (1989), S. 261 – 273, S. 263 ff. 124 Guibert von Nogent, De vita sua, III, 14, S. 398: „ursa fera.“ 125 Suger von St. Denis, Vita Ludovici grossi XXIV , in: Henri Waquet (Hg. u. Übers.), Sugerius abbas Sancti Dionysii Parisiensis, Vita Ludovici grossi regis, Paris 1929, S. 174: „furore lupino.“ 126 Harald Dickerhoff, Canum nomine gentiles designantur. Zum Heidenbild aus mittelalter­ lichen Bibellexika, in: Gert Melville (Hg.), Secundum regulam vivere. Festschrift für P. ­Norbert Backmund O. Praem., Windberg 1978, S. 41 – 71, S. 57, 67 f.

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Lastern.127 Das Werk des Hrabanus Maurus bildete den Höhepunkt der allegorischen Tierdeutungen auf Heiden.128 Seine De rerum naturis waren besonders im 12. Jahrhundert u. a. auch in Westdeutschland, Nordfrankreich und Südengland weit verbreitet,129 sodass die Wahrschein­lichkeit groß ist, dass sie auch Fulcher, Albert und anderen Kreuzzugschronisten bekannt waren. Bei Hrabanus Maurus konnte man lesen, der Wolf stehe für den Teufel aber auch für Häretiker und hinterlistige Menschen.130 Das andere große enzyklopädische Werk des Mittelalters, die Etymologien des Isidor von Sevilla, wissen von der Raserei und der Raubgier der Wölfe zu berichten. Der Wolf sei eine r­ äuberische und blutgierige Bestie.131 Wenn die Autoren daher die gleichen Tierbilder sowohl für die Darstellung der Ritter als auch für die der Türken verwendeten wird deut­lich, dass sie beiden Gruppen ähn­liche Laster zuschrieben: Raubgier, Wildheit, Gefähr­lichkeit, List und, hinsicht­lich der Türken, Häresie. Die ähn­lichen Charakterisierungen zeigen, dass die Türken nicht nur so dargestellt werden, weil sie Muslime waren und als religiös und zivilisatorisch minderwertig betrachtet wurden, sondern auch, weil die Kleriker ihr Verhalten, das Verhalten einer herrschenden Kriegerkaste, kannten und missbilligten. Es handelt sich im Prinzip um eine genaue Umkehr des Türkenlobes, in dem genau ­dieses Verhalten noch bewundert worden war. Auch Bernhard von Clairvaux’ wenig ­später entstandene berühmte Lobrede auf das neue Rittertum zeigt, wie das Verhalten, das die ­Kirche an der militia saecularis kritisierte, dem ähnelt, was man den Türken unterstellte. Bernhard spricht von dem „furor“ der Ritter, die „unvernünftige Leidenschaft des Zorns oder die Gier nach eitlem Ruhm oder die Begierde nach irdischem Besitz“ wirft er ihnen vor.132 Die herkömm­lichen Ritter streiten nach Bernhard nicht einmal mehr für Gott, sondern für den Teufel 133, während die neue Ritterschaft nicht 127 Ron Baxter, Bestiaries and their users in the middle ages, London 1998, S. 188 ff; B. van den Abeele, Tiersymbolik, in: LexMA, Bd. 8, Sp. 786. 128 Baxter, Bestiaries, S. 57. 129 Raymund Kottje, Hrabanus Maurus, in: Kurt Ruh u. a. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 4, Berlin 1983, S. 188 f. 130 Rabanus Maurus, De rerum naturis, VIII, 1, in: Jacques Paul Migne (Hg.), PL, Bd. 111, Paris 1864, Sp. 9 – 614, Sp. 223. 131 Isidor von Sevilla, Etymologiae, XII, ii, 23/24. 132 Bernhard von Clairvaux, De laude novae militiae, II, 3(De militia saeculari), in: Gerhard B. Winkler (Hg. u. Übers.), Bernhard von Clairvaux. Sämt­liche Werke, Bd. 1, Innsbruck 1990, S. 257 – 326, S. 274: „Non sane aliud inter vos bella movet litesque susciat, nisi aut irra­tionabilis iracundiae motus, aut inanis gloriae appetitus, aut terrenae qualiscumque possessionis cupiditas.“ 133 Ebd., IV, 7 (De conversa­tione militum temple), S. 280.

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ungestüm, sondern bedacht und vorsichtig die Schlachtreihen zur Schlacht aufstellt.134 All dem entsprach die ritter­liche Realität ebensowenig wie die Türken, die man ja als wild, ungestüm und ohnedies als verwelt­lichte und frivole Muslime sah. Dass sie als Muslime auf Seiten Satans standen, verstand sich für die Zeitgenossen von selbst. Anhand der These, dass Türken und Ritter von reformorientierten Mönchen ähn­lich negativ beschrieben werden, gewinnt man auch eine weitere Erklärung dafür, warum sich das Türkenbild in der zweiten Genera­tion der Kreuzzugs­ chroniken leicht ins Negative wandelte. Die Augenzeugenberichte wurden von Autoren verfasst, die einer Klientel angehörten, die dem Rittertum weniger distanziert gegenüber stand, als es bei Mönchen unter Einfluss der kirch­lichen Reformbewegung der Fall war. Der Anonymus war evtl. ein Ritter, Raimund von Aguilers, Tudebod und Fulcher von Chartres waren Weltgeist­liche, ­Raimund schrieb sogar zusammen mit einem Ritter 135, Fulcher war als Kaplan Balduins von Boulogne ganz nahe an der welt­lichen Lebensweise. Über die Person Alberts bleiben viele Fragen offen, aber vieles deutet darauf hin, dass ritter­liches Publikum und Mitglieder der kirch­lichen Hierarchie auch seine Zielgruppe waren.136 Zudem bekam er seine Informa­tionen v. a. von heimkehrenden Kreuzfahrern, also von Kombattanten. Die in den folgenden Jahren in Europa entstandenen Werke stammen dagegen in ihrer übergroßen Mehrheit aus der Feder von (Benediktiner)-Mönchen: Guibert von Nogent, Balderich von Dol, Robert, Wilhelm von Malmesbury, Ordericus Vitalis. Sie übernahmen die Fakten über die Türken aus den Augenzeugenberichten, beurteilten sie aber deut­lich negativer. Bereits oben wurde festgestellt, dass der zivilisatorische Graben ­zwischen Türken und Kreuzfahrern in den Überarbeitungen der Gesta tiefer scheint als im Werk des Anonymus. Dort wurde es der Kreuzzugspropaganda zugeschrieben. Daneben kann jetzt aber noch ein weiterer Grund festgestellt werden: Der Einfluss des Weltbildes der Autoren. Was sie aus ihren Quellen über die Türken erfuhren, diskreditierte die Muslime in ihren Augen noch weiter, als es deren vermeint­liches Heidentum ohnehin schon tat und unabhängig davon, wie die Ritter auf dem Kreuzzug diese Eigenschaften beurteilt hatten. 134 Ebd. IV, 7, S. 284, siehe auch Fn. 47, S. 324: Bernhard bezieht sich hier auf 2. Makk 12, 20 und 15, 20. 135 Hill/Hill, Raymond d’Aguilers, S. 7. 136 Edgington, Albert of Aachen and the Chansons de Geste, S. 36; Edgington, Albert of Aachen reappraised, S. 65.

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Es wäre sicher­lich reizvoll, könnte man hinter den Ähn­lichkeiten ­zwischen Türken und der malitia der militia saecularis ein Konzept der daheimgebliebenen Chronisten nachweisen: Die gewandelten milites Christi kämpfen auf dem Kreuzzug gegen die Türken, die alle Laster verkörpern, die auch die m ­ ilites früher charakterisierten, die sie nun aber abgelegt haben und zu wahren R ­ ittern Christi geworden sind. Allerdings sind die typischen Charakteristika, die man den Türken zuschrieb, nicht die Erfindung jener Autoren, sie finden sich allesamt bereits in den Werken der Augenzeugen, etwa auch in den Gesta Francorum. Es ist aber durchaus mög­lich, dass die Kreuzzugsautoren der zweiten Genera­tion in ihren Quellen die Ähn­lichkeiten der Türkendarstellung mit den von ihnen kritisierten Rittern erkannten und dann mit dem oben genannten Ziel in bestimmten Passagen die Kontraste z­ wischen den nach ihrer Sicht idealen Rittern, näm­lich den Kreuzfahrern, und Türken stärker herausarbeiteten. Die „türkenfreund­lichsten“ Stellen der Gesta wurden, wie oben bereits gezeigt, entschärft. Die Kreuzfahrer dagegen sind in den Bearbeitungen der Gesta nicht mehr die typischen Ritter. Sie kämpfen nicht mehr für Ruhm, Geld oder teritoriale Gewinne, genau das, was Bernhard den euro­päischen Rittern s­ päter vorwirft, sondern sie sind wahre milites Christi geworden, die zum Ruhme Gottes kämpfen. Dies stellt Guibert gleich zu Anfang seines Werkes klar, keine Armee der Heiden, auch keine der großen Feldherrn der Antike, sei daher mit den Kreuzfahrern vergleichbar.137 Diese vertrauen auch nicht mehr, wie es die Türken tun, nur auf ihre Anzahl in der Schlacht 138, ganz wie es ­später auch Bernhard von Clairvaux als Ideal formulierte.139 Vielleicht liegt in ­diesem Weltbild der Bearbeiter auch der Grund dafür, dass man den Zusatz „wie wir“ im Angebot Karbuġās, milites zu werden, bei der Neufassung der Gesta wegließ. Wollte man das Rittertum christ­lich verankern, und für diese Autoren sollte ein Ritter zuallererst ein miles christianus sein,140 dann konnten die Türken nicht auch milites sein. Ganz konnte man den miles/ eques Begriff für die Türken nicht vermeiden, denn irgendwie musste man ­Reiter mit für die Daheimgebliebenen vertrauten Begriffen ja beschreiben, aber zumindest an dieser Stelle schien er den Gesta-­Bearbeitern die Unterschiede zu sehr zu nivellieren. Für einen normannischen Ritter gehörten zum Rittersein 137 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, I, I, S. 86, Z. 31 ff; I, I, S. 86, Z. 41 ff. 138 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, III, S. 776E. 139 Bernhard von Clairvaux, De laude, IV, 8, S. 284: „Noverunt siquidem non de suis praesumere viribus, sed de virtute Domini Sabaoth sperare victoriam […]“. 140 Keen, Rittertum, S. 77 ff, 90.

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eben ganz wesent­lich auch Eigenschaften wie Wildheit, Listigkeit, Grausamkeit, Reit- und Kampfkünste – Charakteristika, die die Türken problemlos erfüllten. Je weniger Wert man aber auf ­solche Eigenschaften legte und je stärker man das christ­liche Verhalten eines Ritters in den Mittelpunkt stellen wollte, umso weniger konnten die Türken d ­ iesem Ideal gerecht werden, denn Christen waren sie zweifelsfrei nicht. Dennoch werden die Türken nur bei Ekkehard zu Räubern. Dies ist sicher zum einen darauf zurückzuführen, dass Ekkehard keinen Kampf gegen t­ ürkische Truppen miterlebt hatte. Ihm fehlte daher die einschneidende Erfahrung ­anderer Kreuzzugsteilnehmer, die die psychischen Auswirkungen, also Angst und Panik, aus eigener Erfahrung kannten. Ein weiterer Grund ist sicher auch das unglück­liche Schicksal der Züge von 1101. Angesichts der Tatsache, dass es kaum Überlebende gab, werden wohl viele Weggefährten oder Freunde Ekkehards zu den Opfern gezählt haben. Wollte man zudem das Scheitern erklären, ohne den Kreuzfahrern Versagen vorzuwerfen, so mussten neben den hinterhältigen Griechen auch die „unfairen“ Methoden der Türken schuld sein, die den Kreuzfahrern keine Gelegenheit gegeben hatten, ihre Tapferkeit im Kampf zu erweisen. Die Bearbeiter der Gesta berichteten dagegen von siegreichen Kämpfen gegen die Türken. Hätten sie diese als R ­ äuber bezeichnet, wären die Waffentaten Bohemunds, der franzö­sischen Großen und aller anderen nicht mehr viel wert gewesen.

7 Vor der Schlacht, nach der Schlacht und abseits des Schlachtfeldes

7.1 Das Schicksal geschlagener Gegner Anhand der schrift­lichen Quellen zum ­Ersten Kreuzzug konnte gezeigt werden, dass man die Türken in der Schlacht durchaus als ebenbürtige Gegner betrachtete, deren militärische Tüchtigkeit anzuerkennen man sich nicht scheute, ja dass man sie sogar in gewisser Weise als ritter­liche Standesgenossen ansah. Schlug sich diese Haltung aber auch in der Behandlung des geschlagenen Gegners nieder? Welches Schicksal erwartete die türkischen Krieger, die in die Hände der Christen fielen und wie unterschied sich ­dieses Schicksal von dem, das Geschlagene in innereuro­päischen Konflikten zu erwarten hatten? Dies mündet schließ­lich in die Frage, ob die Brutalität auf dem Kreuzzug über das üb­liche Maß hinausging und, wenn ja, warum. Lassen sich letzt­lich aus den gewonnenen Ergebnissen Rückschlüsse auf das Bild der Kreuzfahrer vom türkischen Gegner ziehen? Zumindest in der Th ­ eorie ging man wohl davon aus, dass den Sarazenen keinerlei Gnade gewährt werden müsse. Die Franzosen könnten ihre Gegner angreifen, überwältigen und ohne Gnade töten, so als s­eien diese Sarazenen, berichtet Suger von St. Denis anläss­lich der Invasion ­Kaiser Heinrichs V. in Frankreich 1124.1 Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei innerchrist­lichen Konflikten, glaubt man Ordericus Vitalis. In der Schlacht von Brémule 1119 ­seien nur drei Ritter gefallen, berichtet der Chronist.2 An einer anderen Stelle erwähnt er lobend, im Krieg gegen die Engländer hätten die Franzosen nur auf die Pferde geschossen, um die Reiter zu schonen.3 Auch wenn diese Beispiele nicht repräsentativ sind, kommt hier doch eine gänz­lich andere Haltung zum Ausdruck.

1 Suger von St. Denis, Vita Ludovici grossi, XXVIII, S. 222: „Aliorum autem perita severitas persua­debat eos diutius expectare, ingressos marchie fines, cum jam fugere intercepti ­nequirent, expugnatos prosternere, tanquam Sarracenos inmisericorditer trucidare […]“. 2 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, XII, 18, Bd. 6, S. 240. 3 Ebd., X, 5, iv 25, S. 218.

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Es gab im 12. Jahrhundert allerdings kein juristisches Konzept, das in irgendeiner Weise vorschrieb, Gefangene, ob Christen oder andere, gut zu behandeln.4 Man hatte sich zwar Gedanken zum gerechten Krieg gemacht (ius ad bellum), nicht aber zum rechtmäßigen Verhalten im Krieg (ius in bello). War ein Krieg gerecht, dann waren Maßnahmen gegen den Feind prinzipiell auch gerechtfertigt und ein gerechter Krieg war der Kreuzzug für die Zeitgenossen allemal,5 galt es doch, die heiligen Stätten zu befreien. In den Kreuzugschroniken finden sich häufig Berichte über ein regelrechtes Abschlachten des fliehenden Gegners, wenn auch betont werden muss, dass es vor allem die daheimgebliebenen Chronisten sind, die sich mit detaillierten Schilderungen hervortun. Nach dem Sieg von Doryläum verfolgten und töteten die Kreuzfahrer die Türken laut Gesta einen ganzen Tag lang. Die lapidare Feststellung des Anonymus baut Guibert von Nogent zu einem ganzen Absatz aus, in dem er unter anderem erwähnt, man hätte gar nicht genug Schwerter gehabt, um all das Töten zu bewerkstelligen und die vorhandenen Schwerter ­seien durch das Abhacken so vieler Gliedmaßen stumpf geworden. 6 Es ist klar, dass der franzö­sische Abt hier versucht, die Gesta literarisch aufzuwerten. Auch der Schlacht gegen die Truppen aus Aleppo folgt ein Massaker an den Fliehenden bis zur Brücke über den Orontes.7 Nach dem Sieg über Karbuġā fanden weder die flüchtenden Soldaten seines Heeres noch die Zivilisten im türkischen Lager Gnade bei den Christen.8 Das rücksichtslose Töten der fliehenden Feinde, in der Regel des Fußvolks und der Bogenschützen, gab es auch in Europa. Matthew Strickland differenziert aber richtigerweise z­ wischen dieser Art der Gewalt und der Brutalität gegenüber Kombattanten, die sich bereits in gesicherter Gefangenschaft befanden. Letztere sei in Europa seltener vorgekommen.9 Während kein Zweifel darüber bestehen kann, dass fliehende muslimische Soldaten von den Kreuzfahrern kaum Gnade zu erwarten hatten, ist frag­lich, ob sich der Umgang mit bereits gefangenen Gegnern deut­lich von der euro­päischen Praxis unterschied. 4 Strickland, War and chivalry, S. 197. 5 Yvonne Friedmann, Did laws of war exist in the crusader kingdom of Jerusalem?, in: Yitzhak Hen (Hg.), De sion exibit lex et verbum domini de Hierusalem. Essays on medieval law, liturgy and literature in honour of Amnon Linder, Turnhout 2001, S. 81 – 103, S. 94. 6 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, III, X, S. 157, Z. 600 ff. 7 Gesta Francorum, IX, 9, S. 203; XVII, 6, S. 272. 8 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 55/56, S. 334 ff. 9 Strickland, War and chivalry, S. 181.

Das Schicksal geschlagener Gegner  |

Peter Tudebod berichtet, man habe gefangene Türken vor die Mauern Antiochias geführt und sie dort geköpft, um die Verteidiger zu demoralisieren. 10 Auch bei Robert und Guibert von Nogent findet sich ­dieses Detail.11 Nach der Schlacht vor Nikäa sollen die Franken, so Albert von Aachen, den Gefallenen sowie den Verwundeten die Köpfe abgeschnitten haben, um diese als Siegeszeichen mit sich zu führen.12 Bohemund soll befohlen haben, gefangene Türken zu erdrosseln, um auf diese Weise eventuelle Spione abzuschrecken.13 Eine Gruppe, die in Europa häufig Opfer von Gewaltexzessen wurde, auch wenn sie sich schon in gesicherter Gefangenschaft befand, waren die Bogenschützen. Während gefangenes Fußvolk in der Regel geschont wurde, wurden Schützen häufig exekutiert.14 France erklärt die außergewöhn­liche Wildheit, mit der man gegen Bogenschützen vorging damit, dass diese häufig auf die Pferde gezielt hätten.15 Hier liegt nun eine Paralelle zum Kreuzzug, denn die Türken hatten ebenfalls schnell erkannt, dass das Pferd der verwundbarste Punkt des christ­lichen Panzerreiters war. Es sagt zwar keine Quelle, dass man gefangene Türken gerade deswegen getötet habe, doch die Genugtuung, wenn es zum Nahkampf kommt und dem Gegner sein Bogen nichts mehr nutzte, wird greifbar.16 Ein rücksichtsloses Vorgehen in solchen Fällen wäre zumindest nachvollziehbar, denn die Wut der Ritter über den hohen ökonomischen Verlust, den der Tod eines Pferdes bedeutete, muss enorm gewesen sein. Dies zumal, da während des Zuges Ersatz nur schwierig zu beschaffen war und daher ein Ritter schnell zum Fußkämpfer werden konnte.17 Die Tötung von Gefangenen war auch in Europa nichts Außergewöhn­liches. Dies galt, wie erwähnt, besonders für gefangene Bogenschützen, die selbst dann exekutiert wurden, wenn sich in den eigenen Reihen Schützen befunden hatten.18 Ein brutales Vorgehen gegen Söldner war ebenfalls relativ häufig. 10 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, V, IV, S. 36 = Edi­tion Hill S. 65. 11 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, III, S. 777A; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, IV, III, S. 172, Z. 171 ff. 12 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 27, S. 108. 13 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, IV, XXIII, S. 190. 14 Strickland, War and chivalry, S. 181. 15 France, Victory in the East, S. 37. 16 Robert der Mönch, Historia Iherosolimitana, III, IX, S. 760B; IV, XIX, S. 786B; IX, XIX, S. 875E; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, IV, III, S. 129 f, Z. 100 – 113; Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXIX, S. 626F. 17 Robert der Mönch, Historia Iherosolimitana, III, XVIII, S. 766D: „[…] et multi qui prius equites exsisterant pedites effecti sunt.“ 18 Strickland, War and chivalry, S. 181.

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Beispiele für das Enthaupten von Gefangenen finden sich noch am Ende des 12. Jahrhunderts und trotz prominenter Gegenbeispiele, wie etwa der Schlacht von Brémule, gab es auch in innerchrist­lichen Konflikten immer wieder recht blutige Auseinandersetzungen, wie etwa die normannischen Feldzüge in Maine im 11. Jahrhundert oder die Schlacht von Bouvines 1214.19 Die Quellenlage zur Tötung von Gefangenen ist in den Berichten zum E ­ rsten Kreuzzug darüber hinaus keineswegs eindeutig. Denn an anderen Stellen, etwa in den Gesta Francorum, lesen sich diese blutigen Ereignisse etwas anders. Dort wird ledig­lich erwähnt, dass man den Gefallenen, nicht den Gefangenen, die Köpfe abgeschnitten habe, um sie über die Stadtmauern zu katapultieren.20 Regelmäßig wird auch berichtet, man habe einen der Feinde verschont, um von ihm Informa­tionen über Stärke und Absichten der feind­lichen Heere und Befehlshaber zu erhalten.21 Dass aber auch das Preisgeben von Informa­tionen gefangene Muslime nicht schützte, zeigt eine Episode bei Albert. Der Chronist erzählt, wie vor Jerusalem zwei Boten gefangen genommen wurden. Einer von beiden sei sofort von einem unbändigen jungen Kreuzfahrer ­erstochen, der andere aber unversehrt vor die Fürsten gebracht worden, wo er die Pläne der Ägypter offen gelegt habe. Danach sei er den Soldaten zurückgegeben worden, die ihn auf ein Katapult gebunden und gegen die Stadtmauer geschleudert hätten.22 In den Chroniken finden sich durchaus auch Berichte über (überlebende) muslimische Gefangene. Robert der Mönch erwähnt sogar 7.000 gefangene Türken nach der Schlacht auf der Brücke vor Antiochia.23 Wenn die Zahl auch maßlos übertrieben ist, so zeigt die Erwähnung doch, dass der Chronist die Gefangennahme von Muslimen nicht als unüb­lich erachtete. Auch Guibert von Nogent, Raimund von Aguilers und Anselm von Ribemont erwähnen gefangene Muslime nach Schlachten.24 Obwohl Guibert sogar betont, viele ­seien gefangen genommen worden, erfährt der Leser bei ihm, wie auch bei Robert, 19 Ebd., S. 155, 160, 165. 20 Gesta Francorum, XVII, 7, S. 273; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, III, VI, S.  145 f, Z. 289 f; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 62, S. 236 ff. 21 Gesta Francorum, XXXVII, 7, S. 459; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VII, IV, S. 274, Z. 217 ff; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, II, 26, S. 104. 22 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 14, S. 422, kürzer bei Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, XV, II, S. 107= Edi­tion Hill S. 139 23 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, IV, XXI, S. 788B. 24 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XIV, S. 267D; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VII, XVI, S. 294, Z. 736 f; Epistula I Anselmi de Ribodimonte ad Manassem archiepiscorum Remorum, in: Hagenmeyer, Kreuzzugsbriefe, Nr. VIII, 10, S. 145.

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Raimund und Anselm, nichts über deren Schicksal. Peter Tudebod erwähnt, man habe vor Jerusalem 50 bis 60 gefangene Sarazenen beim Bau der Belagerungsmaschinen eingesetzt.25 Vielfach scheint die Sklaverei das Los der Überlebenden gewesen zu sein.26 Dies wäre das ­gleiche Schicksal, das nach Ansicht der Chronisten auch viele gefangene Christen getroffen hatte. Für die nüchtern kalkulierenden Kreuzzugsführer bot sich hier die Gelegenheit, aus den Gefangenen in einer Art Gewinn zu ziehen, die in Europa nicht (mehr) mög­lich war, sieht man einmal von Kriegen gegen heidnische Slavenstämme ab. Strickland weist allerdings darauf hin, dass in Irland, Schottland und Wales noch bis weit ins 12. Jahrhundert hinein die Profite nicht aus Lösegeld für Gefangene resultierten, sondern neben der Beute auch aus dem Verkauf als Sklaven.27 Es ist Albert von Aachen, der in seiner ausführ­lichen Schilderung von Lösegeldverhandlungen berichtet. Er erwähnt Roger von Barneville, der sich stets als Vermittler beim Austausch von Gefangenen hervorgetan habe. Sein Ansehen bei den Türken, das ihm diese Rolle ermög­lichte, habe sich Roger durch seine vielen Siege erworben.28 Es sind wieder einmal die militärischen Qualitäten, die das Ansehen beim Feind begründen. Auch hier also der Hinweis auf überlebende Gefangene. Interessant ist die Wortwahl Alberts. Er betont, dass Roger dies häufig („saepius“) getan habe. Dies deutet darauf hin, dass regelmäßig Gefangene gemacht wurden und es auch öfter zum Austausch von Gefangenen kam, als dies in den Quellen erwähnt wird. Leider ist Albert der einzige Chronist, der ­dieses Detail in seine Schilderung aufgenommen hat. Es ist in der Forschung umstritten, inwieweit die Freilassung von Gefangenen gegen Lösegeld gegen Ende des 11. Jahrhunderts üb­lich war. Sowohl Strickland als auch Gillingham scheinen der Ansicht zuzuneigen, Lösegeld habe sich zu dieser Zeit gegenüber der Ermordung von Gefangenen in Europa 25 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, XV, I, S. 107 = Edi­tion Hill S. 138. 26 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XIV, S. 266D; Radulph von Caen, Gesta ­Tancredi, XC, S. 670C. 27 Matthew Strickland, Killing or clemency? Ransom, chivalry and changing attitudes to defeated opponents in Britain and northern France, 7 – 12th centuries, in: Hans-­Henning Kortüm (Hg.), Krieg im Mittelalter, Berlin 2001, S. 93 – 122, S. 98. 28 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 61, S. 234: „Rotgerus vero de Barnavilla pariter convocatus affuit, qui in insidiis Turcorum assiduus, et saepius strages exercens, apud eosdem Turcos notissimus et famosus, laudem adeo obtinuit ut saepius inter Christianos et ipsos de omni conven­tione utrinque captivorum et cujusque rei negotio internuncius audiretur.“; IV, 28, S. 290: „Fama quidem eius apud Turcos omnes antecessit, et libenter eum videre et audire solebant in omni negocio quod cum Christianis agebant, aut in restitu­tione utrimque captivorum, aut cum aliquando pacem inter se componebant.“

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schon weitgehend durchgesetzt. Sie weisen auf die Faktoren hin, die einen Austausch gegen Lösegeld befördert haben sollen.29 In den Auseinandersetzungen im westeuro­päischen Raum habe im 11. Jahrhundert ­zwischen den Gegnern kein religiöser Unterschied mehr bestanden, wie noch bei den Kämpfen gegen Wikinger oder Ungarn. Zudem hätten die Adligen wegen der schwindenden Königsmacht immer mehr Geld benötigt und die zunehmende Anzahl von schwer zu erobernden Befestigungswerken habe die Mög­lichkeit einer Übergabe gegen Freilassung ermög­licht. Von diesen Faktoren waren auf dem Kreuzzug nur wenige erfüllt. Man kämpfte gegen Muslime und die Übergabe von Burgen wurde in der prekären Lage, in der sich die Kreuzfahrerstaaten in den ersten Jahren ihres Bestehens befanden, nicht in Betracht gezogen.30 Yvonne Friedmann ist skeptischer als etwa Strickland, inwieweit die ersten Kreuzfahrer schon mit dem Konzept der Freilassung gegen Lösegeld vertraut waren.31 Als Belege führt sie die misslungene Lösegeldverhandlung für den gefangenen Rainald Porchet vor Antiochia an.32 Dies sei ein Versuch der Muslime gewesen, fried­liche Verhandlungen über die Auslösung zu beginnen, sei aber am Widerstand der Kreuzfahrer gescheitert, da diese ein Lösegeld nicht als mög­liche Lösung betrachtet hätten. Man habe nur die Alternativen Tod oder Bekehrung gekannt. Auch anläss­lich der Züge von 1101 höre man nichts von Lösegeldern. Wenn es Verhandlungen gab, wie im Fall des von Albert genannten Roger, sei die Initiative von den Muslimen ausgegangen. Die Kreuzfahrer hätten erst nach und nach gelernt, dass Gefangene ein lukratives Einkommen ermög­licht hätten. In der Tat bestand im Osten ­zwischen den Muslimen und Byzanz ein regelrecht institu­tionalisiertes System zum Austausch von Gefangenen und dies nicht nur für hochgestellte Persön­lichkeiten.33 Friedmann weist auch auf die Mög­lichkeit hin, dass die Erfahrung auf dem Kreuzzug die entsprechende Entwicklung im Westen erst befördert habe. 29 Strickland, Killing or clemency, S. 103 ff; Strickland, Rules of war or war without rules? Some reflec­tions on conduct and the treatment of non-­combatants in medieval transcultural wars, in: Hans-­Henning Kortüm (Hg.), Transcultural wars from the Middle Ages to the 21st Century, Berlin 2006, S. 107 – 140, S. 129 f, 136 f; John Gillingham, 1066 and the introduc­tion of chivalry into England, in: George Garnett, John Hudson (Hg.), Law and government in medieval England and Normandy. Essays in honour of Sir James Holt, Cambridge 1994, S. 31 – 55, S. 36, S. 51 f. 30 Friedmann, Encounter between enemies, S. 28. 31 Ebd., S. 20, 30, 60 f, 66 ff. 32 Ebd., S. 23; siehe auch Kap. 3.2, Fn. 253. 33 Ebd., S. 33 ff.

Das Schicksal geschlagener Gegner  |

Dennoch ist die Schilderung Alberts glaubwürdig, der Chronist bringt auch an anderen Stellen häufig erstaun­liche und korrekte Details. Zudem erscheint das Handeln der Kreuzzugsführer im Allgemeinen recht pragmatisch, denkt man etwa an die schnelle Etablierung der lateinischen Staaten in Antiochia oder Edessa oder an die Verhandlungen mit den Küstenstädten. Warum sollte man daher auf die Mög­lichkeit verzichten, die eigenen Männer aus der Gefangenschaft auszulösen? Es ist aber wahrschein­lich, dass nur höhergestellte Kreuzfahrer oder auch besonders erfahrene und damit wertvolle Kombattanten, vielleicht altgediente Hauptleute, auf diese Weise frei kamen. Es ist durchaus mög­lich, dass sich Lösegeldverhandlungen und die Schonung von Gefangenen Ende des 11. Jahrhunderts in Europa im Allgemeinen durchgesetzt hatten, dass diese Haltung aber auf dem Kreuzzug gegen Muslime nicht immer beachtet wurde.34 Vielleicht fehlten zunächst, besonders in Kleinasien, aber auch die für Verhandlungen notwendigen Kontakte mit dem Gegner. Die Kreuzfahrer hatten die Verhandlungen zunächst ohnehin den Byzantinern überlassen, das Heer zog schnell weiter nach Syrien und die Türken, ohnehin meist schwer „fassbare“ turkmenische Stämme, zogen sich nach Osten zurück. Von diplomatischen Kontakten mit Muslimen hören wir erst nach der Ankunft des Kreuzzuges in Syrien. Die detaillierte Darstellung vom Töten des geschlagenen Feindes in den Chroniken war wohl auch der Kreuzzugspropaganda geschuldet. Zu Hause erwartete man, dass man die „Heiden“ bekämpfte und das Heilige Land von ihnen „säuberte“ und nicht, dass man sie schonte und Verhandlungen über ihre Freilassung führte.35 Dennoch werden in den Berichten häufig genug musli­ mische Gefangene erwähnt, um darauf schließen zu können, dass der Umgang mit dem gefangenen Gegner im Allgemeinen nicht allzu weit von dem in Europa üb­lichen abgewichen zu sein scheint. Trotz der Feststellungen zum Schicksal von Gegnern, die sich bereits in Gefangenschaft befanden, bleiben die zahlreichen Massaker und Gewaltexzesse im Gedächtnis, die von den Franken vor allem bei der Eroberung von Städten begangen wurden. Wie bereits erwähnt, gab es weder die Verpflichtung, den 34 So wohl auch Strickland, Rules of war, S. 136 f, wonach die Behandlung des geschlagenen Gegners stark von der konkreten Situa­tion und vom jeweiligen Befehlshaber abhing. 35 David Hay, Gender bias and religious intolerance in accounts of the “massacres” of the first Crusade, in: Michael Gervers, James M. Powell (Hg.), Tolerance and intolerance. Social conflict in the age of the Crusades, Syracuse 2001, S. 3 – 10, S. 6 (Der Autor bezieht sich hier allerdings v. a. auf die Beschreibung der Massaker in eroberten Städten, es scheint aber nichts dagegen zu sprechen, seine These auch auf die Erwähnung von Gefangenen zu übertragen.)

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unterlegenen Feind oder Zivilisten zu schonen, noch mussten sich Wertschätzung der militärischen Tugenden und extremste Grausamkeit ausschließen. Aber ging die Brutalität auf dem Kreuzzug über das „üb­liche“ Maß hinaus? Ein solch brutales Vorgehen ist das für den modernen Leser schlicht abstoßend wirkende Abschlagen der Köpfe der gefallenen Feinde. Die Chronisten dagegen berichten darüber mit Genugtuung. Raymond von Aguilers sieht darin eine gerechte Strafe für die Türken, die zuvor das eroberte Banner der Jungfrau Maria in den Schmutz geworfen hätten.36 Tudebod erklärt ganz nüchtern, das Abschlagen der Köpfe habe eine genaue Zählung der getöteten Feinde ermög­ licht. Frei­lich, so der Chronist, müsse er die vier Wagenladungen Köpfe unberücksichtigt lassen, die den fatimidischen Gesandten geschickt worden s­ eien.37 Dieses makabre Vorgehen war allerdings auch in Europa nicht unbekannt. Nach France war das Köpfen der Feinde besonders in der von ihm so genannten „Frontier-­Warfare“ üb­lich  38, also den Kriegen am Rande der mittelalter­lich-­ euro­päischen Zivilisa­tion, etwa im Baltikum oder in Schottland. Strickland erwähnt, dass man im 11. Jahrhundert Köpfe von Schotten auf der Stadtmauer von Durham aufgestellt hatte.39 Das Sammeln von Köpfen sei in eng­lisch-­ schottischen Kriegen um das Jahr 1000 noch üb­lich gewesen.40 Dies zeigt, dass zumindest das Potential für s­ olche Taten auch in Europa vorhanden war, obwohl hier die religiöse Dimension fehlte. Gleiches gilt für Berichte über Grabschändungen auf dem Kreuzzug. Gesteht man auch zu, dass das Aufschlitzen der Bäuche von toten Muslimen auf der Suche nach verschluckten Goldstücken der Not geschuldet war 41, so finden sich auch Berichte über Grabschändungen in den Quellen. Der Anonymus und Raimund berichten als Augenzeugen von der Plünderung türkischer Gräber durch die Kreuzfahrer.42 Die Grabsteine ­seien ­später zum Bau von Befestigungen verwendet worden. Rosalind Hill hält die Stelle für glaubwürdig, 36 Raymond von Aguilers, Historia Francorum, VII, S. 247E. 37 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, VII, IV, S. 49: „Et ejecerunt omnia eorum cadavera in quamdam foveam et deportaverunt caesa capita ad nostra tentora, quatinus perfectus sciretur eorum numerus, exceptos quatuor equos onustos eorum capitibus qui fuerunt ad mare nuntiis admiralii de Babylone delata.“ = Edi­tion Hill S. 77 38 France, Western warfare, S. 192. 39 Strickland, War and Chivalry, S. 303. 40 Strickland, Killing or clemency, S. 97. 41 So etwa: Gesta Francorum, XXXIII, 8, S. 410; Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XXVIII, 1, S. 301 f. 42 Gesta Francorum, XVIII, 10, S. 285 ff; Raimund von Aguilers, Historia Francorum, VIII, S. 249F.

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obwohl Grabbeigaben im Islam nicht üb­lich sind. Bei den Türken s­ eien in der Belagerungssitua­tion Elemente ihres früheren, primitiven Glaubens durchgedrungen.43 In Europa waren die Zerstörung von ­Kirchen und die Schändung von Gräbern nicht unbekannt. So finden sich ähn­liche Berichte anläss­lich des Slawenaufstandes 983 oder der Empörung der Sachsen gegen König Heinrich IV. nur zwanzig Jahre vor dem Kreuzzug.44 Allerdings ist bemerkenswert, dass in allen Beispielen entweder das religiöse Element eine Rolle spielte (Slawen), man den Gegner als wild und unzivilisiert betrachtete (Schotten) oder tiefer Hass auf eine bestimmte Person (Sachsen und Heinrich IV.) ausschlaggebend war. Man wird daher konstatieren können, dass das Potential für entsprechende Gewalttaten auch in Europa durchaus vorhanden war.45 Allerdings dürfte in Kriegen gegen den „Anderen“, gegen andere Kulturen, wie also auch dem Kreuzzug, immer ein extremerer Maßstab als bei Kriegen im Westen gegolten haben, wo nur in Ausnahmefällen die Härte erreicht wurde, die auf dem ­Ersten Kreuzzug allem Anschein nach nicht selten war.46 Später führt Wilhelm von Tyrus in einer bemerkenswerten Aussage die Härte der Auseinandersetzungen sogar ausdrück­ lich auf die kulturellen und religiösen Unterschiede zurück. Zwischen Männern mit dem gleichen Glauben werde Krieg nie so entschieden geführt, wie z­ wischen Männern, die weder Glaube noch Tradi­tion teilen. Denn selbst wenn kein anderer Grund für Hass existiere, so bilde doch die Tatsache, dass die Kämpfenden nicht die gleichen Glaubensgrundsätze teilten eine Quelle ständiger Feindschaft.47 Wenn Wilhelm das zu seiner Zeit behaupten konnte, so dürfte die Aussage erst recht für die Zeit des ­Ersten Kreuzzuges Geltung beanspruchen, als man gerade erst in Kontakt mit dem muslimischen Gegner gekommen war. Die traurigen Höhepunkte d ­ ieses Unternehmens bildeten die Massaker, die die Franken in den eroberten Städten anrichteten. Die Chronisten berichten in den meisten Fällen scheinbar ungerührt über die Massenmorde an Menschen, denen sie zuvor noch Tapferkeit, Mut aber auch Angst oder Trauer über 43 Hill, Crusading warfare, S. 83. 44 Lampert von Hersfeld, Annales, hrsg. von Rudolf Buchner, in: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters (Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe, Bd. XIII), neu übersetzt von Adolf Schmidt, Darmstadt 1957, S. 232 ff; Thietmar von Merseburg, Chronica, hrsg. von Rudolf Buchner, Hans Werner Goetz, in: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters (Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe, Bd. IX), neu übersetzt von Werner Trillmich, Darmstadt 8 2002, S. 104. 45 Strickland, War and Chivalry, S. 303. 46 France, Western warfare, S. 203; ähn­lich auch Housley, Fighting, S. 217. 47 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIII, 16, S. 606, Z. 50 ff.

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Verluste in der Schlacht zugesprochen haben. Die Berichte sind dabei ebenso ausführ­lich wie Schilderungen angeb­licher türkischer Gewalttaten. So erwähnt Albert von Aachen, die Kreuzfahrer hätten in Jerusalem Säuglinge gegen Wände geschleudert und auch Schwangere nicht geschont.48 Seine Schilderungen entsprechen fast genau dem, was er den Türken nach der Schlacht von Civetot vorgeworfen hatte.49 Unter den zahlreichen Schilderungen solcher Gräueltaten heben sich die von Robert dem Mönch, Radulph von Caen und Raimund von Aguilers besonders hervor. Robert der Mönch beschreibt das Massaker nach der Eroberung von Ma’arrat-­an-­Nu’man kritiklos.50 Das Aufschneiden von Leichen auf der Suche nach verschluckten Goldstücken kritisiert er dagegen als verabscheuungswürdige Goldgier. Raimund von Aguilers ist es eine Freude, bei der Eroberung Antiochias einige türkische Reiter einen Felsen hinunterstürzen zu sehen, während er über den Verlust der Pferde betrübt ist.51 Ein tiefer Hass auf Muslime spricht auch aus ihm, wenn es für ihn delectabile ist, zu sehen, wie kopflose Körper der Krieger aus Tripolis im Fluss in die Stadt zurücktreiben 52, oder wenn er die Vorkommnisse nach dem Fall von Jerusalem als mirabilia bezeichnet.53 Radulph schließ­lich preist die angeb­lichen Heldentaten Tankreds nach dem Fall Jerusalems. Zudem könne niemand im Detail die Freuden derer wiedergeben, die töteten.54 Es ist in der Forschung umstritten, ob diese Massaker das im Krieg ansonsten Üb­liche überschritten haben.55 Man wird sicher France, Elm und Hay insoweit folgen können, wenn sie sagen, die Eroberer hätten das Recht ausgeübt, 48 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 23, S. 432; VI, 30, S. 442. 49 Ebd., I, 31, S. 42. 50 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VIII , VII , S. 849B: „Dilaniant traduntque neci pueros juvenesque- Quosque gravat longaeva dies curvatve senectus. Mira res mirumque spectaculum […]“. 51 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, IX, S. 251G: „Accidit quoddam satis nobis jocundum atque delectabile […] Gaudium quidem nobis fuit de praecipitatis hostibus, sed de equis ­plusquam trecentis inibi decollates doluimus.“ 52 Ebd., XVIII, S. 285H. 53 Ebd., XX, S. 300B: „Sed quum jam nostri moenibus potirentur civitatis et turribus, tunc videres mirabilia.“ 54 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, CXXXI, S. 696F: „Tancrede quid ensis, quid probitas […]. Cui narrare vacet per singular sive peremptae, sive peremptricis luctus ac gaudia turbae.“ 55 Für diese Ansicht: Thorau, Kreuzzüge, S. 73; dagegen: France, Victory in the East, S. 355; Kaspar Elm, Die Eroberung Jerusalems im Jahre 1099. Ihre Darstellung, Beurteilung und Deutung in den Quellen zur Geschichte des ­Ersten Kreuzzuges, in: Dieter Bauer, Klaus Herbers, Nikolas Jaspert (Hg.), Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter, Frankfurt a. M. 2001, S. 31 – 54, S. 42 ff; Hay, Gender bias, S. 3.

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das in jener Zeit jedem siegreichen Heer zugestanden worden sei.56 Rein formal ist dies sicher richtig. Dennoch erklärt sich daraus nicht die dramatische Wirkung auf die Zeitgenossen.57 Selbst der ansonsten nüchterne Chronist der Gesta berichtet, nie habe man bisher so ein Massaker an Heiden gesehen und er erzählt bewegt von den Leichenpyramiden, die zum Verbrennen aufgeschichtet worden ­seien.58 Einmal ganz abgesehen von der Wirkung, die das Massaker in der muslimischen Welt auslöste. Vielmehr wird man auch hier annehmen müssen, dass die „Qualität“ der Taten das aus Europa Bekannte nicht überschritt. Die Kreuzfahrer taten nichts, was sie nicht von Zu Hause aus kannten, da eben auch dort, wie bei der Behandlung von Gefangenen, das Potential für ­solche Taten vorhanden war. So hatte das Wüten der Mannen Robert Guiscards 1084 in Rom ­solche Ausmaße angenommen, dass Roberts Verbündetem Papst Gregor VII . fortan eine Rückkehr in seine Stadt unmög­lich war.59 In Europa mag dies eine Ausnahme gewesen sein, die Aufmerksamkeit nach sich zog, es ist aber nicht unwahrschein­lich, dass Umfang und Häufigkeit solcher Gräuel auf dem Kreuzzug deut­lich höher lagen. Ein Grund dafür ist wohl vor allem die religiöse Dimension des Konfliktes. Wie bereits erwähnt, blieb die Religion die entscheidende Trennlinie ­zwischen Christen und Muslimen, die immerhin aus Sicht der Kreuzfahrer die heiligen Stätten verunreinigt hatten.60 Zumindest für Jerusalem muss auch die ungeheure Bedeutung der Stadt für die Christen in Betracht gezogen werden. Zudem werden auch die Entbehrungen und die Not der Kreuzfahrer in vielen Fällen nach dem Sieg in einem ungehemmten und brutalen Vorgehen ein „Ventil“ gefunden haben. Dazu kamen, gerade während des ­Ersten Kreuzzuges, die Größe des Heeres und der unklare Oberbefehl. Die Unmög­lichkeit, die Beute unter diesen Voraussetzungen geordnet zu verteilen, schuf eine Situa­tion, die, wie etwa in Ma’arrat, schnell außer Kontrolle geraten konnte.61 Eng damit zusammen hängt die Tatsache, dass es in Städten wie Ma’arrat oder Albara gerade die ärmeren Pilger waren, die, auch aus der Not getrieben, einen Großteil des Massakers verübten, während Bohemund der Stadt zuvor 56 Siehe dazu auch: Strickland, War and Chivalry, S. 222 ff. 57 Thorau, Kreuzzüge, S. 73. 58 Gesta Francorum, XXXIX, 1, S. 476. 59 Alheydis Plassmann, Normannen, S. 119. 60 So etwa: Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VII, X, S. 283, Z. 450 ff. 61 Hay, Gender bias, S. 5; ähn­lich über die Not und den Zwang zum Plündern auch Riley-­Smith, First Crusade, S. 63.

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bei deren Kapitula­tion Sicherheit zugesagt hatte.62 Die Kreuzzugsführer hatten politische Interessen, handelten daher pragmatisch und waren infolgedessen eher zu einem schonenderen Vorgehen bereit.63 Die Tatsache, dass man in den Türken militärisch ebenbürtige und würdige Gegner sah, erleichterte manchen Rittern vielleicht in gewissen Situa­tionen Zurückhaltung, schloss aber natür­lich Grausamkeiten nicht aus. Während bei den Führern also durchaus politische, militärisch-­ritter­liche und religiöse Motive zusammenspielen konnten, stand bei den Armen das religiöse Moment im Vordergrund. Hinzu kamen oftmals Hunger und Durst, die zu einem rücksichtslosen Vorgehen antrieben. Man wird daher bei d ­ iesem Aspekt oft nach Situa­tion und handelnden Personen differenzieren müssen. Ein wichtiger Punkt, und der gilt für das Verhalten gegenüber dem besiegten Gegner auf dem Kreuzzug allgemein, dürfte aber auch das Fehlen jeg­licher sozia­ ler Kontrolle gewesen sein. Die K ­ irche legitimierte ein gnadenloses Vorgehen gegen Sarazenen, wie die anfangs zitierte Aussage Abt Sugers zeigt. In Europa wurde dagegen versucht, Fehden einzudämmen und das Töten von Christen verdammt. Beim Töten von Muslimen mussten die Täter keine Folgen für ihr Seelenheil fürchten. Zudem fehlte das ­sozia­le Netz, das die Männer in der Heimat umgab, wie Familie, Nachbarn etc. und das ein ungezügeltes Vorgehen unbewusst hemmen konnte, weil man auf Posi­tion und Ruf achten musste. Die Erläuterungen in d ­ iesem Kapitel lassen daher den Schluss zu, dass zumindest einige Konven­tionen auf dem Kreuzzug beachtet wurden. Dies zeigt etwa die Tatsache, dass wohl nicht selten Gefangene gemacht wurden, aber auch der Austausch von Gefangenen oder großzügige Kapitula­tionsbedingungen. Allerdings artete der Umgang mit dem besiegten Gegner weitaus häufiger als in Europa in Gewaltexzesse aus. Wenn auch im Abendland nicht unbekannt, waren diese umfassender, wie etwa im Falle Jerusalems und anderer Städte. Im Westen begann sich spätestens in der Mitte des 11. Jahrhunderts unter den ­milites das Bewusstsein auszubilden, dass man zu einer gemeinsamen militä­ rischen Elite gehörte.64 Wie angeführt, sprechen auch gute Gründe dafür, dass man im rein militärischen Bereich bereit war, die türkischen Reiterkrieger darin einzubeziehen. Die Religion bildete dann allerdings die entscheidende Trennlinie, erinnert sei an das im Konjunktiv gehaltene Türkenlob des Anonymus. 62 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XIV, S. 270A; Gesta Francorum, XXXIII, 7, S. 407. 63 France, First Crusade, S. 253; Köhler, Allianzen und Verträge, S. 70. 64 Strickland, Killing or clemency, S. 113.

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Die religiöse Differenz sorgte dafür, dass „der Andere“, den man prinzipiell als gleich oder ähn­lich anerkannte, Opfer von Gewaltexzessen wurde. Dies um so häufiger, als auch im Westen entsprechende Gräueltaten zwar seltener wurden, aber noch längst nicht der Vergangenheit angehörten.

7.2 Verhandlung statt Kampf: Abkommen über Kapitulationen, Waffenruhen und Bündnisse Gefallen sich viele Chronisten auch darin, die Massaker an fliehenden Türken genau zu beschreiben, so wurden die Kämpfe doch nicht immer bis zur letzten Konsequenz ausgetragen. Bei Belagerungen versuchten die Kreuzfahrer auch durch Verhandlungen eine Kapitula­tion der befestigten Plätze zu erreichen und vor der Schlacht gegen Karbuġā soll eine Gesandtschaft ­diesem Vorschläge unterbreitet haben, wie eine Schlacht zu vermeiden sei. In ­welchen Situa­tionen griff man zum Mittel der Diplomatie? Welche Angebote wurden unterbreitet und wie stellen die Chroniken den Gegner in ­diesem Fall dar? Die Kapitula­tion Nikäas war noch von den Byzantinern verhandelt und A ­ lexios von den Kreuzfahrern noch mit Kritik bedacht worden. Einige ­Chronisten nahmen die Übergabe der Stadt an die Griechen zum Anlass, Verleumdungen über den byzantinischen ­Kaiser in Umlauf zu setzen. So berichtet Robert der Mönch, Alexios habe die Türken Nikäas geschont, um in ihnen ­später Verbündete gegen die Kreuzfahrer zu haben.65 Erste Überlegungen der Kreuzfahrer, selbst Bündnisse mit den Muslimen einzugehen, soll der Normanne Tankred vor Tarsus angestellt haben, will man Radulph von Caen Glauben schenken. Angesichts der Übermacht seines Konkurrenten Balduin soll Tankred daran gedacht haben, sich mit den Türken in der Stadt zu verbünden. Dies habe er aber verworfen, weil es zwar ärger­lich sei, von Balduin besiegt zu werden, noch schlimmer sei es aber, abtrünnig zu werden und auf eine s­ olche Weise zu siegen.66 Hier setzten sich also die Vorbehalte gegenüber den Andersgläubigen noch gegen die Eigeninteressen durch. Alle Chroniken erwähnen die Gesandtschaft der Kreuzfahrer zu Karbuġā, während dieser Antiochia belagerte. Runciman zufolge hätten die Franken die 65 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, V, S. 758C. 66 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXXVIII, S. 633F: „[…] cum barbaris in fratrem pugnare, id est apostare – ergo malum vinci: sed multo vincere pejus.“

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Schwierigkeit Karbuġās erkannt, sein Heer zusammenzuhalten und ihn deshalb zur Aufgabe der Belagerung bewegen wollen.67 Dies scheint frag­lich, wussten die Chronisten doch den überraschenden Sieg nur durch Karbuġās angeb­ liche Feigheit oder durch das Eingreifen einer Armee von Heiligen zu erklären. Mög­lich ist auch, dass die Christen nach dem Auffinden der Heiligen Lanze dermaßen siegessicher und religiös aufgeputscht waren, dass sie glaubten, den seldschukischen Atabeg zum Aufgeben bewegen zu können. In Anbetracht der verzweifelten Lage der ausgehungerten Christen in der belagerten Stadt klingen deren Forderungen in den Gesta in der Tat realitätsfremd. Peter und Herluin, die Gesandten, fordern Karbuġā auf, zum Christentum zu konvertieren oder abzuziehen.68 Andere Quellen erwähnen den Vorschlag eines Zweikampfs ­zwischen einer bestimmten Anzahl ausgewählter Männer, der darüber entscheiden solle, wer Antiochia erhält.69 Albert von Aachen berichtet immerhin noch, dass die Christen sogar bereit ­seien, Karbuġā zu dienen, wenn dieser sich taufen ließe.70 Robert der Mönch und Raimund von Aguilers schildern zudem, dass die christ­lichen Gesandten sich geweigert hätten, sich vor dem Feldherrn zu verbeugen.71 Waren die Forderungen der Christen für den Atabeg unannehmbar, so galt das angesichts seiner Gegenvorschläge auch für die Christen. Denn fast alle Chroniken lassen Karbuġā zunächst Christus verhöhnen, bevor er seinerseits die Forderung nach einem Übertritt zum Islam erhebt. Wenn dies erst geschehen sei, werde sich Karbuġā, so die Quellen, allerdings sehr großzügig zeigen. Er verspricht den Christen Land, Reichtümer und Pferde, damit sie, wie die Türken, milites werden können.72 Sollten die Christen nicht konvertieren, so ­seien Tod oder Sklaverei ihr Schicksal. In Alberts Version der Verhandlungen bietet der Feldherr nur an, die jungen Christen in seine Dienste zu nehmen, alle anderen werde er töten. Zudem habe er den Gesandten viele Fesseln und Stricke gezeigt, um seine Aussage zu bekräftigen.73 67 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 234. 68 Gesta Francorum, XXVIII, 3, S. 365. 69 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LXXXI, S. 664D; Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XXI, 1, S. 248; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, , IV, 45, S. 318. 70 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 44, S. 318. 71 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, V, S. 825B; Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XI, S. 259C. 72 Gesta Francorum, XXXVIII, 4, S. 367; Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VI, III, S. 235 f, Z. 80 ff; Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VII, VI, S. 826B. 73 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 45, S. 318.

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Auch wenn die Authentizität der überlieferten Reden äußerst zweifelhaft ist, lassen sich aus den geschilderten Verhandlungen Rückschlüsse auf das Türkenbild ziehen. Der Vorschlag des Zweikampfs zeigt, dass auch auf die Türken prinzipiell euro­päisch-­ritter­liche Regeln angewandt werden, im Falle der Konversion des muslimischen Atabeg will man sogar in seine Dienste treten. Man erwartet hier also nicht türkische Hinterlist und Feigheit. Der muslimische Feldherr ist nicht unwürdig, vielmehr selbst ein miles, in dessen Gefolgschaft man nach euro­päischem Muster eintreten kann – wenn er nur Christ wäre. Andererseits zeigt die Weigerung der Gesandten, sich zu verbeugen, eine gewisse Geringschätzung des Gegenübers. Die Chroniken schildern die Verhandlungen in einer von Drohungen, Hochmut und unannehmbaren Forderungen beherrschten kühlen Atmosphäre. Karbuġā wird als teuf­lisch 74 und hochmütig 75 beschrieben, er zwingt die Gesandten, sich vor ihm zu verbeugen 76, er macht sich über ihr ärm­liches Äußeres lustig 77 und man verhöhnt die Religion des Gegenübers.78 Bei Albert wird der muslimische Feldherr zwar noch als erlaucht beschrieben und von den christ­lichen Gesandten mit einer entsprechenden Anrede bedacht, wenig ­später wird er aber aufgefordert seinem „heidnischen Aberglauben“ abzuschwören.79 Eine ­solche Wortwahl dürfte kaum geeignet gewesen sein, einen Verhandlungserfolg herbei zu führen. Höfisch-­ritter­liches Verhalten, wie es ­später bei Unterredungen Saladins und seines Bruders mit euro­päischen ­Großen zutage tritt, fehlt hier noch völlig und sei es auch nur bei der Darstellung der Szene in den Chroniken. Wie an anderen Stellen auch, bildet die Religion die Trennlinie. Viele Forde­ rungen sind recht moderat, haben aber immer die Konversion zur Voraussetzung. Auch gängige Vorurteile über den Islam werden von den Chronisten bedient. Den Übertritt zu dieser vermeint­lich verwelt­lichten Religion will Karbuġā den Christen mit vielen Geschenken schmackhaft machen. Das Konversions­angebot an sich könnte dagegen durchaus historisch sein, da es im Islam üb­lich war, dem Feind zunächst einen Übertritt zum Islam anzubieten.80 Es ist frag­lich, inwieweit die Darstellung der Verhandlungen der 74 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VI, II, S. 234, Z. 43 – 46. 75 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XI, S. 259C. 76 Ebd. 77 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LXXXII, S. 664G. 78 Gesta Francorum, XXVIII, 3 f, S. 365 ff. 79 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 44, S. 316 ff: „Corbahan princeps clarissime et gloriosissime tuo in regno […] et gentilium spurcitiis abrenuntiaveris […]“. 80 John Kelsay, Islam and the distinc­tion between combatants and noncombatants, S. 201 f.

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Kreuzzugspropaganda geschuldet ist. Wurde hier die Erwartung bedient, dass die Streiter Christi einem Muslim entsprechend schroff gegenüber zu treten hatten? Selbst wenn dem so ist, liegt hier immer noch ein eindrucksvoller Beleg dafür vor, wie man sich Verhandlungen mit „Heiden“ üb­licherweise vorstellte. Allerdings erwecken auch muslimische Quellen eher den Eindruck einer kühlen Verhandlungsatmosphäre.81 Leider lässt sich der wirk­liche Inhalt der Botschaft an den Feldherrn nicht mehr ermitteln, die überlieferten Forderungen der Christen ließen sich jedenfalls nur mit einer übersteigerten Religiosität nach dem Auffinden der Lanze erklären. Besser rekonstruieren lassen sich zwei Kapitula­tionsverhandlungen. Sowohl die Besatzung der Zitadelle in Antiochia, als auch die Garnison des Davidsturms in Jerusalem boten den Kreuzfahrern in militärisch aussichtsloser Lage die Kapitula­tion an. Die Quellen stimmen in der Schilderung der Vorkommnisse fast vollkommen überein. Ein Emir Karbuġās hatte die Befehlsgewalt über die Zitadelle von Antiochia übernommen. Jener wird in den meisten Quellen äußerst positiv dargestellt. Dass dies mit Worten geschieht, die man dem Muslim Karbuġā in den Mund legte, bedeutet wohl nur eine kleine Einschränkung. Der Feldherr bezeichnet seinen Untergebenen in den Gesta u. a. als tapfer und ehrenhaft.82 Der Emir (sein Name war wohl Aḥmad ibn Marwān, die west­lichen Quellen nennen ihn aber nicht 83) bittet sodann um die Erlaubnis, die Zitadelle den Franken übergeben zu dürfen, sollte Karbuġā von diesen geschlagen werden. Nach dem Sieg des Kreuzheeres über Karbuġā kapitulierte jener Emir dann auch und Bohemund gewährte der türkischen Besatzung in der Zitadelle freien Abzug, ein Teil der Garnison, unter anderem der besagte Emir, ließ sich taufen und trat in Bohemunds Dienste.84 Vielleicht resultiert aus dieser Tatsache die positive Darstellung des Mannes in den Chroniken. Für den ­Ersten Kreuzzug ist sie jedenfalls die Ausnahme, da kein anderer Gefolgsmann eines Gegners ähn­lich 81 The Chronicle of Ibn al-­Athir for the crusading period, übers. von D. S. Richards (Crusade Texts in Transla­tion 13), 3 Bde., Aldershot 2006 – 2007, Bd. 1, S. 16: „In view of this, they sent to Karbughā, asking him for terms to leave the city, but he did not grant what they sought. He said: ‚My sword alone will eject you.‘“ 82 Gesta Francorum, XXI, 5, S. 318: „Tam honestum et prudentem te cognosco […]“. 83 Kemal-­ed-­din, Extraits de la Chronique d‘Alep, in: RHC or. Bd. III, Paris 1884, S. 571 – 690, S. 582. 84 Gesta Francorum, XXIX, 11, S. 380 f; Köhler, Allianzen und Verträge, S. 41 weist darauf hin, dass die Konversion des Emirs nicht Bedingung für das Abkommen war, sondern zu d ­ iesem nur additiv hinzu trat.

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beschrieben wird. Guibert von Nogent erwähnt sogar, Bohemund persön­lich habe diejenigen, die Moslems bleiben wollten, in sarazenisch beherrschtes Gebiet eskortiert.85 Die Historia Belli Sacri bieten eine interessante Abweichung im Geschehensablauf. Danach hätten Richard vom Prinzipat und Tankred, die beide die „syriam linguam“ gesprochen hätten, schon vor dem Sieg über Karbuġā täg­lich (!) versucht, den Emir gegen eine hohe Belohnung zur Übergabe der Zitadelle zu bewegen. Dieser habe frei­lich abgelehnt und darauf verwiesen, Karbuġā sei sein Herr. Wenn jener aber geschlagen werde, dann werde er die Zitadelle übergeben.86 Im Gegensatz zur List und Tücke, die man sonst den Türken unterstellt, wird hier ein solcher als ritter­lich und ehrenhaft dargestellt. Sollte sich der Sachverhalt so zugetragen haben, zeigt er aber auch, dass man vielleicht öfter mit den Türken in Verhandlungen trat, als dies andere Quellen zugeben. Die militärische Lage für die Türken ist hier alles andere als aussichtslos, von Konversion ist nicht die Rede und man bietet dem Gegner eine hohe Belohnung. Von Vorbehalten religiöser Natur ist nichts zu spüren, man macht dem Muslim große Zugeständnisse, um einen taktischen Vorteil zu erhalten, ein Pragmatismus, der die Kreuzzugsführer auch an anderen Stellen auszeichnet.87 Überhaupt bildet die Tatsache, dass die Christen hier als gebender, besser als bittender, Partner auftreten einen Unterschied zu anderen Abkommen des Kreuzzuges, die meist aus einer christ­lichen Posi­tion der Stärke heraus verhandelt wurden. Dies gilt auch für die oben erwähnten Verhandlungen mit Karbuġā, trotz ihrer fast aussichtslosen Lage treten die Christen fordernd auf. Die Stelle in der Historia ist nicht unbedingt unglaubwürdig. Das Kloster Monte Cassino, Entstehungsort des Werkes, besaß gute Kontakte nach Jerusalem.88 Bedenkt man zudem die schwierige militärische Lage, in der sich der Kreuzzug zu jener Zeit befand, könnte dies durchaus täg­liche Verhandlungen erklären. Interessant ist auch die Erwähnung, Tankred und Richard könnten 85 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VI, IX, S. 242, Z. 270 ff. 86 Historia Belli Sacri, LXVII, S. 198: „Riccardus autem de Principatu et Tancredus, qui syriacam linguam sciebant, consulebant quotidie ammirario ut domino Boamundo redderet castrum, et ille sibi daret honorem maximum. At ille dicebat: ‚Videtis hic Curbanam meum dominum: Si autem eum poteritis ejicere de campo, statim vobis reddam castrum.‘“ 87 Hannes Möhring, The Christian concept of the Muslim enemy during the Crusades, in: HansHenning Kortüm (Hg.), Transcultural wars from the Middle Ages to the 21st century, Berlin 2006, S. 185 – 193, S. 188 betont ebenfalls die Rolle, die pragmatische Erwägungen spielten, wenn auch erst für das 12. Jahrhundert. 88 France, Use oft he anonymous Gesta, S. 37.

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Arabisch, denn diese Sprache dürfte wohl mit der „lingua syria“ gemeint sein.89 Ibn al-­Aṯīr erwähnt zudem fränkische Gesandtschaften an die Herrscher von Damaskus und Aleppo, die diesen versichern sollten, die Franken hätten keine über ehemals byzantinisches Gebiet hinausgehenden territorialen Interessen.90 Unabhängig davon, ob dies so stimmt, ist der Zweck klar: Man wollte sich in der schwierigen Lage, in der man sich befand, wenigstens der Neutralität der syrischen Herrscher versichern. Vielleicht erkannten die Kreuzzugsführer sogar, dass Duqāq und sein Bruder Riḍwān kein Interesse an einer Etablierung ­Karbuġās in Antiochia haben konnten. Es zeigt jedenfalls, dass die Franken sich auf dem politischen Parkett Syriens schnell sicher bewegen konnten und sich dieser Mög­lichkeit ganz pragmatisch ohne religiöse Vorbehalte bedienten. Auch die Besatzung des Davidsturmes in Jerusalem erhielt, nachdem sie Raimund von Toulouse die Tore geöffnet hatte, sicheres und freies Geleit nach Askalon.91 Albert von Aachen erwähnt, dass der Abzug erst nach Zahlung eines Lösegeldes geschah. Der Chronist kritisiert allerdings Raimunds Vorgehen. Dieser habe sich durch Habsucht verführen lassen, als er den Sarazenen freien Abzug gewährte.92 Die Kritik Alberts ist vielleicht dadurch zu erklären, dass das Bollwerk ­später zum Zankapfel ­zwischen seinem Helden Gottfried und Raimund wurde.93 Sowohl Bohemund in Antiochia als auch Raimund in Jerusalem war es daran gelegen, sich eine starke Posi­tion in diesen Städten zu verschaffen. Der Besitz der wichtigsten Verteidigungsanlagen war dafür unerläss­lich. Man war daher gerne bereit, großzügige Kapitula­tionsbedingungen zu gewähren, wenn sich die Gelegenheit bot, durch schnelles Zugreifen in eine günstige Stellung zu gelangen. Wie man in der Schlacht auch ganz pragmatisch dachte und (zumindest) die Effektivität und Zähigkeit der türkischen Reiter anerkannte, so verdrängte hier das Eigeninteresse schnell alle Vorbehalte religiöser Natur. Dass die Kreuzfahrer in den Muslimen keine dämonischen Gegner sahen, denen man nur mit dem Schwert entgegentreten konnte, zeigen im Übrigen 89 Vgl. aber die bereits erwähnte Geschichte Usāmas, in der keiner der beteiligten Christen arabisch spricht, darunter auch Tankred, siehe: Usāmah Ibn-­Munqidh, An arab-­syrian gentleman, S. 69, 98. 90 Ibn al-­Athīr, Bd. 1, S.275, z. J. 1097/1098. 91 Gesta Francorum, XXXIX, 2, S. 477. 92 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 28, S. 438: „[…] comes Reimundus avaritia corruptus […]“. 93 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 280; allerdings hat Flori, Chroniqueurs, S. 38 ff gezeigt, dass Albert eher als unparteiischer Chronist denn als Panegyriker Gottfrieds zu sehen ist.

Erste Herrschaftsgründungen in Syrien  |

auch die Bündnisverhandlungen mit den Fatimiden 94 und den Küstenstädten, deren Einbeziehung in die vorliegende Betrachtung jedoch den Rahmen d ­ ieser Arbeit sprengen würde, zumal es sich bei den Verhandlungspartnern nicht um Türken handelte. Mit Ausnahme Alberts findet sich in keiner der Chroniken Kritik an den großzügigen Kapitula­tionsbedingungen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Chronisten nichts daran auszusetzen hatten, wenn man die türkischen Garnisonen prinzipiell nach demselben „Kriegsrecht“ wie in Europa behandelte. Man war bereit, die Türken auch bei Abkommen als gleichwertige Kämpfer anzuerkennen. Dies war nichts anderes als die Vorstufe zu Bündnissen mit muslimischen Herrschern, wie sie s­päter in den Kreuzfahrerreichen üb­lich wurden. Frei­lich gilt die Einschränkung, dass natür­lich jedes Abkommen auch dem Eigeninteresse der Kreuzfahrer zugute kam.

7.3 Umgeben von hinterhältigen Orientalen? Erste Herrschaftsgründungen in Syrien Die Kreuzzugsführer, die im Verlauf des ­Ersten Kreuzzuges die ersten lateinischen Herrschaften im Osten gründeten, sahen sich bald vor die Aufgabe gestellt, mit den Türken politisch statt rein militärisch zu verkehren. Besonders Albert von Aachen beschreibt ausführ­lich Balduins politische Aktivitäten nach der Übernahme der Herrschaft in Edessa im Jahre 1098. Dabei erwähnt er immer wieder Charakterzüge von dessen türkischen Nachbarn, die auch in den Schlachtbeschreibungen zu Stereotypen wurden: Hinterlist und Tücke. Bereits in Kilikien hatte der Normanne Tankred nach Alberts Schilderung schlechte Erfahrungen mit der türkischen Treulosigkeit gemacht. Die Besatzung der Stadt Tarsus hatte ihm die Übergabe versprochen. Nachdem in der Ferne aber das Heer Balduins sichtbar wurde, das die Türken für muslimische Truppen hielten, sollen sie Tankred eröffnet haben, sie hätten den Vertrag nur zum Schein geschlossen, um Tankred hinzuhalten.95 Später schlossen die Städter

94 Siehe dazu: Michael A. Köhler, Al-­Afdal und Jerusalem – was versprach sich Ägypten vom ersten Kreuzzug?, in: Saeculum 37 (1986), S. 228 – 239. 95 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 7, S. 148: „[…] Quapropter te hoc in foedere, quod frustra pepigimus, jam deceptum credas. Nec aliam ob causam te morari in castris fecimus, nisi quia spem auxilii in his quas vides aciebus, in tuam tuorumque perdi­tionem praestolabamur.“

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dann ohne Rücksicht auf Tankred einen Vertrag mit Balduin.96 Albert schließt in seine Kritik auch die Bürger der Stadt, also armenische Christen, mit ein, sodass der Vorwurf der Hinterlist hier gegen alle Orientalen gerichtet ist. Albert liefert eine ausführ­liche Schilderung von den ersten Kontakten ­Balduins mit seinen neuen türkischen Nachbarn in Edessa, Baldak von ­Samosata und Balak ibn Ortoq.97 Baldak bot Balduin zunächst seine Unterwerfung und den Dienst als Söldner an, der Lothringer lehnte allerdings zuerst ab. Erst nach Drohungen Baldaks, Geiseln zu töten, ließ sich Balduin auf den Handel ein, nachdem seine Männer ihn davon überzeugt hatten. Er ließ Baldak reiche Geschenke zukommen, so etwa die im Orient als Geschenke üb­lichen kostbaren Gewänder und Pferde. Darüber hinaus unterwarf sich Baldak und wurde der condomesticus und familiaris Balduins.98 Von einer Konversion ist nicht die Rede. Hier zeigt sich klar, wie schnell sich die fränkischen Führer im Nahen Osten einfügten. Man handelte pragmatisch und fand nichts dabei, Türken in das eigene Gefolge aufzunehmen. Kreuzzugsführer wie Balduin waren zu einer Koopera­tion ohne weiteres bereit, wenn es ihnen profitabel erschien. Ein weiterer Grund für das flexible Verhalten war aber sicher­lich auch, dass bei der Herrschaftsgründung, im Gegensatz zum Kreuzzug selber, kein Druck von Seiten der einfachen Pilger bestand, bei denen der Gedanke der Heidentötung besonders durchdrang.99 Ein tieferliegender Grund für diese schnelle Verständigung ist sicher auch, dass sich die Situa­tion in Syrien strukturell nicht wesent­lich von der in weiten Teilen Europas im 11. Jahrhundert unterschied, worauf schon hingewiesen wurde.100 Man sollte sich daher auch vor Interpreta­tionen hüten, die die edlen fränkischen Ritter im Orient nun gleichsam in einem Haifischbecken hinterhältiger Politik sehen. Im Osten wie im Westen nutzte eine Kriegerkaste das Fehlen einer starken Zentralgewalt zum Ausbau der eigenen Macht aus, in Konkurrenz zu anderen Mitgliedern ihrer Klasse. Dementsprechend schnell passten sich Kreuzfahrer wie Balduin an. Es sei nur an sein rücksichtsloses Vorgehen gegen seinen 96 Ebd., III, 9, S. 152: „Tancredo penitus ignorante, foedus et amicitiam cum Baldewino firmaverunt.“ 97 Zum Aufbau von Balduins Herrschaft: Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 195 – 200; zu Balak ibn Ortoq: M. T. Houtsma, T. W. Arnold u. a. (Hg.), Enzyklopädie des Islam. Geographisches, ethnographisches und biographisches Wörterbuch der muhammedanischen Völker, Bd. I, Leipzig 1913, S. 637. 98 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 24, S. 176. 99 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 48, 70. 100 Siehe Kap. 6.1.

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Vorgänger und Adoptivvater, den Armenier Thoros, erinnert. Dieser wurde von den Bürgern Edessas mit Duldung Balduins getötet.101 Die Mittel, derer sie sich in Syrien bedienen mussten, kannten die Führer des Kreuzzuges ohne weiteres von zu Hause. Es handelt sich hier keineswegs um tumbe oder naiv-­idealistische euro­päische Ritter. Neu waren ihnen allenfalls die öst­lichen Religionen und das Klima, aber Mord, Verrat und Plünderungen gehörten hier wie dort zum rauen Alltag der politischen Auseinandersetzung. Im politischen und militärischen Bereich trennte Kreuzfahrer und Türken kaum etwas und dies erleichterte es ihnen, Türken in ihren Dienst aufzunehmen bzw. in den Dienst von Christen zu treten. Der Respekt, den die Kreuzfahrer den Türken in militärischer Hinsicht entgegenbrachten, dürfte dabei sicher auch hilfreich gewesen sein. Albert von Aachen schildert Balduins neuen Gefolgsmann Baldak in der Folge allerdings recht negativ. Der Türke hatte sich zwar unterworfen, dann habe er aber aus Habgier seine Dienste den Bürgern der aufständischen Stadt Sarudj angeboten. Nachdem diese sich Balduin ergeben hatten, habe Baldak sich laut Albert wieder bei dem Lothringer eingeschmeichelt. Dennoch misstraute ­Balduin laut Albert dem Türken von nun an und forderte ihn auf, seine ­Familie als Geiseln zu stellen.102 Nachdem Baldak dies listigerweise immer wieder heraus­gezögert hatte, ließ Balduin ihn schließ­lich hinrichten.103 Ebenso tückisch erscheint bei Albert Balak ibn Ortoq. Dieser habe angeboten, Balduin seine Burg Amacha auszuliefern, habe aber heim­lich Soldaten darin verborgen, die Balduin beim Betreten der Festung aus dem Hinterhalt überfallen sollten. Als Balak Balduin mit schmeichelnden Worten bittet, nur mit wenigen Getreuen die Burg zu betreten, s­ eien einige Franzosen misstrauisch geworden und hätten Balduin gefragt, wie er nur den Worten eines heidnischen Türken Glauben schenken könne. So gewarnt, sei Balduin der Falle entgangen.104 Diese Vorkommnisse hätten aber dazu geführt, dass Balduin dem Rat und der Hilfe der Türken von nun an mit Hass und Misstrauen begegnet sei.105 Leider schildert der einzige Augenzeuge von Balduins Zug, Fulcher von Chartres, die Ereignisse nur sehr knapp 106, sodass eine zweite Sichtweise der Dinge fehlt. Aber es handelte sich gerade um lothrin­gische Kreuzfahrer, also 101 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 196. 102 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 24, S. 176; III, 25, S. 178. 103 Ebd., V, 12, S. 364. 104 Ebd., V, 19, S. 362. 105 Ebd., V, 21, S. 364: „Ab eo die Turcos eorumque consilium et auxilium ac frequenta­tiones vehementi odio habere coepit.“ 106 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XIV, 14, S. 215.

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Männer aus der Gruppe von Alberts Gewährsleuten. Es ist daher gut mög­lich, dass er die Ereignisse von direkten Augenzeugen erfahren hat. Auf jeden Fall wird man annehmen dürfen, dass im Gefolge Balduins die Ansicht verbreitet war, bei Verhandlungen mit Türken sei Vorsicht angebracht. Anzumerken bleibt, dass das Balduin von Albert unterstellte Misstrauen gegen die Türken jedenfalls keinen sichtbaren Einfluss auf seine spätere Diplomatie als König von Jerusalem hatte.107 Zbinden weist richtigerweise darauf hin, dass es sich bei Baldak und Balak um eine Art türkische Söldnerführer handelte 108, also lokale „Warlords“, die nach dem Zusammenbruch der seldschukischen Zentralmacht auf eigene Faust ihr Glück suchten. Gewinn und Erhalt ihrer Selbstständigkeit waren deren oberste Ziele. Ihnen konnte deshalb nicht daran gelegen sein, sich langfristig an einen Herrscher wie Balduin zu binden, noch, einen solchen in ihrer Nähe zu machtvoll werden zu lassen. Das Verhalten der türkischen Führer erklärte sich also aus der lokalen politischen Situa­tion und nicht aus vermeint­lich spezifisch türkischen Charakterzügen. Bei Albert allerdings trugen s­ olche Vorkommnisse offenbar leicht dazu bei, Hinterlist geradezu zu dem Stereotyp der Türken werden zu lassen. Bezeichnend ist auch die Charakterisierung eines Sarazenen bei Albert. Der Mann, der Gottfried vor einem Hinterhalt warnt, sei ein Heide, aber treu.109 Die Wortwahl legt nahe, dass sich beide Eigenschaften für den Chronisten normalerweise ausschließen. Dass aber die Kreuzzugsführer keineswegs alle Türken als treulos ansahen, belegt eine Geschichte, die wiederum Albert überliefert. Umar von Hasor hatte Herzog Gottfried um Unterstützung gegen Riḍwān von Aleppo gebeten. Gottfried war zunächst misstrauisch, Albert erwähnt wieder Treulosigkeit und Hinterlist der Türken,110 schließt dann aber doch eine Militärallianz mit dem Herrscher.111 Die Etablierung der Oberherrschaft des Lothringers über Hasor bietet ein weiteres Beispiel für eine bereitwillige Koopera­tion mit den Türken bei der fränkischen Herrschaftsbildung. Umar musste aber seinen Sohn als Geisel stellen. Dieser starb im Lager der Christen. Laut Albert habe Gottfried den Brauch der Heiden respektiert und den in Purpur gehüllten Leichnam zur 107 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 48, Fn. 154. 108 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 55 f. 109 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 42, S. 458: „[…] licet gentilis fideli inten­ tione […]“. 110 Ebd., V, 8, S. 346 ff. 111 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 45 ff siehe auch dort zu genauen Ausgestaltung des Abkommens.

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Familie des Jungen zurückgeschickt. Dessen Vater habe Gottfried und Balduin auch weiterhin die Treue gehalten.112 Der Umgang mit der Leiche zeigt, dass man schon in ­diesem frühen Stadium gepflegte Umgangsformen an den Tag legen konnte. Berichte über die Hinterlist der Türken im politischen Bereich finden sich fast nur bei Albert. Ledig­lich Guibert von Nogent und Fulcher von Chartres erwähnen ähn­liche Vorkommnisse.113 Fulcher tut dies nur in einem Halbsatz und Guibert relativiert seine Geschichte von der Vergiftung Gottfrieds durch einen Sarazenen selbst, indem er auch die Gegenansicht aufführt. Albert war aufgrund seiner Arbeitsmethode besonders empfäng­lich für ­solche Geschichten. Diese dramatischen Episoden von Hinterlist und Verrat machten wohl schnell im Heer die Runde und wurden bei den Erlebnisberichten zu Hause ausgeschmückt und zuallererst an den eifrigen Chronisten weitergegeben, bei dem sich dann ein entsprechendes Bild verfestigte. Hinzu kommt, dass die Lothringer, Alberts Informanten, durch Balduins Herrschaftsbildung natür­ lich besonders in Kontakt mit der orienta­lischen Politik gerieten, beim Kampf blieb eben weniger Raum für Hinterhältigkeit als bei fried­lichen Beziehungen. Unter den frühen Kreuzzugschronisten ist es Albert, der die Türken mit Abstand am häufigsten als hinterhältig oder listig bezeichnet. Entsprechende Adjektive finden sich bei ihm fast zwanzig Mal. Vielleicht übertreibt Albert aber auch bewusst, um seinem Leser deut­lich zu machen, dass sich seiner Meinung nach die orienta­lische Hinterlist sogar von den Ränkespielen der heimischen Feudalherren abhob, die man aus eigener Erfahrung kannte. Angesichts der politischen Lage in Syrien in jenen Jahren war ein gesundes Maß an Misstrauen gegenüber den Vertragspartnern sicher angebracht, aber die Kreuzzugsteilnehmer dürften über ein differenzierteres Bild verfügt haben. Dies zumal eine Koopera­tion mit den regionalen türkischen Herrschern in den Bahnen ablaufen konnte, die man von zu Hause kannte und aussichtsreiche Mög­lichkeiten zum Aufbau einer Herrschaft bot. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Religion in den Chroniken zwar in vielen Bereichen als entscheidende Trennlinie greifbar wird, dass aber besonders die Kreuzzugsführer in Fragen der Herrschaftsbildung und der Diplomatie schnell bereit waren, ganz pragmatisch zu handeln. Von religiösen Vorbehalten ist bei der Übernahme von Türken in eigene Dienste und der schnellen Etablierung der 112 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, V, 32, S. 378. 113 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, III, 9, S. 366; Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VII, XXV, S. 317, Z. 1344 ff.

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fränkischen Herrschaften in Syrien und Palästina nichts zu spüren. Zwar werden bei Albert List und Heimtücke zu türkischen Stereotypen, doch handelt es sich hierbei nicht um Eigenschaften, die zwingend mit dem Glauben der Beteiligten verbunden, sondern um Handlungsweisen, die der politischen Lage geschuldet sind und die den fränkischen Führern aus Europa alles andere als unbekannt waren.

7.4 Die türkischen Herrscher und Befehlshaber a) Der Sultan: Kılıç Arslān Da die Chronisten wohl kaum die Mög­lichkeit hatten, Genaueres über die muslimischen Befehlshaber in Erfahrung zu bringen, dürften die Episoden in den Chroniken, die Szenen aus muslimischen Feldlagern oder Höfen beschreiben, der Fantasie der Schreiber entsprungen sein. Kılıç Arslān war einer der türkischen Führer, die in Kleinasien nach dem Zusammenbruch der byzantinischen Macht ihre Herrschaften aufgebaut hatten. Die Kreuzfahrer traten ihm und seinen Truppen bei den Kämpfen um seine Hauptstadt Nikäa und bei der Schlacht von Doryläum gegenüber. Kılıç Arslān wird in den Chroniken stets „Soliman“ genannt. Frag­lich ist, ob die Kreuzfahrer seinen wahren Namen nicht kannten, weil er noch relativ jung war und beim Kampf gegen das Kreuzheer daher nur eine untergeordnete Rolle spielte.114 Wahrschein­licher ist, dass die Kreuzfahrer, wohl durch Übernahme in Byzanz gebräuch­licher Bezeichnungen, den Namen des Vaters von Kılıç Arslān, Sulaimān (gest. 1085), auch für dessen Sohn verwendet haben.115 Ibn-­Sulaimān, Sohn des Sulaimān, wurde so zum Soliman der Kreuzzugschroniken. Dies erscheint umso plausibler, als das Verwandtschaftsverhältnis ­zwischen den beiden den Franken offensicht­lich bekannt war.116 Wieder einmal ist es fast ausschließ­lich Albert von Aachen, der eine ausführ­ liche Schilderung bringt und Kılıç Arslān in seinem Werk einige Passagen widmet. Der türkische Herrscher wird von Albert sehr positiv geschildert. Nicht nur im 114 Kılıç Arslān in: M. T. Houtsma, A. J. Wensinck u. a. (Hg.), Enzyklopädie des Islam. Geographisches, ethnographisches und biographisches Wörterbuch der muhammedanischen Völker, Bd. II, Leipzig 1927, S. 1082. 115 C. Cahen, Kılıç Arslān, in: C. Bosworth, E. van Donzel, B. Lewis, C. Pellat (Hg.), Encyclopédie de l’Islam. Nouvelle Édi­tion, Bd. V, Paris 1986, S. 105; Cahen, Turkish invasion, S.  135 – 176. 116 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, XVI, S. 764F: „Erat autem Solimannus filius Solimanni Veteris, qui totam Romaniam abstulit imperatori.“

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militärischen Bereich schreibt der Chronist dem Sultan allerlei Tugenden zu. Schon bei dessen erstem Auftritt bezeichnet Albert den Türken als erlauchten Herrn.117 Anläss­lich der Schlacht von Nikäa ist Kılıç Arslān für Albert ein sehr vornehmer aber heidnischer Herr mit einem tapferen Heer.118 Ähn­liche Superlative finden sich in den Chroniken durchaus auch zur Bezeichnung der Kreuzzugsführer.119 Der Chronist aus dem Rheinland erwähnt auch die Trauer des Sultans über den Tod vieler seiner Männer in den Schlachten von Nikäa und Doryläum.120 Auffallend an Alberts Darstellung ist, dass Kılıç Arslān nach dem Abzug des Kreuzheeres aus Anatolien keineswegs aus der Erzählung des Chronisten verschwindet. Vielmehr taucht der Sultan im Rat des Statthalters von Antiochia auf, wo dieser ihn bittet, eine Gesandtschaft zu Karbuġā und dem Sultan in Bagdad anzuführen, da er ein beredter Mann sei.121 Albert ist der einzige Chronist, der Kılıç Arslān in ­diesem, historisch falschen, Zusammenhang erwähnt. Vor dem Sultan und Karbuġā habe der „hochberühmte Redner“122 und Mann eines „wundersamen und großen Geistes“123 die Anwesenden um Hilfe gegen die Kreuzfahrer ersucht, deren Überlegenheit und Tapferkeit er in Alberts Schilderung anerkennt. Insbesondere tritt Kılıç Arslān hier in Gegensatz zu Karbuġā, der sich über die Gesandten lustig macht und behauptet, die Christen ­seien keine gefähr­lichen Gegner. Bei der Schlacht vor Antiochia befindet sich Kılıç Arslān laut Albert – wiederum ohne historische Grundlage – im Heer Karbuġās. Hier wird er als „miles savissimus“, als sehr wilder Krieger beschrieben,124 was schon eher dem durchschnitt­lichen Türkenbild der Kreuzzugschronistik ähnelt, aber aus der Sicht eines euro­päischen Ritters durchaus eine positive Bedeutung haben konnte. Als „wild“ charakterisiert auch Radulph von Caen den Sultan.125 Könnte wiederum das einprägsame Erlebnis der Schlacht von Doryläum der Grund für die Hochachtung vor dem gegnerischen Befehlshaber sein, dem von militärischer Tüchtigkeit über Weisheit bis zur Redekunst alle Tugenden 117 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, I, 16, S. 32: „viri magnifici“. 118 Ebd., II, 21, S. 94: „vir nobilissimus, sed gentilis.“ 119 Flori, Croisade et chevalerie, S. 391. 120 Albert von Aachen, Historia Hierosolymitana, II, 43, S. 136. 121 Ebd., IV, 2, S. 248: „virum facundum“. 122 Ebd., IV, 3, S. 250: „Quem Solimannus, quia erat aetate prior et industria nominatissimus ac facundia, salutavit“, Übers. nach Hefele, Albert von Aachen. 123 Ebd., IV, 6, S. 254: „[…] qui erat vir mire et magne industrie […]“; Übers. nach Hefele, Albert von Aachen. 124 Ebd., IV, 49, S. 326. 125 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, XXV, S. 623E: „[…] non si vel rex ipse Solimannus cum omnibus suis copiis in eos saeviat cessuram.“

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zugeschrieben werden? Andererseits war der Sultan auch an den vernichtenden Niederlagen der Züge von 1101 beteiligt, bei denen Albert die Türken als grausame Mörder bezeichnet. Die zahlreichen Auftritte Kılıç Arslāns, die Alberts Schilderung von allen anderen Berichten unterscheiden, lassen ­darauf schließen, dass der Chronist sich hier auf eine andere Quelle stützte. In der Tat ergeben sich gerade bezüg­lich der Gesandtschaft zum Sultan in ­Bagdad größere Übereinstimmungen mit einer epischen Quelle, dem ­Chanson ­d’Antioche.126 In der Forschung überwiegt die Ansicht, dass das Lied auf einen Kreuzzugsteilnehmer, einen gewissen Richard den Pilger, zurückgeht, der es zu Anfang des 12. Jahrhunderts komponiert haben soll.127 Nimmt man eine frühe Entstehungszeit des Liedes an, erscheint es durchaus mög­lich, dass Albert zumindest eine primitive, münd­liche Version des Liedes kannte und Episoden daraus übernahm.128 Dies würde sowohl die Art der Schilderung des türkischen Sultans als auch sein Auftreten in Antiochia und Bagdad erklären. Denn die farbige Darstellung Kılıç Arslāns passt nur zu gut zu einem epischen Werk, das seine Zuhörer vor allem unterhalten und emo­tional fesseln will. Erinnert sei etwa an das ­Rededuell Kılıç Arslāns gegen den hochmütigen Karbuġā.129 So ergeben sich in einigen Aspekten der Person des Sultans Ähn­lichkeiten zu den adligen Sarazenen in den späteren Chansons de Geste, wie etwa Ritter­lichkeit und Tapferkeit.130 Erstaun­lich ist die positive Darstellung des Sultans dennoch, erinnert sie doch in vielem an das Bild des ritter­lichen Saladin ein Jahrhundert ­später. In anderen Chroniken taucht der Sultan ledig­lich in einer längeren fiktiven Passage auf, als er nach der Schlacht von Doryläum einer Gruppe Araber sein Leid klagt und berichtet, welch mächtige Gegner die Franken s­ eien.131 Interessant ist, 126 La Chanson d’Antioche, hrsg. von Suzanne Duparc-­Quioc, 2 Bde., Paris 1978, S. 148, S. 165 f, S. 170. 127 So: Duparc-­Quioc, La Chanson d’Antioche; Edgington, Albert of Aachen and the Chansons de Geste, S. 28; Lewis A. M. Sumberg, Au confluent de l’histoire et du mythe: La Chanson d’Antioche. Chronique en vers de la Première Croisade, in: Karl Heinz Bender (Hg.), Les Epopées de la Croisade (Zeitschrift für franzö­sische Sprache und Literatur – Beiheft 11), Stuttgart 1987, S. 58 – 65, S. 59; für eine Entstehung des Werkes erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts: Robert Francis Cook, „Chanson d’Antioche“, Chanson de Geste: Le Cycle de la Croisade est-­il épique?, Amsterdam 1980. 128 Edgington, Albert of Aachen and the Chansons de Geste, S. 28. 129 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 3 – 6, S. 250 ff. 130 Norman Daniel, Heroes and Saracens. An interpreta­tion of the Chansons de Geste, Edinburgh 1984, S. 31 ff. 131 Gesta Francorum, X, 1, S. 209 f.

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dass Robert der Mönch Kılıç Arslān in dieser Rede die Franken genauso beschreiben lässt, wie die Chronisten ansonsten die Türken vor der Schlacht darstellen. Sie schreien, erfüllen die Luft mit ihrem Kriegsgeschrei und kennen keine Gnade.132 Es kann nur gemutmaßt werden, ob der Chronist hier die Beschreibung der Türken kopierte, um eine mög­lichst realitätsnahe Schilderung eines furchterregenden Gegners zu erhalten. Kriegsgeschrei war aber auch in Europa etwas völlig ­Üb­liches vor der Schlacht,133 sodass sich Robert hier auch an der Realität orientiert haben kann. Ähn­liche Klagen über die Franken finden sich auch bei Albert 134 und dienen wohl der Glorifizierung der Kreuzfahrer, da die Gesprächspartner des Sultans meist erwähnen, dieser sei sehr tapfer und noch vor keinem anderen Gegner geflohen. Ein Lob aus dem Mund des Gegners galt als besonders wertvoll. b) Der Statthalter: Yaġī Siyān Der Emir Yaġī Siyān, der Statthalter von Antiochia, war den Kreuzfahrern, die die Stadt immerhin acht Monate belagerten, ein hartnäckiger Gegenspieler. Dennoch erfährt er in den Quellen nicht das g­ leiche Lob wie Kılıç Arslān. Vielmehr zeichnen die Chroniken ein sehr unterschied­liches Bild des Statthalters, den die Chronisten Arianus, Acxianus oder Cassianus nennen.135 Auf die Meldung, die Franken hätten die Brücke über den Orontes überschritten, soll er laut Albert von Aachen von Angst ergriffen worden sein.136 Eine panikartige Furcht nach unvorhergesehenen Niederlagen ist in den Quellen typisch für Yaġī Siyān. So berichtet Albert von dessen Angst nach der Schlacht vor dem Brückentor von Antiochia (6. März 1098),137 die mit schweren türkischen Verlusten endete. Die Gesta Francorum erwähnen seine Flucht aus Angst vor den Franken nach dem Fall der Stadt.138 Erstaun­licherweise ist es ein muslimischer Chronist, Ibn ­al-­Aṯīr, der am deut­lichsten schildert, wie Angst und Panik Yaġī Siyān in dieser Situa­ tion seiner Zurechnungsfähigkeit berauben. 132 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, III, XVII, S. 765E: „Tunc vociferant et s­ trident dentibus et aream clamoribus implent, et peregrini a misericordia neminem capiunt, sed omnes necant. Et quid dicerem de tam crudely gente?“ 133 Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 66. 134 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 3, S. 252. 135 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LVII, S. 649B; Wilhelm von Tyrus, Chronicon, IV, 11, S. 248, Z. 1 f: „Acxianus, na­tione Turcus […]“. 136 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, III, 35, S. 194. 137 Ebd., IV, 1, S. 248. 138 Gesta Francorum, XX, 10, S. 308: „Cassianus vero dominus illorum timens valde gentem Francorumdedit se omnimodo fugae […]“.

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„[…] bei Tagesanbruch gewann er seine Selbstbeherrschung zurück, nachdem er vorher kopflos gewesen war und wurde gewahr, dass er schon mehrere farsaḫ zurückgelegt hatte. Er fragte seine Begleiter: ‚Wo bin ich?‘“139

Hier kommt eventuell von muslimischer Seite die Kritik an der Flucht des Emirs zum Ausdruck, obwohl sich die Zitadelle der Stadt noch in den Händen der Verteidiger befand. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Ibn al-­Aṯīr nur mit Einschränkungen als Primärquelle gelten kann, da er erst 1160 geboren wurde (gest. 1233). Die Charakterisierung Yaġī Siyāns als ängst­licher Befehlshaber ist nicht durchgehend. Ihm werden zum Teil in denselben Quellen auch positive Eigenschaften zugeschrieben. Er habe während der Belagerung „unvergleich­lichen Mut und Urteilssinn, Entschlossenheit und Umsicht“ gezeigt, so Ibn al-­Aṯīr.140 Auch Radulph von Caens Schilderung der Maßnahmen, die Yaġī Siyān vor Beginn der Belagerung habe anordnen lassen 141, etwa das Sammeln von Getreide, zeigen einen vernünftig und ra­tional handelnden Statthalter. Immerhin ist es mög­lich, dass Radulph solch positive Informa­tionen über Yaġī Siyān erhalten hat, als er etwa zehn Jahre ­später nach Syrien kam. Radulph ist auch der einzige Chronist, der den Mord an Yaġī Siyān kritisiert. Der Statthalter wurde auf der Flucht nach dem Fall Antiochias von einem Armenier, der ihn erkannt hatte, getötet. Für den Chronisten handelte der Mörder bei dem Mord gegen jedes Ehrgefühl.142 Eine dritte Richtung bei der Darstellung des Statthalters von Antiochia zeigt Yaġī Siyān als den grausamen muslimischen Tyrannen, der unbarmherzig gegen Christen vorgeht. Für Raimund von Aguilers ist der Mord an dem Statthalter gerecht, weil dieser viele Armenier, also Christen, geköpft habe.143 Fulcher von Chartres, der frei­lich mit Balduin weiter nach Osten gezogen war, wirft der türkischen Besatzung vor, aus Wut über eine Niederlage zahllose Christen in der Stadt getötet zu haben.144 Auch die Episode des Ritters Rainald Porchet, die nur Tudebod und das Chanson d’Antioche erzählen, zeigt Yaġī Siyān als blutrünstig. Der Statthalter soll versucht haben, Porchet, einen gefangenen Kreuzfahrer, zur Konversion zum Islam zu überreden. Er habe ihm dafür Gold, Pferde und 139 Ibn al-­Athīr, Bd. 1, S. 15. 140 Ebd., Bd. 1, S. 14. 141 Radulph von Caen, Gesta Tancredi, LVII, S. 649B. 142 Ebd., LXIX, S. 656G: „Immemor honesti, pietate neglecta, servus dominum clava sublata dilaniat, cerebrum spargit, spolia satis arcta ingentibus praeferens prominis.“ 143 Raymond von Aguilers, Historia Francorum, IX, S. 252A. 144 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, I, XV, 10, S. 221.

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andere Reichtümer versprochen. Als Porchet sich geweigert habe, habe er ihn auf der Stadtmauer köpfen lassen. Außerdem s­ eien auf seinen Befehl hin alle anderen in Antiochia gefangenen Pilger verbrannt worden.145 In diesen Anschuldigungen, besonders in der Episode um Rainald Porchet, zeigt sich ein immer wiederkehrendes Bild des grausamen muslimischen Tyrannen, der letzt­lich vergeb­lich versucht, einen standhaften christ­lichen Pilger mit Geschenken zur Konversion zu bewegen. Seine Frömmigkeit muss der Pilger mit dem Leben bezahlen und wird so zum Märtyrer. Es fällt nicht schwer, in diesen Verleumdungen Kreuzzugspropaganda zu erkennen. Im Übrigen fehlen entsprechende Anschuldigungen in den Schilderungen der Augenzeugen der Belagerung. Sowohl der Anonymus als auch Raimund hätten aber einen Massenmord an den antiochenischen Christen nicht verschwiegen. Bei Ibn al-­Aṯīr liest sich das Vorgehen des Statthalters auch vollkommen anders. Yaġī Siyān habe demnach die christ­lichen Männer ledig­lich aus der Stadt ausgesperrt, aber ihre Familien innerhalb der Mauern weiterhin geschützt und nicht zugelassen, „dass ihnen auch nur ein Haar gekrümmt wurde.“146 Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte liegen. So hält es Runciman, gestützt auf Albert von Aachen, für mög­lich, dass sich Yaġī Siyān im Allgemeinen ­tolerant gezeigt habe. Erst vor Beginn der Belagerung sei es zu Übergriffen auf K ­ irchen und christ­liche Würdenträger gekommen, während andere Christen ausgewiesen wurden oder flohen.147 Dafür spricht auch die oben zitierte Passage aus der Historia Belli Sacri. Das Bildnis Jesu, das in einer K ­ irche zunächst unversehrt geblieben war, soll bei Beginn der Belagerung nach dem Willen der Türken entfernt werden. Immerhin musste Yaġī Siyān eine Zusammenarbeit zumindest der orthodoxen Christen mit den Belagerern befürchten. Die große Übereinstimmung ­zwischen christ­lichen und muslimischen Quellen hinsicht­lich vieler Eigenschaften Yaġī Siyāns ist erstaun­lich. Vielleicht neigte der Statthalter wirk­lich dazu, in Gefahrensitua­tionen in Panik zu verfallen. Angesichts der Tatsache aber, dass er den Kreuzfahrern acht Monate Widerstand leisten konnte, sie oft an den Rand einer Niederlage brachte, drei Entsatzheere zur Rettung seiner Stadt organisieren konnte und Antiochia nur durch Verrat verlor, muss Yaġī Siyān als anspruchsvoller Gegner gesehen werden und nicht als Feigling. 145 Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, VIII, II, S. 51 f = Edi­tion Hill S. 80 f; Chanson d’Antioche, CLXX, V.  3902 ff. 146 Ibn al-­Athīr, Bd. 1, S. 14. 147 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, V, 1, S. 338; Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. I, S. 204.

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c) Der Feldherr: Karbuġā Im Vergleich mit Kılıç Arslān und Yaġī Siyān ist Karbuġā derjenige muslimische Führer, von dem die Chroniken das negativste Bild zeichnen. Der Atabeg von Mosul wurde von den Kreuzfahrern in einer Schlacht am 28. Juni 1098 vor den Toren Antiochias geschlagen, nachdem er die von einer Hungersnot geplagten Christen zuvor drei Wochen in der Stadt belagert hatte. Im Gegensatz zu den Darstellungen von Kılıç Arslān und Yaġī Siyān stimmen alle west­lichen Quellen in der Beschreibung von Karbuġās angeb­lichen Charakterzügen überein. Die Chronisten schreiben dem muslimischen Feldherrn Hochmut, Stolz und Überheb­lichkeit zu. Diese Eigenschaften kommen in vielen Chroniken in einer Szene zum Vorschein, in der Karbuġā alte, verrostete Waffen der Christen gezeigt werden. Daraufhin macht er sich lustig und fragt, ob die Christen etwa mit diesen Waffen die Muslime vertreiben wollten.148 Bei Albert von Aachen kommt Karbuġās Hochmut vor allem in der breits erwähnten Szene zum Ausdruck, in der Kılıç Arslān die Gesandtschaft aus Antiochia anführt und ihn um Hilfe bittet. Dort wird er als trotzig, übermütig und als überheb­lich bezeichnet, weil er sich über die geschlagenen muslimischen Herrscher lustig macht.149 Nur wenig ­später zeigt sich der Feldherr stolz und ist sich sicher, dass er die Christen vernichten wird.150 Auch bei der Ablehnung des Verhandlungsangebots der christ­lichen Gesandtschaft unter Peter dem Eremiten und Herluin hätten aus dem Feldherrn „nichts als Stolz, Hochmut und das Vertrauen auf die Stärke seines Heeres“ gesprochen.151 Ein häufiger Vorwurf an muslimische Heerführer. Ordericus Vitalis spricht Karbuġā zwar auch positive Eigenschaften zu, wie Kriegstüchtigkeit, aber auch dieser Chronist erwähnt den Stolz Karbuġās und seine Gier nach Ruhm.152 Dass Karbuġā nach Ansicht der Autoren nur große Worte führte, zeigt sich in seinem angeb­lichen Verhalten beim Aufmarsch der Christen. Fulcher von Chartres und Radulph von Caen berichten, der Feldherr habe Schach gespielt, 148 Etwa: Gesta Francorum, XXI, 6, S. 319; Peter Tudebod, Historia de Hierosolymitano Itinere, X, III, S. 61 f = Edi­tion Hill S. 91. 149 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, V, 5, S. 254: „[…] vir contumax et plenus superba feritate […]”. 150 Ebd., IV, 7, S. 258: „[…] Corbohan superbus […]“. 151 Ebd., IV, 46, S. 320: „[…] nihilque nisi in superbia et fiducia multitudinis suae locutum fuisse asserit,” Übers. nach Hefele, Albert von Aachen. 152 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, IX, 10, Bd. 5, S. 94: „Curbarannus autem erat audax et bellicosus, prudens et dives laudisque cupidus […]“.

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als das christ­liche Heer die Stadt verlassen habe.153 Kurze Zeit s­ päter aber wird Karbuġā beim Anblick des Kreuzfahrerheeres ganz ängst­lich und ergreift die Flucht. Fulcher erwähnt noch, der Feldherr habe sich nun doch entschlossen, das Verhandlungsangebot der Christen anzunehmen, das er tags zuvor in seinem Hochmut zurückgewiesen habe. Dieses Bemühen war nun frei­lich vergeb­lich. Andere Chronisten, wie der Verfasser der Gesta Francorum oder Guibert von Nogent, lassen malerische Details wie das Schachspiel aus. Beide berichten aber auch, Karbuġā habe die Christen ungestört aufmarschieren lassen, hier aus dem Grund, sie besser umzingeln und töten zu können. Aber auch in dieser Version ergreift ihn schließ­lich die Angst und er wendet sich zur Flucht.154 Ledig­lich bei Raimund von Aguilers ist der Feldherr ob des christ­lichen Aufmarsches skeptisch, verzichtet aber auf den Rat eines Untergebenen hin darauf, sie direkt anzugreifen. 155 Robert der Mönch hat die Szene vor der Schlacht in seinem Werk in besonderer Weise ausgestaltet, ohne dass sich aber der Charakter Karbuġās von der Darstellung in anderen Chroniken unterscheidet. In überheb­licher Weise macht der Feldherr auch bei Robert schon vor der Schlacht Pläne, was er mit den gefangenen Christen anstellen soll.156 Danach tritt aber ein zum Islam konvertierter Provenzale auf, der Karbuġā vom schlechten Zustand der christ­lichen Armee berichtet. Als die Christen aber vor der Stadt aufmarschieren, der Feldherr erkennt, dass sie zum Kampf bereit sind und sich zu fürchten beginnt, lässt er den Mann wegen seiner angeb­lichen Lügen köpfen.157 Das Bild, das die Quellen von Karbuġā zeichnen, lässt sich recht d ­ eut­lich aus dem Verlauf der Schlacht erklären. Seine Einheiten waren über ein g­ roßes Gebiet verteilt und er selbst hielt sich zu weit von den Brennpunkten der Schlacht entfernt auf, sodass die Größe seiner Armee nicht zum Tragen kam. Zudem wurde Karbuġā wohl von der Schnelligkeit der Franken überrascht.158 Um die verzögerte Reak­tion des gegnerischen Heerführers zu erklären, entstanden in den Chroniken Legenden wie die des Schach spielenden Karbuġā, seiner Entscheidungsschwäche oder ra­tionalere Erklärungsversuche, wie der Absicht, die Christen einzukreisen. Das schnelle Auseinanderfallen von Karbuġās Heer 153 Radulph von Cean, Gesta Tancredi, LXXXVI, S. 667A; Fulcher von Chartres, Historia ­Hierosolymitana, I, XXII, 4 – 8, S. 253 f. 154 Gesta Francorum, XXIX, 3, S. 372; Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VI, VIII, S. 238, Z. 162 ff. 155 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XII, S. 260B. 156 Robert der Mönch, Historia Iherosolymitana, VI, XI, S. 811C. 157 Ebd., VII, IX, S. 828E. 158 France, Victory in the East, S. 288 ff.

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war für die Chronisten nur durch die Feigheit und Angst seines Oberbefehlshabers erklärbar. Dabei waren es allein die wankelmütigen Verbündeten des Atabeg, die in ihm eher einen Konkurrenten sahen, deshalb nur widerwillig Hilfe leisteten und sich bei der ersten Gelegenheit mit ihren Einheiten vom Schlachtfeld zurückzogen.159 Hier zeigt sich die Grenze des christ­lichen Wissens um innerislamische Angelegenheiten und die Verarbeitung des Nicht-­Wissens in den Chroniken. Zwar erkannten die Kreuzfahrer die unterschied­lichen Interessen z­ wischen Karbuġā und dem Sohn Yaġī Siyāns, als letzterer sich zunächst weigerte, die Zitadelle an den Atabeg zu übergeben, die verschiedenen Interes­ sengruppen in Karbuġās zusammengesetztem Heer blieben ihnen allerdings verborgen, was zur Darstellung des Feldherrn in der erwähnten Weise führte. Die Rivalitäten ­zwischen den islamischen Machthabern der Region dürften auch der Grund dafür sein, warum der Feldherr in muslimischen Quellen ganz ähn­lich beschrieben wird. So spart Ibn al-­Aṯīr nicht mit Kritik an Karbuġā, dem er erstaun­licherweise die gleichen Laster und Fehler vorwirft wie die christ­ lichen Autoren. Er habe es versäumt, die Christen beim Auszug aus der Stadt anzugreifen, außerdem „betrug [Karbuġā] sich schlecht gegen die Muslime […] verletzte sie und behandelte sie hochmütig.“ Deshalb „wandten die Muslime sich sofort zur Flucht, wegen der geringschätzigen und hochmütigen Art, mit der Karbuġā sie behandelt hatte.“160 Lässt die Übereinstimmung ­zwischen muslimischen und christ­lichen Quellen auf eine tatsäch­lich vorhandene Charakterschwäche Karbuġās schließen? Immerhin wird man Karbuġā, der ein erfahrener Feldherr und somit sicher nicht feige oder ängst­lich war, zumindest eine übergroße Sorglosigkeit, vielleicht gar Selbstsicherheit vorwerfen müssen. Als erfahrener Militär und Politiker hätte er den fragwürdigen Wert seiner Verbündeten erkennen und sein Heer entsprechend aufstellen müssen. Ob man ihm Hochmut, Stolz und Überheb­lichkeit vorwerfen kann, wie es die Quellen tun, ist letzt­lich nicht nachweisbar. Karbuġā wird von allen Muslimen am farbigsten und ausführ­lichsten dargestellt, hier spielen sicher auch münd­liche Überlieferungen, die an die frühen Chansons de Gestes erinnern, eine Rolle.161

159 Ebd., S. 293; Thorau, Kreuzzüge, S. 66. 160 Ibn al-­Athīr, S. 16. 161 Bennett, First Crusaders images of Muslims, S. 111.

8 Heiliger Krieg und alltägliche Nachbarschaft: Das 12. Jahrhundert bis 1187

8.1 Das Türkenbild in den ersten Jahrzehnten der Kreuzfahrerstaaten Bereits während des E ­ rsten Kreuzzuges wurden 1098 mit dem Fürstentum Antiochia und der Grafschaft Edessa die ersten lateinischen Herrschaften im Nahen Osten gegründet, denen 1099 das Königreich Jerusalem und Anfang des 12. Jahrhunderts schließ­lich die Grafschaft Tripolis folgten. Für diejenigen unter den Kreuzfahrern, die nach Abschluss des Zuges nicht nach Hause zurückkehrten, sondern sich im Heiligen Land niederließen, gehörten die Nachbarschaft zu den muslimischen Herrschaften und diplomatische Kontakte mit den islamischen Herrschern bald zum politischen Alltag. Aber auch in Europa waren die Turci nun keine Unbekannten mehr. Mit Fulcher von Chartres und Albert von Aachen widmeten sich zwei Chronisten, die auch schon über den ­Ersten Kreuzzug geschrieben hatten, der frühen Geschichte der lateinischen Staaten. Während der eine, Albert, allerdings in Europa schrieb, lebte der andere, Fulcher, in Jerusalem. Dort setzte er in verschiedenen Etappen bis zu seinem mutmaß­lichen Tod 1127 seine Chronik mit der Beschreibung der Geschichte des Königreichs unter Balduin I. und Balduin II . fort. Weiter nörd­lich, in Antiochia, widmete Walter der Kanzler ab 1114 seine Bella Antiochena den militärischen Auseinandersetzungen Herzog Rogers mit den Türken. Wenn Fulcher und Walter auch nicht immer Augenzeugen der von ihnen beschriebenen Ereignisse waren, verfügten sie doch als Zeitgenossen über gute Informa­tionsmög­lichkeiten. Fulcher beginnt das zweite Buch seiner Historia Hierosolymitana mit einer Beschreibung der Türken, die sehr an die Schlacht von Doryläum erinnert. Im Jahre 1100 begleitete er Balduin nach Jerusalem, der dort die Nachfolge seines Bruders Gottfried antrat. An einem Engpass gerieten sie in einen türkischen Hinterhalt. Fulcher berichtet wieder von der Furcht und der Verzweiflung der Christen, vergleicht diese wieder mit Schafen und die Türken mit Wölfen. 1 1 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, II, 4, S. 360; II, II, 6, S. 361; II, III, 1, S. 362.

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Auch wenn der Kleriker Fulcher mög­licherweise schneller in Furcht geriet als die kampferprobten milites Balduins, so zeigt dies doch, ­welchen Eindruck die türkische Kampfweise auch auf Augenzeugen machen konnte, die sie drei Jahre zuvor in Doryläum schon einmal erlebt hatten. Die friedfertige Natur Fulchers wird auch in seiner verständnisvollen Aussage zur türkischen Flucht bei der Schlacht von Tel es-­Saqhab 1126 deut­lich. Eine Schlacht sei gefähr­lich, so der Chronist, aber es sei besser als Feigling zu leben, als zu sterben.2 An der grundlegenden Einstellung gegenüber den Türken ändert sich im Vergleich zum E ­ rsten Kreuzzug nichts. Wie schon bei der Darstellung des E ­ rsten Kreuzzuges, zeigen sich kaum Unterschiede ­zwischen Werken aus Europa und solchen aus dem Nahen Osten. Sowohl Fulcher als auch Albert erkennen die Türken als gute Bogenschützen an, ohne ein Wort der Kritik über diese Kampfweise zu verlieren.3 Gleiches gilt für Gelegenheiten in denen die Autoren die türkische Kampfweise beschreiben. Hierbei setzt Fulcher, ganz wie die Gesta-­Bearbeiter, die Türken in Verbindung zu den Parthern. Auf ihre Abstammung führt er auch ihre Kampfweise zurück. Sie ergriffen schnell die Flucht, kehrten aber ebenso schnell zurück, um von neuem anzugreifen. Ganz ähn­lich auch Albert, der immer wieder auf die schnellen Pferde der Türken zu sprechen kommt.4 Obwohl man nicht vergisst darauf hinzuweisen, dass die Türken wenn mög­lich den Nahkampf vermeiden, werden mehrmals heftige Nahkämpfe geschildert, was erneut zeigt, dass die Türken auch in einem solchen durchaus bestehen konnten.5Albert erwähnt zudem, anläss­lich der Heirat Balduins mit Adelheid von Sizilien habe die Braut sarazenische Bogenschützen mitgebracht, die in dieser Kunst im ganzen Reich niemandem nachgestanden hätten.6 Die Chronisten scheuen sich ebenfalls nicht, die Türken mehr als einmal als tapfer oder wagemutig zu bezeichnen.7 Walter dem Kanzler verdanken wir einen der deut­lichsten Hinweise darauf, wie die Franken ein Element der türkischen Kampfweise einschätzten. Ganz nüchtern erklärt er, die Scheinflucht werde von vielen Beobachtern als unehren­ haft angesehen, viele andere aber hielten diese Taktik für das Resultat eines 2 Ebd., III, L, 12, S. 790. 3 Ebd., II, XXXI, 1, S. 490; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, XII, 4, S. 828. 4 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, III, XI, 5, S. 649; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, X, 54, S. 768, XI, 41, S. 818; XI, 42, S. 818. 5 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, XXXII, 6, S. 498; III, XLII, 8, S. 765. 6 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, XII, 13, S. 842. 7 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, XLIX, 4, S. 568; III, XXXI, 3, S. 725; III, XXXIX, 3, S. 755; III, XLII, 10, S. 765; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VII, 68, S. 580.

Das Türkenbild in den Kreuzfahrerstaaten  |

genialen Geistes.8 Walter selbst scheint eher der zweiten Ansicht zuzuneigen. Ebenso anschau­lich beschreibt der Kanzler, w ­ elche Überwindung es die Ritter kostete, im türkischen Pfeilregen auszuharren, ohne ihrerseits anzugreifen. Einige hätten dies als Akt der Feigheit betrachtet, die Verständigeren aber hätten dafür plädiert, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten.9 Deut­licher als in den Werken zum E ­ rsten Kreuzzug wird hier zum Ausdruck gebracht, wie die milites das passive Erdulden des Pfeilbeschusses erlebten und ­welche Herausforderung es für jeden einzelnen bedeutete, sich nicht zum Angriff reizen zu lassen, besonders in einer Zeit, in der der Einzelne vor der Schlacht überlegte „quid honestum, quid inhonestum.“10 Insgesamt liegt Walter mit der Anerkennung der militärischen Fähigkeiten der Türken, der Beschreibung des türkischen Kriegsgeschreis, der Auswirkungen des Pfeilbeschusses und ihrer Charakterisierung als listenreich und wild 11 im Rahmen dessen, was schon die Chronisten des ­Ersten Kreuzzuges geschrieben hatten. Trotz aller Kontinuitäten im Türkenbild finden sich auch Veränderungen bzw. stärkere Betonungen bestimmter Charakteristika. Hier gilt es, nach den Gründen zu fragen. Ein erstes Merkmal, das, wenn es auch nicht neu ist, in den Quellen doch deut­lich stärker betont wird, ist das der Raublust und Beutegier. In der Forschung ist diese Bezeichnung als Beleg dafür angesehen worden, dass die Kreuzfahrer die Kampfweise der Türken verachtet hätten. Fulcher beschuldige die Türken, sie ­seien in ihrer „Kriegsführung unstet und räuberisch.“12 Zbinden stützt sich auf eine Aussage Fulchers zum Jahre 1110.13 In Bezug auf eine Textstelle bei Ekkehard von Aura konnte Zbindens Ansicht in d ­ iesem Punkt bereits oben widerlegt werden. Frag­lich ist, ob dies hier mit den gleichen Argumenten geschehen kann, oder ob andere Gründe Fulcher veranlassten, die Türken als 8 Walter der Kanzler, Bella Antiochena II, II, 2, in: RHC occ. Bd. V, Paris 1895, S. 75 – 132, S. 102E: „Quod factum saepe a pluribus bellatorum cautis inspectoribus pro improbitate reputator, licet multotiens ex astutiae ingenio id fieri comprobetur.“ 9 Ebd., I, III, 4, S. 88G: „Mirantur itaque Parthi gentem bellum promptissimam injuriaeque simper impatientem, totiens sagittis provocatam, totiens convitiis affectam, tam patienter ferre, quod dimicandi signum non ostendat, et quasi illorum timore devicta jam succumbat. Quidam etiam nostrorum id facti timiditati reputant, nonnulli autem capacioris ingenii hoc fiery de principis industria conjicunt, ut, explorato congrui temporis articulo, non admoni­tion hostium nec presump­tion virium, sed sui regisque in proximo advenientis disposi­tion proviso ingenioque experienti, eos impetere prevaleant.“ 10 Ebd., II, III, 1, S. 103F; Smail, Crusading warfare, S. 128. 11 Walter der Kanzler, Bella Antiochena, z. B. I, IV, 1, S. 89B; I, VI, 4, S. 94A. 12 Zbinden, Abendländische Ritter, S. 24. 13 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolimitana, II, XLIII, 6, S. 542.

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räuberisch zu bezeichnen. Es wurde bereits dargelegt, dass Fulcher als Weltgeist­ licher und Kaplan Balduins, und unter Berücksichtigung des Türkenbildes im ersten Buch seiner Historia, nicht unbedingt zu der Klientel gezählt werden kann, die die Türken hier in Vergleich zu den eur­päischen milites setzt. Dies gilt umso mehr, da Fulcher zu d ­ iesem Zeitpunkt bereits über zehn Jahre in Jerusalem lebte. Es empfiehlt sich daher auch hier, den Rest von Fulchers Werk sowie andere zeitgenös­sische Chroniken auf ähn­liche Äußerungen zu überprüfen. Ebenfalls zum Jahr 1110 spricht Fulcher von umfangreichen Plünderungen jener raubgierigen Türken. Auffälligerweise ist es 14 Jahre nach Beginn des ­Ersten Kreuzzuges das erste Mal, dass er den Gegner so bezeichnet. Für 1113 berichtet er von türkischen Verwüstungs- und Beutezügen, desgleichen für 1115. Verwüstungen des Landes durch die Türken erwähnt der Chronist auch für 1122 unter Īlġāzī und 1123 unter Aqsungur al-­Bursukī.14 Von schweren Zerstörungen, Plünderungen und Grausamkeiten weiß auch Albert 1110, 1113 und 1115 zu berichten, auch er spricht dabei einmal von Räubern, ebenso Walter der Kanzler.15 Damit wird deut­lich, dass das Merkmal der Raublust und der Beutegier erst ab 1110 verstärkt in den Chroniken auftaucht und dies auch nur, wie die Übereinstimmung Fulchers und Alberts zeigt, bei bestimmten Gelegenheiten, näm­ lich 1110, 1113, 1115 und in den 1120er Jahren für die Herrschaft Īlġāzīs. Das Jahr 1110 markiert den Beginn einer Reihe von Feldzügen, die aus Obermesopotamien mit der Rückendeckung des Sultans nach Syrien durchgeführt wurden und in denen mit den Aushebungen aus der Gezira zum ersten Mal turkmenische R ­ eiter in größerem Umfang in Syrien eingesetzt wurden. Feldzüge erfolgten von 1110 bis 1115, wobei 1111, 1112 und 1114 keine größeren Auseinandersetzungen stattfanden. 1110 wurde das Gebiet um Edessa verwüstet, 1113 die Region um Akkon und den Berg Thabor, laut einer euro­päischen Quelle sollen dabei die Mönche des dortigen Klosters allesamt getötet und die Reliquien geraubt worden sein.16 1115 konnte Roger von Antiochia bei Tel-­Danith einen Erfolg über das muslimische Heer eringen, sodass auch d ­ ieses Jahr für die Chronisten der Erinnerung würdig erschien. Diese Daten stimmen fast genau mit den Jahren überein, in denen die christ­lichen Chronisten die Raubgier der Türken besonders betonen und von den stärksten Verwüstungen berichten. 14 Ebd., II, XLIX, 11, S. 572; II, LIV, 1, S. 587; III, XI, 3, S. 649; III, XL, 1, S. 757. 15 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, XI, 16, S. 788; XII, 9, S. 838; XII, 15, S. 846; XII, 20, S. 854; Walter der Kanzler, Bella Antiochena, II, VIII, 1, S. 114B. 16 Sigebert von Gembloux u. a., Chronica cum continua­tionibus, Anselmi Gemblacensis conti­ nuatio in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), L. C. Bethmann (Bearb.), MGH SS 6 (Chronica et annales aevi Salici), Hannover 1844, S. 375 – 385, S. 375.

Das Türkenbild in den Kreuzfahrerstaaten  |

Mit den Turkmenen betrat ein neuer militärischer Faktor den syrischen Kriegsschauplatz. Es handelte sich hier um relativ unabhängige, nomadische Stammesverbände, auch sie schnelle, beweg­liche Reiterkrieger. Auch sie waren, wie die Mamluken und die freien Krieger im Gefolge der islamischen Herrscher, Türken. Der Unterschied bestand, neben der nomadischen Lebensweise, darin, dass die Turkmenen noch innerhalb des tradi­tionellen Stammesverbandes der Steppenvölker operierten, aus dem die Mamluken mit dem Verkauf auf den Sklavenmärkten ja gerade herausgerissen worden waren, um ihren neuen Herren als abhängige Kämpfer zu dienen, deren Loyalität in erster Linie dem Herrscher und nicht dem Stamm oder der Familie galt. Zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges siedelten diese Stammesverbände außer in Kleinasien vor allem in Obermesopotamien, kamen erst mit dem Turkmenenführer Īlġāzī in größerer Zahl nach Syrien und wurden s­ päter durch Zangī dauerhaft in Syrien angesiedelt.17 Allerdings sammelte auch schon Maudūd turkmenische Kräfte in der Gezira 18 und setzte sie auf seinen Feldzügen ein. Das Hauptaugenmerk der Turkmenen galt dem Beutemachen, es wurde sogar vermutet, dass sie bei Kriegen gegen Christen nicht bezahlt wurden, sondern ihr Lohn in der Beute bestand.19 Neben dem Gewinn aus ihren Viehherden bildete die Beute aus Überfällen eine wichtige Einkommensquelle.20 Die auch von den muslimischen Machthabern nur schwer zu kontrollierenden Stämme schufen durch ihre Überfälle und Plünderungen an der Grenze eine Zone dauernder Unsicherheit. Genau zu ­diesem Zweck wurden sie von den islamischen Herrschern auch eingesetzt, da diesen zudem daran gelegen war, die unruhigen Nomaden mög­lichst aus den Zentren ihrer Herrschaftsgebiete fernzuhalten. Am größten war ­dieses „Niemandsland“ in Kleinasien, wo die Turkmenen sich am west­lichen Rand der anato­lischen Hochebene angesiedelt hatten und Plünderungszüge in die Flusstäler bis zur Ägäis hin unternahmen. Ein solches, wenn auch kleineres, Grenzgebiet wurde seit Zangī auch in Syrien geschaffen, wobei die umfangreichen Zerstörungen unter Maudūd die spätere Ansiedlung der Nomaden erleichterte.21 Die ­Erwähnung 17 Cahen, La Syrie du Nord, S. 185; Cahen, Turkish, Invasion, S. 165. 18 Cahen, La Syrie du Nord, S. 257; Ibn al-­Qalānisī, z. J. 1110, S. 101, auch die Formulierung z. J. 1113, S. 133, Maudūd habe in Obermesopotamien alle Kräfte gesammelt, die er mustern konnte, spricht für eine Beteiligung verschiedener muslimischer Gruppen und daher wohl auch der Tukmenen. 19 Alessio Bombaci, The army of the Saljuqs of Rum, S. 347. 20 Vryonis, Decline, S. 268. 21 Cahen, La Syrie du Nord, S. 186, 258; Hillenbrand, Crusades, S. 441; Vryonis, Decline, S. 146 ff, 171, 193.

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Wilhelms von Tyus (fälschlicherweise zum Jahr 1108), durch die Feldzüge aus dem Osten sei die Landwirtschaft zum Erliegen gekommen und nur die Städte hätten Sicherheit geboten, entspricht dem, was sich auch für Kleinasien in der Zeit der türkischen Invasionen feststellen lässt.22 Das verstärkte Auftauchen des Räuberbegriffs, die Berichte über umfangreiche Verwüstungen und Plünderungen und das zeitgleiche Auftauchen der Turkmenen in Syrien, sind wohl kein Zufall. Dies gilt umso mehr, als die Franken zu dieser Zeit offenbar nicht z­ wischen Turkmenen und türkischstämmigen Mamluken bzw. sonstigen freien türkischen Kriegern unterschieden und alle als Turci bezeichneten. Ledig­lich Walter der Kanzler bezeichnet Īlġāzī als „Turcomannorum amiraldo“23 und erwähnt auch sonst ab und zu die Turkmenen, wenn er die Zusammensetzung eines islamischen Heeres beschreibt.24 Bezeichnenderweise vergleicht er sie mit räuberischen Wölfen. Walter lebte in Antiochia und war direkter Zeuge der Kämpfe gegen Īlġāzī und dessen turkmenische Truppen, er befand sich sogar eine Zeit lang in muslimischer Gefangenschaft. Es ist daher anzunehmen, dass er die verschiedenen türkischen Gruppen innerhalb der muslimischen Heere gut unterscheiden konnte. Fulcher in Jerusalem und erst recht Albert in Europa waren wesent­lich weiter vom Geschehen entfernt und fassten die Gegner grob, wenn auch ethnisch richtig, unter Turci zusammen. Einen äußerst interessanten Hinweis in dieser Sache liefert Wilhelm von Tyrus, der zwar s­ päter schrieb, aber im Heiligen Land lebte und daher über die Türken relativ gut informiert gewesen sein dürfte. Zum Jahr 1111 schreibt er, in Persien sei eine große Kavallerietruppe ausgehoben worden und nach Syrien gekommen. Von d ­ iesem Fluch, der grausamer sei als eine Hydra, die stärker werde, je öfter man ihre Köpfe abschlage, sei das Königreich bis zum 40. Jahr seines Bestehens befallen worden. Jedes Jahr ­seien diese verachtenswerten Menschen in großer Menge aus Persien nach Syrien gekommen. Schließ­lich sei es erst den „Iberern“ gelungen, den Stolz der Perser zu brechen und sie zu besiegen.25 Dafür, dass Wilhelm sich hier auf die Turkmenen bezieht, sprechen 22 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XI, 7, S. 505, Z. 4 ff; Vryonis, Decline, S. 144, 148, 270. 23 Walter der Kanzler, Bella Antiochena, I, II, 3, S. 86B; II, I, 1, S. 100A. 24 Ebd., II , XI , 2, S. 120D: „[…] Turcomannorum et Arabum […] de more luporum ­rapacium  […]“; II, XII, 3, S. 122F: „cum omni Turcomagnorum exercitu“; II, XVI, 2, S. 130D; II , XVI , 3, S. 130E. 25 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XI, 16, S. 520, Z. 1 – 18: „[…] collecta est in Perside equitum manus infinita, qui, ut proprias experirentur vires, ut aliquando super eo possent gloriari, in regiones nostras ascenderunt. A primo enim Latinorum introitu usque ad annum regni eorum quasi quadragesimum non defuit nostris pestis illa, sevior ydra, recens et dampno capitum

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mehrere Anhaltspunkte. Er beschreibt sie ähn­lich wie andere Chronisten als besonders grausam und zerstörerisch, sie kommen aus dem Osten, weshalb er sie wohl als Perser bezeichnet, das Bild der Hydra passt ebenfalls zu den oft vergeb­lichen Bemühungen, die schnellen, äußerst beweg­lichen Nomaden, die nur schwer zu bekämpfen waren, zu vertreiben. Vor allem aber der Hinweis auf die christ­lichen Iberer – Wilhelm meint hier wohl unter Bezugnahme auf antike und byzantinische Provinznamen die Georgier, die die „Perser“ besiegt hätten – ergibt nur Sinn, wenn man in letzteren die Turkmenen sieht. Den geor­gischen Königen David II. und Dimitri I. war es in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gelungen, die turkmenischen Stämme durch äußerst strenges und grausames Vorgehen zu dezimieren und aus jener Region zu vertreiben.26 Mög­licherweise spielt Wilhelm aber auch auf Īlġāzīs missglückten Georgien-­Feldzug an.27 Die von Wilhelm erwähnte Zeitspanne von 40 Jahren bleibt allerdings unklar. Sie erklärt sich eventuell daraus, dass es Herrschern wie Zangī oder Nūr ad-­Dīn gelang, eine gewisse Kontrolle über die Stämme auszuüben. Für eine Verschlechterung des Türkenbildes durch das Auftauchen der Turkmenen sprechen auch islamische Quellen, denn auch dort werden die Stammes­ krieger keineswegs positiv beschrieben. Ibn al-­Qalānisī beklagt sich über die unsicheren Straßen und die Räubereien der Turkmenen nach dem Tod Zangīs und Ibn al-­Athīr kritisiert die Störung des Handelsverkehrs durch turkme­nische Plünderungen im Irak zum Jahr 1104/05.28 Gegen das Auftreten der Turkmenen als Ursache für eine Verschlechterung des Türkenbildes bliebe einzuwenden, dass die türkischen Truppen in Anatolien auch zu einem Großteil aus Turkmenen bestanden und gerade diesen Reitern nach der Schlacht von Doryläum in den Gesta Francorum höchstes Lob ausgesprochen worden war. Allerdings hatte der Anonymus im Jahre 1097 eine andere Perspektive. Er begegnete den Turkmenen nur als Gegner in der Schlacht, als Mitglied eines durchziehenden Heeres. Die Chronisten der Kreuzfahrerstaaten erlebten die Beeinträchtigungen, die die Turkmenen der Landwirtschaft und dem Handel, mithin den Einnahmequellen ihrer Herrschaften, zufügten. facta locupletior. Annis quippe pene singulis de illo sinu Persico tanta erumpebat illius populi detestabilis multitude, ut pene universam terre superficiem sua numerositate operirent. Sed miserante nostros labores divina clementia suscitavit Persarum insolentie et regno nimis de se presumenti emulum imperium gentis Hiberorum; quo per gratiam dei incrementum suscipiente et vires acquirente, per successus continuos contrite est Persarum superbia […]“. 26 Vryonis, Decline, S. 284 f. 27 Hillenbrand, Il-­Ghāzī, S. 270. 28 Ibn al-­Qalānisī, S. 272; Ibn al-­Athīr, Bd. 1, S. 93.

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Gerade diese Raublust und Beutegier wurde von ihnen kritisiert, die militä­ rische Tüchtigkeit sprachen auch sie den neuen Gegnern nicht ab. In den Chroniken dieser Zeit finden auch Merkmale wie Wildheit oder Grausamkeit Erwähnung.29 Diese schrieb man zwar schon früher den Türken zu, doch ist es wahrschein­lich, dass die umfangreichen Verwüstungen ganzer Landstriche in diesen Jahren ihren Teil dazu beigetragen haben. Bereits oben wurde erwähnt, dass sich die Landschaft um Edessa nie mehr von dem Massaker an den armenischen Bauern 1110/13 erholt hat. Interessant ist in d ­ iesem Zusammenhang, dass John Keegan im Umgang der Reitervölker mit ihren Herden, d. h. in der Übung, eine große Anzahl Lebewesen zu treiben und zu umzingeln, eine mög­liche Ursache für rücksichtsloses Vorgehen sieht. Die Notwendigkeit, Tiere auszusondern und zu schlachten, habe auch zu einer gewissen Unbarmherzigkeit der Reiternomaden auf dem Schlachtfeld geführt.30 Noch im 20. Jahrhundert vergleicht René Grousset, ganz wie die mittelalter­lichen Autoren, die Steppennomaden mit Wölfen. Für ihn sind die unwirt­lichen Lebensbedingungen in der Steppe der Grund für die Herausbildung einer gewissen Härte und Beutegier der dort lebenden Völker.31 Es ist nicht völlig von der Hand zu weisen, dass diese soziolo­gischen und klimatischen Gründe, die Keegan und Grousset anführen, zu einer gewissen Unbarmherzigkeit und zur Beutegier bei den Turkmenen geführt haben. Man darf allerdings nicht vergessen, dass auch das Europa des Hochmittelalters von Gewalt geprägt war. Zudem sind Aussagen wie die von Grousset bedenk­lich, da in ihnen wohl zum Teil auch west­lich-­euro­päische Überheb­lichkeit des frühen 20. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die Turkmenen grausamer vorgingen als andere, man wird aber festhalten können, dass ständige Überfälle einen erheb­lichen Rückgang der landwirtschaft­lichen Produk­tion verursachen und schließ­lich zu einer Verödung ganzer Landstriche führen konnten. Das wiederum konnte durchaus Eindruck auf die Chronisten machen. 29 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolimitana, II, LIII, 1, S. 580; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, XI, 24, S. 798; XII, 20, S. 854. 30 John Keegan, Die Kultur des Krieges, Berlin 32003, S. 243, 314 f. 31 René Grousset, Die Steppenvölker. Attila- Dschingis Khan- Tamerlan, dt. Ausgabe Essen 1975, (Original, Paris 1939), S. 9 f: „Die armen turkomongo­lischen Hirten, die […] von einer versiegten Wasserstelle zur anderen ziehen, […] bestaunen voller Bestürzung das Wunder der sesshaften Zivilisa­tion. Dieses Wunder […] kann der Hunne nicht begreifen. Er ist gebannt wie sein Totemtier, der Wolf, der sich im verschneiten Winter einem Bauernhof nähert: Er wittert hinter den Hürden die Beute.“, S. 23: „Er [der Nomade] verhält sich genauso wie Wölfe, die ein Hirschrudel umschleichen.“

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Man kann daher nicht, wie Zbinden meint, aus der Formulierung F ­ ulchers von 1110 Rückschlüsse auf das Türkenbild des E ­ rsten Kreuzzuges ziehen. Diese neue, negative Sichtweise war den umfangreichen Verwüstungen durch M ­ audūds Feldzüge und dem Auftauchen der ersten turkmenischen Stämme in Nord­syrien geschuldet. Die gleichen Ursachen, die wahrschein­lich schon das Türkenbild bei Radulph von Caen beeinflussten. Alberts Beschreibung des Maudūd von Mosul zeigt aber noch einmal, wie wesent­lich das Prinzip von „terror und timor“ für die Einschätzung als guter Anführer war, auch über die Religionsgrenzen hinweg. Der Chronist berichtet über die umfangreichen Verwüstungen und die Massaker durch Maudūds Feldzug 1113, Maudūd habe sich mehr als alle anderen tyrannisch gegenüber den Christen gezeigt. Albert erwähnt dann aber, der Feldherr sei bei den Seinen wegen seiner kriegerischen Tüchtigkeit beliebt gewesen.32 Dies schließt sich für Albert nicht aus, vielmehr war auch im Westen das eine die Ursache des anderen, erinnert sei an die Darstellung Robert Guiscards. Gerade die Wildheit und die Fähigkeit, Furcht zu erzeugen machen Maudūd auch für Albert kriegerisch tüchtig. Mochte man es im konkreten Fall auch verurteilen, da Christen die Opfer waren, so war das Mittel an sich durchaus anerkannt. Es mag sein, dass die Turkmenen auch dafür verantwort­lich sind, dass Eigenschaften, die man schon immer den Türken zugeschrieben hatte, in den christ­ lichen Chroniken dieser Zeit geradezu zum türkischen Stereotyp wurden: List und Hinterhältigkeit. Zwar waren dies Charaktereigenschaften, die Albert bei den Türken schon immer betont hatte, aber gerade bei Fulcher fällt die Steigerung gegenüber dem ersten Buch seines Werkes, also dem Zeitraum bis 1100, auf. In seinen Büchern II und III nennt er acht Mal Fälle türkischer Hinterlist, interessanterweise zum ersten Mal für 1110. Ähn­lich häufig wie bei ­Fulcher taucht die Bezeichnung bei Walter dem Kanzler auf. Ordericus Vitalis, der in den 1130er Jahren schrieb, bezeichnet die Türken sogar 14 Mal als listig, hinterhältig o. ä., wiederum vor allem für die Zeit nach dem E ­ rsten Kreuzzug. Natür­lich hat auch die auf Scheinflucht und Hinterhalte gestützte türkische Kampfweise einen wesent­lichen Teil zu der Beurteilung beigetragen, aber dieser Taktik waren die Franken auch schon während des ­Ersten Kreuzzuges begegnet, es erklärt daher nicht die Zunahme solcher Charakterisierungen. Die Christen durchschauten nicht immer die Zusammensetzung türkischer Heere, konnten also nicht immer wissen, wie weit die Befehlsgewalt eines türkischen Herrschers mit dem man Vereinbarungen und Abkommen traf, 32 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, XII, 18, S. 850.

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wirk­lich reichte. Dies galt einerseits für die großen zusammengesetzten Heere aus Mesopotamien, in denen sich die Emire oft nur widerwillig Oberbefehlshabern wie Karbuġā und Maudūd beugten. Dies galt aber insbesondere auch für die unabhängigen Turkmenen. Einmal ganz abgesehen von der politisch instabilen Lage Syriens, die einen schnellen Bündniswechsel nötig machen konnte, wollte man politisch überleben. Es mag sein, dass man daher erstaunt registrierte, dass trotz eines Abkommens die Überfälle nicht aufhörten, die Türken daraufhin als listig bezeichnete, in Wirk­lichkeit aber verkannte, dass ein Vertragspartner keine Befehlsgewalt über bestimmte Gruppen seines Heeres, wie etwa die Turkmenen, hatte. Eine ähn­liche Unkenntnis über die politischen Strukturen hatte in früheren Zeiten schon den Wikingern den Ruf der Treu­ losigkeit eingebracht, da man die Befehlsgewalt eines „Königs“ der Nordmänner über andere Anführer überschätzte.33 Es ist schwierig, dies in den Quellen nachzuweisen, da es ja gerade um Nicht-­Wissen der Chronisten geht, als Beispiel mag aber eine von Walter dem Kanzler überlieferte Begebenheit dienen. Nach der Schlacht auf dem ager san­ guinis 1119 habe Īlġāzī dem Bischof von Artah und dessen Leuten freien Abzug nach Antiochia gewährt. Er habe aber sein Versprechen gebrochen und Räuber anstatt einer Eskorte geschickt, die alle wertvollen Güter gestohlen hätten.34 Die priester­lichen Gewänder allerdings habe der Türke s­ päter zurückgegeben. Es ist mög­lich, dass der Raub des Goldes hier gar nicht auf Veranlassung Ī­ lġāzīs geschah, denn die Übergabe der Wertgegenstände hätte er ja gleich zur Bedingung für den freien Abzug machen können. Auch die Rückgabe der Gewänder spricht dafür, dass der Ortoqide erst im Nachhinein von dem Vorfall erfahren hat. Das Gold indes konnte und wollte er wohl den Tätern nicht mehr nehmen, die Rückgabe der für die Türken relativ wertlosen Kleidungsstücke dagegen kostete ihn nichts. Die seldschukischen Feldzüge aus dem Osten führten aber auch zu muslimisch-­ fränkischen Bündnissen. Die Motiva­tion zu solchen Abkommen auf musli­ mischer Seite durchschauten die Chronisten recht gut. Man wusste, dass sich die seldschukischen Ak­tionen von 1115 nach der Ermordung des Maudūd 1113 in Damaskus zuerst gegen Ṭuġtagīn von Damaskus richteten und diesen so zu einer Allianz mit den Franken trieben. Wie Köhler richtig bemerkt, handelten beide Seiten nicht aus einem Toleranzideal heraus, sondern waren von poli­ tischem Kalkül getrieben. Fulcher schreibt, Ṭuġtagīn von Damaskus sei bei 33 Plassmann, Normannen, S. 23. 34 Walter der Kanzler, Bella Antiochena, II, VIII, 1, S. 114B.

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den Türken aus Mesopotamien ebenso verhasst gewesen wie bei den Christen. Albert gesteht aber, entgegen seiner sonstigen Tendenz, zu, der Damaszener habe das Bündnis treu gehalten.35 Ein deut­lich negativ gefärbtes Bild der Türken/Muslime findet sich in Walters zweitem Buch. Der Chronist beschreibt mehrmals türkische Grausamkeiten, Folter und Exeku­tionen von Gefangenen. Erklären lässt sich diese Tendenz allerdings mit Walters persön­lichem Schicksal, der nach der Schlacht auf dem ager sanguinis 1119 selbst in muslimische Gefangenschaft geriet. Die verheerende Niederlage und seine Gefangenschaft verarbeitete er dann in seinem Werk.36 Die außergewöhn­liche Grausamkeit, die Walter seinen muslimischen Bewachern zuschreibt, liegt dabei klar in Reihe anderer Propagandageschichten über türkische Gräueltaten, wie etwa manche Passagen bei Guibert von Nogent oder die Passion des Erzbischofs Thiemo. Zwar darf man die Behandlung von Gefangenen nicht an heutigen Maßstäben messen, Folter und Exeku­tionen waren auf beiden Seiten üb­lich, aber einige der Behauptungen Walters lassen sich klar in den Bereich der Propaganda einordnen. So berichtet er, die Muslime hätten sich wie Schweine im Blut der Exekutierten gesuhlt.37 Walters Wut richtet sich vor allem gegen Ṭuġtagīn von Damaskus und gegen Īlġāzī. Von Ṭuġtagīn behauptet er, dieser habe im Blut von Gefangenen baden wollen, um seine Jugend­lichkeit zurückzuerhalten. Īlġāzī habe sich aus dem Schädel des exekutierten Robert fitz-­ Fulk ein Trinkgefäß herstellen lassen.38 Es ist die persön­liche Verderbtheit, vor allem der türkischen Führer, die Walter schildert, die Türken an sich bleiben militärisch achtbare Gegner. Trotz aller Verschärfungen finden sich in den Chroniken auch Hinweise auf einen modus vivendi ­zwischen den neuen Nachbarn. Für die Zeit nach dem Kreuzzug liest man bei Albert regelmäßig von muslimischen Gefangenen und Lösegeldverhandlungen.39 Laut Albert habe sich Balduin I. abends nach einer Schlacht sogar zu den Gefangenen gesetzt, um zu erfahren, von woher diese stammten. 35 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolimitana, II, LIII, 2, S. 582; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, XII, 20, S. 856; Köhler, Allianzen und Verträge, , S. 126, 131 f. 36 Thomas S. Asbridge, Susan B. Edgington (Hg. ü. Übers.), Walter the Chancellor’s The ­Antiochene Wars, Aldershot 1999, S. 5, 11. 37 Walter der Kanzler, Bella Antiochena, II, VII, 4, S. 113D. 38 Ebd., II, XIV, 3, S. 126H; II, XIV, 3, S. 127A. 39 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VII, 34, S. 536; VII, 36, S. 540; VII, 53, S. 560; X, 34, S. 750.

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Fulcher verliert kein Wort der Kritik anläss­lich der Schlacht bei Tel B ­ ashir 1108, bei der sich auf beiden Seiten ein türkisch-­fränkisches Bündnis gegenüberstand.40 Anscheinend beschränkte sich der gegenseitige Beistand nicht nur auf Hilfe auf dem Schlachtfeld. Nach Ibn al-­Athīr hätten sich die unterlegenen Balduin und Joscelin nach dem Rückzug um die verwundeten muslimischen Verbündeten gekümmert, diese versorgt und eingekleidet. 41 Auch im Jahre 1105 kämpften Franken und Türken gemeinsam, diesmal gegen die Ägypter. Artāš, der Bruder des versorbenen Duqāq von Damaskus, hatte sich vor Ṭuġtagīn zu König Balduin I. geflüchtet. Im Gegenzug für miliärische Hilfe gegen die Ägypter, die ebenfalls damaszenische Hilfe erhielten, sagte Balduin Artāš Unterstützung bei dessen Ansprüchen gegen Damaskus zu.42 Albert beschreibt den Damaszener, den er Mohammed nennt, durchaus positiv und berichtet, dieser sei von 100 türkischen Bogenschützen begleitet worden.43 Tankred wurde 1106 bei der Belagerung von Apamea durch die Söhne des vormaligen Herrschers der Stadt, der kurz zuvor ermordet worden war, mit „­Rittern, Türken wie Araber“ unterstützt.44 Zum Dank, so Albert, hätten die Türken einige Plätze in der Nähe der Stadt erhalten. Allerdings nutzt der Chronist die Stelle auch, um anhand des Mordes und der Kapitula­tionsvereinbarungen Apameas mit Tankred die Hinterlistigkeit der Türken zu betonen. Als die Söhne die Auslieferung des Mörders verlangen, der sich Tankred unterworfen hatte, meint der Normanne, er wisse sehr wohl, dass jener treulos und meineidig sei, es sei aber nicht christ­liche Art, den Frieden zu verletzen. Trotz aller Vorbehalte gegenüber türkischer List wird hier wieder einmal deut­lich, wie schnell sich die Franken in die politische Landschaft Syriens eingefügt hatten. Eine weitere Bestätigung für die Wertschätzung türkischer Fähigkeiten durch die Franken ist der Einsatz türkischer Söldner, von dem wir in dieser Zeit hin und wieder hören. Wilhelm von Tyrus kritisiert den Einsatz türkischer Söldner auf Seiten Joscelins von Edessa gegen Bohemund II. von Antiochia im Jahre 1127.45 Joscelin habe damit einen lasterhaften Präzedenzfall geschaffen. Allerdings gab es damals schon lange fränkisch-­türkische Zusammenarbeit auf militärischem und politischem Gebiet, insofern ist Wilhelms Aussage hier etwas 40 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolimitana, II, XXVIII, 4, S. 480. 41 Ibn al-­Athīr, Bd. 1, S. 141. 42 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 106, S. 113. 43 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IX, 48, S. 706. 44 Ebd., X, XXI–XXIV, S. 738 – 740; Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 50 f. 45 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIII, 22, S. 614, Z. 5 ff.

Normannische Ritter und türkische Prinzessinnen  |

unverständ­lich. Vielleicht erklärt diese kritische Sichtweise aber, warum es überwiegend muslimische Quellen sind, die türkische Söldner in fränkischen Diensten erwähnen. Ibn al-­Qalānisī berichtet von einer Gruppe Türken in Tankreds Diensten.46 Usāma ibn Munqiḏ erzählt von einem Mann, der nach der Ermordung des oben erwähnten Herrschers von Apamea in den Dienst eines Franken namens Theophilus trat und dessen Truppen auf Beutezügen gegen Muslime führte.47 Zwar finden sich ­solche Nachrichten nur vereinzelt, doch gibt es keinen Grund an ihnen zu zweifeln. Sie fügen sich gut in das Bild, das schon die Führer des ­Ersten Kreuzzuges boten: Pragmatische Fürsten und Ritter, die sich auf politischer und militärischer Ebene ähn­licher Handlungsformen bedienten wie die Türken, deshalb schnell alle Vorbehalte religiöser Natur ablegten und kein Problem darin sahen, türkische Krieger in Dienst zu nehmen, mochten dies Kleriker wie Wilhelm von Tyrus auch kritisieren. Selbst ohne Walters Schilderung einzubeziehen, kann man mit einigem Recht die ersten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts als die Zeit ansehen, in der das Türkenbild seine negativste Ausprägung fand. Dies begann mit den Überarbeitungen und Verschärfungen der Gesta Francorum und setzte sich mit der zunehmenden Betonung von Raubzügen, Plünderungen und Treulosigkeiten der Türken/Turkmenen fort. Ein Unterschied z­ wischen Werken aus Europa und denen aus dem Nahen Osten ist nicht feststellbar. Berücksichtigt man Walters Schilderungen und die teilweise bemerkenswert toleranten Ansichten Alberts, dann ist das Türkenbild des euro­päischen Autors sogar eher noch positiver als das der Lateiner im Osten.

8.2 Ordericus Vitalis: Normannische R itter und türkische Prinzessinnen Den Ereignissen im Heiligen Land gibt auch der normannische Mönch O ­ rdericus Vitalis in seiner Historia Ecclesiastica immer wieder Raum. Hatte sich der im normannischen Kloster St. Evroul schreibende Mönch für die Schilderung des ­Ersten Kreuzzuges noch auf das Werk Balderichs von Dol gestützt, so ist seine Wiedergabe der Ereignisse ab 1099 unabhängig und basiert wohl vor allem auf münd­lichen Quellen. Die Bücher seines umfangreichen Werkes, die von der 46 Ibn al-­Qalānisī, z. J. 1112/ 1113, S. 131. 47 Usāma ibn Munqiḏ, S. 157.

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frühen Geschichte der lateinischen Staaten in der Levante handeln, schrieb Ordericus wohl in der zweiten Hälfte der 1130er Jahre.48 Die Historia setzt in der Darstellung der Türken ganz andere Schwerpunkte als es andere zeitgenös­sische Werke tun und verdient daher eine gesonderte Betrachtung. In einem Aspekt aber setzt Ordericus nicht nur die Tendenz früherer Chroniken fort, sie lässt sich hier sogar besonders gut nachweisen. Die Rede ist von der qualitativ ähn­lichen Darstellung von euro­päischen Rittern und Türken. Wie die Gesta-­Bearbeiter und Ekkehard war Ordericus Benediktiner. Bereits mit 11 Jahren wurde er Oblate in St. Evroul, verinner­lichte also schon in der Pubertät das klöster­liche Weltbild. Er zog seine mora­lischen Urteile aus den Lehren der ­Kirche und befürwortete eine Eindämmung der ritter­lichen Gewalt durch zentrale Ordnungskräfte wie den normannischen Herzog.49 Realität und Folgen von Krieg und Fehdewesen erlebte Ordericus in seinem Kloster an der unruhigen Grenze von Normandie und Maine aus eigener Anschauung und schilderte sie in seinem für kirch­liches Publikum geschriebenen Werk durchaus kritisch.50 Auch für ihn sind die Türken milites und die einheimischen normannischen Ritter Räuber.51 Für beide Gruppen verwendet Ordericus fast schon regelmäßig die Wolfsmetapher, um deren Raublust und Gefähr­lichkeit zu symbolisieren.52 Es wurde bereits angedeutet, dass List und Hinterhältigkeit bei ­Ordericus besonders häufig den Türken zugeschrieben werden. Nicht anders verhält es sich seiner Meinung nach mit den Normannen. Diese ­seien zu jedem Verrat bereit und Feinde von Wahrheit und Loyalität, immer vorausgesetzt, sie würden nicht von einem strengen, starken Herrscher am Zügel gehalten.53 Die Charakterisierung der Normannen durch Ordericus ähnelt der durch Gottfried ­Malaterra. Wildheit, Grausamkeit und Beutegier charakterisieren in der Historia 48 Chibnall, The Ecclesiastical History, Bd. 5, S. xi, xviii. 49 Marjorie Chibnall, The World of Orderic Vitalis. Norman monks and norman knights, Wood­ bridge 1984, Neudruck 1996, S. 119; Kaeuper, Chivalry and violence, S. 13. 50 Chibnall, The World of Orderic Vitalis, 118, 136 f; Marjorie Chibnall, Feudal society in ­Orderic Vitalis, in: Reginald Allen Brown (Hg.), Proceedings of the Battle Conference on Anglo-­Norman Studies 1 (1978), Ipswich 1979, S. 35 – 48, S. 199 – 202, S. 35 f. 51 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, VIII, 9, Bd. 4, S. 180; IX, 9, Bd. 5, S. 80; IX, 14, Bd. 5, S. 150. 52 Ebd., für die Türken: IX, 12, Bd. 5, S. 132; X, 20, Bd. 5, S. 326; XI, 26, Bd. 6, S. 110; für die Normannen: VIII, 9, Bd. 4, S. 178; XIII, 19, Bd. 6, S. 450; XIII, 23, Bd. 6, S. 458. 53 Ebd., für die Normannen: VII, 15, Bd. 4, S. 82; IX, 3, Bd. 5, S. 24; für die Türken z. B. X, 23, Bd. 5, S. 374; XI, 26, Bd. 6, S. 114; XI, 26, Bd. 6, S. 118; XIII, 33, Bd. 6, S. 500.

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gleichermaßen Türken wie Normannen.54 Sobald die Normannen etwa vom Tod König Heinrichs I. von England erfahren, beginnen sie, laut Ordericus, wie Wölfe gnadenlos zu plündern und zu rauben. Die Türken ihrerseits dürsten nach christ­lichem Blut, fallen über die Pilger her, töten oder versklaven sie. Bei beiden Gruppen richten sich die Aggressionen häufig gegen Wehrlose, ­seien es Bauern oder Mönche in der Normandie oder Pilger in Anatolien. Ausführ­lich geiselt Ordericus die Luxusliebe der christ­lichen Ritter in Europa und kritisiert Kleidung, Frisur, Freizeitbeschäftigung und Tagesablauf dieser seiner Meinung nach verweich­lichten Gesellschaft. Auch die Berichte über nomadische Türken interpretiert er dahingehend, diese hätten ihre Habe mit sich geführt, um auch auf dem Feldzug keines Luxus zu entbehren.55 Diese luxusliebenden Türken kontrastiert er mit den milites christi. Letztere sind geschwächt durch Hunger und Durst und andere Härten, kämpfen aber tapfer. Wieder das bekannte Muster: Die Türken ähneln den Rittern zu Hause, während die Kreuzfahrer diese Laster hinter sich gelassen haben und das kirch­liche Ideal des Ritters verkörpern. Schließt man sich der Meinung an, dass Ordericus auch für Ritter schrieb, in der Hoffnung, deren Brutalität mäßigen zu können,56 so versuchte er vielleicht, sie zur Einsicht zu bewegen, indem er ihnen bei der Schilderung der heidnischen Türken quasi den Spiegel vorhielt. Von ­diesem Aspekt nicht völlig gelöst und doch ein Alleinstellungsmerkmal des Türkenbildes der Historia Ecclesiastica, ist die besondere Rolle, die Frauen oder Töchter türkischer Herrscher darin einnehmen. Die bekannteste Figur ist die der Melaz, laut Ordericus die Tochter von Dānišmand, dem türkischen Herrscher über Ostanatolien, der Bohemund gefangen hielt. Melaz, die „pulchra erat et multum sapiens“ habe sich mit den normannischen Gefangenen ihres Vaters oft über das Christentum unterhalten und sich für diese Religion begeistert. Als sich Dānišmand im Krieg mit Kılıç Arslān befindet, entwickelt sie einen Plan zur Befreiung Bohemunds, nachdem dieser ihr sein Wort gegeben hat, all ihre Ratschläge zu befolgen. Melaz ist nun überzeugt, den Franken trauen zu können, denn sie weiß, diese würden nie ihre Ehre beschmutzen. Ordericus nutzt diese Stelle, um Bohemund besonders hoch zu 54 Ebd., für die Normannen: VIII, 8, Bd. 4, S. 178; VIII, 9, Bd. 4, S. 180; XI, 16, Bd. 6, S. 74; XIII, 3, Bd. 6, S. 397; XIII, 19, Bd.6, S. 450; für die Türken: IX, 9, Bd. 5, S. 72; IX, 10, Bd. 5, S. 98; X, 12, Bd. 5, S. 278; X, 20, Bd. 5, S. 938; X, 24, Bd. 5, S. 368; XI, 25, Bd. 6, S. 106; XIII, 33, Bd. 6, S. 498. 55 Ebd., für die Normannen: VIII, 10, Bd. 4, S. 186 ff; für Türken und Kreuzfahrer: X, 20, Bd. 5, S. 337. 56 Chibnall, Feudal Society, S. 36.

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loben, da es durch die Worte einer Türkin geschieht. Bedenkt man seine Charakterisierung der normannischen Ritter, liegt hierin aber auch eine versteckte Kritik am Verhalten der militia zu Hause. Die Franken kämpfen auf Melaz’ Rat hin für ihren erstaunten Vater, der von der Absprache mit seiner Tochter nichts weiß, gegen Kılıç Arslān. Bei der Rückkehr nach dem Sieg gelingt es den Christen mit Melaz’ Hilfe, ihre Wachen zu überwältigen, bemerkenswerterweise ohne Blutvergießen. Den Wachen hatte die Prinzessin versichert, die Franken s­ eien Männer, die zu ihrem Wort stünden und die sich deshalb ohne weiteres nach ihrer Rückkehr wieder in Haft begeben würden, auch hier wieder ein ironischer Seitenhieb des Mönches auf die ritter­lichen malitia. Als Dānišmand seine Tochter töten lassen will, weil sie ohne seine Zustimmung die Franken bewaffnet und in die Schlacht geschickt hat, überwältigt B ­ ohemund auch Dānišmand und seine Leute. Wiederum, wegen der Eide gegenüber Melaz, ohne Blutvergießen. Dies nutzt Ordericus erneut, um die Ehrenhaftigkeit der Christen zu zeigen. Melaz warnt Bohemund vor den Ränkespielen ihres Vaters, das Bild des listigen Türken wird hier bedient. Die Türkin eröffnet ihrem Vater, sie wolle Christin werden. Schließ­lich werden Boten nach Antiochia geschickt, die mit einer bewaffneten Eskorte zurückkehren sollen. Im Gegenzug soll die Tochter Yaġī Siyāns, die im Gewahrsam Bohemunds stand, freigelassen werden. Auch dieser türkischen Prinzessin gibt Ordericus im Gegensatz zu allen anderen Quellen eine Rolle. Sie beklagt sich bitter­lich über ihre Freilassung, da sie nun kein Schweinefleisch mehr essen könne. Die Türken äßen kein Schweinefleisch, dafür aber das von Hunden und Wölfen. Die antiislamische Zielrichtung wird hier deut­lich. Einem ähn­lichen Zweck dienen die Klagen der noch immer in der eigenen Festung gefangenen Männer Dānišmands gegenüber Mohammed. Wie schon ähn­liche Szenen aus den Chroniken zum E ­ rsten Kreuzzug soll hier die Machtlosigkeit Mohammeds und die Stärke des christ­lichen Gottes betont werden. Dennoch behandelt Bohemund ­Dānišmand ehrenhaft und nach Abschluss eines Paktes und unter Austausch von Geschenken, brechen die Franken mit Melaz nach Antiochia auf, nicht ohne dass der Türke noch einen Hinterhalt plant, vor dem die Franken aber dank Melaz gewarnt sind. In Antiochia lässt sich die Türkin schließ­lich taufen und heiratet laut Ordericus Roger von Salerno.57 Es ist klar, dass diese fiktive Geschichte stark von epischen Elementen beeinflusst ist. Reale Ereignisse wie die Gefangenschaft Bohemunds werden mit Fiktivem vermischt, wie der Person der Melaz. Von einem Bündnis, ja 57 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, X, 24, Bd. 5, S. 358 – 378.

Normannische Ritter und türkische Prinzessinnen  |

sogar von Freundschaft Bohemunds mit Dānišmand anläss­lich der Freilassung des Normannen, berichtet allerdings auch Albert von Aachen. 58 Einzelne Elemente der Erzählung sollen aus dem Osten stammen, nament­lich aus den Geschichten von Tausendundeiner Nacht. Dem ­seien ­später noch Elemente aus der franzö­sischen Epik hinzugefügt worden. Eventuell sei die Geschichte in Zusammenhang mit Bohemunds Frankreich-­Reise 1106 in den Westen gelangt, wo die epischen Elemente innerhalb der nächsten Jahre hinzugefügt worden s­ eien, so eine Forschungsmeinung.59 Andererseits wurde auch schon vermutet, die Geschichte sei von Bohemund und seinen Gefährten gezielt in Umlauf gebracht worden, um die Schmach der Gefangenschaft zu schmälern.60 Ordericus nutzt die Erzählung für die üb­lichen Anfeindungen gegen den Islam, die Klagen der Moslems über die Schwäche Mohammeds und die Stärken des Christengottes und das Bild des listigen Türken. Aber der Mönch bringt auch einige neue Elemente des Türkenbildes. Zunächst dürfte die Rolle der Melaz, wenn auch episch beeinflusst, der erste längere Auftritt einer Türkin in der euro­ päischen Literatur sein. Bemerkenswert ist alleine schon die Namensnennung, denn außer den großen türkischen Führern bleiben die Türken in jener Zeit meist namenlos, wie z. B. der Kommandant der Zitadelle von Antiochia, der doch eine für den Kreuzzug durchaus wesent­liche Rolle gespielt hatte. In der Geschichte schildert Ordericus aber auch den seiner Meinung nach vorbild­lichen christ­lichen Ritter, der sich wiederum nicht nur von den Türken, sondern auch von den Rittern in der Normandie abhebt. Mehrmals werden Treue und Ehrenhaftigkeit der christ­lichen Gefangenen betont, im Gegensatz zu den Ränken Dānišmands, von denen dieser selbst nach Abschluss des Freundschaftspaktes nicht ablässt. Das Verhalten gegenüber Melaz als Frau ist ebenfalls ehrenhaft, die normannischen Ritter folgen ihren Anweisungen und halten sich an die getroffenen Absprachen. Bemerkenswert und neu ist auch das Vermeiden unnötiger Grausamkeit, selbst gegenüber Heiden. In die Zukunft weist schließ­lich der höfisch gepflegte Umgang Bohemunds mit dem Gefangenen Dānišmand. Anklänge solcher Umgangsformen finden sich aber schon bei Albert von Aachen. 58 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IX, 35, S. 684; IX, 36, S. 686: „[…] ut quique sua lege et professione utentes amiciciam et foedus integre servarent […]”. 59 F. M. Warren, The enamoured Moslem princess in Orderic Vital and the French epic, in: Publica­tions of the Modern Language Associa­tion of America 29 (1914), S. 341 – 358, S. 347, 349, 355 f. 60 Yvonne Friedmann, Jämmer­licher Versager oder romantischer Held? Gefangenschaft während der Kreuzfahrer-­Epoche, in: Rüdiger Overmans (Hg.), In der Hand des Feindes. Kriegsgefangen­ schaft von der Antike bis zum zweiten Weltkrieg, Köln 1999, S. 119 – 140, S. 135.

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Die dritte Türkin, die in Ordericus’ Werk eine prominente Rolle erhält, ist eine gewisse Fatima, laut Ordericus die Frau des Ortoqidenfürsten Belek, des Neffen Īlġāzīs. Rahmenhandlung ist wieder eine Gefangenschaft. 1122 waren König Balduin II. und Joscelin von Edessa Belek in die Hände gefallen. Den Franken war es gelungen, ihre Wärter zu überwältigen, Joscelin war auf dem Weg Hilfe zu holen, während Balduin von Belek in dessen eigener Burg bela­ iesem Punkt sind die von dem normannischen Mönch gert wurde.61 Bis zu d geschilderten Ereignisse historisch. Fatima, in der Gewalt der Franken in der Burg ihres Gatten, warnt Balduin vor Beleks Vorschlägen, so Ordericus‘ Version. Der Türke hatte Balduin aufgefordert, seine Frauen freizulassen und ihm dafür einen einjährigen Waffenstillstand garantiert. Den Worten ihres Mannes sei nicht zu trauen, so Fatima. Ganz wie Melaz eröffnet auch sie den Franken, sie wolle lieber Christin werden, sei es auch in Gefangenschaft, als weiter unter Heiden zu leben, die Dämonen anbeteten. Als die Belagerung andauert, sendet Balduin die Frauen dennoch gegen deren Willen zu Belek zurück, der sofort sein Wort bricht und die Boten gefangennehmen lässt.62 Diese lässt er einem gewissen Ali, König der Meder, übergeben, der sie in ehrenvoller Haft hält. Dort ­seien die Franken von den Töchtern der Könige bewundert worden und Fürsten hätten sich Enkel von ihnen gewünscht. Niemand habe versucht, die Christen zum Abfall von ihrer Religion zu bewegen. Schließ­lich werden sie dem Sultan übergeben, von dem sie reiche Geschenke und ihre Freiheit erhalten. Balduin seinerseits geht auf ein zweites Angebot Beleks ein, wird wieder betrogen, seine Gefährten werden exekutiert oder verstümmelt. Wieder sind es die türkischen Frauen, die zum Christentum übertreten wollen, wieder sind es die Männer, die listig und hinterhältig sind. Aber auch hier gibt es abseits von Beleks Betrügereien freundschaft­liche Beziehungen. Die Schilderung des Sultans und des Mederkönigs hat wesent­lich mehr Ähn­ lichkeit mit dem Bild der Heiden in späteren Ritterepen 63 und Chroniken des Dritten Kreuzzuges als mit der frühen Kreuzzugschronistik oder dem frühen, altfranzö­sischen Rolandslied. Ordericus ist damit zwar ein Autor, der in seinem Weltbild den Bearbeitern der Gesta nahesteht und die Türken dementsprechend tradi­tionell als ebenso listig, grausam und wild darstellt wie die von ihm kritisierten euro­päischen Ritter. Obwohl der Mönch die ­kurzen, fiktiven, episch beeinflussten Passagen 61 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 157. 62 Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, XI, 26, Bd. 6, S. 118 ff. 63 Für Wolfram von Eschenbach siehe Raucheisen, Orient und Abendland, S. 64, 71, 74, 116 f.

Der zweite Kreuzzug  |

auch nutzt, um die Franken zu loben und den Islam zu verunglimpfen, kommt in diesen Szenen, in denen türkische Frauen die Hauptrolle übernehmen, ein anderes Türkenbild zum Vorschein. Das des Heiden, der das christ­liche Heil erkennen kann (Frauen) und der sehr wohl zu höfischen Umgangsformen fähig ist (Sultan und Mederkönig), dessen Tugenden sich also nicht nur auf die p­ rouesse beschränken.

8.3 Türkische Schwerter und griechische List: Der zweite Kreuzzug (1147 –  1 148) Der Eroberung Edessas durch Zangī am Weihnachtstag des Jahres 1144 folgte in Europa der Aufruf zu einem neuen Kreuzzug. Für das vor allem von Bernhard von Clairvaux propagierte Unternehmen konnten mit Ludwig VII. von Frankreich und dem römisch-­deutschen König Konrad III. zwei der vornehmsten Herrscher des Abendlandes gewonnen werden. Sowohl das franzö­sische als auch das deutsche Heer wählten, wie ihre Vorgänger 50 Jahre zuvor, den Landweg über den Balkan und Anatolien nach Osten. Der Kreuzzug konnte aber die hohen Erwartungen, die in das Ergebnis der Unternehmung gesetzt worden waren, nicht erfüllen. Das deutsche Heer wurde im Oktober 1147 in Anatolien durch türkische Truppen nahezu aufgerieben,64 Konrad reiste per Schiff nach Palästina, und auch die Franzosen hatten bei dem beschwer­lichen Marsch durch Südwest-­Anatolien bis nach Attalia im Winter 1147/48 hohe Verluste zu beklagen. Von dort rettete sich Ludwig VII., viele seiner Männer zurücklassend, ebenfalls per Schiff nach Syrien. Dort endete der Kreuzzug mit einem weiteren Misserfolg. Die Belagerung des eigent­lich zuvor mit den Franken verbündeten Damaskus musste im Sommer 1148 nach wenigen Tagen wegen Wassermangels aufgegeben werden, woraufhin sich das Kreuzheer auflöste und die Herrscher nach Hause zurückkehrten.65 Wohl aufgrund des enttäuschenden Ausgangs hat der Zweite Kreuzzug in der Chronistik wesent­lich weniger Niederschlag gefunden als der erste Zug nach Osten. Mit dem Werk Bischof Odos von Deuil, der Ludwig VII . begleitete, 64 Dorylaion als Ort der entscheidenden Schlacht ist jüngst mit guten Gründen angezweifelt worden, siehe Jason T. Roche, Conrad III and the Second Crusade: Retreat from Dorylaion?, in: Crusades 5 (2006), S. 85 – 97. 65 Zum Verlauf des Zuges in Kleinasien siehe Virginia Gingerick Berry, The Second Crusade, in: Kenneth M. Setton (Hg.), A history of the Crusades, Bd.1: Marshall W. Baldwin (Bearb.), The first hundred years, Philadelphia 1958, S. 463 – 512, S. 495 ff.

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besitzen wir ledig­lich eine von einem Augenzeugen der Kämpfe mit den Türken in Anatolien verfasste Chronik. Bischof Otto von Freising, Teilnehmer des Zuges unter Konrad III., zog es leider vor, über die Missgeschicke der Heere zu schweigen, da er ein erfreu­liches Geschichtswerk und keine Tragödie schreiben wolle.66 Wilhelm von Tyrus, der zu jener Zeit in Europa studierte, berichtet ­später ebenso über den Zug wie mehrere euro­päische Chroniken und Annalen, die dem Unternehmen kürzere Passagen widmen. Im Kreuzzugsaufruf Papst Eugens III. finden die Türken natür­lich als Eroberer von Edessa Erwähnung. Der Erzbischof der Stadt sei mit den Klerikern und vielen anderen Christen getötet und viele Reliquien s­eien zerstört worden.67 Zangī ließ beim Fall der Stadt die fränkische Bevölkerung töten bzw. versklaven.68 Eugen hält sich damit im Wesent­lichen an die Fakten, die im Übrigen ja dem tradi­tionellen Bild vom grausamen Türken entsprachen. Es finden sich in den Quellen aber auch ansonsten keine der zahllosen Übertreibungen, mit denen noch ein halbes Jahrhundert zuvor die türkische Herrschaft über die Ostchristen dargestellt worden war. Einige Quellen malen das Ganze zwar etwas mehr aus, indem sie von Hurerei auf den Altären berichten,69 aber kein Werk bringt derart verzerrte Darstellungen türkischer Gräueltaten, wie sie noch anläss­lich des E ­ rsten Kreuzzuges in den Quellen zu finden sind. Wenn man auch lesen kann, Zangī habe Edessa durch List erobert 70, was wiederum dem typischen Türkenbild entspricht, so weisen andere Autoren, wie Wilhelm von Tyrus, richtigerweise darauf hin, der türkische Herrscher habe nur die Abwesen­ heit christ­licher Truppen ausgenutzt. Der Erzbischof von Tyrus kritisiert sogar die Feindschaft ­zwischen den lateinischen Herrschaften Antiochia und Edessa. Er sieht das innerchrist­liche Zerwürfnis wohl als wesent­lichen Grund für den Erfolg Zangīs.71 66 Otto von Freising, Gesta Frederici seu rectius Cronica, I, 47; I, 64, in: Franz-­Josef Schmale (Hg.), Adolf Schmidt (Übers.), Bischof Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, F ­ reiherr vom Stein Gedächtnisausgabe, Bd. 17), Darmstadt 1965, S. 218, 264. 67 Eugen III., Bulle Quantum praedecessores, in: Erich Caspar, Die Kreuzzugsbullen Eugens III., in: Neues Archiv 45 (1924), S. 285 – 305, S. 302 f. 68 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 227; Thorau, Kreuzzüge, S. 87. 69 Annales Palidenses, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 16 (Annales aevi Suevici), ­Hannover 1859, S. 48 – 98, S. 82; Sigeberti Gemblacensis chronica cum continua­tionibus, Continuatio Gemblacensis, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 6, Hannover 1844, S. 385 – 390, S. 389. 70 Annales Palidenses, S. 82. 71 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVI, 4, S. 718, Z. 10; Chronicon Mauriniacense, hrsg. u. übers. von Richard Cusimano: A transla­tion of the chronicle of the abbey of Morigny, France

Der zweite Kreuzzug  |

Der Sultan von Ikonium (Masʽūd I., ein Nachfolger Kılıç Arslāns) habe aus Furcht vor den Kreuzfahrern in allen Teilen des Orients um Hilfe nachgesucht. Schließ­lich sei es ihm durch Bitten und Bestechungen gelungen, eine große Anzahl Türken und bewaffnete Männer zu sammeln. Man beachte die Differenzierung Wilhelms z­ wischen Bewaffneten und Türken. Vielleicht unterscheidet der Chronist hier ­zwischen den Mamluken des Sultans und angeworbenen, sicher noch leichter bewaffneten, Turkmenen. Dies muss aber an dieser Stelle Spekula­tion bleiben. Mit jenen Männern habe der Sultan eine passende Zeit und einen geeigneten Ort abgewartet, um die Christen anzugreifen.72 Wieder erscheinen die Türken als listige und schlaue Gegner. Die Berichte über die Züge durch Kleinasien, sowohl des Augenzeugen Odo, als auch der deutschen Quellen, sind neben den Werken zum Kreuzzug Friedrich Barbarossas die anschau­lichsten Zeugnisse für die Schwierigkeiten, die die Kreuzfahrer auf dem Marsch mit der türkischen Kampfweise hatten. Im Unterschied zum ­Ersten Kreuzzug, als der Sieg bei Doryläum den Kreuzheeren in Anatolien relative Ruhe verschaffte, waren Deutsche und Franzosen nun während des ganzen Marsches neben Hunger und Durst auch Überfällen und Pfeilbeschuss ausgesetzt. Wollten die Kreuzfahrer kämpfen, so wichen die Türken aus, schlugen die Christen aber ihr Lager auf, so fanden sie keine Ruhe, da die Bogenschützen sie Tag und Nacht angriffen. Ein geordneter Angriff durch die Ritter war wegen deren ausgehungerter Pferde ohnehin kaum mög­lich.73 Auch diese Kreuzfahrer registrierten erstaunt, dass fast alle Türken mit Bögen bewaffnet waren und im Kampf fast nur davon Gebrauch machten.74 Wilhelm von Tyrus nutzt den türkischen Angriff auf die Deutschen zu einer ausführ­lichen Schilderung ihrer Kampfweise. Dabei hebt er besonders die leichte Bewaffnung und die schnellen Pferde der Türken hervor, die es ihnen immer wieder ermög­ licht hätten, den Angriffen der schwerbewaffneten Christen auszuweichen. Die große Macht und Stärke des christ­lichen Heeres sei schließ­lich unter dem Druck ­dieses ermüdenden Kampfes zusammengebrochen.75 c. 1100 – 1150, New York 2003, S. 156. 72 Wilhelm von Tyrus, Chronicon,, XVI, 20, S. 743, Z. 14 f: „[…] congregates militaribus copiis et maxima Turcorum multitudine […]”. 73 Annales Reicherspergenses, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 17 (Annales aevi Suevici), Hannover 1861, S. 443 – 476, S. 462; Gerhoh von Reichersberg, De investiga­tione Antichristi liber I, in: E. Sackur (Bearb.), MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 304 – 395, S. 375. 74 Annales Reicherspergensis, S. 462; Gerhoh von Reichersberg, De investiga­tione, S. 375. 75 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVI, 22, S. 747, Z. 28 ff: „Facto est autem […] quod omnis illa tantorum principum virtus, que prius armis, viribus animis et numero videbatur incomparabilis,

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Das Türkenbild in den Berichten zum deutschen Kreuzzug bewegt sich in tradi­tionellen Bahnen. Die Türken sind auch hier vorsichtig und schlau, da sie zuerst durch Kundschafter den Zustand des christ­lichen Heeres erkunden. Dann folgen das türkische Kriegsgeschrei und die Pfeilwolken, die viele Kreuzfahrer töten oder verletzen. Ausführ­lich werden dann die Überfälle auf die erschöpften Pilger geschildert, die Grausamkeit der Türken und die Leiden der Kreuzfahrer.76 Auch verwenden die Chronisten wieder Tierbilder. Die Würzburger Annalen sprechen von der „tierischen Raserei der Barbaren“, ein anderes Mal von dem „hündischen Volk“.77 Wiederum wird der psycholo­gische Effekt greifbar, den die widrige Umwelt fern der Heimat und türkische Attacken auslösten 78 und der seinen Teil zum Bild des Türken als grausam und gnadenlos beigetragen haben dürfte. Dies ist auch im wesent­lich längeren Augenzeugenbericht des Odo von Deuil nicht anders. Es wird sogar dadurch verstärkt, dass in Odos Bericht die griechischen Mitchristen neben den Türken zu gleichrangigen Gegnern aufsteigen, man also fern von jeg­lichen Verbündeten nur noch von Feinden umgeben ist.79 List und Ränkespiele werden geradezu typisch für die Byzantiner, sodass sie sich nur noch in ihrem Vorgehen von den Türken unterscheiden: Die Muslime kämpfen, die Byzantiner schmieden verräterische Pläne. Das Scheitern des deutschen Zuges schrieb man dem Verrat eines griechischen Führers zu, der mit den Türken zusammengearbeitet habe.80 Nach Ansicht der Lateiner habe der byzantinische ­Kaiser Manuel Komnenos den Türken die Erlaubnis erteilt, seine Länder zu betreten, um die Kreuzfahrer zu schädigen.81 Es sei vielleicht sogar besser, das türkische Schwert zu ertragen als den Verrat der Griechen, schreibt Odo. Johannes von Salisbury schrieb nach dem Kreuzzug von den Unglücken, die diesen durch die „dolo Constantinopolitani imperatoris et Turcorum viribus“82 befallen habe. In gewisser Weise ist dies ein positiver subito contrite, languid lacessita Marte, corruerit, ita ut vix remanerent illius vestigial glorie et tantarum vix superesset residuum copiarum.“ 76 Annales Herbipolenses, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 16 (Annales aevi Suevici), Hannover 1859, S. 1 – 12, S. 5, 6; Annales Palidenses, S. 83. 77 Annales Herbipolenses, S. 5: „beluina rabies“, S. 6: „plebis […] caninis.“ 78 Annales Reicherspergensis, S. 462; Gerhoh von Reichersberg, De investiga­tione, S. 376. 79 Odo von Deuil, De profec­tione, VI, S. 112. 80 Ebd., V, S. 90. 81 Brief Ludwigs VII. an Suger von St. Denis, März/April 1148, in: Jean-­Joseph Brial, M. Léopold Delisle (Hg.), Recueil des Historiens des Gaules et de la France, Bd. XV, Paris 1878, S. 495 f. 82 Johannes von Salisbury, Historia Pontificalis, hrsg. u. übers. von Marjorie Chibnall, Edinburgh 1956, XXIV, S. 54; Odo von Deuil, de profec­tione, VII, S. 136; siehe auch Sigeberti Gemblacensis

Der zweite Kreuzzug  |

Aspekt des Türkenbildes, da deren militärische Tüchtigkeit dem griechischen Verrat gegenübergestellt wird. In jedem Falle sind die Türken nicht mehr der Gegner des Kreuzzuges. Richtig ist, dass K ­ aiser Manuel einen Vertrag mit dem Sultan schloss, aber nur, um seine Truppen im Westen zur Sicherung des Kreuzzuges und gegen einen drohenden Angriff der süditalienischen Normannen einsetzen zu können. Auch die deutschen Niederlagen sind nicht byzantinischem Verrat anzulasten, bestenfalls signalisierte der K ­ aiser dem Sultan, dass er nicht gegen türkische Vorstöße einschreiten werde. Manuel tat zwar wenig, um dem Kreuzzug zu helfen, aber sein späteres herz­liches Verhältnis zu Konrad spricht doch sehr gegen eine aktive Einflussnahme auf Seiten der Türken.83 In d ­ iesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass auch diese Kreuzfahrer nicht ­zwischen den Mamluken des Sultans von Ikonium und den turkmenischen Stämmen unterschieden, deren Gebiet im Westen Kleinasiens beide Heere durchquerten. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Turkmenen nur schwer zu kontrollieren waren und dass sie Raubzüge bis zur Küste der Ägäis unternahmen. Es mag also durchaus sein, dass Angriffe der Türken weit auf griechischem Gebiet von Manuel gar nicht verhindert werden konnten, unabhängig davon, ob er es wollte. Odo schreibt, die letzten Überlebenden von Ludwigs Heer s­eien von den Griechen ausgeraubt worden, die Türken aber hätten Spenden und Geld an die Armen verteilt, sodass die Franken schließ­lich die Gesellschaft der grausamen Glaubensbrüder gemieden hätten und sich sicher unter den Ungläubigen bewegt hätten.84 Der Hass auf die Byzantiner führte sogar dazu, dass man den Türken zum ersten Mal eine urchrist­liche Tugend wie Mitleid zuschrieb, sei es auch nur, um die Griechen in Verruf zu bringen. Der Bischof fährt fort, 3.000 junge Männer ­seien schließ­lich den Türken gefolgt, als diese abgezogen s­ eien. Diese ­seien zufrieden mit dem Dienst der Christen gewesen, sodass sie jene nicht zum Glaubenswechsel gezwungen hätten. Es ist unwahrschein­lich, dass sich die Geschichte mit den türkischen Almosen so zugetragen hat, allerdings ist es mög­lich, dass Überlebende des franzö­sischen Zuges nach der Abfahrt ­Ludwigs VII. aus Attalia als Söldner in türkische Dienste traten.85 Eine bemerkenswerte Stelle, die wiederum zeigt, dass es der militärische Bereich war, in dem chronica cum continua­tionibus, Continuatio Praemonstratensis, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 6 (Chronica et annales aevi Salici), Hannover 1844, S. 447 – 456, S. 453. 83 Ralph-­Johannes Lilie, Byzanz und die Kreuzzüge, Stuttgart 2004, S. 99, 103, 106. 84 Odo von Deuil, De profec­tione, VII, S. 140. 85 Jean Richard, An account of the battle of Hattin referring to the Frankish mercenaries in ­oriental moslem states, in: Speculum 27 (1952), S. 168 – 177, S. 175.

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man sich am ehesten bereit zeigte, den religiösen Graben zu überwinden und die Fähigkeiten des Feindes anzuerkennen, diesmal von Seiten der Türken aus. Odos stellt, ebenso wie die deutschen Berichte, die Türken in der üb­lichen Weise dar. Sein Werk ist dennoch lesenswert, da er die bislang ausführ­lichste Schilderung der Widrigkeiten enthält, denen ein Kreuzzug von Seiten der Türken in Anatolien ausgesetzt war. Der erste Kontakt mit den Türken, unter griechischer Führung, findet bei einem Kampf um die grasenden Pferde der Kreuzfahrer statt. Dann folgen die üb­lichen Angriffe auf Nachhut und Flanken. Die Türken hätten die Armee durch Listen, nicht durch Stärke behindert, sie ­seien schnell bei der Flucht und mutig in der Verfolgung, einem mutigen Angriff folgt ein schneller, geordneter Rückzug. Das üb­liche Muster, man erkennt die Fähigkeiten der Türken in gewisser Weise durchaus an, auch wenn man die Tatsache kritisiert, dass man sie nicht zum Kampf stellen kann.86 Die Türken schießen auf die Pferde der Kreuzfahrer, die zwar wegen des Hungers nicht mehr galoppieren konnten, aber noch in der Lage waren, die schweren Rüstungen zu schleppen. Diese Aufgabe müssen die Menschen nach dem Verlust der Tiere übernehmen, was die Strapazen des Marsches noch erhöhte.87 Odo bedient das tradi­tionelle Türkenbild, wenn er schreibt, die Türken s­ eien mutiger und gieriger geworden, sobald sie von der Schwäche des Heeres erfahren hätten, wie ein wildes Tier, das Blut geschmeckt habe. Die Lage bessert sich erst, als man den im Kampf mit den Türken erfahrenen Templern die Führung a­ nvertraute.88 Die franzö­sischen Ritter mussten nun ebenso wie ihre Vorgänger lernen, den Pfeilbeschuss zu ertragen und den provozierenden Feind nicht zu verfolgen. Im Folgenden bringt Odo eine etwas seltsame Beschreibung türkischen Verhaltens. Ein Flussübergang sei durch zwei größere Felsen gekennzeichnet gewesen, von denen einer von den Türken gehalten worden sei. Diese hätten sich Haare ausgerissen und zu Boden geschleudert zum Zeichen, ­­ dass sie sich nicht von dieser Stelle vertreiben ließen.89 Es ist klar, dass es vor dem Kampf zu Provoka­tionen des Gegners kam und zu Gebärden, die die eigene Stärke demonstrieren sollten, was aber die Geste mit den Haaren zu bedeuten hat, bleibt unklar. Die Türken können vom Felsen vertrieben werden und finden, nach Odos Meinung, im Schlamm des Flussbettes ein geeignetes Grab. 86 Odo von Deuil, De profec­tione, VI, S. 108; VI, S. 110. 87 Ebd., VI, S. 118. 88 Ebd., VII, S. 124 f. 89 Ebd., VII, S. 126: „Illi verum alium ascendunt, et capillos de capitibus ad pedes proiciunt, quo signo dictum nobis est praemonstrari illos de tali loco nulli timore moveri.“

Wilhelm von Tyrus und seine Zeit  |

Leider bricht Odos Werk vor der Ankunft in Syrien ab, sodass wir insbesondere für die Belagerung von Damaskus keine Augenzeugenberichte besitzen. Wilhelm von Tyrus schildert die Verteidiger der Stadt als respektable Gegner.90 Auch der Erzbischof von Tyrus sucht nach Erklärungen für das unerklär­lich schnelle Scheitern der Belagerung. Die von ihm, neben anderen, aufgestellte ­Theorie, die Damaszener hätten einige der Führer des christ­lichen Heeres bestochen, fügt sich in das Bild der schlauen Türken.91 Das Türkenbild in den Berichten zum Zweiten Kreuzzug hält sich damit in den tradi­tionellen Bahnen. Besonderheiten ergeben sich allerdings durch die negative Schilderung der Griechen, wodurch die Türken viel von der prominenten Rolle als Feinde des Christentums verlieren, die sie noch 50 Jahre zuvor innehatten. Für die Jahre 1147/48 ist viel eher die Sichtweise angebracht, dass die Darstellung der Türken in Zusammenhang mit dem Verhältnis zu den Griechen zu sehen ist, als dies in Bezug auf das Türkenlob der Gesta Francorum der Fall war.

8.4 Neue Umgangsformen? Wilhelm von Tyrus und seine Zeit Einer der bekanntesten Kreuzzugschronisten ist Wilhelm, Erzbischof von Tyrus. Um 1130 in Jerusalem geboren, kehrte er 1165 nach zwanzigjährigen Studien in Europa nach Palästina zurück, wo er unter anderem auch als Kanzler des Königreichs Jerusalem tätig war und s­ päter zum Erzbischof von Tyrus aufstieg. Sein wohl um 1170 begonnenes, umfangreiches Hauptwerk, die Chronica oder ­Historia rerum in partibus transmarinis gestarum ist eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte der Kreuzfahrerstaaten bis 1184. An Feldzügen nahm Wilhelm wahrschein­lich nicht teil 92, man darf aber davon ausgehen, dass er für die späteren Bücher seines Werkes als Zeitzeuge und aufgrund seiner Stellung über gute Informa­tionen und Berichte von Augenzeugen verfügte. Der Todestag Wilhelms ist umstritten, hier genügt es allerdings festzuhalten, dass er die Eroberung des Königreichs Jerusalem durch Saladin ab 1187 nicht mehr erlebt hat.93 Für die 90 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVII, 3 – 4, S. 762 ff. 91 Ebd., XVII, 5, S. 766, Z. 20 f; XVII, 7, S. 769, Z. 31 f; zu den Thesen der Forschung für das Scheitern der Belagerung siehe zuletzt A. J. Forey, The failure of the siege of Damascus 1148, in: John France (Hg.), Medieval warfare 1000 – 1300, Aldershot 2006, S. 410 – 421. 92 Peter W. Edbury, John Gordon Rowe, William of Tyre. Historian of the Latin East, Cambridge 1988, S. 53. 93 Rudolf Hiestand, Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelms von Tyrus, in: DA 34 (1978), S. 345 – 380, S. 353 für den 29. 9. 1186 als Todesdatum, dagegen Edbury, Rowe, William of Tyre,

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Niederschrift der Ereignisse von 1096 – 1099 war er frei­lich auf ältere Chroniken wie Fulcher von Chartres, Albert von Aachen oder Walter den Kanzler angewiesen. Er kann daher für das frühe 12. Jahrhundert nicht als Primärquelle gelten. Von Rainer Christoph Schwinges wurde Wilhelm attestiert, sein Islambild hebe sich positiv von dem seiner Zeitgenossen ab. Insbesondere habe sich der Erzbischof vom starren Bild des bösen Glaubensfeindes gelöst und den Muslimen das g­ leiche Recht wie den Christen zugestanden, sich zu verteidigen und einen bellum iustum zu führen. Dementsprechend müssten auch Verträge mit Muslimen eingehalten werden. Wilhelm stelle die Muslime nicht mehr nur als tapfere Gegner dar, nach Schwinges das einzige Zugeständnis der Autoren aus der frühen Kreuzzugszeit, sondern betone auch deren Charakter, Fähigkeiten und Leistungen.94 Gegen Schwinges wurde vorgebracht, Wilhelms Bild vom muslimischen Gegner orientiere sich an politischen Interessen des Königreichs Jerusalem. So sei man etwa auf die Vertragstreue des mächtigen Saladin angewiesen gewesen, um zu überleben. Diese Tatsache erkläre daher, warum Wilhelm die Einhaltung von Verträgen so betone. Die positive Beschreibung Nūr ad-­Dīns erkläre sich aus dem Bündnis der Franken mit dessen Nachkommen gegen Saladin. Auch hat man dargelegt, dass sich Wilhelms Darstellung der Muslime nicht in dem Maße von der anderer Autoren unterscheidet wie Schwinges dies postuliert hat. Wilhelm erscheint in den Reak­tionen auf Schwinges eher als nüchterner Autor und Realpolitiker denn als Vorkämpfer des Toleranzideals.95 Lassen sich in ­Wilhelms Türkenbild Belege für eine dieser Ansichten finden? Mit der Kenntnis des Türkenbildes früherer Autoren sollte es mög­lich sein, Kontinuitäten oder neue Tendenzen in Wilhelms Werk herauszuarbeiten. Betrachtet man Wilhelms Umgang mit seinen Primärquellen, so spricht zunächst wenig für eine besonders tolerante Haltung des tyrenischen Erzbischofs. Bei seiner Darstellung des E ­ rsten Kreuzzuges tut er sich mit Schilderungen muslimischer Grausamkeiten an den Ostchristen besonders hervor, ohne dass sich in zeitnahen Quellen Vorlagen dafür finden lassen. Auch die Bezeichnung der Muslime als (unreine) Hunde fügt er gelegent­lich in seine Erzählung

S. 22 für den 29. 9. 1184. 94 Schwinges, Wilhelm von Tyrus, S. 156, S. 164, S. 167 ff; Rainer Christoph Schwinges, ­William of Tyre, the Muslim enemy and the problem of tolerance, in: Michael Gervers, James M. ­Powell (Hg.), Tolerance and intolerance. Social conflict in the age oft he crusades, Syracuse 2001, S. 124 – 132, S. 124, S. 127, S. 129 f. 95 Mayer, Rezension zu Schwinges Buch, in: Deutsches Archiv 34 (1978), S. 255 – 257; Möhring, Heiliger Krieg, S. 440 ff.; Rödig, Zur politischen Ideenwelt, S. 68 ff.

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ein, ohne dies bei Autoren wie Fulcher oder Albert gelesen zu haben.96 Bei der Beschreibung der Minarette der Moscheen in Jerusalem vor der Eroberung von 1099 bezeichnet er die Muezzine, die zum Gebet rufen, als „Priester des sarazenischen Aberglaubens.“97 Würde aus Wilhelms Werk tatsäch­lich eine neue Toleranz sprechen, hätte er diese Stellen wohl kaum hinzugefügt. Allerdings lassen sich auch neue Aspekte erkennen, wenn auch in einem Fall nicht völlig klar ist, woher Wilhelm die entsprechenden Informa­tionen besaß. Er berichtet von einer Expedi­tion Balduins I. ins Transjordangebiet im Jahre 1101, die sich wohl gegen Beduinenstämme richtete. Dort sei große Beute gemacht worden, sowohl Tiere als auch Sklaven. Unter den Gefangenen habe sich auch eine hochschwangere arabische Prinzessin befunden. Als B ­ alduin davon erfahren habe, habe er die Frau mit allem Notwendigen versorgen lassen, ihr eine Dienerin zur Seite gestellt und sie beim Abzug zurückgelassen, sodass ihre Leute sie kurze Zeit s­ päter wohlbehalten auffinden konnten. Der dankbare Ehemann, ein arabischer Stammeshäuptling, befindet sich zwei Jahre s­ päter in dem ägyptischen Heer, das den geschlagenen Balduin in Ramlah belagert. Nun zahlt sich Balduins ritter­liches Verhalten aus, der Araber verhilft ihm zur Flucht und führt ihn durch die feind­lichen Linien ins christ­liche Arsuf.98 Zwar handelt es sich hier nicht um Türken, sondern um arabische Beduinen, dennoch aber um Muslime, sodass die Szene einen neuen Umgang mit dem Glaubensfeind widerspiegelt. Frühere Quellen, nament­lich Albert und Fulcher, berichten zwar von dem Unternehmen Balduins, erwähnen aber keine arabische Prinzessin. Nach der Schlacht von Ramlah 1102 sei Balduin die Flucht dank seines schnellen Pferdes „Gazelle“ gelungen, von Hilfe durch einen Araber ist nicht die Rede.99 Zu diesen frühen Chronisten zählt mit Fulcher auch der Kaplan Balduins, der für diese Ereignisse fraglos über Informa­tionen aus erster Hand verfügte.

96 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, I, 15, S. 132, Z. 52; V, 17, S. 293, Z. 26; V, 19, S. 296, Z. 23 ff; V, 22, S. 301, Z. 40; VII, 23, S. 375, Z. 52; VIII, 8, S. 396, Z. 21. 97 Ebd., VIII, 3, S. 387, Z. 66: „supersti­tionis Sarracenorum sacerdotes“, siehe auch V, 4, S. 274, Z.  22 f. 98 Ebd., X, 11, S. 464, Z. 15; X, 21, S. 478, Z. 7; X, 22, S. 479, Z. 1. 99 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana, II, IV, S.  370 ff; II, V, S.  376 ff; II, XIX, 1, S. 441 ff; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VII, 39, S. 542 ff; VII, 40, S. 546; IX, 5, S. 642; Gesta Francorum expugnantium Iherusalem, LVIII, in: RHC occ. Bd. V, Paris 1895, S. 487 – 543, S. 534; bei Albert X, 47, S. 760 findet sich zwar die Erwähnung einer reichen arabischen Fürstin, allerdings zum Jahre 1108, zudem ist die Frau weder schwanger, noch wird sie auf irgendeine Weise zuvorkommend behandelt, sondern mit anderen Muslimen und ihren Herden gefangen genommen.

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Ist die Begebenheit historisch, wie es wohl Runciman angenommen hat 100, so stellt sich die Frage, warum Fulcher sie nicht der Überlieferung wert erachtete, denn dass er sie nicht kannte, darf man in ­diesem Fall wohl ausschließen. Hat sich die Geschichte nicht so ereignet, so hat sich die Erzählung irgendwann verbreitet, sodass Wilhelm sie als wahr übernahm oder er fügte sie bewusst zur Ausschmückung in sein Werk ein. Die Tatsache, dass man Türken nunmehr auch weitere Tugenden außer Tapferkeit zuschrieb, lässt sich auch an anderen Stellen in Wilhelms Werk zeigen, die näher an seiner eigenen Schaffensperiode liegen und daher größere Authentizität beanspruchen können. Nūr ad-­Dīn habe während der Trauerfeier­ lichkeiten für König Balduin III . 1162 von einem Angriff gegen Jerusalem abgesehen. Man solle die Christen in ihrer Trauer schonen, denn sie hätten einen Prinzen verloren, den die Welt nicht noch einmal besitze.101 Ähn­lich positiv wird Saladins Onkel Šīrkūh beschrieben, ein Heerfüher Nūr ad-­Dīns. Dieser sei ein fähiger Krieger, so Wilhelm, der mit dieser Aussage noch im üb­lichen Rahmen des Türkenbildes bleibt, aber der Kurde sei auch sehr großzügig, als dritte ritter­liche Tugend begegnet hier die largesse. Dann folgt eine realistische Beschreibung des Äußeren Šīrkūhs, womit Wilhelm Neuland in der Kreuzzugschronistik betritt. Er sei von kleiner Statur, stämmig, dick, ein Auge sei von grauem Star befallen. Wenig ­später schreibt der Erzbischof über die freund­lichen Umgangsformen des muslimischen Heerführers gegenüber einem christ­lichen Gefangenen, seine Redegewandtheit und Bildung, kurz, über die Courteoisie Šīrkūhs.102 Sowohl Nūr ad-­Dīn als auch Šīrkūh werden zudem mehrmals als weise bezeichnet.103 Man muss hier z­ wischen der Art und Weise der Darstellung und der Ursache dafür differenzieren. Es ist von den Gegnern von Schwinges These zu Recht darauf hingewiesen worden, dass sich die Darstellung der muslimischen Führer durch Wilhelm an deren Bedeutung für das Königreich Jerusalem orientiert. Das Bündnis mit den Zengiden gegen Saladin erklärt die recht positive Charakterisierung Nūr ad-­Dīns im Werk des Erzbischofs. Der Grund für die positive Darstellung liegt damit in einer nüchternen Betrachtung der politischen Situa­tion und nicht in einem neuartigen Toleranzideal. 100 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. II, S. 68. 101 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVIII, 34, S. 860, Z. 46. 102 Ebd., XIX, 5, S. 871, Z. 44; XIX, 29, S. 905, Z. 10 ff. 103 Ebd., XVI, 7, S. 723, Z. 17 f; XVII, 26, S. 796, Z. 14; XIX, 16, S. 885, Z. 10; XX, 31, S. 956, Z. 3.

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Gleichwohl kann man Schwinges teilweise darin zustimmen, dass bei Wilhelm die Türken nicht nur auf ihre Tapferkeit reduziert werden.104 Der Erzbischof ist allerdings nicht der erste, bei dem dies der Fall ist, erinnert sei an Albert von Aachen oder Ordericus Vitalis. Fraglos wollte Wilhelm aus oben genannten Gründen jene muslimischen Herrscher und Heerführer positiv darstellen. Aber in Wilhelms Zeit und in seiner sozia­len Stellung genügte es für eine positive Darstellung eben nicht (mehr), jemanden nur als tapfer zu beschreiben. Für einen normannischen miles des Jahres 1100 war jemand, der wild, tapfer und listig war, nahe am vollkommenen Ritter. Ein Erzbischof der Jahre 1170 – 1180 hatte andere Ansichten und Anforderungen, wollte er den Gegner würdigen und entsprechend auf seine Leser einwirken. Nicht nur, weil ein gebildeter Mann wie Wilhelm neben der Tapferkeit noch andere Tugenden anerkannte, sondern weil das Rittertum in Europa in dieser Zeit selbst begann, Tugenden wie Höfischkeit oder Großzügigkeit als Ideale zu entwickeln, musste man sie auch muslimischen Gegnern zuweisen, wollte man sie positiv darstellen. Hierin könnte auch eine Erklärung für die Übernahme oben genannter Episode aus der Zeit Balduins I. in Wilhelms Werk liegen. Zu Fulchers Zeiten dominierte der militärische Kontakt in den Chroniken, dies schloss auch die Bewunderung der gegnerischen Tapferkeit ein. Ein guter Ritter war im Wesent­ lichen ein guter Kämpfer. Über weitergehende Kontakte schweigen sich die Quellen aus, nur bei Albert finden sich gelegent­lich Szenen, die von respekt­ vollem Umgang und gegenseitigen Ehrerbietungen zeugen. Bei O ­ rdericus ­Vitalis tritt die courteoisie im Umgang mit dem Feind erstmals offen zutage, wenn auch nur in einer fiktiven, epischen Erzählung. Wilhelm, der wiederum 30 Jahre nach Ordericus schrieb, geht auf ­diesem Weg noch weiter und zeugt von einem Wandel im Türkenbild. Neben die prouesse als Maßstab in der Bewertung der Muslime tritt nun die courteoisie als zweite ritter­liche Tugend, die auch gegenüber Andersgläubigen Anwendung finden kann. Berücksichtigt man diese Veränderungen, dann erhielten Erzählungen wie die über Balduin einen ganz neuen Stellenwert, sodass für Wilhelm der Anreiz, diese Geschichte in sein Werk aufzunehmen ungleich größer war als für Fulcher. Ob die Episode historisch ist oder sich erst ­später in Erzählungen verbreitete und deshalb Eingang in Wilhelms Werk fand, kann nicht mehr festgestellt werden. Die Türken waren auch für Wilhelm Ritter, nicht anders als frühere Kreuz­ zugschronisten bezeichnet er sie als equites/milites. Von einer Truppe Īlġāzīs spricht er als „equitum selectorum“, ausgesuchten Rittern. Die türkischen Reiter 104 Schwinges, Wilhelm von Tyrus, S. 164.

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Balaks, die 1122 König Balduin II. in der typisch türkischen Taktik auf Distanz folgen ohne sich auf einen Nahkampf einzulassen, den König plötz­lich überrumpeln und gefangennehmen, sind für ihn nichts anderes als leichtbewaffnete Ritter („expeditiore militia“). Aber ganz wie im Westen kommt auch im Orient eine zuvorkommende Behandlung nur den sozia­l Gleichgestellten zugute. Tod, Verschleppung, Sklaverei, im besten Fall Gefangenschaft und Freikauf, waren das Schicksal der Mehrzahl der Gegner. Wilhelm ist auch keineswegs der Einzige, der die Türken abseits des Schlachtfeldes in einem neuen Licht sieht. Gerade für die Zeit, als der Erzbischof seine Historia schrieb, wissen wir von weitgespannten diplomatischen Kontakten ­zwischen christ­lichen und türkischen bzw. kurdischen Herrschern. Heinrich der Löwe zog bei der Rückkehr von seiner Pilgerfahrt durch Anatolien. Dort wurde er von den Türken prächtig empfangen, Sultan Kılıç Arslān II. soll dem deutschen Herzog hocherfreut („letissimus“) entgegengeeilt sein. Der Türke soll ferner erklärt haben, er stamme von einer deutschen Adligen ab. Diese fiktive Aussage dient, nicht anders als die Legende von der gemeinsamen Abstammung in den Gesta ­Francorum, der Betonung der Gemeinsamkeiten und kann in gewisser Weise selbst schon als positive Darstellung des Türken gesehen werden. Heinrich sei überdies reich beschenkt worden, Zelte, Mäntel, Leoparden, Sklaven und natür­lich Pferde habe er erhalten. Arnold von Lübeck, der Verfasser des Berichts, lebte in Europa und so legt er dem Herzog noch eine Klage über den Aberglauben der Sarazenen in den Mund. Er wollte Heinrich wohl nicht dem Vorwurf zu enger Kontakte mit einem Ungläubigen aussetzen, ohne dass dieser wenigstens versucht hatte, den Türken zur Konversion zu bewegen. Der Sultan antwortet höf­lich und ausweichend. Es gebe viele Sarazenen, so Arnold, die die fünf Bücher Mose annähmen und doch dem Götzendienst nicht abschwören würden.105 Auch hier widmet man den höfischen Umgangsformen ganz neuen, breiten Raum. Dass Wilhelm über die Religion der Muslime besser Bescheid weiß als Arnold im fernen Lübeck, verwundert kaum, obschon auch Arnold weiß, dass die Muslime das alte Testament durchaus anerkennen. Wie so oft ist auch hier Wissen mit Verleumdung gemischt. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass Arnolds Chronik erst um 1210 entstand, aber dies ist kein Grund, den Kerngehalt seiner Schilderung, den ehrenvollen Empfang für Heinrich, anzuzweifeln. Ein weiterer Bericht, der gegen die Ausnahmestellung von Wilhelms Denken spricht, ist die ebenfalls durch Arnold von Lübeck überlieferte Reisebeschreibung 105 Arnold von Lübeck, Chronica, I, 9, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 21 (Historici Germaniae saec. XII.1), Hannover 1869, S. 100 – 250, S. 121 f.

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eines gewissen Burchard, eines Gesandten Barbarossas zu Saladin im Jahre 1175. Burchard beschreibt Syrien und Ägypten und bringt dabei „auffallend wenige der damals im Abendland über den Islam verbreiteten Vorurteile.“106 Man liest in dem bemerkenswert objektiven und interessanten Text nicht nur von „wilden Pferden“, die angeb­lich im Nil unter Wasser leben, sondern auch von interkonfessioneller Marienverehrung, der Frömmigkeit und den rituellen Waschungen der Sarazenen.107 Ayyubidische Botschafter nahmen den umgekehrten Weg und kamen nach Europa. Von einem ehrenvollen Empfang von Gesandten Saladins am Hofe Barbarossas und wertvollen Geschenken erzählt die Kölner Königschronik zum Jahr 1173.108 Ein halbes Jahr begleiteten die Abgesandten den Hof des Kaisers. Angeb­lich habe sich Saladin zum Christentum bekehren wollen und man habe ein Heiratsprojekt ­zwischen einem Sohn des Sultans und einer Tochter des Kaisers geplant. Ähn­lich die Vorschläge, die Otto von St. Blasien zufolge der Sultan von Ikonium 1179 an Barbarossa gerichtet haben soll. Auch hier ist die Rede von einem Bündnis, der Heirat mit einer Tochter des Staufers und einer Konversion zum Christentum.109 Letztere Angaben sind unglaubwürdig, es handelt sich wohl um Schutzbehauptungen, um Vorwürfen gegen den ­Kaiser wegen seiner freundschaft­lichen Beziehungen zu Saladin vorzubeugen.110 Dass ­solche Behauptungen für nötig erachtet wurden, zeigt aber auch die Vorbehalte auf, mit denen man beim Kontakt mit Muslimen noch rechnen musste. Dennoch, diese Texte, einschließ­lich Wilhelms Chronik, zeugen von einem neuen Umgang mit muslimischen Machthabern und anscheinend war es selbst in Europa mög­lich, von einem Heiratsprojekt zu schreiben, ohne von vorneherein unglaubwürdig zu wirken oder einen Sturm der Entrüstung zu entfachen. Das seldschukische Sultanat und das ayyubidische Reich begannen, eine Rolle in der euro­päischen Diplomatie zu spielen. Die Welt wuchs näher zusammen und der Austausch von Gesandten fand unter gepflegten, höfischen 106 Hannes Möhring, Sultan Saladin und K ­ aiser Friedrich Barbarossa, in: Alfried Wieczorek, Mamoun Fansa, Harald Meller (Hg.), Saladin und die Kreuzfahrer (Begleitband zur Ausstellung), Mannheim 2005, S. 151 – 155, S. 154. 107 Arnold von Lübeck, Chronica, VII, 8, S. 235 – 241, zu den Nil-„Pferden“, S. 238: „equos indomitos“, Marienverehrung S. 238, Frömmigkeit und Waschungen S. 240 f. 108 Kölner Königschronik z. J. 1173, in: Georg Waitz (Hg.), MGH SS rer. Germ. 18, Hannover 1880, S. 1 – 299, S. 124 f. 109 Otto von St. Blasien, Chronica, 25, in: Franz-­Josef Schmale (Hg. u. Übers.), Ottonis de s­ ancto Blasio Chronica et Annales Marbacenses (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters- Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe Bd. 18a), Darmstadt 1998, S. 76. 110 Möhring, Sultan Saladin und ­Kaiser Friedrich Barbarossa, S. 152 f.

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Umgangsformen statt. Wenn auch die Erwähnung diplomatischer Kontakte zu Ayyubiden und Seldschuken neu ist, so soll das nicht heißen, dass es die entsprechenden Umgangsformen bei diplomatischen Kontakten in Syrien nicht schon früher gab, Albert von Aachen oder die Historia Belli Sacri erwähnen sie gelegent­lich, aber erst jetzt werden sie in größerem Umfang in den Chroniken greifbar. Es ist schwer zu sagen, ob sich die Haltung gegenüber dem Islam änderte, oder ob sich die Umgangsformen innerhalb der euro­päischen Führungsschicht änderten und man diese dann auf den Gegner übertrug, der ja nach Ansicht der Zeitgenossen ebenso ein Ritter war, wie man selber. Die Türken jedenfalls waren nicht mehr der apokalyptische Gegner der frühen Kreuzzugschroniken, sondern Teil einer größer gewordenen Welt, ungeachtet der Frage, was die Zeitgenossen über den Islam dachten. Es ist gezeigt worden, dass Wilhelms Ansicht, Verträge mit Ungläubigen müssten gehalten werden, vor allem dem Selbstschutz der Kreuzfahrerstaaten geschuldet war.111 Dem kann aber noch hinzugefügt werden, dass Wilhelm keineswegs der erste west­liche Chronist ist, der Kritik an einem Vertragsbruch gegenüber den Muslimen übt. Die Plünderung Akkons durch italienische Seeleute 1104 entgegen der Kapitula­tionsvereinbarung kritisiert Albert von Aachen, Wilhelm hingegen übergeht die Plünderung, ebenso den Bruch eines Versprechens, das ein Ritter namens Reinfried 1111 den Bürgern von Tyrus gab, indem er ihnen freies Geleit versprach, sie aber ­später an den König von Jerusalem verriet.112 Schwinges hat die Rede Ṭuġtagīns vor der Schlacht von Tel es-­Saqhab 1126 als zentralen Beleg für Wilhelms neue Rechtsauffassung angeführt. Nirgendwo sonst werde den Muslimen zugestanden, einen, wie der Türke laut Wilhelm sagt, gerechten Krieg zur Verteidigung von Frauen, Kindern und Freiheit zu führen. Zwar ließen auch andere Autoren Muslime für Familie und Freiheit streiten, nirgendwo werde ihnen aber zugestanden, einen bellum iustum zu führen.113 Es ist frag­lich, ob man aus dieser Passage eine neue Rechtsauffassung Wilhelms herauslesen kann. Wenn der Kampf für Familie und Freiheit einen gerechten Krieg begründet, und nichts anderes legt Wilhelm dem Türken in den Mund, dann führen die Türken auch in denen von Schwinges negierten früheren Belegen 114 einen gerechten Krieg, da auch ihnen von den Chronisten 111 Mayer, Rezension zu Schwinges Buch, siehe Fn. 9, S. 256; Möhring, Heiliger Krieg, S. 447. 112 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IX, 28, S. 672; IX, 29, S. 674; XII, 3, S. 826 ff; Wilhelm von Tyrus, Chronicon, X, 28, S. 486. 113 Ebd., Wilhelm von Tyrus, XIII, 18, S. 609, Z. 51.Schwinges, Wilhelm von Tyrus, S. 167. 114 Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos, VII, VI, S. 278, Z. 317: „[…] Sarracenos pro vitae patriaeque tui­tione pugnaces […]“; Ebd., V, VIII, S. 209, Z. 270 ff; Gesta Francorum,

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zugestanden wird, für das Wohlergehen ihrer Heimat zu kämpfen. Wenn auch die Wörter bellum iustum dort nicht fallen, so bleibt die Sachlage doch gleich. Es sei, so Schwinges weiter, unbeacht­lich, dass einem Gegner diese Worte in den Mund gelegt würden, diese Technik diene der Wiedergabe eigener Gedanken. Schon Rödig hat aber darauf hingewiesen, dass das Einfühlungsvermögen in den Standpunkt des Gegners durchaus üb­lich war, teilweise werde in direkten Reden sogar das Christentum verunglimpft.115 Solche Passagen dürften wohl kaum die wahren Ansichten der Autoren wiedergeben, sodass diese Haltung auch nicht in jedem Fall bei Wilhelm vorausgesetzt werden kann. Man kann Schwinges sicher darin folgen, dass Wilhelm von Tyrus in vielem eine neue Haltung beim Umgang mit Muslimen vertritt, allerdings wurde auch gezeigt, dass der Erzbischof von Tyrus darin keineswegs die große Ausnahme ist, sondern vielmehr ein Kind seiner Zeit. In vielen Fällen ist er auch nicht der Erste, bei dem eine ­solche Haltung nachgewiesen werden kann, abgesehen davon, dass bereits gezeigt wurde, dass seine Darstellungen vielfach politischen Interessen geschuldet sind. Es erscheint daher übertrieben, Wilhelm eine neue Art von Toleranz zuzuweisen. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass Wilhelm aufgrund der Tatsache, dass er im Osten lebte, ein entspannteres Verhältnis zu Muslimen hatte als ein Chronist in Europa. Die Anwesenheit der Muslime und deren religiöse Riten waren für Wilhelm alltäg­lich.116 Vielleicht erklärt sich daraus, dass die Betonung der religiösen Unterschiede in der Chronik fast völlig fehlt. Die Muslime haben auch für Wilhelm den falschen Glauben, es ist für ihn ein Aberglaube, aber er verzichtet auf die Szenen der frühen Kreuzzugschroniken, in denen muslimische Heerführer nach der verlorenen Schlacht ihren Gott anklagen oder auf die früher häufiger geschilderten Bekehrungsversuche durch Muslime, die mit dem Martyrium des standhaften Ritters enden. Wie der Vergleich mit dem Bericht Burchards zeigt, ist dies aber keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal Wilhelms. Vielleicht verlegte Wilhelm seine Auseinandersetzung mit dem fremden Glauben aber auch in sein Werk über den Islam, das heute leider verschollen ist.117 Aber abgesehen von allen Neuerungen wird bei Wilhelm auch immer wieder die Realität der Kriegsführung im Nahen Osten deut­lich. Courteoisie und Largesse, die man bisweilen bei den muslimischen Führern verwirk­licht sieht, XXI, 2, S. 315 f; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IV, 3, S. 250; IV, 6, S. 256. 115 Rödig, Zur politischen Ideenwelt, S.81. 116 So auch Rödig, ebd., S. 70 f. 117 Schwinges, Wilhelm von Tyrus, S. 161.

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treten neben Tapferkeit, Wildheit und Grausamkeit, sie ersetzen sie nicht. Ebensowenig wie sich auch in Europa die Realität des Ritterkrieges veränderte. Die Ähn­lichkeit von Verhaltensweisen der kriegerischen Gefolgsleute auf christ­licher und türkischer Seite verdeut­licht die Reak­tion, die Wilhelm Nūr ad-­Dīns Vasallen auf die Nachricht von einer schweren Erkrankung ihres Herrn zuschreibt. Die Ordnung in der Armee sei daraufhin zerbrochen und habe, wie es bei den Türken beim Tod ihres Herrn üb­lich sei, Plünderungen und ungezügelter Gewalt Platz gemacht. Wie sehr ähnelt diese Stelle doch dem, was Ordericus Vitalis über das Verhalten der Vasallen Heinrichs I. von England nach dessen Tod geschrieben hatte.118 Es ist interessant zu sehen, wie zwei Chronisten völlig unabhängig voneinander einem ähn­lich aufgebauten Kriegerstand in einer vergleichbaren Situa­tion ein nahezu identisches Verhalten unterstellen. Die Wertschätzung der türkischen Tugenden durch christ­liche Ritter kam nicht von ungefähr. Das Prinzip von „terror und timor“, die Fähigkeit, Furcht zu erzeugen, zeigt sich auch bei Wilhelm als eine Kern-„Tugend“ eines ritter­lichen Anführers. Der junge Raimund II. von Tripolis habe 1137 diejenigen, die er für den Tod seines Vaters durch Verrat verantwort­lich machte, in Ketten nach Tripolis bringen und grausam zu Tode foltern lassen. So habe er erste ­­Zeichen seiner Tüchtigkeit gesetzt und die Zuneigung seiner Leute gewonnen. Zum Jahr 1152 berichtet Wilhelm, es werde als Auszeichnung betrachtet, im Blut der Feinde ­ iesem Licht sind auch die Charakterisierungen Zangīs gebadet zu sein.119 In d und Nūr ad-­Dīns als militärisch tüchtig und die regelmäßigen Erwähnungen von umfangreichen Verwüstungen und Plünderungen infolge von türkischen Feldzügen zu sehen. Dies beginnt mit der Zeit Maudūds über Īlġāzī und ­Bursuqi bis hin zu Nūr ad-­Dīn und Saladin.120 Plünderungszüge der Christen schildert Wilhelm ganz ähn­lich 121 und gibt damit einen realistischen Eindruck von der Kriegführung im Nahen Osten.122 118 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVIII, 17, S. 835, Z. 31 ff; Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, XIII, 19, Bd. 6, S. 450. 119 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIV, 23, S. 661, Z. 21 ff; XVII, 20, S. 788, Z. 47. 120 Ebd., XIII, 16, S. 604, Z. 4 ff; XIII, 20, S. 612, Z. 4 ff; XIV, 27, S. 667, Z. 7 ff; XVII, 9, S. 781, Z.  12 ff; XVII, 15, S. 781, Z. 25 ff; XXI, 28, S. 1000, Z. 2 ff; XXII, 2, S. 1008, Z. 17 ff; XXII, 27, S. 1054, Z. 63. 121 Ebd., XVIII, 27, S. 851, Z. 44 ff; XXII, 20, S. 1038, Z. 20 ff. 122 Zu der auch zu Saladins und Balduins IV. Zeiten keineswegs „ritter­lichen“ Kriegführung siehe auch: Malcolm Barber, Frontier warfare in the Latin Kingdom of Jerusalem: The campaign of Jacob’s Ford 1178 – 79, in: John France, William G. Zajac (Hg.), The Crusades and their sources. Essays presented to Bernhard Hamilton, Aldershot 1998, S. 9 – 22.

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Die Passagen über die Verwüstungen des offenen Landes außerhalb der Städte ähneln den Berichten über die seldschukischen Feldzüge der Jahre 1110 – 1115. Es sei daran erinnert, dass zu Wilhelms Zeit Zangī und Nūr ad-­Dīn turkmenische Stämme in Nordsyrien angesiedelt und diese sich in der Region um Artah etabliert hatten.123 Auch Wilhelm fasst die verschiedenen türkischen Gruppen im Allgemeinen unter dem Begriff Turci zusammen. Die Turkmenen,124 denen es 1150 gelang, Joscelin II. gefangenzunehmen, bezeichnet Wilhelm als Räuber („predonibus“) und klassifiziert sie damit ähn­lich wie frühere Quellen eher als unstete räuberische und irreguläre Einheiten.125 Zum Jahr 1157 erwähnt er explizit die Turkmenen („Turcomannorum“) und schildert kurz deren Lebensweise. Wie die arabischen Beduinen, so der Erzbischof, lebten sie in Zelten und ihre Nahrung basiere auf Milch.126 Bei dieser Gelegenheit kritisiert er König Balduin III., der den Waffenstillstand mit diesen Menschen gebrochen habe, sodass die Nomaden der Raubgier seiner Gefolgsleute anheim gefallen s­ eien. Ganz zu Beginn seines Werkes offenbart der Erzbischof in gewisser Weise seine gute Kenntnis des Unterschieds z­ wischen turkmenischen Stämmen und anderen türkischstämmigen Kriegern. Nach einer legendenhaften Erzählung über die Wahl Selçüks zum ersten türkischen König teilt er mit, die Turkmenen ­seien diejenigen, die sich keinen König gewählt hätten, bei ihrer Rohheit geblieben ­seien und nach der alten Art fortlebten.127 Im Grunde erfasst Wilhelm damit als erster west­licher Chronist die Tatsache, dass es sich bei den Turkmenen um relativ unabhängig operierende Stammesverbände handelt. Aber auch in dieser Passage werden sie eher negativ beschrieben (Rohheit). Allerdings herrscht in der Forschung Einigkeit, dass Wilhelm das entsprechende Kapitel erst 1184 verfasste, also erst nachdem der ganz überwiegende Teil der Chronik bereits fertiggestellt war.128 Es lässt sich daher nicht mehr feststellen ob/inwiefern diese Kenntnis bei der Schilderung der Türken eine Rolle spielte. Eine besondere Differenzierung z­ wischen Turkmenen und anderen türkischen Gruppen trifft der Erzbischof in seinem Werk jedenfalls in den allermeisten Fällen nicht. Wilhelm ist ebenfalls der erste west­liche Chronist, der die Institu­tion der Militärsklaven, der Mamluken, beschreibt und benennt („Mameluc“). Anlass ist ein Feldzug Saladins. Diesen hätten u. a. 1.000 tapfere Krieger begleitet und ihm als 123 Cahen, La Syrie du Nord, S. 378, 407. 124 Ibn al-­Qalānisī, The Damascus chronicle, z. J. 1150/51, S. 300; The Chronicle of Ibn al-­Athir, z. J. 1151/52, Bd. 2, S. 39. 125 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVII, 11, S. 774, Z. 11; Cahen, La Syrie du Nord, S. 386. 126 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVIII, 11, S. 825, Z. 1 ff. 127 Ebd. I, 7, S. 117. 128 Murray, William of Tyre, S. 220 f.

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Leibwache gedient. Sie s­ eien wie Saladin selbst in gelbe Seide gekleidet gewesen. Im Folgenden beschreibt Wilhelm korrekt den Werdegang eines Mamluken, den Kauf als Sklave durch einen türkischen Befehlshaber, die militärische Ausbildung und ­später die Übertragung hoher Ämter. Wilhelm scheint die Mamluken zu bewundern. Bis zuletzt, so berichtet er, würden sie ihren jeweiligen Herrn verteidigen, und so geschehe es häufig, dass fast alle Mamluken im Kampf fielen, während der Rest des Heeres fliehen könne.129 Dem widerspricht allerdings seine Aussage, die Türken s­ eien keine Härten im Kampf gewöhnt. In dem geschilderten Fall, einem abgewehrten Angriff auf Jerusalem 1152, ­seien sie deshalb nach dem Verlust ihrer Pferde niedergehauen worden wie Schafe. Es ist mög­lich, dass Wilhelm als gebildeter Mann hier, wie andere Chronisten vor ihm, eine Anleihe bei Lucan genommen hat, der ähn­liches über die Parther behauptet hatte.130 Die Historia enthält oft genaue Auskünfte über Zusammensetzung und Ausrüstung türkischer Heere. Das oben genannte Heer Saladins habe sich aus 8.000 Toassin und 18.000 Caragolam zusammengesetzt, gibt der Chronist die muslimische Bezeichnung wieder. Erstere ­seien besonders ausgezeichnete Soldaten, letztere einfache Ritter. Nach 1171 hatte Saladin die Einheiten des fatimi­ dischen Heeres aufgelöst und durch eine Kavallerietruppe ersetzt, nach dem Muster der türkischen Heere in Syrien. Diese Truppe gliederte sich in die sog. ṭawāšī, hoch bezahlte und gut ausgerüstete Soldaten, und in die leicht bewaffneten qarāġulām. Die qarāġulām waren entweder Mamluken niederen Ranges oder andere Reiter nicht-­mamlukischen Ursprungs.131 Über das Heer, das Šīrkūh 1167 nach Ägypten führte, erfährt man, es habe aus 9.000 mit Helm und Kettenhemd („loricis galeisque“) gerüsteten und aus 3.000 nur mit Pfeil und Bogen bewaffneten Türken bestanden. Außerdem sei Šīrkūh von etwa 10.000 Arabern begleitet worden, die, gemäß ihrer Tradi­ tion, mit der Lanze vom Pferd aus gekämpft hätten.132 Abgesehen von der Frage, ob den Zahlenangaben zu trauen ist, sieht man hier deut­lich, dass auch ­zwischen den türkischen Reiterkriegern Ausrüstungsunterschiede bestanden. Bei den Leichtbewaffneten könnte es sich um turkmenische Verbände gehandelt haben,133 während die besser ausgerüsteten Reiter Mamluken Šīrkūhs, 129 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XXI, 23, S. 991, Z. 12 ff 130 Ebd., XVII, 20, S. 788, Z. 41; Lucan, Bellum civile, VIII, 372 ff, S. 388. 131 Gibb, Armies of Saladin, S. 76, 87 Fn. 32; Lev, Infantry in Muslim armies, S. 197. 132 Gibb, Armies of Saladin, S. 74, 81 f; Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIX, 25, S. 898, Z. 7 ff; Lyons/Jackson, Saladin, S. 9. 133 Nach dem Tod Šīrkūhs und der Nachfolge Saladins zogen die Turkmenen aus Syrien ab, siehe Gibb, Armies of Saladin, S. 74.

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Nūr ad-­Dīns und anderer Emire gewesen sein dürften. Ebenso deut­lich wird aber auch die zentrale Rolle der Kavallerie in jenem Heer, sodass verständ­lich wird, warum sich bei den Christen der Eindruck verfestigte, bei den Türken handele es sich um Ritter. Es scheint so, als sei d ­ ieses umfangreiche Wissen Wilhelms nicht nur seinem Aufenthalt im Osten geschuldet, sondern auch einem gewissen Interesse an der dortigen Welt, das sich nicht bei allen früheren Chronisten so findet. Fulcher etwa ist wesent­lich zurückhaltender bei solcherart Informa­tionen, obwohl er ebenso lange wie Wilhelm im Orient lebte. Ledig­lich Albert von Aachen baut häufig interessante Details in seine Schilderung ein, war aber in Europa für seine Informa­tionen auf Mittelsmänner angewiesen. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass die neuen Tendenzen und Informa­tionen in Wilhelms Werk das tradi­tionelle Türkenbild nicht ersetzen. Tapferkeit schreibt auch der Erzbischof von Tyrus mehrmals seinen Gegnern zu, gleiches gilt für das Merkmal der Wildheit. 134 Auch als Nicht-­Augenzeuge vergleicht Wilhelm den Pfeilbeschuss in Schlachten mit Hagel oder Regen und schildert eindring­lich Panik und Verzweiflung, die dies bei den frän­kischen Soldaten verursachen konnte. Manche hätten sich z­ wischen den Packtieren versteckt und Schwäche vorgetäuscht, um sich dem Feind nicht stellen zu müssen, schreibt er anläss­lich eines Zuges gegen Damaskus 1147. Andere hätten den Beschuss zwar erwidert, die Pfeile der Christen ­seien wegen der hohen Mobilität der türkischen Reiter aber wirkungslos geblieben. 135 Diejenigen, die sich nach Wilhelm zum Erstaunen der Muslime, trotz Hunger, Durst und türkischer Pfeile standhaft vorwärtskämpfen, erwartet in ­diesem Fall türkische List. Die Türken setzen Buschwerk in Brand, um die Christen durch Rauch zu blenden. Die türkische Taktik verurteilt Wilhelm ebenso wenig wie seine Vorgänger. Dafür kritisiert er mehrmals Disziplinlosigkeiten im christ­lichen Heer. Er weiß, wie wichtig es war, die Marschforma­tion einzuhalten. Die Kavallerie musste sich dem Tempo des Fußvolkes anpassen, um dem Feind keine Gelegenheit zu geben, die Forma­tion zu sprengen. Die vernichtende Niederlage der Franken gegen Nūr ad-­Dīn in der Schlacht von Artah 1164 schreibt er dem Stolz und der Disziplinlosigkeit der Christen zu. Diese ­seien nicht damit zufrieden 134 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVI, 13, S. 733, Z. 6 f; XVIII, 13, S. 830, Z. 65; XVIII, 21, S. 842, Z. 41; XX, 15, S. 931, Z. 61; XXI, 11, S. 976, Z. 39; XXI, 27, S. 999, Z. 18 ff; XXII, 26, S. 1051, Z. 40 f. 135 Ebd., XVI, 10, S. 728, Z. 28 ff.

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gewesen, Nūr ad-­Dīn zur Aufgabe der Belagerung von Harim gezwungen zu haben, entgegen alle Vernunft hätten sie den sich zurückziehenden Feind verfolgt. Die Türken hatten ihre Taktik der Scheinflucht angewandt, machten plötz­lich kehrt und überraschten die Christen in einem sumpfigen Gelände, wo diese ihre Kavallerie nicht bestmög­lich zum Einsatz bringen konnten.136 Wilhelm war zwar kein Militär, er hatte aber wohl oft genug Gelegenheit, sich mit erfahrenen Befehlshabern zu unterhalten, die wussten wie gefähr­lich ­solche Fehler im Kampf gegen die Türken sein konnten, sich aber nicht immer gegen den ungestümen Tatendrang der Ritter durchsetzen konnten, insbesondere wenn es sich um Neuankömmlinge aus Europa handelte. Eine Horde euro­päischer Kreuzfahrer, begierig auf den Kampf gegen die „Heiden“, war für Wilhelm, ebenso wie für andere Vertreter der fränkischen Führungsschicht, meist wohl mehr Fluch als Segen, besonders in späteren Jahren, wenn unbedachte Ak­tionen den für das Königreich lebenswichtigen Waffenstillstand mit einem mächtigen Gegner gefährden konnten. Ein Merkmal aber, das nur wenige Jahre zuvor zu dem Stereotyp der Türken in west­lichen Chroniken geworden war, findet man bei Wilhelms Türken kaum noch: Die List.137 Dieser erstaun­liche Wandel könnte zwei Ursachen haben. Zum ­Ersten war Wilhelm besser mit der politischen Situa­tion im Orient vertraut als alle anderen Chronisten vor ihm. Er war daher wohl in der Lage, die verschiedenen muslimischen Gruppierungen zu differenzieren und zu erkennen, wie weit die Befehlsgewalt einzelner Führer reichte. Für ihn musste der Überfall durch eine bestimmte Partei daher nicht sofort hinterhältig sein. Vor allem aber hatte sich in Wilhelms Zeit die politische Situa­tion im muslimischen Syrien grundlegend gewandelt. Die unabhängigen Kleinstaaten und die umtriebigen Warlords waren durch einflussreiche Führer wie Nūr ad-­Dīn oder Saladin ersetzt worden. Diese Tatsache war Wilhelm im Übrigen sehr wohl bewusst und er sieht darin eine Ursache für die wachsende Stärke der Muslime.138 Schnelle Bündniswechsel, wie sie noch zu Beginn des Jahrhunderts gang und gäbe waren, um die eigene Unabhängigkeit zu erhalten, gehörten der Vergangenheit an. Diese politische Stabilisierung wirkte sich auch auf das euro­päische Türkenbild aus. Nicht, dass diese Lage eine Wendung des Türkenbildes ins Positive bewirkt hätte. Wilhelm klagt 1182 über die Arroganz des übermächtigen Saladin, der 136 Ebd., XVI, 12, S. 732, Z. 24 ff; XIX, 9, S. 875, Z. 25 ff; siehe auch Smail, Crusading warfare, S. 119, 125, 127 f, 130. 137 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIII, 11, S. 598, Z. 4; XX, 15, S. 930, Z. 38. 138 Ebd., XXI, 7, S. 970, Z. 37.

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zu einem Feldzug gegen andere muslimische Herrscher nach Nordsyrien und Mesopotamien aufgebrochen war, ohne es für nötig zu halten, mit den Franken einen Waffenstillstand zu schließen.139 Ihre militärische Unterlegenheit wurde ihnen so eindring­lich vor Augen geführt. Ziel Saladins in Konflikten mit den lateinischen Herrschaften war es, die Franken zu einer offenen Schlacht mit seinen überlegenen Kräften zu provozieren. Bis ihm dies gelang, unternahm er regelmäßig Züge, um die Territorien der Kreuzfahrerstaaten zu verwüsten.140 Mög­lich, dass d ­ ieses provozierende Verhalten ebenso zur Beurteilung Wilhelms beitrug. Je mehr Erfolge Saladin jedenfalls errang, umso weniger er also auf die Kreuzfahrer­ staaten Rücksicht nehmen musste, umso arroganter und überheb­licher wurde er für Wilhelm.141 Mit Saladin betrat eine Figur die politische Bühne, die die euro­päische Literatur im Mittelalter mehr als jeder andere „Ungläubige“ beschäftigte und die zum Idealbild des edlen Heiden werden sollte. Wilhelm stand nur ganz am Anfang jener Entwicklung. Er lebte in einer Zeit, in der in Europa die Blütezeit ritter­licher Ideale begann und in der der Orient näher an Europa gerückt war, in der diplomatische Kontakte üb­lich geworden waren, in der in den großen Handelszentren des Mittelmeers der Handel z­ wischen Orient und Okzident blühte, in einer Zeit, in der der Koran ins Lateinische übersetzt wurde und in der die Werke islamischer und antiker Philosophen über die Schule von Toledo der west­lichen Welt zugäng­lich gemacht wurden. All diese Entwicklungen führten nicht zu einer Toleranz gegenüber den „Heiden“, für viele Europäer blieben sie Götzendiener, aber doch dazu, dass man Muslime in den Chroniken differenzierter beschreiben konnte als noch in der religiös aufgeheizten Atmosphäre des ­Ersten Kreuzzuges, zaghafte Anfänge hatte es ja bereits vor Wilhelm gegeben. Wilhelms Werk ist damit sicher­lich ein Beispiel für jene Zeit, als sich der alte Kontinent zum ersten Mal zu regen und sein Blick sich über die eigenen Grenzen zu heben begann. Die Historia ist Teil dieser neuen Entwicklung, weder ihre Ursache noch ein atypischer Sonderfall, ein außergewöhn­liches Beispiel für Toleranz und Einsicht in andere Kulturen ist Wilhelm von Tyrus aber gewiss nicht.

139 Ebd., XXII, 20, S. 1038, Z. 5 ff. 140 Smail, Crusading warfare, S. 36. 141 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XXI, 20, S. 988, Z. 41 f; XXI, 30, S. 1003, Z. 14.

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9 Die Ägypter: Ein schwächerer Gegner? Türkische Truppen waren für die Franken seit der Zeit des ­Ersten Kreuzzuges respektierte und unter Umständen gefürchtete Gegner. Die Tatsache, dass die Türken sich in der Schlacht auf die Kavallerie stützten, wurde oben als eine Ursache dieser positiven Sichtweise herausgearbeitet. Rosalind Hill, die Urheberin der „Kavallerie-­These“, wertete es als Beleg ihrer Ansicht, dass die Kreuzfahrer von den fatimidischen Armeen, bei denen die Kavallerie eine geringere Rolle spielte, eine deut­lich zurückhaltendere Meinung gehabt hätten. Allein aus ­diesem Grund scheint es sinnvoll, einen Blick auf das Bild zu werfen, das die Franken von ihren ägyptischen Gegnern besaßen. Darüber hinaus gewinnen die bisher erlangten Ergebnisse zum Türkenbild an Schärfe, betrachtet man den zweiten muslimischen Gegner, dem die Orient-­Kreuzfahrer gegenüber standen. Das erste Zusammentreffen ­zwischen Kreuzrittern und fatimidischen Truppen fand am 12. August 1099 statt, als die ägyptische Armee, die die Franken aus Palästina vertreiben sollte, unter dem Befehl des Wesirs al-­Afḍal bei Askalon auf das Heer der Kreuzfahrer traf. Die Schlacht endete mit einem klaren Sieg der Christen, da es den Franken wohl gelang, die Ägypter zu überraschen. Die Folge war, dass die ägyptische schwere Reiterei nicht rechtzeitig zum Einsatz gebracht werden konnte. Al-­Afḍal schickte zwar zunächst sein Fußvolk in den Kampf, um der Kavallerie Zeit zu verschaffen, aber die Fußtruppen konnten dem Angriff der Franken auf das Zentrum des Heeres und das Lager nicht standhalten und das muslimische Heer wandte sich zur Flucht.1 Stereotype, wie das Vertrauen der Muslime auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit, finden sich auch bezüg­lich dieser Schlacht in den Chroniken.2 Albert von Aachen spricht von einem langen Kampf und unterscheidet sich damit von anderen Überlieferungen. Dass erst Alberts Favorit Gottfried die Schlacht entscheidet, spricht sehr für ein Zurechtbiegen der Ereignisse zugunsten des neuen Herrschers von Jerusalem. Wie die Türken erscheinen die Ägypter bei Albert als listenreich, wenn sie eine Viehherde vorausschicken, in der Hoffnung, dies würde die Christen zum Beutemachen verleiten.3 Ledig­lich noch Guibert von Nogent legt das Erscheinen der Tiere in dieser Weise aus. 4 In Wahrheit 1 2 3 4

France, Victory in the East, S. 363 ff. Raymond von Aguilers, Historia Francorum, XXI, S. 304G. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 42, S. 456. Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VII, XVII, S. 296, Z. 777.

Ein schwächerer Gegner?  |

handelte es sich wohl um Herden, die Beduinen aus dem Umland herangetrieben hatten, um sie den durch die Wüste heranmarschierten Ägyptern zu verkaufen.5 Albert berichtet als Einziger von einem lauten Kriegsgeschrei, das die Pferde geängstigt habe und von besonders fürchter­lichen und grimmigen äthiopischen Kriegern, die er Azopart nennt.6 Besonders in den Überlieferungen der Augenzeugen klingt dagegen eine gewisse Geringschätzung des neuen Gegners an. Nach Raimund von Aguilers hätten die Franken die Feinde für ängst­licher als Rehe und harmloser als Schafe gehalten.7 Der Autor der Gesta Francorum bleibt auch an dieser Stelle knapp und nüchtern. Nach dem Angriff auf das Lager ­seien die Feinde sofort geflohen, berichtet er in einer wohl realitätsnahen Schilderung 8, allerdings ohne Wertung. Dass die Ägypter nicht standhaft gewesen s­ eien, schreibt aber auch er dem Wirken Gottes zu.9 Die Kreuzfahrer dürften jedoch nach der Einnahme Jerusalems auch ein erheb­liches Selbstvertrauen gewonnen haben und zudem dürfte die Tatsache, dass man jetzt schon kampferprobt war, den Eindruck von der ägyptischen Armee entscheidend geschmälert haben. Eindeutige Schlüsse lassen sich daraus noch nicht ziehen, konkreter werden die Autoren an anderen Stellen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Aussagen von Augenzeugen. Albert von Aachen berichtet, w ­ elche Schwierigkeiten die Ägypter bei der Rückeroberung Jerusalems von den Türken hatten, weil letztere sich so tapfer verteidigten.10 Deutet dies schon auf eine gewisse Wertung hin, so sagt Guibert von Nogent ausdrück­lich, dass die Armeen des Königs von Persien (d. h. die Seldschuken) bessere Kämpfer ­seien als die des babylonischen Reiches (d. h. der Fatimiden).11 Obwohl das Reich der Fatimiden viel größer wäre, sei es den Türken aufgrund ihrer militärischen Fähigkeiten, ihrer Reitkunst und ihres Mutes gelungen, große Teile davon zu erobern.12 In den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts folgten weitere Feldzüge der Fatimiden gegen Jerusalem. Aus den zeitgenös­sischen Quellen lässt sich 5 Lev, Infantry in Muslim armies, S. 202. 6 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 46, S. 464: „Habebant etiam idem Azopart, viri horridi et teterrimi, flagellas ferrata ac saevissima, quibus loricas et clipeos gravi ictu penetrabant.“ 7 Raimund von Aguilers, Historia Francorum, XX, S. 304D: „Innarcebatur enim tanta securitas in cordibus singulorum, ut crederent suos hostes cerves timidiores et ovibus innocentiores.“ 8 Gesta Francorum, XXXIX, 12 ff, S. 492 ff. 9 Ebd., XXXIX, 15, S. 496. 10 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, VI, 31, S. 442. 11 Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos, VII, III, S. 271, Z. 155 ff. 12 Ebd., I, V, S. 100, Z. 424 ff.

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kaum eine Wertung über die Ägypter entnehmen. Fulcher bezeichnet sie einmal als verachtenswertes Volk, 13 aber abwertende Begriffe waren auch für die Türken üb­lich. Eine gewisse Aufmerksamkeit wurde den dunkelhäutigen Fußtruppen der Fatimiden zuteil, es handelte sich wohl um Sudanesen, ­Fulcher nennt sie Äthiopier, Albert Azopart. Letztere s­ eien grimmige Gegner. Albert schildert, wie sie sich mit schweren Streitkolben in die Schlacht warfen und mit diesen Waffen gerne auch auf Stirn oder Glieder der christ­lichen Streitrosse zielten. Fulcher erwähnt die Schilde der ägyptischen Infanterie anläss­lich der Belagerung von Joppa, bei der er die Ägypter als respektable Gegner beschreibt.14 Albert hebt einmal die Fähigkeiten der mit Lanzen bewaffneten arabischen Reiter hervor, die auch von den Fatimiden in ihren Heeren eingesetzt wurden.15 Es ist Wilhelm von Tyrus, der diese Zeit zwar nicht selbst erlebte, aber dennoch die deut­lichsten Worte über die Ägypter fand. Zum ägyptischen Feldzug des Jahres 1123 berichtet er, die Ägypter ­seien schon beim Anblick des fränkischen Heeres von Furcht ergriffen worden. Sie hätten zwar versucht, Widerstand zu leisten, aber in Mut und Kraft ­seien sie nicht mit den Christen vergleichbar.16 Wenn ­solche Kommentare auch bei den Zeitgenossen fehlen, so fällt doch auf, dass die Ägypter als wesent­lich weniger furchterregend beschrieben werden als die Türken. Nirgendwo werden Panik oder Verzweiflung greifbar, die bei Schlachten gegen Türken so oft erwähnt werden, wenn man dem zermürbenden Pfeilbeschuss ausgesetzt war. Infolgedessen fehlt auch die für die Türken so beliebte Raubtiermetapher, bzw. der Vergleich der Christen mit Schafen, bei Kämpfen gegen die Ägypter völlig. Dies dürfte vor allem auf die Kampfweise der ägyptischen Armeen zurückzuführen sein. Die Armeen der Fatimiden bestanden hauptsäch­lich aus gut ausgerüstetem Fußvolk und schwerer Kavallerie. Im Gegensatz zu den mobileren türkischen Armeen boten die Ägypter ein klares Ziel für die fränkische Kavallerieattacke und waren daher ein wesent­lich „bequemerer“ Gegner.17 Die fränkischen Ritter konnten hier mit dem Kavallerieangriff ihre bevorzugte Waffe zur Geltung bringen und mussten nicht passiv im Pfeilhagel ausharren, der ihre Pferde tötete. Im Jahre 1105 hatten sich türkische Einheiten 13 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolimitana, II, XI, 10, S. 412. 14 Ebd., III, XVII, 2/3, S. 662 f; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IX, 4, S. 640. 15 Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, IX, 31, S. 676: „viri militares.“ 16 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XII, 21, S. 573, Z. 46. 17 Smail, Crusaduing warfare, S. 87; France, Victory in the East, S. 359 ff.

Ein schwächerer Gegner?  |

aus Damaskus der ägyptischen Invasionsarmee angeschlossen und griffen die Franken mit Pfeilsalven an. Laut Fulcher habe König Balduin in dem Moment wieder Mut geschöpft, als die Feinde den Pfeilbeschuss einstellten und zum Nahkampf übergingen.18 Eine zweite interessante Ursache für die relative Schwäche ägyptischer Heere ist in der fehlenden Koopera­t ion ­z wischen Fußvolk und Reiterei gesehen worden. Die multi-­ethnischen Truppen der Fatimiden ­seien krisenanfällig gewesen, da die vor allem aus Schwarzafrikanern bestehende Infanterie von den übrigen Truppenteilen, insbesondere der Reiterei, verachtet worden sei. Diese s­ ozia­le Diskrepanz habe dazu geführt, dass das Fußvolk immer wieder auf dem Schlachtfeld im Stich gelassen und Opfer feind­licher Angriffe wurde.19 So konnten zwar die Schwarzen, wie in den Quellen auch beschrieben, tapfer kämpfen, ohne Unterstützung durch die Reiterei waren sie dem Gegner aber unterlegen. Verachtung für Dunkelhäutige wird abseits von Schlachten auch in Fulchers Werk deut­lich.20 Die Kreuzfahrer hatten selbst gelernt, wie wichtig die Koopera­tion ­zwischen den Waffengattungen war. Fulcher kritisiert König Balduin I. 1102, weil er den Waffengang mit den Ägyptern riskierte, ohne auf das Fußvolk zu warten – und eine schwere Niederlage erlitt.21 Die Sorglosigkeit, mit der Balduin gegen al-­Afḍals Heer auszog, spricht aber ihrerseits für eine gewisse Geringschätzung der gegnerischen Stärke. Eine wesent­lich dauerhaftere Quelle der Unruhe als die fatimidischen Invasionen war die Stadt Askalon, die letzte ägyptische Bas­tion in Palästina, die bis zu ihrem Fall 1153 von Ägypten aus regelmäßig mit Menschen und Material versorgt wurde. Ständige Überfälle der Askaloniter machten die Stadt zu einem Stachel im Fleisch des Königreiches Jerusalem. Interessanterweise werden die Askaloniter in den Quellen ganz anders beschrieben als die übrigen Ägypter. Sie sind grausam, räuberisch, verüben Überfälle und stellen Hinterhalte, sind aber auch tapfer, kühn und gute Bogenschützen.22 Die Askaloniter ähneln damit viel eher den Türken als anderen fatimidischen Kontingenten. Am deut­lichsten ist dieser Gegensatz bei Wilhelm von Tyrus zu beobachten. Die

18 Fulcher von Chartres, Historia Hierosolimitana, II, XXXII, 6, S. 498. 19 Lev, Infantry in Muslim armies, S. 191 ff. 20 Fulcher von Chartres, Historia Ierosolimitana, II, V, 5, S. 379. 21 Ebd., II, XVIII, 5, S. 439. 22 Ebd., II, XXXVII, 2, S. 515; II, LIII, 5, S. 585; III, XXVIII, 2, S. 697; III, XXXIII, 1, S. 731; Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana, X, 11, S. 728; X, 15, S. 732.

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Bewohner Askalons sind für ihn tapfer und kriegstüchtig 23, und er vergleicht sie, wie die Turkmenen, mit einer Hydra.24 Dies ist genau entgegengesetzt zu seiner Darstellung der Ägypter. Die Besatzung des weit vorgeschobenen Außenpostens Askalon bediente sich wohl einer ähn­lichen Taktik wie türkische Truppen an der Grenze, näm­lich schneller Überfälle aus dem Hinterhalt auf Pilger und Karawanen, Plünderungen christ­licher Ländereien, gefolgt von einem schnellen Rückzug. Die Anerkennung in den Chroniken liefert ein weiteres Indiz dafür, dass die türkische Kriegführung von den Kreuzfahrern keineswegs verachtet wurde, weil Plünderungen und Überfälle sich nicht vom Vorgehen in euro­päischen Konflikten unterschieden. Die Askaloniter waren wohl viel eher in der Lage, terror und timor zu erzeugen als die gelegent­lichen Invasionsarmeen aus Ägypten. Dazu kommt wohl, dass die Garnison der Stadt homogener war als die ägyptischen Invasionsarmeen und dass die Besatzung aufgrund des ständigen Kleinkrieges mit der Zeit aus kampferprobten Veteranen bestanden haben dürfte. Erinnert sei hier noch einmal an das Urteil Ekkehards von Aura, der gerade im Gegensatz zu Wilhelm die jähr­lichen Feldzüge der Fatimiden als Krieg, Überfälle und Plünderungen aber als Räubereien bezeichnet hatte.25 Die Bewohner anderer Städte erfahren bei Wilhelm nicht die ­gleiche Wertschätzung wie die Askaloniter. Die muslimischen Bürger von Tyrus etwa ­seien verweich­licht und nicht in kriegerischen Taten geübt, erst die Hilfe durch ein türkisches Kontingent führt zu einer wirkungsvollen Verteidigung der Stadt.26 Ein guter Beleg für Wilhelms Türkenbild, aber auch ein Beweis dafür, wie die Christen die militärischen Fähigkeiten der muslimisch-­ arabischen Bewohner der Küstenstädte einschätzten. Zweifellos entbehrte diese Charakteristik nicht jeder Grundlage, handelte es sich bei den Türken doch um Berufssoldaten, bei den Bürgern der Städte in der Mehrzahl wohl um Händler oder Handwerker. Wilhelms ausgeprägte Geringschätzung der ägyptischen Fähigkeiten dürfte wohl aus seiner Zeitzeugenschaft des Zerfalls des fatimidischen Kalifats resultieren. In den 1160er Jahren als Nūr ad-­Dīn und Amalrich um Einfluss im Land 23 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XI, 4, S. 501, Z. 42 ff; XI, 24, S. 531, Z. 1 ff; XIII, 8, S. 595, Z. 8; XIII, 12, S. 599, Z. 1; XV, 24, S. 706, Z. 3; XV, 25, S. 707, Z. 3; XVII, 23, S. 792, Z. 7; XVII, 27, S. 798, Z. 19. 24 Ebd., XIV, 22, S. 659, Z. 1, S. 660, Z. 17. 25 Ekkehard, Chronica, S. 170: „[…] sed tam ab Ascalonitis atque Damascenis cotidiana ­latrocinia quam a Babyloniis bella parantur.“ 26 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIII, 7, S. 594, Z. 7.

Ein schwächerer Gegner?  |

am Nil rangen, lag die Macht der Fatimiden am Boden, man war nicht mehr zu einer selbstständigen Verteidigung fähig. Zur Zeit Alberts und Fulchers waren die schiitischen Kalifen trotz aller Probleme immerhin noch in der Lage gewesen, große Invasionsarmeen aufzustellen. Mehrmals erwähnt der Erzbischof von Tyrus, die Ägypter s­ eien nicht kriegs­ tüchtig, ja hilflos. Über die Bewohner Kairos schreibt er, diese ­seien verweich­ licht und gäben sich dem Luxus hin. Die Geringschätzung gipfelt in der Aussage, sie ­seien kaum Wert zu leben und die 1167 mit den Franken verbündeten ägyptischen Truppen Shawars sind für Wilhelm eher eine Bürde als eine Hilfe. Wilhelm weiß auch, dass die Ägypter die türkischen Invasoren unter Šīrkūh nicht mögen.27 Dass Wilhelms Einschätzung der Ägypter auf relativ guten Kenntnissen über Kampfkraft und Zusammensetzung der dortigen Armee beruhte, zeigt auch der Wandel seines „Ägypterbildes“ in der Zeit nach 1171, also nach dem Umbau der ägyptischen Armee durch Saladin in ein türkisch dominiertes Reiterheer nach seldschukischem Muster und der Auflösung der alten fatimidischen Regimenter. Bereits für 1173 spricht er, angesichts eines Einfalls Saladins, von einem mächtigen Heer aus Ägypten. In der Folge werden die Krieger, die Saladin aus Ägypten begleiten, sowohl als Türken erkannt als auch als tapfer gewürdigt.28 In der fatimidischen Taktik und der fehlenden Koopera­tion innerhalb ihrer Heere liegen zwei wesent­liche Ursachen dafür, dass die ägyptischen Armeen von den Franken wesent­lich weniger gefürchtet wurden als die Türken. Aber auch Wilhelms Bemerkungen über die Ägypter allgemein entbehren nicht jeder Grundlage. Die Fatimiden stützten sich vor allem auf ausländische Söldner, sudane­sische Fußtruppen, armenische Bogenschützen oder beduinische Reiter, sodass die einheimische ägyptische Bevölkerung in der Tat kaum militärisch in Erscheinung treten konnte. Gleiches galt überdies für die Byzantiner, die von den Kreuzfahrern für ebenso verweich­licht gehalten wurden. Die Kriegerschaft genoss in der muslimischen Welt nicht das Ansehen wie in Europa und war oft vom Rest der Gesellschaft separiert, die sudane­sischen Truppen in Ägypten etwa in eigenen Vierteln.29 Die Türken dagegen waren in Gestalt der Mamluken ja gerade die Gruppe, die in der islamischen Welt die militärischen Aufgaben 27 Ebd., XIII, 17, S. 607, Z. 19 f; XIX, 13, S. 882, Z. 13; XIX, 25, S. 898, Z. 10 ff; XIX, 28, S. 904, Z.  34 ff; XIX, 29, S. 906, Z. 31 f; XX, 7, S. 920, Z. 29; XX, 11, S. 925, Z. 8 f. 28 Ebd., XX, 27, 28, S. 950, Z. 3, S. 951, Z. 4 f; XXII, 26, S. 1051, Z. 40 ff. 29 Thorau, Panzerreiter im Pfeilhagel, S. 63; Lev, Infantry in Muslim armies, S. 193.

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und in Syrien seit der Eroberung durch die Seldschuken die Macht übernommen hatte. Wenn die Chroniken den Begriff Turci verwenden, meinten die Autoren damit freie türkische Krieger, Mamluken, jedenfalls gut ausgebildete Berufssoldaten, oder abgehärtete turkmenische Nomaden, nicht aber große Gruppen von Zivilisten, denn eine umfassende türkische Kolonisa­tion hatte es in Syrien ja nicht gegeben. Vergleicht man daher das Ansehen der Ägypter in den Chroniken mit dem der Türken, so hinkt dieser Vergleich, denn man vergleicht Zivilisten mit Elitekriegern. Mit professionellen Reiterkriegern konnten sich die euro­päischen milites, in gewissem Sinne selbst „Berufs-­Soldaten“, auch viel eher identifizieren als mit ägyptischen oder griechischen Händlern, Handwerkern und Bauern. Die Kontrolle eines euro­päischen Ritters über sein Lehen ähnelte viel eher der eines hohen türkischen Mamluken über sein Gefolge und seinen iqtâ-­Bezirk als dem zivilen Leben Kairos (oder Konstantinopels) mit den abgetrennten L ­ ebenswelten ausländischer Söldner. Zu der den Franken entgegenkommenden Taktik kam also noch der gesellschaft­liche Unterschied hinzu, der die Ägypter in ihren Augen minderwertig erscheinen ließ.

10 Ein außergewöhnlicher Feldherr und seine Krieger: Saladin und sein Heer in den christlichen Quellen Das euro­päische Bild von Türken und Sarazenen sollte in den Jahren nach dem Tode Wilhelms von Tyrus entscheidend von einem Mann geprägt werden: ­Saladin. Die Rolle des Sultans in der euro­päischen Literatur hat in der Forschung bereits vielfach Beachtung gefunden. Dennoch muss dem Ayyubiden auch in dieser Untersuchung eine zentrale Rolle zugebilligt werden. Erstens weil die zeitgenös­sischen Chroniken Saladin teilweise eine zentrale Rolle zuweisen, sodass das Bild der Chronisten von den türkischen Kriegern im Heer des Ayyubiden kaum von der Charakterisierung des Sultans zu trennen ist. Zweitens, weil untersucht werden soll, ob und inwiefern sich die Darstellung des Sultans von der seiner türkischen Soldaten unterschied. Die Rede ist bewusst vom Türkenbild, da keiner der christ­lichen Autoren etwas über die kurdische Herkunft des Sultans zu berichten weiß. Saladin steht in der Reihe der türkischen Gegner der Franken, sein Heer unterschied sich in seiner Zusammensetzung ohnehin nicht von den Armeen seiner Vorgänger. Türken bildeten den Kern auch der ayyubidischen Armeen. Allerdings, so viel sei noch vorausgeschickt, differenzieren die Quellen in ­diesem Zeitraum kaum noch z­ wischen Turci und Saraceni.1 Hatten die Chronisten des ­Ersten Kreuzzuges noch sehr genau z­ wischen beiden Gruppen unterschieden, so werden die Begriffe in vielen Schilderungen zum Dritten Kreuzzug synonym verwendet. Die altfranzö­sischen Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus sprechen sogar fast ausschließ­lich von den Sarrasins. Allerdings ist in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle klar, dass von den Ayyubiden die Rede ist oder von Mitgliedern ihres Heeres, also vornehm­lich von Türken, gesprochen wird.

1 Völkl, Muslime, S. 219.

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10.1 Die türkischen Krieger der Ay yubiden in den christlichen Werken zum Dritten Kreuzzug a) Wie Heuschrecken: Ḥaṭṭīn und die Eroberung des Königreichs Jerusalem (1187) Mit Saladin betrat ein „Sarazene“ die politische Bühne des Nahen Ostens, auf den sich die zeitgenös­sische euro­päische Chronistik schnell fokussierte und der ­später gar zum Urbild des „edlen Heiden“ avancierte. Nichtsdestotrotz blieben die Gegner der Kreuzfahrer die alten, denn auch die ayyubidischen Armeen bestanden zum Großteil aus türkischstämmigen Mamluken, Turkmenen und Kurden. Die zeitgenös­sischen Quellen schildern die türkischen Soldaten des Sultans bei dessen Feldzug von 1187 und anläss­lich der Eroberung des Heiligen Landes äußerst feindselig. Das Libellus de expugna­tione terrae sanctae per Saladinum wurde wahrschein­lich von einem Ritter aus dem angevinischen Herrschafts­ gebiet verfasst, der sich während dieser Zeit in Palästina aufhielt.2 Hier begegnen dem Leser althergebrachte Formulierungen für die türkischen Gegner, beginnend mit dem muslimischen Vorstoß, der zur Schlacht bei den Quellen von ­Cresson am 1. Mai 1187 führte. Die Türken sind wild, grausam und werden mit Hunden bzw. mit Wölfen verg­lichen, mehrmals auch als Barbaren bezeichnet, eine Flut von Beschimpfungen ergießt sich über die muslimischen Gegner.3 Auch die Beschreibung der Schlacht von Ḥaṭṭīn am 4. Juli 1187 erinnert in vielem an ältere Schlachtenschilderungen. Am Vortag der Niederlage setzen zunächst die typischen Angriffe auf die Nachhut ein, am nächsten Tag folgen dann der ständige Pfeilbeschuss und das Legen von Feuer.4 Die Konfusion und die zunehmende Verzweiflung im Lager der Christen angesichts der Umzingelung durch die ayyubidischen Truppen werden greifbar. Den Wassermangel, der den Christen schnell zu schaffen machte, kommentierte der Autor mit der Bemerkung, es sei mehr Blut als Wasser geflossen.5 Da es sich im Wesent­lichen um althergebrachte Darstellungen der türkischen Gegner handelt, muss auf den Schlachtverlauf nicht weiter eingegangen werden. 2 Bernard Hamilton, The leper king and his heirs. Baldwin IV. and the Crusader Kingdom of Jerusalem, Cambridge 2000, S. 11 f. 3 Libellus de expugna­tione terrae sanctae per Saladinum, in: Joseph Stevenson (Hg.), ­Radulphi de Coggeshall Chronicon Anglicanum (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 66), ­London 1875, S. 209 – 262, S. 210, 212 f, 214. 4 Ebd., S. 223 f. 5 Ebd., S. 223: „[…] ubi magis effusus sanguis nocte illa quam aqua.“

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In einigen Texten erfährt man die interessante Tatsache, vor der Schlacht habe König Guido einen gewissen Ritter Johannes um Rat gefragt, „qui cum Turcis sepius militaverat“.6 Fränkische Ritter in türkischen Diensten waren offenkundig nichts Ungewöhn­liches oder Verurteilenswertes und man bediente sich gerne der Erfahrung dieser Männer mit der türkischen Kampfweise. Diese wird auch hier nicht kritisiert, die Kritik trifft vielmehr die einheimischen Adligen, die nach dem Verlust des Heiligen Kreuzes geflohen ­seien, wie etwa Balian von Ibelin. Bei der Flucht hätten sie mit ihren Pferden sogar die eigenen Männer niedergetrampelt.7 Die Schuld an der Niederlage wird häufig Raimund von Tripolis zugeschrieben, der die Christen durch sein Bündnis mit Saladin verraten habe. Im Gegensatz zu dem erwähnten Ritter Johannes sei er es gewesen, der zu einem Rückzug auf den wasserlosen Berghang bei den sog. Hörnern von Ḥaṭṭīn geraten habe.8 Anläss­lich der Eroberungen Saladins infolge der Schlacht werden die Türken mit Ameisen oder Heuschrecken verg­lichen, die sich über das Land ergießen.9 Ansonsten finden sich in der Darstellung der Türken keine Unterschiede zu Schilderungen früherer Plünderungszüge. Eraclius, Patriarch von Jerusalem, greift in einem Hilfeersuchen an die euro­päischen Herrscher vom September 1187 zur Schilderung der türkischen Bedrohung auf tradi­tionelle Bilder aus der Zeit des ­Ersten Kreuzzuges zurück. ­Kirchen werden in Ställe verwandelt und Frauen auf Altären vergewaltigt.10 Solche Darstellungen der Türken waren im Verlauf des 12. Jahrhunderts selten geworden. Der Zweck ist hier allerdings klar: Durch eine mög­lichst negative Schilderung des Feindes sollte eine mög­lichst umfangreiche Hilfe aus dem Westen erreicht werden. Es ist durchaus mög­lich, dass Eraclius, der sich noch 1184 anläss­lich einer Gesandtschaft in Europa aufgehalten hatte, entsprechende Werke zum ­Ersten Kreuzzug bekannt waren, etwa die weitverbreitete Historia Iherosolymitana Roberts, und er bei der Abfassung des Briefes gezielt auf ­solche Zitate zurückgriff.11 6 Persecutio Saalardini, in: Richard (Hg.), Account of the battle of Hattin, S. 175; Robert von Auxerre, Chronicon, in: O. Holder-­Egger (Hg.), MGH SS 26, Hannover 1882, S. 219 – 276, S.249. 7 Libellus de expugna­tione, S. 226. 8 Persecutio Salaardini, S. 175. 9 Libellus de expugna­tione, S. 236; siehe auch den Brief bei Radulph von Diceto, Ymagines Historiarum, hrsg. von William Stubbs (Radulfi de Diceto Decani Lundoniensis Opera Historica-Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 68.2), London 1876, S. 49 f. 10 Zwei unbekannte Hilfsersuchen des Patriarchen Eraclius vor dem Fall Jerusalems (1187), hrsg. von Nikolas Jaspert, in: Deutsches Archiv 60 (2004), S. 485 – 516, hier: Nr. 2, S. 511 – 516, S. 515. 11 Ebd., S. 485 f, S. 505.

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Höhepunkt der Schilderungen in den Quellen ist die Einnahme Jerusalems durch Saladin am 2. Oktober 1187. Rein militärisch erscheinen die Türken wieder einmal als tapfere Gegner. Der Anonymus berichtet vom ununterbrochenen Pfeilregen, den Belagerungsmaschinen und dass man in der ganzen Stadt keinen Mann gefunden habe, der bereit gewesen wäre, nachts auf der Mauer Wachdienst zu verrichten. Die Ärzte s­ eien kaum in der Lage gewesen, alle Verletzten zu versorgen. Den Verteidigern sei es immerhin gelungen, in den Kämpfen vor der Stadt einen Enkel Saladins zu töten. Die islamischen Quellen wissen hiervon nichts. Ein Sohn des Sultans habe aus lauter Hochmut vor der Stadt einen Thron errichten lassen, so als ob er nicht unter Gott, sondern gegen Gott herrsche. Auf das christ­liche Kapitula­tionsangebot antwortet Saladin zunächst, Jerusalem müsse durch das Blut von Christen reingewaschen werden, stimmt dann aber der bekannten Lösegeldvereinbarung zu.12 Der Einzug der Muslime in Jerusalem wird zwar teilweise voller Verachtung, ansonsten von allen Quellen aber relativ realistisch geschildert. Unter dem Ruf „Halla haucaber“ („Allāhū akbar“) sei man in die Stadt eingezogen, wo man sich dann nicht gescheut habe, den christ­lichen Schmuck von den heiligen Stätten zu entfernen und das Kreuz vom Tempel niederzureißen. In Übereinstimmung mit islamischen Texten berichten viele Quellen, Saladin habe die islamischen Heiligen Stätten mit Rosenwasser reinigen lassen.13 ­Wilhelm von Newburgh, sonst kaum saladinfreund­lich, erwähnt immerhin, der Sultan habe den orienta­lischen Christen gestattet, weiterhin an der Grabeskirche Dienst zu tun, außerdem habe er aus Menschlichkeit, oder aus Rücksicht auf seinen Ruf, gegenüber den Kranken im Hospital des heiligen Johannes Gnade walten lassen.14 Unabhängig davon, ­welche Maßnahmen die Muslime nach Übernahme der Stadt im Einzelnen ergriffen, sucht man hier die üblen Entstellungen, die die Kreuzzugschroniken noch zu Anfang des Jahrhunderts über die türkische Herrschaft über die Ostchristen verbreitet hatten, vergebens, obwohl man für die Zeit nach Ḥaṭṭīn insgesamt kaum von einem positiveren Türkenbild sprechen kann. Vielmehr sind Ähn­lichkeiten zur Zeit 12 Libellus de Expugna­tione, 244 ff. 13 Ebd., S. 249; Stubbs (Hg.), Itinerarium peregrinorum, I, 9, S. 22 (= Das Itinerarium peregrinorum. Eine zeitgenös­sische Quelle zum dritten Kreuzzug in ursprüng­licher Gestalt, hrsg. von Hans Eberhard Mayer, Stuttgart 1962, S. 265); Roger von Hoveden, Chronica, hrsg. von William Stubbs (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores Bde. 51.1 – 51.4), 4 Bde., London 1868 – 1871, Bd. 2, S. 346; Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, hrsg. von Joseph Stevenson (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 66, London 1875, z. J. 1187, S. 22. 14 Wilhelm von Newburgh, Historia, III, 18, S. 260 f.

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des ­Ersten Kreuzzuges erkennbar, angesichts der dramatischen Umstände 1187 aber wohl nachvollziehbar. Neu ist in den zeitgenös­sischen Werken allerdings, dass die Chronisten nun anscheinend in der Lage waren, die verschiedenen muslimischen Kontingente genauer zu unterscheiden. Waren in den Chroniken zum E ­ rsten Kreuzzug die Völkerschaften in muslimischen Heeren hauptsäch­lich Phantasiegebilde, so unterschied man in den Kämpfen dieser Jahre Türken, Turkmenen und Beduinen. Letztere ­seien habgierig, kämpften nur um der Beute willen und richteten daher viele Zerstörungen an. Unter den ohnehin pejorativ geschilderten Mitgliedern von Saladins Heer sind es die Nomaden, die am negativsten betrachtet werden.15 Ein ähn­liches Bild der nomadischen Reiter wie schon zu Beginn des Jahrhunderts. Ein anderer Text offenbart ebenfalls eine genaue Kenntnis der gegnerischen Truppen und ist ein weiterer Beleg für das, gegenüber früheren Zeiten, breitere Wissen über die muslimischen Gegner. Der kurze aber kenntnisreiche Überblick ist als Zusatz zu dem bekannteren Tractatus de locis et statu sancte terre Jerosolimi­ tane erhalten und enthält eine Zusammenstellung der Truppen S­ aladins bei der Belagerung Akkons. Alleine die Kurden werden als „optimi milites“ bezeichnet, ihnen wird eine Rolle vergleichbar der Warägergarde in Konstantinopel zugewiesen, sie stellen also eine Art Elitetruppe dar.16 Sie behaupteten ferner, niemand außer ihnen und den Christen könne ein guter Ritter sein. Diese Aussage, die ja tradi­tionell den Türken zugeschrieben wurde, verwundert umso mehr, als es sich hier um eine der wenigen Stellen handelt, in denen die Kurden überhaupt als eigenes Volk aufgeführt sind. Eine Erklärung könnte die prominente Rolle sein, die kurdische Truppen und Kommandeure bei der Verteidigung Akkons spielten. Es spricht nichts gegen die Annahme, dass der anonyme Autor im Lager vor Akkon schrieb.17 Die Tatsache, dass die Kurden, ähn­lich den euro­ päischen Rittern, mit Schwert und Lanze vom Pferderücken aus kämpften und ihre Ausrüstung der der Kreuzfahrer nicht völlig unähn­lich war, mag auch zu dieser Beurteilung beigetragen haben.18 Bezeichnenderweise geht der Autor 15 Libellus de expugna­tione, S. 230. 16 De diversitate Saracenorum et hostium Christianitatis et sectis et civitatibus eorum, hrsg. von Benjamin Z. Kedar, in: Benjamin Z. Kedar, Jonathan Riley-­Smith, Rudolf Hiestand (Hg.), Montjoie. Studies in Crusade History in Honour of Hans Eberhard Mayer, Aldershot 1997, S. 120 – 122, S. 122; zur Hervorhebung der Kurden siehe auch Kedar, A western survey of S­ aladin’s forces at the siege of Acre, in: Ebd., S. 113 – 120, S. 117. 17 Kedar, A western survey, S. 118. 18 David Nicolle, An introduc­tion to arms and warfare in classical Islam, in: Robert Elgood (Hg.), Islamic Arms and Armour, London 1979, S. 162 – 186, S. 170 f.

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nicht darauf ein, dass Saladin selbst ein Kurde ist. Dies lässt darauf schließen, dass er es nicht wusste, denn diesen Hinweis hätte er wohl kaum verschwiegen. Neben den Kurden werden auch Türken und Turkmenen als kriegstüchtig aufgeführt.19 Die Türken stammten angeb­lich von den Turkmenen ab. Eine sicher­lich nicht falsche Behauptung, bedenkt man die Herkunft der Mamluken aus Zentralasien. Beide Gruppen sind kriegstüchtig, bei beiden fügt der Verfasser aber noch gängige Verleumdungen über Muslime aus dem sexuellen Bereich, wie Homosexualität oder den Umgang mit Tieren, an. Die Türken lebten außerdem von Raub und Beute. Dies war schon früher von den Türken und v. a. von den Turkmenen behauptet worden, war aber auch einer der Kritikpunkte am Verhalten der Ritter in Europa. Die Türken würden die übrigen Sarazenen ferner im Gebrauch von Waffen unterweisen. Eine Feststellung, die so zwar nicht stimmt, aber aufgrund der türkischen Dominanz in allen islamischen Armeen des Ostens nicht verwunder­lich ist. Syrern und Ägyptern schlägt dagegen, wie schon bei Wilhelm von Tyrus, eher Verachtung entgegen.20 Die Stelle zeigt deut­lich, dass auch den Franken die dominante Rolle türkischstämmiger Krieger in islamischen Heeren bewusst war. Die muslimisch-­arabischen Bewohner Syriens und die Ägypter, die die militä­rischen Aufgaben ja in der Tat weitgehend türkischen Truppen übertragen hatten, nahm man nicht als militärisch würdige Gegner wahr, die Beduinens­tämme einmal ausgenommen. Die Differenzierung der verschiedenen Truppenteile, besonders die Abgrenzung z­ wischen Türken, Turkmenen und Kurden, ist bis zu d ­ iesem Zeitpunkt einzigartig für die damalige Chronistik, wenn auch die Institu­tion der Mamluken nicht erwähnt wird, wie es noch Wilhelm von Tyrus getan hatte. b) Türkische Zauberer: Die Belagerung Akkons bis zum Frühjahr 1191 Mit Aufnahme der Belagerung Akkons 1189 durch den im Jahr zuvor aus Saladins Haft entlassenen Guido von Lusignan ergriffen die Franken wieder die Initiative. Die äußerst wagemutige Ak­tion des Noch-­Königs von Jerusalem zwang Saladin in einen zweijährigen Stellungskrieg um die größte Stadt des Königreichs, die 19 De diversitate, S. 122: „Turci de genere Turcomannorum i. Parthorum abstracti sunt, homines multum bellicosi, qui omnes alios Saracenos in armis instruxerunt. Rapinis et preda vivunt […] Immundissimi sunt: nam deficientibus mulieribus in masculos luxuriantur, quibus etiam deficientibus cum bestiis concumbunt […]“. 20 Ebd., S. 121.

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1187 kurz nach Ḥaṭṭīn kampflos in muslimische Hände gefallen war. Die Christen hatten ihr Lager auf einem Hügel vor der Stadt aufgeschlagen, waren ihrerseits aber wiederum durch Saladins Heer vom Umland abgeschnitten. Bis zur Ankunft der Kreuzfahrerheere unter Richard Löwenherz und Philipp Augustus von Frankreich im Frühjahr 1191 sahen sich die Franken in einem zermürbenden Belagerungskrieg gegen einen überlegenen Gegner. Über die frühe Phase der Belagerung Akkons besitzen wir zwei zeitnahe und relativ ausführ­liche Werke von Augenzeugen. Das von Mayer Itinerarium pere­ grinorum 1 (im Folgenden: IP 1) genannte Werk eines eng­lischen Kreuzfahrers entstand wahrschein­lich schon 1192, nach anderer Ansicht bis spätestens 1194, und folgt den Ereignissen bis zum November 1190.21 Der Rithmus de expedi­ tione Ierosolimitana eines gewissen Haymarus Monachus, bei dem es sich wohl um den Erzbischof von Caesarea und späteren Patriarchen von Jerusalem (gest. 1202) handelt,22 beruht ebenfalls auf persön­lichen Erfahrungen des Autors. Das Werk schließt nach dem Fall der Stadt und der Tötung der muslimischen Gefangenen durch König Richard im August 1191. Ähn­lich wie schon während des E ­ rsten Kreuzzuges erscheinen die Türken auch während der Belagerung von Akkon als grimmige Gegner. Einmal ganz abgesehen von den Nöten und Entbehrungen im christ­lichen Lager wird die Belagerung von den Augenzeugen als Kampf gegen einen unbarmherzigen, wilden und grausamen Gegner geschildert.23 Das Itinerarium Peregrinorum berichtet von der Ermordung christ­licher Seeleute durch die muslimischen Verteidiger Akkons und fügt noch hinzu, man habe die Seeleute an der Mauer der Stadt aufgehängt.24 In einem anderen Fall werden türkische Gefangene den Frauen im christ­lichen Lager überlassen, die den Muslimen die Hälse durchschneiden. Die phy­sische Schwäche der Frauen habe die Qualen der Opfer verlängert, so der Autor des Itinerarium.25 Wie auch schon im vorangegangenen Kapitel für die Zeit seit der Katastrophe von Ḥaṭṭīn beobachtet, ist der „Graben“ ­zwischen 21 Mayer, Itinerarium peregrinorum, S. 85 für 1192; Hannes Möhring, Eine Chronik aus der Zeit des dritten Kreuzzuges: Das sogenannte Itinerarium peregrinorum 1, in: Innsbrucker Historische Studien 5 (1982), S. 149 – 167, S. 153; nach Mayer, Itinerarium peregrinorum, S. 86 schrieb der Verfasser des IP 1 zwar in Tyrus, befand sich aber zumindest zeitweise im Feldlager vor Akkon. 22 Haymarus Monachus, Florentinus, Rithmus de expedi­tione Ierosolimitana, hrsg. u. übers. von Sascha Falk: Ein Augenzeugenbericht über die Belagerung Akkons (1189 – 1191), Florenz 2006, S. lvii, lxii, lxvii. 23 Itinerarium peregrinorum, I, 40, S. 90 f; I, 53, S. 104 (Edi­tion Mayer, S. 331, S. 341). 24 Ebd., I, 33, S. 77 f (Edi­tion Mayer, S. 320). 25 Ebd., I, 34, S. 82 (Edi­tion Mayer, S. 324).

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Christen und Muslimen in diesen Texten tiefer als in den Quellenzeugnissen der Jahrzehnte zuvor, regelmäßig ist wieder vom Köpfen der Gegner zu lesen. Der Unterschied erklärt sich wohl durch die Verbitterung nach der Einnahme Jerusalems und dem Verlust des Königreiches aber auch dadurch, dass für viele euro­päische Kreuzfahrer, die jetzt vor Akkon eintrafen, die Türken fast noch der ­gleiche heidnische, unbekannte Feind waren wie für ihre Vorgänger fast 100 Jahre zuvor. Als besonders wild, und auch dies hat Vorgänger in älteren Kreuzzugsberichten, empfand man die schwarzen Truppen der Muslime. Sie ­seien von enormer Statur und unmenschlicher Wildheit, deformiert durch die Natur. Saladin hatte allerdings die nubischen Regimenter der Fatimiden aufgelöst, insofern ist es hier frag­lich, auf ­welche Truppen sich diese Aussagen beziehen. Wenig ­später äußert sich der Verfasser über Truppen aus Nordafrika, er nennt sie Mauren, die durch die süd­liche Sonne entstellt s­ eien, sodass es sich um Kämpfer aus Nordafrika handeln könnte,26 die eventuell auf freiwilliger Basis ihren Beitrag zum Dschihad leisten wollten, denn die Aufrufe Saladins an die almohadischen Herrscher im Westen waren erfolglos geblieben.27 Aber wie die ersten Kreuzfahrer erkennen auch die Autoren des Dritten Kreuzzuges die militärische Schlagkraft ihrer türkischen Gegner an. Der R ­ ithmus bezeichnet die türkischen Krieger wie viele vor ihm als milites und erwähnt ihre militärische Tüchtigkeit. Außerdem hielt der Autor es für erwähnenswert, dass die Türken auch nachts kämpften, eine Tatsache, die ihm anscheinend besonders auffiel und die wohl deshalb eher unüb­lich war.28 Auch das Itinerarium lobt mehrmals die Tapferkeit der türkischen Verteidiger von Akkon. Es handele sich um auserwählte Krieger, die ganz sicher nicht schlechter ­seien als die Kämpfer der Kreuzfahrer.29 Ein Lob für die Türken vergleichbar dem der Gesta Francorum. Die Taktik der Türken im Kampf sei, zu fliehen, wenn sie angegriffen werden und anzugreifen, wenn der Gegner sich zurückzieht. Dies stehe im Gegensatz zu ihrer religiösen Praxis, kommentiert der anonyme Verfasser des IP 1.30 Immer wieder werden auch türkische Überfälle und der ständige Pfeilbeschuss erwähnt, 26 Ebd., I, 35, S. 83; I, 38, S. 86 f (Edi­tion Mayer S. 324 f, 327 f ). 27 Kedar, A western survey, S. 118. 28 Haymarus, Rithmus, S. 58, Z. 593 ff; S. 82, Z. 834. 29 Itinerarium peregrinorum, I, 28, S. 66 (Edi­tion Mayer, S. 310 f ): „Erant enim Turci intrantes et exeuntes, quia virtute superiores. Praestantissimi quippe fuerant et electi ex paganismo obsessi, ad omnia habiles et parati, nostris quidem non inferiores, quia virtus et in hoste laudatur.“ 30 Ebd., I, 30, S. 71 (Edi­tion Mayer, S. 314 f ).

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eine Taktik, die die Menschen im Lager schnell zermürben konnte. Die Berichte erinnern an die Quellen zur Belagerung Antiochias 1097/98. Im Rithmus, das auch als „Frontbericht in Versen“ 31 bezeichnet wurde, taucht zum ersten Mal seit fast 100 Jahren in der christ­lichen Chronistik wieder die Behauptung auf, die Türken hätten sich in der Schlacht der Magie bedient, um den Christen zu schaden. Die Eigenschaften des griechischen Feuers, das die Franken nie wirksam kopieren konnten, vermag sich der Autor nur dadurch zu erklären, dass die Türken das Gemisch derart verzaubert hätten, dass es nur Christen verbrenne.32 Dies zeigt vielleicht am besten, wie sehr das Türkenbild dieser Jahre in manchen Bereichen dem des E ­ rsten Kreuzzuges ähnelt. Aber die dem Stellungskrieg eigene, räum­liche Nähe der Gegner führte auch zu ganz anderen, manchmal absurden Begebenheiten und fried­lichen Begegnungen. Ein Franke wird beim Wasserlassen außerhalb des Lagers von einem türkischen Plänkler überrascht, kann diesen aber, obwohl völlig unbewaffnet, durch einen Steinwurf töten. In einem anderen Fall gelingt es, ein türkisches Pferd in einem Netz einzufangen.33 Das Itinerarium berichtet von einem Wettstreit im Bogenschießen z­ wischen einem Waliser und einem „Parther“. Man vereinbart Regeln für den Wettkampf, an die sich der Muslim nicht hält und daher s­ päter von dem Waliser erschossen wird, der sich ebenfalls nicht mehr an sein Wort gebunden fühlt. Muslimische Quellen erwähnen fried­ liche Kontakte in den Kampfpausen und auch einen ähn­lichen Wettkampf ­zwischen Jugend­lichen beider Lager. Der Christ unterliegt, wird ins ayyubidische Lager gebracht, aber (vereinbarungsgemäß?) sofort freigekauft. 34 Es fällt schwer, zu beurteilen, ob s­ olche Episoden einem grundlegenden Wandel im Türkenbild geschuldet sind oder nur aus den Bedingungen des Stellungskrieges resultierten.

31 Falk (Hg.), Rithmus, S. lxxiv. 32 Haymarus, Rithmus, S. 44, Z. 453 ff: „Ignis hic conficitur tantum per paganos, Ignis hic exterminate tantum Christianos, Incantatus numquid est per illos profanes? Ab hoc perpetuo, Christe, libera nos!“ 33 Itinerarium peregrinorum, I, 49, S. 100 (Edi­tion Mayer, S. 339); I, 51, S. 102 (Edi­tion Mayer, S. 341). 34 Ebd., I, 57, S. 108 (Edi­tion Mayer, S. 344); Bahā’al-­Dīn Ibn Shaddād, The rare and excellent history of Saladin, hrsg. u. übers. von D. S. Richards, Aldershot 2001, S. 101; Abu Schāma, Le livre des deux jardins, S. 412.

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c) Tapfere Verteidiger: Die Türken in den Berichten zum Kreuzzug Richards von England (1191 – 1192) Im April bzw. im Juni 1191 trafen die Könige von Frankreich und England mit ihren Truppen vor Akkon ein. Über den Kreuzzug König Richards von ­England sind wir durch mehrere Quellen relativ gut unterrichtet. Im Zentrum steht die L’Estoire de la Guerre Sainte eines gewissen Ambroise aus den eng­ lischen Gebieten Frankreichs. Der bisherigen Ansicht, bei Ambroise habe es sich um einen Spielmann gehandelt, ist jüngst mit der These widersprochen worden, der Verfasser sei Kleriker gewesen.35 Auf Ambroises Werk, die vermutete Entstehungszeit schwankt ­zwischen 1194 und 1207,36 basiert das sog. Itinerarium peregrinorum 2 (im Folgenden IP 2), geschrieben etwa z­ wischen 1216 und 1222 von einem Richard von Holy Trinity in London, wohl einem ehemaligen ­Templer.37 Ambroise war wohl Kreuzzugsteilnehmer, bei Richard ist dies mög­lich, wenn auch aufgrund seines Alters (gest. um 1250) nicht sehr wahrschein­lich.38 Neben diesen umfangreichen Werken besitzen wir noch eine Reihe weitere Überlieferungen für den Aufenthalt Richards im Heiligen Land, darunter das Werk des Augenzeugen Roger von Hoveden, der allerdings im Spätsommer 1191 wieder nach England zurückkehrte.39 Der kurze Aufenthalt des franzö­sischen Königs Philipp Augustus in Palästina findet nur bei seinem Biographen Rigord etwas Aufmerksamkeit. Das erste Zusammentreffen der Türken mit König Richard, genannt Löwenherz, fand auf See statt, als die eng­lische Flotte ein muslimisches Schiff mit Vorräten für Akkon aufbrachte. Bei der Schilderung des Kampfes begegnet das alte Bild vom türkischen Gegner. Die Besatzung ist tapfer, aber auch schlau und zu jeder List bereit: Sie hätten auf dem Schiff Schlangen mitgeführt, um sie im christ­lichen Lager auszusetzen.40 Keiner türkisch-­muslimischen Truppe aber wurde während der Kreuzzüge von Seiten ihrer christ­lichen Gegner mehr Respekt entgegengebracht als den Verteidigern von Akkon. Die meisten Quellen enthalten ein, teils überschweng­liches, 35 Ailes/Barber, History of the Holy War, S. 2. 36 Ailles: Ende 1194 – 1199; W. Kroll, Ambroise, in: LexMA, Bd. 1, Sp. 521 für vor 1196; Mayer, ­Itinerarium, S. 105 und Möhring, Itinerarium, S. 163, für eine Abfassung z­ wischen 1203 und 1207. 37 Mayer, Itinerarium, S. 94, 106. 38 Ebd., S. 130. 39 John Gillingham, Roger of Howden on crusade, in: John Gillingham (Hg.), Richard Coeur de Lion. Kingship, chivalry and war in the twelfth century, London 1994, S. 141 – 153, S. 148. 40 Ambroise, L’Estoire, Z. 1752 ff, 2138 ff, 2176 ff; Itinerarium peregrinorum, II, 42, S. 205 ff.

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Lob für die Garnison der Stadt. Am ausführ­lichsten widmen sich die L’Estoire de la Guerre Sainte und das Itinerarium peregrinorum ­diesem Aspekt. Der Verfasser des Itinerarium baute seine Quelle Ambroise noch aus. An fünf Stellen wird die Fähigkeit der türkischen Verteidiger mehr oder weniger ausführ­lich gelobt, in der L’Estoire de la Guerre Sainte findet sich Entsprechendes nur an drei Stellen.41 Nie hätten Verteidiger so tapfer gekämpft, selbst Rüstungen hätten den Christen nicht mehr genutzt als wollene Kleidung, schreibt Ambroise. Wenig ­später preist er erneut die Tapferkeit der Verteidiger. Seien die keine Heiden, überträfe sie niemand darin. Die Argumenta­tion ist deckungsgleich mit der der Gesta Francorum 100 Jahre zuvor: Die Türken sind respektable Gegner, rein militärisch absolut gleichwertig und keinesfalls verachtenswert, aber sie sind, und das allein ist entscheidend, keine Christen. Richard von Holy Trinity geht auf den Glaubensaspekt etwas genauer ein als Ambroise. Auch er schreibt, man könne keine besseren Krieger finden, auch bei ihm ist das Christentum Voraussetzung. An anderer Stelle fügt er aber nach dem Lob noch hinzu „cujuscunque credulitatis“, was sie auch glauben mögen, sie sind tapfer. Nicht in Ambroise enthalten ist eine längere Passage im Itinerarium, in der der Verfasser die Verteidiger der Stadt nach deren Kapitula­tion beschreibt. Diese s­ eien von den Christen wegen ihres kriegerischen Wertes, ihrer Taten und ihrer Tapferkeit bewundert worden. Auch das Auftreten des geschlagenen Gegners sei beeindruckend gewesen. Selbst die Härten der Belagerung hätten sie kaum um Gnade betteln lassen und ihre Haltung habe eher so gewirkt, als ­seien sie die Sieger. Dann aber folgt wieder die Einschränkung aus religiöser Sicht: Ihr Aberglaube und ihr Götzendienst hätten all diese Tugenden bedeutungslos gemacht. Weitere positive, wenn auch kürzere, Erwähnungen über die Qualität der Verteidiger finden sich in so gut wie allen anderen Quellen, die über den Kreuzzug Richards berichten.42 Akkon kapitulierte am 12. Juli 1191, nur etwas mehr als einen Monat nach Richards Ankunft. Umso drängender stellt sich die Frage, warum die Verteidiger der Stadt für diesen k­ urzen Zeitraum fünf Mal ein so hohes Lob erfahren. Der Gedanke drängt sich auf, dass es den Verfassern hier vor allem darum 41 Ambroise, L’Estoire, Z. 4970 ff, 5025, 5062 f; Itinerarium peregrinorum, III, 13, S. 225; III, 13, S. 226; III, 14, S. 228; III, 15, S. 228; III, 18, S. 233. 42 Rigord, Gesta Philippi Augusti, hrsg. u. übers. von Élisabeth Carpentier, Georges Pon, Yves Chauvin, Paris 2006, 80, S. 292; Wilhelm von Newburgh, Historia, IV, 19, S. 348; Richard von Devizes, Chronicon Richardi Divisensis de tempore regis Richardi primis, hrsg. u. übers. von John T. Appleby (The Chronicle of Richard of Devizes of the time of King Richard the first), London 1963, S. 44.

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ging, den Erfolg König Richards gegen so tapfere Feinde herauszustellen. Die Einnahme der Stadt war immerhin der größte Erfolg, den der Kreuzzug verbuchen konnte. Allerdings hätte zu ­diesem Zweck auch eine einzige Erwähnung ausgereicht und Richard von Holy Trinity hätte Ambroise nicht auch noch ausschmücken müssen, sodass in der Tat davon auszugehen ist, dass die Türken in Akkon im christ­lichen Heer einen hervorragenden Ruf genossen, eine Erklärung die nicht ausschließt, dass es den Verfassern auch um Propaganda für Richard ging. Für die Wertschätzung der Verteidiger spricht noch eine andere Tatsache. Nie zuvor in der Kreuzzugschronistik war den christ­lichen Autoren der Name eines türkischen Unterführers der Überlieferung wert. Bestes Beispiel dafür ist der Emir Karbuġās, der den Franken 1098 die Zitadelle von Antiochia ­übergeben hatte. Trotz der langen Verhandlungen und der positiven Beschreibung des Mannes verschweigen die west­lichen Quellen seinen Namen. Nicht so bei den Befehlshabern von Akkon, die in der euro­päischen Literatur und Chronistik bald eine prominente Rolle neben Saladin und seiner Familie einnahmen. Saladin hatte dem Emir Qarā-­Qūš den Oberbefehl über die Truppen in Akkon erteilt, im November 1190 stellte er ihm mit dem Austausch der Garnison den Kurden al-­Mašṭūb zur Seite. Der muslimische Chronist ʽImād ad-­Dīn al-­Iṣfahānī widmet Qarā-­Qūš eine Passage voll des Lobes, beide Kommandeure hatten Saladin schon in Ägypten gedient,43 waren also durchaus erfahrene Militärs, sodass die Wertschätzung durch die Franken nicht völlig grundlos war. Sowohl Ambroise als auch Richard von Holy Trinity nennen „Mestoc“ und „Caracois“ als Anführer der hochgeschätzten Verteidiger von Akkon.44 Für Richard von Devizes sind die beiden „viri illustres“ und die mächtigsten „principes gentilium“ nach Saladin.45 „Mestocus“ alleine sei von den Gefangenen in Akkon freigekauft worden, weiß Richard ­später, weil er bedeutend gewesen sei und er Saladin zugesichert habe, er würde das ­gleiche für den Sultan tun.46 Sind hier schon Ansätze zur Legendenbildung greifbar, so geht Radulph von Diceto noch einen Schritt weiter und berichtet, Qarā-­Qūš sei während der Belagerung Antiochias durch Karbuġā 1098 von ­diesem zum Ritter geschlagen worden. Eine allein aufgrund der zeit­lichen Differenz unmög­liche Annahme. 43 Imad-­ad-­Dīn al-­Iṣfahānī, Conquête de la Syrie et de la Palestine par Saladin, übers. von Henri Massé (Documents relatives a l’Histoire des Croisades X), Paris 1972, S. 108; Lyons/Jackson, Saladin, S. 285. 44 Ambroise, L’Estoire, Z. 5074; Itinerarium peregrinorum, III, 15, S. 229. 45 Richard von Devizes, Chronicon, S. 44. 46 Ebd., S. 47.

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Wenig s­ päter bringt Radulph gar eine detaillierte Liste mit den Namen von Saladins Befehlshabern.47 Der Tod al-­Mašṭūbs 1192, wohlgemerkt nicht in einer Schlacht, war dem ­Meister des Johanniterordens sogar eine Erwähnung nebst Würdigung seiner Leistung in einem Brief wert.48 Für einen, wenn auch ranghohen, Emir ein Novum. Die Aufmerksamkeit, die man al-­Mašṭūb als einem der Befehlshaber von Akkon entgegenbrachte, könnte sich auch in der erwähnten prominenten Rolle der Kurden in der Auflistung der Völkerschaften in Saladins Armee widerspiegeln. Eine ganz neue, positive, Rolle erhält Qarā-­Qūš in der altfranzö­sischen Fortsetzung Wilhelms von Tyrus. Dort lässt Saladin die bei Ḥaṭṭīn gefangenen Templer erst ­später in Damaskus hinrichten und wird von dem alten und weisen „Caracois“ dafür kritisiert. Ob Saladin denn glaube, diese Tat würde den Krieg beenden. Ganz im Gegenteil, so der Emir, sie fordere die Christenheit zur Rache für das Unrecht heraus. Außerdem belehrt der Alte den Sultan darüber, dass die Templer bereits mit ihren Bärten geboren würden. Auch hier wird der Emir in Verbindung mit dem E ­ rsten Kreuzzug gebracht, er habe Gottfried von Bouillon noch mit eigenen Augen gesehen.49 Die Namensnennung der türkischen Befehlshaber und das Interesse an ihrem Schicksal und ihrer Geschichte sind eine völlig neue Tendenz in der Chronistik. Früher erwähnte man allenfalls bestimmte Türken in Schlachtenschilderungen, wenn sie von den christ­lichen Führern auf besonders spektakuläre Weise zu Tode gebracht wurden oder, im Positiven, wenn sie s­ päter die Taufe empfingen, aber es war dann eben nur irgendein Türke, ohne Namen. Die neue Art der Darstellung dürfte sicher­lich auch aus neuen Publikumskreisen der betreffenden Werke zu erklären sein. Ambroises Estoire und die Estoire d’Eracles wurden in Altfranzö­sisch geschrieben, die Versform der Estoire de la Guerre sainte war zum münd­lichen Vortrag bestimmt, sie waren daher ganz neuen Kreisen, ritter­lichem,

47 Radulph von Diceto, Ymagines Historiarum, S. 81 f. 48 Brief Gottfrieds von Donjon an Wilhelm von Nevers vom April 1193, in: Cartulaire générale de l’Ordre des Hospitaliers de Saint-­Jean de Jérusalem, 1100 – 1310, hrsg. von : J. Delaville Le Roulx, 4 Bde., Paris 1894 – 1905, Bd. 1, Nr. 945, S. 597 f. 49 La Continua­tion de Guillaume de Tyr (1184 – 1197), hrsg. von Margaret Ruth Morgan, Paris 1982, 77, S. 87 f (künftig zit. als ContWT); L’Estoire de Eracles Empereuret la Conqueste de la Terre d’Outremer, in: RHC occ. Bd. II, Paris 1859, S. 1 – 481, XXIV, 17, S. 128 (künftig zit. als Eracles) (beide genannte Ausgaben basieren auf verschiedenen Manuskripten und werden daher getrennt aufgeführt, in der RHC-Edi­tion erhält Caracois im Folgenden erst das Kommando über Akkon); zu den erhaltenen Manuskripten siehe Margaret Ruth Morgan, The chronicle of Ernoul and the continua­tions of William of Tyre, Oxford 1973, S. 6.

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adligem Publikum zugäng­lich.50 Ritter­lich-­höfische Kultur stand in hoher Blüte und das Rittertum entwickelte Interesse an einem „farbenfroheren“ Bild des Sarazenen und zu glorreichen Waffentaten zählte eben ganz wesent­lich auch die Nennung des Namens. Erinnert sei hier etwa an die Vielzahl von Namen und Verwandtschaftsbeziehungen in Wolfram von Eschenbachs Parzival, die dem modernen Leser bei der Lektüre gelegent­lich Mühe bereitet. Auch die Verbindung zum ­Ersten Kreuzzug und dem als großen Held verehrten Gottfried von Bouillon deuten in die Richtung dieser Publikumskreise. Die Benediktiner­ mönche, die die Augenzeugenberichte des E ­ rsten Kreuzzuges bearbeiteten, hatten wenig Interesse an solchen Heldentaten, das Heidentum der Gegner war wichtig, nicht deren Namen. Das frühe ritter­liche Publikum dürfte in den Anfängen höfischer Kultur vor allem mit drastischen Schlachtenschilderungen zufrieden gewesen sein. Die Hochschätzung der Verteidiger von Akkon brachte aber keineswegs eine neue, tolerante Einstellung gegenüber dem Islam mit sich. Dies zeigen nicht nur die grundsätz­lich feindselige Haltung und Sprache des Ambroise in Bezug auf die Muslime, sondern auch die folgenden Ereignisse auf dem Kreuzzug. Nach dem Einzug der christ­lichen Eroberer in Akkon betraten die Franken natür­lich auch die von den Türken in Moscheen umgewandelten ­Kirchen der Stadt. Ungeachtet der eben noch gezeigten Hochachtung in militärischen Dingen zeigen sich Ambroise, und ihm folgend das Itinerarium, entsetzt über die Schandtaten der „Heiden“ in den K ­ irchen. Nun sind es wieder die „nefandi Turci“, die Altäre beschmutzt und Kreuze niedergerissen haben. Das Itinerarium spricht vom „supersti­tionis Mahumeticae.“51 Ein neues Interesse am Gegner, eine ansonsten differenzierte Darstellung konnte und wollte jedoch nicht die religiösen Gegensätze überbrücken. Den unüberwind­lichen Graben, den die religiöse Differenz darstellte, lässt sich auch an den Bezeichnungen für die Muslime erkennen. Ambroise bedient sich hierbei einer deut­licheren Sprache als das Itinerarium. Die Türken werden in der L’Estoire de la Guerre Sainte immer wieder mit äußerst negativen Begriffen bedacht. Häufig vergleicht Ambroise den Gegner mit Hunden, bezeichnet die Muslime als Hunde bzw. Köter („chenaille“) und als Leute des Teufels.52 Das Itinerarium ist mit solchen Begriffen zurückhaltender. Die Erklärung dafür kann sich aus den unterschied­lichen Genres ergeben, dem die beiden Werke 50 Für den Eracles siehe Jubb, Legend of Saladin, S. 26. 51 Ambroise, L‘Estoire, Z. 5228 ff; Itinerarium peregrinorum, III, 19, S. 234 f. 52 Ambroise, L‘Estoire, etwa Z. 3101, 3428, 3940, 3944, 5606, 5829, 6087, 6353, 6361, 11021.

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angehören und den Unterschieden im Zielpublikum.53 Ein stark an die ­Chansons de Geste angelehntes Werk wie die L’Estoire verlangte nach einem farbig und kontrastierend beschriebenen Gegner, um das Publikum zu unterhalten und Spannung zu erzeugen. Es ist daher mög­lich, dass Ambroise die pejorativen Ausdrücke für die Sarazenen aus der epischen Tradi­tion übernahm.54 Es mag sein, dass Richard von Holy Trinity diese Sprache für seine lateinische Chronik nicht für angebracht hielt. Vielleicht hatte er als ehemaliger Templer eine Zeit lang im Osten gelebt, sodass Muslime für ihn nicht mehr nur „heidnische Hunde“ waren, vielleicht war er als (wahrschein­lich) gebildeter Mann 55 auch nicht unbeeinflusst vom sich langsam verändernden Islambild euro­päischer Gelehrter in einer Zeit, in der schon einige Werke islamischer Philosophen in Latein verfügbar waren. Die Unterschiede sollten allerdings auch nicht überbewertet werden, denn anläss­lich eines angeb­lichen türkischen Vertragsbruchs bezeichnet auch das Itinerarium die Türken als verachtenswert, sie ­seien schlimmer als wilde Tiere und ohne jedwedes menschliche Gefühl.56 Ein ähn­liches Bild zeigt sich hinsicht­lich der Hinrichtung eines Großteils der Besatzung von Akkon durch die Truppen von Richard Löwenherz am 20. 8. 1191, nachdem Saladin mit den Zahlungen für das vereinbarte Lösegeld in Rückstand geraten war.57 Das Töten von fast 3.000 Gefangenen war auch in der damaligen Zeit kein alltäg­licher Vorgang und die Tat wurde sicher dadurch begünstigt, dass es sich bei den Opfern nicht um Christen handelte. Wie schon in früheren Chroniken bei ähn­lichen Begebenheiten kommt bei Ambroise und Richard von Holy Trinity die Genugtuung zum Ausdruck, dass man nun die Arroganz der Türken gebrochen habe und dass die Tat die Rache für die vor Akkon gefallenen Christen sei.58 Es handelt sich hier um dieselben türkischen Krieger, die das Itinerarium anläss­lich ihrer Kapitula­tion fünf Wochen zuvor noch bewundert hatte. Allerdings darf man auch keine modernen Maßstäbe anlegen und muss 53 Ailes/Barber, History of the Holy War, wie Anm. 53, Bd. 2, S. 13. 54 Paul Bancourt, De l’Image epique a la représenta­tion historique du Musulman dans l’Estoire de la Guerre Sainte d’Ambroise (l’Estoire et la Chanson d’Aspremont), in: Au carrefour des routes d’Europe: La Chanson de Geste (Xe Congrès interna­tional de la Societé Rencesvals pour l’Étude des épopés romanes), 2 Bde., Aix en Provence 1987, Bd. I, S. 223 – 238, S. 224. 55 Mayer, Itinerarium, S. 99 f. 56 Ambroise, L’Estoire, Z. 11015 ff; Itinerarium peregrinorum, VI, 14, S. 405: „Qui cum a mane jam ex parte promissa bizantia ad novam salvere coepissent coacti, Turci nequissimi, bestiis immaniores, humanitatis respect carentes, capita solventium amputabant.“ 57 Tyerman, God’s war, S. 456. 58 Ambroise, L’Estoire, Z. 5529; Itinerarium peregrinorum, IV, 4, S. 243: „[…] ad contenderam ipsorum protervam arrogantiam.“

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zudem berücksichtigen, dass die meisten Chroniken aus eng­lischer Perspektive geschrieben sind. Daher verwundert es wenig, dass sich kein Wort der Kritik findet. Was vielmehr aufschlussreich ist und bessere Rückschlüsse auf das Verhältnis zum Gegner zulässt, ist der überlieferte Umgang mit den Leichen. Das Aufschneiden der getöteten Gegner auf der Suche nach verschluckten Goldmünzen war nichts Neues, allerdings fährt Roger von Hoveden fort, man habe die Galle der Türken für medizinische Zwecke verwendet.59 Ruft dies beim Leser schon ungläubige Verwunderung, ja Abscheu hervor, so präzisiert Haymarus sogar noch, da die Türken voller Bosheit ­seien, habe man Galle im Übermaß gefunden. Einige Kreuzfahrer hätten aus der Haut der Getöteten sogar Sehnen für ihre Bögen hergestellt.60 Dieses abstoßende Verhalten stellt ein Novum in der Kreuzzugsgeschichte dar, nicht einmal zum ­Ersten Kreuzzug finden sich derartige Schilderungen. Es stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um historische Tatsachen handelt. Dabei bleibt immerhin zu bedenken, dass es sich hier um eine, folgt man Gillingham, der Hovedens Heimreise auf den 25. 8. 1191 festsetzt 61, sogar um zwei Aussagen von Augenzeugen handelt. Nimmt man an, dass die Autoren hier von der Wahrheit abweichen, stellt sich die Frage warum. Haben sie es bewusst getan, so müsste man, zumindest im Falle Hovedens, annehmen, dass er ­solche Berichte für das Ansehen König Richards als förder­lich und beim Publikum als glaubwürdig erachtete. Übernahmen die Autoren eine falsche Geschichte unbewusst, so muss sie, auf w ­ elche Art auch immer, im Heer entstanden sein, muss also auch in ­diesem Falle für glaubwürdig gehalten worden sein. Selbst wenn man die Berichte auf die Tatsache reduziert, dass irgendeine extreme Schändung der Leichen stattfand, zeigt dies deut­lich, wo die Wertschätzung für den Gegner trotz aller Respektsbekundungen in der Realität des Krieges endete. Am 22. August machte sich das Heer Richards an der Küste entlang auf den Weg nach Süden. Dies bot den türkischen Reitern nach dem langen Stellungskrieg um Akkon erstmals wieder Gelegenheit, ihre bevorzugte Taktik aus schnellen Überfällen, Pfeilbeschuss und Scheinflucht anzuwenden, um die Christen zum Verlassen ihrer Marschordnung zu reizen. Allerdings fanden sie in König Richard ihren Meister, dessen Feldherrnkunst es gelang, die eigenen 59 Roger von Hoveden, Gesta, hrsg. von William Stubbs (Gesta regi Henrici secundi Benedicti Abbatis, Rerum Britannicorum Medii Aevi Scriptores 49,1), London 1867, S. 189; Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 3, S. 128. 60 Haymarus Monachus, Rithmus, S. 86, Z. 877 ff. 61 Gillingham, Roger of Howden, S. 148.

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Reihen zusammenzuhalten. Das Fußvolk schützte die Reiterei in seiner Mitte, die eng­lischen Bogenschützen hielten die türkischen Reiter auf Distanz, während sich die Fußsoldaten abwechselnd auf der dem Meer zugewandten Seite des Heeres erholen konnten. Auf dem Meer flankierte die Flotte den Vormarsch des Heeres.62 Interessanterweise ändert sich mit dem Abmarsch aus Akkon das Türkenbild der beiden Hauptquellen. Dies ist besonders auffällig beim Itinerarium peregrinorum. Die beeindruckenden Respektsbekundungen für den Gegner, die die Schilderung der letzten Phase der Belagerung noch dominiert hatten, verschwinden völlig. Bei Ambroise ist dieser Bruch weniger deut­lich, da er auch zuvor schon zurückhaltender war. Die Ursache ­dieses Wandels dürfte in der schon erwähnten Tatsache liegen, dass die Türken nun ihre herkömm­liche Taktik gegen die Kreuzfahrer einsetzen konnten. Das Itinerarium gibt zunächst einen Überblick über die türkische Kampfweise, erwähnt insbesondere die leichtere Ausrüstung der Türken und deren schnelle Pferde, ohne die Taktik der Muslime jedoch zu kritisieren. Der Verfasser vergleicht die Türken mit Fliegen und beklagt sich über die ständigen Überfälle dieser „gens nefanda“. Der Verlust von Pferden durch die Boshaftigkeit der Türken wird ebenso erwähnt wie der Pfeilregen, die Hinterhalte und die Verzweiflung angesichts der dauernden Bedrohung.63 Dies alles deckt sich mit den Aussagen der Quellen zum ­Ersten Kreuzzug. Auch dort wurden die Muslime vor allem bei Belagerungen als tapfer bezeichnet, während angesichts der Kriegführung in offenem Feld Merkmale wie Grausamkeit und Wildheit betont werden und sich ganz ähn­liche Klagen über die Kampfweise finden. Klagen, keine Kritik, denn die Kampfweise der Türken wurde offenbar nicht abwertend als unritter­lich betrachtet. Man war bereit, die Effektivität und die Wirkung der Taktik anzuerkennen, ebenso wie die Zähigkeit und die Ausdauer der Gegner. Das schloss allerdings nicht aus, dass der Verlust der Pferde, ohne Mög­lichkeit Vergeltung zu üben, eine schwere Prüfung für die Ritter darstellte. Die türkische Taktik war unbeliebt, nicht verachtet. Smail zufolge war die Grenze des Erduldbaren für die Ritter am 7. September erreicht, sodass es (neben anderen Gründen) bei Arsuf zur Schlacht und zum Angriff der schweren euro­päischen Kavallerie kam.64 In den Quellen werden, 62 Smail, Crusading warfare, S. 162 f; Mayer, Kreuzzüge, S. 134; Bennet, ‘fighting march’. 63 Itinerarium peregrinorum, IV, 8, S. 247; IV, 9, S. 248; IV, 11, S. 252; IV, 15, S. 258. 64 Smail, Crusading warfare, S. 164 f.

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wie schon oft zuvor, die Wildheit und die heftigen Angriffe der Türken betont, wie schon bei der Schlacht von Doryläum taucht auch hier wieder der Schafsvergleich auf. Bewunderung fanden die schnellen türkischen Reiter. Ausführ­ lich beschrieben wird eine Art türkische Kapelle. Deren einzige Aufgabe sei es gewesen, auf Hörnern, Trompeten und anderen Instrumenten Lärm zu erzeugen und so den Kampfesmut der eigenen Leute anzutreiben.65 Wieder einmal sind es dunkelhäutige Einheiten in den Reihen der Muslime, die die Aufmerksamkeit der Chronisten erregen. Schwarze und Beduinen, laut Quellen ebenfalls mit besonders dunkler Hautfarbe, werden als „teuf­lische Rasse“ bzw. besonders wild und als respektable Fußkämpfer beschrieben.66 Im Itinerarium kommt der Respekt vor dem Gegner zum Ausdruck, wenn es heißt, es gäbe keinen tapferen Mann und kein kriegstüchtiges Volk, die Saladin nicht im Kampf gegen die Christen aufgeboten hätte.67 Auch die Bezeichnung als „gens ferocissima“ ist nicht negativ zu werten. Wildheit war durchaus ein Merkmal eines guten Ritters, auch die Christen werden im Verlauf der Schlacht zweimal so charakterisiert.68 Dennoch ist das Lob hier nicht so überschweng­lich wie noch vor Akkon, die Betonung liegt auf der Rohheit und dem unwidersteh­ lichen Ansturm im Kampf. Man kämpft auch gegen ein „nefandam gentem“, dessen Arroganz nun end­lich zerschlagen wird. Dieses Bild der Türken dominiert in den beiden Werken den Rest des Kreuzzuges. Pfeilregen, schnelle Pferde, Wildheit, Grausamkeit, Arroganz und hin und wieder anerkennende Bemerkungen über die militärische Tüchtigkeit des Gegners. Dies ist das tradi­tionelle Türkenbild, wie es seit der Zeit des ­Ersten Kreuzzuges in der Chronistik vorherrschte. Dennoch enthalten die beiden umfangreichsten Werke zum Dritten Kreuzzug immer wieder auch neue Aspekte und interessante Episoden. Besonders negativ fiel den Europäern an einer Stelle die Tatsache auf, dass die Türken bei einem Rückzug ihren Pferden die Sehnen zerschnitten, damit die Tiere für den Feind unbrauchbar würden. Für Ambroise ist dies eine schlimme

65 Ambroise, L’Estoire, Z. 6226 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 18, S. 262 ff. 66 Ambroise, L’Estoire, Z. 6208 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 18, S. 262. 67 Itinerarium peregrinorum, IV, 18, S. 266: „Totius virtus paganismi concurrerat a Damasco et Perside; a mari mediterraneo usque ad orientem, non resederat vel in extremis terrarium recessibus vir famosus vel praepotens, populous virtutis, gens audax bellicis exercitiis probate, vel cujuscunque strenuitatis, quam Salahadinus non exciverit in auxilium prece vel pretio, vel di­tionis subjec­tion ad conterendam gentem Christianorum.“ 68 Ebd., IV, 19, S. 267; IV, 19, S. 269 f (für Christen bzw. für König Richard).

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Tat und auch das Itinerarium verurteilt sie.69 Hier handelt es sich um einen interessanten Beleg für das Verhältnis der Europäer zu ihren Reittieren und mög­licherweise um ein Relikt der nomadischen Herkunft der Türken. Einen vielsagenden Blick auf die Einschätzung des Gegners gewährt ein sowohl von Ambroise als auch von Richard überlieferter, wohl fiktiver, Streit z­ wischen einer Gruppe türkischstämmiger Mamluken und einer Gruppe Kurden. Die Muslime hatten beschlossen, König Richard zu entführen und schleichen sich zu ­diesem Zweck ins christ­liche Lager. Dort gerät man in Streit darüber, wer sich zum Zelt des Königs durchschlägt und wer den Rückzug zu Pferde deckt. Jede der beiden Gruppen will dabei lieber reiten. Der Streit führt schließ­lich zur Entdeckung der Eindringlinge und zur Vereitelung ihres Plans. Die Mamluken („Menelones“) behaupten laut Itinerarium, ihnen stehe das Recht zu reiten zu, weil sie von höherem Rang s­ eien und Rittertum ihr Beruf sei. Die Aufgabe zu Fuß sei eher für die Kurden geeignet.70 Das Neue an dieser Passage ist der Einblick in die Zusammensetzung des a­ yyubidischen Heeres und wohl auch das Wissen um Reibungen ­zwischen einzelnen Truppen­ kontingenten. Die Institu­tion der Mamluken hatte erst Wilhelm von Tyrus wenige Jahre zuvor erstmals erwähnt, in früheren Quellen finden wir sie nicht. Richtig erkannt hat der Autor auch die Tatsache, dass es sich um Berufssoldaten handelt. Wie schon früher, so setzt man auch hier die Türken mit R ­ ittern gleich, entscheidend ist wiederum die Rolle als berittener Berufssoldat. Das Pferd war für euro­päische Ritter ein wichtiges Statussymbol und diese Passage zeigt, dass man gleiches auch für die Türken vermutete, die man ja ebenfalls für milites hielt. In dem Streit legen aber auch die Kurden Wert auf ihren Status als Reiter. Unklar bleibt, warum der Autor die Mamluken als höherrangig betrachtete. In der oben erwähnten Auflistung von Saladins Heerscharen war das Verhältnis genau umgekehrt, dort waren es die Kurden, die eine „nobilitatem maximam“ an den Tag legten.71 In Saladins Heer dominierten zahlenmäßig die Türken, aber Kurden sind in hohen Führungsposi­tionen ebenso nachgewiesen.72 Vielleicht 69 Ambroise, L’Estoire, Z. 9274 ff; Itinerarium peregrinorum, V, 39, S. 354. 70 Ambroise, L’Estoire, Z. 11332 ff; Itinerarium peregrinorum, VI, 21, S. 414: „Nobis quidem ab officio competit militia vos hoc pedestre ministerium aptis respicit.“ 71 De diversitate, S. 122. 72 Ayalon, Mamlūk Phenomenon II, S. 7, 14; Anne-­Marie Eddé, Kurdes et Turcs dans l’armée ayyoubide de Syrie du nord, in: Yaacov Lev (Hg.), War and society in the eastern Mediterranean, 7th–15th centuries (The medieval Mediterranean. Peoples, economies and cultures, 400 – 1453, Bd. 9), Leiden 1997, S. 225 – 236.

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schloss man aus der Tatsache, dass Saladin zeitweise Teile seiner Armee entließ 73 und nur seine Elite-­Regimenter im Feld blieben, darauf, dass diese Mamluken einen besonders hohen Rang bekleideten. Davon, dass die türkischen Krieger­ sklaven bei den Kreuzfahrern in hohem Ansehen standen, gibt auch ein Bericht in der Fortsetzung Wilhelms von Tyrus Zeugnis. Danach hätte sich Richards Freigiebigkeit herumgesprochen, sodass er zeitweise bis zu 300 Mamluken („memolos“) in seinen Diensten gehabt und 120 von ihnen sogar mit nach Europa genommen habe.74 Im rein militärischen Bereich war man schnell zur Anerkennung der gegnerischen Fähigkeiten und zur Kontaktaufnahme bereit. Die Mamluken im Dienste Richards stehen in der Tradi­tion türkischer Söldner, von denen wir bereits kurz nach dem E ­ rsten Kreuzzug hören, sodass es wenig Grund gibt, an diesen Ereignissen zu zweifeln. Ein ähn­liches Beispiel ist die relativ häufige Zusammenarbeit der Franken mit bestimmten Beduinenstämmen, die anscheinend die euro­päischen Kreuzfahrer ohne weiteres übernahmen. Richard habe Beduinen für deren Hinweise auf eine muslimische Karawane großzügig mit Silber belohnt.75 Alles in allem hielt sich auch während des Dritten Kreuzzuges das tradi­tionelle Bild vom türkischen Gegner: Militärisch tüchtig, insbesondere als Schütze und Reiter, aber leider auch ein „Heide“ mit allen Implika­tionen und Vorurteilen. Die Erfolge Saladins schürten den Hass auf die „Ungläubigen“ von Neuem, sodass wir besonders in der Schilderung der ayyubidischen Eroberungen ab 1187 eine sehr negative Ausprägung des Türkenbildes finden. Teilweise werden die tradi­ tionellen Feindbilder und Verleumdungen aus der Zeit des ­Ersten Kreuzzuges neu belebt, wenn auch nicht alle älteren Unterstellungen übernommen werden. Neu sind aber das bessere Wissen über den Gegner und ein in gewisser Weise neuer, eher ritter­licher, Blickwinkel in den Quellen. Die Türken sind vor allem militärische Gegner, die Rolle als religiöse Widersacher tritt etwas zurück und wird nur noch in bestimmten Situa­tionen relevant, so etwa beim Betreten der ­Kirchen in Akkon oder dem Töten der Gefangenen.

73 Itinerarium peregrinorum, V, 5, S. 314. 74 ContWT, 141, S. 148. 75 Ebd., 141, S. 149.

Die Darstellung Saladins in den Quellen  |

10.2 Vom Usurpator zum edlen Heiden: Die Darstellung Saladins in den Quellen a) „Babylonius Canis“: Usurpator, Sieger von Ḥaṭṭīn und Eroberer Jerusalems Die erste Erwähnung Saladins in der west­lichen Chronistik findet sich in der Schilderung von Šīrkūhs Ägyptenfeldzug 1167 bei Wilhelm von Tyrus. Bei dem Unternehmen wurde der Kurde von seinem Neffen Saladin begleitet. Dieser übernahm schließ­lich das Kommando über das von fränkisch-­fatimidischen Koali­tionstruppen belagerte Alexandria. Nach der Kapitula­tion der Stadt sei Saladin von König Amalrich respektvoll behandelt worden, außerdem habe man ihm eine Wache zur Seite gestellt, um ihn vor Übergriffen der Soldaten (?) zu s­ chützen.76 Gegenseitiger Respekt war also nicht erst Saladins Umgang mit König Richard auf dem Kreuzzug vorbehalten. Wilhelm würdigt wenig ­später Saladins Großzügigkeit, dieser habe sich gegenüber seinen Soldaten immer sehr freigiebig gezeigt.77 In den ­lateinischen Werken aus der Zeit vor, während und kurz nach dem Dritten Kreuzzug kursierten allerdings schnell polemische Erklärungen für den angeb­lichen Reichtum des Sultans, der ihm seine Freigiebigkeit ermög­lichte. Eine Steuer auf die Prostituierten von Damaskus habe Saladin laut Itinerarium peregrinorum die Mittel für seinen Aufstieg geliefert, da er das Geld freigiebig verteilt und so die Unterstützung der einfachen Leute gewonnen habe. Ein wohl 1187 entstandenes, anonymes Gedicht betont die unlautere Weise, mit der Saladin die finanziellen Mittel für seinen Aufstieg erlangt habe.78 In diesen Quellen macht die „largesse“ Saladin zu einem mächtigen, nicht zu einem bewunderungswürdigen Feind.79 Im Gegensatz zu den euro­päischen Legenden über die Herkunft von Saladins finanziellen Mitteln, dürften die Berichte über seine Großzügigkeit durchaus auf historischen Grundlagen beruhen. Islamische Chronisten wie Bahā’ a­ d-­Dīn ibn Šaddād oder ʽImād ad-­Dīn al-­Iṣfahānī beklagen sich bisweilen über die Freigiebigkeit ihres Herrn, der es vorzog, Geld und Beute zu verschenken statt 76 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XIX, 32, S. 908, Z. 3. 77 Ebd., XX, 11, S. 925, Z. 2, 13. 78 Itinerarium peregrinorum, I, 3, S. 9 (Edi­tion Mayer, III, S. 250); Une Poème latin contemporain sur Saladin, hrsg. von Gaston Paris, in: Revue de l’Orient Latin 1 (1893), S. 433 – 444, S. 434, S. 438, Z. 51. 79 Jubb, Legend of Saladin, S. 34.

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zu sparen. In der Tat geriet der Sultan im Laufe des langen Krieges vor und während des Dritten Kreuzzuges in Finanznöte, da er nur geringe finanzielle Reserven besaß.80 Ganz tradi­tionell schildert Wilhelm von Tyrus den Sultan in militärischen Dingen. Saladin, ein tapferer Krieger, fällt in christ­liche Länder ein, wo er plündert, brandschatzt und mordet. Er ist gierig und vertragsbrüchig. Wilhelm wirft ihm 1181 die Inhaftierung von christ­lichen Schiffbrüchigen aus Beutegier vor. Saladins unnanehmbare Forderungen führen daraufhin zum Bruch des Friedensvertrages. Der Erzbischof erwähnt nur sehr indirekt, dass es Rainald von Châtillon war, der durch den Überfall auf eine Karawane den Sultan sehr wahrschein­lich erst zu dieser Reak­tion veranlasst hatte.81 Ein Makel, der Saladin, beginnend mit Wilhelm von Tyrus, in christ­lichen Quellen üb­licherweise anhaftet, ist die Art und Weise seiner Herrschaftsübernahme in Ägypten und Damaskus. In der Tat ergaben sich aus Saladins Lebenslauf für die christ­lichen Autoren zahlreiche Angriffspunkte, die sie zur Erklärung seines, für sie unnatür­lich schnellen, Aufstiegs nutzten. Der Tod Šīrkūhs 1169, des fatimidischen Kalifen 1171 und Nūr ad-­Dīns 1174 bedeuteten für Saladin immer einen „Karrieresprung“. Kaum verwunder­lich, dass sich in der christ­ lichen Literatur schnell böse Verleumdungen über Saladins Herkunft und über seinen Aufstieg zur Macht verfestigten. Ein zeitgenös­sisches Gedicht geht auf eine angeb­lich niedrige Herkunft Saladins ein. Er sei ein Bastard Nūr ad-­Dīns, seinen Aufstieg zur Macht verdanke er einem Verhältnis mit dessen Gemahlin. Im Übrigen sei er schlimmer als ein Wolf, da jener seine Nachbarn verschone, nicht aber Saladin, der sich die Familie Nūr ad-­Dīns als Beute ausersehen habe. In eine Reihe gestellt mit dem blutigen Zangī und dem noch schlechteren Nūr ad-­Dīn, ist Saladin der gefähr­lichste und böseste der Gegner.82 Laut Wilhelm von Tyrus habe Saladin, hier ebenfalls von niedriger Abstammung, den letzten fatimidischen Kalifen mit eigener Hand umgebracht, obwohl dieser sehr wahrschein­lich eines natür­lichen Todes starb. Saladins Einzug in Damaskus und sein Vorgehen gegen die Nachkommen Nūr ad-­Dīns werden sehr negativ bewertet.83 Die Enterbung der Familie seines ehemaligen Herrn

80 Bahā’al-­Dīn Ibn Shaddād, The rare and excellent history of Saladin, S. 78; al-­Iṣfahānī, S.  61 f; Lyons/Jackson, Saladin, S. 282; Möhring, Saladin, S. 112 f. 81 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XX, 28, S. 952, Z. 25 ff; XXII, 14, S. 1026, Z. 7 ff, 28 ff. 82 Paris, Poème, S. 437, Z. 9 ff; S. 438, Z. 26 ff. 83 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XX, 11, S. 925, Z. 3 ff; XXI, 6, S. 968, Z. 12 f; XXI, 7, S. 971, Z. 66.

Die Darstellung Saladins in den Quellen  |

brachten Saladin den Ruf des Tyrannen ein.84 Ein um 1189/90 entstandenes Gedicht über die Belagerung Akkons nennt Saladin nur gelegent­lich beim Namen, meistens ist er nur der Tyrann oder auch der Damaszener.85 Das von Mayer so genannte Itinerarium Peregrinorum 1 (IP 1) spricht ebenfalls häufig von dem Tyrannen Saladin. Hier wird dem Ayyubiden sogar der Mord an seinem Onkel Šīrkūh zur Last gelegt, an anderer Stelle wird er zum Mörder Nūr ad-­Dīns und dessen Erben.86 Wilhelm von Newburgh nennt Saladin unter Anspielung auf die vielen für den Sultan günstigen Todesfälle einen „fortunatissimo tyranno“.87 Saladins Erfolg beruhte für jene Chronisten eben nicht auf Verdienst, sondern nur auf Glück bzw. Verbrechen.88 Schon für Wilhelm von Tyrus stellte der mächtige Saladin eine Gefahr für das lateinische Königreich dar. Der Erzbischof stand dem Ayyubiden daher wenig wohlwollend gegenüber, ebenso wie er die Zengiden, Nūr ad-­Dīn und seine Nachkommen, als Gegner Saladins eher positiv beschrieb, da sie strate­gische Partner des lateinischen Königreichs waren.89 Die von Respekt geprägten Umgangsformen, die man Saladin in Alexandria angedeihen ließ, waren allerdings spätestens für die zweite und dritte Genera­tion der Franken in Palästina, und somit auch für Wilhelm, selbstverständ­lich. Am 4. Juli 1187 gelang dem Ayyubidenherrscher bei Ḥaṭṭīn der entscheidende Sieg über das christ­liche Heer unter König Guido.90 Die fränkische Armee wurde aufgerieben, der König und die meisten Adligen gerieten in Gefangenschaft und das heilige Kreuz ging an die Muslime verloren. In der Folge fiel das seiner Verteidiger entblößte Königreich Jerusalem fast kampflos an den Sultan, als einzige größere Stadt blieb Tyrus in christ­lichen Händen. Die Tötung Rainalds von Châtillon durch Saladin nach der Schlacht wird im Libellus de Expugna­tione ohne nähere Begründung überliefert. Der Sultan hasste Rainald aufgrund dessen häufiger Friedensbrüche und der Ayyubide hatte geschworen, ihn eigenhändig

84 Möhring, Heiliger Krieg und politische Pragmatik, S. 455, 463. 85 Ein zeitgenös­sisches Gedicht auf die Belagerung Accons, hrsg. von Hans Prutz, in: ­Forschungen zur Deutschen Geschichte 21 (1881), S. 449 – 494, Neudruck Osnabrück 1968, z. B. Z. 65, 71, 129, 375. 86 Itinerarium peregrinorum, I, 4, S. 10 (Edi­tion Mayer, wie Anm. 1080, S. 252); Paris, Poème, S. 439, Z. 57. 87 Wilhelm von Newburgh, Historia, III, 18, S. 260. 88 Jubb, Legend of Saladin, S. 12. 89 Möhring, Heiliger Krieg und politische Pragmatik, S. 452. 90 Zum Verlauf und zum Ort der Schlacht siehe Benjamin Z. Kedar, The Battle of Ḥaṭṭīn Revisited, in: Benjamin Z. Kedar (Hg.), The Horns of Ḥaṭṭīn, Jerusalem 1992, S. 190 – 207.

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zu töten.91 Das g­ leiche Schicksal traf unmittelbar nach der Schlacht die Mitglieder der Ritterorden, mit denen Saladin die militärische Elite seiner christ­lichen Gegner ausschalten wollte. Die meisten Chroniken und Briefe erwähnen die Hinrichtung,92 gleichsam als Bestätigung für die bekannte Grausamkeit der Türken und ihres Herrn. Das Libellus berichtet noch, einige Gefangene habe Saladin extra von seinen Soldaten zurückgekauft. Auch der Anonymus verschweigt aber nicht die großzügige Verteilung der Beute durch Saladin.93 Mit den Nachrichten vom Siegeszug der „Ungläubigen“ trat Saladin ins Rampen­licht der Chronistik, wo er als Urheber der verheerenden christ­lichen Niederlage und als Eroberer Jerusalems am 2. Oktober 1187 schnell zum gefähr­ lichen, hassenswerten Gegner der Christenheit avancierte.94 Es verwundert kaum, dass der Sultan und sein türkisches Heer in ganz tradi­tioneller Weise als mordende Heiden beschrieben werden, und dass sich geradezu eine Flut von Flüchen über den Sultan ergießt. Bereits hier bestätigt sich die These Jubbs, dass sich die Darstellung des Sultans in christ­lichen Werken immer auch daran messen ließ, w ­ elche Bedrohung er für die lateinischen Staaten in Outremer darstellte.95 Mit dem Sieg von Ḥaṭṭīn wurde die Bedrohung akut und Saladin in den in den Jahren nach der Schlacht entstandenen Werken zum verteufelten Gegner. Peter von Blois hielt sich am päpst­lichen Hof auf, als im Herbst 1187 die Schreckensnachrichten aus dem Osten eintrafen.96 Unter dem Eindruck dieser Meldungen verfasste er kurz darauf seine Passio Reginaldi, in denen Rainald von Châtillon als strahlender Märtyrer einem grausamen Heiden gegenüber tritt. Der Herr von Oultrejordain ist hier keineswegs einer der Hauptschuldigen an der Katastrophe, sondern ein Vorbild für die Herrscher der Christenheit. Peter von Blois bezeichnet Saladin als babylonischen Hund, „babylonius canis“ und als Antichrist. Peter bedauert, sein Werk mit dessen Namen beschmutzen zu müssen. Rainald habe versucht, so Peter, Saladin die Lehren des Christentums zu erklären. Dieser fühlt sich dadurch in seiner Majestät beleidigt und tötet 91 Lyons/Jackson, Saladin, S. 248. 92 Libellus de expugna­tione, S. 228; Itinerarium peregrinorum I, 5, S. 16 (Edi­tion Mayer, S. 259); Lateinische Fortsetzung Wilhelms von Tyrus, hrsg. von Marianne Salloch, Diss.-phil. Berlin 1934, S. 71; Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 2, S. 320, 324; Wilhelm von Newburgh, ­Historia, III, 17, S. 259; Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, z. J. 1187, S. 21. 93 Libellus de expugna­tione, S. 228. 94 Tyerman, God’s War, S. 380. 95 Jubb, Legend of Saladin, S. 19, 90 f. 96 Richard Southern, Peter of Blois and the third Crusade, in: Henry Mayr-­Harting, R. I. Moore (Hg.), Studies in medieval History presented to R. H. C. Davis, London 1985, S. 207 – 218, S. 212.

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Rainald.97 In dieser Szene ist Saladin den türkischen Herrschern in den frühen Kreuzzugschroniken ähn­licher als dem weltoffenen, toleranten Sultan, als der er in späteren Werken dargestellt wird. Für Abt Joachim von Fiore war der Sultan 1190 sogar Bestandteil der Apokalypse. Er bezeichnete ihn als sechstes der sieben Häupter des Drachen aus der Offenbarung des Johannes und stellte ihn in eine Reihe mit anderen, wie er meinte, großen Verfolgern der ­Kirche wie Nero oder Mohammed. Das siebte dieser Häupter werde nach Joachim der Antichrist selbst sein. Der Ayyubide wird in dieser heilsgeschicht­lichen Deutung seines Wirkens geradezu zu einem Vertreter des Bösen schlechthin.98 Die Verunglimpfung des Sultans in den beiden 1187 und 1189/90 entstandenen Gedichten wurde bereits erwähnt. Auch diese beiden Werke fügen sich damit in die Welle der äußerst saladinfeind­lichen Schriften der Jahre unmittel­ bar nach 1187 ein. Die großzügigen Kapitula­tionsbedingungen, die Saladin vielen Städten in Palästina während seines Eroberungszuges gewährte, wurden von den Zeitgenossen dagegen kaum zur Kenntnis genommen und vermögen daher das negative Bild Saladins nicht zu bessern. „Salahadinus terram perambulat, civitates capit, castella aut sibi retinet aut destruit, monasteria evertit, monachus, presbiteros, clericos interfecit, sanctimoniales dehonestat et occidit“, fasste der Fortsetzer Sigeberts von Gembloux in Europa Saladins Eroberungszug zusammen.99 Die Kommentare des anonymen Autors des Libellus de expugna­tione sind kaum positiver. Wurde freier Abzug gewährt, findet dies zwar Erwähnung, ebenso aber auch Plünderungen, Verwüstungen und Entweihungen heiliger Stätten. Der Patriarch von Jerusalem schreibt im September 1187 von der Bedrohung durch „Saladinus crudelis Christi inimicus“.100 Saladin bleibt in den Quellen ein hochmütiger und grausamer Tyrann, begierig auf christ­liches Blut. Es ist heute allgemein anerkannt, dass taktische Gründe ausschlaggebend für die großzügigen Kapitula­tionsbedingungen waren, die der Sultan Burgen und Städten im Königreich Jerusalem nach der Schlacht von Ḥaṭṭīn gewährte. 97 Peter von Blois, Passio Reginaldi principis olim Antiocheni, in: Jacques Paul Migne (Hg.), PL, Bd. 207, Paris 1855, Sp. 957 – 976, Sp. 962, 966, 972 f. 98 Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 3, S. 76 über die Prophezeiungen des Abtes in einem Gespräch mit König Richard bei dessen Aufenthalt im KGR Sizilien 1190/91. 99 Sigeberti Gemblacensis chronica cum continua­tionibus, Continuatio Aquicinctina, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 6 (Chronica et annals aevi Salici), Hannover 1844, S. 405 – 438, S. 425. 100 Jaspert, Zwei unbekannte Hilfsersuchen, S. 515.

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Saladin war an einer schnellen Eroberung des Landes gelegen, bevor Verstärkungen aus Europa eintrafen. Deshalb zeigte er sich gegenüber den Belagerten großzügig und gewährte freien Abzug, ein unbarmherziges Vorgehen hätte dagegen nur den Kampfeswillen der Verteidiger angestachelt und dies hätte wiederum monatelange Belagerungen vieler befestigter Plätze bedeutet. Darüber hinaus bewegte sich der Sultan mit dieser Taktik durchaus auf dem Boden der zeitgenös­sischen muslimischen Militärtheorie.101 Die Eroberung des Heiligen Landes durch Ungläubige war für die Chronisten ein unerhörter Vorgang, allein die Tatsache an sich machte Saladin schon zum verachteten Gegner. Es hieße, diese Ausgangslage zu verkennen, erwartete man hier Berichte über einen ritter­lichen Gegner. Saladin selbst tritt, wie schon erwähnt, vor allem negativ als grausamer Tyrann in Erscheinung. Dies wird besonders deut­lich im Vergleich mit dem ­später geschriebenen zweiten Teil des Itinerarium, in dem das Wort, soweit ersicht­lich, nicht mehr auftaucht.102 Vor allem in den ersten Jahren nach Ḥaṭṭīn waren sowohl das Türken- als auch das Saladinbild ausgesprochen negativ. Die militärische Tüchtigkeit wird Saladin als Befehlshaber des türkischen Heeres natür­lich nicht abgesprochen. Im Itinerarium erscheint zum ersten Mal die Legende vom angeb­lichen Ritterschlag Saladins durch Humfried von Toron.103 Wilhelm von Tyrus wusste darüber noch nichts zu berichten. Da das IP 1 spätes­ tens 1194 fertiggestellt wurde, zeigt dies, dass bereits zu d­ iesem frühen Zeitpunkt Legenden über Saladin kursierten. Diese frühe Legendenbildung resultierte wohl daraus, dass sich die Aufmerksamkeit der Europäer auf Saladin als einzigen Gegner konzentrieren konnte und steht in dieser Phase noch nicht für irgendeine überhöhte Wertschätzung. b) Courtoisie und Diplomatie: Saladin, Saphadin und Richard Löwenherz In den ersten Jahren nach Ḥaṭṭīn war Saladin für die euro­päische Chronistik wenig mehr als ein heidnischer Tyrann, dessen negative Charakterisierung sich kaum von dem Bild unterschied, das man sich von seinen türkischen Truppen machte. Mit der Ankunft von König Richard Löwenherz im Heiligen Land im Frühjahr 1191 standen sich zum ersten Mal bei einem Kreuzzug ein mächtiger euro­päischer 101 Möhring, Der andere Islam, S. 142; William J. Hamblin, Saladin and Muslim military theory, S.  235 ff. 102 So auch Jubb, Legend of Saladin, S. 20. 103 Itinerarium peregrinorum, I, 3, S. 9 (Edi­tion Mayer, S. 251).

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Monarch und ein Sultan als Herr aller muslimischen Länder im Nahen Osten gegenüber. In der modernen Forschung wurde anläss­lich ­dieses Zusammentreffens vielfach ein Wandel im Türken-/Sarazenenbild jener Zeit postuliert. So ist nach Tolan die Darstellung Saladins immer auch in Bezug auf die Rolle Richards zu sehen. Das Bild Saladins in der L’Estoire de la Guerre Sainte sei aus apologetischen Bedürfnissen heraus entstanden. Da Richard die Einnahme Jerusalems nicht geglückt sei, habe man Saladin als ritter­lichen Beschützer und Wohltäter der heiligen Stätten darstellen müssen, um Vorwürfen gegen den eng­lischen König ob seines Rückzuges vorzubeugen. Dies erkläre auch, warum Saladin desto positiver dargestellt werde, je weniger Siege es auf christ­ licher Seite zu vermelden gab.104 Ganz ähn­lich argumentierte Marianne Ailes. Ambroise habe sich zwar im Wesent­lichen an historische Fakten gehalten, aber auch gezielt einen Feind präsentiert, der Richards würdig gewesen sei, eben einen bewunderungswürdigen Feind.105 Ailes wendet sich damit gegen die Ansicht Paul Bancourts, der in der Darstellung der Sarazenen/Saladins bei Ambroise hauptsäch­lich eine Übernahme von Konven­tionen aus den Chansons de Geste sieht.106 Möhring ist kritisch gegenüber Sichtweisen, die das Bild Saladins in den Chroniken aus dem Bedürfnis erklären wollen, einen idealen Gegner zu schaffen, um das eigene Unvermögen zu bemänteln. Die Ursachen für die positive Darstellung des Sultans sieht er in der unblutigen Einnahme Jerusalems und in der Schonung der Grabeskirche. Vor dem düsteren Islambild der Europäer habe sich das Verhalten Saladins umso heller abgehoben.107 Ebenso lehnt ­Bernard Hamilton die These ab, das Saladinbild habe nur der Beschönigung des Fehlschlages dienen sollen. Die Erklärung sieht er aber in dem Bedürfnis der Chronisten, einem Gegner gerecht zu werden, dessen (ritter­liche) Qualitäten sie bewunderten, weil sie identisch mit denen waren, die sie selber schätzten.108 Dies ist die Erklärung, die in der vorliegenden Arbeit bereits für das Türkenlob der Gesta Francorum gefunden wurde. Es stellt sich die Frage, ob sie auch für die Entstehung des Saladinbildes Anwendung finden kann. 104 Tolan, Mirror of chivalry, S. 19 ff, 22. 105 Marianne J. Ailes, The admirable enemy. Saladin and Saphadin in Ambroise’s Estoire de la Guerre Sainte, in: Norman Housley (Hg.), Knighthoods of Christ. Essays on the history of the Crusades and the Knights Templar presented to Malcolm Barber, Aldershot 2007, S. 51 – 64, S. 55, 64; so auch Housley, Fighting, S. 230. 106 Bancourt, De l’image epique, S. 224. 107 Möhring, Der andere Islam, S. 145 ff. 108 Hamilton, Knowing the enemy, S. 385 f.

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Margaret Jubb schließ­lich misst der zunehmenden zeit­lichen Differenz entscheidende Bedeutung für das immer positivere Bild des Sultans im Europa des 13. Jahrhunderts zu. Je weniger Saladin eine Gefahr bedeutet habe, je weiter Faktenwissen Gerüchte ersetzt habe, umso positiver habe man den S­ ultan gesehen.109 Hier trifft sie sich mit Tolan, der der zeit­lichen Komponente ebenfalls Bedeutung zuweist. Nach Wegfall der apologetischen Zwecke habe man sich in den Texten des 13. Jahrhunderts auf die Tugenden Saladins konzentrieren können.110 Erstaun­licherweise werden Saladins Großzügigkeit und seine höfischen Umgangsformen in den Quellen zum Kreuzzug der Könige Richard und ­Philipp zunächst alles andere als wohlwollend beschrieben. Im Mittelpunkt der Schilderungen steht dabei der Austausch von Geschenken z­ wischen dem Sultan und den euro­päischen Königen in den ersten Monaten nach deren Ankunft vor Akkon im Frühjahr und Frühsommer 1191. Die Geschenke Saladins wurden zunächst nicht als Belege ritter­licher Umgangsformen ­zwischen bewundernswerten Gegnern gesehen, sondern sogar als Kritikpunkte aufgeführt. Roger von Hoveden berichtet misstrauisch über die Präsente Saladins für den franzö­sischen König und den allzu freund­lichen Umgang der beiden miteinander.111 Der Franzose Rigord wiederum nennt für die franzö­sische Gegenseite die Geschenke Saladins an Richard und den Austausch von Gesandten als Gründe für die Heimreise des franzö­sischen Monarchen.112 Der zweite Kontext, in dem die Geschenke Saladins durch zeitgenös­sische Autoren misstrauisch beobachtet werden, steht im Zusammenhang mit dem vom Sultan versprochenen Lösegeld für die gefangene muslimische Besatzung von Akkon nach dem Fall der Stadt. Der Verfasser des Itinarium peregrinorum und Roger von Hoveden sehen in den Geschenken des Sultans einen Versuch, die Übergabe des Lösegelds zu verzögern. Ambroise spricht zwar nicht von Geschenken, aber von einer Verzögerungstaktik der Sarazenen.113 Saladin erscheint hier ganz tradi­tionell als listiger Sarazene, der sich mit Schmeicheleien eine weitere Frist erkaufen will. 109 Jubb, Legend of Saladin, S. 19, 23. 110 Tolan, Mirror of Chivalry, S. 25 f. 111 Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 3, S. 114. 112 Rigord, Gesta Philippi Augusti, 88, S. 306; bei Rigord 39, S. 195 begegnet einem im Übrigen wieder die Legende von dem Trojaner Turchus als Stammvater der Türken. 113 Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 3, S. 127; Ambroise, L’Estoire, Z. 5386 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 2, S. 241.

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Das Versagen Saladins, seine Gefangenen auszulösen, wurde in den Chroniken negativ bewertet. Neben der listigen Verzögerungstaktik, die ihm zur Last gelegt wurde, habe er durch ­dieses Versagen seinen guten Ruf verloren. 114 Auch bei seinen eigenen Leuten, die ihn nun zu Vergeltungsak­tionen drängten, habe Saladins Ansehen gelitten.115 Saladins Darstellung in d ­ iesem Zusammenhang rührt sicher auch aus dem Bedürfnis, die Tat Richards zu erklären, die auch für mittelalter­liche Verhältnisse zumindest außergewöhn­lich war. In demselben Licht sind wohl auch die Behauptungen Roger von Hovedens zu sehen, Saladin habe seine christ­lichen Gefangenen zuerst getötet. Dies entspricht nicht der Wahrheit, der Sultan beschloss, gegen Widerstand aus den eigenen Reihen, seine Gefangenen zu schonen, um ein Pfand für spätere Friedensverhandlungen zu besitzen. 116 In der Phase von der Ankunft der Könige von England und Frankreich vor Akkon bis zum Abmarsch Richards nach Süden (April bis August 1191) wird die Gesamtheit der türkischen K ­ rieger in den Chroniken positiver dargestellt als die Person des Sultans, bei dem allein die Schuld für das Morden liege. Den Türken gestand man in der Folge auch zu, aus Rache für ihre ermordeten Kameraden besonders verbissen zu kämpfen.117 Seinen nächsten größeren Auftritt in den Chroniken hat Saladin nach der Schlacht von Arsuf am 7. September 1191, als er seine Emire wegen deren angeb­ lichen Versagens in der Schlacht zur Rede stellt und sie für die Niederlage verantwort­lich macht. Einer der betroffenen Untergebenen klärt den Sultan allerdings darüber auf, dass die Franken in ihren undurchdring­lichen Rüstungen wie Felsen ­seien. Zudem würden sie von einem besonders tapferen Ritter geführt, gemeint ist König Richard.118 Der Zweck dieser fiktiven Unterhaltung liegt allein in einem Lob für die Taten Richards und seines Heeres und erinnert stark an die fiktiven Reden aus Karbuġās Lager in den Chroniken zum ­Ersten Kreuzzug. Hier kann man Paul Bancourt zustimmen, der die Schilderung der Ratsversammlung epischen Vorbildern zuschreibt.119 Auch in den Szenen aus Karbuġās Lager war 90 Jahre zuvor episches Material verarbeitet worden. 114 Ambroise, L’Estoire, Z. 5490 ff. 115 Haymarus Monachus, Rithmus, S.88, Z. 893 ff; Wilhelm von Newburgh, Historia IV, 23, S. 359. 116 Roger von Hoveden, Gesta, S. 189; Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 3, S. 127; Möhring, Saladin, S. 118. 117 Ambroise, L’Estoire, Z. 5701 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 9, S. 248. 118 Ambroise, L’Estoire, Z. 6769 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 22, S. 278 f. 119 Bancourt, De l’image epique, S. 226 f.

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Die Nachricht von der Zerstörung der Befestigungswerke Askalons durch S­ aladin, damit diese nicht von den Kreuzfahrern genutzt werden konnten, stieß beim Kreuzheer zunächst auf Unglauben. Die Nachricht, dass er eine Verteidigung der Stadt nicht wage, habe nicht zu ihrer Meinung gepasst, wonach er sehr mächtig sei.120 Dieser Beleg für ein positives Saladin-­Bild kann durchaus der Wahrheit entsprechen, denn die Soldaten waren mit dem Gedanken, gegen den mächtigen Eroberer von Jerusalem zu kämpfen, in den Osten gekommen, hatten die lange Belagerung von Akkon selbst ertragen oder Geschichten gehört und waren schließ­lich auf dem Marsch nach Süden den türkischen Pfeilen ausgesetzt gewesen. Der angeb­liche Ritterschlag für al-ʽĀdils Sohn, also Saladins Neffen, durch Richard am Palmsonntag 1192121 ist ebenso wie die Erwähnung von Saladins Ritterschlag zugleich ein Novum in der Kreuzzugschronistik, zugleich aber auch die konsequente Fortführung älterer Ansichten. Schon auf dem E ­ rsten Kreuzzug setzte man Türken und milites gleich. Ganz in dieser Tradi­tion steht es, wenn nun auch einem (vermeint­lichen) Türken der Ritterschlag zugebilligt wird, der mittlerweile in Europa eine Bedeutung gewonnen hatte, die er während des E ­ rsten Kreuzzuges noch nicht gehabt hatte.122 Durch den Wandel des Rittertums in Europa bedingt, war es nur ein kleiner Schritt, einem Türken diesen formellen Akt zuzubilligen. Neu an dieser Stelle ist daher weniger die Tatsache der Ritterfähigkeit, also einer gewissen Gleichwertigkeit des jungen Mannes, als vielmehr die Tatsache, dass fried­liche Kontakte mit und Ehrungen für „Ungläubige“ ohne weiteres hingenommen wurden. Es ist frag­lich, ob die Geschichte historisch ist, Ambroise bringt sie nicht, Strickland sieht sie aber in Zusammenhang mit den Verhandlungen Richards mit al-ʽĀdil. Er betont durchaus plausibel den hohen Symbolgehalt des Ereignisses. Die damit verbundene Andeutung einer Oberherrschaft Richards über den frisch gekürten Ritter hätten die angedachte Allianz widerspiegeln und verstärken können.123 Wie dem auch sei, zeigt die Episode, dass ­solche Berichte geglaubt wurden und nicht etwa einen Aufschrei der Entrüstung provozierten. Es zeigt auch in gewisser Weise den neuen Blickwinkel auf die Kreuzzüge als ritter­liche Abenteuer und weniger als Unternehmen Gottes gegen die Ungläubigen. Mit anderen 120 Ambroise, L’Estoire, Z. 6956 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 26, S. 283. 121 Itinerarium peregrinorum, V, 12, S. 325: „Dominica Palmarum, rex Ricardus apud Achon filium Saphadini ad hoc transmissum, insignivit magnifice cingulo militiae.“ 122 Keen, Rittertum, S. 102, 108 f, demnach stammt die älteste Beschreibung einer ritter­lichen Promo­tion aus einer erzählenden Quelle von 1128, die Zeremonien wurden mit der Zeit immer ausgefeilter und differenzierter und erfuhren sozia­l und geographisch eine weitere Verbreitung. 123 Strickland, War and chivalry, S. 26.

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Worten, hätten Autoren wie Guibert, Balderich oder Robert eine ­solche Stelle in den Gesta Francorum vorgefunden, wäre sie mit Sicherheit entfernt worden, legten sie doch Wert darauf, den miles vor allem als miles christianus darzustellen. Betrachtet man die Darstellung Saladins und seiner Familie im Folgenden, so ist Tolans Beobachtung, wonach sich das Saladin-­Bild im Laufe der L‘Estoire de la Guerre Sainte bessert, zuzustimmen. Besonders gegen Ende des Werkes häufen sich Berichte über Saladins Courteoisie und gegenseitige Geschenke. Diese Wendung ins Positive setzt nach der letzten größeren Auseinandersetzung, dem oben bereits erwähnten Überfall auf Richards Feldlager, im August 1192, unmittelbar vor den entscheidenden Friedensverhandlungen für den am 2. September geschlossenen Waffenstillstand, ein. Interessanterweise, und dies stützt Tolans These, zeigen die Berichte über die erfolglosen Friedensverhandlungen im vorangegangenen Herbst noch ein ganz anderes Saladinbild. Hier unterstellt man den Sarazenen, sich mit den Geschenken und den Verhandlungen ledig­lich Zeit für die Zerstörung weiterer Festungsanlagen zu erkaufen. Auch Richard erfährt Kritik wegen seiner Leichtgläubigkeit und seinem zu vertrauensvollen Umgang mit den Muslimen.124 Die Kritik entspricht im Wesent­lichen dem, was man schon anläss­lich der Saladinkontakte vor Akkon vorgebracht hatte: Bei den Verhandlungspartnern handele es sich um listige Sarazenen, die die Christen durch Freund­lichkeit hinters Licht führen und denen man nicht trauen könne. In diese Zeit fällt auch der angeb­liche Vorschlag Richards, den Frieden durch eine Heirat seiner Schwester mit Saladins Bruder al-ʽĀdil, die christ­lichen Quellen nennen ihn Saphadin, herzustellen. Das Paar sollte dann das Gebiet des ehemaligen Königreichs Jerusalem erhalten. Die eng­lischen Quellen wissen nichts von ­diesem Vorschlag. Er findet nur in muslimischen Werken Erwähnung und in einer Version der Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus, die wohl aus der Feder eines orienta­lischen Franken stammt.125 Letztere fügt noch hinzu, Saphadin müsse zur Verwirk­lichung des Plans Christ werden. Bahā’ ad-Dīn berichtet, der Plan Richards sei am Protest der christ­lichen Fürsten gescheitert. Entspricht dieser Bericht der Wahrheit, und es ist vermutet worden, dass Richard versuchte, durch das Heiratsprojekt und die Aussicht auf eine eigene Herrschaft al-ʽĀdil von seinem Bruder Saladin zu entfremden,126 läge hier ein 124 Ambroise, L’Estoire, Z. 7386 ff; Itinerarium peregrinorum, IV, 31, S. 296. 125 Ibn Shaddād, S. 187, 195 f; ContWT, 142, S. 151. 126 John Gillingham, Richard the Lionheart, London 1978, S. 197; Köhler, Allianzen und Verträge, S. 352 sieht Richards Inten­tion eher in einer Störung der Verhandlungen z­ wischen

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ähn­liches Bild vor wie schon auf dem ­Ersten Kreuzzug. Die Führer dachten politisch/diplomatisch und waren daher eher zu Kontakten mit den Muslimen bereit als die Masse des Heeres. Ebenso 1191/92. Die Friedensverhandlungen waren für Richard ein politisches Problem. Um es zu lösen scheint er sogar an eine „lehnsrecht­lich-­vasallitische Beziehung“ Jerusalems zu Saladin gedacht zu haben,127 aber auch das Mittel einer Heiratsverbindung bot Aussicht auf eine vielversprechende Lösung. Das Angebot war zumindest aber als Versuchsballon geeignet, einen Keil z­ wischen die Brüder auf der Gegenseite zu treiben. Die Tatsache, dass es sich bei dem Bräutigam um einen „Ungläubigen“ handelte, musste hinter der „Staatsräson“ zurückstehen.128 Dies sahen die Mitglieder des Heeres, an denen laut Bahā’ ad-Dīn das Projekt scheiterte, anders. Gleiches gilt eventuell auch für Ambroise. Unterließ er eine Erwähnung des Heiratsprojektes, weil er wusste, dass es dem Ansehen Richards in Europa nicht förder­lich sein würde, seine Schwester einem Ungläubigen übergeben zu wollen? Ibn Shaddād erwähnt mehrmals Proteste der christ­lichen Seite, sowohl gegen die Kontakte Richards mit den Muslimen im Allgemeinen, als auch gegen das Heiratsprojekt im Speziellen. Wenn sich die Ereignisse so zugetragen haben, werfen sie ein Licht auf die Grenze der mög­lichen Kontakte mit dem muslimischen Gegner. Sie zeigen aber auch, dass man immer auch ­zwischen dem Sarazenenbild der Führer und dem der Quellen/ Autoren unterscheiden muss. Ersteres war von diplomatischen, daher freund­lichen Kontakten oder politischen Zwängen geprägt, letzteres konnte auch die eher kri­ tische Haltung des Publikums in Europa widerspiegeln bzw. auf dessen Ansichten Rücksicht nehmen.129 Das konnte bedeuten, dass man nicht alles was man wusste auch aufschrieb, um das Bild seines Helden in Europa nicht zu beschmutzen. Die Verhandlungen der Ayyubiden mit den Kreuzfahrern liefen, auch gemäß der eng­lischen Quellen, vor allem über Saladins Bruder al-ʽĀdil. Sei es, weil Saladin der Ansicht war, man solle sich persön­lich nicht vor einem Friedens­ vertrag treffen,130 sei es, weil Richard in einer Entfremdung al-ʽĀdils von S­ aladin eine Mög­lichkeit zu einem vorteilhaften Friedensschluss und einer Teilung der gegnerischen Kräfte erblickte und sich deshalb vor allem um den Bruder des Sultans bemühte. Diese Tatsachen erklären durchaus die überaus positive Rolle, Saladin und Konrad von Montferrat. 127 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 347. 128 Mayer, Kreuzzüge, S. 135. 129 Siehe auch Möhring, Concept of the Muslim enemy, S. 188 für den Einfluss pragmatischer Erwägungen auf das Islambild. 130 Ibn Shaddād, S. 193.

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die Saphadin in den euro­päischen Quellen spielt. Von Marianne Ailes ist die Ansicht vertreten worden, Ambroise habe seine kritische Haltung gegenüber Saladin mit den Legenden und Mythen über den edlen Sultan in Einklang bringen müssen, die bereits in der Abfassungszeit der L‘Estoire in Europa kursierten. Zu ­diesem Zweck habe er Saphadin eine überaus positive Rolle als Alter Ego Saladins zugedacht, um sowohl Richard als auch Saphadin in gutem Licht zeigen zu können.131 Diese Konstruk­tion erscheint recht kompliziert und die Rolle al-ʽĀdils in der Estoire erklärt sich leichter aus den historischen Fakten. Dass diese für Ambroise Quelle genug waren, sieht auch Ailes an anderer Stelle.132 Im Übrigen stellt sich ohnehin die Frage, inwieweit gegen Ende des 12. Jahrhunderts schon in größerem Maße (positive) Legenden über Saladin im Umlauf waren. Aus der Chronistik ergeben sich diesbezüg­lich kaum Anhaltspunkte, ledig­lich der Ritterschlag für Saladin ist im IP 1 für die Zeit vor 1194 nachweisbar. Den Umlauf und die Bekanntheit von legendenhaften Erzählungen über den S­ ultan in dieser frühen Phase wird man nur annehmen können, wenn man ohne weiteres davon ausgeht, dass diese Geschichten münd­lich verbreitet wurden. In der L’Estoire de la Guerre Sainte und im Itinerarium peregrinorum beginnt die Reihe von lobenden Erwähnungen für Saladin und Saphadin direkt nach der letzten Schlacht. Ab d­ iesem Zeitpunkt beginnt sich das Bild des Sultans und seiner Familie erstmals von dem ihrer türkischen Soldaten positiv abzuheben. Es ist daher zu kurz gegriffen, den Wandel im Saladin-­Bild ledig­lich mit den Unterschieden in der Darstellung des Ayyubiden ­zwischen den zwei Versionen des Itinerarium zu belegen.133 Zum ritter­lichen Gegner werden Saladin und sein Bruder erst ganz am Ende des IP 2. Saphadin, großzügig und mit höfischen Verhaltensformen, schickt Richard zwei edle arabische Pferde aus Anerkennung für dessen Tapferkeit. Das Itinerarium fügt noch hinzu, man könne Saphadin mit den besten christ­lichen Kriegern vergleichen, wenn er nur Christ sei. Mut sei jedenfalls auch bei einem Feind eine anerkennenswerte Eigenschaft.134 Kurz darauf lässt Saladin bei der Bestätigung des Friedensvertrages mitteilen, wenn das Heilige Land je erobert werde, dann sei es ihm am liebsten, wenn dies durch König Richard geschehe.135 Zwar erscheint Saladin hier ritter­lich, aber die Stelle dient natür­lich allein als Lob für den eng­lischen König. 131 Ailes, Admirable enemy, S. 59. 132 Ebd., S. 55. 133 So aber Housley, Fighting, S. 230. 134 Ambroise, L’Estoire, Z. 11515 ff; Itinerarium peregrinorum, VI, 22, S. 419. 135 Ambroise, L’Estoire, Z. 11788 ff; Itinerarium peregrinorum, VI, 28, S. 430.

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Kurz nach dem Friedensschluss verhindert Saladin Übergriffe seiner Truppen auf eine Gruppe christ­licher Pilger, die sich auf den Weg nach Jerusalem gemacht haben, um die heiligen Stätten zu besuchen. Der Besuch Jerusalems geschah zwar gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrages, aber Saladin war durch eine Nachlässigkeit der Botschafter noch nicht über die Pilgergruppe informiert worden, seine türkischen Truppen wollen nun angeb­lich mit Gewalt gegen die Pilger vorgehen. Saladin erscheint als ehrenhafter Mann, der sich an die getroffenen Abmachungen hält. In der Ratsversammlung argumentiert man sogar, es würde dem Ruf der Muslime schaden, gehe man gegen die Pilger vor.136 Spätestens hier hat sich die Darstellung des Sultans völlig gedreht. War er zuvor noch der perfide Muslim, der Verhandlungen zu seinem Vorteil nutzt, so legt er nun Wert auf ehrenwertes Verhalten und Vertragstreue. Dieser Wechsel ist sehr auffallend und spricht nicht zuletzt für Tolans These. Der wahre Kern der Episode könnte darin liegen, dass die Kräfte der Ayyubiden durch den langen Krieg erschöpft waren und Saladin deshalb natür­lich ein Wiederaufflammen der Kämpfe um jeden Preis verhindern wollte. Saladins letzter Auftritt findet bei einer Konversa­tion mit dem Bischof von Salisbury vor Jerusalem statt. Hier ist schließ­lich weder von dem grausamen Tyrannen noch von dem listigen Heiden noch etwas zu spüren. Es ist ein freundschaft­liches Gespräch, bei dem sich der Sultan nach König Richard erkundigt.137 Es ist unklar, w ­ elchen Wahrheitsgehalt diese Szene aufweist, aber beim Leser entsteht der Eindruck von einem ehrenhaften und ritter­lichen Saladin.138 Sollte Ambroise wirk­lich im Sinn gehabt haben, durch diese Darstellung von Schuldzuweisungen an Richard wegen der nicht erreichten Eroberung Jerusalems abzulenken, so dürfte ihm dies gelungen sein. Natür­lich, und hier ist Hamilton zuzustimmen, wurden sowohl die gegenseitigen Kontakte als auch die Darstellung des Sultans in den Quellen dadurch erleichtert, dass beide Seiten in einem gewissen Grade gemeinsame Werte teilten,139 näm­lich die von berittenen Elitekriegern, die schon dem Autor der Gesta Francorum positiv aufgefallen waren. Andere eng­lische Chroniken vollziehen die ritter­liche Wendung im Gegensatz zu Ambroise und dem Itinerarium allerdings nicht. Wilhelm von Newburgh berichtet nicht von Geschenken, auch das Treffen Saladins mit dem Bischof 136 Ambroise, L’Estoire, Z. 11959; Itinerarium peregrinorum, VI, 31/32, S. 433 f. 137 Ambroise, L’Estoire, Z. 12068 ff; Itinerarium peregrinorum, VI, 34, S. 437 f. 138 Siehe Tolan, Mirror of chivalry, S. 22. 139 Hamilton, Knowing the enemy, S. 385 f.

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von Salisbury fehlt. Saladin ist bis zuletzt der Feind Gottes. Wilhelm zeigt sich äußerst zufrieden, dass nach dem Tod des Sultans dessen Reich verweich­lichten Erben in die Hände gefallen sei, die eine Aufteilung nicht hätten verhindern können – die, nach Meinung Wilhelms, gerechte Strafe Gottes.140 Aber auch Roger von Hoveden, Ralph von Coggeshall oder Radulph von Diceto sind wesent­lich zurückhaltender als Ambroise oder das Itinerarium, was freundschaft­liche Kontakte mit Saladin betrifft. Ledig­lich Richard von ­Devizes erzählt von einer ritter­lichen Tat Saladins. Er schließt Frieden, als er von einer Krankheit König Richards erfährt. Welchen Ruhm bringe es schließ­lich, gegen einen kranken Mann zu kämpfen?141 Hier kann es sich um eine frühe Legende handeln, oder die Geschichte ist historisch und rührt aus einer diplomatischen Floskel bei den Friedensverhandlungen. Saladin wird wohl kaum freimütig zugestanden haben, dass er aufgrund des Zustandes seines Heeres den Frieden ebenso dringend brauchte wie Richard. Zweifelsohne war die Aufmerksamkeit, die Saladin entgegen gebracht wurde, auch der historischen Situa­tion geschuldet. Nie zuvor hatten die Kreuzfahrer einem einzigen muslimischen Hauptgegner gegenüber gestanden. Der Erste Kreuzzug war auf eine zersplitterte islamische Staatenwelt gestoßen, während des Zweiten Kreuzzuges war Nūr ad-­Dīn eine entfernte Bedrohung am Horizont geblieben. Begünstigt wurde die Rolle Saladins ohne Frage aber auch durch das literarische Zusammenspiel mit seinem großen christ­lichen Gegenspieler Richard Löwenherz. Denn auch auf christ­licher Seite hatte kein Kreuzzugsführer bisher eine so dominante Rolle gespielt. Der Erste Kreuzzug war geprägt von Rangeleien der verschiedenen Führer. Die unglück­liche Rolle, die Ludwig VII. und Konrad III. auf dem Zweiten Kreuzzug gespielt hatten, war von der Chronistik mit Missachtung gestraft worden. Der „Sarazene“ hatte für die Europäer nun zum ersten Mal eine konkrete Gestalt, an der man sich literarisch „abarbeiten“ konnte. Berücksichtigt man zudem, dass während des Kreuzzuges viele Europäer nach Osten zogen und bei ihrer Rückkehr einem Publikum berichten konnten, das zur Blütezeit ritter­ lich-­höfischer Kultur nach solchen Geschichten verlangte, wird deut­lich, dass der Sultan allein aufgrund der Ausgangslage schon bessere Chancen hatte als alle anderen islamischen Herrscher vor ihm, einen Platz in der mittelalter­lichen Literatur einzunehmen.

140 Wilhelm von Newburgh, Historia, IV, 30, S. 379, 381. 141 Richard von Devizes, Chronicon, S. 78: „Sed cum infirmo pugnare que gloria?“

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Allerdings kann gegen Ende des 12. Jahrhunderts noch keine Rede sein von einem flächendeckend positiven, legendenumrankten Bild des Sultans. Ohnehin, vieles von dem, was Ambroise und Richard von Holy Trinity über die Kontakte Richards und Saladins erzählen, war nichts völlig Neues im christ­lich-­ muslimischen Verhältnis. Das soll nicht heißen, dass die Intensität der geschilderten Kontakte oder die Menge der dem Feind zugeschriebenen Tugenden nicht neu waren, aber Pferde hatte schon Tankred von seinen muslimischen Gegnern als Geschenk erhalten und auch Heinrich der Löwe war auf seiner Heimreise durch Anatolien von einem positiv dargestellten Kılıç Arslān II. reich beschenkt worden. In Erinnerung treten auch Szenen aus dem Werk Alberts von Aachen, der Kılıç Arslān durchaus positiv als tapfer, weise und ­talentierten Redner beschrieb, ebenso war Saladin für Ambroise ein gleichsam listiger Verhandlungspartner wie Dānišmand für Ordericus Vitalis. Ende des 12. Jahrhunderts schrieb man allerdings freimütiger von ­christ­lich-­muslimischen Kontakten als noch zu früheren Zeiten, fried­liche Treffen und Verhandlungen werden nun wie selbstverständ­lich mitgeteilt. Zwar traten auch die Führer des ­Ersten Kreuzzuges relativ schnell in diplomatisch-­ freund­liche Kontakte mit Muslimen, allerdings hätte ein Ambroise 100 Jahre zuvor wohl kaum den Weg über den ehrenhaften muslimischen Gegner gewählt, um seinen Helden zu rechtfertigen. Neu war weniger der gegenseitige Umgang an sich, als vielmehr die ausführ­liche Erwähnung in den Quellen. Hier scheint die Wende aber eher in den 1170er Jahren zu liegen. Mit den diplomatischen Kontakten Barbarossas, dem Eintritt der zunehmend geeinten (und daher politisch bedeutenden) islamischen Welt in die euro­päische Diplomatie und dem Aufschwung des Levantehandels waren Kontakte zu Muslimen nichts unerhört Neues mehr. Mochte das Islambild auch noch im Wesent­lichen das ­gleiche sein wie früher, so waren doch der Nahe Osten und seine Bewohner näher an Europa herangerückt. Ein breites Publikum für die neuen Umgangsformen fand sich mit dem Dritten Kreuzzug, der, trotz aller Entrüstung über den Fall Jerusalems, viel mehr als der Erste ein militärisches Unternehmen und weniger ein heiliger Krieg war. Dennoch blieben aber auch die Grenzen sichtbar, die man beim Umgang mit Muslimen einhalten sollte, ohne Kritik auf sich zu ziehen. Erinnert sei an Schutzbehauptungen in Gestalt von angeb­lichen Konversionswünschen muslimischer Herrscher. Die Voraussetzungen dafür, in Saladin den edlen Heiden zu sehen waren zwar günstig wie nie, aber wo genau lag der Ursprung dieser Geschichten? Wie erwähnt, stellt keine der bisher betrachteten Quellen Saladin als besonders ritter­lich dar, viele, besonders die in den frühen neunziger Jahren entstandenen

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Werke, sind sogar ausgesprochen feindselig. Ambroise und das Itinerarium überliefern bis auf die letzten Seiten ein eher tradi­tionelles Bild, in dem Saladin zwar im Zentrum steht, aber keineswegs mora­lisch besonders integer ist. Hier standen sich zwei gleich starke Gegner gegenüber, die die Stärke und die Person des jeweils anderen respektierten. Der Umgang erinnert daher viel eher an diplomatische Höf­lichkeit unter Gleichgestellten, eventuell gepaart mit gegenseitiger Sympathie, als an Ritter­lichkeit im Sinne von mora­lisch einwandfreiem Verhalten gegenüber Schwächeren oder Notleidenden. c) Edler Heide: Saladin aus dem Blickwinkel eines „Poulain“142 In den eng­lisch-­angevinischen Chroniken zum Dritten Kreuzzug stehen die Taten von Richard Löwenherz im Mittelpunkt. Dementsprechend spielen S­ aladin und sein Bruder vornehm­lich eine Rolle als Verhandlungspartner Richards. Die etwas älteren Werke, ­seien sie euro­päischen oder orienta­lischen Ursprungs, die sich nicht mehr oder nur am Rande mit dem Kreuzzug befassen, sehen in ­Saladin vor allem den Eroberer Jerusalems und des Heiligen Landes. Daneben ist aber noch ein weiterer Erzählstrang erhalten, in dem Saladin und al-ʽĀdil eine prominente Rolle spielen. Hierbei handelt es sich um die Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus, die sogenannten L‘Estoire d’Eracles und die Chronik von Ernoul bzw. Bernhard dem Schatzmeister. Ist schon die Begriffsgebung für diese Werke irreführend, so ist ihr Verhältnis untereinander nicht völlig geklärt und umstritten. Vor einer Untersuchung des Saladinbildes dieser Quellen sind daher einige Sätze zu ihrer (umstrittenen) Entstehungsgeschichte unerläss­lich. Im Wesent­lichen handelt es sich um zwei Gruppen: Die unter dem Begriff der L‘Estoire d’Eracles geführten Manuskripte enthalten vor der Fortsetzung von Wilhelms Werk eine Übersetzung desselben ins Franzö­sische. Daneben existiert die sogenannte Chronik Ernouls und Bernhard des Schatzmeisters. Diesem Werk ist anstatt einer Übersetzung der Historia Wilhelms nur eine abgekürzte Geschichte des lateinischen Königreichs vorangestellt. Es wird daher in der Forschung auch als Abrégé bezeichnet.143 Ein weiterer Text, die L’Estoires d’Outremer enthält eine wilde Mischung aus Fakt und Fik­tion 144 und soll daher hier außer Betracht bleiben. 142 Zu dieser Bezeichnung für die alteingesessenen Familien Outremers: Mayer, Kreuzzüge, S. 142. 143 Einen guten Überblick bietet Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 11 ff. 144 Estoires d’Outremer et de la naissance Salehadin, hrsg. von Margaret Jubb, London 1990.

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Einigkeit besteht insoweit, als alle erhaltenen Fassungen von Ernoul und Eracles aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammen, dass sie aber ferner auf das verlorene Werk eines gewissen Ernoul von Gibelet zurückgehen sollen, der 1187 als Knappe Balians von Ibelin diente. Mög­licherweise handelt es sich bei einem Feudalherrn, der im 13. Jahrhundert auf Zypern nachweisbar ist, um denselben Ernoul.145 Der ursprüng­liche Ernoul-­Text sei dann ­später von verschiedenen Bearbeitern fortgeführt worden. Bei der heute so genannten Chronik des Ernoul handelt es sich daher keineswegs um die Urform jenes Werkes, sondern um eine spätere Überarbeitung durch einen gewissen Bernhard den Schatzmeister.146 Erscheint es schon unmög­lich, z­ wischen Ernouls Werk und späteren Zusätzen zu trennen, so besteht auch Streit darüber, wie umfangreich der Beitrag Ernouls überhaupt ausfiel und welches der erhaltenen Manuskripte ­diesem Original am nächsten kommt. Während die Editoren der RHC den sogenannten Colbert-­ Fontainebleau-­Text als Basistext verwendeten,147 hielt Morgan das sogenannte Lyon-­Manuskript für das Ernoul-­nächste und verwendete es in ihrer Edi­tion.148 Edbury dagegen argumentierte, das Abrégé enthalte die authentischste Version von Ernouls Werk.149 Morgan wiederum meinte, den Einfluss von Ernouls Werk in den Manuskripten für die Zeit von 1184 – 1197 nachweisen zu können. Hier wurde ihr von Gillingham und ­diesem folgend Edbury widersprochen, die einen solchen Einfluss nur bis 1187 für wahrschein­lich hielten. Edbury meinte weiterhin, als Vorläufer der uns erhaltenen Manuskripte einen Text von nach 1204 nachweisen zu können, hinter dem dann wiederum der ursprüng­liche Ernoul stünde, frei­lich ohne dass bekannt wäre, in welchem Umfang.150 Da hier nicht die äußerst komplizierte Überlieferungsgeschichte der Ernoul-­ Texte und der L’Estoire d’Eracles neu aufgeworfen werden soll, lässt sich für die vorliegende Untersuchung in Kürze zweifaches folgern, um auf halbwegs sicherem Boden zu stehen. Erstens: Betrachten wir in den Überlieferungen nur 145 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 6 f, 44; Peter W. Edbury, The Lyon Eracles and the old french continua­tions of William of Tyre, in: Benjamin Z. Kedar, Jonathan Riley-­Smith, Rudolf Hiestand (Hg.), Montjoie. Studies in Crusade history in honour of Hans Eberhard Mayer, Aldershot 1997, S. 139 – 153, S. 143; Peter W. Edbury, Ernoul, Chronik des-, in LexMA, Bd. 3, Sp. 2176; Gillingham, Roger of Howden, S. 147, Fn. 33. 146 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 13, 51 ff. 147 L’Estoire de Eracles Empereur et la Conqueste de la Terre D’Outremer. 148 La Continua­tion de Guillaume de Tyr (1184 – 1197), hrsg. von Margaret Ruth Morgan. 149 Edbury, Lyon Eracles, S. 152 f; La Chronique d’Ernoul et de Bernard le Trésorier, hrsg. von M. L. de Mas Latrie, Paris 1871. 150 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 114 f; Gillingham, Roger of Howeden, S. 147, Fn. 33; Edbury, Lyon Eracles, S. 143.

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den Zeitraum bis 1187, so befinden wir uns gemäß beider Ansichten in dem Zeitraum, für den sich der Einfluss Ernouls nachweisen lässt. Zweitens: Bezieht man in die Untersuchung nur ­solche Quellenaussagen ein, die sich in allen drei genannten Manuskripten finden, so umgeht man weitgehend den hier nicht zu lösenden Streit um das dem ursprüng­lichen Ernoul ähn­lichste Manuskript. Ferner kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass es sich bei den allen Manuskripten gemeinsamen Passagen um Stellen handelt, die uns Ernouls Werk zumindest nahe bringen, ferner, dass es sich mit um die ältesten Passagen handelt, die daher am nächsten an dem zu betrachtenden Zeitraum liegen. Doch warum diese aufwendigen Vorfragen? Betrachten wir zunächst die Aussagen der genannten Werke 151 zu dem vorgegebenen Zeitraum und vergleichen sie gegebenenfalls mit den bereits untersuchten Quellen. Eine erste erstaun­liche Aussage finden wir bereits für die Zeit der Regentschaft des Raimund von Tripolis für König Balduin V. 1185/86. Ein Waffenstillstand der Franken mit Saladin 152 ermög­licht Nahrungslieferungen durch die Sarazenen für die durch eine Dürre vom Hungertod bedrohten Christen. Dies habe das Ansehen des Grafen bei der Bevölkerung gesteigert.153 Nach dem „Staatsstreich“ der Hofpartei und der Krönung Guidos von Lusignan im September 1186 habe man, so die Chroniken, auf Seiten des Grafen sogar überlegt, sich durch Saladin helfen zu lassen, mit dem man ja ein Bündnis hatte. Ganz ähn­lich wird auch der Bruch des Friedensvertrages durch den Überfall Rainalds von Châtillon auf eine Karawane dargestellt: Der Herr von Oultrejordain wird kritisiert, Saladin ist im Recht.154 Bereits in diesen ersten Aussagen ergibt sich ein deut­licher Bruch mit dem Türken- und Saladinbild aller anderen Quellen. Die Türken helfen den Christen nicht nur in der Not – ein völlig neues Element –, auch die Distanz zu den Mitchristen, näm­lich zur sog. Hofpartei 155 ist größer als die zu den Sarazenen. 151 Der Colbert-­Fontainbleau-­Text aus der RHC -Edi­tion wird hier künftig als Eracles, der Lyon-­Text aus der Edi­tion von Morgan als Cont. WT und das Abrégé als „Ernoul“ zitiert. Die Begriffsgebung ist problematisch und irreführend, dient hier aber allein der besseren Unterscheidbarkeit der drei Manuskripte. „Ernoul“ ist bewusst in Anführungszeichen gesetzt, um zu symbolisieren, dass es sich hier natür­lich nicht um den verlorenen Originaltext Ernouls handelt. 152 Mayer, Kreuzzüge, S. 114, 121; Köhler, Allianzen und Verträge, S. 330. 153 Cont. WT, IX, S. 24; Eracles, XXIII, 8, S. 13; „Ernoul“, XI, S. 124. 154 Cont WT, XVIII, S. 34; XXII, S. 36; Eracles, XXIII, 18, S. 30; XXIII, S. 34; „Ernoul“, IX, S. 96; XI, S. 135; zur Unterstützung Raimunds durch Saladin siehe Köhler, Allianzen und Verträge, wie Anm. 204, S. 335. 155 Mayer, Kreuzzüge, S. 117, 119.

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Noch deut­licher wird dieser Bruch bei der Schilderung der Ereignisse im Vorfeld der Schlacht bei den Quellen von Cresson. Zunächst die Version Ernouls bzw. seiner Bearbeiter: Saladin fragt bei seinem Verbündeten Raimund nach Durchmarschrechten durch dessen Land ins Territorium von Jerusalem. Raimund sorgt sich zwar, gewährt das Recht aber unter der Bedingung, dass keinem Christen ein Leid widerfährt und dass die sarazenischen Reiter bei Sonnenuntergang wieder in ihr Gebiet zurückkehren. Raimund warnt darauf­ hin die Menschen in dem betroffenen Gebiet, ihre Häuser nicht zu verlassen. Leider erfährt der Templermeister von dem Vorhaben und sammelt eine kleine Armee aus Templern und Johannitern. Mit dieser greift er unüberlegt die Sarazenen an, die sich bereits wieder auf dem Rückweg befinden ohne einem Christen etwas angetan zu haben. Die unvermeid­liche Niederlage wird noch dadurch verschlimmert, dass der Templer zuvor die Bevölkerung der umliegenden Städte dazu animierte, ihm zu folgen, um die dann geschlagenen Sarazenen auszuplündern. Auch diese Menschen fallen nach der Niederlage den Sarazenen in die Hände. Am Ende des Tages kehren diese abredegemäß wieder zurück ohne, und das wird betont, jemandem etwas angetan zu haben, außer frei­lich denjenigen, die sich ihnen auf dem Schlachtfeld entgegenstellten.156 Zum Vergleich die Version aus dem Libellus de expugna­tione, dessen Autor sich zu jener Zeit in Palästina aufhielt: Saladin hört vom Streit unter den Franken und versammelt seine beutegierigen Völkerschaften mit dem Versprechen auf Gold und Sklaven zu einem Raubzug in christ­liche Länder. Die „Diener des Teufels“, durstend nach christ­lichem Blut wie „tollwütige Hunde“, überqueren nachts heim­lich den Jordan, überfallen die Christen, morden und versklaven, worin sie ihrem „Vater, dem Teufel“ folgen. Schließ­lich legen sie bei den Quellen von Cresson einen Hinterhalt. Dies kommt den oben genannten Templern und Johannitern zu Ohren. In einer pathetischen Rede fordert der Templermeister die Seinen zum Kampf auf. Dort gelingt es den Türken, sie mittels Scheinflucht in eine Falle zu locken und das Fußvolk von der Reiterei zu trennen. Es folgt eine längere Beschreibung des tapferen Kampfes gegen die „Barbaren“, aber wie „Lämmer gegen raubgierige Wölfe“ können die Mitglieder der Ritterorden nichts ausrichten und fallen im Kampf.157 Ganz ähn­lich ist die Sichtweise auch in einem Brief der Führungsschicht von Outremer an 156 Cont. WT, XXV, XXVI, S. 37 ff; Eracles, XXIII, 25 – 27, S. 37 ff; „Ernoul“, XII, S. 144 ff. 157 Libellus de expugna­tione, S. 210 ff; S. 210: „Igitur ministri iniquitatis, sanguinem sanctorum sitientes, sicut canes rabidi ad cadaver currents […]“, S. 211: „[…] patrem illorum (scilicet diabolum) imitantes […]“, S. 213: „barbari“, S. 214: „rabidissimos lupos“.

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­ aiser Friedrich Barbarossa vom Sommer 1187. Eine kleine Anzahl christ­licher K Kämpfer erleidet das Martyrium gegen ein Heer türkischer „Barbaren“, das zuvor das Land ausgeplündert hatte.158 Hier handelt es sich nicht nur um Unterschiede im Türkenbild, die Perspektive bei Ernoul ist eine völlig andere. Im Libellus und in zeitnahen Briefen werden Saladin und die Türken ganz tradi­tionell dargestellt, plündernd und mordend. Die Fortsetzer Wilhelms dagegen zeigen die Sarazenen in einer bisher ganz untypischen Weise: Sie halten ihr Wort und kämpfen nur zur Verteidigung, sie fragen sogar erst um Erlaubnis, um die Länder Raimunds durchqueren zu dürfen. Ein ganz ähn­liches Bild ergibt sich bei der Schilderung der Schlacht von Ḥaṭṭīn. Raimund und die anderen einheimischen Adligen sind hier deut­lich weniger negativ dargestellt als in anderen Werken. Zwar erwähnen die Quellen auch Raimunds falschen Rat, auf dem Berghang bei Ḥaṭṭīn zu lagern, sie verschweigen aber auch nicht seinen guten Rat an Guido, sich an einem wasserreichen Platz zu verschanzen und einem Kampf auszuweichen. Denn schlechten Rat habe der König angenommen, den guten zuvor jedoch verschmäht. Der Ausbruch Raimunds und einiger anderer einheimischer Adliger aus dem Kessel bei Ḥaṭṭīn wird als Angriff auf Befehl des Königs, nicht als Flucht geschildert. Diese erfolgt erst, als der Graf sieht, dass alles verloren ist. Von dem Niedertrampeln eigener Leute ist nichts zu lesen.159 Aber auch die Sarazenen und Saladin werden deut­lich zurückhaltender beschrieben als in anderen Berichten. Dem Autor gelingt es sogar, die verheerende christ­liche Niederlage zu beschreiben und christ­liche Gefallene kaum zu erwähnen, der Lyon-­Text tut dies in einem Nebensatz, die anderen bleiben merkwürdig vage und überlassen es vor allem der Vorstellungskraft des Lesers. Von einer Tötung der gefangenen Mitglieder der Ritterorden nach der Schlacht, so zentral in anderen Werken, ist ebenfalls nichts zu lesen. Die christ­lichen Gefangenen werden nach Damaskus gebracht, nur Rainald von Châtillon wird von Saladin geköpft.160 Von dem strahlenden Märtyrer, wie noch bei Peter von 158 Continua­tione chronici Hugonis a Sancto Victore, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), Ludwig Weiland (Bearb.), MGH SS 21, Hannover 1869, S. 473 – 480, S. 475 f: „Turchi vero, maximo exercitu barbarorum congregato, ipsa die summon diliculo terram Nazareth intraverunt, vastantes et depredantes […]“. 159 Cont. WT, XXXIV, S. 46; XL, S. 52; XLII, S. 53; Eracles, XXIII, 31, S. 48; XXIII, 41, S. 64; „Ernoul“, XIV, S. 168 f. 160 Cont. WT, XLII, S. 53: „[…] les Sarazins venoient entor l’ost, et traoient des pilez par mi la fumee, si que il nafreient et tuoient homes et chevaucheures.“; XLIII, S. 55 f; Eracles, XXIII, 42, S. 64; XXIII, 45, S. 67; „Ernoul“, XIV, S. 168 ff; XV, S. 173 f.

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Blois, ist nichts zu spüren, die Berichte vermitteln sogar Verständnis für die Handlung des Sultans. Wie auch schon die Schlacht bei den Quellen von Cresson eher als fried­ licher Erkundungsritt mit unglück­lichem Ausgang geschildert wurde, war man hier offensicht­lich bemüht, den christ­lichen Blutzoll nicht allzusehr zu betonen. Dies führt zu einer völlig neuartigen Darstellung Saladins und seiner türkischen Krieger. Am deut­lichsten wird d ­ ieses Bild vom edlen Gegner aber bei der Schilderung von Saladins Eroberungen, mit den Verhandlungen über die Kapitula­tion Jerusalems als Höhepunkt. So werden etwa Saladins großzügige Kapitula­tionsangebote für Akkon oder Askalon erwähnt und immer das sichere Geleit der Bevölkerung in christ­liche Gebiete betont.161 Das Abrégé und das Colbert-­Fontainebleau-­Manuskript berichten zudem über die Courteoisie des Sultans gegenüber den Verteidigern von Kerak. Diese hätten während der langen Belagerung ihre Frauen und Kinder gegen Nahrungsmittel verkaufen müssen. Nach der Kapitula­tion kauft ­Saladin die Unglück­lichen zurück, übergibt sie ihren Familien und gewährt den Geschlagenen freies Geleit in christ­liche Territorien.162 Kein Wort findet sich über den Hochmut Saladins, seine Gier auf christ­liches Blut oder die Entweihungen heiliger Stätten, die in anderen Quellen in ­diesem Zusammenhang so typisch waren. Die Eroberung Jerusalems zeigt Saladin erneut als ritter­lich. Die Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus fassen die Kämpfe um die Stadt recht kurz, während die Verhandlungen ausführ­lich beschrieben werden. Im Libellus war es gerade umgekehrt. Das Ganze beginnt mit einem überaus großzügigen Kapitula­ tionsangebot Saladins an Jerusalem, als der Sultan noch in Askalon weilt. Die Verteidiger sollten demnach eine Frist bis Pfingsten folgenden Jahres (1188) erhalten. Sollte bis dann keine Hilfe eingetroffen sein, sollten sie die Stadt übergeben. Ferner gestand ihnen der Sultan bis dahin einen Radius von fünf Meilen um die Stadt zu, in dem sie sich frei bewegen und arbeiten dürften. Das Angebot wird aber abgelehnt, man wolle die Stadt, in der das Blut Gottes vergossen wurde, nicht den Sarazenen überlassen. Wieder stehen eher negativ geschilderte Christen einem edlen Saladin gegenüber, dieser will näm­lich die Heilige Stadt nach wie vor nicht erstürmen und durch Belagerungsmaschinen beschießen lassen, besteht aber auf einer Kapitula­tion.163 161 Ebd., Cont. WT, XLIV, S. 56 f; Eracles, XXIII, 51, S. 79; “Ernoul“, XVI, S. 184. 162 Ebd., Eracles, XXIII, 54, S. 81; „Ernoul“, XVI, S. 187. 163 Ebd., Cont. WT, XLIX, S. 63; Eracles, XXIII, 53, S. 80; “Ernoul“, XVI, S. 186.

Die Darstellung Saladins in den Quellen  |

Die Verhandlungen über die Übergabe geraten im Ernoul und im Eracles zu einem Lobgesang auf Balian von Ibelin und Saladin. Der Sultan besteht zunächst wegen eines Eides auf einer Kapitula­tion. Schließ­lich einigt man sich auf einen „Trick“, der Saladin nicht zum Eidbruch zwingt: Die Stadt kapituliert, aber die Bürger erhalten die Mög­lichkeit, sich freizukaufen. Das zunächst ausgehandelte Lösegeld ist aber zu hoch. Auf Drängen Balians wird es von Saladin reduziert. Schließ­lich weist Balian auf die vielen Armen in der Stadt hin, die auch den reduzierten Preis nicht zahlen könnten. Daraufhin einigt man sich auf einen Pauschalpreis für Arme. Auch dieser wird ­später von Saladin ermäßigt, laut Abrégé wird hier zusätz­lich noch einmal ein geringerer Preis für Frauen und Kinder vereinbart. Zu guter Letzt fordert Saphadin von seinem Bruder 1.000 der rest­lichen Bewohner als Sklaven, die er nach Erhalt jedoch sofort frei lässt. Dass nicht noch mehr Christen freikommen, Saladin war durchaus dazu bereit, ist dann zumindest im Lyon-­Text wieder die Schuld eines Christen. Ein Mann versteckt Geld in einem Weinschlauch, um es aus der Stadt zu schmuggeln. Dies wird von den muslimischen Wachen entdeckt, woraufhin Ärger entsteht und Saladin sich weiteren Verhandlungen verweigert.164 Dennoch hat die Courteoisie Saladins noch kein Ende. Den Damen der Stadt verspricht er, ihre vermissten Männer/männ­liche Verwandte suchen zu lassen. Diejenigen, die noch leben und in Gefangenschaft sind, werden freigelassen.165 Auch damit noch nicht genug. Der Colbert-­Fontainebleau-­Text und das Abrégé relativieren sogar Saldins Verantwortung für das Nieder­ reißen des Kreuzes auf dem Tempel, es sei nicht klar, ob der Sultan davon gewusst habe.166 Immer wieder betont wird auch das vorbild­liche Verhalten der muslimischen Wachen. Diese hätten die Bürger beschützt und ihnen nichts angetan. Die Flüchtlinge aus Jerusalem werden von den türkischen Truppen im Folgenden sicher nach Tripolis und Alexandria geleitet. In der ägyptischen Metropole werden sie von der muslimischen Bevölkerung noch einmal mit Nahrungsmitteln versorgt. Negativ werden wieder ihre Mitchristen dargestellt: In Alexandria weigern sich die italienischen Kaufleute, die Flüchtlinge nach Europa zu bringen und in Tripolis verschließt man ihnen die Tore.167 164 Cont. WT, LIII–LVII, S. 66 ff; Eracles, XXIII, 56 – 62, S. 86 ff; „Ernoul“, XVIII–XIX, S.  215 ff. 165 Cont. WT, LVIII, S. 72; Eracles, XXIII, 63, S. 98; „Ernoul“, XIX, S. 229. 166 Eracles, XXIV, 2, S. 104; „Ernoul“, XIX, S. 235. 167 Cont. WT, LVII, S. 71; LX, S.  73 f; LXI, S. 74F; Eracles, XXIV, 62, S. 96; XXIV, 64, S. 100 f; „Ernoul“, XIX, S. 227; XIX, S. 231 f.

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Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, wie sehr sich dieser Überlieferungsstrang von allen anderen Quellen unterscheidet. Die Tötung der Templer wird erst nach dem Fall Jerusalems erwähnt und wird zum Teil so dargestellt, als handle es sich um die Rache für die Gefangennahme von Saladins Neffen. 168 Der Kreuzzug Richards findet nur am Rande Erwähnung. Interessanterweise nähert sich die Darstellung der Sarazenen und Saladins nach dem Fall Jerusalems wieder der der anderen Quellen an. Man liest von einer Folterung durch Saladin, von den Schlangen auf der muslimischen Galeere, von den Verzögerung der Gefangenenauslösung vor Akkon und von dem Pferdegeschenk ­Saladins/ Saphadins an Richard.169 Im Zusammenhang mit dem geschenkten Pferd werden Saladin bzw. seinem Bruder sogar sinistre Motive unterstellt, die sich in den eng­lischen Quellen nicht finden.170 Der Höhepunkt der Saladindarstellung als edler, ritter­licher Gegner liegt damit klar in der Schilderung der Ereignisse von 1187, eventuell eine Bestätigung für die These Gillinghams, der Einfluss des ursprüng­lichen Ernoul reiche nur bis zu ­diesem Zeitpunkt. Hier liegt ein deut­licher Bruch mit dem Türkenbild des vorangegangenen Jahrhunderts und ein ebenso klarer Bruch mit dem Saladinbild aller anderer euro­päischer Quellen, sieht man einmal von den letzten Seiten bei Ambroise ab. Nicht einmal werden die Gegner als wild, grausam oder listig bezeichnet, nicht einmal als Ungläubige oder Heiden, Saladin nicht einmal als Tyrann. Die Eigenschaften, die man bisher den Türken/Saladin zuschrieb, werden geradezu in ihr Gegenteil verkehrt: Sie kämpfen nur zur Verteidigung, sie helfen den Christen in Not, sie behandeln christ­liche Gefangene gut, sind edel und ritter­lich gegenüber Schwachen. Man bemüht sich geradezu, jeg­liche Kritik an Saladin zu vermeiden. Hier von einem Wandel im Türken- und Saladinbild zu sprechen wäre untertrieben, es ist eine völlige und plötz­liche Umkehr, eine Abkehr von allen Charakteristika, die man bisher den Muslimen zuschrieb. Das Werk Ernouls verdient es daher eher als Wendepunkt in der Darstellung der Sarazenen bezeichnet zu werden als die L’Estoire de la Guerre Sainte des Ambroise.171 168 Ebd., Cont. WT, LXXVI, S. 87; Eracles, XXIV, 17, S. 128; Šāhānšāh, ein Großneffe Saladins, befand sich seit 1177 in der Hand der Templer. Allein die Tatsache, dass man ihm die Übertragung einer Herrschaft in Aussicht gestellt hatte, wertet Köhler wohl zu Recht als Beleg für die entspannten Beziehungen, siehe Köhler, Allianzen und Verträge, S. 323, insb. Fn. 398. 169 Cont. WT, LXVII, S. 79; CXX, S. 121; CXXVI; S. 129; CXL; S. 147; Eracles XXV, 27, S. 169; XXVI, 2, S. 177; XXVI, 9, S. 188; XXVI, 15, S. 196; „Ernoul“, XXIV, S. 276; XXIV, S. 281. 170 Zum Vergleich der verschiedenen Versionen siehe ausführ­lich Morgan, Chronicle of Ernoul, S.  74 ff. 171 So aber Bancourt, De l’image epique, S. 234.

Die Darstellung Saladins in den Quellen  |

Angesichts dieser so deut­lichen Kehrtwende im Türkenbild, stellt sich die Frage nach dem Warum. Ist die überaus positive Darstellung Saladins der Tatsache geschuldet, dass alle erhaltenen Texte der Ernoul-­Gruppe nur in Fassungen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts erhalten sind? Das Saladinbild besserte sich im Laufe ­dieses Jahrhunderts, bald waren zahlreiche Legenden über den Sultan im Umlauf. Warum sollte es sich daher bei den Saladin zugeschriebenen ritter­lichen Taten nicht um spätere Zusätze handeln? Für einige Episoden wird man dies sicher bejahen können. So etwa für ­Saladins Treffen mit den Kindern Balduins von Ibelin und Raimunds von Gibelet und der Prophezeiung des Sultans, seine eigenen Kinder würden einst von seinem Bruder enterbt. Auch die Geschichte wonach Saladin es zwei alten Rittern, die noch Gottfried von Bouillon gekannt hatten, gestattete bis zu ihrem Tod in Jerusalem zu leben ist wohl eine spätere Legende. Vielleicht auch seine Courteoisie gegenüber den Damen von Jerusalem oder die Rücksichtnahme auf die Hochzeitsgesellschaft in Kerak ebenso wie der Rückkauf der Familien der Verteidiger der Burg.172 Dennoch ist es unwahrschein­lich, dass die allgemein positive Haltung gegenüber Saladin, die sich so sehr von der anderer Chronisten unterscheidet, allen Bearbeitern des Ernoul unabhängig voneinander zu eigen gewesen sein soll. Wie wahrschein­lich ist es, dass in einem solchen Fall nicht einmal eine Spur eines älteren, negativen Saladinbildes auftaucht? Das positive Saladin- und Sarazenen­ bild ist für die Ereignisse von 1186/87 homogen, ja wirkt sogar durchdacht und durchgängig komponiert. Es beginnt mit den Nahrungslieferungen durch die Muslime, setzt sich fort in der türkenfreund­lichen Beschreibung der Niederlage bei den Quellen von Cresson und der nur beiläufigen Erwähnung christ­licher Opfer bei Ḥaṭṭīn und findet schließ­lich den Höhepunkt im tadellosen muslimischen Verhalten vor Jerusalem. Außerdem bliebe die Frage zu klären, warum dann der wesent­liche Teil der Saladin zugeschriebenen Taten in allen Versionen gleich ist. Handelt es sich um spätere Zusätze, so müsste schließ­lich auch beantwortet werden, woher die Bearbeiter denn die Geschichten vom edlen Saladin gekannt haben sollen. Eine schrift­liche Tradi­tion außerhalb Ernouls ist jedenfalls in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts nicht nachzuweisen. Das Itinerarium peregrinorum etwa wurde ­zwischen 1217 und 1222 zusammengestellt und bringt (bis auf die letzten Seiten) ein gänz­lich anderes Saladinbild. Nimmt man aber an, es handele sich bei den späteren Hinzufügungen um populäre Geschichten, so müssten 172 Cont. WT, XXXIX, S. 52; LII, S. 65; Eracles, XXIII, 39, S. 61; „“Ernoul“,IX, S. 103.

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diese innerhalb von 10 Jahren entstanden sein und sich verbreitet haben, denn Morgan hat die Entstehungszeit des Abrégé auf 1231 datiert.173 Wir können daher mit ziem­licher Gewissheit ausschließen, dass es sich bei dem neuartigen Sarazenenbild insgesamt um spätere Zusätze handelt. Dass einige Episoden ohne Zweifel s­ päter hinzugefügt wurden, vermag an der Kern­ aussage über den edlen Sultan nichts zu ändern. Es scheint vielmehr so, als sei die Darstellung des Sultans bei Ernoul eher Ursache als Folge für das spätere positive Saladinbild. Nimmt man an, und einiges spricht dafür, dass sich das genannte Saladinbild bereits in der Chronik Ernouls oder einer sehr frühen Bearbeitungsstufe befindet, so könnte man es schlicht aus der Tatsache erklären, dass es aus der Feder eines orienta­lischen Franken stammt, der wohl ein viel aufgeklärteres Verhältnis zu Muslimen gehabt haben dürfte als ein Mitteleuropäer. Ganz fraglos verfügten Männer wie Raimund von Tripolis oder Balian von Ibelin über gute Kontakte zur Gegenseite und hier liegt sicher auch ein Grund für die positive Darstellung der Sarazenen.174 Dann stellt sich aber wiederum die Frage, warum sich das Sarazenenbild hier sehr deut­lich von der Darstellung der Türken in Briefen aus Outremer kurz nach der Schlacht von Ḥaṭṭīn und vor allem von dem Türkenbild bei Wilhelm von Tyrus unterscheidet. Wilhelm steht dem Islam zwar weniger feindselig gegenüber als andere vor ihm und er beschreibt islamische Führer auch differenzierter als andere vor ihm, aber an der grundsätz­lichen Ausrichtung besteht auch bei ihm trotz aller neuer Umgangsformen kein Zweifel: Auf der einen Seiten die Christen, auf der anderen Seite die Ungläubigen, die auch bei Wilhelm mit Saladin als Anführer wild und kriegstüchtig sind und mordend und plündernd ins lateinische Königreich einfallen. Ganz anders bei Ernoul: Saladin, Saphadin, die Ibelins und Raimund stehen hier auf der Seite der Guten, negativ geschildert werden eher die anderen Christen, italienische Händler oder die Ritterorden. Obwohl also beide Autoren aus dem Osten stammen, ja sogar beide während der inneren Streitigkeiten in Jerusalem zur Partei der Alteingesessenen gehörten,175 und beide nur wenige Jahre trennen, ist die Frontstellung eine ganz andere. Dabei hätte ein adliger Franke aus dem lateinischen Königreich durchaus Grund gehabt, Saladin negativ zu schildern. Die Eroberung des Landes durch Saladin hatte viele Adlige ihre Ländereien und 173 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 54. 174 Köhler, Allianzen und Verträge, S.323, 328, 330, 336, 348. 175 Mayer, Kreuzzüge, S. 117.

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Einnahmen gekostet 176 – wenn nicht sogar bei Ḥaṭṭīn Freiheit oder Leben –, die Zustände in den mit Flüchtlingen überfüllten Städten waren katastrophal, euro­ päische Monarchen wie Richard Löwenherz rissen die Zügel der Diplomatie an sich und unterstützten verhasste Neuankömmlinge wie die Lusignans.177 Die Erklärung für diese Unterschiede liefert zugleich die Erklärung für das Bild vom edlen Heiden in den Fortsetzungen der Historia. Sie liegt in der unterschied­lichen Inten­tion der Autoren. Wilhelm schrieb in den 1170er und Anfang der 1180er Jahre. Das Königreich existierte noch, war aber bereits durch die Machtausbreitung Saladins gefährdet. Dementsprechend wurde Saladin als Gefahr dargestellt und die Zengiden als potentielle Verbündete.178 Wilhelm wollte im Westen Sympathien wecken,179 auch dazu war es nötig, einen klar definierten Feind herauszuarbeiten, um die Dring­lichkeit für Hilfe aus dem Westen zu unterstreichen und Mitgefühl und Solidarität mit den Mitchristen im Osten zu wecken, die sich d­ iesem Feind stellen mussten. Beistand gegen den muslimischen Feind wünschten auch die Verfasser der Hilferufe unmittelbar nach der Katastrophe von 1187. Dieser Feind war Saladin. Dass Saladin und die Muslime bei Wilhelm nicht zu dämonischen Heiden wurden, ist aus Wilhelms Aufenthalt im Osten zu erklären. Muslime waren für ihn etwas Normales und ebenso Kontakte mit muslimischen Führern. Nehmen wir an, die Fortsetzungen Wilhelms gehen wirk­lich auf Ernoul von Gibelet zurück, einen einheimischen Adligen aus einer eng mit den Ibelins verbundenen Familie. Die Basis für diese Aussage ist zwar denkbar schmal, 180 bisher aber an sich nicht bestritten worden. Die Ausgangslage für Ernoul war dann eine ganz andere. Das Königreich war verloren, es galt eine Erklärung – und Schuldige – für die Katastrophe von 1187 zu finden.181 Die Verteidigung 176 Allerdings berichtet die Ernoul-­Gruppe von der Übertragung von Einkünften durch S­ aladin an prominente „Poulains“, Eracles, XXVI, 17, S. 199; „Ernoul“, XXV, S. 293. Wenn dem so war, liegt darin natür­lich ein weiterer Grund für die Wertschätzung des Sultans in der Ernoul-­ Gruppe. 177 Siehe etwa der Spottvers der Poiteviner um Guido in der Cont. WT, XLI, S. 53; siehe dazu auch Peter W. Edbury, The Conquest of Jerusalem and the Third Crusade, Aldershot 1996, S. 46, Fn. 74. 178 Möhring, Heiliger Krieg, S. 451 f. 179 Edbury/Rowe, William of Tyre, S. 160, 171. 180 Es handelt sich dabei um einen Satz im „Ernoul“, XII, S. 149: „[…] qui avoit à nom Ernous. Ce fu cil qui cest conte fist metre en escript.“; siehe auch Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 41 ff, die nicht an der Autorenschaft Ernouls zweifelt. 181 Peter W. Edbury, Propaganda and fac­tion in the kingdom of Jerusalem: The Background to Hattin, in: Maya Shatzmiller (Hg.), Crusaders and Muslims in twelfth-­century Syria (The

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des Heiligen Landes wurde als heilige Aufgabe angesehen und auch in Europa immer mit Interesse verfolgt. Für die euro­päischen Zeitgenossen verteidigten die Poulains nicht nur die Christenheit, sie kämpften auch für, ja sogar „auf“, einer sehr heiligen Reliquie, näm­lich dem Heiligen Land selber. Die hohe Bedeutung Palästinas führte daher fast zwangsläufig zu Schuldzuweisungen, wenn die feind­ lichen Heere triumphierten.182 Für viele Europäer war klar, wer die Verantwortung für Niedergang und Verlust des Königreiches trug: Die Führungsschicht von Outremer. Dementsprechend negative Meinungen und Gerüchte finden sich in euro­päischen Werken über Raimund von Tripolis sowie über Balduin und Balian von Ibelin. Man unterstellte Raimund amouröse Gefühle für die Königin Sibylle, die schließ­lich zu seiner Opposi­tion gegen deren Mann Guido von Lusignan geführt hätten 183, warf ihm Verrat wegen seiner Kontakte zu Saladin vor, ja unterstellte sogar, er sei beschnitten gewesen.184 Ganz aus der Luft gegriffen waren Bedenken hinsicht­lich der Loyalität des Grafen nicht. Auch moderne Historiker haben Raimunds Abkommen mit Saladin als Verrat bezeichnet.185 Balian und Raimund hielt man vor, bei Ḥaṭṭīn vom Schlachtfeld geflohen zu sein und Heer und König verraten zu haben 186 und die fast kampflose Übergabe Jerusalems durch Balian dürfte häufig auf Kritik von Zeitgenossen gestoßen sein, die die Heilige Stadt lieber bis zum letzten Mann gegen die Ungläubigen verteidigt hätten. Wilhelm von Newburgh stand nicht alleine, wenn er den Franken der Levante vorwarf, durch den langen Kontakt mit Sarazenen von diesen in mora­lischen Fragen gleichsam verunreinigt worden und nun zu einem Neutrum ­zwischen Christen und Muslimen geworden zu sein.187 Nicht Christ, Medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400 – 1453, Bd. 1), Leiden 1993, S. 173 – 189, S. 184. 182 Jonathan Riley-­Smith, Peace never established: The case of the kingdom of Jerusalem, in: Transac­tions of the Royal Historical Society, 5th series 28 (1978), S. 87 – 102, S. 87, 93, 94: „In their eyes, the Latins in Palesine […] were also fighting for, in fact on, a most potent and sacred relic.“, 98 f. 183 Roger von Hoveden, Gesta, S. 359; Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 2, S. 316. 184 Persecutio Salaardini, S. 176; Robert von Auxerre, Chronicon, z. J. 1187, S. 249 f; ähnl. auch Roger von Hoveden, Gesta, S. 20 f; Cont. WT lat., I, 11, S. 66; so auch noch Vincent von Beauvais, Speculum Historiale, XXIX, xliii, Graz 1964 (Nachdruck der Ausgabe Douai 1624) S. 1200; Köhler, Allianzen und Verträge, S. 339 ff. 185 Tyerman, God’s War, S. 366: „[…] Raimunds behavior in 1186 – 87 […] was more than selfish. It was treason.“ 186 Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 2, S. 320; Wilhelm von Newburgh, Historia, III, 17, S. 258; Libellus de expugna­tione, S. 226; Itinerarium peregrinorum, I, 5, S. 13 187 Wilhelm von Newburgh, Historia, III, 15, S. 254.

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nicht Muslim und ganz sicher nicht würdig, das Heilige Land zu verteidigen. Jakob von Vitry, der sich z­ wischen 1217 und 1225 im Orient aufhielt und in dieser Zeit seine Historia orientalis verfasst haben dürfte, fand ebenfalls nur wenig schmeichelhafte Worte für die Franken in der Levante. Sie ­seien verweich­licht, furchtsam vor den Feinden Christi und gäben sich welt­lichen Gütern hin. Die Tapferkeit ihrer Ahnen (also der ersten Kreuzfahrer), vor denen die Sarazenen noch gezittert hätten, fehle ihnen völlig.188 Gemäß der zeitgenös­sischen Auffassung, militärische Niederlagen durch Sünden der Unterlegenen zu erklären,189 hatte Gott durch die vernichtende Niederlage bei Ḥaṭṭīn gezeigt, was er von den Verteidigern Jerusalems hielt. Griff Ernoul, Anhänger der Ibelins und selbst ein Adliger aus Outremer, zu dieser Zeit zur Feder, so liegt es daher nahe, dass er versuchte, diese Vorwürfe zu entkräften und das Ansehen des fränkischen Adels im Osten, insbesondere das der Ibelins, wiederherzustellen.190 Dies beinhaltete zunächst einmal, die Schuld an der Niederlage von den Ibelins abzuwenden, wovon auch Raimund profitierte. Rainald von Châtillon, Guido von Lusignan, Gerard von Ridefort sind die Schuldigen bei Ernoul.191 Soweit die Verantwortung für die Niederlage. Aber die Angriffe aus Europa zielten auch auf den nach Ansicht der christ­lichen Chronisten zu vertrauten Umgang mit Muslimen und die kampflose Überlassung Jerusalems. Um diesen Vorwürfen zu begegnen, boten sich Ernoul zwei Vorgehensweisen an. Erstens, indem er die Vorwürfe leugnete. Dies dürfte wenig Erfolg versprochen haben, zumal die Gerüchte weit verbreitet waren man Fakten wie die Übergabe Jerusalems kaum aus der Welt schaffen konnte. Für die engen Kontakte zu Saladin gab es in jener Zeit ohnehin zu viele Zeugen, sodass Leugnen wenig erfolgversprechend gewesen wäre. Die zweite Mög­lichkeit bestand darin, die Kontakte zu den Muslimen freimütig einzuräumen, die Muslime aber zu edlen Heiden zu überhöhen. War Saladin ein edler Heide, der Männern wie Guido oder Rainald mora­lisch überlegen war, dann war ein enger Umgang mit dem Sultan nichts Verwerf­liches 188 Jakob von Vitry, Historia orientalis, hrsg. u. übers. von Jean Donnadieu, Turnhout 2008, S.  8, 10 ff; LXXIII, S. 288 ff; siehe auch Jakob von Vitry, Brief von Ende 1216/Anfang 1217, in: Jacques de Vitry, Lettres de la Cinquième Croisade, hrsg. von R. B. C. Huygens, übers. von G. Duchet-­Suchaux, Turnhout 1998, S. 52. 189 Riley-­Smith, Peace, S. 99. 190 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 43, 64 ff, insb., S. 136. 191 Edbury, Propaganda and fac­tion, S. 184 f; Edbury zufolge sei die Darstellung Raimunds im Ernoul zwar wenig positiv, festzuhalten bleibt aber, dass sie dem Grafen von Tripolis wesent­ lich günstiger ist, als sein Bild in anderen Quellen.

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mehr. Dies galt dann sowohl für die Vorgänge 1186/87 als auch für spätere enge Kontakte, die von Europäern für verwerf­lich gehalten werden konnten. Überhaupt eignete sich die Person Saladins ideal als Projek­tionsfläche. Der Sultan war in Europa bekannt und hatte spätestens seit dem Kreuzzug Richards zumindest einen Ruf als mächtiger Herrscher, bekannt war wohl auch die unblutige Einnahme Jerusalems. Darauf konnte man aufbauen und man stellte Saladin als ritter­lichen Gegner in den Mittelpunkt. Die Fortsetzungen Wilhelms sind viel mehr auf Saladin fokussiert als andere Quellen, in denen den türkischen Kriegern des Ayyubiden eine etwas eigenständigere Rolle zukommt. Das war keine schlechte Strategie, denn das Saladinbild war wohl leichter formbar als das Türken- oder Islambild der Europäer. Nichtsdestotrotz wirkte sich die Darstellung Saladins als edler Heide auch positiv auf die nicht minder ehrenhaft geschilderten muslimischen Soldaten des Sultans in Ernouls Werk aus. Eine solch raffinierte Strategie entspräche im Übrigen auch dem Bild, das Morgan von Ernouls Werk, und folg­lich von dessen Verfasser, gezeichnet hat. Dies gehe in literarischer Hinsicht weit über das hinaus, was man von Soldaten-­Memoiren erwarten würde.192 Handelt es sich bei dem Verfasser wirk­lich um Ernoul von Gibelet, einen auf Zypern begüterten Adligen aus einer der führenden Familien von Outremer, so mangelte es ihm gewiss nicht an Mög­lichkeiten und Kontakten, ein solches Werk zu schreiben bzw. schreiben zu lassen. Im Prinzip wählte Ernoul mit der Schaffung eines bewundernswerten Gegners den gleichen Weg wie Ambroise, nur hatten beide andere Ansatzpunkte. Während Ambroise Saladin als würdigen Gegner für Richard präsentieren musste, kam es Ernoul darauf an, freundschaft­liche Kontakte zu rechtfertigen. Für ­Ambroise ist diese Vorgehensweise durchaus anerkannt, warum nicht auch für Ernoul? Nirgendwo wird die Zielsetzung von Ernouls Werk so deut­lich wie bei den Verhandlungen um Jerusalem. Balian lässt sich überreden, die Stadt zu verteidigen, als dies aussichtslos ist, verhandelt er geschickt mit Saladin, um so viele Menschen wie mög­lich zu retten. Gleichzeitig trifft er in Saladin auf den edlen Heiden, dem man, ohne Kritik auf sich zu ziehen, die Heilige Stadt überlassen konnte. Der Sieger musste mora­lisch integer sein, damit Balian es in den Augen euro­päischer Leser auch sein konnte. Gleiches gilt für Ḥaṭṭīn: Die Vorwürfe an Raimund lauteten, die Niederlage durch den Zwist erst ermög­licht zu haben und bei der Schlacht geflohen zu sein. Die galt es zu entkräften. Zunächst wird dargelegt, dass nicht Raimund sondern Rainald von Châtillon die Hauptschuld an der Katastrophe trifft. 192 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 112.

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Die Niederlage konnte Ernoul nicht hinwegschreiben oder beschönigen aber, wieder das ­gleiche Mittel wie vor Jerusalem, er konnte sie abmildern indem er den Feind emporhob. Christ­liche Tote wurden ganz kurz abgehandelt, die Mitglieder der Ritterorden werden erst s­ päter getötet und Rainald hat sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben. Die angeb­liche Flucht der Poulains wurde zu einem Angriff auf Befehl des Königs. Raimund der Verräter wurde so zu einem Mann, der zwar Fehler gemacht hatte, aber alles in allem dennoch ein fähiger Führer war. Außerdem waren die Christen ja nicht mordenden Heiden zum Opfer gefallen, sondern dem edlen Sultan Saladin. Um ihn als solchen darzustellen, schrieb man ihm das zu, was zu jener Zeit in Europa als Idealtypus ritter­lichen Verhaltens galt. Deshalb ist der Sultan hier viel mehr als nur tapfer oder wild, sondern im wahrsten Sinn des Wortes ritter­lich: Hilfreich, edel und gut. Ebenso wie Muslime in manchen Werken im negativen Sinne entmenschlicht wurden, geschah dies hier mit dem Sultan im positiven Sinne, er wird fast aller negativer Eigenschaften entkleidet, handelt nur aus ehrenhaften Motiven. Es war keine Schande, gegen einen solch außergewöhn­lichen Mann zu verlieren, der einheimische Adel wurde so von der Schmach der Niederlage entlastet. Dieses Ziel durch eine Überhöhung des muslimischen Gegners zu erreichen, war ein Weg, der in dieser Intensität wohl nur einem Franken aus Outremer gangbar erschien. Insofern zeugt die Saladin-­Darstellung bei Ernoul auch von dem offenen Umgang der christ­lichen und muslimischen Führungsschicht miteinander. Mit der Beantwortung der Frage nach Ernouls Inten­tion ist allerdings noch keine Aussage über den Abfassungszeitraum seines Werkes getroffen. Dies kann unmittelbar nach den Ereignissen geschehen sein, während oder auch nach dem Kreuzzug. Diese Frage kann hier aber offen bleiben. Den wilden und listigen Türken der Gesta Francorum war das Lob des Autors aufgrund von dessen realen Beobachtungen zuteil geworden. Ihm waren die Gemeinsamkeiten ­zwischen den beiden Kriegergesellschaften aufgefallen, die Türken wurden auf ganz realer Ebene zu einer Art Standesgenossen. Aber S­ aladin repräsentiert im Ernoul nicht reale Ähn­lichkeiten, sondern er wurde so geschildert, wie ein Ritter gemäß des Ideals der zeitgenös­sischen Literatur sein sollte. Ernoul wollte ja gerade nicht die raue Wirk­lichkeit der Kriegführung im Orient abbilden, sei es auch mit einem Sultan, der in vielen Fällen gnädig oder großzügig sein konnte. Damit „sein“ Saladin den ihm zugedachten Zweck erfüllen konnte, musste es ein bewunderungswürdiger, ein „idealer“ Saladin sein. Dazu musste sich Ernoul zwangsläufig am Ritterbild der höfischen Literatur orientieren. Einer Literaturgattung, deren Erzählgegenstand oft „über-­mäßig“ ist und

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die in vielem den Anschein einer Weltfluchtliteratur hat.193 Dementsprechend wirkt auch der Sultan in der L’Estoire d’Eracles und im Abrégé: Der Saladin der Jahre 1186/87 verkörpert hier die Summe aller ritter­lichen Tugenden und ähnelt eher der Hauptperson eines höfischen Romans als einer historischen Figur. Ernoul, und in geringerem Maße Ambroise, stehen damit für eine neue Form des Türkenbildes. Neben das „reale“ Türkenbild, das die Ritter bewundert und die Mönche kritisiert hatten, trat mit dem Dritten Kreuzzug als dritte Form das „ideale“ Türkenbild, hinter dessen Schaffung jeweils bestimmte Ziele der Autoren standen. War der edle Heide also nur die Propagandafigur eines Poulain? Legt man die Betonung allzusehr auf „edel“, dann mit Sicherheit ja. Ganz fraglos sind die großzügigen Kapitula­tionsbedingungen Saladins für Jerusalem und andere Städte historische Fakten. Aber es war eben ein Unterschied, das Lösegeld für Jerusalem nur kurz zu erwähnen oder ausführ­lich die Verhandlungen z­ wischen einem unermüd­lichen Balian von Ibelin und einem edelmütigen Saladin zu schildern, die beide nichts anderes zu tun haben, als sich in Wohltaten für die Bevölkerung der Stadt zu überbieten. Saladin war nicht der edle, uneigennützige Heide, der uns in den Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus begegnet. Ebensowenig war er natür­lich der grausame Tyrann aus anderen Werken. Er war ein frommer Sunnit und ein Herrscher mit eigenen Interessen und Strate­gien.194 Nach Ḥaṭṭīn war ihm daran gelegen, fränkische Städte und Burgen so schnell wie mög­lich in die Hand zu bekommen, bevor Verstärkung aus Europa eintraf. Dies gelang eben am besten durch großzügige Kapitula­ tionsbedingungen. Daher darf man durchaus an einigen Passagen aus Ernouls Werk zweifeln, wie etwa der Frist für Jerusalem bis Pfingsten 1188, während andere Stellen historische Fakten wiedergeben und wieder andere die Wahrheit etwas ausschmücken. Ernoul stellte mit der Schaffung des edlen Heiden andere/spätere Autoren aber vor das Problem, das „Heidentum“ Saladins mit seinem tadellosen Charakter zu verbinden, der ihnen bei Ernoul begegnete. Sie lösten es mit dem gleichen Mittel, das auch der anonyme Autor der Gesta Francorum 100 Jahre zuvor angewandt hatte: Sie machten Saladin auf die ein oder andere Weise zum Franzosen, zum Ritter oder zum Christen. Wie sich der Anonymus die Tapferkeit der Türken nur durch deren fränkische Abstammung erklären konnte, so waren diese Autoren nicht dazu bereit, ihr Islambild zu ändern und mussten daher 193 Keen, Rittertum, S. 9 f. 194 Möhring, Saladin, S. 109 ff, 115 ff.

Die Darstellung Saladins in den Quellen  |

für Saladin eine Verbindung zur christ­lichen Welt schaffen.195 Die verschiedenen Geschichten über Saladins Abstammung oder seine Selbst-­Taufe auf dem Totenbett 196 waren im Prinzip eine Folge von Ernouls Schaffen und gehören schon zu der sich entwickelnden Saladin Legende. Sie müssen hier nicht weiter verfolgt werden, da sie an anderer Stelle bereits ausführ­lich behandelt wurden.197 Wenn hier in der Zielsetzung Ernouls der Hauptgrund für die Entstehung des Bildes vom edlen Sultan gesehen wird, so schließt das andere Theorien die hierzu vorgebracht wurden keineswegs aus, im Gegenteil. Eine Vielzahl von Faktoren begünstigte diese Entwicklung. Dazu gehört etwa die oben erwähnte für Saladin günstige historische Situa­tion ebenso wie die Öffnung neuer, ritter­ licher, Publikumskreise.198 Nur die von Hamilton betonte Schnittmenge der gemeinsamen Werte 199 machte es Ernoul ja überhaupt mög­lich, einen „ritter­ lichen“ Saladin zu schaffen, den man in Europa als solchen akzeptieren konnte. Man kann aber auch Möhring durchaus Recht geben, wenn er schreibt, die unblutige Eroberung Jerusalems habe mit dazu beigetragen, das positive Bild Saladins zu begründen.200 Nur war dazu eben der Umweg über Ernouls Propaganda nötig, denn die euro­päischen Chronisten nahmen diese Tatsachen zwar wohlwollend zur Kenntnis, ursäch­lich für ein durch und durch positives Bild vom Sultan wurde sie bei ihnen nicht. Aber auch Ernoul hätte einen Christenschlächter nicht zum edlen Heiden stilisieren können. Eine weitere Tatsache, die das Bild vom edlen Heiden zu befördern half, war wohl der schnelle Tod Saladins nur ein halbes Jahr nach der Abreise Richards. Denn, Margaret Jubb hat zu Recht darauf hingewiesen, 201 der Sultan wurde umso positiver dargestellt, je weniger er eine Gefahr bedeutete. Es ist daher frag­lich, ob Ernouls Chronik einen solchen Einfluss hätte entwickeln können, wenn Saladin noch lange Jahre Erfolge gegen Christen gefeiert hätte. So aber entwickelten sich die Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus zu „Bestsellern“ ihrer Zeit 202 und mit ihrer überaus erfolgreichen Verbreitung fand das 195 Möhring, Der andere Islam, S. 147. 196 Siehe etwa Estoires d’Outremer, S. 72 ff; Récits d’un Ménestrel de Reims, XXI, 212, S. 112. 197 Jubb, Legend of Saladin, S. 19 ff 198 Ebd., S. 26; zum Publikum des Eracles auch John H. Pryor, The Eracles and William of Tyre: An interim report, in: Benjamin Z. Kedar (Hg.), The Horns of Hattin, Jerusalem 1992, S. 270 – 293, S. 272. 199 Hamilton, Knowing the enemy, S. 385. 200 Möhring, Der andere Islam, S. 145. 201 Jubb, Legend of Saladin, S. 19, 23, 31; ähnl. auch Tolan, Mirror of Chivalry, S. 25 f. 202 Morgan, Chronicle of Ernoul, S. 9.

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Bild vom edlen Sultan Saladin Eingang in die euro­päische Literatur. Ein Bild, das zum Teil auf der Persön­lichkeit Saladins fußt, zum Teil aber auch das Werk eines Adligen aus Outremer ist, der auf diese Weise versuchte, das Ansehen des lateinischen Adels der Levante wiederherzustellen.

10.3 Verrat, Missverständnisse oder christliche Unkenntnis: Der Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas (1189 –  1190) Anders als die Könige Frankreichs und Englands wählte ­Kaiser Friedrich ­Barbarossa für seinen Kreuzzug ins Heilige Land nicht den Seeweg, sondern die tradi­tionelle Landroute des E ­ rsten und Zweiten Kreuzzuges über den Bal203 kan und Anatolien. Wie schon andere Kreuzfahrer vor ihnen sahen sich die Deutschen bei der Durchquerung Anatoliens ständigem Pfeilbeschuss und Angriffen ausgesetzt. Zurückgebliebene Kreuzfahrer und die Nachhut des Heeres wurden häufig Opfer von Überfällen. Die andauernde Bedrohung veranlasste die Kreuzfahrer, ihre Rüstungen mehrere Tage lang nicht abzulegen,204 eine Tortur unter der Sommersonne in der wasserlosen Steppe Zentralanatoliens. Die Erfahrungen und die psycholo­gischen Belastungen der Züge durch Anatolien wurden schon zu Genüge beschrieben, sodass hier nicht mehr explizit darauf eingegangen werden muss. Der deutsche Heereszug, der im Sommer 1189 aufbrach und ein Jahr s­ päter Kleinasien durchquerte, war der letzte, der diese Route wählte. Gleichzeitig waren jene Kreuzritter die ersten Christen, die die „Türkei“ durchquerten. Turcia/Turcie, der Begriff taucht im Zusammenhang mit dem deutschen Zug zum ersten Mal in den Quellen auf.205 100 Jahre zuvor war es noch die Romania, das Land der Byzantiner gewesen, das man den Heiden hatte entreißen wollen. Jetzt siedelten die Türken offenbar schon lange genug dort, um dem Land auch in euro­päischen Quellen ihren Namen zu geben. Zwei längere Quellen beschäftigen sich mit dem Unternehmen des S­ taufers, die Historia de expedi­tione Friderici Imperatoris des sogenannten Ansbert und die Historia peregrinorum eines anonymen schwäbischen oder elsäs­sischen Autors, der wohl kein Kreuzzugsteilnehmer war. Die Teilnahme Ansberts am 203 Zu den mög­lichen Gründen siehe Tyerman, God’s war, S. 418. 204 Historia de expedi­tione Friderici Imperatoris, hrsg. von A. Chroust (Quellen zur Geschichte des Kreuzzuges ­Kaiser Friedrichs I.), Berlin 1928 (Nachdruck 1964), S. 1 – 115, S. 76. 205 Historia peregrinorum, hrsg. von A. Chroust (Quellen zur Geschichte des Kreuzzuges ­Kaiser Friedrichs I.), Berlin 1928 (Nachdruck 1964), S. 116 – 172, S. 157.

Der Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas  |

Zug ist umstritten, seine Schilderung fußt aber wie die Historia wohl zumindest auf dem Werk eines Kreuzzugsteilnehmers. Sowohl der Ansbert als auch die ­Historia peregrinorum entstanden wohl kurz nach dem Unternehmen. Neben diesen Hauptquellen beschäftigen sich auch einige kürzere Werke, z. T. von Teilnehmern, mit dem Zug Friedrichs I.206 Verlief das Unternehmen Barbarossas was Route und militärische Auseinandersetzungen betraf in tradi­tionellen Bahnen, so werden doch bereits bei der Vorbereitung des Kreuzzuges die neuen Umgangsformen gegenüber den Türken erkennbar. Bereits vor dem Aufbruch hatte man diplomatische Vorbereitungen ergriffen, die auch die muslimische Seite mit einschlossen. Die Quellen berichten von Gesandten des Sultans von Ikonium, Kılıç Arslāns II ., in Nürnberg.207 Barbarossa konnte hierbei sicher­lich von seinen diploma­tischen Kontakten zu dem Sultan aus den 1170er Jahren profitieren. Wie erwähnt traten bei den Kontakten des Staufers zu Saladin und den Rum-­Seldschuken erstmals freund­liche Umgangsformen mit Muslimen in den euro­päischen Quellen offen zutage. Diese Einbeziehung der Muslime bei der Vorbereitung eines Kreuzzuges ist neu. Noch anläss­lich des Zweiten Kreuzzuges schweigen die Quellen dazu. Neu ist auch, dass man nun anscheinend nicht mehr die Muslime per se als Feinde betrachtete. Der Zug richtete sich explizit gegen Saladin, gegen die Türken Kleinasiens hatte man keine kriegerischen Absichten. Auch dies zeigt, wie sehr die Muslime des Nahen Ostens in den letzten Jahrzehnten zu einem Bestandteil der euro­päischen Diplomatie geworden waren und wie das politisch-­militärische Element die Oberhand über den „Heiligen Krieg“ gewonnen hatte. Noch vierzig Jahre zuvor waren die Quellen wie selbstverständ­lich von einer Gegnerschaft zu den Türken ausgegangen und hatten mit Verachtung auf den Waffenstillstand des byzantinischen Kaisers mit dem Sultan reagiert. Man könnte in ­diesem Zusammenhang auch die angeb­lichen Briefe ­Barbarossas an Saladin erwähnen, die sich inzwischen als Fälschung herausgestellt haben.208 Dennoch zeigt ihr Vorhandensein, dass damals eine Art formelle Kriegserklärung auch an Muslime nicht von Vorneherein unglaubhaft gewesen sein kann. 206 Ebd., S. 26, 41 f, 45 ff, 81 f, 84; Wilhelm Wattenbach, Franz-­Josef Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vom Tode ­Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnums (Bd. 1), Darmstadt 1976, S. 93 ff. 207 Historia de expedi­tione, S. 15. 208 Itinerarium peregrinorum, I, 18, S. 40 ff; Möhring, Saladin und der dritte Kreuzzug, S. 93 ff.

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Hatte sich das Verhältnis gegenüber den Türken entspannt, so waren die Byzantiner in der Gunst der Lateiner weiter abgesunken. Am besten illustriert dies eine Aussage Ansberts: Man habe gehofft, bei den Türken end­lich vor den Ränken und Misshandlungen durch die Byzantiner sicher zu sein.209 Die Griechen sind die eigent­lichen Feinde, während die Türken als fried­liche Vertragspartner wahrgenommen werden. Die Tatsache, dass es sich bei ihnen um Muslime handelt, spielt hier überhaupt keine Rolle mehr. Das Verhältnis zu den Türken Kleinasiens und den Griechen hatte sich seit dem ­Ersten Kreuzzug komplett gewandelt. Von diplomatischen Kontakten Friedrichs zu Kılıç Arslān hören wir wieder während des Aufenthalts des Heeres in Adrianopel. Nach dem Abschluss des Übereinkommens mit den Byzantinern soll dort ein gewisser „Tokili“ als Gesandter des Sultans erschienen sein. Ansbert beschreibt ihn als klug, vornehm und gottes­ fürchtig. Die Kontakte sind freundschaft­lich, der Sultan verspricht sogar eine Entschädigung für die ursprüng­lich für Barbarossa bestimmten Geschenke, die dem türkischen Gesandten aber angeb­lich von den Byzantinern entwendet worden waren.210 Hier zeigt sich deut­lich, dass höf­liche Umgangsformen und Respekts­ bekundungen keines­wegs nur Richard Löwenherz und Saladin vorbehalten, sondern zu dieser Zeit im Umgang mit muslimischen Herrschern durchaus üb­lich waren. Auch der Sohn des Sultans, Quṭb ad-­Dīn, schickt laut Ansbert einen Botschafter, der Wohlwollen versichert. In Wirk­lichkeit habe Quṭb ad-­Dīn aber üble Machenschaften geschmiedet und geplant, den K ­ aiser zu hintergehen.211 Hier enthalten die Quellen zum ersten Mal einen Hinweis auf die innenpolitische Krise im Seldschukenreich, die zu jener Zeit ihren Höhepunkt erreichte und die wesent­lich zur Beurteilung der Türken durch die deutschen Kreuzfahrer beitragen sollte. Der alte Sultan Kılıç Arslān II . hatte die Provinzen seines Reiches unter seinen neun Söhnen aufgeteilt, um deren Ungeduld auf die Herrschaftsübernahme entgegen zu kommen. Ferner existierten auch noch ein Bruder sowie ein Neffe des Sultans, die ebenfalls Ambi­tionen hegten. In diese instabile Lage fiel die Ankunft einer größeren Truppe Turkmenen aus dem Osten unter einem gewissen Rostagnus/Rustem. Wohl mit Hilfe dieser turkmenischen Verbände 209 Historia de expedi­tione, S. 76. 210 Ebd., S. 67: „Preterea nuntius soldani magni de Iconio Tokili nomine prudens et discretus et iuxta humanum iudicium dominum timens […] advenit.“, zu einer angebl. Gefangennahme der Gesandten durch die Byzantiner siehe auch Kölner Königschronik, S. 147. 211 Historia de expedi­tione, S. 67; Historia peregrinorum, S. 150.

Der Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas  |

gelang es Quṭb ad-­Dīn, dem ältesten Sohn, im Winter 1189/90, seinen Vater teilweise zu entmachten und seine Beteiligung an der Regierung durchzusetzen.212 Damit trafen die Deutschen bei ihrer Ankunft auf eine zersplitterte seldschukische Führung, auf einen instabilen Herrschaftsverband, bei dem die Führer der einzelnen Gruppen unterschied­liche Interessen verfolgten. Der alte Sultan stand wohl zu seinen Zusagen gegenüber Barbarossa und hatte kein Interesse daran, sich den Kreuzfahrern in den Weg zu stellen. Allerdings verfügte er nicht mehr über die Macht, sich durchzusetzen. Quṭb ad-­Dīn und vor allem die Turkmenen standen dem Zug kritischer gegenüber.213 Besonders die Nomaden standen in der Ghazi-­Tradi­tion der islamischen Grenzkrieger gegen „Ungläubige“ und sahen darüberhinaus in der Konfronta­tion mit den Deutschen eine gute Gelegenheit zum Beute machen. Abgesehen davon waren sie ohnehin nicht der Befehlsgewalt der Seldschuken unterworfen. Zu guter Letzt verfügten auch die Ayyubiden trotz der Interessendivergenz zum Rum-­Sultanat über Verbindungen nach Kleinasien. Diesen Kreisen, etwa dem Bruder Kılıç Arslāns, lag ebenfalls an einer militärischen Auseinandersetzung, um Saladin militärisch zu entlasten.214 Auf diese komplizierte Situa­tion trafen die Deutschen bei ihrer Ankunft in Anatolien im Sommer 1190 und wie schon in früheren Fällen führte die Unkenntnis über die muslimische Herrschaftsstruktur dazu, dass die Chronisten ein für sie typisch türkisches Merkmal bestätigt fanden: List und Heimtücke. Dies alles wurde noch durch die geographischen Begebenheiten verstärkt. Wie schon andere Kreuzzüge vor ihm, musste auch das Heer Barbarossas zunächst jenes von den Turkmenen beherrschte „Niemandsland“ am Westrand der anato­ lischen Hochebene durchqueren, in dem weder der seldschukische Sultan noch der byzantinische K ­ aiser Herrschaft ausübten.215 Das ­gleiche Problem stellte sich übrigens beim Verlassen des seldschukischen Hoheitsgebiets Richtung Südosten nach Kleinarmenien, da auch dort das Grenzland Turkmenengebiet war. So berichtet Ansbert, man habe bereits mehrmals Legaten zu den Türken, d. h. zum Sultan in Ikonium, nicht zu den Nomadenstämmen, gesandt. Diese hätten jedesmal eine wohlwollende Antwort bezüg­lich eines Geleitschutzes und 212 Ekkehard Eickhoff, Friedrich Barbarossa im Orient. Kreuzzug und Tod Friedrichs I. (Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 17), Tübingen 1977, S. 120 f; Claude Cahen, Selğukides, Turcomans et Allemands au temps de la troisième croisade, in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgen­ landes 56 (1960), S. 21 – 31, S. 23 ff. 213 Cahen, Selğukides, S. 27; Tyerman, God’s war, S. 426: Quṭb ad-­Dīn war Saladins Schwiegersohn. 214 Cahen, Selğukides, S. 28; Eickhoff, Friedrich Barbarossa, S. 105, 111; Vryonis, Decline, S. 171. 215 Eickhoff, Friedrich Barbarossa, S. 105, 111; Vryonis, Decline, S. 152, 185, 190.

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der Bereitstellung eines Marktes bekommen. Trotz dieser Zusicherungen aber sei das Heer von türkischen Reitern empfangen worden, die die Christen wie die erbittertsten Feinde angegriffen hätten. Dies sei vom Sultan und seinem Sohn veranlasst worden.216 Ebenso verwundert erzählt der Autor der Epistola man sei angegriffen worden, obwohl sich die Gesandten des Sultans und seines Sohnes beim Heer befunden hätten.217 Was die Deutschen für Verrat hielten, war schlicht das Unvermögen der Rum-­Sultane, die Turkmenen an ihrer Westgrenze zu kontrollieren, dies galt besonders für den innenpolitisch geschwächten Kılıç Arslān II. im Frühjahr 1190. In den vorangegangenen Kreuzzügen hatte man die Türken Kleinasiens ohnehin insgesamt als Feinde betrachtet, sodass die Differenzen ­zwischen den verschiedenen türkischen Gruppen dort bedeutungslos und den Kreuzfahrern verborgen geblieben waren. 1190 aber war man aufgrund des Abkommens mit dem Sultan von fried­lichen Beziehungen ausgegangen, die Unkenntnis über die inneren Verhältnisse der anato­lischen Türken führte daher zur Verbitterung über die angeb­liche Unzuverlässigkeit des seldschukischen Herrschers. Nachdem Barbarossa offenbar zunächst noch an die Zusicherungen der „Zentralregierung“ glaubte und Plünderungen verbot, gelang es den Kreuzfahrern am 30. April, den Turkmenen einen Hinterhalt zu legen und sie zu schlagen. Als die Niederlage unausweich­lich wurde, töteten die Nomaden auch hier ihre Pferde, damit sie nicht dem Gegner in die Hände fielen. Diese Maßnahme rief bei den deutschen Kreuzfahrern ebenso Abscheu hervor wie bei ihren eng­lischen Glaubensgenossen, die Ähn­liches in Syrien beobachtet hatten.218 Auch die Gesandten des Sultans hatten den Kampf beobachtet und zeigten sich einigen Quellen zufolge erfreut über den Sieg der Christen. Laut Historia peregrinorum hätten sie die Turkmenen als hassenswertes, wildes und unbändiges Volk bezeichnet, das sich keiner Herrschaft beuge und sogar in den Ländern des Sultans raube.219 Dies ist eine sehr interessante Aussage. Zwar fanden die Turkmenen schon lange vorher in west­lichen Quellen Erwähnung, aber jetzt werden zum ersten Mal Interessensunterschiede z­ wischen den sesshaften türkischen Herrschern und den Nomaden deut­lich. Die Aussage der Gesandten 216 Historia de expedi­tione, S. 76. 217 Epistola de Frederici I. imperatoris expedi­tione sacra, in: Franz-­Josef Schmale (Hg. u. Übers.), Ita­lische Quellen über die Taten ­Kaiser Friedrichs I. in Italien und der Brief über den Kreuzzug ­Kaiser Friedrichs I. (Ausgewählte Quellen zur dt. Geschichte des Mittelalters- Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe Bd. 17a), Darmstadt 1986, S. 25 – 27 372 – 383, S. 374. 218 Historia peregrinorum, S. 156; Ambroise, L’Estoire, Z. 9274 ff; Itinerarium peregrinorum, V, 39, S. 354. 219 Historia peregrinorum, S. 156; siehe auch Eickhoff, Friedrich Barbarossa, S. 111.

Der Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossas  |

könnte durchaus historisch sein, waren die Nomaden doch für den Seldschukenherrscher oft unbequem. Frei­lich schenkten die Chronisten diesen Worten keinen Glauben, sie waren für sie nur ein weiterer Beleg für türkische Ränke. Die Historia nutzt die Schlacht gegen die Turkmenen, um deren Lebensweise kurz darzustellen. Es handle sich um „silvestres Turci“, die auch Beduinen genannt würden. Dieser Fehler unterlief auch anderen Chronisten: Man verwechselte die arabischen Nomaden im süd­lichen Syrien, Palästina und der arabischen Halbinsel mit den türkischstämmigen Nomaden im nörd­lichen Syrien, der Gezira und in Anatolien. Diese Menschen verbrächten ihr ganzes Leben in Zelten und zögen mit ihren Herden von Weide zu Weide, so die Historia. Auf diese Weise ­seien sie immer in Waffen und zum Krieg bereit.220 Es sind die alten Charakteristika: Wildheit und militärische Tüchtigkeit. Ganz ähn­lich charakterisieren die Gesta Federici die Turkmenen. Deren Führer R ­ estagnus habe vom ­Kaiser Gold und Silber als Preis für den Durchzug gefordert.221 Ebenso begegnet hier wieder der bereits aus den Werken zum ­Ersten Kreuzzug bekannte Vergleich der Türken mit Wölfen und (tollwütigen) H ­ unden als charakteristisches Merkmal des Türkenbildes. Die Epistola vergleicht das Heer des Sultanssohnes aufgrund seiner Größe mit Heuschrecken.222 Anfang Mai 1190 sank das Ansehen des Sultans bei den Deutschen immer tiefer, weil er ihrer Meinung nach nicht willens, in Wirk­lichkeit wohl nicht fähig, war, die Angriffe zu unterbinden. Die Freundschaft und das Gold des Sultans ­seien zu Schlacke geworden, so Ansbert.223 Interessanterweise nimmt Ansbert die Gegner nur insgesamt als Turci wahr, die Unterscheidung zu den Turkmenen, die in der Historia peregrinorum und anderen Quellen zutage tritt, findet sich bei ihm nicht. So berichtet er zum 5. Mai, die Botschafter des S­ ultans und seines Sohnes hätten sich unter einem Vorwand zurückgezogen und den Botschafter des Kaisers, Gottfried von Wiesenbach, als Gefangenen mitgenommen. Dies weiß zwar auch die Historia peregrinorum, berichtet allerdings auch von der klaren Aufforderung an die Gesandten des Sultans, den Rückzug dieser „gens ferina et fetida“ (gemeint sind die Turkmenen) zu veranlassen.224 220 Historia peregrinorum, S. 155; ähnl. auch Gesta Federici I. imperatoris in expedi­tione sacra, in: O. Holder-­Egger (Hg.), MGH SS rer. Germ. 27 (Gesta Federici I. imperatoris in Lombardia auctore cive Mediolanensi), Hannover 1892, S. 74 – 96, S. 86. 221 Gesta Federici, S. 88. 222 Historia de expedi­tione, S. 77: „rabidi canes“; Arnold von Lübeck, Chronica, IV, 11, S. 173; Epistola, S. 378. 223 Historia de expedi­tione, S. 78. 224 Ebd.; Historia peregrinorum, S. 160.

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Wie schon Wilhelm von Tyrus vergleicht die Historia die Turkmenen mit einer Hydra: Je mehr man erschlage, desto mehr kämen jeden Tag dazu.225 Gerade was die verschiedenen Blöcke innerhalb der Seldschuken anbetrifft, scheint die Historia peregrinorum wesent­lich besser informiert, ohne dass dies allerdings etwas an der Einschätzung der Türken als betrügerisch geändert hätte, denn auch die Historia überschätzte wohl den Einfluss der Seldschuken auf die Nomaden. Durch den Rückzug der Gesandten sahen sich die Kreuzfahrer in ihrer Meinung bestätigt. Die Ereignisse im Mai 1190 trugen ganz erheb­lich zur Formung eines deut­lich negativen Türkenbildes bei. Zwar bleiben die Türken militärisch respektable Gegner, aber die Tüchtigkeit im Felde tritt hinter das alte Bild des listigen, verräterischen Türken zurück. Ansbert vergleicht die Türken mit den verachteten Griechen: Sie hätten zur Hinterlist greifen müssen, weil ihre Kampfkraft nicht ausgereicht habe.226 Es mag aber durchaus sein, dass die Botschafter des Sultans, die ja wussten dass ihr Herr keine Mög­lichkeit besaß einzugreifen, in der sich immer mehr zuspitzenden Lage schlicht Angst um ihr Leben hatten und es deshalb für sicherer hielten, sich zurückzuziehen. Unter ständigen Überfällen kämpfte man sich weiter Richtung Ikonium. Die Turkmenen wurden inzwischen durch die Aufgebote der Söhne des Sultans verstärkt. Die Kämpfe, in denen es dem Kreuzheer schließ­lich gelang, Ikonium einzunehmen, brauchen hier nicht mehr behandelt zu werden, da die Chronisten die Türken dabei ganz ähn­lich schildern wie Beobachter früherer Kreuzzüge.227 Trotz der Enttäuschung über den angeb­lichen türkischen Verrat werden auch hier die muslimischen Reiter an keiner Stelle als militärisch unwürdige Gegner beschrieben. Erst nach ­diesem entscheidenden Erfolg Barbarossas gelang es, den Frieden mit den Seldschuken durchzusetzen. Auch jetzt noch rechnet Ansbert den ­Sultan zur Gruppe der Betrüger. Er sei nun selbst in die Grube gestürzt, die er für andere ausgehoben habe. Arnold von Lübeck hingegen lässt den Sultan beteuern, das was vorgefallen sei, gehe nicht auf seine Verantwortung zurück. Er sei krank und übe daher keine Macht über die Handlungen anderer aus.228 Auch hier mag die Überlieferung Arnolds auf einer realen Grundlage beruhen, aber auch hier schenkte man der Aussage Kılıç Arslāns II. keinen Glauben. Zwar ist unklar, in welchem Gesundheitszustand sich Kılıç Arslān zu jener Zeit befand, 225 Historia peregrinorum, S. 160. 226 Historia de expedi­tione, S. 78; Magnus von Reichersberg, Chronicon, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 17 (Annales aevi Suevici), Hannover 1861, S. 476 – 523, S. 513. 227 Zu den Kämpfen siehe Eickhoff, Friedrich Barbarossa, S. 127 ff. 228 Arnold von Lübeck, Chronica, IV, 12, S. 175.

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aber jedenfalls war sein politischer Handlungsspielraum äußerst beschränkt, da ihn sein Sohn weitgehend entmachtet hatte. Zu den vereinbarten Friedensbedingungen gehörte auch das Bereitstellen eines Marktes von türkischer Seite. Diese Form fried­licher Kontakte mit den Türken findet sich nicht in früheren Kreuzzugschroniken und spricht ebenfalls für ein entkrampfteres Verhältnis zu den Muslimen. Allerdings kam es auf dem Markt schnell zu Unstimmigkeiten z­ wischen Türken und Deutschen. Ihren Ärger über angeb­lich zu hohe Preise konterten die Kreuzfahrer, indem sie mit schlechter Münze zahlten.229 Der Konflikt führte schließ­lich zum Eingreifen des Sultans und des Kaisers und zum Einsetzen einer Schiedskommission. Die Ernoul-­Gruppe zeichnet einseitig die Deutschen in einem schlechten Licht. Diese hätten sich auf dem Markt Pferde und Nahrungsmittel genommen, ohne zu bezahlen. Habe sich jemand darüber beschwert, so sei er getötet worden.230 Der Sultan habe zwar versucht, zugunsten seiner Leute einzuschreiten, aber der Schaden habe nicht mehr beg­lichen werden können, so die Fortsetzung Wilhelms von Tyrus weiter. Deshalb habe der Sultan befohlen, dem Heer beim Abzug zu folgen und den Vorfall zu rächen. Es sei üb­lich für die Sarazenen, Verträge zu brechen wenn es ihnen vorteilhaft sei.231 Diese Sätze zeigen gut, wie sich das Türkenbild der Ernoul-­Gruppe nach den Kapiteln über den edlen Saladin wieder dem anderer euro­päischer Chroniken annähert, sind aber historisch falsch. Zwar kam es wieder zu Überfällen, nachdem die Deutschen in Richtung Armenien aufgebrochen waren, allerdings waren daran wiederum turkmenische Verbände an der Südost-­Grenze des seldschukischen Herrschaftsbereichs beteiligt und wohl keine Aufgebote des Sultans. Die Quellen zum Kreuzzug Barbarossas zeigen damit einerseits das tradi­ tionelle Türkenbild früherer Züge durch Anatolien, andererseits offenbaren sie aber auch neue Tendenzen, wie die diplomatischen Kontakte oder das Zusammentreffen auf dem Markt. Die Grundlagen dafür waren sicher­lich zum Großteil durch die diplomatischen Aktivitäten Barbarossas in den 1170er Jahren gelegt worden. Die Chroniken belegen damit aber auch, dass der neue Umgang mit Muslimen nicht allein auf der Person Saladins beruhte. Nur teilweise erkennen die Chronisten die für das Verständnis des Kreuzzugsverlaufs wichtige Spaltung der Rum-­Seldschuken in verschiedene Parteien und die eigenständige Rolle der Turkmenen. 229 Gesta Federici, S. 94; Eickhoff, Friedrich Barbarossa, S. 136. 230 Cont.WT, XCI, S. 95. 231 Ebd., S. 95.

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11 Ayyubiden, Mamluken und Choresmier: Das 13. Jahrhundert

11.1 Böse Heiden? Die islamische Religion in den Kreuzzugschroniken des späten 12. und des 13. Jahrhunderts Die Ereignisse von 1187 und der Dritte Kreuzzug hatten insbesondere durch die Person Saladins großen Einfluss auf das Türken- beziehungsweise Sarazenenbild der Europäer ausgeübt. Dem Umgang mit einem ritter­lichen muslimischen Gegner war in den Chroniken mehr Raum gewidmet worden als jemals zuvor. Aber hatte die Tatsache, dass die „guten Ritter“ der Gegenseite in den Schilderungen zunehmend populärer wurden auch Einfluss auf das Bild vom „bösen Heiden“? Lässt sich also auch im Islambild der Autoren in ­diesem Zeitraum eine Veränderung nachweisen? Eine sehr wichtige Neuerung fällt zunächst kaum ins Auge. Es handelt sich ledig­lich um ein fehlendes Possessivpronomen. Hatten die früheren Autoren regelmäßig noch von dem Gott der Muslime als „ihrem Gott“ gesprochen, im Unterschied zu „unserem Gott“, also dem christ­lichen Schöpfer, so fällt erstmals bei Wilhelm von Tyrus das Pronomen weg. Nūr ad-­Dīn sei ein Mann gewesen, der Gott gefürchtet habe, wenngleich auch nach den „abergläubischen“ Tradi­ tionen des Islam.1 Wilhelm erkennt, dass Christen und Muslime denselben Gott verehren. Der verbleibende Unterschied lag in der Art und Weise des Ritus und das war für den Erzbischof die entscheidende Trennlinie, der Islam blieb eine abergläubische Häresie. In den Jahren nach Wilhelms Tod folgten ihm andere Chronisten darin, nur noch von Gott zu sprechen. So etwa der Autor des Libellus de expugna­tione oder der dem Islam ohnehin wenig feindselig gegenüberstehende Fortsetzer Wilhelms.2 Christen und Muslime beten denselben Schöpfer an und obwohl sie keine Christen sind, so ­seien die Muslime doch nicht ohne Religion. Trotz des verschiedenen Bekenntnisses s­ eien Christen 1 Wilhelm von Tyrus, Chronicon, XVI, 7, S. 723, Z. 18 f: „vir providus et discretus et iuxta tradi­ tiones illius populi supersticiosas timens deum“; Möhring, Concept of the Muslim enemy, S. 189. 2 Libellus de expugna­tione, S. 237; Eracles, XXIX, 11, S. 323.

Die islamische Religion in den Kreuzzugschroniken  |

und Muslime daher doch als Menschen Brüder. Auch wenn Arnold von Lübeck diese Worte belagerten Muslimen in den Mund legt, sind sie dennoch nicht weniger bemerkenswert.3 Ähn­lich äußert sich gegen Ende des Jahrhunderts Fidentius von Padua. Die Sarazenen sind für ihn zwar Ungläubige, dennoch erkennt er an, dass sie Gott verehren und sich regelmäßig zum Gebet versammeln.4 Der fremde Glauben wird nicht als alternativer Weg zum Heil bzw. zu gött­licher Gnade anerkannt, das ist der Unterschied zum modernen Toleranzbegriff, vielmehr honoriert man ledig­lich das Bemühen der, nach Ansicht der Chronisten in ihrem Irrglauben gefangenen, Muslime. Die Besetzung Jerusalems durch die Truppen Saladins wird verständ­licherweise zwar feindselig geschildert, aber angesichts der Bedeutung des Ereignisses doch relativ wahrheitsgetreu. Zwar liest man von der Schändung und Verschmutzung heiliger Stätten, dennoch ist dies relativ zurückhaltend gegenüber dem, was 90 Jahre zuvor über die Herrschaft der Seldschuken über Christen und das Heilige Land zu lesen war. Wilhelm von Newburgh, sonst sehr feindselig gegenüber Saladin und Muslimen, berichtet zwar vom Raub des Schmuckes in christ­lichen ­Kirchen und vom Niederreißen des Kreuzes, gesteht aber zu, dass Saladin den syrischen Christen den Dienst in der Grabeskirche übertragen habe. Auch die Inbesitznahme des Felsendoms schildert er nüchtern, Saladin habe das Gebäude feier­lich mit Rosenwasser reinigen lassen.5 Ab Ende des 12. Jahrhunderts tritt in den Quellen ein deut­lich vermehrtes Wissen über den Islam zutage. Den zeitgenös­sischen Autoren waren viele Details des muslimischen Glaubens bekannt. Sei es das Verbot, Schweinefleisch zu essen, die Ablehung der Trinität, der Monotheismus, die Ablehnung bild­licher Darstellungen, die Bedeutung Mekkas oder die Waschungen.6 Der Begriff Koran, „Alcoran“, taucht im 13. Jahrhundert erstmals auf und Matthäus Paris weiß um 3 Arnold von Lübeck, Chronica, V, 28, S. 208. 4 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis Terre Sancte, in: Jacques Paviot (Hg.), Projets de Croisade (v. 1290– v. 1330), Paris 2008, S. 53 – 169, 51, S. 127. 5 Libellus de expugna­tione, S. 249 f; Wilhelm von Newburgh, Historia, III, 18, S. 260; Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 2, S. 346; Roger Wendover, Chronica sive Flores Historiarum, hrsg. von Henry Coxe, 5 Bde., London 1841, Bd. 2, S. 424; Eracles, XXIV, 2, S. 103 f. 6 Itinerarium peregrinorum, VI, 17, S. 412 (Schweinefleisch); Oliver von Paderborn, ­Historia Damiatina, in: O. Hoogeweg (Hg.), Die Schriften des Kölner Domscholasters, späteren Bischofs von Paderborn und Kardinalbischofs von S. Sabina, Tübingen 1894, S. 159 – 280, 31, S. 223 (Mekka) und 79, S. 275 (Trinität); Matthäus Paris, Chronica majora, hrsg. von Henry Richards Luard (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 57), 7 Bde., London 1872 – 1884, Bd. 3, S. 352 f (Monotheismus und bild­liche Darstellungen); Jakob von Vitry, Historia orientalis, VI, S. 126 (Waschungen).

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die Bedeutung des Jahres 622 als Jahr der Hedschra.7 Die Zeit des Unwissens bzw. des Desinteresses war endgültig vorbei und Informa­tionen über den fremden Glauben waren auch in Nord- und Westeuropa ohne weiteres zu erhalten. Allerdings bedeutete die Zunahme an Wissen nicht, dass sich auch die Meinung über den Islam änderte, erst recht nicht auf breiter Basis. Zwar tauchen die gröbsten Entstellungen nicht mehr in den Chroniken auf, etwa die detaillierte Beschreibung von Mohammed-­Statuen, doch hielt sich nach wie vor das Islambild, das sich zu Beginn des Jahrhunderts geformt hatte, nur eben angereichert mit zusätz­lichem Detailwissen. Vorurteile, Unterstellungen und Fehlinforma­ tionen mischten sich teilweise in denselben Werken mit neuen Inhalten.8 Bei Arnold von Lübeck, erinnert sei an die oben zitierte bemerkenswert tolerante Passage, ist etwa zu lesen, Mohammed sei der Gott der Muslime. Der deutsche Chronist steht mit dieser Ansicht keineswegs alleine.9 Die Erkenntnis, Muslime und Christen beteten zu demselben Gott, war nur wenigen Chronisten eigen, in der Mehrzahl der Fälle sprach man nach wie vor vom Gott der Christen im Gegensatz zum Gott der Muslime, selbst wenn man letzteren nicht mit Mohammed gleichsetzte.10 Ebenso wurden die alten Vorurteile gegenüber dem Islam als Religion des Schwertes und Religion der Wolllust, kurz als welt­liche Religion weiter bedient. Die, seit Anfang des 12. Jahrhunderts in zahlreichen Versionen kursierende, entstellte und polemische Biographie Mohammeds fand immer noch in verschiedenen Varianten zahlreiche Verbreitung. Diese Passagen enthalten meist auch eine Widerlegung der Lehre Mohammeds, sowie Versuche zu beweisen, bei ihm habe es sich nicht um einen Propheten gehandelt. Matthäus Paris griff zu ­diesem Zweck wohl auf ein Werk der Dominikaner zurück, das im Osten zu Missionszwecken dienen sollte.11 7 Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 3, S. 78; Jakob von Vitry, Historia orientalis, V, S. 120 (Koran); Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 3, S. 344 (Jahr 622). 8 So etwa Jakob von Vitry, Historia orientalis, LXII, S. 246 über ein Abbild Mohammeds: „imaginem Mahometi ponentes in templo“. 9 Arnold von Lübeck, Chronica, IV, 4, S. 168; Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 3, S. 77; Gesta crucigerorum Rhenanorum, in: Reinhold Röhricht (Hg.), Quinti belli sacri scriptores minores, Genf 1879, S. 27 – 56, S. 40; Ménestrel de Reims, VI, 35, S. 18. 10 So neben anderen: Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 57; Jakob von Vitry, Historia orientalis, C, S. 446. 11 Sehr ausführ­lich: Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 3, S. 343 ff; Jakob von Vitry, ­Historia orientalis, I, 4 ff, S. 106 ff; siehe zu Matthäus Paris auch: James Powell, Matthew Paris, the lives of Muhammad and the Dominicans, in: Michel Balard, Benjamin Z. Kedar, Jonathan Riley-­ Smith (Hg.), Dei Gesta per Francos. Etudes sur les Croisades dédiées à Jean Richard, Aldershot 2001, S.  65 – 69.

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Roger von Hoveden berichtet, in Konstantinopel habe ein Abbild Saladins öffent­lich verehrt werden sollen. Angesichts der Ablehnung menschlicher Bildnisse im Islam eine unglaubwürdige Aussage. Bahā’ ad-­Dīn ibn Šaddād erwähnt dagegen, Saladin habe aufgrund eines Abkommens mit Byzanz eine minbar, also eine Kanzel, Muezzine und andere zum Betrieb einer Moschee notwendige Personen, respektive Ausstattungen in die Kaiserstadt bringen lassen. Deren Ankunft dort ist wohl von den von Hoveden an dieser Stelle erwähnten franzö­ sischen Gesandten am Bospurus beobachtet worden.12 Die Interpreta­tion der Kultgegenstände als Idole durch die Franzosen beziehungsweise durch Roger belegt ohne weiteres deren Islambild. Die Lateiner, die im Osten lebten, verfügten über besseres Wissen. Das Erscheinen der heidnischen Mongolen trug dazu bei, den Götzendienst der Steppenkrieger klar vom Islam abzugrenzen, der in dieser Hinsicht natür­lich viel mehr mit dem Christentum gemein hatte als der Schamanismus der Mongolen.13 Die Ausweitung des Wissens über den Nahen Osten und die angrenzenden Regionen führte in Bezug auf den Islam auch zu einem weiteren Effekt: Insbesondere zur Zeit des Fünften Kreuzzuges war man angesichts der Berichte über den sagenhaften Priesterkönig Johannes bzw. erster Gerüchte über die mongo­ lischen Invasionen im Osten äußerst optimistisch, den Islam endgültig besiegen zu können, zudem meinte man, in den Gebieten unter islamischer Herrschaft lebten eigent­lich mehr Christen als Muslime. Die Welt des Islam nahm nun nicht mehr den riesigen Raum des Ostens ein, sondern lag auf einmal in der Mitte z­ wischen Europa und den, wie man meinte, sagenhaften Reichen der christ­lichen Könige des fernen Orients.14 Das Bild von der islamischen Religion indes änderte sich kaum.15 Das stellte die Gelehrten in Europa aber vor das Problem, die großen islamischen Philosophen, deren Werke mittlerweile im Westen bekannt waren, mit deren ihrer Meinung nach minderwertigen, abergläubischen Religion in Verbindung zu bringen. Es wurde bereits angesprochen, dass man diesen weisen Männern deshalb einen Abfall vom muslimischen Glauben unterstellte. Viele dieser Gelehrten, so Jakob von Vitry, hätten den Widerspruch der Lehre Mohammeds 12 Roger von Hoveden, Chronica, Bd. 2, S. 355; Ibn Shaddād, S. 121. 13 Templer von Tyrus, in: Gaston Raynaud (Hg.), Les Gestes de Chiprois, Genf 1887, S. 139 – 334, 593, S. 297. 14 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 35, S. 232; Jakob von Vitry, Brief von Nov. 1216/ Frühjahr 1217, S. 58, S. 68, S. 70; Brief vom 22. 9. 1218, S. 92; Brief vom April 1221, S. 176, 196, 198, in: Jakob von Vitry, Lettres. 15 Möhring, Concept of the Muslim enemy, S. 191.

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sowohl zu den Evangelien, als auch zu den Libri naturales der heidnischen (d. h. der antiken) Philosophen erkannt und sich taufen lassen. Ebenso könne man häufig beobachten, dass Sarazenen von hohem Rang Söhne christ­licher Sklavinnen ­seien und sich ­später dann gegenüber den Christen in ihrem Herrschaftsbereich freund­lich erwiesen. Es handelt sich hier um die g­ leiche Gedankenfolge wie im Falle des „edlen Heiden“ Saladin. Von dem Sultan hatte man, ebenso wie von Männern wie Avicenna oder Averroes, eine hohe Meinung. Diese ließ sich nicht mit dem Bild vom Islam als abergläubische, frivole und gewalttätige Religion vereinbaren. Anstatt aber die Meinung über die fremde Religion zu ändern, stellte man die Beziehung dieser Männer zum Islam infrage.16 Ungeachtet aller Entwicklungen im Bild vom Sarazenen als ritter­lichem ­Gegner und ungeachtet der Rolle von Muslimen in der euro­päischen Literatur und Diplo­ matie, blieben die Anhänger Mohammeds auf dem Feld der Religion die bösen Heiden. Die religiösen Unterschiede mochten keinen Einfluss auf die sonstigen Qualitäten haben, die man ihnen zuschrieb, etwa Tapferkeit, aber die unterschied­ liche Religion blieb der trennende Graben, je nach Weltbild oder Inten­tion der Autoren frei­lich in unterschied­lichem Maße, aber eine Trennlinie blieb immer. Nichts zeigt dies besser als das Bemühen der Chronisten im Falle von, ihrer Ansicht nach, hervorragenden Muslimen, diese Linie zu verschieben, näm­lich ­zwischen jene Männer und deren Religion. Mochte man auf militärischem und diplomatischem Gebiet den Graben zumindest teilweise überbrücken können,17 so wurde diese Mög­lichkeit im religiösen Bereich nie in Betracht gezogen.

11.2 Neues Wissen und alte Vorurteile: Das Türkenbild zwischen 1193 und 1249 Dem Abschluss des Dritten Kreuzzuges folgte im Nahen Osten eine durch viele Friedensjahre z­ wischen lateinischen und muslimischen Staaten geprägte Zeit. Den Kreuzfahrerstaaten Jerusalem, Tripolis und Antiochia stand in ­diesem Zeitraum die lockere Konfödera­tion ayyubidischer Herrschaftsgebilde gegenüber, in die das Reich Saladins nach dessen Tod 1193 zerfallen war, ledig­lich der Herrscher über Ägypten besaß eine gewisse Vorrangstellung. 16 Jakob von Vitry, Historia orientalis, VI, S. 130, 134; Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 3, S. 351. 17 Möhring, Conept oft he Muslim enemy, S. 193: Das Bild vom Islam führte nie zu permanenter militärischer Gegnerschaft, die Politik wurde davon kaum beeinflusst.

Das Türkenbild zwischen 1193 und 1249  |

Die Forschung ist sich überwiegend einig, dass dieser von größeren Kampfhandlungen weitgehend freie Zeitabschnitt im Wesent­lichen auf pragmatische Motive der handelnden Personen zurückzuführen ist und nicht auf etwaige neue Umgangsformen z­ wischen den Religionen. Den ayyubidischen Machthabern war v. a. an der Konsolidierung der Macht in ihren jeweiligen Herrschaftssphären gelegen und ­dieses Interesse wurde mehr durch rivalisierende Ayyubidenprinzen als durch die Franken bedroht. Im Zweifel war man daher eher zu einem Vertragsschluss mit den Kreuzfahrerstaaten bereit, als durch eine Konfronta­tion mit den Christen eine zweite Front zu schaffen und womög­ lich gar ein Eingreifen aus Europa zu riskieren. Zudem profitierten auch die Ayyubiden vom wachsenden Handel der italienischen Seestädte über Ägypten und die levantinischen Häfen, die sich in der Hand der Franken befanden.18 Die Kreuzfahrerstaaten ihrerseits waren seit der Niederlage von Ḥaṭṭīn 1187 nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft eine Feldarmee aufzustellen, die alleine größere Offensivak­tionen hätte durchführen können. Nur Kreuzzüge aus Europa veränderten zeitweise die Machtbalance im Nahen Osten und ermög­ lichten christ­liche Offensiven. Im hier zu betrachtenden Zeitraum ist der Fünfte Kreuzzug (1218 – 1221) zu nennen, der mit dem Angriff auf Ägypten die Ayyubiden an den Rand einer Niederlage brachte. Der Kreuzzug ­Kaiser Friedrichs II. (1228/29) erreichte sein Ziel ohne Kampfhandlungen, während die Ak­tionen Theobalds von der Champagne und Richards von Cornwall (1239 – 1241) in einer verheerenden Niederlage der Kreuzfahrer bei Gaza endeten bzw. weitgehend folgenlos blieben.19 Ebenso wie auf der politischen Ebene der Pragmatismus beim Umgang mit dem Gegner vorherrschte, blieb auch die christ­liche Chronistik bei der Darstellung der Muslime/Türken weitgehend alten Mustern verhaftet. Eine Auswirkung des Dritten Kreuzzuges und der Person Saladins auf das Türkenbild in den Quellen der ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts lässt sich nicht nachweisen. Sogar die Darstellung des Sultans selbst lässt auch Jahre nach dem Kreuzzug noch nichts vom „edlen Heiden“ erkennen, zu der er ­später in der Literatur werden sollte. Die einzige Quelle für diese Art der Darstellung blieben auch weiterhin die Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus. Ein weiteres Indiz dafür, dass 18 Laila Atrache, Die Politik der Ayyubiden. Die fränkisch-­islamischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 7./13. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung des Feindbildes, Münster 1996, S. 29, 92, 127, 147, 177; R. Stephen Humphreys, Ayyubids, Mamluks and the Latin East in the thirteenth century, in: Mamluk Studies Review 2 (1998), S. 1 – 17, S. 5 f, 8 ff. 19 Peter Thorau, Sultan Baibars I. von Ägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Vorderen Orients im 13. Jahrhundert, Tübingen 1985, S. 25 ff; Thorau, Kreuzzüge, S. 100 ff.

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keineswegs allein die Taten Saladins an sich, sondern ganz vorrangig die eigennützig motivierte Darstellung des Sultans im äußerst populären Ernoul und seinen Fortsetzungen die Entstehung des entsprechenden Saladinbildes bewirkte. Der eng­lische Chronist Roger Wendover berichtet zu Anfang des 13. Jahrhunderts relativ negativ über Saladin. Wendover begann nach 1204 zu schreiben, eventuell auch erst 1231, stützte sich für die Regierungszeit Richards I. noch auf das Werk Radulphs von Diceto, folgte danach dann aber keiner überlebenden literarischen Quelle mehr.20 Zum Jahre 1184 erwähnt er ein Massaker und Verwüstungen durch den Sultan. Beim Bericht zur Schlacht von Ḥaṭṭīn finden auch die vielen Gefallenen Erwähnung. Bei der Schilderung der Kapitula­tion Jerusalems setzt der Engländer andere Schwerpunkte als Ernoul. Im Gegensatz zu d ­ iesem erwähnt er das Lösegeld für die Bevölkerung nur in einem Satz, fügt dann aber hinzu, in der Stadt habe es 14.000 Arme gegeben, deren Los, ­unfähig das Geld aufzubringen, ewige Sklaverei gewesen sei.21 Ohne dass sich die Schilderungen in den Tatsachen wesent­lich unterscheiden, ist hier von einem ritter­lichen Saladin wenig zu spüren. Rogers Nachfolger Matthäus Paris, der um 1240 seine Chronica majora zu schreiben begann, Rogers Werk bis 1234 als Quelle nutzte und für die Zeit danach fortsetzte, änderte interessanterweise nichts an dieser Darstellung.22 Dies, obwohl Paris seiner Vorlage sonst nicht sklavisch folgte, sondern stets auch Passagen aus Rogers Werk strich oder neue Textstellen hinzufügte.23 Die gegenseitigen Geschenke ­zwischen Saladin und Richard bzw. dem Herzog von Burgund wurden auch noch Jahrzehnte nach dem Kreuzzug keineswegs im Sinne eines hochachtungsvollen Umgangs miteinander interpretiert. Vielmehr galten die vom Feind erhaltenen Geschenke als Grund des Misstrauens ­zwischen den christ­lichen Heerführern.24 Arnold von Lübeck berichtet um 1210 von den Ereignissen des Jahres 1187. Seine Darstellung vermischt Fakt und Fik­tion, hält sich in den grundlegenden Tatsachen aber an den historischen Geschehensablauf, aber auch hier ist die 20 Zu Roger Wendover: Antonia Gransden, Historical writing in England c. 550 to c. 1307, London 1974, S. 356 ff. 21 Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 2, S. 414, 424. 22 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 2, S. 321, 329. 23 Zu Matthäus Paris: Gransden, Historical writing, S. 356 ff. 24 Matthäus Paris, Historia Anglorum, hrsg. von Frederic Madden (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 44), 3 Bde., London 1866 – 69, Bd. 2, S. 32; Vincent von Beauvais, Speculum Historiale, XXIX, lii, S. 1203; Alberich von Trois Fontaines, Chronicon, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), P. Scheffer-­Boichorst (Bearb.), MGH SS 23 (Chronica aevi suevici), Hannover 1874, S. 631 – 950, S. 867.

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Tendenz in Bezug auf Saladin deut­lich negativer als bei Ernoul. So habe Saladin nicht etwa aus Edelmut das Lösegeld für die Einwohner Jerusalems reduziert, sondern nur deshalb, weil in der Stadt nicht mehr Gold aufzutreiben gewesen sei. Anläss­lich der Eroberungen des Sultans im Spätsommer und Herbst 1187 vergisst Arnold auch nicht, umfangreiche Verwüstungen und Massaker zu erwähnen.25 Jakob von Vitry kritisiert in den 1220er Jahren vor allem die Umstände von Saladins Machtergreifung in Ägypten, er unterstellt ihm den Mord an der Kalifenfamilie. Ein Vorwurf, der schon von zeitgenös­sischen Autoren erhoben worden war. Ansonsten erwähnt der Chronist positive und negative Charakterzüge des Sultans, idealisiert wird Saladin bei ihm daher keineswegs.26 Bis Mitte des Jahrhunderts scheinen daher die Taten Saladins im ursprüng­ lichen Werk Ernouls noch bemerkenswert geringe Auswirkungen auf die Darstellung des Sultans in der Chronistik gezeitigt zu haben. Zwar finden in den Quellen auch positive Aspekte Erwähnung, etwa Saladin als tüchtiger Herrscher oder Kriegsherr, aber er ist zeitweise eben auch wild, brutal und unbarmherzig, und wird damit, abgesehen von seiner prominenten Stellung, genauso dargestellt wie andere türkische Herrscher vor ihm auch. Die Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus schildern die Türken ab Ende des Dritten Kreuzzuges und in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts nur knapp. Adjektive für die Sarazenen, so nun der überwiegend gebrauchte Begriff, sind äußerst rar. Die Schilderung der Muslime wirkt eher gleichgültig und geschäftsmäßig. Bedenkt man die Tatsache, dass die Versionen der ­Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus wohl im Osten zusammengestellt wurden 27 und dass es im Zeitraum bis zum Fünften Kreuzzug nicht zu größeren Kampfhandlungen kam, lässt sich dies wohl am besten damit erklären, dass die Autoren hier einfach für sie Alltäg­ liches schilderten. Die Türken waren für sie nicht mehr der neue, heidnisch-­ apokalyptische Feind wie für euro­päische Chronisten vor allem des ­Ersten- aber auch anderer Kreuzzüge und es gab auch keine militärischen Nieder­lagen, die eine Rechtfertigung verlangten. Sucht man in den Quellen nach Auswirkungen der relativ ruhigen Friedensjahre Anfang des 13. Jahrhunderts für das Türkenbild, so ist die sehr knappe Darstellung der Sarazenen in den L’Estoire d’Eracles sicher­lich ein Beleg. Ähn­lich wie Saladins Art der Herrschaftsübernahme in Ägypten kritisiert worden war, rechnete man seinem Bruder al-ʽĀdil die Verdrängung von Saladins 25 Arnold von Lübeck, Chronica, IV, 5, S. 168. 26 Jakob von Vitry, Historia Orientalis, VIII, S. 144; XCIV, S. 422. 27 Edbury, Lyon-­Eracles, S. 140.

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Söhnen aus deren Herrschaftsposi­tionen in den Jahren nach Saladins Tod negativ an. Teilweise unterstellte man ihm sogar, er habe seine Neffen getötet. In jedem Fall aber führte das Vorgehen al-ʽĀdils zu einer negativen Charakterisierung seitens der lateinischen Chronisten,28 dies im Gegensatz zu der sehr positiven Beschreibung al-ʽĀdils während des Dritten Kreuzzuges. Diese Art der christ­lichen Kritik ist eine Konstante in der Beschreibung musli­mischer Herrscher, die nicht durch reguläre Erbfolge an die Macht gelangt waren. Seien es ­Saladin, sein Bruder, ­später die Mörder Sultan Tūrānšāhs oder Sultan ­Baibars, die Usurpa­tion der Macht machte diese Männer für christ­liche Autoren für alle Zeiten zu Tyrannen, unabhängig von ihren sonstigen Leistungen.29 Abgesehen von der christ­lichen Lehre in Bezug auf Usurpa­tionen verwundert es kaum, dass Chronisten aus dem feudalen Europa wenig Verständnis für die Verdrängung der legitimen Herrscher oder ihrer Erben aufbringen konnten.30 In der islamischen Gesellschaft, und insbesondere bei der mamlukischen Kriegerkaste, besaßen Geblütsrecht und adlige Abstammung längst nicht die Bedeutung wie im feudalen Europa. Die Verdrängung oder gar Ermordung der ursprüng­ lichen Herren durch neue Machthaber musste bei Europäern nicht selten Entsetzen und Verachtung hervorrufen. Die Religion an sich spielte bei dieser Beurteilung weniger eine Rolle als das Verständnis der Autoren von der rechten Gesellschaftsordnung. Entsprechend positiver wird al-ʽĀdils Sohn und Nachfolger in Ägypten ­al-­Kāmil (1218 – 1238) geschildert. Für die Fortsetzer Wilhelms von Tyrus ist er „sages et soutiz“. Matthäus Paris bezeichnet ihn als mächtigen Herrscher und lobt seine mildtätigen Werke gegenüber Christen.31 Das Interesse an den Machtverhältnissen innerhalb der ayyubidischen Konfödera­tion scheint in Europa relativ groß gewesen zu sein. Patriarch Raoul von Mérencourt verfasste 1216 für die päpst­liche Kurie einen genauen Bericht über al-ʽĀdil, dessen Söhne und die Aufteilung des Reiches unter Letzteren.32 Diese „Relatio tripartita ad Innocentium III de viribus Agarenorum“ fand

28 Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 3, S. 75 f, Bd. 4, S. 42; Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 3, S. 39; Chronique de Terre Sainte, in: Gaston Raynaud (Hg.), Gestes des ­Chiprois, Genf 1887, S. 1 – 24, S. 15; Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 18, S. 189. 29 Möhring, Heiliger Krieg, S. 456 ff, 463. 30 Claude Cahen, Saint Louis et L’Islam, in: Journal Asiatique 258 (1970), S. 3 – 12, S. 6. 31 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 3, S. 178, 486; Eracles, XXXIII, 6, S. 371. 32 Jean Richard, Pouvoir royal et patriarcat au temps de la Cinquième Croisade, à propos du rapport du patriarche Raoul, in: Crusades 2 (2003), S. 109 – 119, S. 111 f.

Das Türkenbild zwischen 1193 und 1249  |

Eingang in zahlreiche Quellenwerke.33 Das Schriftstück führt neben anderen mit Melkekemme (al- Kāmil), Coradinus (al-­Muʽaẓẓam) und Melkisalaphat (al-­Ashraf ) die drei mächtigsten Söhne des Sultans auf und gibt trotz einiger Irrtümer die Lage der einzelnen Machtblöcke korrekt wieder.34 Solch detaillierte Informa­tionen enthalten die Quellen im Großteil des 12. Jahrhunderts nicht, aber auch in diesen Text fanden die tradi­tionellen Vorurteile über den Islam Eingang. So weiß der Autor von den 15 Ehefrauen al-ʽĀdils zu berichten und davon, dass der Sultan mit jeder, die ihm ein Kind geboren habe, in Gegenwart aller anderen schlafe. Es ist die alte Darstellung des Islam als frivole Religion. Darüber hinaus wird Mohammed in dem Text als Gott der Muslime bezeichnet.35 De viribus Agarenorum ist damit typisch für seine Entstehungszeit: Es standen ungleich detailliertere Informa­tionen zur Verfügung als noch 100 Jahre zuvor, diese wurden aber mit Vorurteilen gegenüber den Islam vermengt, die noch die gleichen waren wie zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Das Islambild in Europa hatte sich nicht wesent­lich geändert. Jakob von Vitry grenzt erstmals Türken, Turkmenen und Beduinen voneinander ab. Den Unterschied z­ wischen Türken und Turkmenen erklärt er unter Rückgriff auf Wilhelm von Tyrus so, dass die Türken sesshaft geworden und sich einen König und Gesetze gegeben hätten, während die Turkmenen der alten, nomadischen Lebensweise verhaftet geblieben s­ eien. Den Namen Turkmenen, Turcomani, leitet er aus der Verbindung von Turci und Comani (gemeint ist das Steppenvolk der Kumanen an der Nordküste des Schwarzen Meeres und an der unteren Donau) ab. Spricht schon aus dem Text Jakobs eine gewisse Geringschätzung, so blieben die Turkmenen für die Franken die verachtetste Gruppe unter den Türkischstämmigen im Nahen Osten. Die Religion spielte hierbei keine Rolle, sondern schlicht die nomadische Lebensweise und die Plünderungen und Raubzüge. Jakob von Vitry erkennt ferner richtig, dass es sich im Gegensatz dazu bei den ebenfalls nomadischen Beduinen nicht um türkischstämmige Menschen handelt, sondern um arabische Völkerschaften. Er erwähnt auch, dass die Beduinen ohne Rüstung kämpfen und dass sie im Gegensatz zu den Sarazenen nicht den Bogen sondern Schwert und Lanze benutzen. Die Beduinen hielten ferner die übrigen Sarazenen mit ihrer Fernkampfweise für furchtsam und feige 33 Ebd., S. 109, eine Auflistung aller Fundstellen findet sich bei Reinhold Röhricht, Bibliotheca geographica Palestinae, Berlin 1890, S. 43 – 45. 34 Richard, Pouvoir royal, S. 113 ff. 35 So u. a. Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 2, S. 399 ff; Richard von S. Germano, Chronica, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 19 (Annales aevi suevici), Hannover 1866, S. 321 – 384, S.  336 f.

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und ­seien, immer auf ihren Vorteil bedacht, unsichere Bündnispartner.36 In der Tat schlossen die Beduinenstämme je nach Gelegenheit Bündnisse mit Franken oder Muslimen, Kontakte zu den Kreuzfahrern bestanden auch während des Fünften Kreuzzuges.37 Interessant ist aber, dass Jakob uns die abfällige Meinung der Beduinen über ihre Glaubensbrüder mitteilt. Weitergehende Kontakte ­zwischen Franken und Beduinenstämmen belegt auch der Bericht des Magister Thietmar aus der Zeit des Fünften Kreuzzuges. Am Berg Karmel hätten in Friedenszeiten jedes Jahr im Februar Mitglieder der Ritterorden und andere Christen ihre Pferde zusammengetrieben, ein Zeltlager aufgeschlagen und Reiterspiele veranstaltet. An diesen Spielen hätten sich auch Beduinen beteiligt. Der Chronist lobt dabei ausdrück­lich die Reitkünste der beteiligten Muslime.38 Die Stelle ist nicht unglaubwürdig. Sie bestätigt vielmehr, die besondere Rolle, die das Pferd bei den Kontakten ­zwischen christ­lichen und muslimischen Kämpfern einnahm. An anderer Stelle äußert sich Thietmar wenig positiv über die Beduinen, betont aber wiederum deren Reitkünste.39 Schon zu Zeiten des ­Ersten Kreuzzuges war dies der zentrale Bereich gewesen, in dem man dem Gegner Anerkennung und Respekt gezollt hatte, erinnert sei an Szenen aus dem Werk Usāma ibn Munqiḏs. Dabei spielte es keine Rolle, ob es sich um Türken oder, wie hier, um Beduinen handelte. Dass wir im Bericht ­Thietmars ledig­lich in Bezug auf letztere von gemeinsamen Fest­lichkeiten erfahren, dürfte wohl auch in dem erwähnten flexiblen Bündnisverhalten der Beduinen begründet liegen. Zudem kann vermutet werden, dass die Zusammenkunft nicht nur für die Beduinen als Viehzüchter auch rein geschäft­lich interessant gewesen sein dürfte, denkt man an die von Thietmar erwähnte große Anzahl zusammengetriebener Pferde. Oliver von Paderborn berichtet über die Institu­tion der Mamluken, die er durchaus positiv als sehr kriegstüchtig bezeichnet.40 Erstaun­licherweise berichtet Jakob von Vitry, die „Sarazenen“ hätten zur Zeit Saladins die west­ liche Kampfweise, er meint den Nahkampf, übernommen, während sie zur Zeit des ­Ersten Kreuzzuges fast ohne Waffen und nur mit dem Bogen gekämpft 36 Jakob von Vitry, Historia Orientalis, XI/ XII, S. 146 ff; zu den Turkmenen auch Eracles, XXXIII, 42, S. 435: „Cil Turqueman sont unes gens sauvages, qui n’ont viles ni chastel.“ 37 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 46, S. 251. 38 Magister Thietmar, Peregrinatio, hrsg. von J. C. M. Laurent, Hamburg 1857, VIII, 28 ff, S.  22 f. 39 Ebd., XXVIII, 28, S. 52: „[…] Boidewini, deformes es miserrime induti, sed militariter sciunt equitare, optimi predones, et vocantur silvestres Thurci“ – der letzte Halbsatz zeigt, dass auch Thietmar nicht genau ­zwischen Turkmenen und Beduinen zu unterscheiden wusste. 40 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 53, S. 256: „Mameloti in armis doctissimi“.

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hätten. Nun aber hätten sie sich militärischer Disziplin unterworfen und vertrauten auf Schwerter, Lanzen und Rüstungen.41 Es muss unklar bleiben, wie der Chronist zu dieser Aussage kommt, denn natür­lich kämpften die Türken nach wie vor als berittene Bogenschützen. Selbstverständ­lich waren die Truppen der ayyubidischen Herrscher besser für den Nahkampf gerüstet als turkmenische Verbände in Anatolien. Sollte Jakob, der hier den Begriff Saraceni und nicht etwa Turci verwendet, allerdings syrisch-­arabische Verbände im Sinn gehabt haben, so bleibt seine Aussage ebenso unklar. Diese Verbände hatten auch schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts mit Schwert und Lanze gekämpft. Vielleicht dient die Stelle nur dazu, eine Erklärung für den militärischen Erfolg Saladins zu finden. In militärtechnischer Hinsicht bringt Arnold von Lübeck anläss­lich der Belagerung von Toron durch den deutschen Kreuzzug von 1197/98 eine interessante Mitteilung, wenn er behauptet, die Technik des Minierens sei den Sarazenen unbekannt.42 Wie Arnold zu dieser Aussage kommt, muss unklar bleiben, denn im Gegenteil verfügten die Muslime über äußerst effektive Belagerungstechniken, dazu zählte nicht zuletzt auch das Minieren.43 Die Darstellung der türkischen Gegner in den Quellen zum Fünften Kreuzzug bleibt tradi­tionell. Auch in den Jahren 1217 – 1221 fand vor allem die militärische Tüchtigkeit des Gegners die Anerkennung der Kreuzfahrer. Wie schon in früheren Kreuzzügen sind es vor allem die türkischen Verteidiger von Befestigungswerken, die in den Quellen höchste Wertschätzung erfahren. Vor dem Angriff auf die Stadt Damiette im Nildelta galt es für das im Mai 1218 auf dem der Stadt gegenüberliegenden Nilufer gelandeten Kreuzheer, einen vorgelagerten Turm in der Flussmitte zu erobern. Von ­diesem Turm aus konnte mithilfe einer langen Kette der Nil für feind­liche Schiffe gesperrt werden. Das Bollwerk war mehrere Monate lang schwer umkämpft, bevor es Ende August 1218 eingenommen werden konnte. Jakob von Vitry lobt in einem zeitgleich verfassten Brief die Tapferkeit der muslimischen Besatzung, die sich mit griechischem Feuer, Pfeilen und Felsbrocken verteidigte. In gleicher Weise äußert sich der Augenzeuge Oliver von Paderborn.44 41 Jakob von Vitry, Historia Orientalis, XCIV, S. 424. 42 Arnold von Lübeck, Chronica, V, 28, S. 207. 43 Marshall, Warfare, S. 111, S. 233: „Mining was the other principal Muslim siege technique.“ 44 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 11, S. 180; Jakob von Vitry, Brief vom August 1218, in: Vitry, Lettres, S. 96.

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Im Zusammenhang mit den Kämpfen um den Turm bringen die Chronisten interessante Details, wie die Tatsache, dass die Standarte des Sultans von gelber Farbe gewesen sei.45 Solche ausschmückenden Beschreibungen über Aussehen und Ausrüstung des Gegners sind nicht allzu häufig in den schrift­lichen Quellen der Kreuzzugszeit, eine positive Ausnahme bildete das Werk Alberts von Aachen zum ­Ersten Kreuzzug. Nach der Eroberung des Turmes und einigen weiteren Kampfhandlungen, in denen die ayyubidischen Truppen als beeindruckende Gegner geschildert werden,46 gelang den Kreuzfahrern am fünften Februar 1219 schließ­lich die Überquerung des Flusses und die Einnahme des muslimischen Lagers, was zum völligen Einschluss der belagerten Stadt führte. Der neue Sultan al-­Kāmil hatte aus Furcht vor einer Verschwörung unter den Emiren fluchtartig mit seinen Truppen das Lager verlassen und sich nach Süden zurückgezogen. Grund für die Unzufriedenheit der Mächtigen waren wohl die ungünstige militärische Lage und eigenes Machtstreben.47 Die L’Estoire d’Eracles bringt die Verschwörung und den plötz­lichen Rückzug aber in Zusammenhang mit der Belagerung Akkons 1191. Der Sultan habe seinen Emiren „Otevien“ und „Halemedin“ die Garnison von Damiette übertragen. Die beiden s­ eien Befehlshaber der Kurden, die man für die besten Ritter der Heiden halte. „Halemedin“, bei dem es sich um Ibn al-­Mašṭūb handeln dürfte, einen der mächtigsten Emire des Reiches und Rädelsführer der Verschwörung, habe al-­Kāmil geantwortet, er sei nur dazu bereit, wenn der Sultan ihm einen seiner, d. h. des Sultans, Söhne überantworte. Nur so könne er, al-­Mašṭūb, sicher sein, vom Sultan nicht auf die ­gleiche Weise im Stich gelassen zu werden wie sein Vater von Saladin beim Fall Akkons 1191. Dies führt im weiteren Verlauf zum Zerwürfnis z­ wischen dem Sultan und seinen Emiren.48 45 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 13, S. 184 f; Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 41. 46 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 22, S. 197; Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 48. 47 Hans L. Gottschalk, Al-­Malik al-­Kāmil von Egypten und seine Zeit. Eine Studie zur Geschichte Vorderasiens und Egyptens in der ersten Hälfte des 7./13. Jahrhunderts, Wiesbaden 1958, S. 79 f; Atrache, Die Politik der Ayyubiden, S. 48; Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, S. 197; ­Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. III, S. 161. 48 Eracles, XXXII, vi, S. 335 ff: „[…] li sotans apela II. De ses amiraus, de quoi li unz avoit nom Otevien le fiz de Halequen, et li autres Halemedin, le fiz de Mestob. Cist dui estoient parent et moult amis, et estoient cheveteines des Cordis que l’en tient por les meillors chevaliers de paenime […]“, der Name Halemedin erklärt sich aus Ibn al-­Mašṭūbs vollständigem Namen: ‘Imādaddīn Abu l-‘Abbās Aḥmad ibn ‘Alī, siehe Gottschalk, al-­Kāmil, S. 79.

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Die Stelle nimmt Bezug auf die Kapitula­tion Akkons 1191 und die Gefangen­ nahme der Garnison, die Saladin nicht hatte verhindern können. Schon im Zusammenhang mit der Belagerung hatten die west­lichen Chronisten die Tapferkeit der kurdischen Kommandeure Qarā-­Qūš und al-­Mašṭūb gelobt. In der Tat handelte es sich bei dem Oberhaupt der Verschwörer von 1219 um den Sohn jenes al-­Mašṭūb.49 Schon Ende des 12. Jahrhunderts waren Legenden über „Mestocus“ und „Caracois“ im Umlauf und im Umfeld der Belagerung Akkons waren auch die Kurden schon einmal in einer anderen Quelle als die besten Ritter der Muslime bezeichnet worden. Die Stelle im Eracles bietet daher einen weiteren Beleg sowohl für die Popularität der Verteidiger Akkons eine Genera­tion zuvor und die sich im 13. Jahrhundert um sie rankenden Legenden, wie wohl auch für eine erhöhte Wertschätzung kurdischer Einheiten durch die Franken im Vergleich mit anderen Truppen der Ayyubiden. Der altfranzö­sisch schreibende Autor verwendet hier den Begriff chevaliers für die kurdischen Emire. Obwohl es sich um eine fiktive Geschichte handelt, zeigt sie auch, dass die Franken gut über ihren Gegner Bescheid wussten, war doch die ethnische und familiäre Herkunft der Verschwörer bekannt. Die Berichte über die folgenden, teils erbitterten Schlachten bis zum Fall Damiettes zeigen ganz das tradi­tionelle Bild des wilden, kriegstüchtigen, manchmal listigen Türken: Tapferkeit, ungestüme Wildheit, heftige Nahkämpfe, nach Roger Wendover zu Fuß, da die Türken von ihren Pferden abgestiegen ­seien. Oliver von Paderborn und Jakob von Vitry erwähnen die türkische Taktik, wiederum, wie viele andere vor ihnen, ohne dies negativ zu bewerten.50 In diesen Schlachtenschilderungen begegnet einem auch verschiedent­lich wieder die Bezeichnung der Sarazenen als milites oder chevaliers.51 Anläss­lich der gescheiterten Friedensverhandlungen im September 1219 schildert vor allem Jakob von Vitry al-­Kāmil in seinen Briefen sehr negativ. Der Sultan habe weitgehende Versprechungen gemacht, aber von Anfang an nicht vorgehabt, diese auch einzulösen. Der Friedensvorschlag habe nur dazu gedient, 49 Gottschalk, al-­Kāmil, S. 79, Fn. 1. 50 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 25, S. 205 f; 27, S. 209; 29, S. 214; Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 50 ff; Jakob von Vitry, Brief vom Frühjahr bzw. September 1219, in: Vitry, Lettres, S. 124, 126, 128, 130. 51 Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 50; Gesta obsidionis Damiate, in: Reinhold Röhricht (Hg.), Quinti belli sacri scriptores minores, Genf 1879, S. 71 – 115, iii, S. 75: „milites nobiles & potentes“; Johannes von Tulbia, De domino Iohanne rege Iherusalem, in: Ebd., S. 117 – 140, iii, S. 120; Liber duellij christiani in obsidione Damiate exacti, in: Ebd., S. 141 – 165, viii, S. 146; Eracles, XXVII, v, S. 222; XXXII, vi, S. 335.

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die christ­liche Armee aufzulösen, deren Führer hätten aber aus Erfahrung die Betrügereien dieser „Füchse“ gekannt und daher vereitelt. Jakobs Dank gilt hier vor allem den Ritterorden und dem päpst­lichen Legaten, die sich gegen die Annahme des Angebotes ausgesprochen hatten.52 Eine ganz eigene, nicht weniger raffinierte, Taktik unterstellt Roger Wendover dem Sultan. Die Rückgabe des Heiligen Landes, so al-­Kāmil in einer fiktiven Rede, sei ein gerechtes Friedensangebot, da dem Christengott das zurückgegeben werde, was ihm gehöre. Sollten die Christen das Angebot ablehnen, so werde ihr gerechter und allmächtiger Gott ihnen zürnen, ihren Stolz verachten und ihnen seine Unterstützung entziehen.53 Eine dem Gegner in den Mund gelegte Lobrede auf die Macht des christ­lichen Gottes und die Unterstützung im Kampf durch direktes Eingreifen höherer Mächte erinnert an die Werke zum E ­ rsten Kreuzzug und ist für das späte 12. und das frühe 13. Jahrhundert eher untypisch. Gleiches gilt für die – fiktive – Reak­tion auf Niederlagen, die muslimischen Führern zugeschrieben wird. So habe der Sultan seinen Gott gelästert und Mohammed angekündigt, ihn fortan nicht mehr zu verehren.54 Ebenso ist das Auftauchen von Heiligen oder das direkte Eingreifen Gottes, indem er die Muslime mit Furcht schlägt 55, eher ein Merkmal der frühen Kreuzzugschronistik. Es bleibt unklar, warum ­solche Episoden in der Zeit des Fünften Kreuzzuges wieder etwas häufiger in den Quellen auftauchen. Sie passen aber insofern in die Zeit, als das euro­päische Islambild trotz verbreiterter Kontakte mit Muslimen und trotz gestiegenen Wissens auch im 13. Jahrhundert nach wie vor das alte war. So stehen neben Werken, in denen die Religion fast keine Rolle spielt, wie etwa im Eracles, ­solche wie die Zitierten, die den religiösen Charakter des Kampfes betonen, indem sie Gott oder Heilige direkt eingreifen lassen oder indem sie dem Leser die Machtlosigkeit Mohammeds vor Augen führen. In ­diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die für das Ende des 12. Jahrhunderts und den Dritten Kreuzzug maßgeb­lichen Werke von welt­lichen Autoren verfasst wurden („Ernoul“, Ambroise (umstritten), Richard von Holy Trinity zumindest als ehemaliger Kombattant) oder doch zumindest von Franken in Syrien (Wilhelm von Tyrus), während die Quellenlage eine Genera­tion ­später 52 Jakob von Vitry, Brief vom Frühjahr 1220, in: Vitry, Lettres, S. 138 ff: „Hii vero, qui experimento fraudes vulpium cognoverant […]“. 53 Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 57. 54 Johannes de Tulbia, De domino, lv, S. 136: „O Mahumet, usque hodie dilusisti me, certe si Christiani capiunt Damiatam, nec te colam, nec te adoro de cetero“; ähnl.: Liber duellij ­Christiani, xxxiii, S. 155. 55 Gesta obsidionis Damiate, xv, S. 84 f; Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 22, S. 198.

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von Werken von euro­päischen Klerikern oder Mönchen geprägt wird (Oliver von Paderborn, Jakob von Vitry, Roger Wendover und Matthäus Paris). Ob sich die Unterschiede so erklären lassen, muss zwar Vermutung bleiben, ist aber immerhin mög­lich, bedenkt man die Verschiebung des Türkenbildes in der Folge des ­Ersten Kreuzzuges durch die Neubearbeitung der Augenzeugenberichte durch Mönche. Nach dem gescheiterten Vorstoß nilaufwärts, bei der die türkische Reiterei noch einmal als bedroh­licher Gegner erschienen war,56 mussten die Kreuzfahrer, abgeschnitten von Damiette im Herbst 1221 kapitulieren und die Stadt an al-­Kāmil übergeben. Der Sultan erhält in den Quellen noch einmal ein Lob, weil er Wort gehalten und die Vertragsbedingungen erfüllt habe.57 Die Berichte zum Kreuzzug K ­ aiser Friedrichs II . 1227/28 sind zu knapp, als dass sich aus ihnen eine Haltung zum türkischen Gegner ablesen ließe, zu Kampfhandlungen kam es nicht. Was in lateinischen Quellen über Friedrichs Verhältnis zu den Muslimen und zu Sultan al-­Kāmil berichtet wird, orientiert sich darüber hinaus ohnehin überwiegend an der Haltung des jeweiligen Autors zum ­Kaiser als an seinem Bild vom Islam. Roger Wendover berichtet über kostbare Geschenke des Sultans an den K ­ aiser, erkennt aber auch, dass der Vertrags­ abschluss innenpolitischen Gründen im Ayyubidenreich geschuldet war.58 Laut Matthäus Paris hätten die Ritterorden den Aufenthaltsort des Kaisers an den Sultan übermittelt, in der Hoffnung, dieser lasse Friedrich gefangennehmen. Al-­Kāmil aber habe sich aufgrund des Friedensvertrages geweigert, dies zu tun und den Verrat an den Staufer übermittelt. Seit dieser Zeit ­seien die beiden Herrscher in Freundschaft verbunden gewesen.59 Interessanter in d ­ iesem Zusammenhang ist eine jüngst aufgestellte These zum Bild Friedrichs in muslimischen Quellen. Laila Atrache hat betont, dass nicht etwa ein Feindbildwandel ursäch­lich für den Vertragsschluss 1229 gewesen sei, sondern auf beiden Seiten Gründe des Machterhalts und -gewinns die entscheidende Rolle gespielt hätten. Die Gefühle persön­licher Freundschaft hätten wohl eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Atrache hat vor allem dargelegt, dass sich die positive Beschreibung des Kaisers durch muslimische 56 Oliver von Paderborn, Historia Damiatina, 75, S. 272: „apparuit equitatus Turcorum terribilis […]“. 57 Roger Wendover, Flores Historiarum, Bd. 4, S. 79. 58 Ebd., Bd. 4, S. 174 f; Bd. 4, S. 189. 59 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 3, S. 178 f.

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Autoren wesent­lich durch deren Bedürfnis erkläre, die Abtretung Jerusalems an die Christen zu rechtfertigen. Die Bedeutung des Interesses an dem christ­ lichen ­Kaiser sei in der Forschung bisher eher überschätzt worden. Dem muslimischen Publikum sollte gezeigt werden, dass sich Friedrich positiv von den anderen Franken unterscheide und dass trotz der Aufgabe Jerusalems der islamische Charakter der Heiligen Stadt gewahrt bleibe.60 Dies unterstellt, wäre die Entstehung des islamischen Friedrichbildes genau spiegelbild­lich zur Entstehung des christ­lichen Saladinbildes. In beiden Fällen bot das Gegenüber in den Augen der Chronisten positive Ansatzpunkte, die sich benutzen und ausbauen ließen um die Handlungen der eigenen Seite zu rechtfertigen. Dies gilt sowohl für Saladins großzügige Kapitula­tionsbedingungen und die unblutige Einnahme Jerusalems als auch für Friedrichs aufgeschlossene Haltung zum Islam und sein Interesse an den islamischen Wissenschaften. Ebenso gilt das für die Rechtfertigungsversuche der Poulains nach 1187 wie für diejenigen der Ayyubiden bei der Rückgabe Jerusalems 1229. In beiden Fällen wurde die positive Darstellung durch die Taktik der Autoren verstärkt, den Gegner zum ehrenhaften oder doch achtenswerten Feind zu machen und so eigenes Verhalten zu rechtfertigen. Natür­lich lagen dem reale Gegebenheiten zu Grunde: Ebensowenig wie Ernoul einen Christenschlächter zum edlen Heiden hätte stilisieren können, hätten die muslimischen Chronisten einen fanatischen Kreuzfahrer zum aufgeschlossenen Ausnahme-­Franken machen können. Dennoch spiegelten die literarischen Produkte nur die halbe Wahrheit wieder, denn allen Handlungen der Beteiligten lagen handfeste politische oder taktische Interessen zugrunde. Bei der Schilderung der christ­lichen Niederlage bei Gaza 1239 durch ein türkisches Heer werden die türkischen Krieger wiederum ganz tradi­tionell beschrieben. Vieles erinnert an die Beschreibungen der Schlacht von Doryläum 1097. Die Türken umzingeln die Christen, sind wild und tapfer, schleudern Steine und schießen Pfeile ab, die den Himmel verdunkeln. Und auch hier ist es dem Chronisten wichtig, den Lärm zu beschreiben, den das gegnerische Heer mittels Hörnern, Trommeln und anderen Instrumenten veranstaltete und der alle, die solches nicht gewohnt s­ eien erschrecke 61 – auch hier wieder eine Parallele zu den ersten Schlachtenschilderungen des ­Ersten Kreuzzuges. Die Rothelin-­Fortsetzung Wilhelms von Tyrus berichtet von durch die Pfeile 60 Atrache, Die Politik der Ayyubiden, S. 148 ff, 176 f. 61 Continua­tion de Guillaume de Tyr, dite du manuscrite de Rothelin, in: RHC occ. Bd. II, Paris 1859, S. 489 – 689, künft. zit. als Rothelin, XXVII, S. 543; XXVIII, S. 544; zum Ablauf der Schlacht siehe Marshall, Warfare, S. 177 ff.

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getöteten Pferden und vielen verletzten Menschen. Ein Beleg dafür, dass die türkischen Geschosse die Rüstungen der Ritter nicht voll durchdringen konnten, was aber am demoralisierenden Effekt des Pfeilbeschusses nichts geändert haben dürfte. Im Gegenzug weiß der Chronist aber ebenso von dem Respekt der Türken vor den fränkischen Armbrustschützen zu berichten.62 In der Tat waren kampfkräftige Fußtruppen mit Bögen und Armbrüsten gut zur Abwehr der türkischen Reiterkrieger geeignet. Wie schon in zahlreichen anderen Fällen, ändert die fremde Religion nichts an der Wertschätzung für die Türken oder deren Befehlshaber. Letzteren, Rukn ad-­Dīn al-­Hiǧāwī, beschreibt das Rothelin-­Manuskript als „Tur riche et puissant, bon chevalier et hardi.“63 Trotz der verheerenden Niederlage bei Gaza blieben die Franken ein Machtfaktor im politischen Spiel im Nahen Osten. Dies vor allem Dank der ständigen Auseinandersetzungen ­zwischen den ayyubidischen Teilherrschern, aus denen die Franken als begehrte Bündnispartner immer wieder territorialen Gewinn schlagen konnten. So erhielten sie 1240 vom ayyubidischen Herrscher von Damaskus ­aṣ-­Ṣāliḥ Ismāʽīl die Burgen Saphet und Beaufort sowie Jerusalem, ohne den heiligen Bezirk, im Gegenzug für ein Bündnis gegen den ägyptischen Sultan aṣ-­Ṣāliḥ Ayyūb. Nach einem kurzzeitigen Bündniswechsel auf die Seite des Ägypters taten sich die Franken allerdings 1244 wieder mit den Ayyubiden von Damaskus, ­al-­Karak und Ḥimṣ zusammen, da sie fürchteten, der Ägypter könne zu stark werden. Aṣ-­Ṣāliḥ suchte und fand Verbündete in Verbänden herrenloser Kipchak-­ Türken, die in jenen Tagen in Syrien und Mesopotamien Furcht und Schrecken verbreiteten. Diese als Choresmier bezeichneten Truppen waren die letzten Überreste des zentralasiatischen Choresmier-­Reiches, das kurz zuvor von den Mongolen und muslimischen Herrschern aus Mesopotamien und Anatolien zerschlagen worden war.64 Auf der Flucht vor den asiatischen Steppenkriegern fluteten die türkischen Krieger des geschlagenen Choresmier-­Schahs nach Westen, plünderten und verkauften ihre Dienste an den, der sie bezahlen konnte. 1244 folgten sie dem Ruf aṣ-­Ṣāliḥs und machten sich auf den Weg nach Süden. Sie plünderten das Umland von Damaskus und tauchten im Juli vor Jerusalem auf. Es kam zu Kämpfen und nach dem Abzug der christ­lichen Bevölkerung 62 Rothelin, XXVIII, S. 544; Marshall, Warfare, S. 160, 172. 63 Rothelin, XXV, S. 537. 64 Claude Cahen, The Turks in Iran and Anatolia before the Mongol Invasions, in: Kenneth M. Setton, Robert Lee Wolff, Harry W. Hazard (Hg.), A History of the Crusades, Bd. 2: The later Crusades 1189 – 1311, Madison 1962, S. 661 – 692, S. 670 ff.

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fielen die Choresmier über die Stadt her, wobei sie nach Zeugnis der zeitgenös­ sischen Chroniken wenig Achtung vor den Heiligen Stätten zeigten. Dies führte nicht nur dazu, dass die Söldner in der christ­lichen Chronistik als besonders verachtenswert geschildert wurden, man lernte plötz­lich auch die positiven Seiten der syrischen Sarazenen zu schätzen, da diese den Heiligen Stätten immerhin stets Respekt entgegengebracht hätten.65 Die, ebenfalls muslimischen, Choresmier dagegen wurden in den düstersten Farben geschildert, aus den Ländern des Orients ­seien grausame Bestien hervorgebrochen. Die Untaten, die man ihnen zuschrieb, erinnern sehr an das, was man den Türken zu Zeiten des ­Ersten Kreuzzuges unterstellte, so etwa das Köpfen eines Priesters beim Zelebrieren der Messe. Außerdem ­seien die Grabeskirche und die Gräber der Könige von Jerusalem geschändet worden.66 Ebenso werden die Choresmier als grausamstes aller Völker bezeichnet.67 Die Choresmier sollen nach den diversen Berichten auch eine besonders perfide List angewandt haben. Nachdem unter Vermittlung des ayyubidischen Herrschers von al-­Karak, damals ein Verbündeter der Franken, ca. 6.000 Christen die Stadt Richtung Küste verlassen konnten, hätten die Choresmier ein frän­ kisches Banner auf den Mauern errichtet. Dies sei den Christen aufgefallen, habe sie in der falschen Annahme, Hilfe sei eingetroffen zur Rückkehr in die Stadt veranlasst, wo sie einem Massaker der dort wartenden Choresmier zum Opfer gefallen ­seien.68 Damit nicht genug, wurden die Überlebenden auf dem Weg zur Küste Opfer der Überfälle von vertragsbrüchigen Beduinenstämmen. Der Patriarch von Jerusalem wusste ebenfalls zu berichten, die Choresmier hätten keinen festen Wohnort und würden von den islamischen Herrschern wegen ihrer Wildheit auch kein Asyl erhalten. Ausnahme sei frei­lich der Sultan von Ägypten, der den Choresmiern das Heilige Land zur Ansiedlung versprochen habe. 69 65 Brief des Patriarchen Robert von Jerusalem vom 25. 11. 1244 bei Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 4, S. 340. 66 Ebd., S. 338: „Egressa de finibus orientis crudelitas bestialis in Jerosolimitanam provinciam est conversa.“, 340; Rothelin, XLI, S. 563. 67 Matthäus Paris, Chronica majora, S. 338, 68 Ebd., Bd. 4, S. 306; Brief des Johannitermeisters Wilhelm von Chateauneuf, Ebd., S. 308; zum Massaker auch Eracles, XXXIII, lvi, S. 428; Annales de Terre Sainte, hrsg. von Reinhold Röhricht und Gaston Raynaud, in: Archives de l’Orient Latin 2 (1884), S. 427 – 461, S. 17, siehe auch Peter W. Edbury, A new text oft he Annales de Terre Sainte, in: Iris Shagrir, Ronnie Ellenblum, Jonathan Riley-­Smith (Hg.), In laudem Hierosolymitani. Studies in Crusades and medieval culture in honour of Benjamin Z. Kedar, Aldershot 2007, S. 146 – 161, S. 154. 69 Rothelin, XLI, S. 563; Brief des Patriarchen Robert von Jerusalem bei Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 4, S. 338 f.

Das Türkenbild zwischen 1193 und 1249  |

An dem rücksichtslosen Vorgehen der Choresmier bei der Plünderung der Stadt dürfte nicht zu zweifeln sein. Es hat bei den Zeitzeugen einen tiefen Eindruck hinterlassen, sodass sie in d ­ iesem Zusammenhang die „guten“ syrischen Sarazenen von den „wilden“ Choresmiern abzugrenzen begannen. Für letztere begann man unter dem Eindruck der Invasion wieder Begriffe zu verwenden wie für die Türken zur Zeit des E ­ rsten Kreuzzuges. Ebenso wie 150 Jahre zuvor betonte man nun auch wieder die Schändung heiliger Orte und die Gewalt gegen Priester. Angesichts der neuen sarazenischen Bedrohung wurde die religiöse Ebene, wie beim ­Ersten Kreuzzug, wieder stärker betont. Die türkischen Mamluken oder die Rum-­Seldschuken in Kleinasien dagegen besaßen zu dieser Zeit für die Chronisten schon längst nicht mehr jenen apokalyptischen Charakter. Sicher waren sie für die Chronisten Ungläubige, es gab Kriege und Gewalt, die Türken waren aber nichts Außergewöhn­liches mehr, das man mit dras­tischen Worten beschreiben musste. Es verwundert nicht, dass Matthäus Paris die Vernichtung der letzten choresmischen Verbände durch ein musli­ misches Heer 1246 begrüßt und dies als Rache Gottes ansieht.70 Nach der Plünderung Jerusalems zogen die Choresmier weiter nach Süden, wo sie sich mit ihren ägyptischen Verbündeten vereinigten. Am 17. Oktober 1244 trafen sie bei dem Ort La Forbie in der Nähe von Gaza auf das Heer der Franken und ihrer ayyubidischen Verbündeten aus Damaskus, al-­Karak und Ḥimṣ. Die Alliierten erlitten eine furchtbare Niederlage, für die Franken war es die schlimmste Katastrophe seit Ḥaṭṭīn. Die hohen Verluste konnten die Kreuzfahrerherrschaften niemals wieder ersetzen.71 Bei der Schlachtenschilderung werden die Gegner, also auch die Choresmier, neutral geschildert. Die Rothelin-­Manuskripte sprechen gar von einem tapferen Angriff beider Seiten und einem harten Kampf, schildern also den Gegner positiv, da militärisch tüchtig. Auch die eigenen Verbündeten hätten große Waffentaten vollbracht, bevor sie durch hohe Verluste geschwächt überwältigt worden ­seien. Erstaunt und anerkennend erwähnt der Chronist, obwohl Sarazenen gegen Sarazenen gekämpft hätten, hätten sie sich nicht geschont, sodass man nicht hätte glauben wollen, dass sie demselben Glauben angehörten.72 Obwohl sich die Stelle in dem bereits zitierten Brief des Patriarchen so liest, als ­seien die Verbündeten schnell geflohen 73, wird wieder einmal deut­lich, 70 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 4, S. 501, 634. 71 Siehe dazu etwa, Thorau, Sultan Baibars, S. 39 f. 72 Rothelin, XLI, S. 564. 73 Brief des Patriarchen Robert von Jerusalem bei Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 4, S. 341.

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dass für die Chronisten bei der Beurteilung von militärischen Qualitäten die Religion, blieb sie auch ein Trennungsmerkmal, in den Hintergrund trat. Die hohen Verluste unter den Christen erwähnen alle Quellen, teilweise mit einer genauen Aufzählung.74 Erst nach der Schlacht sind die Choresmier für den Rothelin-­Autor wieder stolz und hochmütig, als sie ganz in der Nähe Akkons ihr Lager aufschlugen und, ohne Bedrohung durch das nicht mehr existente christ­liche Heer, so taten, als gehöre ihnen das Land.75 Stolz und Hochmut hatte man den Türken in den Werken zum ­Ersten Kreuzzug ebenfalls häufiger zugeschrieben. Dem Einfall der Choresmier und der verheerenden Niederlage von La Forbie folgte ein Hilferuf an die Herrscher Europas, denn ohne fremde Hilfe drohte der Verlust der den Christen noch verbliebenen Territorien. Allein die Ritterorden garantierten das Überleben der nach der Schlacht stark geschwächten fränkischen Herrschaften. Die Bitte um Unterstützung verhallte in Europa nicht ungehört. König Ludwig IX. von Frankreich, s­ päter heilig gesprochen, nahm das Kreuz und rüstete ein Heer aus.76 1248 schiffte er sich in Richtung Osten ein. Dort angekommen einigte man sich, wie schon 30 Jahre zuvor, auf Ägypten als Angriffsziel, sodass schließ­lich am 4. Juni 1249 erneut eine christ­ liche Flotte vor Damiette die Anker warf.

11.3 Mamlukische R itter: Die Türken im Werk Joinvilles und anderer Chronisten des Siebten Kreuzzuges (1249 – 1250) Wichtigste Quelle für den Kreuzzug Ludwigs IX. von Frankreich ist das Werk Johanns von Joinville. Der Adlige Joinville, Seneschall der Champagne und Vertrauter des Königs, begleitete Ludwig nach Ägypten und ist daher Augenzeuge der von ihm geschilderten Ereignisse. In der Forschung besteht allerdings Uneinigkeit darüber, wann die Kapitel über den Kreuzzug in seiner Histoire de Saint Louis niedergeschrieben wurden. Monfrin plädiert für eine Fertigstellung zusammen mit dem Rest des Werkes in den Jahren 1305 – 1309. Andere Forscher, 74 Ebd., S. 342; Eracles, XXXIII, S. 430; Rothelin, XLI, S. 564. 75 Rothelin, XLI, S. 565. 76 Peter Jackson zufolge konnte Ludwig bei der Kreuznahme im Dezember 1244 noch nichts von der Niederlage bei La Forbie wissen. Jackson vermutet daher, dass die Kreuznahme Ludwigs eine Reak­tion auf die Plünderung Jerusalems im August 1244 war, siehe Peter Jackson (Hg.), The Seventh Crusade, 1244 – 1254. Sources and Documents (Crusade Texts in Transla­tion 16), Aldershot 2007, S. 17.

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wie Gaston Paris oder Caroline Smith, verlegen den Abfassungszeitpunkt in die 1270er Jahre oder doch zumindest auf einen deut­lich früheren Zeitpunkt als den Rest der Histoire de Saint Louis.77 Es gilt daher zu berücksichtigen, dass das Werk wohl zumindest etwa 20 Jahre nach dem Kreuzzug entstanden ist, eventuell sogar erst über 50 Jahre ­später. Für das vorliegende Thema im Blick zu behalten ist aber auch die Tatsache, dass mit Joinville wieder ein Laie und Kombattant als Chronist eines Kreuzzuges in Erscheinung tritt. Dieser Umstand verdient besondere Beachtung dadurch, dass Johnvilles Lebensbeschreibung Ludwigs IX. nicht wie andere Werke nur den heiligen König in Zusammenhang mit dessen Kanonisa­tion zeigen will, „er führt auch den Krieger vor, den Ritter-­König.“78 Nach Ansicht Paul Archambaults ist Joinvilles Text nicht einmal als Werk über das Leben des Königs anzusehen.79 Sein Werk hebt sich damit von der Arbeit des Franziskaners Wilhelm von St. Pathus ab. Dieser war der Beichtvater, zunächst der Königin, dann von Ludwigs Tochter. Er kannte den König nicht persön­lich und schrieb wohl um 1303, nach dessen Kanonisa­tion. Wilhelm benutzte das Dossier des Kanonisa­ tionsverfahrens als Quelle, sein Werk trägt hagiographische Züge und der König wird heiligenmäßig stilisiert. Erhalten ist nur die franzö­sische Übersetzung ­seines lateinischen Werkes.80 Vor der Kanonisa­tion, aber ebenfalls mit größerem zeit­lichem Abstand zum Kreuzzug, schrieb Wilhelm von Nangis, Mönch in St. Denis, sowohl in seiner Vita Ludwigs als auch in seiner Chronik über das Unternehmen. Aber auch bei ihm trägt Ludwig bereits die Züge eines Heiligen, Wilhelm berichtet über die ersten angeb­lich vom König gewirkten Wunder.81 Darüber hinaus und zeitnäher widmen sich Briefe, kleinere Berichte und der Engländer Matthäus Paris dem Feldzug. Ähn­lich wie Joinville bietet die aus Europa stammende Rothelin-­ Fortsetzung Wilhelms von Tyrus eher einen romantisch-­ritter­lichen Blickwinkel auf das Unternehmen Ludwigs IX.82 77 Siehe dazu: Caroline Smith, Crusading in the age of Joinville, Aldershot 2006, S. 48 ff; Dirk Reitz, Die Kreuzzüge Ludwigs IX. Von Frankreich 1248/1270 (Neue Aspekte der euro­päischen Mittelalterforschung 3), Münster 2005, S. 24; Jacques le Goff, Ludwig der Heilige, Paris 1996, dt. Ausgabe Stuttgart 2000, S. 420. 78 Le Goff, Ludwig, S. 418. 79 Reitz, Kreuzzüge, S. 28; Paul Archambault, Joinville: History as chivalric code, in: Paul A ­ rchambault, Seven French chroniclers. Witnesses to history, Syracuse 1974, S. 41 – 57, S. 129 – 131, S. 45, 55. 80 Reitz, Kreuzzüge, S. 15 f; Le Goff, Ludwig, S. 296. 81 Le Goff, Ludwig, S. 314 ff. 82 Margaret Ruth Morgan, The Rothelin Continua­tion of William of Tyre, in: B. Z. Kedar, H. E. Mayer, R. C. Smail (Hg.), Outremer. Studies in the history of the crusading kingdom of

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Bereits bei der Landung der franzö­sischen Streitmacht bringt Joinville in einer farbenfrohen Schilderung seinen Respekt vor den am Strand aufmarschierten türkischen Einheiten, unter denen er fälschlicherweise auch den Sultan sieht, zum Ausdruck. In ihren Rüstungen, die im Sonnen­licht glänzten, s­ eien die Kämpfer fein anzuschauen gewesen. Joinville erwähnt ebenso den Lärm, den die Türken mit Trommeln und Hörnern veranstaltet hätten.83 Caroline Smith sieht in dieser für die Kreuzzugschronistik ungewöhn­lich bildhaften Beschreibung feind­licher Einheiten den Einfluss der Chansons de Geste auf Joinvilles Werk, der mittels dieser Technik versucht habe, dass Publikum stärker in das Geschehen einzubeziehen. Die Erwähnung des Lärms diene aber auch dazu, die Stärke der feind­lichen Armee zu betonen.84 Ein nicht uninteressanter Aspekt, bedenkt man, dass die Betonung des Lärms türkischer Heere seit Doryläum 1097 fast ein Stereotyp der Schlachtenschilderungen geworden war. Es ist durchaus plausibel, dass die Chronisten in diesen Situa­tionen die Stärke und Bedroh­ lichkeit des Gegners hervorheben wollten. Dient Lärm demnach einerseits als Metapher für Stärke, so fanden die Instrumente andererseits aber wohl auch einfach deshalb Erwähnung, weil sie den Franken unbekannt beziehungsweise weil die Verwendung in dieser Intensität im Krieg ihnen unbekannt war. Der Einsatz von Trommeln oder Ähn­lichem durch Muslime wurde in der Epik immer wieder beschrieben und es steht zu vermuten, dass die Westeuropäer Trommeln in verschiedenen Formen von den Muslimen übernommen haben,85 so insbesondere auch die hier von Joinville erwähnten Kesselpauken. Positiv über die Verteidiger äußern sich auch die Rothelin-­Manuskripte. Diese erwähnen den Tod von Rukn ad-­Dīn al-­Hiǧāwī in dieser Schlacht, der Mann, der die türkischen Truppen in der Schlacht von Gaza 1239 kommandiert hatte. Der Emir, im Text als chevalier bezeichnet, sei kühn und erfahren im Kriegshandwerk.86

Jerusalem. Presented to Joshua Prawer, Jerusalem 1982, S. 244 – 257, S. 251, 255. 83 Jean de Joinville, Histoire de Saint Louis, hrsg. von Natalis de Wailly (Histoire de Saint Louis, credo et lettre a Louis X.), Paris 1874, XXXII, 148, S. 82: „moult beles gens à regarder; car li soudans porte les armes d‘or, là où li soleus feroit, qui fesoit les armes resplendir. La noise que il menoient de lour nacaires et des lors cors sarrazinnoiz estoit espouentable à escouter.“ 84 Smith, Crusading, S. 63; siehe zu Kriegsgeschrei auch Prietzel, Kriegführung, S. 66 ff. 85 Tamburin, in: Andreas Unger, Von Algebra bis Zucker. Arabische Wörter im Deutschen, Stuttgart 2006, S. 228 f. 86 Rothelin, LIX, S. 591: „Li Rous, qui ot esté chevetainnes en la bataille […] devant Gadres, fu occis en cele bataille. C’estoit, ce disoit l’en, li plus granz sirez de toute la terre d’Egypte après le soudant, et bonz chevalierz, et hardiz et saiges de guerre.“

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Infolge der Niederlage am Strand zogen sich die ayyubidischen Truppen nicht nur von der Küste zurück, sondern räumten gar ohne Not das mit Vorräten wohl versorgte Damiette. Ein Verhalten, das Sultan aṣ-­Ṣāliḥ mit der Hinrichtung der Offiziere der Garnison aus dem Regiment der Banū Kināna ahndete. Die Verantwortung, die der Oberbefehlshaber der Feld-­Armee, der mächtige Emir Faḫr ad-­Dīn, an den Ereignissen trug, musste der Sultan dabei allerdings aus politischen Gründen übergehen. Es verwundert nicht, dass die Franken in dem unerwartet schnellen Erfolg ein Eingreifen Gottes sahen. Während Joinville in angeb­lichen Gerüchten über den Tod des Sultans im muslimischen Heer den Grund für den Rückzug sieht, spielt bei Matthäus Paris die Religion eine viel stärkere Rolle. Er bringt eine fiktive Geschichte, die vielen ähn­lichen Episoden aus den frühen Kreuzzugschroniken gleicht. Der befehlshabende Emir rechtfertigt sich vor dem Sultan damit, dass Ludwig IX. eigent­lich habe Alexandria angreifen wollen und er folg­lich dort die Masse seines Heeres sta­tioniert habe. Der Wind habe die christ­liche Flotte aber nach Damiette abgetrieben. Die Behauptung, ursprüng­liches Angriffsziel sei Alexandria gewesen, findet sich soweit auch in anderen Quellen. Angesichts der christ­lichen Übermacht, so berichtet der Emir weiter, habe er den Rückzug befehlen müssen, deswegen aber das Gesetz Mohammeds verflucht und verachtet. Daraufhin habe aṣ-­Ṣāliḥ den Emir wegen Blasphemie bestrafen lassen. Der Bruder des Emirs aber, Befehlshaber der Garnison von Kairo, habe den Christen darauffolgend angeboten, die Tore der Stadt zu öffnen und sich taufen zu lassen. Paris bringt hier zugleich seine Erklärung für den Vormarsch der Franken nach Süden ­später im Jahr.87 In der Zwischenzeit kam es zu kleineren Gefechten. Von Joinville erfährt der moderne Leser während dieser Zeit Details über die türkische Reiterei. So berichtet der Franzose, Walter von Autrèches sei von seinem Pferd abgeworfen worden, das daraufhin zu den türkischen Reihen gallopiert sei. Der Autor erklärt dies damit, dass die Türken mehrheit­lich auf Stuten geritten ­seien. Es besteht kein Grund, an der Aussage des Augenzeugen zu zweifeln, zumal Joinville als Adliger durchaus ein Interesse für Pferde gehabt haben dürfte.88 Ende November brach das Kreuzheer von Damiette auf und marschierte am Nil entlang nach Süden. Wieder einmal befand sich das Ayyubidenreich in einer krisenhaften Lage, denn aṣ-­Ṣāliḥ war wenige Tage zuvor gestorben 87 Joinville, Histoire de St. Louis, XXXV, 163, S. 90; Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S.  139 ff. 88 Joinville, Histoire de St. Louis, XXXVII, 174, S. 96.

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und sein designierter Nachfolger, sein Sohn Tūrānšāh, befand sich in Syrien. Während die abendländischen Quellen wenig Positives über aṣ-­Ṣāliḥ zu berichten wussten,89 hatte er doch 1244 die Choresmier ins Land gerufen, lobten die euro­päischen Autoren den Emir Faḫr ad-­Dīn, der im Zusammenspiel mit aṣ-­Ṣāliḥs Witwe Šaǧar ad-­Durr und dem Befehlshaber der Mamluken Ǧamāl ad-­Dīn Muḥsin bis zur Ankunft des neuen Sultans die Zügel des Reiches in der Hand hielt. Für den Rothelin-­Fortsetzer ist Faḫr ad-­Dīn ein weiser und tapferer Ritter und guter Krieger, Joinville bezeichnet ihn als tapferen und hochgeschätzten Mann.90 „Scecedin“ wie er in der Histoire de St. Louis genannt wird, sei von ­Kaiser Friedrich II . zum Ritter geschlagen worden. Joinville nimmt hier Bezug auf die Freundschaft z­ wischen dem Emir und dem K ­ aiser, die während Faḫr ad-­Dīns Gesandtschaftsreisen im Auftrag ­al-­Kāmils in den 1220er Jahren entstanden war. Das Banner Faḫr ad-­Dīns trage aus ­diesem Grunde an erster Stelle das Wappen des Kaisers und erst dann die der Sultane von Aleppo und Ägypten. Sowohl die Tatsache, dass es sich um das Wappen des Kaisers handelte, wie auch der von Joinville beschriebene Aufbau des Wappens an sich ist von der Forschung als unwahrschein­lich zurückgewiesen worden. Allerdings war das Adlerwappen im muslimischen Ägypten nicht selten, sodass Joinville ein solches für den kaiser­lichen Adler des Staufers gehalten haben könnte.91 Im Dezember schlugen die Kreuzfahrer ihr Lager an einem Nilarm gegenüber der befestigten Stadt Mansurah auf. Die Überquerung des Flusses gelang trotz mehrmaliger Versuche erst im Februar 1250 als ein Beduine den Christen eine Furt gezeigt hatte. Sofort nach der Flussüberquerung griff die Vorhut unter Robert von Artois, dem Bruder Ludwigs, das Lager der völlig überraschten Sarazenen vor Mansurah an und nahm es ein.92 Bei dieser Schlacht kam auch Faḫr ad-­Dīn ums Leben, der angeb­lich im Bad von dem fränkischen Agriff überrascht worden sein soll.93 89 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S. 107; Wilhelm von Nangis, Gesta Sancti Ludovici/ Vie de Saint Louis, in: Pierre Claude François Daunou, Joseph Naudet (Hrsg.), RHF XX, Paris 1840, S. 309 – 462, S. 366 f. 90 Rothelin, LXIII, S. 599: „[…] grant amiraut riche et puissant, preude chevalier et saige, et bon guerreur“; Joinville, Histoire de St. Louis, XLI, 196, S. 108; XLII, 198/199, S. 108 ff. 91 William Leaf, Saracen and Crusader heraldry in Joinville’s History of Saint Louis, in: Journal of the Royal Asiatic Society (New Series) 115 (1983), S. 208 – 214, S. 212 hält das von Joinville beschriebene dreigeteilte Banner erst für Ende des 14. Jahrhunderts für belegt; Ernst K ­ antorowicz, ­Kaiser Friedrich der Zweite, Ergänzungsband, Neudruck Düsseldorf 1963, S. 68, Anm. 174. 92 Reitz, Kreuzzüge, S. 141 ff. 93 Ibn Wāṣil, Mufarrij al-­kurūb fī akhbār banī Ayyūb, in: Jackson, The Seventh Crusade, , S. 143.

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Gegen den Rat anderer Kreuzfahrer, etwa der Tempelritter, befahl Robert von Artois den Angriff auf die Stadt, ohne auf das Hauptheer zu warten. ­aṣ-­Ṣāliḥs Baḥriyya-­Mamluken, die sich nach dem Verlust ihres Lagers innerhalb der Stadtmauern wieder gesammelt hatten, ließen die Franken in die Stadt eindringen und fielen dann über die in den engen Gassen eingezwängten christ­lichen Ritter her. In d ­ iesem Kampf wurde die Vorhut von Ludwigs Heer völlig vernichtet, auch sein Bruder Robert fand den Tod.94 Joinville befand sich zusammen mit Ludwig beim Hauptheer und erwähnt die Schlacht und das Schicksal der Beteiligten nur kurz, auch der Rothelin widmet dem Kampf innerhalb der Stadt nur wenig Aufmerksamkeit. Allerdings entschuldigt Joinville das unüberlegte Vorpreschen Roberts mit der Taubheit seines Adjutanten.95 Andere Quellen stellen Robert deut­lich negativer dar, vor allem geben sie mitunter recht ausführ­lich die bereits angesprochenen Vorurteile der Europäer gegenüber der Führungsschicht der Kreuzfahrerstaaten wieder. Robert will angreifen, der Meister der Templer aber rät dazu, auf die Ankunft des Hauptheeres zu warten. Daraufhin wirft Robert ihm mangelnden Kampfgeist und Feigheit vor und behauptet, wenn die Ritterorden und die einheimischen Adligen es wirk­lich wollten, hätte das Heilige Land schon längst erobert werden können. Als eng­lische Kreuzfahrer ebenfalls zur Vorsicht raten, da die Sarazenen ein „wilder, grausamer und listiger“ Menschenschlag ­seien, verhöhnt Robert auch die Engländer.96 Um ihre Ehre nicht zu verlieren, folgen ihm schließ­lich alle Beteiligten beim Sturm auf Mansurah. Es sind ebensolche Vorwürfe wie die Roberts, denen sich 60 Jahre zuvor auch Ernoul und andere orienta­lische Franken ausgesetzt sahen und die nach der hier vertretenen Meinung maßgeb­lich zur Entstehung des Saladinbildes in den Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus beitrugen. Die längste Abhandlung über die Kämpfe in der Stadt findet sich in einem Gedicht, das sich dem Schicksal der beteiligten Engländer widmet und in seinem Inhalt starken Bezug zu ritter­lichen Heldenepen aufweist. Erzählt wird der aussichtslose Kampf der wenigen christ­lichen Ritter gegen die feind­liche Übermacht. Eine geradezu klas­sische Darstellung. Zum ersten Mal seit Robert dem 94 Siehe dazu auch Thorau, Sultan Baibars, S. 47 ff. 95 Joinville, Histoire de St. Louis, XLV, 218, S. 120. 96 Rothelin, LXIV, S. 604: „Si li Templier et li Hospitalier et li autre qui sont de cest paiz vousissent, la terre fust ore grant piece a conquise“; The Assault of Mansurah, in: Samuel Bentley (Hg.), Excerpta Historica or Illustra­tions of English History, London 1831, S. 64 – 84, S. 71, 72, Z. 94: „Sarazins sunt fel & frus & felouns gentz“; Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S. 149.

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Mönch begegnet einem hier wieder der Vorwurf, die Türken hätten vergiftete Pfeile benutzt.97 Die Türken sind wild, perfide, eine erbärm­liche Rasse.98 Jeder der beteiligten Kreuzfahrer vollbringt in dem Gedicht noch ruhmvolle Heldentaten, bevor er schließ­lich von der Übermacht überwältigt wird, so tötet etwa jeder noch einen Emir. Der Sultan bietet schließ­lich einem verwundeten Engländer die Kapitula­tion an (bemerkenswerterweise ohne dass dieser konvertieren soll), woraufhin sich dieser weigert, vor einem Sarazenen die Waffen zu strecken. Der Sultan droht ihm daraufhin, er werde von „grausamen Sarazenen“ in Stücke gehauen und der Christengott könne ihm nicht helfen.99 Der Großteil dieser detailliert geschilderten Kampfhandlungen dürfte Fik­tion vor dem realen Hintergrund der Schlacht sein. Auch war der Autor nicht sonder­lich gut informiert, da sich kein Sultan in Mansurah aufhielt (aṣ-­Ṣāliḥ war wie erwähnt bereits am 22./23. November gestorben und sein Nachfolger Tūrānšāh traf erst am 24. Februar in Ägypten ein), dennoch dürfte das Gedicht wohl einen recht guten Eindruck davon geben, wie die Ereignisse von Soldaten, Rittern und Spielleuten in den Jahren nach dem Kreuzzug in Europa dargestellt wurden. Der Autor des Rothelin-­Manuskriptes gesteht den Türken aber immerhin zu, aus Rache für den Tod ihrer Kameraden zu kämpfen, den sie bei der Eroberung des Lagers durch die Franken hatten mitansehen müssen. Bei Matthäus Paris liegt ihre Motiva­tion darin, dass sie, am Rande einer vollständigen Niederlage, zum Wohle ihrer Frauen und Kinder besonders hart kämpften.100 Nach dem Untergang der Vorhut in den Gassen der Stadt erreichte schließ­ lich auch das Hauptheer das süd­liche Ufer des Nilarmes, wo es sich heftiger Angriffe erwehren und das muslimische Lager zum zweiten Mal an ­diesem Tag erobern musste. Sowohl Joinville, als unmittelbarer Augenzeuge, als auch der Rothelin-­Autor widmen ­diesem Abschnitt der Kämpfe einen wesent­lich breiteren Raum als dem Geschehen in Mansurah selbst. Joinville wohl auch deshalb, weil die Stellung gehalten werden konnte und er den Anteil Ludwigs an d ­ iesem 101 Zwischenerfolg herausstellen konnte. Wieder einmal wird eindring­lich der Lärm beschrieben, den die Türken mit Hörnern und Trommeln veranstalteten und der Schrecken, den dies bei ihren Gegnern auslöste. Ebenso typisch ist die Erwähnung der dichten Pfeilwolken. 97 Bentley (Hg.), Assault, S. 73, Z. 123; S. 74, Z. 158. 98 Ebd., S. 72, Z. 105; S. 74, Z. 154; S. 75, Z. 181, 189; S. 77, Z. 246. 99 Ebd., S. 77, Z. 243 ff; S. 82, Z. 381 ff. 100 Rothelin, LXIV, S. 605; Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S. 149. 101 Joinville, Histoire de St. Louis, XLVIII, 236, S. 130.

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Darüber hinaus war den Kreuzfahrern die Gegenwehr erschwert, da die Armbrustschützen zum Großteil mit der Vorhut gefallen waren und die Muslime jeden gefangenen Schützen töteten, da sie jene Waffe fürchteten.102 Die Pfeile durchdrangen aber kaum die fränkischen Rüstungen, sodass die Franzosen, obwohl mit Pfeilen bedeckt, ledig­lich Verwundete zu beklagen hatten.103 Aus ­diesem Grund kam es anschließend zu heftigen Nahkämpfen, über die sich ­Joinville begeistert äußert. Die Türken erwiesen sich für den Franzosen hier auch als achtbarer und gefähr­licher Gegner im Kampf mit dem Schwert. ­Joinville lobt ausdrück­lich die Waffentaten, da gerade keine Fernwaffen verwendet ­worden ­seien.104 Diese Haltung ist nicht neu: Auch bei früheren Kreuzzügen ­wurden die Türken zwar beim Gebrauch von Fernwaffen nicht verachtet, ja sogar gefürchtet, aber doch bei Nahkämpfen oder Kämpfen um Befestigungswerke besonders gewürdigt. Die Wucht des türkischen Angriffs war laut Joinville so stark, dass einige Franzosen versuchten, über den Fluss zurückzuschwimmen. Der Rothelin-­Autor versichert, niemals habe man in Outremer einen so kühnen und heftigen Angriff erlebt. Die Sarazenen hätten den Tod nicht gefürchtet und ­seien aufgrund ihrer Wildheit kaum mehr wie Menschen erschienen.105 Zu beachten ist sicher auch, dass die beteiligten mamlukischen Elite-­Regimenter über eine schwerere und bessere Bewaffnung verfügt haben dürften als sonstige türkische Einheiten. Joinville, wie auch in geringerem Maße die Rothelin-­Manuskripte, schildern die Schlacht, ohne negative Adjektive für die Sarazenen zu verwenden. Sie unterscheiden sich in ­diesem Punkt deut­lich von dem Gedicht über die Schlacht in Mansurah. Bei Joinville sind die Türken an dieser Stelle gleichwertige Gegner wie andere auch, ohne Rücksicht auf Religionsunterschiede, während das Gedicht doch eher ein populäres, volkstüm­liches und farbenprächtiges Bild vom sarazenischen Gegner liefert, der aber auch dort als respektabler Gegner auftritt. Obwohl das Kreuzheer den völligen Untergang nach der Katastrophe in Mansurah vermeiden konnte, war seine Offensivkraft gebrochen. Doch anstatt sich nach Damiette zurückzuziehen, verschanzten sich die Franken in ihrem Lager, wo sie sich feind­lichen Angriffen ausgesetzt sahen. 102 Rothelin, LXIV, S. 606; Brief eines Tempelritters (?) 1250, in: Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 6, S. 192 f; Joinville, Histoire de St. Louis, L, 243, S. 134. 103 Joinville, Histoire de St. Louis, XLIX, 241, S. 132 erwähnt positiv, dass er aufgrund seines gefütterten Wamses „nur“ an fünf Stellen verwundet worden sei, sein Pferd an 15. 104 Ebd., XLVII, 229, S. 126; siehe auch Rothelin, LXIV, S. 606. 105 Joinville, Histoire de St. Louis, XLVIII, 235, S. 128; Rothelin, LXIV, S. 608.

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Mitglieder der Beduinenstämme schlichen sich ins Lager, töteten und stahlen. Joinville nutzt dies zu einer Beschreibung d ­ ieses Volkes, die dem ähnelt, was schon Jakob von Vitry geschrieben hatte, aber, typisch für Joinville, noch mehr ins Detail geht. So beschreibt er genau Kleidung und Zelte der Nomaden und auch er erwähnt, dass die Beduinen ohne Rüstung und nur mit Schwert und Speer bewaffnet kämpfen. Aber im Unterschied zu Jakob von Vitry verachten die Beduinen in Joinvilles Darstellung nicht die Sarazenen wegen deren Fernkampfweise, sondern die Franken wegen deren Eisenrüstungen. Interessanterweise erwähnt der franzö­sische Adlige, er habe nie Schlechtes über die Beduinen gehört, obwohl diese Dinge stehlen würden. Dies sei eben ihre Lebensweise.106 In christ­lichen Quellen werden die Beduinen eher postiv dargestellt, dies im Unterschied zu den ebenfalls nomadischen und ebenfalls leicht bewaffneten Turkmenen, die einen besonders negativen Ruf genossen. Dies mag zum Einen mit der Kampfweise zusammenhängen, da die Beduinen wie erwähnt ebenfalls mit Schwert und Lanze kämpften. Eine Rolle mag aber auch gespielt haben, dass die Turkmenen in der Ghazi-­Tradi­tion der islamischen Grenzkrieger besonders gegen Christen eingesetzt wurden, während die Beduinen ein wechselndes Bündnisverhalten an den Tag legten. Darüber hinaus war Joinville der Meinung, sie glaubten nicht an Mohammed, sondern an dessen Onkel Ali. Er missversteht hier zwar den schiitischen Glauben, mög­licherweise trug aber die Meinung, die Beduinen lehnten den verhassten Mohammed ab, ebenfalls zu einer etwas positiveren Einschätzung bei. Die Kämpfe, die sich in der Folgezeit um das christ­liche Lager abspielten, nutzt Joinville zu einer Beschreibung der Institu­tion der Mamluken. Im Wesent­lichen beschreibt er den Werdegang eines mamlukischen Kriegers korrekt, beginnend mit dem Kauf als Sklave, der Ausbildung und schließ­ lich einer Karriere im Dienst des Sultans. In der Histoire de St. Louis ist die Beschreibung noch detailreicher als bei Wilhelm von Tyrus 80 Jahre zuvor. Joinville beschreibt sogar einzelne Banner und Abzeichen sowie die Elite­ regimenter Ḥalqa und Baḥriyya.107 Das ayyubidische Ḥalqa Regiment scheint eine Art Elitetruppe unter dem persön­lichen Befehl des Sultans gewesen zu sein. Nachweise für ein solches Regiment finden sich vor allem für die Zeit Saladins, dann aber erst wieder für die letzten Jahre der Herrschaft aṣ-­Ṣāliḥs, 106 Joinville, Histoire de St. Louis, L, 248, S. 136; LI, 249 ff, S. 136 ff. 107 Joinville, Histoire de St. Louis, LVI, 280 ff, S. 154 ff: „Et est voirs que le plus de lour chevalerie il avoient fait des gens estranges, que marcheant prenoient en estranges terre pour vendre […]“.

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also gerade für die Zeit des Siebten Kreuzzuges.108 Bei den Baḥriyya handelt es sich um ein mamlu­kisches Elitekorps aṣ-­Ṣāliḥs, das auf einer Insel im Nil sta­tioniert war.109 Beide Bezeichnungen scheinen sich nach Joinville zu überschneiden. Die „Bahariz“, also die Mamluken, stellen bei ihm gleichzeitig die Mitglieder der „Haulequa“. Joinville weiß jedenfalls, dass es sich bei der Ḥalqa um eine Art Leibgarde gehandelt haben muss, da er berichtet, sie hätten den Sultan stets umgeben und in dessen Zelt geschlafen. Die Mamluken sind für ihn die Ritterschaft des muslimischen Gegners. Laut Joinville würden die jungen Mamluken vom Sultan zum Ritter geschlagen („li soudans les fesoit chevaliers“). Es ist nicht das erste Mal in der Chronistik, dass über den Ritterschlag eines Türken, respektive Sarazenen berichtet wird. Solche Erwähnungen existierten vereinzelt seit Ende des 12. Jahrhunderts, häufen sich aber auffällig bei Joinville. Erinnert sei an die Geschichten über Saladins Ritterschlag durch Humfried von Toron, nach anderen Quellen durch Hugo von Tiberias,110 über den Ritterschlag des Sohnes von al-ʽĀdil durch Richard Löwenherz oder desjenigen von Faḫr ad-­Dīn durch Friedrich II., für den Joinville ebenfalls die Formulierung „faire chevalier“ gebraucht. Es ist unklar, ob diese Berichte auf historischen Fakten beruhen. Zumindest im Falle Saladins scheint dies unwahrschein­lich, da der Ritterschlag sich während einer Gefangenschaft Saladins in Kerak ereignet haben soll und die Biographie des Sultans für eine ­solche Gefangenschaft keinen Raum lässt, wenn die Schilderungen hinsicht­lich der handelnden Personen auch nicht völlig fiktiv sind.111 Den Ritterschlag des Sohnes von al-ʽĀdil hält Strickland für historisch 112 und im Falle Faḫr ad-­Dīns lässt die Freundschaft zu Friedrich II. ein solches Ereignis nicht völlig ausgeschlossen erscheinen. Zumindest aber wird man feststellen können, dass es von den Zeitgenossen für glaubwürdig gehalten wurde und es wohl im Falle ­Saladins zur Zeit des Dritten Kreuzzuges eine entsprechende münd­liche Überlieferung gab. Die Grundlage für s­ olche Berichte und dafür, dass die christ­lichen Krieger auch ihren muslimischen Gegnern das Privileg zugestanden, Ritter zu sein, sieht Strickland in ganz grundlegenden Erfahrungen der Kombattanten im Zeitalter vor Erfindung moderner Waffen.

108 R.Stephen Humphreys, The emergence oft he Mamluk army, in: Studia Islamica 45 (1977), S. 67 – 99 und 46 (1977), S. 147 – 182, S. 68, 82 f. 109 Holt, Age oft he Crusades, S. 77. 110 „Ernoul“, S. 36. 111 Hamilton, Knowing the enemy, S. 383 f. 112 Strickland, War and chivalry, S. 26.

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„That such gestures could take place reflected essential similarities between the respective warrior aristocraties in their concepts of martial ethos and honour. […] Despite significant differences in tactics and organiza­tion of armies, the nature of hand-­to-­ hand combat […] ensured, that fighting retained an essential element of personal contact between members of the military elite.“113

Schon Kantorowicz bezeichnete Morgen- und Abendland im Zusammenhang mit dem Ritterschlag für Faḫr ad-­Dīn als „eine einzige große ritter­liche ‚Koine‘“ in der „das Gefühl der ritter­lichen Gemeinschaft hier wie dort durchaus lebendig“ gewesen sei. Als Beispiel aus der Epik führt er dafür u. a. Parzivals sarazenischen Halbbruder Feirefiß an.114 Es sind dies die Gemeinsamkeiten, die schon den ersten Kreuzfahrern aufgefallen waren und die in den ersten Kapiteln dieser Arbeit eingehend untersucht wurden. Neu in der Chronistik ist nun aber, dass der Ritterschlag der Mamluken durch den Sultan erstmals nicht durch einen Christen erfolgt, ja nicht einmal eine christ­liche Abstammung der Beteiligten unterstellt wird. Ledig­lich Radulph von Diceto hatte in seiner legendenhaften Erzählung des Ritterschlags für den Emir Qarā-­Qūš durch Karbuġā bislang Ähn­liches berichtet.115 Der Begriff des chevalier wird hier von Joinville völlig von der Religion gelöst, sodass der Ritter­ schlag auch durch einen Muslim, näm­lich durch den Sultan, erfolgen kann. Die türkischen Mamluken sind damit an dieser Stelle völlig gleichwertig mit ihren christ­lichen Standesgenossen. Der Kontrast von Joinvilles Beschreibung, nicht nur zu den bereits genannten Werken, sondern gerade zu anderen zeitgenös­sischen Quellen, könnte größer nicht sein, denn dort tritt eine ganz andere Haltung zutage. Wilhelm von St. Pathus und Wilhelm von Nangis schildern eine Begebenheit nach der Gefangennahme Ludwigs IX . Ein sarazenischer Emir habe den König mit einem Schwert bedroht und ihn aufgefordert, ihn zum Ritter zu schlagen. Der ­Kapetinger habe es aber abgelehnt, einen Ungläubigen zum Ritter zu schlagen. Solle der Emir konvertieren, so Ludwig, werde er ihn mit nach Frankreich nehmen, ihm Ländereien schenken und ihn zum Ritter schlagen.116 113 Ebd., S. 27 f. 114 Kantorowicz, ­Kaiser Friedrich, S. 174. 115 Radulph von Diceto, Ymagines Historiarum, S. 81 f. 116 Wilhelm von St. Pathus, Vie de Saint Louis, hrsg. von Henri-­François Delaborde, Paris 1899, S. 25: „Li benoiez rois respondi que en nule maniere il ne feroit chevalier nul mescreant, mes se il vouloit estre fet crestien il le menroit en France, et li donroit ilecques grant terre et le feroit chevalier […]“; Wilhelm von Nangis, Gesta Sancti Ludovici/Vie de Saint Louis, S. 381.

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Die Voraussetzungen sind hier völlig andere: Nicht nur sind die Sarazenen keine Ritter, sie können es aufgrund ihres Glaubens auch gar nicht werden. Der Zweck der Stelle ist klar. Die Autoren wollen mit ihrem Werk die guten Taten Ludwigs schildern, ganz im Stile von Heiligenviten. Die zitierte Stelle soll den kanonisierten König als frommen, christ­lich-­ritter­lichen Idealen verpflichteten König darstellen, der auch, bereit zum Martyrium, im Angesicht einer Bedrohung nicht von seinen christ­lichen Überzeugungen abweicht. Das vor 1250 entstandene Ordene de Chevalerie stellt den Ritterschlag als eine Zeremonie voller christ­licher Symbolik, wenn auch ohne Beteiligung des Klerus, dar.117 Aber auch hier wird das Christ-­Sein als Voraussetzung für die Ritterwürde angesehen. Saladin fordert den von ihm gefangen gehaltenen Hugo von Tiberias auf, ihm alles darüber zu erzählen, wie man ein Ritter werde. Daraufhin erwidert dieser, das könne er nicht tun, weil Saladin nicht getauft sei.118 Es sei auch an die verschiedenen Geschichten erinnert, die eine christ­liche Abstammung Saladins postulierten. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass auch der von Kantorowicz genannte Feirefiß im Parzival der Sohn eines Christen war, näm­lich von Parzivals Vater Gahmuret. Das Christentum (im weiteren Sinne zumindest christ­liche Ahnen) wird dabei zu einem entscheidenden Kriterium des Rittertums. Demgegenüber gab es aber genügend Elemente des Rittertums, die nichts mit der Religion zu tun hatten, weshalb kirch­liche Rituale auch nie unbedingt notwendig für die Erhebung in den Ritterstand waren. Ritter- und Christentum waren nicht notwendigerweise untrennbar.119 Dieser nicht-­kirch­liche, nicht-­religiöse Gehalt nahm für den adligen Krieger Joinville die ungleich wichtigere Stellung ein, dies im Gegensatz zu den Mönchen Wilhelm von St. Pathus und Wilhelm von Nangis. Für Joinvilles Ritterbegriff waren Waffentaten und Heldenmut, eben die prouesse, wesent­lich, wohl auch die courtoisie als weitere Tugend. Dies alles waren Qualitäten, die auch den Mamluken zu eigen sein konnten. Joinvilles Werk, mitgeprägt durch die Chansons de Geste 120 und Joinvilles adliges Umfeld, bezweckt zwar ebenso eine positive Darstellung Ludwigs, aber aus einem ganz anderen, näm­lich einem ritter­lich-­höfischen Blickwinkel. Dem tat eine 117 Keen, Rittertum, S. 15, 17; Hamilton, Knowing the enemy, S. 383, 386. 118 L’Ordene de Chevalerie, hrsg. von Keith Busby (Raoul de Houdenc: Le roman des Eles. The anonymous Ordene de Chevalerie), Amsterdam 1983, S. 107, Z. 80 ff, erst die Aussicht auf ein von Saladin gefordertes hohes Lösegeld für seine Freilassung lässt Hugo mit der Erzählung beginnen. 119 Keen, Rittertum, S. 116, 118, 127; Strickland, War and chivalry, S. 28. 120 Smith, Crusading, S. 63.

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Darstellung der Mamluken als Ritter keinen Abbruch. Im Gegenteil, erst gegen gleichwertige, ritter­liche Gegner konnte König Ludwig Ehre gewinnen und eine Niederlage nebst Gefangenschaft gegen einen solchen Gegner tat seinem Ansehen kaum, oder doch weniger, Abbruch. Es findet sich hier im Prinzip die ­gleiche Situa­tion wie 150 Jahre zuvor bei den Gesta Francorum und ihren Bearbeitern. Auch damals war das Türkenbild wesent­lich von der Haltung der Autoren zu den bellatores bestimmt worden. Nur war selbst der Autor der Gesta nie so weit gegangen, den milites-­Begriff völlig von der Religion zu lösen. Hier zeigt sich eine Entwicklung, von dem religiösen Eifer und Selbstverständnis der ersten Kreuzfahrer hin zu dem von höfischer Kultur geprägten Kreuzfahrer des 13. Jahrhunderts, für den das Unternehmen (auch) den Charakter eines ritter­lichen Abenteuers angenommen hatte. Sieht Joinville hinsicht­lich der prouesse keinen trennenden Graben z­ wischen Franzosen und Türken, so endet seine Beschreibung der Mamluken aber mit einem deut­lich negativen Unterton. Sobald näm­lich ein Mamluken-­Emir zu mächtig würde, so Joinville, fürchte der Sultan um sein Leben, ließe den Emir töten und dessen Frauen und Kinder enteignen.121 Hier findet sich wieder ein Bereich, in dem das feudale Europa und die mamlukische Gesellschaft viel trennte, denn der ritter­lichen Tugend der loyauté wurden die Mamluken nicht gerecht. Joinville erkannte durchaus richtig, dass ein mächtiger Emir dem Sultan gefähr­lich werden konnte und umgekehrt. Gerade Joinville als selbstbewusster Edelmann,122 also in seinen Augen in vergleichbarer Stellung wie ein ranghoher Emir, musste das rücksichtslose Vorgehen gegen vermeint­liche Standesgenossen kritisieren. Joinville sieht die Trennung z­ wischen Christen und Muslimen nicht im Ritter­begriff, sondern anscheinend an anderer Stelle, er macht den entscheidenden Unterschied am engeren Begriff des preudome fest. Seine Ansicht legt er König Philipp Augustus, Ludwigs Großvater, in den Mund. Dieser soll gesagt haben, es gebe zwar eine Vielzahl tapferer Ritter, sowohl bei Christen als auch bei den Sarazenen, die nie an Gott geglaubt hätten. Von diesen unterschieden sich die christ­lichen Ritter, denen Gott durch seine Gnade Tapferkeit geschenkt habe, denen er aber auch erlaube, in seinen Diensten zu stehen und sie vor jeder Sünde schütze. Nur ­solche ­seien wahre preudomes. Alle anderen ­seien tapfere Männer, aber fürchteten weder Gott noch Sünde. Um den Unterschied zu erklären, benutzt Joinville hier das unübersetzbare Wortspiel preu home 121 Joinville, Histoire de St. Louis, LVI, 286, S. 156. 122 Archambault, Joinville, S. 46, 50.

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(tapferer Mann) und preudome, im modernen Franzö­sisch preux homme und prud’homme.123 Ein preudome ist tapfer und ein Diener Gottes. Die preudomie solle nach Joinville das Ideal eines adligen Laien sein. Es handelt sich also um eine bestimmte tugendhafte Haltung, eine Lebensweise. „The preudome is an noble, who has reached his peak of excellence.“ Ein hoher Anspruch, dem nach Joinvilles Meinung nicht einmal Ludwig IX. immer gerecht geworden sei, so eine Forschungsmeinung.124 Der preudome, im deutschen nur unzureichend als Edel- oder Ehrenmann zu übersetzen, tritt im 13. Jahrhundert als Ideal an die Stelle der älteren Ideale des tapferen oder höfischen Ritters, die es mäßigt und in sich vereint. „Es bezeichnet den, der ‚mora­lische Autorität besitzt, der voller Verdienste‘ ist […] Prud’homme steht für den, der sich an sitt­liche Werte religiö­ser Prägung hält, oder auch für den Gerechten.“125 Auch wenn es sich um ein welt­liches Ideal handelte,126 so schloss die erwähnte religiöse Prägung die Muslime von vornherein aus. Da aber auch die Treue gegenüber den angestammten Herren ein Bestandteil ­dieses Wertekanons war 127 und Joinville wie erwähnt den Umgang ­zwischen Sultan und Emiren kritisierte, dürften die Mamluken in seinen Augen auch in ­diesem Punkt dem Ideal des preudome nicht gerecht geworden sein. Der Seneschall der Champagne hatte ohne Zweifel eine hohe Meinung von seinen muslimischen Gegnern, diese höchsten Ansprüche aber konnten sie nicht erfüllen. Am 5. April 1250 trat das geschwächte und dezimierte Kreuzheer den Rückzug nach Damiette an. Unter den Angriffen des ägyptischen Heeres brach schließ­lich jeder Widerstand zusammen und König Ludwig IX. geriet mit seinem gesamten Heer in Gefangenschaft. Der Kreuzzug hatte in einem völligen Fehlschlag geendet, die Franzosen, darunter auch der Chronist Joinville, waren der Gnade ihrer Gegner ausgeliefert. Der Umgang mit den geschlagenen Kreuzfahrern unterschied sich nicht von dem, was in Europa üb­lich war. Der König und Krieger mit hohem sozia­lem Rang wurden gefangengenommen, einfache Soldaten und Kranke aber häufig umgebracht oder versklavt. Eine Alternative war die Konversion zum Islam, die 123 Joinville, Histoire de St. Louis, CIX, 559 f, S. 306. 124 Archambault, Joinville, S. 49 ff. 125 Le Goff, Ludwig der Heilige, S. 548; siehe zu dem Wort auch: Agnka Lising-­Boysen, Über den Begriff preu im Franzö­sischen (preux, prou, prouesse, prud’homme, prud’homie, prude, pruderie), Diss. Phil., Lengerich 1941, insb. S. 2 ff, 7, 24, 30 f, 45, 57 und zur Stelle bei ­Joinville S. 58. 126 Le Goff, Ludwig der Heilige, S. 549; Lising-­Boysen, Über den Begriff preu, S. 45. 127 Lising-­Boysen, Über den Begriff preu, S. 44.

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anscheinend zumindest einigen angeboten wurde.128 Dennoch achtete Joinville darauf, sich den Leuten des Sultans zu ergeben, da er befürchtete, ansonsten an die Beduinen verkauft zu werden.129 Dass allein die Mög­lichkeit eines zu erwartenden Lösegeldes über Leben oder Tod entschied, zeigt eine Episode bei Joinville. Angesichts der Tötung von Gefangenen will er zu seinen Wächtern gesagt haben, es verstoße gegen die Lehren Saladins, einen Menschen zu töten, dem man zuvor Nahrung und Wasser gewährt habe. Die Antwort des Sarazenen habe aber gelautet, jene Kranken ­seien nichts wert. Das Saladinzitat spielt auf eine Episode nach der Schlacht von Ḥaṭṭīn 1187 an, nach der der Sultan dem gefangenen Rainald von Châtillon ein erfrischendes Getränk verweigerte, bevor er ihn eigenhändig tötete. Wenig ­später lässt Joinville angesichts der Konversion von einigen seiner Untergebenen zum Islam wiederum Saladin mit dem Satz zitieren, noch nie sei ein schlechter Christ ein guter Muslim geworden.130 Unabhängig davon, ob Joinville wirk­ lich mit seinen Wächtern über Saladin diskutierte oder ob er die Stelle s­ päter einfügte, zeigt sie doch, dass der Franzose die Legenden um den „edlen Sultan“ kannte. Die L’Estoire d’Eracles, in der sich u. a. die Episode mit dem Getränk für Rainald von Châtillon findet, war spätestens in jener Zeit, in der Joinville schrieb, ein Bestseller unter höfischem Publikum. Jedenfalls findet sich hier in der Kreuzzugschronistik erstmals ein Beleg für das sich entwickelnde Bild vom edlen Sultan außerhalb der Eracles-­Familie. Angesichts der Gefangenschaft des Königs werden seine Bezwinger nicht in düsteren Farben geschildert. Matthäus Paris berichtet zwar, Ludwig habe befürchtet, vergiftet zu werden, wie es „bei den Sarazenen üb­lich sei“. Er habe daher schließ­lich erreicht, seine Mahlzeiten durch seinen eigenen Koch zubereiten zu lassen. Ferner sei es auch zu Drohungen gekommen. Demgegenüber lobt Wilhelm von Nangis allerdings die Fähigkeiten der muslimischen Mediziner, die den König von einer Krankheit heilten.131 Eine Kriegslist unterstellte Matthäus Paris den Mamluken. Diese hätten fränkische Rüstungen angelegt, um die Verteidiger von Damiette zu täuschen und so in den Besitz der Stadt 128 Joinville, Histoire de St. Louis, LXI, 305, S. 166; LXV, 329, S. 178; LXVI, 334, S. 180 ff; ­Rothelin, LXVI, S. 615 129 Joinville, Histoire de St. Louis, LXIII, 318, S. 174. 130 Ebd., LXV, 330, S. 180; LXV, 331, S. 180; zu der Episode mit dem Getränk für Rainald von Châtillon: Eracles, XXIII, 45, S. 67; „Ernoul“, XV, S. 173 f; Estoires d’Outremer, S. 198; Ibn al-­Athīr, Bd. 3, S. 323. 131 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S. 162; Wilhelm von Nangis, Gesta Sancti Ludovici/ Vie de Saint Louis, S. 376 f.

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zu gelangen. Man habe sie aber an der fehlenden Marschordnung, ihrer Hautfarbe und den Bärten erkannt.132 Zu einer bedroh­lichen Situa­tion, oder zumindest zu einer Situa­tion, die die Gefangenen als bedroh­lich empfanden, kam es, als der neue Sultan Tūrānšāh nur wenige Monate nach seinem Regierungsantritt am 2. Mai 1250 von ­ranghohen Emiren ermordet wurde. Der Sohn aṣ-­Ṣāliḥs gab sich einem ausschweifenden Lebensstil hin, favorisierte seine Günstlinge und Gefolgsleute aus Syrien, während er sich gegenüber den Würdenträgern seines Vaters ablehnend verhielt und sie ihrer Ämter enthob.133 Die Kreuzfahrer, die anscheinend in unmittelbarer Nähe des Tatortes festgesetzt waren, konnten nicht wissen, ob sich die neuen Machthaber an die zuvor mit Tūrānšāh ausgehandelten Bedingungen für ihre Freilassung halten würden, näm­lich ein enormes Lösegeld und die Übergabe Damiettes. Mehrere Quellen berichten, in der aufgeheizten Situa­tion unmittelbar nach dem Mord, der sehr bildhaft geschildert wird, hätten die Mörder und neuen Machthaber noch blutverschmiert den König aufgesucht.134 Die Gründe für die Ermordung geben die christ­lichen Quellen im Großen und Ganzen korrekt wieder. Man erkannte, dass es Differenzen ­zwischen den hohen Würdenträgern und dem Sultan gegeben hatte, sei es bei der Verteilung von Posten und machtpolitischen Gründen, s­ eien es finanzielle Motive.135 Bei den Erklärungsversuchen spielte die Religion keine Rolle. Nur Matthäus Paris sieht u. a. in der Freilassung Ludwigs einen Grund für die Differenzen, worauf­hin sich Tūrānšāh mit seiner Furcht verteidigt, bei einer Ermordung des ­Kapetingers die Furcht des Christengottes zu erregen.136 Wenn auch nicht gesagt werden kann, dass die Sympathie der Chronisten auf Seiten des unglück­lichen Tūrānšāh lag, so wurde zumindest aber die Tat verurteilt.137 Es wurde bereits erörtert, dass die Autoren aus dem feudalen Europa kein 132 Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S. 161. 133 Zum Mord am Sultan: Peter Thorau, Sultan Baibars, S. 50 ff; Jackson, Seventh Crusade, S.  126 ff. 134 Joinville, Histoire de St. Louis, LXIX, 353, S. 192: „Li uns des chevaliers, qui avoit à non Faraquataye, le fendi de s’espèe et li osta le cuer dou ventre; et lors il en vint au roy, sa main toute ensanglantée“; Rothelin, LXVII, S. 618; Wilhelm von St. Pathus, Vie de Saint Louis, S.89. 135 Joinville, Histoire de St. Louis, LVII, 287, S. 158; LXIX, 348, S. 190; Rothelin, LXVII, S. 618; Matthäus Paris, Chronica majora, Bd. 5, S. 165. 136 Matthäus Paris, Chronica majora,, Bd. 5, S. 202. 137 Joinville, Histoire de St. Louis, LVII, 287, S. 158; LXXII, 366, S. 200; Matthäus Paris, C ­ hronica majora, Bd. 5, S. 202.

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Verständnis für die Ermordung des Herrschers aufbringen konnten. Laut Joinville habe Ludwig ihn gefragt, ob er die Herrschäft über Ägypten hätte annehmen sollen, so man sie ihm angeboten hätte. Dies wäre äußerst töricht gewesen, so die Antwort des Adligen, denn diese Menschen hätten ihren Herrn umgebracht. Die Verachtung Joinvilles für eine ­solche Tat ist förm­lich zu spüren. Bezeichnenderweise folgt die einzige Stelle in seinem Werk, in der er sich der üb­lichen Vorurteile gegen den Islam bedient: Man habe Ludwig IX. nur deshalb nicht auf den ägyptischen Thron gehoben, weil er sich jedesmal beim Verlassen des Zeltes bekreuzigt und vor dem Kreuz niedergeworfen habe. Mohammed verlange von den Sarazenen keine solchen Härten und wenn, hätten sie ihn nie verehrt. Werde Ludwig aber König, müssten auch sie Christen werden und s­ olche Rituale befolgen.138 Dies ist das alte Vorurteil eines rein auf welt­liche Güter und Wohlergehen ausgerichteten Islam im Gegensatz zu den geistigen Werten des Christentums. Dabei ist anzunehmen, dass Joinville es durchaus besser wusste und er während der sechs Jahre, die er sich im Osten aufhielt, mehr als einmal die täg­ lichen Gebete, die Gebetsrufe oder die Waschungen der Muslime beobachtet hat. Die neuen Machthaber erklärten sich schnell bereit, die Vertragsbedingungen, die Ludwig mit Tūrānšāh ausgehandelt hatte, zu übernehmen und so wurden Vorbereitungen für die Freilassung des Königs einerseits und die Übergabe Damiettes nebst einer Lösegeldrate andererseits getroffen. Anläss­lich der Übergabe der Stadt erhoben die Chronisten den Vorwurf des Vertragsbruchs, da die Türken entgegen den Vereinbarungen die in der Stadt befind­lichen Kranken allesamt getötet und die Kriegsmaschinen des Königs zerstört hätten. Untreue war ein häufig erhobener Vorwurf gegenüber dem muslimischen Gegner, es ist aber durchaus denkbar, dass die politisch noch unklare Lage nach dem Mord an Tūrānšāh Gewaltexzesse der Truppen begünstigte. Laut Joinville ließ Ludwig daraufhin einen Gesandten zu Fāris ad-­Dīn Aqṭāy ­schicken, dem Kommandeur der Baḥriyya- Mamluken, der wohl maßgeb­lich an der Ermordung des Sultans beteiligt gewesen war.139 Joinville bezeichnet ihn als einen der vertrauenswürdigsten Sarazenen, die er je getroffen habe. Diese Beschreibung reiht sich zwar in die wohlwollende Beschreibung anderer türkischer Kommandeure ein, wo der Grund dafür liegt bleibt allerdings unklar, denn Joinville hatte „Faraquataye“ noch kurz zuvor als einen der Mörder des Sultans angesehen. Fāris ad-­Dīn Aqṭāy soll sich bei dem König dafür entschuldigt, ihm aber geraten haben, er solle sein Missfallen darüber nicht kundtun, solange er sich noch in Gefangenschaft befinde, wenn ihm sein Leben lieb sei. 138 Joinville, Histoire de St. Louis, LXXII, 366 f, S. 200. 139 Thorau, Sultan Baibars, S. 52.

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Nach seiner Freilassung blieb Ludwig IX. mit einem kleinen Gefolge, darunter auch Joinville, im Osten, um den Schaden, den sein gescheitertes Unternehmen verursacht hatte, in Grenzen zu halten. Auf diplomatischer Ebene ergaben sich in der Tat neue Mög­lichkeiten. Mit der Machtergreifung der Mamluken in Ägypten war die alte Feindschaft zu Damaskus und Aleppo wieder aufgeflammt, wo nach wie vor Ayyubiden herrschten. Noch weiter im Osten rüsteten sich die mongo­lischen Reiter zum entscheidenden Schlag gegen die Kernländer des Islam. Dennoch sahen die Franken in Outremer, trotz neu errichteter Befestigungswerke und einer franzö­sischen Garnison, bei Ludwigs Abreise 1254 einer ungewissen Zukunft entgegen. Das Türkenbild, das die Werke zum Siebten Kreuzzug vermitteln, ist ein anderes als noch eine Genera­tion zuvor auf dem Fünften Kreuzzug. Dies mag zum Großteil den Quellen geschuldet sein, da die ausführ­lichsten Werke, J­ oinville und das Rothelin-­Manuskript, das ritter­liche Publikum ansprechen. Die Religionsunterschiede stehen nicht im Zentrum dieser Werke, sondern eher die Darstellung der Türken als respektable, ritter­liche Gegner. Vor allem Jolinville geht damit weiter als andere Kreuzzugschronisten vor ihm, wenn er die Türken regelmäßig als chevaliers bezeichnet und diese Eigenschaft völlig vom christ­ lichen Glauben ablöst. Die primitive Wildheit oder Hinterhältigkeit, die den Türken häufig zugesprochen wurden, finden sich ebenfalls kaum in der Histoire de St. Louis. Mit der Schaffung eines ritter­lichen Gegners und mit der positiven Beschreibung türkischer Kommandeure ähnelt sie damit den Berichten zum Dritten Kreuzzug. Die zunehmend breitere Kenntnis über die verschiedenen muslimischen (Volks-) Gruppen und den Islam, bzw. überhaupt das Interesse daran, ist allerdings typisch für die Zeit seit dem Ende des 12. Jahrhunderts.

11.4 Übermächtige Gegner: Sultan Baibars und das Ende der Kreuzfahrerstaaten (1260 – 1 291) Trotz des erfolglosen Kreuzzugs Ludwigs schien nur wenige Jahre ­später das Ende des Islam gekommen zu sein. Nach der Eroberung Bagdads und der Vernichtung des abbasidischen Kalifats 1258 richteten die mongo­lischen Heere ihr Augenmerk auf das muslimische Syrien. 1259 überschritten sie den ­Euphrat, im Januar 1260 fiel Aleppo, im Februar kapitulierte Damaskus, die großen muslimischen Städte Syriens waren in mongo­lischer Hand. An der Seite der asiatischen Eroberer marschierte Bohemund VI. von Antiochia und Tripolis. Die Franken im Königreich Jerusalem dagegen waren wesent­lich skeptischer, was

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eine Zusammenarbeit mit den Mongolen betraf und die kurzfristige Besetzung Sidons durch die Angreifer aus dem Osten bestärkte sie in dieser Haltung. Andererseits wollte man sich aber auch nicht vorbehaltlos auf die Seite der Muslime schlagen. Daher verhielt man sich neutral und gewährte dem letzten ernst zunehmenden muslimischen Gegner der Mongolen, dem Mamlukensultan Qutuz, der sein Heer aus Ägypten zum Gegenschlag heranführte, freie Durchzugsrechte.140 Am 3. September 1260 schlug Qutuz die Mongolen bei ʽAin Ǧālūt in der Nähe des Sees Tiberias vernichtend. In der Folge des Sieges wurde nicht nur die Mongolengefahr durch deren Rückzug hinter den Euphrat gebannt, auch ganz Syrien geriet unter die Kontrolle der mamlukischen Herrscher vom Nil. Die Reste der Kreuzfahrerstaaten sahen sich nun also wieder, wie zu Zeiten Saladins, einem einheit­lichen muslimischen Machtblock gegenüber. Geführt wurde d ­ ieses Reich in den folgenden Jahren von einem Herrscher, der mehr als alle anderen zum Totengräber der fränkischen Staaten werden sollte: Sultan Baibars (1260 – 1277). Baibars war, wie so viele andere, als Sklavenjunge nach Ägypten gekommen, war militärisch ausgebildet worden und hatte Karriere gemacht. Der Sultan wird in den Quellen häufig Bendocar o. ä. genannt. Dieser Name leitet sich nicht, wie der Templer von Tyrus meint, von einem Bogen als Herrschaftszeichen des Sultans ab, sondern von Baibars erstem Herrn, einem al-­Bunduqdārī. Sklaven nahmen den Namen ihres Herrn an.141 Baibars Teilnahme an der Schlacht um Mansurah 1250 ist wahrschein­lich, wenn auch wohl nicht als Kommandeur.142 Seine Rolle in der Schlacht von ʽAin Ǧālūt fand auf christ­licher Seite ein positives Echo. Er sei kühn, tapfer, als erster gegen die Mongolen vorangestürmt und habe viele von ihnen getötet, so der sogenannte Templer von Tyrus.143 Allerdings wurde der Autor nicht vor 1254 geboren, sodass die Passage zwar die Meinung der Zeitgenossen wiedergeben kann, dies aber nicht zwingend so sein muss.144 Im Oktober 1260 tötete Baibars Qutuz nach der Schlacht von ʽAin Ǧālūt auf dem Rückmarsch nach Ägypten und setzte sich an dessen Stelle. Bereits dieser Mord diskreditierte den neuen Sultan in den Augen der christ­lichen 140 Zu den Ereignissen 1259/60 siehe Tyerman, God’s War, S. 806; Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. III, S. 311 ff; Thorau, Sultan Baibars, S. 91 ff. 141 Templer von Tyrus, 310, S. 165; Thorau, Sultan Baibars, S. 23. 142 Thorau, Sultan Baibars, S. 47 ff. 143 Templer von Tyrus, 310, S. 165. 144 Siehe zum sog. Templer von Tyrus: Paul Crawford (Übers.), The Templar of Tyre, Part III of the Deeds of the Cypriots, Aldershot 2003, S. 2 ff.

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Chronisten als Usurpator. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass christ­lich-­ westeuro­päischen Autoren für diese Art der Herrschaftsübernahme jeg­liches Verständnis fehlte. Eine Version der Annales de Terre Sainte schreibt, Baibars habe Qutuz verräterisch ermordet. Am besten bringt aber das Chronicum Weru­ mensium das west­liche Verständnis zum Ausdruck, wenn es dort heißt, Baibars sei ein „virum ignobilem“, bar aller Tugenden und voller Schlechtigkeit, eben kein Mann, der nach Meinung des Autors aufgrund von Verdiensten und vor allem Herkunft einen berechtigten Anspruch auf die Sultanswürde besessen hätte.145 Es sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass bei dieser Beurteilung weniger die Religion eine Rolle spielte, als das feudale Verständnis der rechten Gesellschaftsordnung.146 Nach der Konsolidierung seiner Macht begann Baibars Mitte der 60er Jahre seine Feldzüge gegen die fränkischen Herrschaften. Von den Schlägen und den territorialen Verlusten, die er ihnen dabei zufügte, sollten sie sich nicht mehr erholen. 1265 fielen Caesarea und Arsuf, 1266 wurde die Burg Saphet erobert, 1268 zog Baibars in Jaffa ein, kurz darauf verursachte der Fall Antiochias den Zusammenbruch der fränkischen Herrschaft in Nordsyrien, bevor 1271 mit Chastel Blanc und dem Crac des Chevaliers zwei weitere wichtige Burgen an die Mamluken fielen.147 Die abendländischen Autoren schrieben dem Sultan anläss­lich dieser Feldzüge zwei Eigenschaften zu, die schon lange als typisch türkisch galten: List, respektive Verrat, und Grausamkeit. Genährt wurden ­solche, sicher nicht völlig aus der Luft gegriffenen, Vorwürfe nicht zuletzt von den Ereignissen, die 1266 zum Fall der mächtigen Templerburg Saphet führten. Baibars versprach wohl einem Teil der Verteidiger, wahrschein­ lich den einheimischen Christen, freien Abzug, während er gegen die Tempelritter weiterkämpfen wolle. Daraufhin brachen unter den Verteidigern interne Konflikte aus.148 Manche Quellen wissen von dem Verrat eines gewissen Bruders Leo zu berichten. Die baibarsfeind­lichste Version ist die, in der der Sultan (zusätz­lich) einen ihm ähn­lich sehenden Emir die Verhandlungen führen und den Verteidigern Zusicherungen geben lässt. Nach der Kapitula­tion der 145 Annales de Terre Sainte (Edi­tion Röhricht/Raynaud), wie Anm. 1366, S. 25: „Bendoncdar l’ochist en traison“; Menko, Chronicum Werumensium, hrsg. von L. Weiland, in: Georg Heinrich Pertz (Hg.), MGH SS 23 (Chronica aevi Suevici), Hannover 1874, S. 523 – 561, S. 550. 146 Dazu und zu den Urteilen über den Mord siehe Peter Thorau, Sultan Baibars im Urteil abendländischer Quellen, S. 63 f. 147 Zu den hier nur schlag­lichtartig wiedergegebenen Eroberungen: Thorau, Sultan Baibars, S.  187 ff. 148 Ebd., S. 204 ff.

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Burgbesatzung verkündet Baibars dann aber, die Aussagen seines Untergebenen hätten für ihn keine Gültigkeit und lässt die Gefangenen enthaupten. Der sogenannte Templer von Tyrus berichtet aber auch, der Grund für B ­ aibars Wut auf die Burgbesatzung sei entstanden, weil diese von ihm überreichte diplomatische Geschenke mit Katapulten über die Mauern geschleudert habe. Der Franziskaner Fidentius von Padua bringt zwar ebenfalls die Berichte vom Verrat Baibars in einem Kapitel, das explizit die Unzuverlässigkeit der Sarazenen behandelt, er erwähnt aber auch die Tapferkeit der Sarazenen beim Kampf um die Festung.149 Mit der Exeku­tion der Templer wurden diese für die Chronisten zu Märtyrern und Baibars zum Feind Christi und der K ­ irche. In diesen Passagen fehlt ebenfalls nicht das Angebot an die Todgeweihten, zum Islam zu konvertieren und so ihr Leben zu retten.150 Diese Passagen, in denen den Gefangenen im Falle der Konversion oft Reichtümer versprochen worden sein sollen, waren seit den ersten Kreuzzugschroniken typisch. Weitere Gräueltaten warf der Templer von Tyrus dem Sultan anläss­lich dessen Plünderungszugs vor Akkon 1267 vor. Baibars habe 500 der einfachen Leute töten lassen, ihnen ihre Galle entfernt und ihren Skalp genommen. Letztere habe er an einem Seil auffädeln und um den großen Turm in Saphet hängen lassen.151 Verrat sahen die Christen auch in der Eroberung Jaffas 1268. Man warf Baibars vor, die Stadt trotz eines bestehenden Waffenstillstands angegriffen zu haben. Tatsäch­lich hatte der alte Herr der Stadt, Johann von Ibelin, einen Nichtangriffspakt mit den Mamluken geschlossen. Johann war allerdings 1266 gestorben und Baibars war nicht bereit, die Vereinbarung auch auf Johanns Sohn und Erben Guido auszudehnen.152 Ein Großteil der Erbarmungslosigkeit und der Zerstörungswut, die man Baibars unterstellte, resultierte wohl auch aus der Tatsache, dass er, anders als etwa Saladin, die von ihm eroberten Küstenstädte in Syrien und Palästina dem Erdboden gleichmachen ließ, um einem von See kommenden Kreuzzugsheer 149 Templer von Tyrus, 346/347, S. 179 ff; Eracles, XXXIV, 9, S. 454 f; Maius chronicon Lemovicense, in: Guigniaut, de Wailly (Hg.), RHF 21, Paris 1855, S. 761 – 788, S. 773; Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 23, 88 f. 150 Chronica minor auctore minorita Erphordiensi, hrsg. von O. Holder-­Egger, in: MGH SS 24 (Annales aevi Suevici), Hannover 1879, S. 172 – 213, S. 205; Chronicon Lemovicense, S. 773 f; Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, S. 89. 151 Templer von Tyrus, 350, S. 182. 152 Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. III, S. 331; Eracles, XXXIV, 11, S. 456; Annales de Terre Sainte (Edi­tion Röhricht/ Raynaud), Version B, S. 27; Templer von Tyrus, 364, S. 190.

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keinerlei Opera­tionsbasis zu bieten.153 Die planvolle Zerstörung der gesamten Küstenregion führte dazu, dass man den Mamluken in der Forschung die Verantwortung für den „endgültigen Untergang der aus der Antike stammenden syro-­palästinen­sischen Stadtkultur“ zuschrieb.154 Zu dem Bild des listigen und verschlagenen Gegners passte es auch, dass man Baibars unterstellte, Mordanschläge auf Philipp von Montfort und Eduard von England veranlasst zu haben.155 Den schwersten Schlag fügte Baibars den Kreuzfahrerstaaten mit der Eroberung Antiochias im Mai 1268 zu. Dem Fall der Stadt folgte ein Massaker an den dortigen Christen, das Baibars in den Chroniken zum blutrünstigen Schlächter werden ließ, die Chroniken nennen die hohe Zahl der Toten. Das Chronicon Lemovicense berichtet, der „maledictus soldanus“ sei durstig nach christ­lichem Blut gewesen. Für den Erfurter Chronist ist Baibars ein „sevissimus hostis ­sancte katholice ecclesie“.156 Fidentius von Padua, der wohl unmittelbar nach dem Fall der Stadt vor Ort war, bringt den alten Vergleich der Sarazenen mit Wölfen. Sie ­seien niederträchtig und raubgierig wie diese.157 Interessanterweise erwähnen viele Quellen, die Stadt sei ohne Gegenwehr gefallen.158 Tatsäch­lich war die Verteidigung gegen die gut ausgebildeten und zahlenmäßig weit überlegenen Truppen Baibars aussichtslos und dauerte nur wenige Tage. Dennoch kam es natür­lich zu Kämpfen auf den Mauern. Wenn die Formulierung in den Chroniken nicht diesen ungleichen Kampf beschreiben soll, diente sie wohl dazu, das Vorgehen der Mamluken nach dem Fall der Stadt als noch verwerf­ licher erscheinen zu lassen. Gegen eine Stadt, die keine Gegenwehr leistete, konnte sich Baibars kaum auf das Recht des Eroberers berufen, der das Leben der Besiegten in der Hand hält. Nach dem bisher gesagten wird Baibars in den Quellen nicht anders beschrieben, als andere türkische Herrscher vor ihm. Er ist grausam, raubgierig, l­ istig, aber auch tapfer und ein geübter Kriegsmann. Je nach Autor werden die Ereignisse 153 Holt, Age oft he Crusades, S. 95. 154 Mayer, Kreuzzüge, S. 251. 155 Templer von Tyrus, 374, S. 195; De statu Sarracenorum, in: Peter Engels (Hg.), Wilhelm von Tripolis. Notitia de Machometo. De statu Sarracenorum. Kommentierte lateinisch-­deutsche Textausgabe, Würzburg 1992, S. 263 – 371, 19, S. 324. 156 Chronica minor, S. 207; Maius chronicon Lemovicense, S. 775. 157 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 24, S. 93: „Nam filii lupi, id est Sarraceni qui dicuntur lupi propter rapacitatem et propter feditatem […]“; Paviot, Projets de Croisade, S. 15. 158 Eracles, XXXIV, 11, S. 456; Templer von Tyrus, 365, S. 190; Maius chronicon Lemovicense, S. 775.

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im Sinne eines christ­lichen Weltbildes interpretiert, Baibars wird zum Feind der ­Kirche und seine Opfer zu Märtyrern.159 Zusätz­liches Material bringen aber Fidentius von Padua und der als De statu Sarracenorum bekannte Bericht. Letzterer wurde früher dem Dominikaner ­Wilhelm von Tripolis zugeschrieben. Peter Engels hat in der Einführung zu seiner Edi­tion des Werkes aber gezeigt, dass Wilhelm ledig­lich als Autor der Notitia de Machometo gelten kann, dem Werk, auf dem De statu Sarracenorum basiert. Darüber hinaus soll es sich bei dem hier hier interessierenden, historiogra­ phischen Teil des De statu Sarracenorum (Kapitel 17 – 23) um eine unabhängig von der Notitia entstandene und ­später eingefügte Schrift handeln, eventuell um einen Brief.160 Der Autor bleibt daher leider im Dunkeln, die Schrift stammt Engels zufolge aber aus den Kreuzfahrerstaaten.161 Das De statu Sarracenorum, das Baibars, im Gegensatz zu den Ayyubiden, ausdrück­lich als Türke bezeichnet, erhält eine relativ ausführ­liche Beschreibung von dessen Persön­lichkeit. Baibars sei, so der anonyme Autor, in seiner Feldherrnkunst nicht schlechter als Caesar und in seiner Schlechtigkeit nicht geringer als Nero. Besonders getadelt wird Baibars mangelnde Vertragstreue sowie vor allem seine skrupellose „Innenpolitik“. So habe er die Familie Saladins ausgelöscht und schon 280 seiner Emire wegen einer vorgeschobenen Mordverschwörung hinrichten lassen. Er halte seine Untergebenen in ständiger Furcht und sei sehr misstrauisch seiner Umgebung gegenüber.162 Es handelt sich hier um Vorwürfe, die Peter Thorau auch unter Rückgriff auf arabische Quellen, als „nicht völlig aus der Luft gegriffen“ bezeichnet.163 Ferner erfährt der Leser von Baibars Eroberungslust, seiner Arroganz und seiner List, insoweit alles Eigenschaften, die schon lange dem türkischen Feind zugeschrieben wurden.164 Erstaun­licherweise widmet der Autor aber auch ein Kapitel den guten Taten des Sultans. Dort heißt es, der Sultan verachte Wein und Dirnen. Er habe Weinstuben und Bordelle verbieten lassen und verzichte daher sogar freiwillig auf die nicht unbeacht­lichen Einnahmen aus den entsprechenden Steuern. Außerdem achte der Sultan die Ehe, er habe vier Frauen, eine davon sei sogar eine Christin. Den Christen innerhalb seines Herrschaftsbereichs stehe er mit

159 Thorau, Sultan Baibars im Urteil abendländischer Quellen, S. 68. 160 De statu Sarracenorum, S. 54, 71 ff, 83. 161 Ebd., S. 83, Fn. 255. 162 Ebd., 18, S. 318 ff. 163 Thorau, Sultan Baibars im Urteil abendländischer Quellen, S. 68. 164 De statu Sarracenorum, 18, S. 322; 19, S. 324; 21, S. 328.

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Wohlwollen gegenüber.165 Diese positive Einschätzung überrascht nicht nur weil Baibars den Kreuzfahrerstaaten erheb­lichen Schaden zugefügt hatte. Zum ersten Mal wird hier einem türkischen Herrscher ein mora­lisch einwandfreies Verhalten attestiert in einem Bereich, der bislang geradezu zur Verunglimpfung des Islam prädestiniert war, näm­lich im Bereich Sexualität, Ehe und sitt­liche Lebensführung allgemein. Auch das Verhalten muslimischer Herrscher gegenüber Christen in ihrem Herrschaftsbereich war häufig Gegenstand negativer Unterstellungen. Selbst Saladin war in den Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus „nur“ ein ehrenhafter Ritter. Er verkörperte ein Ideal in einem Bereich, in dem man den Türken von Anfang an Respekt gezollt hatte. Demgegenüber sei daran erinnert, dass Quellen aus der Zeit Saladins d ­ iesem vorwarfen, er könne sich nur wegen der Einnahmen aus der Dirnensteuer finanziell derart großzügig gegenüber seinen Untergebenen zeigen. Baibars dagegen wird nun auch auf ­diesem Feld ein tadelloser Lebenswandel unterstellt. Die Behauptungen im De statu Sarracenorum entbehren nicht der historischen Grundlage. In der Tat erließ Baibars mehrmals während seiner Regierungszeit Maßnahmen gegen Alkoholgenuss, Prostitu­tion und Drogenkonsum.166 Da der Autor unbekannt ist, bleibt als Erklärung nur die Tatsache, dass der Bericht aus der Levante stammt und man dort die Muslime bzw. dem Sultan trotz dessen Eroberungszügen nicht so vorurteilsbelastet gegenübertrat wie in Europa. Umso bemerkenswerter ist, dass das De statu Sarracenorum von Baibars Pilgerfahrt nach Mekka berichtet, die im Jahre 1269 stattfand, der Fall von Saphet, Antiochia und anderer Orte musste dem Autor also schon bekannt sein.167 Fidentius von Padua bringt eine Geschichte, die Baibars ebenfalls positiv erscheinen lässt. Nach dem Fall von Jaffa sei ein Mädchen unter den Christen, denen freier Abzug gewährt worden war, von einem Emir des Sultans vergewaltigt worden. Die ­Mutter des Mädchens habe diesen daraufhin vor Baibars persön­lich beschuldigt. Der Sultan habe sie aufgefordert, ihr den Emir zu zeigen und diesen daraufhin getötet.168 Wie schon im De statu Sarracenorum angedeutet, erscheint der Sultan hier einerseits als gerechter Herrscher Christen gegenüber, aber andererseits auch als strenger Befehlshaber, der jede Zuwiderhandlung gegen seine Befehle rigoros bestraft. Auch Fidentius hielt sich zur Zeit von Baibars Feldzügen im Osten auf 165 Ebd., 20, S. 326. 166 Thorau, Sultan Baibars, S. 125, 187, 210, 226, 236 f. 167 Ebd., S. 239; der Herausgeber des De statu nennt 1273 als frühesten Abfassungszeitpunkt, siehe Engels, Wilhelm von Tripolis, S. 54. 168 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, S. 90 f.

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und auch er schrieb nach dessen großen Eroberungen,169 sodass beide Mitteilungen „ein interessantes Licht darauf werfen, wie vergleichsweise positiv man ihn und seine Herrschaft innerhalb der Kreuzfahrerstaaten einschätzen konnte.“170 Baibars war für die Kreuzfahrerstaaten ein gefähr­licherer Gegner als Saladin es gewesen war. Als Soldat übertraf er den Ayyubiden, zudem betätigte er sich auch in der Verwaltung und hinterließ seinen Nachfolgern ein zentralisiertes Reich, während Saladin Zeit seines Lebens ein „warrior-­chief“ geblieben war.171 Baibars wird teilweise ähn­lich geschildert wie Saladin in den frühesten euro­ päischen Werken, die sich mit dessen Eroberungen beschäftigten, näm­lich als blutrünstiger Usurpator. Der Mamlukensultan erreichte in der euro­päischen Historiographie aber nie die „Prominenz“ des Ayyubiden. Dies lag daran, dass er nie als Gegner eines „großen“ Kreuzzuges in Erscheinung treten konnte und dass seine Eroberungen nie einen Schock vergleichbar mit dem nach dem Fall Jerusalems 1187 auslösten. Ebenso wurde Baibars in den Quellen kaum zum edlen Ritter wie Saladin. Dies lag zum Teil an den historischen Fakten, Baibars ging bei seinen Eroberungen skrupelloser und listenreicher vor als Saladin, dessen großzügige Kapitula­tionsbedingungen Teil seiner Strategie waren. Dies lag aber auch daran, dass sich im Falle Baibars kein Autor fand, in dessen Inten­ tion es lag, den Sultan zum edlen Heiden zu machen. Dennoch bringt das Bild, das die Quellen von Baibars zeichnen, auch neue Aspekte in der Beschreibung islamischer Herrscher und belegt damit, dass auch der muslimische Gegner durchaus differenziert betrachtet werden konnte. Dementsprechend wirkte sich Baibars Darstellung auch nicht auf das Bild seiner türkischen Truppen in den Quellen aus. Während Saladins Glanz in der Darstellung der L’Estoire d’Eracles auch auf seine (türkischen) Truppen abstrahlt, lässt sich Vergleichbares für die Mamluken nicht nachweisen. Nach wie vor galten die Türken, also die türkischstämmigen Mamluken und die freien Türken, als die kampftüchtigsten Einheiten in den muslimischen Heeren. Anläss­lich einer Schlacht der Johanniter gegen ein muslimisches Heer betont der Templer von Tyrus, bei den Gegnern habe es sich vor allem um Türken gehandelt, diese s­ eien ausgezeichnete und geübte Kämpfer. Die übrigen Feinde s­ eien Turkmenen und Sarazenen gewesen.172 Diese Stelle zeigt, wie unheit­lich die B ­ ezeichnung 169 Paviot, Projets de Croisade, S. 16. 170 Engels, Wilhelm von Tripolis, S. 83. 171 Holt, Age of the Crusades, S. 97. 172 Templer von Tyrus, 406, S. 209: „[…] que en sest host avoit mout de Turs, gens d‘avantage & bien adurés d’armes […]“.

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der christ­lichen Chronisten für ihre Gegner im 13. Jahrhundert geworden war, hier sind, im Gegensatz zu vielen anderen Quellen dieser Zeit, die Begriffe Türken und Sarazenen nicht deckungsgleich. Es wird aber auch deut­lich, dass den Türken in militärischer Hinsicht der größte Respekt entgegengebracht wurde. Entsprechend der oben genannten Wortwahl bei der Bezeichnung der Muslime, dürfte es sich bei den sarazenischen Bogenschützen, die der Templer zum Jahre 1264 in Diensten des christ­lichen Herrn von Tyrus erwähnt, um arabischstämmige, einheimische Einheiten gehandelt haben.173 Dessen ungeachtet wird deut­lich, dass, wie schon seit dem ­Ersten Kreuzzug, die Religion keinen Hinderungsgrund für militärische Zusammenarbeit darstellte. Dementsprechend spielten fränkische Söldner Mitte des 13. Jahrhunderts eine nicht unerheb­liche Rolle im seldschukischen Rum-­Sultanat in Kleinasien. Sultan Kaikhosrau II . stützte sich bei der Etablierung seiner Herrschaft 1237 auf fränkische Einheiten. Simon von St. Quentin berichtet in seiner Historia Tartarorum über die Rolle der Franken in Anatolien und erwähnt, die fränkischen Söldner s­ eien von den Türken gefürchtet worden. Selbst wenn in dieser Aussage christ­liche Propaganda mitschwingen sollte, so dürfte es sich bei den Franken doch um gut ausgebildetes, kampferprobtes Fußvolk gehandelt haben, das von der leichten türkischen Reiterei nur schwer bezwungen werden konnte. Dementsprechend bemühten sich die türkischen Emire der Seldschuken um ein gutes Verhältnis zu ­diesem Truppenteil, der angesichts der Mongolengefahr durch die Anwerbung von 2.000 weiteren Söldnern noch einmal erheb­lich verstärkt wurde.174 Der Dienst christ­licher Söldner in muslimischen Heeren wurde nicht als strafwürdig angesehen. Das Livre au Roi scheint den Vasallen des Königs von Jerusalem sogar einen solchen Dienst erlaubt zu haben, solange sie ihr Lehen dem König anvertrauten.175 Die Grenze, die aber keinesfalls überschritten werden durfte, war der Abfall vom Glauben, also die Konversion zum Islam. Wie schnell die Gräben zu den Türken dort überbrückt werden konnten, wo die Religionsunterschiede keine Bedeutung besaßen, zeigt auch das Werk des Ramon Muntaner, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts mit der katala­ nischen Kompagnie in Anatolien und auf dem Balkan zuerst gegen die Türken, dann gegen die Byzantiner kämpfte. Muntaner behauptet, wie viele andere 173 Ebd., 322, S. 170. 174 Simon von St. Quentin, Historia Tartarorum, hrsg. von Jean Richard (Documents relatifs a l‘Histoire des Croisades), Paris 1965, XXXI, 140, S. 63 fff; XXXI, 145, S. 72 ff; Richard, Account, , S. 173, S. 173 Fn. 32. 175 Richard, Account, S. 175.

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Kombattanten vor ihm, es habe nie Männer gegeben, die so gut kämpften wie die Türken. Im konkreten Fall lobt Muntaner die Leidenschaft, mit der die Türken ihre anwesenden Familien verteidigten. Im Gegensatz zu anderen Quellen lobt er auch die Loyalität der türkischen Söldner, die zeitweise in Diensten der Kompagnie standen, ja er erwähnt sogar, die Beziehung zu seinen türkischen Untergebenen sei so eng gewesen, dass diese ihn „Vater“ genannt hätten.176 Unabhängig davon, ob Muntaners letzte Aussage nicht vielleicht der Selbstdarstellung dient, zeigt seine positive Einschätzung der Türken doch, dass es Bereiche gab, wie etwa die Lebenswelt der Söldner, in denen die Religion bei der Bewertung des Gegenübers keine Rolle spielte. Schon innerhalb der Kreuzzugschronistik konnten ja derartige Unterschiede je nach Weltbild der Autoren aufgezeigt werden. Je breiter die Kontaktzonen jenseits der Kreuzzüge ­zwischen lateinischem Europa und Türken im 13. Jahrhundert wurden, desto facettenreicher konnte auch das Türkenbild werden. Dies darf aber nicht dazu verleiten, die Religionsunterschiede als für die Zeitgenossen bedeutungslos anzusehen. Die Religion besaß für sie ledig­lich auf der Ebene, mit der sie mit den Türken in Kontakt traten, etwa im militärischen Bereich, keine Bedeutung. Die Religions­ unterschiede waren sehr wohl ein Unterschied, der den Zeitgenossen bewusst war und der je nach Situa­tion auch relevant werden konnte. Das gängige Bild vom Islam wurde wohl von der überwiegenden Mehrzahl der Menschen geteilt. Am 18. Mai 1291 beendete die Eroberung Akkons durch den Mamlukensultan ­al-­Ašraf Ḫalīl die Herrschaft der Kreuzfahrer in der Levante, da die Franken in der unmittelbaren Folge des Falls der Stadt angesichts der aussichtslosen Lage auch die wenigen ihnen noch verbliebenen Stützpunkte aufgaben. Über den Kampf um Akkon berichten drei euro­päische Quellen. Bei dem sogenannten Templer von Tyrus handelt es sich um einen orienta­lischen Franken, der wohl nicht selbst Templer war, aber mit dem Großmeister Wilhelm von Beaujeu in Verbindung stand und die Belagerung der Stadt teilweise miterlebte.177 Sowohl das Excidium Aconis genannte Werk eines anonymen Autors als auch die Abhandlung eines gewissen Magister Thadeus, eines neapolitanischen Bürgers, entstanden kurz nach dem Fall der Stadt und basieren auf Augenzeugenberichten.178 176 Ramon Muntaner, Crònica, übers. von Robert D. Hughes (The Catalan Expedi­tion to the East: From the Chronicle of Ramon Muntaner), Barcelona 2006, IX, S. 48; XXXII, S. 110; XXXVI, S. 124 f. 177 Crawford, Templar of Tyre, S.2 ff. 178 Excidii Aconis gestorum collectio/Magister Thadeus, civis Neapolitanus, Ystoria de desola­ tione et conculca­tione civitatis Acconensis et tocius Terre Sancte, hrsg. von R. B. C. Huygens,

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Sie alle sehen den unmittelbaren Anlass des Angriffes in der Ak­tion einiger euro­päischer Kreuzfahrer, die, kaum in Akkon angekommen, trotz eines bestehenden Waffenstillstandes Muslime töteten.179 Die Schuld für den Fall der Stadt wird also auf christ­licher Seite verortet, wenn natür­lich auch erkannt wurde, dass sich der Sultan diesen Kriegsgrund nicht entgehen ließ.180 Die Berichte vermitteln noch einmal das tradi­tionelle Türkenbild, das sich in den zwei Jahrhunderten der fränkischen Anwesenheit im Nahen Osten geformt hatte. Der Templer von Tyrus zeigt aber auch schlag­lichtartig die Unterschiede z­ wischen dem mamlukischen Heer 1291 und den turkmenischen Reiterkriegern, die den Kreuzfahrern 1097 bei Doryläum gegenüberstanden. Zwar blieb die türkische Taktik des Pfeilbeschusses und der Versuch, die Pferde der christ­lichen Ritter durch Pfeile zu töten unverändert, doch waren die Mamluken 1291 ungleich stärker gepanzert als ihre Vettern in Anatolien zwei Jahrhunderte zuvor. Sie ritten nun kräftigere Pferde, trugen eine verstärkte Panzerung und waren so im Nahkampf weniger verwundbar.181 Der Templer berichtet nicht nur von gepanzerten Reitern, sondern auch von gerüsteten Pferden.182 Zwar waren Pferderüstungen im Orient schon lange bekannt, etwa in byzantinischen und per­sischen Armeen, waren für die Heere der türkischen Bogenschützen aber nicht typisch. Sie werden in den Kreuzzugschroniken für türkische Heere bis zu d ­ iesem Zeitpunkt auch nicht erwähnt. Eine Ausnahme bildeten ledig­lich die aus mehreren Truppenkontingenten zusammengesetzen Heere aus Syrien oder Mesopotamien, die auch schwere Reiterei enthalten konnten, w ­ elche etwa vom Chronisten der Gesta Francorum als Agulani bezeichnet worden waren.183 Der Templer erwähnt auch besonders effektive Belagerungsgeräte der Mamluken, die er carabouhas nennt. Diese kleineren Wurfmaschinen besaßen wohl eine dermaßen hohe Feuerrate, dass sich keiner der Verteidiger ins Freie traute, wenn sie zum Einsatz kamen.184

Turnhout 2004, S. 9 ff. 179 So im Wesent­lichen auch die muslimischen Quellen, siehe dazu: Donald P. Little, The fall of Akka in 690/1291: The muslim version, in: M. Sharon (Hg.), Studies in Islamic history and civiliza­tion in honour of Professor David Ayalon, Jerusalem 1986, S. 159 – 181, S. 165. 180 Templer von Tyrus, 480, S. 238; Excidium Aconis, I, II, S. 49 f 181 Thorau, Unterschiede und Gemeinsamkeiten, S. 170 f. 182 Templer von Tyrus, 351, S. 184; 491, S. 244. 183 Siehe Kap. 2.2. 184 Templer von Tyrus, 491, S. 244.

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Abgesehen von diesen waffen- und rüstungstechnischen Entwicklungen ist die Beschreibung der türkischen Angreifer tradi­tionell. Sie deckt sich insbesondere mit solchen Stellen aus älteren Werken, die ebenso eine bedroh­liche oder ausweglose Situa­tion angesichts einer gegnerischen Überlegenheit beschreiben. Die Stimmung in der Stadt war angesichts der klaren muslimischen Übermacht von Beginn an verzweifelt.185 Ganz typisch seit Doryläum ist etwa die Erwähnung des dichten Pfeilregens, der die Christen zum Rückzug zwingt.186 Die Gefähr­lichkeit der Situa­tion, und auch dies wurde schon mehrfach angesprochen, wird ebenfalls durch die Erwähnung des inferna­lischen Lärms vermittelt, den die Angreifer mit Trommeln und Kesselpauken veranstalteten.187 Gleiches gilt für den andauernden Beschuss durch die Belagerungsmaschinen. Das Excidium Aconis vermerkt sogar ausdrück­lich, der Lärm diene dazu, die Feinde, d. h. also die Verteidiger der Stadt, einzuschüchtern. Auch die muslimischen Quellen erwähnen den Klang der Trommeln.188 Die Bezeichnungen, die für die Angreifer verwendet werden, zeigen ebenso die Bedroh­lichkeit der Situa­tion wie auch den Charakter des Kampfes als Auseinandersetzung in der der Unterlegene keine Gnade zu erwarten hatte – und es musste den Augenzeugen klar sein, wer der Unterlegene sein würde, da der Fall der Stadt nur eine Frage der Zeit war. Für das Excidium ist der muslimische Gegner eine schreck­liche Bestie, die durstig nach christ­lichem Blut ist. Thadeus bezeichnet die Mamluken und das mamlukische Heer als orienta­lische Bestie, alten Feind der christ­lichen Religion oder auch als Barbaren.189 Das Excidium bedient sich häufiger der bib­lischen Wolfs- und Schafsmetapher, um die Wehrlosigkeit zu untermalen.190 Es handelt sich bei alldem um eine Wortwahl, die in den Chroniken häufiger in bedroh­lichen oder als solchen empfundenen Situa­tionen Verwendung findet und die den Graben zu einem besonders wilden, grausamen und erbarmungslosen Feind verdeut­lichen soll. Dies gilt etwa für die Beschreibung der muslimischen Herrschaft über die Ostchristen zur 185 Andreas D’Souza, The conquest of ‘Akkā (690/1291). A comparative analysis of Christian and Muslim sources, in: The Muslim World 80 (1990), S. 234 – 250, S. 240. 186 Templer von Tyrus, 492, S. 246; Excidium Aconis, II, IV, S. 70; II, VIII, S. 81. 187 Little, The fall of Akka, S. 174 über die Verwendung von Trommeln. 188 Templer von Tyrus, 496, S. 248; Excidium Aconis, II, I, S. 65; II, III, S. 68; II, VIII, S. 81; D’Souza, Conquest, S. 245. 189 Excidium Aconis II, I, S. 64; Magister Thadeus, Ystoria de desola­tione, S. 100, S. 103, S. 139, S. 141. 190 Excidium Aconis II, V, S. 73; II, XII, S. 91; II, XIII, S. 93.

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Zeit des ­Ersten Kreuzzuges, für frühe Berichte über den Siegeszug Saladins 1187 oder die Schilderungen des Choresmier-­Einfalles 1244. Da die Berichte zum Fall Akkons von Augenzeugen verfasst wurden bzw. unmittelbar auf deren Erzählungen beruhen dürften, sollte man in diesen Begriff­lichkeiten vielleicht weniger Kreuzzugspropaganda als den Ausdruck der wirk­lichen Empfindungen der Menschen in der belagerten Stadt sehen. Der Bevölkerung musste klar sein, dass ihr Los der Tod oder die Sklaverei sein würde, würden sie nicht einen Platz auf einem der wenigen Schiffe im Hafen bekommen. Den Gegner in einer solchen Lage als bedroh­liche, gnadenlose Bestie zu sehen, ist menschlich verständ­lich. Der Templer konstatiert aber immerhin, das Massaker, das der Eroberung der Stadt folgte, habe sogar bei einigen Muslimen Mitleid mit den Besiegten ausgelöst.191 Diese, durch die verwendeten Begriffe geschaffene, zivilisatorische Trennlinie führt aber, und auch das ist typisch, nicht zur Abwertung des militä­rischen Wertes der Gegner. Die Quellen berichten alle von harten Kämpfen um die Befestigungswerke der Stadt und erkennen die Tapferkeit des Gegners und seiner Befehlshaber an.192 Nach dem Fall der Stadt gelang es einem Teil der Bevölkerung, sich in die befestigten Türme der Ritterorden zu flüchten. Während der Kapitula­ tionsverhandlungen kam es zu Übergriffen muslimischer Soldaten gegenüber Frauen, woraufhin die Mamluken innerhalb der Befestigung von den aufgebrachten Menschenmenge getötet wurden. Danach kam es erneut zu Verhandlungen, in denen der Sultan freien Abzug zusicherte. Er habe aber sein Wort gebrochen und alle Männer köpfen lassen. Dieses Ereignis wird auch in den muslimischen Quellen erwähnt.193 Mit dem wortbrüchigen Sultan begegnet einem in den christ­lichen Werken noch einmal das Stereotyp vom verräte­ rischen Sarazenen.194 In den letzten Jahren der Kreuzfahrerherrschaften und in den Jahren danach beschäftigte sich eine Anzahl von Traktaten mit der Mög­lichkeit, das Heilige Land für die Christenheit zurückzugewinnen. Unabhängig davon, ob die von den Autoren favorisierten Pläne auch nur im Ansatz durchführbar gewesen wären, geben ihre Vorschläge doch Zeugnis von ihrem Bild und ihren Kenntnissen 191 Templer von Tyrus, 506, S. 255, siehe dazu auch Crwaford, ‚Templar of Tyre‘,S. 116, Fn. 4. 192 Magister Thadeus, S. 124 ff; Excidium Aconis, II, IV, S. 71; II, XI, S. 88. 193 Little, The fall of Akka, S. 175 f. 194 Templer von Tyrus, 507 f, S. 256; D’Souza, Conquest, S. 247.

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über den muslimischen Gegner. Ohne eine genauere Untersuchung dieser Kreuzzugsprojekte durchführen zu wollen, sollen die wichtigsten Aussagen kurz beleuchtet werden. Auffällig ist zunächst die hohe Bedeutung, die die Autoren einer Art Handelskrieg gegen die Mamluken beimessen, der vor oder parallel zu einem geplanten Kreuzzug durchgeführt werden sollte. Man war sich durchaus bewusst, dass insbesondere Ägypten kriegswichtige Güter, etwa Metalle, importieren musste. Dieser Handel lief über die italienischen Seestädte, also über christ­liche Händler.195 Diese Kaufleute trifft ob ihrer Unterstützung für den Feind die Kritik der Autoren, für Thadeus sind sie sogar nur dem Namen nach Christen.196 Die weitverbreitete Idee war, eine Flotte aufzustellen, die diesen Handel blockieren und die Mamluken so schwächen sollte.197 Es spricht für den Respekt vor dem Gegner, dass man meinte, diesen zuerst durch eine Wirtschaftsblokade schwächen zu müssen. In eine ähn­liche Richtung geht der Vorschlag, Ägypten von dem Nachschub an Mamlukensklaven abzuschneiden. Man wusste, dass der Nachschub an jungen Sklaven aus den Regionen am schwarzen Meer per Schiff über Bosporus und Dardanellen erfolgte.198 Die Autoren offenbaren hier eine recht gute Kenntnis der Verhältnisse im Nahen Osten. Auch Vorschläge zu einer Umleitung des Indienhandels weg vom Roten Meer und Ägypten hin zu der Route über Perischen Golf, Mesopotamien und Syrien, um die Mamluken finanziell zu schwächen, zeugen von hinreichenden, nicht nur geographischen Kenntnissen der Region.199 War das Türken- und Islambild im 13. Jahrhundert im Wesent­lichen unverändert geblieben, so hatte man die Kenntnis über die außereuro­päische Welt doch deut­lich erweitern können. Zumindest Fidentius widmet sich auch militärischen Fragen und beschreibt Ausrüstung und Taktik der Mamluken sowie geeignete Kampfweisen gegen 195 Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter (1171 – 1517), Wiesbaden 1965, S. 64, 66. 196 Magister Thadeus, Ystoria de desola­tione, S. 133. 197 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 9, S. 63; 62 f, S. 137 f; 67, S. 140; Jacques de Molay, Conseil sur le saint passage, in: Projets de Croisade, S. 183 – 188, S. 187; Foulques de Villaret et allii, Coment la Terre Sainte puet estre recouvree par les Crestiens, in: Projets de Croisade, S.  221 – 233, S.  229; Henri II, roi de Chypre et son conseil, Informatio, in: Projets de Croisade, S. 281 – 292, S. 283, 285. 198 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 70, S. 142; Foulques de Villaret, Coment la Terre Sainte, S. 230; Henri II, Informatio, S. 283; Labib, Handelsgeschichte, S. 105, 135. 199 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 68, S. 141; Foulques de Villaret, Coment la Terre Sainte, S. 231; Labib, Handelsgeschichte, S.65 f, 69.

Sultan Baibars und das Ende der Kreuzfahrerstaaten  |

mamlukische Heere. Er erwähnt ausdrück­lich, bei den Mamluken handele es sich um vorzüg­liche Kämpfer. Da sich Fidentius selbst im Osten aufhielt, dürfte dies nicht nur eine leere Phrase sein, um seinen Kreuzzugsplänen Nachdruck zu verleihen.200 Teilweise finden sich auch genaue Zahlenangaben über die Stärke des mamlukischen Heeresaufgebotes. Fidentius schreibt von 40.000 Reitern. Eine Zahl, die zwar auch islamische Autoren bringen, die Humphreys aber für zu hoch gegriffen hält.201 Das „Devise des chemins de Babylone“ bringt dagegen eine genaue Auflistung der Aufgebote aus einzelnen Städten und Regionen und kommt dabei auf 14.700 Reiter aus Ägypten und 9.900 für Syrien, insgesamt also 24.600.202 Eine Zahl, die nahe bei der Summe aller ayyubidischen Kräfte liegt (22.000 nach Humphreys) bzw. nahe bei der Zahl, die eine arabische Quelle alleine für die Ḥalqa- Truppen unter Baibars angibt, wo von 24.000 Mann die Rede ist.203 Die Zahlen scheinen jedenfalls nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein und belegen daher ebenfalls die recht genaue Kenntnis der christ­lichen Autoren von den Verhältnissen im Nahen Osten. Letzten Endes aber mussten diese Pläne und Vorhaben den Beweis ihrer Durchführbarkeit schuldig bleiben. Die euro­päische Christenheit konnte und wollte nach 1291 keine Kräfte mehr zu einem Kreuzzug in den Orient mobilisieren, geschweige denn zu einem solch umfassenden militärischen Mammutunternehmen, wie es die meisten Kreuzzugsprojekte vorgesehen hatten. 1303 räumten die Templer ihren letzten Stützpunkt in der Levante, die kleine Insel Ruad vor der Küste bei Tortosa. Die Kämpfe euro­päischer Ritter gegen ­türkische Heere auf den Schlachtfeldern von Anatolien bis Ägypten gehörten damit der Vergangenheit an. Es sollte allerdings nicht einmal ein Jahrhundert vergehen, bis sich die christ­lichen Ritter einem neuen türkischen Gegner, näm­ lich den stetig vordringenden Osmanen, stellen mussten, dann allerdings auf dem Boden ihres eigenen Kontinents.

200 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 27, S. 97: „[…] quorum plures sunt valde strenui in armis et fortissimo bellatores“; 29 ff, S. 97 ff; 93, S. 163 f. 201 Fidentius von Padua, Liber recupera­tionis, 27, S. 97; Humphreys, Emergence of the mamluk army, S. 159 f. 202 La Devise des chemins de Babylone, in: Paviot (Hg.), Projets de Croisade, S. 199 – 220, S. 203. 203 Humphreys, Emergence oft he mamluk army, S. 76, 160.

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12 Schluss Gute Ritter und böse Heiden. Wenn sich das Feindbild so vieler unterschied­ licher Kreuzfahrer aus zwei Jahrhunderten Kreuzzugsgeschichte überhaupt in wenigen Worten zusammenfassen lässt, dann in dieser Kurzformel. Bereits die ersten Kreuzfahrer zogen mit einem negativ belasteten Bild des Islam gen Osten. Die Religion Mohammeds war für sie eine Religion der Gewalt und der Wollust, eine Religion von dieser Welt, deren Stifter ein falscher Prophet mit sündhaftem Lebenswandel war, der auch vor Gewalt und Taschenspielertricks nicht zurückschreckte. Der Islam war für sie das negative Spiegelbild des Christentums als einer Religion der geistigen Werte. In vielen Chroniken wurde der Islam darüber hinaus, ersicht­lich falsch, als eine Religion von polytheis­ tischen Götzendienern dargestellt. Der Kampf um das Heilige Land verlangte einen lebendig und farbenfroh dargestellten Feind, der ganz wie die antiken Verfolger des Christentums eine Vielzahl von heidnischen Götzen anbetete. Dürften ideolo­gische Gründe auch ausschlaggebend für diese gröbsten Verfälschungen gewesen sein, so sollte man hinter alldem doch keinen umfassenden Plan kirch­licher Propaganda sehen. Das Islambild der meisten Kreuzfahrer war wohl das Resultat einer Mischung aus Unwissen, eventuell auch Desinteresse, eingeschränkter Informa­tion über den Orient, näm­lich Quellen über die vorislamischen Araber oder die antiken Christenverfolgungen, und die zu allen Zeiten üb­liche Herabsetzung des Feindes durch Propaganda. Bereits die ersten Kreuzfahrer besaßen eine recht genaue Kenntnis davon, wem sie in der Schlacht gegenübertraten. Sie konnten relativ sicher, wenn zunächst auch nur grob, z­ wischen den verschiedenen ethnischen Gruppen im Orient unterscheiden und waren in der Lage, die Turci von den arabischstämmigen oder anderen Ethnien im Nahen Osten abzugrenzen. Mochten die Kreuzfahrer auch mit der Vorstellung vom bösen Heiden den Bosporus überquert haben, bereits wenig s­ päter formte sich das Bild von den Türken als gute Ritter. Dies obwohl die Türken als leichtbewaffnete, berittene Bogenschützen kämpften, was sich völlig von der Kampfweise der euro­ päischen Ritter unterschied, die im Kampf nach dem Angriff mit eingelegter Lanze direkt zum Nahkampf übergingen. Zentral für das Bild vom militärisch tüchtigen Gegner wurden die Erfahrungen in der Schlacht von Doryläum im Juli 1097. Die Türken erscheinen in den Schlachtenschilderungen bereits hier mit allen grundlegenden Charakteristika, die sie auch in der späteren Kreuzzugschronistik nahezu unverändert beibehalten sollten. Bereits hier werden sie

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als ebenbürtiger, ja gefähr­licher und bedroh­licher Gegner dargestellt. Besonders greifbar ist zunächst der psycholo­gische Effekt, den der türkische Angriff bei den christ­lichen Kombattanten auslöste: Der dichte Pfeilregen, der Lärm, vor allem aber das Gefühl der Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit das sich einstellte, als man passiv im Pfeilhagel ausharren musste, nachdem die Türken den Angriff der christ­lichen Reiterei einfach hatten ins Leere laufen lassen. Diese Machtlosigkeit gegenüber einem wendigen, schnellen Feind, der sich nicht zur Schlacht stellte, dürfte eine einschneidende Erfahrung für die christ­lichen Ritter gewesen sein. Die grundlegenden Charakterzüge, die man den türkischen Reitern seit dieser Schlacht zuschrieb, waren Wildheit aber auch Grausamkeit und Listenreichtum. Die Fernkampfweise der Türken wurde allerdings nie kritisiert, die Türken nicht einmal als feige bezeichnet. Im Gegenteil, die Schlacht von Doryläum veranlasste den Chronisten der Gesta Francorum, in den Türken die besten Ritter nach den Franken zu sehen. Mit Verlauf des Kreuzzuges lernten die Europäer, mit der türkischen Kampfweise umzugehen. Die folgenden Schlachtenschilderungen bis hin zum Kampf gegen Karbuġā zeigen die Türken wesent­lich weniger bedroh­lich. Die Türken blieben achtbare Gegner, aber die Kreuzfahrer hatten gelernt mit der Wirkung des Pfeilbeschusses zurechtzukommen. Der Respekt vor den militärischen Qualitäten des türkischen Gegners zeigt sich in den Quellen vor allem bei der Beschreibung von Kämpfen um Befestigungsanlagen. Hier wird deut­lich, dass die Türken auch im Nahkampf gegen die schwergepanzerten euro­päischen Ritter bestehen konnten und als ernstzunehmende Gegner galten. Öfter als in den Feldschlachten werden die Türken hier als standhaft oder tapfer geschildert, weniger oft als wild, listig oder grausam. Es ist frag­lich, ob dies den Schluss zulässt, dass die türkische Kriegführung im Feld doch in gewisser Weise verachtet wurde oder ob man hier einfach honorierte, dass der Nahkampf auf Befestigungen der eigenen Kampfweise ähn­licher war. Auch der türkische Kleinkrieg aus Plünderungen, Überfällen und ständigem Pfeilbeschuss, der dem Kreuzzug besonders vor Antiochia so zusetzte, hatte keinen ablesbaren Einfluss auf die Beurteilung des militärischen Wertes der Türken. Im Gegenteil, auch bei diesen Gelegenheiten werden türkische Krieger als tapfer bezeichnet und man scheute sich nicht, die Angst der Christen zu erwähnen, wenn diese ihr Lager verlassen mussten. Die Augenzeugenberichte zum ­Ersten Kreuzzug zeigen die Türken daher trotz aller Unterschiede in der Kriegstechnik nicht als unehrenhafte oder gar feige Gegner. Eine gegenteilige Meinung, wie sie in der Forschung schon geäußert wurde, lässt sich durch die Quellen nicht belegen.

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Einen Wandel erfuhr das Türkenbild im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts in den Überarbeitungen der Gesta Francorum durch Benediktinermönche in Europa. Die Gründe dafür lassen sich genau nachweisen: Der Bildungsgrad der Autoren, die Inten­tion der Neufassungen und ihr Weltbild als Mönche. Im Gegensatz zu den Autoren der Augenzeugenberichten handelte es sich bei den Bearbeitern der Gesta allesamt um hochgebildete Männer, die infolgedessen mit den Werken antiker Autoren vertraut waren, die damals zum Bestandteil des Lektürekanons zählten. In den Werken Lucans, Ovids und anderer fanden sie Informa­tionen über die Parther. Aufgrund der ähn­lichen Kampfweise, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Parther zur Zeit der Römer den Osten beherrscht hatten, setzten sie diese mit den Türken gleich. Um ihre Werke literarisch aufzuwerten, ließen sie sich bei ihrer Beschreibung der Türken von Zitaten ihrer antiken Vorbilder inspirieren. Dies gereichte den Türken in den Kreuzzugschroniken nicht zum Vorteil, denn im Gegensatz zu den mittelalter­ lichen milites hatten die römischen Autoren in ihren Werken den Einsatz von Pfeil und Bogen zutiefst verachtet. Hinzu trat, zumindest bei den Überarbeitungen durch Balderich von Dol, Guibert von Nogent und Robert dem Mönch, die Absicht, eine propagandawirksame und theolo­gisch und historisch eingebettete Kreuzzugsgeschichte für die franzö­sische Krone zu schaffen. Dazu musste die Darstellung der Türken als Feinde Christi akzentuierter und schärfer werden. Man arbeitete vermeint­liche Charaktereigenschaften wie Grausamkeit, Wildheitoder sexuelle Verderbtheit des Gegners stärker heraus und betonte Tugenden wie Tapferkeit nicht allzu sehr. Dies führte zwar dazu, dass in den Überarbeitungen der Gesta der zivilisatorische Graben zu den Türken tiefer wurde, aber nicht dazu, dass diese zu militärisch unwürdigen Gegnern wurden. Propaganda erfordert eine schärfere Abgrenzung zum Feind, aber der Gegner darf nicht als unwürdig oder militärisch unfähig erscheinen, will man die eigene Leistung nicht schmälern. Das Türkenbild wurde daher nicht wesent­lich, aber doch an entscheidenden Stellen, verändert. Ein dritter, sehr großer Unterschied z­ wischen dem Autor der Gesta und den Neubearbeitern war, dass es sich bei Ersterem wohl um einen Kombattanten handelte, bei Letzteren um Mönche. Dies hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung der Türken als milites, beeinflusste das Bild vom „guten Ritter“ also unmittelbar. Es erklärt auch, warum der Anonymus die Türken als gute Ritter beschreiben konnte, während der Mönch Ekkehard von Aura sie als Räuber bezeichnete, obwohl beide bei ihrer Beurteilung vom gleichen Türkenbild ausgingen.

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Alle Kreuzfahrer erkannten, dass die Türken sich in der Schlacht auf die Reiterei stützten. Dies übertrugen sie auf ihre eigene Lebenswelt, in der vor allem der Kampf vom Pferd aus das entscheidende Merkmal war, um als miles, als Ritter, zu gelten. Die Türken wurden für die Kreuzfahrer daber ebenfalls zu Rittern. Dies mit allen Implika­tionen, was Ausbildung und sozia­len Stand betraf. Das Pferd war das entscheidende Statussymbol, in Orient wie Okzident. Die Türken konnten so für die christ­lichen Ritter zu einer Art Standesgenossen werden. Dies umso mehr, da das Rittertum in Europa noch kein fester Stand war, sondern sich über die gemeinsame Funk­tion definierte, als zu Pferd kämpfende Berufskrieger. Diese Defini­tion erfüllten die Türken problemlos. Damit nicht genug. Auch die Kriegführung abseits der großen Feldschlachten war in Europa nicht anders als im Orient. Sie bestand aus Überfällen und Plünderungen, um den Gegner wirtschaft­lich zu schwächen. Dies führte auch dazu, dass sich Türken und euro­päische Ritter gerne die gleichen Charaktereigenschaften zuschrieben. Wildheit, Raublust, Beutegier, Listigkeit und unter Umständen Grausamkeit, kurz, die Fähigkeit Furcht und Schrecken zu verbreiten, galten als positive Charakterzüge eines tüchtigen Kriegsmannes. Die Türken erschienen den Kreuzfahrern nicht nur äußer­lich als milites weil sie sich in der Schlacht auf die Kavallerie stützten, auch die Charakterisierung der Türken in den Augenzeugenberichten zum Kreuzzug stimmt genau mit den Merkmalen überein, die man selber schätzte. Die Eigenschaften, die beim unbefangenen Lesen der Gesta und anderer Quellen als negative Charakterisierung der Türken empfunden werden könnten, waren dies aus der Sicht eines Ritters um 1100 keineswegs! Diese Gemeinsamkeiten resultierten wiederum aus Ähn­lichkeiten im Gesellschaftsaufbau. Sowohl in Europa als auch im Nahen Osten war eine Kriegerklasse zum welt­lichen Exponenten der Gesellschaft aufgestiegen. Hier wie dort unterhielten deren Mitglieder ein eigenes Gefolge und standen im Konkurrenzkampf zu anderen Mitgliedern ihrer Klasse. Hier wie dort war die Zentralmacht relativ schwach, was zu inneren Konflikten führte und damit die Herausbildung der genannten Charaktereigenschaften zur Durchsetzung der eigenen Ziele begünstigte. Kam es dann zu militärischen Auseinandersetzungen, stand das Pferd als Reittier in der Schlacht im Mittelpunkt. Milites wie Türken konnten daher aus einem großen Reservoir gemeinsamer Werte schöpfen. Die unterschied­ liche Kampfweise scheint demgegenüber bei der Bewertung des Gegners kaum ins Gewicht gefallen zu sein. Dies vielleicht deshalb, weil die Türken für die Kreuzfahrer von vergleichbarem sozia­lem Stand waren und sie, anders als euro­ päische Bogenschützen, als Muslime keine Bedrohung für den sozia­len Status

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der Ritter darstellten. Aber auch die genannten Gemeinsamkeiten, und auch das ist wichtig, konnten die religiöse Trennlinie nicht überbrücken, die Türken blieben böse Heiden, mochten sie auch gute Ritter sein. Die Mönche, die die Gesta bearbeiteten, fanden zwar dieselben Fakten vor, näm­lich türkische Reiterkrieger mit den genannten Eigenschaften, sie beurteilten diese aber völlig anders. Die Charakteristika, die die Türken für die Ritter zu Standesgenossen gemacht hatten, machten sie für die Mönche zu Räubern. Eine Bezeichnung, die sie auch für die milites verwendeten, denn für sie, die sich in Europa der kirch­lichen Ziele zur Friedenswahrung gegen ritter­liche Gewalt verschrieben hatten, mussten die Türken aus den Kreuzzugschroniken allzu sehr den aggressiven Rittern ähneln, die sie von zu Hause kannten. Räuber waren die Türken für sie nicht, weil sie anders kämpften als die Ritter, sondern weil sie sich genauso verhielten. Aus ­diesem Grunde konnten die Türken für sie auch nicht ohne weiteres milites sein, erst recht keine vorbild­lichen milites. Denn seitens der ­Kirche versuchte man ja gerade, den Ritterbegriff christ­lich zu verankern und die Ritter von Verhaltensweisen wie Grausamkeiten, Plünderung etc. abzubringen. Das Ideal des miles christianus, das die Türken als Muslime nie erfüllen konnten, verkörpern in den Werken jener Mönche aber gerade die Kreuzfahrer. Sie sind, nach der idealisierten Vorstellung der Autoren, von den malitia geläutert, sind wahre Ritter Christi und kämpfen gegen Türken, die die Schlechtigkeiten ihrer Standesgenossen in Europa verkörpern. Diese Darstellung beruht wohl nicht auf einer Komposi­tion der klerikalen Autoren, denn die Ähn­lichkeiten waren ja schon den Augenzeugen aufgefallen, was nicht ausschließt, dass man diese Charakteristika zur bildhaften Darstellung der eigenen Argumenta­tion benutzte. Die Tatsache, dass die Kombattanten in den Türken so etwas wie Standesgenossen sahen, trug wohl auch dazu bei, dass der Umgang mit dem geschlagenen Gegner nicht allzu weit von dem in Europa üb­lichen Maßstab abwich. Konzepte wie Lösegeld oder die Schonung von Gefangenen waren in Europa ebenso vorhanden wie das Potential für Massaker an dem geschlagenen Gegner. Auch auf dem Kreuzzug hielt man sich prinzipiell an die Regeln, die man kannte. Die Quellen berichten von Gefangenen sowie von Lösegeldverhandlungen. Allerdings scheint auf dem Kreuzzug schneller und häufiger die Grenze hin zu Gewaltakten überschritten worden zu sein. Die Tatsache, dass es sich um einen interkulturellen Krieg, gegen einen kulturell fremden Gegner handelte, trug wohl auch dazu bei, ­solche Exzesse in bestimmten Situa­tionen zu begünstigen. Gleiches galt für die Massaker in den eroberten Städten. Gewalt­akte gegen geschlagene Gegner und Massaker in eroberten Städten waren auch bei

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„innerchrist­lichen“ Kriegen in Europa nicht unbekannt, Umfang und Häufigkeit solcher Exzesse waren auf dem Kreuzzug aber höher. Grund dafür war wohl, dass auf dem Kreuzzug als weitere Ursache für s­ olche Exzesse die herabgesetzte Hemmschwelle aufgrund des Fehlens von sozia­ler Kontrolle und von Sank­tionen, dies wiederum aufgrund der Religionsunterschiede, hinzutrat. Unterschieden werden muss zusätz­lich ­zwischen dem Handeln der einfachen Pilger und dem der Kreuzzugsführer. Während erstere oft aus der Not heraus handelten, waren die Taten letzterer oft genug von Pragmatismus geprägt. Nichts zeigt dies besser als ihre ersten Schritte auf politisch-­diplomatischer Ebene. Die Franken konnten sich auf dem politischen Parkett Syriens recht bald nach ihrer Ankunft sicher bewegen. Die Eigeninteressen verdrängten hier schnell die religiösen Vorbehalte. Die bereits angesprochenen Ähn­lichkeiten im Gesellschaftsaufbau beider Kriegergesellschaften erleichterten die Gründung der ersten fränkischen Herrschaften und die Aufnahme von Türken in das eigene Gefolge. Die fränkischen Führer waren alles andere als naiv-­idealistische Ritter im orienta­lischen Haifischbecken. Im politisch-­militärischen Bereich gab es kaum Trennendes, man fand schnell eine Basis für Koopera­tionen. Bei der Herrschaftsbildung wog das pragmatische Denken schnell alle eventuellen religiösen Vorbehalte auf. Die frühesten Beschreibungen von türkischen Herrschern und Befehls­ habern offenbaren ein differenziertes Bild. Teilweise wurden die Männer recht negativ geschildert, wie etwa der Feldherr Karbuġā, dem man aufgrund des für die Christen sonst nicht erklärbaren Schlachtverlaufes Feigheit und Hochmut vorwarf. Teilweise wurden die türkischen Herrscher aber durchaus positiv dargestellt. Dies gilt besonders für Sultan Kılıç Arslān, dem besonders Albert von Aachen viele Tugenden zuschrieb. Es wurde bereits gezeigt, dass sich das Türkenbild in den Überarbeitungen der Gesta Francorum leicht verschlechterte. Lag dies vor allem in der Person der Autoren begründet, so gab es noch einen weiteren Faktor, der dazu beitrug, dass das Türkenbild in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts seine negativste Ausprägung fand. Es handelt sich hierbei um das erstmalige Auftreten turkmenischer Nomaden in Syrien. Diese nur schwer zu kontrollierenden Gruppen brachten durch ständige Überfälle und Beutezüge Landwirtschaft und Handel erheb­liche Einbußen bei und schufen, wie etwa zuvor in Anatolien, eine Art Niemandsland an der Grenze. Die Turkmenen wurden von den Chronisten zunächst nicht als eigenständige Gruppe erkannt, sodass man den Turci nun insgesamt vermehrt Grausamkeit und Raubgier zuschrieb. Die List wurde in jenen Jahren geradezu zum türkischen Stereotyp, nicht zuletzt wegen

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der mangelnden christ­lichen Einsicht in innerislamische Strukturen. Den muslimischen Herrschern warf man daher Vertragsbruch und Hinterhältigkeit vor, obwohl diese die relativ unabhängigen Stämme gar nicht kontrollieren konnten. Trotzdem gingen Franken und Muslime schnell Bündnisse ein. Dieser modus vivendi resultierte aber nicht aus einem Toleranzideal heraus, sondern schlicht aus politischem Kalkül. Neue Aspekte des Türkenbildes finden sich in der Mitte des 12. Jahrhunderts bei Ordericus Vitalis. Zwar geißelte auch er das Verhalten der milites als Räuberart, widmete aber, wohl beeinflusst durch münd­liche Überlieferungen, höfischen Umgangsformen beim Kontakt mit dem muslimischen Gegner neuen Raum. Demgegenüber blieb die Darstellung der Türken in den Quellen zum Zweiten Kreuzzug tradi­tionell. Neben das Feindbild der Türken trat nun auch das der verhassten Byzantiner, sodass die Türken viel von ihrer prominenten Rolle als Feind der Christenheit verloren. Ein weiterer Wandel im abendländischen Türkenbild ist im Werk des ­Wilhelm von Tyrus zu beobachten. Allerdings, und das gilt es zu betonen, steht ­Wilhelm keineswegs für ein neues Toleranzideal gegenüber den Muslimen. Dies zeigt schon Wilhelms Umgang mit seinen Primärquellen, die er unverändert übernahm, teilweise sogar verschärfte. Desweiteren ist in der Forschung gezeigt worden, dass politische Interessen die Darstellung des Gegners bei Wilhelm maßgeb­lich beeinflussen. Auch der Erzbischof von Tyrus stellt die Türken als gute Ritter dar, auch in seiner Historia können sie wild und grausam sein. Daneben treten in seinem Werk aber auch erstmals höfische Umgangsformen türkischer Herrscher. Deren Andersgläubigkeit wird kaum betont, die Rolle des bösen Heiden tritt zurück. Wilhelm ist allerdings nicht der Erste und nicht der Einzige, bei dem dieser Wandel greifbar wird. Schon zu Zeiten des E ­ rsten Kreuzzuges waren türkische Herrscher abseits des Schlachtfeldes positiv beschrieben worden. Es lässt sich also durchaus folgern, dass es diese Umgangsformen, vor allem in Syrien, schon früher gab, nur werden sie erst jetzt in größerem Umfang in den Quellen greifbar. Diplomatische Kontakte zu Ayyubiden und Seldschuken unterhielt zu Wilhelms Zeiten auch Friedrich Barbarossa, auch hier berichten die Quellen von höfischen Umgangsformen und Geschenken. Grund für diesen Wandel in der Darstellung ist die Tatsache, dass Anatolien und das ­muslimische Syrien jeweils nun politisch geeint und somit auch für Europa politisch wichtig wurden, was entsprechende Kontakte förderte. Außerdem entwickelten sich in Europa die ritter­liche Kultur und Literatur zur Blüte, die ihre Helden nicht mehr nur als tapfere Krieger sondern differenzierter und farbenfroher zeichnete. Dies könnte durchaus auch die Darstellung der Türken,

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die man ja als Ritter betrachtete, in den Chroniken beeinflusst haben. Wilhelm lebte im Nahen Osten, sodass der Islam für ihn nicht wie für euro­päische Autoren etwas Fremdes, sondern alltäg­lich war. Neu in seinem Werk ist allerdings das vermehrte Wissen über die Türken und den Nahen Osten. Hier bemerkt der Leser eine klare Veränderung im Vergleich mit früheren Werken. Die Institu­tion der Mamluken beschreibt Wilhelm ebenso als erster euro­päischer Chronist wie die (legendenhafte) Herkunft der turkmenischen Stämme in Abgrenzung zu den übrigen Türken. Der Schock über die Katastrophe von Ḥaṭṭīn 1187 verbannte dann zunächst jede differenzierte Darstellung. Man griff kurzzeitig wieder auf althergebrachte Formulierungen zurück und bediente sich der Bilder, die schon zu Zeiten des ­Ersten Kreuzzuges den grausamen, türkischen Feind beschrieben hatten. Ziel war es, in Europa mög­lichst breite Hilfe für die bedrängten Kreuzfahrerstaaten zu mobilisieren. In den frühesten Berichten zur Belagerung Akkons ist dementsprechend der Graben zu den Türken tiefer als noch einige Jahre zuvor. Dennoch, die Türken waren trotz allem nicht mehr der apokalyptische Feind von 1095, so wurde etwa der Einzug Saladins in Jerusalem von den Chronisten relativ realistisch beschrieben. Auch war man jetzt, dank des vermehrten Wissens, in der Lage, verschiedene Ethnien und Gruppen zu unterscheiden, so etwa Turkmenen oder Kurden. Die Werke zum Kreuzzug von Richard Löwenherz zeigen die Türken als achtbare, tüchtige Gegner, denen hoher Respekt entgegengebracht wurde. Ist dies noch das tradi­tionelle Türkenbild, so wurde der Gegner nun auch farbiger beschrieben, was sich etwa in der Namensnennung von Saladins Befehlshabern und den sich um sie rankenden Geschichten niederschlägt. Auch zum Dritten Kreuzzug lässt sich nachweisen, dass die Türken gerade bei Kämpfen um Befestigungen besonderes Lob erfahren. Die Kampfweise im Feld wurde zwar nicht verachtet, war aber unbeliebt. Entscheidende Trennlinie blieb aber auch Ende des 12. Jahrhunderts, wie beim Chronisten der Gesta Francorum, die Religion. Für Saladin selbst gilt Ähn­liches wie für seine türkischen Soldaten. Der Sieg von Ḥaṭṭīn machte ihn zunächst zum gefähr­lichen hassenswerten Gegner, um seinen Aufstieg zur Macht rankten sich schnell negativ entstellte Geschichten, er galt als Tyrann und Usurpator. Ledig­lich die militärische Tüchtigkeit wurde ihm nicht abgesprochen. Die Kontakte mit Richard Löwenherz wurden anfangs keineswegs positiv beschrieben. Das Saladinbild besserte sich erst gegen Ende der wichtigsten schrift­ lichen Quellen zum Dritten Kreuzzug. Dies scheint die These zu bestätigen, dass die Autoren vor allem den Fehlschlag Richards, Jerusalem zu erobern, dadurch

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abzumildern versuchten, dass sie mit Saladin einen achtbaren, ritter­lichen Gegner schufen. Begünstigt wurde dies durch die bereits angesprochenen gemeinsamen Werte der euro­päischen und türkischen Kriegerklassen und die entsprechenden Entwicklungen in der höfischen Literatur in Europa, die es ermög­lichten, freimütiger, detaillierter und farbenfroher auch von den Sarazenen zu berichten. In ­diesem Zusammenhang wird einmal mehr die Wichtigkeit deut­lich, ­zwischen dem Türkenbild der Anführer und dem der einfachen Kreuzfahrer zu unterscheiden. Ersteres konnte von politischen und pragmatischen Erwägungen geprägt sein, etwa Heiratsprojekte mit Muslimen, für die das Publikum in Europa und die Soldaten im Heer nur wenig Verständnis aufbringen konnten. Verfehlt wäre es, in den Kontakten z­ wischen Saladin und Richard Löwenherz den entscheidenden Wandel im Türken- oder auch im Saladinbild zu sehen. Es konnte gezeigt werden, dass die Beschreibung höfischer Umgangsformen bereits rund 20 Jahre zuvor in den Quellen einsetzt, näm­lich mit den Kontakten Friedrich Barbarossas in den Orient. Ohnehin hatte es enge Beziehungen ­zwischen fränkischen und muslimischen Herrschern im Osten schon während der Errichtung der Kreuzfahrerherrschaften gegeben. Die eng­lischen Quellen zeigen Saladin zudem eher als respektablen, ehrenhaften Gegner auf Augenhöhe Richards und kaum als den edlen Sultan, als der er ­später in der Literatur begegnet. Der Ursprung der Gestalt des edlen Heiden Saladin liegt vielmehr in den Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus. Wie schon bei Wilhelm und den Chronisten von Richards Kreuzzug lag hier in der Inten­tion des Autors der Schlüssel zur Darstellung der Muslime, also vor allem Saladins. Dem Autor, einem Mitglied der Führungsschicht von Outremer, war daran gelegen, Schuldzuweisungen aus Europa wegen der zu engen Zusammenarbeit der Franken in der Levante mit den Muslimen und wegen der Kapitula­tion Jerusalems zurückzuweisen. Dazu schuf er in Saladin die Figur eines edlen, ritter­lichen Heiden, mit dem zu paktieren keine Schande und dem die Heilige Stadt auszuliefern nichts Verwerf­liches war. Der Verfasser stellte seinen Saladin gemäß des zeitgenös­ sischen euro­päischen Ritterideals dar. Er schuf damit unter Bruch des bisherigen Türkenbildes ein neues, ideales, Türkenbild. Das Türkenbild, das die Ritter positiv und die Kleriker bzw. Mönche negativ bewertet hatten, war ja gerade aufgrund von realen Ähn­lichkeiten entstanden, nun aber wurde das Bild vom Sarazenen gemäß eines ritter­lichen Ideals erschaffen, um eine mög­lichst große Wirkung zu entfalten. Dieser Weg war wohl nur einem Franken aus Outremer gangbar, der ein viel entspannteres Verhältnis zu Muslimen besaß als ein Europäer. Sowohl Schaffung als auch Verbreitung d ­ ieses Saladinbildes wurden aber von einer Vielzahl weiterer Faktoren begünstigt, so etwa durch die großzügigen

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Kapitula­tionsbedingungen des Sultans, die unblutige Einnahme Jerusalems aber auch durch Saladins schnellen Tod bereits 1193. Der Saladin in den Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus stellte nachfolgende Autoren aber vor das Problem, die Figur des edlen Saladin mit ihrem düsteren Islambild in Einklang zu bringen. Sie taten dies, indem sie den Sultan in irgendeiner Form zum Franzosen oder Christen erklärten. Sie waren nicht bereit, ihr Bild vom Islam zu ändern. Ähn­lich hatte der Autor der Gesta Francorum ein Jahrhundert zuvor gedacht und Franken und Türken eine gemeinsame Abstammung unterstellt. Es handelt sich bei dieser Lösung daher in gewisser Weise um eine Konstante, die die Chronisten wählten, um den Widerspruch ­zwischen den „guten Rittern“ und den „bösen Heiden“ aufzulösen. Nichts zeigt besser die Rolle, die die unterschied­liche Religion spielte. Sie hinderte nicht die Wertschätzung des Gegners an sich, das Bedürfnis, eine Erklärung für solcherart Tugenden zu finden, bestand bei vielen Chronisten aber doch. Dies zeigt, dass es sich hier nicht um Toleranz im modernen Sinne handelt, der fremde Glaube blieb ein Makel, den man meinte, in irgendeiner Form abschwächen zu müssen. Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas traf zwar in Anatolien nicht auf Saladin und seine Armee, die Quellen sind dennoch aufschlussreich für das Türkenbild Ende des 12. Jahrhunderts. Zum ersten Mal betrachtete ein Kreuzzug die Türken in Anatolien nicht als Feinde, sondern nur die Ayyubiden in Syrien und Ägypten. Diese Entwicklung war neu und sicher­lich ein Resultat der zunehmenden diplomatischen Kontakte seit den 1170er Jahren. Die Friedenserwartung der Deutschen musste aber aufgrund ihrer mangelnden Kenntnisse über die innere Struktur des Seldschukensultanats von Rum enttäuscht werden. Wie schon zu Beginn des Jahrhunderts unterschieden die Kreuzfahrer nicht z­ wischen ihren Vertragspartnern, den Seldschuken und unabhängigen Turkmenen und warfen ersteren daher Vertragsbruch vor. Eine Situa­tion, die deut­lich macht, wie mangelndes Wissen direkten Einfluss auf das Türkenbild nehmen und das alte Vorurteil vom listigen Türken wiederbeleben konnte. Die Zählebigkeit alter Vorurteile bestimmte auch das Islambild des 13. Jahrhunderts. Obwohl sich in den Quellen ein deut­licher Anstieg des Wissens über den Islam und den Nahen Osten abzeichnet, änderte sich die Meinung der meisten Autoren über den fremden Glauben nicht. Die Religion blieb ein trennender Graben, ein Graben, der zwar nicht so dominant war, dass er alle Kontakte beherrschte, aber doch ein Unterschied, der den Zeitgenossen im Zweifelsfall bewusst war. So etwa im Falle Saladins oder der großen islamischen Philosophen, deren Beziehung zum Islam man lockern musste, um sie ohne Einschränkung wertschätzen zu können.

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Die Friedensjahre, die dem Dritten Kreuzzug im Nahen Osten folgten, hatten wohl pragmatische Gründe und nicht etwa ein neues Toleranzideal. Ebenso hatte die Schaffung des edlen Heiden Saladin in den Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus keine Auswirkungen auf das Bild vom Gegner, ja in den Quellenwerken des frühen 13. Jahrhunderts nicht einmal auf die Darstellung des Sultans selbst. Mit dem vermehrt zutage tretenden Wissen über den Nahen Osten und den muslimischen Gegner setzte sich ein Prozess weiter fort, der schon vor dem Dritten Kreuzzug begonnen hatte. Man unterschied nun ­türkischstämmige Mamluken, Turkmenen, Beduinen und machte sich Gedanken zu deren Herkunft und Lebensweise. Das Wissen über die inneren Strukturen und die Machtverteilung innerhalb des ayyubidischen Machtbereichs ist in den Quellen ebenso erkennbar. Auf christ­liche Kritik stieß dabei regelmäßig die Usurpa­tion der Macht durch Männer, denen die Herrschaft nicht durch Erbfolge zustand. Hier schlugen sich weniger religiöse Vorbehalte als das Verständnis der euro­ päischen Autoren von der rechten Gesellschaftsordnung nieder. Die Werke zum Fünften Kreuzzug bringen ein tradi­tionelles Türkenbild, das mit einer wieder etwas stärkeren Betonung der religiösen Unterschiede Ähn­ lichkeiten zur Chronistik des ­Ersten Kreuzzges aufweist. Eine Tatsache, die vielleicht dem Weltbild der maßgeb­lichen Autoren geschuldet ist. Mit der hohen Wertschätzung für kurdische Einheiten und der Fortschreibung der Legenden um die kurdischen Befehlshaber Saladins in Akkon in die eigene Zeit lassen sich aber auch Kontinuitäten seit dem Dritten Kreuzzug nachweisen. Der Einfall der Choresmier und die Plünderung Jerusalems führten dazu, dass man die „guten“ syrischen Sarazenen von den grausamen Invasoren abgrenzte. Letztere wurden in den Quellen ähn­lich dargestellt, wie die Türken vor dem ­Ersten Kreuzzug oder nach der Katastrophe von Ḥaṭṭīn. Sie waren grausame Barbaren, die Christen töteten und die Heiligen Stätten schändeten. Es ist ein typisches Muster: In der Bedrohungssitua­tion wurde der zivilisatorische Graben zum Gegner besonders herausgestellt. Aber auch in ­diesem Fall hatte die zivilisatorische Abwertung keinen ablesbaren Einfluss auf die Beurteilung der militärischen Tüchtigkeit. Unterschiede ­zwischen Werken, die in Europa entstanden und solchen aus dem Nahen Osten finden sich kaum. Wenn überhaupt differieren die Werke in Bezug auf das Bild vom „bösen Heiden“. Der fremde Glaube war Autoren aus Syrien und Palästina kaum noch eine Erwähnung wert, während die religiösen Unterschiede von Chronisten in Europa etwas stärker betont wurden. Die Wertschätzung militärischer Tugenden, also das Bild vom „guten Ritter“, findet sich dies- wie jenseits des Mittelmeeres.

Schluss |

Die ausführ­lichsten Werke zum Siebten Kreuzzug vermitteln ein ausgesprochen positives Türkenbild. Ursache hierfür dürfte sein, dass diese Werke, die Histoire de Saint Louis des Joinville und der Rothelin-­Fortsetzer Wilhelms von Tyrus, das ritter­liche Publikum ansprechen. Die Religionsunterschiede stehen hier nicht im Zentrum, sondern eher eine farbige und detailreiche Darstellung der Türken als respektable, ritter­liche Gegner. Joinville billigt den Mamluken die Bezeichnung chevalier zu und löst diese bemerkenswerterweise völlig vom christ­lichen Glauben. Er setzt sich damit in Gegensatz zu anderen Werken, die in Zusammenhang mit der Kanonisa­tion Luwigs entstanden und die den Sarazenen die Ritterfähigkeit aufgrund ihres Glaubens gerade absprechen. Diese Grundstruktur ähnelt dem der Chronistik zum ­Ersten Kreuzzug. Während die Kombattanten eher bereit waren, im Gegner ritter­liche Standesgenossen zu erkennen, mussten diejenigen, die das Rittertum christ­lich verankern wollten, den Türken diese Eigenschaft gerade absprechen. Dennoch zeigen sich im Werk Joinvilles auch Weiterentwicklungen. Hatte der anonyme Chronist der Gesta Francorum sein Türkenlob wegen des Glaubens der Türken noch im Konjunktiv formuliert, hat die Religion des Feindes bei Joinville für diesen Aspekt keine Bedeutung. Die primitive Wildheit oder Hinterhältigkeit, die den Türken häufig zugesprochen wurden, finden sich ebenfalls kaum in der Histoire de St. Louis. Die Türken waren nicht mehr der apokalyptische Feind in einem heiligen Krieg, wie noch in der religiös aufgeheizten Atmosphäre des E ­ rsten Kreuzzuges, sondern ehrenhafte Gegner in einem ritter­lichen Abenteuer. Eine Tendenz, die schon zu Zeiten des Dritten Kreuzzuges eingesetzt hatte und sicher­lich auch von der Entwicklung der höfischen Kultur beeinflusst worden war. Dennoch konnten die Türken auch bei Joinville dem Idealbild des tadellosen Edelmannes, dem des preudome nicht gerecht werden, denn dafür war wohl auch für Joinville der rechte Glaube notwendig. Ein ähn­licher Befund lässt sich für das Türkenbild in den letzten Jahrzehnten der Kreuzfahrerstaaten feststellen. So wurde Sultan Baibars einerseits ganz tradi­tionell als listiger und grausamer Tyrann dargestellt, dennoch kursierten auch positive Berichte über ihn, die ihm Sittenstrenge und Fürsorge für die Christen zuschrieben. Dies trotz der schweren Schläge, die er den fränkischen Staaten in der Levante zugefügt hatte. Auch in der Lebenswelt der Söldner fanden im 13. Jahrhundert rege Kontakte z­ wischen Franken und Türken statt und auch hier spielten die Religionsunterschiede keine Rolle. Zwar wurden die mamlukischen Angreifer anläss­lich des Falles von Akkon 1291 noch einmal ganz tradi­tionell dargestellt, aber das Türkenbild war im Laufe der

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zweihundertjährigen Kreuzzugsgeschichte umso facettenreicher geworden, je breiter die Kontaktzonen ­zwischen Okzident und Orient geworden waren. Handel, diplomatische Kontakte, Söldnerwesen, Missions- und Gesandtschaftsreisen brachten eine zunehmende Anzahl Menschen unterschied­lichster Herkunft und Bildung in das noch 1095 weitgehend unbekannte „Morgenland“. Die Entwicklung und Ausgestaltung ritter­licher Kultur führte zu neuen Blickwinkeln auf den türkischen Gegner. Politische Inten­tionen und Propagandazwecke beeinflussten in einer kleiner gewordenen Welt zunehmend die Darstellung des muslimischen Gegners. Für den behandelten Zeitraum lässt sich daher nicht von dem Türkenbild sprechen. Das Grundmuster blieb frei­lich seit den ersten Kreuzzugschroniken gleich. Die Türken waren militärisch achtbare Gegner in einem Umfeld und mit einer Lebensweise, die in vielem dem der euro­päischen milites gleichkamen. Es kam dann auf das Weltbild des Autors an, ob diese Tatsache zu einer positiven oder negativen Beurteilung führte, ob die Türken überhaupt zu guten Rittern werden konnten. Die Extreme lagen hier bei reformorientierten ­Mönchen auf der einen und den Kombattanten auf der anderen Seite. Hinzu traten Bildung, Herkunft und Inten­tion des Autors und aktuelle historische Ereignisse. Böse Heiden waren die Türken zweifellos für die meisten Zeitgenossen, aber auch hier kam es darauf an, w ­ elche Bedeutung man dem „Heidentum“ beimaß. Diese Bedeutung war auf dem ­Ersten Kreuzzug am größten, nahm ­später ab, zugunsten der Erfahrung des Zuges als ritter­liches Abenteuer aber auch aus diplomatischen und pragmatischen Gründen. Ganz verschwand das Bewusstsein der Zeitgenossen für die religiösen Unterschiede aber nie. Bild­ lich gesprochen blieben die Religionsunterschiede ­zwischen Kreuzfahrern und Türken immer ein trennender Graben, ein Graben, der flacher oder tiefer sein konnte, den man aber nie völlig einebnete. Aber das Bewusstsein, gemeinsame, ritter­liche Werte zu teilen, verhinderte, dass man den Gegner abwertete oder verachtete. Um in dem Bild zu bleiben: Abendländische Ritter und türkische Reiterkrieger trennte ein religiöser Graben, aber sie standen sich stets auf Augenhöhe gegenüber.

Abkürzungsverzeichnis MGH:

Monumenta Germaniae Historica

PL:

Patrologia Latina

RHC occ./or.: Recueil des historiens des croisades, Historiens occidentaux/Historiens orientaux RHF:

Recueil des historiens des Gaules et de la France

Verzeichnis der verwendeten Literatur

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395

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| Schluss

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Verzeichnis der verwendeten Literatur  |

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398

| Schluss

James Powell, Matthew Paris, the lives of Muhammad and the Dominicans, in: Michel Balard, Benjamin Z. Kedar, Jonathan Riley-­Smith (Hg.), Dei Gesta per Francos. ­Etudes sur les Croisades dédiées à Jean Richard, Aldershot 2001, S. 65 – 69. Malte Prietzel, Kriegführung im Mittelalter. Handlungen, Erinnerungen, ­Bedeutungen, Paderborn 2006. John H. Pryor, The Eracles and William of Tyre: An interim report, in: Benjamin Z. Kedar (Hg.), The Horns of Hattin, Jerusalem 1992, S. 270 – 293. Alfred Raucheisen, Orient und Abendland. Ethisch-­mora­lische Aspekte in Wolframs Epen Parzival und Willehalm (Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte), Frankfurt a. M. 1997. Dirk Reitz, Die Kreuzzüge Ludwigs IX. Von Frankreich 1248/1270 (Neue Aspekte der euro­päischen Mittelalterforschung 3), Münster 2005. Jean Richard, An account of the battle of Hattin referring to the Frankish mercenaries in oriental moslem states, in: Speculum 27 (1952), S. 168 – 177. Jean Richard, Pouvoir royal et patriarcat au temps de la Cinquième Croisade, à propos du rapport du patriarche Raoul, in: Crusades 2 (2003), S. 109 – 119. Jonathan Riley-­Smith, Peace never established: The case of the kingdom of Jerusalem, in: Transac­tions of the Royal Historical Society, 5th series 28 (1978), S. 87 – 102. Jonathan Riley-­Smith, The First Crusade and the idea of crusading, Cambridge 1986. Jason T. Roche, Conrad III and the Second Crusade: Retreat from Dorylaion?, in: Crusades 5 (2006), S. 85 – 97. Thomas Rödig, Zur politischen Ideenwelt Wilhelms von Tyrus, Frankfurt a. M. 1990. Ekkehard Rotter, Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter, Berlin 1986. Ekkehart Rotter, Embricho von Mainz und das Mohammed-­Bild seiner Zeit, in: Franz Staab (Hg.), Auslandsbeziehungen unter den sa­lischen Kaisern. Geistige Auseinander­ setzung und Politik, Speyer 1994, S. 69 – 136. Steven Runciman, Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde. (Bd. I: Der erste Kreuzzug und die Gründung des Königreichs Jerusalem, Bd. II: Das Königreich Jerusalem und der fränkische Osten 1100 – 1187, Bd. III: Das Königreich Akkon und die späteren Kreuzzüge) München 1957 – 1960. Steven Runciman, The pilgrimages to Palestine before 1095, in: K. M. Setton (Hg.), A history of the Crusades, 6 Bde., Bd. I: Marshall W. Baldwin (Bearb.), The First Hundred Years, Philadelphia 1958, S. 68 – 78. Steven Runciman, The First Crusade: Constantinople to Antioch, in: K. M. Setton (Hg.), A History of the Crusades, 6 Bde., Bd. I: Marshall W. Baldwin (Bearb.), The First Hundred Years, Philadelphia 1958, S. 280 – 304.

Verzeichnis der verwendeten Literatur  |

Rainer Christoph Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz. Studien zu Wilhelm von Tyrus (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 15), Stuttgart 1977. Rainer Christoph Schwinges, Wilhelm von Tyrus: Vom Umgang mit Feindbildern im 12. Jahrhundert, in: S: Burghartz u. a. (Hg.), Spannungen und Widersprüche. Gedenkschrift für Frantisek Graus, Sigmaringen 1992, S. 155 – 169. Rainer Christoph Schwinges, William of Tyre, the Muslim enemy and the problem of tolerance, in: Michael Gervers, James M. Powell (Hg.), Tolerance and intolerance. Social conflict in the age oft he crusades, Syracuse 2001, S. 124 – 132. Hagen Seehase, Ralf Krekeler, Der gefiederte Tod. Die Geschichte des eng­lischen Langbogens in den Kriegen des Mittelalters, Ludwigshafen 2001. Raymond C. Smail, Crusading warfare 1097 – 1193, Cambridge 1956. Caroline Smith, Crusading in the age of Joinville, Aldershot 2006. Richard W. Southern, Das Islambild des Mittelalters, Stuttgart 1981. Richard Southern, Peter of Blois and the third Crusade, in: Henry Mayr-­Harting, R. I. Moore (Hg.), Studies in medieval History presented to R. H. C. Davis, London 1985, S.  207 – 218. Andreas D’Souza, The conquest of ‘Akkā (690/1291). A comparative analysis of Christian and Muslim sources, in: The Muslim World 80 (1990), S. 234 – 250. Matthew Strickland, War and chivalry. The conduct and percep­tion of war in England and Normandy 1066 – 1217, Cambridge 1996. Matthew Strickland, Killing or clemency? Ransom, chivalry and changing attitudes to defeated opponents in Britain and northern France, 7 – 12th centuries, in: Hans-­ Henning Kortüm (Hg.), Krieg im Mittelalter, Berlin 2001, S. 93 – 122. Matthew Strickland, Rules of war or war without rules? Some reflec­tions on conduct and the treatment of non-­combatants in medieval transcultural wars, in: Hans-­Henning Kortüm (Hg.), Transcultural wars from the Middle Ages to the 21st Century, Berlin 2006, S.  107 – 140. Lewis A. M. Sumberg, Au confluent de l’histoire et du mythe: La Chanson ­d’Antioche. Chronique en vers de la Première Croisade, in: Karl Heinz Bender (Hg.), Les Epopées de la Croisade (Zeitschrift für franzö­sische Sprache und Literatur- Beiheft 11), Stuttgart 1987, S. 58 – 65. Rodney M. Thomson, William of Malmesbury and some other western writers on Islam, in: Medievalia et Humanistica 6 (1975), S. 179 – 187. Rod Thomson, William of Malmesbury. Historian of Crusade, in: Reading Medieval Studies 23 (1997), S. 121 – 134. Peter Thorau, Sultan Baibars I. von Ägypten. Ein Beitrag zur Geschichte des Vorderen Orients im 13. Jahrhundert, Tübingen 1985.

399

400

| Schluss

Peter Thorau, Sultan Baibars im Urteil abendländischer Quellen, in: Saeculum 40 (1989), S.  56 – 69. Peter Thorau, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Kriegführung z­ wischen Kreuzfahrern und Muslimen, in: Roland Marti (Hg.), Grenzkultur-­Mischkultur? (Veröffent­ lichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e. V.), Saarbrücken 2000, S. 167 – 187. Peter Thorau, Die Kreuzzüge, München 2004. Peter Thorau, Panzerreiter im Pfeilhagel? Anmerkungen zu militärtechnischer Differenz und Annäherung von Orient und Okzident im Zeitalter der Kreuzzüge, in: Militärgeschicht­liche Zeitschrift 65 (2006), S. 63 – 78. John Victor Tolan, Petrus Alfonsi and his medieval readers, Gainesville 1993. John Victor Tolan, Anti-­Hagiography: Embricho of Mainz’s Vita Mahumeti, in: Journal of Medieval History 22 (1996), S. 25 – 41. John Victor Tolan, Mirror of Chivalry: Salah al-­Din in the medieval European imagina­ tion, in: David R. Blanks (Hg.), Images of other: Europe and the Muslim world before 1700 (Cairo papers in social science 19), Kairo 1997, S. 7 – 38. John Victor Tolan, Peter the Venerable on the diabolical heresy of the Saracens, in: Alberto Ferreiro (Hg.), The devil, heresy and witchcraft in the middle ages. Essays in honor of Jeffrey B. Russell (Cultures, Beliefs and Tradi­tion 6), Leiden 1998, S. 345 – 367. John Victor Tolan, Muslims as pagan idolaters in chronicles of the First Crusade, in: David R. Blanks, Michael Frassetto (Hg.), Western views of Islam in medieval and early modern Europe. Percep­tion of other, New York 1999, S. 97 – 117. John Victor Tolan, Saracens. Islam in the medieval European imagina­tion, New York 2002. Christopher Tyerman, God’s war. A new history of the Crusades, London 2006. Andreas Unger, Von Algebra bis Zucker. Arabische Wörter im Deutschen, Stuttgart 2006. J. F. Verbruggen, The art of warfare in Western Europe during the Middle Ages, Amsterdam 1954. Martin Völkl, Muslime – Märtyer – Militia Christi. Identität, Feindbild und Fremd­ erfahrung während der ersten Kreuzzüge, Stuttgart 2011. Speros Vryonis, The decline of medieval Hellenism in Asia Minor and the process of islamiza­tion from the eleventh through the fifteenth century, Berkeley 1971. Adolf Waas, Geschichte der Kreuzzüge, 2 Bde., Freiburg 1956. Helmut G. Walter, Der gescheiterte Dialog: Das ottonische Reich und der Islam, in: Albert Zimmermann, Ingrid Craemer-­Ruegenberg (Hg.), Orienta­lische Kultur und Euro­päisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), Berlin 1985, S. 20 – 44. James Waltz, Muhammad and the Muslims in St. Thomas Aquinas, in: The Muslim World 66 (1976), S. 81 – 95.

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401

Register

Ortsregister A Adrianopel 308 Ägypten  10, 28, 31, 50, 51, 57, 59, 167, 237, 242, 249 ff., 264, 274, 318 f., 321 f., 332,334, 338, 340, 350 ff., 364 f., 375 „ager sanguinis“ 141, 216, 217 ʽAin Ǧālūt 352 Akkon  25,43, 48, 210, 238, 257ff., 262 ff., 267 ff., 272, 275, 280 ff., 294, 296, 326 f., 334, 354, 360 f., 363, 373, 376 f. Albara  89, 185 Aleppo  57, 59, 90 f., 176, 192, 196, 338, 351 Alexandria  273, 275, 295, 337 Amacha 195 Anatolien  9, 31, 51, 57, 67, 77, 89, 111, 143 f., 149, 199, 213, 221,225 ff., 230, 236, 288, 306, 309, 311, 313, 325, 331, 359, 361, 365, 371, 372, 375 Ankara 111 Antiochia  52 f., 56, 59 f., 69 f., 76, 88 f., 91 ff., 98 f., 103 ff., 107, 109, 111, 116, 120, 127 ff., 131, 136, 138, 144, 147, 152, 177 f., 180 f., 184, 187f., 190, 192, 199 ff., 207, 210, 212, 216, 218, 222 f., 226, 261, 264, 318, 351, 353, 355, 357, 367 Apamea  218 f. Armenien  9 f., 309, 313 Arqah 101 Arsuf  233, 269, 281, 353 Artah  138, 216, 241, 243 Aserbaidschan 9 Askalon  29, 53, 57, 71, 166, 192, 246, 249 f., 283, 294

B Bagdad  9 f., 42, 56, 59, 69, 72, 199 f., 351 Beaufort 331 Bouvines 178 Brémule  175, 178 C Caesarea (Anatolien)  67 Caesarea (Palästina)  259,353 Chastel Blanc  353 Civetot  124, 184 Clermont  10, 19, 62, 67, 123, 133, 165 Cluny 123 Cordoba  32, 36 Crac des Chevaliers  353 Cresson, Quellen von  254, 292, 294, 297 D Damaskus  57, 89, 216, 218, 225, 231, 243, 249, 265, 273 f., 293, 331, 333, 351 Damiette  325 ff., 329, 334, 337, 341, 347 ff. Doryläum  15 ff., 19 f., 45,56, 78, 81, 84 f., 87 ff., 92 ff., 96 f., 107, 109, 119, 124 f., 127 f., 135, 138, 141 ff., 149, 154, 176, 198 ff., 207 f., 213, 227, 270, 330, 336, 361 f., 366 f. E Edessa  76, 112, 140, 181, 193 ff., 207, 210, 214, 218, 224 ff. England  31, 171 F Forbie, La  333 f. Frankreich  116, 118, 123, 157, 171, 175 G Gaza  319, 330 f., 333, 336 Gezira  50, 140, 210 f., 310

Register |

H Harenc  107, 129 Ḥaṭṭīn  25, 48, 254 ff., 259, 265, 274, 276 f., 278, 293, 297 ff., 300 ff., 319 f., 333, 347, 373, 376 Ḥimṣ  331, 333 I Ikonium  309, 312 Île de France  157 Iran 9 J Jaffa  353 f., 357 Jerusalem  9, 26, 39, 54 f., 59 ff., 66, 70, 72 f., 76, 101 ff., 110, 134, 138 f., 178 f., 184 ff., 190 ff., 196, 207, 210, 212, 231, 233 f., 242, 247, 256, 260, 279, 284, 286, 288, 292, 294 ff., 298, 300 ff., 314, 320 f., 330 ff., 358, 373 f., 375 f. K Kairo  10, 59, 251 f., 337 Kalabrien 151 al-Karak  331 ff. Karmel , Berg  324 Kleinasien  9 f., 49 ff., 54, 57, 59, 62, 66 f., 81, 86, 98, 105, 107, 110, 115, 118, 181, 198, 211 f., 227, 229, 306 ff., 310, 333, 359 Konstantinopel  9, 31 ff., 35, 37, 51, 67, 110, 317 Kreta 31 L Luni 153 M Ma’arrat-an-Nu’man  100, 103, 184 f. Maine  178, 220 Mansurah  338 f., 340 f., 352 Manzikert  10, 16, 45

Mesopotamien  49, 56 ff., 210 f., 216, 245, 331, 361, 364 Mosul  59, 69, 93, 140, 204, 215 N Nikäa  10, 29, 59, 77 ff., 89, 96 ff., 103, 124, 143 f., 177, 187, 198 f. Nikomedia 110 P Palästina  31 f., 54, 57, 59, 65 f., 110, 167, 198, 225, 231, 246, 249, 255, 262, 275, 277, 292, 300, 311, 354, 377 Persien  43, 56, 212, 247 Persischer Golf  364 Piacenza 67 R Ramlah 233 Rom 185 Rotes Meer  364 S Samosata  98, 194 Saphet  331, 353 f., 357 Sizilien  31, 150 St. Evroul  219, 221 Syrien  10, 23, 31, 35, 49ff., 54 f., 57 ff., 65 f., 77, 81, 100, 118, 137 f., 140 f., 149, 157 f., 181, 192, 194 f., 197 f., 200, 210 ff., 215 f., 218, 225, 231, 237 f., 241 f., 244 f., 252, 258, 310 f., 328, 331, 338, 349, 351 ff., 361, 364 f., 371 f., 375 f. T Tarsus  138, 187, 193 Tel Bashir  218 Tel-Danith 210 Tel es-Saqhab  208, 238 Thabor, Berg  210 Toledo  40, 245

403

404

| Schluss

Tripolis  59, 184, 207, 240, 295, 318, 351 U Uhud 35 X Xerigordon 124 Z Zweistromland s. Mesopotamien Zypern  107, 290, 302

Personenregister A Abū Šāma  48 Adelphus 38 Ademar von Chabannes  37 Adhemar (von Monteil, Erzbischof von Puy)  120, 135 al-ʽĀdil  282 ff., 289, 320, 322 f., 343 al-Afḍal  71 f., 246, 249 Aḥmad ibn Marwān  190 Alanus ab Insulis  166 Albert von Aachen  53, 69, 72 ff., 76 f., 79 f., 85, 87, 90, 92 ff., 96 ff., 101 f., 104 ff., 110 ff., 114 f., 136 f., 148, 159, 171 f., 177 ff., 185, 188 f., 192 ff., 203 f., 207 f., 210, 212, 215, 217 ff., 223, 232 f., 235, 238, 243, 246 ff., 251, 288, 326, 371 Alexios Komnenos  10, 80, 143 f., 187 Alp Arslan  45 Amalrich (König von Jerusalem)  250, 273 Ambroise  28, 57, 262 ff., 269 ff., 279 f., 282, 284 ff., 296, 302, 304, 328 Ansbert  306 ff., 311 f.

Anselm von Ribemont  136, 178 f. Aqsungur al-Bursukī  210 Arkulf 31 Arnold von Lübeck  236, 312, 315 f., 320 f., 325 Artāš 218 al-Ašraf Ḫalīl 360 Atsiz 65 Averroes  41, 318 Avicenna  41 f., 318 B Bahā’ ad-Dīn (s. Bahā’ ad-Dīn ibn Šaddād) Bahā’ ad-Dīn ibn Šaddād  273, 284, 317 Baibars  18, 27, 149, 322, 352 ff., 365, 377 Balak ibn Ortoq  194 ff. Baldak von Samosata  194 ff. Balderich von Dol/ von Bourgueil  62 ff., 116 ff., 124, 126, 128 f., 130 ff., 172, 219, 283, 368 Balduin von Boulogne, Balduin I. (König von Jerusalem)  76, 98, 172, 187, 193 ff., 202, 207 ff., 210, 217 f., 233, 235, 249 Balduin II. (König von Jerusalem)  140, 207, 224, 236 Balduin III. (König von Jerusalem)  234, 241 Balduin V. (König von Jerusalem)  291 Balian von Ibelin  255, 290, 295, 298, 300, 302, 304 Beda Venerabilis  31 Belek 224 Berkyārūq 59 Bernhard von Clairvaux  171, 173, 225 Bohemund  81, 89 ff., 95, 100, 106, 108 f., 111, 116, 122 f., 132, 138, 147, 152, 162, 174, 177, 185, 190 f., 192, 221 ff. Bohemund II. (Fürst von Antiochia)  141, 218 Bohemund VI. (Fürst von Antiochia)  351

Register |

D Dānišmand  221 ff., 288 Dionysius von Tel-Mare  33 Duqāq von Damaskus  59, 89 f., 93, 131, 148, 192, 218 E Eduard I. (König von England)  355 Ekkehard von Aura  19 f., 24, 55, 110, 112 ff., 142, 163 ff., 174, 209, 220, 250, 368 Embricho von Mainz  38 Eraclius 255 Ernoul (von Gibelet)  28, 289 ff., 292 f., 295 ff., 301 ff., 313, 320 f., 328, 330, 339 Eugen III.  226 Eulogius 36 F Faḫr ad-Dīn  337 f., 343 f. Fāris ad-Dīn Aqṭāy 350 Fidentius von Padua  315, 354 ff., 364 f. Friedrich Barbarossa  49, 227, 293, 306 ff., 372, 374 f. Friedrich II. (Kaiser)  319, 329 f., 338, 343 Fulcher von Chartres  20, 39, 54, 56 f., 62 ff., 66 f., 73 f., 76, 78 f., 81 ff., 86 f., 89, 94, 96, 98, 111, 114, 117, 125, 130, 132, 140, 145, 147, 149, 159, 165, 171 f., 195, 197, 202, 204 f., 207 ff., 210, 212, 215 f., 218, 232 ff., 243, 248 f., 251 G Ǧamāl ad-Dīn Muḥsin 338 Gérard von Quierzy  169, Gerard von Ridefort  301 Gilo von Paris  117, 119, 121 ff., 132 f., 135 ff., 138 Gottfried von Bouillon  77, 81, 87, 159, 192, 196 f., 207, 246, 265 f., 297 Gottfried Malaterra  150 ff., 155, 162, 220 Gottfried von Wiesenbach  311

Gregor VII.  36, 185 Guibert von Nogent  22, 34, 37 f., 40, 43, 55 f., 62 ff., 68, 72 f., 88, 92, 94, 96, 102, 111, 116 ff., 123, 125 f., 128 ff., 132 f., 136, 138, 140, 160, 168 ff., 172 f., 176 ff., 191, 197, 205, 217, 246 f., 283, 368 Guido von Ibelin  354 Guido von Lusignan (König von Jerusalem)  255, 258, 275, 291, 293, 300 f. H Ḫadīǧa 35 Hakim 65 Haymarus Monachus  259, 268 Heinrich IV. (Kaiser)  183 Heinrich V. (Kaiser)  165, 175 Heinrich I. (König von England)  221, 240 Heinrich der Löwe  236, 288 Hildebert von Lavardin  146, 165 Honorius Augustodunensis  165 Hrabanus Maurus  171 Hrotsvitha von Gandersheim  32 Hugo von Tiberias  343, 345 Humfried von Toron  278, 343 I Ibn al-Aṯīr  192, 201 ff., 206 Ibn al-Mašṭūb 326 Ibn al-Qalānisī  213, 219 Ida von Österreich  112, 115 Īlġāzī  210 ff., 213, 216 f., 224, 235, 240 ʽImād ad-Dīn al-Iṣfahānī  264, 273 ʽImād ad-Dīn Zangī  18, 57, 112, 211 f., 225 f., 240 f., 274 Isidor von Sevilla  34, 54, 68, 134, 171 J Jakob von Vitry  42, 301, 317, 321, 323 ff., 327 ff., 342 Joachim von Fiore  277 Johann von Ibelin  354

405

406

| Schluss

Johannes von Damaskus  33 f., 54 Johannes von Gorze  32 Johannes von Salisbury  228 Johannes Skylitzes  67 Joinville, Johann von  28, 334 ff., 344 ff., 350 f., 377 Joscelin (Graf von Edessa)  218, 224 Joscelin II. (Graf von Edessa)  241 K Kaikhosrau II.  359 al-Kāmil  322 f., 326 ff., 338 Karbuġā  18, 54, 59 f., 69, 71, 93, 96 f., 99, 120, 125, 128 ff., 135 ff., 139, 141, 144, 146, 173, 176, 187 ff., 192, 199 f., 204 ff., 216, 264, 281, 344, 367, 371 Kılıç Arslān  59, 77, 80 f., 87, 98, 198 ff., 204, 221 f., 288, 371 Kılıç Arslān II.  236, 288, 307 ff., 310, 312 Konrad III. (römisch- deutscher König)  29, 225 f., 229, 287 L Lucan  83, 118, 120 ff., 133 ff., 138, 242, 368 Ludwig VII. (König von Frankreich)  57, 225, 229, 287 Ludwig IX. (König von Frankreich)  28, 334, 335, 337 ff., 344 ff., 350 f. M Malikšāh 59 Manuel Komnenos  228 f. al-Mašṭūb  264 f., 326 f. Masʽūd I.  227 Matthäus Paris  315 f., 320, 322, 329, 333, 335, 337, 340, 348 f. Maudūd  140, 211, 215 f., 240 Michael Attaleiates  67 Mohammed  31, 34 ff., 38 ff., 42 f., 68 f., 71 ff., 222 f., 277, 316 f., 323, 328, 337, 342, 350, 366

al-Muʽaẓẓam 323 al-Mustaẓhir 72 N Nūr ad-Dīn  18, 149, 213, 232, 234, 240 f., 243 f., 250, 274 f., 287, 314 O Odo von Beaugency  121 Odo von Deuil  57, 225, 227 ff. Oliver von Paderborn  42, 324 f., 327, 329 Ordericus Vitalis  111, 114 f., 126, 132, 172, 175, 204, 215, 219 ff., 235, 240, 288, 372 Otto von Freising  226 Otto von St. Blasien  237 Ovid  83, 118 ff., 138, 368 P Paulus Alvarus  36 Pelagius 32 Peter von Blois  276, 293 Peter Tudebod  70, 76, 107, 117, 177, 179 Petrus Alfonsi  38 Petrus Venerabilis  41 Philipp Augustus (König von Frankreich)  259, 262, 280, 346 Philipp von Montfort  355 Pompeius Trogus  118 f. Q Qarā-Qūš  264 f., 327, 344 Quṭb ad-Dīn  308 f. Qutuz  352 f. R Radulph von Caen  39, 43, 46, 55, 73, 77, 80 ff., 84 ff., 96, 100, 137 ff., 184, 187, 199, 202, 204, 215 Radulph von Diceto  264 f., 287, 320, 344 Raimund von Aguilers  54, 60, 72, 76, 78, 80, 86, 90 f., 92, 94, 99, 101 f., 105, 107 ff.,

Register |

117, 140, 147, 172, 178 f., 182, 184, 188, 202 f., 205, 247 Raimund von Toulouse  76 ff., 81, 108 f., 192 Raimund II. (Graf von Tripolis)  240 Raimund III. (Graf von Tripolis)  255, 291 ff., 298, 300 ff. Rainald von Châtillon  274 ff., 291, 293, 301 ff., 348 Rainald Porchet  69 ff., 180, 202 f. Ralph von Coggeshall  287 Ramon Llull  41 Ramon Martí  42 Ramon Muntaner  359 Raoul von Mérencourt  322 Riccoldo von Montecroce  42 Richard I. („Löwenherz“, König von England)  25 ff., 48, 259, 262 ff., 267 f., 271 ff., 278 ff., 296, 299, 302, 305, 308, 320, 343, 373 f. Richard von Cornwall  319 Richard von Devizes  264, 287 Richard von Holy Trinity  262 ff., 267, 271, 288, 328 Riḍwān von Aleppo  57, 59, 90 f., 192, 196 Rigord  262, 280 Robert von Artois  338 f. Robert fitz-Fulk  217 Robert (Graf von Flandern)  77, 81, 89, 91 Robert Guiscard  150 ff., 157, 168, 185, 215 Robert (Herzog der Normandie)  81 Robert der Mönch  61 ff., 71, 94, 109, 116 ff., 120 ff., 127 ff., 135 ff., 159, 172, 177 f., 184, 187 f., 201, 205, 255, 283, 339, 368 Roger (Fürst von Antiochia)  207, 210 Roger Bacon  41 Roger von Barneville  179 f. Roger Borsa  150 Roger von Hoveden  262, 268, 280 f., 287, 317 Roger von Sizilien  150, 152, 157 Roger Wendover  320, 327 ff.

Rukn ad-Dīn al-Hiǧāwī  331, 336 S Šaǧar ad-Durr  338 Saladin  10, 13, 18, 25 ff., 42, 47, 50, 57, 112, 189, 200, 231 f., 234, 237, 240 ff., 244 f., 251, 253 ff., 260, 264 f., 267, 270 ff., 273 ff., 291 ff., 307 ff., 313 ff., 317 ff., 324 ff., 330, 342 f., 345, 348, 352, 354, 356 ff., 363, 373 ff., 376 aṣ-Ṣāliḥ Ayyūb  331, 337 ff., 340, 342 f. aṣ-Ṣāliḥ Ismāʽīl 331 Sallust  118, 134, 152 Šams ad-Daula  60 Saphadin s. al-ʽĀdil Shawar 251 Sibylle (Königin von Jerusalem)  300 Simon von St. Quentin  359 Šīrkūh  234, 242, 251, 273 ff. Sophronius 32 Stephan von Blois  76, 80 f., 107, 110, 143 Suger von St. Denis  170, 175, 186 Sulaimān 198 Sven von Dänemark  105 T Tankred  81, 138 f., 158, 184, 187, 191, 193 f., 218 f., 288 Theodor Abū Qurrah  33 Theophanes  34 f. Thiemo von Salzburg  113, 217 Thietmar 324 Thomas von Aquin  41 Thomas von Marle  169 f. Thoros 195 Togrul Beg  9 f. Ṭuġtagīn  216 ff., 238 Tūrānšāh  322, 338, 340, 349 f.

407

408

| Schluss

U Umar von Hasor  196 Urban II.  10, 62, 64 ff., 117, 123, 131, 133 f., 165 f. Usāma ibn Munqiḏ  18, 149, 158, 219, 324 V Vegetius 134 Vergil  83, 118 f., 138 W Walter der Kanzler  207 ff., 212, 215 ff., 219, 232 Welf 110 Wilhelm von Apulien  150 ff., 154, 162 Wilhelm IX. (Herzog von Aquitanien)  110 Wilhelm von Jumièges  153 Wilhelm von Malmesbury  38 f., 117, 119, 122, 132 f., 134 ff., 138, 168, 172, Wilhelm Marshal  155 ff. Wilhelm von Nangis  335, 344 f., 348

Wilhelm II. von Nevers  110 Wilhelm von Newburgh  54, 256, 275, 286 f., 298 f., 300, 315 Wilhelm von Rubruk  41 Wilhelm von St. Pathus  335, 344 f. Wilhelm von Tripolis  356 f. Wilhelm von Tyrus  14 f., 18, 25 ff., 45,49, 57 f., 66, 70, 79, 82 f., 111, 114, 159, 161, 183, 212 f., 218 f., 226 f., 231 ff., 234 ff., 242 ff., 248 ff., 253, 258, 271, 273 ff., 278, 312, 314, 323, 328, 372 ff. Wolfram von Eschenbach  17, 266 Y Yaġī Siyān  70 f., 89, 95, 105, 109, 201 ff., 206, 222 Z Zangī s. ʽImād ad-Dīn Zangī Zaynab 35