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German Pages 283 [465] Year 2018
LUIS DE MOLINA
Göttlicher Plan und menschliche Freiheit CONCORDIA Disputation 52
Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von christoph jäger, hans kraml und gerhard leibold
Lateinisch – Deutsch
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
P H I L O S O P H IS CH E B IBL IOT H EK BA ND 6 9 5
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN: 9 78-3-7873-3023-2 ISBN eBook: 9 78-3-7873-3024-9
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INHALT
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Einleitung Molina und das Problem des theologischen Determinismus Christoph Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII 1. Zu Leben und Werk Molinas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII 2. Zur Geschichte der Concordia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV 2.1 Der Streit um das Ordensimprimatur und die Drucklegung – X VII |2.2 Die Concordia vor der portugiesischen und kastilischen Inquisition – XIX | 2.3 Die päpstliche Congregatio de auxiliis – XXVIII
3. Freiheit und Determinismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII 3.1 Logischer Determinismus – XXXIV | 3.2 Nomologischer Determinismus – XLII | 3.3 Kompatibilismus und Inkompatibilismus, Libertarismus, Freiheitsskeptizismus – XLVII
4. Das Problem des theologischen Determinismus . . . . . . . LI 4.1 Jakobs List und ein theologisches Konsequenzargument – LI | 4.2 Augustinus – LVII | 4.3 Boethius – LXVIII | 4.4 Anselm, Petrus Lombardus und das Problem von Freiheit und Notwendigkeit in den Sentenzenkommentaren bis Thomas von Aquin – LXXVIII | 4.5 Thomas von Aquin – LXXXII | 4.6 Johannes Duns Scotus – XCIV | 4.7 Wilhelm von Ockham – CIX
5. Luis de Molina: Mittleres Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . CXXII 5.1 Die Grundidee – CXXIV | 5.2 Zur Originalität von Molinas Theorie des Mittleren Wissens – CXXXI | 5.3 Der Streit mit den Báñezianern: praedeterminatio physica statt scientia media? – CXXXIII
6. Einwände gegen Molinas Theorie des Mittleren Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXXVII 6.1 Löst Molinas Theorie das Problem des theologischen Determinismus? – CXXXVIII | 6.2 Molinas Beispiele aus der Schrift – CXL
VI Inhalt
| 6.3 Scientia media und göttliche Souveränität – CXLIV | 6.4 Der Wahrmacher-Einwand – CXLVIII | 6.5 Wer oder was bringt die Wahrheit kontrafaktischer Freiheitskonditionale hervor? – CLX | 6.6 Zwei Arten kontrafaktischer Konditionale und der Satz vom konditional ausgeschlossenen Dritten – CLXIX
7. Zur Textgestaltung und Übersetzung . . . . . . . . . . . CLXXVI
LU D OV ICUS MOL I NA Liberi arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione et reprobatione concordia, disputatio 52 Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Index nominum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Index rerum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
VO RWO RT
Luis de Molina SJ (1535–1600) entwickelt in seinem religionsphilosophischen Hauptwerk Liberi arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione et reprobatione concordia – im Folgenden kurz: Concordia (1588, 21595) – eine umfassende Theorie der Vereinbarkeit göttlicher Vorsehung und Allwissenheit mit menschlicher Freiheit. Unter seinen Freunden wie Gegnern gilt sein Ansatz bis heute als einer der ingeniösesten Versuche zum Thema Willensfreiheit, die je in der Geschichte der Philosophie und Theologie vorgelegt wurden. Schon zu Molinas Lebzeiten löste er gleichwohl heftige philosophische und theologische Kontroversen aus. Sie kulminierten in dem berühmten Gnadenstreit, der Kontroverse de auxiliis, die mit ihrer theologischen Zuspitzung der klassischen Frage nach der Existenz und Reichweite menschlicher Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eine zentrale Rolle im Übergang zur Philosophie der Neuzeit spielte. Äußerlich manifestierte sich der Streit in einem dramatischen Tauziehen um die Veröffentlichung der Concordia und eines Vorläufers des Buches, eines Kommentars Molinas zur Prima pars der Summa theologiae des Thomas von Aquin. Viele Jahre kämpfte Molina zunächst um das Ordensimprimatur der Jesuiten, dann um die Druck- und Verbreitungserlaubnis durch die portugiesische und spanische Inquisition und schließlich um eine Approbation seitens des Heiligen Stuhls selbst. Zahlreiche führende Theologen und Philosophen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schalteten sich in den Streit ein, disputierten öffentlich und nicht-öffentlich über die Thesen der Concordia und verfassten ausführliche Gutachten, Anklage- und Verteidigungsschriften über Molina. Erst nach jahrelangem Ringen, bei dem die akademischen und kirchenpolitischen Gegner Molinas kaum etwas unversucht ließen, um eine Publikation zu verhindern, konnte
VIII Vorwort
Molina die Concordia schließlich drucken lassen und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Die inhaltliche Kernfrage drehte sich darum, ob das Verhältnis zwischen einer robusten libertarischen Theorie menschlicher Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit (liberum arbitrium) auf der einen Seite und unfehlbarer göttlicher Vorsehung und Allwissenheit auf der anderen Seite philosophisch und theologisch kohärent gedacht werden kann. Libertarische Freiheitstheorien gehen davon aus, dass die Freiheit einer Handlung mit ihrer Determiniertheit durch Quellen außerhalb des Akteurs, über die dieser keine Kontrolle hat, unvereinbar ist, dass jedoch Freiheit zumindest für viele menschliche Handlungen und Entscheidungen existiert und Thesen, die die Unausweichlichkeit allen Geschehens behaupten, somit falsch sind. Das Konzil von Trient (1545–1563) hatte, in Abgrenzung insbesondere von reformatorischen Gedanken, in seinem Rechtfertigungsdekret De iustificatione festgehalten, dass menschliche Geschöpfe Entscheidungsfreiheit besitzen und sich auch Gott aus freien Stücken zuwenden (libere moventur in Deum). Der Mensch akzeptiere die göttlichen Gnadengaben in freier Zustimmung und Mitwirkung (gratiae libere assentiendo et cooperando) – und könne diese somit auch ablehnen (posse dissentire si velit, Denzinger / Hünermann, Enchiridon, 1526, 1525, 1554). Doch wie hat man sich eine solche Freiheit angesichts universaler göttlicher Vorsehung und unbeschränkten göttlichen Vorherwissens genauer vorzustellen? Seit Augustinus gehört diese Frage zu den Herzstücken abendländisch-christlicher Religionsphilosophie, doch mit der Reformation hatte sie eine bislang unerreichte theologische und (kirchen)politische Brisanz gewonnen. Molina legt mit seiner Theorie der scientia media, des Mittleren Wissens, eine neue Antwort vor, die Philosophen und Theologen von Anfang an faszinierte und in glühende Verteidiger und vehemente Gegner spaltete. Die Auslotungen der philosophischen Tiefen des Ansatzes und die Kontroversen um ihn dauern bis heute an.
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Molinas Grundidee lautet, dass Gott durch jenes Mittlere Wissen bereits in der Schöpfungssituation, d. h., explanatorisch betrachtet, noch ehe eine bestimmte mögliche Welt zur aktualen geworden ist, von jedem auch nur möglichen freien menschlichen Wesen weiß, für welche Handlung es sich in jeder möglichen Entscheidungssituation, in der es sich in einer bestimmten Welt vorfinden könnte, aus freien Stücken entscheiden würde. Unter anderem im Rückgriff auf dieses Wissen, sagt Molina, entscheide Gott sich für die Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt. Da somit alles, was dann dort geschieht, einschließlich freier kreatürlicher Handlungen und Entscheidungen, in letzter Instanz vollständig vom göttlichen Willen abhängt, bleibt Molina zufolge Gott die absolut souveräne causa prima allen Geschehens. Insofern hängen alle Wirkungen der Vorsehung in der Welt von Gottes freiem Willen ab. Gleichwohl bleiben zumindest viele menschliche Handlungen frei, da sie weder kausal durch Naturvorgänge noch durch göttliches Eingreifen, göttliche Vorsehung oder göttliches Vorauswissen determiniert sind. Die direkt oder indirekt mit dieser These aufgeworfenen philosophischen Fragen weisen weit über ihren historischen Kontext hinaus. Sie ragen tief hinein in zentrale und bis heute hochaktuelle Fragen der allgemeinen philosophischen Freiheitstheorie, Handlungstheorie, Erkenntnistheorie, Kausalitätstheo rie, Wahrheitstheorie, Modallogik und Metaphysik möglicher Welten sowie in spezielleres religionsphilosophisches und theologisches Terrain. Die folgende Einleitung führt zunächst ein Stück weit historisch und systematisch in die wichtigsten Fragen aus dem skizzierten Themenkomplex ein. Es folgt ein Schlüsselkapitel der Concordia, Abhandlung 52 aus Teil IV, im lateinischen Text der zweiten Ausgabe von 1595 nach der Edition von Johannes Raben eck von 1953 nebst (erstmals) einer deutschen Übersetzung. Ein ausführlicher Kommentar erläutert sodann wichtige Begriffe und inhaltliche Hintergründe und diskutiert voraussetzungsreichere Passagen der einzelnen Abschnitte.
X Vorwort
Wir legen diesen Band in der Überzeugung vor, dass ein Studium der Originaltexte Molinas zur Freiheitsfrage nicht nur für ein tieferes historisches Verständnis eines der folgenreichsten Kapitel abendländischer Geistes- und Kulturgeschichte un erlässlich ist, sondern auch aufschlussreiche systematische Einblicke in zentrale überhistorische Fragen der Metaphysik der Willensfreiheit und moralischen Verantwortung eröffnet. Möge eine Beschäftigung mit Molina auch aktuelle Debatten um die Meriten und die Pferdefüße libertarischer und kompatibilistischer Theorien von Freiheit und Determinismus inspirieren und zur Erkundung weiterer Wege im Labyrinth des Freiheitsproblems ermuntern. Die Übersetzung sowie auch viele inhaltliche Überlegungen, die in die Einleitung und in die Kommentare eingeflossen sind, haben von ausführlichen Diskussionen profitiert, die wir über mehrere Semester in Forschungsseminaren zum Text am Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck mit Studierenden und Kolleginnen und Kollegen geführt haben. Allen Teilnehmern dieser Seminare sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement und ihre Diskussionen gedankt. Für ihre Hilfe beim Erstellen des Manuskripts danken wir unseren Mitarbeiterinnen Sylvia Astner und Susannah Haas. Hilfreiche Diskussionen zu den im Folgenden verhandelten Themen oder Kommentare zum Manuskript haben außerdem beigesteuert: Godehard Brüntrup SJ, John Martin Fischer, Simon Kittle, Federica Malfatti, Uwe Meixner, Bruno Niederbacher SJ, Karl Heinz Sager, Willibald Sandler, Ruben Schneider, Roman Siebenrock, Christian Tapp, Patrick Todd und Günther Wassilowsky. Auch ihnen sei herzlich gedankt. Besonderer Dank gebührt ferner Prof. em. Dr. Otto Muck SJ, von dessen Kenntnisreichtum in der mittelalterlichen Philosophie sowie breiter philosophischer Allgemeinbildung wir im Laufe unserer Arbeit ausgiebig profitieren durften. Die Arbeit eines Herausgebers und Autors dieses Bandes (Christoph Jäger) an den hier verhandelten Themen begann seinerzeit im Rahmen eines Heisenbergstipendiums der Deutschen
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Forschungsgemeinschaft. Für die freundliche Förderung und die Gewährung eines Druckkostenzuschusses sei der DFG an dieser Stelle herzlich gedankt. Für einen Druckkostenzuschuss bedanken wir uns ferner bei der Universität Innsbruck, wo dieses Buch entstanden ist. Unser Dank gebührt schließlich Herrn Marcel Simon-Gadhof vom Meiner-Verlag für seine Geduld und die kompetente Betreuung des Projekts. Innsbruck, im September 2018 Christoph Jäger, Hans Kraml, Gerhard Leibold
E INLEITUNG M OLIN A UND DAS PRO BLEM DES THE OLO GIS CH EN DETERM INISM US 1 von Christoph Jäger
1. Zu Leben und Werk Molinas2 Luis de Molina wurde am 29. September 1535 in Cuenca, Neukastilien, in eine wohlhabende Händlerfamilie geboren. Er war der erste von drei Söhnen des Ehepaares Dona Ana García de Molina und Don Diego de Orejón y Muela. Mit zwölf Jahren begann er in Cuenca Latein zu lernen; von 1551 bis 1552 studierte er auto biographischen Angaben zufolge in Salamanca Jura und lernte dort den 1534 gegründeten und seit 1548 auch in Salamanca ansässigen Jesuitenorden sowie die Exerzitienschriften des Ignatius von Loyola kennen. Danach studierte Molina bis 1553 Logik in Alcalá; im selben Jahr trat er, im Alter von achtzehn Jahren, in die Compañía de Jesús ein.3 Für das Noviziat ging er nach Coimbra, Portugal, wo er ab 1554 vier Jahre Philosophie und danach bis 1562 Theologie studierte. Dominiert wurde sein Studium von der Lektüre der Hauptwerke des Aristoteles und Thomas von Aquin; Molina beschäftigte sich aber offenbar auch mit Luther und Calvin.4 1559 schloss er mit 1
Teile der Kapitel 5 und 6 dieser Einführung habe ich im Laufe der letzten Jahre auf Vorträgen in Bochum, Cambridge, Innsbruck und München vorgestellt. Ich danke den Auditorien für wertvolle Hinweise. 2 Der folgende Abriss stützt sich auf Stegmüller (1935 b), auf die (in Details bisweilen leicht abweichenden) Darstellungen bei Rabeneck (1950), (1953) und auf MacGregor (2015), Kap. 1 und 2. 3 Stegmüller (1935 b), S. 3*; für weitere Details siehe MacGregor (2015), S. 33–42. 4 S. MacGregor (2015), S. 47–73. Wie Smith (1966), S. 3, 24 und passim, ausführt, stützte Molina sich dabei wesentlich auf Sekundärquellen.
XIV Einleitung
einem Magister Artium in Philosophie und, nach einem Wechsel nach Évora, dort zunächst mit einem theologischen Bakkalaureat ab. Zurück in Coimbra, las er von 1563 bis 1567 selbst Philosophie. Molinas Priesterweihe dürfte zwischen 1562 und 1568 erfolgt sein. 1568 ging er erneut nach Évora, wo er bis 1583 Theologie lehrte und an seinen wichtigsten Werken arbeitete; 1571 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert (Stegmüller 1935 b, S. 4*–6*). In der noch jungen, erst 1559 gegründeten Universität Évora avancierte Molina bald zu einer wichtigen akademischen Leitfigur; er leitete sowohl den philosophischen als auch den theologischen Fachbereich und erwarb sich in Europa den Ruf eines führenden zeitgenössischen Religionsphilosophen und Theologen (MacGregor 2015, S. 76). Von 1583 an bereitete Molina die Drucklegung eines Kommentars zu den Fragen 1–74 der Prima pars von Thomas von Aquins Summa theologiae (ST) vor, den er bereits von Ende 1570 bis etwa Mitte 1573 während seiner Lehre in Évora diktiert hatte. Aus ihm sollte die Concordia hervorgehen. Zwischen 1584 und 1586 – das genaue Datum ist nicht bekannt – übersiedelte Molina nach Lissabon, wo er sich lange vergeblich für die Publikation seines Summenkommentars einsetzte. Dieser sollte schließlich erst 1592 in Cuenca erscheinen. Die in großen Teilen aus dem Kommentar ausgekoppelte Concordia indessen, der ebenfalls ständig drohte, von der portugiesischen oder der spanischen Inquisition bzw. schließlich von Rom verboten zu werden, wurde erstmals 1588 in Lissabon publiziert und in zweiter, erweiterter Auflage 1595 in Antwerpen. Im Januar 1591 kehrte Molina von Portugal nach Spanien zurück, wo er sich vom Jesuitenkolleg seiner Heimatstadt Cuenca aus im letzten Jahrzehnt seines Lebens weiter für die Verteidigung der Concordia und die Veröffentlichung seiner wichtigsten Schriften einsetzte. Die drei Bände eines weiteren Hauptwerks Molinas, De iustitia, erschienen jeweils 1593, 1597 und in Molinas Todesjahr 1600. 1597 soll Molina neben Francisco Suárez für einen Lehrstuhl an der Universität Coimbra nominiert worden sein. Unterdes-
Christoph Jäger
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sen berief Papst Clemens VIII. im Spätherbst desselben Jahres in Rom die berühmte Congregatio de auxiliis divinae gratiae ein, um nach bereits umfangreichen Inquisitionsverfahren in Portugal und Spanien zu Molinas Schriften die immer heftigeren Häresievorwürfe gegen Molina unter persönlicher Leitung prüfen zu lassen. Zu einer Verurteilung sollte es auch in Rom – bis auf den heutigen Tag – nicht kommen. Noch 1595 hatte Molina eine Einladung seines Ordensgenerals Aquaviva nach Rom abgelehnt, doch als sich die Kontroverse de auxiliis weiter zuspitzte, plante Molina 1599 offenbar doch, selbst im Vatikan vorzusprechen. Obwohl es in Rom um seine Sache gerade nicht gut stand, folgte er im Frühjahr 1600 einem Ruf auf einen neu gegründeten Lehrstuhl an das Jesuitenkolleg zu Madrid. Dort verstarb er am 12. Oktober desselben Jahres an der Ruhr. 1603 wurden seine sterblichen Überreste in die Kirche des dortigen Jesuitenkollegs gebracht; sein Haupt wurde als Reliquie an das Jesuitenkolleg von Alcalá überstellt (Stegmüller 1935 b, S. 9*).
2. Zur Geschichte der Concordia Molinas Theorien über Freiheit und Gnade erregten schon lange vor der Veröffentlichung der Concordia großes Aufsehen und führten im ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten intrakonfessionellen Auseinandersetzungen der jüngeren Kirchengeschichte. Beteiligt waren vor allem namhafte Vertreter des noch jungen Jesuitenordens und eine Reihe einflussreicher Dominikaner, die eine traditionellere und in ihren Augen Thomas von Aquin näher stehende Freiheits- und Gnadenlehre vertraten. (Die Dominikaner warfen Molina »Neuerungssucht« vor.) Als Wortführer der Jesuiten stachen neben Molina vor allem Robert Bellarmin (1542–1621) und Francisco Suárez (1548–1617) hervor. Ihre wichtigsten Gegner waren zum einen einflussreiche Vertreter der Thomistenschule von Salamanca, darunter insbesondere die Dominikaner Domingo Báñez
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(1528–1604) und dessen Schüler Diego Álvarez (um 1555–1635) sowie der Mercedarier Francisco Zumel (1540–1607). Auch viele andere akademische Zeitgenossen Molinas und zahlreiche Kirchenvertreter lehnten seinen Ansatz aus theologischen und philosophischen Gründen ab und bekämpften ihn inhaltlich wie kirchenpolitisch auf das Schärfste. Den äußeren Verlauf der Kontroverse um Molinas Freiheitstheorie prägten zahlreiche öffentliche und nichtöffentliche Disputationen an verschiedenen europäischen Universitäten und im Vatikan, Inquisitionsprozesse, umfangreiche Briefwechsel, Gutachten und Zensuren einschlägiger Schriften usw. Der folgende Abschnitt skizziert einige Hauptstationen des Streites, vornehmlich aus der Sicht von Molinas Kampf um die Veröffentlichung der Concordia. Für die umfangreichen historischen Details des Gnadenstreits sei auf die Literatur verwiesen.5 Die übrigen Teile 5
Der folgende Überblick orientiert sich an den Rekonstruktionen der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte der Concordia und der Kontroverse de auxiliis bei Pastor (1927), Bd. XI und XII; Stegmüller (1935 b); Schneemann (1879), (1880); van Riel (1921); und der auch philosophisch umsichtigen neueren Rekonstruktion von Matava (2016). Eine wichtige his torische Quelle zu den Sitzungen der 1597 in Rom von Papst Clemens VIII. einberufenen Congregatio de auxiliis ist ein Protokoll von Tomás de Lemos, das jedoch erst 1702 veröffentlicht wurde und dessen Verlässlichkeit kontrovers ist. S. ferner Serry (1699) und de Meyer (1705). Schneemanns Abhandlungen sind streckenweise stark polemisch und muten voreingenommen apologetisch zugunsten jesuitischer Positionen an. Van Riel dagegen polemisiert über weite Strecken gegen Schneemann und die jesuitische Theologie im Allgemeinen: »… [D]ie ganze abendländische Kirche …[versank] immer mehr im Morast des Molinismus«; »… die Wahrheit … [drohte] unter der … molinistischen Zweideutigkeit erstickt zu werden« (van Riel, 1921, Vorwort u. S. 1). Verlässlich mit Quellen untermauerte Faktenangaben lassen sich jedoch auch bei diesen Autoren relativ gut von wissenschaftlich weniger hilfreichen Passagen unterscheiden. Stegmüller zeichnet die Veröffentlichungsgeschichte der Concordia und die Kontroverse de auxiliis auf 80 Seiten detailliert nach, ohne irgendeine inhaltliche Frage auch nur anzudiskutieren. Für neuere inhaltliche Vorschläge von theologischer Seite zu verschiedenen klassischen Unterscheidungen zum Thema Gnade und weitere historische Hinweise siehe etwa die Aufsätze von Karl Rahner in id., (Gratia).
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der Einleitung beschäftigen sich sodann ausführlicher mit philosophischen Details der Frage nach der Vereinbarkeit von göttlicher Vorsehung und Allwissenheit mit menschlicher Freiheit.
2.1 Der Streit um das Ordensimprimatur und die Drucklegung Aufgrund äußerer Umstände kam Molina erst rund zehn Jahre nach seinen letzten Vorlesungen in Évora über die Prima pars dazu, wieder an seinem Summenkommentar zu arbeiten. Endlich hatte man ihn von seinen Lehrverpflichtungen entbunden, und in der Absicht, den Kommentar nun bald zu publizieren, begann er, sein Werk unter Berücksichtigung inzwischen erschienener anderer Schriften zum Thema zu überarbeiten. (U. a. hatte Molinas größter Widersacher Báñez im Frühjahr 1584 bereits einen Kommentar zu den Fragen 1–64 der Prima pars veröffentlicht.) Mitte 1585 war Molinas Summenkommentar für den Druck vorbereitet, und nun galt es, das Ordensimprimatur der Jesuiten einzuholen. Eine dreiköpfige portugiesische Ordenskommission urteilte zunächst im Wesentlichen positiv. Aber zwei der Gutachter, Carvalho und Perez – ihre Gutachten lagen erst 1587 vor –, verlangten, dass Molina seine Lehre in verschiedenen Punkten grundlegend ändern sowie die Behandlung einiger Themen ganz auskoppeln und ihre Diskussion auf einen Kommentar zur Prima secundae verschieben möge (Stegmüller 1935 b, S. 27*–28*). Viele der strittigen Punkte betrafen dabei Molinas wichtigstes Anliegen: seine Vorsehungs- und Freiheitstheorie. Inhaltlich konnte Molina die Kritiken in keiner Weise nachvollziehen, und so lehnte er die vorgeschlagenen Revisionen ab. Die Angelegenheit fiel damit an die römische Ordenszensur. Turbulenzen vorausahnend, hatte Molina bereits im Herbst 1586 nach Rom geschrieben und die kontroversen Teile seines Summenkommentars mitgeschickt. Diese sollten später den Grundstock der ersten 22 Disputationen der Erstausgabe der
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Concordia bilden (Stegmüller 1935 b, S. 37*). Die römische Ordenskommission merkte allerdings ebenfalls missbilligend an, dass viele namhafte Theologen seine Theorie sehr kritisch beurteilten und pelagianische Tendenzen in seinem Ansatz diagnostizierten. Das offizielle römische Gutachten wurde Molina im April 1587 durch seinen Provinzial übermittelt. Es empfahl, die Fragen nach menschlicher Freiheit sowie das Thema der göttlichen Prädestination und des göttlichen Vorherwissens komplett aus dem Kommentar auszublenden.6 Molina willigte daraufhin am Ende formal ein. Doch er gab die Veröffentlichung seiner Überlegungen zum Thema keineswegs auf. Vielmehr begann er nun, große Teile seiner Abhandlungen über Freiheit und Gnade aus dem Summenkommentar auszukoppeln, um sie so schnell wie möglich gesondert zu veröffentlichen. Das war die Geburtsstunde der Concordia. Zwar stellten sich Molina noch zahlreiche weitere Hindernisse in den Weg. So ist etwa die erste Postsendung einer Verteidigungsschrift, die er im April 1587 nach Rom schickte, nebst einem Brief an seinen Ordensgeneral Aquaviva, in dem Molina seinen Pläne zur Concordia darlegt, dort angeblich nie eingetroffen. Erst eine zweite Sendung erreichte im Juni oder Juli ihre Adressaten (Stegmüller 1935 b, S. 40* f.). Ferner brachen zwischen Molina und seinem Provinzial verfahrenstechnische Streitigkeiten aus. Dennoch wurde der Concordia in den Wintermonaten 1587–88 nach weiterem hartnäckigem Ringen endlich das Ordensimprimatur erteilt.
6
S. hierzu Molinas Responsio, die das Gutachten (auf S. 359) vollständig zitiert.
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2.2 Die Concordia vor der portugiesischen und kastilischen Inquisition Nun war das Buch der portugiesischen Inquisition und deren Bücherzensor, dem Dominikaner Bartolomé de Ferreira, vorzulegen.7 Dieser war zwar den Jesuiten tendenziell wohlgesonnen; allerdings war Ferreira offenbar schon im Vorfeld eine Liste angeblich problematischer Sätze der Concordia übermittelt worden. Obwohl der Revisor daher zunächst skeptisch gestimmt war, gab er am Ende »dem so stark angefeindeten Buch eine glänzende Gutheißung mit auf den Weg« (Pastor 1927, Bd. XI, S. 523), und die Kommission erteilte das Imprimatur. Kurz vor Weihnachten 1588 war der Erstdruck der Concordia, die »alsbald Jahrzehnte ganz Europa in Spannung hielt« (Pastor 1927, Bd. XI, S. 522), mit 1250 Exemplaren abgeschlossen. Molinas Gegner intervenierten weiter. Das Ergebnis war, dass, als Molina dem Großinquisitor von Portugal, Kardinal Erzherzog Albrecht VII. von Österreich, im Januar 1589 ein diesem gewidmetes Erstexemplar überreichte, sich der Kardinal mit der Weisung bedankte, der Verkauf und die Verbreitung der Concordia seien vorerst zu stoppen (Pastor 1927, Bd. XI, S. 524; Stegmüller 1935 b, S. 45*). Der Großinquisitor war (offenbar von seinem dominikanischen Beichtvater Juan de las Cuevas) darauf hingewiesen worden, dass die kastilische Inquisition einige Jahre zuvor in anderem Zusammenhang 16 Sätze, die mit dem strittigen Themenkomplex zusammenhingen, verurteilt hatte und dass der Verdacht bestehe, ein Teil dieser Sätze werde auch in Molinas Concordia vertreten.8
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Vgl. zu diesen Ereignissen und weiteren Details Molinas Brief vom 28. Januar 1589, abgedruckt in Stegmüller (1935 a), S. 663–678. 8 Schneemann (1880), S. 31, mutmaßt, die Intervention von las Cuevas gehe ihrerseits auf den mit diesem befreundeten Mitbruder Báñez zurück; Stegmüller (1935 b) erwähnt nichts dergleichen.
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Tatsächlich wird der Beginn des Gnadenstreits üblicherweise bereits auf das Jahr 1582 datiert9, in dem am 20. Januar in Salamanca im Rahmen einer öffentlichen Disputierübung Jesuiten und Dominikaner über das Freiheitsproblem aneinander gerieten. Der Jesuit Prudencio de Montemayor hielt unter dem Vorsitz Zumels einen Vortrag über den Opfertod Christi und fragte, wie dieser angesichts des in Christus durch göttliche Offenbarung vorliegenden Vorauswissens von seinem Tod als frei und verdienstvoll gelten könne. Montemayor lehnte die báñezianisch-thomistische These der praedeterminatio physica (s. Abschnitt 5.3) als mit Freiheit unvereinbar ab. Dies provozierte vehementen Widerspruch von Báñez; andere schalteten sich ein, und in den folgenden sechs Tagen fanden weitere Disputationen statt. Inhaltlich erzielte man jedoch keine Annäherungen. Vielmehr begannen die Parteien, sich gegenseitig des Lutheranismus bzw. des Pelagianismus zu bezichtigen (Pastor 1927, Bd. XI, S. 521), und die Konfrontation gipfelte darin, dass der Hieronymit Juan de Santa Cruz 16 und Báñez 10 der Thesen, die Montemayor und einer seiner Mitstreiter, der Augustiner Luis de León, angeblich vertraten, bei der spanischen Inquisition anzeigten. Es folgten vier Inquisitionsprozesse, und man verbot, jene 16 von Santa Cruz beanstandeten Sätze öffentlich zu behaupten.10 (León verteidigte sich gegenüber der Inquisition u. a. mit der interessanten Replik, dass er die beanstandeten Thesen nicht assertiv, sondern lediglich disputativ verteidigt habe.11) Die Streitigkeiten gewannen so bereits einige Jahre vor der Veröffentlichung der Concordia an Fahrt, und tatsächlich ähneln einige der verurteilten 16 Propositionen Thesen, die auch Molina in der Concordia (dort auch in Abhandlung 52) unterschreibt. Zu 9
S. etwa Pastor (1927), Bd. XI, S. 520, im Anschluss an Astrain (1902), Bd. IV, S. 129–146; Auer und Ratzinger (21972), S. 250; Matava (2016), S. 19. 10 Vgl. ausführlicher hierzu etwa Pastor (1927), Bd. XI, S. 520–522; Stegmüller (1935 b), S. 44*; und Matava (2016), S. 19–23. 11 »Luis de León déclara qu’il avait défendu disputative et non assertive la doctrine incriminée« (Mandonnet 1910, S. 143).
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den für den vorliegenden Zusammenhang wichtigsten gehören die folgenden, die sich sowohl in der Anzeige von Santa Cruz als auch, in sehr ähnlichem Wortlaut, in Báñez’ Eingabe finden. Ich zitiere sie in der Formulierung von Santa Cruz: »III. Wenn die Christus auferlegte Weisung zu sterben nicht nur den Träger der Handlung, sondern auch die Motive seines Vorhabens und die übrigen Umstände determinierte, höbe sie auch den Grund des Verdienstes ganz und gar auf, weil sie die Freiheit aufhöbe. IV. Nicht weil Gott wollte, dass ich spreche, spreche ich, sondern im Gegenteil, weil ich spreche, wollte Gott, dass ich spreche. V. Nicht weil Gott vorhersah, dass ich sprechen würde, spreche ich, sondern im Gegenteil, weil ich spreche, sah Gott vorher, dass ich sprechen würde. VI. Gott ist nicht die Ursache freier [kreatürlicher] Handlungen, sondern verursacht lediglich, dass die [kreatürliche] Ursache existiert.«12
Die folgende These ist interessanterweise nur in Santa Cruz’, nicht jedoch in Báñez’ Anzeige enthalten: »IX. Gottes Vorsehung determiniert nicht den menschlichen Willen oder eine andere partikuläre Ursache zum guten Handeln, vielmehr determiniert die partikuläre Ursache den göttlichen Vorsehungsakt.«13 12
»III. Si praeceptum moriendi Christo impositum determinavit non tantum substantiam operis sed etiam intensionis [sic!] motiva et reliquas circumstantias, tolleret omnino meriti rationem quia tolleret libertatem. IV. Non quod Deus voluit me loqui ego loquor, sed contra: quod ego loquor Deus voluit me loqui. V. Non quod Deus providit me loqui ego loquor, sed contra: quod ego loquor Deus providit me locuturum. VI. Deus non est causa operationis liberae sed causat tantum esse causa« (abgedruckt bei Mandonnet 1910, S. 143). Für den Wortlaut der von Báñez angezeigten Propositionen siehe Báñez (Inquisición), S. 101–113. 13 »IX. Dei providentia non determinat voluntatem humanam aut quam-
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Satz III macht einen freiheits- und verantwortungstheoretischen Zusammenhang geltend, der auch in heutigen Freiheits-Debatten eine zentrale Rolle spielt und kontrovers diskutiert wird: Hat eine Handlung meritorische Qualitäten, so die Annahme, so muss Wahlfreiheit zwischen Alternativen vorgelegen haben. Montemayor und León dürften somit, wenn sie These III vertraten, eine Version des (im Anschluss an Frankfurt 1969) sogenannten Prinzips der alternativen Möglichkeiten akzeptiert haben, wonach, vereinfacht gesagt, ein Akteur nur dann frei handelt und deshalb für seine Handlungen moralisch verantwortlich ist, wenn er auch anders hätte handeln können. Insgesamt deuten sich hier begriffliche Zusammenhänge an zwischen der Ver diensthaftigkeit einer Handlung, der moralischen Verantwortlichkeit des Akteurs für sie, ihrer Zuschreibbarkeit, in dem Sinne, dass der Akteur selbst in einem hinreichend robusten Sinne als ihr Urheber gelten kann, und der Wahlfreiheit, die er in Bezug auf sie genießt. Wenn Christus bzgl. seines Opfertods keine Wahlfreiheit gehabt hätte, so lautet dann die These von Satz III, dann wäre dieser Tod nicht verdienstvoll gewesen, weil Christus nicht selbst für ihn verantwortlich und in einem hinreichend robusten Sinne Urheber der damit verbundenen Handlungen und Entscheidungen gewesen wäre. Die Sätze IV und V bestreiten an Beispielen, dass menschliche Handlungen durch Gottes Willen bzw. Wissen prädeterminiert sind, und behaupten umgekehrt, dass das, was Gott bzgl. solcher Taten will und voraussieht, von diesen Taten abhängt. Molina stimmt dieser Behauptung in seiner Theorie des Mittleren Wissens nicht zu, versteht das betreffende göttliche Wissen jedoch gleichwohl so, dass es in bestimmter Weise darauf beruht, was freie Geschöpfe in bestimmten Umständen tun würden. Entsprechend würde Molina bzgl. Satz VI sagen, dass Gott in der Tat freie menschliche Handlungen nicht direkt steuert, weil er anlibet aliam particularem causam ad bene operandum, sed potius particularis causa determinat actum divinae providentiae« (Mandonnet 1910, S. 143).
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dernfalls ihre Freiheit kompromittieren würde; dass er jedoch, ganz wie die traditionelle scholastische Theologie behauptet, sehr wohl die causa prima allen weltlichen Geschehens bleibt und eine indirekte, allgemeine und ›entfernte‹ Ursache (causa gene ralis, causa remota) für freie menschliche Handlungen darstellt. Satz IX schließlich konstatiert nochmals, dass Gott menschliche Willensentschlüsse nicht determiniert, fügt jedoch hinzu, dass umgekehrt diese als partikuläre Ursachen – d. h. hier grob: als Ursachen, die der allgemeinen göttlichen Mitwirkung eine konkrete Richtung auf ein bestimmtes Geschehen geben – die göttliche Vorsehung bestimmen. Auch dies würde Molina so nicht sagen. Richtig ist jedoch, dass seiner Theorie des Mittleren Wissens zufolge auch Gottes Vorsehung und Vorauswissen einer wichtigen logischen Beschränkung unterliegen: Was freie krea türliche Handlungen und Entscheidungen und deren Akteure angeht, ist der Spielraum seines Schöpfungsakts an die unabhängig von seinem Willen vorliegende Wahrheit bzw. Falschheit kontrafaktischer kreatürlicher Freiheitskonditionale gebunden. Solche Konditionale beschreiben, was mögliche freie Wesen in bestimmten Umständen, in denen sie instantiiert werden können, aus freien Stücken tun würden. (S. hierzu die ausführliche Rekonstruktion in den Abschnitten 5 und 6.) Doch wer oder was, so fragt sich, ist für den Wahrheitswert solcher Konditionale verantwortlich? Wenn die Antwort hier lautet, dass es zumindest im Falle der nicht bloß möglichen, sondern schließlich in der aktualen Welt realisierten freien Akteure eben diese wirklichen Akteure selbst sind, die für den Wahrheitswert solcher Konditionale verantwortlich sind, dann stünde diese Antwort im Einklang mit Satz IX. Ob dies eine für den Molinisten letztlich philosophisch kohärente und theologisch akzeptable Position ist, wird im Verlauf dieses Einleitungsessays sowie im Kommentar noch ausführlich zur Sprache kommen. Dass mit Santa Cruz ausgerechnet auch ein Hieronymit die obigen Sätze bei der Inquisition als potentiell häretisch anzeigte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn wie Molina im Rah-
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men von Autoritätsargumenten für seine Posit ion in Abhandlung 52 der Concordia darlegt, äußert sich u. a. Hieronymus selbst an verschiedenen Stellen positiv im Sinne der obigen Behauptungen. In 52.25 zitiert Molina Hieronymus aus dessen Jesaja-Kommentar und seinem Dialog gegen die Pelagianer: »›Nicht deshalb, weil Gott weiß, dass etwas geschehen wird, wird es geschehen, sondern weil es geschehen wird, weiß Gott es, denn er kennt das Zukünftige im Voraus.‹ Und auch im 3. Buch des Dia logs gegen die Pelagianer heißt es [bei Hieronymus]: ›Nicht deshalb sündigte Adam, weil Gott wusste, dass es geschehen würde; sondern Gott, weil er Gott ist, wusste im Voraus, was jener aus eigenem Willen tun würde‹« (Molina, Concordia, 52.25).
Ob Hieronymus, Molina und viele andere, die Antworten dieses Tenors vorschlagen, damit eine kohärente und akzeptable Posi tion einnehmen, bleibe zunächst dahingestellt. Vordergründig mag man das bezweifeln, u. a. weil die betreffenden Thesen Rückwärtsverursachung zu implizieren scheinen. Tatsächlich versteht jedoch Molina Gott als außerhalb der Zeit existierend; seine offizielle Position ist kein theologischer Sempiternalismus, sondern ein theologischer Atemporalismus. Aussagen wie »Weil es geschehen wird, weiß Gott es im Voraus« sind demnach aus der Sicht Molinas nicht in einem zeitlichen Sinne, ja überhaupt nicht kausal zu deuten.14 Die Freiheits-Kontroverse im Vorfeld der Veröffentlichung der Concordia beschränkte sich nicht auf Spanien. Ein zweiter Meilenstein waren Ereignisse wenige Jahre später in Löwen. 1587 verurteilte die dortige Theologische Fakultät 31 Sätze – einige Quellen berichten von 34 Sätzen – des Jesuiten Leonard Lessius (Leonard Leys, 1554–1623) über Prädestination und Gnade. Angezeigt hatte sie der angesehene Löwener Theologe Bajus (Michael de 14
Vgl. hierzu Abhandlung 48 der Concordia und unseren Kommentar zu 52.3.
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Bay, 1513–1589), der schon am Konzil von Trient teilgenommen hatte, jedoch seinerseits seit den 1560er Jahren unter Beschuss geraten war und nun in die Nähe protestantischer Lehren gerückt wurde. 1560 hatte die Sorbonne auf Bestreben von Franziskanern 18 Sätze des Bajus verurteilt, 1567 waren in Alcalá 40 seiner Sätze getadelt worden, und Papst Pius V. hatte 1567 eine Bulle verfasst, in der er 76 – andere Quellen sprechen von 79 – angeblich Bajanische Sätze, darunter einen Teil der auch in Alcalá getadelten, offiziell verurteilte. Bajus widerrief. 1580 veröffentlichte auch Gregor XIII. eine Bulle gegen Bajus, die in weiten Teilen Pius V. folgte. Dessen Formulierungen waren jedoch – gewollt oder nicht – in entscheidenden Punkten vage geblieben, was dazu beigetragen haben mag, dass Bajus’ Einfluss in Löwen nicht nachhaltig erschüttert worden war. Bajus behauptete u. a., dass alle Werke der Nichtgläubigen Sünde seien – und die angeblichen Tüchtigkeiten der Philosophen in Wahrheit Laster! Ohne die Hilfe der Gnade Gottes tauge der freie Wille nur zum Sündigen, und es sei ein pelagianischer Irrtum zu sagen, dass er dazu geeignet sei, irgendeine Sünde zu vermeiden.15 U. a. diese Propositionen wurden verurteilt. Tatsächlich widersprachen sie auch der Lehre der Jesuiten. Lessius kam 1585 an das Löwener Jesuitenkolleg und verfasste gemeinsam mit Hamelius (Jean Hamel, 1554–1589) die Theses theologicae, die in weiten Teilen Bajus’ Ansichten über Freiheit und Gnade widersprachen. Lessius hatte vor seiner Löwener Zeit bei Bellarmin und Suárez in Rom studiert; Bellarmin war seinerseits zur Zeit der früheren Bajus-Kontroversen in Löwen gewesen und war dort als entschiedener Bajus-Gegner aufgetreten. Nun war es an Bajus, den Bellarmin-Schüler Lessius bei der 15
»Omnia opera infidelium sunt peccata, et philosophorum virtutes sunt vitia.« »Liberum arbitrium, sine gratiae Dei adiutorio, nonnisi ad peccandum valet.« »Pelagianus est error, dicere, quod liberum arbitrium valet ad ullum peccatum vitandum« (Denzinger / Hünermann, Enchiridion, 1925, 1927, 1928).
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Fakultät anzuzeigen.16 Die Streitigkeiten, heißt es, hätten zuweilen tumultartige Züge angenommen: Viele Studenten in Löwen hätten auf Seiten der Jesuiten gestanden und es sei gar »zu Straßenkämpfen unter der akademischen Jugend« gekommen. Die Straßen und Plätze der Stadt waren nicht mehr nur akademische Schlachtfelder: Aus syllogistischen Auseinandersetzungen wurden Körperverletzungen.17 Die Kontroversen setzten sich fort in dem berühmten Jansenismusstreit mit dem Löwener Bajus-Anhänger Jansenius (Cornelius Jansen, 1585–1638), der wie Bajus vor allem unter dem Einfluss von Augustinus-Interpretationen pelagianisierende Tendenzen in der neueren Tradition und insbesondere auf Seiten jesuitischer Theologie vermutete. Im Frühjahr 1589 übermittelte man auch Molina zwei Zensuren. In der einen hieß es, die Concordia enthalte 13 der 16 vor einigen Jahren von Santa Cruz angezeigten und von der spanischen Inquisition verurteilten Sätze; die zweite Zensur, bei der Molina vermutete, dass im Hintergrund wieder Báñez die Fäden gezogen hatte, monierte 17 Sätze aus der Concordia. Molina verfasste daraufhin eine weitere Verteidigungsschrift, in der er argumentierte, seine Gegner hätten in der Concordia nachweislich weder etwas gefunden, was der Heiligen Schrift widerspreche, noch etwas, was mit den Lehren der Väter oder den Konzilien unvereinbar sei (Pastor 1927, Bd. XI, S. 524 f.; Stegmüller 1935 b, S. 45*). Ferner gehe es, wenn überhaupt, um Sätze, die von der kastilischen Inquisition zwar angezweifelt und deren Lehre suspendiert, die aber keineswegs zensiert worden seien. Der Großinquisitor ließ daraufhin die Einwände sowie Molinas Antwort erneut prü16
Vgl. zu diesen Vorgängen ausführlicher Matava (2016), S. 25, und die dort angegebene weitere Literatur. 17 So berichtet Schneemann (1879), S. 127, mit einem Verweis auf Duchesne (1731), S. 199. Bei diesem heißt es an jener Stelle wörtlich: »Les ruës et les places de la ville servoient de champ de bataille. Les injuries succédoient les syllogismes; on se provoquoit par les appellations odieuses de Pélagiens & de Massiliens d’une part; de Lutheriens & de Baïanistes de l’autre. Des injures on passoit aux coups, & la force du bras terminoit la dispute.«
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fen, u. a. auch von Gutachtern aus den Reihen der Dominikaner. Jetzt lautete das Urteil einstimmig, dass Molina alle Kritiken widerlegt habe. So gab auch die portugiesische Inquisition am Ende doch die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Concordia, und da auch die Consejos Reales in Kastilien und Aragón das Buch inzwischen approbiert hatten und König Philipp II. schon im Februar die Druck- und Vervielfältigungserlaubnis erteilt hatte, durfte die Concordia ab Juli 1589 endlich offiziell verbreitet werden (Stegmüller 1935 b, S. 46*; vgl. Schneemann 1880, S. 31 f.). Doch die Querelen setzten sich fort; neue Hürden bauten sich auf. 1590 begann die spanische Inquisition mit der Kompilation eines dritten Index librorum prohibitorum. 1559 war bereits ein erster, 1583 ein zweiter Index verbotener Bücher erstellt worden. Neben anderen inzwischen erschienenen Werken setzte man nun auch Molinas Kommentar zur Prima pars und seine Concordia auf die Liste der zu prüfenden Werke. In Salamanca sollten die Bücher erneut ausführlich untersucht werden, und in die Kommission wurden Zumel und – niemand anders als Molinas Erzrivale Báñez berufen.18 Mit der Zeit mehrten sich die Gerüchte, dass die Concordia tatsächlich bald auf dem Index erscheinen würde. Da begann Molina schließlich, sich mit Gegenangriffen zu wehren, was dann auch tatsächlich zu einer Wende in der Angelegenheit führte. Vermutlich gegen Ende 1593 reichte er beim spanischen Großinquisitor Quiroga eine Petition ein, in der er seine Hauptkritiker Zumel und Báñez, die ihn mehrfach des Pelagianismus angeklagt hatten, des Lutheranismus bezichtigte. Zugleich drängte er darauf, dass die Concordia sowie nun auch die Kommentare von Báñez und Zumel von einem neutralen Gremium begutachtet würden und dass er die gegen ihn erhobenen Einwände einsehen dürfe. In den folgenden Monaten arbeitete Molina eine Summe 18
Schneemann (1880), S. 34, führt aus, der Plan der Inquisition für einen dritten Index sei abermals auf Bestrebungen von Báñez zurückzuführen; dies wird allerdings nur unzureichend belegt.
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angeblicher Häresien von Báñez und Zumel sowie eine weitere Anklageschrift gegen die beiden aus, die er im Frühling 1594 mit einer weiteren Petition bei der spanischen Inquisition einreichte;19 im folgenden Monat ergänzte er diese um eine weitere Kritik an Zumels 1590 erschienenen Kommentar zur ST, In primam Divi Thomae partem commentaria. Große Teile von Molinas Kritik an Zumel erschienen in der zweiten Auflage der Concordia von 1595 als Disputation 53 (die in der ersten Auflage fehlt). Währenddessen hoffte Molina noch immer, dass ihm der Wortlaut der betreffenden Kritiken an seinen Thesen nicht weiter vorenthalten würde und er eine weitere, speziell auf die Einwände eingehende Apologie der Concordia verfassen und den spanischen Revisoren vorlegen könne. Doch er wartete vergebens. Der Inquisitionsrat antwortete zunächst nicht, und Molinas wiederholte Bitten, die Vorwürfe einsehen zu dürfen, verhallten. Dennoch zeigten seine Interventionen Wirkung. Bereits als Reaktion auf Molinas erste Petition hatte der Inquisitionsrat die Universität Salamanca dazu angehalten, die Zensur der Concordia vorläufig zu stoppen (Stegmüller 1935 b, S. 50*). Salamanca sandte daraufhin die noch unabgeschlossenen Untersuchungsergebnisse mit den betreffenden Schriften Molinas, immerhin nun aber auch die Texte von Báñez und Zumel, an den Rat, und tatsächlich sah dieser daraufhin davon ab, die Concordia auf den Index zu setzen.
2.3 Die päpstliche Congregatio de auxiliis Schon Anfang Juni 1594 erreichte den Inquisitionsrat unterdessen seitens der Dominikaner aus Valladolid, federführend war hier Diego Nuño Cabezudo, eine weitere Kritik von 22 Propositionen aus Molinas Werken. Die Kontroverse gewann weiter an Fahrt: Im Gregoriuskolleg der Dominikaner in Valladolid betete man um Molinas Bekehrung, weil man fürchtete, dieser könne 19
Molina, Declaratio, abgedruckt in Stegmüller (1935 a), S. 765 f.
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zu einem »Drache[n] gleich dem der Apokalypse« werden (Pastor 1927, Bd. XI, S. 529, 530). Bei einer Disputation zwischen Jesuiten und Dominikanern soll es zu Tumulten gekommen sein, in denen Nuño durch lautes Rufen ein Vorlesen von Zitaten aus Molinas Schriften, die beweisen sollten, dass dieser die angezeigten Thesen in Wahrheit nicht vertrete, unterbrach,20 und Studenten trampelten in den Hörsälen mit den Füßen, sobald der Name ›Molina‹ fiel (Pastor 1927, Bd. XI, S. 532). Angesichts solcher Entwicklungen wurde der Ruf immer lauter, dass Rom intervenieren und sich selbst um die Angelegenheit kümmern möge. Tatsächlich erging aus Rom schließlich die Weisung an die Dominikaner und die Jesuiten, Erklärungen über die Kontroversen nach Rom zu schicken und bis zu einer Entscheidung der Angelegenheit nicht mehr über Freiheit und Gnade zu disputieren. Aufgrund eines Eingreifens Königs Philipp II. wurden Nuño und einige Jesuiten ihres Lehramtes enthoben; Báñez erhielt eine Rüge (Pastor 1927, Bd. XI, S. 534 f.). Ungeachtet der nun in Rom anhängigen Prüfung beauftragte der spanische Großinquisitor erneut dreizehn Bischöfe sowie die Universitäten Salamanca, Alcalá und Sigüenza nebst acht weiteren Doktoren der Theologie außerhalb dieser Universitäten damit, Gutachten über nunmehr 24 Propositionen Molinas, aber auch über die von Molina angezeigten strittigen Thesen von Báñez und Zumel zu verfassen. (Einer der Bischöfe entschuldigte sich postwendend, er könne wegen Kopfschmerzen die übersandten Schriften nicht studieren; siehe Stegmüller 1935 b, S. 53* f., Anm. 20.) Über die Zusammensetzung der Universitäts20
»Nuño … begann laut zu rufen, den Beweis, daß die vorgelesene Stelle ketzerisch sei, habe er erbracht, und er setzte sein Rufen fort, als Padilla noch andere Stellen vorlesen wollte. Einige von den Anwesenden suchten den Aufgeregten zu beruhigen. ›Laßt mich gewähren‹, erwiderte er, ›denn ich kämpfe für den Glauben!‹ Jetzt riß dem Jesuiten, der auf die Einwendungen zu antworten hatte, die Geduld; er ließ sich zu der unwilligen Frage verleiten: ›Sind vielleicht bei euch die Schlüssel der Weisheit?‹« (Pastor 1927, Bd. XI, S. 529).
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Kommissionen entbrannte abermals heftiger Streit, und sowohl die Jesuiten als auch die Dominikaner verfassten weitere umfangreiche Apologien für jeweils ihre Seite – die Jesuiten schrieben nochmals sieben Verteidigungsschriften –, und Molina legte eine weitere große Kritik an Báñez vor. Im Sommer und Herbst 1597 schickten der Nuntius und die spanische Inquisition Konvolute der ihnen soweit vorliegenden Dokumente über den Streit nach Rom, offenbar kamen erst im März 1598 alle Papiere dort an. Zu diesem Zeitpunkt hatte Papst Clemens VIII. bereits die berühmte Congregatio de auxiliis divinae gratiae einberufen, die eine abermalige ausführliche Prüfung von Molinas Thesen und der Concordia vornehmen sollte. Die erste Sitzung fand am 2. Januar 1598 statt und schon am 13. März empfahl die Kommission dem Papst nach 11 Sitzungen, Molinas Summenkommentar und die Concordia zu verbieten und 61 Sätze aus diesen Werken zu zensieren (Stegmüller 1935 b, S. 58*). Als die letzten Akten aus Spanien erst einige Wochen später im Vatikan eintrafen, wies der Papst die Kommission an, ihren Vorschlag anhand der neuen Unterlagen zu überdenken, doch die Kommission kam noch im selben Jahr zu dem Ergebnis, an ihrer Zensurempfehlung festzuhalten. Insgesamt sollte sie dem Heiligen Stuhl zwischen 1598 und 1607 unter wechselnden Mitgliedern nicht weniger als fünfmal vorschlagen, zahlreiche Propositionen der Concordia zu verurteilen. Das Verfahren zog sich immer wieder hin, doch gegen die wiederholten gegenteiligen Empfehlungen der Kommission entschied sich Clemens VIII. bis zu seinem Tod 1605 nicht zu einer Verurteilung der Concordia. Die Kommission wurde mehrmals umgebildet, und ab 1602 fanden päpstliche Disputationen statt, bei denen die Parteien wortführend von ihren Ordensgenerälen repräsentiert wurden. (In der Kommission war auch der Kardinal Camillo Borghese, der ab 1605 als Papst Paul V. ihre Leitung übernehmen sollte. Für die Jesuiten zog u. a. Gregor von Valencia ins Feld, der, wie es heißt, 1603 an den Folgen der mit der Arbeit verbundenen »Überanstrengungen […] als Martyr gratiae molini
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sticae, wie seine Gegner, noch nach seinem Tode spöttelnd, ihn nannten« starb; siehe Hentrich 1928, S. 21 f.) Paul V. verlangte auch eine Untersuchung der dominikanischen Lehre von der gratia efficax, speziell in der von Báñez ausgearbeiteten Version. Wiederum urteilte die Kommission zugunsten der Dominikaner. Schließlich forderte der Papst von jedem Mitglied eine eigene Stellungnahme sowie ein gemeinsames Abschlussvotum. Die Mehrheit sprach sich abermals für eine Verurteilung von 42 Sätzen Molinas aus. (Nur der Karmelit Bovius stimmte dagegen.) Doch auch Paul V. konnte sich nicht entschließen, der Empfehlung zu folgen und konsultierte erneut neun Inquisitionskardinäle (darunter waren auch Franz von Sales und Jaques Du Perron, der 1577 vom Calvinismus zum Katholizismus konvertiert war). Drei der Kardinäle entschieden sich weder gegen Molina noch gegen die Dominikaner, zwei (Bellarmin und Du Perron) waren für Molina, und vier sprachen sich für die Dominikaner aus. Angesichts dieser Lage beschloss Paul V., die Kongregation nach inzwischen insgesamt 85 Sitzungen und 47 Disputationen aufzulösen, und verbot jeder der streitenden Parteien, die andere Seite zu zensurieren und der Häresie zu bezichtigen. Über die letzte Sitzung am 28. August 1607, dem Fest des hl. Augustinus, verfasste er einen Bericht, in dem er zunächst die Voten der anwesenden Kommissionsmitglieder resümiert und dann mit der folgenden Stellungnahme schließt: »Wir [sagen], dass das Konzil in der Gnade des Herrn definiert hat, dass es notwendig ist, dass der freie Wille von Gott bewegt wird; und dass die Schwierigkeit darin liegt, ob er physisch oder moralisch bewegt wird; und dass zu wünschen wäre, dass jener Streit in der Kirche nicht wäre, weil man aus den Streitigkeiten oft in Irrtümer gerät, und es durchaus gut wäre, sie gründlich zu klären. Gleichwohl sehen wir nicht, dass jetzt diese Notwendigkeit besteht, weil die Meinung der Dominikaner sich sehr von Calvin unterscheidet, denn die Dominikaner sagen, dass die Gnade den freien Willen nicht zerstört, sondern vervollkommnet und macht,
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dass der Mensch auf seine Weise, das heißt: frei, handelt, und weil die Jesuiten sich von den Pelagianern, die den Anfang des Heils in uns legen, unterscheiden und ganz das Gegenteil behaupten. Da keine strenge Notwendigkeit besteht, zu dieser Definition zu schreiten, könnte man diese Angelegenheit vertagen, damit die Zeit uns rät.«21
Den Generaloberen des Predigerordens und der Jesuiten trug der Papst auf, diese Entscheidung in ihren Orden bekannt zu geben.22 In einer Ansprache zu der Angelegenheit an den Gesandten König Philipps III. von Spanien vom 26. Juli 1611 heißt es, man habe bei der Entscheidung aus drei Gründen abgewartet: Erstens, um ganz sicher zu gehen und weil die Zeit die Wahrheit der Dinge lehre; zweitens, weil beide Parteien im Wesentlichen mit der katholischen Lehre übereinstimmten; und drittens, weil 21
»Noi: che In gratia del Signore il Concilio ha definito che necessarium sit, quod liberum arbitrium moveatur a Deo, et che la difficoltà sta an moveat physice vel moraliter et che se bene s’haveria da desiderare che nella chiesa non si fosse questa contentione, perchè dalle discordie si prorompe spesso negl’errori et peró era bene dichiararle bene. Tuttavia non vedevamo che adesso ci fosse questa necessità, perchè l’opinione dei Dominicani è molto diversa da Calvino, perchè i Dominicani dicono che la gratia non destruit, sed perficit liberum arbitrium et fa che l’homo operetur juxta modum suum, i. e. libere, et li Gesuiti son differenti da’ Pelagiani, li quali ponevano il principio della salute da noi, et loro tengono tutto il contrario. Però non ci essendo necessità precisa di venire a questa definitione, si poteva portar il negozio inanzi acciò il tempo ci consigliasse.« Zitiert nach der Abschrift in Schneemann (1880), S. 95, die auf Schneemanns Transkription einer handschriftlichen Notiz Pauls V. beruht, als Faksimile reproduziert in Schneemann (1880), S. 231–235; siehe auch Riel (1921), S. 262. 22 Vgl. die »Formel zur Beendigung der Disputationen über die Gnadenhilfen, an die Generaloberen des Predigerordens und der Gesellschaft Jesu gesandt am 5. Sept. 1607« (Denzinger / Hünermann, Enchiridion, 1997; die Übersetzungen folgen Hünermann). Der Heiligste Herr, so heißt es dort, wünsche, dass die streitenden Parteien »sich gegenseitig zu harscher Worte, die von Bitterkeit der Seele zeugen, enthalten mögen«. (»… ut verbis asperioribus amaritiem animi significantibus invicem abstineant.«)
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es in diesen Zeiten, in denen es so viele Häresien gebe, wichtig sei, das Ansehen beider Orden zu wahren. »Wenn aber gesagt werden soll, es sei gut zu wissen, welchen Glauben man in dieser Sache festzuhalten habe, so wird geantwortet, es sei der Lehre des Trienter Konzils auf der 6. Sitzung über die Rechtfertigung zu folgen und an ihr festzuhalten, die … die katholische Lehre aufzeigt, dass es notwendig ist, dass der freie Wille von der Gnade Gottes bewegt, erweckt und unterstützt werde und frei zustimmen oder nicht zustimmen kann; und es [das Konzil] trat nicht in diese Frage nach der Weise ein, in der die Gnade wirkt.«23
3. Freiheit und Determinismus So viel zu einigen wichtigen Stationen im äußeren Hergang des Streits um Molinas Concordia. Einige inhaltliche Eckpunkte kamen bereits zur Sprache. Im Folgenden sollen ihre metaphysischen Implikationen und philosophischen Pointen näher beleuchtet werden. Molinas Kernthema ist die Widerlegung der Behauptung des theologischen Determinismus. Seine Diskussionen führen ihn dabei allerdings auch immer wieder auf den logischen Determinismus – oft auch als ›(logischer) Fatalismus‹ bezeichnet – sowie auf Formen von naturkausalem Determinismus. Was besagen diese drei Varianten deterministischer Thesen?
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»Se si dicesse che converra sapere qual fede si ha da tenere in questa materia, si risponde che sia da seguitare et tenere la dottrina del Concilio Tridentino nella sessione VI de iustificatione … et insegna la dottrina cattolica che è necessario che il libero arbitrio sia mosso, eccitato et adjuvato dalla gratia di Iddio et puó liberamente assentire et dissentire et non entra in questa questione del modo che opera la gratia« (Denzinger / Hünermann, Enchiridion, 1997 a).
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3.1 Logischer Determinismus Ein System heißt genau dann deterministisch, wenn sein Zustand zu einem beliebigen Zeitpunkt alle seine von diesem Zeitpunkt aus gesehen zukünftigen Zustände festlegt.24 Entsprechend ist den drei oben genannten Formen von Determinismus die Behauptung gemeinsam, dass alles Geschehen in der einen oder anderen Weise alternativlos festgelegt ist. Der logische Determinismus besagt, alles Geschehen werde somit durch die Wahrheit bestimmter Aussagen oder Propositionen über Zukünftiges nezessitiert. Locus classicus einer Diskussion dieser These ist das ›Seeschlachtkapitel‹ in Peri Hermeneias (im Folgenden De int. 9), wo Aristoteles die folgende Überlegung skizziert: Gilt das Bivalenzprinzip uneingeschränkt, dann ist auch jede bejahende und jede verneinende singuläre Aussage über Zukünftiges entweder wahr oder falsch. Doch dann konnte offenbar von jedem gegenwärtigen bzw. jedem noch zukünftigen Geschehen (z. B. einer bestimmten Seeschlacht) »schon immer wahrheitsgemäß behauptet werden …, daß es gegenwärtig eintritt oder daß es in Zukunft eintreten wird« (18 b 12–14)25; und wenn etwas nicht eintritt, so konnte schon immer wahrheitsgemäß behauptet werden, dass es nicht eintritt. Gemeint sei natürlich nicht, dass es schon immer Menschen gegeben habe, die entsprechende Behauptungen faktisch aufgestellt hätten; aber, so Aristoteles, solche Behauptungen hätten zu jeder Zeit aufgestellt werden können. Hieraus scheint sich aber zu ergeben, dass nichts, was geschieht, ausbleiben kann; und »[f ]ür etwas, das nicht nicht geschehen kann, ist es … unmöglich, daß es nicht geschieht; und für etwas, für das es unmöglich ist, daß es nicht geschieht, ist es notwendig, daß es geschieht« (18 b, 14–15). Da eine analoge Überlegung zu zeigen scheint, dass es auch für alles, was nicht 24
S. etwa Werndl (2017), S. 669. Die Übersetzung folgt hier und im Folgenden derjenigen Hermann Weidemanns (Aristoteles, De int.b, S. 93). 25
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geschieht, unmöglich ist, dass es geschieht, folgt offenbar, dass alles, was geschieht, notwendigerweise geschieht, und alles, was nicht geschieht, notwendigerweise ausbleibt.26 Das betrifft auch menschliche Handlungen und Unterlassungen, und so sind offenbar auch diese unausweichlich und alternativlos – und daher in einem entscheidenden Sinne nicht frei. Obwohl Aristoteles dies nicht explizit erwähnt, liegt auf der Hand, dass dieses Argument nicht nur alle ›äußeren‹ Handlungen und Unterlassungen und deren Konsequenzen betrifft, sondern auch all unsere handlungsrelevanten Überlegungen, Wünsche, Präferenzen, Willensentschlüsse, Entscheidungen, Absichten, usw. Auch für sie würde gelten, dass sie niemals anders ausfallen können als so, wie sie sich faktisch einstellen. Bis heute ist strittig, wie dieses von Aristoteles diskutierte Argument im Einzelnen zu verstehen ist und welche Antwort er vorschlägt.27 Relativ klar ist, dass er die Überlegung aufgrund 26
Bisweilen wird dieser modale Aspekt des logischen Determinismus übersehen oder geleugnet. Keil (2007), S. 19, etwa behauptet, im Gegensatz zum Laplace’schen Determinismus besage der logische Determinismus nicht, dass die Zukunft notwendigerweise so sein wird, wie sie sein wird. Und er zitiert zur Illustration Doris Day und ihren Song Que sera, sera. Mit dieser tautologischen These, bemerkt Keil, war Doris Day auf der sicheren Seite! Das ist zwar richtig; doch wie die obige Skizze des locus classicus einer Diskussion des logischen Determinismus zeigt, geht es hier keineswegs einfach darum, dass die Dinge so kommen werden, wie sie kommen werden; es geht sehr wohl um eine modale Konklusion. Aristoteles stellt diese explizit so dar, dass alles somit aus Notwendigkeit (ἐξ ἀνάγκης) geschehe bzw. ausbleibe. Nicht gesagt ist damit natürlich, dass das Argument auch erfolgreich ist (Aristoteles lehnt die Konklusion ab). Aber es gibt Rekonstruktionen, nach denen es keineswegs offensichtlich verfehlt ist (s. etwa Finch 2017; Jäger 2017). Keil hat die Darstellung des logischen Determinismus in weiteren Auflagen seines Buches etwas geändert (Keil 2017, S. 22). Und auch Doris Day schwankte offenbar in ihrer Beschreibung der Lage. Ein anderer ihrer Songs lautet jedenfalls Perhaps, Perhaps, Perhaps, und sie konzediert: »If you can’t make your mind up, we’ll never get started … Perhaps, perhaps, perhaps.« 27 Vgl. hierzu etwa ausführlich Weidemann (2014) sowie unseren Kommentar zu Concordia, 52.6, und die dort angegebene weitere Literatur. Für
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ihrer »absurden Konsequenzen« (18 b 26) ablehnt. Unter anderem wendet er ein, dass »wir … doch [sehen], daß es für das, was in Zukunft sein wird, sowohl in unseren Überlegungen als auch in unserem Handeln einen Ursprung [ἀρχή] gibt« (19 a 7–9).
Dieser Hinweis lässt sich als reductio verstehen: Wenn der logische Determinismus wahr wäre, wäre kein zukünftiges Geschehen und, weil alles Vergangene und alles Gegenwärtige einmal zukünftig war, auch kein gegenwärtiges oder vergangenes in einem hinreichend robusten Sinne auf unsere Überlegungen und unser Handeln zurückzuführen. Diese Konsequenz aber ist abwegig, denn wir sehen doch – es ist uns offensichtlich, evident, unmittelbar einsichtig –, dass es sich anders verhält. Also, schließt Aristoteles, ist der logische Determinismus falsch, und das vorgestellte Argument für ihn muss fehlerhaft sein. Ich werde in Abschnitt 4.7 in der Diskussion sogenannter harter und weicher Fakten über die Vergangenheit näher darauf eingehen, wo der Fehler liegen mag.28 An dieser Stelle sei zunächst festgehalten, dass bereits in Aristoteles’ Erörterung des logischen Determinismus mindestens die folgenden drei, auch von Molina behaupteten Thesen und Unterscheidungen anklingen. (i) Alternativen und Verantwortlichkeit: Aristoteles sagt, dass Handlungen und Überlegungen Ursprünge oder Anfänge von Geschehnissen sein können und geht davon aus, dass letztgenannte dann bis zum Zeitpunkt ihres Stattfindens nicht alternativlos sein dürfen. Oft heißt es in Freiheitsdiskussionen auch, dass ein Akteur, ggf. durch seine Überlegungen und Entscheidunneuere Diskussionen zum logischen Determinismus s. etwa Mackie (2003) und Finch (2017). Ich selbst rekonstruiere ein Argument für ihn in Jäger (2017). 28 Einer vom Text her naheliegenden, allerdings bis heute kontroversen Interpretation zufolge sieht Aristoteles selbst sich genötigt, die uneingeschränkte Gültigkeit des Bivalenzprinzips zu bestreiten.
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gen, nur dann Urheber eines Geschehens ist, wenn dieses zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht alternativlos ist. Beide Betrachtungsweisen greifen auf eine Form des Prinzips der alternativen Möglichkeiten zurück, das bereits in 2.2 kurz zur Sprache kam. In der hier relevanten Fassung besagt es, dass wir nur dann Wahl- oder Entscheidungsfreiheit haben, wenn der Weltverlauf zum Zeitpunkt der Entscheidung Alternativen zu ihr bzw. zu dem, was sie bewirken kann, zulässt. Ja, viele libertarische Freiheitstheoretiker meinen, dass andernfalls von ›Entscheidungen‹ und ›Handlungen‹ nicht sinnvoll die Rede sein kann und Handlungen qua Handlungen Entscheidungsfreiheit voraussetzen.29 Die oben in 2.2 angesprochene, vor allem im Anschluss an Harry Frankfurt (1969) vieldiskutierte Fassung des Prinzips lautet genauer, dass ein Akteur nur dann für eine Handlung oder ihre Konsequenzen moralisch verantwortlich ist, wenn er auch anders hätte handeln können. Auch dieser Aspekt mag bei Aristoteles bereits anklingen, wenn er als Beispiel das moralisch vermutlich nicht neutrale Führen einer Seeschlacht diskutiert. (Er mag dabei an die historische Seeschlacht bei Salamis gedacht haben.) Obwohl das Freiheitsproblem auch von intrinsisch-metaphysischem Interesse ist, ist es insbesondere seine Bedeutung für die Frage nach moralischer Verantwortlichkeit, die Philosophen von jeher umgetrieben hat. Auch Molina interessiert sich vor allem aus diesem Grund bzw. weil die Menschen selbst (und nicht etwa, per impossibile, Gott) für ihr Sündigen verantwortlich zu machen seien, für das Thema. Dies kommt etwa in 52.39 zum Ausdruck, wo er fragt, mit welchem Recht man Menschen für ihre Taten anklagen (incusare) könne. Insgesamt geht auch Molina von einem begrifflichen Zusammenhang zwischen Schuld oder Verdienst, moralischer Verantwortlichkeit, Zuschreib29
S. hierzu etwa neuerlich die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema von Helen Steward (2012). Steward verteidigt einen (auch für nichtmenschliche Akteure geltenden) »agency incompatibilism«: »it is agency itself … which is inconsistent with determinism« (S. 1).
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barkeit, Entscheidungsfreiheit und alternativen Möglichkeiten aus.30 (ii) Urheberschaft: Aus dem Gesagten geht bereits hervor, dass sich in Aristoteles’ Überlegungen zwei Thesen kreuzen. Die eine lautet, dass Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und moralische Verantwortung Alternativen verlangen. Nennen wir dies die Alternativenbedingung. Sie stellt eine klassische Forderung in kompatibilistischer Theorien der Willensfreiheit dar, die behaupten, dass die Freiheit einer Handlung oder Entscheidung nicht mit ihrer (Prä-)Determination vereinbar ist. Die zweite These ist die Urheberschaftsbedingung. In neueren Willensfreiheitsdiskussionen ist bisweilen argumentiert worden, dass die beiden Bedingungen logisch voneinander unabhängig sind. Entsprechend unterscheidet man heute manchmal zwischen sogenanntem (Entscheidungs-)Spielraum-Inkompatibilismus (leeway incompatibilism) und Urheberschafts-Inkompatibilismus (source incompatibilism).31 Bei näherem Hinsehen verschwimmt die Unterscheidung aller30
Vgl. hierzu auch eine Stelle in Molinas De Scientia Dei, disp. 4 (S. 213 f.), wo er schreibt: »Culpa enim non est, nisi dum est libertas« (»Es gibt nämlich keine Schuld, wenn es keine Freiheit gibt«). Ob es methodisch sinnvoll ist, das Freiheitsproblem mit der Frage nach moralischer Verantwortung zu verbinden, ist nicht unkontrovers. Neben John Martin Fischer in zahlreichen Arbeiten (s. etwa Fischer und Ravizza 2000 oder die Aufsätze in Fischer 2012 b) hat den Zusammenhang neuerlich z. B. Dana Nelkin (2011) ausführlich untersucht und verteidigt. Sie vertritt allerdings eine Asymmetriethese: Moralisch schlechtes freies Handeln erfordert Alternativen; gutes, auf guten Gründen beruhendes freies Handeln nicht. Kadri Vihvelin etwa hat neuerlich argumentiert (2013, S. 3), »that our commonsense view of ourselves as agents with free will, including the ability to do otherwise, can and should be discussed separately from our commonsense belief that we are morally responsible agents«. Gleichwohl gesteht sie (ebd.) zu: »Determinism threatens moral responsibility only by threatening to undermine free will.« Ausführlich untersucht sie den Zusammenhang in (2013), Kap. 4. 31 Vgl. hierzu etwa Timpe (2013), Kap. 2 und 9; Perebo0m (2014), Kap. 1. Keil (2017), Kap. 4, spricht in diesem Zusammenhang vom ›So-oder-Anders können‹ im Gegensatz zum ›Ursprungsmodell‹ inkompatibilistischer Freiheitstheorien.
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dings, denn die Standardszenarien, in denen ein Akteur keine Alternativen zu einer Handlung hat, sind gerade solche, in denen es determinierende Faktoren für sie gibt, die außerhalb seiner Kontrolle liegen und für ihn auch in der Vergangenheit stets unbeeinflussbar waren. Es sind solche Gegebenheiten, aufgrund deren Akteure einer hartnäckigen Intuition zufolge nicht oder nicht in einem hinreichend robusten Sinne als Urheber ihrer Handlungen und Entscheidungen gelten.32 (iii) Subjektive Freiheitsgewissheit: Drittens schließlich halten wir fest, dass schon Aristoteles es als eine unserer fundamentalsten introspektiven Gewissheiten ansieht, dass wir zumindest häufig die Urheber unserer Handlungen und, mittels ihrer, von weiteren Ereignissen in der Welt sind. Wir »sehen« doch, sagt er – es ist uns evident, unmittelbar einsichtig, intuitiv gewiss, so kann man paraphrasieren –, dass wir den Weltverlauf beeinflussen, indem wir uns für bestimmte Handlungen entscheiden und sie ausführen und andere unterlassen. Diese introspektive Ak teursgewissheit ist in der Willensfreiheitsdebatte von jeher oft hervorgehoben worden. »Ich fühle nichts so sicher und innerlich«, betont etwa auch Augustinus in De libero arbitrio, »wie daß ich einen Willen habe und daß ich mich durch ihn zum Genuß einer Sache bewege«.33 Manche Autoren sehen hierin eines der zen tralen Argumente für die Existenz von Willensfreiheit. T homas Reid schreibt:
32
Ein neuerer Autor, der unter Verweis auf Aristoteles beide Aspekte verbindet, ist Robert Kane. »If one or another form of determinism were true, it seems that it would not be (1) ›up to us‹ what we chose from an array of alternative possibilities, since only one alternative would be possible. And it seems that the (2) sources or origins of our actions would not be ›in us‹ but in something else (such as the decrees of fate, the foreordaining acts of God, or antecedent causes and laws of nature) outside us and beyond our control« (Kane 2005, S. 6). 33 »Non enim quicquam tam firme atque intime sentio quam me habere voluntatem eaque me moveri ad aliquid fruendum« (Augustinus, LAb III.i.3, S. 210/211).
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»This natural conviction of acting freely, which is acknowledged by many who hold the doctrine of necessity, ought to throw the whole burden of proof upon that side« (Reid, Essays, S. 344).
»The first of the positive reasons for belief in free will«, heißt es in jüngerer Zeit bei Daniel O’Connor, »is simply that everyone, whatever his theoretical views on the problem, seems conscious of an ineradicable conviction that he is in control of most of his actions« (O’Connor 1971, S. 17 f.). Im deutschen Sprachraum betont Peter Bieri die »unbezweifelbare Erfahrung der Freiheit« (Bieri 2001, S. 19 f.); Terry Horgan (2007) spricht von einer self-as-source-experience. Martine Nida-Rümelin schreibt: »[T]o experience oneself as active in one’s doing can be described … by saying that we experience ourselves as the cause or a cause of what happens« (Nida-Rümelin 2007, S. 262).
Ulrich Pothast sagt: »[Wir] haben … bei Handlungen, zu denen uns nichts offensichtlich zwingt, das kaum abzustreitende Erleben einer Aktivität, die von uns selbst ausgeht. Wir erleben uns dabei keineswegs bestimmt durch vorausliegende Bedingungen und Naturgesetze, sondern erleben uns als von uns aus tätig, im Gegensatz etwa zu einem Druck oder Stoß, den wir passiv erleiden. Dieses Tätigsein hat in unserem Erleben überdies eine Art Empfindungstönung, die es in charakteristischer Form als uns eigen darstellt. … Die seltenen Vorkommnisse, bei denen eine Person bewusst und willentlich etwas tut, aber solches Wollen und Tun wie fremde, ihr nicht zugehörige Ereignisse erlebt, rechnen wir dem Bereich des Krankhaften zu, etwa unter dem Titel ›Depersonalisation‹« (Pothast 2011, S. 13).
Sven Walter meint, es gebe zwar kein »wasserdichtes rein philosophisches Argument zugunsten unserer Freiheit«, die Freiheitsthese sei jedoch »tief in unserer Alltagserfahrung verankert« und
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es bestehe »[s]ubjektiv kaum ein Zweifel daran, dass wir zumindest manchmal aus der rationalen Abwägung von Gründen, Präferenzen, Werten usw. heraus unseren Willen ausbilden und ihn zumindest manchmal auch weitgehend hinderungsfrei umsetzen« (Walter 2016, S. 24). Auch Molina beruft sich auf eine solche subjektive Freiheitsgewissheit. In der Concordia 50.15 etwa heißt es, es gehöre zu Gottes Allmacht, Geschöpfe erschaffen zu können, die Entscheidungsfreiheit haben und Kontrolle über ihre Handlungen – wie wir durch Erfahrung in unserem eigensten Selbst feststellen (ut in nobismetipsis experientia ipsa deprehendimus; 50.15, S. 324). Die entscheidende Frage lautet, welche Beweiskraft solche Erfahrungen und Erlebnisse – Freiheitsgefühle, Urheberschaftsbewusstsein usw. – für die These haben, dass wir tatsächlich in einem Sinne frei sind, der uns insofern zu Urhebern macht, als wir einen Spielraum alternativer Möglichkeiten haben und es in einem robusten libertarischen Sinne von uns abhängt, welche davon realisiert werden. Subjektive Gewissheiten und Intuitionen, wie verbreitet sie auch sein mögen, sind zur Beantwortung dieser Frage nur begrenzt belastbar.34 Unsere Erfahrung scheint uns zu zeigen, dass die Erde still steht. Wer sagt uns, dass unsere subjektive Akteurs-Phänomenologie verlässlicher ist? Bis hierher ging es um den logischen Determinismus und das berühmte Argument für ihn in De int. 9, das auch für Molinas Diskussionen eine wichtige Rolle spielt. Anders als die unter (i) bis (iii) skizzierten Themen, die schon bei Aristoteles zur Sprache kommen, spielt freilich der logische Determinismus als ernstgemeinte These in heutigen Debatten eher eine untergeordnete Rolle; ja es ist fraglich, ob er je von einem bedeutenderen Philosophen ernsthaft vertreten worden ist.35 34
Das betont etwa auch Walter (2016), z. B. Kap. 8.2, 9.1.2 f. Eine der wenigen Ausnahmen ist Richard Taylor (1962). Für neuere Rekonstruktionen des logischen Fatalismus oder Determinismus s. etwa Mackie (2003); Finch (2017); oder meinen Vorschlag in Jäger (2017), wo ich 35
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3.2 Nomologischer Determinismus Am populärsten ist in heutigen Debatten eine Form von kausal-naturgesetzlichem Determinismus, die ich, terminologisch etwas vereinfachend, als nomologischen Determinismus bezeichnen werde.36 Der universale nomologische Determinismus besagt, dass die Naturgesetze zu jedem Zeitpunkt des Weltverlaufs für alles, was geschieht, nur genau eine physisch mögliche Zukunft zulassen. Partielle oder bereichsrelative nomologisch-deterministische Thesen behaupten lediglich, dass Ereignisse eines bestimmten Typs gesetzesmäßig determiniert sind. Für das Freiheitsproblem genügt die Annahme eines auf menschliche Handlungen und Entscheidungen und auf für sie relevante makroskopische Ereignisse bezogenen bereichsrelativen Determinismus. Da menschliche Handlungen zumindest immer auch makroskopische Ereignisse der natürlichen, physikalisch beschreibbaren Welt sind, droht mit einer solchen Annahme auch all unseren Handlungen zumindest in dieser Hinsicht Alternativlosigkeit.37 ihn mit einem Argument für den theologischen Determinismus vergleiche. Für einen hilfreichen Vergleich von strukturell ähnlichen Argumenten für logischen, theologischen und nomologischen Determinismus s. auch Byerly (2014). 36 Eine Vereinfachung ist dies deshalb, weil nicht alle nomologischen Beziehungen im engeren Sinne kausal-naturgesetzlicher Art sind: Wir sprechen auch von historischen, ökonomischen, soziologischen Gesetzen, usw. Reduktionistisch gesinnte Wissenschaftstheoretiker sind allerdings der Auffassung, dass sich solche vorderhand anderen Formen nomologischer Beziehungen auf naturwissenschaftliche Gesetze zurückführen lassen. Bisweilen ist in diesem Zusammenhang auch von ›physikalischem Determinismus‹ die Rede (etwa bei Kane 1998, S. 6), was dann angemessen ist, wenn alle deterministischen Naturgesetze sich ihrerseits auf physikalische Gesetze zurückführen lassen. 37 Zu den hier in Betracht kommenden makroskopischen Phänomenen gehören auch neurologische Ereignisse. Auf die in jüngerer Zeit vieldiskutierte These einiger Hirnforscher, dass diese determiniert seien und ihrer-
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Die metaphysische These des universalen Determinismus ist oft gekoppelt an die epistemologische These der prinzipiellen Prognostizierbarkeit allen Geschehens. Ein klassisches Diktum hierzu stammt von Pierre Simon de Laplace. »Wir müssen uns also den gegenwärtigen Zustand des Universums als die Wirkung seines früheren und als die Ursache dessen, der folgen wird, vorstellen«, schreibt er an einer vielzitierten Stelle seines Philosophischen Essays über die Wahrscheinlichkeiten und fährt fort: »Eine Intelligenz, die für einen gegebenen Augenblick alle die Natur belebenden Kräfte sowie die gegenseitige Lage der Dinge, die sie zusammensetzen, kennen würde, würde, wenn sie umfassend genug wäre, um dieses Gegebene der Analyse zu unterwerfen, in derselben Formel die Bewegungen der größten Weltkörper wie des leichtesten Atoms erfassen; nichts wäre ihr ungewiss, und das Kommende wie das Vergangene läge ihr offen vor Augen«.38
Menschen dagegen würde ein solches Wissen fehlen, auch wenn ein universaler naturkausaler Determinismus wahr wäre. Wir sind keine Laplace’schen Dämonen. Die Behauptung, dass, unabhängig davon, ob die Zukunft stets schon festliegt, zumindest uns menschlichen Wesen ein Wissen um sie fehlt, heißt episte mischer Indeterminismus.39 Einige Philosophen behaupten, dass seits menschliche Handlungen determinieren, gehe ich in dieser Einleitung nicht ein. S. hierzu aber z. B. kritisch Beckermann (2008) und Walter (2016). 38 »Nous devons donc envisager l’état présent de l’univers, comme l’effet de son état antérieur, et comme la cause de celui qui va suivre. Une intelligence qui, pour un instant donné, connaîtrait toutes les forces dont la nature est animée, et la situation respective des êtres qui la composent, si d’ailleurs elle était assez vaste pour soumettre ces données à l’analyse, embrasserait dans la même formule les mouvemens des plus grands corps de l’univers et ceux du plus léger atome: rien ne serait incertain pour elle, et l’avenir comme le passé, serait présent à ses yeux« (Laplace 1814, S. 5 f.). 39 Tatsächlich sind auch hier die Verhältnisse im Einzelnen kompli-
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ein solcher epistemischer Indeterminismus ausreiche, um uns Willensfreiheit zuzuschreiben. Wittgenstein beispielsweise sagt im Tractatus: »Die Willensfreiheit besteht darin, dass zukünftige Handlungen jetzt nicht gewußt werden können« (Wittgenstein, Tractatus, 5.1362; vgl. auch seine Tagebuchnotiz vom 27. 04. 1915).
Ein solcher, lediglich auf unsere faktischen Erkenntnismöglichkeiten (zu bestimmten Zeitpunkten) bezogener ›Indeterminismus‹ ist mit den Thesen eines logischen, nomologischen oder theologischen Determinismus vereinbar, sofern man diese als metaphysische Behauptungen versteht. Im Folgenden beziehe ich die Ausdrücke ›Determinismus‹ und ›Indeterminismus‹ stets auf metaphysische Thesen über die Verfassung unserer Wirklichkeit und nicht auf Annahmen über unseren epistemischen Zugang zur Welt. Neben der behaupteten begrifflichen Verschränkung von Determinismus und prinzipieller Prognostizierbarkeit ist im Hinblick auf Laplaces Überlegungen auf drei weitere Aspekte hinzuweisen. (i) Zum einen betont er zu Recht, dass der nomologische Determinismus eine temporal symmetrische These ist: Nicht nur lässt sich aus einer Konjunktion, bestehend aus einer vollständigen Beschreibung des Universums zu einem gegebenen Zeitpunkt und aller Naturgesetze, jede Beschreibung eines beliebigen zukünftigen Zustands des Universums ableiten; Analoges gilt auch für gegenwärtige und vergangene Weltzustände. Das aber heißt, dass, mit van Inwagen (1983, S. 65) gesprochen, in einer deterministischen Welt auch die Zukunft genau eine Vergangenheit determiniert. Nun glauben wir jedoch nicht, zierter, weil beispielsweise die mathematische Chaos-Theorie so gedeutet werden kann, dass ihr zufolge deterministische dynamische Systeme in verschiedenen Hinsichten prinzipiell nicht voraussagbare Zustände erreichen. S. hierzu etwa den Überblick von Werndl (2017).
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dass Determination durch Zukünftiges unsere Freiheit gefährdet, und hieraus ergibt sich eine wichtige Präzisierung der Rolle von Determination für die Freiheitsfrage: Nicht Determination im Allgemeinen, sondern Determination durch Faktoren, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, konstituieren ein Freiheitsproblem.40 (ii) Zumindest irreführend ist hingegen die Laplace’sche Assoziation von Ursache-Wirkungs-Beziehungen im Allgemeinen bzw. die Assoziation eines universalen Kausalprinzips mit deterministischen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Nicht jede Kausalbeziehung ist deterministisch; nicht-determinierte Ereignisse müssen nicht unverursacht sein. Hier und im Folgenden soll sich die Rede von ›Verursachung‹, ›Ursache‹ usw. nicht ausschließlich auf deterministische Kausalverhältnisse beziehen. Dies entspricht auch Molinas weitem Verständnis von causa. Gott etwa ist laut Molina causa prima allen weltlichen Geschehens, obwohl er wesentliche Teile dieses Geschehens keineswegs alternativlos festlegt, sondern die freie Mitwirkung von handelnden kreatürlichen Zweitursachen zulässt bzw. sogar fordert. Gott ist Molina zufolge auch nach dem Schöpfungsakt stets weiterhin als allgemeine Ursache (causa generalis) am Weltgeschehen beteiligt, und insofern es auch dann noch u. a. von ihm abhängt, welche Wirkungen überhaupt stattfinden können, kann er auch als causa necessaria bezeichnet werden. Dies trifft auf ihn jedoch nur im Sinne einer notwendigen und nicht hinreichenden kausalen Ursache oder Bedingung für menschliches Handeln und Entscheiden zu. Für Details zu diesem Thema vgl. unseren ausführlichen Kommentar zu 52.2. (iii) Bisher war von universalem naturgesetzlichem Determinismus die Rede. Vor allem seit der Entdeckung der Quantenmechanik gilt diese These allerdings als unhaltbar. Zustands änderungen subatomarer Systeme erfolgen, jedenfalls der sogenannten Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik 40
Vgl. hierzu etwa neuerlich Satorio (2016), S. 2.
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zufolge, auf indeterministische Weise. Der übliche Hinweis in diesem Zusammenhang lautete lange, dass diese Tatsache am Willensfreiheitsproblem wenig ändere, weil solche Indeterminismen sich nicht von der Mikroebene, auf der sie auftreten, auf die Makroebene von Handlungen und den für sie verantwortlichen psychischen Zuständen übertragen (vgl. etwa Dennett 1984, S. 77; Honderich 1988; oder im deutschen Sprachraum neuerlich Walter 2016, Kap. 1.4). Quantensprünge, so die These, machen nicht frei! Als Konsequenz hieraus sind viele deterministisch gesinnte Autoren auf einen universalen Makrodeterminismus ausgewichen, der besagt, dass jedenfalls alle makrophysikalischen Ereignisse determiniert sind. Tatsächlich gibt es jedoch empirische Evidenzen dafür, dass sich mikrophysikalische Indetermination sehr wohl auf der Ebene makroskopischer Systeme fortsetzt. Mit Hilfe sogenannter Quantum Random Generators etwa lassen sich zufällige Zahlenabfolgen erzeugen, deren Genese auf quantenmechanischer Indetermination beruht.41 Wenn dem so ist, dann lässt sich auch ein universaler Makrodeterminismus nicht aufrechterhalten. Dieses Thema kann im vorliegenden Rahmen nicht vertieft werden, weshalb die Möglichkeit der Existenz eines gemischt deterministischen und indeterministischen Universums explizit eingeräumt sei. Die Rede von ›Determinismus‹ beziehe sich dabei von nun an, sofern nicht anders vermerkt, auf einen Bereichsdeterminismus, der die deterministische These auf menschliche Handlungen und Entscheidungen und die für ihre Entstehung relevanten Faktoren anwendet.
41
Vgl. etwa Haw et al. (2015), Sanguinetti et al. (2014).
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3.3 Kompatibilismus und Inkompatibilismus, Libertarismus, Freiheitsskeptizismus Die beiden Bedingungen der Urheberschaft und der alternativen Möglichkeiten sind traditionelle Merkmale – ggf. von zwei Formen – inkompatibilistischer Freiheitstheorien. Inkompatibilisten leugnen, dass die Existenz von Willens- oder Entscheidungsfreiheit mit einer (Prä-)Determination der betreffenden Entscheidungen und Handlungen jedenfalls durch Quellen »außerhalb« des Akteurs vereinbar ist. Wer die Vereinbarkeit einräumt, ist ein freiheitstheoretischer Kompatibilist. Inkompatibilisten, die zudem behaupten, dass Freiheit existiert (und also leugnen, dass menschliche Handlungen und Entscheidungen determiniert sind), heißen Libertarier. Molina ist Libertarier.42 Aus den obigen Charakterisierungen geht schon hervor, dass die Inkompatibilitätsthese für sich genommen nichts über die Wahrheit deterministischer oder indeterministischer Thesen besagt. Sie umfasst z. B. auch den sogenannten harten Determinis mus, der deterministische Thesen akzeptiert, aber die Existenz von Freiheit (die relevant ist für moralische Verantwortlichkeit) leugnet. Ferner sind viele Inkompatibilisten freiheitstheoreti42
Die Details libertarischer Freiheitstheorien variieren. Einige Autoren argumentieren, dass für eine im libertarischen Sinne freie Handlung oder Entscheidung gelten muss, dass es nichts gibt, was sie kausal oder auf andere Weise determiniert. Insbesondere solche Libertarier, die die Urheberschaftsbedingung in den Vordergrund rücken, betonen dagegen, es müsse lediglich gelten, dass nichts außerhalb des Akteurs die Handlung determiniert. Eleonore Stump beispielsweise rekonstruiert die Auffassung von Thomas von Aquin sympathisierend mit den Worten: »We can reformulate the characterization of libertarianism in this way: (L’) an act is free if and only if the ultimate cause of that act is the agent’s own will and intellect« (Stump 2003, S. 304). Eine Konsequenz dieser Form von Libertarismus ist, dass er das Vorliegen alternativer Möglichkeiten zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu einer notwendigen Freiheitsbedingung erhebt. Molina scheint sich dem Prinzip der alternativen Möglichkeiten dagegen uneingeschränkt zu verpflichten.
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sche Agnostizisten, d. h. sie enthalten sich des Urteils über die Wahrheit deterministischer oder indeterministischer Thesen. Als ›freiheitstheoretische Skeptizisten‹ bezeichnet man oft all diejenigen, die leugnen oder bezweifeln, dass es Freiheit gibt.43 Ich schlage vor, den Titel hier speziell für solche Positionen zu reservieren, die behaupten, die Existenz von Freiheit sei unmöglich, weil sie weder mit Determinismus noch mit Indeterminismus kompatibel sei (und es kein Drittes gebe). Die folgende Übersicht fasst die sechs wichtigsten inkompatibilistischen Positionen, die sich aus diesen Unterscheidungen ergeben, zusammen44: Positionen bezüglich deterministischer und indeterministischer Auffassungen von menschlichen Handlungen und Entscheidungen
inkompatibilistische Positionen gemeinsame These: Freiheit und Determinismus sind unvereinbar (1) klassischer harter Determinismus Der Determinismus ist wahr, also gibt es keine Willensfreiheit; wenn hingegen der Indeterminismus wahr wäre, gäbe es Freiheit.
Determinismus Alle menschlichen Handlungen und (2) freiheitsskeptischer harter Entscheidungen sind determiniert. Determinismus Der Determinismus ist wahr, also gibt es keine Willensfreiheit; doch wenn der Indeterminismus wahr wäre, gäbe es sie ebenfalls nicht. 43
S. hierzu etwa den neueren Überblick von Perebo0m (2017) oder Campbells Diskussionen in Campbell (2011). Einflussreiche Freiheitsskeptizisten sind außer Pereb0om auch Galen Strawson (Strawson 1986, 1994) und Saul Smilansky (2000). Smilansky schlägt einen Illusionismus vor, der besagt, wir sollten eher unter der Illusion eines freien Willens zu leben versuchen als unter dem bewussten Eindruck eines radikalen Freiheitsskeptizismus. 44 Dies ist eine leicht modifizierte Fassung der Übersicht in Jäger (2013 b).
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Indeterminismus Der Determinismus ist falsch.
Agnostizismus Ob der Determinismus oder der Indeterminismus wahr ist, wissen wir nicht.
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(3) Libertarismus Menschliche Handlungen und Ent scheidungen sind indeterminiert, daher gibt es Willensfreiheit; wenn hingegen der Determinismus wahr wäre, gäbe es sie nicht. (4) freiheitsskeptischer harter Indeterminismus Der Indeterminismus ist wahr, also gibt es keine Willensfreiheit; doch wenn der Determinismus wahr wäre, gäbe es sie ebenfalls nicht. (5) klassischer agnostischer Inkompatibilismus Ob der Determinismus oder der In determinismus wahr ist, wissen wir nicht. Wenn jedoch der Determinis mus wahr ist, gibt es keine Willens freiheit; wenn der Indeterminismus wahr ist, existiert sie. (6) freiheitsskeptischer agnostischer Inkompatibilismus Ob der Determinismus oder der In determinismus wahr ist, wissen wir nicht. Doch weder wenn der Deter minismus noch wenn der Indetermi nismus wahr ist, existiert Willens freiheit.
Tabelle 1: Varianten des Inkompatibilismus
Molina vertritt zum einen, was man als universalen Inkompatibi lismus bezeichnen kann, d. h. er argumentiert, dass sowohl logischer als auch kausaler als auch (ein noch näher zu erläuternder) theologischer Determinismus menschliche Willensfreiheit ausschließen. Überdies bekennt er sich zu einem Libertarismus.
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Insbesondere geht es ihm darum zu zeigen, wie Willens- oder Entscheidungsfreiheit mit einem theologisch und philosophisch akzeptablen Begriff göttlicher Vorsehung und göttlichen Vorherwissens vereinbar sind. Er lehnt, zumindest dem Buchstaben nach, jede Form von theologischem Determinismus ab. Obwohl Molina dies, soweit ich sehe, nirgends explizit ausführt, dürfte er kompatibilistische Theorien der Willensfreiheit deshalb ablehnen, weil, wenn sie wahr wären, Gott eine Welt hätte aktualisieren können, in der alle Menschen kausal oder auf andere Weise dazu prädeterminiert sind, aus freien Stücken niemals moralisch suboptimal zu handeln. Wenn Freiheit mit (Prä-) Determination vereinbar wäre, würde ja die Alternativlosigkeit einer Handlung ihre Freiheit nicht zerstören. Menschliche Freiheit, argumentiert der Theist typischerweise, ist ein hohes Gut, ein Gut, für das Gott guten Grund hatte, es in der Welt zu aktualisieren. Leider, so stellen wir fest, missbrauchen die Menschen dieses Gut oft und handeln immer wieder moralisch schlecht; ja, sie verüben die entsetzlichsten, unvorstellbarsten Verbrechen. Wenn, wie Kompatibilisten behaupten, Freiheit mit Determination vereinbar ist, warum hat Gott dann keine Welt aktualisiert, in der er alle Menschen dazu determiniert oder prädeterminiert hat, stets aus freien Stücken nur Gutes zu tun? Theisten, die freiheitstheoretische Kompatibilisten sind, geraten in ein fundamentales Theodizeeproblem. Wenn Gott eine solche Welt hätte aktualisieren können, ohne damit das hohe Gut menschlicher Freiheit zu opfern, warum hat er es dann nicht getan? Aus diesem Grund sind klassische Theisten typischerweise Inkompatibilisten und argumentieren im Rahmen eine Willensfreiheitstheodizee, dass Gott mit der Realisierung menschlicher Willensfreiheit deren Missbrauch riskieren musste, dass dieser Missbrauch in der Welt geschieht, doch dass die moralischen Übel nicht Gott, sondern den menschlichen Akteuren, die Böses tun und sündigen, anzulasten sind.45 Die zentrale philosophisch-theologi45
Für ausführlichere Überlegungen hierzu s. neuerlich etwa Jerry Walls
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sche Aufgabe besteht für Molina (und allgemein für theistische Freiheitstheoretiker) angesichts dieser Dialektik darin, trotz der Ablehnung eines theologischen Determinismus die traditionelle Lehre von universaler göttlicher Vorsehung und Allwissenheit zu bewahren.
4. Das Problem des theologischen Determinismus 4.1 Jakobs List und ein theologisches Konsequenzargument Der theologische Determinismus ist die These, dass Gott der hinreichende Grund alles Geschöpflichen ist.46 Sie impliziert, dass universale und unfehlbar wirksame göttliche Vorsehung bzw. das damit verbundene unfehlbare göttliche Vorherwissen die Alternativlosigkeit menschlichen Verhaltens zur Folge haben und daher mit menschlicher Freiheit unvereinbar sind. In diesem Abschnitt gehe ich auf einige der wichtigsten historischen Stationen in der Debatte um göttlichen Plan und menschliche Freiheit ein. Sie bilden die Folie für die in Abschnitt 5 folgenden Erläuterungen der Kernideen Molinas. Einer der frühesten Hinweise auf das Problem des theologischen Determinismus (und mit ihm womöglich verflochtene (2016) oder Timothy O’Connor (2016), der den Inkompatibilismus bzw. Libertarismus in bezug auf Willensfreiheit und moralische Verantwortlichkeit einen »near consensus« unter Theisten nennt (S. 133). Für einen kompatibilistischen Theismus argumentiert dagegen Pereboom (2001), (2011), (2014). Laura Ekstrom (2016) fragt kritisch, ob das Gut des freien menschlichen Willens das Risiko und dann die Qualität und Quantität des tatsächlichen Leids und Übels auf der Welt rechtfertigt. 46 Eine ähnliche Charakterisierung schlägt beispielsweise Pereboom (2011), S. 262, vor. Pereboom (2005) führt aus, viele christliche Theologen und Philosophen, darunter Augustinus, Luther, Calvin, Descartes und Leibniz seien theologische Deterministen gewesen.
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Theodizeeprobleme) findet sich schon bei Sophokles (497/496– 406/405 v. Chr.). In Ödipus auf Kolonos (960–999) lässt er seinen berühmten Protagonisten fragen, ob man ihm eigentlich gerechterweise Schuld zusprechen könne, wo doch sein Schicksal von den Göttern geführt war und er Vatermord und Inzest weder wissentlich noch willentlich beging. Die erste große Philosophenschule indessen, die systematisch ein deterministisches Weltbild vertrat, war die Stoa, und auch ihr Fatalismus beruft sich bereits auf Providenz und göttliche Weltenlenkung. Der Peripatetiker Alexander von Aphrodisias etwa (geb. Anfang der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr.) berichtet in einer groß angelegten Kritik an den Stoikern von der Behauptung »jener Deterministen«, dass, wenn die Götter Vorauswissen von zukünftigen Dingen haben, alles mit Notwendigkeit geschieht. Dabei ist anzumerken, dass etwa Chrysipp (281/276–208/204 v. Chr.), berühmtester Vertreter der Alten Stoa, trotz seiner fatalistischen Thesen menschliche Zurechenbarkeit und Verantwortlichkeit nachdrücklich zu retten versuchte. (Vgl. ausführlicher hierzu unseren Kommentar zu 52.39.) In der semitisch-christlichen Tradition reichen die Reflexionen über das Problem zurück bis ins Alte Testament. Erinnern wir uns an die Geschichte von Jakob und Esau: Noch während ihrer Schwangerschaft spürt Rebekka, wie sich die Zwillingsbrüder schon im Mutterleib zanken. Jahwe offenbart ihr daraufhin, dass sich zwei Völker in ihrem Leib befänden und der ältere Sohn dem jüngeren dienen werde. So sollte es kommen. Als eines Tages der erstgeborene Esau hungrig von der Jagd heimkehrt, erkauft der zweitgeborene, Jakob (der »Fersenhalter«), von ihm für ein Linsengericht die Erstgeborenenrechte und erschleicht, als Esau verkleidet, vom greisen und schon blinden Vater Isaak auch den Vatersegen (Gen 25–27). Jakob wird zum Stammvater Israels, und sein Geschick und dasjenige Esaus waren, wie es scheint, gänzlich von Gott vorbestimmt. Schon Paulus bemerkt hierzu im Römerbrief (Röm 9, 11–13), dass beide weder Gutes noch Böses getan haben konnten, als
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Gott schon vor ihrer Geburt Jakob erwählte. Und Paulus legt die Frage nahe, ob die beiden frei in ihren Entscheidungen waren und verantwortlich für das, was sie taten. Seine Überlegung lässt sich wie folgt rekonstruieren (s. Jäger 2013 b): Ein theologisches Konsequenzargument (1) Niemand (kein menschliches Wesen) hatte oder hat irgendwann eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass Gott schon vor der Geburt von Jakob und Esau vorherbestimmte und entsprechend vorhersah, dass Jakob der für den Stamm Israel Auserwählte sei. (2) Niemand hat oder hatte je eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass, wenn Gott dies so vorherbestimmte und vorhersah, es so geschehen sollte. (3) Also hat oder hatte auch niemand – einschließlich Jakobs oder Esaus selbst, Rebekkas, Isaaks oder etwaiger anderer Beteiligter – je eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass Jakob jene ihm zugedachte Rolle übernehmen würde. Diese Überlegung ist auf beliebige Gegenstände göttlicher Vorherbestimmung und göttlichen Vorherwissens übertragbar. Sie ist die Instanz eines theologischen Konsequenzarguments, denn sie verläuft strukturell analog zu jener berühmten Überlegung für einen nomologischen Inkompatibilismus, die Peter van Inwagen ›Konsequenzargument‹ getauft hat.47 Dessen Grundüberlegung lautet, vereinfacht dargestellt, wie folgt. P0 beschreibe einen Zustand des Universums in ferner, prähumaner Vergangenheit. 47
S. vor allem van Inwagens berühmten Essay on Free Will (1983). Im deutschen Sprachraum sind die Diskussionen des Arguments vergleichsweise knapp. Vgl. jedoch die Abrisse in Guckes (2003); Pauen (2004); Lohmar (2005); Keil (2017); Schälike (2010); Walter (2016); sowie neuerlich ausführlicher Tewes (2017), S. 60–71. S. auch meine ausführlichere Diskussion verschiedener Fassungen des Arguments in Jäger (2013 b) und die dort angegebene weitere Literatur.
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Angenommen, der (kausal-)nomologische Determinismus sei wahr. Dann gilt: Ein nomologisches Konsequenzargument (1) Niemand (kein menschliches Wesen) hatte oder hat irgendwann eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass die aktualen Naturgesetze herrschen und P0 vorlag. (2) Niemand hat oder hatte jemals eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass, wenn die aktualen Naturgesetze herrschen und P0 vorlag, jedes von P0 aus gesehen spätere Geschehen – einschließlich sämtlicher menschlicher Handlungen und Entscheidungen – genau so stattfindet, wie es stattfindet. (3) Also hat oder hatte auch niemand je eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass jedes von P0 aus gesehen spätere Geschehen – einschließlich sämtlicher menschlicher Handlungen und Entscheidungen – genau so stattfindet, wie es stattfindet. Nomologische und theologische Konsequenzargumente betrachten jeweils unterschiedliche handlungsdeterminierende Faktoren. Beide Formen verwenden jedoch ein Transfer- oder Geschlossenheitsprinzip, dem zufolge sich eine bestimmte Art von Unausweichlichkeit – mangelnde Wahlfreiheit, fehlende Kon trolle – in Bezug auf einen Sachverhalt auf dessen Konsequenzen überträgt. Wenn dieses Transferprinzip für die betreffenden Modalitäten korrekt ist (was kontrovers ist), sind die in den obigen Überlegungen verwendeten Schlüsse gültig. Ob die Argumente auch stichhaltig sind, hängt dann davon ab, ob auch ihre Prämissen wahr sind. Im Anschluss an van Inwagen (s. etwa 1983, S. 94) hat sich für das betreffende Transfer- oder Schlussprinzip der Name ›Regel Beta‹ eingebürgert:
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Regel β Wenn p der Fall ist und niemand je eine Wahl in Bezug auf p hat oder hatte; und p q impliziert, und niemand je eine Wahl in Bezug auf diese Tatsache hat oder je hatte; dann hat oder hatte auch niemand je eine Wahl in Bezug auf q. Np, N(p ⊃ q) |– Nq. Diese Regel erscheint sehr plausibel. Wenn niemand eine Wahl in Bezug darauf hat oder je hatte, dass gegen Ende der Kreidezeit ein großer Meteorit auf der Erde einschlug, und niemand eine Wahl in Bezug darauf hat oder je hatte, dass als Konsequenz dieses Ereignisses und der herrschenden Naturgesetze die letzten Dinosaurier ausstarben, dann, so scheint es, hat und hatte offenbar auch niemand je eine Wahl in Bezug auf dieses letztgenannte Geschehen. Wenn ich keine Wahl in Bezug darauf habe oder je hatte, dass in zehn Milliarden Jahren der Wasserstoff der Sonne zur Neige gehen wird, und keine Wahl in Bezug darauf, dass als Konsequenz dieses Ereignisses alles Leben in unserem Sonnensystem erlöschen wird, dann, so scheint es, habe ich auch keine Wahl in Bezug auf dieses letztgenannte Geschehen. Wie wir weiter unten sehen werden, verwenden bestimmte klassische Argumente für einen theologischen Determinismus bevorzugt Regeln, in denen in der zweiten Bedingung statt von Wahlfreiheit von logischer Notwendigkeit (oder strikter Implikation) die Rede ist. D. h., es werden auch Regeln und entsprechende Argumenttypen der Form Np, □(p ⊃ q) |– Nq verwendet.48 Fragen wir jedoch zunächst, ob sich ein zu den obigen Über 48
In Jäger (2010) und (2011 a) argumentiere ich, dass Molina eine bestimmte Transferregel vom Typ Regel β ablehnt, um bestimmte Argumente für den theologischen Determinismus zu blockieren, und dass dies sowohl sachlich korrekt als auch für ihn kohärent ist. Brüntrup und Schneider (2011) argumentieren, dass Molina die betreffende Regel als Libertarier nicht kohärenterweise ablehnen kann. Dass Brüntrups und Schneiders Überlegungen gegen Molina und gegen mein Argument verfehlt sind, zeige ich in Jäger (2011 b). S. zu dem Thema auch unten das Kapitel 4.5 zu Thomas und unseren Kommentar zur Concordia, 52.3.
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legungen analoges Konsequenzargument auch für den logischen Determinismus formulieren lässt. Angenommen, heute findet eine Seeschlacht statt. Dann gilt der von Aristoteles in De int. 9 diskutierten Überlegung zufolge, dass es gestern bereits wahr war, dass heute eine Seeschlacht stattfinden würde. Entsprechend könnte ein Verfechter des logischen Determinismus wie folgt räsonieren: Ein (verfehltes) Argument für den logischen Determinismus (1) Es war gestern bereits wahr, dass heute eine Seeschlacht stattfinden würde. (2) Niemand hat oder hatte je eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass, wenn (1) der Fall war, heute eine Seeschlacht stattfindet. (3) Also hatte und hat auch niemand je eine Wahl (Entscheidungsfreiheit, Kontrolle) in Bezug darauf, dass heute eine Seeschlacht stattfindet. Doch es gibt mehr als eine Schwierigkeit mit dieser Überlegung. Zunächst ist fragwürdig, ob es sinnvoll ist, Propositionen oder Aussagen Wahrheitswerte-zu-Zeitpunkten zuzuschreiben. Eine genauere Auseinandersetzung mit der Semantik und Ontologie von Propositionen zeigt m. E., dass dies zu verneinen ist, doch eine Vertiefung dieser Frage muss hier aus Raumgründen unterbleiben. Hingewiesen sei aber auch auf ein anderes Problem: Das obige Argument greift nicht auf die – zumindest intuitiv sehr plausible – Regel β zurück, sondern bedient sich der Regel: Regel # Wenn p (der Fall ist); und p q impliziert und niemand je eine Wahl in Bezug auf diese Tatsache hat oder je hatte; dann hat oder hatte auch niemand je eine Wahl in Bezug auf q. p, N(p ⊃ q) |– Nq. Doch warum sollte man diese Regel akzeptieren? Analoge modale Prinzipien, in denen der N-Operator statt im Sinne von van
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Inwagens mangelnder Wahlfreiheit im Sinne logischer Not wendigkeiten gedeutet wird – p, □(p ⊃ q) |– □q –, sind in allen sogenannten normalen Modalsystemen, in denen stattdessen: □p, □(p ⊃ q) |– □q gilt, ungültig. Und auch intuitiv scheint klar zu sein, dass daraus, dass etwa (i) gestern etwas schlicht der Fall war und (ii) niemand eine Wahl in Bezug darauf hat oder je hatte, dass, wenn dem so ist, heute etwas Bestimmtes geschieht (man denke an das Seeschlachtbeispiel), nicht folgt, dass (iii) niemand einen Einfluss auf das, was heute geschieht, hat oder je hatte. Immerhin könnte jemand für das betreffende gestrige Geschehen verantwortlich zeichnen und somit selbst dann, wenn damit etwas, das heute geschieht, unausweichlich wurde, auch für das betreffende heutige Geschehen verantwortlich sein. Konsequenzargumente der skizzierten Form sind gute Argumente für einen nomologischen und einen theologischen, nicht jedoch für einen logischen Freiheitsinkompatibilismus oder einen logischen Fatalismus.
4.2 Augustinus Die erste große systematische Auseinandersetzung mit dem Problem des theologischen Determinismus stammt von Augustinus. In einer berühmten Passage in De libero arbitrio formuliert er es wie folgt: »Denn sicher bewegt es dich und du wunderst dich darüber, wieso es nicht entgegengesetzt und widerspruchsvoll ist, daß Gott alles Zukünftige vorherweiß und wir dennoch nicht mit Notwendigkeit, sondern durch den Willen sündigen. Du sagst nämlich, wenn Gott vorherweiß, daß der Mensch sündigen wird, ist es notwendig, daß er sündigt; wenn es aber notwendig ist, dann beruht das Sündigen nicht auf der Entscheidung des Willens, sondern eher auf der unausweichlichen und feststehenden Notwendigkeit. Du befürchtest offensichtlich, durch diese Schlussfolgerung ergebe sich, daß
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entweder das göttliche Vorherwissen alles Zukünftigen frevelhaft geleugnet werde, oder, wenn wir es nicht leugnen können, daß wir zugeben, daß nicht durch den Willen, sondern mit Notwendigkeit gesündigt werde«.49
Diese Überlegung lässt sich wie folgt rekonstruieren: Augustinus’ Argument in De libero arbitrio (1) Gott kennt alles Geschehen im Voraus. (2) Die Menschen sündigen. (3) Also wusste Gott im Voraus, dass die Menschen sündigen würden. (4) Was Gott vorherweiß, geschieht notwendigerweise. (5) Also sündigen die Menschen notwendigerweise. (6) Wenn die Menschen notwendigerweise sündigen, sündigen sie nicht aufgrund ihrer eigenen Willensentscheidung. (7) Also sündigen die Menschen nicht aufgrund ihrer eigenen Willensentscheidung.50 Diese Konklusion jedoch, meint Augustinus, muss verworfen werden. Denn »jeder Böse ist Urheber seiner bösen Tat« (»quisque malus sui malefacti auctor est«), und böse Taten würden 49
»Certe enim hoc te movet et hoc miraris, quo modo non sint contraria et repugnantia, ut et deus praescius sit omnium futurorum et nos non necessitate, sed voluntate peccemus. Si enim praescius est deus, inquis, peccaturum esse hominem, necesse est ut peccet; si autem necesse est, non ergo est in peccando voluntatis arbitrium, sed potius inevitabilis et fixa necessitas. Qua ratiocinatione hoc videlicet ne conficiatur times, ut aut deus futurorum omnium praescius impie negetur aut, si hoc negare non possumus, fateamur non voluntate sed necessitate peccari« (Augustinus, LAb III. iii.6, S. 214/215; die Übersetzung folgt derjenigen Brachtendorfs in der im Literaturverzeichnis angegebenen Ausgabe). 50 Eine ähnliche Rekonstruktion schlägt William Rowe (1964) in seinem klassischen Augustinus-Aufsatz vor. Rowe spricht indessen nicht von Willensentscheidungen, sondern von einem »Menschen, der einen freien Willen hat«.
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nicht von Gott geahndet, wenn sie nicht willentlich geschähen (LAb I.i.1, S. 74/75). Demnach gilt: (8) Wenn ein Tun nicht aufgrund eigener Willensentscheidung geschieht, ist es kein Sündigen. Aus (8) und (7) aber ergibt sich die widersprüchliche Konklusion, dass: (9) Die Menschen sündigen, ohne zu sündigen. Die Überlegung formuliert somit ein Dilemma: Da die in ihr gezogenen Schlüsse gültig sind, müsste man, wenn man die nicht zu bestreitende Prämisse (8) sowie zusätzlich die prima facie plausiblen Prämissen (4) und (6) akzeptiert, mindestens eine der Thesen (1) oder (2) aufgeben. Beide Optionen erscheinen jedoch aus theologischen Gründen ausgeschlossen. Augustinus präsentiert nun eine Reihe von direkten und indirekten Gegenargumenten gegen das so entfaltete Problem, wobei etwas unklar bleibt, ob er es am Ende aufgrund einer Ablehnung von (4) oder von (6) oder von (4) und (6) verwirft. Klar ist, dass sowohl These (1) als auch These (2) gerettet werden sollen. (i) Das erste Gegenargument ist das des intrapersonalen göttlichen Vorherwissens. Es richtet sich gegen Prämisse (4) und lautet, dass, wenn Gott menschliche Handlungen vorherweiß, er auch seine eigenen Taten und zukünftigen Handlungen vorherweiß. Hieraus aber ergibt sich mit (4), dass auch das, was Gott selbst tun wird, »nicht durch den Willen, sondern mit Notwendigkeit geschehen wird«51. Dieser Hinweis lässt sich im Sinne der folgenden reductio verstehen: Wenn alles, was Gott vorherweiß, notwendigerweise geschieht, und Gott, da er menschliche Entscheidungen vorherweiß, (erst recht?) auch seine eigenen 51
»… etiam ipsum quaecumque facturus est non voluntate sed necessitate facturum« (Augustinus, LAb III.iii.6, S. 214–216/215–217).
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Entscheidungen vorherweiß, dann müsste er auch seine eigenen Entscheidungen notwendigerweise treffen. Doch diese Konsequenz ist theologisch abwegig. Also ist, sofern man den Rest der Überlegung akzeptiert, die Annahme falsch, dass alles, was Gott weiß, notwendigerweise geschieht; Prämisse (4) ist abzulehnen. (ii) Das Argument aus der allgemeinen Natur von Vorherwissen: Augustinus widerlegt (in LAb III.iv.9) des weiteren Evodius’ These, dass göttliches Vorherwissen die Freiheit menschlicher Entscheidungen deshalb bedroht, weil es sich um göttliches Vorherwissen handelt. Das Vorhergewusste geschieht nämlich »nicht deshalb notwendigerweise, weil es Gottes Vorherwissen ist, sondern lediglich, weil es Vorherwissen ist, das eben keines wäre, wenn es nicht Sicheres vorherwüßte.«52 Indessen würde auch ein Mensch, der etwa die zukünftige Sünde eines anderen vorhersähe, diesen damit nicht zum Sündigen zwingen (cogere). Folglich zwinge auch göttliches Vorherwissen niemanden zur Sünde. Man kann diese Überlegung als gegen (4) gerichtet lesen; doch da Augustinus erzwungenes Handeln mit freiem kontrastiert und Handeln aufgrund eigener Willensentscheidung als per se frei ansieht, dürfte sie sich eher gegen (6) richten. (iii) Gott richtet nicht über sich selbst: Drittens fragt Augustinus rhetorisch, warum »der Gerechte« Handlungen nicht bestrafen sollte, die er durch sein Vorherwissen keineswegs erzwingt.53 Hier klingt eine weitere reductio an: Gott ist ein »gerechter Strafender« (iustus ultor), der die Urheber schlechter T aten bestraft. Wäre sein Vorherwissen die Ursache des Sündigens und würde es das Sündigen erzwingen, so müsste man daher schließen, dass Gott, wenn er über die Menschen richtet, damit letzt52
»Non igitur quia dei praescientia est necesse est fieri quae praescierit, sed tantum modo quia praescientia est, quae si non certa praenoscit utique nulla est« (Augustinus, LAb III.iv.9, S. 220/221; Übersetzung leicht verändert, C. J.). 53 »Cur ergo non vindicet iustus quae fieri non cogit praescius?« (Augus tinus, LAb III.iv.11, S. 222).
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lich indirekt (und gerechterweise) über sich selbst richtet. Aber auch das ist klarerweise theologisch abwegig. Nur wenn also Gottes Vorherwissen das Sündigen nicht nezessitiert, lässt sich kohärenterweise annehmen, dass er ein gerechter Strafender ist. Auch diese Überlegung richtet sich gegen (4). (iv) Das Erinnerungsargument: Augustinus illustriert das Problem an derselben Stelle (LAb III.iv.11) ferner anhand von Erinnerungen, die er als faktive kognitive Zustände oder Episoden auffasst. Demnach gilt notwendigerweise, dass Ereignisse, an die sich jemand erinnert, stattgefunden haben. Das allerdings bedeute offenbar nicht, dass Erinnerungen vergangene Ereignisse erzwingen oder herbeiführen. Analog gelte zwar auch für jedes Vorherwissen notwendigerweise, dass das Vorhergewusste nicht ausbleiben könne; doch ebenso, wie Erinnerungen erinnerte Geschehnisse nicht erzwingen, erzwinge auch Vorherwissen das Stattfinden des Vorhergwussten nicht. Auch diesen Einwand mag man als gegen (4) gewendet verstehen; plausibler erscheint aber m. E., dass er sich wiederum gegen (6) richtet. Problematisch an den Überlegungen (ii) bis (iv) ist u. a., dass Augustinus hier nicht zwischen kausalem und logischem Erzwingen unterscheidet. Seine Rede von »zwingen«, »Urheber« (auctor) usw. legt eine kausale Deutung nahe, der zufolge gezeigt werden soll, dass Gott und sein Wissen keine Ursachen der vorhergewussten Ereignisse sind. Erinnerungen können zwar nicht kausal erzwingen, dass das, wovon sie handeln, stattgefunden hat. Dennoch ist es geschehen, wenn von ›Erinnerung‹ im Sinne eines erfolgreichen intentionalen Aktes oder Zustands die Rede ist, und dieses Begriffsverständnis wird hier offenbar vorausgesetzt54. Ebenso mag gelten, dass ein Vorherwissen nicht kausal prädeterminiert, dass das Vorhergewusste stattfinden wird. Gleichwohl mag es aus logischen Gründen unausweichlich sein. 54
Zum Begriff des Erinnerns und der Frage, ob es sich um ein ›Erfolgsverb‹ handelt, vgl. etwa die ausführlichen Studien von Bernecker (2009) und Siebel (2000).
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U. a. Boethius wird diese Frage nach der Art der betreffenden Nezessitation aufgreifen, die der theologische Determinist dem Vorherwissen zuschreibt. (v) Macht über den Willen: Augustinus’ Hauptüberlegung schließlich lautet, dass der Wille (voluntas) aus begriff lichen Gründen stets in unserer Macht (potestas) stehe und somit auch dann frei sei, wenn Gott die Willensentscheidungen vorhersehe: »Also wäre unser Wille nicht Wille, wenn er nicht in unserer Macht stünde. Ferner, da er in unserer Macht steht, ist er für uns frei. … Es wird keinen Willensentschluß geben können, wenn er nicht in unserer Macht stehen wird. Also weiß er [Gott] auch die Macht vorher. Folglich wird mir die Macht durch sein Vorherwissen nicht genommen.«55
Wieder ist nicht ganz klar, wie diese Überlegung in die Gesamtdialektik des Gedankengangs einzuordnen ist. Einer Lesart zufolge bestreitet Augustinus Prämisse (6) in dem oben rekonstruierten Argument. Die Quintessenz des vorliegenden Arguments (v) ist dann, dass Augustinus Notwendigkeit als mit Freiheit vereinbar betrachtet. Dass Sündigen stets aus eigenem Willen geschieht, wie in (8) behauptet, hält Augustinus für ausgemacht. Dann aber ist (6) falsch und es gilt stattdessen: (10) Wenn die Menschen notwendigerweise sündigen, sündigen sie gleichwohl aufgrund ihrer eigenen Willensentscheidung. Dann aber steht ihr Verhalten bzw. Fehlverhalten Überlegung (v) zufolge auch in ihrer Macht und geschieht damit aus freien Stü55
»Voluntas igitur nostra nec voluntas esset nisi esset in nostra potes tate. Porro, quia est in potestate, libera est nobis … Nec voluntas esse poterit si in potestate non erit. Ergo et potestatis est praescius. Non igitur per eius praescientiam mihi potestas adimitur« (Augustinus, LAb III.iii.8, S. 218– 220 / S. 219–221).
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cken. Da auch der Wille zu sündigen frei ist, wird er ferner, selbst wenn er aufgrund göttlichen Vorauswissens notwendigerweise so ist, wie er ist, von Gott als ein freier vorausgesehen. Dass etwas Ähnliches möglich ist, wird auch Molina in seiner Theorie der scientia media behaupten. Eine andere Lesart wäre, dass Augustinus (6) für wahr hält, aber (7) für falsch und daher (5) leugnen muss. Da (5) aus der von Augustinus akzeptierten Zwischenkonklusion (3) und aus Prämisse (4) folgt, gilt es dann, (4) – ›Was Gott vorherweiß, geschieht notwendigerweise‹ – zu bestreiten. Überlegung (v) ergäbe dann, dass Gott, weil er mit dem Sündigen der Menschen aus begrifflichen Gründen freie Handlungen vorherweiß, etwas vorherweiß, das nicht notwendigerweise geschieht, womit Prämisse (4) widerlegt wäre. Die entscheidende Frage lautet in jedem Fall, was es heißen soll, dass »unser Wille stets in unserer Macht steht« und welche Art von Freiheit damit gewährleistet ist. Zur Illustration bringt Augustinus u. a. das Beispiel, dass wir nicht durch unseren Willen altern (denn wir wollen nicht altern, tun es aber doch). Jedoch könne man nicht sinnvollerweise behaupten, dass wir, wenn wir etwas wollen, nicht durch den Willen wollen (LAb III.iii.7). Anders als Altern, das wir, sagen wir: spätestens etwa ab dem 40sten Lebensjahr nicht mehr wollen, entspricht ein Wollen oder ein willentlicher Akt trivialerweise immer unserem Willen, denn andernfalls müsste man beispielsweise sagen, dass wir willentlich sündigen, obwohl wir nicht den Willen haben zu sündigen, was eine widersprüchliche Aussage wäre. Doch diese Überlegung ist zum einen problematisch, weil der von Augustinus bemühte Vergleich zwischen Wollen und anderen Tätigkeiten oder Geschehnissen ein anderes Ergebnis liefert als er darlegt. Wenn der Unterschied darin liegen soll, dass wir zwar z. B. nicht »durch den Willen«, d. h. gewollt, altern, aber stets durch den Willen wollen, dann lautet der Vergleich, korrekt verallgemeinert, dass wir zwar nicht bei allem, was uns widerfährt, wollen, dass es geschieht; dass wir aber immer, wenn
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wir etwas wollen, auch wollen, dass wir es wollen.56 Das Argument würde lauten, dass willentliche Akte erster Stufe genau deshalb stets in unserer Macht stehen, weil wir, anders als beim Altern, stets einen auf sie bezogenen höherstufigen positiven Willen haben, dass sie stattfinden. Tatsächlich dürfte genau diese These jedoch falsch sein. Oft wollen wir etwas, haben aber zugleich höherstufige Präferenzen gegen dieses Wollen. Man kann sehr wohl wollen, ohne zu wollen, dass man will. Entsprechende volitive oder präferenzielle Hiera rchien haben in den letzten Jahrzehnten insbesondere Harry Frankfurt (1969) und von ihm inspirierte Autoren ausführlich untersucht. Ein bekanntes Beispiel Frankfurts ist der nichtwollende Süchtige, der den starken Wunsch hat, z. B. Alkohol zu konsumieren, und dessen Wunsch auch insofern ein Wille ist, als er ihn in die Tat umsetzt, wenn niemand ihn hindert, obwohl er diesen Willen erster Stufe ablehnt und nicht will, dass er ihn hat. In solchen Fällen, sagen Frankfurt und seine Freunde, ist der betreffende Wille erster Stufe nicht frei, eben weil er nicht dem entspricht, was der Akteur wollen will. Frankfurts Ansatz ist augustinisch, insofern auch Frankfurt meint, dass ›Freiheit des Willens‹ im Sinne der Freiheit eines Wollens nur dann vorliegt, wenn dieses im Einklang steht mit höherstufigen volitiven Akten oder Zuständen. Anders als offenbar Augustinus bestreitet Frankfurt jedoch, dass eine solche volitive Hierarchie stets harmonisch ist und höherstufige Volitionen sich grundsätzlich durchsetzen. Intravolitive Kämpfe gegen sich selbst kann man verlieren.57
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Dies hat besonders Rowe (1964), fünf Jahre vor Frankfurts berühmter Arbeit von 1969, ausgeführt. 57 Für eine ausführlichere Rekonstruktion von Frankfurts Ansatz siehe Guckes und Betzler (2001). Vgl. auch Frankfurts weitere Arbeiten zum Thema, viele von ihnen auf Deutsch zusammengestellt in dem Sammelband Betzler und Guckes (2001). Umfangreiche und detaillierte Entfaltungen der Grundideen Frankfurts haben außerdem entwickelt John Martin Fischer
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Mit diesen Beobachtungen hängt ein zweiter Punkt zusammen. Womöglich wirft in der skizzierten Lösung oder Auflösung des Problems bereits Augustins radikale Prädestinations- und Gnadenlehre, wie er sie seit seiner Schrift Ad Simplicianum (zwischen 395 und 397) entwirft, ihre Schatten voraus. (Während Buch I von De libero arbitrio bereits 387–389 in Rom entsteht, verfasst er die Bücher II und III erst 391–395 in Afrika.) Denn damit, dass, wie Augustinus meint, unser Wille insofern in unserer Macht steht, als wir niemals etwas unwillentlich wollen können, ist nicht ausgeschlossen, dass die betreffenden Volitionen auf beiden Stufen z. B. durch göttliche Prädestination und göttliches Vorherwissen alternativlos festgelegt sind. Ich hatte Frankfurt darin zugestimmt, dass man sehr wohl etwas wollen kann, ohne zu wollen, dass man es will. Doch selbst wenn man dies nicht akzeptiert und sich unser Wollen erster Stufe stets konform zu unseren reflexiven Volitionen höherer Stufe verhielte: Falls diese ihrerseits alternativlos prädestiniert sind, ist das Freiheitsproblem nur verschoben. Wenn Augustinus ein Wollen erster Stufe bereits deshalb als frei bezeichnet, weil es nicht gegen den Willen des Akteurs stattfinden könne und daher stets in dessen Macht liege, dabei jedoch eine Prädetermination der involvierten Volitionen verschiedener Stufe nicht ausschließt, dann scheint er – ob bewusst im Rückgriff auf eine hierarchische Willensstruktur im Sinne Frankfurts oder nicht – mit einer kompatibilistischen Freiheitstheorie zu liebäugeln, die freie Willensentscheidungen nicht an das Vorliegen von Alternativen bindet. Deutlich kommt diese Tendenz auch später in De civitate Dei zum Ausdruck, wo Augustinus (in Buch 5, Kap. 9) in einer Replik auf Ciceros Argumente für einen theologischen Inkompatibilismus zunächst zugesteht, dass umfassendes göttliches Vorherwissen eine »feste Ordnung der Ursachen« (certus ordo causarum) erfordere. Allein, es folge nicht, dass, wenn für Gott die Ordnung und neuerlich in anderer Richtung Carolina Sartorio (s. etwa Fischer und Ravizza 2000; die Aufsätze in Fischer 2006; und Sartorio 2016).
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aller Ursachen gewiss sei, nichts mehr unserem freien Willen unterliege: »Ist doch auch unser Wollen Bestandteil der Ordnung der Ursachen, die für Gott gewiss und in seinem Vorherwissen enthalten ist.«58 Die Rede von einer festen oder gewissen Ordnung der Ursachen scheint hier keine Alternativen einzuräumen, und doch soll menschliches Wollen, das ein Bestandteil dieser Ordnung ist, frei sein. Eine solche Freiheit ist keine libertarische Freiheit, jedenfalls keine typische, die sich dem Prinzip der Alternativen Möglichkeiten verschreibt. Diesen Überlegungen zufolge richtet sich das Hauptargument in den betreffenden Passagen in De libero arbitrio, das Argument der Macht über den Willen, nicht gegen Prämisse (4): ›Was Gott vorherweiß, geschieht notwendigerweise‹, sondern gegen (6): ›Wenn die Menschen notwendigerweise sündigen, sündigen sie nicht aufgrund ihrer eigenen Willensentscheidung‹. Hinzuzufügen bleibt, dass in (4) eine Falle steckt, die Augu stinus nicht diskutiert, die spätere Autoren aber sehen und analysieren. Die Rede ist von einer durch eine Skopusambiguität des Notwendigkeitsoperators erzeugte Doppeldeutigkeit. In mittelalterlicher Terminologie gesprochen: (4) ist doppeldeutig in Bezug darauf, ob eine necessitas consequentis (oder necessitas in sensu diviso) behauptet wird oder eine necessitas consequentiae (oder necessitas in sensu composito). Im ersten Fall hätte (4) die logische Form p⊃Nq, im zweiten Fall N(p⊃q). Allgemein sind umgangssprachliche Sätze der Form: ›Wenn p, gilt notwendig auch q / muss auch q der Fall sein‹ oder ›Wenn p, kann es nicht sein / ist es nicht möglich, dass nicht-q‹ doppeldeutig hinsichtlich dieser zwei Lesa rten. Im vorliegenden Beispiel würde der ersten Deutung zufolge gelten, dass für ein beliebiges Geschehen X gilt: Wenn Gott vorherweiß, dass X geschehen wird, ist 58
»Non est autem consequens, ut, si Deo certus est omnium ordo causarum, ideo nihil sit in nostrae voluntatis arbitrio. Et ipsae quippe nostrae voluntates in causarum ordine sunt, qui certus est Deo eiusque praescientia continetur« (Augustinus, CD V, 9).
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X ein notwendiges Geschehen; in der zweiten Lesart dagegen lediglich, dass notwendigerweise gilt: Wenn Gott vorherweiß, dass X geschehen wird, wird X geschehen. Damit kommt ein weiteres Problem ans Licht. Versteht man (4) im Sinne einer necessitas consequentiae, dann ist die Aussage zwar wahr, aber in diesem Fall folgt (5) nicht aus (3) und (4). Versteht man (4) aber im Sinne einer necessitas consequentis, dann folgt (5) zwar, aber es ist nicht zu sehen, warum man (4) in dieser Lesart ohne weitere, unabhängige Argumente akzeptieren sollte. Dies zu tun, wäre im vorliegenden Kontext dialektisch illegitim, denn ob ausgeschlossen ist, dass Gott Kontingentes vorherweiß, steht zur Debatte. Abschließend ist anzumerken, dass Augustinus nicht nur in De libero arbitrio, sondern auch später eine aus der Sicht seiner Theologie und Zeitmetaphysik naheliegende Antwort auf das Problem des theologischen Determinismus nicht ins Spiel bringt. Gott, so lautet eine seiner berühmtesten religionsphilosophischen Thesen, ist zeitlos ewig; in den Worten der Confessio nes (11. Buch, Kap. 13): »Du gehst den Zeiten nicht in der Zeit voraus; sonst gingest Du nicht allen Zeiten voraus. Vielmehr gehst Du in der Erhabenheit der stets gegenwärtigen Ewigkeit allen vergangenen Zeiten voraus. … Deine Jahre sind ein einziger Tag und Dein Tag existiert nicht täglich, sondern heute, weil Dein Heutiges nicht einem Morgigen weicht, denn es folgt auch keinem Gestrigen. Dein Heute ist Ewigkeit.«59
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»Nec tu tempore tempora praecedis: alioquin non omnia tempora praecederes. Sed praecedis omnia praeterita celsitudine semper praesentis aeternitatis. … Anni tui dies unus, et dies tuus non cotidie, sed hodie, quia hodiernus tuus non cedit crastino; neque enim succedit hesterno. Hodiernus tuus aeternitas« (Augustinus, Confessiones XI, 13, Übersetzung C. J.).
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Diese Auffassung böte eine zumindest vorläufige Antwort auf die bisher diskutierten Fassungen von Argumenten für die Unvereinbarkeit von göttlichem Vorauswissen und menschlicher Freiheit: Wenn Gott nicht omnitemporal, sondern atemporal existiert, dann ist es verfehlt, ihm Wissen-zu-Zeitpunkten zuzuschreiben und somit auch, ihm Wissen zuzuschreiben, das allen kontingenten weltlichen Ereignissen und insbesondere menschlichen Entscheidungen zeitlich vorausgeht. Tatsächlich bemüht Augustinus jedoch eine solche Antwort auch in den Jahren nach De libero arbitrio nicht. Über seine Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren, doch zwei Erklärungen erscheinen nicht abwegig: Zum einen neigte Augustinus bereits seit Mitte der 390er Jahre zu einer strikt deterministischen Prädestinations- und Gnadenlehre, womit das Problem des theologischen Inkompatibilismus für ihn an Dringlichkeit verloren haben mag. Verabschiedet man libertarische menschliche Freiheit, dann verschwindet auch das theologische Freiheitsdilemma. Zum anderen mag Augustinus – vielleicht zusätzlich – geglaubt haben, dass auch eine Atemporalitätstheologie das ursprüngliche Dilemma allenfalls verlagern, aber nicht auflösen kann. Steht das Freiheitsproblem innerhalb einer theologischen Atemporalitätstheorie tatsächlich besser da? Dass dem so ist, meint Boethius.
4.3 Boethius In Buch V seiner Philosophiae consolatio (Prosa 3) beginnt Boethius (gest. 524/526) seine Problemanalyse nach einigen Reflexionen über den Begriff des Zufalls mit den Worten: »Es scheint, sage ich, allzu sehr gegensätzlich und widersprüchlich zu sein, dass Gott alles im Voraus kennt und zugleich irgendein freier Wille existiert. Denn wenn Gott alles vorhersieht und auf keine Weise irren kann, so muss notwendig eintreffen, was die
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Vorsehung als zukünftig vorhergesehen hat. Daher gibt es, wenn sie von Ewigkeit nicht nur die Taten der Menschen, sondern auch deren Ratschlüsse und Willen vorausweiß, keine Entscheidungsfreiheit.«60
Darauf kommentiert er zunächst einen Lösungsversuch »einiger«, die behaupten, dass etwas nicht deshalb geschehen muss, weil die Vorsehung (providentia) es vorhergesehen hat, sondern dass umgekehrt notwendigerweise das, was in Zukunft geschehen wird, von der göttlichen Vorsehung vorhergesehen wird, weil es geschieht. Diese Antwort sollten zahlreiche spätere Autoren, darunter auch Molina, aufgreifen (s. etwa Concordia, 52.10, 52.18– 52.20). Boethius dürfte hier auf Origenes (ca. 185–253) anspielen, der in Contra Celsum (Buch 2, 20) mit einer solchen Überlegung den Vorwurf des Christenkritikers Celsus zurückweist, dass beispielsweise Jesu göttliche Prophezeiung, dass Judas ihn verraten werde, Judas keine Wahl ließ, anders zu handeln und somit offenbar Jesus selbst durch seine Prophezeiungen seine Tischgenossen zu Verrätern und gottlosen Menschen machte. Boethius hält diese Antwort für verfehlt und kommentiert sie mit einer rhetorischen Frage: Sei es nicht abwegig zu sagen, das Eintreffen zeitlicher Dinge sei Ursache der ewigen Vorsehung (PC V, pr. 3, 9, S. 92)? Seine Äußerungen lassen sich dahingehend deuten, dass es beim theologischen Freiheitsproblem nicht darum geht, ob göttliches Vorherwissen Ursache der vorausgewussten Ereignisse ist oder umgekehrt jene Ereignisse das göttliche Wissen verursachen, sondern darum, ob unabhängig davon, wie man die kausale »Ordnung der Ursachen« versteht, jedenfalls aus logischen
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»Nimium, inquam, adversari ac repugnare videtur praenoscere universa deum et esse ullum libertatis arbitrium. Nam si cuncta prospicit deus neque falli ullo modo potest, evenire necesse est, quod providentia futurum esse praeviderit. Quare si ab aeterno non facta hominum modo sed etiam consilia voluntatesque praenoscit, nulla erit arbitrii libertas« (Boethius, PC V, pr. 3, CC SL 94, 3–5, S. 92).
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Gründen göttliches Vorherwissen die Kontingenz des Vorher gewussten zerstört.61 Ein erster Versuch, Boethius’ Fassung des Problems zu formulieren, könnte den obigen Rekonstruktionen zu Augustinus folgen. Abgesehen davon, dass Augustinus die Frage in den zitierten Textpassagen am konkreten Beispiel willentlichen Sündigens diskutiert, sind die Formulierungen beider Autoren sehr ähnlich. Entsprechend sieht es auch bei Boethius auf den ersten Blick so aus, als ob seine Darstellung einem modallogischen Fehlschluss aufsitzt. Denn richtig ist zwar, dass für jedes Geschehen notwendigerweise gilt: Wenn Gott vorherweiß, dass es stattfinden wird, dann wird es stattfinden. Doch hieraus und aus der Prämisse, dass Gott ein bestimmtes Geschehen vorherweiß, folgt nicht, dass es notwendigerweise stattfindet. Solche Schlüsse von einer bedingten oder ›hypothetischen‹ auf eine absolute oder ›einfache‹ Notwendigkeit, oder von einer neces sitas consequentiae auf eine necessitas consequentis, sind ungültig. Boethius allerdings setzt sich in der 6. Prosa der Consolatio mit einer entsprechenden Unterscheidung auseinander. Er verwendet hierzu die Begriffe necessitas simplex und necessitas condicionis und hält explizit fest, die letztgenannte, bedingte Notwendigkeit ziehe keineswegs jene einfache Notwendigkeit nach sich (PC V, pr. 6, CC SL 94, 27–28, S. 103). Mit Blick auf dieses Problem bewusstsein erscheint eine Rekonstruktion seiner Auffassung im Sinne des skizzierten modalen Fehlschlusses unangemessen. Wie lässt sich Boethius dann verstehen? In einem vieldiskutierten Aufsatz, der die Debatte um den theologischen Determinismus in der analytischen Religionsphilosophie der letzten Jahrzehnte maßgeblich inspiriert hat, schlägt Nelson Pike (1965) unter Berufung auf Boethius eine etwas andere Fassung des Ausgangsproblems vor. Auch Pike geht von einem innerzeitlichen göttlichen Vorherwissen aus und ar61
Vgl. für eine solche Interpretation jener Passagen in der Consolatio etwa Craig (1988), S. 80.
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gumentiert wie folgt: Wenn ein menschlicher Akteur S zu einem bestimmten Zeitpunkt t2 X tut und dabei insofern frei ist, als er anders handeln könnte, müsste er in der Lage sein zu bewirken, dass für einen (beliebigen) gegebenen früheren Zeitpunkt t 1, zu dem Gott aufgrund seiner Allwissenheit vorherwusste, was S zu t 2 tun wird, mindestens eine der folgenden drei Alternativen wahr ist: (i) Gott hatte zu t 1 eine falsche Überzeugung; (ii) Gott hatte zu t 1 eine andere Überzeugung als die, dass S zu t2 X tun wird; (iii) Gott existierte zu t 1 nicht. Keine dieser Alternativen sei akzeptabel, so Pike; also sei göttliches Vorherwissen mit menschlicher Freiheit inkompatibel. Pikes Argument ist ausführlich diskutiert und verschiedentlich verfeinert worden. Eine der einflussreichsten Versionen hat John Martin Fischer in einer Reihe von Artikeln entwickelt (s. etwa Fischer 2009; 2011; 2016). Nennen wir sie das BoethiusPike-Fischer-Argument.62 Es stützt sich auf drei allgemeine Prinzipien. Das erste lautet, dass Gott wesentlich allwissend ist, wobei gelten soll (Fischer 1989 b, S. 4; 2016, S. 66, S. 100): (AW) S ist allwissend genau dann, wenn für jeden Zeitraum oder Zeitpunkt t und jede Aussage oder Proposition p gilt: S glaubt zu t, dass p, genau dann, wenn p zu t wahr ist. S ist wesentlich allwissend, wenn S in jeder möglichen Welt, in der S existiert, allwissend ist. Die Zuschreibbarkeit von Wahrheit-zu-Zeitpunkten zu Propositionen ist kontrovers, doch diese Frage sei hier um des Argumentes willen beiseite gelassen. Zweitens beruft Fischer sich auf ein Disquotationsprinzip, das die Wahrheit von Aussagen über zukünftige Ereignisse mit dem Stattfinden dieser Ereignisse verknüpft. »›Future contingents‹, schreibt er, »are determinately true (or false) prior to the times they are ›about‹. So if Robert 62
Für eine ausführlichere kritische Diskussion dieses Arguments siehe Jäger (2017).
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cooks dinner on Tuesday, then it is true on Monday that Robert will cook dinner on Tuesday, etc.« (2016, S. 67; vgl. 1989 b, S. 4). Auch das Umgekehrte gilt, und die generelle Idee lässt sich in dem Prinzip zusammenfassen: (D) Notwendigerweise: ›S wird zu t2 X tun‹ ist zu t1 wahr genau dann, wenn S zu t2 X tut. (t1 sei ein beliebiger Zeitpunkt vor t2.) Auch dieses Prinzip ist nicht unkontrovers. Peter Geach etwa hat argumentiert, dass wir durchaus insofern »die Zukunft ändern« können, als wir Geschehnisse verhindern können, für die es einmal wahr war zu sagen, sie würden zukünftig stattfinden, und die stattfinden würden, wenn wir sie nicht verhindern würden (Geach 1977; für eine hilfreiche Rekonstruktion s. Todd 2011). Wenn dem so ist, impliziert die Wahrheit zu t1 von ›S wird zu t2 X tun‹ nicht, dass S zu t2 X tut. Auch Überlegungen dieses Typs seien hier indessen um des Argumentes willen außen vor gelassen. Ein drittes wichtiges Prinzip ergibt sich aus der Unabänderlichkeit der Vergangenheit. Es lautet, provisorisch formuliert, dass das, was gegenwärtig oder zukünftig geschieht, eine Fortsetzung der aktualen Vergangenheit sein muss. Ein Akteur kann demnach nur dann X tun – es liegt nur dann in seiner Macht oder seinem Vermögen, X zu tun –, wenn die Beschreibung des Tuns konsistent ist mit jeder wahren Beschreibung der aktualen Vergangenheit. Fischer nennt dies die ›fixity of the past‹-Bedingung. Auf Mögliche-Welten-Jargon zurückgreifend, beschreibt er sie wie folgt: (FP) »An agent S has it in his power (in the sense relevant to moral responsibility) at (or just prior to) t in possible world … [w] to do X at t only if there is a possible world … [w*] with the same past as that of w up to t in which S does X at t« (Fischer 2016, S. 84; im Original heißt es »p« und »p*« statt »w« und »w*«; vgl. auch S. 6, 11, 17, 111; 2009, S. 129, Fußnote).
Christoph Jäger
LXXIII
Die Rede von »Tun« ist hier offenbar so zu verstehen, dass sie auch Unterlassungen umfasst. Die Bedingung lässt sich dann auch so beschreiben, dass die Macht (oder die Fähigkeit, das Vermögen), etwas zu tun oder zu unterlassen, durch die faktische Vergangenheit beschränkt ist. Die Pointe dieser These wird deutlich, wenn man sie mit einem anderen, kontrafaktischen Machtbegriff vergleicht, der in der Debatte ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Ihm zufolge kann man S auch dann noch sinnvollerweise die Macht zusprechen, X zu tun oder zu unterlassen, wenn gilt: Täte S X, dann wäre die Vergangenheit eine andere gewesen. Molina beispielsweise scheint bisweilen auf einen solchen, schwächeren Machtbegriff zurückzugreifen. In 52.38 etwa argumentiert er, dass, obwohl Gott vorherwusste, dass Petrus sündigen würde, es gleichwohl in Petrus’ Macht liege, zum betreffenden Zeitpunkt nicht zu sündigen; dass im Falle der Ausübung dieser Macht jedoch gelten würde, dass Gott dann eben nicht gewusst hätte, dass Petrus sündigen würde. Inwieweit eine solche, von (FP) abweichende These verständlich und akzeptabel ist, diskutieren wir im Kommentar zu 52.7 und 52.38. Ausgerüstet mit den obigen Annahmen und Prinzipien argumentiert Fischer wie folgt: »Suppose that God … exists, and that S does X at t2, where X is some ordinary act such as raising one’s hand. It follows that God believed at t1 that S would do X at t2. Given God’s essential omniscience, God’s belief at t 1 entails that S does X at t2. Thus, in all possible worlds in which God believes at t 1 that S will do X at t2, S will do X at t2; so in any world in which S does not do X at t2, God doesn’t believe at t 1 that S does X at t2. It seems to follow from … [(FP)] that S does not have it in his power at or just prior to t2 to refrain from X-ing at t2« (Fischer 2016, S. 84 f.; 2009, S.129).
Auch hier mag eine schematische Rekonstruktion des Arguments hilfreich sein. Dabei können wir den Mögliche-Welten-
LXXIV Einleitung
Jargon, vielleicht in diesem Fall mit Gewinn an Transparenz, auch umgehen und im Sinne Fischers festhalten: (FP*) Ein Akteur S hat zu (oder kurz vor) t nur dann die Macht, zu t X zu tun (oder zu unterlassen), wenn es möglich ist, dass die Vergangenheit bis zu t identisch mit der faktischen ist und S zu t X tut (bzw. unterlässt). Angenommen, Gott ist essentiell allwissend und S tut tatsächlich zum Zeitpunkt t2 X (Annahme). Dann, so die Überlegung, gilt für einen beliebigen früheren Zeitpunkt t 1, dass Gott zu t1 weiß, dass S zu t2 X tun wird. Hieraus lässt sich mit der These der wesentlichen Allwissenheit Gottes sowie mit (D) und (FP*) ableiten, dass S zu t2 X nicht unterlassen kann: Das Boethius-Pike-Fischer-Argument (1) Gott glaubte zu t1 (was man auf Deutsch mit dem Satz ausdrücken kann): ›S wird zu t2 X tun‹. (2) Notwendigerweise: Wenn (1) gilt, dann tut S zu t2 X. (3) Der in (1) beschriebene Sachverhalt liegt relativ zu t2 in der Vergangenheit. (4) S hat zu t 2 oder kurz vorher nur dann die Macht (die Fähigkeit, das Vermögen), X zu t2 zu unterlassen, wenn es möglich ist, dass Gott zu t 1 glaubt (was man auf Deutsch mit dem Satz ausdrücken kann): ›S wird zu t2 X tun‹, doch S X zu t2 unterlässt. (5) Es ist aber nicht möglich, dass Gott zu t1 glaubt (was man auf Deutsch mit dem Satz ausdrücken kann): ›S wird zu t2 X tun‹, doch S X zu t2 unterlässt. (6) Also liegt es zu t2 oder kurz vorher nicht in S’s Macht, X zu t2 zu unterlassen. Was ist zu diesem Argument zu sagen? Gegeben die Annahme göttlicher Allwissenheit, das Disquotationsprinzip (D) und die Annahme, dass S zu t2 X tut, sind (1) und (2) unproblematisch.
Christoph Jäger
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(3) folgt aus der Stipulation, dass t1 früher als t2 ist. (4) folgt aus (1) und (3) und (FP*); (5) ist äquivalent mit (2); und (6) folgt aus (4) und (5) mit modus tollens. Wir werden unten im Kontext der Bemerkungen zu Ockham und der Unterscheidung zwischen sogenannten ›harten‹ und ›weichen‹ Fakten über die Vergangenheit sehen, dass (FP*) und daher der von diesem Prinzip abhängende Schluss auch unabhängig von der Frage nach bestimmten Machtbegriffen und Ewigkeitskonzepten diskussionswürdig sind. Hier sei jedoch zunächst Boethius’ Antwort auf dieses gegnerische Argument skizziert. Diese Antwort verwirft (1) als eine theologisch inadäquate Problemformulierung, weil Gott als außerzeitlich ewig zu denken sei. Dass Gott ewig sei, so Boethius, sei das gemeinsame Urteil aller Vernunftbegabten. Ewigkeit aber sei »der vollständige und vollendete Besitz unbegrenzbaren Lebens auf einmal, was aus dem Vergleich mit dem Zeitlichen noch deutlicher erhellt. Denn alles, was in der Zeit lebt, das geht als ein Gegenwärtiges vom Vergangenen weiter in die Zukunft, und es gibt nichts, was in der Zeit besteht, das seinen ganzen Lebensraum gleichzeitig umfassen könnte. … Was jedoch die ganze Fülle des unbegrenzbaren Lebens gleichzeitig umgreift und besitzt, dem weder etwas am Zukünftigen abgeht noch vom Vergangenen verflossen ist, das wird mit Recht als ewig [aeternum] aufgefasst, und das muss notwendigerweise, seiner selbst mächtig, immer als ein Gegenwärtiges in sich verweilen und die Unendlichkeit der bewegten Zeit als eine Gegenwart vor sich haben«.63 63
»Deum … aeternum esse cunctorum ratione degentium commune iudicium est. … Aeternitas igitur est interminabilis vitae tota simul et perfecta possessio, quod ex collatione temporalium clarius liquet. Nam quicquid vivit in tempore, id praesens a praeteritis in futura procedit, nihilque est in tempore constitutum, quod totum vitae suae spatium pariter possit amplecti. … Quod igitur interminabilis vitae plenitudinem totam pariter comprehendit ac possidet, cui neque futuri quicquam absit nec prateriti fluxerit, id aeternum esse iure perhibetur, idque necesse est et sui compos praesens
LXXVI Einleitung
Gott existiert demnach nicht immerwährend in innerzeitlicher Ewigkeit (sempiternitas), sondern in außerzeitlicher Ewigkeit (aeternitas). Dies hatte bereits Augustinus vorgeschlagen, doch anders als Augustinus verwendet Boethius dieses Argument explizit zur Zurückweisung des Problems des theologischen Determinismus: »Wenn du also seine Voraussicht denken willst, mit der er alles erkennt, wirst Du sie nicht wie ein Vorherwissen von etwas Zukünftigem, sondern richtiger als Wissen einer niemals schwindenden Gegenwart auffassen«.64
Wenn Gott aus seiner atemporalen Ewigkeit heraus alle zeit lichen Ereignisse auf einmal vor sich sieht, ist es verfehlt, ihm in der Zeit vorkommende Überzeugungen über Zukünftiges zuzuschreiben. Weder hat Gott dieser Konzeption zufolge Überzeugungen zu Zeitpunkten, noch ist für ihn das, was für uns Menschen in der Zukunft liegt, zukünftig. Die gesamte zeitbezogene Formulierung des Problems der Vereinbarkeit von göttlicher Allwissenheit mit menschlicher Freiheit ist Boethius zufolge abzulehnen. Eine entscheidende Frage an Boethius lautet allerdings, wie man es sich im Einzelnen vorzustellen hat, dass etwas atemporal Ewiges »die Unendlichkeit der bewegten Zeit« und all ihre entstehenden und vergehenden Abschnitte »als eine Gegenwart vor sich hat«. Die außerzeitliche Entität und ihre außerzeitlichen Aktivitäten sollen in gewissem Sinne ›simultan‹ vorkommen mit dem, was sich im Fluss der Zeit abspielt. Nun ist uns der Begriff der Simultanität zwar für innerzeitliche Beziehungen geläufig. sibi semper adsistere et infinitatem mobilis temporis habere praesentem« (Boethius, PC V, pr. 6, CC SL 94, 2–8, S. 102; vgl. auch den ähnlichen Wortlaut in De Trinitate, Kap. 4). 64 »Itaque si praevidentiam pensare velis, qua cuncta dinoscit, non esse praescientiam quasi futuri, sed scientiam numquam deficientis instantiae rectius aestimabis« (Boethius, PC V, pr. 6, CC SL 94, 16, S. 103).
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Boethius aber – und alle jene, die ihm folgen werden – wenden ihn auf Relata an, von denen eines innerzeitlich und das andere außerzeitlich ist. Welche Eigenschaften hat eine solche ›Simultanitätsbeziehung‹? Wie im Falle zeitlicher Simultanität kommt keines der Relata früher oder später als das andere vor. Darüber hinaus ist die Beziehung, wie auch bei echter, innerzeitlicher Gleichzeitigkeit, symmetrisch: Wenn die atemporale Entität (oder ihre Aktivität) A in dem betreffenden Sinn ›simultan‹ mit dem innerzeitlichen Ereignis E vorkommt, dann gilt auch das Umgekehrte. Anders jedoch als im innerzeitlichen Fall kommen die Relata temporal-atemporaler Simultanitätsbeziehungen nicht zu denselben Zeitpunkten (oder -perioden) vor. Ferner sind solche Beziehungen weder reflexiv noch transitiv: Nichts Temporales und nichts Atemporales steht in einer solchen Beziehung zu sich selbst; und auch wenn E in dieser Beziehung zu einer atemporalen Entität A steht und A in ihr zu einem weiteren zeitlichen Ereignis E’, gilt nicht, dass E dann in dieser Beziehung zu E’ steht (denn dann wäre nicht eines der Relata atemporal). Eleonore Stump und Norman Kretzmann haben in einem vielbeachteten Aufsatz zum Thema (1981) für die betreffende symmetrische, aber irreflexive und intransitive Relation zwischen im außerzeitlichen Sinne ewigen und temporalen Entitäten den Begriff der ET-Simultaneität vorgeschlagen (siehe hierzu auch Stump 2003, S. 141–144). Wie tragfähig er ist, ist kontrovers.65 Implizit beruft sich neben Boethius auch Thomas auf ihn. Auf Thomas komme ich unten zurück.
65
Für eine einschlägige moderne Kritik an Atemporalitätsansätzen und an Stump und Kretzmann (1981) siehe etwa Swinburne (1993).
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4.4 Anselm, Petrus Lombardus und das Problem von Freiheit und Notwendigkeit in den Sentenzen kommentaren bis Thomas von Aquin Eine weitere wichtige Station der Debatten war ein Streit im 9. Jahrhundert um die Prädestinationsauffassung des Gottschalk von Orbais (806–869). Gottschalk vertrat in augustinischer Tradition die Theorie einer gemina praedestinatio, einer doppelten Prädestination, der zufolge Gott sowohl die Erlösten als auch die Verworfenen bereits vor deren Geburt bestimmt. Seine Thesen führten zu einer heftigen Kontroverse, in die auch Johannes Scottus Eriugena (gest. um 877) verwickelt war. Eriugena gutachtete im Rekurs auf die neuplatonisch inspirierten Schriften von Augustinus gegen Gottschalk und argumentierte, dass Gott einfach, gütig und zeitlos sei und zwar universales Wissen habe, nicht aber Vorherwissen, eben weil für Gott zeitliche Maßstäbe unangemessen seien. Eriugenas Ansatz wurde von den an der Kontroverse beteiligten Bischöfen und Äbten abgelehnt; anders jedoch als Gottschalk, der für seine Ansichten öffentlich ausgepeitscht wurde, blieb Eriugena unbehelligt.66 Anselm von Canterbury (1033–1109) problematisiert in seinen Freiheitsschriften ebenfalls die Frage nach dem Verhältnis zwischen freier menschlicher Willensentscheidung und Sünde auf der einen Seite und göttlicher Allwissenheit auf der anderen (s. etwa De libertate arbitrii I, und passim; Concordia praescientiae). Seine Problemexposition verläuft zunächst ähnlich wie bei Augu stinus und Boethius: Die Annahmen von göttlichem Vorherwissen und freier menschlicher Entscheidung widersprächen sich scheinbar, denn was Gott vorauswisse, werde notwendigerweise in Zukunft geschehen, während das, was gemäß freier Entscheidung geschehe, gerade nicht aus Notwendigkeit hervorgehe.67 66
Vgl. hierzu ausführlicher Flasch (1987), Kap. 3. »Videntur quidem praescientia dei et liberum arbitrium repugnare, quoniam ea quae deus praescit, necesse est esse futura, et quae per libe67
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In einer ersten Antwort auf dieses Problem pocht Anselm sodann schlicht darauf, dass in Zukunft viele Dinge ohne Notwendigkeit auftreten werden, hält jedoch daran fest, dass das, was Gott vorauswisse, notwendigerweise genau so eintrete, wie er es vorauswisse. Da ferner Gott alles vorauswisse, müsse somit eben einiges Zukünftige »notwendigerweise ohne Notwendigkeit« – und er meint: notwendigerweise als Kontingentes – geschehen. Entsprechend könne man z. B. sehr wohl behaupten, dass Gott vorauswisse, dass jemand ohne Notwendigkeit sündige oder das Sündigen unterlasse (Concordia praescientiae I, S. 246 f.). Überdies unterscheidet auch Anselm, in eigener Terminologie, jedoch inhaltlich wie schon Boethius, später Petrus Lombardus und seine Kommentatoren, bedingte oder hypothetische von unbedingter oder absoluter Notwendigkeit. Zwar sei Zukünftiges, beschrieben als Zukünftiges, notwendigerweise zukünftig. Doch hier »folge« die Notwendigkeit dem »Gesetztsein der Sache« (se quitur necessitas rei positionem). Sie folge der Annahme der Sache als eines zukünftig Geschehenden, was aber keineswegs bedeute, dass das Geschehen unabhängig von einer solchen Setzung notwendig stattfinde (ibid., S. 249 f.). Aus einer solchen necessitas se quens, wie sie auch in Sätzen der Form ›Notwendigerweise gilt: Wenn Gott weiß, dass p, dann p‹ vorliegt, folge indessen keine unabhängige oder unbedingte necessitas antec edens der Form: notwendigerweise p. Man beachte also, dass sich bei Anselm (sowie auch bei verschiedenen sich terminologisch an ihn anlehnenden Sentenzenkommentatoren) die Rede von necessitas antecedens gerade nicht auf die Notwendigkeit des Antezedens des Konditio nals in einem Satz der Form ›Notwendigerweise gilt: Wenn Gott weiß, dass p, dann p‹ bezieht, sondern auf dessen Konsequens, sofern man es unabhängig von der gesetzten Bedingung betrachtet, dass Gott weiß, dass es gilt. Anselms necessitas antecedens entspricht der von anderen Autoren sogenannten necessitas simplex, rum arbitrium fiunt, nulla necessitate proveniunt« (Anselm, Concordia, q. I, S. 245).
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necessitas absoluta oder necessitas consequentis. Seine Terminologie weicht damit auch von derjenigen Molinas ab. Gegenstand der berühmten Sentenzenkommentare, deren Tradition von Alexander von Hales über Bonaventura bis hin zu Luther und ins 17. Jahrhundert hinein fortbestand, ist der Li ber Sententiarum des Petrus Lombardus (1095/1100–1160), eine in P aris entstandene, in vier Bücher unterteilte und kommentierte Sammlung von Bibelstellen, Aussagen der Kirchenväter und von Kirchenlehrern, die einen systematischen Überblick über die gesamte Theologie liefern sollte. (Die zweite Fassung wurde 1158 vollendet und ist erhalten.) Eine eigenständige Vorlesung zu den Sentenzen des Lombarden entwickelte sich seit Alexander von Hales zum obligatorischen Bestandteil der Ausbildung zum Magister der Theologie. Petrus Lombardus selbst behandelt das Freiheitsproblem in Buch I, Distinktion 38, wo er Augustinus, Origenes und verschiedene Bibelstellen zitiert. Augustinus, so heißt es dort u. a., diskutiere, ob das universale göttliche Vorauswissen Ursache der vorausgewussten Dinge und Ereignisse sei. Das könne jedoch nicht uneingeschränkt gelten, denn sonst müsste das göttliche Vorherwissen auch Ursache von Übeln sein, und das sei »weit von der Wahrheit entfernt«. Origenes dagegen sage in seinem Kommentar zum Römerbrief, dass etwas nicht deshalb sein werde, weil Gott es vorauswisse, sondern dass umgekehrt Gott es vorauswisse, weil es geschehen werde. Doch auch diese Ansicht sei problematisch, denn in diesem Fall »gäbe es für etwas, das ewig ist, eine Ursache, die diesem fremd und von ihm verschieden ist, und das Vorherwissen des Schöpfers hinge an den Geschöpfen, und etwas Geschaffenes wäre Ursache von Ungeschaffenem«.68 Auch Thomas wird dies später gegen Origenes betonen, denn die Dinge seien zeitlich, das göttliche Wissen aber sei ewig, und temporale Dinge oder Ereignisse 68
»… eius quod aeternum est aliquid existeret causa ab eo alienum, ab eo diversum, et ex creaturis penderet praescientia Creatoris, et creatum causa esset increati« (Petrus Lombardus, Sent. I, d. 38, c. 1, n. 6).
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könnten keine Ursachen von etwas Ewigem sein (De veritate, q. 2, a. 14, resp.). Das Wissen oder Vorherwissen Gottes, präzisiert Petrus Lombardus weiter, sei keine Ursache dessen, was geschieht, es sei denn, man verstehe diese im Sinne einer Bedingung, ohne die nichts geschieht. Gott soll im Sinne einer conditio sine qua non zugelassen werden, die den Ablauf der Ereignisse und das Handeln der Menschen überhaupt möglich macht. Molina wird später, im Einklang mit Thomas und anderen Autoren, explizit argumentieren, dass beim menschlichen Handeln die betreffenden menschlichen Akteure als causae secundae zusätzlich frei tätig werden müssen, damit eine Handlung und ihre Konsequenzen zustande kommen. Die Hauptantwort, die Petrus Lombardus sodann vorträgt, kennen wir bereits. Zwar gilt notwendigerweise: Wenn Gott etwas vorausweiß, wird es geschehen; aber das ist etwas anderes als zu sagen (und es folgt nicht), dass das, was er vorausweiß, unabhängig von der Annahme, dass Gott es weiß, notwendig ist. Man könne Sätze wie ›Etwas, das Gott vorherweiß, kann auch nicht sein‹, ›Es ist unmöglich, dass das, was Gott vorherweiß, nicht ist‹ usw. im ›verbundenen Sinn‹ oder im ›getrennten Sinn‹ verstehen (coniunctim intelligi … et disiunctim, Sent. I, d. 38, c. 2, resp.). Andere Autoren treffen dieselbe Unterscheidung auch mit den Termini in sensu diviso und in sensu composito, necessitas consequentis vs. necessitas consequentiae, usw. Die coniunctim-Lesart, so Petrus Lombardus, sei richtig, aber harmlos, während die disiunctim-Lesart zwar, falls akzeptabel, ein theologisches Pro blem aufwerfen würde, aber falsch sei.69 (Vgl. zu diesem Thema auch unseren ausführlichen Kommentar zur Concordia, 52.3.) Viele Grundgedanken der Darstellung des Problems bei Petrus Lombardus werden in den folgenden Sentenzenkommen 69
»Similiter et alia determina, scilicet ›impossibile est id non evenire quod Deus praescivit vel cum Deus praescierit‹: si coniunctim intelligas, verum dicis; si disiunctim, falsum« (Petrus Lombardus, Sent. I, d. 38, c. 2, n. 2, resp.).
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tierungen immer wieder aufgegriffen. Dabei differenziert sich die Fragestellung weiter aus, und meist zieht man nun auch Anselms De concordia praescientiae et liberi arbitrii explizit hinzu. Der eigentliche Höhenflug der Sentenzenkommentierung setzt mit Bonaventura (1221–1274) ein, der auf lange Sicht die Form und die Themen des Kommentars nachhaltig beeinflusste. Eine Besonderheit Bonaventuras könnte man darin sehen, dass er explizit auch nach der Notwendigkeit bzw. Kontingenz des göttlichen Vorherwissens selbst fragt. Gottes Vorherwissen sei insofern kontingent, als es sich auf kontingente zukünftige Dinge bezieht, auch wenn es bzgl. all dessen, was tatsächlich kontingenterweise geschieht, notwendig ist, dass Gott es weiß. Für freie menschliche Entscheidungen gelte aber lediglich, dass es nicht möglich ist, dass Gott nicht weiß, dass sie kontingenterweise eintreten.70
4.5 Thomas von Aquin Thomas (um 1225–1274) knüpft an die bisherigen Debatten an, führt jedoch eine Reihe weiterer Differenzierungen und innovativer Argumente ins Feld. Seine wichtigsten Texte zum Thema finden sich in seinem Scriptum super quattuor libros Sententiarum (dem Sentenzenkommentar, Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5), in den Quaestiones disputatae de veritate (q. 2, a. 12), in der Summa contra gentiles (I, c. 66, c. 67), der Summa theologiae (q. 14, a. 13) und in seinem Aristoteles-Kommentar In libros peri hermeneias. Thomas’ Lösungsvorschlag greift im Kern die von Boethius vorgeschlagene atemporalistische Antwort auf. 70
»Omnia enim sic praecognoscit esse eventura, sicut eventura sunt; et ideo, cum multa sint eventura contingenter, ut illa quae sunt a libero arbitrio et casu et fortuna, sicut praescit, haec esse futura ab istis, sic praescit modum contingentiae, secundum quem sunt ab istis« (Bonaventura, In Sent. I, d. 38, a. 2, q. 1, S. 675).
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Im Sentenzenkommentar hält Thomas zunächst, wie Anselm, schlicht fest, dass Gottes Wissen sich auf alles Wissbare erstrecke und dass außerdem, wie schon unsere Sinneswahrnehmung zeige, nicht alles mit Notwendigkeit, sondern einiges kontingenterweise geschehe. Folglich habe Gott nicht nur Wissen von Notwendigem, sondern auch von Kontingentem (Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, sed contra 2; siehe etwa auch ST I, q. 14, a. 13, resp.). Allerdings scheine sich die Kontingenz aus zwei entscheidenden Gründen der göttlichen Erkenntnis zu entziehen: (i) einmal wegen der Beziehung der Ursache zum Verursachten, denn eine notwendige und unveränderliche Ursache scheine stets eine notwendige Wirkung zu haben. Da Gottes Wissen Ursache der Dinge, aber zugleich unveränderbar sei, scheine es sich nicht auf Kontingentes zu erstrecken; (ii) sodann wegen der Beziehung des Wissens zum Gewussten, denn weil Wissen sichere Erkenntnis sei, verlange es, auch unabhängig von der Frage nach seiner Ursächlichkeit, Sicherheit und Bestimmtheit auch im Gewussten, was aber dessen Kontingenz ausschließe.71 Zum ersten Punkt repliziert Thomas, dass in einer Reihe von Ursachen und Wirkungen die Modalität der letzten Wirkung nicht durch die erste Ursache (causa prima) oder eine entfernte Ursache (causa remota) bestimmt werde, sondern durch die (ihr) nächste Ursache (causa proxima). Als Beispiel führt er das Austreiben eines Baumes an, dessen entfernte Ursache der unveränderliche und in diesem Sinne notwendige Lauf der Sonne, dessen nächste Ursache aber die Wachstumsfähigkeit des Baumes sei. Der Lauf der Sonne kann nicht verhindert werden, wohl aber die 71
»[C]ontingentia enim videtur duplici ratione effugere divinam cognitionem. Primo propter ordinem causae ad causatum. Quia causae necessariae et immutabilis videtur esse effectus necessarius; unde cum scientia Dei sit causa rerum, et sit immutabilis, videtur quod non possit esse contingentium. Secundo propter ordinem scientiae ad scitum; quia cum scientia sit certa cognitio, ex ipsa ratione certitudinis etiam exclusa causalitate, requirit certitudinem et determinationem in scito, quam contingentia excludit« (Thomas, Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, resp.).
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Wachstumsfähigkeit des Baumes, und so bleibt dessen Austreiben kontingent. (Mittelalterlichen Aristotelikern wie Thomas galt der Lauf der Sonne aufgrund seiner angeblichen Unveränderlichkeit und ewigen Wiederkehr als notwendig.) In ähnlicher Weise, so Thomas, bringt Gott als unveränderliche und notwendige Erstursache unter Mitwirkung von kontingenten Zweitursachen (causae secundae) statt notwendige kontingente Wirkungen hervor (Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, co.). In welchem Sinne soll Gott als notwendige Ursache verstanden werden? Grundsätzlich in Frage kommen zunächst (a) die These, dass Gott als causa prima notwendigerweise existiert; (b) dass er notwendigerweise als Ursache tätig wird; (c) dass die angezielte Wirkung, wenn er verursachend tätig wird, nicht ausbleiben kann. Im vorliegenden Zusammenhang geht es offenbar nicht um (a) und auch nicht um (b), denn Gott könnte jeglichen kreativen Akt auch unterlassen. Vielmehr geht es darum, ob (c) richtig ist. Thomas verneint dies, weil, obwohl alles weltliche Geschehen von Gott als causa prima abhängt, einiges davon kontingent ist und auch durch die Entscheidungen geschöpf licher causae secundae bestimmt wird. In welchem Sinne kann Gott dann überhaupt als eine notwendige Ursache gelten? Im Sinne einer notwendigen Bedingung allen weltlichen Geschehens, das ohne göttliche Entscheidungen nicht stattfände. Ähnlich wird auch Molina die Frage im Anschluss an Thomas entfalten. Siehe hierzu und zum Begriff der causa necessaria auch unseren ausführlichen Kommentar zu 52.2. In der zweiten oben genannten Frage steckt laut Thomas die größere Schwierigkeit. Denn Gottes Wissen könne, sofern es sich auf eine Zweitursache bzw. deren Entscheiden und Handeln bezieht, nicht zugleich mit einem Mangel in der Zweitursache bestehen. Der Gewissheit des Wissens wegen – man darf paraphrasieren: aufgrund seiner ausgeschlossenen Falschheit – und nicht etwa aufgrund seiner etwaigen kausalen Rolle ist es unmöglich, dass Gott z. B. weiß, dass dieser Mensch da laufen wird, doch dies nicht eintritt. Allgemein gesprochen: wenn Gottes per de-
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finitionem sicheres oder unfehlbares Wissen sich auch auf kontingentes Zukünftiges erstreckt, dann muss diesem Wissen auch eine ebenso große Sicherheit oder Festlegung in der gewussten und im Voraus erkannten zukünftigen Sache entsprechen. Bevor diese existiere oder ein Geschehen eintrete, so Thomas, sei die Sicherheit der Sache aber nur in ihren Ursachen gegeben. Und hier seien drei Fälle zu unterscheiden: (i) Ursachen, aus denen die Wirkung notwendigerweise folgt – hier, so Thomas, könnten die Wirkungen in der Tat sicher und beweisbar aus den Ursachen heraus gewusst werden; (ii) solche, bei denen bestimmte Wirkungen zwar in den meisten, doch nicht in allen Fällen auftreten – hier könne man aufgrund der Ursachen allenfalls Vermutungswissen erwerben; (iii) Ursachen, die zukünftigen Wirkungen keinerlei Festlegung verleihen und eine mögliche Wirkung nicht wahrscheinlicher machen als deren Ausbleiben. Kontingente zukünftige Ereignisse aber sind Wirkungen mit solchen nichtfestlegenden Ursachen (Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, resp.; vgl. In libros peri hermeneias, 14, 19; SCG I, c. 67; ST q. 14, a. 13). Wie aber könnte dann das sichere – und seinem Gegenstand nicht etwa nur Wahrscheinlichkeit zuschreibende – göttliche Wissen auch solche Ereignisse im Vorhinein sicher erfassen? Ein Vorherwissen, buchstäblich verstanden im Sinne eines Wissens innerhalb der Zeit, erscheint für kontingentes Zukünftiges nach diesen Überlegungen nicht möglich. Ein zweiter Grund gegen die Annahme göttlichen Vorherwissens von Kontingentem aus nicht-deterministischen Ursachen ist, dass sich Gottes Erkenntniszustand bei einem solchen Vorherwissen im Laufe der Zeit ändern müsste. Doch auch diese Vorstellung verwirft Thomas. Denn jede Erkenntnis »erfolgt gemäß der [Seins-]Weise des Erkennenden. … Wenn daher Gott ewig ist, gilt, dass [auch] seine Erkenntnis im Modus der Ewigkeit erfolgt, wobei letztere darin besteht, alles zugleich ohne Abfolge zu sein«72. Thomas bringt hier seinen berühmten theolo72
»Omnis enim cognitio est secundum modum cognoscentis … Cum
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gischen Atemporalismus ins Spiel. In seiner Summa contra gentiles beschreibt er Gottes Erkennen (intelligere) als etwas, in dem es, ebenso wie in seinem Sein, keine Abfolge gibt, und das »daher etwas Ganzes ist, das immer zugleich bleibt, was zum Begriff der Ewigkeit gehört. Die Dauer der Zeit dagegen ist in der Abfolge von Früher und Später ausgedehnt. Das Verhältnis der Ewigkeit zur gesamten Dauer der Zeit ist daher wie das Verhältnis des Unteilbaren zu einem Kontinuum. … Da … das Sein des Ewigen nie vermindert wird, ist die Ewigkeit jeder Zeit oder jedem zeitlichen Moment gegenwärtig. Als Beispiel hierfür kann man etwa den Kreis ansehen. … Der Mittelpunkt …, der außerhalb der Kreislinie liegt, steht jedem auf der Linie gegebenen Punkt unmittelbar gegenüber. Alles also, was in einem Teil der Zeit ist, koexistiert mit dem Ewigen, gleichsam ihm gegenwärtig, obwohl es im Hinblick auf einen anderen Teil der Zeit vergangen oder zukünftig ist. … Alles also, was während des ganzen Ablaufs der Zeit geschieht, das schaut der Intellekt Gottes in seiner ganzen Ewigkeit als Gegenwärtiges«.73
igitur Deus sit aeternus, oportet quod cognitio eius modum aeternitatis habeat, qui est esse totum simul sine successione« (Thomas, Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, co.). 73 »Intelligere Dei successionem non habet, sicut nec eius esse. Est igitur totum simul semper manens: quod de ratione aeternitatis est. Temporis autem duratio successione prioris et posterioris extenditur. Proportio igitur aeternitatis ad totam temporis durationem est sicut proportio indivisibilis ad continuum. … Rursum, cum aeterni esse numquam deficiat, cuilibet tempori vel instanti temporis praesentialiter adest aeternitas. Cuius exemplum utcumque in circulo est videre: … centrum …, quod est extra circumferentiam, ad quodlibet punctum in circumferentia signatum directe oppositionem habet. Quicquid igitur in quacumque parte temporis est, coexistit aeterno quasi praesens eidem: etsi respectu alterius partis temporis sit praeteritum vel futurum. … Quicquid igitur per totum decursum temporis agitur, divinus intellectus in tota sua aeternitate intuetur quasi praesens« (Thomas, SCG I, c. 66, Hervorhebung in der Übersetzung C. J.).
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Im Sentenzenkommentar sagt Thomas ähnlich, dass, »wenn also Gott in einer einzigen ewigen unmittelbaren Erkenntnis, nicht der Reihe nach, alle Zeiten sieht, er alles zu verschiedenen Zeiten auftretende Kontingente von Ewigkeit her als gegenwärtig sieht«74. Berühmt ist auch seine Illustration in der Summa theolo giae (I, q. 14, a. 13, ad 3) mittels einer Person, die von einer Höhe herab einen Weg (hinauf zu ihr?) überschaut und in einem einzigen Moment all jene erblickt, die auf diesem Weg wandern, während die Wanderer selber die, welche nach ihnen kommen, nicht sehen. Im Sentenzenkommentar bringt Thomas auch folgendes Beispiel: »Nehmen wir an, fünf Menschen sehen der Reihe nach jeweils zu fünf verschiedenen Stunden fünf kontingente Ereignisse. Ich kann entsprechend sagen, dass diese fünf Menschen diese kontingenten, aufeinander folgenden Ereignisse [jeweils] als gegenwärtig sehen. Wenn man aber annähme, dass diese fünf Akte der Erkennenden ein einziger Akt wären, könnte man sagen, dass das eine Erkenntnis von allen jenen der Reihe nach erkannten Dingen als gegenwärtig wäre. Wenn also Gott in einer einzigen ewigen unmittelbaren Erkenntnis, nicht der Reihe nach, alle Zeiten sieht, sieht er alles zu verschiedenen Zeiten auftretende Kontingente von Ewigkeit her als gegenwärtig.«75
74
»Cum ergo Deus uno aeterno intuitu, non successivo, omnia tempora videat, omnia contingentia in temporibus diversis ab aeterno praesentialiter videt« (Thomas, Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, resp.). 75 »Sint quinque homines qui successive in quinque horis quinque contingentia facta videant. Possum ergo dicere, quod isti quinque vident haec contingentia succedentia praesentialiter. Si autem poneretur quod isti quinque actus cognoscentium essent actus unus, posset dici quod una cognitio esset praesentialiter de omnibus illis cognitis successivis. Cum ergo Deus uno aeterno intuitu, non successivo, omnia tempora videat, omnia contingentia in temporibus diversis ab aeterno praesentialiter videt« (Thomas, Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, resp., Übersetzung C. J.).
LXXXVIII Einleitung
Thomas, so kann man zusammenfassen, ist also ein theologischer Inkompatibilist bzgl. der Vereinbarkeit von einem zeitlich charakterisierten universalen göttlichen Vorherwissen mit der Existenz von kontingentem Zukünftigen. Gleichwohl verteidigt er einen theologischen Kompatibilismus bzgl. göttlicher Allwissenheit und Kontingenz bzw. Freiheit, denn göttliches Wissen liegt ihm zufolge außerzeitlich vor.76 Gottes außerzeitliches Wissen von Dingen oder Ereignissen, die in der Zeit entweder aktual existieren oder einmal aktual waren oder aktual sein werden, bezeichnet Thomas als göttliche scientia visionis (s. etwa ST I, q. 14, a. 9; vgl. Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 4, a. 5; SCG I, c. 66). Es ist wichtig zu sehen, dass es bei all dem um die Frage menschlicher Wahl- oder Entscheidungsfreiheit geht, darum, was Thomas im Einklang mit der mittelalterlichen Tradition (und wie später auch Molina) als liberum arbitrium bezeichnet. Entscheidungsfreiheit setzt auch für Thomas Alternativen voraus, und wie verschiedene seiner Äußerungen belegen, akzeptiert er eine Form des Prinzips der alternativen Möglichkeiten, dem zufolge ein Akteur nur dann frei entscheidet, wenn er auch anders hätte entscheiden können.77 Aber das Vermögen zu solchen Entscheidungen ist nicht dasselbe wie ein (freier) Wille (ST I, q. 83, a. 4), denn es gibt Fälle, in denen ein Wille laut Thomas auch dann frei etwas will, wenn er nicht anders wollen kann. Diesen Punkt hat Eleonore Stump (2003, Kap. 9) erhellend rekonstruiert. Ein liberum arbitrium als Vermögen der freien Entscheidung vollzieht electio, was Thomas als Wahl zwischen verschiedenen Mitteln zu einem bestimmten Zweck beschreibt, die der Intellekt als geeignet erkannt hat. Doch electio in einer freien Entscheidung ist nur eine Art von freier Willensbetätigung. An76
Für Thomas’ allgemeine Zeittheorie siehe etwa die ausführliche Studie von Moling (2009). 77 S. etwa Thomas ST I, q. 83, a. 1: »Quicumque est liberi arbitrii, eius est velle et non velle, operari et non operari.«
Christoph Jäger
LXXXIX
dere Fälle sind solche, in denen ein Wille auf der Grundlage der Einsicht des Intellekts mit ›innerer Notwendigkeit‹ will, was er will. Dies geschieht z. B. dann, wenn gilt, mit Stump gesprochen: »[W]hat is willed is so altogether good that the intellect cannot find any description under which to present it as not good – as in the case of happiness. But it also happens in other sorts of cases as well, as, for example, when the intellect establishes very clearly that one course of action is in every respect superior to any other available« (Stump 2003, S. 298).
Wie auch beim liberum arbitrium schließen ein freier Wille bzw. ein freies Wollen Notwendigkeit aufgrund von äußerem Zwang aus. Aber nicht jede Alternativlosigkeit beruht auf einer solchen Form von Notwendigkeit. Auch wenn der Wille etwas will, weil ihm der Intellekt es als ein Mittel zur Erreichung eines großen oder womöglich: des größten Guts präsentiert, kann er nicht anders, als es zu wollen. Aber dies geschieht nicht aufgrund von Zwängen, die dem Wollenden von außen auferlegt werden. Entsprechend können laut Thomas auch die Engel und die Seligen nicht anders als das Gute zu wollen, und doch sind sie hierin frei. Für Details zu diesem Thema siehe die ausführlichen Erörterungen von Stump (2003), Kap. 9 und Kap. 13. Bleibt zu fragen, wie Thomas’ Ansatz mit speziellen Argumenten gegen die Vereinbarkeit von Allwissenheit und Kontingenz bzw. Freiheit umgeht. Von den verschiedenen gegnerischen Überlegungen, die Thomas diskutiert, sei hier exemplarisch ein zentrales Argument herausgegriffen, das auch in Molinas Diskussion eine wichtige Rolle spielen wird. Betrachten wir das zweite der drei gegnerischen Argumente, die Thomas in ST I, q. 14, a. 13, analysiert. (Im Sentenzenkommentar, d. 38, q. 5, a. 1, führt er es an vierter Stelle, in De veritate, q. 2, a. 12, als fünftes Argument an. Molina zitiert es in der Concordia, 52.3, nach ST als zweites gegnerisches Argument.) Es lautet:
XC Einleitung
»In jedem Konditionalsatz, dessen Antezedens absolut notwendig ist, ist auch das Konsequens absolut notwendig. … Dies aber ist ein wahrer Konditionalsatz: ›Wenn Gott gewusst hat, dass dies geschehen wird, dann wird es geschehen‹, denn Wissen gibt es nur von Wahrem. Das Antezedens dieses Konditionalsatzes aber ist absolut notwendig, sowohl weil es ewig ist, als auch, weil es von etwas Vergangenem handelt. Also ist auch das Konsequens absolut notwendig.«78
Auf den ersten Blick sieht dies nach einer Überlegung aus, die auch dann, wenn man die Rede von ›ewig‹ hier in einem omni temporalen Sinne versteht und akzeptiert, schnell verworfen werden kann. Denn Argumente der Form: ›Notwendigerweise p; wenn p, dann q; also notwendigerweise q‹ sitzen einem modalen Fehlschluss auf. Nun akzeptiert Thomas jedoch auch, dass notwendigerweise gilt, dass, ›wenn Gott gewusst hat, dass dies geschehen wird, es geschehen wird‹. Dies ergibt sich aus begrifflichen Gründen aus der Faktivität des Wissens. Mit dieser Prämisse aber erhält man folgendes Argument. Angenommen, zum Zeitpunkt t geschieht X. Dann gilt: Ein zweites theologisches Konsequenzargument (1) Notwendigerweise: Gott wusste (immer schon), dass X zu t sein (oder geschehen) wird. (2) Notwendigerweise: Wenn Gott (immer schon) wusste, dass X zu t sein (geschehen) wird, dann ist (geschieht) X zu t. (3) Also: X ist (geschieht) zu t notwendigerweise.
78
»Omnis conditionalis cuius antecedens est necessarium absolute, consequens est necessarium absolute. … Sed haec est quaedam conditionalis vera, ›si Deus scivit hoc futurum esse, hoc erit‹: quia scientia non est nisi verorum. Huius autem conditionalis antecedens est necessarium absolute: tum quia est aeternum; tum quia significatur ut praeteritum. Ergo et con sequens est necessarium absolute« (Thomas, ST I, q. 14, a. 13).
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XCI
Als erstes ist hier allerdings zu präzisieren, dass in den Prämissen (1) und (2) von unterschiedlichen Arten von Notwendigkeit die Rede ist. Das Konditional in (2) ist aufgrund der Faktivität von Wissen logisch notwendig. Doch das ist nicht die Art von Notwendigkeit, um die es sinnvollerweise in (1) gehen kann, denn es gibt mögliche Welten, in denen X zu t nicht geschieht und in denen Gott somit nicht immer schon wusste, dass X zu t geschehen wird. Das Argument arbeitet somit mit gemischten Modalitäten. Eine erste wichtige Anfrage an Thomas’ Gegner, der mit diesem Argument für einen theologischen Determinismus argumentieren will, lautet demnach, auf welche Art von Notwendigkeit in (3) überhaupt geschlossen werden soll. Logische oder analytische Notwendigkeit ist hier offenbar keine gute Kandidatin, und somit dürfte gemeint sein, dass sich Notwendigkeit von der Art, wie sie dem göttlichen Wissen in (1) zugesprochen wird, auf (3) überträgt. Das Argument stützt sich dann auf eine modale Geschlossenheitsregel der Form: Np, □(p ⊃ q) |– Nq, und eine entscheidende Frage ist, ob es eine geeignete Interpretation des durch ›N‹ repräsentierten Modaloperators gibt, unter der diese Regel gültig und das betreffende Argument zumindest schlüssig ist. Zweitens kommt es dann natürlich auch darauf an, ob Prämisse (1) wahr ist. Eine mögliche Lesart des gegnerischen Arguments wäre, dass es in (1) und (3) um akzidentelle Notwendigkeit im Sinne William von Sherwoods und Ockhams geht. In aristotelischer Tradition gehörte es zu den Standardthesen mittelalterlicher Metaphysik, dass etwas, sobald es ist oder geschieht, insofern notwendig ist, als es von da an nicht mehr verhindert oder ungeschehen gemacht werden kann, dass es ist. Dass beispielsweise Cäsar am 10. Januar im Jahre 49 v. Chr. den Rubicon überquerte, wird ab dem Eintreten dieses Zeitpunkts (für beliebige Subjekte) in diesem Sinne notwendig. William von Sherwood (um 1200/1210– 1266/1272) prägte hierfür den Begriff der akzidentellen (in Abgrenzung zu logischer oder ontologischer) Notwendigkeit:
XCII Einleitung
»Akzidentell notwendig aber ist, was weder gegenwärtig noch zukünftig falsch sein kann, jedoch einmal falsch sein konnte.«79
Doch auch das trifft nicht die Lesart der Prämissen (1) und (2), die Thomas seiner Ablehnung des Arguments zugrunde legt.80 Zwar weist er, anders als man vielleicht erwarten könnte und als Boethius repliziert hatte, das Argument nicht direkt mit einem Verweis auf seine Außerzeitlichkeitstheorie göttlichen Wissens und indem er Prämisse (1) leugnet, zurück. Dies mag damit zu tun haben, dass er, ähnlich wie später Molina, konzediert, dass man, auch wenn Gott als atemporal ewig zu denken sei, in Bezug auf ihn gleichwohl insofern von Vorherwissen sprechen dürfe, als das, was er erkennt, Dinge umfasst, die für uns (Molina wird sagen: nostro intelligendi modo), wenn auch nicht für Gott, zukünftig seien: »Sed tamen potest dici praescientia, inquantum cognoscit id quod futurum est nobis, non sibi« (Super Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5, resp.). Aber Thomas antwortet, dass, wenn im Antezedens des Konditionals – im vorliegenden Beispiel: ›Gott wusste, dass X zu t geschehen wird‹ – von etwas die Rede sei, was zur Tätigkeit der (göttlichen) Seele gehöre, auch das Konsequens nicht so aufzufassen sei, dass es etwas beschreibe, wie es »in sich« sei, sondern so, wie es in der Seele sei. Entsprechend gelte es dann, das Konsequens auch als in derselben Weise notwendig anzusehen wie das Antezedens, entsprechend der Lehre des Aristoteles aus De int. 9, nach der es für das Seiende, wenn es ist, notwendig ist, dass es ist.81 79
»Necessarium autem per accidens est, quod non potest nec poterit esse falsum, potuit tamen« (William von Sherwood, Introductiones, 11, S. 34). Ockham spricht von akzidenteller Notwendigkeit in der Ordinatio, Prolog, q. VI, S. 178 f. 80 Für präzisierte Fassungen des Arguments der akzidentellen Notwendigkeit siehe meine Rekonstruktion von ›Ockhams Ausweg‹ unten in 4.7. 81 »[A]liter dicendum est quod quando in antecedente ponitur aliquid pertinens ad actum animae, consequens est accipiendum non secundum esse quod in se est, sed secundum esse quod est in anima: aliud enim est
Christoph Jäger
XCIII
Diese Antwort ist nicht leicht zu interpretieren. Thomas dürfte hier jedoch wie folgt zu verstehen sein: Gott ist immer – nicht in der Zeit, sondern er existiert atemporal-ewig. Nichts in ihm geht von einem Zustand der Potentialität in einen der Aktualität über, denn Gott ist in allem unveränderlich und actus purus. Dann aber ist ihm und seinen Akten der aristotelischen Lehre zufolge, dass alles, was ist, notwendig ist, wenn oder solange es ist, Notwendigkeit zuzusprechen.82 Man könnte die von Thomas hier ins Spiel gebrachte Form von Notwendigkeit demnach auch als Not wendigkeit aufgrund ständiger atemporaler Gegenwärtigkeit bezeichnen. Genau in diesem Sinne ist auch Gottes Wissen notwendig, und nur das ist – gemäß der thomasischen Atemporalitätstheorie – die angemessene Lesart von Prämisse (1) des gegnerischen Arguments. Die Konklusion (3) folgt dann, wenn überhaupt, nur, wenn man die behauptete Notwendigkeit dessen, dass X zu t ist bzw. stattfindet, ebenfalls im Sinne der Notwendigkeit von (1), wie sie dem atemporalen Wissen in der göttlichen Seele zukommt, zuspricht. Andernfalls säße man einer fallacia aequivoca tionis auf. (Da in (3) nicht sinnvollerweise auf logische Notwendigkeit geschlossen werden kann, käme andernfalls eine dritte Art von Notwendigkeit ins Spiel, was abwegig wäre.) Thomas räumt mit dieser Überlegung also durchaus ein, dass der oben rekonstruierte gegnerische Schluss in einer bestimmten Lesart ein gültiges und sogar stichhaltiges Argument ist. Es fragt sich somit, inwiefern, wenn von Gott vorausgewusste menschliche Handlungen notwendig sind in dem Sinne, in dem Gottes Wissen von ihnen aufgrund seines atemporalen Immer-Seins notwendig ist, dies ihre Freiheit nicht kompromittiert. Thomas zufolge sind auch die betreffenden Gegenstände göttesse rei in seipsa, et esse rei in anima. … Et sic necessarium est, sicut et antecedens: ›Quia esse quod est, quando est, necesse est‹, ut dicitur in 1 Peri Herm.« (ST I, q. 14, a. 13, ad 2). 82 Für eine Diskussion dieses berühmt-berüchtigten aristotelischen Satzes siehe etwa von Wright (1984). Vgl. auch unseren Kommentar zur Con cordia, 52.3.
XCIV Einleitung
lichen Wissens, da Gott sie atemporal-ewig per scientiam visionis schaut, zeitlos gegenwärtig und existieren insofern aus Gottes Sicht notwendig. Die Ordnung zeitlicher Ereignisse in früher, gleichzeitig und später bleibt dabei bestehen. Und dass eine menschliche Handlung X bezogen auf Gott und ihre Erfassung in der göttlichen Seele in diesem Sinn notwendig ist, ist laut Thomas auch mit der kausalen und ontologischen Kontingenz der Handlung – und damit ihrer Freiheit – vereinbar. Eine entscheidende Frage an Thomas lautet dann allerdings, ob es verständlich und kohärent ist, kontingenten Dingen sowohl ein kontingentes Vorkommen in der Zeit als auch ein notwendiges Vorkommen in zeitloser Ewigkeit zuzusprechen. Wie hat man sich eine notwendige atemporale Existenz von Dingen, die außerdem zeitlich und in Sukzession ins Dasein treten und wieder verschwinden, vorzustellen?
4.6 Johannes Duns Scotus »Hoc non capio«, konstatiert Duns Scotus (1265/1266–1308) über die thomasischen Thesen, »Das verstehe ich nicht!« (Reportatio IA, d. 38, n. 20, S. 42/43). Einschlägig für die Rekonstruktion von Scotus’ Auffassung sind vor allem seine Kommentare zu den Distinktionen 38–44 des Liber Sententiarum des Petrus Lombardus. Diese Kommentare sind in verschiedenen Fassungen überliefert, und die Quellenlage ist bis heute unübersichtlich. Eine kurze Vorbemerkung zu ihr erscheint daher angebracht, ohne dass ich hier in den gelehrten Streit um Textgeschichte, Überlieferung und Authentizität der betreffenden Werke eingreifen will.83 83
Aus der Fülle der Forschungsliteratur sei hier verwiesen auf Balić (1950) und die neueren ausführlichen Studien von Rodler (2005) und Dumont (im Erscheinen). S. außerdem Joachim Söders Einleitung zur Reportatio IA, S. 24–32. Für umfassendere Studien s. ferner Vos Jaczn (2006), Honnefelder (2005) oder Cross (1999). Eine ausführliche Diskussion von Scotus’ Überlegungen zu Freiheit und Kontingenz findet sich ebenfalls in
Christoph Jäger
XCV
Im Folgenden ziehe ich vor allem Belegstellen aus der Ordinatio heran (Editio Vaticana, Appendix A, zitiert als ›Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5‹) sowie aus der Reportatio examinata (in der kritischen zweisprachigen Edition von Joachim R. Söder) und der Lectura I 39.84 Bis zum Erscheinen der von Carol Balić geleiteten Editio Vaticana (ab 1950) wurde das Bild von Scotus’ Werken dominiert durch deren Druck von Luca Wadding (1639; einen Neudruck besorgte Louis Vivès 1891–1895 in Paris). Abweichend von den Herausgebern der Editio Vaticana tendiere ich zu der Auffassung der Mehrzahl der heutigen Scotusforscher, nach der Scotus nur zweimal Vorlesungen über die Sentenzen des Petrus Lombardus gehalten hat, nämlich in Oxford (1298–1299) und in Paris (1302–1303). Die frühere Annahme einer dritten, von Scotus in Cambridge gehaltenen Sentenzenvorlesung scheint heute unwahrscheinlich. ›Ordinatio‹ nennen die Herausgeber der Editio Vaticana das auf Scotus’ eigenen Ausarbeitungen beruhende, aber unvollständig gebliebene Scriptum seiner Oxforder Sentenzenvorlesung. Dessen Autograph, der sogenannte Liber Duns (auch ›Liber Ioannis‹ oder ›Liber Scoti‹), ist verlorengegangen. Die Ordi natio ist rekonstruiert worden aus uns erhaltenen Textzeugen des sogenannten Opus Oxoniense, einer großen, bereits im 14. Jahrhundert von Scotus’ Schülern herausgegebenen Kompilation von Scotus’ Texten und Notizen zu den Sentenzen, die jedoch zahlreiche nach Scotus’ Tod von dritter Seite eingefügte Teile u. a. aus der Pariser Reportatio Magna enthält. Bei der sogenannten Lectura Oxoniensis ist ebenfalls strittig, ob es sich um eine spätere Kompilation aus dem Opus Oxoniense handelt oder um die erste Fassung
Craig (1988), Kap. V. Für einen kenntnis- und hilfreichen Vergleich der Ansätze bei Thomas, Scotus und Ockham s. etwa Adams (1987), Kap. 27, oder die detaillierte Studie von Osborne (2014). 84 Übersetzungen aus der Ordinatio, App. A, stammen von Hans Kraml und mir; Übersetzungen aus der Reportatio übernehme ich von Söder. Zur Lectura I 39 s. etwa die ausführlich kommentierte lateinisch-englische Ausgabe von Vos Jaczn et al., John Duns Scotus (1994).
XCVI Einleitung
des ersten Teils der Oxforder Sentenzenvorlesung, wie dies etwa Anthonie Vos Jaczn et al. (1994) behaupten. Das erhaltene Pariser Sentenzenwerk des Duns Scotus beruht ebenfalls nicht auf persönlichen Ausarbeitungen des Autors, sondern ist ausschließlich in Reportationen (also Mitschriften und Zusammenstellungen) seiner Vorlesungen überliefert. Nach heutiger Auffassung sind vier Redaktionen des ersten Buchs zu unterscheiden: Reportatio IA, IB, IC und die sogenannten Addi tiones Magnae. Umstritten ist die Frage, ob und in welchem Sinne die Reportatio IA tatsächlich eine ›Reportatio examinata‹, also eine vom Autor selbst vor ihrer Verbreitung geprüfte Fassung darstellt. Die Verfechter dieser These sehen einen Beweis hierfür im Explicit (Schlussnotiz) der Wiener Handschrift (Österreichische Nationalbibliothek lat. 1453). In neuerer Zeit hat dagegen Klaus Rodler (2005, siehe S. 61*–63*) diese Annahme in Frage gestellt. Nach neuesten Forschungen von Stephen Dumont (2018) muss eine ›Reportatio examinata‹ ohnehin nicht eine im Einzelnen vom Autor geprüfte Fassung sein. Vielmehr beschreibt der Ausdruck examinatio offenbar vornehmlich die Überprüfung eines Werkes durch den Orden im Hinblick auf die Freiheit von theologischen ›Irrtümern‹ und häretischen Ansichten, auch wenn dies typischerweise unter Hinzuziehung des Autors geschah. In der Ordinatio fragt Scotus zu Beginn seiner Diskussion von Distinktion 38 zunächst, ob Gott (i) definite, (ii) sichere und unfehlbare, (iii) unveränderbare und (iv) notwendige Kenntnis (not itia) bzw. ein entsprechendes Wissen (scientia) von Kontingentem besitze. Als Abschlussfrage fügt er hinzu, ob zusammen mit der Bestimmtheit und Gewissheit von Gottes Wissen (determinatione et certitudine scientiae suae) Kontingenz auf Seiten der Dinge bestehen könne. Nach diesen Differenzierungen bemerkt Scotus dann allerdings, dass man all diese Fragen auch zugleich behandeln könne, weil sie durch dieselben Überlegungen beantwortet würden. Ich folge dieser Empfehlung und betrachte jene Kernpunkte von Scotus’ Überlegungen, die alle genannten Aspekte gleichermaßen betreffen.
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Scotus meint, die Existenz von Kontingentem könne zwar nicht bewiesen werden, leugnet jedoch nicht, dass es Kontingentes gibt und dass man auch wissen kann, dass dem so ist. Diejenigen, so bemerkt er sarkastisch, »die solche offenkundigen Dinge leugnen, brauchen eine Strafe« – ganz so, wie nach Avicenna (Metaphysik, Buch 1) auch diejenigen, die das Nicht widerspruchsprinzip leugnen, geschlagen oder dem Feuer ausgesetzt werden sollten, bis sie zugestehen, dass es nicht dasselbe ist, verbrannt oder nicht verbrannt zu werden, geschlagen oder nicht geschlagen zu werden (Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5; II.A, 1, S. 415; Reportatio IA, d. 39–40, n. 30, S. 80/81; Lectura I 39, II.40). Vielleicht schwingt hier eine Anspielung auf die berühmte Parabel zum Determinismus mit, die Zenon von Kition zugeschrieben wird: Dieser soll einen Sklaven beim Stehlen erwischt und dafür ausgepeitscht haben. Als der Misshandelte sich damit zu entschuldigen suchte, dass sein Handeln Schicksal gewesen sei, soll Zenon geantwortet haben, dass dasselbe dann auch für seine Bestrafung gelte (vgl. Diogenes Laertios, Vitae, VII.23). Gott, bemerkt Scotus, könne keineswegs allgemein abgesprochen werden, genau eine von zwei Alternativen wissen zu können, denn das könne sogar er, Scotus, – wenn die eine Alternative eingetreten sei (Reportatio IA, d. 38, n. 35, S. 50/51). Die Frage allerdings ist, ob Gott, anders als menschliche Personen, von kontingenten Ereignissen wissen kann, bevor sie eintreten. Und allein mit Gottes Unermesslichkeit lässt sich dies Scotus zufolge nicht begründen. Wenn Gott etwa immerwährend in der Zeit existierte, würde er zwar buchstäblich im Verlauf der Zeit alle kontingenten Ereignisse sukzessive erfassen, indem ihm diese nach und nach gegenwärtig würden. Jedoch verschwänden sie auch jeweils wieder aus ihrer zeitlichen Gegenwart und könnten vor allem auch vor ihrem Eintreten von Gott noch nicht gewusst werden. Insgesamt hält Scotus aus solchen Gründen an einer thomasischen Atemporalitätskonzeption fest. Der erste Ausgangspunkt für seine eigene Theorie ist hin gegen eine Kritik an Thomas’ Theorie der Zweitursachen als
XCVIII Einleitung
Quelle der Kontingenz. Die Notwendigkeit einer Ursache, so hält Scotus Thomas entgegen – gemeint ist hier die Unmöglichkeit, dass ihre Wirkung ausbleibt – übertrage sich sehr wohl stets auf ihre Wirkungen, und so könne, wenn die Erstursache notwendig sei, auch die letzte Wirkung in einer Ursache-Wirkungs-Kette nur notwendig sein. Folglich könne durch Zweitursachen keine Kontingenz in die Welt kommen (Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5, I.C, S. 412 f.; Reportatio IA, d. 39–40, n. 12–15, S. 72/73, 31–34, S. 80–83; Lectura I 39, II.35). Scotus meint, seine Über legung beweise dies in aller Kürze (probabitur breviter ex hoc …, Ordinatio, ibid.), führt allerdings keine weiteren Argumente hierfür an. Es handelt sich daher eher um die Gegenbehauptung zu dem, was Thomas konstatiert, als um einen Gegenbeweis. Der zweite zentrale Einwand des doctor subtilis gegen Thomas läuft darauf hinaus, dass dessen Atemporalitätslösung unverständlich bzw. inkohärent ist. Gott, meint Scotus, »kann im Jetzt der Ewigkeit nur dann [mit Zeitlichem] koexistieren, wenn es ein Beziehungsglied seiner Koexistenz gibt, das wirklich existiert; Vergangenes und Zukünftiges aber sind gerade nicht«85. Wie Gott in seiner ganzen Unermesslichkeit (immensitas) gleichwohl nur einem aktual existierenden, nicht jedoch einem bloß potentiellen Ort gegenwärtig sein könne, so könne er auch nur einer aktual existierenden Zeit gegenwärtig sein und mit ihr koexistieren (ibid., n. 20, S. 42/43, und n. 26, S. 44/45). In der Ordinatio erläutert Scotus: »Denn angenommen, ein Ort könnte kontinuierlich ins Unendliche wachsen (sodass Gott, ähnlich wie die Zeit in kontinuierlichem Fluss ist, den Ort größer und größer werden ließe), so wäre doch die Unermesslichkeit Gottes für ihn nur dann Grund dafür, mit 85
»Deus non potest coexistere per ›nunc‹ aeternitatis nisi sit aliquis terminus coexistentiae actu existens; praeteritum autem et futurum non sunt« (Scotus, Reportatio IA, d. 38, n. 27, S. 44/45, Hervorhebung in der Übersetzung C. J.).
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irgendeinem Ort (zu irgendeinem ›Jetzt‹) zu koexistieren, wenn dieser existiert. … Wenn also die Unermesslichkeit nur ein Grund der Koexistenz mit einem Ort ist, der wirklich und nicht nur möglich ist (denn letzterer existiert ja nicht), dann ist aus dem gleichen Grund auch die Ewigkeit nur ein Grund der Koexistenz mit etwas, das existiert.«86
Entsprechend koexistiere Gott auch im Jetzt der zeitlosen Ewigkeit mit keinem anderen Teil der Zeit als mit dem Jetzt der zeitlichen Gegenwart.87 Und da es Zukünftiges noch nicht gebe, könne selbst Gott Zukünftiges nicht als etwas Gegenwärtiges erfassen. Insgesamt hält Scotus also zwar an einer thomasischen Atemporalitätskonzeption fest. Das Problem sieht er indessen darin, dass auch außerzeitliches Wissen keinen zeitlichen Augenblick aus dessen ständig verfließender Gegenwart in eine unbegrenzt währende Präsenz überführen kann. Eine eng verwandte Schwierigkeit macht Scotus in einer entsprechenden Inkohärenz der Beschreibung kreativer göttlicher Akte aus, in denen Gott die Aktualisierung von Potentialitäten zugeschrieben wird: Wenn Gott oder seinem Wissen, in göttlicher Ewigkeit, beispielsweise mein zeitlich betrachtet noch zukünftiges Sitzen bereits als jetzt seiend oder stattfindend gegenwärtig ist, dann muss Gott dieses Sitzen bereits hervorgebracht haben. Andererseits muss jedoch gelten, dass er dieses 86
»… quia posito quod locus possit continue crescere in infinitum (ita quod sicut tempus est in continuo fluxu, ita Deus augeat et augeat locum in fieri), immensitas tamen Dei non esset sibi ratio coexsistendi alicui loco (in aliquo ›nunc‹) nisi exsistenti. … Si ergo immensitas non est ratio coexsistendi loco nisi actuali, et non potentiali (quia non est), pari ratione aeternitas non erit ratio coexsistendi alicui nisi exsistenti« (Scotus, Ordinatio, d. 38, q. 2, et d. 39, q. 1–5; I.B, S. 409). 87 »Deus per immensitatem suam non est praesens alicui loco nisi actualiter existenti; ergo a simili Deus non coexistit per ›nunc‹ aeternitatis alicui parti temporis nisi ipsi ›nunc‹ praesentis« (Scotus, Reportatio IA, d. 38, n. 20, S. 42/43).
C Einleitung
Sitzen allererst hervorbringen wird; denn in der Zeit ist es, ex hypothesi, noch zukünftig. Somit ergibt sich, dass »dasjenige, was von ihm schon hervorgebracht wurde, noch einmal im Sein hervorgebracht wird, und so wird es zweimal im Sein hervor gebracht«88. Auch ein solches Resultat erscheint indessen unverständlich. Aus diesem Einwand der doppelten creatio, wie ich ihn nennen möchte, erhellt, dass Thomas und Scotus unterschiedliche Zeittheorien vertreten. Während Thomas von einem aeternalistischen Ansatz ausgeht, dem zufolge sowohl die Vergangenheit als auch Gegenwart und Zukunft und alles, was sich zu diesen Zeiten abspielt, gleichermaßen existieren und genau deshalb auch von Gott in seiner außerzeitlichen Ewigkeit auf einmal – in Stumps und Kretzmanns Terminologie: im Modus der ET-Simultanität89 – erfasst werden können, gehen Scotus’ Überlegungen von einer präsentistischen Zeittheorie aus, der zufolge nur die Gegenwart existiert.90 Dies macht auch Scotus’ Diskussion des von Thomas beigebrachten Beispiels des Kreises deutlich, bei dem laut Thomas, ähnlich wie die außerzeitliche Ewigkeit allen Zeitpunkten gegenwärtig sei, der Mittelpunkt allen Punkten auf der Umfangslinie gegenübersteht. Scotus korrigiert den Vergleich:
88
»[E]rgo illud quod iam ab ipso productum est, iterum producetur in esse, et ita bis producetur in esse« (Scotus, Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5; I.B, S. 410; vgl. Reportatio IA, n. 22, S. 42/43; Lectura I 39, 28). 89 Vgl. hierzu die Schlussbemerkung im obigen Kapitel zu Boethius. 90 Für eine ausführliche Diskussion und Verteidigung (einer Version) des Präsentismus s. etwa Bourne (2006). Präsentisten hängen oft auch einer sogenannten A-Theorie der Zeit an, der zufolge Ereignisse durch ihre Beziehung zum jeweiligen Jetzt der Gegenwart geordnet werden. Anders als ihre bleibende ›B-Ordnung‹ in ›früher als‹, ›gleichzeitig mit‹ und ›später als‹ ändern Ereignisse ihre A-Ordnung in ›zukünftig‹, ›gegenwärtig‹ und ›vergangen‹ mit dem Verfließen der Zeit. Scotus wird oft auch als A-Theoretiker der Zeit interpretiert.
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CI
»Stellen wir uns nämlich eine gerade Linie mit zwei Endpunkten A und B vor, und sei der Punkt A unbeweglich, während B um ihn herumgeführt wird (wie es bei den Spitzen eines Zirkels ist, von denen eine unbeweglich und die andere beweglich ist). Dann erzeugt der herumgeführte Punkt B eine Umfangslinie im Sinne der Geometer, die sich denken, dass ein fließender Punkt eine Linie hervorbringt. Wenn unter dieser Annahme durch den Fluss des Punktes B nichts vom Umkreis bleibt, sondern nur der jeweilige Punkt auf dem Umkreis vorkommt (sodass, sobald der Punkt aufhört, an einer bestimmten Stelle zu sein, dort vom Umkreis nichts mehr vorliegt), dann ist dem Zentrum niemals der [ganze] Umkreis zugleich gegenwärtig, sondern es wäre nur jeweils ein Punkt des Umkreises dem Zentrum gegenwärtig. … So ist es hier: Wenn die Zeit nicht ein feststehender Umkreis, sondern ein fließender ist, ihr Umkreis nur der jeweils aktuale Augenblick, dann wäre auch nichts von ihr der Ewigkeit gegenwärtig (die sozusagen das Zentrum bildet), außer jener Augenblick, der sozusagen gegenwärtig ist.«91
Scotus fährt fort, dass Koexistenz zwei Beziehungsglieder involviere, wobei jedoch auch bei größter Unermesslichkeit (immen sitas) des einen Teils nur dann auf eine Koexistenz mit dem anderen geschlossen werden könne, wenn dieser andere existiere. 91
»Quia si imaginemur lineam rectam habentem duo puncta terminantia a et b, sit a punctus immobilis et b circumducatur (sicut est de pede circini, uno immobili et alio mobili), b circumductum causat circumferentiam secundum imaginationem geometrarum, qui imaginantur punctum fluens causare lineam; hoc posito, si nihil remaneat de circumferentia per fluxum ipsius b, sed tantum in circumferentia sit punctus iste (ita quod quandocumque punctus ille desinet esse alicubi, tunc nihil circumferentiae est ibi), tunc numquam circumferentia est simul praesens centro, sed tantum aliquis punctus circumferentiae esset praesens centro. … Ita hic: cum tempus non sit circumferentia stans sed fluens, cuius circumferentiae nihil est nisi instans actu, – nihil etiam eius erit praesens aeternitati (quae est quasi centrum) nisi illud instans quod est quasi praesens« (Scotus, Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5, IV, S. 441 f.; siehe auch Reportatio IA, d. 38, n. 28, S. 46/47; vgl. Lectura I 39, 85).
CII Einleitung
Dieser könne nicht etwas Nicht-Seiendes sein, wie es indessen jede Zeit außer der gegenwärtigen sei; vom Zeitenfluss koexistiert nur der jeweils gegenwärtige Moment mit der Ewigkeit, eben »weil von der ganzen Zeit nichts anderes ist als der gegenwärtige Augenblick bzw. das Jetzt« (Reportatio IA, d. 38, n. 28, S. 46/47, Hervorhebung C. J.). Ähnliches gelte auch für das Beispiel des in einem Fluss steckenden Stabes.92 Es heiße, in seinem Fließen sei der Fluss dem Stab einerseits sukzessiv gegenwärtig, während der Stab hinsichtlich des Flusses als ganzem zugleich von »unbeweglicher und sicherer Gegenwärtigkeit« sei (immobilis et certae praesentiae; ibid., n. 19, S. 40/41). Doch angenommen, der Fluss enthalte nur einen einzigen Tropfen Wasser. Dann höre auch die Koexistenz des Stabes mit anderen Flussteilchen auf (ibid., n. 29, S. 46/47; vgl. Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5, IV, S. 441). Zur Hinführung auf Scotus’ eigene Antwort sei neben der von ihm abgelehnten Atemporalitätslösung auch eine »zweite Meinung anderer« betrachtet, die Scotus diskutiert. Er mag hier Bonaventura im Auge haben (s. dessen Sentenzenkommentar, I, d. 39, q. 3. a. 2), dem zufolge Gott aufgrund seiner sicheren und unfehlbaren Repräsentation der Ideen, durch die er alle Zustände der Dinge und ihre wechselseitigen Kombinationen sieht, sicheres und unfehlbares Wissen auch hinsichtlich der contingentia futura hat (Reportatio IA, d. 38, n. 30, S. 46/47; in der Ordinatio wird diese Ansicht als erste genannt). »Sed hoc non capio«, repliziert Scotus abermals (ibid., n. 31, S. 46/47). Die Gründe für die »Erkenntnis der Termini« eines Satzes (rationes cognoscendi terminos alicuius complexionis) – gemeint sein dürfte das korrekte Erfassen ihrer Bedeutung – erlauben es nämlich nicht generell, auch seinen Wahrheitswert zu erfassen, es sei denn, so Scotus, die Möglichkeit hierzu liege in der Natur des Satzes. Dies ist freilich nur bei analytisch wahren und aus 92
Das Beispiel findet sich wörtlich auch in d. 38 des Sentenzenkommentars von Heinrich von Harclay; die Herausgeber der Lectura verweisen auf ein ähnliches Bild bei Romanus von Rom.
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CIII
diesem Grund notwendigen Sätzen oder Propositionen der Fall. Ideen, die in diesem Sinne rein »naturhaft« (naturaliter) erfasst werden können, sind (explanatorisch betrachtet) bereits vor einem jeden göttlichen Willensakt in Gottes Geist, eben weil sie die Dinge so repräsentieren, wie sie ihrem Wesen nach sind und unmöglich anders sein können. Junggesellen etwa, so würde Scotus sagen, sind ›naturgemäß‹ männlich und unverheiratet, weshalb die Ideen ›unverheirateter Mann‹ und ›Junggeselle‹ ihrer Natur oder ihrem Wesen nach miteinander verbunden sind. Daher ist ein Satz wie ›Junggesellen sind unverheiratete Männer‹ oder ›Dieser Junggeselle ist ein unverheirateter Mann‹ notwendigerweise wahr. Ein Satz dagegen, der sich auf kontingente Ereignisse bezieht, ist, was seine Wahrheit oder Falschheit angeht, gerade »nicht aus seiner Natur heraus aus den Termini erkennbar«93. Die Ideen ›Mensch‹ und ›weiß‹ gehören nicht natur- oder wesensmäßig zusammen, denn einige Menschen sind, ggf. zu bestimmten Zeiten, weiß, und andere sind es nicht, und es könnte auch keinerlei weiße Menschen geben. Auch der göttliche Verstand muss somit, sofern er lediglich die Termini eines Satzes erfasst, der von kontingentem Zukünftigen handelt, in Bezug auf dessen Wahrheit oder Falschheit indifferent bleiben. Vor diesem Hintergrund formuliert Scotus schließlich seine eigene Antwort, die u. a. die sogenannte These der doppelten Kon tingenz involviert. Gegen Thomas hatte er argumentiert, dass, wenn die Erstursache in einer Ursache-Wirkungs-Reihe in notwendiger Weise wirke, keine Kontingenz in der Reihe auftreten könne. Wenn es also Kontingenz in der Welt gibt, so schließt er, dann ist sie in der Erstursache – also in Gott – zu suchen. Dort muss sie entweder im göttlichen Intellekt oder im göttlichen Willen liegen. Der göttliche Intellekt indessen, betrachtet 93
»Rationes cognoscendi terminos alicuius complexionis non sufficienter causant notitiam illius complexionis, nisi illa nata sit cognosci ex terminis; complexio contingens non est nata cognosci ex terminis« (Scotus, Ordinatio, d. 38, q. 2, et d. 39, q. 1–5; I.A, S. 406).
CIV Einleitung
vor jedem göttlichen Willensakt, scheidet für diese Rolle aus, da er vor Gottes kreativen Akten nur natürliches Wissen im oben erläuterten Sinne hat. Folglich muss die Quelle der Kontingenz im göttlichen Willen liegen (Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5, II.A.2, S. 415 f.; Reportatio IA, d. 39–40, n. 31, S. 80/81). Während Gott notwendige Propositionen (complexiones necessarias) und ihre Wahrheitswerte in seinem Verstand vor jeglichem Willensakt und rein naturhaft erkennt, erfasst er Propositionen mit kontingenten Termini – gemeint sind: kontingente Propositionen– erst auf der Basis seines zustimmenden und akzeptierenden Willens. Denn erst in dem Augenblick, da der göttliche Wille einer bestimmten Kombination der Termini – z. B. ›Sokrates‹ mit ›sitzt‹ – für einen bestimmten Zeitpunkt zustimme, werde »der kontingente Sachverhalt als einer von zwei kontradiktorischen Alternativen definitiv wahr gemacht«.94 Genau wie aber soll dies die Kontingenz entsprechender Sachverhalte oder Propositionen sichern? Ein vollkommener Wille, wie er in Gott anzunehmen ist, argumentiert Scotus, kann alles anstreben, was seiner Natur nach gewollt werden kann. Und ein freier Wille – auch bei uns – kann sich auf Entgegengesetztes richten, d. h. er kann sowohl wollen, dass p, als auch wollen, dass nicht-p. Hier gilt es indessen zu differenzieren. Scotus betrachtet zunächst den geschaffenen, menschlichen Willen und überträgt bestimmte Ergebnisse dann auf Gott. Zum einen kann ein freier Wille nacheinander, diachron, etwas wollen und später das Gegenteil wollen. (Ich kann jetzt den Willen haben, etwas zu essen, und danach, wenn ich satt bin, nichts mehr essen wollen.) Eine solche zeitliche Abfolge von Volitionen kann es in einem zeitlosen Gott nicht geben. Daneben gibt es aber auch eine »nicht so offensichtliche«, synchrone Fähigkeit, in ein- und demselben Moment Entgegengesetztes zu wollen. Das sei freilich nicht so 94
»[I]n ipso instanti quo complacet, contingens est factum verum determinate ad unam partem contradictionis« (Scotus, Reportatio IA, d. 38, n. 42, S. 54/55; vgl. auch n. 37, S. 50/51).
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CV
zu verstehen, dass es in sensu composito möglich ist, dass der Wille oder dessen Subjekt zugleich p und nicht-p wollen kann. Der Satz ›Es ist möglich, dass S zugleich p will und dass S nicht-p will‹ ist laut Scotus falsch. Aber ›S will zum Zeitpunkt t, dass p, und es ist möglich, dass S zu t nicht-p will‹ ist wahr. Die Quintessenz von Scotus’ (im Detail in diesem Kontext nicht immer ganz transparenten) Überlegungen lautet, dass Analoges auch für Gott als Erstursache und seinen atemporal ewig operierenden, kreativen Willen gilt. Auch wenn Gott eine bestimmte Welt aktualisiert hat, hätte er sich anders entscheiden können, und daher sind die Dinge und Ereignisse keineswegs notwendigerweise so, wie sie faktisch sind (Scotus, Ordinatio, d. 38, q. 2, et d. 39, q. 1–5; II.A.3, S. 416–419, II.B., S. 425–427). Scotus erwägt zwei mögliche Antworten, wie in diesem Rahmen auch Gottes Wissen als mit der Kontingenz zukünftiger Dinge und Ereignisse vereinbar erklärt werden kann. (i) Die erste lautet, dass Gott, indem er die Festlegung seines Willens kennt, sieht, dass etwas in der Zeit geschehen wird, eben weil jener göttliche Wille dies so festlegt und weil der göttliche Intellekt weiß, dass der göttliche Wille unveränderlich und (in seiner Verwirklichung) unverhinderbar ist.95 Anders als bei Thomas erkennt Gott diesem Vorschlag zufolge somit allein durch das Wissen um sein eigenes Wesen, für das sein Wille konstitutiv ist, was sich kontingenterweise in der Welt abspielt. Diese These sollte auch Molina inspirieren. (ii) Wenn diese Lösung dagegen inakzeptabel sei, so Scotus, weil sie so etwas wie einen Diskurs im göttlichen Intellekt annehme, bei dem dieser aus dem Vorliegen des göttlichen Willens entschlusses und der Festlegung und Unveränderlichkeit dieses Willens erschließt, was geschehen wird, dann könne man auch 95
»[I]ntellectus divinus videndo determinationem voluntatis divinae, videt illud fore pro a, quia illa voluntas determinat fore pro eo; scit enim illam voluntatem esse immutabilem et non impedibilem« (Scotus, Ordinatio, d. 38, q. 2, et d. 39 q. 1–5; II.B, S. 428).
CVI Einleitung
wie folgt argumentieren: Der göttliche Intellekt liefert zunächst die einfachen Termini für entsprechende Propositionen oder Sachverhalte, deren »Verbindung in der Sache« kontingent ist (z. B. ›Sokrates‹ und ›läuft‹, ›sitzt‹, usw.). Wenn dann der göttliche Wille eine bestimmte Verbindung zwischen den Termini für ein bestimmtes Jetzt der Wirklichkeit herstellt, dann ist dies der Grund für den göttlichen Intellekt, die entsprechende Wahrheit auch zu erkennen (Ordinatio, d. 38, p. 2, et d. 39, q. 1–5, II.B, S. 428; ähnlich in der Reportatio IA, d. 38, n. 41, S. 52/53). Scotus verweist in diesem Kontext auch kritisch auf eine Konsequenz für jene Autoren, die, wie auch Molina später, im Anschluss an Origenes erklären, die Dinge verhielten sich nicht etwa deshalb so, weil Gott sie voraussehe, sondern Gott sehe umgekehrt die Dinge voraus, weil sie sich zukünftig so verhalten würden: Aufgrund der Verursachung durch den göttlichen Willensentschluss sei nichts anderes als Gottes Wesen die Ursache für jedes kontingente Ereignis. Wie weit trägt diese Antwort? Scotus hält an einer atemporalistischen Ewigkeitskonzeption fest. Was die Zeit angeht, so vertritt er indessen, wie wir sahen, einen präsentistischen Ansatz, und eine zentrale Kritik an Thomas lautete, dass auch innerhalb der Zeit immer nur genau ein Jetzt existiert und somit auch das immerseiende Jetzt der Ewigkeit nicht mit allen Zeitpunkten, sondern nur mit dem jeweiligen Jetzt der zeitlichen Gegenwart koexistieren kann. Dann allerdings muss sich Scotus die folgende Rückfrage gefallen lassen: Wenn seinem Ansatz zufolge erstens in der Zeit nur die jeweilige Gegenwart existiert und es zweitens nur eine einzige große göttliche Entscheidung in zeitloser Ewigkeit gibt, mit der alle kontingenten Geschehnisse auf einmal realisiert werden, wie entgeht Scotus dann seinem eigenen Einwand der doppelten creatio? Müsste Gott nicht, wie Scotus selbst – dem Buchstaben nach gegen Ansätze in thomasischer Tradition gerichtet – bemerkt, in doppelten Schöpfungsakten alles einmal in zeitloser Ewigkeit und ein zweites Mal in der Zeit erschaffen, damit dort die Dinge, die zunächst nicht gegenwär-
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CVII
tig sind und noch nicht existieren, sukzessive in gegenwärtiges Sein überführt werden? Tatsächlich, so scheint es, trifft Scotus’ Einwand der doppelten creatio den Aeternalismus eines Thomas oder Boethius nicht, denn in solchen Ansätzen existieren alle Zeiten gleichermaßen. Dafür trifft der Einwand Scotus’ eigene Zeittheorie, denn sein Präsentismus behauptet, dass es vergangene Zeiten nicht mehr und zukünftige noch nicht gibt. Neben dem Problem der doppelten creatio stellt sich insbesondere auch die Frage, wie Scotus’ Verweis auf die Priorität des göttlichen Willens und dessen Entscheidungsfreiheit das allgemeinere Problem der theologischen Prädetermination menschlichen Handelns lösen könnte, wo er doch die Realisierung des göttlichen Willens als nicht verhinderbar betrachtet. Scotus’ Ansatz erklärt zwar, inwiefern Gott definites oder festgelegtes sowie sicheres, unfehlbares, unveränderbares Wissen usw. von menschlichen Entscheidungen hat, die, wenn Gott etwas entspre chend anderes gewollt hätte, anders ausgefallen wären; menschliche Entscheidungen bleiben insofern kontingent, als sie in möglichen Welten, in denen Gott sich anders entschieden hätte, anders ausgefallen wären. Das theologische Freiheitsproblem besteht allerdings darin, wie in einer gegebenen Welt, für deren Verwirklichung Gott sich in einem Entschluss entschieden hat, der aus begrifflichen Gründen nicht frustriert werden kann, menschliche Handlungen Alternativen haben könnten. Hier angesichts göttlicher Entscheidungsfreiheit lediglich auf die metaphysische Kontingenz menschlicher Handlungen zu pochen, wäre wie zu insistieren, dass auch in einer Welt mit deterministischen Naturgesetzen unser Tun und Handeln kontingent und damit frei ist, weil es auch nichtdeterministische Naturgesetze hätte geben können. Dieser Hinweis vertreibt unser Unbehagen bei der Vorstellung, in einer vollständig deterministischen Welt zu leben, nicht. Genau diesen Punkt wird auch Molina an Scotus’ Antwort bemängeln, die er vor allem in den Disputationen 35 und 50 der Concordia diskutiert. So, wie Scotus seine Kritik an Thomas im-
CVIII Einleitung
mer wieder mit »Sed hoc non capio!« einleitet, beginnt Molina in Abhandlung 50 seine Scotus-Kritik mit den Worten: »Hoc vero non satis intelligo« – »Das aber verstehe ich nicht hinreichend« (50.9., S. 321). Wenn das (angeblich) freie menschliche Entscheidungsvermögen nichts anderes tun könne als das, wozu es die göttliche Determination und der göttliche Einfluss festlegen, dann sehe er nicht, wie es frei nach dem streben könne, was es wolle. Denn dass es das Gegenteil hervorbringen könnte, wenn Gott durch seinen freien Willen das Gegenteil gewollt hätte, bedeute nicht, dass unser Entscheidungsvermögen frei sei, sondern nur, dass Gott die Freiheit habe, unser Entscheidungsvermögen zu verwenden, indem er es beliebig zu gegenteiligen Dingen bewege.96 Das Kernproblem des theologischen Determinismus besteht darin zu zeigen, dass, trotz der Annahme bestimmter göttlicher Entscheidungen und gegeben eine entsprechend eingerichtete Welt, zumindest viele menschliche Handlungen in einer solchen Welt frei – und das heißt für den Libertarier: nicht alternativlos – sind. Im Lichte solcher Betrachtungen drängt sich der Verdacht auf, dass Scotus’ Überlegungen im Effekt zum Kompatibilismus tendieren bzw. allenfalls im Rahmen eines kompatibilistischen Ansatzes eine Antwort auf das Freiheitsproblem liefern könnten. Kontingenz und Freiheit, die nur insofern gelten sollen, als der Weltverlauf inklusive menschlicher Handlungen und Entscheidungen ein anderer gewesen wäre, wenn Gott sich anderes entschieden hätte, reichen zur Begründung libertarischer Freiheit nicht aus.97 96
»Etenim quod posset oppositum efficere, si Deus oppositum libera sua voluntate voluisset atque in oppositum suo influxu illud determinaret et inclinaret, non est arbitrium nostrum esse liberum, sed in Deo esse libertatem ut nostrum arbitrium movendo eo indifferenter ad opposita utatur« (Molina, Concordia, 50.9, S. 321). 97 Verwandte Kritiken scheint auch Petrus Aureoli (1280–1322) in seinem Scriptum in Primum Librum Sententiarum im Auge zu haben. S. hierzu die Edition von Aureolis Scriptum, d. 38–39, von Chris Schabel (1995), S. 63–212, dort etwa S. 179 f.
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4.7 Wilhelm von Ockham Trotz oder vielleicht gerade wegen Scotus’ Kritik an Thomas wurde dieser in der Folgezeit weiter breit diskutiert. Wichtig waren hier u. a. Heinrich von Harclay (1270–1317), Robert Cowton (aktiv zwischen etwa 1300 und 1340) und insbesondere Heinrich von Gent (vor 1240–1293).98 Ockham (um 1288–1347) nimmt wenig von diesen Debatten explizit auf. Doch er setzt sich ausführlich mit Scotus auseinander, der erst kurz zuvor verstorben war (1308) und in Oxford noch immer großen Einfluss hatte, als Ockham 1309 dort sein Theologiestudium begann. Einschlägig für Ockhams Auffassung zum Thema Kontingenz und Freiheit sind insbesondere die Ordinatio seines Sentenzenkommentars zu den Distinktionen 38 und 39 und sein Tractatus de praedestinatione et de praescientia Dei respectu futurorum contingentium (vor 1324), der an die früheren Erörterungen des Sentenzenkommentars anschließt. Ockhams Dreh- und Angelpunkt ist Aristoteles, dessen Antwort in De int. 9 auf das Problem des logischen Determinismus Ockham im Einklang mit der üblichen, heute als ›traditionelle Interpretation‹ bezeichneten Lesart so versteht, dass Aristoteles dort die universale Geltung des Bivalenzprinzips bestreitet. Demnach sind zwar singuläre Aussagen über gegenwärtige und vergangene, nicht jedoch solche über kontingente zukünftige Ereignisse entweder wahr oder falsch. Denn, so argumentiert Aristoteles offenbar, wenn auch sie wahr oder falsch wären, könnten
98
Für den möglichen Einfluss Heinrichs von Gent auf Ockham s. etwa die Hinweise von Beyer (2017), S. 49–52. Wie Beyer (Kap. 2.2) rekonstruiert, wendet sich Heinrich u. a. gegen das thomasische Verständnis von freiem Willen, nach dem dieser nicht mehr wie noch bei Petrus Lombardus und anderen als Vermögen ad utrumlibet verstanden wird, sondern nur noch electio verlangt. Ein Wille, dem der ihm übergeordnete Intellekt das höchste Gut zur Wahl anbietet, hat laut Thomas keine Alternativen als sein Streben auf dieses Gut hin auszurichten.
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die betreffenden Ereignisse nicht ausbleiben und würden somit nicht kontingenter-, sondern notwendigerweise stattfinden. Wenn Aristoteles mit dieser Überlegung recht hätte, hält Ockham allerdings fest, könnte offenbar selbst Gott kein Wissen über Zukünftiges haben. Doch das widerspreche sowohl der Wahrheit als auch dem, was die Theologen behaupten (was, so wird suggeriert, nicht immer dasselbe ist …). Das Problem ist, »dass die Teile eines kontradiktorischen Aussagenpaares [(p, ~p)] über Gegenwärtiges oder Vergangenes sich nicht in gleicher Weise zu Wahrheit und Falschheit verhalten wie die eines kontradiktorischen Aussagenpaares über Zukünftiges. Zum Verständnis dieses gesamten Kapitels [De int. 9] muss man zunächst wissen, dass Aristoteles sagen will, dass bei solchen kontradiktorischen Aussagenpaaren, in denen es um kontingentes Zukünftiges geht, kein Teil wahr oder falsch ist, so, wie die Sache [in diesem Fall] nicht eher zum Stattfinden als zum Nichtstattfinden determiniert ist. Und daher würde Aristoteles sagen, dass auch Gott die eine Seite des kontradiktorischen Aussagenpaares nicht eher weiß als die andere; tatsächlich weiß er keine von beiden. … Dennoch gilt es der Wahrheit gemäß und den Theologen zufolge anderes zu sagen, denn es ist zu behaupten, dass Gott den einen oder den anderen Teil in festgelegter Weise weiß«99.
99
»… corollarium est quod non similiter se habent partes contradictionis ad veritatem et falsitatem in istis de praesenti et de praeterito, et in istis de futuro. Ad evidentiam totius istius capituli est primo sciendum quod intentio Philosophi est quod in talibus contingentibus futuris neutra pars contradictionis est vera vel falsa, sicut res non magis determinatur ad fore quam ad non fore. Et ideo diceret Philosophus quod etiam Deus non plus scit unam partem contradictionis quam aliam; immo neutra scitur a Deo. … Tamen secundum veritatem et theologos aliter est dicendum, quia dicendum est quod Deus determinate scit alteram partem« (Ockham, In Periherm. I, c. 6, § 15, S. 421 f.; meine Hervorhebung, hier und im Folgenden stammen die Übersetzungen der Ockham-Texte von mir).
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CXI
Das Dilemma, erläutert Ockham in der Summa logicae (III-3, c. 32, S. 710), sei also, dass man gemäß der Wahrheit und des Glaubens ( fides) anderer Meinung sein müsse über die Wahrheitsfähigkeit von Sätzen über kontingentes Zukünftiges als nach Aristoteles! Im Tractatus taucht dieser Punkt als Quinta suppositio auf, wobei Ockham hier darlegt, der einen Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares, bei dem es um kontingentes Zukünftiges gehe, komme laut Aristoteles keine festgelegte Wahrheit zu, weil kein Grund dafür beigebracht werden könne, warum die eine Seite eher wahr sei als die andere. (Zum Begriff der festgelegten oder definiten Wahrheit, der im Folgenden eine wichtige Rolle spielt, und für ausführlichere Hinweise zu De int. 9 siehe unseren Kommentar zu 52.6.) Folglich seien entweder beide Teile oder keiner von beiden wahr. Doch es sei unmöglich, dass beide wahr seien; also sei keiner wahr; also werde auch keiner von beiden gewusst (Tractatus, suppositiones, 5, 6, S. 516). In der Ordinatio fügt Ockham hinzu, all dies gelte nur für die Dinge, die in der Macht des Willens liegen, während es bei solchen, die nur von natürlichen Ursachen abhängen, etwa beim wiederkehrenden Aufgehen der Sonne, nicht zutreffe (Ordinatio I, d. 38, [Opinio propria auctoris], S. 584). Damit weicht er von Thomas ab, der, wie gesehen, auch unter den nicht mit Willen ausgestatteten weltlichen Ursachen und Wirkungen kontingente zulässt. Ockham zufolge muss also aus theologischen Gründen zugestanden werden, »dass Gott alle zukünftigen kontingenten Ereignisse in evidenter Weise erkennt. Aber wie das geschieht, weiß ich nicht zu beschreiben«.100
100
»… tenendum est quod Deus evidenter cognoscit omnia futura contingentia. Sed modum exprimere nescio« (Ockham, Ordinatio I, d. 38, [Opinio propria auctoris], S. 584 f.).
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Ja, die Art und Weise zu beschreiben, wie Gott alle kontingenten zukünftigen Geschehnisse kenne, sei für jeden Intellekt zumindest im irdischen Zustand unmöglich (Ordinatio I, d. 38, [Opinio propria auctoris], S. 584 f.). In seinem Kommentar zu De int. 9 sagt Ockham, wie dies zu denken sei, müsse in der Theologie – und es schwingt mit: nicht in der Philosophie – erklärt werden (»Qualiter autem hoc sit, in theologia declarari debet«, In Periherm. I, c. 6, § 15, S. 422). Dem Buchstaben nach kapituliert Ockham hier also. Sollten wir somit an dieser Stelle das Buch nicht ebenfalls schließen und uns weitere Überlegungen sparen? Tatsächlich entwickelt Ockham trotz seines Verdikts über die Grenzen einer substantiellen Erklärung göttlichen Vorherwissens einige erhellende Argumente zum Thema. Diese hatten nicht nur großen Einfluss im Spätmittelalter, sondern sind im 20. Jahrhundert in systematischen Debatten vor allem der analytischen Religionsphilosophie über Vorauswissen und Freiheit wiederentdeckt worden, wo sie bis heute engagiert diskutiert werden. Im vorliegenden Rahmen können nur die Eckpfeiler seines Ansatzes vorgestellt werden. Ockham kritisiert zunächst Scotus’ Ansatz als verfehlt. Der doctor subtilis behaupte, dass der göttliche Intellekt erst bei gesetzter Festlegung des göttlichen Willens eben diese unwandelbare Festlegung sehe.101 Gegen diese Meinung jedoch spreche, dass sie die Gewissheit des Wissens Gottes im Hinblick auf solches Zukünftiges, das vom geschaffenen (menschlichen) Willen abhänge, nicht zu bewahren scheine. Denn er, Ockham, frage, ob die Festlegung eines geschaffenen Willens der Festlegung des göttlichen Willens notwendigerweise folge oder nicht. Falls ja, handele der geschaffene Wille notwendigerweise, wie das Feuer, womit Verdienst und Schuldhaftigkeit aufgehoben würden. Falls nein, sei für das festgelegte göttliche Wissen um die eine oder 101
»Posita autem determinatione voluntatis, intellectus divinus videt determinationem voluntatis suae quae est immutabilis« (Ockham, Tractatus, q. 1, 250–251, S. 516).
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andere Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares die Festlegung des geschaffenen Willens verlangt, da ja die Festlegung des ungeschaffenen, göttlichen Willens nicht ausreiche, weil ihr, ex hypothesi, der geschaffene Wille widersprechen könne (Tractatus, q. 1, 256–262, S. 517). Auch Ockham kritisiert also, dass Scotus’ Vorschlag die Freiheit menschlicher Entscheidungen am Ende nicht erklärt. Für ein Verständnis von Ockhams eigener Antwort oder Ock hams Ausweg, wie sein Ansatz in Anlehnung an einen Aufsatz A lvin Plantingas (mit dem Titel »Ockham’s Way Out«, 1986) heute oft genannt wird, gilt es zunächst, seinen aristotelischen Ausgangspunkt im Auge zu behalten sowie festzuhalten, dass Ockham kein Atemporalist, sondern Sempiternalist ist. Vermutlich im Fahrwasser von Scotus’ Kritik am theologischen Atemporalismus von Thomas und Boethius sieht er Gott als in der Zeit existierend. Damit ist für ihn das Problem des göttlichen Vorherwissens buchstäblich zu verstehen, und eine Außerzeitlichkeits-Antwort steht ihm nicht zur Verfügung. Seine wichtigste Idee trägt Ockham im Rahmen einer Replik auf den zweiten gegnerischen Einwand vor, den er im Traktat unter Quaestio I anführt. Dieser gegnerische Einwand lautet: »Zu jeder Proposition über die Gegenwart, die einmal wahr ist, gibt es eine notwendige über die Vergangenheit. Wenn zum Beispiel ›Sokrates sitzt‹ wahr ist, ist ›Sokrates saß‹ danach für immer notwendig.«102
Oder angenommen, so ein theologisches Beispiel, ›Es ist (jetzt) der Fall, dass Petrus Jesus verleugnen wird‹ ist zu t 1 wahr. Dann ist von t 1 an die korrespondierende Proposition ›Es war der Fall, dass Petrus Jesus verleugnen würde‹ für immer notwendig. Und 102
»[O]mnis propositio de praesenti semel vera habet aliquam de praeterito necessariam, sicut haec ›Sortes sedet‹, si est vera, haec semper postea erit necessaria ›Sortes sedit‹« (Tractatus, q. I, 50–52).
CXIV Einleitung
wie könnte es dann noch möglich sein, dass es Petrus später freisteht, Jesus nicht zu verleugnen? (vgl. Tractatus, q. 1, 50–58, S. 509). Die Notwendigkeit, von der hier die Rede ist, ist akzidentelle Notwendigkeit, jene Form von Notwendigkeit, die sich aus der Unveränderbarkeit der Vergangenheit ergibt (vgl. oben, 4.5). Kennzeichnen wir diese Form der Notwendigkeit in der unten folgenden Schematisierung des Arguments, indem wir ›notwendig A‹ und für (im weiteren Sinne) logische Notwendigkeit ›notwendigL‹ schreiben. Ferner gilt, dass, wenn eine Proposition über ein zukünftiges Geschehen zu t 1 wahr war, ein allwissender Gott zu t 1 auch wusste, dass sie zu t 1 wahr ist, und dass dann auch dieser Sachverhalt des göttlichen Wissens zu jedem späteren Zeitpunkt akzidentell notwendig ist. Das entsprechende gegnerische Argument war uns bereits oben bei der Diskussion von Thomas von Aquin begegnet und lässt sich dann wie folgt beschreiben. Angenommen, X geschieht zum gegenwärtigen Zeitpunkt t2. Dann gilt es für einen innerzeitlichen Gott zu behaupten, dass er zu einem beliebigen früheren Zeitpunkt t1 wusste, dass X zu t2 geschehen wird, und dass dieser Sachverhalt des Vorauswissens zu t2 akzidentell notwendig ist. Und damit, argumentiert der theologische Determinist, ergibt sich: Das Argument der akzidentellen Notwendigkeit (1) Zu t2 gilt notwendigerweiseA: Gott wusste zu t1, dass X zu t2 geschehen wird. (2) NotwendigerweiseL: Wenn Gott zu t 1 wusste, dass X zu t2 geschehen wird, dann geschieht X zu t2. (3) Also gilt notwendigerweiseA, dass X zu t2 geschieht. Dieses Argument beruft sich auf das Prinzip, dass akzidentelle Notwendigkeit geschlossen ist unter notwendiger Implikation. Es besagt, dass sich diese Art von Notwendigkeit, die sich aus der Unbeeinflussbarkeit der Vergangenheit ergibt, von Gottes zu t2 vergangenem Wissen zu t1 darüber, was sich zu t2 ereignen wird, auf das, was sich dann ereignet, überträgt.
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CXV
Eine dialektische Möglichkeit für Ockham bestünde somit darin, dieses Prinzip zu leugnen. Das allerdings erschiene wenig aussichtsreich. Wenn eine Proposition in dem betreffenden temporalen Sinne notwendig ist, weil sie ein Geschehen beschreibt, das bereits vergangen und daher unbeeinflussbar ist, und wenn diese Proposition logisch eine andere impliziert, dann, so scheint es, überträgt sich jene Art der Notwendigkeit auch auf diese andere Proposition. Wenn es heute akzidentell notwendig ist, dass Cäsar in den Morgenstunden des 10. Januar des Jahres 49 v. Chr. den Rubicon überquerte, und die Proposition, dass Cäsar dies dann tat, strikt impliziert, dass Cäsar in den Morgenstunden des 10. Januar im Jahre 49 v. Chr. seinen Ort veränderte, dann ist auch dies heute akzidentell notwendig. Tatsächlich ist Ockhams Antwort denn auch eine andere. Wenn Gott, wie laut Ockham aus theologischen Gründen nicht zu bestreiten ist, zu jedem Zeitpunkt alles weiß, auch alles, was sich kontingenterweise in Zukunft ereignen wird, dann steht die aristotelische Antwort, dass bei kontingentem Zukünftigem im Vorhinein noch nicht feststeht, wie es ausfallen wird, und daher auch entsprechende Propositionen über es zu früheren Zeitpunkten noch nicht in definiter, festgelegter Weise wahr oder falsch sind, nicht zur Verfügung. Zugleich scheint das eben referierte gegnerische Argument jedoch zu zeigen, dass dann die betreffenden Propositionen zu jedem relativ späteren Zeitpunkt, inklusive der Zeit, zu der die entsprechenden Ereignisse dann stattfinden, akzidentell notwendig sind – und somit die Ereignisse nicht ausbleiben können. Die Aufgabe besteht also darin, eine Antwort zu finden, die einerseits die definite Wahr heit entsprechender Propositionen über kontingentes Zukünftiges (›Es ist der Fall, dass Petrus Jesus verleugnen wird‹) sichert, jedoch zugleich die akzidentelle Kontingenz von ihnen korrespondierenden Propositionen über die Vergangenheit (›Es war der Fall, das Petrus Jesus verleugnen wird‹, ›»Petrus wird Jesus verleugnen« war wahr‹, ›Gott wusste, dass Petrus Jesus verleugnen wird‹) bewahrt. Wie könnte eine solche Antwort aussehen?
CXVI Einleitung
Ockham bestreitet die These des aristotelischen Gegners, dass es »zu jeder Proposition über die Gegenwart eine notwendige über die Vergangenheit gibt« und unterscheidet zwischen Aussagen oder Propositionen, die sich »ihrem Wortlaut und der Sache nach« und solchen, die sich nur »ihrem Wortlaut nach« auf die Gegenwart bzw. Zukunft beziehen. Im Tractatus schreibt er: »Einige Propositionen beziehen sich ihrem Wortlaut und der Sache nach auf die Gegenwart, und was sie angeht, ist es allgemein wahr, dass jeder wahren Proposition über die Gegenwart eine notwendige über die Vergangenheit entspricht, wie etwa ›Sokrates sitzt‹, ›Sokrates läuft‹, ›Sokrates ist gerecht‹, usw. Andere Propositionen beziehen sich nur ihrem Wortlaut nach auf die Gegenwart, äquivalent jedoch auf die Zukunft, weil ihre Wahrheit von der Wahrheit von Propositionen über die Zukunft abhängt; und was solche Propositionen angeht, gilt jene Regel nicht, dass jeder wahren Proposition über die Gegenwart eine notwendige über die Vergangenheit entspricht.«103
Diese Unterscheidung erlaubt es zu sagen, dass beispielsweise eine Proposition der Form ›Es ist (jetzt) der Fall, dass S zu t2 X tun wird‹ zu einem früheren Zeitpunkt t1 bereits sehr wohl in festgelegter Weise wahr (oder falsch) ist und somit Gott auch zu t1 sehr wohl bereits wissen kann, dass S zu t2 X tun wird; dass dieses Tun jedoch keineswegs etwa deshalb alternativlos wird, weil die Proposition ›Es war der Fall, dass S zu t2 X tun wird‹ von t1 an ak103
»[A]liquae sunt propositiones de praesenti secundum vocem et secundum rem, et in talibus est universaliter verum quod omnis propositio de praesenti vera habet aliquam de praeterito necessariam, sicut tales: ›Sortes sedet‹, ›Sortes ambulat‹, ›Sortes est iustus‹, et huiusmodi. Aliquae sunt propositiones de praesenti tantum secundum vocem et sunt aequivalenter de futuro, quia earum veritas dependet ex veritate propositionum de futuro; et in talibus non est ista regula vera quod omnis propositio vera de praesenti habet aliquam de praeterito necessariam« (Ockham, Tractatus, q. 1, tertia suppositio, 208–216, S. 515, Übersetzung C. J.).
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zidentell notwendig würde. Denn eine Proposition der Form ›Es ist (jetzt) der Fall, dass S zu t2 X tun wird‹ oder der Form ›»S wird zu t2 X tun« ist (jetzt) wahr‹ handelt, mit Ockham gesprochen, nur »dem Wortlaut nach«, nicht jedoch sowohl »dem Wortlaut als auch der Sache nach« von der Gegenwart. Der Sache nach handeln solche Propositionen von der Zukunft. Mit diesem Manöver bleibt die (festgelegte, definite) Wahrheit von Propositionen über Zukünftiges erhalten, womit sie Inhalte göttlichen Vorauswissens sein können, ohne dass man akzidentell notwendige propositionale Gegenstücke postulieren müsste, die aufgrund der Notwendigkeit der Vergangenheit die Kontingenz bzw., im Falle menschlicher Handlungen, die Freiheit entsprechender Ereignisse zerstören würde. Entsprechend lässt sich dann auch argumentieren, dass es zu t1 wahr ist, dass Gott zu t1 weiß, dass S zu t2 X tun wird, doch dass es nicht von t1 an akzidentell notwendig wird, dass Gott dies wusste. Denn die Wahrheit der Proposition, dass Gott zu t1 dieses Wissen hat, hängt von der Wahrheit einer Proposition über die Zukunft ab (nämlich von der Wahrheit der Proposition, dass S zu t2 X tun wird). Ockham kann innerhalb seines Ansatzes Prämisse (1) des Arguments der akzidentellen Notwendigkeit bestreiten. Mit einem einflussreichen Vorschlag von Marilyn McCord Adams lässt sich der Punkt auch wie folgt erläutern (Adams 1987, S. 1137–1143; Adams 1983). Der mittelalterlichen Lesart der aristotelischen Wahrheitstheorie zufolge sind Propositionen der Form ›S ist (tut) zu t n X‹ bzw. ›S war (tat) zu t n X‹ oder ›S wird zu t n X sein (tun)‹ genau dann in definiter, festgelegter Weise wahr zu t m, wenn es zu diesem Zeitpunkt, t m, keine Potentialität in den Dingen dafür gibt, dass X zu t n nicht X ist (tut) bzw. war oder sein wird (tat oder tun wird). Nennen wir dies das aristotelische Wahrheitsprinzip. Angenommen etwa, t m liege vor t n, und ›Petrus wird Jesus zu t n dreimal verleugnen‹ ist zu t m insofern kontingent, als es noch eine ›doppelte Potentialität‹ in Petrus bzgl. dieser Handlung gibt, nämlich sowohl die, Jesus zu t n zu verleugnen, als auch die, ihn zu t n nicht zu verleugnen. Doch dann hat der aristotelischen
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Theorie zufolge die Proposition ›Petrus wird Jesus zu t n dreimal verleugnen‹ zu t m noch keinen festgelegten Wahrheitswert – und kann somit auch von Gott noch nicht gewusst werden. Ockham lässt sich so lesen, dass er die aristotelische These beibehält, dass festgelegte Wahrheit von Propositionen einer entsprechenden Festlegung in den Dingen ›folgt‹ oder korrespondiert; dass er jedoch nicht fordert, dass diese Festlegung bereits zum Zeitpunkt, zu dem den betreffenden Propositionen Wahrheit (oder Falschheit) zugesprochen wird, vorliegt. Vielmehr ersetzt Ockham das aristotelische Wahrheitsprinzip durch das Prinzip, dass Propositionen der Form ›S ist (tut) zu t n X‹ bzw. ›S war (tat) zu t n X‹ oder ›S wird zu t n X sein (tun)‹ genau dann in festgelegter Weise wahr zu t m sind, wenn es zu irgendeinem Zeitpunkt keine Potentialität in den Dingen dafür gibt, dass S zu t n nicht X ist (tut) bzw. war oder sein wird (tat oder tun wird). Nennen wir dies das Ock hamsche Wahrheitsprinzip. Dieses Prinzip erlaubt es ihm zu sagen, dass beispielsweise die Proposition ›Petrus wird Jesus zu t n dreimal verleugnen‹ zwar zu einem früheren Zeitpunkt t m in festgelegter Weise wahr ist; dass es damit jedoch zu t m nicht notwendig wird, dass Petrus Jesus zu t n verleugnet, weil bis zum Eintreten von t n sowohl die Potentialität, dass Petrus Jesus zu t n verleugnet, als auch die Potentialität, dass Petrus Jesus zu t m nicht verleugnet, erhalten bleibt. Bedeutet aber all dies nicht, dass Ockham das Prinzip der Unveränderbarkeit der Vergangenheit aufgibt? Wie kann es jetzt der Fall sein, dass etwas Bestimmtes in Zukunft geschehen wird, doch dieser jetzt bestehende Sachverhalt nicht von nun an insofern notwendig ist, als er nicht mehr verändert oder aufgehoben werden kann? Und wie kann es der Fall sein, dass Gott jetzt weiß, dass sich etwas Bestimmtes in Zukunft ereignen wird, doch dies nicht von nun an akzidentell notwendig und unbeeinflussbar ist? Ockham gibt das Prinzip der Unveränderbarkeit der Vergangenheit nicht auf, aber er differenziert es. In der jüngeren Debatte nennt man die von ihm im obigen Zitat skizzierte Unterscheidung eine zwischen ›harten‹ und ›weichen‹ Propositionen
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bzw. Fakten über eine gegebene Zeit t. Eine präzise Beschreibung dieser Dichotomie hat sich als komplex herausgestellt, und die Details sind umstritten. Für die vorliegenden Zwecke genüge die grobe Charakterisierung, dass ein (atomares, elementares) Faktum A über eine Zeit t genau dann hart ist, wenn es sich nur auf t bezieht und nicht auch auf eine relativ zu t zukünftige Zeit. Harte Fakten sind temporal nicht-relational, und ebendeshalb ›abgeschlossen‹ und nicht mehr beeinflussbar. Ein weiches Faktum bzgl. t dagegen ist eines, das sich zumindest auch auf Zeiten nach t bezieht. Weiche Fakten sind temporal relational.104 Dass Donald Trump die US-Wahlen am 8. November 2016 gewann, ist beispielsweise ein hartes – um nicht zu sagen: ein sehr hartes – Faktum über diesen Tag. Dass er die Wahlen genau ein Jahr, bevor ich diese Worte schreibe, gewann, ist ein weiches Faktum über den betreffenden Tag. Wie hieraus erhellt, ist das entscheidende Charakteristikum weicher Fakten über die Vergangenheit, dass sie erst durch entsprechende Ereignisse in der jeweiligen Zukunft zu solchen Fakten über die Vergangenheit werden. Weiche Fakten sind bis zu den betreffenden Ereignissen, die sie wahr machen, offen und prinzipiell beeinflussbar und unterliegen daher nicht der Notwendigkeit der Vergangenheit. Oben hatte ich, Ockham folgend, meist von ›Propositionen‹ und gelegentlich auch von ›Sachverhalten‹ gesprochen. Ein tieferes Eindringen in die Metaphysik von Propositionen, Fakten oder Tatsachen, Sachverhalten usw. muss hier unterbleiben. Folgen wir jedoch einem Vorschlag William Haskers (1989, S. 89) und nennen wahre zukunftsindifferente Propositionen über eine Zeit t ›harte Fakten‹ über sie. Weiche Fakten über eine gegebene Zeit t sind wahre Propositionen über t, die nicht zukunftsindifferent sind.105 Alternativ kann man auch sagen, dass harte Fakten 104
So charakterisiert die Unterscheidung beispielsweise Fischer (2016), S. 12. 105 Mit Hasker (1989), S. 83–89, kann man ferner sagen, dass wahrheitsfunktionale Propositionen genau dann zukunftsindifferent sind, wenn
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über t »intrinsische Fakten« über t sind, während weiche Fakten über t solche sind, die in einer »extrinsischen Relation« zu t stehen (Fischer und Todd 2015 b, S. 12–13). Ockhams Ausweg zufolge sind Tatsachen wie die, dass es der Fall war, dass Petrus Jesus zu t n dreimal verleugnen würde, oder dass die Proposition ›Petrus wird Jesus zu t n dreimal verleugnen‹ wahr war, weiche Fakten über die Vergangenheit relativ zu t n. Dasselbe gilt auch in Bezug auf Gottes Vorherwissen, dass Petrus Jesus zu t n dreimal verleugnen wird, und entsprechende wahre Propositionen. Auch hier handelt es sich Ockhams Ansatz zufolge nicht um harte, sondern lediglich um weiche Fakten über die Vergangenheit, die daher auch nicht der Notwendigkeit der Vergangenheit unterliegen. Ausgerüstet mit diesen Ockhamschen Unterscheidungen können wir auch das oben im Abschnitt 4.3 zu Boethius vorgestellte Boethius-Pike-Fischer-Argument für den theologischen Determinismus genauer analysieren. Es lautete, unter der Annahme, dass S zu t2 X tut und t 2 später als t1 ist: Das Boethius-Pike-Fischer-Argument (1) Gott glaubte zu t1 (was man auf Deutsch mit dem Satz ausdrücken kann), ›S wird zu t2 X tun‹. (2) Notwendigerweise: Wenn (1) gilt, dann tut S zu t2 X. (3) Der in (1) beschriebene Sachverhalt liegt relativ zu t2 in der Vergangenheit. (4) S hat zu t 2 oder kurz vorher nur dann die Macht (die Fähigkeit, das Vermögen), X zu t2 zu unterlassen, wenn es möglich ist, dass Gott zu t1 glaubt (was man auf Deutsch mit dem Satz ausdrücken kann), ›S wird zu t2 X tun‹, doch S X zu t2 unterlässt.
die für sie konstitutiven Propositionen zukunftsindifferent sind, und dass quantifizierte Propositionen genau dann zukunftsindifferent sind, wenn jede ihrer potentiellen Instanzen zukunftsindifferent ist.
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(5) Es ist aber nicht möglich, dass Gott zu t1 glaubt (was man auf Deutsch mit dem Satz ausdrücken kann), ›S wird zu t2 X tun‹, doch S X zu t2 unterlässt. (6) Also liegt es zu t2 oder kurz vorher nicht in S’s Macht, X zu t2 zu unterlassen. Schritt (4), so hatte ich erläutert, folgt aus (1) und (3) und dem folgenden Prinzip der Unveränderbarkeit der Vergangenheit: (FP*) Ein Akteur S hat zu (oder kurz vor) t nur dann die Macht, zu t X zu tun (oder zu unterlassen), wenn es möglich ist, dass die Vergangenheit bis zu t identisch mit der faktischen ist und S zu t X tut (bzw. unterlässt). Die Idee hinter diesem Prinzip lässt sich auch so beschreiben, dass alles, was wir zu tun und zu unterlassen vermögen, nur in Verlängerung der aktualen Vergangenheit geschehen kann. Ockhamisten aber leugnen bzw. differenzieren (FP*). Nennen wir die harte Vergangenheit relativ zu einem Zeitpunkt t die Menge aller harten Fakten relativ zu t. Ockhamisten behaupten statt (FP*): (FP**) Ein Akteur S hat zu (oder kurz vor) t nur dann die Macht, zu t X zu tun (oder zu unterlassen), wenn es möglich ist, dass die harte Vergangenheit bis zu t identisch mit der faktischen ist und S zu t X tut (bzw. unterlässt). Damit wird klar, dass Ockhamisten das Boethius-Pike-Fischer- Argument in der vorliegenden Form für ungültig erklären. Denn mit diesem alternativen Prinzip (FP**) folgt (4) nicht aus (3)! Um diese entscheidende Zwischenkonklusion mit Hilfe von (FP**) abzuleiten, müsste (3) ersetzt werden durch: (3*) Der in (1) beschriebene Sachverhalt liegt relativ zu t2 in der harten Vergangenheit.
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Doch wäre ein entsprechend modifiziertes Argument stichhaltig? Das wäre nur dann der Fall, wenn (3*) wahr ist, und letzteres würde nur dann gelten, wenn allgemein Gottes zukunftsbezogene Überzeugungen rückblickend harte Fakten der Vergangenheit sind. Genau das aber bestreiten Ockhamisten. Das in (1) beschriebene Faktum über Gottes Wissen etwa handelt relativ zu t1 auch über Zukünftiges und ist damit ein weiches Faktum relativ zu t1. Insbesondere ist damit, dass ›S wird zu t2 X tun‹ zu t1 wahr ist, laut Ockham und Autoren, die ihm folgen, nicht die Potentialität in S aufgehoben, X zu t2 zu unterlassen. Wie tragfähig ›Ockhams Ausweg‹ ist, kann hier nicht weiter erörtert werden. Verschiedene Autoren (darunter John Martin Fischer in der angeführten Literatur) verwerfen ihn, auch wenn eine Ockhamsche Lösung analoger Fassungen des Problems des logischen Determinismus oder Fatalismus weithin akzeptiert wird. Für eine ausführlichere Diskussion und einen Vergleich der Ockhamschen Antwort bezogen auf logischen und theologischen Determinismus siehe Jäger (2017) und die dort angeführte weitere Literatur.106
5. Luis de Molina: Mittleres Wissen107 Molina entwickelt seine Thesen zum Thema Willensfreiheit rund 40 Jahre nach dem Konzil von Trient, das insbesondere in seinem Rechtfertigungsdekret die katholische Lehre zum Thema Freiheit und Gnade im Blick auf die theologischen Herausforderungen der Reformation geschärft und verteidigt hatte. Mitte der 1550er Jahre hatte Molina in seinem vierjährigen Philosophiestudium in Coimbra zunächst ausgiebig Aristoteles und später 106
S. auch die Diskussion des Themas von Hunt (2017). Verschiedene Überlegungen in diesem und im folgenden Kapitel finden sich, teils vorbereitet, teils vertieft, in Jäger (2009), (2011 a), (2011 b), (2013 a), (2013 b), (2015). 107
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vor allem Thomas von Aquin studiert. Zur Zeit der Überarbeitung seines Summenkommentars Mitte der 1580er Jahre und des Verfassens der aus diesem Kommentar destillierten Concor dia konnte er darüber hinaus auf umfangreiche Beschäftigungen mit anderen Giganten der Philosophie- und Theologiegeschichte zurückgreifen, darunter auf die oben angesprochenen Autoren Augustinus, Boethius, Anselm, Scotus und Ockham. Nicht zuletzt durch seinen Aufenthalt im thomistisch geprägten Salamanca war Molina mit dem zeitgenössischen Thomismus gut vertraut, doch auch Scotus übte großen Einfluss auf ihn aus. (Ignatius von Loyola, mit dem Molina sich Anfang der 1550er Jahre in Salamanca ausführlich beschäftigt hatte, hatte zu Beginn der 1530er Jahre in Paris Theologie studiert, wo einige Jahre zuvor schon Erasmus von Rotterdam, wie er in einem Brief an Thomas Gray von 1497 bekundet, nicht umhin konnte, zum Scotisten zu werden.108) Insgesamt entsteht die Concordia somit vor dem geistesgeschichtlichen Hintergrund der gesamten mittelalterlichen und reformatorischen Debatten zum Thema Freiheit und Gnade und bildet zugleich einen letzten theologisch-philosophischen Gipfelpunkt der Diskussionen des Themas in vorneuzeitlicher Tradition. Molina greift einerseits Scotus’ These von der Kontingenz alles Geschehens aufgrund seiner letzten Abhängigkeit vom göttlichen Willen auf.109 Andererseits argumentiert er aber mit Thomas, dass, gegeben ein bestimmter göttlicher Wille, menschliche Zweitursachen wesentlich an ihren eigenen Handlungen mitwirken müssen, eben damit es in einem hinreichend robusten Sinne ihre Handlungen sind, und dass solche Zweit ursachen in ihren Entscheidungen frei sind. In gewissen Hin108
»Ego ille vetus theologus nuper Scotista esse coepi; … Luteciae in sacrosancto theologiae Scotisticae templo Sorbona« (Erasmus, Brief an Gray, 190.191). 109 Für eine ausführlichere Untersuchung des Einflusses von Scotus auf Molina siehe etwa Anfray (2014).
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sichten lässt sich M olinas Theorie des Mittleren Wissens als eine Synthese zwischen diesen beiden, von Scotus und Thomas einflussreich verteidigten philosophisch-theologischen Kernthesen verstehen.
5.1 Die Grundidee Molinas größte Innovation und der Kern seines Ansatzes, so sahen es schon viele seiner Zeitgenossen, ist seine These, dass Gott scientia media besitzt. »Mittleres Wissen«, erklärt Molina in der Concordia, 52.9, sei ein Wissen, »durch das Gott in seinem eigenen Wesen kraft des höchsten und unerforschlichen Erfassens eines jeden freien Entscheidungsvermögens unmittelbar erkennt, was es aus seiner angeborenen Freiheit heraus tun würde, wenn es sich in dieser oder in jener oder auch unendlich vielen Ordnungen der Dinge befände, auch wenn es tatsächlich das Gegenteil tun könnte, falls es wollte«.110
Molina zufolge handelt es sich dabei um ein Wissen, das Gott bereits (in einem explanatorischen, nicht zeitlichen Sinne) »vor« seiner Entscheidung zur Verfügung steht, welche mögliche Welt mit welchen Kreaturen aktual werden möge. Mittleres Wissen ist ein göttliches Wissen darüber, was jedes mögliche mit Entscheidungsfreiheit ausgestattete Wesen in jeder möglichen Situation, in der es sich vorfinden könnte, aus freien Stücken tun würde. Wie sind die Behauptung, dass es ein solches Wissen gibt, und ihre philosophischen Voraussetzungen genauer zu verstehen? 110
Für den lateinischen Text s. in diesem Band, Text und Übersetzung, 52.9. Inhaltlich führt Molina den Gedanken bereits in 49.11 ein, doch dort verwendet er den Begriff der scientia media noch nicht, sondern subsumiert das betreffende göttliche Wissen noch unter scientia naturalis. Vgl. hierzu seine Erläuterungen in 53, memb. 2, 22, sowie in 53, memb. 1, 6.
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Molina wird nicht müde zu betonen, dass jedes freie Entscheidungsvermögen, das sich (frei) zu einer bestimmten Handlung entscheidet, falls es wollte, auch anders entscheiden könnte, und gemeint ist: unter gleichen Bedingungen auch anders entscheiden könnte.111 Molina akzeptiert somit eine Form des Prinzips der alternativen Möglichkeiten, speziell die These, dass eine Handlung oder Entscheidung nur dann in einem für moralische Verantwortlichkeit hinreichend robusten Sinne frei ist, wenn sie unter gleichen Umständen auch anders hätte ausfallen können. Die Pointe liegt darin, dass es somit in einem solchen, libertarischen Sinne freie menschliche Handlungen und Entscheidungen gibt und dennoch alles Geschehen von Gottes Willen abhängt. Dies lässt sich Molina zufolge genau deshalb behaupten, weil es allein Gottes Entscheidung war, welche von unendlich vielen logisch möglichen Welten mit welchen Wesen aktual werden sollte. Für jedes aktual existierende Wesen und jeden bestehenden kontingenten Sachverhalt gilt, dass Gott sie auch nicht hätte aktualisieren können. Hätte er etwas anderes gewollt, so wäre anderes der Fall gewesen. Insofern bleibt Gott die causa prima allen Geschehens. Andererseits, meint Molina, kann und hat Gott gleichwohl Wesen erschaffen, die als causae secundae Entscheidungen treffen, die weder kausal noch in anderer Weise durch göttliche Akte oder göttliche Allwissenheit determiniert sind. Alles, was geschieht, ist somit entweder von göttlicher Vor sehung positiv beabsichtigt (providentia approbationis) oder, im Falle von freien menschlichen Entscheidungen oder von Ereignissen, die von menschlicher Entscheidungsfreiheit abhängen, zumindest zugelassen (providentia concessionis). Freie geschöpfliche Entscheidungen bleiben dabei auch stets auf die kontinu111
Vgl. hierzu etwa auch 49.11; 50.15; 52.10; oder 2.3: »Quo pacto illud agens liberum dicitur quod positis omnibus requisitis ad agendum potest agere et non agere aut ita agere unum ut contrarium etiam agere possit« (S. 14).
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ierliche Mithilfe Gottes und ein Zusammenwirken mit ihm angewiesen: Sie bedürfen der allgemeinen Mitwirkung (concursus generalis) durch Gott. Damit dessen Geschöpfe aber als partikuläre Ursachen (causae particulares) tatsächlich bestimmte Wirkungen hervorrufen, muss ihr kreatürlicher Wille den göttlichen Willen zweitursächlich komplementieren, ihn näher bestimmen und auf eine bestimmte Wirkung hin ausrichten. Auf diese Weise, meint Molina, erweisen sich göttlicher Plan und menschliche Freiheit als miteinander vereinbar. Bedingungssätze, die mögliche freie Handlungen und Entscheidungen von – ggf. bloß möglichen – Wesen beschreiben, heißen in der heutigen Literatur zum Thema kontrafaktische Frei heitskonditionale. Der Ausdruck hat gewisse Nachteile, denn er legt nahe, dass es nur um Handlungen und Entscheidungen geht, die faktisch niemals stattfinden. Doch obwohl dies auf viele, ja, auf unendlich viele von ihnen zutrifft, bezieht Molinas These sich keineswegs nur auf im eigentlichen Sinne kontrafaktische Sachverhalte, sondern auch auf solche, in denen es um tatsächlich existierende Wesen und deren faktische Entscheidungen geht. Es gilt daher zunächst grob zwei Arten entsprechender Freiheitskonditionale zu unterscheiden: erfüllte (mit wahren Antezedentien) und nicht erfüllte (mit falschen Antezedentien). Betrachten wir ein Lieblingsbeispiel Molinas: Gott weiß, dass Petrus, wenn er in der Nacht vor Jesu Tod gefragt würde, ob er zu dessen Jüngern gehöre, dies, noch ehe der Hahn kräht, dreimal (aus freien Stücken) leugnen würde (vgl. Mt 26, 69–75; Mk 14, 66–72; Lk 54–62; Joh 18, 16–24). Der eingebettete Konditionalsatz hat, wie wir hier annehmen wollen, ein erfülltes, wahres Antezedens (Petrus wurde gefragt). Nicht erfüllte Freiheitskonditionale dagegen handeln entweder von existierenden Akteuren und möglichen Entscheidungen dieser Akteure, die niemals stattfinden, oder sogar von möglichen Akteuren, die de facto nie existieren. In beiden Fällen handelt es sich, wie es oft heißt, um bedingt zukünftige Geschehnisse oder ›Futurabilien‹, die faktisch nie realisiert werden.
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Da es in beiden Fällen um Konditionale geht, deren Wahrheitswerte Gott bereits vor der Aktualisierung der aktualen Welt kennen soll, könnte man sie evtl. besser als ›präfaktische Freiheitskonditionale‹ bezeichnen. Dies sollte dann jedoch nicht im Sinne einer zeitlichen Ordnung gelesen werden, die anzunehmen Molinas Bild von der göttlichen Schöpfungssituation zuwiderliefe. Zwar wählt Molina in der Concordia häufig Darstellungen, die, flüchtig gelesen, suggerieren, dass göttliche Handlungen ein Früher und ein Später haben. Tatsächlich lehnt er sich in dieser Frage jedoch eng an die Augustinus-Boethius-Thomas-Tradition an, der zufolge Gott in außerzeitlicher Ewigkeit existiert und somit auch sein Akt der Aktualisierung einer Welt nicht so gedacht werden kann, dass er in einem zeitlichen Sinne vor der Existenz dieser Welt stattfindet. Molina ist Atemporalist.112 Das »vor« in Aussagen wie: »Gott wusste vor der Aktualisierung der tatsächlichen Welt, was jedes mögliche Wesen in jeder möglichen Situation aus freien Stücken tun würde« ist, wenn es um Mittleres Wissen geht, ausschließlich im Sinne einer explanatorischen Abfolge, prius ratione, zu verstehen, denn Gottes Entscheidung für unsere tatsächliche Welt lässt sich allenfalls »in unserer Art des Verstehens« – nostro intelligendi modo, wie Molina sich oft ausdrückt – als in zeitlichen Strukturen geschehend beschreiben. Im Folgenden ist die Rede von ›Wissen, bevor …‹, ›Vorherwissen‹ usw. in solchen Kontexten stets in einem solchen nicht-zeitlichen Sinne zu lesen. Ich werde darüber hinaus dem in der Debatte üblichen Sprachgebrauch folgen und nicht nur nichterfüllte, sondern auch erfüllte Freiheitskonditionale der Einfachheit halber als ›kontrafaktisch‹ bezeichnen. Um diesen Bedingungen Rechnung zu tragen, sollte in jenen (im erläuterten Sinne verstandenen) kontrafaktischen Freiheitskonditionalen, die Gott laut Molina bereits in der Schöpfungssituation kennen soll, nicht von menschlichen Personen, von 112
Vgl. hierzu vor allem die Abhandlung 48 sowie zu Details unseren Kommentar zu 52.3.
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(existierenden) Subjekten o. ä. die Rede sein, denn diese gibt es vor der Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt noch nicht. Man kann sich behelfen, indem man stattdessen von ›individuellen geschöpflichen Essenzen‹ spricht, die in bestimmten, vollständig zu beschreibenden Umständen frei in bestimmter Weise handeln würden. Eine individuelle geschöpfliche Essenz ist dabei, etwas vereinfacht gesprochen, zu verstehen als die Menge aller Eigenschaften, die in genau einem geschöpflichen Individuum instantiiert würden (oder werden), wenn dieses existieren würde (oder existiert).113 Zu beachten ist ferner, dass es in den betreffenden Freiheitskonditionalen ausschließlich um Handlungen von potentiellen, handlungsfähigen Geschöpfen, und nicht um göttliche Handlungen oder Entscheidungen geht. (Molina bestreitet in 52.11–52.13 nachdrücklich, dass Gott Mittleres Wissen von seinen eigenen Entscheidungen hat. Vgl. hierzu ausführlich unseren Kommentar.) Die betreffenden ›kontrafaktischen‹ geschöpflichen Freiheitskonditionale haben dann die folgende Form: (KF) Wenn die geschöpfliche Essenz E in den (vollständig spezifizierten) Umständen U instantiiert wäre, würde das betreffende Subjekt aus freien Stücken X tun.114 Insgesamt lässt sich Molinas Bild der göttlichen Schöpfungssituation damit wie folgt zeichnen. Die Aktualisierung der tatsächlichen Welt beruht auf einem freien göttlichen Willensakt. Doch es gibt Sachverhalte, die sich selbst göttlicher Kontrolle entziehen. Hierzu gehören zunächst alle metaphysischen oder im weiteren Sinne logischen Notwendigkeiten. Ein Sachverhalt ist im weiteren Sinne logisch notwendig, wenn er in jeder möglichen
113
Vgl. hierzu ausführlicher Flint (1998), S. 46 f., und zum Begriff der individuellen Essenz insbesondere Plantinga (1974), Kap. V. 114 Diese Formulierung lehnt sich an Flint (1998), S. 47, an.
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Welt besteht.115 Da Gott allwissend ist, umfasst sein Wissen u. a. alle solchen Notwendigkeiten. Vielleicht inspiriert durch eine ähnliche Terminologie bei Scotus, nennt Molina dieses Wissen ›Natürliches Wissen‹ (scientia naturalis). Da für Molina die Tatsache, dass ein Sachverhalt möglich ist, ihrerseits logisch oder metaphysisch notwendig ist, schließt Gottes Natürliches Wissen neben beispielsweise logischen und mathematischen Wahrheiten auch sein Wissen um all das mögliche Kontingente ein, das zu aktualisieren für ihn möglich ist. (Was möglich ist und was nicht, schwankt dieser Idee zufolge nicht von möglicher Welt zu möglicher Welt.) Festzuhalten ist des Weiteren, dass Gott sein Natürliches Wissen bereits in dem Sinne ›prävolitional‹116 zur Verfügung steht, dass es explanatorisch ›vor‹ seinem kreativen Willensakt vorliegt, durch den er eine bestimmte mögliche Welt zur aktualen macht. (Obwohl Molina dies, soweit ich sehe, nicht eigens betont, ist darüber hinaus klar, dass Gottes Natürliches Wissen mit seiner Aktualisierung einer bestimmten Welt nicht erlischt: Auch wenn er sich für eine bestimmte Welt entschieden hat, kennt er weiterhin alle notwendigen Wahrheiten; sein Natürliches Wissen besteht nicht nur prä-, sondern auch postvolitional.) Durch sein Natürliches Wissen kennt Gott dieser Vorstellung zufolge z. B. die möglichen Resultate indeterministischer kausaler Interaktionen aller Dinge, die er erschaffen könnte. Ferner weiß er durch dieses Wissen auch, was in einer deterministischen Welt mit bestimmten Anfangsbedingungen, bestimmten Gesetzmäßigkeiten usw. durch die kausalen Interaktionen ge115
Dies wird häufig von ›logischer Notwendigkeit‹ unterschieden, die einem Sachverhalt bezogen auf eine formale Sprache S zuzuschreiben ist. Die Rede von ›im weiten Sinne logischer Notwendigkeit‹ folgt Plantinga (1974), der von »broadly logical necessity« spricht. 116 Diese Terminologie ziehen – im Bewusstsein dessen, dass es sich bei Molina nicht um ein zeitliches »prä-« handeln kann – z. B. in Erwägung: Freddoso (1988 b), S. 3 f. und passim; Zagzebski (1991), S. 125; Flint (1998), S. 37 f.; Fischer (2008), S. 21 f.
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schaffener Dinge definitiv geschehen würde. Was er durch sein Natürliches Wissen nicht weiß, ist dagegen, was in nicht-deterministischen Welten – inklusive solcher, in denen es im libertarischen Sinne freie menschliche Entscheidungen gibt – geschähe, wenn er solche Welten realisieren würde. Da Natürliches Wissen sich nur auf notwendige Sachverhalte bezieht und freie Entscheidungen nicht notwendig sind, erstreckt sich Gottes Natürliches Wissen nicht auf freie menschliche Entscheidungen. Wie sich mögliche menschliche Wesen in bestimmten Umständen frei entscheiden würden, ist Molina zufolge jedoch Gegenstand von ›Mittlerem Wissen‹ (scientia media). Auch dieses Wissen steht Gott bereits prävolitional, d. h. explanatorisch gesehen ›vor‹ seiner Willensentscheidung für eine bestimmte mögliche Welt zur Verfügung, denn Gott kennt die Wahrheitswerte aller entsprechenden kontrafaktischen Freiheitskonditionale. Seinen Namen trägt dieses Wissen jedoch deshalb, weil es neben dieser Gemeinsamkeit mit Gottes Natürlichem Wissen auch eine Gemeinsamkeit mit seinem postvolitionalen Wissen darüber hat, was kontingenterweise in der tatsächlichen Welt der Fall sein wird. Jenes postvolitionale Wissen, das Gott erst logisch nach seiner Entscheidung, welche Welt aktuell werden möge, zur Verfügung steht, nennt Molina ›Freies Wissen‹ (scientia libera). Denn es umfasst alle kontingenten Sachverhalte, die aufgrund von Gottes freier Entscheidung für eine bestimmte mögliche Welt de facto bestehen und bestehen werden. Das Mittlere Wissen tauft Molina also deshalb mit diesem Namen, weil es insofern ›zwischen‹ Natürlichem und Freiem Wissen liegt, als es zwar einerseits wie Natürliches Wissen bereits prävolitional vorliegt, sich jedoch anders als das Natürliche Wissen nicht auf metaphysisch notwendige, sondern wie das Freie Wissen auf kontingente Sachverhalte bezieht. Die folgende Tabelle fasst die Hauptcharakteristika dieser drei Wissensarten zusammen117: 117
Eine ähnliche Schematisierung findet sich in Flint (1998), S. 42.
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Wissensarten
Natürliches Wissen (scientia naturalis)
Stadium im Schöp prävolitional, fungsprozess / Beziehung zu Gottes unabhängig von Gottes Willen Willen
Gegenstände / Inhalte
metaphysisch notwendige Sachverhalte / Propositionen
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Mittleres Wissen (scientia media)
Freies Wissen (scientia libera)
prävolitional, unabhängig von Gottes Willen
postvolitional, abhängig von Gottes Willen
metaphysisch kontingente Sachverhalte / Propositionen
metaphysisch kontingente Sachverhalte / Propositionen
Tabelle 2: Drei Arten göttlichen Wissens nach Molina
5.2 Zur Originalität von Molinas Theorie des Mittleren Wissens Molina ist der erste, der die Theorie des Mittleren Wissens klar formuliert und systematisch ausarbeitet und verteidigt. Gleichwohl hat sein Ansatz Vorläufer. In Abhandlung 53, memb. 2, 22, sagt Molina zu diesem Thema, dass seine Thesen von dem, was die »heiligen Väter und katholischen Doktoren«, deren Werke er ausgiebig studiert habe, sagen, erleuchtet seien. Er lege nur etwas klarer die Grundlagen dessen dar, wie »all diese Dinge« miteinander in Einklang stünden. Die heiligen Väter hätten, wenn auch nicht in unseren Worten, so doch die Sache selbst – gemeint ist das Mittlere Wissen – ebenfalls behauptet (si non nostris verbis, re tamen ipsa affirmare, S. 377). Tatsächlich unterscheidet etwa Thomas, wie wir gesehen hatten, (i) Dinge, die nicht aktual sind, es aber einmal waren oder sein werden, von (ii) solchen, die lediglich im Vermögen Gottes
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bestehen und nicht aktual sind und es auch niemals sein werden. Die erstgenannten erkennt Gott laut Thomas per atemporal-ewiger scientia visionis, die anderen per scientia intelligentiae (ST I, q. 14, a. 9, resp.). Gott, so heißt es, weiß nicht nur alles, was aktual ist oder sein wird, sondern auch alles, was lediglich in seinem Vermögen oder dem Vermögen seiner Geschöpfe liegt (ST I, q. 14, a. 13, resp.). Auch Scotus sagt, göttliche Ideen gebe es sowohl von Möglichkeiten, die in Zukunft realisiert oder aktualisiert werden, als auch von solchen, die dies nicht werden. Der Unterschied bestehe nur im Akt des göttlichen Willens, der sich im einen Fall für und im anderen Fall gegen die Dinge entscheide (vgl. etwa Reportatio IA, d. 38, n. 33, S. 48/49). Auch zu Molinas Lebzeiten soll seine Theorie sich im Denken anderer Theologen angekündigt haben. Sein Mitbruder Petrus de Fonseca etwa soll explizit behauptet haben, er sei es gewesen, der die Theorie der scientia media, zumindest in nuce, entwickelt und schon 1566 im Rahmen von Vorlesungen vorgetragen habe. Molina dagegen fand zu seiner Verwunderung größere Teile seiner Vorlesungsmanuskripte zur Prima pars in einem von Fonseca noch vor Molinas Publikation der Concordia und seines eigenen Kommentars zur Prima pars veröffentlichten Summenkommentar wieder. Molinas Manuskripte kursierten seit seinen Vorlesungen in Évora in Form von Mit- und Abschriften. Einigen Hinweisen zufolge sollen auch die Jesuiten Francisco Toledo um 1570 sowie Robert Bellarmin und dessen Schüler Leonhard Lessius, die letztgenannten 1573 bzw. 1585 in Löwen, molinistische Ideen öffentlich vertreten haben. 1582 soll darüber hinaus in einer Disputation der Jesuit Prudentius de Montemayor molinistische Thesen auf die Frage angewandt haben, wie Christus trotz Gottes ewigem Heilsbeschluss sein Leiden und seinen Kreuzestod freiwillig habe in Kauf nehmen können. Wie die Akten der spanischen Inquisition belegen, wurde de Montemayor hierfür von Báñez entschieden angegriffen und der spanischen Inquisition gegenüber der Häresie bezichtigt. Auch Gregor von Valencia, der die Concordia später in Rom für die Jesuiten vertei-
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digte, soll 1584 in Ingolstadt in seiner Disputation De praescien tia Dei eine inhaltlich Molinas Lehre vom Mittleren Wissen nahe stehende Doktrin verteidigt haben.118 All diese Hinweise sind jedoch einigermaßen vage und recht spärlich belegt, weshalb es nicht allzu gewagt erscheint, Molina als den eigentlichen Vater der Theorie des Mittleren Wissens zu bezeichnen.
5.3 Der Streit mit den Báñezianern: praedeterminatio physica statt scientia media? Molinas Ansatz gewinnt weiter an Kontur, wenn man die Grundzüge der wichtigsten Gegenposition, der báñezianisch-thomistischen Theorie göttlicher Vorsehung betrachtet. Der Ausdruck ›Thomismus‹ stehe im Folgenden auch ohne den Zusatz ›báñezianisch‹ oder ›dominikanisch‹ für das sich dezidiert auf Thomas von Aquin berufende System der Dominikaner, wie es zu Molinas Zeiten am einflussreichsten durch Báñez und dessen Schüler Á lvarez entwickelt und verteidigt wurde. Diese verstanden sich als Verwalter des geistigen Erbes von Thomas – was allerdings auch die meisten jesuitischen Theologen von sich behaupteten. Was als korrekte Thomas-Interpretation bzw. als hinreichend in seiner Tradition verwurzelte Entfaltung seiner Lehre gelten kann, war und ist bis heute kontrovers. Im Folgenden sage ich ›thomasisch‹ (statt ›thomistisch‹), wo eine These Thomas selbst zugeschrieben wird. Sämtliche menschlichen Handlungen und Entscheidungen, darüber bestand bei keiner der streitenden Parteien Zweifel, fallen in den Gegenstandsbereich göttlicher Vorsehung. Doch wie können solche Handlungen und Entscheidungen dann frei sein? Die Theologen des Predigerordens betonten die absolute Souveränität Gottes. Die Jesuiten hingegen legten mehr Gewicht auf 118
Vgl. zu diesen Thesen und Geschehnissen die kursorischen Ausführungen von Hentrich (1928), S. 20 f., zur »Geschichte des Prämolinismus«.
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die Freiheit des Menschen, wobei diese wesentlich die Möglichkeit der Wahl zwischen Alternativen beinhalten sollte – inklusive der Möglichkeit, göttliche Gnadenangebote anzunehmen oder abzulehnen. Die Schwierigkeit bestand für beide Seiten darin, dem jeweils anderen Aspekt in gebührender Weise Rechnung zu tragen. Die Dominikaner bekräftigten, dass Gott als absolut souveräne prima causa allen weltlichen Geschehens alles festlege: »Insofern Gott die Ursache allen Seins ist«, schreibt Báñez in seinem Thomas-Kommentar zur Prima pars, »setzt er nichts voraus, was von einem anderen gemacht ist, von dem er nicht selbst die Ursache ist, und so determiniert er alles und wird von nichts determiniert«.119 Wäre das Zusammenwirken der Erstu rsache mit geschaffenen Zweitursachen – inklusive mit menschlichen Geschöpfen – bei Gottes Einwirkung auf die Zweitursachen nicht unweigerlich wirksam, so Báñez, dann könnten die Zweit ursachen ihre Wirkungen überhaupt nicht hervorbringen. Also könne keine Zweitursache handeln, wenn sie nicht von einer Erstursache wirksam determiniert worden wäre.120 Auf solchen Überlegungen beruht der berühmte Báñezianischthomistische Begriff der praemotio physica oder praedeterminatio physica, der eine wichtige Negativ-Folie des molinistisch-jesuitischen Begriffs der scientia media darstellt. Besonders ausführlich und klar entfaltet diesen Terminus in der Thomistenschule des ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhunderts Diego Álvarez in seinem Buch De auxiliis divinae gratiae et humani arbitrii, viribus et libertate ac legitima eius cum efficacia eorundem auxiliorum concordia, libri XII (1610). Auch Álvarez betont, Gott sei »Herr aller Zweit 119
»Deus autem cum sit causa totius entis nihil praesupponit ab alio factum, cuius ipse non sit causa, et ita omnia determinat et a nullo determinatur« (Báñez, Commentaria, q. XXIII, a. III, concl. 9, S. 277). 120 »Si concursus primae causae non esset efficax ad determinandum omnes causas secundas, nulla secunda causa operaretur suum effectum. Quia nulla secunda causa potest operari, nisi sit efficaciter a prima determinata« (Báñez, Commentaria, q. XIV, a. XIII, S. 216).
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ursachen« und verwende diese daher, wann und wie er wolle.121 Entsprechend sei für die einzelnen supranaturalen, heilsrelevanten Akte eine den freien Willen »physisch zum Handeln prä determ inierende« Gnadenhilfe notwendig.122 Jene Hilfe, durch die Gott nicht nur anrate, dazu locke, einlade oder uns auf eine andere Weise innerlich moralisch dahin ziehe, dass wir handeln, sondern durch die er dies wahrhaft wirklich und wirksam mache, prädeterminiere den freien Willen physisch zur Koopera tion.123 Anders als jener bloß moralische Einfluss auf den Willen, den die Thomisten ebenfalls als eine Form von ›Prädetermination‹ bezeichnen (praedeterminatio moralis), garantiert Álvarez zufolge nur eine solche physische Prädetermination Wirksamkeit im Hinblick auf die Ausführung des Aktes. Nur sie mache es unausweichlich, dass die vom Willen gewählte Handlung auch tatsächlich stattfinde. Die entscheidende Frage lautet, ob und, wenn ja, in welchem Sinne diese These die auch von den Thomisten geforderte Freiheit menschlicher Handlungen und Entscheidungen bewahren kann. Laut Álvarez ist göttliche Prädetermination mit einer Selbstdeterminierung des freien menschlichen Willens vereinbar: Der freie Wille des Menschen determiniere sich selbst zu seiner Handlung – prädeterminiert sei dies jedoch durch Gott.124 ›Physisch‹, so Álvarez, bedeute im vorliegenden Zusammenhang 121
»Deus est Dominus omnium causarum secundarum; ergo utitur illis quando vult et quomodo vult« (Álvarez, Auxiliis, disp. XXIII, S. 180). 122 »[A]d singulos actus supernaturales est necessarium auxilium gratiae physice praedeterminans liberum arbitrium ad operandum« (Álvarez, Auxiliis, disp. XCI, S. 607). »Ad singulos actus est necessarium auxilium gratiae, physice determinans voluntatem nostram ad consensum« (ibid., S. 606). 123 »Auxilium illud, per quod Deus non solum suadendo, alliciendo, invitando, vel aliter etiam interius moraliter attrahendo, sed vere efficienter, & efficaciter facit nos operari, physice praedeterminat liberum arbitrium ad cooperandum« (Álvarez, Auxiliis, disp. XCI, S. 606). 124 »Liberum hominis arbitrium … licet determinet sibi suum actum, illum tamen determinat praedeterminatum a Deo« (Álvarez, Auxiliis, disp. XXII, S. 175).
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nicht ›naturhaft‹, sondern bezeichne eine Form von Prädetermination, die im Gegensatz zu einer bloß moralischen und metaphorischen Prädetermination wahrhaft und wirklich sei.125 Gleichwohl hält er unmissverständlich fest, dass ein von Gott in dieser Weise prädeterminierter Wille zwar frei, aber unfehlbar – und das heißt hier: unweigerlich und unausweichlich – die von Gott prädeterminierte Handlung ausführe: »quod … voluntas libere et infallibiliter operetur actum a Deo praedeterminatum« (Álvarez, Auxiliis, disp. XXIII, S. 188). Ähnlich sagt auch Báñez über das Beispiel des sündigenden und bereuenden Petrus, es impliziere einen Widerspruch anzunehmen, Petrus stimme, insoweit er frei handele, während er der Gnade ausgesetzt sei, bei vorhandener wirksamer Gnadenhilfe dem rufenden und vorbereitenden Gott nicht zu.126 Die Jesuiten fanden diesen Ansatz zutiefst unbefriedigend und letztlich unverständlich. Denn wie kann eine Handlung, die in dieser Weise unfehlbar prädeterminiert ist, als frei gelten? Molina hält dagegen, dass die göttliche Gnadenhilfe nicht allein und nur aus ihrer eigenen Natur heraus wirksam oder unwirksam sei, sondern dass ihre Wirksamkeit davon abhänge, ob der menschliche Wille ihr zustimme und mit ihr kooperiere – ganz so, wie es das Rechtfertigungsdekret des Tridentinums lehre (53, memb. 1, 7, S. 361). Aus dem Gesagten erhellt, dass die Báñezianer im Gegensatz zu den Jesuiten offenbar keine libertarische, sondern eine kom125
»Quando ergo asserimus, Deum sua motione efficaci physice prae determinare voluntatem creatam, ut ipsa libere operetur actus bonos, verbum physice … non accipitur, ut significet idem, quod naturaliter, sed ut significet veram, & realem praedeterminationem condistinctam contra illam, quae est solum moralis, aut metaphorica« (Álvarez, Auxiliis, disp. XXIII, S. 186). 126 »Quantumlibet Petrus libere operetur, dum disponitur ad gratiam: implicat tamen contradictionem, quod simul stante eodem auxilio efficaci non consentiat Deo vocanti et praeparanti« (Báñez, Commentaria, q. XXIII, a. VII, S. 309).
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patibilistische Freiheitstheorie vertraten, der zufolge menschliche Entscheidungen auch dann als frei gelten können, wenn sie – in diesem Fall durch göttliche Entscheidungen – prädeterminiert sind und faktisch alternativlos bleiben. Molina dagegen bekennt sich dezidiert zu einem freiheitstheoretischen Inkompatibilismus und Libertarismus. Die zentrale Frage an den Molinisten lautet dann, wie – wenn überhaupt – seine inkompatibilistische Freiheitstheorie tatsächlich mit der (von den Jesuiten nicht in Abrede gestellten) Lehre von unfehlbarer göttlicher Vorsehung und universalem göttlichen Vorherwissen vereinbar ist. Es ist diese Frage, die Molina mit seiner berühmten Theorie des Mittleren Wissens zu beantworten sucht.
6. Einwände gegen Molinas Theorie des Mittleren Wissens Molina hat seine Theorie des Mittleren Wissens philosophisch detailliert ausgearbeitet. Dies hat sie nicht vor massiven philosophischen und theologischen Angriffen bewahrt. Die Tatsache, dass sie bis heute zahlreiche Anhänger wie Gegner in ihren Bann zieht, dürfte neben der überhistorischen Bedeutung des Freiheitsthemas auch damit zu tun haben, dass Molinas Ansatz in tiefe allgemeinere metaphysische, logische und religionsphilosophische Wasser führt. Die Renaissance der Diskussionen um den Molinismus in der analytischen Philosophie hat in diesem Kontext alte Einwände präzisiert und wiederbelebt, aber auch bisher unentdeckte Schwierigkeiten an den Tag gebracht, die erst vor dem Hintergrund der seit den 1970er Jahren vor allem von David Lewis, John Pollock und Robert Stalnaker entwickelten Theorien kontrafaktischer Konditionale in befriedigender Klarheit formuliert werden können. (Die Zeit scheint uns hier in der Tat weiter »beraten« zu haben, wie Paul V. seinerzeit mutmaßte – auch wenn, wie wir sehen werden, Molinas Sache nach wie vor philosophisch wie theologisch kontrovers ist.) Im vorliegenden Kapitel skizziere ich einige der m. E. wichtigsten Ein-
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wände gegen Molinas Theorie der scientia media sowie mögliche molinistische Repliken.
6.1 Löst Molinas Theorie das Problem des theologischen Determinismus? Beginnen wir mit einer neueren Kritik von John Martin Fischer (Fischer 2008; 2009; 2011).127 Er wendet ein, dass Molina keinesfalls eine Lösung des Problems des theologischen Determinismus entwickle, sondern den theologischen Kompatibilismus – die These, göttliche Allwissenheit und menschliche Freiheit seien miteinander vereinbar – schlicht voraussetze (ähnlich auch Hasker 1989, S. 18). Molinas Ansatz akzeptiere »from the outset … that there exists a possible world in which God knows in advance that some agent does X and is nevertheless free to do otherwise« (Fischer 2009, S. 138 f.). Molinas Vorschlag sei daher »question-begging (or at least not dialectically helpful at all)« für den Disput über die Vereinbarkeit von göttlicher Allwissenheit mit menschlicher Freiheit (2011, S. 213; 2008, S. 28). Speziell behauptet Fischer, jenes Argument, das ich oben in 4.3 als ›Boethius-Pike-Fischer-Argument‹ bezeichnet und erörtert habe, werde von Molina nicht widerlegt. Fischer nennt es »basic argument« für den theologischen Inkompatibilismus und konstatiert, Molina versuche nicht einmal, es zu beantworten. Hierzu ist Folgendes zu sagen. Fischer hat bei diesem Einwand offenbar in erster Linie Molinas Theorie des Mittleren Wissens im Auge. Und hinsichtlich dieser, in der Tat zentralen Komponente von Molinas Theorie ist Folgendes zuzugestehen: Der Begriff des Mittleren Wissens beschreibt die epistemische Eigenschaft des (göttlichen) Wissens um das, was Akteure bzw. deren Essenzen, wenn sie aktualisiert würden, aus freien Stücken in bestimmten Umständen tun wür127
Vgl. zum Folgenden ausführlicher Jäger (2013 a).
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den. Molina geht klarerweise davon aus, dass der Begriff kohärent ist, doch das ist nur dann der Fall, wenn das betreffende göttliche Wissen um menschliche Handlungen deren Freiheit nicht zerstört. Insofern ist es in der Tat irreführend, allein in Molinas These des Mittleren Wissens, wie einige Autoren (dar unter Zagzebski 1991, Kap. 5; Kane 2005, S. 157) sagen, eine »Lösung« des Problems zu erblicken. Allerdings bettet Molina die Entwicklung seines Begriffs des Mittleren Wissens in eine umfassende Theorie der Willensfreiheit, des göttlichen Wissens und des theologischen Kompatibilismus ein, in deren Rahmen er sich ausführlich mit nahezu allen zu seiner Zeit bekannten Argumenten gegen eine Vereinbarkeit von göttlichem Wissen mit menschlicher Freiheit auseinandersetzt. Das belegen rund 500 Seiten Text der Concordia (in der Erstauflage) und zahlreiche weitere Schriften Molinas. Fischer behauptet dagegen allgemein über Molinas Theorie: »The kernel set of ideas in Molina’s theory of God’s omniscience … cannot be invoked to provide a solution to the problem posed by the relationship between God’s omniscience and human freedom« (Fischer 2011, S. 208).
Doch dies ist aus mindestens zwei Gründen falsch. Zum einen gehören zum Kernbestand von Molinas Ideen eben auch seine (im vorliegenden Band dokumentierten) ausführlichen Aus einandersetzungen mit den wichtigsten gegnerischen Argumenten für die Unvereinbarkeit von göttlicher Allwissenheit mit menschlicher Freiheit und seine, wie Molina meint, Widerlegung dieser Argumente. Molinas Theorie des Mittleren Wissens ist eingebettet in diese Auseinandersetzungen und stellt vor dem Hintergrund der These, dass bislang kein erfolgreiches Argument für die Unvereinbarkeitsbehauptung vorgelegt worden sei, keinen isolierten Lösungsvorschlag, sondern einen Erklärungsver such der Vereinbarkeit von göttlicher Allwissenheit mit menschlicher Freiheit dar.
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Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Fischers »basic argu ment« einen temporalen und nicht einen atemporalen Sinn von göttlicher Allwissenheit zugrundelegt; das Boethius-PikeFischer-A rgument versteht die Rede von göttlichem Vorherwissen buchstäblich so, dass Gott zu früheren Zeitpunkten vorausweiß, was sich später ereignen wird. Auch damit sitzt Fischers Vorwurf gegen Molina, so, wie Fischer ihn formuliert, einer igno ratio elenchi auf. Denn Molina ist, auch wenn er häufig temporale Redeweisen verwendet und von göttlicher praescientia spricht, offiziell Atemporalist. (Siehe hierzu etwa Concordia, Abhandlung 48.) Er kann Fischers »basic argument« in der vorliegenden Form daher auch aus prinzipiellen Gründen als falsch formuliert zurückweisen. Die Frage ist dann freilich, ob sich womöglich analoge Unvereinbarkeitsargumente gegen einen atemporalistischen Molinismus formulieren lassen. Ich rekonstruiere und verwerfe solche Argumente in Jäger (2011 a), (2011 b) und (2013 a).128
6.2 Molinas Beispiele aus der Schrift Als Belege für seine These über Gottes Mittleres Wissen zitiert Molina vielfach Passagen aus der Schrift. Eines seiner Lieblingsbeispiele stammt aus dem Alten Testament, wo es im 1. Buch Samuel (Kap. 23) heißt, dass Saul, nachdem David die Stadt Keïla vor den Philistern bewahrt hatte, plante, die Stadt zu belagern. »Wird Saul … herabkommen?«, fragte David Gott durch ein Efod.129 »Er wird herabkommen«, lautete die Antwort. »Werden die Einwohner von Keïla mich und meine Leute an Saul ausliefern?«, fragte David weiter. »Ja«, lautet die Antwort wieder. 128
Unter den wenigen Autoren, die Molinas Atemporalismus in diesem Zusammenhang ernst nehmen, ist Eef Dekker; siehe id. (2000), Kap. 3.5. 129 Das hebräische Wort ›Efod‹ bezeichnet den Priesterschurz des Hohepriesters, an dem eine Tasche mit den Orakelsteinen Urim und Thummim befestigt war. Man glaubte, dass der Hohepriester durch Befragung der Steine den Willen Gottes erfahren könne.
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arauf floh David mit seinen Mannen aus Keïla und Saul belaD gerte die Stadt nicht. Molina deutet diese Stelle so, dass sie Gott Mittleres Wissen darüber zuschreibt, was Saul (aus freien Stücken) täte, wenn David in Keïla bliebe, und darüber, was die Einwohner von Keïla täten, wenn Saul die Stadt belagerte. Doch ist dies eine korrekte Lesart? Das Hebräische kennt keinen Unterschied zwischen kontrafaktischen und indikativischen Konditionalen. Daher lässt sich der Text, zumindest ›oberflächengrammatisch‹, auch so verstehen, dass z. B. die erste Antwort des Efods (wie die üblichen Übersetzungen nahe legen) lautet: (1) Wenn David mit seinen Leuten in Keïla bleibt, wird Saul die Stadt (aus freien Stücken) belagern. Anthony Kenny hat daher Molinas Rekurs auf solche Bibelstellen als verfehlt verworfen, eben weil es dort in Wahrheit nicht um kontrafaktische Freiheitskonditionale gehe: »It would commonly be thought nowadays by theologians that the biblical texts quoted by Molina do not prove his case. … The oracle consulted by David, the ephod, had only two sides to it, probably marked ›yes‹ and ›no‹. Such an apparatus would be incapable of marking the difference between knowledge of counterfactuals and knowledge of the truth-value of material implications. Since the antecedent of David’s questions was false, the same answers would have been appropriate in each case« (Kenny 1979, S. 64).
Allerdings folgt erstens daraus, dass ein Efod nur zwei Seiten hatte und die Vorrichtung selbst vermutlich in der Tat nicht zwischen materialen und kontrafaktischen Konditionalen unterschied, nicht, dass auch seine Befrager dieser Unterscheidung konzeptuell nicht mächtig waren und sie diese nicht dem Fragekontext entsprechend sehr wohl zu implementieren wussten. Es ist wenig plausibel anzunehmen, dass diejenigen, die ein Efod
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konsultierten, dessen Antworten generell im Sinne materialer Implikation verstanden. Selbst wenn das Efod nur eine Ja- und eine Nein-Seite hatte, zeigt das nicht, dass die jeweils gegebenen Antworten nicht in passenden Situationen sehr wohl als Antworten der Form: »Wenn p einträte, würde q geschehen« gedeutet und verstanden wurden. Und die natürlichste und m. E. intendierte Lesart von 1 Sam 23 scheint tatsächlich, wie Molina behauptet, eine kontrafaktische (bzw. potentiell präfaktische) zu sein. Immerhin weiß David der Geschichte zufolge, als er das Efod befragt, dass es zu diesem Zeitpunkt noch offen ist, ob er in Keïla bleibt, ob Saul die Stadt dann belagert und David und seine Leute ausgeliefert würden, usw. Inhaltlich kann Davids Frage kaum anders gedeutet werden, als dass es darum geht, was geschehen würde, wenn er (aus freien Stücken) in Keïla bliebe, und was vermieden würde, wenn er aus der Stadt flüchtete. Verstünde man (1) als materiale Implikation, dann wäre die notorische Frage nach dem Wahrheitswert des betreffenden Freiheitskonditionals auf einfache Weise gelöst. Die Aussage wäre dann schlicht deshalb wahr (und ein allwissendes Wesen wüsste ihren Inhalt), weil ihr Antezedens falsch ist. Doch was das Efod sagt, kann angemessener durch den folgenden Satz ausgedrückt werden: (2) Wenn David mit seinen Leuten in Keïla bliebe, würde Saul die Stadt (aus freien Stücken) belagern. So jedenfalls versteht Molina die Geschichte und deutet die Stelle damit durchaus zu Recht als Beleg dafür, dass Gott schon im Alten Testament Wissen über die Wahrheitswerte (unerfüllter) kontrafaktischer Freiheitskonditionale zugeschrieben wird. Darüber hinaus beachte man, dass es bei anderen von Molina in diesem Kontext angeführten Bibelstellen noch unplausibler wäre, sie nicht im Sinne kontrafaktischer Freiheitskonditionale zu lesen. Im Matthäusevangelium etwa werden Jesus bestimmte Behauptungen über das Verhalten der Bewohner von Tyrus und
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Sidon zugeschrieben: »Dann begann er den Städten, in denen er die meisten Machttaten getan hatte, Vorwürfe zu machen, weil sie nicht Buße getan hatten«, so heißt es: »Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt. Das sage ich euch: Tyrus und Sidon wird es am Tag des Gerichts erträglicher ergehen als euch. Und du, Kafarnaum, wirst du etwa bis zum Himmel erhoben werden? Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen. Wenn in Sodom die Machttaten geschehen wären, die bei dir geschehen sind, dann stünde es noch heute.« (Mt 11, 20–23, zitiert nach der Einheitsübersetzung).
Es sei klar, so argumentiert Molina auch unter Verweis auf diese Stelle, dass Gott Wissen über bestimmte kontingente Ereignisse hat, die von freien menschlichen Entscheidungen abhängen, auch wenn die betreffenden Ereignisse nie existiert haben noch jemals existieren werden.130 Kenny (1979, S. 64) wendet gegen die Heranziehung dieser Passage ein, dass sie »klar rhetorisch« gemeint und das göttliche Wissen über die Leute in Tyrus und Sidon als ein Wissen über deren faktischen Charakter zu verstehen sei. Auch diese Deutung erscheint jedoch wenig überzeugend. Zwar mag die obige Passage insofern rhetorische Komponenten haben, als die von Jesus ausgesprochene Mahnung durch den Vergleich von Chorazin und Betsaida (wo Jesus der Überlieferung nach wirkte, aber offenbar zunächst kein großes Echo fand) mit den wegen ihrer Leichtlebigkeit und Götzenkulte unter den Israeliten berüchtigten Hafenstädten Tyrus und Sidon 130
»[C]onstat Deum optimum maximum habere certam cognitionem aliquorum futurorum contingentium quae ex libero arbitrio humano pendent, quae tamen nec fuerunt nec erunt umquam in rerum natura ac proinde nec existunt in aeternitate« (Molina, Concordia, 49.9, S. 310). Vgl. zu diesem Beispiel Molinas auch seine Diskussion in den Abhandlungen 40 und 53, memb. 1, 6–7.
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an Eindringlichkeit gewinnt. Selbst in so ruchlosen Städten wie Tyrus und Sidon, so die Vorhaltung, hätte man sich, wenn dort Wunder geschehen wären, besser verhalten als in Chorazin und Betsaida. Ferner mag sich diese Aussage u. a. tatsächlich aus einem Wissen um gewisse Dispositionen der Leute von Tyrus und Sidon speisen. Aber all das zeigt nicht, dass sie ausschließlich von aktualen Sachverhalten handelt und in dem Sinne nur rhetorisch gemeint ist, dass keine kontrafaktische Behauptung darüber aufgestellt würde, was in Tyrus, Sidon und Sodom unter bestimmten nicht-faktischen Umständen geschehen wäre.131 Der entscheidende Punkt aber dürfte darin liegen, dass es für Molina zwar zweifellos hilfreich war, seine Theorie des Mittleren Wissens mit Stellen aus der Schrift zu untermauern, um bei den Theologen seiner Zeit Gehör zu finden. Molina hält seinen Ansatz jedoch vor allem aus systematischen Gründen für unentbehrlich, um absolute göttliche Souveränität und unfehlbare Vorsehung mit libertarisch verstandener menschlicher Freiheit zu versöhnen. Die Theorie der kontrafaktischen Freiheitskonditionale ist aus molinistischer Sicht vor allem ein systematisches philosophisch-theologisches Desiderat, das auch dann bestünde, wenn ein Rekurs auf kontrafaktische Freiheitskonditionale als Gegenstände göttlichen Wissens in der Schrift nicht einwandfrei nachweisbar wäre.
6.3 Scientia media und göttliche Souveränität Ein Einwand, den Molinas báñezianisch-thomistische Gegner bereits zu seinen Lebzeiten erhoben, lautet, dass seine Theorie nicht mit Gottes uneingeschränkter Souveränität vereinbar und daher aus theologischen Gründen unhaltbar sei. In jüngerer Zeit hat Reginald Garrigou-Lagrange diese Kritik etwa mit den Wor131
S. für eine andere Verteidigung von Molina gegen Kenny auch Freddoso (1988 b), S. 62–64.
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ten formuliert, dass Gottes Wissen nicht durch etwas ihm Extrinsisches oder durch etwas, das nicht durch Gott verursacht ist, determiniert werden könne. Eben diesen Charakter aber habe Molinas scientia media, und so würde Gott abhängig von etwas anderem, in seinem Wissen passiv und wäre nicht mehr actus purus. Scientia media involviere eine Imperfektion, die in Gott nicht existieren könne (Garrigou-Lagrange, De Deo Uno, c. 14, a. 13, IV). Molina bestreitet, dass Gottes Mittleres Wissen mangelnde Perfektion impliziert. Richtig ist jedoch, dass seinem Ansatz zufolge die Wahrheit (oder Falschheit) kontrafaktischer Freiheitskonditionale auch Gott vorgegeben ist: Die Kenntnis dieser Konditionale soll ja die göttliche Entscheidung für die Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt leiten, und Gott findet ihre Wahrheit (oder Falschheit) in der Schöpfungssituation bereits vor. Angenommen, das Subjekt S tut in den Umständen U aus freien Stücken F. Zwar hätte Gott die Welt so einrichten können, dass S sich nie in U vorfände oder dass S sogar niemals existierte. Wenn aber das Freiheitskonditional, dass S in U aus freien Stücken X täte, wahr ist, dann kann Molinas Theorie zufolge auch Gott nicht das Gegenteil bewirken; und wenn es wahr ist, dass S in U frei davon Abstand nähme, X zu tun, dann kann laut Molina auch Gott es nicht so einrichten, dass es wahr ist, dass S in U X täte. Der Molinist gesteht somit zu, dass es Welten gibt, die zwar metaphysisch möglich sind, die aber auch Gott nicht aktualisieren kann. Und eben dies ist ein Merkmal des Molinismus, das seit dem Gnadenstreit großen theologischen Widerspruch, insbesondere von thomistischer Seite, provoziert hat. Angenommen, David hätte sich entschieden, mit seinen Leuten in Keïla zu bleiben. Molina zufolge impliziert die entsprechende Proposition weder logisch noch kausal, dass Saul die Stadt (aus freien Stücken) belagert, noch, dass Saul die Stadt (aus freien Stücken) nicht belagert. Folglich gibt es, unter der gemachten Annahme, einen möglichen Weltverlauf, in dem David mit seinen Leuten
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in Keïla bleibt und Saul die Stadt belagert, und einen anderen möglichen Weltverlauf, in dem David mit seinen Leuten in Keïla bleibt und Saul die Stadt nicht belagert. Doch wenn (2) wahr ist (»Wenn David mit seinen Leuten in Keïla bliebe, würde Saul die Stadt (aus freien Stücken) belagern«), dann kann Gott eine mögliche Welt, in der David mit seinen Leuten in Keïla bleibt und Saul die Stadt aus freien Stücken nicht belagert, auch wenn diese Welt logisch möglich ist, nicht aktualisieren. Zwar könnte er eine Welt aktualisieren, in der David mit seinen Leuten in Keïla bleibt und Saul kausal dazu determiniert ist, die Stadt zu belagern. Aber in einer solchen Welt würde Saul dies nicht aus freien Stücken tun. Molina muss zugestehen, dass Gott keinen Einfluss auf das hat, was er durch sein Mittleres Wissen über die möglichen freien Verhaltensweisen möglicher und wirklicher Kreaturen in möglichen Umständen weiß. Ob sich aus all dem ein Einwand gegen Molina ergibt, hängt von weitreichenden theologischen Voraussetzungen ab, die hier nicht in extenso erörtert werden können. Der Molinist kann jedoch in jedem Fall darauf hinweisen, dass die Theorie seiner dominikanisch-thomistischen Kritiker analogen bzw. sogar noch weit unbequemeren Einwänden ausgesetzt ist. Der klassische thomistische Ansatz propagiert ein Modell, dem zufolge ein atemporal-allwissender Gott das gesamte räumlich und zeitlich ausgedehnte Weltgeschehen auf einmal in einem Akt direkter v isio erfasst. Unabhängig etwa von scotistischen Einwänden gegen die Kohärenz dieses Vorschlags (siehe hierzu oben die Darstellung von Scotus’ Position) und unabhängig davon, wie man die Details ausbuchstabieren mag, wendet der Molinist gegen dieses Bild ein, dass in diesem Ansatz göttliche Allwissenheit abhängig gemacht wird von einem quasi-perzeptiven Erfassen des aktualen Weltgeschehens, inklusive dessen, wie Kreaturen sich faktisch in der Welt verhalten. Inwiefern dies besser zu der Idee absoluter göttlicher Souveränität passen sollte als Molinas Ansatz, ist schwer zu sehen. Im Gegenteil, Molinas Theorie scheint in puncto göttliche Souveränität im Vorteil zu sein. Ihr
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zufolge muss Gott, ähnlich wie bei Scotus, nicht auf die Welt, sondern nur auf sich selbst schauen, um zu wissen, was in der Welt vorgeht; er weiß dies allein mittels seiner scientia naturalis, seiner scientia media und der unmittelbaren Kenntnis seiner krea tiven Absichten und seines eigenen Willens, dessen Entschlüsse (wie er ebenfalls weiß) immer verwirklicht werden. Ähnlich kann der Molinist auch der Position des sogenannten Offenen Theismus begegnen. Dieser tritt in verschiedenen Spielarten auf. Eine gemeinsame Grundidee der verschiedenen Varianten lautet, dass eine Welt mit freien Kreaturen – verstanden in einem libertarischen und das Prinzip der alternativen Möglichkeiten akzeptierenden Sinne – eine Welt ist, deren Verlauf auch für Gott in vielen Aspekten offen bleibt. Wie sich ein Mensch in einer bestimmten Situation frei entscheidet, so die These, weiß auch Gott erst dann, wenn die betreffende menschliche Entscheidung erfolgt. Diese These mag gewisse theologische Pro bleme lösen oder umgehen. Mit der Idee absoluter göttlicher Souveränität indessen scheint sie weniger gut vereinbar zu sein als Molinas Theorie des Mittleren Wissens. Denn der Offene Theismus muss zugestehen, dass Gott, anthropomorph gesprochen, Überraschungen erlebt. Zwar mag er Wahrscheinlichkeitsprognosen darüber abgeben können, wie ein kreatürliches Subjekt S sich in bestimmten Umständen verhalten wird; wissen indessen oder unfehlbar glauben kann er dies in einem im Sinne des Offenen Theismus genuin und metaphysisch (nicht nur epistemisch) zukunftsoffenen Universum nicht. Gott, so halten Kritiker dieser Position daher vor, wird in ihr zu einem kosmischen Spieler, der im Hinblick auf den Weltverlauf Glück haben kann oder auch nicht. Auch eine solche Theorie, so scheint es, entfernt sich weit stärker von klassischen theologischen Allwissenheitskonzepten als der Molinismus. Die vielleicht stärkste Entgegnung des Molinisten auf den Souveränitätseinwand schließlich dürfte lauten, dass es in der semitisch-christlichen Perfektheitstheologie im Kern ohnehin darum geht, dass Gott gegenüber aktual existierenden Kreaturen
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unter deren aktualen Bedingungen absolut souverän ist, und dass genau diese Idee von der Theorie der scientia media keineswegs kompromittiert wird. Denn auch wenn Gott die Wahrheit bzw. Falschheit bestimmter kontrafaktischer Freiheitskonditionale in der Schöpfungssituation vorgegeben ist, so bleibt es Molinas Modell zufolge Gottes Entscheidung, welche Geschöpfe mit freiem Willen je in welchen Umständen existieren sollen, ja, ob es solche Kreaturen überhaupt jemals geben soll. Gott hätte sich für eine andere mögliche Welt mit anderen freien Kreaturen oder auch für eine Welt frei von freien Kreaturen entscheiden können. Obwohl ihm also laut Molina die Wahrheitswerte kontrafaktischer Freiheitskonditionale vorgegeben sind, unterliegt sein postvolitionales Freies Wissen insofern vollständig seiner Kon trolle, als dieses Wissen über den aktualen Weltverlauf allein davon abhängt, für welche Welt Gott sich entscheidet. Man mag die Unbeeinflussbarkeit der Wahrheitswerte der betreffenden Freiheitskonditionale als theologische Konzession ansehen. Aber es ist für Molina die harmloseste Konzession innerhalb einer Theologie, die echte – d. h. für Molina: inkompatibilistisch verstandene – kreatürliche Freiheit zulässt.
6.4 Der Wahrmacher-Einwand Die größte Schwierigkeit für Molina sehen viele neuere Autoren im sogenannten Wahrmacher-Problem oder dem »Einwand der fehlenden Wahrheitsgrundlagen« (grounding objection). Dieser Einwand ist von allgemeiner metaphysischer Natur und taucht in verschiedenen Fassungen auf. Die radikalste Variante besagt, dass es nichts gibt, was unerfüllte kontrafaktische Freiheitskonditionale wahr macht, und diese daher, je nach zugrunde gelegter Theorie kontrafaktischer Konditionale, entweder ›wahrheitswertlos‹ oder falsch sind. (Für die letztgenannte Option plädiert z. B. Robert Adams.) Da es Wissen nur von wahren Propositionen gibt, könnte in diesem Fall niemand, auch Gott nicht, ein Wis-
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sen haben, dessen Inhalt von entsprechenden kontrafaktischen Freiheitskonditionalen beschrieben wird. Eine zweite Fassung besagt, dass selbst im Falle erfüllter kontrafaktischer oder ›präfaktischer‹ Freiheitskonditionale, die von Wesen und Situationen handeln, die es gibt oder einmal geben wird, die einzigen akzeptablen Wahrmacher-Kandidaten die betreffenden Konditionale nicht ›rechtzeitig‹ wahr machen (im explanatorischen, nicht temporalen Sinne), damit diese Gott in der Schöpfungssituation als Gegenstände Mittleren Wissens zur Verfügung stehen (Adams 1977; Kenny 1979, Kap. 5). So mag es naheliegen zu sagen, dass, wenn etwas für die Wahrheit kontrafaktischer Freiheitskonditionale dieses Typs verantwortlich ist, dies die geschöpflichen Akteure selbst sind. Doch kann der Molinist auch das nicht kohärenterweise behaupten, denn jene Akteure existieren in der Schöpfungssituation noch nicht. Ferner werden in der heute üblichen Lewis-Stalnaker-Semantik die Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale über Ähnlichkeitsrelationen möglicher Welten zur aktualen Welt bestimmt. Doch in Molinas Modell sollen Gott die Wahrheitswerte bestimmter kontrafaktischer Konditionale bereits vor der Realisierung der aktualen Welt zur Verfügung stehen, in einem Stadium der Schöpfung, in dem es die aktuale Welt noch gar nicht gibt. Dies ist die ›Prioritätsvariante‹ des Grundlageneinwands. Beginnen wir mit der allgemeineren Fassung. In einer Pionierarbeit zum Thema hat Robert Adams bestritten, dass unerfüllte kontrafaktische Freiheitskonditionale jemals wahr waren oder jemals wahr sein werden (Adams 1977). Wie er später deutlich gemacht hat, ist seine These, dass solche Freiheitskonditionale sämtlich falsch sind.132 Worin, so mag man fragen, gründet der Wahrheitswert kontingenter unerfüllter kontrafaktischer Freiheitskonditionale? Auch sie, meint Adams, 132
S. Fußnote *4 in seinem Wiederabdruck von Adams (1977) in seinem The Virtue of Faith and Other Essays in Philosophical Theology (1987), S. 91. Wierenga (1989), S. 140–148, argumentiert gegen Adams’ Falschheitsthese.
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bedürfen der Wahrmacher, doch seien in diesem Fall keine in Sicht. Das Antezedens von Satz (2) oben in Abschnitt 6.1 etwa ((2) lautete: ›Wenn David mit seinen Leuten in Keïla bliebe, würde Saul die Stadt (aus freien Stücken) belagern‹) ist, wie wir annehmen wollen, falsch: David ist nicht in Keïla geblieben. Daher kann man sich bei einer Wahrmachersuche nicht auf den aktualen Weltverlauf berufen. Aus demselben Grund kann (2) auch kein Gegenstand postvolitionalen göttlichen Vorauswissens sein. Ferner kann die Aussage auch nicht deshalb wahr sein, weil das Konsequens kausal oder gar logisch aus dem Antezedens folgt. Denn Sauls Handlung wäre weder bei einer deduktiven Folgerungsbeziehung zwischen Antezedens und Konsequens noch bei einer kausal zwingenden Beziehung zwischen dem, was im Antezedens und Konsequens beschrieben wird, in einem libertarischen Sinne frei. Bleibt zu erwägen, ob sich die Wahrheit von (2) im Rückgriff auf Sauls Wünsche, Absichten, Überzeugungen usw. oder, allgemein gesprochen, auf dessen Charakter begründen lässt. Dies scheidet Adams zufolge indessen ebenfalls aus, denn solche Faktoren machen Beschreibungen von Handlungen, die in einem libertarischen Sinne frei sind, nicht definitiv, sondern allenfalls wahrscheinlich wahr oder falsch. Was Gott laut Molina durch sein Mittleres Wissen erfassen soll, ist aber – z. B. – (2), und nicht die Aussage, dass, wenn David mit seinen Leuten in Keïla bliebe, Saul die Stadt wahrscheinlich aus freien Stücken belagern würde. Verschiedene Autoren haben sich Adams’ Einwand angeschlossen, in besonders einflussreicher Weise etwa William Hasker (1986; 1989, S. 29–31). Was, wenn überhaupt etwas, kann der Molinist erwidern? Zunächst ist zu fragen, warum (unerfüllte) kontrafaktische Freiheitskonditionale überhaupt der Wahrmacher bedürfen sollten. Weil jede wahre Proposition ein fundamentum veritatis braucht? Wer so argumentiert, hängt einem sogenannten Wahr macher-Maximalismus an, wie etwa David Armstrong ihn vertritt. »My hope is«, sagt Armstrong, »that philosophers of realist in-
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clinations will immediately be attracted to the idea that a truth, any truth, should depend for its truth on something ›outside‹ it, in virtue of which it is true« (2004, S. 7.) Ein ensprechendes Prinzip lautet: (TM) Jede Proposition ist wahr dann und nur dann, wenn sie einen Wahrmacher (außerhalb ihrer selbst) hat.133 Doch diese Forderung ist kontrovers und erscheint aus verschiedenen Gründen problematisch. Ein allgemeines, aber fundamentales Problem besteht darin, die Relation des ›Wahrmachens‹ zu präzisieren und informativ zu erläutern. Um eine kausale Beziehung kann es sich nicht handeln. Denn selbst wenn man notwendige Wahrheiten einmal außer Acht lässt, handelt es sich bei dem, was wahr gemacht wird, dem Wahrheitsträger, um eine abstrakte Entität (etwa eine Proposition). Dann aber scheidet Verursachung als Kandidatin für die Wahrmachbeziehung aus, denn abstrakte Gegenstände, die als solche außerhalb von Raum und Zeit existieren, sind keine Relata von Kausalbeziehungen. Zwar kann man (jedenfalls in Tirol) sagen, dass der Satz ›Schnee ist weiß‹ wahr ist, weil Schnee weiß ist; doch der Verteidiger der Wahrmacher will, wie etwa Jennifer Hornsby (2005) darlegt, offenbar bestimmte Entitäten anführen, die wahre Aussagesätze wahr machen. Kandidaten hierfür sind dann in unserem Beispiel etwa das Weißsein des Schnees, oder allgemein Aspekte der Realität, von denen es ›abhängt‹, dass der Satz wahr ist. Hornsby argumentiert, m. E. überzeugend, dass keiner dieser Vorschläge zu akzeptablen Charakterisierungen der Relation des Wahrmachens führt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch Daly (2005) und Melia (2005), der eine moderne Form von Nominalismus vertritt. Daly (2011) kommt zu dem Schluss, dass 133
S. hierzu etwa Rodriguez-Pereyra (2006). Ob man die These für Propositionen, Aussagen oder Sätze formuliert, spielt für das Folgende keine Rolle.
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sich der Begriff ›grounding‹ bei genauerem Hinsehen letztlich als unverständlich erweist.134 Ferner ist zu fragen, was notwendige, z. B. logische Wahrheiten wahr machen könnte. Und welche »äußeren« Wahrmacher in der Welt machen Konditionalaussagen wahr? Was macht solche kontrafaktischen Freiheitskonditionale wahr, die notwendigerweise wahr sind (wie: ›Wenn David mit seinen Leuten aus freien Stücken in Keïla bliebe, bliebe David mit seinen Leuten aus freien Stücken in Keïla‹)? Laut David Lewis sind ferner kontrafaktische Konditionale mit notwendig falschen Antezedentien wahr. (Beispiel: ›Wenn 2 + 2 = 5 wäre, könnten Schweine fliegen.‹) Wo sind die Wahrmacher solcher Propositionen? Die Suche gestaltet sich schwierig, doch das hat hier nichts damit zu tun, dass von möglichen freien Handlungen die Rede wäre. Auch das lässt vermuten, dass das Wahrmacherproblem, wenn es denn eines geben sollte, nicht spezifisch ist für kontrafaktische Freiheitskonditionale. Ein hartnäckiges Problem werfen auch negative Existenzpropositionen auf. Was macht eine Proposition wie ›Anna Karenina existiert nicht‹ oder ›Es gibt keine Hobbits‹ wahr? Ist die letztgenannte Proposition wahr aufgrund des bestehenden Sachverhalts oder der Tatsache, dass das Universum keine Hobbits enthält? Diese Antwort wäre nur dann informativ, wenn solche Sachverhalte bzw. Tatsachen ontologisch von den negativen Propositionen, deren Wahrheit sie erklären sollen, verschieden sind. Doch wie wäre eine solche Propositionen- und Tatsachenmetaphysik sinnvoll zu konzipieren? Könnte man an dieser Stelle nicht z. B. weiter fragen, warum dann die betreffenden Sachverhalte bestehen bzw. Tatsachen sind? Eine Ontologie negativer Tatsachen als Wahrmacher negativer Existenzpropositionen – 134
Für ausführliche Diskussionen des Themas, die weitere Präzisierungen und sowohl Verteidigungen als auch Kritiken von Wahrmacher-Forderungen enthalten, s. auch die anderen Aufsätze in Beebee und Dodd (2005 a) und in Correia und Schnieder (2012 a); Künne (2003), Kap. 3.5; sowie zur Einführung die Einleitungen von Beebee und Dodd (2005 b); Correia und Schnieder (2012 b); und den Überblick in MacBride (2013).
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eine ›Absenz-Ontologie‹, wie man sie nennen könnte – erscheint wenig attraktiv. David Lewis (1999, S. 220) diskutiert ferner die universale negative Existenzaussage: (N) Es existiert nichts. Diese Aussage ist zwar falsch (denn die Welt ist nicht leer). Aber (N) ist möglicherweise wahr; es ist metaphysisch nicht unmöglich, dass es nicht etwas, sondern vielmehr nichts gibt. (Zumindest gibt es sehr gute Gründe dafür, dies anzunehmen.) Doch wenn der Wahrmacher-Maximalist recht hätte, wäre (N) nur dann wahr, wenn sehr wohl etwas existierte – nämlich ein ›externer‹ Wahrmacher von (N). Die Aussage wäre also, wenn sie wahr ist, falsch, und somit führt (TM) – uneingeschränkt, wie das Prinzip daherkommt – in einen Widerspruch zu (N). Der Wahrmachermaximalist muss daher behaupten, dass (N) notwendigerweise falsch ist. Da (N) dagegen allem Anschein nach möglicherweise wahr ist, lässt sich diese Überlegung als eine plausible reductio des Wahrmacher-Maximalismus ansehen. Wenn ein Wahrmacher-Maximalismus nicht überzeugen kann, muss die Strategie des Antimolinisten darin bestehen zu zeigen, dass, wenn auch nicht alle, so doch bestimmte Propositionen der externen Wahrmacher bedürfen und kontrafaktische Freiheitskonditionale zur betreffenden Gruppe gehören. Die Ablehnung eines Wahrmacher-Maximalismus muss nicht zu einem Wahrmacher-Nihilismus führen; dem Freund der Wahrmacher stehen selektive Wahrmacherforderungen offen. Doch auch die Gangbarkeit eines selektiven Ansatzes erscheint bei genauerem Hinsehen zweifelhaft. Wenn wir einigen Propositionen Wahrheit zugestehen, obwohl sich keine Wahrmacher für sie ausmachen lassen, warum sollte dies dann nicht für alle wahren Propositionen gelten? Wahrmacher-Theorien wollen typischerweise darlegen, was es bedeutet, dass eine Proposition wahr ist. Doch dann gilt es, entweder den Wahrmacher-Maximalismus zu
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akzeptieren oder das Projekt einer Wahrmacher-Theorie allgemein als ontologisch und wahrheitstheoretisch zweifelhaft zu betrachten. Hierfür hat jüngst etwa Ross P. Cameron argumentiert. »Either there’s something wrong with accepting truths that don’t have an ontological grounding or there isn’t«, sagt er. »[I]f there is, then every truth requires a grounding; if there isn’t, then no truth requires a grounding. Truthmaker theory is a theory about what it is for a proposition to be true; it’s just not the kind of theory that can apply only in a restricted domain. What possible reason could one have for thinking of some propositions that they need to be grounded in what there is that doesn’t apply to all propositions? … So either truthmaker maximalism is true or we should abandon truthmaker theory altogether« (Cameron 2008, S. 412).
William Hasker versucht, die Intuition hinter dem Wahrheitsgrundlagen-Einwand auf folgendes Prinzip zurückzuführen (2003; siehe auch 2004, S. 195; 2011, S. 27): (TM*) Jede wahre kontingente Proposition ist wahr aufgrund der Existenz oder Nichtexistenz eines konkreten Zustands oder eines konkreten Ereignisses (der aktualen Welt). Unter einem konkreten Zustand oder Ereignis versteht Hasker dabei die Instantiierung einer Eigenschaft oder einer Relation zu einer gegebenen Zeit in einer Substanz. Des weiteren soll ›Existenz‹ in einem transtemporalen Sinne so verstanden werden, dass etwas existiert, wenn es jetzt existiert, einmal existiert hat oder einmal existieren wird. (TM*) zufolge können kontingente unerfüllte kontrafaktische Freiheitskonditionale – solche mit falschen Antezedentien – nicht wahr sein, denn es gibt keine konkreten Weltzustände, aufgrund deren sie wahr sind. Allein, warum sollte der Molinist (TM*) akzeptieren? Thomas Flint hat in verschiedenen Arbeiten gegen Hasker eingewandt, dass (TM*) problematisch ist. Denn Prinzipien über Wahrheits-
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grundlagen werden nicht im philosophischen Vakuum formuliert. Vielmehr orientiert sich der Wahrheitstheoretiker zunächst an Klassen von Propositionen, über deren Wahrheitsmetaphysik er möglichst wenig Zweifel hegt, um dann auf dieser Basis allgemeinere Prinzipien zu formulieren. Nun geht der Molinist davon aus, dass es wahre kontrafaktische Freiheitskonditionale gibt. Wenn es daher – was der Molinist nicht akzeptieren muss – für sämtliche Arten kontingenter Propositionen der Wahrheitsgrundlagenprinzipien im Stile Haskers bedürfen sollte, dann lautet das entsprechende Prinzip des Molinisten: (TM**) Jede wahre kontingente Proposition ist wahr aufgrund eines konkreten Weltzustands oder eines konkreten Ereignisses, die gegenwärtig existieren, einmal existiert haben, existieren werden oder unter bestimmten Umständen existieren würden (Flint 2011, S. 39). (TM**) lässt zu, dass auch echte kontrafaktische Freiheitskonditionale, d. h. solche mit falschen Antezendentien, ›Wahrheitsgrundlagen‹ haben. Und warum sollte der Molinist ein Prinzip wie (TM*) statt (TM**) akzeptieren? Positiv bieten sich dem Molinisten mindestens drei Antworten an auf die Frage, warum einige kontrafaktische Freiheitskonditionale wahr sind. (i) Eine Antwort hat David Lewis einmal mit den Worten formuliert, dass es zwar in der Tat, wie Adams behauptet, nichts geben könne, was wahre unerfüllte kontrafaktische Freiheitskonditionale wahr macht. Das allerdings sei nicht weiter beunruhigend: Sie seien eben wahr, so Lewis, und das sei alles.135 (ii) Zweitens kann man durchaus sagen, dass ein wahres kontrafaktisches Freiheitskonditional der Form ›Wenn S sich in U befände, würde S aus freien Stücken X tun‹ wahr ist, eben weil 135
»[T]here can be nothing that makes unfulfilled counterfactuals of freedom true. They just are true, and that’s that« (Lewis 1993, S. 118, deutsch S. 292).
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die Welt so ist, dass S in U X täte. Wie Trenton Merricks (2011, S. 67–71) betont, ist dies nicht dasselbe, wie (mit Lewis) schlicht zu sagen, solche Freiheitskonditionale seien »eben wahr, und das ist alles«. Merricks vergleicht das Thema mit der Frage danach, warum negative Existenzpropositionen wahr sind. Dass es keine weißen Raben gebe, sei nicht einfach wahr (just true), sondern dies sei deshalb wahr, weil die Welt keine weißen Raben enthalte.136 Das alles laufe aber nicht auf das Postulat eines konkreten Wahrmachers für diese Proposition hinaus oder auf die Forderung nach irgendeiner Entität im Universum, die für die Wahrheit dieser Proposition verantwortlich sei. Dass es keine weißen Raben gibt, ist wahr, weil es sich so in der Welt verhält. Man könne dies, so Merricks – auch ohne Wahrmacher zu postulieren – durchaus ausdrücken, indem man sage, die Welt besitze einen speziellen »Negativexistenz-Aspekt« (a particular ›negative existential aspect‹; 2011, S. 68). In analoger Weise können Merricks zufolge Molinisten legitimerweise sagen, dass die Welt einen speziellen konjunktivischen Aspekt (a particular ›subjunctive aspect‹) besitzt, aufgrund dessen die in ihr wahren kontrafaktischen Konditionale wahr sind. (iii) Suárez hat eine in Grundzügen ähnliche Idee rund 400 Jahre zuvor metaphysisch dadurch zu erhellen versucht, dass er wirklichen sowie bloß möglichen Wesen die primitive, nicht weiter analysierbare Eigenschaft zuschreibt, dass sie sich eben in bestimmten Umständen in bestimmter Weise entscheiden würden (De Gratia, proleg. 2, c. 7, nn. 21, 24, 25, S. 94–96). Auch Adams selbst (1977) hält diese Idee immerhin für »am wenigsten klar unbefriedigend« und gibt insgesamt zu, dass normalerweise in der Tat keine Unsicherheit darüber bestehe, was beispielsweise ein Metzger getan hätte, wenn Adams ihn gebeten hätte, ihm ein Pfund Hackfleisch zu verkaufen und dieses verfügbar 136
Es sei hier angenommen, dass diese empirische Behauptung, auch wenn sie nicht verifizierbar ist, wahr ist. Für weitere Einwände gegen den Grundlageneinwand s. auch Merricks (2007), S. 146–151.
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gewesen wäre – auch und insbesondere unter der Annahme, dass der Metzger mit freiem Willen hätte handeln können. Zweifellos hätte er Adams die Ware aus freien Stücken verkauft. Alle drei Antwortvarianten liegen inhaltlich nicht allzu weit voneinander entfernt.137 Für wie befriedigend man sie am Ende hält, hängt von weiter reichenden metaphysischen und wahrheitstheoretischen Voraussetzungen ab, die im vorliegenden Rahmen nicht weiter verfolgt werden können. Stattdessen möchte ich abschließend auf eine m. E. fundamentale Schwierigkeit bzw. ein bis dato offenes Desiderat für den Antimolinisten hinweisen, der leugnet, dass kontrafaktische Freiheitskonditionale wahr sein können. Adams hat Recht: In unseren Alltagskonversationen gehen wir davon aus, dass es wahre kontrafaktische Freiheitskonditionale gibt. Antimolinisten wie Hasker, die das Wahrmacherproblem bemühen, schulden dem Molinisten daher eine Theorie darüber, warum wir tagtäglich mit Wahrheitsansprüchen verbundene kontrafaktische Freiheitsbehauptungen aufstellen, obwohl diese niemals wahr sind. Mit anderen Worten, der Antimolinist schuldet dem Molinisten eine Irrtumstheo rie. Ich sehe drei Möglichkeiten, eine solche zu entwickeln. Keine erscheint bei näherem Hinsehen aussichtsreich. Der Kritiker könnte erstens versuchen, die betreffenden Sprecha kte als nur scheinbar assertorisch zu interpretieren und plausibel zu machen, dass das, was hier wie die konditionale Behauptung einer möglichen freien Handlung aussieht und offenbar auch so gemeint ist, in Wahrheit keine echte Behauptung ist. Nennen wir dies die These der Re-Interpretation des Sprechakts. Eine solche Strategie erscheint allerdings nur dann aussichtsreich, wenn sie auch mit einer positiven Aussage darüber aufwartet, um welche andere Art von Sprechakt es sich stattdessen handeln könnte. Vielversprechende Kandidaten sind hier jedoch 137
Zu den Autoren, die sich Überlegungen in den skizzierten Richtungen anschließen, gehören neben Suárez, Lewis und Merricks auch Basinger (1984), Plantinga (1985), Gaskin (1993) und Craig (2001).
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schwer auszumachen. Die beispielsweise in meta-ethischen Debatten von Non-Kognitivisten wie Emotivisten, Präskriptivisten oder Expressivisten vorgeschlagenen Substitute für assertorische moralische Behauptungen oder Urteile passen hier nicht. Kontrafaktische Freiheitskonditionale generell als Ausdrücke von Gefühlen, als Imperative, Ausdrücke von Normenakzeptanz o. ä. zu analysieren (wie etwa in Carnaps und Ayers Emotivismus, Hares Präskriptivismus oder einem Expressivismus Blackburnscher oder Gibbardscher Prägung) erscheint im vorliegenden Fall abwegig. Zweitens mag der Antimolinist nicht die Art des Sprechakts, sondern dessen Inhalt re-interpretieren. Nennen wir dies die These der Inhaltsverschiebung. Doch welche Inhalte kommen in Frage? Am plausibelsten erschiene die These, dass wir mit kontrafaktischen Freiheitskonditionalen Propositionen ausdrücken, die eigentlich nur besagen, dass das Subjekt die betreffende Handlung wahrscheinlich (aus freien Stücken) ausüben würde. Doch auch dieser Vorschlag erscheint bei näherer Betrachtung wenig überzeugend. Tatsächlich wissen kompetente Sprecher in konditionalen Diskursen sehr wohl zwischen Wahrscheinlichkeitsbehauptungen und nicht probabilistisch eingeschränkten Behauptungen zu unterscheiden und machen dies in ihren Sprechakten auch deutlich. Wenn wir (wie in Adams’ Beispiel) glauben, dass uns der Verkäufer die Ware wahrscheinlich verkauft hätte, so sagen wir normalerweise genau das: dass man uns die Ware wahrscheinlich verkauft hätte, und nicht, dass man sie uns verkauft hätte. Auch bei indikativen Konditionalen sitzen kompetente (normale erwachsene) Sprecher selten Verwechslungen zwischen bloßen Wahrscheinlichkeitsbehauptungen und nicht probabilistisch eingeschränkten Aussagen auf. Denken wir an Aussagen über Wettkämpfe, Glücksspiele, das Verhalten von Mitmenschen usw. Halten wir etwas für bloß wahrscheinlich, so sagen wir dies üblicherweise so und schränken unsere Aussagen explizit entsprechend ein. (»Wenn Bochum gegen Dortmund spielt, wird wahrscheinlich Dortmund gewinnen«, »Wenn ich im
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Lotto spiele, werde ich wahrscheinlich nicht gewinnen«.) Warum sollten wir dann ausgerechnet nur bei Äußerungen kontrafaktischer Freiheitskonditionale »wahrscheinlich« meinen, ohne es zu sagen? Da andere alternative Inhalte erst recht nicht in Betracht kommen, erscheint daher der Vorschlag der Inhaltsverschiebung ebenfalls wenig aussichtsreich. Mit den betreffenden assertorischen kontrafaktisch-konditionalen Sprechakten stellen wir nicht nur echte Behauptungen auf, sondern auch Behauptungen, die genau das besagen, was sie zu besagen vorgeben. Drittens schließlich bleibt dem Kritiker die Diagnose des sys tematisch inkorrekten Sprechakts. In diesem Fall konzediert er, dass Äußerungen kontrafaktischer Freiheitskonditionale unter normalen Umständen als echte Behauptungen gemeint sind und auch genau den Inhalt haben, den sie zu haben vorgeben. Die These lautet jedoch nun, dass die Sprecher mit solchen Behauptungen in ihren Wahrheitsansprüchen aus systematischen Gründen stets scheitern. Auch dieser Vorschlag hat jedoch eine Reihe abwegiger Konsequenzen. Wenn es richtig wäre, dass, wie Adams meint, entsprechende Behauptungen stets falsch sind, dann könnten ihre Adressaten diese immer und legitimerweise als verfehlt zurückweisen. Fragen wir jemanden nach dem Weg, so hören wir oft, dass man uns die Auskunft gern (aus freien Stücken) gäbe, wenn man sich denn selbst auskennen würde, leider jedoch ebenfalls fremd in der Gegend sei, usw. Angenommen, unerfüllte kontrafaktische Freiheitskonditionale wären, wie Adams meint, stets falsch. Dann dürfte man auf solche Äußerungen stets antworten: »In Wahrheit ist es nicht so, dass Sie mir den Weg (aus freien Stücken) erklären würden, auch wenn Sie ihn wüssten!«, oder vielleicht, was umgangssprachlich womöglich dasselbe besagen soll: »Nein, Sie würden mir den Weg nicht erklären, auch wenn Sie ihn wüssten.« (Ich werde unten in der Diskussion des sogenannten Satzes vom konditional ausgeschlossenen Dritten genauer darauf eingehen, in welcher Form kontrafaktische Konditionale zu negieren sind. Umgangssprachlich, so scheint mir, behandeln wir die Negation des gesamten
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Konditionals als äquivalent mit der Negation des Konsequens.) Adams könnte seinem Fleischer entgegnen: »Nein, tatsächlich ist es nicht der Fall, dass sie mir die Ware (aus freien Stücken) verkauft hätten, auch wenn sie verfügbar gewesen wäre.« Mit solchen Repliken dürften wir unsere Konversationspartner einigermaßen befremden! Tatsächlich erweist sich die Anfrage an Molinas Gegner sogar als noch etwas unbequemer als bisher dargestellt. Denn die gegnerische These besagt offenbar nicht nur, dass unerfüllte kontrafaktische Freiheitskonditionale sämtlich falsch sind; sie besagt, dass sie notwendigerweise falsch sind. Immerhin stellt der Einwand eine semantische These über die Wahrheitsbedingungen jener Konditionale und die metaphysischen Merkmale potentieller Wahrmacher auf. Die geforderte Irrtumstheorie müsste somit erklären, warum wir in unserer alltäglichen konversationalen und doxastischen Praxis ständig Dinge behaupten und für wahr halten, die notwendigerweise falsch sind und für die es aus begrifflichen Gründen nicht einmal möglich ist, dass sie wahr sind. Angesichts dieser Schwierigkeiten mag es wenig verwunderlich erscheinen, dass sich Molinas Gegner der Aufgabe, eine entsprechende Irrtumstheorie zu entwickeln, (so weit ich sehe) bislang nicht gestellt haben.
6.5 Wer oder was bringt die Wahrheit kontrafaktischer Freiheitskonditionale hervor? Spezielle, einflussreiche Varianten des Grundlagen-Einwands stammen von William Hasker (1986, 1989) und von Robert Adams (1991). Haskers Ausgangsfrage lautet, wer oder was die Wahrheit der betreffenden Freiheitskonditionale »hervorbringe« (brings about). In einer ersten Fassung argumentiert Hasker zunächst, (i) dass der Molinist nicht konsistenterweise behaupten könne, die betreffenden Akteure hätten die Fähigkeit hierzu. (ii) In einem zweiten Schritt schließt er, dass sie in den fraglichen
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Handlungen dann auch nicht in dem vom Molinismus geforderten libertarischen Sinne frei seien und dass es somit keine wahren kontrafaktischen Freiheitskonditionale gebe. Wenn das richtig ist, kann es auch kein Wissen geben, dessen Inhalt von kontrafaktischen Freiheitskonditionalen beschrieben wird, und Molinas Theorie des Mittleren Wissens würde scheitern. Verschiedene Prämissen und Annahmen in Haskers ursprünglichem Argument sind kontrovers.138 Die Einzelheiten seiner Überlegung sind einigermaßen komplex und sollen hier nicht im Detail referiert werden. Stattdessen möchte ich das eng verwandte und an Hasker anknüpfende, jedoch um einiges übersichtlichere und zugänglichere Argument von Adams (1991) erörtern, das außerdem einige strittige Annahmen Haskers umgeht. (Beeinflusst von Adams hat auch Hasker selbst später verbesserte Fassungen seiner ursprünglichen Überlegung vorgelegt, an denen er bis dato festhält.139) Adams’ »neues antimolinistisches Argument« stützt sich auf den Begriff der explanatorischen Priorität. Adams erläutert ihn u. a. in Anlehnung an die mittelalterliche Rede von prius ratione und grenzt ihn entsprechend von dem der temporalen Priorität ab. Eine Grundannahme des Molinismus lautet, dass göttliches Wissen über die Wahrheitswerte kontrafaktischer Freiheitskonditionale insofern explanatorische Priorität gegenüber der göttlichen Entscheidung genießt, eine bestimmte Welt mit bestimmten freien Kreaturen zu aktualisieren, als jene Entscheidung sich, auch wenn sie nicht in der Zeit stattfindet, auf dieses Wissen stützt. Diese erste Erläuterung ist zu ergänzen und näher 138
Vgl. hierzu insbesondere Flint (1998), S. 138–158. Eine der strittigsten Thesen Haskers lautet, dass (kreatürliche) kontrafaktische Freiheitskonditionale »bedeutend fundamentaler sind als Naturgesetze im Hinblick auf eine Erklärung, warum die Dinge so sind wie sie sind« und dass sie a fortiori fundamentaler sind »als einzelne Fakten« (Hasker 1989, S. 47; vgl. auch id., 1995, S. 224). 139 Hasker (1995), (1999). Für einen Überblick über die Grundideen und die Geschichte der betreffenden Kritiken s. Hasker (2011).
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zu beleuchten. Im Folgenden wird es insbesondere darum gehen, ob die explanatorische Priorität tatsächlich, wie es prima facie aussieht, irreflexiv ist. Vorläufig sei dabei eine inhaltlich bereits etwas präzisierte Beschreibung zugrunde gelegt, die Hasker (1997, S. 390) in einer Verteidigung von Adams’ Argument gegen einen Einwand von William Craig (1994) vorschlägt: (EP) p besitzt explanatorische Priorität gegenüber q genau dann, wenn p in einer vollständigen Erklärung, warum q besteht, enthalten sein muss. Wie Haskers frühere Variante zerfällt Adams’ Argument in zwei Schritte. Im ersten argumentiert er, dass der Molinismus darauf festgelegt ist zu behaupten, die Wahrheit aller uns betreffenden kontrafaktischen Freiheitskonditionale genieße explanatorische Priorität gegenüber allen unseren faktischen Handlungen und Entscheidungen. Genauer beschrieben, verläuft der erste Teil des Arguments wie folgt: Adams’ antimolinistisches Argument (1) Laut Molinismus gilt, dass die Wahrheit aller uns betreffenden kontrafaktischen Freiheitskonditionale explanatorische Priorität hat gegenüber Gottes Entscheidung, die aktuale Welt zu realisieren.140 (2) Gottes Entscheidung, die aktuale Welt zu realisieren, hat explanatorische Priorität gegenüber unserer Existenz. (3) Unsere Existenz hat explanatorische Priorität gegenüber a llen unseren Handlungen und Entscheidungen. (4) Die Relation der explanatorischen Priorität ist transitiv.
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Adams spricht statt von der Aktualisierung einer Welt davon, dass Gott »uns erschafft«. Da Gottes Aktualisierung der wirklichen Welt das Erschaffen der faktisch existierenden Kreaturen einschließt, spielt dieser Unterschied für das Folgende keine Rolle.
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(5) Also besitzt laut Molinismus die Wahrheit aller wahren kontrafaktischen Freiheitskonditionale über uns explanatorische Priorität gegenüber allen unseren Handlungen und Entscheidungen (aus 1–4). Adams argumentiert nun zunächst, dass sich aus These (5) unter Hinzunahme einer weiteren, zumindest prima vista plausiblen Prämisse in wenigen weiteren Schritten Haskers erste wichtige Konklusion – (i) »Es ist nicht der Fall, dass die Akteure selbst, von denen in den betreffenden kontrafaktischen Konditionalen die Rede ist, deren Wahrheit hervorbringen« – ableiten lässt. Denn geht man davon aus, dass explanatorische Priorität asymmetrisch ist (dass also, wenn p explanatorische Priorität gegenüber q hat, q nicht zugleich explanatorische Priorität gegenüber p hat), dann ergibt sich mit (5), dass der Molinist darauf festgelegt ist zu sagen, dass nicht auch umgekehrt unsere Handlungen und Entscheidungen explanatorische Priorität gegenüber der Wahrheit kontrafaktischer Freiheitskonditionale über uns genießen. Doch unsere Handlungen und Entscheidungen haben explanatorische Priorität gegenüber allem, was wir mit ihnen hervorbringen. Also ist es nicht der Fall, dass wir die Wahrheit uns betreffender kontrafaktischer Freiheitskonditionale hervorbringen. Dieser zweite, an (5) anschließende Schritt in Adams’ Überlegung zugunsten von Haskers erster Konklusion ist freilich, wie Adams selbst einräumt, nach wie vor an verschiedenen Stellen diskussionswürdig. So konzediert Adams u. a., dass die angebliche Asymmetrie explanatorischer Priorität fraglich sei.141 Hierauf komme ich in Kürze ausführlicher zurück. Strittig ist außerdem, ob dem bei Hasker zentralen Begriff des Hervorbringens von Wahrheitswerten kontrafaktischer Konditionale eine geeignete und hinreichend präzise Bedeutung gegeben werden 141
»The most debatable point in this argument, in my opinion, is … that the relation of explanatory priority is asymmetrical« (Adams 1991, S. 347).
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kann.142 Adams schlägt indessen auch eine Alternative zu dem an Schritt (5) anschließenden Verlauf des Arguments vor, die, falls korrekt, via reductio auf einem direkteren Weg zur zweiten und entscheidenden Konklusion von Haskers ursprünglichem Argument führt: zu der Konklusion, dass die vom Molinisten postulierten angeblich freien menschlichen Akteure in Wahrheit nicht frei handeln und entscheiden.143 Angenommen: (6) S tut in U aus freien Stücken F. (Annahme) Dann gilt laut Molinismus: (7) Es gibt ein wahres kontrafaktisches Freiheitskonditional K des Inhalts, dass S, wenn S sich in U befände, aus freien Stücken X täte. (Aus 6 und Molinismus.)
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Der Begriff soll kausale Verursachung einschließen, aber nicht auf sie eingeschränkt sein. Hasker (1999, S. 291) definiert ihn wie folgt: »S brings it about that Y iff: For some X, S causes it to be the case that X, and (X & H) => Y, and ~(H => Y), where H represents the history of the world prior to its coming to be the case that X«. ›=>‹ repräsentiert strikte Implikation. Mit Haskers Definition lässt sich beispielsweise sagen, dass die Person, die Sokrates den Schierlingsbecher trinken ließ, es hervorbrachte, dass Xanthippe zur Witwe wurde, auch wenn der Exekutor dies nicht verursachte (das Beispiel stammt von Jaegwon Kim). Für einen ausführlichen Austausch über den Begriff siehe auch Flint (1998), S. 138–158, Flint (1999) und Hasker (1995). 143 Die folgende Rekonstruktion weicht leicht von Adams’ Originalformulierung ab, u. a. indem sie statt der Ersten Person ›S‹ verwendet sowie Satz (6) gesondert als Annahme formuliert, die dann aufgrund der folgenden reductio als falsch erwiesen werden soll. Bei Adams kommt die Annahme als Antezedens des Konditionals vor: »It follows … from Molinism that if I freely do action A in circumstances C, then there is a true counterfactual of freedom F*, which says that if I were in C, then I would (freely) do A« (Adams 1991, S. 349). Diese und einige andere marginale Unterschiede in der Strukturierung des Arguments spielen inhaltlich keine Rolle; sie dienen hier lediglich dazu, die Struktur der reductio transparenter zu machen.
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Ferner ergibt sich: (8) Die Wahrheit von K hat explanatorische Priorität gegenüber S’s Handeln und Entscheiden in U. (Aus 5 und 7.) Adams führt nun eine nach eigener Aussage weitere Schlüsselprämisse an, die besagt, dass die Erklärung einer im inkompatibilistischen Sinne freien Handlung nichts enthalten dürfe, was ihre Unterlassung ausschließt. Vielmehr müsse die Handlung selbst »das Erste in der Ordnung der Erklärung« sein, was die Unterlassung der Handlung ausschließt oder verhindert. Etwas genauer: (9) Wenn S in U aus freien Stücken X tut, hat keine Wahrheit, die mit S’s Unterlassung von X in U strikt inkonsistent ist, explanatorische Priorität gegenüber S’s Handeln und Entscheiden in U. Aber: (10) Die Wahrheit von K – »Wenn S sich in U befände, täte S aus freien Stücken F« – ist strikt inkonsistent mit S’s Unterlassung von X in U. Aus (9) und (10) aber folgt, in direktem Widerspruch zu (8): (11) Die Wahrheit von K hat keine explanatorische Priorität gegenüber S’s Handeln und Entscheiden in U. Da (11) (8)widerspricht, kann der Molinist, sofern dieses Argument stichhaltig ist, (6) nicht konsistenterweise annehmen. Und da wir für S, U und X beliebige Subjekte, Umstände und Handlungen einsetzen können, lässt sich diese Konklusion entsprechend verallgemeinern. Was ist zu diesem Argument insgesamt (Schritte 1–11) zu sagen?
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Die Schlüsse sind offenbar korrekt, und auch die Prämissen (1), (2), (3) und (10) wird man schwerlich bestreiten. Doch wie steht es mit den übrigen Prämissen, (4) und (9)? Adams selbst meint, der Molinist könne am ehesten Prämisse (9) angreifen, hält eine solche Replik jedoch für letztlich nicht aussichtsreich. Ich bestreite dies nicht: Gäbe es etwas, das in einer vollständigen Erklärung, warum ich in U X tue, enthalten ist, das jedoch (wie etwa deterministische Naturgesetze) ausschließt, dass ich X in U unterlasse, dann wäre meine Handlung nicht im klassischen libertarischen Sinne frei. Doch wie steht es mit (4), der These von der Transitivität explanatorischer Priorität? Nach allem, was wir von Adams und Hasker gehört haben, dürfte explanatorische Priorität in jedem Fall irreflexiv sein: Nichts hat explanatorische Priorität gegenüber sich selbst. Adams hebt ferner hervor, dass sich seine Fassung des Arguments, obwohl sehr wohl auch auf die Transitivität, nicht auf eine etwaige Asymmetrie explanatorischer Priorität berufe (1991, S. 351). Tatsächlich lässt sich mit guten Gründen argumentieren, dass explanatorische Priorität in der Tat nicht asymmetrisch ist, und das hat einige wichtige Konsequenzen. Hasker (1997) behauptet, explanatorische Priorität, wie in seinem Prinzip (EP) beschrieben, sei transitiv und somit, da klarerweise auch irreflexiv, auch asymmetrisch.144 Dieser Schluss ist korrekt.145 Aber die Asymmetriethese lässt sich bezweifeln. Des 144
»It should be apparent that explanatory priority as explicated by (EP) is transitive: if p is explanatory prior to q, and q to r, then clearly p must be included in a complete explanation of why r obtains. On the other hand, the relation will be irreflexive; a contingent state of affairs cannot constitute an explanation (in whole or in part) of itself. And from this it follows that it is asymmetrical« (Hasker 1997, S. 391). 145 Wenn p explanatorische Priortät gegenüber q hat und q gegenüber r, dann hat, wenn die Relation transitiv ist, p auch explanatorische Priortät gegenüber r. Falls die Relation dann auch symmetrisch wäre, hätte r zugleich explanatorische Priortät gegenüber p, womit aufgrund der Transitivität folgen würde, dass p explanatorische Priortät gegenüber sich selbst hat.
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einen modus ponens ist des anderen modus tollens: Da die Irreflexivitätsthese sakrosankt erscheint, ist somit die Transitivitätsthese angreif bar. Adams weist selbst darauf hin, dass die Annahme der Asymmetrie explanatorischer Priorität als allgemeine These über jede Art von Erklärung zweifelhaft sei. Manchmal erhellen sich beispielsweise zwei Theorien in explanatorischer Hinsicht gegenseitig. Auch können sich beispielsweise zwei freie, zur selben Zeit von derselben Person gefällte Entscheidungen offenbar gegenseitig erklären. Trotz dieser Einschränkungen sei es aber durchaus plausibel, die Möglichkeit geschlossener Erklärungsschleifen für die spezielle Art von Gegenstand, um die es im vorliegenden Kontext geht – das Verhältnis zwischen kontrafaktischen Freiheitskonditionalen und entsprechenden Handlungen und Entscheidungen – auszuschließen (Adams 1991, S. 347). Adams ist hier einigermaßen zurückhaltend und betont, dass er lediglich Plausibilität für die Asymmetriethese reklamiere, jedoch nicht weiter für sie argumentieren wolle. Neben den von ihm selbst skizzierten Überlegungen gibt es indessen auch andere Argumente gegen die Asymmetrie explanatorischer Priorität. Gegenbeispiele sind auch Erklärungen mit folgendem Muster146: Rudi geht auf die Party (R), weil Maria geht (M); und Maria geht, weil Rudi geht. Solche Erklärungen sind im Alltag an der Tagesordnung, und sie sind einleuchtend und kohärent. Doch (M) ist im vorliegenden Beispiel Bestandteil einer vollständigen Erklärung für (R), und (R) ist Bestandteil einer vollständigen Erklärung für (M). (EP) ist in beiden Fällen erfüllt, und somit liegt ein Beispiel gegen die Asymmetrie explanatorischer Priorität vor. Aus all dem ergibt sich: Wenn die Relation der explanatorischen Priorität, obwohl nicht asymmetrisch, dennoch transitiv wäre, dann wäre sie nicht irreflexiv. Letzteres scheint aber am klarsten ausgeschlossen zu sein; kein Sachverhalt, zumindest kein kontingenter, erklärt sich selbst. Also folgt aus der fehlenden Asymmetrie, dass explanatorische Priorität – entgegen dem, was 146
Das Beispiel findet sich in ähnlicher Form bei Craig (1998).
CLXVIII Einleitung
das Hasker-Adams-Argument annimmt – nicht transitiv ist. Und damit bricht das Argument bereits im ersten Teil (dem Schluss von 1–4 auf 5) zusammen. Adams streift dieses Thema und argumentiert dialektisch, im Hinblick auf den Fall, dass die Asymmetriethese abzulehnen ist, dass auch die Irreflexivität explanatorischer Priorität in Zweifel gezogen werden könne: »[I]nitially we will surely think that the relation of explanatory priority is irreflexive – that nothing can be prior to itself. If we are seriously entertaining the hypothesis of a closed explanatory loop, however, a failure of irreflexivity may be exactly what we are envisaging. If a marvelous time machine transported me to the past, for example, and I met there my younger self and my older self talked my younger self out of committing suicide, the resulting explanatory loop could fairly be described, I think, by saying that my not committing suicide would be explanatory prior to itself. (I do not mean to make a pronouncement here, either way, about the possibility of such an explanatory loop, or of time travel)« (Adams 1991, S. 353).
Es sei gestattet, auf dieses Argument abschließend mit einer rhetorischen Frage zu antworten: Welches Gegenbeispiel ist plausibler und stützt sich auf weniger fragwürdige Annahmen und Prämissen: Adams’ Beispiel gegen die Irreflexivität explanatorischer Priorität (in welchem jemand mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit reist, sein jüngeres Selbst trifft, dieses vor einem Suizid bewahrt, auf diese Weise mit Hilfe eines späteren Stadiums seines Selbst in der Vergangenheit, relativ zu diesem Stadium, etwas verursacht, was die Existenz dieses späteren Selbst und somit auch dessen Reise zurück an jenen Zeitpunkt der Vergangenheit erst ermöglicht, usw.) – oder das obige Beispiel gegen die Asymmetrie explanatorischer Priorität (Rudi geht zur Party, weil Maria geht, und umgekehrt)?
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CLXIX
6.6 Zwei Arten kontrafaktischer Konditionale und der Satz vom konditional ausgeschlossenen Dritten Die oben in 6.5 angeführte und akzeptierte Begründung für Satz (9): ›Wenn S in U aus freien Stücken X tut, hat keine Wahrheit, die mit S’s Unterlassung von X in U strikt inkonsistent ist, explanatorische Priorität gegenüber S’s Handeln und Entscheiden in U‹, lautete, dass für eine libertarische Freiheitstheorie im Sinne Molinas Erklärungen dafür, warum ein Subjekt in bestimmter Weise frei handelt, zulassen müssen, dass es auch anders handeln könnte. Verfolgt man diesen Gedanken, so führt er auf die folgende Schwierigkeit für Molina: Als Libertarier geht er davon aus, dass, auch wenn ein gegebenes kontrafaktisches Freiheitskonditional der Form ›Wenn U der Fall wäre, würde S X tun‹ wahr ist, es dem Subjekt in U offen steht, X zu unterlassen. Molina muss somit zugestehen, dass beispielsweise die folgenden Konditionale beide wahr sind: (1) Würde Eva Adam den Apfel anbieten, dann würde Adam womöglich (vielleicht / ggf.) von ihm kosten. (2) Würde Eva Adam den Apfel anbieten, dann würde Adam womöglich (vielleicht / ggf.) nicht von ihm kosten. (1) und (2) heißen im Englischen might-conditionals. ((1) lautet auf Englisch: ›If Eve were to offer Adam the apple, Adam might taste it‹; (2) lautet: ›If Eve were to offer Adam the apple, Adam might not taste it‹.) Formale Sprachen, die exakte Semantiken kontrafaktischer Konditionale entwickeln, repräsentieren die Konditionalkonnektive von Might-Konditionalen z. B. mit ›◊→‹, und (1) und (2) lassen sich in einer solche Sprache symbolisch jeweils wiedergeben mit ›E ◊→ A‹ bzw. ›E ◊→ ~A‹. Die Inhalte Mittleren Wissens sind dagegen sogenannte would-conditionals der Form ›Wenn U der Fall wäre, würde S X tun‹. (›If Eve were to offer Adam the apple, Adam would taste it‹, symbolisch: E □→ A.) In welcher Beziehung stehen Would- zu Might-Konditionalen?
CLXX Einleitung
In seinem modernen Klassiker Counterfactuals (1973, S. 2) definiert David Lewis Might-Konditionale als negierte Would-Konditionale. Aussagen vom Typ: ›Wenn p der Fall wäre, wäre womöglich auch q der Fall‹ (›If p were the case, it might be that q‹) seien zu analysieren als ›Nicht: Wenn p der Fall wäre, wäre nicht-q der Fall‹ (›Not: If p were the case, it would be that not-q‹): (L)
p ◊→ q = def. ~(p □→ ~q)
Diese Analyse erscheint auf den ersten Blick plausibel. Akzeptiert man (L) jedoch, dann ergibt sich für Molina folgende Schwierigkeit. Seiner Theorie zufolge soll Gott in der Schöpfungssituation wissen, dass beispielsweise genau eine der beiden folgenden Aussagen in der Form von Would-Konditionalen wahr ist: (3) Würde Eva Adam den Apfel anbieten, dann würde Adam von ihm kosten. (E □→ A) (4) Würde Eva Adam den Apfel anbieten, dann würde Adam nicht von ihm kosten. (E □→ ~A) Mit (L) indessen folgt aus (1) die Negation von (4) und aus (2) die Negation von (3). Wenn also Molinas libertarische Freiheitskonzeption verlangt, dass (1) und (2) beide wahr sind, ergibt sich, dass Gott weder (3) noch (4) wissen kann, weil beide Propositionen falsch sind! Verallgemeinert ergibt sich, dass, wenn (L) korrekt ist, Molina offenbar nicht konsistenterweise behaupten kann, es gebe Mittleres Wissen von kontrafaktischen Konditionalen, die in dem von ihm zugrunde gelegten Sinne freie menschliche Handlungen beschreiben. Akzeptiert man eine libertarische Freiheitstheorie, die freie Handlungen an Alternativen knüpft, sowie darüber hinaus Lewis’ Analyse von Might-Konditionalen durch Would-Konditionale (L), dann kann es keine wahren kontrafaktischen Freiheitskonditionale im Sinne Molinas geben. Dies ist das Might-Argument gegen den Molinismus.147 147
Dieses Etikett schlagen Mares und Perszyk (2011) vor. Unter den er-
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CLXXI
Doch Lewis’ Analyse von Might- und Would-Konditionalen ist kontrovers, und der Molinist kann sich auf die Seite derer schlagen, die sie ablehnen. Eine ausführlichere Diskussion dieses Themas müsste tiefer in die Logik kontrafaktischer Konditionale eintauchen, als der vorliegende Kontext gestattet. Im Folgenden seien jedoch einige Haupt-Überlegungen, die Molinisten gegen (L) vorbringen könnten, skizziert. Eine (von Lewis akzeptierte) Konsequenz seiner Analyse ist, dass, sofern man Might- von Would-Konditionalen semantisch unterscheiden will, der intuitiv zunächst plausible sogenannte Satz vom konditional ausgeschlossenen Dritten (SKAD) über Bord geht. Dieser Satz besagt: (SKAD) Wenn p der Fall wäre, wäre q der Fall; oder wenn p der Fall wäre, wäre nicht-q der Fall; (p □→ q) ∨ (p □→ ~q). Gegeben (SKAD), lässt sich mit (L) für die hier relevanten Fälle, in denen das Antezendens nicht unmöglich ist, zeigen, dass Wouldmit entsprechenden Might-Konditionalen äquivalent sind.148 U. a. weil dies inakzeptabel erscheint, lehnt Lewis (SKAD) ab. Adams (1977) u. a. haben in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Negation eines kontrafaktischen Konditionals p □→ q natürlich die Form hat: ~(p □→ q) (und nicht etwa: p □→ ~q). Adams suggeriert, dies spreche gegen den Satz sten, die auf das Problem hingewiesen haben, war Hasker (1989), Kap. 2; s. auch id. (1995) und Fußnote 1 in (2011), S. 25. Es wird außerdem vertreten von Hunt (1990) und (2001). 148 Sei p nicht unmöglich. Dann lässt sich, da nach Lewis (p □→ q) ⊃ (p ◊→ q) gilt, mit (L) der folgende einfache Beweis führen: 1. (p □→ q) ∨ (p □→ ~q) | SKAD 2. ~(p □→ ~q) ⊃ (p □→ q) | 1, Aussagenlogik 3. (p ◊→ q) ⊃ (p □→ q) | 2, (L) 4. (p □→ q) ⊃ (p ◊→ q) | folgt aus Lewis’ Definitionen (aus dem | stärkeren Would folgt Might) 5. (p □→ q) ≡ (p ◊→ q) | 3, 4, Aussagenlogik
CLXXII Einleitung
vom konditional ausgeschlossenen Dritten. Das gilt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen. Bereits Suárez negierte kontrafaktische Konditionale der Form p □→ q mit p □→ ~q (De Gratia, proleg. 2, c. 7, nn. 21, 24, 25, S. 94–96). Álvarez hielt wie Adams dagegen, dass dies falsch sei und die Negation die Form ~(p □→ q) habe. Tatsache ist jedoch, dass wir alltagssprachlich ein Konditional der Form p □→ q oft sehr wohl durch eine Aussage der Form p □→ ~q negieren bzw. zwischen Aussagen der Form ~(p □→ q) und der Form p □→ ~q nicht unterscheiden.149 Meiner Behauptung: »Beträte ich das Eis, so würde ich einbrechen« würde man in einer Alltagskonversation nicht – einigermaßen umständlich – mit der Äußerung widersprechen: »Es ist nicht der Fall, dass Du, wenn Du das Eis beträtest, einbrechen würdest!« Vielmehr würde man die Behauptung durch die Erwiderung negieren: »Du würdest nicht einbrechen, wenn Du das Eis beträtest!« Hören wir hierzu einen Streit zwischen Schuster Karl Kuckuck und Fischer Valentin Zoppek aus der ›Zehnten der Masurischen Geschichten‹, die Siegfried Lenz in So zärtlich war Suleyken erzählt: Kam also … herein dieser Zoppek, und sprach folgendermaßen: »Ich bin«, sprach er, »Karl Kuckuck, gekommen, um dir Mitteilung zu machen von einigen Überlegungen. Beispielsweise habe ich mir überlegt, daß die Ritterchen, wenn sie gehabt hätten Fahr räder, noch weiter nach Rußland gefahren wären. Demgemäß wäre manches anders gekommen, als es gekommen ist. Hab’ ich richtig gesprochen?« Der Schuster, ungemein verblüfft über solche weltpolitische Betrachtung, sah an Zoppek hinauf, dachte nach, und nachdem er zu Ende gedacht hatte, sprach er so: »Du bist, Valentin Zoppek, der beste Schwimmer von Suleyken, wenigstens, wo es sich handelt um das Schwimmen auf dem natürlichen Flusse. … Sobald du aber zu schwimmen versuchst auf dem Flusse der Gedanken, ersäufst du jedesmal. Denn ein Fahrrad, bitte schön, hat mit 149
Lewis gesteht dies zu; siehe id. (1973), S. 79.
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unter eine Panne. Und woher, möcht ich fragen, willst Du wissen, ob die Ritter sich verstanden hätten auf das Flicken eines Reifens? Ich glaube, es wäre nichts anders gekommen« (Lenz, So zärtlich war Suleyken, 10, S. 59).
Schuster Kuckuck stellt hier nicht nur philosophisch weitreichende Überlegungen über Verwandtschaftsgrade zwischen der aktualen Welt und verschiedenen nicht-aktualen Welten an, in denen die Ritter Fahrräder gehabt hätten, sondern bestreitet auch die Wahrheit des von Fischer Zoppek behaupteten kontrafaktischen Konditionals eben dadurch, dass er dessen Konsequens verneint. (Kuckuck meint, dass, wenn die Ritter Fahrräder gehabt hätten, sie nicht weiter nach Russland gelangt und die Dinge nicht anders gekommen wären.) Und das entspricht üblicher konversationaler Praxis. Insgesamt gibt es zumindest starke Indizien dafür, dass wir in unserer gewöhnlichen Konversationspraxis nicht zwischen jenen zwei Verneinungsarten kontrafaktischer Konditionale unterscheiden und die folgende Äquivalenzthese akzeptieren: (Äquivalenzthese) ~(p □→ q) ≡ (p □→ ~q) Ich behaupte nicht, dass diese These wahr ist. Vielleicht gibt es Gegenbeispiele und unsere umgangssprachliche Praxis täuscht uns oder legt Verallgemeinerungen nahe, die sich bei näherem Hinsehen als verfehlt erweisen. Aber angenommen, die Äquivalenzthese wäre akzeptabel. Dann ergäbe sich eine entscheidende Konsequenz für Molina: Mit der Äquivalenzthese folgt (SKAD) – (p □→ q) ∨ (p □→ ~q) – unmittelbar aus dem ›gewöhnlichen‹ Satz vom ausgeschlossenen Dritten (p ∨ ~p). (Man setze dort für p ein: p □→ q und erhält mit der Äquivalenzthese unmittelbar SKAD.) Doch p ∨ ~p dürfte, jedenfalls im vorliegenden Kontext, weniger kontrovers sein als Lewis’ Analyse (L). Wenn also außerdem die Äquivalenzthese akzeptabel wäre, wie u. a. unsere gewöhnliche Konversationspraxis es nahe legt, so wäre Lewis’ Analyse von
CLXXIV Einleitung
Might- durch Would-Konditionale auch aus diesem Grund abzulehnen, und Molinas Theorie des Mittleren Wissens wäre von dem erörterten Inkohärenzproblem bzgl. seiner libertarischen Freiheitstheorie befreit. Neben solchen positiven Argumenten für den Satz vom konditional ausgeschlossenen Dritten, der mit Lewis’ Analyse (L) inkonsistent ist, gibt es auch direkte Argumente gegen (L). Stalnaker (1980) wendet gegen Lewis ein, dass, wenn (L) gölte, eine Äußerung wie die von (5) in ähnlicher Weise ›Moore-paradox‹ erscheinen müsste wie eine klassische Moore-paradoxe Äußerung der Form ›p, aber ich glaube nicht, dass p‹ oder ›p, aber ich glaube, dass nicht-p‹: (5) Wenn ich das Haus erst fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges verlassen hätte, hätte ich ihn womöglich verpasst (I might have missed it); ich glaube aber, wenn ich das Haus zu diesem Zeitpunkt verlassen hätte, hätte ich ihn noch erreicht (d. h., nicht verpasst). (5) müsste Stalnaker zufolge Moore-paradox sein, wenn Lewis’ Analyse korrekt ist, weil der erste Teil von (5) laut (L) äquivalent ist mit: ›Nicht / es ist nicht der Fall, dass: Wenn ich das Haus erst fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges verlassen hätte, hätte ich ihn nicht verpasst‹, was gleichbedeutend ist mit ›Nicht / es ist nicht der Fall, dass: Wenn ich das Haus erst fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges verlassen hätte, hätte ich ihn erreicht‹. Eine Äußerung von (5) würde also, wenn man Lewis’ Analyse akzeptiert, so viel besagen wie das Moore-paradoxe und konver sational absurde: (6) Es ist nicht der Fall, dass ich, wenn ich das Haus erst fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges verlassen hätte, den Zug noch erreicht hätte; aber ich glaube, wenn ich das Haus zu diesem Zeitpunkt verlassen hätte, hätte ich ihn erreicht.
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CLXXV
Doch (5) ist die Instanz eines alltäglichen Aussagetyps, dessen Äußerung keinerlei Konversationsregeln verletzt. Es gibt noch eine Reihe weiterer Argumente gegen (L) und für (SKAD), die hier jedoch nicht aufgegriffen werden sollen.150 Das Thema ist komplex und kontrovers, doch vor dem Hintergrund des Gesagten kann Folgendes festgehalten werden: Die schlechte Nachricht für den Molinisten lautet, dass sich seine Theorie des Mittleren Wissens auch den in diesem Abschnitt skizzierten Fragen zur Analyse von Might- und Would-Konditionalen stellen muss. Die gute Nachricht lautet, dass Lewis’ Analyse (L), die ein ernstes Problem für den Molinisten aufwirft, mit guten Gründen umstritten ist und sich sowohl mit einer Reihe direkter Argumente als auch mit indirekten Argumenten bestreiten lässt, die für die Geltung des mit (L) inkonsistenten (SKAD) plädieren. Molinisten sollten sich auf die Seite Stalnakers und anderer schlagen, die Lewis’ Analyse ablehnen. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die obigen Überlegungen insgesamt ein gutes Argument für die molinistische These liefern, dass Gott, wenn er existiert, in der Tat unbeschränktes Mittleres Wissen darüber hat, wie ein beliebiges, mit Willensfreiheit ausgestattetes Geschöpf bzw. dessen Essenz, wenn sie instantiiert würde, in einer bestimmten Situation handeln würde. Denn angenommen, wir akzeptieren die Äquivalenzthese. Dann ist der Satz vom konditional ausgeschlossenen Dritten (SKAD), wie gesehen, eine Implikation des gewöhnlichen Satzes vom ausgeschlossenen Dritten. Mit dem Satz vom Widerspruch ergibt sich dann ferner, dass für beliebige Subjekte S, Umstände U und Handlungen X genau eines der beiden Disjunkte in (7) wahr ist:
150
Vgl. hierzu etwa die ausführliche Arbeit von Williams (2010). Für einen neueren, einführenden Überblicksartikel zur Analyse kontrafaktischer Konditionale siehe Goebel (2017).
CLXXVI Einleitung
(7) Wenn S sich in U befände, würde S X tun; oder: wenn S sich in U befände, wäre es nicht der Fall, dass S X tut. Wenn aber feststeht, dass genau eines dieser Disjunkte wahr ist, dann muss ein allwissendes Wesen auch wissen, welches von beiden wahr ist. Es folgt also unter den beschriebenen Voraussetzungen, dass ein unbeschränkt allwissender Gott für alle Disjunktionspaare kontrafaktischer Freiheitskonditionale, bestehend aus Sätzen der Form ›Wenn S sich in U befände, würde S X tun‹ und ›Wenn S sich in U befände, würde S X unterlassen‹, weiß, welches wahr und welches falsch ist.
7. Zur Textgestaltung und Übersetzung Der lateinische Text folgt der kritischen Edition der Concordia von Johannes Rabeneck SJ von 1953, der vom Textbestand der Antwerpener Ausgabe (A, s. u.) von 1595 ausgeht und diesen kritisch unter Heranziehung der Lissaboner Erstausgabe von 1588 (O) sowie von Molinas Commentaria (C) rekonstruiert. Rabeneck erstellt den Text unter Berücksichtigung der diesen Ausgaben jeweils beigefügten Corrigenda. 10 Zeilen aus Abschnitt 52.12 und der gesamte Abschnitt 52.13 finden sich nur in A. 52.14 und 52.15 finden sich nicht in O. Wir haben an wenigen Stellen die aus unserer Sicht sinnvoller zu gestaltende Absatzeinteilung (aber nicht die durchnummerierte Abschnittseinteilung) in Rabenecks Text leicht verändert; ansonsten wurde dieser unverändert über nommen. Eckige Klammern im lateinischen Text, die von Rabeneck hinzugefügte Stellenangaben kennzeichnen, sind von Rabeneck übernommen. In der Übersetzung werden diese durch runde Klammern wiedergegeben; eckige Klammern kennzeichnen dort unsere eigenen Zusätze. Der textkritische Apparat Rabenecks wurde ebenfalls übernommen. Jedoch haben wir diesen, anders als Rabeneck, der einen positiven Apparat verwendet und
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CLXXVII
die Vorkommnisse der von ihm übernommenen Textvarianten aufführt, als negativen Apparat gestaltet, d. h., wir notieren nur die Abweichungen von den Lemmata. An einer Stelle in 52.26 machen wir darauf aufmerksam, dass Rabeneck das in allen Textzeugen vorkommende »autor« zu »auctor« verändert. Wir verwenden im textkritischen Apparat folgende Siglen und Abkürzungen: A = Antverpiensis editio (secunda) 1595 O = Olyssiponensis editio (prima) 1588 O* = Version von O ohne Berücksichtigung der beigefügten Corrigenda C = Commentariorum in primam partem editio Conchensis 1592 C* = Version von C ohne Berücksichtigung der beigefügten Corrigenda add.: additio om.: ommissio Die Stellenangaben zu von Molina zitierten Quellen, bei denen Rabeneck die Patrologia Graeca und die Patrologia Latina verwendet, wurden überprüft, im deutschen Text als Anmerkungen beigefügt und um Verweise auf die entsprechenden Stellen in neueren Ausgaben (z. B. im Corpus Christianorum und Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum) ergänzt. Einzelheiten zur Übersetzung werden, sofern uns Hinweise angebracht erschienen, im Kommentar zu den jeweiligen Abschnitten erläutert. Allgemein sei lediglich angemerkt, dass wir, wie üblich, einen Kompromiss zwischen verständlichem und einigermaßen zeitgemäßem Deutsch und Treue zum lateinischen Originaltext angestrebt haben. In wenigen Fällen mussten wir dabei auf kompliziertere Ausdrücke zurückgreifen, etwa wenn Molina davon spricht, dass ein Akteur sich für den einen Teil oder die eine Seite einer contradictio entscheidet. Gemeint ist, dass er sich für die Realisierung einer der beiden Alternativen
CLXXVIII Einleitung
eines, wie wir sagen, kontradiktorischen Aussagenpaares entscheidet. Ebenfalls war es bisweilen aus inhaltlichen Gründen unvermeidbar, je nach Kontext denselben lateinischen Ausdruck unterschiedlich zu übersetzen. Der Begriff ›liberum arbitrium‹ beispielsweise bedeutet in Abhandlung 52 manchmal so viel wie ›freie Entscheidung‹, manchmal aber auch ›freies Entscheidungsvermögen‹, etwa wenn in 52.10 davon die Rede ist, dass ein geschaffenes freies Entscheidungsvermögen auch das Gegenteil (von dem, was es tatsächlich tut) tun könnte (liberum arbitrium creatum acturum esset oppositum). Übersetzungen von Bibelstellen sowie von klassischen lateinischen Texten der Philosophie- und Theologiegeschichte folgen stets dem Wortlaut von Molinas Zitaten, der bisweilen von heute gebräuchlichen Ausgaben abweicht, und stammen von uns. Molina benutzt z. B. die vorsixtinische Vulgata. Unsere Übersetzungen gehen hier von Molinas lateinischem Bibeltext aus, wobei übliche deutsche Standardübersetzungen berücksichtigt wurden. Molina gibt Bibelstellen (s. etwa 52.8) ohne Verse an. In Rabenecks Concordia-Edition sind die Verse hinzufügt, allerdings nicht immer ganz korrekt (s. etwa seinen Hinweis in 52.8 auf Ps 138, 3–4; es muss heißen: 3–5). Wir ergänzen die Versa ngaben in eckigen Klammern und weichen dabei, wo nötig, von Rabeneck ab. Der Wortlaut des lateinischen Bibeltextes weicht in Molinas Zitaten manchmal leicht von dem Text auch der vorsixtinischen Vulgata ab. Vgl. hierzu unseren ausführlicheren Kommentar zu 52.8. Übersetzungen von Augustinus-Passagen aus De libero ar bitrio orientieren sich an der Übersetzung Brachtendorfs in LAb, modifizieren diese jedoch.
ludovicus molina liberi arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione et reprobatione concordia. ad nonnullos articulos primae partis d. thomae disputatio 52: utrum in deo sit futurorum contingentium scientia. qua item ratione cum ea libertas arbitrii rerumque contingentia consentiant.
luis de molina die vereinbarkeit freier entscheidung mit den g nadengaben, mit göt tlichem v orherwissen, göt tlicher vorsehung, vorherbestimmung und verwerfung. zu einigen artikeln des ersten teils der summe des hl. thomas abhandlung 52: gibt es in got t wissen über kontingentes zukünftiges? und inwiefern sind mit diesem wissen entscheidungsfreiheit und die kontingenz der dinge vereinbar?
DISPU TATIO 52
Utrum in Deo sit futurorum contingentium scientia. Qua item ratione cum ea libertas arbitrii rerumque contingentia consentiant.
1. Quamvis quae in hac disputatione dicenda sunt facile ex dictis
poterant intelligi, ut tamen argumenta aliqua diluantur clarius que consensio libertatis arbitrii contingentiaeque1 rerum cum divina praescientia intelligatur, haec quoque disputatio erit instruenda.
2. In partem ergo quae negat esse in Deo scientiam futurorum
contingentium argumentatur D. Thomas hoc loco primo, quoniam a causa necessaria proficiscitur effectus necessarius. Sed scientia Dei est causa futurorum quae per eam sciuntur, eo quod, ut art. 8 ostensum est, Deus per suam scientiam sit causa rerum ; insuper est necessaria. Ergo omne quod ab ea scitur futurum eveniet necessario ac proinde in Deo nullius rei contingentis scientia reperiri potest.
3. Secundo. Si condicionalis aliqua est vera et eius antecedens
est absolute necessarium, consequens est etiam absolute neces-
1
contingentiaeque ] contingentiaque C
A BH A NDLUNG 52
Gibt es in Gott Wissen über kontingentes Zukünftiges ? Und inwiefern sind mit diesem Wissen Entscheidungsf reiheit und die Kontingenz der Dinge vereinbar ?
1. Obwohl man das, was in dieser Abhandlung zu sagen ist, aus dem bisher Gesagten bereits leicht verstehen konnte, soll sie zusätzlich vorgelegt werden, um doch gewisse Argumente zu entkräften und die Vereinbarkeit freier Entscheidung und der Kontingenz der Dinge mit göttlichem Vorherwissen besser zu verstehen.
2. [ Erstes Argument, nach Thomas. ] Zugunsten derjenigen
Seite also, die leugnet, dass es in Gott Wissen über kontingentes Zukünftiges gibt, führt der hl. Thomas an dieser Stelle1 erstens an, dass aus einer notwendigen Ursache eine notwendige Wirkung hervorgeht. Gottes Wissen aber ist Ursache des Zukünftigen, das durch dieses Wissen gewusst wird, weil Gott, wie im 8. Artikel2 gezeigt wurde, durch sein Wissen Ursache der Dinge – und überdies eine notwendige – ist. Also wird alles, was von diesem Wissen als Zukünftiges gewusst wird, notwendigerweise geschehen, und daher kann in Gott kein Wissen von Kontingentem vorgefunden werden.
3. [ Zweites Argument, nach Thomas. ] Zweitens3 : Wenn ein
Konditionalsatz wahr und sein Antezedens absolut notwendig
1
Thomas v. Aquin, ST I, q. 14, a. 13, arg. 1. 2 Ibid., a. 8. Für Molinas Kommentar zu diesem Artikel am Beginn der Concordia (S. 3 f.) s. die auszugsweise Wiedergabe im Kommentar der Herausgeber. 3 Thomas v. Aquin, ST I, q. 14, a. 13, arg. 2.
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sarium ; alioquin in bona consequentia esse posset antecedens verum et consequens falsum, quod nulla ratione est admittendum. Sed haec condicionalis est vera : si Deus scivit hoc esse futurum, id ita eveniet, alioquin scientia Dei esset falsa ; et antecedens est absolute necessarium, tum quia aeternum, tum etiam quia praeteritum et ad praeteritum non est potentia. Ergo consequens erit etiam absolute necessarium ac proinde nullum f uturum praescitum a Deo erit contingens.
4. Tertio. Quicquid scitur a Deo necesse est esse, quippe cum et
omne id quod scitur ab hominibus necessario sit, Dei vero scientia certior sit quam humana. Sed nullum contingens futurum necessario erit. Ergo nullum contingens futurum a Deo sciri potest.
5. Quarto ita possumus argumentari : Nihil futurum praecogni-
tum a Deo potest non evenire. Ergo nihil praecognitum a Deo est futurum contingens. Consequentia est manifesta, quoniam futurum contingens non est aliud quam id quod evenire et non evenire indifferenter potest. Antecedens vero probatur, quoniam, si quod a Deo est praecognitum eventurum non eveniret, Deus reipsa falleretur ; ergo si stante scientia posset non evenire, Deus reipsa falli posset, quod tamen est impium nullaque ratione esse potest.
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ist, ist auch sein Konsequens absolut notwendig ; andernfalls könnte in einem gültigen Schluss das Antezedens wahr und das Konsequens falsch sein, was auf keinen Fall eingeräumt werden darf. Der folgende Konditionalsatz aber ist wahr : Wenn Gott gewusst hat, dass dieses geschehen wird, dann wird es so geschehen ; andernfalls wäre Gottes Wissen falsch. Das Antezedens aber ist absolut notwendig, sowohl, weil es ewig, als auch, weil es vergangen ist und man über Vergangenes keine Macht hat. Also ist auch das Konsequens absolut notwendig, und daher ist nichts Zukünftiges, das von Gott vorhergewusst wird, kontingent.
4. [ Drittes Argument, nach Thomas. ] Drittens1 : Für alles, was
von Gott gewusst wird, ist es notwendig, dass es der Fall ist, weil ja auch alles, was von Menschen gewusst wird, notwendigerweise der Fall ist, Gottes Wissen aber sicherer ist als das menschliche. Nichts kontingentes Zukünftiges wird aber notwendigerweise der Fall sein. Also kann nichts kontingentes Zukünftiges von Gott gewusst werden.
5. [ Viertes Argument. ] Viertens können wir so argumentieren :
Nichts von Gott im Voraus erkanntes Zukünftiges kann ausbleiben. Also ist nichts von Gott im Voraus Erkanntes ein kontingentes Zukünftiges. Der Schluss ist offenkundig gültig, weil kontingentes Zukünftiges nichts anderes ist als das, was gleichermaßen geschehen und nicht geschehen kann. Das Antezedens aber wird bewiesen : Wenn das, von dem Gott im Voraus erkannt hat, dass es geschehen wird, nicht geschähe, würde Gott tatsächlich irren. Wenn es also möglich wäre, dass es trotz bestehenden Wissens nicht geschieht, könnte Gott tatsächlich irren, was aber dem Glauben widerspricht und keinesfalls sein kann.
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Thomas v. Aquin, ST I, q. 14, a. 13, arg. 3.
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6. Quinto. Res significatae per propositiones de futuro contin-
genti non minus necessariae sunt, si scientia divina quae de ipsis habetur sit determinate vera, quam si propositiones ipsae de futuro quae easdem res significant sint determinate verae. Sed ex eo quod propositiones de futuro contingenti sint determinate verae, colligit Aristoteles primo De Interpretatione cap. ultimo sequi res significatas esse necessario eventuras et consequenter inanes esse nostras consultationes. Ergo si scientia divina quae de eisdem rebus habetur sit determinate vera, sequitur omnia necessario et nihil contingenter evenire, inanes esse consultationes nostras tollique prorsus nostri arbitrii libertatem.
7. Sexto. Futurorum praescientia tollit libertatem arbitrii. Ergo
libertas arbitrii et praescientia Dei circa futura contingentia nulla ratione possunt cohaerere ac proinde alterum necessario negandum erit. Consequentia est manifesta, antecedens vero probatur, quoniam data praescientia futurorum haec est necessaria et optima consequentia : Deus ex aeternitate praescivit Petrum peccaturum cras ; ergo Petrus cras peccabit. Nititur namque certitudini divinae scientiae cui nulla ratione potest subesse falsum, ac proinde quam certum est Deum ea scientia falli non posse, tam necessaria est consequentia illa. At in cuius potestate non est tollere antecedens necessariae consequentiae, nec in eius potestate est tollere consequens ; alioquin efficere quis posset ut in bona consequentia antecedens es-
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6. [ Fünftes Argument. ] Fünftens : Was durch Sätze über kontin-
gentes Zukünftiges ausgedrückt wird, ist nicht weniger notwendig, wenn das göttliche Wissen, das es davon gibt, in festgelegter Weise wahr ist, als wenn die Sätze über Zukünftiges selbst, die eben dies ausdrücken, in festgelegter Weise wahr sind. Daraus aber, dass Sätze über kontingentes Zukünftiges in festgelegter Weise wahr sein sollen, ergibt sich für Aristoteles im 1. Buch von De interpretatione1 im letzten Kapitel, es folge, dass das Ausgedrückte notwendigerweise geschehen werde und unsere Beratungen folglich nutzlos seien. Wenn also das göttliche Wissen, das es davon gibt, in festgelegter Weise wahr ist, folgt, dass alles notwendigerweise und nichts kontingenterweise geschieht, dass unsere Beratungen nutzlos sind und unsere Entscheidungsfreiheit vollständig außer Kraft gesetzt wird.
7. [ Sechstes Argument. ] Sechstens : Vorherwissen des Zukünf-
tigen setzt die Entscheidungsfreiheit außer Kraft. Also können Entscheidungsfreiheit und Vorherwissen Gottes hinsichtlich des kontingenten Zukünftigen auf keine Weise zusammen bestehen, und daher muss eines von beiden notwendigerweise bestritten werden. Der Schluss ist offenkundig gültig, das Antezedens aber wird bewiesen. Bei gegebenem Vorherwissen von Zukünftigem ist nämlich der folgende ein notwendiger und auf jeden Fall gültiger Schluss : ›Gott hat von Ewigkeit her gewusst, dass Petrus morgen sündigen wird ; also wird Petrus morgen sündigen.‹ Denn dieser letztgenannte Schluss stützt sich auf die Gewissheit göttlichen Wissens, dem auf keine Weise Falsches zugrunde liegen kann, und daher ist jener Schluss ebenso notwendig, wie es gewiss ist, dass Gott in diesem Wissen nicht irren kann. Wer aber nicht die Macht hat, das Antezedens eines notwendigen Schlusses außer Kraft zu setzen, hat auch nicht die Macht, das Konsequens außer Kraft zu setzen. Andernfalls könnte jemand bewirken, dass in einem gültigen Schluss das Antezedens 1
Aristoteles, De int. 9 (18b 26).
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set verum et consequens falsum, quod cum natura bonae consequentiae omnino pugnat. Cum ergo in potestate Petri non sit efficere ut Deus ex aeternitate non praesciverit peccatum ipsius crastina die futurum neque id sit in potestate Dei, eo quod ad praeteritum non sit potentia, fit ut in potestate etiam ipsius Petri situm non sit facere, quin peccet cras, ac proinde fit ut stante praescientia quam Deus re ipsa habet nulla in Petro libertas arbi trii permaneat.
8. In Deo praescientiam esse futurorum contingentium ex Litte-
ris Sanctis est apertissimum adeo ut contrarium non solum insania sit, ut Augustinus 5 De Civitate Dei cap. 9 affirmat, sed etiam manifestus error in fide. Ps 138, 3.4 : Intellexisti cogitationes meas de longe : semitam meam, et funiculum meum investigasti. Et omnes vias meas praev idisti. Tu cognovisti omnia novissima, et antiqua. Sap 8, 8 de divina sapientia dicitur : Signa et monstra scit antequam fiant, et eventus temporum et saeculorum. Eccli 23, 28. 29 : Oculi Domini lucidiores sunt super solem, circumspicientes omnes vias hominis, et profundum abyssi, et hominum corda intuentes in absconditas partes. Domino enim Deo1 antequam crearentur, omnia sunt agnita. Et 39, 24. 25 : Opera omnis carnis coram illo, et non est quicquam absconditum ab oculis eius. A saeculo usque in saeculum respicit, et non est mirabile in conspectu eius, quasi scilicet aliquid eveniat quod ipse antea non praesciverit. Is 41, 23 : Annuntiate quae ventura sunt in futurum, et sciemus quia dii estis vos. Et 48, 5 : Praedixi tibi ex tunc : antequam evenirent
1 Deo om.
C
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wahr und das Konsequens falsch ist, was der Natur eines gültigen Schlusses völlig widerspricht. Weil es aber nicht in Petrus’ Macht liegt zu bewirken, dass Gott von Ewigkeit her nicht vorhergewusst hat, dass Petrus am morgigen Tag sündigen werde, noch dies in Gottes Macht liegt, denn es gibt keine Macht über Vergangenes, liegt es folglich auch nicht in Petrus’ eigener Macht zu verhindern, dass er morgen sündigen wird, sondern es bleibt demnach in Petrus keine Entscheidungsfreiheit, gegeben das Vorherwissen, das Gott tatsächlich hat.
8. Dass es in Gott Vorherwissen über kontingentes Zukünftiges
gibt, ist aus den Heiligen Schriften derart deutlich, dass die gegenteilige Auffassung nicht nur Unsinn ist, wie Augustinus in Über den Gottesstaat, 5. Buch, Kap. 91, feststellt, sondern auch ein offenkundiger Irrtum im Glauben. Ps 138, 3.4[ – 5 ] : »Dir sind meine Gedanken von ferne bekannt : Meinen Pfad und mein Lager hast du erforscht. Alle meine Wege hast du vorhergesehen. … Du kennst alles, das Neueste und das Vergangene.«2 In Weish 8, 18 heißt es über die göttliche Weisheit : »Zeichen und Wunder kennt sie, bevor sie geschehen, und die Folge der Zeiten und Jahrhunderte.« Sir 23, 28–29 : »Die Augen des Herrn sind leuchtender als die Sonne, sie schauen auf alle Wege des Menschen, sie durchdringen unermessliche Tiefen und die Herzen der Menschen bis in die verborgensten Winkel. Denn Gott dem Herrn ist alles bekannt, bevor es erschaffen wird.« Und 39, 24–25 : »Die Werke allen Fleisches liegen vor ihm, und nichts ist vor seinen Augen verborgen. Von Ewigkeit zu Ewigkeit schaut er herab, und nichts ist vor seinem Blick verwunderlich«, als ob etwa etwas geschehen könnte, das er nicht schon vorhergewusst hätte. Jes 41, 23 : »Verkündet, was in der Zukunft kommen wird, und wir werden erkennen, dass ihr Götter seid.« Und 48, 5 : »Ich 1
Augustinus, De civitate Dei, 5, c. 9, n. 1 (PL 41, 149). 2 Molinas Stellenangaben folgen der Zählung der Vulgata. Siehe den Kommentar zu Abschnitt 8.
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indicavi tibi, ne forte diceres : Idola mea fecerunt haec, et sculptilia mea, et conflatilia mandaverunt ista. Ioh 14, 29 : Et nunc dixi vobis prius quam fiat : ut cum factum fuerit, credatis. Prae terea Deus scit contingentia omnia, quando fiunt et iam actu sunt iuxta illud Hebr 4, 13 : Non est invisibilis ulla creatura in conspectu eius : omnia nuda et aperta sunt oculis eius. Sed non incipit illa scire, quando sunt actu ; id enim esset a non sciente in scientem mutari caderetque in Deum aperte vicissitudinis obumbratio. Ergo scit contingentia futura, antequam sint. Postremo si in Deo non sit praescientia contingentium futurorum, perit prophetia corruitque pars maxima Scripturarum Sanct arum, quod cum fide catholica manifeste pugnat. Unde merito Tertullianus secundo libro Adversus Marcionem : Praescientia, inquit, Dei tot habet testes quot fecit prophetas.
9. Triplicem scientiam oportet distinguamus in Deo, nisi pericu
lose in concilianda libertate arbitrii nostri et contingentia rerum cum divina praescientia hallucinari velimus. Unam mere naturalem, quae proinde nulla ratione potuit esse aliter in Deo, per quam omnia ea cognovit ad quae divina potentia sive immediate sive interventu causarum secundarum sese extendit tum quoad naturas singulorum et complexiones eorum necessarias tum etiam quoad contingentes, non quidem quod futurae essent vel non essent determinate, sed quod indifferen-
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verkündige es dir längst im Voraus : Bevor es eintraf, habe ich es dir angezeigt, damit du nicht etwa sagen konntest : Meine Götzenbilder haben es getan, meine Schnitz- und meine Gussbilder haben es so angeordnet.« Joh 14, 29 : »Jetzt schon habe ich es euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es geschehen ist.« Außerdem : Gott kennt alles Kontingente, weiß, wann es geschieht und schon wirklich ist, gemäß dem Wort aus Hebr 4, 13 : »Kein Geschöpf ist seinem Blick verborgen. Alles liegt nackt und offen vor seinen Augen.« Aber er beginnt nicht erst, jenes zu wissen, wenn es wirklich ist. Das nämlich wäre ein Wandel vom Nichtwissenden zum Wissenden, und auf Gott fiele offenkundig ein Schatten der Veränderung. Also kennt er das kontingente Zukünftige, bevor es geschieht. Schließlich : Wenn es in Gott kein Vorherwissen des kontingenten Zukünftigen gibt, geht die Weissagung unter und der größte Teil der Heiligen Schriften bricht zusammen, was dem katholischen Glauben offenkundig widerstreitet. Daher sagt Tertullian im 2. Buch von Gegen Marcion1 zu Recht : Gottes Vorherwissen hat so viele Zeugen, wie er Propheten hervorgebracht hat.
9. Für uns gilt es, drei Arten von Wissen in Gott zu unterschei-
den, wenn wir bei dem Versuch, unsere Entscheidungsfreiheit und die Kontingenz der Dinge mit dem göttlichen Vorherwissen zu versöhnen, vermeiden wollen, gefährlich irrezugehen. Eine Art ist das rein Natürliche Wissen, das als solches auf keine Weise anders in Gott hat sein können. Durch dieses Wissen kennt er all das, worauf sich die göttliche Macht unmittelbar oder unter Mitwirkung von Zweitursachen erstreckt, und zwar sowohl hinsichtlich der Naturen der Einzeldinge und der notwendigen Zusammensetzungen aus ihnen als auch hinsichtlich ihrer kontingenten Zusammensetzungen. Dabei weiß er nicht etwa, dass die letztgenannten in festgelegter Weise zukünftig vorkommen oder nicht vorkommen würden, sondern er weiß, dass sie glei1
Tertullianus, Adversus Marcionem, 2, c. 5 (PL 2, 290).
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ter esse et non esse possent, quod eis necessario competit atque adeo sub scientiam Dei naturalem etiam cadit. Aliam mere liberam qua Deus post liberum actum suae voluntatis absque hypothesi et condicione aliqua cognovit absolute et determinate ex complexionibus omnibus contingentibus, quaenam re ipsa essent futurae, quae non item. Tertiam denique mediam scientiam qua ex altissima et inscrutabili comprehensione cuiusque liberi arbitrii in sua essentia intuitus est, quid pro sua innata libertate, si in hoc vel illo vel etiam infinitis rerum ordinibus collocaretur, acturum esset, cum tamen posset, si vellet, facere re ipsa oppositum, ut ex dictis disp. 49 et 50 manifestum est.
10. Sciscitabitur forte aliquis, an huiusmodi scientia media ap-
pellanda sit libera an naturalis. Ad quod in primis respondendum est eam nulla ratione esse dicendam liberam, tum quia antecedit omnem liberum actum voluntatis divinae, tum etiam quia in potestate Dei non fuit scire per eam scientiam aliud quam re ipsa sciverit1. Deinde dicendum neque etiam in eo sensu esse naturalem, quasi ita innata sit Deo, ut non potuerit scire oppositum eius quod per eam cognoscit. Si namque liberum arbitrium creatum acturum esset oppositum, ut revera potest, idipsum scivisset per eandem scientiam, non autem quod reipsa scit. Quare non est magis innatum Deo scire per eam scientiam hanc partem contradictionis ab arbitrio creato pendentem quam oppositam.
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sciverit ] ac proinde cum naturali, ut distinguitur contra liberam, erit annumeranda add. C
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chermaßen vorkommen oder nicht vorkommen könnten, was ihnen notwendigerweise zukommt und daher ebenfalls unter das Natürliche Wissen Gottes fällt. Die zweite Art ist das rein Freie Wissen, durch das Gott nach dem freien Akt seines Willens ohne irgendeine Voraussetzung und Bedingung absolut und in festgelegter Weise weiß, welche von allen kontingenten Zusammensetzungen tatsächlich künftig vorkommen werden und welche nicht. Die dritte Art schließlich ist das Mittlere Wissen, durch das Gott in seinem eigenen Wesen kraft des höchsten und unerforschlichen Erfassens eines jeden freien Entscheidungsvermögens unmittelbar erkennt, was es aus seiner angeborenen Freiheit heraus tun würde, wenn es sich in dieser oder in jener oder auch in unendlich vielen Ordnungen der Dinge befände, auch wenn es tatsächlich das Gegenteil tun könnte, falls es wollte, wie aus dem in den Abhandlungen 49 und 50 Gesagten klar hervorgeht.
10. Vielleicht wird jemand fragen, ob ein derartiges Mittleres
Wissen als ›frei‹ oder als ›natürlich‹ zu bezeichnen ist. Darauf ist zunächst zu antworten, dass dieses Wissen keinesfalls ›frei‹ zu nennen ist, einerseits, weil es jedem freien Akt des göttlichen Willens vorhergeht, andererseits auch, weil es nicht in Gottes Macht lag, durch dieses Wissen etwas anderes zu wissen, als er tatsächlich weiß. Weiter ist zu sagen, dass es auch nicht in dem Sinn natürlich ist, als gehörte es gleichsam so zu Gottes Natur, dass er nicht das Gegenteil dessen hätte wissen können, was er durch dieses Wissen erkennt. Denn wenn ein geschaffenes freies Entscheidungsvermögen das Gegenteil täte – was es tatsächlich kann –, hätte er eben dies durch jenes Mittlere Wissen gewusst, nicht aber das, was er tatsächlich weiß. Daher liegt es nicht eher in Gottes Natur, dass er durch dieses Wissen weiß, dass die eine, vom geschaffenen Entscheidungsvermögen abhängende Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares gilt, als dass er weiß, dass die entgegengesetzte Seite gilt.
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Dicendum ergo est partim habere condicionem scientiae naturalis, quatenus praevenit actum liberum voluntatis divinae neque in potestate Dei fuit aliud scire, partim habere condicionem scientiae liberae, quatenus quod sit unius potius partis quam alterius, habet ex eo quod liberum arbitrium ex hypothesi, quod crearetur in uno aut altero ordine rerum, esset potius facturum unum quam aliud, cum utrumvis indifferenter posset facere. Atque hoc sane postulat libertas arbitrii creati quae posita etiam praescientia divina non minus est de fide quam eadem praescientia et praedestinatio, ut disputatione 23 late ostensum est. Idem apertissime sonant testimonia Sanctorum quae mox referemus. Consonat etiam communis Theologorum sententia quam disputatione praecedente ex parte rettulimus et de qua paulo post dicemus. Ne vero primo suo aspectu te haec doctrina perturbet, memento ista omnia quae sequuntur apertissime inter se convenire et cohaerere : Nihil esse in potestate creaturae quod etiam non sit in potestate Dei. Deum sua omnipotentia inflectere posse nostrum liberum arbitrium, quocumque ipse voluerit praeterquam in peccatum ; id enim contradictionem implicat, ut disputatione 31 demonstratum est. Deum quicquid facit 1 interventu causae secundae posse efficere se solo, nisi in effectu involvatur ut sit a causa secunda. Deum permittere posse peccata, non vero praecipere aut ad ea incitare vel inclinare. Item quod res libero arbitrio praedita, si in certo ordine rerum et circumstantiarum collocetur, in unam aut alteram partem se flectat, non provenire
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facit ] faciet A
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Man muss also sagen, dass das Mittlere Wissen teilweise eine Bedingung des Natürlichen Wissens erfüllt, insofern es dem freien Akt des göttlichen Willens vorhergeht und es nicht in Gottes Macht lag, anderes zu wissen ; und dass es teilweise eine Bedingung des Freien Wissens erfüllt, insofern es deshalb eher ein Wissen bezüglich der einen als der anderen Seite ist, weil das freie Entscheidungsvermögen, vorausgesetzt, dass es in der einen oder in einer anderen Ordnung der Dinge geschaffen würde, eher das eine als das andere täte, obwohl es jedes von beiden gleichermaßen tun könnte. Das verlangt in der Tat ebenso die Freiheit des geschaffenen Entscheidungsvermögens, die anzunehmen auch unter der Vor aussetzung des göttlichen Vorherwissens nicht weniger zum Glauben gehört, als jenes Vorherwissen und jene Vorherbestimmung anzunehmen, wie in Abhandlung 23 ausführlich gezeigt wurde. Dasselbe besagen ganz klar die Zeugnisse der Väter, die wir bald anführen werden. Damit im Einklang steht auch die gemeinsame Lehre der Theologen, die wir in der vorangegangenen Abhandlung teilweise wiedergegeben haben und von der wir ein wenig später sprechen werden. Damit dich aber diese Lehre auf den ersten Blick nicht verwirre, bedenke, dass alle folgenden Sätze ganz offensichtlich miteinander übereinstimmen und zusammenhängen : (i) Nichts ist in der Macht des Geschöpfes, was nicht auch in Gottes Macht ist. (ii) Gott in seiner Allmacht kann unsere freie Entscheidung lenken, wohin er will, außer zur Sünde ; dieses nämlich impliziert einen Widerspruch, wie in Abhandlung 31 gezeigt wurde. (iii) Was immer Gott unter Hinzutritt einer Zweitursache bewirkt, kann er auch aus sich allein bewirken, es sei denn, die Wirkung beinhaltet, dass sie von einer Zweitursache stammt. (iv) Gott kann Sünden zulassen, aber nicht anordnen oder zu ihnen anregen oder eine Neigung zu ihnen hervorrufen. (v) Ebenso gilt : Die Tatsache, dass ein mit freiem Entscheidungsvermögen ausgestattetes Wesen sich entweder zur einen oder zur anderen Seite wendet, wenn es sich in einer bestimmten Ordnung von Dingen und Umstän-
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ex praescientia Dei, quin potius ideo Deum id praescire, quia ipsa res libero arbitrio praedita1 libere id ipsum agere debet, neque provenire ex eo, quod Deus velit id ab ea fieri, sed ex eo, quod ipsa libere id velit facere. Inde vero apertissime sequitur scientiam qua Deus, antequam statuat eam creare, praevidet, quid sit factura ex hypothesi, quod in eo rerum ordine collocetur, pendere ex eo, quod ipsa pro sua libertate hoc vel illud sit factura et non e contrario. Scientia vero qua Deus absque ulla hypothesi absolute scit, quid per liberum arbitrium creatum sit re ipsa futurum, semper est in Deo libera pendetque a determinatione libera suae voluntatis qua tale liberum arbitrium in tali vel tali ordine rerum creare statuit.
11. Quaeret fortasse aliquis, utrum scientia illa media conce-
denda sit in aliquo beatorum, saltem in sacratissima Christi anima, ut sicut Deus qua Deus penetratione suae essentiae intuetur, quid libere futurum sit per arbitrium creatum ex hypothesi, quod in tali ordine rerum creetur, ita anima illa sacratissima ex intuitu divinae essentiae per scientiam beatam, quid futurum sit per liberum arbitrium, maxime hominis iam a Deo producti, intueatur. Dicendum est neque etiam in ipsa anima Christi concedendam esse eiusmodi scientiam. Ratio est, quoniam non comprehendit
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praedita ] praedicta AO
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den befindet, geht nicht auf Gottes Vorherwissen zurück. Vielmehr weiß Gott dies deshalb vorher, weil es zu einem mit freiem Entscheidungsvermögen ausgestatteten Wesen gehört, eben dies selbst frei zu tun. Jene Tatsache geht auch nicht darauf zurück, dass Gott will, dass sie von diesem Wesen so herbeigeführt wird, sondern darauf, dass es selbst dies frei tun will. Daraus folgt mit größter Klarheit : Das Wissen, durch das Gott vorhersieht, was ein mit freiem Entscheidungsvermögen ausgestattetes Wesen unter der Voraussetzung tun wird, dass es sich in einer bestimmten Ordnung der Dinge befindet, bevor er beschließt, es zu erschaffen, hängt davon ab, dass jenes Wesen selbst aufgrund seiner Freiheit das eine oder etwas anderes tun wird, und nicht umgekehrt. Das Wissen hingegen, durch das Gott unabhängig von irgendeiner Voraussetzung absolut weiß, was durch die Betätigung von einem geschaffenen freien Entscheidungsvermögen tatsächlich geschehen wird, ist in Gott immer Freies Wissen und hängt von der freien Festlegung seines Willens ab, durch die er ein solches freies Entscheidungsvermögen in einer solchen oder einer anderen Ordnung der Dinge zu erschaffen beschließt.
11. Vielleicht wird jemand fragen, ob jenes Mittlere Wissen auch
für irgendeinen der Seligen einzuräumen ist, jedenfalls aber für die heiligste Seele Christi. Wie nämlich Gott als Gott im Durchdringen seines eigenen Wesens unmittelbar erkennt, was durch die Betätigung eines geschaffenen Entscheidungsvermögens frei geschehen wird unter der Voraussetzung, dass es in einer solchen Ordnung der Dinge geschaffen wird, so könnte auch jene heiligste Seele aus der Anschauung des göttlichen Wesens durch das selige Wissen unmittelbar erkennen, was durch die Betätigung von freiem Entscheidungsvermögen geschehen wird, besonders bei einem schon von Gott geschaffenen Menschen. Dazu ist zu sagen, dass auch der Seele Christi selbst kein Wissen dieser Art einzuräumen ist. Der Grund ist, dass sie das göttliche Wesen nicht völlig erfasst. Gott aber wird dieses Wissen
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divinam essentiam. Deo autem a Hieronymo, Augustino et aliis Patribus tribuitur haec scientia comparatione rerum creatarum, quia Deus est eaque ratione altissimo quodam modo liberum quodcumque arbitrium creatum comprehendit. Neque enim ad intuendum in re libera, in quam partem se inflectet, satis est illius comprehensio neque quaecumque maior comprehensio quam sit res comprehensa, sed necessaria est altissima atque eminentissima comprehensio, qualis in solo Deo comparatione creaturarum reperitur. Unde neque Deum concedimus per scientiam naturalem seu mediam (quam de hac re in eo negamus1) intueri ante dererminationem suae voluntatis, quam partem ipse sit electurus, eo quod intellectus in Deo ea altitudine et praestantia non superet essentiam ac voluntatem divinam qua essentias ac voluntates creatas longe superat. Quare sicut homo et angelus ante liberam determinationem suarum voluntatum non cognoscunt, in quam partem se inflectere debeant, eo quod intellectus in eis essentiam ac voluntatem infinito illo excessu non superent : ita neque Deus, antequam voluntatem suam determinet, in quam partem ea sit inflectenda cognoscit. Nec satis percipio, quanam ratione in Deo integra maneret libertas, si ante actum suae voluntatis praecognosceret, in quam partem esset inflectenda. Etenim existente tali scientia nulla ratione partem oppositam eligere posset ; quare si ante determinationem praecognosceret, in quam partem foret inflectenda, non video, quando libertatem habuerit ad partem oppositam eligendam.
12. Ut vero hoc melius percipias observa longe diversum esse
unum suppositum per scientiam mediam ex eminentia sua supra aliud suppositum scire, quid ab illo alio supposito pro sua liber-
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seu … negamus om. O
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von Hieronymus, Augustinus und anderen Kirchenvätern im Hinblick auf die geschaffenen Dinge zugeschrieben, weil er Gott ist und aus diesem Grund auf erhabenste Weise jedes beliebige geschaffene freie Entscheidungsvermögen erfasst. Um bei einem freien Wesen unmittelbar zu erkennen, zu welcher Seite es sich wendet, ist nämlich weder das Erfassen dieses Wesens ausreichend noch ein Erfassen, das lediglich irgendwie größer ist als das erfasste Wesen, sondern dazu ist das höchste und erhabenste Erfassen notwendig, wie es allein in Gott im Hinblick auf die Geschöpfe zu finden ist. Daher räumen wir auch nicht ein, dass Gott durch sein Natürliches oder Mittleres Wissen (dieses letztere leugnen wir in diesem Zusammenhang in ihm) vor der Festlegung seines Willens unmittelbar erkennt, welche Seite er selbst wählen wird. Denn der Intellekt in Gott überragt das göttliche Wesen und den göttlichen Willen nicht mit der Größe und Überlegenheit, mit der er Wesen und Willen der Geschöpfe bei weitem überragt. Wie daher Mensch und Engel vor der freien Festlegung ihres Willens nicht erkennen, zu welcher Seite sie sich wenden mögen, weil der Intellekt in ihnen das Wesen und den Willen nicht in jenem unend lichen Übermaß überragt, so erkennt auch Gott nicht, zu welcher Seite sein Wille sich wenden möge, bevor er diesen festlegt. Ich verstehe auch nicht so recht, wie die Freiheit in Gott unversehrt erhalten bliebe, wenn er vor seinem Willensakt im Voraus erkennen würde, zu welcher Seite sich sein Wille wenden möge. Denn wenn ein solches Wissen bestünde, könnte er keinesfalls die entgegengesetzte Seite wählen. Wenn er daher vor der Fest legung im Voraus wüsste, zu welcher Seite er sich wenden würde, sehe ich nicht, wann er die Freiheit gehabt hätte, die entgegengesetzte Seite zu wählen.
12. Damit du das aber besser verstehst, beachte, dass es ein be-
trächtlicher Unterschied ist, ob ein Subjekt durch das Mittlere Wissen aufgrund seiner Überlegenheit über ein anderes weiß, was von diesem anderen Subjekt aufgrund seiner Freiheit ge-
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tate sit eligendum, ac unum et idem suppositum per scientiam mediam praescire, quid ipsummet libere sit electurum. Quod enim suppositum unum excessu infinito aliud comprehendens sciat per scientiam mediam non libere, sed quasi naturaliter, quid illud aliud suppositum pro sua libertate complectetur ex hypothesi, quod in tali vel tali ordine rerum constituatur, sciturum etiam, quicquid in contrariam partem eligeret illudmetipsum1, si forte, ut revera potest, in illam sese libere flecteret, nihil sane mirum neque ullum inde libertati alterius suppositi infertur praeiudicium. At vero quod unum et idem suppositum non libere, sed quasi naturaliter prius sciat, quid ipsummet volet, quam id actu velit, non video, qua ratione salva libertate eiusdem suppositi possit consistere, quandoquidem in illo priori in quo id non libere, sed quasi naturaliter scivit in potestate ipsius non fuit scire contrarium, quippe cum non libere, sed quasi naturaliter eam contradictionis partem sciverit, praeexistente vero eiusmodi scientia contradictionem implicet velle aut scivisse contrarium, quoniam aut Deus falleretur aut, postquam aliquid scivit, id non scivisset, quod contradictionem involvit, id quod ex dicendis disputatione sequenti membro 1 dilucidius reddetur2. Neque mihi obiicias Christum esse idem suppositum et prius per scientiam beatam agnovisse certo, in quam partem suum arbitrium se esset libere inflexurum absque ullo praeiudicio suae libertatis. Neque mihi, inquam, id obiicias. Quoniam scientia illa non fuit a se ut homine, sed a tota Trinitate animae illi sacra-
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illudmetipsum ] illudmet suppositum O 2 id quod … reddetur om. O
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wählt werden wird, oder ob ein und dasselbe Subjekt durch das Mittlere Wissen vorherweiß, was es selbst frei wählen wird. Es ist nämlich überhaupt nicht verwunderlich, dass ein Subjekt, das ein anderes in unendlichem Übermaß erfasst, durch das Mittlere Wissen nicht frei, sondern gleichsam natürlich weiß, was jenes andere Subjekt aufgrund seiner Freiheit wählen wird, vorausgesetzt, dass es sich in dieser oder jener Ordnung der Dinge befindet, und dass das erstgenannte Subjekt auch wüsste, welche dazu konträre Seite das andere wählen würde, wenn es sich vielleicht – was es tatsächlich kann – dieser anderen Seite frei zuwendete. Das bringt auch für die Freiheit des anderen Subjekts keinerlei vorausgehende Festlegung mit sich. Ich sehe allerdings nicht ein, inwiefern es mit der Wahrung der Freiheit ein und desselben Subjekts vereinbar ist, dass es nicht frei, sondern gleichsam natürlich weiß, was es selbst wollen wird, bevor es das tatsächlich will. Denn es stand in dem früheren Zeitpunkt, in dem es das nicht frei, sondern gleichsam natürlich gewusst hat, nicht in seiner Macht, das Gegenteil zu wissen. Wenn es aber nicht frei, sondern gleichsam natürlich die eine Seite des kontra diktorischen Aussagenpaares gewusst hätte, würde es, wenn ein derartiges Wissen im Voraus besteht, einen Widerspruch implizieren, das Gegenteil zu wollen oder gewusst zu haben. Denn entweder würde Gott sich irren, oder er hätte etwas nicht gewusst, nachdem er es gewusst hat, was einen Widerspruch darstellt. Das wird in dem, was in der nachfolgenden Abhandlung im ersten Abschnitt 1 zu sagen sein wird, noch einleuchtender behandelt. Wende mir auch nicht ein, Christus sei genau ein solches Subjekt und habe im Voraus durch sein seliges Wissen ohne eine vorausgehende Beschränkung seiner Freiheit sicher gewusst, zu welcher Seite sich sein Entscheidungsvermögen frei wenden würde. Wende mir das, wie gesagt, nicht ein. Denn jenes Wissen stammte nicht von ihm als Mensch, sondern war seiner hei1
Molina, Concordia, disp. 53, m. 1, ed. Rabeneck 357 – 367.
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tissimae communicata ; ex eo quod a divinitate humanitati manifestetur, quid Christus ut homo libere sua voluntate sit voliturus, utique non magis impeditur libertas Christi quam in Petro ideo libertas ad non peccandum fuerit impedita, quod Christus ei revelaverit suum peccatum futurum. In re enim proposita idem est diversam naturam altitudine et eminentia sua aliquid cognos cere de alia natura illudque ei manifestare et unum suppositum aliquid similiter praecognoscere de alio illudque ei manifestare1. Adde id quod merito ob eminentiam infinitam Dei supra arbi trium creatum necessitate compulsi asserimus ad eiusdem arbitrii libertatem tuendam quam experimur et quae non minus certa est ex Scripturis Sanctis quam divina praescientia, extendendum non esse ad alia absque urgentissima ratione ; quae t amen in praesenti non datur.
13. Illud hoc loco est observandum aliud esse dicere : Deum vi
scientiae quae antecedit liberum suae voluntatis actum non cog noscere, in quam partem sua voluntas arbitriumve suum libere se sit determinaturum, cum tamen illa eadem scientia cognoscat, in quam partem liberum quodcumque arbitrium creatum se sit determinaturum ex hypothesi, quod collocetur in tali ordine rerum vel circumstantiarum ex infinitis in quibus unumquodque eorum potest collocari, atque aliud longe diversum esse dicere : Deum non cognoscere, in quam partem libera sua voluntas se fuisset determinatura ex quacumque hypothesi quae non fuit et esse potuit, ut utrum voliturus esset Verbi incarnationem in humanitate impassibili ex hypothesi, quod Adam non fuisset peccaturus.
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neque mihi obiicias … manifestare om. OC
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ligsten Seele von der ganzen Dreifaltigkeit mitgeteilt. Dadurch, dass der menschlichen Natur von der göttlichen Natur offenbart wird, was Christus als Mensch frei aufgrund seines Willens wollen wird, wird jedenfalls die Freiheit Christi nicht stärker eingeschränkt als in Petrus die Freiheit, nicht zu sündigen, dadurch eingeschränkt wurde, dass Christus ihm seine zukünftige Sünde offenbarte. Im vorliegenden Fall ist es nämlich dasselbe, dass die eine Natur [ Christi ] aufgrund ihrer Größe und Überlegenheit etwas über die andere Natur [ Christi ] weiß und ihr dieses offenbart und dass ein Subjekt etwas in ähnlicher Weise im Voraus über ein anderes weiß und ihm dieses offenbart. Nimm hinzu, dass das, was wir zu Recht wegen der unendlichen Überlegenheit Gottes gegenüber dem geschaffenen Entscheidungsvermögen durch Notwendigkeit gezwungen behaupten, um die Freiheit dieses Entscheidungsvermögens zu wahren, die wir erfahren und die den Heiligen Schriften zufolge nicht weniger sicher ist als das göttliche Vorherwissen, nicht ohne äußerst zwingenden Grund auf anderes ausgedehnt werden darf. Ein solcher liegt aber hier nicht vor.
13. Folgendes ist an dieser Stelle zu beachten. Eines ist es zu
sagen : Gott erkennt nicht kraft seines Wissens, das dem freien Akt seines Willens vorausgeht, worauf sich sein Wille oder sein Entscheidungsvermögen frei festlegen wird, auch wenn er sehr wohl durch dieses Wissen erkennt, worauf sich jedes beliebige geschaffene freie Entscheidungsvermögen festlegen wird, vorausgesetzt, es befindet sich in einer bestimmten Ordnung von Dingen oder Umständen aus unendlich vielen, in denen eines von ihnen sich befinden kann. Etwas anderes und ganz Verschiedenes ist es zu sagen : Gott erkennt nicht, worauf sich sein freier Wille unter einer beliebigen Voraussetzung festgelegt hätte, die zwar nicht bestanden hat, aber hätte bestehen können ; ob er beispielsweise die Fleischwerdung des Wortes in einer leidensunfähigen Menschheit gewollt hätte, vorausgesetzt, Adam hätte nicht gesündigt.
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Hoc secundum ego neque in hac disputatione neque alibi um quam dixi, quin potius contrarium ex progressu meae doctrinae colligitur. Etenim licet Deus vi scientiae quae antecedit liberam determinationem suae voluntatis non cognoscat determinationes has suae voluntatis quae fuissent ex eiusmodi hypothesibus ac proinde in Deo non sit scientia media comparatione harum determinationum suae voluntatis sicut est comparatione determinationis cuiuscumque liberi arbitrii creati data circa illud quacumque hypothesi, nihilominus eas cognoscit scientia libera quae consequitur liberum suae voluntatis actum. Actus enim ille liber circa res a Deo factibiles in se infinitus, illimitatus et a bsque ulla vicissitudinis obumbratione simul circa omnia obiecta possibilia libere se in alteram contradictionis partem determinavit non solum libere statuendo quae decrevit facere aut permittere libereque statuendo reliqua non facere aut non permittere, sed etiam libere statuendo, quae esset voliturus ex quacumque hypothesi quae esse potuit et non fuit. Actus quippe ille respondet plenissimae atque illimitatae deliberationi tum per scientiam mere naturalem tum per scientiam mediam inter liberam et mere naturalem quae in Deo ex parte intellectus nostro intelligendi modo cum fundamento in re antecessit suae voluntatis actum absurdumque esset summaeque Dei perfectioni repugnans relinquere aliquid in alteram contradictionis partem indeliberatum ex iis omnibus quae tunc libere poterat deliberare, praesertim cum in eo locum non habeat deliberare postea quod indeliberatum reliquerat neque cum summa illimitataque ipsius perfectione consentiat numquam posse id
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Dieses Zweite habe ich weder in dieser Abhandlung noch an anderer Stelle jemals gesagt, vielmehr ist aus dem Verlauf meiner Lehre das Gegenteil zu entnehmen. Zwar erkennt Gott kraft des Wissens, das der freien Festlegung seines Willens voraus geht, nicht die Festlegungen seines Willens, die unter derartigen Voraussetzungen erfolgt wären, und daher gibt es in Gott kein Mittleres Wissen hinsichtlich dieser Festlegungen seines Willens, wie es das sehr wohl hinsichtlich der Festlegung irgendeines geschaffenen freien Entscheidungsvermögens gibt, welche Voraussetzung auch immer in Bezug auf dieses vorliegt. Nichtsdestoweniger erkennt er diese [ Festlegungen ] durch das Freie Wissen, das dem freien Akt seines Willens folgt. Jener freie Akt nämlich bezüglich der Dinge, die Gott erschaffen kann – [ ein Akt ] in sich unendlich, unbegrenzt und ohne jeden Schatten von Veränderung –, hat sich zugleich bezüglich aller möglichen Objekte frei auf eine Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares festgelegt, und zwar nicht allein, indem er frei bestimmte, was er hervorzubringen oder zuzulassen beschlossen hat, und dadurch frei bestimmte, das Übrige nicht hervorzubringen oder nicht zuzulassen, sondern auch, indem er frei bestimmte, was er unter einer beliebigen Voraussetzung gewollt hätte, die hätte bestehen können, aber nicht bestanden hat. Jener Akt ist die Antwort auf die vollständige und unbegrenzte Erwägung, die auf der Grundlage sowohl des rein Natürlichen als auch des Mittleren Wissens, das zwischen dem Freien und rein Natürlichen liegt, erfolgt. Diese Erwägung in Gottes Intellekt ist – nach unserer Erkenntnisweise, aber in der Sache selbst begründet – dem Akt seines Willens vorausgegangen. Und es wäre abwegig und widerstritte der höchsten Vollkommenheit Gottes, wenn er hinsichtlich der einen Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares etwas unerwogen ließe unter all dem, was er früher hätte frei erwägen können, vor allem, weil es bei Gott nicht vorkommt, dass er später etwas erwägt, was er unberücksichtigt gelassen hatte. Es niemals in Erwägung ziehen zu können, passt ebenfalls nicht zu seiner höchsten und unbegrenzten
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deliberare. Quare per scientiam liberam quae actum suae voluntatis consequitur in ea ipsa libera suae voluntatis determinatione cognoscit, quid ipse esset voliturus in quocumque eventu et data quacumque hypothesi quae esse potuit et non fuit. Primum vero est quod ego assero, nempe Deum vi praecisae scientiae quae antecedit suae voluntatis actum non cognoscere, in quam partem circa quodcumque obiectum a se factibile se determinabit sua voluntas, cum tamen vi eiusdem scientiae ex hypothesi, quod sua voluntas in unum aut in alium ordinem rerum ac circumstantiarum se velit determinare, cognoscat, quid quodcumque arbitrium creatum sub eo ordine pro sua libertate sit voliturum aut facturum. Ratio autem est, quod intellectus ac scientia illa divina non, sicut infinito intervallo superant perfectione quodcumque arbitrium creatum quod continent in se eminenter eaque de causa infinite quodam eminentiori modo, quam illud sit cognoscibile, illud comprehendunt, sic superant perfectione voluntatem divinam eminentiorique modo illam comprehendunt, quam illa in se sit cognoscibilis, quod tamen est necessarium ad cognoscendum in libero arbitrio, antequam se ipsum determinet, in quam partem data quacumque hypothesi pro sua libertate se determinabit, ut dictum est. Neque inde sequitur scientiam illam non comprehendere divinam voluntatem ; quoniam ad comprehensionem satis est cog noscere omnia ad quae ea voluntas se potest determinare et quae velle potest aut nolle ; ea vero omnia cognoscit Deus illa scientia ita praecise spectata de sua voluntate, antequam intelligatur actum elicere. Neque item sequitur scientiam illam esse imperfectam, eo quod illa ita praecise spectata non cognoscat Deus determina-
Abhandlung 52 · 13
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Vollkommenheit. Daher weiß er durch das Freie Wissen, das dem Akt seines Willens folgt, in dieser freien Festlegung seines Willens, was er selbst gewollt hätte bei jedem beliebigen Verlauf der Dinge und unter Annahme jeder beliebigen Voraussetzung, die hätte bestehen können, aber nicht bestanden hat. Es ist vielmehr das Erste, was ich behaupte, dass nämlich Gott nur kraft dieses Wissens, das dem Akt seines Willens vorausgeht, nicht erkennt, auf welche Seite bezüglich jedes Gegenstandes, den er hervorbringen kann, sich sein Wille festlegen wird, obwohl er kraft seines Wissens – unter der Voraussetzung, dass sein Wille sich auf die eine oder die andere Ordnung von Dingen und Umständen festlegen will – sehr wohl erkennt, was jedes geschaffene freie Entscheidungsvermögen innerhalb dieser Ordnung gemäß seiner Freiheit wollen oder tun wird. Der Grund dafür aber ist, dass der göttliche Intellekt und das göttliche Wissen zwar jedes geschaffene Entscheidungsvermögen in unendlichem Abstand an Vollkommenheit übertreffen, das sie in überragender Weise in sich enthalten und aus diesem Grund unendlich herausragender erfassen, als es erkennbar ist ; dass sie aber nicht in gleicher Weise den göttlichen Willen an Vollkommenheit übertreffen und auf herausragendere Weise erfassen, als dieser in sich erkennbar ist. Diese Art von Erkennen aber ist notwendig, um vom freien Entscheidungsvermögen, bevor es sich festlegt, zu wissen, auf welche Seite es sich unter der jeweiligen Voraussetzung gemäß seiner Freiheit festlegen wird, wie gesagt worden ist. Daraus folgt indessen nicht, dass jenes Wissen den göttlichen Willen nicht erfasst. Denn zu dessen Erfassen reicht es aus, alles zu erkennen, worauf sich dieser Wille festlegen kann und was er wollen oder nicht wollen kann. Dieses alles aber weiß Gott aufgrund jenes nur in dieser Weise betrachteten Wissens über seinen Willen, bevor dieser als etwas aufgefasst wird, das einen Akt hervorbringt. Ebenso wenig folgt, dass jenes Wissen deshalb unvollkommen ist, weil Gott nur durch das in dieser Weise aufgefasste Wissen
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Disputatio 52 · 13
tionem suae voluntatis, quoniam sicut non censetur imperfecta ex eo, quod nondum intelligatur sortiri rationem scientiae liberae quam rationem consequitur secuta determinatione divinae voluntatis et sicut voluntas ipsa ac Deus ipse non censentur ex eo imperfecti, quod nondum in eis intelligatur actus divinae voluntatis, immo et quod non intelligatur processio Spiritus Sancti, quoniam non datur instans in quo in Deo inveniatur unum sine alio, sed hae sunt considerationes nostri intellectus in Deo cum fundamento in re : ita neque ex illo capite iudicari potest illa scientia imperfecta, quippe cum in Deo non sint multae scientiae, sed una simplicissima quae semper habet adiunctam rationem scientiae liberae qua cognoscat determinationes liberas suae voluntatis. Neque valet haec consequentia : Deus ea scientia ita praecise spectata non cognoscit determinationes liberas suae voluntatis aut : Deus non cognoscit determinationem liberam suae voluntatis, antequam libere eam determinet ; ergo Deus non cognoscit easdem determinationes suae voluntatis, quoniam, ut dictum est, cognoscit eas eo ipso, quod actum suae voluntatis elicit libereque eum determinat, quod simul est re, sed posterius nostra consideratione cum fundamento in re, sicut de nostra voluntate dicimus in quo instanti elicit actum liberum ac se determinat ad alteram contradictionis partem prius natura esse liberam ac indifferentem ut se in unam aut alteram partem determinet et posterius natura esse determinatam actumque determinatum elicere.1
1
illud hoc loco … elicere (n. 13) om. OC
Abhandlung 52 · 13
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die Festlegung seines Willens nicht kennt. Denn dieses Wissen wird nicht deshalb als unvollkommen eingeschätzt, weil es noch nicht als das verstanden wird, worauf der Begriff des Freien Wissens zutrifft, der dem Wissen zukommt, nachdem die Festlegung des göttlichen Willens erfolgt ist. Auch werden der Wille selbst und Gott selbst nicht deshalb als unvollkommen eingeschätzt, weil in ihnen noch nicht der Akt des göttlichen Willens verstanden wird oder weil der Hervorgang des Heiligen Geistes nicht erfasst wird, da es keinen Augenblick gibt, in dem in Gott das eine ohne das andere vorkommt. Vielmehr sind dies Über legungen unseres Intellekts, die bei Gott in der Sache begründet sind. So kann aufgrund dieses Umstands auch nicht geurteilt werden, dass jenes Wissen unvollkommen sei, denn es gibt in Gott nicht viele Arten von Wissen, sondern nur ein höchst einfaches Wissen, das immer mit dem verbunden ist, was das Freie Wissen ausmacht, durch das er die freien Festlegungen seines Willens kennt. Nicht gültig ist auch folgender Schluss : Gott kennt durch das genau in dieser Weise aufgefasste Wissen die freien Festlegungen seines Willens nicht, oder : Gott kennt die freie Festlegung seines Willens nicht, bevor er diesen frei festlegt ; also kennt Gott diese Festlegungen seines Willens nicht. Denn er kennt, wie gesagt worden ist, diese dadurch, dass er einen Akt seines Willens hervorbringt und diesen frei festlegt, was tatsächlich zugleich mit dieser Kenntnis, aber unserer Betrachtungsweise nach erst später, doch in der Sache selbst begründet, erfolgt. So sagen wir auch von unserem Willen, er sei in dem Augenblick, in dem er einen freien Akt hervorbringt und sich auf eine Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares festlegt, der Natur nach früher frei und unbestimmt, sich auf die eine oder andere Seite festzulegen, und der Natur nach später festgelegt und bringe einen bestimmten Akt hervor.
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Disputatio 52 · 14 – 15
14. Quidam contendentes in futuris contingentibus semper alte-
ram partem, antequam eveniat, esse ex aeternitate veram determinate et alteram determinate falsam eaque ratione ex natura rei unam esse cognoscibilem futuram determinate et alteram non futuram determinate ex eo capite, quod quicquid est ex rei natura cognoscibile Deus ante omnem actum suae voluntatis naturaliter cognoscat, arbitrantur Deum ante omnem actum liberum suae voluntatis scire non solum, quid per arbitrium creatum sit ex quacumque hypothesi futurum, sed etiam, quid ipsemet Deus posterius natura seu nostro intelligendi more cum fundamento in re sit libere voliturus, eo quod id similiter, antequam a Deo statuatur, sit determinate verum.
15. Verumtamen contingentia futura ex natura rei esse determi
nate vera et cum Aristotelis doctrina communique Doctorum sententia et cum natura ipsa contingentium pugnat, quippe quae eo ipso ex ipsamet eorum natura indifferentia sunt ut eorum unumquodque sit vel1 non sit, ut ad cap. ultimum primi De Interpretatione ostendimus. Quare corruit profecto hoc eorum fundamentum supra naturamque eorum futurorum contingentium quae ab arbitrio creato pendent est, quod Deus ea cognos cat ; idque provenit ex infinita et illimitata Dei perfectione qua
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vel A aut C
Abhandlung 52 · 14 – 15
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14. Diejenigen1, die behaupten, dass bei kontingentem Zukünf-
tigen immer die eine Seite [ des kontradiktorischen Aussagenpaares ], bevor sie verwirklicht wird, von Ewigkeit her in festgelegter Weise wahr ist und die andere in festgelegter Weise falsch und dass aus diesem Grund aus der Natur der Sache erkennbar ist, dass die eine Seite in festgelegter Weise eintreten und die andere in festgelegter Weise nicht eintreten wird, meinen, weil Gott alles, was aus der Natur der Sache erkennbar ist, vor jedem Akt seines Willens natürlicherweise erkennt, Folgendes : Gott weiß vor jedem freien Akt seines Willens nicht nur, was durch ein geschaffenes Entscheidungsvermögen unter jeder beliebigen Voraussetzung in Zukunft geschehen wird, sondern auch, was Gott selbst der Natur nach später oder unserer Auffassungsweise nach später, doch in der Sache selbst begründet, frei wollen wird. Denn dieses sei ebenso in festgelegter Weise wahr, bevor es von Gott angeordnet wird.
15. Jedoch widerspricht es sowohl der Lehre des Aristoteles und
der allgemeinen Auffassung der Lehrer als auch der Natur des Kontingenten selbst, dass kontingentes Zukünftiges aus der Natur der Sache heraus in festgelegter Weise wahr ist, wo es doch von seiner eigenen Natur her nicht festgelegt ist, sodass ein jedes davon eintreten kann oder nicht, wie wir in Bezug auf das letzte Kapitel des 1. Buchs von De interpretatione gezeigt haben.2 Deshalb bricht die Grundlage jener Autoren 3 überhaupt zusammen, und es geht über die Natur desjenigen kontingenten Zukünftigen, das von der geschöpflichen Entscheidung abhängt, hinaus, dass Gott es kennt. Vielmehr stammt diese Kenntnis aus der unendlichen und unbegrenzten Vollkommenheit Gottes, durch die 1
Nach Rabeneck sind hier vermutlich Theologen und Philosophen aus der Gesellschaft Jesu wie Fonseca oder die Theologen von Coimbra gemeint. 2 Molina, De futuris contingentibus. 3 Siehe Abschnitt 14 und den Kommentar hierzu.
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Disputatio 52 · 16
altissimo eminentissimoque quodam modo unumquodque arbitrium creatum comprehendit, ut explicatum a nobis est. Quare cum nostrum hoc fundamentum locum non habeat in Deo comparatione liberae determinationis suae voluntatis quam nulla ratione potest excedere perfectione, atque id quod in Deo comparatione arbitrii creati propter eminentissimam comprehensionem supra perfectionem obiecti necessitate compulsi concedimus extendendum ad alia non sit, ut paulo antea dicebamus : sane dicendum non est Deum ante determinationem liberam suae voluntatis cognoscere, in quam partem se sit determinatura, sed divinum intellectum in eo priori solum illi ostendere cetera omnia universim, etiam quae per quodcumque creabile arbitrium sunt ex quacumque hypothesi rerumque ordine futura, ut ea plenissima deliberatione existente ex parte intellectus voluntas pro suo arbitratu omnia statuat ac disponat servataque arbitrii creati libertate omnia provideat et quos voluerit praedestinet in sempiternamve felicitatem misericorditer perducere statuat.1
16. Obiiciet 2 fortasse aliquis : Ad cognoscendum satis est pro-
portio inter potentiam et obiectum ita videlicet ut in potentia sit tanta vis ad cognoscendum, quanta est entitas seu cognoscibilitas obiecti ; ergo quicumque comprehendit voluntatem aliquam in ea penetrabit, in quam partem pro sua libertate se sit determinatura, ac proinde Deus praecognoscet 3, in quam partem sua voluntas se sit libere determinatura, et praecipue anima Christi scientia4 beata praeintelliget, in quam partem tum sua voluntas humana, tum aliae aliorum hominum se sint libere determina-
1
quidam contendentes … statuat (n. 14.15) om. O 2 obiiciet ] adversus dicta obiiciet C 3 praecognoscet ] cognoscet C 4 scientia om. C
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er auf die höchste und erhabenste Weise jede einzelne geschöpfliche Entscheidung erfasst, wie von uns dargelegt wurde. Diese für uns geltende Grundlage hat aber in Gott im Hinblick auf die freie Festlegung seines eigenen Willens, den er in keiner Weise an Vollkommenheit übertreffen kann, keinen Platz, und das, was wir für Gott im Hinblick auf das geschaffene Entscheidungsvermögen wegen des höchst überragenden Erfassens über die Vollkommenheit des Gegenstandes hinaus durch Notwendigkeit gezwungen zugeben, ist auf anderes nicht auszuweiten, wie wir kurz vorher gesagt haben. Deshalb darf man in der Tat nicht sagen, dass Gott vor der freien Festlegung seines Willens wisse, auf welche Seite dieser Wille sich festlegen werde. Vielmehr ist zu sagen, dass der göttliche Intellekt vor jener Festlegung dem Willen nur alles andere insgesamt zeigt, auch was durch jedes erschaff bare Entscheidungsvermögen unter jeder beliebigen Voraussetzung und in jeder Ordnung der Dinge in Zukunft geschehen wird. So beschließt und verfügt der Wille aufgrund dieser allumfassenden Erwägung seitens des Intellekts alles nach seinem Ermessen, richtet alles unter Wahrung der Entscheidungsfreiheit des Geschöpfs im Voraus ein und prädestiniert diejenigen, die er prädestinieren will, oder beschließt barmherzig, sie zur ewigen Seligkeit zu führen.
16. Vielleicht wird jemand einwenden : Zum Erkennen genügt
eine Entsprechung zwischen Vermögen und Gegenstand, und zwar so, dass dem Vermögen eine ebenso große Erkenntniskraft zukommt wie dem Gegenstand Seinsgehalt oder Erkennbarkeit. Also wird überhaupt jeder, der irgendeinen Willen erfasst, in diesem zu der Erkenntnis vordringen, auf welche Seite er sich gemäß seiner Freiheit festlegen wird, und daher wird auch Gott im Voraus erkennen, auf welche Seite sich sein Wille frei festlegen wird. Insbesondere wird die Seele Christi durch ihr seliges Wissen im Voraus erkennen, auf welche Seite sich ihr menschlicher Wille und die Willen der anderen Menschen frei festlegen werden, weil sie diese Willen durch jenes Wissen
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turae, quandoquidem altiori modo per eam scientiam easdem comprehendit, quam illae suapte natura sint cognoscibiles.
17. Ad hoc argumentum dicendum est antecedens esse verum de
iis quae in obiecto cognoscibilia sunt suapte natura vive entitatis ipsorum, secus autem de iis quae supra suam naturam ex sola cognoscentis eminentia illimitataque perfectione cognoscuntur1, qualia sunt determinatio liberi arbitrii antequam sit, et universim futura omnia contingentia, antequam existant. Ad haec namque cognoscenda non satis est adaequatio potentiae cog noscentis cum radice contingentiae ipsorum seu comprehensio talis radicis, sed necessaria est altissima et eminentissima comprehensio huiusce radicis, qualis est in solo Deo comparatione liberi arbitrii suarum omnium creaturarum. Quia ergo in beatis concedenda non est eiusmodi media scientia, dicebamus quaest. 12 art. 8 et aliis in locis beatos ex solo intuitu divinae essentiae et determinatione voluntatis divinae de constituendo libero arbitrio cuiusque in aliquo ordine rerum non posse cognoscere certo futura contingentia quae a tali libero arbitrio dependent ; et idcirco manifestationem earum rerum fieri beatis per ostensionem scientiae quam Deus de eisdem rebus habet vel aliqua alia ratione arbitrabamur.
18. His ita explicatis, cum rerum omnium creatarum, ut saepe
dictum est, aliae sint a Deo immediate, aliae interventu solum causarum secundarum quae agunt ex necessitate naturae absque
1
cognoscuntur ] agnoscuntur C
Abhandlung 52 · 17 – 18
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auf eine höhere Weise erfasst, als sie ihrer eigenen Natur nach erkennbar sind.
17. Zu diesem Argument ist zu sagen, dass das Antezedens zwar
wahr ist hinsichtlich der Dinge, die an einem Gegenstand aufgrund ihrer Natur oder kraft ihres Seinsgehalts erkennbar sind, nicht aber hinsichtlich dessen, was über ihre Natur hinaus allein aus der Überlegenheit des Erkennenden und seiner unbegrenzten Vollkommenheit erkannt wird. Dazu gehören die Festlegung des freien Entscheidungsvermögens, bevor sie erfolgt, und allgemein alles kontingente Zukünftige, bevor es eintritt. Um dieses nämlich zu erkennen, genügt nicht eine Entsprechung zwischen dem Vermögen des Erkennenden und der Quelle der Kontingenz des Zukünftigen oder das Erfassen einer solchen Quelle, sondern dafür ist das höchste und erhabenste Erfassen dieser Quelle nötig, wie es allein in Gott gegenüber dem freien Entscheidungsvermögen aller seiner Geschöpfe existiert. Weil also den Seligen kein solches Mittleres Wissen einzuräumen ist, sagten wir im 8. Artikel der Frage 121 und an anderen Stellen, dass die Seligen allein aus der Schau des göttlichen Wesens und der Festlegung des göttlichen Willens, das freie Entscheidungsvermögen eines jeden [ Menschen ] in eine bestimmte Ordnung der Dinge zu versetzen, das kontingente Zukünftige, das von einem solchen freien Willen abhängt, nicht sicher erkennen können. Und deshalb nahmen wir an, dass die Offenbarung dieser Dinge den Seligen entweder auf die Weise widerfährt, dass ihnen Gottes Wissen von diesen Dingen gezeigt wird, oder auf eine andere Weise.
18. Gemäß dieser Erklärung der Sachverhalte existieren unter
a llen geschaffenen Dingen, wie oft gesagt worden ist, (i) die einen unmittelbar durch Gott, (ii) die anderen durch Vermittlung von Zweitursachen, die nur aus der Notwendigkeit der 1
Molina, Commentaria, q. 12, a. 8, disp. 5, m. 2 (ed. 1622, 132a).
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ulla dependentia a libero arbitrio creato, aliae denique quae a libero arbitrio creato emanant aut ab eo variationem aliquam possunt suscipere : in primis Deus causa fuit sive particularis sive universalis rerum omnium primi et secundi generis per solam scientiam mere naturalem primo loco explicatam accedente libera determinatione suae voluntatis qua scientia illa ad productionem illo modo eorum effectuum determinaretur, ut art. 8 explicatum ostensumque est. Scientia namque illa sola rationem habet artis qua Deus modum atque rationem novit fabricandi res eas illo modo et providendi singulis ut ad suos fines essent accommodatae. Cum vero ars non operetur nisi determinata per voluntatem artificis executioni mandantis quod1 arte praescribitur, accedente voluntate divina qua Deus libere voluit ut illae res essent, scientia Dei naturalis fuit causa earum nostro intelligendi more remota, determinatio vero libera voluntatis divinae proxima ac sufficiens. At licet liberum arbitrium angelicum et humanum res sint primi generis, quia tamen Deus utrumque condidit ut in manu consilii sui constitutum non solum in finem naturalem, sed etiam supernaturalem divina ope pervenire posset aut ab utroque pro suo arbitratu deflectere, plane ut rerum tertii generis quae a libero arbitrio pendent Deus causa esset, interdum solum universalis interdum vero etiam particularis, atque ut circa
1
quod ] quidquid C
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Natur, ohne jede Abhängigkeit von einer geschaffenen freien Entscheidung wirken, und (iii) schließlich jene, die aus einer geschaffenen freien Entscheidung hervorgehen oder von ihr verändert werden können. Beginnen wir damit, dass Gott daher eine partikuläre oder universale Ursache aller Dinge der ersten und zweiten Gattung allein durch sein rein Natürliches Wissen war, das an erster Stelle erklärt wurde, zusammen mit der freien Festlegung seines Willens, durch die jenes Wissen so bestimmt werden sollte, dass es die betreffenden Wirkungen in der Weise hervorbringt, wie im 8. Artikel1 erklärt und gezeigt wurde. Denn einzig dasjenige Wissen hat den Charakter von Kunst, aufgrund dessen Gott den Weg und die Grundlage kennt, diese Dinge in der betreffenden Weise hervorzubringen und sie jeweils ihren Zielen angepasst einzurichten. Da aber eine Kunst nur ausgeübt wird, wenn sie durch den Willen des Künstlers darauf festgelegt wird, hervorzubringen, was durch die Kunst vorgeschrieben wird, war das Natürliche Wissen Gottes zusammen mit dem göttlichen Willen, durch den Gott frei wollte, dass jene Dinge sein sollten, für unsere Auffassungsart eine entfernte Ursache, die freie Festlegung des göttlichen Willens hingegen eine nächste und hinreichende Ursache. Das freie Entscheidungsvermögen der Engel und das der Menschen sind Dinge der ersten Gattung.2 Gott hat jedoch beide Vermögen so geschaffen, dass sie kraft ihres Beschlusses nicht nur zu einem natürlichen, sondern mit göttlicher Hilfe auch zu einem übernatürlichen Ziel gelangen oder von beiden Zielen durch ihre eigene Entscheidung abweichen können. Damit (i) Gott – manchmal nur universale, manchmal auch partikuläre – Ursache der Dinge der dritten Gattung ist, die von freier Entschei1
Gemeint ist Molinas Kommentar zu ST I, q. 14, a. 8, am Beginn der Concordia (S. 3 f.). Dieser wird auszugsweise wiedergegeben im Kommentar der Herausgeber zu 52.2. 2 Gemeint sind die Dinge, die unmittelbar durch Gott geschaffen sind. S. o. (i).
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liberum arbitrium debitam providentiam ad utrumque finem posset exercere nunc hominem variis eventibus exercendo, nunc defectus illius tolerando et permittendo, nunc illum vocando eique opitulando atque illum in bonum promovendo, denique ut quosdam homines aut angelos posset praedestinare omniaque in debitos fines ordinare, praeter scientiam mere naturalem primo loco explicatam necessaria etiam fuit scientia illa media qua ex hypothesi, quod hunc vel illum ordinem rerum vellet efficere, certo praevideret ea omnia quae pro libertate arbitrii tam angelici quam humani in unoquoque eorum ordinum essent futura. Rerum ergo tertii generis causa est Deus interdum universalis, interdum particularis, remote quidem nostro intelligendi more per utramque scientiam explicatam, proxime vero per determinationem suae voluntatis qua statuens collocare homines et angelos in eo ordine rerum in quo eos collocavit simul statuit hoc vel illo modo cum libero arbitrio illorum cooperari. Ne tamen intelligas causam ullo modo esse peccatorum ; haec enim quoad culpam et defectum in solum arbitrium creatum tamquam in causam reducuntur, ut a disputatione 31 ostensum est. Scientia autem libera qua Deus post determinationem suae voluntatis absolute et absque ulla hypothesi cognovit quae eventura erant ex quolibet illorum trium generum effectuum nullo modo est causa rerum, quoniam scientia illa est post liberam deter-
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dung abhängen, sodann, damit er (ii) im Hinblick auf die freie Entscheidung die nötige Vorsehung auf beide Ziele hin ausüben kann – einmal, indem er den Menschen durch verschiedene Ereignisse einübt, ein andermal, indem er dessen Schwächen hinnimmt und zulässt, dann, indem er ihn anruft und ihm beisteht und ihn zum Guten anregt – schließlich, damit er (iii) Menschen oder Engel vorherbestimmen und alles auf die angemessenen Ziele hinordnen kann, war klarerweise außer dem rein Natür lichen Wissen, das an erster Stelle erklärt wurde, auch jenes Mittlere Wissen nötig, durch das Gott unter der Voraussetzung, dass er diese oder jene Ordnung der Dinge hervorbringen wollte, mit Gewissheit dieses alles vorhersah, was durch die Entscheidungsfreiheit sowohl der Engel wie der Menschen in jeder dieser Ordnungen in Zukunft geschehen würde. Daher ist Gott manchmal universale, manchmal partikuläre Ursache der Dinge der dritten Gattung1, freilich für unsere Auffassungsart durch beide erklärten Wissensformen im Sinne einer entfernten Ursache, im Sinne einer nächsten Ursache aber durch die Festlegung seines Willens, mit der er beschloss, Menschen und Engel in jene Ordnung der Dinge zu versetzen, in die er sie versetzt hat, und zugleich beschloss, auf diese oder jene Weise mit ihrer freien Entscheidung zusammenzuwirken. Man fasse dies aber nicht so auf, dass er in irgendeiner Weise Ursache der Sünden sei. Denn diese gehen in Bezug auf Schuld und Schwäche allein auf das geschaffene Entscheidungsvermögen als Ursache zurück, wie in Abhandlung 31 gezeigt worden ist. Das Freie Wissen hingegen, durch das Gott nach der Fest legung seines Willens absolut und unabhängig von jeglicher Voraussetzung weiß, was in Zukunft aufgrund einer beliebigen jener drei Gattungen von Wirkungen geschehen sein wird, ist auf keine Weise Ursache der Dinge. Denn jenes Wissen entsteht nach der freien Festlegung des Willens Gottes, durch die von Seiten 1
Gemeint sind die Dinge, die aus einer geschöpf lichen freien Entscheidung hervorgehen. S. o. (iii).
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minationem voluntatis Dei qua tota ratio causae atque principii immediate1 operandi ex parte Dei completur.
19. Ex his facile intelligi potest, quamvis Deus nullam scientiam
sumat a rebus, sed quicquid cognoscit id in sua essentia et in determinatione libera suae voluntatis cognoscat et comprehendat, attamen non quia cognoscit 2 aliquid esse futurum, ideo illud futurum, sed e contrario, quia illud futurum est ex suis causis, ideo cognoscere illud esse futurum. Quia enim res primi generis ex sola libera voluntate Dei tamquam ex immediata et tota causa sunt futurae, ideo Deus per scientiam liberam, quae determinationem illam voluntatis consequitur in Deo, in ea ipsa determinatione voluntatis tamquam in causa, quod sunt futurae, scit eas esse futuras, non vero e contrario quia scit illas esse futuras, ideo sunt futurae, quandoquidem prius nostro intelligendi more cum fundamento in re illae sunt futurae ex determinatione libera voluntatis divinae, quam id a Deo ex eadem ipsa determinatione sciatur. Quia etiam res secundi generis partim ex libera voluntate Dei qua causas secundas statuit immediate creare et cum eisdem tamquam universalis causa concurrere, partim ex necessario influxu ipsarummet causarum secundarum ita sunt futurae ut nulla alia causa eiusmodi effectus valeat impedire, utique (prae existente scientia naturali qua praevidet eiusmodi res necessario esse futuras ex hypothesi, quod causas earum velit creare) prae scivit in determinatione voluntatis qua illas statuit creare per scientiam liberam quae eiusmodi determinationem consequitur tales effectus absolute et sine hypothesi esse futuros, quia ex dic-
1
immediate ] immediati C 2 cognoscit ] scit C
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Gottes der ganze Begriff der Ursache und des Ursprungs unmittelbaren Wirkens vervollständigt wird.
19. Hieraus lässt sich leicht verstehen, dass Gott zwar kein Wis-
sen aus den Dingen bezieht, sondern alles, was er erkennt, in seinem [ göttlichen ] Wesen und in freier Festlegung seines Willens erkennt und erfasst. Dennoch geschieht etwas nicht deshalb in Zukunft, weil er erkennt, dass es in Zukunft geschehen wird, sondern umgekehrt, weil etwas aus seinen eigenen Ursachen heraus in Zukunft geschehen wird, erkennt er, dass es geschehen wird. Weil nämlich die Dinge der ersten Gattung allein aus dem freien Willen Gottes als unmittelbarer und vollständiger Ursache geschehen werden, weiß Gott durch sein Freies Wissen, das in ihm auf jene Festlegung seines Willens folgt, in dieser Festlegung seines Willens als Ursache dafür, dass diese Dinge geschehen werden, dass sie eben geschehen werden. Sie werden aber nicht umgekehrt deshalb geschehen, weil er weiß, dass sie geschehen werden, denn jene Dinge werden kraft der freien Festlegung des göttlichen Willens früher geschehen – nach unserer Auffassungsart, doch in der Sache selbst begründet –, als dies von Gott aufgrund ebendieser Festlegung gewusst wird. Auch die Dinge der zweiten Gattung werden – teils aus Gottes freiem Willen, aus dem heraus er beschloss, die Zweitursachen unmittelbar zu erschaffen und als universale Ursache mit ihnen zusammenzuwirken, teils aus dem notwendigen Einfluss der Zweitursachen – so geschehen, dass keine andere Ursache derartige Wirkungen verhindern kann. Daher wusste Gott (weil im Vorhinein sein Natürliches Wissen besteht, durch das er voraussieht, dass derartige Dinge notwendig geschehen werden, vorausgesetzt, dass er ihre Ursachen erschaffen wollte) bei der Festlegung des Willens, durch den er jene Dinge zu erschaffen beschloss, durch das Freie Wissen, das einer solchen Festlegung folgt, voraus, dass solche Wirkungen absolut und ohne Voraussetzung eintreten würden, weil sie der genannten Ursachen we-
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tis causis erant futuri, non vero e contrario, quia scivit illos esse futuros, ideo futuri sunt ex eisdem causis. Denique quia res tertii generis cooperantibus tum aliis causis secundis tum etiam Deo partim ut causa universali, partim ut causa particulari, ex libero arbitrio creato aut dependenter ab illo ita sunt futurae ut possint non esse praevidente Deo per scientiam naturalem et per illam mediam inter mere naturalem et liberam illas pro libertate arbitrii esse futuras ex hypothesi, quod creare vellet homines et angelos in eo ordine rerum quo illos collocavit, in determinatione libera voluntatis qua illos ita creare constituit scivit per scientiam liberam quae determinationem illam consequitur res illas esse futuras, quia illae pro libertate arbitrii erant ita eventurae, non vero e contrario, quia illas praescivit eventuras, ideo erunt vel fuerunt.
20. Hoc vero quod ultimo loco diximus affirmant etiam om-
nes illi doctores quos disputatione praecedente citavimus. Dum enim asseverant libero arbitrio hoc vel eius oppositum indifferenter pro innata sibi libertate in futurum eligente Deum effecturum ut non aliud ipse ex aeternitate praesciverit, manifeste docent non ideo res esse futuras, quia Deus id praescit, sed e contrario. In eadem sententia videntur esse ceteri doctores scholastici, quamvis, ut verum fatear, contrarium innuere videatur D. Thomas supra art. 8 in responsione ad primum, dum exponit
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gen eintreten würden ; sie geschehen aber umgekehrt nicht deshalb aus ihren eigenen Ursachen heraus, weil er weiß, dass sie geschehen werden. Schließlich werden die Dinge der dritten Gattung unter Mitwirkung einerseits der anderen Zweitursachen, andererseits auch Gottes, der teils als universale Ursache, teils auch als partikuläre Ursache wirkt, wegen des geschaffenen freien Entscheidungsvermögens oder in Abhängigkeit von diesem so geschehen, dass sie auch nicht geschehen könnten – wobei Gott durch das Natürliche und jenes Mittlere Wissen, das zwischen rein Natürlichem und Freiem Wissen liegt, vorhersah, dass jene Dinge gemäß der Freiheit des Entscheidungsvermögens geschehen würden unter der Voraussetzung, dass er die Menschen und Engel in jener Ordnung der Dinge erschaffen wollte, in die er sie eben versetzt hat. Daher wusste er bei der freien Festlegung seines Willens, mit der er beschloss, sie so zu erschaffen, wegen des Freien Wissens, das auf jene Festlegung folgt, dass jene Dinge geschehen würden. Denn jene Dinge sollten aufgrund freier Entscheidung so geschehen, sind oder waren aber nicht umgekehrt deshalb so, weil er vorherwusste, dass sie so geschehen würden.
20. Das aber, was wir zuletzt gesagt haben, bestätigen auch alle
Lehrer der Theologie, die wir in der vorigen Abhandlung zitiert haben. Indem sie nämlich feststellen, dass – wenn das freie Entscheidungsvermögen gemäß der ihm angeborenen Freiheit in Zukunft gleichermaßen etwas oder dessen Gegenteil wählt – Gott bewirkt, dass er selbst von Ewigkeit her nichts anderes vorhergewusst hat, lehren sie offenkundig, dass die Dinge nicht deshalb geschehen werden, weil Gott es so vorhergewusst hat, sondern dass es sich umgekehrt verhält. Derselben Meinung scheinen die übrigen scholastischen Lehrer zu sein, auch wenn, um die Wahrheit zu sagen, der hl. Thomas oben im 8. Artikel1 in der Antwort zum ersten Argument das Gegenteil nahezulegen 1
Thomas v. Aquin, ST I, q. 14, a. 8.
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atque in contrarium sensum reducere conatur testimonium Origenis mox referendum1 quo idem aperte docet.
21. Idem perspicue affirmat communis Sanctorum Patrum sen-
tentia. Iustinus enim martyr in Expositionibus quaestionum a Gentibus Christianis propositarum in expositione quaestionis 58 de proditione Iudae et praescientia Dei agens ait : Non causa eius quod futurum est praenotio, sed quod futurum est praenotionis. Neque enim praenotionem sequitur quod futurum est, sed quod futurum est praenotio. Ita fit ut non Christus proditionis causa sit, sed proditio causa est Domini praenotionis. Idem dicit esse de praescientia peccati angelorum et primorum parentum. Quare non loquitur de sola praenotione Christi qua homo est, haec enim non antecessit peccata angelorum et primorum parentum, sed etiam de praenotione Dei, qua Deus est. Non sumit tamen causam pro vera causa, – res namque non sunt causa praescientiae Christi ; neque enim increata praescientia quam habet, quatenus Deus est, nec creata futurorum contingentium qua praeditus est quatenus homo a rebus ipsis desumitur –, sed loquitur de ratione, quare illa sit, quatenus respectus rationis quem scientia divina habet ad res quas novit esse futuras
1
referendum ] citandum C
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scheint, wenn er das Zeugnis des Origenes, auf das wir bald zu sprechen kommen werden und in dem dieser eben das offensichtlich lehrt, darlegt und ihm einen entgegengesetzten Sinn beizulegen sucht.
21. Dasselbe behauptet eindeutig die allgemeine Lehre der Kir-
chenväter. Justinus der Märtyrer sagt in den Erklärungen der Fra gen, die den Christen von den Heiden gestellt wurden,1 bei der Erklärung der 58. Frage, in der er über den Verrat des Judas und das Vorherwissen Gottes handelt : »Die Vorauskenntnis ist nicht Ursache dessen, was geschehen wird, sondern was geschehen wird, ist Ursache der Vorauskenntnis. Denn es ist nicht so, dass der Vorauskenntnis folgt, was geschehen wird, sondern dem, was geschehen wird, folgt die Vorauskenntnis. Daher kommt es, dass nicht Christus die Ursache des Verrats, sondern der Verrat die Ursache der Vorauskenntnis des Herrn ist.« Genauso ist es seiner Ansicht nach2 mit dem Vorherwissen der Sünde der Engel und der Stammeltern. Deshalb spricht er auch nicht nur von der alleinigen Vorauskenntnis Christi, insofern dieser Mensch ist, denn diese ging ja den Sünden der Engel und der Stammeltern nicht voraus, sondern er spricht auch von der Vorauskenntnis Gottes, insofern dieser Gott ist. Aber er fasst ›Ursache‹ nicht im Sinne einer wirklichen Ursache auf. Die Dinge sind nämlich nicht Ursache des Vorherwissens Christi, denn weder das ungeschaffene Vorherwissen, das er besitzt, insofern er Gott ist, noch das geschaffene Wissen vom kontingenten Zukünftigen, mit dem er als Mensch ausgestattet war, kommt von den Dingen selbst. Vielmehr spricht er von dem Grund dafür, dass jenes Wissen vorliegt, denn die Erklärungs beziehung zwischen dem göttlichen Wissen und den Dingen, von denen es weiß, dass sie geschehen werden, hängt davon ab, 1
Iustinus, Quaestiones et responsiones ad orthodoxos, q. 58 (PG 6, 1300 C). 2 Ibid.
46
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pendet ex eo, quod illae ex suis causis sint futurae, ut explicatum est.
22. Origenes quoque libro 7 in epistolam ad Romanos in illud
capitis 8 : [ 8,30 ] : Quos praescivit et praedestinavit ait : Non propterea erit aliquid, quia id scit Deus futurum, sed quia futurum est, scitur a Deo, antequam fiat. Nam etsi verbi gratia fingamus Deum non praescire aliquid, futurum sine dubio erat, quod ita, ut puta Iudas proditor factus est, et hoc ita futurum prophetae praedixerunt. Non ergo quia prophetae praedixerunt, idcirco prodidit Iudas, sed quia futurus esset proditor, ea quae ille propositi sui nequitia gesturus erat, praedixerunt prophetae, cum utique Iudas in potestate habuisset ut esset similis Petro aut Ioanni, si voluisset ; sed elegit pecuniae cupiditatem magis quam apostolici consortii gloriam et hanc eius voluntatem praevidentes prophetae librorum tradiderunt monumentis. Ut autem scias non in praescientia Dei unicuique salutis causam poni, sed in proposito et actibus suis, vide Paulum verentem ne forte, cum aliis praedicaverit, ipse reprobus efficiatur, macerare corpus suum et subiicere servituti.
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dass diese aus ihren eigenen Ursachen geschehen werden, wie erläutert worden ist.
22. Auch Origenes sagt zum Vers in Kapitel 8 [ 30 ] des Römer
briefs1, »Die er im Voraus erkannte, hat er auch vorherbestimmt«, in Buch 7 seines Kommentars : »Nicht deshalb wird etwas geschehen, weil Gott weiß, dass es geschehen wird, sondern weil es geschehen wird, weiß Gott davon, bevor es geschieht. Denn selbst wenn wir, nur um des Argumentes willen, annähmen, dass Gott nichts vorherweiß, war das, was so ist [ w ie es ist ], zweifellos einmal zukünftig, wie etwa, dass Judas zum Verräter geworden ist, und dass es so kommen werde, haben die Propheten vorhergesagt.2 Judas beging also den Verrat nicht, weil die Propheten es vorhergesagt hatten ; sondern weil er zum Verräter werden würde, hatten die Propheten das vorausgesagt, was er seinem bösen Vorsatz entsprechend ausführen würde, obwohl es ganz in Judas’ Macht stand, wie Petrus oder Johannes zu sein, wenn er gewollt hätte. Er zog aber die Geldgier der Ehre vor, zu den Aposteln zu gehören, und die Propheten, die seinen Willen vorher sahen, überlieferten diesen dem Zeugnis der Bücher. Damit du aber erkennst, dass die Ursache des Heils eines jeden Menschen nicht im Vorherwissen Gottes anzunehmen ist, sondern in der Absicht und den Handlungen eines jeden, schaue auf Paulus, der seinen Körper quälte und dem Knechtsdienst unterwarf, weil er fürchtete, womöglich selbst von Gott verworfen zu werden, nachdem er anderen gepredigt hatte.«
1
Origenes, Commentaria in epistolam ad Romanos, 7, c. 8, n. 8 (PG 14, 1126 C–D). 2 Zu Übersetzungsvarianten dieser Stelle und der Quellenlage s. den Kommentar.
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23. Damascenus in Dialogo adversus Manichaeos : Quod prae-
scientia, inquit, diabolo minime causa fuerit, cur malus fuerit, hinc constat. Nam nec medicus, dum futurum morbum praenos cit, morbo causam affert. Verum morbi quidem causa in prae postera et immoderata vitae ratione consistit. At medici prae notio eruditionis ipsius argumentum est ; praenotionis autem causa haec est, quod ita futurum erat.
24. Chrysostomus homilia 60 in Mt super illud Mt 18, 7 : Vae
mundo a scandalis : Non quia futura, inquit, scandala praedixit, idcirco evenient ; sed quoniam omnino ventura erant, idcirco praed ixit. Non enim fierent, si nollent ea excogitare nequam homines atque pestiferi ; quod si ventura non fuissent, nec ipse futura praedixisset. Ventura vero erant, quia multi erant graviter aegrotantes qui noluerunt non agere maligne, et ipse quod futurum erat praedixit. Sed si illi curati fuissent, quispiam dicet, ac nemo esset qui scandala faceret, nonne hic sermo falsitatis crimine teneretur ? Certe si curari sanarique omnes voluissent, non dixisset : necesse est scandala venire. Sed quia sua sponte incurabiles futuros prospiciebat1, ideo ventura omnino praedixit.
1
prospiciebat ] perspiciebat C
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23. Damascenus sagt in seinem Dialog gegen die Manichäer1 : »Dass
das Vorherwissen hinsichtlich des Teufels nicht im geringsten Ursache dafür war, dass er böse wurde, steht aus Folgendem fest : Auch ein Arzt trägt nicht zur Ursache einer Krankheit bei, wenn er ihr Eintreten vorhersieht. In Wahrheit liegt die Ursache einer Krankheit nämlich in einer verkehrten und unmäßigen Lebensweise. Hingegen ist das Vorherwissen des Arztes eine Bestätigung seiner Bildung. Ursache des Vorherwissens ist indessen, dass es entsprechend geschehen sollte.«
24. Chrysostomus sagt in der 60. Homilie zu Matthäus2 über Mt 18,
7, »Wehe der Welt um der Verführungen zum Sündigen willen« : »Nicht weil er [ Christus ] die zukünftigen Verführungen zum Sündigen vorhergesagt hat, werden sie geschehen, sondern weil sie allemal geschehen sollten, hat er sie vorhergesagt. Sie würden nämlich nicht geschehen, wenn nicht nichtsnutzige und Verderben bringende Menschen sie ausdenken wollten. Und wenn sie nicht hätten geschehen sollen, hätte er nicht vorhergesagt, dass sie geschehen würden. Sie sollten jedoch geschehen, denn es gab viele schwer Verdorbene, die böses Tun nicht unterlassen wollten, und er hat vorhergesagt, was geschehen würde. ›Wenn aber jene Menschen von ihrer Verderbtheit befreit worden wären‹, mag jemand einwerfen, ›und niemand da wäre, der Verführungen zum Sündigen verursachte, wäre dann nicht diese Rede der Falschheit überführt ?‹ Sicher hätte er, wenn alle sich hätten befreien und wiederherstellen lassen wollen, nicht gesagt : ›Verführungen zum Sündigen müssen kommen.‹ Weil er aber vorhersah, dass jene Menschen aus eigenem Willen unheilbar sein würden, hat er überhaupt vorhergesagt, dass die Verführungen zum S ündigen kommen sollten.« 1
Iohannes Damascenus, Dialogus adversus Manichaeos, n. 37 (PG 94, 1544 B–C). 2 Iohannes Chrysostomus, Homiliae in Matthaeum, 59, n. 1 (PG 58, 574 s.).
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25. Hieronymus in illud Is 16,13 : Hoc verbum quod locutus est
Dominus ad Moab : Non, inquit, quod praescientia Dei causam vastitatis attulerit, sed quod vastitas futura Dei maiestati praenota sit1. Et in principio capitis 26 Hieremiae [ 26, 3 ] : Non ex eo quod Deus scit futurum aliquid, idcirco futurum est ; sed quia futurum est, Deus novit, quia praescius futurorum. Item in illud Ez 2,4 : Et dices ad eos etc. sic ait : Non quia illa ventura cognoscit, necesse est nos facere quod ille praescit ; sed quod nos propria voluntate sumus facturi ille novit futurum, quia Deus est. Tertio quoque libro Dialog. adversus Pelagianos : Non ideo peccavit Adam, quia Deus hoc futurum noverat ; sed praescivit Deus quasi Deus quod ille erat propria voluntate facturus.
26. Augustinus 5 De Civitate Dei cap. 10 : Neque enim, inquit,
ideo peccat homo, quia Deus illum peccaturum praescivit ; immo ideo non dubitatur ipsum peccare, cum peccat, quia ille cuius praescientia falli non potest non fatum, non fortunam, non aliquid aliud, sed ipsum peccaturum esse praescivit. Qui si nolit, omnino non peccat ; sed si peccare noluerit, etiam hoc ille prae-
1
sit ] scit A
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25. Hieronymus sagt zu Jes 16, 131, »Dies ist das Wort, das der
Herr über Moab gesprochen hat« : »Es ist nicht so, dass das Vorherwissen Gottes die Ursache der Verwüstung brachte, sondern so, dass die künftige Verwüstung der Majestät Gottes im Voraus bekannt war.« Und zum Anfang des 26. Kapitels von Jer [ 26, 3 ]2 sagt er : »Nicht deshalb, weil Gott weiß, dass etwas geschehen wird, wird es geschehen, sondern weil es geschehen wird, weiß Gott es, denn er kennt das Zukünftige im Voraus.« Ebenso sagt er zu Ez 2, 43, »Und du sollst zu ihnen sagen …« : »Nicht weil er erkennt, dass jenes geschehen wird, ist es notwendig, dass wir tun, was er vorherweiß ; sondern er weiß, dass geschehen wird, was wir aus eigenem Willen tun werden, denn er ist Gott.« Und auch im 3. Buch des Dialogs gegen die Pelagianer4 heißt es : »Nicht deshalb sündigte Adam, weil Gott wusste, dass es geschehen würde ; sondern Gott, weil er Gott ist, wusste im Voraus, was jener aus eigenem Willen tun würde.«
26. Augustinus sagt in Über den Gottesstaat, Buch 5, Kap. 105 :
»Denn nicht deshalb sündigt der Mensch, weil Gott vorherwusste, dass er sündigen würde. Vielmehr besteht kein Zweifel, dass er sündigt, wenn er sündigt. Denn Gott, dessen Vorherwissen nicht fehlgehen kann, kannte nicht das Schicksal, nicht den Zufall noch irgendetwas anderes im Voraus, sondern er wusste im Voraus, dass der Mensch sündigen würde, der keinesfalls sündigt, wenn er nicht will. Wenn er aber nicht hätte sündigen wollen, hätte Gott auch das vorhergewusst.« Und in Über die Vor 1 2 3 4 5
Hieronymus, Commentaria in Isaiam, 5, in v. 16,13 (PL 24, 173 C ; CC SL 73, 182). Hieronymus, Commentaria in Ieremiam, 5 (PL 24, 844 B ; CC SL 74, 254). Hieronymus, Commentaria in Ezechielem, 1, in v. 2,5 (PL 25, 33 B ; CC SL 75, 28). Hieronymus, Dialogus adversus Pelagianos, 3, n. 6 (PL 23, 575 C ; CC SL 80, 105). Augustinus, De civitate Dei, 5, c. 10, n. 2 (PL 41, 153).
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s civit. Et De Praedestinatione et Gratia cap. 151 auctor2 illius operis ait 3 : Si dicitur iam Pharaonem non potuisse mutari, quia eum praesciverat Deus non esse mutandum, respondetur Dei praescientiam non cogere hominem ut talis sit qualem praescivit Deus, sed praescire talem futurum qualis futurus est, quamvis eum non sic fecerit Deus.
27. Cyrillus lib. 9 in Ioannem cap. 10 : Quoniam, inquit, ita non-
nulli sponte facturi erant, idcirco praescius Spiritus Sanctus futura praedixit.
28. Leo I sermone 16 : Non impias furentium manus immisit in se Dominus, sed admisit, nec4 praesciendo quod faciendum esset egit ut fieret.
29. Ex dictis tam hac quam praecedentibus disputationibus sa-
tis, ut credo, est manifestum, quanam ratione libertas arbitrii nostri contingentiaque rerum cum divina praescientia cohaereant. Cum enim res quae a nostro arbitrio emanant aut ab eo pendent non ideo sint futurae, quia a Deo praecognoscuntur futurae, sed e contrario ideo a Deo praecognoscantur hoc vel illo modo futurae, quia ita pro libertate arbitrii sint futurae, quod si contrario modo, ut possunt, essent futurae, contrario etiam modo
1
15] 5 C 2 auctor ] autor AOC auctor Rabeneck 3 autor … ait ] quicunque autor illius operis erit AO* 4 nec Leo non AOC
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herbestimmung und die Gnade, Kap. 151, sagt der Verfasser dieses Werkes : »Wenn man sagt, der Pharao hätte sich nicht mehr ändern können, weil Gott vorhergewusst hatte, dass er sich nicht ändern würde, so ist zu antworten, dass Gottes Vorherwissen den Menschen nicht zwingt, so zu sein, wie Gott es vorherwusste, sondern dass er vorherweiß, dass der Mensch so sein wird, wie er sein wird, obwohl ihn Gott nicht so gemacht hat.«
27. Cyrillus sagt in Kap. 10 des 9. Buches seines Kommentars zu
Johannes2 : »Weil einige freiwillig so handeln würden, deshalb sagte der Heilige Geist, der alles vorherweiß, voraus, was geschehen würde.«
28. Leo I. sagt in Predigt 163 : »Der Herr hat nicht die frevlerischen
Hände der Rasenden gegen sich gerichtet, sondern ihr Tun zugelassen, und nicht durch sein Vorherwissen um das, was geschehen sollte, bewirkt, dass es geschehen würde.«
29. Aus dem hier sowie in den vorangehenden Abhandlungen
Gesagten ist, wie ich glaube, hinreichend deutlich, wie unsere Entscheidungsfreiheit und die Kontingenz der Dinge mit dem göttlichen Vorherwissen zusammenstimmen. Die Dinge, die aus unserer Entscheidung hervorgehen oder von ihr abhängen, geschehen nämlich nicht deshalb, weil Gott vorherweiß, dass sie geschehen werden, sondern umgekehrt weiß Gott vorher, dass sie in dieser oder jener Weise geschehen werden, weil sie aufgrund der Entscheidungsfreiheit so geschehen werden, dass er, wenn sie auf entgegengesetzte Weise geschehen
1
Ps.-Augustinus, De praedestinatione et gratia, c. 14, n. 16 (PL 45, 1675). 2 Cyrillus, In Ioannis Evangelium, 9, c. unic., in Ioh. 13,18 (PG 74, 132 B). 3 Leo Magnus, Sermones, sermo 67, c. 2 (PL 54, 369 C) = Tractatus, tr. 67, c. 2 (CC SL 138A, 409).
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et non eo quo reipsa sciuntur praecognoscerentur ex aeternitate futurae, immo vero cum scientia qua Deus absolute novit has vel illas res esse futuras non sit causa rerum, quin potius posito ex libera determinatione voluntatis divinae hoc ordine rerum quem cernimus perinde a suis causis (ut Origenes et alii Patres adnotarunt) effectus eveniant, a naturalibus quidem naturaliter, a liberis libere et in utramvis partem contingenter, ac si in Deo nulla esset praescientia circa eventus futuros : fit plane ut praescientia Dei, per quam ob infinitam omnique ex parte illimitatam perfectionem et acumen sui intellectus certo penetrat, quid causae liberae positae in quocumque ordine rerum sint facturae, cum re ipsa, si velint, possint contrarium efficere, nullum omnino praeiudicium libertati arbitrii et contingentiae rerum afferat, sed perinde existente etiam eadem scientia libertas arbitrii rerumque in utramvis partem contingentia salva maneant, ac si talis praescientia non esset. Id quod praeter Boethium 5 De Consolatione prosa ultima et multos alios Augustinus 3 De libero arbitrio cap. 4 cum Evodio disputans egregie docet. Cum enim Evodius ab Augustino peteret, quanam ratione praescientia Dei et liberum arbitrium humanum consentirent, quandoquidem quod Deus futurum praescit id1 utique necessario fieri debeat, ait Augustinus :
1 id om.
C
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würden – was sie ja können –, von Ewigkeit her auch vorhergewusst hätte, dass sie in dieser entgegengesetzten Weise geschehen würden, und nicht so, wie er es tatsächlich weiß. In der Tat ist ja das Wissen, mit dem Gott absolut weiß, dass diese oder jene Dinge geschehen werden, keine Ursache der Dinge. Vielmehr treten die Wirkungen nach der Ordnung der Dinge, die aus der freien Festlegung des göttlichen Willens hervorgeht und die wir kennen, aufgrund ihrer eigenen Ursachen ein (wie Origenes und andere Kirchenväter gesagt haben) – und zwar aus natürlichen Ursachen natürlicherweise und aus freien Ursachen in freier und zu jeder Seite hin kontingenter Weise, als ob es in Gott kein Vorherwissen über zukünftige Ereignisse gäbe. Daher ist klar, dass das Vorherwissen Gottes, durch das er wegen seiner unendlichen und in jeder Hinsicht unbeschränkten Vollkommenheit und wegen seiner Geisteskraft sicher durchdringt, was die aus Freiheit wirkenden Ursachen, in jede beliebige Ordnung von Dingen versetzt, tun würden – obwohl sie tatsächlich, wenn sie wollten, das Gegenteil hervorbringen könnten –, für die Entscheidungsfreiheit und die Kontingenz der Dinge keinerlei Vorentscheidung mit sich bringt. Vielmehr bleiben, auch wenn es dieses Wissen gibt, die Entscheidungsfreiheit und die Kontingenz der Dinge zu beiden Seiten hin unangetastet, als ob es ein solches Vorherwissen gar nicht gäbe. Genau das lehrt außer Boethius, in der letzten Prosa des 5. Buches von Über den Trost der Philosophie1, und vielen anderen in ausgezeichneter Weise auch Augustinus im 4. Kapitel des 3. Buchs von Über die freie Entscheidung2 in der Diskussion mit Evodius. Als nämlich Evodius von Augustinus wissen will, inwiefern das Vorherwissen Gottes und die freie menschliche Entscheidung miteinander im Einklang stehen, da doch notwendigerweise das geschehen müsse, was Gott als Zukünftiges vorhersieht, sagt Augustinus : 1
Boethius, Consolatio, pr. 6 (PL 63, 857 ; CC SL 94, 104). 2 Augustinus, De libero arbitrio, 3, c. 4, n. 10 – 11 (PL 32, 1276).
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Unde tibi videtur adversum esse liberum arbitrium nostrum praescientiae Dei, quia praescientia est an quia Dei praescientia est ? Evodius : Quia Dei potius. Augustinus : Quid ergo, si tu prae scires peccaturum esse aliquem, non esset necesse ut peccaret ? Evodius : Immo necesse esset ut peccaret. Non enim aliter esset praescientia mea, nisi certa praescirem. Augustinus : Non igitur, quia Dei praescientia est, necesse est fieri quae praescierit, sed tantummodo, quia praescientia est, quae si non certa praenoscit, utique nulla est. Evodius : Consentio ; sed quorsum ista ? Tunc Augustinus. Quia, nisi fallor, non continuo tu peccare cogeres quem peccaturum esse praescires ; neque ipsa praescientia tua peccare eum cogeret, quamvis sine dubio peccaturus esset ; non enim aliter id futurum esse praescires. Sicut itaque non sibi adversantur haec duo ut tu praescientia tua noveris quod alius sua voluntate facturus est, ita Deus neminem ad peccatum cogens praevidet tamen eos qui propria voluntate peccabunt. Cur ergo non iudicet iustus quae fieri non cogit praescius ? Sicut enim tu memoria tua non cogis facta esse quae praeterierunt, sic Deus praescientia sua non cogit facienda quae futura sunt. Et sicut tu quaedam quae fecisti1 meministi nec tamen quae meministi omnia fecisti, ita Deus omnia quorum ipse auctor est praescit nec tamen omnium quae praescit ipse auctor est. Quorum autem non est malus auctor, iustus est ultor. Hinc ergo iam intellige, qua 2 iustitia Deus peccata puniat, quia quae novit futura non fecit. Nam si propterea non debet retribuere supplicium peccantibus, quia praevidet 3 peccaturos, nec recte facientibus debet praemia
1 fecisti
Augustinus, nosti AOC 2 qua Augustinus, quia AOC 3 praevidet ] praevidit AO
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»Warum scheint dir unsere freie Entscheidung dem Vorherwissen Gottes entgegenzustehen, weil es ein Vorherwissen ist oder weil es Gottes Vorherwissen ist ?« Evodius : »Eher weil es Gottes Vorherwissen ist.« Augustinus : »Wie also ? Wenn du vorherwüsstest, dass jemand sündigen wird, wäre es dann nicht notwendig, dass er sündigt ?« Evodius : »Gewiss wäre es notwendig, dass er sündigt. Denn sonst wäre es nicht mein Vorherwissen, wenn ich nicht Sicheres vorherwüsste.« Augustinus : »Also nicht deshalb, weil es Gottes Vorherwissen ist, geschieht notwendig, was er vorhergewusst hat, sondern allein deshalb, weil es ein Vorherwissen ist, das gar keines wäre, wenn es nicht Sicheres vorherwüsste.« Evodius : »Ich stimme zu. Aber worauf läuft das hinaus ?« Dann Augustinus : »Wenn ich mich nicht täusche, würdest du denjeni gen, von dem du vorherweißt, dass er sündigen wird, nicht ununterbrochen zwingen zu sündigen. Auch würde ihn dein Vorherwissen selbst nicht zum Sündigen zwingen, obwohl er ohne Zweifel sündigen würde, denn sonst wüsstest du nicht vorher, dass dies geschehen wird. Wie sich also diese beiden Dinge nicht entgegenstehen, dass du aufgrund deines Vorherwissens weißt, was ein anderer aus eigenem Willen tun wird, so sieht Gott vorher, ohne jemanden zur Sünde zu zwingen, wer aus eigenem Willen sündigen wird. Warum sollte also der Gerechte nicht über das richten, dessen Eintreten er vorherweiß, aber nicht erzwingt ? Denn wie du durch deine Erinnerung nicht erzwingst, dass geschehen ist, was vergangen ist, so zwingt Gott durch sein Vorherwissen nicht zu tun, was geschehen wird. Und wie du dich an manche Dinge erinnerst, die du getan hast, aber nicht alles getan hast, woran du dich erinnerst, so weiß Gott alles vorher, dessen Urheber er selbst ist, ist aber nicht von allem, was er vorherweiß, selbst Urheber. Wovon er aber kein übler Urheber ist, dafür ist er ein gerechter Strafender. Schon daraus solltest du einsehen, mit welcher Gerechtigkeit Gott die Sünden bestraft, denn er hat nicht getan, was er als zukünftig kennt. Denn wenn er den Sündern deshalb keine Strafe auferlegen darf, weil er vorhersieht, dass sie sündigen werden, darf er auch die nicht beloh-
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retribuere, quia et recte facturos nihilominus praevidet. Immo vero fateamur ad praescientiam eius pertinere, ne quid eum lateat futurum, et ad iustitiam ut peccatum, quia voluntate committitur, ita iudicio eius impune non fiat, sicut praescientia non cogitur fieri. Haec Augustinus.
30. Superest ex hactenus dictis admoneamus, quamvis verissime
a Theologis dicatur stante scientia, quod Petrus crastina die sit peccaturus, Petrum in sensu diviso posse non peccare, non tamen in sensu composito, duos nilhilominus extremos errores esse circa utrumque vitandos. Unum circa sensum divisum quem iam disputatione prae cedente impugnavimus, videlicet ne ea ratione credamus posse in sensu diviso non peccare, quasi quicquid indifferenter in futurum Petrus fecerit, Deus in futurum etiam indifferenter sit effecturus1 se non aliud2 quam illud idem ex aeternitate scivisse ; id namque est tollere certitudinem et determinationem scientiae divinae circa futura contingentia antequam eveniant, quod cum nobilitate divinae scientiae aperte pugnat indeque absurda maxima sequuntur, ut ibidem ostensum est. Quare concedendum est ex aeternitate firmum fundamentum iam stare : novit Dominus qui sunt eius [ 2 Tim 2,19 ]. Alterum circa sensum compositum, videlicet ne affirmemus ex eo, quod iam praeexistit scientia divina, Petrum re ipsa non posse non peccare, quasi aliquid libertatis et facultatis ad re ipsa non peccandum, si velit, ob praeexistentem scientiam divinam amiserit. Eiusmodi enim sensum non dubitarem appellare erro-
1
sit effecturus ] sit effectura O* efficiet C 2 aliud ] aliquid A
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nen, die recht handeln, denn dass sie recht handeln werden, sieht er um nichts weniger vorher. Geben wir also zu, dass zu seinem Vorherwissen gehört, dass ihm Zukünftiges nicht verborgen ist, und zu seiner Gerechtigkeit, dass die Sünde, da sie willentlich begangen wird, durch sein Urteil ebenso wenig ungestraft geschieht, wie sie durch das Vorherwissen erzwungen wird.« Soweit Augustinus.
30. Nach dem bisher Gesagten bleibt Folgendes einzuschärfen :
Von den Theologen wird ganz richtig gesagt, dass Petrus, selbst bei bestehendem Wissen, dass er morgen sündigen wird, zwar im getrennten Sinn die Möglichkeit hat, nicht zu sündigen, nicht aber im verbundenen Sinn. Nichtsdestoweniger sind bezüglich beider Deutungen zwei schwere Irrtümer zu vermeiden. Der eine Irrtum, den wir schon in der vorigen Abhandlung bekämpft haben, betrifft den getrennten Sinn. Wir dürfen nämlich nicht glauben, der Grund dafür, dass es Petrus im getrennten Sinn möglich ist, nicht zu sündigen, läge darin, dass sozusagen auch Gott, was auch immer Petrus in vorher nicht festgelegter Weise in Zukunft tun wird, erst in Zukunft und in vorher nicht festgelegter Weise bewirken wird, dass er nichts anderes als eben dies von Ewigkeit her gewusst hat. Denn das hieße, die Gewissheit und Bestimmtheit des göttlichen Wissens, bezogen auf kontingente zukünftige Ereignisse vor deren Eintreten, außer Kraft zu setzen, was der Erhabenheit des göttlichen Wissens offen widerstritte und woraus die größten Widersinnigkeiten folgen würden, wie eben dort [ Abhandlung 51 ] gezeigt wurde. Daher ist anzuerkennen, dass schon von Ewigkeit her der feste Grundsatz gilt : »Der Herr kennt die Seinen« [ 2 Tim 2,19 ]. Der andere Irrtum betrifft den verbundenen Sinn. Wir dürfen nämlich nicht behaupten, dass deshalb, weil das göttliche Wissen schon im Voraus besteht, Petrus tatsächlich nicht in der Lage ist, nicht zu sündigen, als hätte er wegen des im Voraus bestehenden göttlichen Wissens etwas von seiner Freiheit und Fähigkeit verloren, tatsächlich nicht zu sündigen, sofern er nicht will. Ein
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rem in fide. Etenim ita re ipsa in potestate ipsius est collocatum praeexistente etiam ipsa scientia non peccare et ita potest continere re ipsa actum per quem praescitus est peccaturus, ac si non extitisset ea scientia, ut explicatum est ; quare sensus ille non est de mente Theologorum. Ea ergo ratione verissime dicunt existente scientia divina non posse Petrum in sensu composito non peccare, quia illa duo, quod Petrus non peccet et Deus sciat illum peccaturum, non possunt simul cohaerere. At si, ut nunc re ipsa potest, non esset peccaturus, non extitisset scientia illa in Deo atque ita nihil omnino impediente scientia quae, si Petrus, ut potest, non esset peccaturus, non extitisset, potest modo in sensu diviso non peccare, non secus ac posset, si talis scientia non praeextitisset.
31. Ad primum ergo argumentum initio propositum in primis
quod ad maiorem attinet, dicendum eam esse veram, si intelligatur tum de causa tota simpliciter, non vero de tota in aliquo gradu causae, nimirum universalis, ut disputatione 26 explicatum est, tum de causa necessaria quae non solum necessario existat, sed etiam necessario operetur ; a tali namque causa effectus necessarius proficiscitur. Quod vero ad priorem partem minoris attinet, si sit sermo de scientia libera Dei qua absolute et absque hypothesi ab eo cog noscuntur futura contingentia, negandum est eam esse causam
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solches Verständnis würde ich ohne Zögern als Glaubensirrtum bezeichnen. Denn tatsächlich ist es auch bei im Voraus bestehendem Wissen in seine Macht gestellt, nicht zu sündigen, und er kann sich so tatsächlich der Handlung enthalten, deretwegen im Voraus bekannt war, dass er sündigen würde, als ob es dieses Wissen nicht gegeben hätte, wie erklärt worden ist. Deshalb entspricht ein solches Verständnis nicht dem, was die Theologen meinen. Sie sagen also aus dem Grund ganz richtig, dass bei bestehendem göttlichen Wissen Petrus im verbundenen Sinn die Sünde nicht unterlassen könne, weil es nicht gleichzeitig der Fall sein kann, dass Petrus nicht sündigt und dass Gott weiß, dass Petrus sündigen wird. Aber wenn er, wie es ihm jetzt tatsächlich möglich ist, in Zukunft nicht sündigen würde, dann hätte es jenes Wissen in Gott nicht gegeben. Und da ein solches Wissen – das es nicht gegeben hätte, wenn Petrus, wie es ihm möglich ist, in Zukunft nicht sündigen würde – überhaupt nichts verhindert, kann er jetzt, im getrennten Sinn verstanden, die Sünde unterlassen, nicht anders als er es könnte, wenn es kein derartiges Wissen im Voraus gegeben hätte.
31. Zum ersten Argument, das eingangs vorgetragen wurde, ist
zunächst zum Obersatz Folgendes zu sagen : Er ist wahr, wenn er (i) bezüglich einer vollständigen Ursache überhaupt verstanden wird – nicht aber bezüglich einer vollständigen Ursache auf einer Stufe von Verursachung, nämlich jener der universalen Ursache, wie in Abhandlung 26 dargelegt wurde –, und (ii) bezüglich der notwendigen Ursache, die nicht nur mit Notwendigkeit existiert, sondern auch mit Notwendigkeit wirkt. Denn aus einer solchen Ursache entsteht eine notwendige Wirkung. Was jedoch den ersten Teil des Untersatzes angeht, gilt : Wenn dort vom Freien Wissen Gottes die Rede ist, aufgrund dessen er absolut und ohne weitere Voraussetzung kontingente zukünftige Ereignisse kennt, dann ist zu verneinen, dass jenes Wissen Ur sache der kontingenten zukünftigen Ereignisse ist, wie aus dem,
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futurorum contingentium, ut ex dictis hoc articulo et art. octavo satis constat. Si vero sit sermo de scientia Dei tam naturali quam de illa alia media qua ante omnem suum actum liberum futura contingentia cognoscit non secundum esse futurum simpliciter, sed secundum esse futurum ex hypothesi, quod velit condere hunc vel illum ordinem rerum in quo sint hae vel illae creaturae libero arbitrio praeditae, concedendum erit esse causam futurorum contingentium, non tamen totam, quippe cum eorum futurorum contingentium quae ab arbitrio creato pendent liberum etiam ipsum arbitrium sit pars integrae causae a quo non solum habent ut sint aut non sint, sed etiam ut sint potius haec quam illa. Quod vero ad posteriorem partem minoris attinet, dicendum est : quamvis eiusmodi scientia tum quoad eam partem quae naturalis est in Deo tum quoad eam quae aliter se haberet in Deo, si liberum arbitrium creatum pro sua innata libertate, ut potest, in oppositam partem foret inflectendum, sit necessaria, postquam semel concepta est, non tamen necessario producere futura contingentia, sed dependenter tum a libera determinatione voluntatis divinae tum etiam a libera electione arbitrii creati qua hanc potius quam aliam partem contradictionis amplectitur ; a determinatione vero libera huiusmodi partium unius integrae causae possunt effectus sortiri contingentiam non obstante ne-
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was in diesem1 und im 8. Artikel gesagt wurde, hinreichend feststeht. Wenn aber vom Natürlichen Wissen Gottes die Rede ist oder von jenem anderen, Mittleren Wissen, aufgrund dessen er vor jedem eigenen freien Akt die kontingenten zukünftigen Ereignisse kennt – nicht wie sie für sich genommen geschehen werden, sondern wie sie geschehen werden unter der Voraussetzung, dass er diese oder jene Ordnung der Dinge einrichten will, in der diese oder jene Geschöpfe mit Entscheidungsfreiheit ausgestattet sind –, dann ist Folgendes einzuräumen : Ein solches Wissen ist sehr wohl eine Ursache der kontingenten zukünftigen Ereignisse, allerdings nicht die vollständige, da ja für jene kontingenten zukünftigen Ereignisse, die von der Entscheidung des Geschöpfs abhängen, auch diese freie Entscheidung Teil der Gesamtursache ist. Von dieser Entscheidung hängt nicht nur ab, ob es derartige Ereignisse gibt oder nicht gibt, sondern auch, ob es eher diese als jene gibt. Was nun den zweiten Teil des Untersatzes angeht, so ist Folgendes zu sagen : Zwar ist ein solches Wissen, einmal so aufgefasst, notwendig sowohl hinsichtlich desjenigen Teils, der in Gott das Natürliche Wissen ausmacht, als auch bezüglich des jenigen Teils, der sich in Gott anders verhielte, sollte sich das geschaffene freie Entscheidungsvermögen – wie es ihm möglich ist – aufgrund seiner angeborenen Freiheit dem Gegenteil zuwenden. Kontingentes Zukünftiges dagegen bringt es nicht notwendigerweise hervor, sondern in Abhängigkeit zum einen von der freien Festlegung des göttlichen Willens und zum anderen auch von der freien Wahl des geschaffenen Entscheidungsvermögens, durch die es eher die eine als die andere Seite eines kontradiktorischen Aussagenpaares wählt. Wegen der freien Festlegung derartiger Teile einer Gesamtursache aber können die Wirkungen kontingent sein, trotz der Notwendigkeit des g enannten
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Thomas v. Aquin, ST I, q. 14, a. 13.
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cessitate praedictae scientiae, ut hoc loco in responsione ad primum D. Thomas docuit.
32. Pro solutione secundi argumenti sciendum est propositio-
nem aliquam quae spectatis naturis extremorum ac causis seu principio a quo coniunctio praedicati cum subiecto emanavit est mere contingens interdum fieri absolute necessariam ex condicione aliqua, non quidem quae fingatur inesse neque quae, cum inesse et non inesse possit, ponatur tamen inesse, sed quae ita iam re vera insit ut contradictionem implicet condicionem tolli. Licet enim duo priora genera condicionum solum efficiant necessitatem secundum quid atque ex hypothesi, quo pacto et equum habere alas si volat, et omne quod est ex hypothesi quod sit, necessarium est esse, tertium tamen genus condicionis efficit necessitatem absolutam a necessitate secundum quid sive ex sola hypothesi distinctam. In hoc igitur sensu, licet Adamum fuisse fuerit absolute contingens, eo quod libere a Deo fuerit productus, eo tamen ipso quod in rerum natura fuit, iam hodie ita necessarium est fuisse ut contradictionem implicet non fuisse, cum nulla ratione iam tolli possit aut impediri, quin fuerit. Eodem etiam modo licet contingens fuerit Deum praescire Antichristum tali puncto temporis peccaturum, quia, si ut poterit non esset peccaturus, Deus id non praescivisset, eo tamen ipso, quod ex aeternitate id praev idit futurum, contradictionem implicat modo id non praescivisse,
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Wissens ; so hat es der hl. Thomas an dieser Stelle in der Antwort auf das erste Argument gelehrt.
32. Zur Lösung des zweiten Arguments muss man wissen, dass
ein Satz, der im Hinblick auf die Naturen seiner Termini und auf die Ursachen oder den Ursprung, aus dem die Verbindung des Prädikats mit dem Subjekt hervorgegangen ist, rein kontingent ist, manchmal absolut notwendig wird. Dies geschieht aufgrund eines Umstands – nicht freilich eines solchen, dessen Vorliegen bloß fiktiv vorgestellt wird, und auch nicht aufgrund eines Umstands, dessen Vorliegen, obwohl er vorliegen oder nicht vorliegen kann, nichtsdestoweniger hypothetisch angenommen wird –, der tatsächlich so vorliegt, dass seine Nichtberücksichtigung einen Widerspruch impliziert. Denn während die ersten beiden Arten von Umständen nur zu einer relativen oder hypothetischen Notwendigkeit führen – wie etwa, dass ein Pferd Flügel hat, wenn es fliegt, und dass alles unter der Voraussetzung, dass es existiert, notwendigerweise existiert –, erzeugt die dritte Art von Umstand eine absolute Notwendigkeit, die von der relativen oder bloß hypothetischen verschieden ist. In diesem Sinn also war es zwar absolut verstanden kontingent, dass es Adam gegeben hat, weil er frei von Gott hervorgebracht worden war ; es ist aber zum heutigen Zeitpunkt eben deshalb, weil Adam tatsächlich existiert hat, in der Weise notwendig, dass er existiert hat, dass es einen Widerspruch impliziert anzunehmen, er habe nicht existiert. Denn es kann auf keine Weise mehr rückgängig gemacht oder verhindert werden, dass er existiert hat. In gleicher Weise gilt Folgendes : Obwohl es kontingent war, dass Gott vorherwusste, der Antichrist werde zu diesem bestimmten Zeitpunkt sündigen – denn wenn dieser nicht sündigen würde, wie es ihm möglich sein wird, hätte Gott das nicht vorhergewusst –, impliziert es allein schon deshalb, weil er von Ewigkeit her gewusst hat, dass dies geschehen werde, jetzt einen Widerspruch anzunehmen, dass er es nicht vorhergewusst hat. Denn erstens gibt es keine Macht über die
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tum quod ad praeteritum non sit potentia, tum etiam quod in Deum nulla possit cadere mutatio. De hoc genere absolutae necessitatis intelligendus est D. Thomas hoc loco in responsione ad secundum, dum ait hanc et similes propositiones de praeterito veras esse absolute necessarias.
33. Sciendum est deinde, quod etiam ex dictis satis aperte col-
ligitur1, peculiare quid esse scientiae divinae eorum contingentium quae ab arbitrio creato pendent : Deum ex acumine quidem ac summa perfectione sui intellectus praecognovisse, quid esset futurum, quia ita per arbitrium ipsum pro sua innata libertate esset futurum, et si, ut potest, futurum esset oppositum, idipsum praescivisset ; quare quod in se erat incertum scivit certo, non certitudine quae proveniret ex obiecto, sed ex acumine et summa perfectione sui intellectus, dependenter tamen ex eo, quod ita per arbitrium ipsum futurum esset.
34. His ita constitutis ad argumentum neganda est maior, quando antecedens sola necessitate proxime explicata est absolute necessarium et conceptio formata est dependenter ex eo, quod ita res libere contingenterve esset futura contrarioque modo efformanda foret, si res, ut potest, contrario modo esset futura, certitudinemque habet non ex obiecto, sed ex solo acumine et immensa perfectione concipientis. Tunc enim, esto
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colligitur ] et disputatione sequenti magis ostendetur add. C
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Vergangenheit und zweitens kann Gott keiner Veränderung unterworfen sein. Der hl. Thomas1 ist so zu verstehen, dass er an jener Stelle in der Antwort auf das zweite Argument über diese Art von absoluter Notwendigkeit spricht, wenn er sagt, dass diese und ähnliche wahre Sätze über die Vergangenheit absolut notwendig sind.
33. Schließlich ist zu beachten, was auch aus dem Gesagten schon deutlich genug zu entnehmen ist, dass Gottes Wissen um diejenigen kontingenten Ereignisse, die vom geschaffenen Entscheidungsvermögen abhängen, eine Besonderheit hat : Gott ist aufgrund seiner Geisteskraft und der höchsten Vollkommenheit seines Intellekts im Voraus bekannt, was in Zukunft geschehen würde, weil es durch das Entscheidungsvermögen selbst aufgrund seiner angeborenen Freiheit auf diese Weise geschehen würde. Doch wenn, wie es möglich ist, in Zukunft das Gegenteil geschähe, so hätte er eben genau das vorhergewusst. Daher wusste er sicher, was in sich unsicher war, jedoch nicht aufgrund einer Sicherheit, die aus dem Gegenstand hervorginge, sondern aufgrund seiner Geisteskraft und der höchsten Vollkommenheit seines Intellekts, wenn auch abhängig davon, was durch das Entscheidungsvermögen selbst so herbeigeführt werden sollte.
34. Dies vorausgesetzt, ist im Argument der Obersatz zu vernei-
nen, wenn er auf Fälle angewendet wird, in denen (i) das Antezedens nur aufgrund der soeben erläuterten Notwendigkeit absolut notwendig ist, (ii) das Wissen [ Gottes ] in Abhängigkeit davon besteht, dass die Sache frei beziehungsweise kontingent so geschehen würde, und es in entgegengesetzter Weise bestünde, sollte – wie es möglich ist – der entgegengesetzte Fall eintreten, und wenn (iii) das Wissen seine Sicherheit nicht aus dem Gegenstand bezieht, sondern allein aus der Geisteskraft und unermesslichen Vollkommenheit dessen, der es hat. Denn dann 1
Thomas Aquin, ST I, q. 14, a. 13.
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condicionalis sit necessaria, quia in sensu composito cohaerere non possunt ista duo, quod Deus aliquid praesciat futurum et illud non eo modo eveniat, et esto antecedens illo modo sit necessarium, quia praeteritum et quia in Deum nulla possit cadere vicissitudinis obumbratio, nihilominus consequens potest esse mere contingens. Ad illam vero probationem maioris qua infertur : alioquin in bona consequentia esse posset antecedens verum et consequens falsum, negandum est id sequi. Etenim si, ut potest, futurum esset oppositum consequentis, numquam praecessisset illud antecedens, quod ideo ita acumine et perfectione divini intellectus conceptum est, quia res, cum posset aliter evenire, ita erat eventura. Quare numquam daretur antecedens verum et consequens falsum. Quo fit ut consequens illud posito eo antecedente, ut re vera est, solum sit necessarium necessitate consequentiae qua optime ex eo infertur, non vero necessitate consequentis, quoniam condicio illa non, ut reddit antecedens illo modo absolute necessarium ita reddit consequens, quod nullo modo afficit, sed et esse et non esse simpliciter potest ; si tamen non esset futurum, ut potest, numquam praecessisset antecedens illud neque proinde in eo condicio illa reperiretur quae ex solo acumine et perfectione divina provenit.
35. Ad tertium, si in maiori sit sermo de necessitate consequen-
tiae, quatenus consequentia haec est necessaria : hoc vel illud
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kann das Konsequens trotz allem bloß kontingent sein, auch angenommen, der Konditionalsatz sei notwendig, weil im verbundenen Sinn die beiden Behauptungen, dass Gott vorherweiß, dass etwas geschehen wird, und dass dieses nicht in genau dieser Weise geschieht, nicht miteinander vereinbar sein können, und angenommen auch, das Antezedens sei im besprochenen Sinn notwendig, weil es von Vergangenem handelt und weil auf Gott kein Schatten von Unsicherheit fallen kann. Was jenen Beweis des Obersatzes angeht, in dem geschlossen wird, dass andernfalls in einem gültigen Schluss das Antezedens wahr und das Konsequens falsch sein könnte, so ist zu verneinen, dass das folgt. Denn wenn – wie es möglich ist – in Zukunft das Gegenteil des Konsequens geschähe, wäre niemals jenes Antezedens vorausgegangen, das ja deshalb aufgrund der göttlichen Geisteskraft und der Vollkommenheit des göttlichen Intellekts so erfasst worden ist, weil die Sache, obwohl sie anders hätte geschehen können, in Zukunft gerade so geschehen sollte. Deshalb käme es nie vor, dass das Antezedens wahr und das Konsequens falsch ist. Hieraus ergibt sich, dass, wenn man das Antezedens als wahr annimmt, was es auch tatsächlich ist, jenes Konsequens nur im Sinne der Notwendigkeit des Schlusses notwendig ist, aufgrund dessen es in klar gültiger Weise aus dem Antezedens gefolgert wird, nicht aber im Sinne der Notwendigkeit des Konsequens, weil jene Bedingung das Konsequens nicht in demselben Sinne absolut notwendig macht wie das Antezedens. Denn das Konsequens berührt die Notwendigkeit des Schlusses in keiner Weise, sondern dieses kann als solches gelten oder nicht gelten. Wenn es aber in Zukunft nicht gelten sollte, was sein kann, dann wäre niemals jenes Antezedens vorausgegangen, und daher fände sich in diesem auch nicht jene Bedingung, die allein aus der gött lichen Geisteskraft und göttlichen Vollkommenheit hervorgeht.
35. Zum dritten Eingangsargument ist zu sagen, dass der Ober-
satz zuzugestehen ist, wenn in ihm die Notwendigkeit des
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Deus scit futurum ; ergo futurum est, concedenda est. Si vero in ea sit sermo de necessitate consequentis, quasi necesse sit rem scitam a Deo futuram, esse secundum seipsam necessariam aut certam, neganda est. Ad probationem vero, si ea intelligatur de necessitate consequentis, quasi sit sensus : omne quod ab hominibus scitur est necessarium necessitate consequentis aut saltem certum secundum se (sumpto vocabulo scientiae latius, ut comprehendit etiam cognitionem certam de complexionibus contingentibus sensuum experimento comprobatam), ergo omne quod a Deo scitur futurum, erit etiam necessarium necessitate consequentis aut saltem secundum se certum, quippe cum scientia Dei sit multo certior quam nostra, neganda est consequentia. Ratio autem est, quoniam scientia nostra nullam habet certitudinem ex perspicacitate et altitudine cognoscentis supra res cognitas, quasi certius perspiciamus res quam res sint in seipsis et ex sua natura. Qua de causa certitudo scientiae nostrae pendet ex necessitate aut certitudine obiectorum secundum se neque potest esse maior in scientia nostra, quam in obiectis secundum se reperiatur. At vero scientia divina ex acumine ac altitudine cognoscentis, qui in obiecto secundum se incerto perspicit certo, quid futurum sit, habet maiorem certitudinem secundum se quam sit certitudo obiectorum. Atque haec est ratio, quare in solo Deo, non in hominibus, scientiam futurorum contingentium ponamus, ut quaest. 1 huius primae partis dictum est.
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Schlusses gemeint ist, denn folgender Schluss ist notwendig : Gott weiß, dass dieses oder jenes geschehen wird, also wird es geschehen. Der Obersatz ist aber zu verneinen, wenn in ihm von der Notwendigkeit des Konsequens die Rede ist, in dem Sinne, dass es notwendig ist, dass die Sache, von deren zukünftigem Eintreten Gott gewusst hat, an sich notwendig und sicher ist. Zum Beweis [ des Obersatzes ] aber sage ich, dass der Schluss abzulehnen ist, wenn er im Sinne der Notwendigkeit des Konsequens verstanden wird, so dass gemeint ist : Alles, was vom Menschen gewusst wird, ist notwendig im Sinne der Notwendigkeit des Konsequens oder jedenfalls an sich sicher (wobei das Wort ›Wissen‹ in weiter Bedeutung aufgefasst wird, so dass es auch die sichere Kenntnis kontingenter Sätze, die durch Sinneserfahrung bestätigt wird, umfasst) ; also ist alles, von dem Gott weiß, dass es in Zukunft geschehen wird, auch im Sinne der Notwendigkeit des Konsequens notwendig oder jedenfalls an sich sicher, da ja Gottes Wissen viel sicherer ist als unseres. Der Grund dafür [ d iesen Schluss abzulehnen ] ist aber, dass unser Wissen keine Sicherheit aus dem großen Einblick und der Überlegenheit des Erkennenden gegenüber den erkannten Sachen hat, womit wir die Sachen sicherer durchschauen würden, als sie in sich selbst und ihrer Natur nach sind. Deshalb hängt die Sicherheit unseres Wissens von der Notwendigkeit oder Sicherheit der Gegenstände, wie sie an sich selbst sind, ab und kann in unserem Wissen nicht größer sein, als sie in den Gegenständen, wie sie an sich selbst sind, vorgefunden wird. Das göttliche Wissen jedoch hat aus der Geisteskraft und Überlegenheit des Erkennenden, der an einem Gegenstand, der an sich selbst unsicher ist, sicher erkennt, was geschehen wird, von sich aus eine größere Sicherheit als die Gegenstände selbst. Genau das ist der Grund, warum wir allein bei Gott, nicht bei den Menschen, ein Wissen um das zukünftige Kontingente annehmen, wie in Frage 1 dieses ersten Teils1 gesagt worden ist. 1
Molina, Commentaria, I, q. 1, S. 2b – 36a, s. dort a. 5, S. 24 a – b.
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Pro nobis ergo pugnat scientiam Dei esse certiorem nostra. Inde enim aperte infertur non esse parem rationem, si nostra scientia non potest haberi nisi de obiecto iam secundum se certo, ita nec Deus suam scientiam nisi de simili obiecto habere possit. Quia enim eiusmodi contingentia futura incerta obiecta in se sunt, Deus tamen altitudine et eminentia sui intellectus certissime ea cognoscit ac proinde propriissime de eis supra naturam ipsorum scientiam habet, regius Propheta, qui dono prophetiae quorundam illorum revelationem acceperat, Ps 50,8 cum Deo agens dicebat : Incerta et occulta sapientiae tuae manifestasti mihi. Incerta dixit vim naturamque revelatorum exprimens, sapientiae vero tuae addidit propter certissimam omnique ex parte infallibilem de illis ex altitudine, eminentia infinitaque perfectione divini intellectus cognitionem.1 Scio hebraeum textum non habere duo illa verba, sed unum solum quod occulta atque abdita significat, ac proinde incerta hoc loco iuxta hebraeum textum intelligenda esse nobis, sive in se incerta etiam sint sive non. Ceterum doctrina a me hac in re tradita vera in se est. Atque illo modo transtulisse septuaginta interpretes et iuxta illos habere editionem vulgatam non parum eandem doctrinam corroborat.2
36. Ad quartum, si illud antecedens : nihil futurum praecogni-
tum a Deo potest non evenire, intelligatur in sensu composito,
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quia enim … cognitionem om. C 2 scio … corroborat om. OC
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Dass Gottes Wissen sicherer ist als unseres, spricht also für unsere Auffassung. Denn daraus folgt klar : Wenngleich wir nur von einem Gegenstand, der schon an sich selbst feststeht, Wissen haben können, so gilt doch nicht aus dem gleichen Grund, dass auch Gott sein Wissen nur von einem derartigen Gegenstand haben kann. Solche zukünftigen kontingenten Dinge sind nämlich in sich unsichere Gegenstände, Gott aber erkennt sie aufgrund der Überlegenheit und Vortrefflichkeit seines Intellekts vollkommen sicher und hat daher im eigentlichen Sinn von ihnen ein Wissen, das ihre eigene Natur übersteigt. Deshalb sagte der königliche Prophet, der mit der Gabe der Prophezeiung die Offenbarung einiger solcher Dinge empfangen hatte, gemäß Psalm 50 [ 8 ]1 in einer Anrede an Gott : »Du hast mir die unsicheren und verborgenen Dinge deiner Weisheit geoffenbart.« »Unsicher« sagte er, um damit Vermögen und Natur der geoffenbarten Dinge auszudrücken, »deiner Weisheit« aber fügte er hinzu wegen der – kraft der Überlegenheit, Erhabenheit und unendlichen Vollkommenheit des göttlichen Intellekts – völlig sicheren und in jeder Hinsicht unfehlbaren Erkenntnis jener zukünftigen kontingenten Dinge. Ich weiß, dass der hebräische Text nicht die beiden Ausdrücke [ ›unsicher‹ und ›verborgen‹ ] enthält, sondern nur einen, der das Verborgene und Unzugängliche bedeutet, und dass daher der hebräische Text im Sinne der für uns unsicheren Dinge zu verstehen ist, ob sie nun auch in sich unsicher sind oder nicht. Ungeachtet dessen ist die von mir in dieser Sache vorgetragene Lehre als solche wahr. Und dass die 70 Übersetzer den Text in diesem Sinn übertragen haben und sich die Vulgataausgabe nach ihnen richtet, bestätigt ebendiese Lehre nicht wenig.
36. Zum vierten Eingangsargument ist Folgendes zu sagen :
Wenn das Antezedens »Nichts Zukünftiges, das von Gott im 1
Molinas Zählung der Psalmen folgt der Vulgata. Siehe den Kom mentar zu Abschnitt 8.
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concesso antecedente neganda est consequentia. Ad probationem vero dicendum, ut aliquid simpliciter sit futurum contingens, satis esse, quod in sensu diviso possit esse et non esse, quandoquidem si non esset futurum, ut nihil impediente praescientia divina re ipsa potest, non praecessisset praescientia illa divina cum qua non cohaeret non evenire. Si vero antecedens illud intelligatur in sensu diviso, negandum est. Deinde ad probationem illam : si quod a Deo praecognitum est eventurum non eveniret, Deus re ipsa falleretur ; ergo si stante scientia posset non evenire, Deus re ipsa posset falli, respondendum est in primis, si tam antecedens quam consequens intelligantur in sensu composito, concedenda esse, neque enim deserviunt ad probandum illud aliud antecedens in sensu diviso neque nos dicimus stante scientia posse in sensu composito non evenire. Quoniam vero dicimus praescientiam quae actu existit nihil omnino impedire, quin possit aliter evenire atque ita nihil impediente scientia posse in sensu diviso non evenire, quia si non esset eventurum, ut re ipsa potest, numquam talis scientia praeextitisset, admisso antecedente illius probationis neganda est consequentia, quoniam cum hoc quod est : posse actu non evenire stat absque ulla fallacia1 eventurum esse, ut est prae cognitum ; quoniam si non ita esset eventurum, ut re ipsa potest, numquam Deus praecognovisset illud eventurum. Cum prae scientia ergo illa divina pugnat quidem esse aliter eventurum, sed stat optime posse simpliciter aliter evenire ; verumtamen si
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fallacia ] fallentia AO
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Voraus erkannt ist, kann ausbleiben« im verbundenen Sinn verstanden wird, ist der Schluss abzulehnen, selbst wenn das Ante zedens bejaht wird. Zum Beweis aber ist zu sagen : Damit für sich genommen etwas ein kontingentes Zukünftiges ist, reicht es aus, dass es im getrennten Sinn geschehen kann und nicht geschehen kann. Denn wenn es in Zukunft nicht geschähe – was tatsächlich sein kann, weil das göttliche Vorherwissen nichts verhindert –, dann hätte jenes göttliche Vorherwissen nicht vorgelegen, mit dem es unvereinbar ist, dass das Kontingente ausbleibt. Wenn aber dieses Antezedens im getrennten Sinn verstanden wird, ist es zu verneinen. Daher ist auf den Beweis : »Wenn etwas ausbliebe, das von Gott im Voraus als etwas erkannt wird, das geschehen wird, würde Gott sich tatsächlich irren ; wenn es also trotz jenes Wissens ausbleiben könnte, könnte Gott sich tatsächlich irren«, vor allem Folgendes zu antworten : Wenn sowohl das Antezedens als auch das Konsequens im verbundenen Sinn verstanden werden, ist der Beweis zuzugestehen. Weder nämlich dienen sie zum Beweis jenes anderen Antezedens im getrennten Sinn, noch sagen wir, dass etwas bei bestehendem Wissen im verbundenen Sinn ausbleiben kann. Wir sagen aber, dass das Vorherwissen, das tatsächlich besteht, in keiner Weise verhindert, dass etwas auf andere Weise geschehen kann und das Geschehende somit im getrennten Sinn auch ausbleiben kann, weil das Wissen nichts verhindert. Denn wenn es nicht geschähe – was tatsächlich sein kann –, dann hätte ein solches Wissen niemals im Voraus bestanden. Daher ist der Schluss abzulehnen, auch wenn das Antezedens dieses Beweises zugestanden worden ist. Denn mit der Feststellung, etwas könne tatsächlich ausbleiben, ist ohne jeden Fehlschluss vereinbar, dass es geschehen wird, wie es im Voraus erkannt worden ist. Denn wenn es nicht so geschähe, was tatsächlich sein kann, hätte Gott niemals im Voraus gewusst, dass es geschehen würde. Es widerspricht also jenem göttlichen Vorherwissen, dass es auf andere Weise geschehen wird, aber damit ist sehr wohl vereinbar, dass es, für sich genommen, anders geschehen kann. Wenn es
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esset aliter eventurum, non fuisset illa praescientia quae nullam necessitatem aut certitudinem consequentis ponit rebus futuris, sed tam incertas illas relinquit secundum se et comparatione suarum causarum, ac si nulla esset talis praescientia.
37. Ad quintum neganda est maior. Ratio est illa quam in re-
sponsione ad tertium reddidimus. Cum enim scientia et cognitio nostra non habeat maiorem certitudinem, quam sit certitudo obiecti secundum se spectati, utique si haberemus certam scientiam de futuris contingentibus propositionesque earundem rerum determinate essent verae, id ex eo esset, quia ipsae secundum se certo et determinate essent futurae, quod non alia ratione esse posset, nisi quia res secundum se essent necessariae necessitate consequentis. Cum vero scientia divina ex acumine et perfectione scientis de futuris etiam contingentibus in quibus nulla est certitudo ex se et ex suis causis sit certissima, ut saepe explicatum est, fit ut ex eo, quod futura contingentia certo cognoscuntur a Deo, non sequatur necessario ex natura rei esse eventura, ut sequeretur si cognitio nostra de iis rebus esset certa aut propositiones quas de eisdem formamus essent determinate verae.
38. Ad sextum negandum est antecedens. Ad probationem con-
cessa maiori, nempe illam esse necessariam et optimam consequentiam : Deus ex aeternitate praescivit Petrum peccaturum cras ; ergo Petrus cras peccabit ; ad minorem, si sensus illius sit :
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aber doch auf andere Weise geschähe, hätte es dieses Vorherwissen nicht gegeben, das keine Notwendigkeit oder Sicherheit des Konsequens bezüglich zukünftiger Dinge behauptet, sondern diese so an sich und im Verhältnis zu ihren Ursachen unsicher lässt, als ob es kein solches Vorherwissen gäbe.
37. Beim fünften Eingangsargument ist der Obersatz zu vernei-
nen. Der Grund dafür ist derselbe, den wir in der Antwort auf das dritte Eingangsargument angegeben haben. Unser Wissen und unsere Erkenntnis haben nämlich keine größere Gewissheit, als es die Sicherheit des Gegenstands an sich betrachtet mit sich bringt. Wenn wir daher sicheres Wissen über kontingentes Zukünftiges hätten und die Sätze über diese Dinge in festgelegter Weise wahr wären, so läge das daran, dass diese Dinge an sich selbst mit Sicherheit und in festgelegter Weise geschehen würden, was nur den Grund haben könnte, dass die Dinge an sich selbst im Sinne der Notwendigkeit des Konsequens notwendig sind. Wie oft erklärt worden ist, ist aber das göttliche Wissen wegen der Geisteskraft und Vollkommenheit dessen, der auch dasjenige kontingente Zukünftige kennt, bei dem es keine Sicherheit aus sich und aus den eigenen Ursachen heraus gibt, in höchstem Maße gewiss. Daraus ergibt sich, dass aus der Tatsache, dass das kontingente Zukünftige mit Gewissheit von Gott erkannt wird, nicht folgt, dass es notwendig aus der Natur der Sache geschehen wird, was folgen würde, wenn unsere Erkenntnis dieser Dinge gewiss wäre oder wenn die Sätze, die wir über sie bilden, in festgelegter Weise wahr wären.
38. Beim sechsten Eingangsargument ist das Antezedens zu ver-
neinen. Wenn man in dem Beweis den Obersatz zugesteht, dass nämlich Folgendes ein notwendiger und vollkommen gültiger Schluss ist : ›Gott hat von Ewigkeit her gewusst, dass Petrus morgen sündigen wird ; also wird Petrus morgen sündigen‹, dann ist der Untersatz zu verneinen, wenn dessen Sinn ist : ›Wer nicht die
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in cuius potestate non est tollere antecedens bonae consequentiae, non est tollere, hoc est non ponere consequens quod ex tali antecedente sequitur ponendum esse (in hoc enim tantum sensu minor deservit argumento, eo quod Petrum non peccare cras, ut est praecognitum a Deo, non sit Petrum tollere aliquid, sed non ponere peccatum quod ex illo antecedente necessario sequitur ponendum), neganda est, quando si non esset futura positio consequentis, ut potest non fore, numquam Deus praescivisset Petrum peccaturum atque adeo non fuisset antecedens. Quare licet neque in potestate Petri neque ipsius Dei sit iam nunc efficere ut in Deo non fuerit talis praescientia, est tamen in potestate Petri etiam nunc id efficere (hoc est non peccare), quod si, ut potest, esset facturus, non fuisset umquam illud antecedens. Quo fit ut ex potentia Petri ad non peccandum non sequatur posse dari in bona consequentia antecedens verum et consequens falsum, quoniam si non esset peccaturus, ut potest, antecedens illud numquam omnino fuisset.
39. Ex iis quae hactenus diximus1 satis arbitror esse perspicuum
libertatem arbitrii nostri et contingentiam rerum cum divina praescientia apprime convenire nec eam aliquo modo in causa esse, quominus Deo opitulante, qui quantum cuique opus erit semper praestabit auxilium, in potestate nostra sit peccata omnia lethalia vitare, ab eisdem post lapsum resurgere, vitam denique aeternam consequi vel amittere per nosquemetipsos stare,
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diximus ] iunctis iis quae in Concordia ad hunc articulum circa grat iam explanavimus add. C
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Macht hat, das Antezedens eines gültigen Schlusses außer Kraft zu setzen, hat auch nicht die Macht, das Konsequens außer Kraft zu setzen, von dem behauptet werden muss, dass es aus einem solchen Antezedens folgt, das heißt, das Konsequens nicht als wahr anzunehmen.‹ (Nur in diesem Sinn nämlich dient der Untersatz dem Argument. Denn der Satz, dass Petrus morgen nicht sündigt, wie es von Gott vorhergewusst ist, bedeutet nicht, dass Petrus etwas »außer Kraft setzt«, sondern dass er die Sünde nicht begeht, für die aus jenem Antezedens notwendig folgt, dass er sie begeht.) Denn wenn das [ i m ] Konsequens [ Behauptete ] in Zukunft nicht geschähe, was sein kann, hätte Gott niemals vorhergewusst, dass Petrus sündigen würde, und daher hätte das [ im ] Antezedens [ Behauptete ] nicht bestanden. Obwohl es daher jetzt nicht mehr in Petrus’ Macht und auch nicht in der Macht Gottes selbst liegt zu bewirken, dass es in Gott kein solches Vorherwissen gegeben hat, liegt es doch in Petrus’ Macht, auch jetzt noch etwas zu tun (nämlich nicht zu sündigen), wodurch, wenn er es täte – was er könnte –, jenes [ im ] Antezedens [ Behauptete ] nie bestanden hätte. Daher kommt es, dass aus Petrus’ Macht, nicht zu sündigen, nicht folgt, dass von einem gültigen Schluss behauptet werden kann, dass das Antezedens wahr und das Konsequens falsch ist, denn jenes [ im ] Antezedens [ Behauptete ] hätte überhaupt niemals bestanden, wenn Petrus – was er könnte – nicht sündigen würde.
39. Ich meine, aus dem, was wir bis hierher gesagt haben, ist
hinreichend deutlich, dass (i) unsere Entscheidungsfreiheit und die Kontingenz der Dinge mit dem göttlichen Vorherwissen vollkommen vereinbar sind und (ii) dieses Wissen auch in keiner Weise ein Grund dafür ist, dass es nicht in unserer Macht liegt – unter Mitwirkung Gottes, der seine Hilfe immer in dem Ausmaß gewährt, in dem ein jeder sie braucht –, alle Todsünden zu meiden, nach einem Fall uns wieder aus ihnen zu erheben und schließlich das ewige Leben zu erlangen oder zu verlieren, und dass es (iii) ganz allein an uns liegt, wenn wir es nicht erlangen,
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si illam non consequamur, non secus, ac si in Deo nulla esset praescientia futurorum. Quare cum non aliter Deus praesciat ea quae ad nostram salutem aut condemnationem quam quae ad alios effectus contingenter futuros spectant neque ex divina praescientia maiorem necessitatem illa quam haec consequantur, profecto sicut insanae mentis reputaretur agricola qui de divina praescientia sollicitus segnis redderetur ad semina terrae mandanda eaque ratione ductus, quod Deus ex aeternitate omnia praesciat et ut illa praescivit ita ea1 eventura sint, vel semina terrae non mandaret vel minus quam alioqui foret mandaturus, quoniam nihil impediente aut conferente praescientia, ut sementem fecerit ita metet, – quo enim plus seminis terrae commiserit, eo plus metet ; quod si nihil seminaverit, nihil colliget, quod postea non divinae praescientiae, sed suae stultitiae ac culpae tribuere debet –, ita etiam multo dementior censendus is est qui de divina praescientia sollicitus simili ratione ductus ad recte operandum, vim sibi inferendum, vincendas tentationes praestandumque ea quae ad maius beatitudinis praemium consequendum necessaria sunt remissior ac segnior fuerit, neque postea praescientiam et prae destinationem divinam, sed se ipsum incusare debet, maxime cum agricola vel adverso coeli sidere vel fortuitis eventibus perdere laborem queat, ipse vero non alia ex causa quam voluntate sua laborum suorum fructu2 possit frustrari, quin potius semper Deum eo ad maiora dona largienda paratiorem ac promptiorem experietur quo se ipse magis strenue ad illius obsequium accinxerit. Quod de agricola adhibitum est exemplum accommodari etiam poterat tum aegroto qui fretus Deum futura praescire nollet morbo adhibere remedia, tum militi qui eadem ratione ductus
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ea ] ex C* om. AO 2 fructu ] fructum AO*
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nicht anders, als wenn es in Gott kein Vorherwissen des Zukünftigen gäbe. Demnach weiß Gott, was zu unserem Heil oder zu unserer Verdammnis gereicht, nicht anders vorher als das, was sich in kontingenter Weise auf andere zukünftige Wirkungen bezieht, und das eine erhält aus göttlichem Vorherwissen keine größere Notwendigkeit als das andere. So würde ein Bauer für verrückt gehalten, der, verleitet durch [ den Gedanken an ] das göttliche Vorherwissen, nachlässig sät und deshalb, weil Gott von Ewigkeit her alles vorherweiß und alles so geschehen wird, wie er es vorhergewusst hat, entweder den Samen nicht in die Erde einbringt oder weniger einbringt, als er andernfalls einbringen würde. Weil das Vorherwissen nichts verhindert oder fördert, wird er so ernten, wie er gesät hat – je mehr er nämlich gesät hat, umso mehr wird er ernten, und wenn er nichts gesät hat, wird er nichts ernten. Das hat er später nicht dem göttlichen Vorherwissen, sondern seiner eigenen Dummheit und seiner Schuld anzulasten. Für noch viel törichter ist jemand zu halten, der, verleitet durch [ den Gedanken an ] das göttliche Vorherwissen, aus einem ähnlichen Grund nachlässig und faul geworden ist, recht zu handeln, sich anzustrengen, Versuchungen zu besiegen und das zu erfüllen, was erforderlich ist, um den größeren Lohn der Glückseligkeit zu erlangen. Ein solcher darf später nicht das göttliche Vorherwissen und die göttliche Vorherbestimmung anklagen, sondern muss sich selbst anklagen, besonders weil es sein kann, dass zwar der Bauer sich entweder aufgrund ungünstiger Witterung oder zufälliger Ereignisse vergeblich abmüht, jener aber aus keinem anderen Grund als durch seinen Willen um die Frucht seiner Arbeit gebracht werden kann. So wird er eher erfahren, dass Gott stets umso bereiter und geneigter ist, größere Gaben zu verteilen, je mehr er sich selbst eifrig zum Gehorsam Gott gegenüber bereit gemacht hat. Das genannte Beispiel vom Bauern lässt sich auch auf einen Kranken anwenden, der in dem Vertrauen darauf, dass Gott die Zukunft kennt, für die Krankheit keine Heilmittel anwenden
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procederet ad pugnam nullo armorum praesidio munitus, tum infinitis aliis. Quare nihil omnino de divina praescientia solliciti iuxta consilium Divi Petri [ 2 Petr 1,10 ] satagamus ut bonis operibus certam nostram vocationem faciamus. Quemadmodum enim diabolus, qui longe melius quam nos novit Deum omnia praescire, nihil de divina praescientia sollicitus nullum non movet lapidem, dili gentissime obambulat et circuit terram quaerens quem devoret, ita et nos liberati omni cura de divina praescientia, Dei freti auxilio nostram salutem diligentissime operemur ; ita enim fiet ut absque ullo dubio sempiternam felicitatem consequamur. Atque hac in re satis cuicumque esse deberet ante mentis oculos constituere Deum esse Deum, hoc est infinitam sapientiam, bonitatem etc. ut in his quae supra multorum captum sunt secure se ipsius bonitati ac providentiae committeret satageretque pro sua virili parte quae ipsius sunt cum divina ope diligentissime praestare.
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will, oder auf einen Soldaten, der, von derselben Vorstellung verleitet, ohne Waffenschutz in den Kampf zieht, und auf unzählig viele andere Beispiele. Deshalb wollen wir uns, ohne über das göttliche Vorherwissen im Mindesten beunruhigt zu sein, entsprechend dem Ratschlag des hl. Petrus bemühen, durch gute Werke unsere Berufung zu sichern. Denn der Teufel, der viel besser als wir weiß, dass Gott alles vorherweiß, kümmert sich keineswegs um das göttliche Vorherwissen und lässt keinen Stein ungewendet, wandert achtsam umher und umrundet den Erdball, suchend, wen er verschlinge. So sollen auch wir, befreit von aller Sorge über das göttliche Vorherwissen, im Vertrauen auf die Hilfe Gottes so gewissenhaft wie möglich auf unser Heil hinwirken ; so nämlich wird es geschehen, dass wir ohne jeden Zweifel die ewige Glückseligkeit erlangen. Und dabei müsste es für einen jeden ausreichen, sich vor Augen zu halten, dass Gott Gott ist, das heißt, dass seine Weisheit und Güte usw. unendlich sind, so dass sich jeder in dem, was das Fassungsvermögen vieler übersteigt, Gottes Güte und Vorsehung anvertraut und sich nach Kräften bemüht, mit göttlicher Hilfe so gewissenhaft wie möglich seine Aufgabe zu erfüllen.
KOM MENTAR
Vorbemerkungen Verkürzte Quellenangaben zu Molinas Concordia beziehen sich, in dieser Reihenfolge, auf Nummer und Abschnitt der Abhandlung und auf die Seitenzahl der Rabeneck-Edition (z. B. 48.11, S. 302). Andere klassische Werke der Philosophiegeschichte sowie Bibelstellen werden nach üblichen Siglen zitiert, vollständige bibliographische Angaben finden sich im Literaturverzeichnis. Um die Darstellung nicht zu komplex zu machen, mussten wir die Ausdrücke ›Satz‹, ›Aussage‹, ›Proposition‹ und ›Sachverhalt‹ bisweilen liberal verwenden. Da mit verschiedenen deklarativen Sätzen dasselbe gesagt werden kann – so jedenfalls hoffen wir, nicht zuletzt als Übersetzer – und mit denselben deklarativen Sätzen in verschiedenen Äußerungskontexten Verschiedenes, gilt es, Sätze qua Zeichenkomplexe von dem mit ihnen in einem gegebenen Äußerungskontext Gesagten zu unterscheiden. Propositionen sind, in heute üblicher Terminologie, wahrheitswert invariante Bedeutungsfunktionen deklarativer Sätze bzw., im Falle kontextsensitiver Sätze (wie ›Ich bin jetzt hier‹), von deklarativen Sätzen in oder zusammen mit bestimmten Äußerungskontexten. Der mittelalterlichen aristotelischen Tradition folgend, verwendet Molina den Ausdruck propositio jedoch anders. In 52.6 etwa unterscheidet er im Anschluss an analoge Differenzierungen von Aristoteles in De int. 9 propositiones de futuro con tingenti von dem mit solchen propositiones Bezeichneten, den res significatae per propositiones de futuro contingenti. Wahr oder falsch nennt er dabei die propositiones. Da es für den an den modernen Sprachgebrauch gewöhnten Leser irritierend wäre, hier von ›Propositionen‹ vs. dem ›mit Propositionen Bezeichneten‹ oder ›mit Propositionen Ausgedrückten‹ zu sprechen, übersetzen wir an solchen Stellen mit ›Sätze über kontingentes Zukünftiges‹ und unterscheiden dies von den durch solche Sätze ausgedrückten
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Sachverhalten oder, wie wir auch sagen, ausgedrückten Propositionen. Zum Titel Der ausführliche Titel der Concordia beschreibt die dort verhandelten Themen. Eine ähnliche Überschrift trägt ein einflussreiches, u. a. in der hoch- und spätmittelalterlichen Tradition der Sentenzenkommentare viel diskutiertes und Molina bekanntes Werk Anselms von Canterbury: De concordia praescientiae et praedes tinationis et gratiae dei cum libero arbitrio (verfasst ca. 1108). Rund vierzig Jahre vor der Erstveröffentlichung der Concordia 1588 verfasste der Löwener Theologie-Professor Johannes Driedo ein Buch mit dem Titel De concordia liberi arbitrii et praedestinationis divinae (1547); Molina dürfte auch dieses Werk gekannt haben, wie u. a. seine Diskussionen in Abhandlung 51 nahelegen. In Abhandlung 52 geht es, wie deren Überschrift andeutet, hauptsächlich um die Vereinbarkeit menschlicher (aber nebenbei auch göttlicher) Willensfreiheit mit göttlichem Vorherwissen. 52.1 Ex dictis: Molina dürfte sich hier vor allem auf das bisher in Teil IV der Concordia (Abhandlungen 47–51) Gesagte beziehen. Dort diskutiert er die folgenden Fragen. Abhandlung 47 behandelt »den Ursprung der Kontingenz« (De radice contingentiae); Abhandlung 48 die Frage, »ob alle Dinge, die in der Zeit existieren, existiert haben und existieren werden, Gott ihrem jeweils eigenen Sein gemäß von Ewigkeit her gegenwärtig sind« (Utrum omnia quae in tempore sunt, fuerunt ac erunt sint ex aeternitate Deo praesentia secundum suas proprias existentias). Abhandlung 49 diskutiert, »ob die kontingenten zukünftigen Dinge mit Gewissheit von Gott erkannt werden, weil sie ihm seinem Sein gemäß gegenwärtig sind, und ob die Kontingenz dieser Dinge sich daher mit dem göttlichen Vorherwissen in rechter Weise vereinbaren lässt« (Utrum ideo res futurae contingentes certo a Deo cognoscantur, quia ei sunt praesentes secundum suam existentiam indeque contingentia earum cum divina praescientia recte concilietur).
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In Abhandlung 50 geht es darum, »ob Gott durch die Ideen kontingentes Zukünftiges mit Gewissheit erkennt«; zugleich erörtert Molina hier die Meinungen von Duns Scotus und Durandus von St. Pourçain (Utrum per ideas futura contingentia Deus certo co gnoscat simulque examinantur opiniones Scoti et Durandi). Ohne hier den Namen zu nennen, diskutiert Molina in dieser Abhandlung auch seinen Erzrivalen Báñez, dessen Ansatz er in die Nähe scotistischer Thesen rückt. Abhandlung 51 untersucht, »ob die Entscheidungsfreiheit und die Kontingenz der Dinge sich dadurch in rechter Weise mit göttlicher Allwissenheit vereinbaren lassen, dass Gott bei allem, was aus angeborener Entscheidungsfreiheit heraus geschehen wird, bewirkt, dass er nichts anderes als dieses von seiner Ewigkeit her gewusst hat« (Rectene libertas arbitrii et contingentia rerum cum divina praescientia concilientur ex eo, quia quodcumque pro innata libertate arbitrii evenerit efficiet Deus se non aliud quam id ex sua aeternitate scivisse). Abhandlung 53 trägt den Titel »Über Vorausbestimmung, und woher die Gewissheit göttlichen Wissens über kontingentes Zukünftiges stammt« (De praefinitionibus, et unde certitudo divinae scientiae circa futura contingentia oriatur). Molina hat diese Abhandlung der zweiten Ausgabe der Concordia von 1595 als Antwort auf Kritiken von Francisco Zumel an Teil IV seiner ersten Ausgabe beigegeben. Der vierte Teil der Concordia verfolgt somit insgesamt vor allem zwei Leitfragen: (i) In welcher Weise weiß Gott kontingentes Zukünftiges unfehlbar und mit Gewissheit vorher? (ii) Wie lässt sich göttliches Vorherwissen mit der Kontingenz dessen, was Gott auf diese Weise weiß, und insbesondere mit der (libertarisch verstandenen) Freiheit menschlicher Handlungen und Entscheidungen vereinbaren? Abhandlung 52 lehnt sich in ihrem Auf bau deutlich an die mittelalterliche Form der Quaestionen an. Inhaltlich geht Molina wie folgt vor: Nach einer kurzen Einleitung (Abschnitt 1) stellt er zunächst in 52.2–52.7 sechs Gegenargumente gegen seine Hauptthese vor, dass universales göttliches Vorherwissen bzw. ewiges göttliches Wissen mit menschlicher Willensfreiheit
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vereinbar seien. (Zu Molinas Verwendung des Begriffs ›ewig‹ siehe den Kommentar zu 52.3.) Wir kommentieren im Folgenden zunächst die wichtigsten Aspekte und Termini in Molinas Darstellung dieser gegnerischen Argumente; detailliertere schematische Rekonstruktionen folgen unten in den Kommentaren zu den Abschnitten 52.31–52.38, in denen Molina seine Antworten vorträgt. Die ersten vier Argumente wollen allgemein zeigen, dass göttliches Vorherwissen sich nicht auf kontingente Sachverhalte erstrecken kann. Erst das fünfte und das sechste Argument behaupten explizit, dass ein solches Vorherwissen mit der Kontingenz der betreffenden Sachverhalte auch die Entscheidungsfreiheit (libertas arbitrii) und insbesondere menschliche Entscheidungsfreiheit in Bezug auf sie aufhebe. Angelehnt an eine These von Aristoteles (s. De int. 9), fügt Molina seiner Rekonstruktion in 52.6 auch einen Hinweis auf die drohenden fatalistischen oder defätistischen Konsequenzen fehlender Entscheidungsfreiheit an: Sofern wir keine Entscheidungsfreiheit haben, heißt es, werden auch unsere Überlegungen oder Beratungen über zukünftige Handlungsoptionen nichtig (inanes esse consultationes nostras). Den Zusammenhang zwischen theologischem Determinismus und etwaigen Konsequenzen dieser Art greift Molina in 52.39 nochmals auf. Zu Details siehe unsere Kommentare zu 52.6 und 52.39. Sehr ähnliche Formulierungen jener sechs gegnerischen Argumente für den theologischen Inkompatibilismus (d. h., für die These, dass universales göttliches Vorherwissen und die Annahme freier menschlicher Handlungen miteinander unvereinbar sind) finden sich auch in Molinas Traktat De scientia Dei von 1572. Dieser ist in Molinas Commentaria, seinen Kommentar zur Prima pars der Summa theologiae des Thomas von Aquin eingeflossen, aus dem wiederum vieles in die Concordia übernommen wurde. Auch andere Teile von Abhandlung 52 der Concordia finden sich in teils nur leicht modifiziertem Wortlaut bereits in Molinas Commentaria (q. 14, a. 13, disp. 17, S. 208 a – 215 b).
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Abschnitt 52.8 bekräftigt die Vereinbarkeit göttlichen Vorherwissens mit menschlicher Freiheit durch Berufung auf Autori täten der Hl. Schrift. In 52.9 stellt Molina seine berühmte Unterscheidung von Natürlichem, Mittlerem und Freiem Wissen (scientia naturalis, scientia media, scientia libera) vor. Inhaltlich klingen entsprechende Überlegungen auch in anderen Abhandlungen der Concordia bereits gelegentlich an (so etwa in 49.8, 49.9, 49.11), doch erst in 52.9 führt Molina den Begriff der scientia me dia systematisch und offiziell ein. Abschnitt 52.10 liefert erste Erläuterungen zu diesen drei göttlichen Wissensarten und den begrifflichen Beziehungen zwischen ihnen. Der Hauptteil von Abhandlung 52 umfasst dann in 52.11–52.19 Molinas grundsätzliche Überlegungen zur Vereinbarkeit von göttlicher Allwissenheit mit menschlicher Freiheit. Abschnitt 52.20 zufolge befürworten auch die meisten scholastischen Lehrer (doctores) Molinas Thesen; in 52.21–52.30 referiert Molina die Meinungen der Kirchenväter zum Thema. Die Abschnitte 52.31– 52.38 schließlich entfalten vor dem Hintergrund des soweit Gesagten detaillierte Widerlegungen der in 52.2–52.7 skizzierten gegnerischen Argumente; 52.39 schließt die Abhandlung mit einer Zusammenfassung der theologischen Bedeutung von Molinas Überlegungen zum Freiheitsproblem und einigen lebensweltlichen Vergleichen ab. 52.2 Die Abschnitte 52.2–52.4 referieren in enger Anlehnung an den Wortlaut bei Thomas drei gegnerische Argumente, die auch dieser in ST I, q. 14, a. 13, als diskussionswürdige, aber verfehlte Überlegungen vorträgt. (Sehr ähnliche Fassungen dieser Argumente finden sich bei Thomas auch in seinem Sentenzenkommentar, dem Scriptum super quattuor libros Sententiarum (d. 38, q. 5, a. 1), in den Quaestiones disputatae de veritate (q. 2, a. 12) und in der Summa contra gentiles (I, c. 66–67).) In 52.2 betrachtet Molina das Argument, dass Gottes Wissen von Zukünftigem eine notwendige Ursache (causa necessaria) dieses Zukünftigen sei und somit, da notwendige Ursachen notwendige Wirkun-
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gen zeitigen, alles von Gott Vorhergewusste mit Notwendigkeit geschehe. Causa necessaria: Hier sind zunächst die folgenden Grundbedeutungen zu unterscheiden, von denen einige in Molinas Antwort (in 52.31) auf das erste gegnerische Argument eine wichtige Rolle spielen werden. Zum einen kann eine Ursache gemeint sein, die notwendigerweise existiert. Unter dieser Lesart existiert Gott als causa necessaria notwendigerweise, weil es unmöglich ist, dass es ihn nicht gibt. Locus classicus für diese Auffassung und einen Beweisversuch für sie ist Anselms Ontologisches Argument in Kap. 2 seines Proslogion. Molina betrachtet diese Bedeutung der Rede von ›causa necessaria‹ etwa in seiner Quaestio de futuris contingentibus (1563/64), einem Kommentar zu De int. 9. »Eine Ursache wird notwendig genannt«, sagt er dort, »weil sie notwendigerweise existiert.«1 Gemeint sein kann zum anderen auch eine Notwendigkeit von Ursachen im Hinblick auf hervorgebrachte Wirkungen. Hier gilt es wiederum mindestens drei verschiedene Lesarten zu unterscheiden. (i) In seiner Quaestio de futuris contingentibus bringt Molina das Beispiel, dass die Bewegung der Himmelskörper notwendige Ursache einer bestimmten zukünftigen Sonnenfinsternis sei; sofern es bestimmte Konstellationen der Himmelskörper gibt, können bestimmte Wirkungen auf die Sonne nicht ausbleiben (q. 1, S. 6). Da Gott dagegen ein freier Akteur sei, könne er verursachen oder nicht verursachen. (»Deus, cum sit agens liberum, potest causare et non causare«, ibid.). Molina beruft sich damit auf Gottes operative Kontingenz im Unterschied zur Frage nach seiner entitativen Kontingenz oder Notwendigkeit, wie es manchmal (z. B. bei Söder 2005. S. 27) heißt. Gottes Entscheidungen könnten, was immer man über die Modalität seiner Existenz sagen mag, stets auch anders ausfallen. Diesen Punkt hatte vor allem Scotus bereits betont und daraus auch die 1
»[D]icitur causa aliqua necessaria … quia necessario existit« (Molina, Quaestio de futuris contingentibus, q. 1, S. 6).
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Kontingenz menschlicher Handlungen abgeleitet. (S. hierzu das Unterkapitel über Scotus in der Einleitung, Abschnitt 4.6.) (ii) Gott agiert für bestimmte von ihm herbeigeführte Wirkungen jedoch insofern als eine notwendige Ursache, als solche Wirkungen, wenn er sich entscheidet, sie hervorzurufen, nicht ausbleiben können. Nach molinistischem Verständnis handelt er dann direkt oder unmittelbar und damit ohne die Kooperation mit freien menschlichen Zweitursachen (causae secundae). Er ist in solchen Fällen – aber nur dann – auch die vollständige Ursache (causa tota, causa totalis, in 52.31 auch: causa integra) der betreffenden Wirkungen und in diesem Sinne nicht nur eine notwendige, sondern zugleich auch hinreichende Ursache für das, was geschieht.2 (iii) Schließlich gibt es auch göttliches Handeln in Kooperation mit Zweitursachen. In solchen Fällen ist Gott keine vollständige Ursache der betreffenden Wirkungen, bleibt aber deren allgemeine Ursache (causa generalis), von der es abhängt, welche Ereignisse überhaupt als Wirkungen möglich sind. Insofern ist er in diesen Fällen auch speziell für menschliches Handeln eine causa necessaria im Sinne einer notwendigen kausalen Bedingung. Gott ist darüber hinaus stets auch causa universalis, insofern er bei allem Geschehen als Ursache beteiligt ist. Kreatürliche Zweitursachen agieren jedoch als causae particulares, die der allgemeinen göttlichen Ursächlichkeit eine spezielle Finalität geben und 2
Mit den Begriffen der Erstursache und der Zweitursache wurde im Mittelalter allgemein das Weltgeschehen als Ergebnis der Allwirksamkeit Gottes unter teilweiser Mitwirkung geschaffener Ursachen beschrieben. Die Unterscheidung steht in der Tradition der griechischen Kosmologie und Metaphysik und knüpft insbesondere an Platon, Aristoteles und den Neuplatonismus an. Die historischen Wurzeln der These vom Zusammenwirken der beiden Ursachenarten lassen sich bis zur platonischen Methexis-Lehre zurückverfolgen: Die Erstursache lässt die raum-zeitlichen Zweitursachen gemäß deren jeweiliger Art (modus) an ihrer Wirkmächtigkeit (virtus) teilhaben und bringt durch Vermittlung der Zweitursachen Wirkungen in der raum-zeitlichen Welt hervor.
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gemeinsam mit ihr spezifische Wirkungen hervorbringen. Der universale Einfluss durch die Mitwirkung Gottes, so erläutert Molina an anderer Stelle, werde in diesen Fällen erst durch den partikulären Einfluss von Zweitursachen zum »Einzelfall« von Handlungen und entsprechenden Wirkungen bestimmt.3 Dabei werde »die allgemeine Mitwirkung Gottes nicht anders von der partikulären Mitwirkung der Zweitursachen festgelegt als der Einfluss der Sonne, der ebenfalls universal ist, vom Einfluss des Menschen festgelegt wird, um einen Menschen hervorzubringen, und vom Einfluss des Pferdes, um ein Pferd zu erzeugen; die Sonne und ein Mensch nämlich erzeugen einen Menschen, wie es im zweiten Buch der Physik [des Aristoteles] heißt, und aus demselben Grund erzeugen die Sonne und ein Pferd ein Pferd.«4
Die Sonne, so die Idee, wird in ihrem Einfluss auf die Erde von keiner Zweitursache determiniert; jedoch fungiert sie, obwohl notwendige Ursache, nicht schon als hinreichende Ursache für die Fortpflanzung von Menschen, Pferden, auch das Wachsen von Pflanzen usw. All dies gäbe es nicht ohne die Sonne; und doch sind diese Wirkungen nicht durch die Sonne kausal nezessitiert und in ihrer speziellen Gestalt oder ihrem genauen Verlauf durch sie festgelegt. Ähnliches gilt laut Molina für die Beziehung zwischen Gott und menschlichen Handlungen. (Ein unserem heutigen Verständnis vielleicht näher liegendes Beispiel: Wenn ich den Wasserhahn öffne und das Becken mit Wasser fülle, so 3
»[Influxus universalis] determinatur … ad species actionum et effectuum a particulari influxu causarum secundarum« (Molina, Concordia 26.11, S. 167). 4 »[C]oncursus Dei generalis determinatur a particulari concursu causarum secundarum non secus ac influxus solis qui etiam universalis est determinatur ab influxu hominis ut producatur homo et ab influxu equi ut oriatur equus; sol enim et homo generant hominem, ut secundo Physicorum habetur, eademque ratione sol et equus generant equum« (ibid., vgl. auch 26.15).
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handele ich als eine partikuläre Ursache dieses Ereignisses, die jedoch diese Wirkung nicht ohne die Mitwirkung zusätzlicher genereller Ursachen erreichen könnte. Diese liegen hier u. a. darin, dass Pumpen des Wasserwerks Wasser in das Hauswassersystem leiten, dass dort in den Leitungen ein bestimmter Druck aufrechterhalten wird, usw.). Das göttliche Zusammenwirken mit geschöpflichen, partikulären Zweitursachen nun schließt nicht aus, dass Gott als erste und allgemeine Ursache zugleich eine causa necessaria im erstgenannten Sinne einer notwendig existierenden Ursache weltlicher Wirkungen ist. (Ob er dies ist, darauf braucht Molina sich im vorliegenden Kontext nicht festzulegen.5) Ferner bleibt Gott auch insofern stets eine notwendige Ursache im Sinne einer notwendigen kausalen Bedingung weltlicher Wirkungen, als diese ohne sein Zutun nicht stattfänden. Kreatürliche Sekundärursachen hängen einerseits in ihrer Existenz von Gottes Entscheidung ab und sind sodann auch in ihren Handlungen auf das allgemeine Mitwirken (concursus generalis) der göttlichen Erstursache angewiesen. Allerdings beteiligt Gott sich Molina zufolge im Falle der Kooperation handlungsfähiger Zweitursachen nicht etwa dadurch an deren Wirkungen, dass er die Absichten und Entscheidungen der zweitursächlichen Akteure determiniert. Denn dann wären diese nach Molinas Freiheitsverständnis in ihrem Tun und Entscheiden nicht frei. Vielmehr, so erläutert er, habe man sich die Sache so vorzustellen, dass »in der Weise, wie eine Zweitursache unmittelbar ihre Tätigkeit hervorbringt und durch sie das Ziel oder die Wirkung herbeiführt, so Gott gemeinsam mit jener Zweitursache durch eine gewisse allgemeine Mitwirkung unmittelbar auf diese Tätigkeit Einfluss nimmt und durch jene Tätigkeit oder Handlung ihr Ziel und ihre Wirkung herbeiführt«; die allgemeine Mitwirkung Gottes sei so nicht als Einfluss auf die Zweitursache zu verstehen, sondern als ein unmittelbarer Einfluss, 5
Für wichtige neuere Argumente gegen die These, Gott existiere notwendigerweise, siehe etwa Swinburne (1993), Teil III.
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gemeinsam mit jener Zweitursache, auf die betreffende Handlung, und dadurch auch auf deren Wirkung.6 Molinas Concursus-Theorie grenzt sich in diesen Punkten insbesondere von occasionalistischen Ansätzen ab7, differenziert aber auch die scotistische Theorie der ›doppelten Kontingenz‹ (vgl. hierzu die Einleitung, 4.6). In ähnlichem Zusammenhang verwendet Molina das Bild eines Schiffes, das von zwei Personen gezogen wird (Concordia 25.12). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach diesem Modell die Handlungen kreatürlicher Zweitursachen und die erzeugten Wirkungen kontingent bleiben, auch wenn Gott als causa necessaria an ihnen mitwirkt, eben weil es sich um Wirkungen handelt, die zusätzlich vom freien Zutun der Zweitursachen abhängen, das stets auch anders ausfallen könnte. Molinas Antwort (in 52.31) auf das in 52.2 referierte erste gegnerische Argument wird die Unterscheidung zwischen vollständiger und Teil-Ursache auf die drei göttlichen Wissensarten Natürliches, Mittleres und Freies Wissen anwenden. Vgl. hierzu auch 52.18 und 52.19 und unsere Erläuterungen zu diesen A bschnitten. Anzumerken ist auch, dass dieses Thema unmittelbar ins Zentrum des Gnadenstreits führt. Molinas Gegner, insbeson6
»[U]t quemadmodum causa secunda immediate elicit suam operationem et per eam terminum seu effectum producit, sic Deus concursu quodam generali immediate influat cum ea in eandem operationem et per operationem seu actionem terminum illius atque effectum producat. Quo fit ut concursus Dei generalis non sit influxus Dei in causam secundam, … sed sit influxus immediate cum causa in illius actionem et effectum« (Molina, Concordia 26.5, S. 165; die Hervorhebungen in der Übersetzung stammen von uns). Vgl. hierzu auch Molinas Traktat De concursu generali von 1572 aus seinem Kommentar zur Prima pars der Summa theologiae, der in vielen Teilen in Abhandlung 26 der Concordia eingeflossen ist. In jenem Traktat heißt es (S. 199) u. a., das universale Mitwirken Gottes sei nichts anderes als sein unmittelbarer Einfluss auf alle Wirkungen: »Concursus Dei universalis nihil aliud est, quam influxus Dei immediatus in omnes effectus.« 7 Vgl. hierzu etwa die Hinweise und Diskussion in Perler und Rudolph (2000), Kap. 6.
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dere jene aus dem Báñezianischen Lager, bestanden darauf, dass die Gott zuzuschreibende effiziente Gnade (gratia efficax) bzgl. heilsrelevanter menschlicher Entscheidungen ihre Wirkungen unvermeidlich oder wie es hieß: unfehlbar und in diesem Sinne notwendigerweise hervorrufen müsse. Wie anders sollte ihre – aus theologischen Gründen unbedingt zuzugestehende – Wirksamkeit garantiert sein? Gottes Akte können in ihren Absichten und Zielen nicht fehlgehen. Báñez, Álvarez und andere postulierten angesichts dieser These eine göttliche praedeterminatio physica der menschlichen Seele zur Annahme des göttlichen Gnadenangebots. Die Jesuiten meinten, dass eine solche Prädetermination entgegen allen Beteuerungen der Báñezianer die menschliche Freiheit bzgl. Akzeptanz oder Ablehnung der Gnadengaben zerstöre. Molina behauptet explizit, u. a. unter Berufung auf das Rechtfertigungsdekret des Tridentinums, dass die Wirksamkeit der göttlichen Gnadenhilfe sehr wohl auch vom menschlichen Willen abhänge: »Der Gnadenhilfe kommt es nicht aus ihrer Natur zu, wirksam zu sein oder nicht, sondern dies hängt davon ab, ob das von ihr bewegte und angeregte Entscheidungsvermögen zustimmen und kooperieren will oder nicht, wie das Konzil von Trient klar definiert.«8
Für weitere Hinweise zum Streit zwischen Molinisten und Báñezianern sowie zum Begriff der praedeterminatio physica vgl. die Einleitung und die ausführliche Studie von Matava (2016) sowie die dort angegebene weitere Literatur. Ut art. 8 ostensum est: Gemeint ist, was Thomas in ST I, q. 14, a. 8, zum Thema sagt. Molina eröffnet die Concordia mit einem 8
»[A]uxilia gratiae non habere ex sua natura, quod efficacia sint aut non sint, sed id pendere ex eo, quod arbitrium eis motum et excitatum consentire et cooperari velit aut non velit, ut Concilium Tridentinum perspicue definit« (Molina, Concordia 53, memb. I, 7, S. 361). Vgl. hierzu auch die Ausführungen Molinas in Abhandlung 40 der Concordia.
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kurzen Kommentar zu diesem Artikel der Summa theologiae. Seiner wichtigen Rolle für die Abhandlung 52 wegen geben wir Molinas Kommentar hier auszugsweise wieder: »Ist Gottes Wissen Ursache der Dinge? 1. Dieser Artikel hat zwei Ergebnisse. Das erste ist: Das Wissen Gottes ist Ursache der Dinge. Das zweite ist: Aus ihm [allein] geht nichts hervor, und es ist folglich nur dann tatsächlich wirksame Ursache, wenn es durch den göttlichen Willen festgelegt ist, durch den Gott bestimmt und will, dass etwas ist. … 4. An dieser Stelle ist zu beachten, dass das göttliche Wissen, soweit es das gegenwärtige Thema betrifft, in zwei Weisen im Hinblick auf die Geschöpfe betrachtet werden kann. Einmal, sofern Gott durch es weiß, dass er jene erschaffen kann und sie auf diese oder jene Weise zu erschaffen sind … Das göttliche Wissen, in diesem Sinn betrachtet, ist in Gott natürlich und nicht frei, und es geht der Ausführung und der freien Bestimmung des Willens voraus, durch die Gott jene [Geschöpfe] zu diesem oder jenem Zeitpunkt zu schaffen beschließt. Zum anderen, insofern Gott durch es weiß, dass die Geschöpfe zu einer bestimmten Zeit sein werden. In dieser Weise betrachtet, ist das Wissen in Gott nicht natürlich, sondern frei, und geht auch der freien Bestimmung des Willens nicht voraus, durch die Gott festgelegt hat, dass sie zu dieser oder jener Zeit sein sollten, sondern folgt ihr vielmehr. Weil Gott nämlich frei die Welt schaffen wollte und wollte, dass es diese oder jene Dinge gebe, wusste er, dass die Welt mit diesen oder jenen Dingen zu dieser oder jener Zeit sein werde. Nicht aber umgekehrt deswegen, weil er wusste, dass die Welt sein werde, wollte er, dass es sie gebe, denn wenn er nicht gewollt hätte, dass es sie gibt, hätte er auch nicht gewusst, dass es sie geben werde. Das Wissen also um das kontingente Zukünftige, nämlich dass es dieses geben werde, hängt von der freien Bestimmung des göttlichen Willens ab, in der er festgelegt hat, dass es dieses kontingente Zukünftige gibt; es geht also der Bestimmung nicht voraus, sondern folgt ihr.
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5. Daraus kannst du leicht erfassen, dass das erste Ergebnis des hl. Thomas über das göttliche Wissen nicht in der zweiten Betrachtungsweise, sondern in der ersten wahr ist. In der ersten Betrachtungsweise leitet es nämlich den Willen beim Werk an und schreibt die Art des Vorgehens vor und wird als rechtes Maß des Herzustellenden bezeichnet und hat also die Bedeutung der Kunst, auf Grund deren Gott alles einrichtet. Außerdem geht es der freien Bestimmung des göttlichen Willens voraus, der vom Wissen zur Tätigkeit bestimmt wird. In der zweiten Betrachtungsweise aber leitet es weder den Willen noch legt es die Art des Werkes fest, sondern bleibt innerhalb der Schranken der bloßen Betrachtung, und es geht dem freien Akt des Willens nicht in der Weise voraus, dass dieser von ihm zum Werk bestimmt werden könnte … 6. … Inzwischen möchte ich aber, dass du aus dem, was in diesem Artikel gesagt ist, nur das vor Augen habest, nämlich dass das freie Wissen, durch das Gott weiß, dass gewisse kontingente Dinge geschehen werden, nicht Ursache der Dinge ist, was an dieser Stelle von uns deutlich genug gezeigt worden ist. Viele aber, die das nicht beachtet haben, sind hinsichtlich des Vorherwissens Gottes vom kontingenten Zukünftigen ziemlich gefährlich irregegangen.«9 9
»Ad 8. Articulum Quaestionis 14. Utrum scientia Dei sit causa rerum. 1. Duae sunt conclusiones huius articuli. Prior est: Scientia Dei est causa rerum. Posterior est: Nihil ab ea emanat ac proinde non est causa actu nisi determinata per voluntatem divinam qua statuit Deus ac vult ut aliquid sit. … 4. Hoc loco animadvertendum est scientiam divinam, quod ad praesens institutum attinet, duobus modis comparatione creaturarum posse spectari. Uno, quatenus Deus ea cognoscit se posse illas facere atque hoc aut illo modo esse faciendas … Scientia divina hoc modo spectata est naturalis in Deo et non libera anteceditque actum ac determinationem liberam voluntatis qua Deus illas facere tali vel tali tempore decernit. Altero vero modo, quatenus Deus per eam cognoscit creaturas futuras esse tali tempore. Atque hoc modo spectata non est naturalis in Deo, sed libera, neque antecedit determinationem liberam voluntatis qua Deus statuit ut sint tali vel tali tempore, sed potius eam sequitur. Quia enim Deus libere voluit mundum creare et has aut illas res esse, scivit mundum cum his vel illis rebus tali vel tali tempore esse futurum. Non vero e contrario, quia scivit mundum futurum,
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Bereits hier unterscheidet Molina also das Natürliche und das Freie Wissen Gottes und argumentiert, dass die These, Gottes Wissen sei Ursache der Dinge, zu qualifizieren und in bestimmten Lesarten falsch sei.10 Insbesondere hängt das, was de facto in der Welt geschieht, kausal von Gottes freier Willensentscheidung ab, welcher sein (Freies) Wissen darüber, was sich ereignet, logisch oder »der Erklärung nach« nachgeordnet ist. Auch diese These hatte vor allem Scotus schon betont. Thomas sagt zwar in ST I, q. 14, a. 8, wie von Molina in dem obigen Zitat unter 1. wiedergegeben, dass Gottes Wissen Ursache der Dinge sei; Thomas erläutert dies aber ebenfalls mit dem Hinweis, dies gelte ledig lich insofern, als ein göttlicher Willensentschluss mit jenem Wissen verbunden sei.11 ideo voluit ut esset; quin potius si noluisset ut esset, non scivisset eum esse futurum. Scientia ergo futurorum contingentium, hoc est quod futura sint, pendet ex determinatione libera voluntatis Dei qua statuit ut sint, ac proinde non eam antecedit, sed consequitur. 5. His positis facile intelliges veram esse priorem conclusionem D. Thomae de scientia divina non posteriori, sed priori modo spectata. Priori namque modo spectata dirigit voluntatem ad opus et modum operandi praescribit diciturque recta ratio factibilium ac proinde habet rationem artis qua Deus cuncta fabricatur; praeterea antecedit determinationem liberam voluntatis divinae ab eaque determinatur ad opus. Spectata vero posteriori modo neque dirigit voluntatem neque modum operandi definit, sed intra limites merae contemplationis continetur, neque actum liberum voluntatis antecedit ut ab eo possit ad operationem determinari … 6. … Interim ex traditis in hoc articulo illud solum ante oculos velim habeas scientiam liberam qua Deus scit contingentia aliqua esse futura non esse causam rerum, quod hoc loco a nobis satis aperte ostensum est. Multi vero id non attendentes circa praescientiam divinam de futuris contingentibus periculose admodum hallucinati sunt« (Molina, Concordia, Ad 8. articulum quaestionis 14, S. 3 f.). 10 Molinas Kommentar in der Concordia zu dieser Thomas-Passage entspricht in großenteils enger Übereinstimmung dem ersten Abschnitt seines Traktats De scientia Dei von 1572, abgedruckt bei Stegmüller (1935 a), S. 202– 261 (s. dort S. 202–204). Er findet sich wörtlich auch in Molinas Summen kommentar zu ST I, q. 14, a. 8, S. 157 b – 158 a. 11 »[N]ecesse est quod sua scientia sit causa rerum, secundum quod habet voluntatem coniunctam« (Thomas, ST I, q. 14, a. 8, resp.).
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Molina wird später außerdem zeigen, dass die göttliche Entscheidung, eine bestimmte Welt zu aktualisieren, so verstanden werden muss, dass sie außer auf Gottes Natürliches Wissen, mit dem dieser alle notwendigen Sachverhalte erfasse, auch auf sein Mittleres Wissen zurückgreift. Dieses bezieht sich u. a. darauf, wie freie kreatürliche Handlungen und Entscheidungen in bestimmten Umständen ausfallen würden. Insgesamt hängt Gottes Wissen um tatsächlich stattfindende freie kreatürliche Handlungen und Entscheidungen somit (i) vom göttlichen Willen im Hinblick darauf ab, welche möglichen Kreaturen überhaupt wirklich werden sollen, sowie (ii) auch davon, wie mögliche Kreaturen sich unter bestimmten Umständen frei entscheiden würden. Eben deshalb bleibt Molina zufolge Gott zwar die causa prima freier geschöpflicher Entscheidungen, doch weil diese auch anders hätten ausfallen können, bleiben sie kontingent. Zum Thema Verursachung durch göttliches Wissen vgl. auch die Hinweise in der Einleitung zu den Bemerkungen von Boethius und Thomas gegen Origenes. Zum Vergleich göttlichen Wissens mit Kunst, wie Molina ihn im Anschluss an Thomas in der oben zitierten Passage über ST I, q. 14, a. 8, vornimmt, siehe unseren Kommentar zu 52.18. 52.3 Si condicionalis aliqua est vera: Molina lehnt sich hier ebenfalls eng an den Wortlaut bei Thomas an (ST I, q. 14, a. 13; vgl. auch In Sent. I, d. 38, q. 1, a. 5).12 In seiner Antwort auf das hier 12
Ähnliche Formulierungen finden sich auch bei anderen Autoren. Ein Beispiel ist Alexander von Hales, der in der Summa theologica, pars 1, inqu. 1, tract. 5, sect. 2, q. 1, c. 4 (Bd. I, S. 269 a), das gegnerische Argument wie folgt rekonstruiert: »Wenn etwas aus etwas anderem folgt und das Ante zedens notwendig ist, dann ist auch das Konsequens notwendig. Es folgt aber korrekterweise: ›Dies ist vorhergewusst‹, indem auf etwas Kontingentes hingewiesen wird, ›also wird es sein‹. Das Antezedens, nämlich dass Gott dies vorhergewusst hat, ist notwendig, weil es immer wahr war, wahr ist und wahr sein wird. Denn auch nachdem die Sache tatsächlich sein wird oder vorübergegangen ist, wird es wahr sein zu sagen: ›Gott hat das vorher-
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vorgestellte Argument in 52.34 sagt Molina, das Konsequens des Bedingungssatzes könne, anders als das Argument behaupte, »kontingent sein, auch gesetzt, der Konditionalsatz ist … notwen dig« (unsere Hervorhebung). In 52.7 spricht er von dem »notwendigen und auf jeden Fall gültigen Schluss«, dass Gott von Ewigkeit her gewusst habe, dass Petrus morgen sündigen werde, und also Petrus morgen sündigen werde. Auch weiter unten ist dort von der Macht die Rede, das Antezedens eines solchen notwendigen Schlusses als falsch zu erweisen. Es geht also, anders als der Wortlaut bei Thomas zunächst nahelegt, nicht um wahre, sondern um notwendig wahre Konditionalaussagen. Hintergrund für Molinas – von ihm nicht weiter kommentierten – Übergang in 52.34 von der Rede über die Wahrheit eines Konditionals zur Rede über dessen Notwendigkeit dürfte die tradierte aristotelische Syllogistik sein, nach der in einem gültigen Schluss die Konklusion stets mit Notwendigkeit (ἐξ ἀνάγκης) aus den Prämissen folgt.13 Die These des Arguments aus 52.3, dass bei einer entsprechenden Konditionalaussage mit absolut notwendigem Antezedens auch das Konsequens absolut notwendig sei, fun-
gewusst und es kann nicht falsch sein‹, also ist das Konsequens notwendig, also ist es notwendig, dass dies sein werde. Das gleiche Argument gilt von jedem Kontingenten, also wird alles mit Notwendigkeit eintreten.« (»Item, si aliquid sequitur ad aliud, si antecedens est necessarium, et consequens; sed bene sequitur ›hoc est praescitum, demonstrato aliquo contingente, ergo hoc erit‹: antecedens est necessarium, scilicet Deum hoc praescivisse, quia semper fuit et est et erit verum; etiam postquam res erit in actu vel praeteriit, erit verum dicere ›Deus praescivit hoc et non potest esse falsum‹; ergo consequens est necessarium; ergo hoc fore est necessarium. Pari ratione de omni contingente; ergo omnia de necessitate eveniunt.«) Auch Alexander lehnt das Argument am Ende ab. 13 S. hierzu etwa Aristoteles (Anal. Pr.), I 1 (24 b 18–20): »Ein Syllogismus ist ein logos, in dem, bestimmte Dinge angenommen, etwas anderes als diese Dinge mit Notwendigkeit daraus folgt, dass sie sind.« (Συλλογισμὸς δέ ἐστι λόγος ἐν ᾧ τεθέντων τινῶν ἕτερόν τι τῶν κειμένων ἐξ ἀνάγκης συμβαίνει τῷ ταῦτα εἶναι.)
52.3 101
giert dort als allgemeine Schlussregel. In 52.34 nennt Molina sie den »Obersatz« des Arguments. In der Tat ist eine Konditionalaussage wie ›Wenn Gott gewusst hat, dass dieses (Ereignis) zukünftig ist, dann geschieht es so‹ notwendigerweise wahr. Diese Notwendigkeit freilich – und das macht Molina hier nicht deutlich – ergibt sich nicht nur aus der Unfehlbarkeit des besonderen epistemischen Subjekts (Gott), von dem die Rede ist. Vielmehr liegt es allgemein im Begriff des Wissens, dass, einerlei, wem man es zuspricht, eine gewusste Proposition wahr ist (bzw. der gewusste Sachverhalt besteht, eine Tatsache ist), und da Vorherwissen Wissen ist, gilt dies auch für vorhergewusste Propositionen über Zukünftiges. Man mag bestreiten, dass menschliche Subjekte mit ihren faktisch beschränkten kognitiven Vermögen jemals in der Lage sind, Vorherwissen über das Handeln anderer zu erwerben, insbesondere wenn deren Tun ein nicht-determiniertes, frei initiiertes Geschehen ist. Gleichwohl gilt für jedes (auch nicht-göttliche) Subjekt notwendigerweise: Wenn es ein solches Vorherwissen besitzt, dann sind die gewussten Propositionen wahr. (Vgl. hierzu auch unseren Kommentar zu 52.4.) Absolute necessarium: Molina rekurriert auf die klassische Unterscheidung der aristotelischen Tradition zwischen absoluter und hypothetischer oder einfacher vs. bedingter Notwendigkeit. Schon Boethius hat diese Unterscheidung gegen das (angebliche) Problem des theologischen Determinismus in Anschlag gebracht; er verwendet das Begriffspaar necessitas simplex vs. necessitas condicionis.14 In 52.34–52.36 verwendet Molina in diesem Zusammenhang auch die in mittelalterlichen Debatten geläufigen Begriffspaare necessitas consequentis und necessitas consequentiae sowie die deutlicher auf die logische Struktur von Notwendigkeitsaussagen abhebenden Begriffe necessitas in sensu diviso und necessitas in sensu composito. Petrus Lombardus spricht in seinem berühmten Liber Sententiarum (Buch 1, Distinktion 38) 14
S. etwa Boethius (PC) V, pr. 6 (PL 63, 861 B–C; CC SL 94, 27, S. 104).
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von einer coniunctim- vs. einer disiunctim-Lesart entsprechender Aussagen. Viele Autoren, darunter stellenweise auch Molina, bezeichnen eine necessitas consequentis dabei als ›absolut‹ und eine necessitas consequentiae als ›bedingt‹. Die Unterscheidung bezieht sich dann auf konditionale Notwendigkeiten der Form ›Notwendigerweise: Wenn p, dann q‹, im Gegensatz zu unbedingten oder absoluten, einfachen Notwendigkeiten der Form ›Notwendigerweise q‹. Diese Lesart hat im Mittelalter eine einflussreiche Tradition. Bonaventura beispielsweise schreibt in seinem Sentenzenkommentar explizit, die necessitas absoluta, die der Kontingenz entgegenstehe, werde auch necessitas consequentis genannt, während die necessitas respectiva auch necessitas consequentiae heiße und der Kontingenz nicht entgegenstehe.15 Ähnlich erläutert das Thema auch Thomas, der (wie auch andere Autoren) in diesem Zusammenhang außerdem Notwendigkeiten de re und de dicto ins Spiel bringt. In der Summa contra gentiles (SCG I, c. 67) etwa fragt er, ob Gott singuläre kontingent-zukünftige Sachverhalte kenne. Und Thomas erklärt, dass Sokrates, wenn man ihn sitzen sehe, notwendigerweise sitze; dass dies jedoch nicht absolut oder – wie von einigen gesagt werde – mit der Notwendigkeit des Konsequens, sondern nur bedingt oder mit der Notwendigkeit des Schlusses gelte.16 Überführe man einen solchen Konditionalsatz in den (nicht explizit in Wenn-dann-Form formulierten) Satz ›Für den, der sitzend gesehen wird, ist es notwendig, dass er sitzt‹ (quod videtur sedere, necesse est sedere), so sei dieser de dicto und im zusammengesetzten Sinn verstanden wahr (›Notwendigerweise gilt: Wer sitzend gesehen wird, sitzt‹), de re oder im getrennten 15
»[N]otandum, quod duplex est necessitas, scilicet absoluta, et respec tiva. Necessitas absoluta, quae opponitur contingentiae, dicitur necessitas consequentis. Necessitas respectiva dicitur necessitas consequentiae; et haec non opponitur contingenti« (Bonaventura, In Sent. I, d. 38, art. 2, q. 1, resp.). 16 »Non necessarium est absolute, vel, ut a quibusdam dicitur, ›necessitate consequentis‹: sed sub conditione, vel ›necessitate consequentiae‹« (Thomas, SCG I, c. 67, S. 254).
52.3 103
Sinn verstanden hingegen falsch (›Wer sitzend gesehen wird, sitzt notwendigerweise‹).17 Die Wurzeln dieser Unterscheidungen bzgl. der logischen Reichweite von Modaloperatoren lassen sich wieder bis zu Aristoteles zurückverfolgen, der sie primär auf Syllogismen anwendet. An einer berühmten Stelle der Ersten Analytik (30 b 31–40) etwa sagt Aristoteles, dass die Konklusion eines Syllogismus in zweierlei Sinn notwendig sein könne: zum einen unabhängig von den Prämissen und in diesem Sinne absolut notwendig, ἀναγκαῖον ἁπλῶς; und zum anderen relativ zu den Prämissen, τούτων ὄντων ἀναγκαῖον, oder, wie es, terminologisch vielleicht transparenter, in De generatione et corruptione (II, 11; 337 b 26–27) heißt: ἀναγκαῖον ἐξ ὑποθέσεως. Eines seiner Beispiele lautet, dass relativ zu den Prämissen, dass (i) alle Menschen Lebewesen sind und (ii) kein Lebewesen weiß ist, die Aussage, (iii) dass kein Weißes ein Mensch ist, notwendig ist; wenn (i) und (ii) wahr sind, kann (iii) nicht falsch sein. Dennoch ist (iii) unabhängig von diesen Prämissen – für sich oder absolut genommen – nicht notwendig, denn es ist keine metaphysische Unmöglichkeit, dass es weiße Menschen gibt. Hier bezieht sich die Rede von hypothetischer oder bedingter Notwendigkeit also auf einen Zusammenhang zwischen den Prämissen und der Konklusion eines Schlusses.18 Thomas legt in seinem oben zitierten Sokrates-Beispiel ein faktives (und nicht rein phänomenales) Verständnis von ›sehen‹ 17
»[D]e dicto intellectam, et compositam, esse veram; de re vero intellectam, et divisam, esse falsam« (Thomas, SCG I, c. 67, S. 254). 18 Für eine ausführlichere Diskussion des Begriffs des συλλογισμὸς ἐξ ὑποθέσεως bei Aristoteles siehe etwa Strobach (2001) und die dort angegebene weitere Literatur. Strobach argumentiert indessen, dass ein solcher Syllogismus bei Aristoteles, obwohl ihn die Tradition seit Theophrast und Alexander von Aphrodisias meist mit einem so genannten hypothetischen Syllogismus (συλλογισμὸς ὑποθετικός) identifiziert, seinen Namen nicht aufgrund seiner logischen Form trägt, sondern deshalb, weil eine seiner Prämissen eine Hypothese und kein bewiesener Satz ist.
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zugrunde, dem zufolge zwar notwendigerweise gilt: Wenn jemand Sokrates sitzen sieht, dann sitzt Sokrates. Doch hieraus folge nicht, dass es in einem nicht-konditionalen, absoluten Sinne notwendig sei, dass Sokrates zum betreffenden Zeitpunkt sitze (immerhin könnte Sokrates auch liegen, stehen, knien, usw.). Der in diesem Kontext übliche, auch von Molina verschiedentlich angebrachte Hinweis bzgl. theologischer Wissensaussagen lautet, dass aus einer auf das gesamte Konditional bezogenen, im Sinne einer necessitas consequentiae verstandenen Notwendigkeit auch unter der zusätzlichen Annahme, das Antezedens des Konditionals sei wahr, keine necessitas consequentis oder keine absolute Notwendigkeit des Konsequens folge. Aus: ›Gott weiß, dass E zu t stattfinden wird‹ und ›Notwendigerweise gilt: Wenn Gott weiß, dass das Ereignis E zu t stattfinden wird, wird E zu t stattfinden‹ folgt nicht, dass E zu t notwendigerweise stattfinden wird; Schlüsse, die die Regel verwenden: p, N(p⊃q) |– Nq sind ungültig, weil diese Regel ungültig ist. Umgangssprachliche Aussagen wie ›Wenn Gott weiß, dass E zu t stattfinden wird, kann es nicht sein, dass E zu t nicht stattfinden wird‹, ›Was Gott weiß, kann nicht ausbleiben‹ usw. sind doppeldeutig bzgl. des Skopus des verwendeten Modaloperators: Versteht man sie im Sinne einer necessitas consequentiae oder in sensu composito (N(p⊃q)), dann, so räumt Molina ein, ist die entsprechende Aussage wahr. Doch hieraus ergibt sich keine Bedrohung für den theologischen Indeterminismus, denn es folgt keine entsprechende necessitas in sensu diviso (p⊃Nq), necessitas consequentis oder necessitas absoluta (Nq). Versteht man die Reichweite des Operators dagegen in sensu diviso, wie theologische Deterministen an dieser Stelle annehmen müssten, dann, so behauptet Molina im Einklang mit Thomas und anderen theologischen Indeterministen, ist die betreffende Aussage falsch.19 19
Vielleicht sollte der theologische Indeterminist hier freilich etwas moderater argumentieren und lediglich darauf beharren, dass eine solche These, in sensu diviso verstanden und ohne zusätzliche Argumente unter-
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Soviel zur modalen Terminologie in 52.3. Nun begeht das von Molina dort betrachtete gegnerische Argument allerdings keineswegs einen modalen (Fehl-)Schluss der Form p, N(p⊃q) |– Nq, oder schließt nach dem Schema: p, (p⊃Nq) |– Nq, denn es bezeichnet das Antezedens als (absolut) notwendig. (»Wenn ein Konditionalsatz wahr und sein Antezedens absolut notwendig ist …«) Wie aus Molinas Antwort in den Abschnitten 32–34 hervorgeht, soll es offenbar, auch wenn es prima vista anders aussehen mag, ebenso wenig um einen Schluss der Form Np, (p⊃q) |– Nq gehen. Denn, wie erläutert, Molinas Antwort in jenen Abschnitten weiter unten zeigt, dass er auch den betreffenden Konditionalsatz als einen notwendigen betrachtet. Somit geht es offenbar um einen Schluss, bei dem sich aus (i) der Notwendigkeit einer Aussage über göttliches Vorherwissen und (ii) der Notwendigkeit der Aussage, dass ein solches Wissen unmöglich fehlgehen kann, (iii) Notwendigkeit auf den Inhalt dieses Vorherwissens überträgt. Es geht um ein Argument nach dem Schema: Np, N(p⊃q) |– Nq.20 Die Struktur der Überlegung ähnelt damit derjenigen des in neueren Willensfreiheitsdebatten durch Autoren wie Carl Ginet oder David Wiggins und allen voran Peter van Inwagen berühmt gewordenen so genannten Konsequenzarguments für die Unvereinbarkeit von kausal-naturgesetzlicher oder nomologischer Determination menschlicher Handlungen und Entscheidungen mit deren Freiheit.21 Die entscheidenden Fragen lauten dann, ersmauert, zumindest petitiös wäre bzw. einer unabhängigen Begründung bedürfte. Immerhin ist ja sein Gegner sehr wohl der Meinung, dass eine Aussage der Form: ›Wenn Gott weiß, dass E zu t stattfinden wird, dann ist E notwendig‹ wahr ist. Der Punkt kann nur sein, dass es für den theologischen Deterministen im vorliegenden Kontext dialektisch illegitim wäre, ohne weitere Argumente zu behaupten, dass, wenn Gott weiß, dass, p, p notwendigerweise der Fall ist. 20 In dieser Weise deuten in der neueren analytischen Literatur z. B. Prior (1962) und Hasker (1989), S. 9, das betreffende Argument bei Thomas. 21 S. etwa Ginet (1966), (1990); Wiggins (1973); van Inwagen (1983). Bei
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tens, ob bzw. (wenn überhaupt) genau für welche inhaltlichen Deutungen des Modaloperators Schlüsse dieser Form tatsächlich gültig sind; und zweitens, in welchem Sinne und mit welchem Recht Molinas Gegner entsprechenden theologischen Prämissen der Form Np (»Es ist notwendig, dass Gott gewusst hat, dass dies geschehen wird«) absolute Notwendigkeit zusprechen. Der Konditionalsatz ›Wenn Gott gewusst hat, dass dieses geschehen wird (dass das Ereignis E zu t stattfinden wird), dann wird es so geschehen‹ ist aus begrifflichen Gründen oder ›im weiteren Sinne logisch‹ notwendigerweise wahr.22 Denn Wissen impliziert begrifflich, dass der gewusste Sachverhalt besteht bzw. die gewusste Proposition wahr ist. Wenn wir hierzu bei Molina in 52.3 lesen: »Andernfalls wäre das Wissen Gottes falsch«, so steht dies offenbar elliptisch für: »Andernfalls wäre eine Proposition, die Gegenstand von Gottes Wissen ist, falsch – was jedoch ausgeschlossen ist!« Zur Begründung dieser These führt Molina später (etwa in 52.7) den theologischen Grund an, dass Gottes Wissen sich keinesfalls auf Falsches beziehen kann. Das ist richtig, auch wenn, wie schon gesagt, Entsprechendes nicht nur für göttliches Wissen gilt. (Thomas begründet den Punkt denn van Inwagen denotiert der Modaloperator dabei eine Form von Notwendigkeit, die er als »Keine-Wahl-Haben« (having no choice) charakterisiert (van Inwagen 1983, S. 93–105). Für eine ausführliche Rekonstruktion und Diskussion von Konsequenzargumenten dieses Typs siehe etwa Jäger (2013 b). 22 Der Begriff der ›im weiten Sinne logischen Notwendigkeit‹ (broadly lo gical necessity) geht zurück auf Plantinga (1974), S. 1–9. Zu seinen Beispielen gehören: ›Wenn Sokrates ein Mensch ist, ist er keine Pflanze‹, ›Rot ist eine Farbe‹, ›Keine Zahl ist ein Mensch‹, ›Kein Premierminister ist eine Primzahl‹ (»No prime minister is a prime number«). Der Wahrheitswert solcher Propositionen lässt sich nicht allein mit logischen Mitteln feststellen, sondern es bedarf zusätzlicher Annahmen über die Bedeutung der vorkommenden Terme. In einem engeren Sinne logisch notwendig dagegen (bzw. im engeren Sinne logisch notwendigerweise wahr) nennt Plantinga Propositionen oder Sätze wie ›Wenn alle Menschen sterblich sind und Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates sterblich‹ oder ›Sokrates ist nicht sowohl sterblich als auch nicht-sterblich‹.
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auch schlicht unter Berufung auf die Wahrheit des Gewussten: »… quia scientia non est nisi verorum«; ST I, q. 14, a. 13). Wenn Molina hingegen, seine Gegner rekonstruierend, auch das Antezedens (»Gott hat gewusst, dass dieses geschehen wird«) als absolut notwendig bezeichnet, dann ist offenbar nicht von logischer Notwendigkeit die Rede. Denn auch der theologische Determinist dürfte zugestehen, dass, wenn Gott sich für die Aktualisierung einer anderen möglichen Welt entschieden hätte, einige oder, je nachdem, wie ›ähnlich‹ jene andere Welt der aktualen gewesen wäre, viele oder gar alle faktisch von ihm vorhergewussten Ereignisse nicht stattfänden und Gott somit auch nie gewusst hätte, dass sie stattfinden. Wenn ein (vorher) gewusster Sachverhalt oder eine (vorher)gewusste Proposition p logisch oder metaphysisch kontingent ist, ist auch der Sachverhalt des göttlichen Wissens, dass p, kontingent.23 Hieraus erhellt, dass das in Abschnitt 3 vorgestellte Argument mit gemischten Modalitäten arbeitet: Wenn, so die Überlegung, es (i) im weiteren Sinne logisch (und bedingt) notwendig ist, dass, wenn Gott wusste, dass E zu t stattfinden würde, E zu t stattfindet; und wenn es (ii) in einem bestimmten anderen Sinne von ›notwendig‹ (absolut) notwendig ist, dass Gott wusste, dass E (zu t) stattfinden würde; dann ist es (iii) auch in einem bestimmten Sinne (absolut) notwendig, dass E zu t stattfindet. Obwohl dies aus Molinas Formulierungen nicht explizit hervorgeht, liegt es dabei nahe zu unterstellen, dass die in der Konklusion zugeschriebene (absolute) Modalität dieselbe sein soll wie die (absolute) Modalität der ersten Prämisse. Unter dieser Annahme hat die Schlussregel, die das in 52.3 vorgestellte gegnerische Argument verwendet, die allgemeine Form Np, □(p⊃q) |– Nq.24 23
Für einen semitechnischen Beweis dieser auch intuitiv einleuchtenden Überlegung siehe etwa von Wright (1984), S. 68. 24 In der neueren Debatte um van Inwagens Konsequenzargument hat David Widerker (1987) eine Regel dieser Form als Verbesserung von van Inwagens Regel Beta vorgeschlagen. Vgl. auch Warfield (1996), der ebenfalls ein Prinzip dieser Form vorschlägt, N jedoch statt im Sinne von van Inwa-
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Um die Stichhaltigkeit des Arguments zu prüfen, gilt es nun u. a. zu fragen, unter welcher inhaltlichen Interpretation der hier mit N repräsentierten Modalität ein Schluss dieser Form tatsächlich gültig bzw. die entsprechende Regel korrekt ist. Eng an Thomas angelehnt, führt Molina wieder zwei Begründungen dafür an, dass das Antezedens – »Gott hat gewusst, dass dieses geschehen wird« – absolut notwendig sei: Diese Aussage sei (i) ewig sowie auch (ii) vergangen (wobei gemeint ist, dass sie von Vergangenem handelt), doch über Vergangenes habe man keine Macht. Bei Thomas heißt es an der betreffenden Stelle: »… tum quia est aeternum, tum quia significatur ut praeteritum …« (ST I, q. 14, a. 13). Beginnen wir mit einem Blick auf die Vergangenheits-These. Auch in Molinas Antwort in 52.34 sagt er: »… angenommen auch, das Antezedens sei im besprochenen Sinn notwendig, weil es von Vergangenem handelt und weil auf Gott kein Schatten von Unsicherheit fallen kann«. Auf die Ewigkeits-These kommt Molina in 52.34 nicht nochmals zu sprechen. Das legt nahe, dass er diese Prämisse des gegnerischen Arguments im Sinne der Behauptung verstanden wissen will, Gott habe von beliebigen Ereignissen bzw. speziell von menschlichen Handlungen zu einem beliebigen Zeitpunkt bzw. »schon immer«, zu allen Zeiten vor deren Eintreten, gewusst, dass sie stattfinden würden. Gottes Vorherwissen ist dann in einer Weise notwendig, die in einer bekannten Terminologie Williams von Sherwood akzidentelle Not wendigkeit heißt. Vereinfacht gesagt, ist ein Geschehen zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen gegebenen Akteur genau dann akzidentell notwendig, wenn es zu diesem Zeitpunkt bereits vergangen ist oder jedenfalls bereits stattfindet und es deshalb nunmehr unabänderlich ist.25 Wenn Cäsar am frühen Morgen des gens mangelnder Wahlfreiheit im Sinne von mangelnder Verantwortlichkeit interpretiert. 25 William schreibt in seinen Introductiones in Logicam (11, S. 34): »Akzidentell notwendig aber ist, was weder gegenwärtig noch zukünftig falsch
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10. Januar im Jahre 49 v. Chr. den Rubikon überquerte, so ist dies von diesem Zeitpunkt an akzidentell notwendig, weil dann niemand dieses Ereignis mehr ungeschehen machen kann. Gleichwohl ist Cäsars Handlung natürlich nicht (im weiteren Sinne) logisch notwendig, denn es gibt mögliche Welten, in denen er zu diesem Zeitpunkt den Rubikon nicht überquerte oder ihn niemals überquerte oder in denen er noch nicht einmal existiert. Siehe zu diesem Thema auch die Ausführungen in der Einleitung, Kap. 4.5, zu Thomas’ Erörterung des Arguments. Molina verwendet den Ausdruck ›necessarium per accidens‹, soweit wir sehen, nicht; doch inhaltlich ist in seinen Texten oft von einer solchen Form von Notwendigkeit die Rede. Unter mittelalterlichen Aristotelikern gehörte sie zum Standardrepertoire der Analyse von Modalitäten. Schon bei Aristoteles selbst findet sich neben anderen Notwendigkeitsbegriffen auch ein solcher temporaler, wie etwa der erste Satz von De int. 9 belegt, in dem es heißt, dass – im Unterschied zu Aussagen über Zukünftiges – bei dem, was (gegenwärtig) ist, und bei dem, was schon geschehen ist, bejahende oder verneinende Aussagen über die betreffenden Sachverhalte notwendigerweise wahr oder falsch sein müssen.26 Weitere klassische Quellen, die Molina sicher kannte, sind die beiden einflussreichen Kommentare des Boethius zu De int. Boethius illustriert den Punkt in seinem zweiten (dem »großen«) Kommentar u. a. folgendermaßen: »Wenn ich letzte Nacht freiwillig zurück aufs Land aufgebrochen bin, dann konnte es, bevor dies geschah, sein, dass ich nicht aufbrechen würde. [Doch] nachdem ich aufgebrochen bin oder sobald ich aufgebrochen bin, kann es nicht sein, dass [dann] nicht geschah, was geschah, oder nicht getan wurde, was getan wurde. Des Weiteren ist es möglich, dass diese Tunica, die ich trage, zerrissein kann, jedoch einmal falsch sein konnte.« (»Necessarium autem per accidens est, quod non potest nec poterit esse falsum, potuit tamen.«) 26 Vgl. außerdem Aristoteles (Metaphysik) 9, c.4, 1047 b 3–30.
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sen wird. Falls sie gestern zerrissen wurde, dann konnte es, wenn sie zerrissen wurde oder nachdem sie zerrissen wurde, nicht sein, dass sie nicht zerrissen wurde oder zerrissen sein würde. Bevor sie aber zerrissen wurde, konnte es sein, dass sie nicht zerrissen werden würde.«27
Insgesamt sprechen diese Überlegungen für eine Lesart, der zufolge es in dem in 52.3 vorgestellten gegnerischen Argument darum geht, dass es für alles, was faktisch geschieht, und somit insbesondere auch für menschliche Handlungen und Entscheidungen, zum Zeitpunkt des Geschehens sowie auch zu einem beliebigen von dem jeweiligen Geschehen aus früheren Zeitpunkt bzw. zu allen jeweils früheren Zeitpunkten akzidentell (und absolut) notwendig ist, dass Gott gewusst hat, dass es so geschehen werde, wie es geschieht. Diese Deutung legen auch Molinas Antworten in 52.32 und 52.34 nahe. In 52.34 würde er demnach leugnen, dass die vom gegnerischen Argument verwendete Schlussregel Np, □(p⊃q) |– Nq, mit N im Sinne akzidenteller Notwendigkeit interpretiert, gültig ist. Molina, so scheint es auf den ersten Blick, leugnet in seiner Antwort, dass akzidentelle Notwendigkeit geschlossen ist unter strikter Implikation.28 Betrachten wir indessen auch den zweiten Teil der Begründung für die angebliche Notwendigkeit der Aussage »Gott hat gewusst, dass dieses geschehen wird«, nämlich dass sie ewig sei (quia aeternum). Gemeint sein dürfte, dass mit dieser Aus27
»Rursus si ipse sponte praeterita nocte in agrum profectus sum, antequam hoc fieret, ut non proficiscerer fieri poterat, postquam profectus sum vel cum profectus sum, ut id non fieret quod fiebat aut non factum esset quod erat factum, fieri non valebat. Amplius possibile est scindi hanc qua vestior tunicam: si hesterno die scissa est, cum scindebatur aut postquam scissa est, ut non scinderetur aut non esset scissa, fieri nequibat, ante vero quam scinderetur, fieri poterat ut non scinderetur« (Boethius, Comment. II, 190.19–191.2). 28 Diese Deutung schlagen vor Freddoso (1988 b), S. 58; Zagzebski (1991), s. S. 131 f.; Fischer (2008).
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sage Gott ein Wissen zuerkannt wird, das dieser »von Ewigkeit her« oder »in (seiner Seinsweise der) Ewigkeit« hat. Was bedeutet hier »Ewigkeit«? Grundsätzlich könnte von innerzeitlicher, sempiternaler Ewigkeit die Rede sein, die sich vom Zeitpunkt einer menschlichen Handlung bzw. vom Zeitpunkt des Sprechers aus, der einem Akteur eine Handlung zuschreibt, unendlich in die Vergangenheit erstreckt. Plausibler hingegen ist hier eine Interpretation im Sinne außerzeitlicher, atemporaler Ewigkeit. Beide Deutungen ließen sich durch den Einfluss von Aristoteles auf Thomas und Molina stützen, denn Aristoteles identifiziert in einigen Schriften Notwendigkeit mit immerseiender, ständiger Aktualität und Gegenwärtigkeit. In De generatione et corruptione etwa sagt er in diesem Sinne: »Wenn etwas aus Notwendigkeit ist, ist es ewig, und wenn es ewig ist, ist es aus Notwendigkeit«.29
Thomas lässt sich so lesen (z. B. in ST I, q. 14, a. 13, ad 2), dass er auch die Notwendigkeit von atemporal-ewig Gegenwärtigem und ständig Aktualem mit dieser aristotelischen Lehre begründet, und dies dürfte auch Molina beeinflusst haben. (Vgl. hierzu die ausführlicheren Hinweise im Abschnitt über Thomas in der Einleitung.) Was genau Molina in Abschnitt 52.3 vorschwebt, ist nicht zweifelsfrei zu sagen, zumal er in seiner Antwort in 52.34 auf das zweite gegnerische Argument auf den Ewigkeits-Teil der Begründung dafür, dass das Antezedens »absolut notwendig« sei, nicht zurückkommt. Vermutlich hat er die genaue Deutung an dieser Stelle bewusst offen gelassen. Offiziell akzeptierte Molina, wie Thomas, Boethius und Augustinus, für Gott einen außerzeitlichen Ewigkeitsbegriff. Obwohl Molina in der Concor dia oft temporale Redeweisen zur Beschreibung göttlicher Akte Ὥστ᾿ εἰ ἔστιν ἐξ ἀνάγκης, ἀΐδιόν ἐστι, καὶ εἰ ἀΐδιον, ἐξ ἀνάγκης (Aristoteles, De generatione, II, c. 11, 338 a 1–2). 29
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und Attribute verwendet, ist seine offizielle Position ein theologischer Atemporalismus. In Abhandlung 48 beispielsweise diskutiert er, wie es in deren Titel heißt, »ob alle Dinge, die in der Zeit existieren, existiert haben und existieren werden, Gott ihrer eigenen Existenz gemäß von Ewigkeit her gegenwärtig sind.«30 Und er erläutert: »Da die Ewigkeit … ihrer selbst gemäß eine gewisse unteilbare Dauer ist, ein simultanes Ganzes vereinigend, der Dauer nach von unendlicher Erstreckung, durch die sie als Ganzes koexistiert und korrespondiert mit allem Zeitlichen und mit jedem seiner einzelnen Abschnitte oder Zeitpunkte, ergibt sich, dass das Ganze der Zeit und was immer in ihr existiert oder nachfolgend sein wird, koexistiert mit dem – und existiert im – unteilbaren Jetzt der Ewigkeit, vor welchem nichts ist und nach welchem nichts ist und in dem weder ein Früher noch Später noch ein Vergangenes oder Zukünftiges auszumachen ist, sondern nur eine unteilbare, vollständig simultane Dauer.«31
Molina weist dann u. a. darauf hin, dass vor diesem Hintergrund schon die »heiligen Kirchenväter manchmal leugnen, dass Gott im eigentlichen Sinne Vorherwissen hat« und dass im unteilbaren Jetzt der Ewigkeit, welches auch die eigentliche Dauer des göttli chen Wissens sei, alle Dinge gegenwärtig seien und koexistierten und in ihnen kein Früher und kein Später sei. Hieraus ergebe 30
»Utrum omnia quae in tempore sunt, fuerunt ac erunt sint ex aeternitate Deo praesentia secundum suas proprias existentias« (Molina, Concordia, disp. 48, Überschrift, S. 299). 31 »[C]um aeternitas … sit secundum se duratio quaedam indivisibilis tota simul unite habens latitudinem durativam infinitam qua coexistit et cor respondet tota toti tempori et tota singulis partibus ac punctis illius … fit ut totum tempus et quicquid in eo est aut fit successive coexistat et sit in indivisibili nunc aeternitatis, ante quod nihil est et post quod aliquid non est, in quo neque cernitur prius aut posterius neque praeteritum aut futurum, sed duratio indivisibilis tota simul« (Molina, Concordia 48.2, S. 300).
52.3 113
sich, dass im Hinblick auf die Existenz der Dinge in Ewigkeit Gott kein Vorherwissen besitze, wenngleich im Hinblick auf die Zeit gelte, dass Gott, der die Dinge eine unendliche Zeitspanne kenne, bevor sie existierten, im ganz eigentlichen Sinne Vorherwissen habe.32 Im Anschluss an diese, auf den ersten Blick nicht kohärent erscheinenden Ausführungen zitiert Molina als Autoritäten Augustinus, Anselm und Boethius. Insgesamt kann man vor dieser Folie das von Molina in Abschnitt 52.3 rekonstruierte Argument auch so verstehen, dass es Gott außerzeitliches Wissen über Ereignisse zuschreibt, die aus unserer Sicht, für uns zu bestimmten Zeiten vorkommen, und dass daher beide Beschreibungen, sowohl die Rede davon, dass Gott in Ewigkeit um alle (für uns) zukünftigen Dinge weiß, als auch die Rede davon, dass er zu allen (für uns) vergangenen Zeitpunkten bereits wusste, was geschehen würde, legitim sind. Diese letztgenannte Redeweise ist »in unserer Weise des Verstehens«, wie Molina sich oft ausdrückt, nostro intelligendi modo, zu lesen und mit der These verträglich, dass es für Gott im eigentlichen Sinne keine Vergangenheit gibt.33 Für diese Deutung spricht, dass auch Thomas z. B. in seinem Sentenzenkommentar im Anschluss an eine Darlegung seiner These, dass alle göttliche Erkenntnis in zeitloser Ewigkeit vorliegt, einräumt, dass man gleichwohl insofern von göttlichem Vorherwissen sprechen 32
»In eodem sensu interdum negant sancti Patres in Deo esse proprie praescientiam. Etenim, cum in indivisibili nunc aeternitatis quod est propria duratio scientiae divinae omnia sint praesentia et coexistant neque in eo sit prius et posterius, quasi in aliquo aeternitatis possit scire res antea quam sint: fit ut comparatione existentiae rerum in aeternitate non sit praescientia in Deo, tametsi collatione facta ad tempus sit in Deo propriissime prae scientia qui res scit tempore infinito, antea quam [corr.] sint« (Concordia 48.11, S. 302 f.). 33 ›Simultan‹ mit zeitlichen Dingen und Ereignissen kann Gottes atemporales Wissen dann allenfalls im Sinne einer von Stump und Kretzmann (1981) ›ET-Simultaneität‹ genannten Relation sein, d. h. im Sinne einer Beziehung zwischen etwas Außerzeitlich-Ewigem (eternal) und etwas Innerzeitlichem (temporal). (S. hierzu die Einleitung, Abschnitt 4.3.)
114 Kommentar
könne, als Gott erkenne, was für uns und nicht für ihn zukünftig ist. (»Sed tamen potest dici praescientia, inquantum cognoscit id quod futurum est nobis, non sibi«, In Sent., d. 38, q. 1, a. 5, resp.) Auch Scotus bemerkt in ähnlichem Zusammenhang zu der Überlegung, dass der Vordersatz des Schlusses ›Gott hat Petrus zum Heil vorbestimmt, also wird Petrus notwendig das Heil erlangen‹ sowohl notwendig sei, weil er von etwas Ewigem handele, als auch, weil er sich auf Vergangenes beziehe (Reportatio IA, q. 39– 40, n. 17, S. 74/75). Der durch die Phrase ›er hat vorherbestimmt‹ beschriebene Akt könne ›vergangen‹ genannt werden, insofern er mit unserem vergangenen Jetzt koexistiert habe, und dasselbe gelte auch von der Zukunft – alle drei Zeitstufen unterschieden sich in Gott nicht anders als »nach unserer Bezeichnungsweise« (secundum nostrum modum significandi). Scotus bewertet diesen Gedanken freilich als letztlich wenig hilfreich, denn ein Ereignis kann ihm zufolge nur entweder vergangen, gegenwärtig oder zukünftig sein, jedoch nicht zugleich in mehreren dieser Zeitbestimmungen existieren. Diese Überlegungen haben die folgende interessante Konsequenz für die Deutung des fraglichen, nicht im Sinne logischer Notwendigkeit zu deutenden Notwendigkeitsoperators (N) in der oben rekonstruierten Schlussregel, auf die sich das zweite gegnerische Argument stützt. Wie wir gesehen hatten, soll die von Molina diskutierte Instanz des Antezedens dieser Regel – der Beispielsatz »Gott hat gewusst, dass dieses geschehen wird« – absolut notwendig sein, weil sie sich (i) auf Ewiges bezieht sowie (ii), weil sie von Vergangenem handelt. Wenn aber beide Aspekte jene absolute Notwendigkeit begründen können, dann muss es eine modale Gemeinsamkeit zwischen atemporal Ewigem und Vergangenem geben. Worin könnte diese liegen? Eine gute Kandidatin ist kausale Unbeeinflussbarkeit. Sowohl zeitlos Ewiges als auch Vergangenes liegt für menschliche Akteure – zumindest wenn man Rückwärtsverursachung ausschließt – außerhalb des Bereichs der Dinge, die sie kausal beeinflussen können. In ebendiesem Sinn sind Geschehnisse oder
52.4 115
Sachverhalte beiderlei Typs für uns »notwendig«. In 52.34 wird Molina das in 52.3 vorgestellte gegnerische Argument mit der Begründung ablehnen, dass die oben rekonstruierte Geschlossenheitsregel über den Transfer von Notwendigkeiten (Np, □(p⊃q) |– Nq) ungültig ist. Der vorliegenden Überlegung zufolge läuft dies auf eine Ablehnung der These hinaus, dass kau sale Unbeeinflussbarkeit geschlossen ist unter strikter Implikation. Und da Ereignisse kausal überdeterminiert sein können, ist eine Ablehnung dieser These, im Gegensatz zu einer Ablehnung der These, dass akzidentelle Notwendigkeit geschlossen ist unter Implikation, korrekt.34 Für weitere Ausführungen hierzu siehe unseren Kommentar zu 52.34. Bona consequentia: Wir übersetzen mit »gültiger Schluss«. Molina sagt an anderen Stellen auch »optima consequentia« sowie in ähnlichen Zusammenhängen »consequentia valet« und »consequentia est manifesta« (s. etwa 52.5, 52.7, 52.13, 52.38), was wir mit »vollkommen gültiger Schluss« bzw. mit: »der Schluss ist gültig« oder »der Schluss ist offenkundig gültig« übersetzen. Trotz des aristotelischen Hintergrundes der Überlegung in 52.3 beachte man, dass in all diesen Fällen offenbar nicht das gemeint ist, was Aristoteles einen »vollkommenen« oder »perfekten Syllogismus« (τέλειος συλλογισμός) nennt, denn ein solcher liegt Aristoteles zufolge nur dann vor, wenn es sich um einen Schluss der ersten aristotelischen Schlussfigur handelt. 52.4 Quicquid scitur a Deo necesse est esse: Die von Molina im Anschluss an Thomas angeführte Begründung dafür, dass alles, was Gott weiß, notwendigerweise der Fall ist, besagt, dass auch alles, was Menschen wissen, notwendigerweise der Fall ist, doch göttliches Wissen sicherer ist als menschliches. (Thomas spricht an der betreffenden Stelle wörtlich von »unserem« Wissen: quia etiam omne scitum a nobis necesse est esse; ST I, q. 14, a. 13.) Molina 34
Zu diesem Interpretationsvorschlag zu Molinas Überlegungen vgl. ausführlicher Jäger (2011 a) und (2011 b).
116 Kommentar
wird die These, dass alles, was Gott weiß, notwendigerweise der Fall ist, in 52.35 u. a. im Rückgriff auf die Unterscheidung zwischen necessitas consequentiae und necessitas consequentis desambiguieren und zurückweisen. (Siehe hierzu unsere Kommentare oben zu 52.3 sowie unten zu 52.35 und 52.36.) Was könnte es bedeuten, dass Gottes Wissen sicherer (certior) ist als menschliches? Jedes Wissen kann sich aus begrifflichen Gründen nur auf wahre Propositionen (oder bestehende Sachverhalte, auf Tatsachen) erstrecken. Schon Platon definiert in diesem Sinne ἐπιστήμη als wahre Meinung mit einem (guten) Grund.35 Auch Thomas betont zwar gelegentlich speziell auf göttliches Wissen bezogen, dass es sich nicht auf Nichtseiendes, sondern nur auf Wahres beziehe36; indessen heißt es in dem von Molina hier diskutierten Artikel 13 bei Thomas kurz zuvor im Eingangsargument ebenfalls uneingeschränkt, scientia gebe es nur von Wahrem (scientia non est nisi verorum). Dieser Bestandteil der klassischen Wissensdefinition ist in der Erkenntnistheorie bis heute unkontrovers und, so scheint es, auch Gottes Wissen kann jedenfalls bzgl. der Wahrheitsbedingung nicht perfekter sein als das Wissen anderer epistemischer Subjekte. Molina allerdings wird, bezogen auf kontingentes Zukünftiges, in seiner Antwort in 52.35 an dieser These zu rütteln versuchen und bestimmte Qualifikationen vorschlagen. Die Rede von mehr oder weniger sicherem Wissen in 52.4 und 52.35 kann sich indessen auch auf die Stärke der für das Wissen konstitutiven Überzeugung beziehen oder aber auf die Gründe (oder die Rechtfertigung bzw. Berechtigung), die die Meinung oder Überzeugung stützen, oder auf beides. Im ersten Fall wäre von der subjektiven Sicherheit der für das Wissen konstitutiven S. etwa Theaitet, 201, c, d: Ἔφη δὲ τὴν μὲν μετὰ λόγου ἀληθῆ δόξαν ἐπιστήμην εἶναι. Vgl. auch Aristoteteles (Anal. Post., I, 2, 71 b 25–26), wo es heißt, es sei nicht möglich, das Nicht-Seiende zu wissen (οὐκ ἔστι τὸ μὴ ὂν ἐπίστασθαι). 36 S. etwa ST I, q. 14, a. 9, Eingangsargument: »Videtur quod Deus non habeat scientiam non entium. Scientia enim Dei non est nisi verorum.« 35
52.4 117
doxastischen Einstellung die Rede. Die plausibelste Lesart wäre dann, dass zwar menschliches Wissen keine maximale subjektive Sicherheit erfordert, Gottes Wissen dagegen genau deshalb subjektiv sicherer ist, weil es stets maximal feste Überzeugung involviert. Geht es dagegen um die Sicherheit der Gründe, dann würde das von Molina referierte Argument eine fallibilistische Wissenstheorie zugrunde legen. Sie könnte erklären, inwiefern nicht nur der Umfang, sondern auch die epistemische Qualität menschlichen Wissens von göttlichem Wissen übertroffen wird. Denn angenommen, die für ein Wissen hinreichenden Gründe weisen die gewusste Proposition lediglich als in einem bestimmten Grade wahrscheinlich aus. (Damit wird natürlich nicht geleugnet, dass fallibilistisch aufgefasstes Wissen, wenn es vorliegt, die Wahrheit der gewussten Proposition impliziert.) Dann könnte das Argument lauten, dass bei menschlichem empirischem Wissen tatsächlich oft nur solche falliblen Begründungsbeziehungen vorliegen, doch göttliches Wissen von weltlichem Geschehen niemals in diesem Sinne fallibel ist, weil es allein auf Gottes unfehlbarem Natürlichen und seinem unfehlbaren Mittleren Wissen sowie der direkten und unfehlbaren Einsicht Gottes in seinen eigenen schöpferischen Willensentschluss beruht, durch den er eine bestimmte mögliche Welt aktualisiert. (Vgl. hierzu 52.9 und unseren Kommentar dazu.) Ein fallibilistischer Wissensbegriff hat sich in der zeitgenössischen Erkenntnistheorie gegenüber klassischen infallibilistischen Ansätzen weithin durchgesetzt37; gleichwohl mag er im vorliegenden Kontext anachronistisch erscheinen. Ist es nicht aus historischen Gründen unwahrscheinlich, dass Molina ein solcher Wissensbegriff vor Augen stand, weil mittelalterliche Aristoteliker, darunter insbesondere auch Thomas, den Titel ›Wissen‹ (bei Thomas: scientia) nur im strengen Sinne Bewiese37
Für eine ausführliche Rekonstruktion der erkenntnistheoretischen Konsequenzen einer fallibilistischen Wissenstheorie siehe etwa Fantl und McGrath (2009).
118 Kommentar
nem verleihen? Tatsächlich ist die Situation hier komplizierter. Bei vielen mittelalterlichen Autoren gilt das eben Gesagte nur für Wissen in einem engen Sinne, wobei jedoch andere Wissensformen sehr wohl zugelassen sind und konzediert wird, dass es Wissen auch von empirischen und nicht deduktiv-demonstrativ bewiesenen Sachverhalten gibt. Entsprechende Differenzierungen finden sich u. a. bei Averroes (1126–1198) oder Robert Grosseteste (vor 1170–1253). Wichtig für Molina dürften hier vor allem auch Ockham und Thomas gewesen sein. Thomas beispielsweise hebt zwar einerseits an vielen Stellen hervor, dass Wissen im strengen Sinne durch Beweise ausgezeichnet sei (so z. B. in In Anal. Post. I, lect. 3, n. 5: »Gewusst wird das, wovon man einen Beweis hat«, »Illud scitur de quo demonstratio habetur«). Andererseits räumt Thomas, anknüpfend an Aristoteles, ein, dass auch in einem weiteren Sinne von Wissen gesprochen werden könne, für den diese Bedingung nicht gelte. Im vorliegenden Kontext geht es nicht um beliebige kontingente, sondern um zukünftige kontingente Ereignisse. Und obwohl Molina unten in seiner Antwort auf das dritte gegnerische Argument in 52.35 zugesteht, dass es prinzipiell auch »sichere Kenntnis von kontingenten Sätzen, die durch Sinneserfahrung bestätigt wird«, gibt, argumentiert er dort, dass zukünftige kontingente Ereignisse menschlichem, nicht jedoch göttlichem Wissen verschlossen bleiben. Denn anders als göttliches Wissen hänge menschliches von der »Sicherheit seiner Gegenstände« ab, und diese Sicherheit spricht Molina kontingenten zukünftigen Ereignissen ab. Für weitere Überlegungen hierzu siehe unseren Kommentar zu 52.35. 52.5 Molina verwendet hier zunächst dreimal (eine Perfekt- Form von) praecognoscere, ›vorauserkennen‹. Dies wirft die Frage auf, ob er sich hiermit womöglich auf eine andere Art von kognitivem Akt oder Zustand bezieht als den, den er in den vorigen Abschnitten mit (prae)scire (bzw. (prae)scientia) bezeichnet. Eine solche Vermutung lässt sich jedoch nicht erhärten, denn schon
52.5 119
im letzten Satz von 52.5 fasst Molina die Konklusion des dort vorgestellten Arguments abermals im Rückgriff auf den Begriff des Wissens (scientia) zusammen: Wenn etwas trotz göttlichen (Vorher-)Wissens, dass es geschehen werde, nicht geschähe, könnte Gott irren, was jedoch auszuschließen ist. Generell verwendet Molina praescire und praecognoscere bzw. praescientia und praecogni tio in der Abhandlung 52 offenbar austauschbar. Statt wie meistens von praescire und praecognoscere oder gelegentlich von praeno scere (Abschnitte 23, 25, 29) spricht er – offenbar ebenfalls allein aus Gründen stilistischer Variation – auch von prius scire und prius agnoscere (Abschnitt 12), von praeintelligere (Abschnitt 16), oder auch von praevidere (Abschnitte 10, 18, 22, 29, 32), im Sinne eines faktivisch verstandenen ›epistemischen Voraussehens‹. Ferner spricht Molina auch von präexistierendem göttlichen Wissen (praeexistere, 30, 36). Bezogen auf Prophetie verwendet er auch praedicere (21, 24, 27), und wenn von göttlicher Einrichtung der Zukunft die Rede ist, heißt es praedestinare, im üblichen Sinne von ›vorausbestimmen‹ (15, 18 und passim), auch praeiudicare (12) oder praescribere (18). Außerdem kommen häufig die entsprechenden Substantive vor, wie praescientia, praecognitio, praenotio, prae destinatio, praeiudicium, usw. Futurum contingens non est aliud quam id quod evenire et non evenire indifferenter potest: Molina bewegt sich hiermit im auch zu seiner Zeit üblichen allgemeinen Verständnis des Begriffs der Kontingenz. Demzufolge ist p kontingent, wenn es sowohl möglich ist, dass p, als auch möglich, dass nicht-p, oder, äquivalent: wenn es möglich, aber nicht notwendig, oder weder unmöglich noch notwendig ist, dass p. Solche allgemeinen Charakterisierungen lassen unterschiedliche inhaltliche Interpretationen der Modalbegriffe zu. Ein Sachverhalt ist beispielsweise logisch kontingent, wenn er logisch möglich, aber nicht logisch notwendig ist; er ist nomisch kontingent, wenn die für ihn geltenden Gesetze ihn möglich, aber nicht notwendig machen; er ist im erläuterten Sinne temporal oder akzidentell kontingent, wenn er nicht temporal oder akzidentell notwendig ist, usw.
120 Kommentar
Si quod a Deo est praecognitum eventurum non eveniret; … si stante scientia posset non evenire … Deus reipsa falli posset: Hier taucht dieselbe Frage auf, die bereits oben unter 52.4 skizziert wurde. Dass etwas Gewusstes nicht der Fall ist, ist auch im Falle von Vorauswissen aus begrifflichen Gründen unmöglich. Daher braucht die Inkohärenz einer Behauptung von göttlichem Vorauswissen und Ausbleiben des Vorausgewussten nicht theologisch begründet zu werden. Zwar trägt Molina in 52.5 ein Argument seiner Gegner vor. Doch deren theologische Begründung dafür, dass etwas von Gott Vorausgewusstes nicht ausbleiben kann, wird Molina auch in seiner Antwort auf das Argument (in 52.36) nicht bestreiten. Insgesamt könnte man das in Abschnitt 52.5 verhandelte – auch bei anderen Autoren wie etwa Thomas referierte – Argument für die Unvereinbarkeit göttlichen Vorauswissens mit menschlicher Freiheit daher auch so rekonstruieren, dass es sich in einer zen tralen Prämisse sowohl auf einen epistemologischen als auch auf einen theologischen Grund stützt. Die Begründung ist über determiniert: Selbst wenn, per impossibile, prinzipiell zugelassen wäre, dass (Voraus-)Wissen irren kann, ist dies für göttliches Wissen auch aus theologischen Gründen ausgeschlossen. 52.6 Molina verweist in diesem Abschnitt auf jene berühmte Überlegung für den logischen Determinismus, die Aristoteles in De int. 9 erörtert. Molinas Hinweis auf das letzte Kapitel des ersten Buchs von De int. beruht auf dessen im ausgehenden Mittelalter noch üblicher Einteilung in zwei Bücher38; das letzte Kapitel des ersten Buchs von De int. ist nach heutiger Einteilung, welche die vierzehn Kapitel einem einzigen Buch zuweist, Kap. 9. 38
Boethius, dessen Übersetzung eines Teils des Organon (Logica vetus) die mittelalterliche Rezeption der aristotelischen Logik wesentlich bestimmte, teilt De int. im ersten seiner beiden Kommentare in zwei Bücher ein (in seinem zweiten Kommentar unterscheidet er fünf Bücher), von denen das erste die ersten neun und das zweite die übrigen fünf Kapitel umfasst.
52.6 121
In seiner Darstellung des fünften gegnerischen Arguments unterscheidet Molina (i) propositiones de futuro contingenti; (ii) das mit solchen propositiones Bezeichnete, im Sinne der mit ihnen beschriebenen Sachverhalte oder des Behaupteten (res significa tae per propositiones de futuro contingenti); sowie (iii) das göttliche Wissen von solchen Sachverhalten (scientia divina quae de ipsis ha betur), das in festgelegter Weise (determinate) wahr sei. Als Wahrheitswertträger zeichnet er sowohl jene propositiones als auch das betreffende göttliche Wissen aus. Was ist damit gemeint, dass göttliches Wissen von kontingentem Zukünftigen in festgelegter Weise wahr ist? Gemeint sein könnte, dass es (in festgelegter Weise) wahr ist, dass es (a) dieses göttliche Wissen gibt; oder, vom Text her womöglich zunächst näher liegend, dass (b) dieses Wissen selbst als ›wahr‹ zu bezeichnen ist. (Zur Rede von »in festgelegter Weise« – determinate – siehe die Erläuterungen unten.) In diesem zweiten Fall wäre die Rede von ›wahrem Wissen‹ analog zu verstehen wie die von ›wahren Meinungen‹, wobei dann eine Akt-Inhalt-Äquivokation zu berücksichtigen wäre. (Sollen die Zustände selbst oder deren Inhalte als wahr bezeichnet werden?) Da Wahrheit (oder Falschheit) nur in einem derivativen Sinne von doxastischen Zuständen und Einstellungen ausgesagt wird, wäre Lesart (b) am sinnvollsten so zu verstehen, dass primär die Inhalte göttlichen Wissens über kontingentes Zukünftiges wahr sind. Allerdings gibt es Wissen ohnehin per definitionem nur von Wahrem, und somit wäre die Rede von ›wahrem Wissen‹ in diesem Fall pleonastisch. Diese Tatsache sowie auch Molinas Antwort auf das Argument in 52.37 (s. unsere Rekonstruktion unten) legen Lesart (a) nahe. Inspiriert ist Molinas Unterscheidung zwischen wahren und falschen propositiones und dem mit ihnen Behaupteten (oder Behauptbaren) offenbar durch analoge Differenzierungen in De int. 9, wo Aristoteles unterscheidet zwischen jeweils wahren oder falschen bejahenden oder verneinenden Aussagesätzen (κατάφασις, ἀπόφασις) und dem, was mit diesen als der Fall
122 Kommentar
seiend behauptet wird. In der heutigen Philosophie bezeichnet ›Proposition‹ meist etwas auf dieser Ebene des mit sprachlichen Zeichen Gesagten bzw. Sagbaren, also einen Typ von Entität im Bereich dessen, was Molina als »res significatae per propositiones« (unsere Hervorhebung) bezeichnet. Da im vorliegenden Zusammenhang klar ist, dass Molina propositio für Zeichenkomplexe verwendet, mit denen propositionale Inhalte ausgedrückt werden können, übersetzen wir den Terminus hier und an ähnlichen Stellen mit ›Satz‹ bzw. ›Aussagesatz‹. Siehe hierzu auch unsere Vorbemerkungen oben zum vorliegenden Kommentar. Eine propositio in diesem von Molina zugrunde gelegten Sinne kann implizit oder explizit kontextsensitive Zeitbezüge oder andere indexikalische Komponenten enthalten. Lässt man daher eine propositio als Wahrheitswertträgerin zu, dann ergibt sich, dass sie, anders als in den meisten der heute üblichen Verwendungen von ›Proposition‹, ihren Wahrheitswert ändern kann. (Die propositio ›Morgen findet eine Seeschlacht statt‹ beispielsweise kann demnach an bestimmten Tagen wahr, an anderen falsch sein.) Die Wurzeln dieses Ansatzes liegen wieder bei Aristoteles, der sagt, derselbe logos scheine (bisweilen) wahr und (bisweilen) falsch zu sein (αὐτὸς λόγος ἀληθής τε καὶ ψευδὴς εἶναι δοκεῖ, Kat. 5, 4 a 23–24). Der logos etwa, dass jemand (Bestimmtes) sitze, sei wahr, doch wenn die betreffende Person aufstehe, werde derselbe logos falsch. Weiter unten erklärt Aristoteles hierzu, was sich mit der Zeit ändere, sei nicht der logos, sondern die Sache (5, 4 a 36–b 1).39 Die Wörter significare und significatio stehen im mittelalterlichen Sprachgebrauch für bestimmte Bedeutungsbeziehungen. Eine vox significativa ist ein bedeutungstragender Laut, im Unterschied zu bloßen stimmlichen Geräuschen. Nach einer im Mittelalter üblichen definitorischen Umschreibung gilt: significare 39
Für die Bedeutung dieses Punktes für die Interpretation von De int. 9 siehe den vieldiskutierten Aufsatz von Hintikka in id. (1973), Kap. VIII. Mehr hierzu folgt unten.
52.6 123
est intellectum generare.40 In der Frage, ob die allgemeinen Wörter (Prädikatoren) die einzelnen Fälle, von denen sie wahrheits gemäß ausgesagt werden können, oder aber deren gemeinsame ›Natur‹ bedeuten, bestand der Universalienstreit. Am Beginn des 14. Jahrhunderts kam dazu die Frage, ob nicht auch ganze Sätze als syntaktisch und semantisch komplexe Zeichengebilde (complexiones) eine eigene Bedeutung haben. Man fand dafür den Ausdruck complexe significabile und dachte damit wohl an so etwas wie den durch einen Satz ausgedrückten Sachverhalt oder eben, in heutiger Terminologie, die ausgedrückte Proposition. Dieser Ansatz stand einige Zeit hoch im Kurs und hatte etwa in Gregor von Rimini (1300–1358) einen prominenten Vertreter, traf aber auch auf entschiedene Gegner, die in diesem durch den Satz Bedeutbaren ein Paradebeispiel für überflüssige Entitäten sahen. Molina dagegen arbeitet in 52.5 inhaltlich mit einer entsprechenden Unterscheidung. Neben propositio verwendet auch Molina bisweilen, und offenbar synonym, den Ausdruck comple xio (etwa in 52.9 und 52.35). Propositiones de futuro … sint determinate verae: Der Ausdruck determinate verae hat in der Tradition der Auseinandersetzungen mit De int. 9 eine technische Bedeutung. Pointiert gesprochen, verdichtet sich in ihm die seit den antiken Kommentaren bis auf den heutigen Tag andauernde Kontroverse um die Deutung der in jenem Kapitel von Aristoteles vorgelegten Darstellung und (Auf-)Lösung des Problems des logischen Determinismus. Un40
Ockham beispielsweise schreibt: »Ein ›bedeutungstragender Laut‹ im engeren Sinn aber ist einer, der ein Verständnis einer bestimmten Sache hervorbringt.« (»Stricte autem ›vox significativa‹ est illa quae alicuius rei determinatae intellectum facit«; In Periherm. I, c. 1, § 1, S. 378, Z. 47 f.). Abaelard (1079–1142) zufolge wurde diese Auffassung etwa von Garmundus von Tournai († vor 1107) vertreten (Abaelard, Dialectica, tr. 1, vol. 3, lib. 1, S. 112), und ihr Ausgangspunkt liegt wieder bei Aristoteles (De int., 3, 16 b 20–21), der u. a. sagt, dass für sich genommen auch die Verben etwas bedeuten, weil derjenige, der sie äußert, und derjenige, der sie hört, mit seinem Denken bei ihnen »zum Stillstand« kommt.
124 Kommentar
sere Übersetzung des Ausdrucks durch ›in festgelegter Weise wahr‹ ist u. E. an dieser Stelle anderen Optionen (wie etwa ›in determinierter Weise wahr‹, ›definitiv wahr‹ oder ›mit Bestimmtheit wahr‹) vorzuziehen. Der so genannten traditionellen oder Standardinterpretation von De int. 9 zufolge bestreitet Aristoteles dort die uneingeschränkte Geltung des Bivalenzprinzips: Für singuläre Behauptungssätze über kontingentes Zukünftiges gilt dieser Interpretation zufolge laut Aristoteles nicht, dass sie entweder wahr oder falsch sind. Im zweiten seiner beiden berühmten Kommentare zu De int. schreibt Boethius diese Lesart des Kapitels z. B. den Stoikern zu (Boethius, Comment. II, 208, 1–9). Kretzmann (2013) nennt sie die »älteste Interpretation« von De int. 9. Diese älteste oder traditionelle Interpretation von De int. 9 wird oft mit Boethius und Ammonios in Verbindung gebracht; allerdings versehen diese ihre Überlegungen mit einer wichtigen Qualifikation: Aussagen über kontingentes Zukünftiges seien für Aristoteles nicht in festgelegter Weise oder in einem definiten, bestimmten Sinne (ὡρισμένως, ἀφωρισμένως, determinate, definite) wahr oder falsch. Boethius sagt hierzu in seinem zweiten Kommentar: »Kontingente Dinge sind … was immer sich zum Sein oder zum Nichtsein gleichermaßen verhält, und so wie sie indefinit Sein und Nicht-Sein besitzen, so haben auch die Behauptungen über sie indefinite Wahrheit oder Falschheit. Denn eine ist immer wahr, die andere immer falsch, doch welche wahr und welche falsch ist, ist bei kontingenten Dingen noch nicht bekannt.«41 41
»Contingentia autem sunt (ut supra iam diximus) quaecumque vel ad esse vel ad non esse aequaliter sese habent, et sicut ipsa indefinitum habent esse et non esse, ita quoque de his affirmationes indefinitam habent veritatem vel falsitatem, cum una semper vera sit, semper altera falsa sed quae vera quaeve falsa sit, nondum in contingentibus notum est« (Boethius, Comment. II, 200, 11–18. Vgl. außerdem Ammonios, Comment. 131, 2–4; 138, 16–17; 139, 14; 141, 18–20; 155, 1–2; Boethius, Comment. I, 106, 30–107,
52.6 125
Im Unterschied zu kontingenten Dingen sei bei notwendigen ihr Sein und bei unmöglichen ihr Nichtsein definit. Kretzmann (1987) nennt dies die »zweitälteste Interpretation« und vertritt die (plausible) These, dass Ammonios und Boethius damit auf die stoische Kritik an Aristoteles reagierten: Die Stoiker meinten, dass Aristoteles in De int. 9 mit der Einschränkung des Bivalenzprinzips das falsche Horn des (vermeintlichen) Dilemmas wählt, entweder die Reichweite des Prinzips einzuschränken und singuläre Aussagen oder Behauptungen über Zukünftiges von seiner Geltung auszunehmen oder aber einen universalen Determinismus zu akzeptieren. Denn, so die stoische Kritik, es gehöre zum Wesen einer jeden Aussage, auch einer jeden, die sich auf Zukünftiges bezieht, entweder wahr oder falsch zu sein. Die Stoiker vertraten einen universalen Determinismus und konnten daher, obwohl sie die aristotelische Analyse akzeptierten, an der uneingeschränkten Geltung des Bivalenzprinzips festhalten. Ammonios und Boethius dagegen wollen der betreffenden Deutung zufolge sowohl den Indeterminismus als auch das uneingeschränkte Bivalenzprinzip für Aristoteles retten und versuchen dies im Rahmen einer Lesart von De int. 9, der zufolge Aristoteles dort argumentiert, dass auch singuläre Aussagen über kontingent-Zukünftiges sehr wohl wahr oder falsch sind, dies nur eben nicht ἀφωρισμένως, determinate oder definite. Diese Lesart von Aristoteles hat, wie ein Bericht von Simplikios (ca. 480/490–550) und Ausführungen aus dem Umfeld von Alexander von Aphrodisias (um 200) nahelegen, ihre Wurzeln nicht nur im Neuplatonismus, sondern dürfte auch auf die peripatetische Schule selbst zurückgehen.42 Molinas Rede von »determinate verae« im fünf16; I 125, 16–22; II 200, 2–6; II 208, 7–18; II 245, 9–12; II 246, 12–14; II 249, 29–250, 1). 42 S. Simplikios (Cat.), 407, 6–8. Für ausführlichere Diskussionen des Themas siehe etwa Frede (1970), S. 24–27; Craig (1988), Kap. I; Gaskin (1995), Kap. 2; Sorabji (2013); Seel (2001 a, 2001 b); Mignucci (2001); sowie detailliert Weidemann (2014), S. 302–328, und die in diesen Werken angegebene weitere Literatur. Auch Weidemann erklärt Ammonios und Boethius zu
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ten Eingangsargument sowie auch weiter unten in 52.14, 52.15 und 52.37 steht in dieser, im Mittelalter allgemein bekannten Tradition der Diskussion von De int. 9.43 Ob diese »zweitälteste« Lesart von De int. 9 Aristoteles’ Intentionen trifft und inwieweit der Vorschlag systematisch tragfähig, ja letztlich überhaupt verständlich ist, ist bis heute umstritten. Boethius betrachtet in dem obigen Zitat, so wie Aristoteles selbst in De int. 9, nicht nur einzelne bejahende und verneinende Aussagen, sondern auch kontradiktorische Aussagenpaare der Form {p, ~p} über zukünftiges Kontingentes und schlägt wie Ammonios vor, dass deren Glieder die Wahrheitswerte Wahr und Falsch unter sich »aufteilen« (»veritas et falsitas dividebatur«)44, ohne dass dies jedoch, bevor das betreffende Ereignis eintritt, in festgelegter oder definiter Weise geschehe. Doch genau wie ist dies zu verstehen? In einem ersten Schritt mag man die Idee (etwa mit Seel 2001 b) anhand der vier Optionen von Wahrheitswertverteilungen auf Aussagen- oder Satzpaare {p, q} erläutern: Während grundsätzlich die Verteilungen (1) wahr / wahr, (2) wahr / falsch, (3) falsch / wahr und (4) falsch / falsch in Frage kommen, teilt ein kontradiktorisches Aussagenpaar der Form {p, ~p} die Wahrheitswerte Wahr und Falsch genau dann unter sich auf, wenn nur die Optionen (2) und (3) für es in Frage kommen. Seel (2001 b, S. 235) erläutert dann, »a pair of sentences divides the truth-values in a definite way if and only if it is decided which of the … two cases (2 or 3) obtains; a pair of sentences divides the truth-values in an indefinite way if and only if it is undecided which of the … two den »Hauptquellen für die traditionelle Interpretation von De int. 9«, merkt jedoch explizit an, dass diese Autoren »nicht weniger interpretationsbedürftig … [sind] als der Aristotelische Text« (S. 303). 43 Auch Thomas beispielsweise verwendet in seiner Diskussion des Themas im Sentenzenkommentar (d. 38, q. 1, a. 5, arg. 2) den Ausdruck ›determinate verum‹. 44 Boethius (Comment. II), 199, 26; vgl. Ammonios (Comment.), 128, 22–25 (διαιρεῖν τὸ ἀληθὲς καὶ τὸ ψεῦδος).
52.6 127
cases (2 or 3) obtains« (ibid.). Was, so gilt allerdings zu fragen, soll »unentschieden« hier genau heißen? Wer oder was entscheidet später über die Wahrheitswertverteilung? Weidemann (2014, S. 255–259) unterscheidet in diesem Zusammenhang einen »starken« und einen »schwachen« Wahrheitsbegriff. Seine Überlegung läuft darauf hinaus, dass dem erstgenannten zufolge eine Aussage zum Zeitpunkt t über ein zukünftiges Geschehen nur dann wahr ist, wenn bereits zu t »hinreichende Bedingungen dafür erfüllt sind, dass das, wovon sie behauptet, es werde der Fall sein, der Fall sein bzw. nicht der Fall sein wird« (S. 258 f.). Der schwache Wahrheitsbegriff dagegen verlangt lediglich, dass irgendwann, ggf. auch erst in Zukunft, Umstände vorliegen, die die Aussage wahr machen. Im Anschluss an diese von Weidemann (bereits in früheren Auflagen seines Buches) vorgeschlagene Unterscheidung definiert Strobach (1998) zwei zeitbezogene Wahrheitsprädikate, die jeweils »determiniertes«, festgelegtes Wahrsein zu t einer Aussage a (det-Wt(a)) und »indeterminiertes«, nicht festgelegtes Wahrsein von a zu t (indet-Wt(a)) beschreiben. Dabei soll gelten: »det-Wt(a) genau dann, wenn es zu t Umstände gibt, die a wahrmachen« und »indet-Wt(a) genau dann, wenn es irgendwann Umstände gibt, die a wahrmachen« (Strobach 1998, S. 117). Nur der starke Wahrheitsbegriff impliziere gemeinsam mit dem Bivalenzprinzip den Determinismus bzw. zwinge den Indeterministen zur Aufgabe des Bivalenzprinzips. Weidemann (2014, S. 258) argumentiert, der schwache Wahrheitsbegriff habe Aristoteles selbst allerdings fern gelegen, so dass dieser sich zur Aufgabe des Bivalenzprinzips genötigt gesehen habe. Doch wie hat man sich indeterminierte Wahrheit oder Falschheit genauer zu denken? Strobach (1999) folgend, mag man versuchen, die Grundidee zumindest in einem ersten Schritt mit dem Begriff der indefini ten Wahrheitswertdistributivität von Aussagenpaaren zu erläutern. Wahrheitswertdistributiv heiße demnach ein Aussagenpaar {p, q} genau dann, »wenn, gleich, welchen Wahrheitswert [der beiden Werte Wahr und Falsch] p annimmt oder q annimmt, p
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auf jeden Fall den dem Wahrheitswert von q entgegengesetzten Wahrheitswert annimmt« (S. 242 f.). Strobach nennt ein Aussagenpaar {p, q} »genau dann zu t definit wahrheitswertdistributiv, wenn (i) {p, q} wahrheitswertdistributiv ist und (ii) es zu t festliegt, welchen Wert p und welchen q endgültig annimmt« (S. 243). Ein Aussagenpaar {p, q} soll zum Zeitpunkt t genau dann indefinit wahrheitswertdistributiv heißen, wenn es (i) wahrheitswertdistributiv ist, doch (ii) zu t noch nicht feststeht, welchen Wahrheitswert p und welchen q »endgültig annimmt«. In dieser Terminologie beschrieben, behaupten Ammonios, Boethius und andere – darunter insbesondere auch Molina in der Concordia, 52.15, und in seinem eigenen Kommentar zu De int. 9 (Quaestio de futuris contingentibus) – nicht, Aristoteles leugne in De int. 9, dass jedes der beiden Elemente kontradiktorischer Aussagenpaare über kontingent-Zukünftiges der Form {p, ~p} entweder wahr oder falsch ist. Was Aristoteles ihnen abspricht, ist demnach lediglich definite Wahrheitswertdistributivität.45 Die entscheidende Frage an dieser Stelle lautet freilich, ob es sinnvoll und verständlich ist zu sagen, dass eine Aussage einen Wahrheitswert zu einem bestimmten Zeitpunkt »endgültig annimmt«. Das mag man bezweifeln. Was genau etwa heißt es, dass bei einem zu t definit wahrheitswertdistributiven Aussagenpaar zu t festliegt, welchen Wahrheitswert jedes seiner beiden Elemente »endgültig annimmt«? Wie sollen die Dinge vor t liegen? Kann der jeweilige endgültige Wahrheitswert, auch wenn er zu t festliegt, bis dahin ein anderer gewesen sein? Wenn ja, kann er sich beliebig oft ändern, bis er seinen endgültigen Wert angenommen hat? Dürfen die Elemente einer indefinit wahrheitswertdistributiven Aussage, bevor sie ihren endgültigen Wahr45
In dem obigen Zitat sagt Boethius u. a., dass noch nicht bekannt sei (nondum notum est), welchen Wahrheitswert Aussagen über kontingentes Zukünftiges haben. Dies ist, wörtlich genommen, eine epistemische Aussage. Gleichwohl scheint auch gemeint zu sein, dass die Wahrheitswertverteilung über entsprechende Aussagenpaare selbst noch indefinit und eben deshalb noch nicht bekannt ist.
52.6 129
heitswert bekommen, ebenfalls zu vorausliegenden Zeitpunkten bereits Wahrheitswerte haben, doch diese können sich – ebenfalls gewissermaßen bis zu einem endgültigen Ja-Wort – noch (einmal? mehrmals? oft?) ändern? Es darf bezweifelt werden, dass es auf diese und verwandte Fragen gute Antworten gibt. In 52.15 verwirft Molina auch selbst – unter Verweis auf seinen eigenen Kommentar zu De int. 9 (Quaestio de futuris contingentibus) sowie auf Aristoteles und die »allgemeine Auffassung der Lehrer« (doctorum) – die These, dass Aussagen oder Sätze über kontingentes Zukünftiges in festgelegter Weise (determinate) wahr sind. In 52.37 hält Molina jedoch zugleich daran fest, dass es kohärent ist zu behaupten, es sei in festgelegter Weise wahr, dass Gott von kontingenten Ereignissen weiß, dass sie geschehen werden. Für eine detailliertere Rekonstruktion des fünften gegnerischen Arguments siehe unseren Kommentar zu 52.37. Einige Autoren, darunter Freddoso (1988 a, S. 165, Fn. 4, S. 193, Fn. 68), Craig (1988, S. 193–199) und Gaskin (1995), diskutieren die Frage, ob ›determinate vera‹ in der vorliegenden Passage bei Molina womöglich soviel bedeute wie ›notwendigerweise wahr‹. (Craig liest Freddoso so, dass dieser eine solche Interpretation vorschlägt.) Wenn dem so wäre und Molina De int. 9 auf diese Weise verstünde, würde er eine weitere interpretatorische Option, die oft so genannte Nicht-Standard-Interpretation des Kapitels, antizipieren. Diese Lesart von Aristoteles hat neben einigen anderen Autoren etwa Hintikka (1973) in einem vieldiskutierten Aufsatz vorgeschlagen.46 Ein Angelpunkt Hintikkas ist der Hinweis auf einen temporal verstandenen Notwendigkeitsbegriff bei Aristoteles. Wir haben oben bereits eine repräsentative Stelle aus De generatione et corruptione (II, 11, 338 a 1–2) zitiert, aus der hervorgeht, dass für Aristoteles ein Sachverhalt notwendig ist, wenn er immer besteht. Entsprechend gilt seinem korrespondenztheoretischen Ansatz zufolge auch, dass ein Aussagesatz (λόγος) 46
Weitere wichtige Vertreter der Nicht-Standard-Interpretation sind Anscombe (1956) und Rescher (1968).
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notwendig wahr ist, wenn das, was er aussagt, immer der Fall ist. Wie bereits erläutert, kann indes ein logos für Aristoteles indexikalische Komponenten enthalten und ist daher, sofern man ihn als Wahrheitswertträger zulässt, nicht wahrheitswertstabil: Der logos ›Sokrates sitzt‹ beispielsweise ist nicht immer wahr, sondern manchmal wahr und manchmal falsch, weil er implizit indexikalisch ist (›Sokrates sitzt‹ bedeutet: ›Sokrates sitzt jetzt‹). Ebenso wäre demnach der logos ›Morgen findet eine Seeschlacht statt‹ aufgrund der – in diesem Fall expliziten – temporalen indexikalischen Komponente manchmal wahr und manchmal falsch und insofern, so scheint es, für Aristoteles gerade nicht notwendig. Gleichwohl, meint Hintikka, dürfte Aristoteles in De int. 9 nicht nur an solche, sondern auch an temporal definite Aussagesätze der Form ›p zum Zeitpunkt t‹ gedacht haben, wobei ›t‹ einen nicht-indexikalischen Ausdruck repräsentiere, der unabhängig vom Äußerungszeitpunkt einen bestimmten Zeitpunkt oder ein bestimmtes Zeitintervall denotiert. Solche Sätze oder Aussagen sind nun insofern determinate verae, als sie ihren Wahrheitswert nicht ändern. ›Am 29. September 480 v. Chr. findet die Seeschlacht zu Salamis statt‹ ist, wie Aristoteles laut Hintikka zugestehen müsste, wenn es wahr ist – und, so wäre zu betonen: wenn es sinnvoll ist, Aussagesätzen Wahrheitswerte zu Zeitpunkten zuzuschreiben – immer wahr und damit der skizzierten Notwendigkeitsauffassung zufolge notwendig. Gegen diese Deutung von De int. 9 mag u. a. eingewandt werden, dass Aristoteles dort an keiner Stelle solche temporal definiten logoi betrachtet, sondern ausschließlich solche mit explizit oder implizit temporal-indexikalischen Elementen. Andererseits handelt die mit einem Satz an einem bestimmten Tag gemachte Aussage oder Behauptung ›Morgen findet eine Seeschlacht statt‹ sehr wohl von einem bestimmten Tag. In der von David Kaplan (1989) vorgelegten, einflussreichen Semantik für indexikalische Ausdrücke etwa ist ›morgen‹ (und jeder synonyme Ausdruck einer anderen Sprache) ein direkt referentieller Term, der in (oder relativ zu) einem gegebenen Äußerungskontext genau einen bestimm-
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ten Tag denotiert. Der kontextuell festgelegte Inhalt (content) des gesamten Aussagesatzes – die Intension des Satzes oder die ausgedrückte Proposition – ist dann in einer möglichen Welt oder relativ zu einem »Bewertungsumstand« (circumstance of evalua tion) wahr oder falsch und ändert ihren Wahrheitswert, bezogen auf eine bestimmte mögliche Welt, nicht. Indexikalische Sätze sind demnach, vereinfacht gesagt, als Funktionen zu verstehen, die Äußerungskontexten Propositionen zuordnen, und Propositionen sind Funktionen, die möglichen Welten Wahrheitswerte zuordnen. Die Zeitbezüge in den Beispielen in De int. 9 lassen sich auch in diesem Sinne verstehen 47, und im Rahmen der aristotelischen Modaltheorie erscheint dann eine Lesart von ›determinate vera‹ im Sinne von ›notwendig wahr‹ nicht abwegig.48 Obwohl diese Nicht-Standard-Interpretation von De int. 9 ein interessanter und erhellender (obzwar kontroverser) Ansatz ist, der im aristotelischen Rahmen eine Lesart von ›determinate vera‹ im Sinne von ›notwendig wahr‹ plausibel machen könnte, ist insgesamt festzuhalten, dass sich bei Molina, so weit wir sehen, weder in seinem eigenen Kommentar zu dem Kapitel noch an anderer Stelle in der Concordia oder anderswo Hinweise auf eine solche Deutung von De int. 9 finden. Seine Ausführungen in 52.15, in denen es heißt, es widerspreche der Lehre des Aristoteles und der Lehrer, dass kontingentes Zukünftiges aus der 47
Dies tut z. B. White (1979). Gaskin (1995) wendet ein, dass diese Deutung nicht gut zu Molinas eigenem Kommentar zu De int. 9 passe und dass bei dieser Deutung auch die Dialektik des von Molina in 52.6 referierten Arguments schwer nachvollziehbar wäre. Denn wenn ›determinate vera‹ sich hier auf notwendige Wahrheit bezöge, sei es offenbar unnötig (über Zwischenschritte) zu argu mentieren, dass daraus, dass Aussagesätze über kontingentes Zukünftiges diese Eigenschaft haben, folgt, dass das mit ihnen Gesagte notwendig wahr ist. Gegen Gaskin mag man geltend machen, dass ein entsprechendes Argument im vorliegenden Kontext deshalb nicht trivial oder überflüssig wäre, weil immerhin von der Notwendigkeit bestimmter Aussagesätze auf die Notwendigkeit der mit diesen beschriebenen zukünftigen Sachverhalte oder Ereignisse geschlossen würde. 48
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Natur der Sache heraus in festgelegter Weise wahr (oder falsch) sei, legen vielmehr nahe, dass Molina sich auf die Seite der »zweitältesten«, von Ammonios und Boethius propagierten Lesart von De int. 9 schlägt. Die These, Aristoteles bestreite, dass Sätze über kontingentes Zukünftiges bereits wahr oder falsch seien, spielte auch in einer großen Kontroverse an der Universität Löwen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Petrus de Rivo hatte angesichts des Problems der futura contingentia eine dreiwertige Logik entwickelt und argumentiert, dass u. a. verschiedene Bibelstellen (etwa Lk 1,45; Lk 1,31 f.; Lk 24,44, Hebr. 10,1) nahelegen, dass Aussagen über kontingentes Zukünftiges noch nicht wahr oder falsch seien. Entweder gebe es in Glaubens artikeln über die Zukunft noch keine gegenwärtige und aktuale Wahrheit oder aber man müsse zugestehen, dass das mit ihnen Bezeichnete auch durch göttliche Macht nicht verhindert werden könne. Papst Sixtus IV. verurteilte fünf der Thesen De Rivos in der Bulle Ad Christi Vicarii vom 3. Januar 1474 als »anstößig und vom Pfad des katholischen Glaubens abweichend« (scandalosae et a ca tholicae fidei semita deviae)49; De Rivo nahm sie daraufhin zurück. Aristoteles fasst die in De int. 9 diskutierte Überlegung u. a. wie folgt zusammen: »Es sind also die hier aufgezeigten und andere derartige absurde Konsequenzen, die sich ergäben, wenn denn notwendigerweise für jede bejahende und die ihr (kontradiktorisch) entgegengesetzte verneinende Aussage … gälte, daß die eine von ihnen wahr und die andere falsch ist; es ergäbe sich nämlich, … daß überall dort, wo etwas geschieht, nichts je nachdem, wie es sich gerade träfe, so oder nicht so wäre, sondern daß alles mit Notwendigkeit der Fall wäre und geschähe, so daß wir weder Überlegungen anzustellen noch in der Erwägung tätig zu sein bräuchten, es werde, wenn wir 49
Vgl. Denzinger / Hünermann (Enchiridion) 1391–1396 sowie die Textsammlung von Baudry (1950).
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das und das tun, das und das der Fall sein, wenn wir es aber nicht tun, nicht. Denn es steht ja nichts im Wege, daß selbst zehntausend Jahre im voraus einer behauptete, das und das werde dann sein, und ein anderer, dies werde dann nicht sein, so daß mit Notwendigkeit eintreffen würde, was auch immer von beidem schon damals wahrheitsgemäß hätte vorhergesagt werden können«.50
Das von Molina in 52.6 betrachtete Argument lässt sich vor diesem Hintergrund insgesamt wie folgt rekonstruieren: Wenn – wie in der von Aristoteles erörterten Überlegung behauptet – sich bereits aus der festgelegten oder definiten Wahrheit von singulären Aussagesätzen über angeblich kontingentes Zukünftiges ergibt, dass die von ihnen beschriebenen Sachverhalte oder Ereignisse notwendig sind, dann ergibt sich dies auch aus in festgelegter Weise oder definit wahren Zuschreibungen göttlichen Wissens, das sich auf angeblich kontingentes Zukünftiges bezieht. Molinas Exposition des fünften gegnerischen Arguments führt damit unmittelbar auf die Frage, ob der theologische und der logische Determinismus tatsächlich, wie meist behauptet, zwei logisch voneinander unabhängige Thesen sind oder ob nicht der theologische nur logischer Determinismus in theologischem Gewand ist. Reflexionen über die Beziehungen zwischen logischem und theologischem Determinismus waren unter mittelalterlichen Aristotelikern weit verbreitet. Ihre Wurzeln reichen zurück bis zu Alexander von Aphrodisias (De fato, XXX– Τὰ μὲν δὴ συμβαίνοντα ἄτομα ταῦτα καὶ τοιαῦθ᾿ ἕτερα, εἴπερ πάσης καταφάσεως καὶ ἀποφάσεως, ἢ ἐπὶ τῶν καθόλου λεγομένων ὡς καθόλου ἢ ἐπὶ τῶν καθ᾿ ἕκαστα, ἀνάγκη τῶν ἀντικειμένων εἶναι τὴν μὲν ἀληθῆ, τὴν δὲ ψευδῆ, μηδὲν δὲ ὁπόπερ᾿ ἔτυχεν εἶναι ἐν τοῖς γιγνομένοις, ἀλλὰ πάντα εἶναι καὶ γίγνεσθαι ἐξ ἀνάγκης. ὥστε οὔτε βουλεύεσθαι δέοι ἂν οὔτε πραγματεύεσθαι, ὡς ἐὰν μὲν τοδὶ ποιήσωμεν, ἔσται τοδὶ, ἐὰν δὲ μὴ τοδὶ, οὐκ ἔσται. οὐδὲν γὰρ κωλύει εἰς μυριστὸν ἔτος τὸν μὲν φάναι τοῦτ᾿ ἔσεσθαι τὸν δὲ μὴ φάναι, ὥστε ἐξ ἀνάγκης ἔσεσθαι ὁπότερον αὐτῶν ἀληθὲς ἦν εἰπεῖν τότε. (Aristoteles, De int. 9, 18 b 26–34). Die Übersetzung folgt Weidemann in Aristoteles (De int. b), S. 95 f. 50
134 Kommentar
XXXI, 200.12–204.5), Ammonios (Comment., 132.9–137.10) und Boethius (Comment. II, 225 f.). Zugunsten der These einer engen logischen Verschränkung ließe sich anführen, dass in der theologischen Variante zunächst von göttlichem Vorherwissen auf die Wahrheit der vorhergewussten Inhalte geschlossen wird und davon ausgehend dann darauf, dass die entsprechenden Ereignisse nicht ausbleiben können. Das von Aristoteles diskutierte logisch-fatalistische Argument schließt direkt, ohne den Umweg über theologische Prämissen, von der Wahrheit von Aussagen oder Propositionen über zukünftige Ereignisse auf deren Unausweichlichkeit. Ist also im theologischen Unausweichlichkeitsargument womöglich die Prämisse über göttliches Vorherwissen insofern überflüssig, weil die eigentliche Arbeit an anderer Stelle geleistet wird? Dies wäre z. B. dann nicht der Fall, wenn sich die Prämisse von der uneingeschränkten Geltung des Bivalenzprinzips bei näherem Hinsehen als logisch abhängig erwiese von der Existenz eines allwissenden Gottes. Diese Abhängigkeit besteht jedoch offenbar nicht: Dass jede Proposition entweder wahr oder falsch ist, impliziert nicht, dass ein allwissender Gott existiert; und umgekehrt impliziert auch die Annahme eines allwissenden Gottes nicht die uneingeschränkte Gültigkeit des Bivalenzprinzips. (Da auch von einem allwissenden Wesen aus begrifflichen Gründen lediglich verlangt ist, dass es Wissen bzgl. aller wahren Propositionen hat, ist die Annahme von Propositionen, die weder wahr noch falsch sind, mit der Annahme eines allwissenden Gottes vereinbar.)51 Hingewiesen sei des Weiteren auf die von Molina in diesem Abschnitt im Anschluss an Aristoteles angedeuteten fatalistisch-defätistischen Konsequenzen des theologischen Determinismus (»… unsere Beratungen seien folglich nichtig«). Vgl. zu diesem Thema unsere ausführlicheren Bemerkungen unter 52.39. 51
Vgl. ausführlicher zu diesen Fragen etwa den nach wie vor erhellenden Aufsatz von Haack (1974).
52.7 135
52.7 Das sechste Argument besagt in seiner Hauptüberlegung, dass, wenn alles Zukünftige vorhergewusst wird, dies die Freiheit aller Entscheidungen außer Kraft setzt oder auf hebt (tol lit) und es somit keine freien Entscheidungen gibt. Also, so die Schlussfolgerung, seien die Thesen, dass (i) Gott alles kontingente Zukünftige vorherwisse und (ii) eine gegebene (menschliche) Entscheidung dennoch frei sei, unvereinbar. Auch dieses sechste Argument verwendet Molina in fast gleichlautender Fassung bereits in De scientia Dei (1572). Eine sehr ähnliche Fassung findet sich schon bei dem bekannten mittel alterlichen Theologen Marsilius von Inghen (ca. 1330–1396) in dessen Kommentar zu distinctio 38 des Liber Sententiarum von Petrus Lombardus.52 In De scientia Dei spricht Molinas Beispiel, statt wie in der Concordia vom sündigenden Petrus, vom sündigenden Sokrates und bewegt sich damit noch näher am Wortlaut von Marsilius. Marsilius schreibt: »Fünftens wird so argumentiert. Es folgt korrekterweise: Gott weiß, dass Sokrates morgen sündigen wird, also wird Sokrates morgen sündigen. Es gilt also: Wer nicht die Macht hat, das Antezedens zu verhindern, hat auch nicht die Macht, das Konsequens zu verhindern. Der Schluss gilt, denn wenn man das Antezedens eines gültigen Schlusses als wahr annimmt, gilt immer sein Konsequens, das heißt, dass es sich so verhält, wie durch es zu verstehen gegeben wird. Es steht aber nicht in der Macht des Sokrates, das Antezedens zu verhindern, da Sokrates das göttliche Wissen nicht verhindern kann. Also steht es nicht in seiner Macht, das Konsequens zu verhindern, nämlich nicht zu sündigen. Also folgt, dass er notwendigerweise sündigen wird, also wird der Schluss vom Anfang bis zum Ende gelten: Gott weiß, dass Sokrates morgen sün-
52
Gelegentlich ist in der Literatur auf den Einfluss des Marsilius von Inghen auf Molina in allgemeinerer Weise hingewiesen worden. S. etwa Hoenen (1992).
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digen wird, also wird Sokrates notwendig sündigen, also hebt das Wissen um Zukünftiges die Kontingenz auf.«53
Wie schon in 52.6 heißt es in der Präsentation der gegnerischen Argumente in 52.7 nicht nur, dass Gottes Vorauswissen mit der Kontingenz menschlicher Entscheidungen, sondern auch, dass es mit deren Freiheit unvereinbar sei. Molina stellt dann zunächst lapidar fest, dass der Schluss in dem Argument gültig sei. Dem ist zuzustimmen, wenn man mit Molina die Rede vom »außer Kraft Setzen« oder »Auf heben« freier Entscheidungen (tollere) durch das betreffende Vorherwissen so versteht, dass (eine Aussage über) das Vorliegen eines solchen Wissens impliziert, dass gilt: Es ist nicht der Fall, dass die betreffenden Entscheidungen frei sind. In 52.38 sagt Molina explizit, dass tollere in diesem Zusammenhang soviel bedeute wie die betreffende Aussage »nicht zu setzen« (non ponere). Dies soll offenbar soviel heißen wie die Aussage zu negieren oder zu falsifizieren. Da all dies als unproblematisch beurteilt werden kann, gilt es für Molinas Gegner, die explizite Prämisse der Überlegung oder das, was Molina in 52.38 als das »Antezedens« des Schlusses bezeichnen wird, näher zu begründen: Warum »setzt Vorherwissen des Zukünftigen die Freiheit der Entscheidung außer Kraft«? Molina schlägt in 52.7, in die Schuhe seiner Gegner schlüpfend, einen Beweisversuch vor, der sich wie folgt rekonstruieren 53
»Quinto arguitur sic. Sequitur bene: Deus scit Socratem cras peccaturum, ergo Socrates peccabit cras, ergo in cuius potestate non est impedire antecedens, in eius potestate non est impedire consequens. Tenet consequentia quia posito antecedente bonae consequentiae semper ponitur eius consequens vel sic esse sicut per ipsum significatur. Sed in potestate Socratis non est impedire antecedens cum Socrates non possit impedire divinam scientiam. Ergo in eius potestate non est impedire consequens, scilicet non peccare, ergo sequitur quod necessario peccabit, ergo de primo ad ultimum valebit consequentia: Deus scit Socratem cras peccaturum, ergo Socrates necessario peccabit, ergo scientia futurorum tollit contingentiam« (Marsilius von Inghen, In Sent. 1, q. 40, fol. 165 ra.).
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lässt. Erster Schritt: (1) Angenommen, Gott hat von Ewigkeit her gewusst, dass Petrus morgen sündigen wird. (2) Notwendigerweise gilt: Wenn Gott von Ewigkeit her gewusst hat, dass Petrus morgen sündigen wird, wird Petrus morgen sündigen. (3) Also wird Petrus morgen sündigen. Nun besagt diese Zwischenkonklusion nicht, dass Petrus die Macht oder die Fähigkeit dazu fehlt, morgen nicht zu sündigen. Doch eben das scheint gefordert zu sein, wenn gelten soll, dass Petrus in seiner Entscheidung nicht frei ist. Es gilt also für Molinas Gegner des Weiteren zu zeigen, dass Petrus unter den angenommenen Voraussetzungen eben diese Macht zum Andershandeln abgeht. Der Beweis hierfür verläuft wie folgt. Zweiter Schritt: (4) Petrus hat nicht die Macht, (1) zu falsifizieren. (5) Also hat er auch nicht die Macht, (3) zu falsifizieren, d. h., es liegt nicht in Petrus Macht zu verhindern, dass er zum betreffenden Zeitpunkt sündigt. Dritter Schritt: (6) Wenn es nicht in Petrus Macht liegt zu verhindern, dass er zum betreffenden Zeitpunkt sündigt, dann ist er in seiner Entscheidung für die betreffende Handlung nicht frei. (7) Folglich ist er in dieser Entscheidung nicht frei. Folgende Erläuterungen erscheinen angebracht. Petrus steht in dem Beispiel offenkundig stellvertretend für beliebige Subjekte und deren Handlungen und Entscheidungen; daher sehen es Molinas Gegner mit dieser Überlegung als bewiesen an, dass generell das Vorherwissen zukünftiger Entscheidungen deren Freiheit zerstört. Des Weiteren oszilliert Molina in seiner Rekonstruktion des Arguments zwischen der Rede von Aussagesätzen über Handlungen oder Entscheidungen und ihrer Wahrheit bzw. Falschheit und der Ebene des mit solchen Sätzen Gesagten. Implizit bemüht er dabei bestimmte korrespondenztheoretische Annahmen über den Zusammenhang zwischen der Wahrheit deklarativer Sätze und dem Bestehen von Sachverhalten (dem Vorliegen von Tatsachen). Diese Annahmen erscheinen jedoch im vorliegenden Kontext unproblematisch und sollen hier nicht weiter kommentiert werden. Der dritte Schritt beruft sich auf eine Version des sogenannten
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Prinzips der alternativen Möglichkeiten (principle of alternate pos sibilities, kurz: PAP). Eine einflussreiche Version dieses Prinzips lautet, in der berühmten Formulierung Harry Frankfurts, dass ein Akteur nur dann für eine von ihm ausgeführte Handlung mo ralisch verantwortlich ist, wenn er auch anders hätte handeln können.54 Eine andere oft verwendete Fassung besagt, man sei nur dann in einer Handlung oder Entscheidung frei, wenn sie auch anders ausfallen könnte. Dies ist die Version, auf die sich das vorliegende Argument zu berufen scheint (dritter Schritt). Wie moderne Kritiker angemerkt haben, bleibt mit solchen Formulierungen allerdings etwas Entscheidendes offen: Ist gemeint, dass ein Akteur in einer Handlung oder Entscheidung nur dann frei ist, wenn er sich unter exakt denselben Umständen anders verhalten könnte? Libertarische Freiheitstheoretiker, die sich auf PAP berufen (kurz: PAP-Libertarier), bejahen dies. Bemerkenswert ist dieser Punkt deshalb, weil Molina in seiner Antwort auf das sechste Argument in 52.38 dieses u. a. mit der These zurückweisen wird, dass Petrus – auch wenn Gott vorherwusste, was Petrus tun würde – sehr wohl die Freiheit hatte, anders zu handeln, dass allerdings, wenn er anders gehandelt hätte, ein göttliches Vorherwissen mit jenem Inhalt nicht bestanden hätte. Diese Antwort beruft sich lediglich auf die Idee einer ›kontrafaktischen Macht‹ über Sachverhalte oder Geschehnisse, die im aktualen Weltverlauf vorliegen oder vorlagen, faktisch jedoch sehr wohl nicht oder nicht mehr geändert werden können, auch wenn sie anders ausgefallen wären, wenn die involvierten Subjekte anders gehandelt hätten. Die Dialektik ist an dieser Stelle also nicht ohne eine gewisse Ironie: Während Molinas Gegner sich mit PAP auf einen Angelpunkt einer verbreiteten Form von freiheitstheoretischem Inkompatibilismus stützen, flirtet M olina selbst in seiner Verteidigung des theolo54
Frankfurt (1969). Für einen wichtigen Ausschnitt aus der umfangreichen Diskussion um das Prinzip siehe die Textsammlung von Widerker und McKenna (2003).
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gischen Indeterminismus durch den Rekurs auf die kontrafaktische Macht, anders handeln zu können, mit einer typischen kompatibilistischen Analyse der Rede von »anders können«. Für weitere Details hierzu siehe die Einleitung und den Kommentar zu Abschnitt 52.38. In seinem zweiten Schritt geht das sechste Argument der obigen Rekonstruktion zufolge strukturell analog zu einer von Molina bereits in Abschnitt 52.3 skizzierten Überlegung vor. Jedoch ersetzt er die dortige Rede von ›Notwendigkeit‹ bzgl. des Antezedens und des Konsequens, die wir vorläufig im Sinne einer temporalen Notwendigkeit gedeutet hatten, im sechsten Argument durch die Rede von mangelnder Macht. Auch das sechste Argument hat somit die Form eines theologischen Konsequenzarguments mit gemischten Modalitäten: Dass Gott weiß, dass Petrus zu einem gegebenen Zeitpunkt sündigen wird, impliziert strikt, dass Petrus zu jenem Zeitpunkt sündigt; hier handelt es sich um eine begriffliche, logische Notwendigkeit. Dass Gott hingegen dieses Wissen besitzt, ist nicht logisch oder metaphysisch notwendig (denn es gibt mögliche Welten, in denen Petrus anders handelt). Aber, so die Überlegung, Petrus ist gegenüber dem göttlichen Wissen, das in der aktualen Welt vorliegt, machtlos; und da ferner notwendigerweise – im weiten Sinne logischer Notwendigkeit – gilt, dass, wenn Gott dieses Wissen besitzt, Petrus so handelt wie er handelt, ist Petrus auch machtlos gegenüber der Tatsache, dass er in eben dieser Weise handelt. Die in Schritt 2 verwendete Schlussregel hat demnach dieselbe allgemeine Struktur wie jene, auf die die in Abschnitt 52.3 dargestellte Überlegung zurückgreift (NSp, □(p→q) |– NSq). Inhaltlich ist der N-Operator indessen jetzt etwas anders zu deuten. Im vorliegenden Fall besagt die benötigte Regel offenbar Folgendes: Wenn (i) p der Fall ist und ein gegebenes Subjekt S machtlos gegenüber p ist, d. h., nicht die Macht hat zu bewirken, dass nicht-p (»Wer aber nicht die Macht hat, das Antezedens eines notwendigen Schlusses außer Kraft zu setzen …«), und (ii) p notwendigerweise q impliziert, (iii) dann ist auch q der Fall und S ist machtlos
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gegenüber q (»… hat auch nicht die Macht, das Konsequens außer Kraft zu setzen«). Die von Molina angeführte Begründung (seiner Gegner) für Petrus’ mangelnde Macht, das Antezedens des betrachteten Schlusses zu falsifizieren, lautet wiederum, dass Gott sein Wissen um Petrus’ Handlung bereits »von Ewigkeit her« hatte und niemand Macht über Vergangenes besitzt. Das Argument in Abschnitt 52.7 ist somit auch in diesem Punkt mit dem in Abschnitt 52.3 verwandt, und es tauchen wieder die bereits im Kommentar zu 52.3 diskutierten Fragen hinsichtlich der Annahme auf, Gott habe zu vergangenen Zeiten etwas gewusst. Ferner fragt sich jedoch auch, ob und, wenn ja, wie die in Abschnitt 52.3 bemühte temporale, akzidentelle Form von Notwendigkeit mit der eben erläuterten Notwendigkeit im Sinne mangelnder Macht begrifflich zusammenhängt. Offenbar impliziert akzidentelle Notwendigkeit Machtlosigkeit: Wenn p jetzt akzidentell notwendig für S ist, dann hat S jetzt keine Macht (mehr) über oder keinen Einfluss (mehr) auf p. Umgekehrt impliziert jedoch Machtlosigkeit oder fehlende Einflussmöglichkeit gegenüber p nicht, dass p akzidentell notwendig ist, denn es gibt Sachverhalte, auf die wir nicht etwa deshalb keinen Einfluss haben, weil sie vergangen sind. Beispielsweise haben wir keinen Einfluss auf die Geltung der Naturgesetze, doch dies ist nicht deshalb so, weil deren Geltung akzidentell notwendig ist. Angemerkt sei auch, dass sich die von Molina im sechsten Argument angeführte Begründung für die Notwendigkeit des Konditionals, auf das sich Prämisse 2 des Arguments im ersten Schritt beruft (»Notwendigerweise gilt: Wenn Gott von Ewigkeit her gewusst hat, dass Petrus morgen sündigen wird, dann wird Petrus morgen sündigen«), mit ihrem Verweis auf die besondere Gewissheit göttlichen Wissens wieder auf einen theologischen Grund stützt; dass sie sich jedoch auch an dieser Stelle allgemein auf den Begriff des Wissens berufen und schlicht darauf hinweisen könnte, dass jemandes Wissen, dass p – einerlei, um welche Art von Subjekt es sich handelt –, aus begrifflichen Grün-
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den strikt impliziert, dass p. (Vgl. hierzu unseren Kommentar zu 52.4.) Schließlich mag es nicht ganz glücklich von Molina sein, das Argument in 52.7 unter Verwendung einer indexikalischen Zeitbestimmung (cras / morgen) zu formulieren. Doch auch dieser Schönheitsfehler lässt sich durch eine geringfügige Umformulierung der Überlegung leicht korrigieren: Das Beispiel ließe sich auch unter Verwendung einer Datierung oder einer definiten Kennzeichnung des betreffenden Zeitpunkts formulieren. (Für die vorliegenden Zwecke hätte Molina z. B. ebenso gut sagen können: »Gott wusste von Ewigkeit her, dass Petrus am Abend, bevor Jesus starb, sündigen würde.«) 52.8 Molina bekräftigt nun mit einer Reihe von Verweisen auf Texte der Heiligen Schrift und auf das Phänomen der Prophetie, dass Gottes Vorherwissen von kontingentem Zukünftigen nicht zu leugnen sei. Auch im Anschluss an Tertullian argumentiert er, dass es so viele Zeugen für Gottes Vorherwissen gebe wie Propheten. Deren Weissagungen beruhen auf göttlicher Eingebung. Würde man also göttliches Vorherwissen leugnen, so gäbe es auch keine wahren prophetischen Weissagungen. (Freilich: Des einen modus ponens ist des anderen modus tollens; aber für Tertullian und Molina steht die Existenz verlässlicher Prophetie außerhalb jeden Zweifels.)55 Damit sind die Weichen für die folgenden Diskussionen gestellt: Als libertarischer theologischer Indeterminist muss Molina zeigen, dass die in den sechs soeben referierten gegnerischen Überlegungen behauptete Unvereinbarkeit zwischen göttlicher Allwissenheit und der Annahme, es gebe kontingente Dinge und Ereignisse, darunter insbesondere freie menschliche Handlungen und Entscheidungen, nur eine scheinbare ist.
55
Für hilfreiche Diskussionen der Beziehung zwischen Prophetie und Molinismus siehe Flint (1998), Kap. 9; Pruss (2007); Warfield (2009); Corabi und Germino (2013); Oppy und Saward (2014).
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Hintergrund für Molinas Hinweis: »Aber er [Gott] beginnt nicht erst, jenes zu wissen, wenn es wirklich ist« dürfte wieder die seit Ammonios und Boethius in der Debatte um den logischen Determinismus prominente These sein, dass Aussagen über Zukünftiges zunächst einen indefiniten Wahrheitswert haben, der sich jedoch in einen definiten verwandelt, sobald das Ereignis, von dem die Aussage handelt, eintritt oder nicht eintritt. Dies war auch die Position Ockhams. Denkbar wäre, dass sich daher auch Gottes Wissen über zukünftige Ereignisse erst dann einstellt, wenn diese stattfinden bzw. ausbleiben. Doch Molina bestreitet dies mit Nachdruck. Sein Ansatz widerspricht damit auch der Position des so genannten offenen Theismus (open theism), die sich vor allem in evangelikalen Strömungen der USA in jüngerer Zeit zunehmender Beliebtheit erfreut. Der offene Theismus geht von einer metaphysisch (nicht etwa nur epistemisch) offenen Zukunft in einem indeterministischen Universum aus. Eine solche Zukunft kann somit auch ein göttlicher Weltenlenker nicht kennen, bevor sie gegenwärtig wird, einfach weil die in ihr stattfindenden Ereignisse auch aus göttlicher Perspektive noch nicht existieren und es somit auch keine entsprechenden wahren Propositionen über zukünftige Ereignisse gibt. Der offene Theismus begreift sich als eine Position, die sich – allerdings ebenso, wie Molina dies in 52.8 für seinen Ansatz darlegt – umfangreich mit biblischen Zeugnissen stützen lasse und den biblischen Überlieferungen am besten gerecht werde. Viele offene Theisten sehen im Molinismus ihren wichtigsten Gegner.56 Molinas Concordia erschien 1588 erstmals im Druck. Bei seinen Verweisen auf Bibelstellen arbeitete er mit einem Vulgata-Text, wie er seit dem 7. Jahrhundert gebräuchlich war. (›Vulgata‹ bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als ›gebräuchlich‹ oder ›üblich‹; der Text hatte sich allmählich gegen frühere Übersetzungen (vetus latina) durchgesetzt.) Erst nach dem Konzil von Trient gab Papst Sixtus V. 1590 eine Revision der Vulgata, die 56
Vgl. hierzu und zum offenen Theismus etwa Hasker (2004).
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Sixtina, heraus, der nach ihrer Zurücknahme 1592 durch Papst Clemens VIII. die Sixto-Clementina folgte. Diese vereinheitlichte offizielle Ausgabe wurde im 20. Jahrhundert noch einmal (im Jahre 1969 von Robert Weber und Roger Gryson) textkritisch ediert. 1979 folgte die Nova Vulgata als Erfüllung eines Auftrags des 2. Vatikanischen Konzils. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine textkritische Edition, sondern eher um eine partielle Revision des ursprünglichen Vulgatatextes unter Zuhilfenahme der hebräischen und griechischen Texte.57 Die von Molina zitierten Textstücke weichen – auch in der Con cordia-Ausgabe von 1595, die der von uns herangezogenen kritischen Ausgabe Rabenecks zugrunde liegt – von dieser bis heute gültigen Version des Bibeltextes an einigen Stellen geringfügig ab. Das erscheint erwähnenswert, weil Molina in Abschnitt 8 insgesamt nur wenige Stellen anführt. Im Einzelnen ist in dem ersten Zitat aus Ps 138 ein Satzteil ausgelassen: Alle in die clementinische Ausgabe eingegangenen Texte bieten nach »praevidisti« den Satz: »quia non est sermo in lingua mea ecce domine«. Hier ist anzunehmen, dass Molina dieses Stück absichtlich ausgelassen hat, weil es nichts zum Vorherwissen Gottes sagt. In dem Zitat aus Sir 23, 28–29, fehlt zwischen »domini« und »lucidiores« der Ausdruck »multo plus«, der sowohl in vorclementinischen Vulgataausgaben als auch in der Sixto-Clementina enthalten ist, auch wenn er zu einem deutlichen Pleonasmus führt. In der Sixto-Clementina fehlt nach »lucidiores« das »sunt«, welches in vorclementinischen Ausgaben vorhanden ist. An Stelle von »hominis« bei Molina bieten die überlieferten Bibeltexte »homi num«; an Stelle von »absconditas« lautet der offizielle Vulgata- Text »absconsas«, während ältere Ausgaben den Text wie bei Molina bringen. Im Zitat aus Sir 39, 24–25 haben alle Versionen an Stelle von »et non est mirabile« »et nihil est mirabile«. Im Zitat aus Is 48,5 bieten die Ausgaben statt »evenirent« »venirent«; Hebr 57
Der Versuch, diesen Text mehr oder weniger zu kanonisieren, führte zu Auseinandersetzungen mit der Evangelischen Kirche.
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4,13 lautet abweichend vom Zitat bei Molina »Non est ulla creatura invisibilis in conspectu eius: omnia autem nuda et aperta sunt oculis eius.« Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Abweichungen bei Molina auf eine spezielle Vorlage des Bibeltextes, die er zur Verfügung hatte, zurückgehen. Es ist aber ebenfalls möglich, dass sie, zumindest teilweise, auf fehlerhaften Transkripten bei Molina selbst beruhen. Inhaltlich sind die Abweichungen für das vorliegende Thema offenbar kaum von Belang, so dass wir diese Fragen hier nicht weiter zu verfolgen brauchen. 52.9 In diesem Abschnitt führt Molina seine berühmte Unterscheidung von drei Arten göttlichen Wissens ein, die seiner Ansicht nach für ein angemessenes Verständnis der Vereinbarkeit von göttlicher Allwissenheit mit menschlicher Freiheit unerlässlich ist. Gott, so Molina, habe zum einen (i) Natürliches Wissen (scientia naturalis). Dieses Wissen bezieht sich auf metaphysisch notwendige Sachverhalte und könnte in Gott nicht anders sein. Erklärungsbedürftig erscheint vor diesem Hintergrund zunächst Molinas Aussage, durch sein Natürliches Wissen kenne Gott all das, worauf sich seine Macht unmittelbar oder aber durch Mitwirkung von Zweitursachen erstreckt. Denn das Vorkommen dieser Zweitursachen und ihr Zusammenwirken ist teils kontingent. Insbesondere ist auch die Mitwirkung menschlicher Zweitursachen Molinas libertarischem Freiheitsverständnis nach kontingent, denn diese könnten sich stets auch anders entscheiden, als sie es de facto tun. Dass ein Sachverhalt kontingent ist, ist für Molina jedoch seinerseits notwendig. In 50.6 etwa schreibt er ausdrücklich, dass, »auch wenn ein Sachverhalt kontingent ist, die Tatsache, dass er kontingent ist und folglich bestehen oder nicht bestehen kann, etwas Notwendiges ist. Alles Notwendige aber kennt Gott durch sein Natürliches Wissen.«58 Analoges gilt 58
»Praeterea quamvis complexio sit contingens, eam tamen contingentem esse ac proinde posse esse et posse non esse est quid necessarium; Deus
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auch für mögliche Sachverhalte. Insgesamt ist für Molina das Vorliegen einer metaphysischen Modalität selbst ein notwendiger Sachverhalt.59 Quod futurae essent vel non essent determinate: Molinas Rede von ›determinate‹ ist hier wieder vor dem Hintergrund der Ammonios-Boethius-Tradition der Kommentierung von De int. 9 zu lesen, der zufolge bei kontingentem Zukünftigen nicht im Vorhinein feststeht, ob es stattfindet, sondern nur, dass es stattfindet oder nicht stattfindet. Vgl. hierzu unseren Kommentar zu 52.6. (ii) Die zweite Art göttlichen Wissens ist das Freie Wissen (scientia libera). Dieses liegt erst dann vor, wenn Gott durch einen freien Willensakt eine bestimmte mögliche Welt aktualisiert und damit alles erfasst, was in einer – nun erst ins Leben gerufenen – Zukunft des Universums tatsächlich vorkommen wird. Im Hinblick auf Molinas atemporalistische Konzeption göttlicher Ewigkeit ist dabei zu beachten, dass Gottes Freies Wissen als seinem kreativen Willensakt nicht etwa zeitlich, sondern logisch oder explanatorisch nachgeordnet gedacht werden muss. Cognovit absolute et determinate: Molinas These, dass Gott nun »absolut« weiß, was geschehen wird, spielt an auf die Unterscheidung zwischen absoluter und hypothetischer Notwendigkeit (vgl. unseren Kommentar zu 52.3). Schreibt man Gott Freies Wissen zu, so bedeutet dies definitionsgemäß nicht etwa, dass er, wenn er sich entscheidet, eine bestimmte mögliche Welt zu autem omnia necessaria cognoscit per scientiam naturalem« (Concordia, 50.6, S. 319, die Hervorhebung in der Übersetzung stammt von uns). 59 Vgl. hierzu auch Freddoso (1988 b, S. 11), der Molinas Position wie folgt zusammenfasst: »If S is metaphysically contingent, then the state of affairs of S’s being metaphysically contingent is itself metaphysically necessary – and likewise if S is metaphysically necessary or impossible. In short, what is metaphysically necessary or impossible or contingent does not vary from one possible world to another. So God has the same natural knowledge in every possible world in which He exists and has any natural knowledge at all, and, in addition, by His natural knowledge He knows the metaphysical modality of every state of affairs.«
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realisieren, weiß, was in dieser geschehen wird. Vielmehr weiß Gott mit der Realisierung seines Willens nun ohne weitere Bedingungen, was faktisch ist und sein wird. Dass dieses Wissen sehr wohl determinate ist, besagt, dass dieses sich nicht etwa erst dann in bestimmter Weise einstellt, wenn sich die betreffenden zunächst im Weltablauf noch zukünftigen Dinge ereignen, sondern dass es mit all seinen Inhalten bereits mit Gottes kreativem Akt selbst vorliegt. Ob diese Position kohärent ist, ist nicht leicht ersichtlich. Die Frage führt auf eine These Molinas, die später als Theorie der supercomprehensio bezeichnet wurde und die wir in Abschnitt 52.35 ausführlicher kommentieren werden. Bezogen auf die Schöpfungssituation ist festzuhalten, dass das Natürliche Wissen in einem, wie es in neueren Diskussionen oft heißt, prävolitionalen Stadium in Gott auftritt, d. h. (explanatorisch) noch vor Gottes willentlichem Schöpfungsakt, während er das Freie Wissen erst postvolitional, d. h. explanatorisch nach diesem Akt besitzt. Ferner hätte Gottes Freies Wissen, anders als das Natürliche, anders ausfallen können als es ausgefallen ist, denn hätte Gott eine andere Welt aktualisiert, so hätte er von anderen kontingenten Sachverhalten gewusst, dass sie aktual werden. Wie Molina in seiner Diskussion von ST I, q. 14, a. 8, zu Beginn der Concordia ausführt, hatte bereits Thomas dort eine analoge Differenzierung vorgeschlagen. Was indes bei Thomas und anderen mittelalterlichen Autoren in diesem Zusammenhang so nicht vorkommt, ist jene dritte Art von Wissen, die Molina in Gott unterscheidet. (iii) Diese dritte Art göttlichen Wissens ist das Mittlere Wissen (scientia media). Mit dessen Konzeption und Verteidigung legt Molina den originellsten und historisch einflussreichsten Beitrag in seiner Theorie der Willensfreiheit vor. Der Kerngedanke lautet, dass Gott durch dieses Wissen bereits vor seinem kreativen Schöpfungsakt – noch ehe irgend etwas außer ihm existiert und eine bestimmte mögliche Welt aktualisiert ist – von jedem möglichen freien menschlichen Wesen weiß, für welche Handlung es sich in jeder möglichen Entscheidungssituation, in der es sich in
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einer bestimmten Welt vorfinden könnte, aus freien Stücken entscheiden würde. Aufgrund seines Natürlichen und eben dieses Mittleren Wissens entscheidet sich Gott Molinas Modell zufolge für die Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt. Alles, was dann tatsächlich geschieht, einschließlich freier kreatürlicher Handlungen und Entscheidungen, hängt somit vom göttlichen Willen ab, denn Gott hätte andere mögliche Welten aktualisieren können. Gott bleibt damit die absolut souveräne causa prima alles kontingenten Seienden und Geschehens. Gleichwohl gibt es freie menschliche Handlungen, die laut Molina weder aus logischen Gründen (wie der logische Determinismus behauptet) noch kausal durch Naturvorgänge (wie der nomologische Determinismus behauptet) noch kausal durch göttliche Intervention oder Vorsehung oder etwa auf nicht-kausale Weise durch göttliches Vorherwissen (wie der theologische Determinismus meint) determiniert sind. In Molinas Hinweis, dass ein geschöpfliches Wesen oder Entscheidungsvermögen, von dem Gott Mittleres Wissen hat, »tatsächlich das Gegenteil tun könnte, falls es wollte«, wird nochmals deutlich, dass Molina sich zu einer libertarischen Freiheitstheorie bekennt, die sich auf eine Version des Prinzips der alternativen Möglichkeiten stützt; Molina ist ein ›PAP-Libertarier‹. Ähnliche Zusätze finden sich auch in Abschnitt 52.10 sowie an vielen anderen Stellen in Abhandlung 52 und auch in anderen Passagen der Concordia. Für weitere historische und systematische Erläuterungen zu diesem Thema und zu Molinas Begriff der scientia media vgl. die ausführlichen Hinweise in der Einleitung, Kapitel 5 und 6. 52.10 Molina erläutert nun die Beziehungen von Mittlerem Wissen zu Freiem und Natürlichem Wissen und begründet seine Terminologie. Mittleres Wissen ist aus zwei Gründen keine Spielart von Freiem Wissen: Erstens liegt es prävolitional, d. h. (explanatorisch) vor dem Schöpfungsakt vor, was für Freies Wissen nicht gilt. Zweitens unterliegt das, was Gott durch dieses Wissen weiß,
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nicht seiner Macht. Auch das gilt für das Freie Wissen nicht, denn wenn Gott sich für die Aktualisierung anderer freier Geschöpfe entschieden hätte, wäre sein Freies Wissen darüber, was in der Welt geschieht oder geschehen wird, ein anderes gewesen. Mittleres Wissen ist aber auch kein Natürliches Wissen, denn dieses hätte nicht anders ausfallen können; es gibt für Molina keine mögliche Welt, in der Gottes Wissen hinsichtlich des Notwendigen ein anderes ist als das, was er faktisch besitzt. Gottes Mittleres Wissen hingegen umfasst freie geschöpfliche Handlungen und Entscheidungen, und da freies Handeln für Molina bedeutet, dass seine Subjekte auch anders handeln und entscheiden könnten, könnte auch Gottes Mittleres Wissen ein anderes sein. Das Mittlere Wissen hängt somit nicht allein von Gottes Natur, sondern wesentlich auch von den möglichen Geschöpfen ab, auf die es sich bezieht. Insofern das Mittlere Wissen bereits vor dem Schöpfungsakt in Gott vorliegt, teilt es gleichwohl eine Eigenschaft mit dem Natürlichen Wissen, die aber das Freie Wissen nicht hat. Und insofern es sich auf kontingente Inhalte bezieht, teilt es eine Eigenschaft mit dem Freien Wissen, die das Natürliche Wissen nicht hat. Insofern ist es ein Mittleres zwischen diesen beiden anderen Wissensformen. (Siehe hierzu auch die Tabelle in der Einleitung, Abschnitt 5.1.) Molina nennt zum Abschluss fünf theologisch relevante Punkte, von denen er behauptet, dass sie seiner Theorie des Mittleren Wissens nicht widersprechen. Zu (i), (ii), (iii) und (v) sei angemerkt, dass Molinas Vereinbarkeitsbehauptungen weniger harmlos sind als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. (i) Molinas erster Hinweis lautet, dass alles, was in der Macht des Geschöpfs liege, auch in Gottes Macht liege; (ii) der zweite, dass Gott freie menschliche Entscheidungen nach seinem Willen lenken kann, wohin er will (außer zur Sünde). (iii) Ferner könne Gott das, was er gemeinsam mit Zweitursachen bewirkt, auch allein bewirken, außer wenn die Wirkung von den (ggf. menschlichen) Zweitursachen stamme. (v) Fünftens heißt es, dass freie Geschöpfe nicht deshalb das tun und wollen, was sie tun und
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wollen, weil Gott dies vorherweiß oder will, sondern weil sie sich selbst so entscheiden und Gott deshalb ein entsprechendes Vorherwissen hat. Nun ergibt sich aber aus Molinas Theorie des Mittleren Wissens, dass auch Gott keinen Einfluss darauf hat, welche Aussagen oder Propositionen, die beschreiben, was (ggf. bloß mögliche) freie kreatürliche Wesen unter bestimmten Umständen aus freien Stücken tun würden, wahr sind und welche falsch. Der Wahrheitswert kontrafaktischer kreatürlicher Freiheitskonditionale ist Molinas Theorie zufolge auch einem allmächtigen Gott vorgegeben. Dies schränkt – entgegen Molinas Hinweis (ii) – den Raum der Alternativen, auf die Gott menschliche Entscheidungen lenken kann, sehr wohl ein. Wenn es beispielsweise wahr ist, dass Saul Keïla aus freien Stücken belagern würde, wenn David dort bliebe, nachdem er Keïla von den Philistern befreit hat, dann kann auch Gott nicht bewirken, dass dies falsch ist, und er kann keine Welt aktualisieren, in der Saul unter diesen Umständen die Stadt nicht belagert. Hier schließt sich unmittelbar eine der bis heute kontroversesten Fragen an den Molinismus an, die auch für Molinas Hinweise (i), (iii) und (v) bedeutsam sind: Woher erhält eine solches kontrafaktisches Freiheitskonditional seinen Wahrheitswert? Was sind die »Wahrmacher« wahrer kontrafaktischer Freiheitskonditionale? Ob diese Fragen sinnvoll und korrekt gestellt sind, ist aus molinistischer Perspektive alles andere als klar. Doch es gibt einflussreiche Philosophen, die sie für sinnvoll halten (etwa, weil sie postulieren, dass alle wahren kontingenten Propositionen externe »Wahrmacher« besitzen). An diesem Thema entzündet sich eine der in der gegenwärtigen Philosophie wichtigsten Debatten um den Molinismus, die Debatte um die so genannte grounding objection. Worin gründet der Wahrheitswert kontrafaktischer Freiheitskonditionale? 60 Angenommen, diese Frage ist sinnvoll. 60
Die einflussreichsten Expositionen dieses Problems finden sich in Adams (1977), (1991), und Hasker (1986), (1989).
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Könnte der Molinist dann antworten, dass die freien Geschöpfe selbst dafür sorgen, dass die sie betreffenden Freiheitskonditionale wahr sind? Einerseits scheint dies die einzige mit einem robusten, libertarischen Freiheitsbegriff vereinbare Antwort zu sein. Doch in diesem Fall gäbe es, entgegen dem, was (i) behauptet, sehr wohl etwas, das in der Macht des Geschöpfs, jedoch nicht in der Macht Gottes liegt. Ferner gäbe es dann, entgegen der Behauptung (iii), Dinge, die von Zweitursachen bewirkt werden, die aber Gott nicht auch allein bewirken kann. Im Einklang mit (v) schließlich würden sich in diesem Fall göttliches Mittleres Wissen und göttliches Vorherwissen nach den betreffenden kreatürlichen Entscheidungen richten statt umgekehrt. Unabhängig von dieser Beobachtung und von etwaigen theologischen Schwierigkeiten liegt eine entscheidende Schwierigkeit mit der These, dass die Wahrheit kontrafaktischer Freiheitskonditionale von dem abhängt, was die Subjekte, von denen diese Konditionale handeln, de facto tun, darin, dass Gott Molinas Bild zufolge bereits in der Schöpfungssituation auf solche Wahrheiten zurückgreifen soll – d. h. in einem Stadium des Schöpfungsprozesses, in dem noch keine Kreaturen und folglich auch noch keine kreatürlichen Handlungen existieren. Die Wahrheit kreatürlicher kontrafaktischer Freiheitskonditionale genießt explanatorische Priorität gegenüber der Existenz frei handelnder Kreaturen. Ob und, wenn ja, wie Molina diesen Einwand parieren kann, wird in der Einleitung, Abschnitt 6, ausführlich diskutiert. Contradictio: Wir übersetzen hier und an ähnlichen Stellen mit »kontradiktorisches Aussagenpaar«, denn mit contradictio sind in solchen Zusammenhängen offenkundig nicht etwa widersprüchliche Aussagen der Form (p & ~p) gemeint, sondern Gegenüberstellungen von Aussagen und ihren Negationen. Das lateinische contradictio ist die mittelalterliche Standardübersetzung für das von Aristoteles an solchen Stellen verwendete ἀντίφασις (vgl. etwa De int. 9, 19 a 27).
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52.11 Nach der Unterscheidung der drei Arten von Wissen in Gott (Abschnitt 52.9) und einer weiteren terminologischen Abgrenzung des Mittleren Wissens gegenüber dem Natürlichen und dem Freien Wissen (Abschnitt 52.10) erörtert Molina nun zum einen die Frage, (i) ob das Mittlere Wissen auch der Seele Christi zuzusprechen sei. Kann auch Christus – wie dies für Gott als Gott im Durchdringen seines eigenen Wesens möglich ist – unmittelbar wissen, was geschaffene freie Entscheidungsvermögen unter bestimmten Bedingungen frei wollen würden und was dadurch geschähe? (ii) Zum anderen fragt Molina, ob Gott durch sein Natürliches oder Mittleres Wissen womöglich weiß, was er selbst wollen wird. Molina verneint die erste Frage mit der Begründung, dass die Seele Christi ihres Geschaffenseins wegen das göttliche Wesen nicht völlig erfasse. Ihr fehle daher auch jenes »höchste und erhabenste Erfassen« der freien Entscheidungsmöglichkeiten der Geschöpfe, das allein Gott als Gott zukomme. Molina zufolge gibt es also zwei verschiedene Weisen, das göttliche Wesen zu erfassen oder zu begreifen: Zum einen kann dies so erfolgen, wie Gott sein eigenes Wesen erkennt; zum anderen so, wie Geschöpfliches – und somit auch die geschaffene Seele Christi – das göttliche Wesen erfasst. Zum besseren Verständnis des sachlichen und historischen Hintergrunds dieser Frage sei wenigstens ein kurzer Blick auf die Geschichte dieses christologischen Themas geworfen. Der Ausgangspunkt der Frage, deren Wurzeln ins Neue Testament zurückreichen und die von den lateinischen Kirchenvätern bald aufgenommen wurde, ist das Dogma von den zwei Naturen Jesu Christi in einer Person: Christus ist zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch. Seit dem Konzil von Chalkedon (451) bezeichnet man dies als »hypostatische Union«. In der Folge entwickelte sich eine Diskussion darüber, ob es bei dem Gott-Menschen Jesus Christus einen Unterschied gibt zwischen seinem Wissen als Gott und seinem Wissen als Mensch.61 Auf die ana61
Für das Folgende vgl. Kaiser (1981), S. 95–177.
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loge Frage nach dem Willen Christi gab das 2. Konzil von Konstantinopel (553) eine Antwort: Der »Monotheletismus« wurde abgelehnt, und in der Lehre von den zwei Willen in Christus blieb dessen menschliches Wollen erhalten. In den Spekulationen über das Wissen Christi aber galt es, sich mit der Frage eines »Mononoetismus« auseinanderzusetzen. Schon die Frühscholastik ringt mit diesem Problem, das seine Zuspitzung dadurch erfährt, dass auch das Menschsein Christi und sein entsprechendes Wissen nicht an der Eigenart des irdischen Menschen gemessen werden sollen. Dem Wissen Christi wird von vorn herein ein Sonderstatus zugesprochen, der Züge der eschatologischen Vollendung trägt. Dies, so war man überzeugt, sei durch die Einheit mit der Gottheit gefordert. Die Schwierigkeit dieser Doktrin ist leicht erkennbar: Wie kann eine solche Sicht den Forderungen des Konzils von Chalkedon gerecht werden, das die Bewahrung der jeweiligen Eigenart beider Naturen verlangt hatte? Für die Frühscholastik sollte das Wissen Christi nicht mit dem eines anderen Menschen gleichgesetzt werden. Ebenso wenig jedoch darf es mit dem Wissen Gottes, weder mit dem des Vaters noch mit dem des göttlichen Sohnes (als zweiter Hypostase der Trinität), auf eine Stufe gestellt werden. Mit der Rede von der Seele Christi taucht die Frage auf, ob und, wenn ja, in welcher Weise sie als Wissensträger aufgefasst werden kann. Die Seele, so antworten Theologen der aristotelischen Tradition, ist das Zugrundeliegende, das »suppositum« des Wissens (s. Abschnitt 52.12), und sie ist geschaffen. Nach frühscholastischer Auffassung sind nun in der geschaffenen Seele Christi zwei Arten von Wissen zu unterscheiden: einmal das Wissen, das der mit Gott wesensgleiche Sohn von Ewigkeit her besitzt – dieses Wissen wird häufig auch das Wissen des Begreifenden (cogni tio comprehensoris) genannt; und zum anderen das Wissen, das Christus erst als Mensch erwirbt, sein Erfahrungswissen (cogni tio experientiae). Auch die Hochscholastik, allen voran Thomas von Aquin, der Molina auch in diesen Fragen vor Augen gestanden haben dürfte,
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unterscheidet göttliches und menschliches Wissen in der Seele Christi. Bei Thomas heißen die verschiedenen in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Wissensarten (i) scientia visio nis, (ii) scientia infusa und (iii) scientia acquisita. Die Seele Christi ist bereits im irdischen Leben in statu comprehensoris. Sie besitzt daher (i) einerseits durchaus das Wissen der Gottesschau, d. h. eine Kenntnis des Wesens Gottes und in dieser auch göttliches Wissen. Gleichwohl kann sie, wie in der theologischen Tradition argumentiert wurde, das Wesen Gottes nie vollständig begreifen, da sie eben auch Geschöpf ist und diese Tatsache durch die Vereinigung mit der göttlichen Natur nicht aufgehoben wird.62 (ii) Christus besitzt darüber hinaus die scientia infusa, bei der es sich um ein besonderes von Gott geschenktes Wissen handelt, mit dessen Hilfe die Dinge in ihrer eigenen Natur erkannt werden.63 Es schließt auch das ein, was Propheten durch übernatürliche Offenbarung mitgeteilt wird. (Durch gnadenhafte Zuwendung Gottes kann dies grundsätzlich jedem Menschen zuteil werden.) Nur das Wesen Gottes selbst, das ausschließlich durch die Gottesschau erkannt werden kann, bleibt diesem Wissen verschlossen.64 (iii) Schließlich verfügt Christus auch über scientia acquisita, das uns geläufige, nach menschlicher Art erworbene Wissen.65 Molina stellt im vorliegenden Abschnitt fest, dass die Gesamtheit des Wissens der Seele Christi kein Wissen Gottes »aus der 62
Thomas (ST), III, q. 10, a. 1, resp.: »Est autem impossibile quod aliqua creatura comprehendat divinam essentiam … Et ideo dicendum quod anima Christi nullo modo comprehendit divinam essentiam.« 63 Thomas (Super Sent.), III, d. 14, q. 1, a. 1, qc. 5, sol. 5: »Unde oportet quod praeter visionem qua videt in verbo, habeat aliam scientiam de rebus, secundum quod cognoscit eas per proprias similitudines in propria natura.« 64 Thomas (ST), III, q. 11, a. 1, resp.: »Secundo vero per hanc scientiam cognovit Christus omnia illa quae per revelationem divinam hominibus innotescunt … Ipsam tamen Dei essentiam per hanc scientiam non cognovit: sed solum per primam, de qua supra dictum est.« 65 »Et ideo … dicendum est in Christo scientiam acquisitam fuisse. Quae proprie est scientia secundum modum humanum …« Id., (ST), III, q. 9, a. 4.
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Anschauung des göttlichen Wesens«, mit dem allein Gott als Gott erkennt, hinsichtlich dessen, »was durch die Betätigung von freiem Entscheidungsvermögen geschehen wird« – also kein Mittleres Wissen – enthalten kann, weil die geschaffene Seele Christi das göttliche Wesen nicht vollständig erkennt. Gott als Gott hingegen erkennt durch sein Mittleres Wissen sehr wohl die freien Entscheidungen der Geschöpfe, bevor diese erfolgen. Doch nun stellt sich die zweite eingangs aufgeworfene Frage: Hat er ein entsprechendes Wissen womöglich auch über seine eigenen Entscheidungen? Damit ist die Frage nach der Freiheit Gottes berührt. Erkennt Gott auch vor der Festlegung seines eigenen Willens, wofür er sich frei entscheiden wird? Molina verneint dies aus zwei Gründen. Zum einen setzt das Mittlere Wissen eine unendliche Überlegenheit des Wissenden gegenüber dem Wesen voraus, von dessen Entscheidungen jenes Wissen handelt. Und ebenso wie Menschen und Engel eine solche Überlegenheit gegenüber sich selbst nicht besitzen – und daher auch kein Mittleres Wissen von ihren eigenen möglichen Handlungen haben –, so besitzt auch Gott eine solche Über legenheit zwar den Geschöpfen, nicht jedoch sich selbst gegenüber. Aus begrifflichen Gründen kann kein Wesen Überlegenheit über sich selbst genießen. Gott erkennt durch (von späteren Molinisten so genannte) supercomprehensio, was Geschöpfe unter buchstäblich allen möglichen Umständen aus freien Stücken tun würden, genießt jedoch keine supercomprehensio gegenüber sich selbst und hat daher auch kein Mittleres Wissen von seinen eigenen Entscheidungen. (Zum Begriff der supercomprehensio vgl. den Kommentar zu 52.35.) Zweitens meint Molina, dass ein intrasubjektives Mittleres Wissen Gottes dessen Freiheit kompromittieren würde. Um diese Freiheit zu wahren, argumentiert Molina, dass Gott vor der Festlegung seines Willens weder durch sein Mittleres noch durch sein Natürliches Wissen im Vorhinein erkennt, wie er sich entscheiden wird: Anders als bei den Geschöpfen, deren Wesen und Willen der göttliche Intellekt in unendlichem Übermaß
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überragt, erkennt Gott im eigenen Fall nicht, »zu welcher Seite sein Wille sich wenden wird, bevor er seinen Willen festlegt.« Ein solches Wissen würde Molina zufolge Gottes Freiheit zerstören, weil er, wenn es bestünde, »keinesfalls die entgegengesetzte Seite wählen« könnte. Hier kommt zunächst wieder Molinas Bekenntnis zu einem freiheitstheoretischen Inkompatibilismus zum Ausdruck, der sich auf das Prinzip der alternativen Möglichkeiten stützt: Fehlen bei einer Entscheidung die Alternativen, so setzt Molina hier voraus, dann ist sie nicht frei. Zu fragen bleibt allerdings, warum Gottes Mittleres Wissen im intrasubjektiven Fall, aber nur dort, die Freiheit der betreffenden Entscheidungen zerstören würde. Molina betont ja immer wieder, dass Gottes Mittleres Wissen in Bezug auf kreatürliche Entscheidungen deren Freiheit nicht bedroht. Warum sollte sich dies bei Gottes eigenen Entscheidungen anders verhalten? Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Augustinus, auf den Molina sich zu Beginn von 52.11 zur Unterstützung seiner These von Gottes Mittlerem Wissen beruft, im Gegensatz zu Molina Analogien hervorhebt zwischen Gottes Wissen von menschlichen und von seinen eigenen Entscheidungen. Und zumindest in diesem Zusammenhang erscheint Augustinus daher als Kronzeuge für Molina eher ungeeignet: Zugunsten der Vereinbarkeit von göttlichem Vorherwissen mit menschlicher Freiheit argumentiert Augustinus in De libero arbitrio (III, 6), dass, wenn Gott menschliche Entscheidungen im Voraus kenne – und hieran gibt es auch für Augustinus keinen Zweifel –, er offenbar erst recht seine eigenen Entscheidungen im Voraus kenne. Da deren Freiheit aber außer Frage stehe, so scheint Augustinus zu argumentieren, müssen offenbar auch die von Gott vorhergewussten kreatürlichen Handlungen und Entscheidungen als frei gelten.66 Vgl. hierzu ausführlicher die Rekonstruktionen in der Einleitung, Abschnitt 4.2. 66
Für ein sehr ähnliches Argument vgl. auch Anselm von Canterbury (Concordia), I, Kap. 4.
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52.12 Dieser Abschnitt vertieft die Frage nach der Möglichkeit intrasubjektiven Wissens Gottes bzgl. seiner eigenen Entscheidungen, die Molina nun bis Abschnitt 52.17 weiter beschäftigen wird, und beleuchtet weiter das Vorherwissen Christi bzgl. eigener und anderer menschlicher Entscheidungen. Der verwendete Terminus suppositum ist schwer zu übersetzen. Neben subiectum handelt es sich um die traditionelle lateinische Übersetzung des griechischen ὑποκείμενον. (Aristoteles untersucht den Begriff besonders in der Kategorienschrift.) Wir übersetzen mit »Subjekt«. Molina dürfte den Ausdruck herangezogen haben, um die im zweiten Teil des Abschnitts diskutierte Problematik des Wissens Christi in terminologisch angemessener Weise erläutern zu können. Für unsere Zwecke mag der folgende Hinweis genügen: Um sich dem Geheimnis der Inkarnation Christi begrifflich zu nähern, heißt es in der theologischen Tradition, dass Christus ein einziges, konkretes suppositum sei, das die beiden Naturen Christi, die göttliche und die menschliche, die real von ihrem suppositum verschieden seien, in sich aufgenommen habe. Häufig sagt man auch, dass die beiden Naturen in ihrem suppositum »subsistieren«. (Handelte es sich statt um Naturen um akzidentelle Eigenschaften, so würde man sagen, dass diese einer Ersten Substanz »inhärieren«.) Das suppositum ist das Zugrundeliegende der beiden Naturen und in diesem Sinne ihr Subjekt. Grundsätzlich sind folgende Fälle von Mittlerem Wissen denkbar, von denen jedoch die meisten Optionen (und ihre Kombinationen) für Molina ausscheiden: (i) Gott besitzt Mittleres Wissen von geschöpflichen Entscheidungen; (ii) Gott hat Mittleres Wissen von seinen eigenen Entscheidungen; (iii) Geschöpfe haben Mittleres Wissen von Entscheidungen anderer Geschöpfe; (iv) Geschöpfe haben Mittleres Wissen von eigenen Entscheidungen. (v) Geschöpfe haben Mittleres Wissen von göttlichen Entscheidungen. Ein Sonderfall ist Christus, der eine göttliche und eine menschliche Natur hat und aufgrund dieser zwei Naturen auch göttliches und menschliches Wissen hat. Hat also, fragt Molina
52.12 157
auch, (vi) Christus Mittleres Wissen von den Entscheidungen anderer Kreaturen, und hat (vii) Christus womöglich auch Mittleres Wissen von seinen eigenen Entscheidungen? Als weitere Möglichkeiten wären zu nennen, dass (viii) Geschöpfe Mittleres Wissen von den Entscheidungen Christi haben; (ix) dass Gott Mittleres Wissen von den Entscheidungen Christi hat; und dass (x) Christus Mittleres Wissen von Gottes Entscheidungen hat. Da Mittleres Wissen, wie Molina in 52.11 ausführt, auf einem unendlichen Überragen des Intellekts des Wissenden gegenüber dem Akteur beruht, dessen Entscheidungen auf diese Weise gewusst werden, sind die Alternativen (ii)–(v), (viii) und (x) sowie Kombinationen aus ihnen unmittelbar auszuschließen. (vi) verwirft Molina ebenfalls; (ix) diskutiert er nicht explizit. Wahr dagegen ist laut Molina klarerweise (i). Erwägenswert bleibt noch (vii); ein aussichtsreiches Beispiel für ein Subjekt mit intrasubjektivem Mittleren Wissen könnte Christus selbst sein. Doch Molina weist auch diese Möglichkeit mit Bezug auf die Zwei-Naturen-Lehre zurück. Das »selige Wissen« Christi umfasst göttliches und menschliches Wissen. Zwar war das im Voraus zu einer freien Entscheidung Christi bestehende Wissen Christi darüber, welche von allen ihm präsenten Entscheidungsalternativen er wählen würde, »seiner heiligsten Seele von der ganzen Dreifaltigkeit mitgeteilt«. Doch dieses Wissen gehört aufgrund eben dieses Ursprungs nicht zu seinem menschlichen Wissen, und deshalb liegt hier nicht ein Fall intra subjektiven, sondern der eines intersubjektiven Mittleren Wissens vor. Wiederum wird dabei die Freiheit Christi durch dieses Wissen Molina zufolge nicht eingeschränkt, ebenso wenig wie Petrus’ Verleugnung Christi aufgrund von dessen Vorhersage vorausbestimmt war. Hinzuzufügen ist, dass, obwohl Molina Frage (ix) nicht explizit diskutiert, sich aus dieser Behandlung von Punkt (vii) auch eine Antwort auf jene Frage ergibt: Im Sinne Molinas wird man Gott Mittleres Wissen in Bezug auf die Entscheidungen der menschlichen Natur Christi zusprechen dürfen.
158 Kommentar
Erklärungsbedürftig mag ferner erscheinen, dass Molina im ersten und zweiten Absatz von 52.12 das Mittlere Wissen »gleichsam natürlich« (quasi naturaliter) nennt. Mit »gleichsam« ist hier eine bestimmte Hinsicht gemeint, in der Mittleres Wissen sich wie Natürliches Wissen verhält. Diese dürfte darin liegen, dass sowohl Natürliches als auch Mittleres Wissen prävolitional in Gott vorliegen. (Vgl. hierzu auch Abhandlung 49.11, den Kommentar zu 52.9 und 52.10 und die Einleitung.) 52.13 Hier unterscheidet Molina zwei mögliche Auffassungen zur Frage nach Gottes Wissen von dessen eigenen Entscheidungen: (i) Gott erkennt nicht kraft einer Form von Wissen, das dem schöpferischen Akt seines Willens (explanatorisch) vorausgeht, worauf sich sein eigenes Entscheidungsvermögen frei festlegen wird (auch wenn er durch ein solches Wissen weiß, worauf sich jedes kreatürliche Entscheidungsvermögen unter beliebigen Umständen festlegen würde); (ii) es gibt keine Art von Wissen in Gott, mit dem er erkennt, worauf sich sein Entscheidungsvermögen unter beliebigen kontrafaktischen Umständen festgelegt hätte. Molina akzeptiert die erste These und lehnt die zweite ab. Denn, so argumentiert er, Gott erkennt zwar nicht prävolitional kraft seines Natürlichen und seines Mittleren Wissens, wie er sich selbst frei entscheiden wird. (Molina zufolge würde dies, wie in 52.11 ausgeführt, die Freiheit der göttlichen Entscheidung – per impossibile – zerstören.) Doch erkenne er sehr wohl durch sein Freies Wissen, das erst mit seinem freien, schöpferischen Willensakt vorliegt, wie er sich unter anderen Umständen festgelegt hätte. Als Freies Wissen bezeichnet Molina, wie erläutert, dasjenige Wissen in Gott, das erst logisch mit seiner Entscheidung darüber vorliegt, welche Welt wirklich werden soll. Molina ergänzt jetzt, dass Gott mit diesem postvolitionalen Wissen, aber eben erst mit diesem, darüber hinaus auch weiß, was er selbst unter beliebigen anderen Umständen gewollt hätte. Das Freie Wissen ist dabei zu verstehen als eine »Antwort auf die vollständige und unbegrenzte Erwägung, die auf der Grundlage
52.13 159
sowohl des rein Natürlichen als auch des Mittleren Wissens … erfolgt.« Warum sollte Gott das Wissen darüber, was er unter anderen Umständen gewollt hätte, erst nach der Entscheidung für die Aktualisierung einer bestimmten Welt besitzen? Man mag versucht sein, diese Frage mit einem Verweis auf neuere Mögliche-Welten-Theorien zu beantworten. Der weithin akzeptierten Lewis-Stalnaker-Theorie kontrafaktischer Konditionale zufolge etwa hängen die Wahrheitswerte solcher Konditionale, vereinfacht gesagt, davon ab, wie ähnlich die Weltverläufe, in denen diese Konditionale wahr sind, dem aktualen sind (siehe Stalnaker 1968, Lewis 1973.)67 Laut Molina soll allerdings gelten, dass Gott die Wahrheitswerte kontrafaktischer Freiheitskonditionale bereits vor der Aktualisierung der wirklichen Welt vorliegen und ihn bei seiner Weltenwahl leiten. Damit, so haben Adams (1977) und Kenny (1979) argumentiert, ergibt sich für Molina generell das Problem, dass sein Ansatz in der heute gängigen Analyse kontrafaktischer Konditionale nicht abbildbar ist. Kenny etwa sagt: »[W]hat makes the counterfactuals true is not yet there at any stage at which it is undecided which world is the actual world. The very truth conditions which the possible world semantics were introduced to supply are absent under the hypothesis that it is un
67
Stalnaker zufolge ist ein kontrafaktisches Konditional der Form ›Wenn p der Fall wäre, wäre q der Fall‹ wahr genau dann, wenn die bzgl. der Übereinstimmung an sonstigen Propositionen mit der aktualen Welt @ ähnlichste oder nächstgelegene p-Welt (eine Welt, in der p der Fall ist) auch eine q-Welt ist. Lewis bestreitet, dass der Ausdruck ›die der aktualen Welt ähnlichste p-Welt‹ eine korrekte Kennzeichnung ist, u. a., weil es mehrere gleichnahe nichtaktuale p-Welten geben könnte. In beiden Ansätzen gilt jedoch, dass die Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale im Rekurs auf @ festgelegt werden. Für eine hilfreiche Rekonstruktion und Diskussion der Ansätze von Lewis und Stalnaker siehe etwa Bennett (2003), Kap. 10, 11.
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determ ined which world the actual world is to be. But if the truth conditions are not fulfilled, the propositions are not true; and if they are not true not even an omniscient being can know them. … The difficulty is simply that if it is to be possible for God to know which world he is actualizing, then his middle knowledge must be logically prior to his decision to actualize; whereas if middle knowledge is to have an object, the actualization must already have taken place« (Kenny 1979, S. 70 f.).68
Was könnte der Molinist entgegnen? Freddoso (1988 b), S. 74, macht aus der Not eine Tugend und argumentiert, dass Molinisten eben, da die explanatorische Priorität der aktualen Welt im Hinblick auf die Festlegung der Wahrheitsbedingungen bestimmter kontrafaktischer Konditionale leugnen müssten, sofern sich die mögliche-Welten-Semantik kontrafaktischer Konditionale auf eine solche Priorität stütze, diese Semantik als für die molinistische Metaphysik ungeeignet ablehnen sollten. Der molinistische Ansatz »cuts against the spirit, if not the letter, of the standard possible-worlds semantics for subjunctive conditionals« (Freddoso 1988, S. 74). Diese Antwort ist zwar dialektisch prinzipiell legitim. Gleichwohl kann nicht geleugnet werden, dass, solange Analysen der Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale in der Stalnaker-Lewis-Tradition das beste sind, was derzeit zur Verfügung steht, eine Unvereinbarkeit mit diesen Theorien gegen den Molinismus spricht. Eine zweite Antwort auf Adams und Kenny lautet allerdings, dass die Unvereinbarkeitsthese bei näherem Hinsehen strauchelt. Plantinga (1985) argumentiert, dass es für Gott in der Schöpfungssituation keineswegs bis ins Detail ausgemacht sein muss, welche Welt aktual ist, um die Wahrheitswerte kontrafaktischer Freiheitskonditionale bei seiner Weltenwahl in Betracht 68
Vgl. Adams (1977), S. 84–86; die Version, die Hasker (1989), S. 36– 38, vorträgt; sowie die Rekonstruktionen und Diskussionen von Freddoso (1988 b), S. 74 f., und Mares und Perszyck (2011), S. 96–99.
52.13 161
zu ziehen. Es muss lediglich feststehen, dass @ zu derjenigen Menge von Welten gehört, in denen das Antezedens und das Konsequens des Konditionals wahr sind. Und warum sollte das nicht bereits der Fall sein, bevor Gott eine bestimmte Welt aktualisiert hat? (Vgl. Hasker 1989, S. 36 f.) Vielleicht ist die Wahrheit kontrafaktischer Freiheitskonditionale, ganz wie der Molinist es postuliert, »kontrafaktisch unabhängig« von Gottes Optionen in Bezug darauf, welche Welt er zu @ machen kann (Plantinga 1985, S. 376); vielleicht sind dieselben kontrafaktischen Freiheitskonditionale in all den Welten wahr, die Gott aktualisieren kann. Wenn dem so wäre, dann kann Gott auch in der Schöpfungssituation, bevor eine bestimmte aktuale Welt existiert, Mittleres Wissen haben.69 Die Asymmetrie, dass Gott in Bezug auf jeden geschaffenen Willen, nicht jedoch in Bezug auf seinen eigenen Willen, prävolitional auch weiß, worauf dieser sich in beliebigen Umständen festlegen würde, erklärt Molina wieder mit dem Verweis auf den unendlichen Abstand des göttlichen Intellekts gegenüber dem geschöpflichen, eine Form von Abstand, die innerhalb von Gottes eigenem Intellekt nicht vorliegen kann. (Vgl. hierzu auch unseren Kommentar zu Abschnitt 52.14.) Molina betont in diesem Zusammenhang, dass man im Übrigen in bestimmtem Sinne durchaus sagen könne, dass Gott »seinen eigenen Willen« auch prävolitional bereits »erfasst«: Dies gelte immerhin insofern, als er auch vor der Entscheidung für eine bestimmte mögliche Welt weiß, worauf sich sein Wille festlegen kann und worauf nicht. … antequam intelligatur actum elicere: Der grammatische Bezug von »intelligatur« ist hier nicht leicht zu entscheiden. U. E. ist »intelligatur« an dieser Stelle, frei nach dem Grundsatz: »Lectio difficilior probabilior!«, auf den göttlichen Willen zu beziehen. Da in dem Abschnitt auch an anderen Stellen vom Akt des Willens (actus voluntatis) die Rede ist, sagen wir in unserer Übersetzung 69
Hasker (1989), S. 38, gesteht Plantinga (1985) diesen Punkt zu. Siehe hierzu auch Mares und Perszyck (2011), S. 98.
162 Kommentar
(52.13, S. 343, Z. 44 f.): »Dieses alles aber weiß Gott, aufgrund jenes genau in dieser Weise betrachteten Wissens über seinen Willen, bevor dieser als etwas aufgefasst wird [intelligatur], das einen Akt hervorbringt.« Das Prädikat ›intelligatur‹ könnte sich hier aber auch auf Gott beziehen. So übersetzt etwa Freddoso in seiner englischen Übersetzung von Teil IV der Concordia: »But God does know all these things regarding His own will through that knowledge, taken precisely as such, before He is thought of as eliciting an act of will« (S. 174). Molina hebt des Weiteren hervor, dass es verfehlt wäre anzunehmen, dass das im prävolitionalen Stadium noch fehlende Wissen Gottes von seiner tatsächlichen willentlichen Fest legung dessen Wissen in irgendeiner Weise unvollkommen mache. Einerseits kann ja per definitionem vor dieser Entscheidung eben noch kein Freies Wissen vorliegen. Zum anderen unterstreicht Molina, dass die Unterscheidung der drei göttlichen Wissensa rten ohnehin nur »Überlegungen unseres Intellekts« und unserer Erkenntnisweise sind, sie aber in Gott aufgrund der göttlichen Einfachheit als ein einheitliches und der Sache nach einfaches Wissen vorliegen, in dem es keine Abfolge von Wissensstadien oder -arten gibt. 52.14 Mit »Quidam contendentes …« (»Diejenigen, die behaupten …«) könnte Molina, wie Rabeneck anmerkt (52.14, S. 344, Anm. zu Z. 23), Kritiker aus den Reihen von Theologen und Philosophen der Gesellschaft Jesu an seiner These, dass Gott im Hinblick auf seine eigenen Entscheidungen prävolitionales Vorauswissen fehlt, meinen. Rabeneck vermutet, dass Molina hier etwa Fonseca im Auge hat. Sachlicher und historischer Hintergrund von Molinas Rede davon, dass Aussagen über (vermeintlich) kontingentes Zukünftiges von Ewigkeit her in festgelegter Weise (de terminate) wahr oder falsch sind, ist auch hier wieder die seit der Antike anhaltende Diskussion des Problems des logischen Determinismus und die Frage nach einer angemessenen Deutung von De int. 9. Vgl. zu diesem Thema unsere Hinweise im Kommentar
52.15 163
zu 52.6. Der Einwand von Molinas Kritikern lautet, dass – entgegen der Tradition der Ammonios-Boethius-Deutung von De int. 9 – der Wahrheitswert einer jeden Aussage über kontingentes Zukünftiges zu beliebigen früheren Zeitpunkten bereits feststehe und daher »aus der Natur der Sache« heraus erkennbar sei, wie die Dinge geschehen werden. Da zu solchen wahren Aussagen auch Aussagen über die Entscheidungen Gottes gehören, seien auch diese aus der Natur der Sache heraus erkennbar, und somit müsste Gott auch seine eigenen Entscheidungen kennen, bevor er sie fällt. Molina wird diese letztgenannte These in Abschnitt 52.15 nachdrücklich zurückweisen. Explizit verteidigt wird sie hingegen (allerdings mit anderen Gründen als von Molinas Kritikern) von Augustinus in De libero arbitrio III, 6. (Vgl. hierzu unseren Kommentar zu 52.11 und die Einleitung, Abschnitt 4.2.) 52.15 Molina behauptet nun, dass der in Abschnitt 52.14 rekonstruierte Einwand sowohl der Lehre des Aristoteles (in De int. 9) als auch der allgemeinen Auffassung der Lehrer sowie der Definition des Kontingenten selbst widerspreche. Denn jener Lehre zufolge seien Aussagen über kontingentes Zukünftiges eben nicht in festgelegter Weise wahr oder falsch. Molina schließt sich damit der Tradition der Ammonios-Boethius-Deutung der von Aristoteles skizzierten Lösung des Problems des logischen Determinismus an. Laut Molina ist es für Gott aber trotzdem möglich, zukünftige kreatürliche Entscheidungen (wie übrigens auch andere kontingente zukünftige Sachverhalte) im Voraus zu erfassen, weil er diese Entscheidungen bzw. ihre Träger an Vollkommenheit unendlich übertrifft. Da genau das offenkundig nicht für das Verhältnis Gottes zu seinen eigenen Willensentscheidungen gelte, erfasse er diese nicht, bevor sie erfolgen. Die Auffassung, dass Gott kontingentes Zukünftiges erfasst, auch wenn die Wahrheitswerte entsprechender Aussagen noch nicht festliegen, heißt bei späteren Molinisten supercomprehensio. Molinas Auffassung ist in diesem Punkt nicht leicht nachzuvollziehen, da sie die Geltung der bis heute am wenigsten kontrover-
164 Kommentar
sen Bedingung des klassischen Wissensbegriffs, nämlich dass gewusste Propositionen auch wahr sind, zu leugnen scheint.70 Vgl. zu diesem Thema auch 52.35 und 52.37 und unsere entsprechenden Kommentare. Obwohl Gott seine eigenen Entscheidungen nicht im Voraus kennt, weil sein Intellekt nicht seinen eigenen Willen an Vollkommenheit übertrifft (vgl. die Erläuterungen unter 52.11 und 52.12), legt der göttliche Intellekt dem göttlichen Willen Molina zufolge doch alle Optionen freier göttlicher (sowie auch freier kreatürlicher) Entscheidungen vor, und auf dieser Grundlage erfolgt dann die göttliche Entscheidung für die Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt. 52.16 Molina setzt die Diskussion möglicher Einwände gegen seine These fort, dass Gott alles kontingente Zukünftige, nicht aber seine eigenen Willensentscheidungen kennt, bevor sie erfolgen. Müsste, so ein weiterer Einwand, Gott nicht deshalb auch seine eigenen Willensentscheidungen im Voraus erkennen, weil es eine Entsprechung geben muss zwischen Erkenntnis und den von ihr erfassten Gegenständen? Und müsste dies des Weiteren nicht auch für Christus und dessen Erkenntnis seines menschlichen Willens und der Willen anderer Menschen gelten? Aus einer solchen Entsprechung, so die von Molina betrachtete gegnerische These, müsste sich ergeben, dass mit der Erkenntnis eines jeden Willens qua Vermögen, einschließlich des göttlichen, auch sämtliche Tätigkeiten dieses Willens vollständig erfasst werden und damit auch alle seine zukünftigen freien Entscheidungen. Im Hintergrund dürfte hier die Molina insbesondere von Thomas her geläufige Theorie der adaequatio rei et intellectus stehen: Der passive Intellekt nimmt demnach die Formen (nicht die Materie) der zu erkennenden Gegenstände in sich auf und erzeugt eine species (ein Abbild) dieser Formen. Hierin soll dann 70
Auch Freddoso (1988 b), S. 52 f., siehe auch S. 78–81, nennt diesen Punkt »arguably the weakest link in the Molinist chain«.
52.17 165
die vollständige Entsprechung von Erkenntnis und Erkanntem bestehen.71 Sua voluntas humana: Grammatisch wie inhaltlich könnte sich sua hier auch statt auf den menschlichen Willen der Seele Christi (wie wir übersetzen) auf den menschlichen Willen Christi beziehen. Da jedoch der Wille nach (von Molina geteilter) mittelalterlicher Vorstellung ein Vermögen oder Teil der Seele ist, ziehen wir die erstgenannte Lesart vor. 52.17 In seiner Antwort auf den Einwand in Abschnitt 52.16 stimmt Molina nun der adäquationstheoretischen Grund annahme bzgl. der Entsprechung von Erkenntnisvermögen und Erkenntnisgegenstand zu, die aufgrund der Natur der Sache erfolgt. Er betont aber, dass eine bestimmte freie Entscheidung nicht zur Natur oder zum Wesen des Willens gehöre, der sie fällt. Entsprechend kann ein Erkenntnisvermögen zwar einen Willen als allgemeine Quelle freier Entscheidungen erfassen oder erkennen, nicht jedoch dessen Entscheidungen, bevor sie erfolgen. Das vor-faktische Erfassen solcher Entscheidungen sowie allgemein aller kontingenten Dinge ist allein Gott vorbehalten, dem dies aufgrund seiner kognitiven Perfektion und speziell im Rahmen seines Mittleren Wissens möglich ist. Selbst die Seligen, sofern sie Gott schauen und die Umstände erfassen, in denen er freie
71
S. etwa Thomas von Aquin (ST) I, q. 16, a. 1, resp.; q. 21, a. 2, resp., oder (De veritate), q. 1, a. 1, resp.: »Die erste Beziehung des Seienden zum Intellekt besteht darin, dass das Seiende dem Intellekt entspricht und diese Entsprechung wird Angleichung der Sache und des Intellekts genannt. Und darin besteht die Definition des Wahren. Das ist es also, was das Wahre dem Seienden hinzufügt, nämlich die Gleichförmigkeit oder Angleichung der Sache und des Intellekts. Auf diese Gleichförmigkeit folgt, wie gesagt, die Erkenntnis der Sache.« (»Prima ergo comparatio entis ad intellectum est ut ens intellectui correspondeat quae quidem correspondentia adaequatio rei et intellectus dicitur. Et in hoc formaliter ratio veri perficitur. Hoc est ergo quod addit verum supra ens, scilicet conformitatem sive adaequationem rei et intellectus, ad quam conformitatem, ut dictum est, sequitur cognitio rei.«)
166 Kommentar
Kreaturen erschafft, können freie zukünftige Entscheidungen, ausgenommen durch göttliche Offenbarung, nicht im Voraus erkennen. 52.18 In diesem Abschnitt verteidigt Molina die Notwendigkeit der Annahme von Mittlerem Wissen und erläutert zugleich, inwiefern Gott durch sein Natürliches und Mittleres Wissen, nicht jedoch durch sein Freies Wissen als Ursache (causa) der Dinge aufgefasst werden kann. (Molina sagt bisweilen auch, dass das göttliche Wissen Ursache der Dinge ist.72) Insgesamt soll in 52.18 das Verhältnis zwischen entfernten und nächsten sowie universalen und partikulären Ursachen im Hinblick auf jene drei Arten göttlichen Wissens und auf göttliche Entscheidungen geklärt werden. Das Freie Wissen kann, da es von der freien göttlichen Entscheidung für die Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt abhängt, in keinerlei Hinsicht als Ursache, auch nicht als Teilursache, für Dinge und Ereignisse in dieser Welt angesehen werden. Die anderen Formen göttlichen Wissens dagegen bestimmt Molina, zusammen mit dem göttlichen Willen qua Vermögen, stets als entfernte Ursachen (causae remotae); göttliche und menschliche Entscheidungen fasst er als nächste Ursachen (causae proximae) von Weltzuständen auf. Durch sein Natürliches Wissen und seine Willensentscheidung ist Gott somit Ursache (i) derjenigen Dinge, die unmittelbar, d. h. ohne Mitwirkung von Zweitursachen, von ihm hervorgebracht werden, sowie (ii) derjenigen Dinge, die zwar durch »Notwendigkeit der Natur« unter Mitwirkung natürlicher (Zweit-)Ursachen, nicht jedoch aufgrund freier menschlicher (oder anderer kreatürlicher) Entscheidungen entstehen. Im ersten Fall ist Gott durch sein Natürliches Wissen und seine Ent72
Dies ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil in gegenwärtigen Debatten um Akteurskausalität die Unterscheidung zwischen Personen als Ursachen und kognitiven und intentionalen Zuständen als Ursachen eine wichtige Rolle spielt.
52.18 167
scheidung partikuläre Ursache der Dinge, weil nur dieses Wissen und diese Entscheidung allein festlegen, wie die Dinge ausfallen. Im zweiten Fall ist Gott zunächst durch sein Natürliches Wissen und seine Entscheidung insofern universale Ursache der Dinge, als er diese gemeinsam mit – in diesem Fall nicht mit freiem Willen ausgestatteten natürlichen – Zweitursachen hervorbringt. Diese führen Gottes allgemeines Mitwirken zu spezifischen Ergebnissen. Sodann lässt sich Molina aufgrund seiner Bemerkungen zum dritten Fall so verstehen, dass Gott im zweiten Fall auch die Rolle einer partikulären Ursache einnimmt, wie wir gleich genauer erläutern werden. (iii) Als dritten Fall betrachtet Molina diejenigen Dinge, an deren Entstehung freie Entscheidungen von entsprechend befähigten Zweitursachen beteiligt sind. Gott ist auch in diesen Fällen durch seine Willensentscheidung zur allgemeinen Mitwirkung an dem, was geschieht, zum einen eine nächste universale Ursache der betreffenden Dinge oder Ereignisse. Die Entscheidungen jener mitwirkenden kreatürlichen Zweitursachen hingegen sind nächste partikuläre Ursachen der betreffenden Dinge. Gott ist durch seine Willensentscheidung zweitens auch eine nächste partikuläre Ursache für die Existenz der wirkenden Dinge und der entsprechenden Seinsordnung, einschließlich der Existenz und Umgebung der mit Willensfreiheit ausgestatteten Geschöpfe, die er ja unmittelbar erschafft und in der entsprechenden Ordnung im Sein erhält. Für die Dinge der dritten Gattung, d. h. die unter Mitwirkung freier Zweitursachen hervorgebrachten Dinge, ist Gott durch sein Natürliches und Mittleres Wissen hingegen auch eine entfernte universale sowie eine entfernte partikuläre Ursache: Eine entfernte universale Ursache ist er, insofern diese Wissensformen seiner Entscheidung für sein allgemeines Mitwirken (concursus generalis) zugrunde liegen bzw. logisch vorausgehen. Eine entfernte partikuläre Ursache ist er durch diese Wissensformen in Bezug auf die Entscheidung für die Aktualisierung einer bestimmten Ordnung der Dinge, einschließlich der in ihr wirkenden freien Kreaturen,
168 Kommentar
von deren Existenz die betreffenden Dinge und Ereignisse der dritten Gattung abhängen. Entsprechendes dürfte dann auch für (ii) gelten, den Fall von Zweitursachen, die nicht durch freie Willensentscheidungen wirksam werden: Obwohl Molina dies nicht näher ausführt, gilt seinem Ansatz zufolge wohl auch hier, dass Gott durch seine Willensentscheidung eine nächste partikuläre Ursache für ihre Existenz in der jeweiligen Ordnung der Dinge ist und durch sein Wissen auch eine entfernte partikuläre Ursache für die von solchen Zweitursachen mit hervorgebrachten Wirkungen. (Vgl. zu diesem Thema auch den Kommentar zu Abschnitt 52.2.) Scientia namque illa sola rationem habet artis … (»denn einzig dasjenige Wissen hat den Charakter von Kunst …«): Molinas Verweis auf die Kunst steht hier in aristotelischer Tradition. Unmittelbar inspiriert sein könnte er durch Vergleiche, die Thomas v. Aquin anstellt, etwa in SCG I, c. 66 und c. 68, oder in ST I, q. 14, a. 8, resp., wo er (in sehr ähnlichem Wortlaut wie in SCG I, c. 66) schreibt, Gottes Wissen verhalte sich zu den geschaffenen Dingen wie das Wissen des Künstlers zu den Kunstwerken, und dessen Wissen sei Ursache der Kunstwerke.73 Der Vergleich geht zurück auf Aristoteles, der in Kapitel 3 und 4 des 6. Buches der Nikomachischen Ethik Kunst unter den fünf Vermögen der Seele anführt, durch deren Betätigung diese die Wahrheit treffe (1139 b 16). Die fünf Vermögen sind τέχνη (ars), ἐπιστήμη (scientia), φρόνησις (prudentia), σοφία (sapientia) und νοῦς (intellectus). Aristoteles definiert Kunst oder Kunstfertigkeit als einen mit wahrem λόγος verbundenen Habitus des Hervorbringens (ποίησις), im Unterschied zum Handeln (πρᾶξις) (ἡ μὲν οὖν τέχνη … ἕξις τις μετὰ λόγου ἀληθοῦς ποιητική ἐστιν (1140 a 20–21)). Während Wissen Aristoteles zufolge das Allgemeine und Notwendige zum Gegenstand hat, mit Letztgenanntem also dasjenige, was nicht 73
»Sic enim scientia Dei se habet ad omnes res creatas, sicut scientia artificis se habet ad artificiata. Scientia autem artificis est causa artificiatorum.«
52.18 169
nicht bzw. nicht anders sein kann, bezieht sich Kunst auf das Hervorbringbare im Bereich des Kontingenten und damit dessen, was sich so und anders verhalten kann. Der Begriff ›übernatürlich‹ bzw. ›übernatürliches Ziel‹ ( finis supernaturalis) ist im NT und in den ersten christlichen Jahrhunderten ebenso unbekannt wie in Religion und Philosophie der Antike. Nach wenigen Verwendungen im 9. Jahrhundert (etwa bei Hilduin als Übersetzer des Dionysius Areopagita) gewinnt er erst in der Theologie von Thomas von Aquin die für Molina maßgebliche terminologische Technizität. Der begriffliche Hintergrund der im vorliegenden Kontext primär theologisch gebrauchten Unterscheidung zwischen ›natürlich‹ und ›übernatürlich‹ hat u. a. zu tun mit dem Verhältnis eines aufnehmenden Vermögens, des intellectus possibilis, zu dem, was das Aufnehmen bewirkt, einem agens. In der aristotelischen Tradition gilt als natürliches Ziel ( finis naturalis) des Intellekts, alles Erkennbare aufzunehmen. Eine natürliche Erkenntnis entsteht, indem der tätige Intellekt (intellectus agens) aus den sinnlichen Vorstellungsbildern (phantasmata), die durch die Dinge entstehen, welche als agentia diese Repräsentationen in der Seele hervorrufen, das Allgemeine abstrahiert.74 ›Übernatürlich‹ ist demnach eine Erkenntnis, die durch ein solches agens hervorgerufen wird, das unter Ausschaltung der Repräsentation im sinnlichen Vorstellungsbild auf den intellectus possibilis einwirkt und ihm auf diese Weise ein Ziel darbietet. Das höchste Ziel des Menschen, das Aristoteles als Glück seligkeit (εὐδαιμονία / beatitudo) bestimmt und das durch die natürlichen Tugenden (wie Weisheit, Klugheit, Gerechtigkeit etc.) erreicht werden kann, wird in der christlichen Theologie als Schau des Wesens Gottes (visio divinae essentiae, visio essentiae Dei) verstanden.75 Diese kann indessen nicht durch die natürlichen Tugenden erreicht werden, sondern bedarf göttlicher Gnaden74 75
S. Aristoteles (De anima), III, c. 4, 429 a 10–430 a 9. Vgl. etwa Thomas (ST I–II), q. 3, a. 8.
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hilfe. Denn nur durch diese wird der Mensch zu den eingegossenen theologischen Tugenden (virtutes infusae) Glaube, Hoffnung, Liebe – im Gegensatz zu erworbenen Tugenden (virtutes acqui sitae) – befähigt. Gleichwohl ist der Mensch der katholischen Lehre zufolge, wie etwa das Konzil von Trient in seinem Rechtfertigungsdekret (1547) feststellt, frei, diesem Gnadenangebot in eigener Willensentscheidung zuzustimmen oder es abzulehnen (posse dissentire si velit).76 Das Desiderat der Annahme von Mittlerem Wissen ergibt sich Molina zufolge nun daraus, dass Gott erstens aus theologischen Gründen auch als Ursache solcher Dinge und Ereignisse angesehen werden muss, an denen freie kreatürliche Entscheidungen beteiligt sind; zweitens seine Vorsehung für übernatürliche wie für natürliche Ziele der Geschöpfe wirksam werden muss; er drittens schließlich die so befähigten Geschöpfe entsprechend prädestiniert. Unter Prädestination ist im theologischen Zusammenhang der ewige göttliche Willensratschluss zu verstehen, der die geistige Kreatur zu ihrem übernatürlichen letzten Ziel, nämlich zur seligen Gottesschau, führt. Molina insistiert dabei darauf, dass die Prädestination die Freiheit der Kreatur nicht zunichte macht, sondern vielmehr insofern deren Ursache ist, als Gott die freie Entscheidung der Kreatur will und durch sein Mittleres Wissen weiß, was mögliche freie Kreaturen aus freien Stücken tun würden, wenn Gott sie in bestimmten Umständen erschaffen würde. 52.19 Das Thema dieses Abschnitts sowie auch der folgenden (bis einschließlich 28) ist die Feststellung, dass trotz allem, was in 52.18 über die Kausalität des göttlichen Wissens gesagt wurde, die Dinge und Ereignisse nicht deshalb auftreten, weil Gott um sie weiß, sondern umgekehrt Gott um sie weiß, weil sie auftreten. Das liegt daran, dass die Dinge deshalb so auftreten, wie sie auftreten, weil Gott es so will oder wollte, und Gott 76
Denzinger / Hünermann (Enchiridion), 1554.
52.19 171
seinen eigenen Willen kennt. Dies ist der Grund, warum Gottes Wissen nicht etwa in einer perfektheitsabträglichen Weise abhängig ist von weltlichen Umständen. Gottes (Freies) Wissen ist seinem kreativen Willensakt explanatorisch nachgeordnet, und deshalb auch der Tatsache, dass die Dinge so sind, wie sie sind. Dies schließt nicht aus, dass Gottes Wissen darum, wie sich die Dinge verhalten können, wie in 52.18 ausgeführt, als eine entfernte Ursache der Dinge aufgefasst werden kann, insofern dieses Wissen die göttliche Entscheidung zur Aktualisierung einer bestimmten Welt informiert. Gottes Natürliches und sein Mittleres Wissen sind zwar insofern entfernte Ursachen der Dinge, als er diese in Kenntnis der Möglichkeiten hervorbringt, die seiner kausal-schöpferischen Tätigkeit und den durch sie hervorgebrachten Zusammenhängen zwischen den Dingen offenstehen; aber seine schöpferische Tätigkeit selbst ist etwas anderes als dieses Wissen. Zur Unterscheidung zwischen allgemeinen und partikulären Ursachen siehe den Kommentar zu 52.18. Molina wendet diese Grundthese nun auf die zu Beginn von 52.18 unterschiedenen drei Gattungen von Dingen an. Bei den Dingen, die Gott unmittelbar, d. h. ohne Beteiligung von Zweit ursachen hervorbringt, folgt sein Freies Wissen (im explanatorischen Sinn) der Festlegung seines Willens. Bei Dingen der zweiten Gattung, bei denen Gott als universale Ursache mit Zweitursachen zusammenwirkt, die keinen (freien) Willen haben, weiß Gott zunächst durch sein Natürliches Wissen, welche Wirkungen diese Dinge, die er erschaffen könnte, notwendigerweise hervorbringen würden. Sodann weiß er durch sein Freies Wissen, das dann mit der Festlegung seines Willens auf eine bestimmte schöpferische Entscheidung vorliegt, welche Wirkungen tatsächlich auftreten werden und welche unter der Voraussetzung, dass Gott die entsprechenden Ursachen schafft, nicht ausbleiben können. Hintergrund von Molinas Rede davon, dass die Effekte in diesem Fall notwendigerweise eintreten, ist die unter aristotelischen Scholastikern verbreitete Vorstellung, dass natürliche Ursachen, die nicht mit freiem Willen ausgestat-
172 Kommentar
tet sind, ihre Wirkungen notwendig hervorbringen: Posita causa ponitur effectus (»Wenn die Ursache besteht, tritt die Wirkung ein«), schreibt etwa Thomas hierzu.77 Wiederum gilt indessen, dass nicht das göttliche Wissen, sondern sein Willensentschluss die betreffenden Wirkungen hervorbringt. Wirkungen des dritten Typs schließlich, bei deren Hervorbringung Gott als Erstursache und frei entscheidende Geschöpfe als Zweitursachen zusammenwirken, könnten auch ausbleiben, eben weil solche Geschöpfe sich auch anders entscheiden könnten. Dennoch weiß Gott durch sein Mittleres Wissen vor seiner Entscheidung für eine bestimmte Ordnung der Dinge von allen möglichen freien Geschöpfen, wie diese sich in allen möglichen Umständen frei entscheiden würden, und sobald seine Entscheidung erfolgt ist, weiß er mittels seines Freien Wissens, wie sich die tatsächlichen freien Geschöpfe de facto frei entscheiden bzw.– in unserer menschlichen, zeitlichen Auffassungsweise gesprochen – wie sie sich entscheiden werden. Auch in diesem Fall gilt, dass nicht die freien geschöpflichen Entscheidungen und deren Wirkungen so ausfallen, wie sie ausfallen, weil Gott sie konditional durch sein Mittleres Wissen und unkonditional, als de facto erfolgend, durch sein Freies Wissen erfasst, sondern dass es sich eben um nicht durch göttliches Wissen oder anderweitig determinierte geschöpfliche Entscheidungen und deren Wirkungen handelt. 52.20 Molina behauptet nun, dass auch sämtliche der von ihm in Abhandlung 51 (3–14, S. 327–330) diskutierten »Lehrer der Theologie« vertreten, dass die Dinge nicht deshalb geschehen, weil Gott sie vorhergewusst hat, sondern dass das Umgekehrte gelte. Die von ihm dort betrachteten Autoren sind, in dieser Reihenfolge: Wilhelm von Auxerre, Gilbert de la Porrée, Gregor von Rimini, Bonaventura, Richard von Mediavilla, Johannes Duns Scotus, Wilhelm von Ockham, Gabriel Biel, Silvester Ma77
Z. B. Thomas (Super Sent.), IV, d. 28, q. 1, a. 3, c. 1; d. 49, q. 2, a. 7, c. 5.
52.21–28 173
zolinus Prierias, Johannes Driedo, Albertus Pighius, Andreas à Vega, Antonius von Cordoba, Thomas von Aquin und Richard von St. Victor. Bei Thomas liegt die Sache Molina zufolge zugegebenermaßen etwas unklarer, weil dieser, wie Molina ausführt, dem Buchstaben nach zunächst eine abweichende Auffassung nahezulegen scheint. Thomas sagt in ST I, q. 14, a. 8: »Es folgt nämlich, dass Gott, wenn etwas in Zukunft geschehen soll, das vorherweiß. Die zukünftigen Dinge sind jedoch nicht Ursache (causa) dafür, dass Gott das weiß.«78 Im folgenden Abschnitt 52.21 wird Molina in diesem Zusammenhang anhand einer Diskussion der Auffassung von Justinus eine Lesart von causa im Sinne von Ursache von einer im Sinne von Grund (ratio) unterscheiden. 52.21–28 In den Abschnitten 52.21 bis 52.28 zitiert Molina eine Reihe von griechischen und lateinischen Kirchenvätern als Autoritäten für seine in 52.19 (und an anderen Stellen) entfaltete These, dass nicht Gottes Vorherwissen Ursache der Dinge ist, sondern umgekehrt Gott dieses Wissen hat, weil die Dinge geschehen, wie sie geschehen. Die von Molina angeführten Zitate der Kirchenväter weichen gelegentlich in Einzelheiten von den Texten heute verwendeter Ausgaben ab. Wir folgen den von Molina zitierten Fassungen. Gleich zu Beginn, in seinen Bemerkungen zu Justinus (52.21), warnt Molina vor einem Missverständnis der Rede von ›Ursache‹ (causa, αἰτία): Wenn Justinus behaupte, das, was geschehe, sei Ursache der göttlichen Vorauskenntnis, und nicht umgekehrt, so sei seine Rede von »Ursache« hier im Sinne von Erklärung oder Grund (ratio) zu verstehen; dass die Dinge so geschehen, wie sie geschehen, ist nicht kausal für Gottes entsprechendes Vorherwissen verantwortlich, sondern erklärt es. In der Tat müsste man andernfalls entweder Rückwärtsverursachung annehmen oder, 78
»Sequitur enim, si aliqua sunt futura, quod Deus ea praescierit; non tamen res futurae sunt causa quod Deus sciat.«
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für einen außerzeitlichen Gott, behaupten, dass zeitliche Ursachen Wirkungen auf etwas Außerzeitliches ausüben können. In beiden Fällen wäre zuzugestehen, dass geschaffene Wesen oder Ereignisse kausal auf den Schöpfer einwirken können. All das ist jedoch für Molina ausgeschlossen (wobei er an der vorliegenden Stelle vermutlich eher an das letztgenannte, theologische Argument, als an allgemeinere metaphysische Überlegungen denkt). Insgesamt will Molina diese Unterscheidung zwischen Ursachen und Gründen und die These, dass die Dinge und Ereignisse der geschaffenen Welt genau genommen nicht als Ursachen, sondern als Gründe des göttlichen Vorherwissens aufzufassen sind, offenbar nicht nur auf Justinus, sondern auch auf alle anderen von ihm im Folgenden angeführten Väter-Zitate und sonstigen Argumente dieser Art angewandt wissen. In 52.22 ist der mit »Nam etsi verbi gratia fingamus …« beginnende Satz in Molinas Origenes-Zitat nicht leicht verständlich. In unserer Übersetzung legen wir eine Lesart zugrunde, die im lateinischen Text transparenter wäre, wenn man hinter das erste Vorkommnis von ›ita‹ ein Komma setzte. (»Nam etsi verbi gratia fingamus Deum non praescire aliquid, futurum sine dubio erat, quod ita, ut puta Iudas proditor factus est, et hoc ita futurum prophetae praedixerunt.«) Freddoso (Concordia, S. 181) übersetzt, abweichend von unserer Lesart, ins Englische: »For even if we imagine for the sake of argument that God does not foreknow anything, it was without a doubt going to happen that, say, Judas became a traitor, and this in just the way the prophets foretold it would happen.« Die spanische Übersetzung von Juan Antonio Hevia Echevarría dieses Origenes-Zitats von Molina lautet: »Pues aunque supongamos que Dios no presabe algún futuro, sin lugar a dudas, del mismo modo que, por ejemplo, Judas se convirtió en un traidor, así también, los profetas predijeron que esto sucedería« (S. 456). Alternativ zu diesen Lesarten sowie auch zu unserer Übersetzung der Phrase »Deum non praescire aliquid« könnte man diese auch so verstehen, dass Gott Vorherwissen von einem bestimmten Ereignis abgesprochen wird. (»Selbst wenn wir, nur
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um des Argumentes willen, annähmen, dass Gott etwas nicht vorherweiß …«) Die Schwierigkeit der Passage dürfte auf die Vorlage Molinas zurückgehen. Tatsächlich bieten andere lateinische Quellen andere Fassungen des Origenes-Textes. In der Patrologia Graeca, die die lateinische Übersetzung des Rufinus wiedergibt (PG 14; vom griechischen Originaltext sind nur Fragmente erhalten), heißt es mit einem Hinweis auf Quellen, die abweichende lateinische Texte – darunter den von Molina herangezogenen – überliefern (S. 1126): »Nam et si, verbi gratia, fingeremus Deum non praenoscere aliquid, futurum sine dubio erat quod est, ita ut est: ut puta, Judas proditor factus est, et hoc ita futurum prophetae praedixerunt.« Die lateinisch-deutsche Ausgabe der Fontes Chris tiani (1994) bietet ebenfalls diesen lateinischen Text, jedoch mit anderer Zeichensetzung: »Nam et si, verbi gratia, fingeremus Deum non praenoscere aliquid, futurum sine dubio erat, quod est ita, ut est; ut puta, Iudas proditor factus est et hoc ita futurum prophetae praedixerunt« (S. 100). Als deutsche Version schlägt die Übersetzerin Theresia Heither in dieser Ausgabe vor: »Auch wenn wir zum Beispiel annehmen, Gott wisse etwas nicht im voraus, dann war es ohne Zweifel so, wie es jetzt ist, als Zukünftiges schon da. Judas etwa ist zum Verräter geworden; daß es so kommen werde, haben die Propheten vorausgesagt« (S. 101). Die kritische Ausgabe der lateinischen Übersetzung Rufins bietet einen nochmals leicht abweichenden Text: »Nam et si uerbi gratia fingeremus deum non praenoscere aliquid futurum sine dubio erat quod est ita ut est; ut puta, Iudas proditor factus est et hoc ita futurum profetae praedixerant« (Hammond Bammel 1998, S. 591). Leider ist das griechische Original der betreffenden Stelle des Origenes-Textes nicht erhalten, so dass sich nicht überprüfen lässt, welcher lateinische Text dem Original am nächsten kommt. Inhaltlich geht es in jedem Fall darum, dass, selbst wenn man um des Argumentes willen annähme, dass – per impossibile – Gott ein bestimmtes weltliches Ereignis nicht vorhersieht bzw. überhaupt kein solches Ereignis vorhersieht, die Dinge doch
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in bestimmter Weise stattfänden und daher auch von Propheten entsprechend vorhergesagt werden könnten. Gleichwohl, meint Origenes, macht prophetisches Vorhersehen nichts unausweichlich, sondern es gilt umgekehrt, dass dieses Vorhersehen in seinen Inhalten davon abhängt, was geschieht. Entsprechendes, so die These, gilt somit auch für Gott. In 52.26 weicht unsere Übersetzung zu Beginn von Molinas Augustinus-Zitat aus De civitate Dei (Buch V, Kap. 10, 2) von anderen üblichen Lesarten ab. Echevarrías spanische Übersetzung, die der lateinischen Rabeneck-Edition der Concordia folgt, lautet: »El hombre no peca porque Dios presepa que va a pecar; es más, cuando peca, no duda en pecar, porque aquel cuya presciencia no puede errar, ha presabido que no será el hado, ni la fortuna, ni ninguna otra cosa, sino él mismo quien pecará. Pues si no quisiera, no pecaría de ningún modo; pero si no quisiese pecar, Dios también sabría esto mismo« (S. 457). Die deutsche Augustinus-Übersetzung der betreffenden Passage in De civitate Dei von Wilhelm Thimme folgt dem lateinischen Text der Teub neriana von Dombart und Kalb, der in der Ausgabe des Corpus Christianorum übernommen wurde. Thimmes Übersetzung lautet (S. 243): »Denn der Mensch sündigt darum doch, wenn auch Gott vorausgesehen hat, daß er sündigen werde. Vielmehr darf man gerade deshalb nicht daran zweifeln, daß er selber sündigt, wenn er sündigt, weil der, dessen Vorauswissen irrtumslos ist, vorausgewußt hat, nicht ein Schicksal, nicht ein Zufall noch sonst etwas anderes, sondern er selbst werde der Sünder sein. Will er es nicht, sündigt er auch nicht. Aber wenn er nicht sündigen will, hat Gott auch das vorausgewußt.« In der Biblio thek der Kirchenväter übersetzt Alfred Schröder nach dem lateinischen Text des Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum (CSEL), Bd. 40: »Denn deshalb, weil Gott von einem Menschen vorhergewußt hat, daß er sündigen werde, hört dieser nicht auf, das Subjekt der Sünde zu sein; im Gegenteil, gerade deshalb ist es unzweifelhaft er selbst, der sündigt, wenn er sündigt, weil Gott, dessen Vorherwissen keinem Irrtum unterliegen kann, vorher-
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gewußt hat, daß nicht das Fatum, nicht der Zufall noch sonst etwas, sondern daß er selbst sündigen werde. Will er nicht, so sündigt er natürlich nicht; aber wenn er nicht sündigen will, so hat auch dies Gott vorhergewußt« (S. 259). Das Corpus Christianorum nennt als lateinische Textvariante des ersten Satzes von Molinas Augustinus-Zitat, die in mehreren Textzeugen dokumentiert ist: »Neque enim ideo peccat homo …« Die Editoren von CC bevorzugen jedoch die Lesart ohne »non«. Die Übersetzungen des betreffenden Satzes in der Bibliothek der Kirchenväter sowie auch die von Thimme entsprechen eher einem lateinischen Text mit »non«. Eine wichtige Abweichung von unserer Übersetzung ist in all den obigen Varianten, dass Schicksal, Zufall und »sonst etwas« als potentielle Subjekte des Sündigens aufgefasst werden, wenn es heißt, nicht das Schicksal, nicht der Zufall noch sonst etwas, sondern der Mensch werde sündigen. In dieser Weise deutet die Stelle auch die französische Übersetzung in der Bibliothèque Au gustinienne (Bd. 33, S. 689). Diese legt im Übrigen den lateinischen Text der Teubneriana bzw. des CC zugrunde, berücksichtigt jedoch die Negation mit »non« in der Textvariante »Neque enim ideo peccat homo …« in der Übersetzung nicht. Freddoso (Concordia, S. 183) dagegen übersetzt: »For it is not the case that a human being sins because God foreknew that he would sin. Indeed, there is no doubt that he sins when he sins; for He whose foreknowledge cannot be mistaken did not foreknow fate or fortune or anything else – rather, he [sic!] fore knew that he would sin. If he wills not to sin, then he does not sin at all.« Diese Übersetzung ähnelt bzgl. der grammatischen Rolle von »fatum«, »fortuna« usw. unserer, ist aber in einem anderen Detail schwer verständlich. Das »he« in »… he foreknew« dürfte sich bei Freddoso, der in solchen Fällen normalerweise »He« schreibt, auf »God« beziehen; hier handelt es sich vermutlich nur um einen Druckfehler. Doch was sollte Augustinus damit sagen wollen, dass ein gegebener Mensch sündigt, wenn er sündigt, und dass dies deshalb so ist, weil Gott voraussah, dass
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jener Mensch sündigen werde? Wie sollte diese Aussage erklären oder erläutern, was der unmittelbar vorangehende Satz sagt: dass nämlich der Mensch gerade nicht deshalb sündigt, weil Gott es voraussieht? Unserer Lesart zufolge geht es hier darum, dass das Sündigen stets der sündigenden Kreatur selbst und nicht etwa Gott anzulasten ist, eben weil es willentlich erfolgt und Gott entsprechend stets willentliches Sündigen vorhersieht. Dies kommt besser, wenn auch vielleicht ebenfalls noch nicht in letzter Klarheit, zum Ausdruck, wenn man wie in unserer Lesart übersetzt »… sondern vorauswusste, dass der Mensch, der keinesfalls sündigt, wenn er es nicht will, sündigen werde.« Freddosos Lesart dürfte durch die von Rabeneck gewählte Zeichensetzung, die hinter »esse praescivit« einen Punkt setzt, begünstigt worden sein. Bei Rabeneck heißt es: »… sed ipsum peccaturum esse praescivit. Qui si nolit, omnino non peccat; sed si peccare noluerit, etiam hoc ille praescivit.« Ein Punkt hinter »esse praescivit« findet sich auch in den Textausgaben von De civitate Dei der Patrologia Latina und des Corpus Christianorum (PL 41, 153; und CC SL 47, 141); in diesen Ausgaben heißt es jedoch »utique« statt »omnino« (»… sed ipsum peccaturum esse praescivit. Qui si nolit, utique non peccat«). Molinas Commentaria indessen und sowohl der Lissaboner Druck von 1588 als auch der Antwerpener Druck von 1595 der Concordia haben beide, abweichend von Rabeneck und von PL und CC: »… sed ipsum peccaturum esse praescivit, qui si nolit omnino, non peccat«. Der von uns bevorzugten Lesart entspräche am ehesten, wie bei Molina in den Commentaria und dem 1588er und 1595er Druck der Con cordia, ein Komma hinter »praescivit«, jedoch anders als in diesen Ausgaben, wo das folgende Komma hinter »omnino« steht, eine Verschiebung von diesem nach vorn hinter »nolit« (wie bei Rabeneck und in PL und CC), d. h., unserer Lesart entspricht: »… sed ipsum peccaturum esse praescivit, qui si nolit, omnino non peccat.«
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52.29 Molina fasst hier zunächst die Pointe der vorangegangenen Überlegungen (besonders aus 52.19–52.28) zusammen, nämlich dass die Annahme menschlicher Entscheidungsfreiheit und der Kontingenz natürlicher Dinge mit der Annahme göttlicher Allwissenheit in Einklang stehe und dass Gottes Wissen keine Ursache – genauer müsste es nach der vorhergehenden Diskussion wohl heißen: keine nächste und keine determinierende Ursache (vgl. Abschnitt 52.18) – der Dinge sei. Molina hebt außerdem nochmals eine Grundannahme seiner libertarischen Auffassung von Willensfreiheit hervor, die ein Bekenntnis zu einer Version des Prinzips der alternativen Möglichkeiten enthält: Entscheidungsfreiheit und Kontingenz verlangen das Vorliegen von Alternativen. Göttliches Vorherwissen, so Molina, lasse die Erfüllung dieser Bedingung indessen unangetastet, und das hätten auch Boethius und Augustinus so gelehrt. In dem längeren Augustinus-Zitat aus De libero arbitrio, das Molina nun heranzieht, vergleicht Augustinus göttliches mit menschlichem Vorherwissen und formuliert einige bisher in Abhandlung 52 der Concordia noch nicht diskutierte Überlegungen zugunsten der Vereinbarkeit von Vorherwissen und Freiheit. Insgesamt lassen sich in der Augustinus-Passage mindestens drei Argumente unterscheiden. (i) Zunächst widerlegt Augustinus Evodius’ These, dass göttliches Vorherwissen die Freiheit menschlicher Entscheidungen deshalb bedrohe, weil es sich um göttliches Vorherwissen handle. Tatsächlich gelte für jedes Vorherwissen, dass das, was gewusst wird, notwendigerweise geschehe; wenn dies anders wäre, so Augustinus, handelte es sich nicht um Vorherwissen. Augustinus macht damit zunächst klar, dass es allein im Begriff des Vorherwissens und nicht am göttlichen Subjekt dieses Wissens liegt, dass das Gewusste auch eintritt. Indessen, so fährt er fort, würden auch Evodius mit seinem menschlichen Wissen um die zukünftige Sünde eines anderen oder dieses Wissen selbst jenen anderen nicht zum Sündigen zwingen. Folglich »zwingt« laut Augustinus auch Gott mit seinem Vorherwissen niemanden zur Sünde.
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(ii) Ein zweites Argument lässt sich als eine reductio rekonstruieren. Gott richtet über das Sündigen bzw. über dessen Urheber. Wäre daher sein Vorherwissen die Ursache des Sündigens und würde es das Sündigen erzwingen, so müsste man schließen, dass Gott über sich selbst richtet, was unmöglich ist. Nur wenn also Gottes Vorherwissen das Sündigen nicht nezessitiert, ist es kohärent anzunehmen, dass er über dieses Sündigen bzw. über dessen Urheber richtet. Die Rede von »zwingen« und von »Urheber« (auctor) legt eine kausale Deutung nahe, der zufolge Augustinus hier zeigen will, dass Gott und sein Wissen keine Ursachen der vorhergewussten Ereignisse sind. Augustinus würde hier aber auch die These ablehnen, dass Gottes Wissen, wenn auch nicht in kausaler Weise, so doch aus logischen Gründen die Freiheit menschlicher Entscheidungen aufhebt. Wie ist es dann zu verstehen, dass er sagt, Vorhergewusstes geschehe notwendig? Im Lichte von 52.30, wo Molina erneut auf den Unterschied zwischen Modalitäten in sensu composito und solchen in sensu di viso hinweisen wird, ist anzunehmen, dass jedenfalls Molina das Augustinus-Zitat aus 52.29 so versteht, dass jene notwendige Beziehung zwischen Vorherwissen und Vorhergewusstem – die laut Augustinus dem Gewussten selbst weder kausale noch logische Zwänge auferlegt – eine bedingte Notwendigkeit im Sinne einer necessitas consequentiae und nicht eine absolute ist. (Vgl. hierzu den Kommentar zu 52.3 und 52.4.) (iii) Augustinus illustriert den Fall anhand von Erinnerungen, die er ebenfalls als faktive kognitive Einstellungen auffasst, und dies ist das dritte Argument: Notwendigerweise gilt, dass, wenn jemand sich an ein vergangenes Ereignis erinnert, dieses stattgefunden hat. Doch das bedeutet nicht, dass die Erinnerung das vergangene Ereignis erzwingt oder herbeiführt. Ähnlich gelte zwar notwendigerweise auch für Vorherwissen, dass, wenn ein Subjekt etwas vorherweiß, das Vorhergewusste stattfinden wird. Doch auch in diesem Fall werde das Stattfinden nicht durch das Vorherwissen erzwungen.
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Problematisch an diesem Argument sowie auch an (i) ist, dass, selbst wenn ein solcher Analogieschluss prinzipiell akzeptabel wäre, Augustinus hier nicht klar zwischen kausalem und logischem »Erzwingen« unterscheidet. In der Tat kann zwar eine Erinnerung an ein vergangenes Geschehen nicht kausal erzwingen, dass es stattgefunden hat (zumindest dann nicht, wenn Rückwärtsverursachung ausgeschlossen ist). Dennoch impliziert das Vorliegen einer Erinnerung im Sinne eines erfolgreichen Aktes (und dieses Verständnis des Begriffs wird hier vorausgesetzt) begrifflich, dass das, woran sich das Subjekt erinnert, stattgefunden hat. Ebenso mag man anerkennen, dass Vorherwissen nicht kausal das Stattfinden des Gewussten prädeterminiert. Doch hieraus folgt nicht, dass sich nicht etwa aus logischen Gründen ergibt, dass das Gewusste eintreten muss. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ferner, dass Augustinus hier nicht seine berühmte Lehre von der außerzeitlichen Ewigkeit Gottes ins Spiel bringt, in der das Problem des göttlichen Vorherwissens in dieser Weise nicht formulierbar wäre, sondern ein Gegenargument für eine Fassung des Problems vorbringt, die sich auf einen omnitemporalen Gott und dessen omnitemporales Wissen bezieht. Für eine ausführliche Rekonstruktion der Überlegungen von Augustinus siehe auch die Einleitung, Abschnitt 4.2. 52.30 Mit »den Theologen« dürfte Molina sich vor allem auf Theologen und Philosophen in der Tradition der Sentenzenkommentierung (der Kommentierung der Sentenzen des Petrus Lombardus) beziehen. Petrus Lombardus selbst schreibt beispielsweise: »Wenn du nämlich den Satz ›Es kann nicht anders geschehen, als Gott vorhergewusst hat‹ so verstehst, dass nicht beides zugleich der Fall sein kann, nämlich dass Gott vorhergewusst hat, dass es so geschieht, und es aber anders geschieht, verstehst du den Satz richtig. Wenn du ihn aber disjunktiv verstehst, indem du sagst, dass es nicht anders geschehen könne, als es dem Vorherwissen Gottes gemäß geschieht, ist es falsch.
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Es kann nämlich anders geschehen, als es geschieht, und doch hat Gott vorhergewusst, dass es so geschehen werde.«79 Mit dem »richtigen Verständnis« meint Petrus Lombardus das, was Molina als Lesart in sensu composito bezeichnet, mit dem »disjunktiven« das, was Molina in sensu diviso nennt. Besondere Bedeutung bekam die Unterscheidung auch durch ihre Verwendung im Gnadenstreit seitens der báñezianisch-thomistischen Schule und ihrer Theorie der praedeterminatio physica. Auf den Einwand der Jesuiten, dass diese Theorie entgegen aller Beteuerungen ihrer Befürworter der menschlichen Freiheit keinen Platz lasse, erwiderten die Báñezianer, dass die betreffende Prädetermination lediglich in sensu composito oder im Sinne einer necessitas consequentiae gelte. Álvarez etwa schreibt: »Wenn man sagt, dass ein Mensch, der von einer wirksamen Gnade bewegt wird, diese im verbundenen Sinne nicht zurückweisen kann, so bedeutet das nichts anderes, als dass jene wirksame Bewegung und eine tatsächliche Zurückweisung nicht zugleich im selben Menschen möglich sind.«80
Demnach gilt zwar notwendigerweise: Wenn Gott einen menschlichen Akteur S mit wirksamer Gnade bewegt, dann kann S diese Gnade nicht zurückweisen. Aber hieraus folgt nicht, und es soll nicht gelten, dass es unbedingt oder absolut notwendig ist, dass S Gottes Gnade nicht zurückweisen kann. 79
Petrus Lombardus (Sent.), I, d. 38, c. 2, n. 2: »Si enim ita intelligas: ›Non potest aliter fieri quam Deus praescivit‹, id est non potest utrumque simul esse, scilicet quod Deus praesciverit ita fieri et aliter fiat, verum intelligis. Si autem per disiunctionem intelligas, ut dicas hoc aliter non posse evenire quam evenit, quo modo futurum Deus praescivit, falsum est. Hoc enim aliter potest evenire quam evenit, et tamen Deus hoc modo futurum praescivit.« 80 Álvarez (Auxiliis), IX, disp. XCII, p. 381 b: »[…] quando dicitur, hominem motum auxilio efficaci non posse dissentire in sensu composito, nihil aliud significatur, nisi quod motio illa efficax, et actualis dissensus non sint simul compossibiles in eodem homine.«
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Molina verwahrt sich in diesem Zusammenhang gegen zwei Irrtümer. Der erste betrifft den Grund dafür, dass beispielsweise Petrus in sensu diviso die Möglichkeit hat, morgen nicht zu sündigen. Dieser Grund könne nicht darin liegen, dass Gott erst dann, wenn Petrus sich für eine bestimmte Handlungsweise entscheidet, erkenne, wie diese Entscheidung ausfällt – und dann dafür sorge, dass er, Gott, genau dies von Ewigkeit her wusste. Molina klärt an dieser Stelle (wie auch an vielen anderen) nicht, was genau er hier mit »von Ewigkeit her« meint. Doch sowohl für eine sempiternale oder omnitemporale als auch für eine atemporale Deutung tauchen für den von Molina skizzierten Irrtum neben theologischen auch metaphysische Schwierigkeiten auf. Das theologische Problem bestünde (wie schon oben zu den Abschnitten 52.21–52.28 ausgeführt) in beiden Fällen darin, dass die Souveränität des göttlichen Wissens beeinträchtigt oder aufgehoben würde. Bei einem omnitemporalen Verständnis müsste ein Vertreter jener Position zudem Rückwärtsverursachung annehmen, was aus metaphysischen Gründen ausgeschlossen ist bzw. zumindest eine sehr extravagante These wäre. Bei einem atemporalen Verständnis müsste letztlich eine kausale Einwirkung raum-zeitlicher Dinge bzw. Ereignisse (in diesem Fall von Petrus’ Verhalten) auf etwas Zeitloses angenommen werden, was ebenfalls problematisch ist. Der zweite von Molina genannte Irrtum kommt im Effekt bereits in seiner Diskussion des ersten Irrtums zur Sprache, die sich mit dem Grund dafür beschäftigt, dass es Petrus im getrennten Sinn möglich ist, nicht zu sündigen, und eben diese These damit schon als wahr voraussetzt. Molina betont ein weiteres Mal, dass daraus, dass (i) Gott weiß, dass Petrus morgen sündigen wird, und (ii) notwendigerweise gilt: Wenn Gott weiß, dass Petrus morgen sündigen wird, dann wird Petrus morgen sündigen (sensus compositus, verbundener Sinn), nicht folgt, dass es Petrus nicht im absoluten Sinne möglich ist, nicht zu sündigen (sensus divisus, getrennter Sinn der Modalität; vgl. wiederum ausführlicher hierzu die Kommentare zu 52.3 und 52.4). Die Kon-
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junktion von (i) und (ii) ist vereinbar mit der Behauptung, dass es möglich ist, dass Petrus morgen nicht sündigt. Und, so Molina abermals, wenn Petrus nicht gesündigt hätte, hätte Gott etwas anderes gewusst, als er tatsächlich gewusst hat. 52.31 Das von Molina in 52.2 rekonstruierte erste gegnerische Argument, von dem er nun zu zeigen versucht, dass es nicht stichhaltig ist, lautet in der dort referierten Form: Obersatz:
Aus einer notwendigen Ursache geht eine notwendige Wirkung hervor. Untersatz: Gottes Wissen ist Ursache des Zukünftigen, das Gegenstand eben dieses Wissens ist [erster Teil des Untersatzes], weil Gott durch sein Wissen notwendige Ursache der Dinge ist [zweiter Teil des Untersatzes]. Konklusion: Also wird alles durch Gottes Wissen als zukünftig Gewusste notwendigerweise geschehen, d. h., Gott hat kein Wissen von [zukünftigem] Kontingentem.
An dieser Formulierung fällt zunächst auf, dass die Konklusion, wenn überhaupt, nur folgt, wenn im ersten Teil des Untersatzes gemeint ist, dass Gottes Vorherwissen des Zukünftigen notwendige Ursache dieses Zukünftigen ist. Eben diese Deutung legt aber der zweite Teil des Untersatzes nahe, wenn man ihn im Sinne der Behauptung versteht, dass alles göttliche Wissen, einschließlich des Vorherwissens von Zukünftigem, notwendige Ursache des jeweils Gewussten ist. Der Untersatz ließe sich dann etwas transparenter auch wie folgt formulieren: Untersatz*: Gottes Vorherwissen des Zukünftigen ist notwendige Ursache des Zukünftigen, weil Gott durch jede Art von Wissen, die er hat, notwendige Ursache des von ihm Gewussten ist.
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Molina lehnt das Argument unter Verweis auf unterschiedliche Lesarten der Rede von »notwendiger Ursache« ab. Zunächst argumentiert er, dass der Obersatz nur dann wahr (und damit für das Argument verwertbar) ist, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Zum einen muss er sich auf notwendig existierende Ursachen beziehen, die auch mit Notwendigkeit wirken. Letzteres ist dabei offenbar nicht so zu verstehen, dass es unmöglich ist, dass die betreffende Ursache nicht wirkt, sondern so, dass es unmöglich ist, dass, wenn sie wirkt, die angezielten Wirkungen ausbleiben. (Die These soll ja auf Gott angewandt werden, und Gott muss nicht schöpferisch tätig werden. Vgl. hierzu auch den Kommentar zu 52.2.) Die dann im Obersatz enthaltene These, dass aus einer in ihren Wirkungen notwendigen Ursache notwendige Wirkungen hervorgehen, ist freilich analytisch und a priori wahr, so dass der Obersatz in dieser Lesart zwar wahr, aber wenig informativ ist. Zweitens aber, so Molina, müsse die Rede von »Ursache« hier im Sinne einer schlechthin vollständigen Ursache (causa tota sim pliciter) verstanden werden, damit der Obersatz als wahr gelten könne. Der Sinn dieser Unterscheidung wurde in Abhandlung 26 der Concordia erläutert. (Dort heißt es: »… sermo sit de integra sive tota causa … omnino«; siehe die folgende Fußnote.) Gemeint ist eine Lesart von »vollständiger Ursache« nicht nur im Sinne der Vollständigkeit auf einer bestimmten Stufe oder Ebene (gra dus) von Ursächlichkeit. In Abhandlung 26 erklärt Molina hierzu, dass die Ebene der universalen Verursachung eine andere ist als die der partikulären und erläutert dies anhand des Zusammenspiels zwischen der Sonne (universale Ursache) und als Zweit ursachen tätigen Lebewesen (partikuläre Ursachen): »Wenn aber nicht uneingeschränkt die Rede ist von einer Gesamtursache oder vollständigen Ursache, sondern von einer auf einer bestimmten Stufe von Ursachen, dann ist Gott durch die universale Mitwirkung Gesamtursache auf der Stufe der höchsten universalen Ursache in dem Sinn, dass keine andere auf der betreffen
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den Stufe von Ursachen mit ihm mitwirkt. In derselben Weise können verschiedene Zweitursachen Gesamtursachen derselben Wirkung sein, jede auf ihrer Stufe, wie die Sonne und ein Pferd im Hinblick auf die Zeugung eines anderen Pferdes, die Sonne als universale, das Pferd als partikuläre Ursache.«81
Die nicht auf eine bestimmte »Ebene« eingeschränkte, unrelativiert vollständige Ursache eines Ereignisses, seine vollständige Ursache simpliciter (und entsprechend auch eine vollständige Erklärung des Ereignisses) kann sich demnach zusammensetzen aus (i) (der Nennung) einer universalen Ursache, die, bezogen auf die Ebene der Universalursachen, aber nur dort, ihrerseits durchaus bereits vollständig sein kann, weil es neben ihr keine weiteren Universalursachen gibt, und (ii) (der Nennung von) partikulären Ursachen, welche die Universalursache sehr wohl noch ergänzen müssen, damit eine bestimmte Wirkung in der Welt tatsächlich stattfindet. Auch wenn eine solche Universalursache, wie ggf. im Falle Gottes, notwendigerweise existiert, erfolgen daher in solchen Fällen aufgrund der Beteiligung von Zweitursachen (etwa frei entscheidenden menschlichen Wesen) die betreffenden Wirkungen keineswegs notwendigerweise, und die insgesamt oder schlechthin vollständige Ursache oder »Gesamtursache simpliciter« bleibt kausal kontingent. Molinas Punkt bzgl. des Obersatzes ist also dieser: Wenn dort von einer insgesamt vollständigen Ursache die Rede ist – und nicht etwa nur von einer Ursache, die allein auf der Ebene der Universalursachen als vollständig gelten kann – und außerdem von 81
»Si vero sermo sit de integra sive tota causa non omnino, sed in aliquo gradu causae, tunc Deus per concursum universalem est causa integra in gradu causae maxime universalis, eo quod nulla alia cum eo concurrat in eo gradu causae. Eodemque modo variae causae secundae possunt esse integrae eiusdem effectus, quaevis in suo gradu, ut sol et equus comparatione alterius equi generandi, sol quidem ut causa universalis, equus ut causa particularis« (Concordia, 26.15, S. 170; die Hervorhebung in der Übersetzung stammt von uns).
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einer solchen Ursache, deren Wirkungen unmöglich ausbleiben können, dann, aber nur dann, ist die Behauptung, dass auch die Wirkungen notwendigerweise auftreten, richtig. Allerdings kann in diesem Fall das göttliche Wissen, von dem im Untersatz die Rede ist, gerade nicht als Instanz einer in diesem Sinne insgesamt, auf allen Ebenen vollständigen notwendigen Ursache alles Zukünftigen gelten, eben weil an der Entstehung vieler Ereignisse auch Zweitursachen beteiligt sind. Damit wäre der Schluss des zweiten Eingangsarguments als ungültig erwiesen: Diejenige Lesart von »notwendiger Ursache«, die den Untersatz wahr macht, macht den Obersatz falsch, und die, die den Obersatz wahr macht, macht den Untersatz falsch. Molina trifft des Weiteren folgende Differenzierungen. Der Untersatz spricht vom Wissen Gottes als Ursache der Dinge. Doch inzwischen wissen wir, dass göttliches Wissen im Sinne Natürlichen, Mittleren oder Freien Wissens verstanden werden kann. Und vor dem Hintergrund seiner ausführlichen Erörterung dieser Wissensarten in den vorigen Abschnitten stellt Molina nun zunächst fest, dass der Untersatz falsch ist, wenn man ihn auf Freies Wissen bezieht. Denn das Freie Wissen gehört, da es explanatorisch dem kreativen göttlichen Schöpfungsakt nachgeordnet ist und die Ergebnisse göttlicher und menschlicher Entscheidungen lediglich konstatiert, nicht zu den Dingen, die göttliche oder menschliche Entscheidungen hervorbringen. Im Unterschied hierzu spielen das Natürliche und das Mittlere Wissen Molina zufolge sehr wohl eine wichtige Rolle für die Erklärung der göttlichen (Mit-)Verursachung der Dinge. Für die vorliegende Fragestellung fasst Molina diese Wissensarten als zwei Komponenten eines einzigen Wissenskomplexes in Gott auf. Allerdings fungiert dieser – auch gemeinsam mit der göttlichen Entscheidung für eine bestimmte Welt – bei denjenigen Dingen und Ereignissen, an denen freie kreatürliche Entscheidungen beteiligt sind, ebenfalls nicht als eine »schlechthin vollständige« Ursache notwendiger Wirkungen. Somit sind auch das Natürliche und das Mittlere Wissen keine Beispiele derjeni-
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gen Art von »notwendiger Ursache«, von der allein im Obersatz, wenn dieser wahr sein soll, die Rede sein kann. Wie ist Molina zu verstehen, wenn er nun einerseits sagt, dieser Wissenskomplex sei notwendig, aber derjenige Teil, der sich auf das geschaffene freie Entscheidungsvermögen beziehe – also das Mittlere Wissen – könne sich auch anders verhalten? Läuft das nicht auf die inkohärente Behauptung hinaus, das Mittlere Wissen sei sowohl notwendig als auch kontingent? Mittleres Wissen, das sich auf bestimmte Kombinationen von Entscheidungsumständen und freien Entscheidungen bezieht, die mögliche Kreaturen in diesen Umständen fällen, könnte deshalb auch anders ausfallen, weil sich geschaffene freie Entscheidungsvermögen jeweils anders verhalten könnten, und insofern ist das de facto in Gott vorhandene Mittlere Wissen kontingent und nicht notwendig. Andererseits gehört es Molina zufolge zu Gottes Wesen, dass er Mittleres Wissen hat, und es ist unmöglich, dass es wahre kontrafaktische kreatürliche Freiheitskonditionale gibt, die Gott mit seinem Mittleren Wissen nicht erfasst. In diesem Sinne kann man sagen, dass Mittleres Wissen notwendigerweise in Gott existiert. Ferner ist dieses Wissen auch eine notwendige Bedingung für die Existenz der Dinge und den Verlauf der Ereignisse, weil Gott seine Entscheidung für die Aktualisierung einer bestimmten möglichen Welt u. a. vor dem Hintergrund eben dieses Wissens fällt. Zusammengefasst argumentiert Molina also, dass der Obersatz, um wahr zu sein, drei Bedingungen erfüllen müsste: (i) Die Rede von »notwendiger Ursache« muss so verstanden werden, dass erstens die vollständige oder Gesamt-Ursache überhaupt gemeint ist (und nicht etwa eine, die auf Vollständigkeit auf einer bestimmten Ebene wie beispielsweise der Ebene der universalen Ursachen relativiert ist). (ii) Zweitens soll diese Ursache notwendig existieren; und sie muss (iii) schließlich auch so wirken, dass die Wirkung nicht ausbleiben kann. So, aber nur so verstanden, ist der Obersatz wahr. Wenn jedoch die Rede von »notwendiger Ursache« im Untersatz ebenfalls in dieser Weise verstanden wird,
52.32 189
ist der Untersatz falsch. Das Freie Wissen kommt hier als Kandidat ohnehin nicht in Frage, und Gottes Natürliches und sein Mittleres Wissen sind ebenfalls keine vollständigen Ursachen überhaupt, weil sowohl Gottes Willensentscheidung als auch die Mitwirkungen der Zweitursachen hinzukommen müssen, um ein Geschehen hervorzubringen. Eben deshalb existieren die vollständigen Ursachen eines Geschehens nicht notwendigerweise, und sie zeitigen auch ihre Wirkungen nicht notwendigerweise. Molina zeigt also im Effekt, dass das erste gegnerische Argument einer fallacia aequivocationis aufsitzt, weil die Rede von »notwendiger Ursache« im Obersatz im Sinne von »Gesamtursache simpliciter« gemeint sein muss, damit der Satz wahr wird, doch im Untersatz die Rede vom göttlichen Wissen als notwendiger Ursache nur im Sinne einer Teilursache verstanden werden kann. 52.32 In den Abschnitten 52.32 und 52.33 nimmt Molina einige Klärungen vor, die er in 52.34 zur Zurückweisung des zweiten gegnerischen Arguments aus 52.3 benötigt. Im Einklang mit Thomas gesteht er diesem zweiten Argument zunächst zu, dass man dem Antezedens des Konditionalsatzes »Wenn Gott gewusst hat, dass dieses [Ereignis] stattfinden wird, dann wird es so geschehen« durchaus absolute Notwendigkeit zusprechen sollte. Zwar ist dieses Antezedens (»Gott hat gewusst, dass dieses [Ereignis] stattfinden wird«) nicht notwendig im Sinne einer Notwendigkeit von Sätzen, die allein »aufgrund der Natur ihrer Termini« notwendig sind. Ein typisches Beispiel in der aristotelischen Tradition für diese letztgenannte Art von Sätzen ist ›Der Mensch ist ein Lebewesen‹: Hier genügt die Kenntnis der Bedeutung von Subjekt und Prädikat, um zu wissen, dass dieser Satz bzw. die mit ihm ausgedrückte Proposition wahr ist. Solche Sätze sind daher aus begrifflichen Gründen und insofern (im absoluten Sinne) notwendigerweise wahr, während Sätze, deren Wahrheitswerte auch von empirischen Tatsachen abhängen, kontingenterweise wahr oder falsch sind.
190 Kommentar
Doch Molina weist darauf hin, dass auch solche Sätze in einem bestimmten Sinne notwendig werden können, und zwar nicht lediglich im Sinne einer bloß hypothetischen, im Hinblick auf die Prämissen eines Schlusses relativierten Notwendigkeit. En passant unterscheidet Molina in diesem Zusammenhang zwei Fälle hypothetischer Notwendigkeit: zum einen solche mit einem Antezedens, das einen rein fiktiven Fall beschreibt (Beispiel: ›Wenn Pferde fliegen würden …‹); zum anderen solche, in denen das Antezedens eine Hypothese beschreibt, die mit unserem Hintergrundwissen über die faktische Welt kompatibel ist. Ein Satz hingegen, argumentiert Molina, könne auch dadurch absolut notwendig werden, dass das von ihm beschriebene Ereignis, das hätte eintreten oder ausbleiben können, de facto eintritt und, da es keine Macht über Vergangenes gibt, von da an unabänderlich ist. Hier geht es offenbar um jene temporale Art von Notwendigkeit, die Wilhelm von Sherwood, Ockham und andere »akzidentelle Notwendigkeit« nennen (vgl. hierzu ausführlicher unseren Kommentar oben zu Abschnitt 52.3). Dass Molina diesen Sinn von ›notwendig‹ im Blick hat, geht auch aus seinen Ausführungen in Abschnitt 52.34 hervor, wo es heißt, dass das fragliche Antezedens des zweiten gegnerischen Arguments deshalb im besprochenen Sinne notwendig sei, weil es von Vergangenem handle. Ist der Hinweis auf Gottes Unveränderlichkeit am Ende des Abschnitts, so wie Molina suggeriert, tatsächlich eine vom Argument der Unbeeinflussbarkeit der Vergangenheit logisch unabhängige, zweite Begründung der absoluten Notwendigkeit von »Gott hat gewusst, dass dieses (Ereignis) stattfinden wird«? Opinio communis im Mittelalter ist, dass die Vergangenheit unbeeinflussbar und unveränderbar ist und selbst Gott Vergangenes nicht ungeschehen machen kann (vgl. dazu etwa Augustinus, Contra Faustum, XXVI, c. 5, 481 f.). Fasst man dann Gottes Vorherwissen von einem Ereignis als ein (›hartes‹) Faktum der Vergangenheit auf, dann folgt, dass ein solches Wissen im Nachhinein nicht mehr aufgehoben oder verändert werden kann.
52.33 191
Vor diesem Hintergrund besagt Molinas zweiter Einwand Folgendes: Selbst wenn es – aus Molinas Sicht per impossibile – im Allgemeinen metaphysisch möglich wäre, die Vergangenheit zu verändern, etwa weil immerhin Gott tatsächlich Macht über die Vergangenheit hat, müsste Gott selbst sich verändern, wenn sein Vorherwissen im Nachhinein aufgehoben oder in seinen Inhalten verändert werden könnte. Doch das, meint Molina, ist, eben weil Gott unveränderlich ist, auch aus theologischen Gründen ausgeschlossen. Das allgemeine metaphysische Argument der Unveränderbarkeit der Vergangenheit wird also hier durch ein theologisches ergänzt. Die Rede vom Antichrist stammt aus dem NT: »Meine Kinder, es ist die letzte Stunde. Ihr habt gehört, dass der Antichrist kommt, und jetzt sind viele Antichriste gekommen. Daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist« (1 Joh 2,18; siehe auch 1 Joh 4,3; 2 Joh 7). In die neutestamentlichen Vorstellungen vom Antichrist mischen sich spätjüdische apokalyptische Vorstellungen. Die patristische Exegese sah im Antichrist die mit satanischen Kräften ausgestattete Personifizierung widergöttlicher Mächte. Dass Gott, wie Molina sagt, vorherwusste, dass der Antichrist zu einem gegebenen Zeitpunkt sündigen werde, ist für Molina deshalb kontingent, weil der Antichrist Molinas libertarischem Freiheitsverständnis zufolge seine Sünde auch hätte unterlassen können. Wenn aber zu einem gegebenen Zeitpunkt t gilt, dass Gottes Wissen um dieses Ereignis, eben weil der Antichrist sündigt, entweder omnitemporal oder atemporal »von Ewigkeit her« bestand bzw. besteht, dann ist es zu t niemandem (mehr) m öglich zu bewirken, dass dieses Wissen nicht vorlag oder vorliegt. 52.33 Molina hebt in diesem Abschnitt nochmals Charakteristika des Mittleren Wissens hervor, die, wie er selbst anmerkt, bereits mehr oder weniger explizit zur Sprache gekommen sind, jedoch so zentral für seine Argumentation sind, dass sie einer erneuten Erwähnung wert sind. In Molinas Aussage, dass »Gott
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aufgrund seiner Geisteskraft und der Vollkommenheit seines Intellekts« auch hinsichtlich freier kreatürlicher Entscheidungsvermögen – selbst solcher, die er nicht erschaffen wird – bekannt ist, was durch diese (unter bestimmten Umständen) in Zukunft geschehen würde, kommt zunächst nochmals seine Annahme zum Ausdruck, dass göttliche kognitive Vollkommenheit aus Molinas Sicht Mittleres Wissen impliziert. Wenn Molina des Weiteren betont, dass Gott dieses Wissen zukommt, weil die (potentiell) geschaffenen menschlichen Entscheidungsvermögen selbst dafür sorgen, dass die Dinge in entsprechender Weise eintreten, so kommt zweitens klar zum Ausdruck, dass die Wahrheitswerte kontrafaktischer kreatürlicher Freiheitskonditionale auch Gott vorgegeben sind. Genau dieser Aspekt der molinistischen Lehre war ein zentraler Stein des Anstoßes für Molinas Gegner, die hierin eine theologisch illegitime Einschränkung göttlicher Souveränität sahen. Was meint Molina damit, dass Gott aufgrund seines Mittleren Wissens »sicher wusste, was in sich unsicher ist«? Offenbar verwendet Molina den Begriff der Sicherheit hier – freilich in einer einigermaßen harmlosen Weise – äquivok. In Bezug auf Gottes Wissen beschreibt er eine epistemische Eigenschaft; hinsichtlich der Frage nach der Determiniertheit bzw. Kontingenz zukünftiger Ereignisse hingegen hat er eine nicht-epistemische, metaphysische Bedeutung. Gemeint ist offenbar, dass, obwohl die entsprechenden, von Gott gewussten Freiheitskonditionale wahr und Gottes diesbezügliche Überzeugungen unfehlbar sind, die Subjekte, von denen diese Konditionale handeln, damit zu ihren Handlungen und Entscheidungen nicht (prä)determiniert werden. Diese können insofern als »unsicher« bezeichnet werden, als sie – trotz Gottes epistemischer Sicherheit in Bezug auf sie – bis zu ihrer Realisierung Alternativen haben. Nun gibt es Wissen nur von Wahrem bzw. nur von Tatsachen, und die meisten Erkenntnistheoretiker gehen davon aus, dass ein Wissens-Subjekt sich per definitionem sicher ist, dass die gewusste Proposition wahr ist bzw. der entsprechende Sachverhalt besteht. Wissen
52.34 193
simpliciter oder unsicheres Wissen wäre dagegen in denjenigen Wissensmodellen zu sicherem Wissen steigerbar, die entweder nicht generell subjektive Sicherheit oder feste Überzeugung für Wissen fordern oder aber fallible, etwa probabilistische und in diesem Sinne nicht-sichere Gründe für Wissen zulassen. Alternativ kann man Molinas Rede von sicherem Wissen an der vorliegenden Stelle auch als bloßen Pleonasmus und lediglich rhetorische Wendung deuten. Vgl. hierzu auch unseren Kommentar zu 52.4. 52.34 Das zweite gegnerische Argument, das Molina nun vor dem Hintergrund seiner Vorbemerkungen in 52.32 und 52.33 zurückweist, hat in der Formulierung, wie Molina es in Abschnitt 52.3 zunächst vorträgt, ein Zwischenergebnis (Konklusion1) und eine verallgemeinernde Konklusion (Konklusion2). In einem ersten Schritt lässt es sich wie folgt wiedergeben (wir ersetzen Molinas deiktisches »dieses wird geschehen« durch die Rede von einem bestimmten Ereignis E, das zu t geschehen wird): Obersatz:
Wenn (i) ein Konditionalsatz wahr und (ii) sein Antezedens absolut notwendig ist, dann ist (iii) auch sein Konsequens absolut notwendig. Untersatz: (i) Folgender Konditionalsatz ist wahr: Wenn Gott von einem bestimmten Ereignis E gewusst hat, dass es zu t geschehen wird, dann wird E zu t geschehen. (ii) Außerdem ist das Antezedens dieses Konditionals absolut notwendig, d. h., es ist absolut notwendig, dass Gott gewusst hat, dass E zu t geschehen wird. Konklusion1: Also ist auch das Konsequens des im Untersatz genannten Konditionals absolut notwendig, d. h., es ist absolut notwendig, dass E zu t geschehen wird. Konklusion2: Also ist kein von Gott vorhergewusstes zukünftiges Geschehen kontingent.
194 Kommentar
Mit ›absoluter Notwendigkeit‹ ist im vorliegenden Zusammenhang wieder das Gegenstück zu bedingter oder hypothetischer Notwendigkeit gemeint; siehe hierzu unsere ausführlichen Erläuterungen zu 52.3. Die Konklusion2 ergibt sich über wenige implizite, aber unproblematische Annahmen aus Konklusion1: (i) das gegebene Ereignis E (bzw. Molinas »dieses wird geschehen«) steht stellvertretend für beliebige Ereignisse; und (ii) kein notwendiges Ereignis ist kontingent. Im Folgenden kommentieren wir daher nur Molinas Argument für Konklusion1. Die von Molina oben in 52.3 angeführte Begründung für den Obersatz lautet, dass andernfalls – wenn er nicht gölte – in einem gültigen Schluss das Antezedens wahr und das Konsequens falsch sein könnte. Auch hier dürfte Molina u. a. die ursprüngliche Formulierung des Arguments bei Thomas vor Augen haben, der sagt: »Das Antezedens [einer Konditionalaussage] verhält sich so zum Konsequens wie die Prämissen [eines Schlusses] zur Konklusion. Aus notwendigen Prämissen aber folgt ausschließlich eine notwendige Konklusion.«82 Nun bestreitet Molina in 52.34 in seiner Antwort auf dieses gegnerische Argument dessen Konklusion(en) u. a. mit der These, es könne sehr wohl kontingent sein, dass E geschehe, auch wenn die Konditionalaussage, von der im Untersatz, Teil (i), die Rede ist, notwendig sei. Wie bereits im Kommentar zu 52.3 ausgeführt, darf man Molina somit so rekonstruieren, dass es auch im Obersatz in (i) um einen not wendig wahren Konditionalsatz geht bzw. im gegnerischen Argument an dieser Stelle von einem solchen die Rede sein sollte. Das gegnerische Argument hat dann im Kern folgende Gestalt: Obersatz*:
82
Wenn (i) ein Konditionalsatz notwendigerweise wahr und (ii) sein Antezedens absolut notwendig
»[S]ic enim se habet antecedens ad consequens, sicut principia ad conclusionem. Ex principiis autem necessariis non sequitur conclusio nisi necessaria« (ST I, q. 14, a. 13, 2).
52.34 195
ist, dann ist (iii) auch sein Konsequens absolut notwendig. Untersatz*: (i) Folgender Konditionalsatz ist notwendigerweise wahr: Wenn Gott von einem bestimmten Ereignis E gewusst hat, dass es zu t geschehen wird, dann geschieht E zu t. (ii) Außerdem ist das Antezedens dieses Konditionals absolut notwendig. Konklusion1: Also ist auch das Konsequens des im Untersatz genannten Konditionals absolut notwendig, d. h., es ist absolut notwendig, dass E zu t geschieht. Der Obersatz fungiert als Schlussregel, und Molinas Überlegung läuft darauf hinaus, dass die verwendeten Modaloperatoren verschiedene Deutungen haben und die Regel in derjenigen Lesart, die dem gegnerischen Argument nützen würde, ungültig ist. Die Regel ist, wie bereits im Kommentar zu 52.3 ausgeführt, mit einem Geschlossenheits-Prinzip über den Transfer von Notwendigkeiten verwandt, das in jüngerer Zeit von Autoren wie Peter van Inwagen, Carl Ginet, David Wiggins und anderen ausführlich83 verteidigt worden ist und sich, in der einen oder anderen Fassung, auch heute vieler Anhänger erfreut. Van Inwagens sogenannte »Regel Beta« (van Inwagen 1983, S. 94) hat die Form: Np, N(p⊃q) |– Nq, wobei der N-Operator im Sinne des Begriffs des »keine-Wahl-Habens« interpretiert wird. (Van Inwagen liest ›Np‹ im Sinne von: »p, und niemand hat oder hatte jemals eine Wahl in Bezug auf p«.) In dem von Molina diskutierten Prinzip geht es dagegen offenbar um ein Prinzip mit gemischten Modalitäten. Während seine Ausführungen in 52.3, wie im Kommentar zu diesem Abschnitt ausführlich dargelegt, so gedeutet werden können, dass es um den Transfer von Notwendigkeit 83
Vgl. etwa die Pionierarbeiten von van Inwagen (1975) und vor allem (1983); Ginet (1966), (1990); Wiggins (1973); für einen ausführlicheren Überblick über das Konsequenzargument und die Literatur zum Thema siehe etwa Jäger (2013 a).
196 Kommentar
im Sinne kausaler Unbeeinflussbarkeit vom Antezedens eines logisch notwendigen Konditionals auf dessen Konsequens geht (denn das ist eine Eigenschaft, die atemporal ›ewige‹ und ›vergangene‹ Sachverhalte teilen), sind seine Ausführungen in 52.32 und 52.34 offenbar eher so zu verstehen, dass Molina bestreitet, akzidentelle Notwendigkeit sei geschlossen unter strikter Implikation.84 Schreiben wir ›NAp‹ für ›Es ist akzidentell notwendig, dass p‹, dann scheint die von Molina in 52.34 abgelehnte Regel die Form zu haben: NAp, □(p⊃q) |– NAq. Warum muss oder will Molina, als libertarischer Freiheitstheoretiker, bestreiten, dass sich die akzidentelle Notwendigkeit eines Sachverhalts, der einen anderen strikt impliziert, auf diesen anderen Sachverhalt überträgt? Angenommen, Gott weiß zum Zeitpunkt t1 voraus, dass eine bestimmte menschliche Entscheidung oder Handlung H zu einem späteren Zeitpunkt t3 stattfindet. t2 sei ein Zeitpunkt zwischen t 1 und t3 (der beliebig nahe an t3 liegen kann). (a) Dann ist die Tatsache, dass Gott zu t1 weiß bzw. wusste, dass H zu t3 stattfinden würde, zu t2 akzidentell notwendig, denn die Vergangenheit ist unbeeinflussbar. (b) Ferner ist es begrifflich notwendig, dass, wenn Gott jenes Vorauswissen zu t1 hatte, H zu t3 auch geschieht. Angenommen nun, es gilt die obige Regel über den Transfer akzidenteller Notwendigkeit. Dann kann geschlossen werden, dass es (c) auch zu t2 akzidentell notwendig ist, dass H zu t3 geschieht. Der explizite Teil des so ausgelegten gegnerischen Arguments aus 52.3 endet mit diesem Schritt, aber Molina dürfte seine Gegner so verstehen, dass diese das folgende anti-libertarische Räsonnement anschließen: (d) Wenn es zu einem beliebigen Zeitpunkt vor der Realisierung von H akzidentell notwendig ist, dass H zu t3 geschieht, so erfolgt H zu t3 nicht frei; (e) also erfolgt H nicht frei. Da für H beliebige Handlungen oder Entscheidungen beliebiger Akteure eingesetzt werden können, ergibt sich verallgemeinert, dass keine menschliche Handlung 84
So deutet auch Freddoso (1988 b), S. 58, Molinas Antwort.
52.34 197
oder Entscheidung frei ist. Molina akzeptiert (a), (b), (d) und den Schluss von (c) und (d) auf (e). Aber er bestreitet in Abschnitt 52.34, dass die Zwischenkonklusion (c) aus (a) und (b) folgt, weil er die uneingeschränkte Gültigkeit der Regel bestreitet, dass akzidentelle Notwendigkeit geschlossen ist unter notwendiger (oder strikter) Implikation. Molina argumentiert, dass das gegnerische Argument nicht stichhaltig ist, weil die im Obersatz formulierte Regel ungültig ist, wenn bestimmte – im vorliegenden Fall anzunehmende – Bedingungen gelten. Ist diese Kritik überzeugend? Im Effekt argumentiert Molina, dass die gegnerische Überlegung, um schlüssig zu sein, Annahmen machen muss, die der theologische Indeterminist nicht akzeptiert. Der Gegner will dagegen mit seinem Argument zeigen, dass die Thesen des theologischen Indeterministen über die Vereinbarkeit göttlichen Vorauswissens mit menschlicher Freiheit unhaltbar sind. Welche Seite die Beweislast hat, ist nicht leicht zu sagen. An Molinas Überlegung erscheint zumindest problematisch, dass er kein von seiner theologischen Vereinbarkeitsthese unabhängiges Argument für die eingeschränkte Gültigkeit jener im Obersatz formulierten Transferregel über Notwendigkeiten (in der von Molina vorgeschlagenen Interpretation) beibringt, sondern in seiner Begründung auf eben die Behauptung zurückgreift, die der Gegner mit seinem Argument bestreiten will: dass göttliches Vorherwissen und menschliche Freiheit kompatibel sind! Hinzu kommt, dass die These, akzidentelle Notwendigkeit sei geschlossen unter strikter Implikation, sehr plausibel erscheint: Wenn es heute akzidentell notwendig ist, dass Caesar im Jahre 49 v. Chr. den Rubikon überquerte, und es (im weiteren Sinne) logisch notwendig ist, dass Caesar – gegeben die aktuale Denotation von ›Rubikon‹ –, wenn er dies tat, im Jahre 49 v. Chr. auch einen Fluss überquerte, dass er zu dieser Zeit auch existierte usw., dann, so scheint es, sind auch diese letztgenannten Tatsachen heute akzidentell notwendig: Sie liegen in der »harten« Vergangenheit und sind nicht mehr zu beeinflussen.
198 Kommentar
Molina betont abschließend nochmals, dass Gottes Vorherwissen um eine gegebene menschliche Handlung nicht in dem Sinne notwendig ist, dass es nicht anders hätte ausfallen können. Angenommen, so überlegt Molina, die Handlung H ist kontingent (»das Konsequens … kann gelten oder nicht gelten«); dann könnte H anders ausfallen; doch wenn H anders erfolgen würde, dann wäre auch Gottes Vorherwissen ein anderes gewesen und es würde nicht gelten, dass Gott wusste, dass H stattfinden würde. 52.35 Das dritte, in 52.4 vorgestellte gegnerische Argument, das Molina nun in Abschnitt 52.35 zurückweist, hat folgenden Auf bau: Obersatz:
Alles, was Gott weiß, ist notwendigerweise der Fall. (Beweis des Obersatzes: (i) Auch alles, was Menschen wissen, ist notwendigerweise der Fall oder zumindest an sich sicher; und (ii) Gottes Wissen ist sicherer als menschliches.) Untersatz: Nichts kontingentes Zukünftiges ist notwendigerweise der Fall. Konklusion: Gott kann nichts kontingentes Zukünftiges wissen. In seiner Zurückweisung dieses Arguments verwendet Molina mehrfach die schon verschiedentlich erläuterte Unterscheidung von necessitas consequentiae und necessitas consequentis (vgl. hierzu insbesondere unseren Kommentar zu 52.3). Er liest das Argument dabei (korrekterweise) so, dass die »Allsatz-Formulierung« des Obersatzes und in Klausel (i) des Beweisversuchs sowie die Quantifikationen im Untersatz und in der Konklusion verkappte Konditionale enthalten.85 Molina diskutiert dies nicht, scheint 85
Dies entspricht der Analyse von Allsätzen, wie sie in der modernen Logik seit Frege üblich ist.
52.35 199
aber davon auszugehen, dass der Schluss von Obersatz und Untersatz auf die Konklusion sehr wohl gültig ist, wenn man den Obersatz statt im Sinne einer necessitas consequentiae (die Molina akzeptiert) wie folgt im Sinne einer necessitas consequentis (die Molina jedoch nicht akzeptiert) liest: Obersatz*: Für alle Sachverhalte (Propositionen) p gilt: Wenn Gott weiß, dass p, dann ist p notwendigerweise der Fall (wahr). Der Untersatz lautet, dass es keinen Sachverhalt (keine Proposition) p gibt, für den (die) gilt: p bezieht sich auf kontingentes Zukünftiges und p ist notwendig; bzw., äquivalent: Für alle Sachverhalte (Propositionen) p gilt: Wenn p sich auf kontingentes Zukünftiges bezieht, dann ist p nicht notwendig, oder: Untersatz*: Für alle Sachverhalte (Propositionen) p gilt: Wenn p notwendigerweise der Fall (wahr) ist, dann bezieht sich p nicht auf kontingentes Zukünftiges. Und hieraus folgt zusammen mit dem Obersatz*, dass für alle Sachverhalte (Propositionen) p gilt: Wenn Gott weiß, dass p, dann bezieht sich p nicht auf kontingentes Zukünftiges, bzw., näher an der ursprünglichen Formulierung der Konklusion: Konklusion*: Es gibt keinen Sachverhalt (keine Proposition) p, für den (die) gilt: Gott weiß, dass p, und p bezieht sich auf kontingentes Zukünftiges. Nun heißt es in der ursprünglichen Konklusion des Arguments in Molinas Rekonstruktion allerdings, dass Gott somit nichts kontingentes Zukünftiges wissen könne (»Ergo nullum contingens futurum a Deo sciri potest«). Liest man dies, wie es naheliegt, im Sinne von: ›Es ist nicht möglich, dass es einen Sachverhalt (eine Proposition) p gibt, für den (die) gilt: Gott weiß,
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dass p, und p bezieht sich auf kontingentes Zukünftiges‹, dann folgt diese gegnerische Konklusion, so wie Molina sie wiedergibt, streng genommen auch in der soeben rekonstruierten Variante des Arguments nicht aus den Prämissen. Doch dies ist eine vergleichsweise kleine Unebenheit, die auf sich beruhen bleiben möge. Immerhin ist die Konklusion* ebenfalls hinreichend unangenehm für den theologischen Indeterministen – wenn sie sich denn aus einem guten Argument ergäbe. Bevor wir diese Frage näher untersuchen, gilt es zunächst einen Blick auf die andere Lesart des Obersatzes zu werfen, die Molina zu Beginn von 52.35 anführt. Im ersten Satz des Abschnitts konzediert Molina, dass der Obersatz – wir können ergänzen: aufgrund der Definition von ›Wissen‹ – zu akzeptieren sei, wenn man ihn im Sinne einer neces sitas consequentiae verstehe. (Für alle Sachverhalte (Propositionen) p gilt notwendigerweise: Wenn Gott weiß, dass p, dann p.) Molina spricht dies nicht explizit aus, aber es ist klar, dass unter dieser zweiten Lesart des Obersatzes dieser zwar wahr ist, der Schluss auf die Konklusion jedoch ungültig wird und das Argument somit ebenfalls nicht stichhaltig ist. Unter der necessitas-consequentis-Lesart des Obersatzes aber, argumentiert Molina, sei das Argument – obwohl dann der Schluss auf die Konklusion, wie oben erläutert, gültig ist – ebenfalls nicht stichhaltig. Denn in diesem Fall sei der Obersatz falsch. Was ist dann zu dem von Molina angeführten gegnerischen Beweisversuch des Obersatzes zu sagen? Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten der Beziehung zwischen der Notwendigkeitsaussage in Teil (i) jenes Beweisversuchs und der Notwendigkeitsaussage im Obersatz, je nachdem, wie man deren Lesarten im Sinne einer necessitas consequentiae oder einer necessitas consequen tis kombiniert. Molina betrachtet drei Kombinationen offenbar als irrelevant bzw. bereits erledigt; die vierte diskutiert er dagegen ausführlich. Zunächst zu den drei von Molina nicht mehr beachteten Lesarten: (a) Dass zusammen mit Klausel (ii) des Beweisversuchs aus einer Deutung von Klausel (i) im Sinne ei-
52.35 201
ner necessitas consequentiae nicht auf den Obersatz, verstanden im Sinne eine necessitas consequentis, geschlossen werden kann, kann als unkontrovers gelten. Daraus, dass Gottes Wissen sicherer ist als menschliches (Klausel ii) und dass notwendigerweise gilt: ›Alles, was Menschen wissen, ist der Fall‹, folgt nicht, dass alles, was Gott weiß, notwendig ist. Die Variante (b) aber, in der mit Klausel (ii) des Beweisversuchs und Klausel (i), verstanden im Sinne einer necessitas con sequentis, auf den Obersatz im Sinne einer necessitas consequentiae geschlossen wird, sowie auch Variante (c), in der mit Klausel (ii) des Beweisversuchs und Klausel (i) im Sinne einer necessitas con sequentiae auf den Obersatz im Sinne einer necessitas consequen tiae geschlossen wird, sind so oder so irrelevant. Denn wenn der Obersatz auf diese Weise verstanden wird, folgt, wie erläutert, die Konklusion des gegnerischen Arguments ohnehin nicht. Es bleibt für Molina somit zu untersuchen, warum der Beweisversuch des Obersatzes scheitert, wenn erstens in dessen Klausel (i) von einer necessitas consequentis bzgl. der Inhalte menschlichen Wissens die Rede ist (Für alle p gilt: Wenn ein gegebener Mensch weiß, dass p, ist p notwendig) und zweitens der Obersatz selbst ebenfalls im Sinne einer necessitas consequentis verstanden wird (Für alle p gilt: Wenn Gott weiß, dass p, dann ist p notwendig). Anders als nun vielleicht zu erwarten wäre, lehnt Molina den so verstandenen Beweisversuch nicht etwa mit der Begründung ab, dass Klausel (i) des Beweisversuchs des Obersatzes in der necessitas-consequentis-Lesart schlicht falsch ist. Zumindest bestreitet er an dieser Stelle nicht, dass alle Sachverhalte oder Propositionen, die Inhalte von menschlichem Wissen sein können, »notwendig oder jedenfalls an sich sicher« sind. Vielmehr argumentiert er, dass es diese Sicherheit, selbst wenn man einräumt, dass sie generell auch kontingenten empirischen Sachverhalten zukommen kann, in Bezug auf kontingentes Zukünftiges nicht gibt, und dass diese Tatsache zwar menschliches, nicht jedoch göttliches Vorherwissen kontingenter Sachverhalte verhindert. Denn dieses hänge keineswegs von der Sicherheit seiner Gegen-
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stände ab; die unendliche Überlegenheit seines Wissens erlaube es Gott, auch »in sich Unsicheres« und somit auch kontingentes Zukünftiges zu wissen.86 Insgesamt legen diese Überlegungen nahe, dass Molina die »überragende Geisteskraft und Über legenheit« Gottes nicht im Sinne einer Steigerung menschlicher Intellektualität, sondern als etwas qualitativ anderes versteht. Zum Hintergrund von Molinas Diskussion der Klausel (i) des Beweisversuchs des Obersatzes in der necessitas-consequentis-Lesart ist daran zu erinnern, was es für Aristoteles bedeutet, eine Sache »einfachhin« oder »schlechthin« bzw. »an sich« (ἁπλῶς, καθ᾿ αὑτό) zu wissen. An programmatischen Stellen im 2. und 4. Kapitel des 1. Buches der Zweiten Analytik hält Aristoteles fest, dass wir dann eine Sache schlechthin wissen, wenn wir ihre Ursachen kennen und dadurch Kenntnis davon besitzen, dass sie sich, gegeben die Ursachen, nicht anders verhalten kann und daher notwendig ist (I 2, 71 b 9–16; I 4, 73 a 21–22). Hier ist ein aristotelisches Verständnis von Ursachen bzw. Gründen und nicht etwa eine moderne Kausalitätskonzeption vorausgesetzt. Wissen in diesem engen und für Aristoteles eigentlichen Sinne lässt sich ausschließlich durch syllogistisch gültige Deduktionen, d. h. Demonstrationen (ἀποδείξεις) aus notwendig wahren Prämissen erreichen. Gewusst wird demnach die – unter diesen Voraussetzungen – notwendige und sichere Konklusion eines demonstrativen Syllogismus. Für das Verständnis der zweiten Teilaussage von Klausel (i) des Beweises – »Alles, was vom Menschen gewusst wird, ist … an sich sicher (wobei das Wort ›Wissen‹ in weiter Bedeutung genom men wird, so dass es auch die sichere Kenntnis von kontingenten Sät zen, die durch Sinneserfahrung bestätigt wird, umfasst)« – kann man 86
Die These, dass Gott kontingente zukünftige Ereignisse im Voraus kenne, obwohl Sätze oder Propositionen über sie noch nicht wahr oder falsch seien, wurde – vermutlich erstmals – von Petrus Aureoli (1280–1322) explizit vertreten. S. Petrus Areoli (Scriptum), d. 38, a. 1, resp., S. 112, und a. 3, resp., S. 126.
52.35 203
ebenfalls Ansätze in der aristotelischen Theorie des Wissens heranziehen, nämlich solche, die Aristoteles unter dem Begriff der ἐπαγωγή (Hinführung, in lat. Übersetzung meist: inductio) behandelt. Diese ist Aristoteles zufolge auf Sinneserfahrung angewiesen und besteht darin, Kenntnis des Allgemeinen auf nicht-deduktive Weise aus sinnlich gegebenem Einzelnen zu erlangen. Aristoteles unterscheidet in diesem Kontext in der Zweiten Analytik (vgl. z. B. II, c. 1; II, c. 13) zwischen der Feststellung von Tatsachen, zu denen empirische gehören, und deren Beweis oder Bestätigung, d. h. zwischen dem »Dass« (ὅτι) und dem »Weshalb« (διὰ τί). Das »Dass« als das »für uns Bekanntere« (ἡμῖν γνωριμώτερον) geht dabei dem »Weshalb« als dem »der Natur nach Bekannteren« (τῇ φύσει γνωριμώτερον) methodisch voraus (vgl. etwa Physik I, c. 1, 184 a 19–21). »Das ›Dass‹ und das ›Weshalb‹ zu wissen, unterscheidet sich« (τὸ δ’ ὂτι διαφέρει καὶ τὸ διότι ἐπίστασθαι), sagt Aristoteles (Anal. post. I, c. 13, 78 a 22); aber die sinnlich erkannten Tatsachen können eben auch zu Wissen führen, wenngleich es sich dann nicht um demonstrativ erworbenes Wissen handelt. Dies ist das »Wissen in weiter Bedeutung«, von dem Molina in 52.35 spricht. Über welche Stationen Molina seine eigene Auffassung von Wissen erlangt hat, soll hier nicht in extenso untersucht werden. Averroes, der Aristoteles-Kommentator schlechthin, dürfte hierbei eine Rolle gespielt haben. »Zu wissen, dass es etwas gibt, zusammen mit dessen Ursache«, schreibt Averroes beispielsweise, »ist sicherer als ein Wissen, das im Sinn allein vorliegt« (»Scire aliquid esse cum sua causa erit certius scientia quae est in sensu tantum«, Averroes, In Phys. VIII, com. 65, 406 v G). Explizit vertritt in der mittelalterlichen Aristoteles-Rezeption auch der einflussreiche Robert Grosseteste eine Pluralität der Wissensformen: »Es soll uns aber nicht verborgen bleiben, dass von ›Wissen‹ in einem allgemeinen, einem engeren, einem noch engeren und in einem engsten Sinn gesprochen wird. Denn Wissen im allgemeinen Sinn ist das Erfassen der Wahrheit, und so werden auch einzelne kontingente Dinge gewusst« (»Sed non lateat nos
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quod scire dicitur communiter et proprie et magis et maxime proprie. Est enim scientia communiter veritatis comprehensio, et sic sciuntur contingentia erratica …«, In Anal. Post. I, c. 2, tt. 7–9, S. 99). Nahe an Molinas Formulierung liegt auch Ockham, der im Prolog seines Physikkommentars sechs Wissensa rten unterscheidet (In Phys., prol., § 2, S. 5–6). Die ersten beiden Bestimmungen lauten: »Eine [Unterscheidung] liegt darin, dass Wissen in einem Sinn die sichere Kenntnis eines Wahren ist« (»Una [distinctio] est quod scientia uno modo est certa notitia alicuius veri …«); und: »Anders wird Wissen verstanden als evidente Erkenntnis … daraus allein, dass ich die Weiße sehe, die in einer Wand ist, weiß ich, dass die Wand weiß ist … Auf diese Weise gibt es Wissen nicht nur vom Notwendigen, sondern auch von Kontingentem« (»Aliter accipitur scientia pro evidenti notitia … ex hoc ipso quod video albedinem quae est in pariete, scirem quod paries est albus. … Et isto modo scientia non est tantum necessariorum, immo etiam est aliquorum contingentium.«)87 Auch bei Thomas von Aquin, dessen Denken Molina besonders nahe stand, finden sich verschiedene Wissensbegriffe. An zahlreichen Stellen hebt Thomas einerseits im Anschluss an Aristoteles hervor, dass Wissen sich auf Bewiesenes bezieht, so z. B. in In Anal. Post., I, lect. 3, n. 5: »Gewusst wird das, wovon man einen Beweis hat« (»Illud scitur de quo demonstratio habetur«), wobei das Wissen darin bestehe, die Ursache einer Sache zu kennen 87
Ähnlich sagt Ockham in der Summa logicae (pars III–2, c. 1, S. 506): »Daher muss man wissen, dass, auch wenn man ›wissen‹ auf verschiedene Weise verstehen kann, es an dieser Stelle genügt zu sagen, dass von ihm auf dreierlei Weise gesprochen wird. In einem Sinn ist Wissen das evidente Erfassen der Wahrheit. In diesem Sinn sagt man, dass nicht nur Notwendiges, sondern auch Kontingentes gewusst wird, wie etwa ›Ich weiß, dass Du sitzt‹ und ›Ich weiß, dass ich denke und lebe‹. (»Unde sciendum est quod quamvis ›scire‹ diversis modis accipi potest, sufficiat tamen ad praesens dicere quod tribus modis dicitur. Uno modo ›scire‹ est evidens comprehensio veritatis. Et sic dicuntur sciri non tantum necessaria sed etiam contingentia, sicut ›scio te sedere‹ et ›scio me intelligere et vivere‹…«)
52.35 205
(»Scire est causam rei cognoscere«; ibid., lect. 8, n. 4). Andererseits verwendet auch er einen erweiterten Wissensbegriff, wenn er sagt: »Vom [Wissen] wird auf zweifache Weise gesprochen, denn es gibt auch ein Wissen durch Erfahrungsdinge« (ibid.; »… sed dupliciter [scire] diceretur quia esset etiam quoddam scire per posteriora«).88 Im Hinblick auf Molina ist zusammenfassend festzuhalten, dass er im Einklang mit diesen und anderen Autoren in 52.35 zwar einräumt, dass es empirisches Wissen von Kontingentem gibt, jedoch leugnet, dass Menschen in einer nicht-deterministischen Welt empirisches Wissen von zukünfti gem Kontingenten haben können. Bei Gott jedoch liegen die Dinge Molina zufolge anders, denn Gott kann sehr wohl auch Wissen von Dingen haben, die noch nicht feststehen. Molina beruft sich damit auf die in späterer Literatur so genannte These der supercomprehensio. Er selbst verwendet diese Terminologie, soweit wir sehen, nicht, kommt ihr aber nahe, wenn er z. B. in 52.17 sagt, um futura contingentia und speziell zukünftige Festlegungen freier Entscheidungsvermögen zu erkennen, sei altissima et eminentissima comprehensio der betreffenden Quellen erforderlich, und eine solche comprehensio besitze nur Gott. Vgl. auch Molinas Summenkommentar (I, q. 14, a. 13, disp. 17, S. 214 b, sowie I, q. 1, a. V, S. 24 a–b), wo es heißt: »Die Sicherheit des geschaffenen und rein natürlichen Erkennens hängt ab von der Sicherheit des Gegenstandes an sich betrachtet, als von ihrem Maß, und in der Erkenntnis kann es keine größere Sicherheit geben als im Gegenstand. … Die Sicherheit des ungeschaffenen Erkennens und Wissens hängt … nicht von der Sicherheit der Gegenstände ab und geht auch nicht aus ihnen hervor, sondern stammt aus der Überlegenheit und unendlichen und unbegrenzten 88
In seinem Kommentar zur Nikomachischen Ethik schreibt Thomas (Sent. Ethic., VI, lect. 3, n. 4): »… Gelegentlich sagen wir vergleichsweise, dass wir auch die sinnlichen Dinge, in denen wir uns sicher sind, wissen« (»… quandoque similitudinarie dicimus scire etiam sensibilia de quibus certi sumus«).
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Macht und der Vollkommenheit des göttlichen Geistes. … Deshalb überschreitet die Sicherheit und Unfehlbarkeit des göttlichen Wissens die Sicherheit und Unfehlbarkeit aller geschaffenen Gegenstände in unendlichem Ausmaß.«89
Auch in der ausführlichen Darstellung und Verteidigung von Molinas Theorie der scientia media in Martin Becans Summa (1612) taucht das Wort ›supercomprehensio‹ offenbar nicht auf, obwohl das betreffende Thema ausführlich behandelt wird. Verwendet wird es hingegen im Cursus Theologicus der Unbeschuhten Carmeliter von Salamanca (Cursus Theologicus; siehe etwa S. 377 f.). Und ausgiebigen Gebrauch von ihm macht Gabriel de Henao in seiner Scientia media theologice defensata (siehe etwa S. 340 f., 345 f. 364, 403), um nur einige Beispiele zu nennen. Schon Suárez, ansonsten ein Mitstreiter Molinas gegen die báñezianisch-thomistische Theorie der praedeterminatio physica, bemängelt an diesem Aspekt von Molinas Ansatz u. a., dass com prehendere aus begriff lichen Gründen nicht gesteigert werden könne, weil comprehendere hier bereits ein vollständiges Erfassen sei: »Repugnat […] esse comprehensionem et superari ex parte obiecti ab alia cognitione.« (»Es ist widersprüchlich, dass es ein Erfassen gibt und dass es im Hinblick auf seinen Gegenstand von 89
»Certitudo notitiae, si creata sit, ac mere naturalis, pendet a certitudine obiecti in se spectati, tamquam a sua mensura, nec in notitia esse potest maior certitudo, quam in obiecto. … Certitudo notitiae, scientiaeve increatae … nec a certitudine eorum pendet, nec ex illa proficiscitur, sed ex altitudine, infinitaque et illimitata vi, ac perfectione divini intellectus emanat. … Quo fit, ut certitudo, infallibilitasve divinae scientiae certitudinem ac infallibilitatem obiectorum omnium secundariorum, infinito intervallo excedat« (Comment. I, q. 1, a. 5, S. 24 a–b). Vgl. außerdem 52.16; 52.33; sowie 53, memb. 2.13 (S. 373): »… quod incertum in se est certo penetrat«; 53, memb. 3.10 (S. 389): »Certitudinem vero scientiae illius mediae provenire dicimus ex altitudine illimitataque perfectione intellectus divini qua certo cognoscit quod in se est incertum idque eminentissima comprehensione in divina sua essentia cuiuscumque arbitrii quod sua omnipotentia creare potest«. Vgl. auch 51.18 (S. 333 f.); 53, memb. 2.8 (S. 370 f.); 2.22 (S. 377 f.); 2.30 (S. 382 f.).
52.35 207
einer anderen Erkenntnis übertroffen wird« (Suárez, De scientia, 2.7, n. 6). Wie Suárez sehen auch viele heutige Autoren die Theorie der supercomprehensio mit Skepsis.90 Zu den Ausnahmen gehört neben William Craig91 neuerlich John Martin Fischer. Fischer, der sich ansonsten kritisch zu Molina äußert92, schlägt in einem seiner jüngsten Aufsätze vor, eine mit der molinistischen Idee der supercomprehensio zumindest eng verwandte Auffassung durch ein »Bootstrapping-Argument« zu stützen (Fischer 2016, S. 37– 45). Im Kern lautet Fischers Überlegung, dass zwar Menschen nicht-determinierte Ereignisse nicht vorauswissen können, dass Gott dies jedoch aufgrund reflexiven Wissens über seine eigene epistemische Verfassung möglich ist: Hinsichtlich aller, auch zukünftiger weltlicher Ereignisse, so Fischer, hat Gott die Überzeugung, dass sie stattfinden. Da Gott aber weiß, dass er keine falschen Überzeugungen hat, weiß er daher auch, was zukünftig stattfindet. Supercomprehensio oder eine ähnliche Art göttlichen »Super-Wissens« beruht somit in diesem Modell auf höherstufigem göttlichen Wissen um die eigene epistemische Unfehlbarkeit. Anders als beim Zugang fehlbarer epistemischer Subjekte zu ihren eigenen Überzeugungen, der nicht darüber auf klärt, ob diese Überzeugungen wahr sind, erfasst Gott mit den eigenen Überzeugungen sehr wohl auch, wie es sich wirklich verhält. Dies ist ein interessanter Vorschlag. Bei genauerem Hinsehen bliebe indessen u. a. zu fragen, inwiefern er das zentrale Pro blem nicht nur verschiebt, sondern tatsächlich löst oder auflöst bzw. eine Lösung zumindest voranbringt. Anders als Molina ist Fischer kein Libertarier. Doch für Libertarier ist offen, wie nicht-determinierte zukünftige Handlungen und Entscheidungen ausfallen werden. Dann allerdings fragt sich, wie und auf 90
S. etwa Normore (1982), S. 380 f. Vgl. auch Ramelow (1997), S. 56 f. Vgl. die erhellende Diskussion in Craig (1988), S. 179–183. 92 S. Fischer (2008), (2009), (2011). Für eine kritische Diskussion von Fischers Thesen siehe Jäger (2013 a). 91
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welcher Basis selbst Gott im Vorhinein (wahre) Überzeugungen über solche Handlungen und Entscheidungen seitens seiner Kreat uren in sich vorfinden könnte. Zwar ist zuzugestehen, dass er, wenn er solche Überzeugungen hat, auch weiß, dass er sie hat und dass sie wahr sind. Doch woher hat er sie, wenn noch nicht feststeht, wie die Sachverhalte, auf die sie sich beziehen, ausfallen werden? Vgl. zu diesem Thema auch die Diskussion in der Einleitung zum so genannten Grundlageneinwand (groun ding objection). Ps 50,8 lautet in der Version der Vulgata, die Molina vermutlich vor sich hatte: »Ecce enim veritatem dilexisti incerta et occulta sapientiae tuae manifestasti mihi.« Das ist der Text, den Hieronymus nach einer altlateinischen Vorlage, die er anhand der griechischen Hexapla des Origenes korrigierte, angefertigt hat. Die Hexapla enthielt sechs griechische Übersetzungen des Alten Testaments, darunter die Septuaginta. Diese Version der Psalmenübersetzung des Hieronymus gilt daher heute als Übersetzung nach der Septuaginta. Die Schriften des Alten Testamentes wurden der Überlieferung nach von 70 Gelehrten gemeinsam ins Griechische übersetzt. (Daher der Name Septuaginta. Tatsächlich entstand die Übersetzung wohl zwischen 250 v. Chr. und 100 n. Chr.) Die Übersetzungen der Psalmen in die verschiedenen anderen Sprachen folgen gelegentlich der Septuaginta, manche aber auch der hebräischen Bibel. Heute gebräuchliche Ausgaben der Vulgata legen neben der Psalmenübersetzung nach der Septuaginta auch eine Übersetzung nach dem hebräischen Psalmentext vor. In dieser Fassung lautet der betreffende Vers: »Ecce enim veritatem diligis absconditum et arcanum sapientiae manifestasti mihi.« Auch hier werden somit zwei Wörter verwendet, um die Weisheitsoffenbarung zu charakterisieren. Statt wie in der Septuaginta-Version »incerta et occulta« (»unsichere und verborgene Dinge«) steht hier »absconditum et arcanum« (»Verborgenes und Geheimes«). In der Septuaginta heißt es an der betreffenden Stelle τὰ ἄδηλα καὶ τὰ κρύφια τῆς σοφίας σου (»die unsicheren und verborgenen Dinge deiner Weisheit«).
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Keine dieser Übersetzungen wird jedoch dem hebräischen Text gerecht. Diesem entspricht am ehesten die Version der Nova Vulgata (1979): »Ecce enim veritatem in corde dilexisti et in occulto sapientiam manifestasti mihi.« Es ist unklar, welche Information Molina zum hebräischen Text hatte. Was Molina sagt, ist nämlich nicht richtig. Der hebräische Text lautet übersetzt (wie der Text der Nova Vulgata): »Siehe, du hast die Wahrheit im Innersten geliebt, und im Verborgenen hast du mir Weisheit gezeigt.« Es gibt im hebräischen Text sehr wohl zwei Wörter, die sich u. a. auch mit »incertum« (b’tu hot) und »occultum« (b’satum) wiedergeben lassen. Doch sind die Bezüge im hebräischen Text anders. Dort ist gemeint, dass Gott die Wahrheit im Innersten oder Tiefsten des Menschen liebt, und dass er im Verborgenen Weisheit offenbart. Vgl. hierzu etwa die Übersetzung der Echter-Bibel: »Lauterer Sinn im Verborgenen gefällt dir, im Geheimen lehrst du mich Weisheit.« Die im Deutschen »Lobgesänge« genannten 150 Lieder des Psalterbuches im hebräischen Alten Testament erhielten in der griechisch-lateinischen Welt den Namen »Psalmen«, was soviel bedeutet wie »Gesänge mit Saitenspiel«. Trotz der Gesamtzahl von 150 werden die Einheiten im hebräischen Text anders gezählt als in der griechischen (Septuaginta) sowie in der lateinischen Übersetzung (Vulgata). Septuaginta und Vulgata fügen die hebräischen Psalmen 9 und 10 sowie 114 und 115 zusammen, teilen aber die Psalmen 116 und 147 jeweils in zwei. Daher sind die Zahlen in der griechisch-lateinischen Tradition für das Gros der Psalmen je um eins niedriger. In der exegetischen Literatur hat sich die hebräische Zählweise durchgesetzt. Der hier nach der Vulgata angegebene Ps 50,8 ist in der hebräischen Version Ps 51,8, und so wird er auch in den meisten Übersetzungen in die heutigen Volkssprachen gezählt. 52.36 Das vierte, von Molina in 52.5 dargestellte gegnerische Argument ist dem dritten Eingangsargument sehr ähnlich, und entsprechend fällt auch Molinas Widerlegung des vierten Ar-
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guments ähnlich wie die Widerlegung des dritten in Abschnitt 52.35 aus. Das vierte Argument hat explizit zunächst die Gestalt, dass aus dem Antezedens »Nichts von Gott im Voraus erkanntes Zukünftiges kann ausbleiben« direkt auf die Konklusion »Also ist nichts von Gott im Voraus Erkanntes ein kontingentes Zukünftiges« geschlossen wird. Der Schluss, so setzt das Argument voraus, sei deshalb gültig, weil kontingentes Zukünftiges nichts anderes sei als das, was geschehen wie auch nicht geschehen könne. Ergänzt um diese Prämisse, lässt sich das Argument wie folgt zusammenfassen: Antezedens:
Nichts von Gott im Voraus erkanntes Zukünftiges kann ausbleiben. (Implizite) Prämisse: Kontingentes Zukünftiges kann geschehen oder ausbleiben. Konklusion: Also ist nichts von Gott im Voraus Erkanntes ein kontingentes Zukünftiges. Die zweite, implizite Prämisse gilt dem Argument als analytische Wahrheit, und Molina wird sie nicht bestreiten. Die erste Prämisse hingegen, das explizite Antezedens, sucht der Verfechter des Arguments in Molinas Rekonstruktion zu beweisen, indem er zeigt, dass die gegenteilige Annahme eine unhaltbare Konsequenz hätte: Angenommen, Gott weiß, dass p der Fall sein wird, doch p wird nicht der Fall sein. Dann läge Gott mit seinem Wissen falsch und könnte sich irren. Doch das ist aus theologischen Gründen unmöglich. Also ist es, wenn Gott weiß, dass p der Fall sein wird, nicht möglich, dass p nicht der Fall sein wird. Da ›p‹ hier für beliebige Sachverhalte steht, so die Quintessenz, kann nichts von Gott im Voraus erkanntes Zukünftiges ausbleiben. Zur Widerlegung dieses vierten Arguments zieht Molina in 52.36 wieder die bereits mehrfach erläuterte Unterscheidung zwischen Modalaussagen in sensu composito und in sensu diviso heran. Versteht man das Antezedens in sensu composito, dann
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kann es als wahr zugestanden werden, denn in der Tat gilt notwendigerweise: Was Gott vorherweiß, bleibt nicht aus. Allerdings ist dann der Schluss von dem auf diese Weise gedeuteten Antezedens und der zweiten Prämisse auf die Konklusion: »Also ist nichts von Gott im Voraus Erkanntes ein kontingentes Zukünftiges« ungültig, weil er irrtümlich von einer Modalität in sensu composito (oder, bezogen auf einen entsprechenden Wenndann-Satz, einer necessitas consequentiae) auf eine Modalität in sensu diviso (bzw. necessitas consequentis) übergeht. Versteht man das Antezedens hingegen in sensu diviso (»Alles, was Gott weiß, ist notwendig«), so folgt die Konklusion zwar; aber in dieser Weise interpretiert, führt Molina aus, ist das Antezedens falsch. Im letzten Absatz fasst Molina das Gesagte zusammen und hält nochmals fest, was er bereits mehrfach ausgeführt hat: dass es zwar dem Vorliegen göttlichen Vorherwissens widerspräche, wenn das Vorhergewusste nicht entsprechend einträte, dass dieses Wissen aber nicht in dieser Weise vorgelegen hätte, wenn sich die Dinge anders verhielten oder verhalten hätten, und jenes Wissen somit an dem Kontingenz-Status des Vorhergewussten nichts ändert. Vgl. hierzu auch unsere Erläuterungen zu 52.21– 52.29. 52.37 Das hier zurückgewiesene fünfte, in 52.6 vorgestellte gegnerische Argument referiert Molina dort in etwa so: Obersatz:
Untersatz:
Was Sätze (oder Aussagen) über kontingentes Zukünftiges besagen, ist nicht weniger notwendig, wenn göttliches Wissen über dieses Zukünftige in festgelegter Weise wahr ist, als wenn die entsprechenden Sätze über Zukünftiges selbst in festgelegter Weise wahr sind. Wenn Sätze über kontingentes Zukünftiges in festgelegter Weise wahr sind, werden – wie Aristoteles in De int. 9 argumentiert – die von ihnen beschriebenen Dinge notwendig geschehen, womit unsere
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Beratungen (wie zu handeln und zu entscheiden sei) nutzlos werden. Konklusion: Also geschieht nichts kontingenterweise, unsere Beratungen sind nutzlos, und wir haben keine Entscheidungsfreiheit. Auch diese Überlegung wirft zunächst interpretatorische Fragen auf. Der Obersatz lässt sich, u. a. im Rückgriff auf die von uns im Kommentar zu 52.6 vorgeschlagene Lesart von Molinas Rede von der »Wahrheit göttlichen Wissens«, in einem ersten Anlauf wie folgt reformulieren: Obersatz*: Wenn in festgelegter Weise wahr ist, dass es göttliches Wissen über alles Zukünftige gibt, dann ist alles, was mit (nicht-epistemischen) Sätzen über Zukünftiges gesagt wird, nicht weniger notwendig, als es dies wäre, wenn solche Sätze selbst (und nicht die These, dass es göttliches Wissen über das betreffende Zukünftige gibt) in festgelegter Weise wahr wären. In dieser Fassung ist u. a. auch nicht mehr von in festgelegter Weise (determinate) wahren Sätzen über kontingentes Zukünftiges die Rede, weil ja gemeint ist, dass das betreffende Zukünftige eben durch den festgelegten, definiten Wahrheitswert der Sätze notwendig wird. Wie im Kommentar zu Abschnitt 52.6 ausführlich erläutert, ist der Hintergrund von Molinas Rede von determi nate die bis auf Ammonios und Boethius zurückgehende Diskussion von indefinit wahrheitswertdistributiven Aussagenpaaren der Form {p, ~p}. Doch auch der Obersatz* lässt an Übersichtlichkeit noch zu wünschen übrig. Zunächst wirft Molinas Rede von mehr bzw. weniger Notwendigkeit (non minus necessariae sunt …) Fragen auf. Was gemeint ist, dürfte sich transparenter in folgender Formulierung wiedergeben lassen: Wenn in festgelegter Weise wahr
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ist, dass es göttliches Wissen über alles Zukünftige gibt, dann hat alles Zukünftige dieselbe Modalität, die es hat, wenn entsprechende (nicht-epistemische) Sätze über dieses Zukünftige (und nicht Sätze über göttliches Wissen) in festgelegter Weise wahr sind. Ferner soll in 52.6 in Bezug auf das Vorliegen göttlichen Wissens trotz der Wenn-Formulierung offenbar nicht nur konditional argumentiert werden, sondern gemeint ist, dass es göttliches Wissen über die Zukunft tatsächlich gibt: Obersatz**: (i) Es ist in festgelegter Weise wahr, dass es göttliches Wissen über alles Zukünftige gibt; und (ii) wenn dem so ist, dann hat alles Zukünftige dieselbe Modalität, die es hätte, wenn (nicht-epistemische) Sätze über Zukünftiges in festgelegter Weise wahr wären; (iii) also hat alles Zukünftige dieselbe Modalität, die es hätte, wenn (nicht-epistemische) Sätze über Zukünftiges in festgelegter Weise wahr wären. Untersatz*: Wenn (nicht-epistemische) Sätze über Zukünftiges selbst in festgelegter Weise wahr wären, geschähe alles Zukünftige notwendigerweise (und es gäbe daher keine menschliche Entscheidungsfreiheit, und unsere Beratungen wären nutzlos). Konklusion*: Alles, was je geschieht, geschieht somit notwendigerweise (und daher gibt es keine menschliche Entscheidungsfreiheit, und unsere Beratungen sind nutzlos). Die kontrafaktische Formulierung »… dieselbe Modalität, die es hätte, wenn Sätze über Zukünftiges selbst in festgelegter Weise wahr wären« ist angebracht, weil Molina an anderer Stelle bestreitet, dass Sätze über Zukünftiges tatsächlich in festgelegter Weise wahr sind. (Vgl. hierzu 52.15 und unseren Kommentar zu diesem Abschnitt sowie Molinas Quaestio de futuris contingentibus von 1563/64.)
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Genau genommen folgt auch bei dieser Formulierung von Obersatz und Untersatz die Konklusion in der vorliegenden Form noch nicht, denn dort ist von allem, was je geschieht, und nicht nur von Zukünftigem die Rede. Es könnte jedoch Ereignisse geben oder gegeben haben, die keine zeitlichen Vorläufer haben. Schränkt man den Quantifikationsbereich hier jedoch auf solche Geschehen ein, die zeitliche Vorläufer haben, dann lässt sich diese Unebenheit leicht verbessern. Denn für den Bereich solcher Geschehen gilt, dass in der Tat alles entweder noch zukünftig ist oder aber einmal zukünftig war. Entsprechend wendet Molina gegen dieses Argument auch etwas anderes ein. Der Obersatz sei abzulehnen, weil die in diesem implizit vor ausgesetzte Gleichartigkeit von menschlicher und göttlicher Sicherheit im Wissen bezüglich des kontingenten Zukünftigen nicht bestehe. Er verweist dazu auf seine Antwort in Abschnitt 52.35: Die Sicherheit menschlichen Wissens und Erkennens, gesteht Molina zu, sei zwar abhängig von der Notwendigkeit (im Falle apodiktischen Wissens) oder zumindest Sicherheit (im Falle empirisch-induktiven Wissens) seiner Inhalte. Damit der Mensch Wissen über Zukünftiges beanspruchen könnte, müsste dieses Zukünftige somit in der Tat notwendig oder zumindest im skizzierten Sinne sicher sein. Da genau das aber für kontingente zukünftige Ereignisse oder Sachverhalte nicht gilt, bleiben diese für den menschlichen Intellekt epistemisch ungewiss. Demgegenüber ist die Gewissheit göttlichen Wissens jedoch von ganz anderer Art. Denn Gott erkennt laut Molina auf Grund seiner unendlichen epistemischen Überlegenheit auch das »in sich unsichere«, kontingente Zukünftige, einschließlich nicht-determinierter menschlicher Handlungen und Entscheidungen. In dieser Hinsicht irrt der Gegner also Molina zufolge in seiner im Obersatz des Arguments vorausgesetzten Analogie zwischen göttlichem und menschlichem Wissen. Zu Details und Schwierigkeiten dieser Auffassung Molinas siehe unseren Kommentar zu 52.35. Zu Molinas im fünften Eingangsargument im Anschluss an Aristoteles (De int. 9) lapidar dem Untersatz und
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der Konklusion hinzugefügter These, dass damit, dass alles notwendigerweise geschieht, auch unsere Beratungen (consultatio nes) nutzlos werden, siehe unseren Kommentar zu 52.39 und die dortigen Ausführungen zum »Deliberationsargument«. 52.38 Das nun diskutierte sechste Argument gegen den theologischen Kompatibilismus aus Abschnitt 52.7 lässt sich wie folgt paraphrasieren. (Molina rekonstruiert es in diesem Fall unter Verwendung der Begriffe ›Antezedens‹ und ›Konsequens‹): Antezedens: (Universales) Vorherwissen des Zukünftigen setzt die Entscheidungsfreiheit von Akteuren außer Kraft. Konsequens: Also kann es nicht sowohl (menschliche) Entscheidungsfreiheit als auch universales göttliches Vorherwissen von kontingentem Zukünftigen geben, und eines von beidem muss bestritten werden. Molina bestreitet nicht, dass dieses Argument schlüssig ist (womit er, zumindest bei naheliegenden Lesarten von ›außer Kraft setzen‹, richtig liegt), doch er leugnet die Wahrheit des Ante zedens und muss somit dessen angeblichen Beweis, wie er ihn in 52.7 skizziert hatte, zurückweisen. Hierzu argumentiert er wie folgt. Es sei zugestanden, dass beispielsweise Folgendes in der Tat ein gültiger Schluss ist: ›Gott hat von Ewigkeit her gewusst, dass Petrus morgen sündigen wird; also wird Petrus morgen sündigen‹. (Molina nennt dies den ›Obersatz‹ des Beweisversuchs.) Molinas Gegner argumentiert, dass, wenn jemand die Macht hat, das Konsequens eines solchen Schlusses, in dem es um die Ausführung menschlicher Handlungen geht, zu falsifizieren, ihm auch die Macht zuzuschreiben ist, das Antezedens über ein entsprechendes göttliches Vorherwissen zu falsifizieren. (Molina nennt dieses Konditional den ›Untersatz‹ des Beweisversuchs.) Da aber niemand die Macht hat zu falsifizieren,
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dass Gott vom Stattfinden bestimmter menschlicher Entscheidungen von Ewigkeit her gewusst hat, räsoniert Molinas Gegner, hat auch niemand – insbesondere keiner der menschlichen Akteure, um deren Entscheidungen es sich dreht – die Macht, diese Entscheidungen ›außer Kraft zu setzen‹ und sie nicht stattfinden zu lassen. Legt man einen Libertarismus zugrunde, der sich auf eine Form des Prinzips der alternativen Möglichkeiten stützt, so bedeutet dies, dass menschliche Entscheidungen nicht frei sind. Gegen diese Überlegung argumentiert Molina nun, dass – obwohl es, wenn Gott das Wissen um Petrus’ Sündigen tatsächlich hatte, in niemandes Macht stehe zu bewirken, dass Gott nicht vorherwusste, dass Petrus zum betreffenden Zeitpunkt sündigen würde – es gleichwohl in Petrus’ Macht liege, zum betreffenden Zeitpunkt nicht zu sündigen. Denn das im Untersatz behauptete Implikationsverhältnis, aus dem das Gegenteil folgt, sei abzulehnen. Allerdings, so Molina, hätte dann das de facto vorliegende Vorherwissen Gottes (sein Wissen, dass Petrus sündigen würde) nicht vorgelegen. Damit endet Molinas Antwort – die aus verschiedenen Gründen problematisch ist. Anzumerken ist zunächst, dass Molinas Zurückweisung des gegnerischen Beweisversuchs selbst dann, wenn sie akzeptabel wäre, nicht zeigen würde, dass das Antezedens des Hauptarguments falsch ist. Wie auch an anderen Stellen liefert sie bestenfalls eine Widerlegung der von seinem Gegner ins Feld geführten Begründung einer Prämisse des Arguments. (In moderner erkenntnistheoretischer Terminologie gesprochen: Molina führt lediglich einen ›undercutting‹ oder ›undermining defeater‹ an. Doch um die Negation des Antezedens des gegnerischen Arguments zu begründen, müsste er einen erfolgreichen ›rebutting defeater‹ vorlegen).93 Molinas Vorgehen erscheint hier dennoch dialektisch legitim, da es ihm lediglich darum geht, bestimmte
93
Zum Thema defeaters siehe etwa den Überblicksartikel von Thomas Grundmann (2011).
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Überlegungen für den theologischen Determinismus und deren Begründungen als nicht stichhaltig zu erweisen. Dass dies Molina hier gelingt, erscheint dennoch zweifelhaft. Denn sein Argument arbeitet mit zwei unterschiedlichen Machtbegriffen und sitzt somit einer fallacia aequivocationis auf. Wenn Molina sagt, weder Petrus noch Gott selbst hätten unter den gemachten Annahmen »jetzt noch« – gemeint sein dürfte ein beliebiger Zeitpunkt zu Petrus’ Lebzeiten – die Macht (potestas) zu bewirken, dass Gott nicht vorhergewusst habe, dass Petrus sündigen werde, dann gilt dies unter der Voraussetzung, dass Gott dieses Vorherwissen im aktualen Weltverlauf, in welchem Petrus so handelt, wie er handelt, hatte. Molina spricht Petrus, wie man sagen kann, die faktische Macht ab, etwas an Gottes ex hypothesi »von Ewigkeit her« in der aktualen Welt bestehendem Vorherwissen zu ändern. Wenn Molina indessen argumentiert, dass es gleichwohl in Petrus Macht stehe, auch jetzt noch etwas zu tun (nämlich nicht zu sündigen), so dass gilt: Täte er es, dann hätte das im Antezedens Behauptete (Gott weiß, dass Petrus morgen sündigen wird) nie stattgefunden, dann verwendet er einen Begriff von kontrafaktischer Macht eines Akteurs über bestimmte Zustände oder Geschehnisse. Die Zuschreibung einer solchen Macht besagt aber nicht, dass, so wie die Dinge faktisch liegen, der Akteur auch anders handeln und entscheiden könnte, als er es tatsächlich tut, sondern eben nur, dass, wenn die Dinge anders verlaufen wären, der Akteur auch entsprechend anders hätte handeln und entscheiden können.94 Wer eine solche ›Macht‹ besitzt, so könnte man sagen, bleibt gleichwohl faktisch machtlos! Denn die faktische Macht oder Freiheit für einen Akteur S, etwas zu tun, beschränkt sich, in einer Formulierung von Carl Ginet beschrieben, auf S’s Macht 94
Merricks (2009) kontrastiert in ähnlichem Zusammenhang kontrafaktische Macht über ein vergangenes Geschehen mit Wahlfreiheit in Bezug auf es: »[H]aving counterfactual power over a past event is not sufficient for having a genuine choice about whether that past event occurred« (S. 49).
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oder Freiheit, etwas zu der S vorgegebenen Vergangenheit hinzuzufügen.95 S hat nur dann die tatsächliche Macht, zu t X zu tun, wenn dies in der Fortsetzung der für S aktualen Vergangenheit geschieht oder, wie John Martin Fischer es ausdrückt: wenn es eine mögliche Welt mit derselben Vergangenheit bis zu t wie in der tatsächlichen Welt gibt, in der S X zu t tut.96 (Vgl. hierzu ausführlicher die Einleitung, Abschnitt 3.2.) Aus all dem erhellt, dass Molinas Argument in 52.38 nicht die folgende Lesart des Untersatzes des gegnerischen Beweisversuchs widerlegt: (P)
Wenn jemand nicht die faktische Macht hat, das in einem wahren Antezedens eines gültigen Schlusses Behauptete zu falsifizieren, hat er auch nicht die faktische Macht, das Konsequens zu falsifizieren.97
Was Molina bestreitet, ist offenbar lediglich das folgende Prinzip: (P#) Wenn jemand nicht die faktische Macht hat, das in einem wahren Antezedens eines gültigen Schlusses Behauptete zu falsifizieren, hat er auch nicht die kontrafaktische Macht, das Konsequens zu falsifizieren. Nun dürfte Molina zwar recht darin haben, dass (P#) falsch ist: Angenommen, um in Molinas Beispiel zu bleiben, Gott wusste in der aktualen Welt w vorher, dass Petrus zu einem gegebenen Zeitpunkt t in w sündigen würde (woraus folgt, dass Petrus in 95
Vgl. Ginet (1990), S. 102 f. Ginet nennt dieses Prinzip das »principle of the fixity of the given past«. 96 S. Fischer (2016), S. 6, 11, 17, 111. 97 Auch ist Molinas These mit dem Prinzip vereinbar: (P*) Wenn jemand nicht die kontrafaktische Macht hat, das in einem wahren Antezedens eines gültigen Schlusses Behauptete zu falsifizieren, hat er auch nicht die kontrafaktische Macht, das Konsequens zu falsifizieren.
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w zu t sündigt). Dann hat unter den gemachten Annahmen über Macht und über die Verlängerung der aktualen Vergangenheit zwar niemand, auch nicht Petrus oder Gott selbst, zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt in w die faktische Macht, etwas zu tun, was falsifizieren würde, dass Gott dieses Wissen de facto hatte. Die Ausübung einer solchen Macht würde nicht die aktuale Vergangenheit fortsetzen. Aber hieraus folgt nicht, dass Petrus in w nicht dennoch die »kontrafaktische Macht« hat, zu t nicht zu sündigen. Denn auch in w gilt, dass Petrus sein Sündigen zu t unterlassen könnte, wenn der bisherige Weltverlauf ein anderer gewesen wäre, insbesondere wenn es ein solcher gewesen wäre, in dem Gott nicht vorherwusste, dass Petrus zu t sündigen würde. Problematisch für Molina ist, dass es nicht ein – aus libertarischer Sicht harmloses – Prinzip wie (P#) sein dürfte, das Molinas Gegner im vorliegenden Argument bemüht. Denn zumindest aus libertarischer Sicht ist die entscheidende freiheitstheoretische Frage nicht, ob die Annahme göttlichen Vorherwissens menschlicher Handlungen und Entscheidungen vereinbar ist mit der Annahme, dass menschliche Subjekte eine solche kontrafaktische Macht haben, sich anders zu verhalten, als sie es faktisch tun. Dies kann der theologische Determinist zugestehen, ohne seinem Einwand die Spitze zu nehmen: Auch unter der Annahme, dass Gott das faktische Verhalten des Petrus vorherwusste, kann man zweifellos daran festhalten, dass Petrus in dem Sinne anders hätte handeln können, dass gilt: Hätte er anders gehandelt, so hätte es jenes göttliche Vorherwissen nicht gegeben. Der theologische Determinist jedoch argumentiert, dass unter den angenommenen faktischen Bedingungen, zu denen ex hypothesi jenes göttliche Vorherwissen als ein so genanntes »hartes Faktum der Vergangenheit« gehört, Petrus nicht anders handeln konnte, als er es tat. Und das heißt für ein PAP-libertarisches Freiheitsverständnis, dass er in seinem Sündigen nicht frei und nicht verantwortlich für es war. Es ist also festzuhalten, dass das für das gegnerische Argument relevante Prinzip nicht (P#), sondern (P)
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ist und Molinas Überlegung gegen (P#), auch wenn sie stichhaltig ist, nicht zeigt, dass (P) falsch ist.98 52.39 In diesem abschließenden Abschnitt resümiert Molina das zentrale Ergebnis der Disputation 52 – dass die Annahme menschlicher Entscheidungsfreiheit und der Existenz kontingenter Dinge und Ereignisse mit der Annahme universalen göttlichen Vorherwissens vereinbar sei – und betont die theologischen Konsequenzen seiner Überlegungen. Die Annahme göttlicher Allwissenheit gebe keinen Anlass zu bestreiten, dass es, bei aller nötigen Mithilfe Gottes, wesentlich in der Verantwortlichkeit des Menschen liege, recht und gewissenhaft zu handeln. Somit sei auch jeder Mensch selbst dafür verantwortlich, ob er das Heil im ewigen Leben erlange oder Verwerfung ernte. Molina kontrastiert dabei heilsrelevante Handlungen z. B. mit der Alltagsarbeit eines Bauern: Ob dieser eine Missernte einfahren wird oder nicht, hängt außer von seinen Handlungen und Entscheidungen bzgl. der Bestellung des Ackers auch von Ereignissen ab, die er nicht beeinflussen kann (etwa von der Witterung). Dagegen beruhe das Ergebnis heilsrelevanter Entscheidungen allein auf dem Willen der Akteure. Diese These richtet sich gegen reformatorische Lehren, steht aber auch in einem Spannungsverhältnis zur Gnadentheorie des Augustinus in dessen anti pelagianischen Schriften. Mit der Thematisierung moralischer Verantwortlichkeit schlägt Molina in 52.39 eine Brücke zwischen dem, was man freiheitstheoretischen ›Wahlfreiheits-Inkompatibilismus‹ und freiheitstheoretischen ›Verantwortlichkeits-Inkompatibilismus‹ nennen 98
Der von Molina hier verwendete schwache Machtbegriff der kontrafaktischen Macht über ein Geschehen antizipiert einen in neuerer Zeit vieldiskutierten Begriff der Macht oder Fähigkeit, auf den freiheitstheoretische Kompatibilisten wie David Lewis und John Martin Fischer in Argumenten für die Vereinbarkeit von nomologischem Determinismus mit menschlicher Freiheit zurückgreifen. Vgl. hierzu Lewis (1981) und Fischer (1983) und die Hinweise in der Einleitung.
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kann. Wahlfreiheits-Inkompatibilisten behaupten die Unvereinbarkeit von Determinismus mit Wahl- oder Entscheidungsfreiheit, Verantwortlichkeits-Inkompatibilisten behaupten die Unvereinbarkeit von Determinismus mit moralischer Verantwortlichkeit. Die Unterscheidung ist angebracht, weil kontrovers ist, ob mangelnde Wahlfreiheit tatsächlich – wie libertarische Intuitionen zunächst nahe legen – mangelnde moralische Verantwortlichkeit nach sich zieht. Das mag etwa dann nicht der Fall sein, wenn das Prinzip der alternativen Möglichkeiten (principle of alternate possibilities, PAP), das in einer typischen Fassung behauptet, ein Akteur sei nur dann für eine von ihm ausgeführte Handlung moralisch verantwortlich, wenn er auch anders hätte handeln können, falsch ist. (Vgl. zu diesem Thema die Einleitung und unseren Kommentar zu 52.7.) Wenn PAP falsch ist, würde ein Determinismus der einen oder anderen Art, auch wenn er jegliche Wahlfreiheit ausschließt, keineswegs ausschließen, dass menschliche Akteure gleichwohl für ihre Handlungen und Entscheidungen moralisch verantwortlich sind.99 Molina hingegen sieht eine enge begriffliche Verbindung zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit und bekennt sich auch zu einem Verantwortlichkeits-Inkompatibilismus. In 52.39 spricht er darüber hinaus explizit auch von Bedingungen für Schuld (culpa) und thematisiert die Frage nach der Berechtigung, jemanden für sein Handeln und dessen Konsequenzen anzuklagen (incusare). Wenn es keine Wahl- oder Entscheidungsfreiheit gäbe, so deutet Molina an, dann gäbe es auch keine Schuld. Insgesamt akzeptiert Molina somit offenbar begriffliche Verbindungen zwischen Entscheidungsfreiheit, Zuschreibbarkeit, Verantwortlichkeit und Schuld. Ähnliche Auffassungen liegen auch vielen modernen Strafrechtstheorien zugrunde: Keine Schuld ohne Vorwerf barkeit, so lautet hier eine 99
Eine solche Position verteidigt z. B. John Martin Fischer unter dem Titel des Semikompatibilismus. S. hierzu etwa seine Arbeiten in Fischer (2006) oder den Überblick in Fischer (2012 a).
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zentrale These, keine Vorwerf barkeit ohne moralische Verantwortlichkeit und keine moralische Verantwortlichkeit ohne Wahlfreiheit.100 Erwähnenswert in Abschnitt 52.39 ist ferner Molinas Verknüpfung der Freiheitsproblematik mit der Frage nach der Rationalität fatalistisch-defätistischer Haltungen, in denen das Abwägen von Handlungsalternativen für müßig erachtet wird. Laut Molina sind solche Haltungen verrückt (insanus). Beispielsweise wäre es abwegig, sagt er, wenn ein Bauer im Glauben an göttliches Vorherwissen sein Feld nachlässig bestellte, ein Kranker keine Heilmittel anwendete oder ein Soldat ohne Rüstung in den Kampf zöge.101 Eine inhaltliche Verbindung zwischen Determinismus und der Nichtigkeit oder Nutzlosigkeit unserer Beratungen (consultationes) hatte Molina bereits in 52.6 im Anschluss an entsprechende Bemerkungen von Aristoteles in De int. 9 über die Konsequenzen des logischen Determinismus angedeutet.102 Molina rekurriert damit, ohne dies explizit herauszustellen, zumindest in nuce auf ein weiteres, bisher noch nicht im Detail besprochenes Argument gegen den theologischen Determinismus. Nennen wir es das Deliberationsargument (1) Es wäre irrational (»verrückt«, abwegig) für einen menschlichen Akteur, aufgrund der Überzeugung, es gebe göttliches Vorherwissen von seinen Handlungen und Entscheidungen, nicht über die Wahl zukünftiger Handlungen zu deliberieren. 100
Vgl. hierzu auch Molina (Scientia Dei), disp. 4, S. 213 f., wo er explizit schreibt: »Culpa enim non est, nisi dum est libertas.« 101 Ein ähnliches Bauern-Beispiel verwendet Molina auch in Scientia Dei, disp. 4, S. 215. 102 Wie unter 52.6. bereits zitiert, sagt Aristoteles, dass wir im Falle universaler Determination »weder Überlegungen anzustellen noch in der Erwägung tätig« zu sein bräuchten (De int. 9, 18 b, 31 f.). Für eine Diskussion der Stelle bei Aristoteles siehe etwa Weidemann (2014), S. 272–276.
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(2) Wenn göttliches Vorherwissen von menschlichen Handlungen und Entscheidungen deren Determination zur Folge hätte, wäre es (für den, der dies annimmt) nicht irrational, jegliches Deliberieren über die Wahl zukünftiger Handlungen einzustellen oder zu unterlassen. (3) Also hat göttliches Vorherwissen von menschlichen Handlungen und Entscheidungen nicht deren Determination zur Folge. Auch solche Überlegungen haben eine lange Tradition, und ihre Kernintuition ist nicht an theologische Formen von Determinismus gebunden. Molinas Beispiel des Kranken, der keine Medizin einnimmt, weil er glaubt, der Verlauf seiner Krankheit sei unabwendbar (entweder es steht fest, dass er genesen wird, oder es steht fest, dass er nicht genesen wird), geht zurück auf das so genannte Untätigkeits- oder Trägheitsargument (ἀργὸς λόγος, bei Cicero: ignava ratio), das bereits in der älteren Stoa, namentlich von Chrysipp, diskutiert wurde. Die Hauptquellen hierfür sind Cicero (Fatum, 28–29) und Origenes (Celsus, II, 20, 342.62–71), welche die Überlegung, vermutlich aufgrund einer gemeinsamen Quelle, in sehr ähnlicher Form rekonstruieren: Wenn es dir vom Schicksal bestimmt ist, dass du von dieser Krankheit genesen wirst, dann wirst du genesen, ob du einen Arzt konsultiert hast oder nicht; und wenn es vom Schicksal bestimmt ist, dass du von dieser Krankheit nicht genesen wirst, dann wirst du nicht genesen, ob du einen Arzt konsultiert hast oder nicht. Nun ist es – laut stoischer These – vom Schicksal entweder bestimmt, dass du genesen wirst, oder dass du nicht genesen wirst. Also ist es nutzlos, dass du einen Arzt konsultierst.103 Chrysipp weist dieses 103
Cicero schreibt (Fatum, 28–29): »Si fatum tibi est ex hoc morbo convalescere, sive tu medicum adhibueris sive non adhibueris, convalesces; item, si fatum tibi est ex hoc morbo non convalescere, sive tu medicum adhibueris sive non adhibueris, non convalesces; et alterutrum fatum est: medicum ergo adhibere nihil attinet.« Für eine ausführliche Rekonstruktion und Diskussion dieser Stelle siehe Schallenberg (2008), S. 196–205.
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Argument, das er als den gegnerischen Versuch einer reductio seiner deterministischen Position versteht, zurück. Auch Origenes nennt es ein »Sophisma«. Molina hingegen führt mit dem obigen Argument eine verwandte, verallgemeinerte und auf das Problem des theologischen Determinismus bezogene Überlegung an, die seine Position stützen soll. Als stichhaltiges Argument gegen den Determinismus präsentiert auch schon der Peripatetiker Alexander von Aphrodisias eine ähnliche Überlegung in seinem Stoa-kritischen Werk De fato (ca. 198–209 n. Chr.), XI–XII: Wenn alles Geschehen im Vorhinein festgelegt wäre, so Alexander, würden die Menschen umsonst erwägen oder deliberieren (βουλεύειν), was zu tun sei, und besäßen die Fähigkeit hierzu vergeblich. Tatsächlich habe der Mensch diese Fähigkeit jedoch, und die Natur vergebe keine Fähigkeit überflüssigerweise.104 Also könne nicht alles im Vorhinein festgelegt sein. Die aristotelische Prämisse, dass es keine überflüssigen Fähigkeiten gibt, ist dabei freilich deutungsbedürftig, und ob sie wahr ist, ist (in allen naheliegenden Interpretationen) alles andere als selbstverständlich. Aber Molina kann sich auch auf eine etwas andere, u. E. bessere Überlegung zur Stützung seines Deliberationsarguments berufen. Das Argument ist schlüssig, und Prämisse 1 dürften auch die meisten Gegner Molinas akzeptieren. Diskussionswürdig dürfte somit vor allem Prämisse 2 sein. Doch diese lässt sich wie folgt untermauern. Deliberieren, im hier zugrunde gelegten Sinne, ist ein Abwägen von Handlungsalternativen. Wenn wir überlegen, was zu tun sei, dann gehen wir davon aus, dass wir eine Wahl zwischen unterschiedlichen Handlungsoptionen haben. »One cannot deliberate about his own future act«, erläutert in diesem Sinne etwa Richard Taylor in einem klassischen Essay über den logischen 104
Diese These geht auf die berühmte Behauptung des Aristoteles zurück, dass die Natur nichts vergeblich hervorbringt (De anima, III, c. 9, 432 b, 21–23).
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Fatalismus, »in case he believes the act in question is already inevitable. … [O]ne can deliberate only about what he believes to be within his power to do and to forego« (Taylor 1964, S. 74). Und: »If one’s act is … the inevitable consequence of certain conditions existing antecedently … then he can, simply by his awareness of those causes, know by inference what his act is going to be. … Under such circumstances – i. e., the awareness of such causes and knowledge of their consequences – one cannot, of course, deliberate whether to do the thing in question, for he already knows that he will« (Taylor 1964, S. 76).
Mit »cannot deliberate« meint Taylor hier vermutlich nicht kausale oder psychologische Unmöglichkeit, sondern (wie Molina), dass unter solchen Umständen rationales Deliberieren ausgeschlossen ist. Ähnlich konstatiert Peter van Inwagen in seinem Essay on Free Will, Deliberation sei eine Form von Verhalten, »… and it would therefore not be surprising if deliberation manifested certain beliefs of the deliberator. … In my view, if someone deliberates about whether to do A or to do B, it follows that his behaviour manifests a belief that it is possible for him to do A – that he can do A, that he has it within his power to do A – and a belief that it is possible for him to do B« (van Inwagen 1983, S. 155).
John Martin Fischer meint: »We human beings are practical reasoners and planners, and in these contexts we seem genuinely to presuppose that we are free to do otherwise – that we have more than one genuinely open path into the future« (Fischer 1989 b, S. 12).
Auch Willensfreiheitsskeptiker wie Derk Pereboom binden Deliberieren logisch an einen »Glauben an Offenheit«. »What we in fact think of as central to deliberation«, räumt selbst Pere-
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boom ein, »is figuring out what to do from among distinct alternati ves by considering and evaluating reasons« (Pereboom 2014, S. 109, Hervorhebung im Original). Mit dieser – u. E. richtigen – These aber ergibt sich, dass jemand, der deliberiert, jedoch zugleich deterministische Thesen für wahr hält, widersprüchliche Überzeugungen hat. Denn qua Deliberator glaubt er, dass es verschiedene Handlungsalternativen für ihn gibt; als Determinist aber glaubt er zugleich, dass der Weltverlauf alternativlos festliegt. Diese Propositionen sind miteinander inkonsistent und ein entsprechender Glaube ist somit irrational.105 Entsprechend hat Molina recht, wenn er sagt, dass es für den, der an göttliche Determination seiner Handlungen und Entscheidungen glaubt, keineswegs irrational oder verrückt wäre, jegliches Deliberieren über Handlungsoptionen einzustellen. Tatsächlich wäre dies, ganz wie Prämisse 2 von Molinas oben rekonstruiertem Argument behauptet, eine rationale und völlig angemessene intellektuelle Reaktion: Wenn es irrational ist zu deliberieren, dann ist es rational, dieses aufzugeben!106 105
Kant weist in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (3. Abschnitt) darauf hin, dass es auch problematisch wäre, den Akt des Deliberierens selbst als determiniert anzusehen: Man könne »sich unmöglich eine Vernunft denken, die mit ihrem eigenen Bewußtsein in Ansehung ihrer Urteile anderwärts her eine Lenkung empfinge, denn alsdenn würde das Subjekt nicht seiner Vernunft, sondern einem Antriebe, die Bestimmung der Urteilskraft zuschreiben« (GMS, S. 83). 106 Pereboom optiert am Ende für eine epistemisch relativierte Variante einer entsprechenden Bedingung für rationales Deliberieren, die lautet: »In order to rationally deliberate about whether to do A1 or A2, where A1 and A2 are distinct actions, an agent must believe that if as a result of her deliberating about whether to do A1 or A2 she were to judge that it would be best to do A1, then, under normal conditions, she would also, on the basis of this deliberation, do A1; and similarly for A2« (Pereboom 2014, S. 118 f.). Diese Bedingung verlangt lediglich einen epistemischen Indeterminismus. Vgl. zum Thema auch die sogenannte semi-kompatibilistische Freiheitstheorie John Martin Fischers (umfassend dargelegt etwa in Fischer 2006), die sich u. a. wesentlich auf den Begriff der reasons responsiveness stützt, sowie die Diskussionen in Kapitan (1986), Pettit (1989) oder Nelkin (2004).
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Diabolus … nullum non movet lapidem, diligentissime obambulat et circuit terram quaerens quem devoret: Das von Molina verwendete Bild des Teufels auf der Suche danach, wen er verschlingen kann, geht zurück auf 1 Petr 5,8, wo es heißt: Adversarius vester diabolus tamquam leo rugiens circuit quaerens quem devoret (»Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher, suchend, wen er verschlingen kann«). Molinas Redeweise, dass der Teufel keinen Stein ungewendet lässt, wird in Folgezeiten häufig unter Verweis auf Molina aufgegriffen. Zu den Wurzeln der Metapher des Steine-Wendens vgl. etwa die Bemerkungen bei Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536) in dessen Adagia. Dieser schreibt dort unter dem Eintrag omnem movere lapidem (»jeden Stein bewegen«): »Πάντα λίθον κίνει, das heißt: Bewege jeden Stein, was bedeutet, untersuche alles und lasse nichts unversucht. Dieses Sprichwort soll nach dem Bericht vieler folgendermaßen entstanden sein: Als Xerxes die Griechen bekriegte, bei Salamis geschlagen worden war und sich von dort zurückzog, ließ er indessen den Mardonius zurück, der in seinem Namen den Krieg weiterführen sollte. Als auch dieser in Plataea wenig erfolgreich gekämpft hatte und in die Flucht geschlagen worden war, entstand im Volk das Gerücht, Mardonius habe in der Umgebung seines Zeltes einen ungeheuren Schatz in der Erde vergraben hinterlassen. Durch die Hoffnung darauf getrieben, kaufte der Thebaner Polycrates das Feld. Nachdem er aber den Schatz viel und lange erfolglos gesucht hatte, fragte er beim Orakel von Delphi um Rat, wie er das Geld finden könne. Apollo antwortete mit diesen Worten: Πάντα λίθον κίνει, das heißt, bewege jeden einzelnen Stein. Dies habe jener sogleich getan, und so soll er ein beträchtliches Vermögen an Gold gefunden haben. Andere sind der Ansicht, die Metapher sei von den Krabbensuchern am Strand übernommen worden. Denn die Krabben sind oft unter Steinen versteckt, die von den Krabbensuchern bewegt werden. Das Sprichwort wird auch in diesem Sinn gedeutet: Πάντα κινήσω πέτρον, das heißt, ich werde jeden Stein bewegen, was bedeutet, ich werde alles
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versuchen. Euripides sagt in den Heracliden: Πάντα κινῆσαι πέτρον, und versteht darunter, dass nichts unterlassen wird.«107
Wir haben hier nur einen Teil der Steine gewendet, die die Wege durch Molinas Theorie der Willensfreiheit pflastern. Weitere sind zum Vorschein gekommen, darunter harte Brocken, die nicht ohne schwereres Gerät bewegt werden können, als unter den Deckeln dieses Buches Platz hätte. Möge der eine oder andere Fund den Leser gleichwohl ermuntern, selbst nach philosophischen und theologischen Preziosen in Molinas Reflexionen über Freiheit, Gott und Weltenwahl weiterzusuchen.
»Πάντα λίθον κίνει, id est Unumquemque move lapidem, hoc est omnia experire nihilque intentatum relinque. Quod adagium hoc pacto natum esse plerique ferunt. Xerxes Graecos bello adortus, cum esset apud Salaminem superatus, ipse quidem inde se movit, verum Mardonium reliquit, qui suo nomine bellum prosequeretur. At cum hic quoque in Plataeis parum prospere pugnasset fugatusque esset, fama vulgo invaluit Mardonium intra ambitum tentorii sui thesaurum ingentem humo defossum reliquisse. Hac spe pellectus Polycrates Thebanus eum agrum commercatus est. Verum ubi iam multum diuque thesaurum quaesisset neque quicquam proficeret, Delphicum oraculum consuluit, qua ratione posset eas pecunias invenire. Apollo respondit his verbis: Πάντα λίθον κίνει, id est Unumquemque move lapidem. Id simul atque fecisset, multam auri vim reperisse ferunt. Sunt qui metaphoram sumptam existiment ab his, qui cancros venantur in littore. Nam hi plerunque sub saxis latitant, quae movent qui cancros quaerunt. Effertur adagium etiam ad hunc modum: Πάντα κινήσω πέτρον, id est Omnem movebo petram, hoc est omnia periclitabor. Euripides in Heraclidis: Πάντα κινῆσαι πέτρον, sentiens nihil non fieri« (Erasmus, Adagia I, iv, 30, S. 330). 107
LITE RAT URVERZ EICH NI S
Abkürzungen CC SL: Corpus Christianorum Series Latina, Turnhout: Brepols, 1954 ff. CSEL: Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, hg. v. d. Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien: Verl. d. Österr. Akademie der Wissenschaften, 1866–2011. PG: Patrologiae cursus completus. Series Graeca, hg. v. Jacques Paul Migne, Paris: Migne, 1857–1866. PL: Patrologiae cursus completus. Series prima. Doctores scriptoresque ecclesiae Latinae, hg. v. Jacques Paul Migne, Paris: Migne, 1844–1864.
Verwendete Bibelausgaben Biblia Hebraica, hg. v. Rudolf Kittel, Stuttgart: Württembergische Bibelanstalt, 1966. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes, hg. v. Alfred Rahlfs, I–II, 8. Auflage, Stuttgart: Württembergische Bibelanstalt, 1965. Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem I–II (Vulgata), hg. v. Robertus Weber, Stuttgart: Württembergische Bibelanstalt, 21975. Nova Vulgata Bibliorum Sacrorum Editio, hg. v. Commissio pontificia pro Nova Vulgata editione, 2. Auflage, Rom: Libreria Vaticana Editrice, 1986. Die Neue Echter Bibel. Die Psalmen: Psalm 51–100, hg. v. Frank-L. Hossfeld und Erich Zenger, Würzburg: Echter, 2002. Die Bibel – Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Gesamtausgabe, vollständig durchgesehene und überarbeitete Auflage, Stuttgart: Katholische Bibelanstalt, 2017.
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Hilfreiche Übersetzungen der Concordia oder einzelner ihrer Teile Echevarría, Juan Antonio Hevia (2007): Luis de Molina, Concordia del libre arbitrio con los dones de la gracia y con la presciencia, provi dencia, predestinación y reprobación divinas, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Juan Antonio Hevia Echevarría, Oviedo: Fundación Gustavo Bueno. Freddoso, Alfred J. (1988 a): Luis de Molina: On Divine Foreknowledge – Part IV of the Concordia, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Alfred J. Freddoso, Ithaca, London: Cornell University Press.
Weitere zitierte Werke Molinas Molina, Ludovicus (Commentaria): Commentaria in primam D. Thomae partem, in duos Tomos divisa, Paris: Ludovicus Prost, 1622. Molina, Ludovicus (Concursus): De concursu generali, abgedruckt in Stegmüller (1935 a), 194–201.
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Abaelard: s. Petrus Abaelardus Adams, Marilyn McCord XCV, CXVII, 232 Adams, Robert M. CXLVIII– CL , CLV– CLXVIII, CLXXI, CLXXII, 149, 159, 160, 232 Albrecht VII. von Österreich XIX Alexander von Aphrodisias LII, 103, 125, 133, 224, 232 Alexander von Hales LXXX , 99, 232 Álvarez, Diego XVI, CXXXIII– CXXXVI, CLXXII, 95, 182, 232 Ammonios 124, 125, 126, 128, 132, 134, 142, 145, 163, 212, 232, 236 Anfray, Jean-Pascal CXXIII, 232 Anscombe, Elizabeth 129, 233 Anselm von Canterbury LXXVIII, LXXIX , LXXXII, LXXXIII, CXXIII, 86, 90, 113, 155, 233 Aquaviva, Claudio XV, XVIII Aristoteles XIII, XXXIV–XXXIX , XLI, LVI, LXXXII, XCII, CIX , CX , CXI, CXXII, 7, 31, 85, 88, 91, 92, 100, 103, 109, 111, 115, 118, 120–134, 150, 156, 163, 168, 169, 202–204, 211, 214, 222, 224, 233 Armstrong, David M. CL , 234 Astrain, Antonio XX , 234
Auer, Johann XX , 234 Augustinus VIII, XXVI, XXXI, XXXIX , LI, LVII –LXVIII, LXX , LXXVI, LXXVIII, LXXX , CXXIII, CXXVII, 9, 19, 51, 53, 55, 57, 59, 111, 113, 155, 163, 176, 177, 179–181, 190, 220, 234, 250 Aureoli: s. Petrus Aureoli Averroes 118, 203, 234 Avicenna XCVII Ayer, Alfred Jules CLVIII Balić, Carol XCIV, XCV, 234 Báñez, Domingo XV, XVII, XIX– XXI, XXVI –XXXI, CXXXII – CXXXIV, CXXXVI, 87, 95, 234, 235, 245, 246 Basinger, David CLVII, 235, 242, 249 Baudry, Léon 132, 235 Bajus (alias de Bay), Michael XXIV, XXV, XXVI Becan, Martin 206, 235 Beckermann, Ansgar XLIII, 235 Beebee, Helen CLII, 235, 237, 242 Beilby, James K. 235, 237, 242, Bellarmin, Robert XV, XXV, XXXI, CXXXII Bennett, Jonathan 159, 235
258
Index nominum
Bernecker, Sven LXII, 235, 241 Betzler, Monika LXV, 235, 241 Beyer, Michael CIX , 236 Biel, Gabriel 172 Bieri, Peter XL , 236 Blank, David 236, 244, 251 Blackburn, Simon CLVIII Boethius, Anicius Manlius Severinus LXII, LXVIII– LXXIX , LXXXII, XCII, C, CVII, CXIII, CXX , CXXI, CXXIII, CXXVII, CXXXVIII, CXL , 55, 99, 101, 109–111, 113, 120, 124–126, 128, 132, 134, 142, 145, 163, 179, 212, 231, 236 Bonaventura LXXX , LXXXII, CII, 102, 172, 236 Borghese, Camillo XXX Bourne, Craig C, 236 Brachtendorf, Johannes LVIII, CLXXVIII, 234 Brüntrup, Godehard LV, LVI, 236 Byerly, Ryan T. XLII, 236 Calvin, Jean XIII, XXXI, XXXII, LI Cameron, Ross P. CLIV, 236 Campbell, Joseph Keim XLVIII, 236 Carmelitae discalceati 206, 237 Carnap, Rudolf CLVIII Carvalho, Antonio, XVII Celsus LXIX , 223, 247 Chrysipp LII, 223 Cicero, Marcus Tullius LXVI, 223, 237
Clemens VIII. XV, XVI, XXX , 143 Corabi, Joseph 141, 237 Cordoba, Antonius von 173 Correia, Fabrice CLII, 236, 237 Cowton, Robert CIX Craig, William L. LXX , XCV, CLVII, CLXII, CLXVII, 125, 129, 207, 237, 241 Cross, Richard XCIV, 237 Cyrillus 53, 231 Daly, Chris CLI, 237 David CXL – CXLII, CXLV, CXLVI, CL , CLII, 149 Day, Doris XXXV Dekker, Eef CXL , 237, 238, 242 De Meyer, Livinus, alias Theo dorus Eleutherius XVI, 237 Dennett, Daniel XLVI, 238 Denzinger, Heinrich VIII, XXV, XXXII, XXXIII, 132, 170, 238 Descartes, René LI Diogenes Laertios XCVII, 238 Dionysius Areopagita 169 Dodd, Julien CLII, 235, 237, 242, 246 Driedo, Johannes 86, 173 Du Perron, Jacques XXXI Duchesne, Jean Baptiste Philipo teau XXVI, 238 Dumont, Stephen XCIV, 238 Duns Scotus, Johannes XCIV– CIX , CXII, CXIII, CXXIII, CXXIV, CXXIX , CXXXII, CXLVI, CXLVII, 87, 90, 91, 98,
Index nominum
114, 172, 238, 242, 247, 249, 251, 254 Durandus von St. Pourçain 87 Echevarría, Juan Antonio Hevia 174, 176, 230 Eddy, Paul R. 235, 237, 243 Ekstrom, Laura LI, 238 Erasmus von Rotterdam, Deside rius CXXIII, 227, 228, 238, 239 Esau LII, LIII Fantl, Jeremy 117, 239 Ferreira, Bartolomé de XIX Finch, Alicia XXXV, XXXVI, XLI, 239 Fischer, John Martin XXXVIII, LXV, LXXI –LXXIV, CXIX– CXXII, CXXIX , CXXXVIII, CXXXIX , CXL , 110, 207, 218, 220, 221, 225, 226, 239, 240 Flasch, Kurt LXXVIII, 240 Flint, Thomas CXXVIII– CXXX , CLIV, CLV, CLXI, CLXIV, 141, 240 Fonseca, Petrus de CXXXII, 31, 162 Frankfurt, Harry G. XXII, XXXVII, LXIV, LXV, 138, 239, 240 Freddoso, Alfred J. CXXIX , CXLIV, 110, 129, 145, 160, 162, 164, 174, 177, 178, 196, 230, 240
259
Frede, Dorothea 125, 240 Frege, Gottlob 198 Garmundus von Tournai 123 Garrigou-Lagrange, Reginald CXLIV, CXLV, 240 Gaskin, Richard CLVII, 125, 129, 131, 240 Geach, Peter LXXII, 240, 253 Germino, Rebecca 141, 237 Gibbard, Allan CLVIII Gilbert de la Porrée 172 Ginet, Carl 105, 195, 217, 218, 240, 241 Goebel, Arno CLXXV, 241 Gottschalk von Orbais LXXVIII Gray, Thomas CXXIII Gregor XIII. XXV Gregor von Rimini 123, 172 Gregor von Valencia XXX , CXXXII, 242, 245 Griffith, Megan 239, 243, 248, 250, 253 Grosseteste, Robert 118, 203, 249 Grundmann, Thomas 216, 241 Gryson, Roger 143 Guckes, Barbara LIII, LXV, 235, 241 Haack, Susan 134, 241 Hamel (alias Hamelius), Jean XXV
Hammond-Bammel, Caroline R. 175, 241
260
Index nominum
Hare, Richard M. CLVIII Harper, William Leonard 252 Hasker, William CXIX , CXXXVIII, CL , CLIV, CLV, CLVII, CLX– CLXVI, CLXVIII, CLXXI, 105, 142, 149, 160, 161, 240, 241, 242 Haw, J. Y XLVI, 242 Heinrich von Gent CIX Heinrich von Harclay CII, CIX Heither, Theresia 175 Henao, Gabriel de 206, 242 Hentrich, Wilhelm XXXI, CXXXIII, 242 Hieronymus XXIV, 19, 51, 208, 231 Hilduin 169 Hintikka, Jaakko 122, 129, 130, 242 Hoenen, Maarten J. F. M. 135, 242 Honderich, Ted XLVI, 242 Honnefelder, Ludger XCIV, 242 Horgan, Terry XL , 242 Hornsby, Jennifer CLI, 242 Hünermann, Peter VIII, XXV, XXXII, XXXIII, 132, 170, 238 Hunt, David CXXII, CLXXI, 243 Ignatius von Loyola XIII, CXXIII Isaak LII, LIII Jakob LI, LII, LIII Jansen (alias Jansenius), Corne lius XXVI
Jäger, Christoph XXXV, XXXVI, XLI, XLVIII, LIII –LVI, LXXI, CXXII, CXXXVIII, CXL , 106, 115, 195, 207, 232, 243, 245, 252 Johannes (Apostel) 47 Johannes Chrysostomus 49, 231 Johannes Damascenus 49, 231 Johannes Scottus Eriugena LXXVIII
Judas 45, 47, 174, 175 Justinus 45, 173, 174 Kaiser, Philipp 151, 244 Kane, Robert XXXIX , XLII, CXXXIX , 244, 247, 254 Kant, Immanuel 226, 244 Kapitan, Tomis 226, 244 Kaplan, David 130, 244 Keil, Geert XXXV, XXXVIII, LIII, 244 Kenny, Anthony CXLI, CXLIII, CXLIV, CXLIX , 159, 160, 244 Kim, Jaegwon CLXIV Kraml, Hans XCV Kretzmann, Norman LXXVII, C, 113, 124, 125, 232, 236, 244, 246, 251, 252 Künne, Wolfgang CLII, 244 Laplace, Pierre Simon de XXXV, XLIII, XLIV, XLV, 245 las Cuevas, Juan de XIX Leibniz, Gottfried Wilhelm LI, 250
Index nominum
Lemos, Tomás de XVI, 245 Lenz, Siegfried CLXXII, CLXXIII, 245 Leo XI. 247 Leo Magnus 53 León, Luis de XX , XXII, Lessius (alias Leys), Leonhard XXIV, XXV, CXXXII Lewis, David CXXXVII, CXLIX , CLII, CLIII, CLV– CLVII, CLXX– CLXXV, 159, 160, 220, 245 Lohmar, Achim LIII, 245 Luther, Martin LI, LXXX MacBride, Fraser CLII, 245 MacGregor, Kirk R. XIII, XIV, 245 Mackie, Penelope XXXVI, XLI, 245 Mandonnet, Pierre XX , XXI, XXII, 245 Mardonius 227 Mares, Edwin CLXX , 160, 161, 245 Marsilius von Inghen 135, 136, 242, 246 Matava, R. J. XVI, XX , XXVI, 95, 246 McGrath, Matthew 117, 239 McKenna, Michael 138, 254 Melia, Joseph CLI, 246 Merricks, Trenton CLVI, CLVII, 217, 246 Mignucci, Mario 125, 236, 244, 246, 251 Molina, Ana García de XIII
261
Molina, Luis de VII–X , XIII–XX , XXII –XXIV, XXVI –XXXI, XXXIII, XXXVI –XXXVIII, XLI, XLV, XLVII, L –LII, LV, LVI, LXIII, LXIX , LXXIII, LXXX , LXXXI, LXXXIV, LXXXVIII, LXXXIX , XCII, CV– CVIII, CXXII – CXXXIII, CXXXVI – CL , CLX , CLXI, CLXIX– CLXX , CLXXIII, CLXXIV, CLXXVI – CLXXVIII, 3, 9, 21, 31, 35, 37, 71, 73, 85–90, 92–96, 98–102, 104–125, 128, 129, 131–159, 161–228, 230, 231, 232, 235, 243, 244, 245, 249, 251 Moling, Markus LXXXVIII, 246 Montemayor, Prudencio de XX , XXII
Moore, George Edward CLXXIV Nelkin, Dana XXXVIII, 226, 246 Nida-Rümelin, Martine XL , 246 Normore, Calvin 207, 246 Nuño Cabezudo, Diego XXVIII, XXIX O’Connor, Daniel John XL , 246 O’Connor, Timothy LI, 247
Oppy, Graham 141, 247 Orejón y Muela, Diego de XIII Origenes LXIX , LXXX , CVI, 45, 47, 55, 99, 174, 175, 176, 208, 223, 224, 231, 247 Osborne, Thomas M. XCV, 247
262
Index nominum
Padilla, Antonio de XXIX Pastor, Ludwig XVI, XIX , XX , XXVI, XXIX , 247 Pauen, Michael LIII, 247 Paul V. XXX , XXXI, CXXXVII Paulus (Apostel) LIII Pereboom, Derk 225, 226, 247 Perez, A. XVII Perler, Dominik 94, 248 Perszyk, Ken CLXX , 239, 240, 242, 246, 248 Petrus, hl. LXXIII, CXIII, CXIV, CXV, CXVII, CXVIII, CXX , CXXVI, CXXXVI, 7, 9, 23, 47, 59, 61, 77, 79, 100, 114, 135, 137, 138, 139, 140, 141, 157, 183, 184, 215, 216, 217, 218, 219 Petrus Abaelardus 123, 248 Petrus Aureoli CVIII, 202, 248 Petrus Lombardus LXXVIII– LXXXII, XCIV, XCV, CIX , 101, 135, 181, 182, 248 Petrus de Rivo 132 Pettit, Philip 226, 248 Philipp II. XXVII, XXIX Pighius, Albertus 173 Pike, Nelson LXX , LXXI, LXXIV, CXX , CXXI, CXXXVIII, CXL , 248 Pius V. XXV Plantinga, Alvin CXIII, CXXVIII, CXXIX , CLVII, 106, 160, 161, 248 Platon 91, 116, 248 Pollock, John CXXXVII
Polycrates 227 Pothast, Ulrich XL , 249 Prierias, Silvester Mazolinus 173 Prior, Arthur 105, 249 Pruss, Alexander 141, 249 Quiroga, Gaspar de XXVII Rabeneck, Iohannes IX , XIII, CLXXVI – CLXXVIII, 21, 31, 230, 249 Rahner, Karl XVI, 249 Ramelow, Tilman 207, 249 Ratzinger, Josef XX , 234 Ravizza, Mark XXXVIII, LXV, 239 Rebekka LII, LIII Reid, Thomas XXXIX , XL , 249 Rescher, Nicholas 129, 249 Richard von Mediavilla 172 Richard von St. Victor 173 Riel, Cornelis Gerardus van XVI, XXXII, 249 Rodler, Klaus XCIV, XCVI, 249 Rodriguez-Pereyra, Gonzalo CLI, 250 Romanus von Rom CII Rowe, William LVIII, LIX , LXIV, 250 Rudolph, Ulrich 94, 248 Rufinus 175, 241 Sales, Franz von XXXI Sanguinetti, Bruno XLVI, 250 Santa Cruz, Juan de XX , XXI, XXIII, XXVI
Index nominum
Satorio, Carolina XLV, 250 Saul CXL , CXLI, CXLII, CXLV, CXLVI, CL , 149, Saward, Mark 141, 247 Schabel, Christopher CVIII, 248 Schälike, Julius LIII, 250 Schallenberg, Magnus 223, 250 Schneemann, Gerard XVI, XIX , XXVI, XXVII, XXXII, 250 Schneider, Ruben LV, 236 Schnieder, Benjamin CLII, 237 Schröder, Alfred 176, 234 Seel, Gerhard 95, 125, 126, 246, 250 Serry, Jacobus Hyacinthus, alias Augustine le Blanc XVI, 251 Siebel, Mark LXII, 251 Simplikios 125, 251 Sixtus IV. 132 Sixtus V. 142 Smilansky, Saul XLVIII, 251 Smith, Gerard XIII, 251 Söder, Joachim R. XCIV, XCV, 90, 251 Sokrates CIV, CVI, CXIII, CXVI, CLXIV, 102, 103, 104, 106, 130, 135, 136 Sophokles LII, 251 Sorabji, Richard 125, 236, 244, 246, 251 Stalnaker, Robert CXXXVII, CXLIX , CLXXIV, CLXXV, 159, 160, 251 Stegmüller, Friedrich XIII–XX , XXVI –XXX , 98, 251
263
Steward, Helen XXXVII, 252 Strawson, Galen XLVIII, 252 Strobach, Niko 103, 127, 128, 252 Stump, Eleonore XLVII, LXXVII, LXXXVIII, LXXXIX , C, 113, 239, 246, 252 Suárez, Francisco XIV, XV, XXV, CLVI, CLVII, CLXXII, 206, 207, 252 Swinburne, Richard LXXVII, 93, 252 Taylor, Richard XLI, 224, 252 Tertullian 11, 231 Tewes, Christian LIV1, 252 Thimme, Wilhelm 176, 177, 234 Thomas von Aquin VII, XIII–XV, XLVII, LVI, LXXVII, LXXVIII, LXXX–XCV, XCVIII, C, CIII, CV– CVII, CIX , CXI, CXIII, CXIV, CXXIII, CXXIV, CXXVII, CXXXI, CXXXII, CXXXIII, 3, 5, 43, 63, 65, 67, 88, 89, 95–118, 231, 252, 253 Timpe, Kevin XXXVIII, 238, 239, 243, 247, 248, 250, 253, 254 Todd, Patrick LXXII, CXX , 240, 245, 253 Toledo, Francisco CXXXII Valencia, Gregor von XXX , CXXXII, 242 Van Inwagen, Peter XLIV, LIII, LIV, LVII, 105, 106, 107, 195, 225, 248, 253, 254
264
Index nominum
Vega, Andreas à 173 Vihvelin, Kadri XXXVIII, 254 Vivès, Louis XCV, 252 Vos / Vos Jaczn, Antonie XCIV, XCV, XCVI, 238, 254 Wadding, Luca XCV Walls, Jerry LI, 254 Walter, Sven XL , XLI, XLIII, XLVI, LIII, 254 Warfield, Ted 107, 141, 254 Weber, Robert 143, 229 Weidemann, Hermann XXXIV, XXXV, 125, 127, 133, 222, 233, 254 Werndl, Charlotte XXXIV, 254 White, Michael J. 131, 254 Widerker, David 107, 138, 254 Wierenga, Edward CXLIX , 255 Wiggins, David 105, 195, 255 Wilhelm von Auxerre 172
Wilhelm von Ockham LXXV, XCI, XCII, XCV, CIX– CXIII, CXV– CXXIII, 118, 122, 142, 172, 190, 204, 232, 235, 247, 255 William of Sherwood XCI, XCII, 108, 190, 255 Williams, J. Robert G. CLXXV, 256 Wittgenstein, Ludwig XLIV, 256 Wright, Georg Henrik von XCIII, 107, 256 Xanthippe CLXIV Xerxes 227 Zagzebski, Linda T. CXXIX , CXXXIX , 110, 256 Zenon von Kition XCVII Zumel, Francisco XVI, XX , XXVII –XXIX , 87
IND EX RERUM
Absicht XXXV, CXXV, CXLVII, CL , 47, 93, 95 actus purus XCIII, CXLV acumen 54 adaequatio rei et intellectus 164, 165 Akteurskausalität 166 Aktualität XCIII, 111 Äternalismus (s. auch Atempora lismus, Außerzeitlichkeit, Ewigkeit, Zeitlosigkeit) C, CVII, 113 aeternitas LXVII, LXXV, LXXVI, LXXXVI, XCVIII, XCIX , CI, CXLIII, 6, 8, 30, 42, 54, 58, 64, 76, 80, 86, 87, 112, 113 agere LXXXVI, CXXV, 16, 48 agnoscere 34, 119 Allmacht XLI, 15, 149 Allwissenheit VII, VIII, XVII, LI, LXXI, LXXIV, LXXVI, LXXVIII, LXXXVIII, LXXXIX , CXXV, CXXXVIII – CXL , CXLVI, CXLVII, 87, 89, 141, 144, 179, 220 Alternative XXII, XXXVI–XXXIX , XLI, XLVII, LXV, LXVI, LXXI, LXXXVIII, XCVII, CIV, CVII, CIX , CXXI, CXXV, CXXXIV, CXLVII, CLIX , CLXIV, CLXX , CLXXVII, 138, 147, 149, 155,
157, 179, 192, 216, 221, 222, 224, 226 Alternativenbedingung XXXVIII Alternativlosigkeit XLII, L , LI, LXXXIX
angelus 18 anima XCII, XCIII, 16, 20, 32, 153 Antichrist 64, 65, 191 arbitrium VIII, XXV, XXXII, XXXIII, LVIII, LXVI, LXIX , LXXVIII, LXXIX , LXXXII, LXXXVIII, LXXXIX , CVIII, CXXXV, CXLIII, CLXXVIII, 2, 6–26, 30–38, 42, 52–56, 62, 66, 78, 87, 88, 95, 206 argos logos (s. auch Beratung, Deliberationsargument, deliberieren, Trägheits argument) 223 Atemporalismus (s. auch Äterna lismus, Außerzeitlichkeit, Ewigkeit, Zeitlosigkeit) XXIV, LXVIII, LXXVI, LXXVII, LXXXII, LXXXVI, XCII –XCIV, XCVII, XCVIII, XCIX , CII, CV, CVI, CXIII, CXXVII, CXXXII, CXL , CXLVI, 111–114, 145, 183, 191, 196 Außerzeitlichkeit (s. auch Äter nal ismus, Atemporal ismus, Ewigkeit, Zeitlosigkeit) LXXV–
266
Index rerum
LXXVII, LXXXVIII, XCII, XCIX , C, CXIII, CXXVII, 111, 113,
174, 181 auxilium CXXXV, 78, 82, 182 Beratung (s. auch Deliberat ions argument, deliberieren) 7, 88, 134, 212, 213, 215, 222 Bivalenzprinzip XXXIV, XXXVI, CIX , 124, 125, 127, 134 bonitas 82 Bootstrapping-Argument 207 causa XXI, XLV, LXVI, LXXX , LXXXIII, CI, CIII, 2, 36–50, 54, 60–64, 76, 78, 80, 90, 97, 98, 166, 168, 173, 203, 205 – efficiens 172 – generalis XXIII, XLV, 91 – integra 62, 91, 185, 186 – necessaria XLV, LXXXIII, LXXXIV, 2, 60, 89, 90, 93, 94 – particularis XXII, CXXVI, 36, 38, 42, 91, 186 – prima IX , XXIII, XLV, LXXXIII, LXXXIV, CXXV, CXXXIV, 99, 147 – proxima LXXXIII, 166 – remota XXIII, LXXXIII, 166 – secunda LXXXI, LXXXIV, CXXV, CXXXIV, CXXXV, 10, 14, 34, 40, 42, 91, 92, 186 – tota 40, 60, 91, 185, 186 – totalis 91
– universalis 36, 38, 40, 42, 60, 91, 186 certitudo LXXXIII, XCVI, 6, 58, 66, 70, 76, 87, 206 cognitio LXXXIII, LXXXV– LXXXVII, CXLIII, 70, 72, 76, 165, 206 – comprehensoris 152, 153 – experientiae XLI, 152 cognoscere LXXXV, LXXXVII, XCII, CII, CIII, CXI, 8–12, 18, 22–34, 38, 40, 50, 60, 62, 70, 72, 76, 86, 87, 97, 114, 145, 153, 205, 206 cognoscibilitas 32 complexio CII– CIV, 10, 12, 70, 123, 144 comprehensio (s. auch superc ompre hensio) LXXV, 12, 16–20, 26, 32, 34, 40, 70, 146, 153, 154, 204, 205, 206 concursus generalis CXXVI, CXXXIV, 93, 94, 167 condicio LXX , LXXXI, 12, 14, 64, 68, 101, 102 consequentia LXVI, LXVII, LXX , LXXXI, 4–8, 28, 68, 70, 74, 76, 78, 101, 102, 104, 115, 116, 136, 180, 182, 198, 199, 200, 201, 211 consideratio 28 consilium LXIX , 36, 82 contradictio CIV, CX , CXXXVI, CLXXVIII, 12, 14, 20, 24, 28, 62, 64, 150
Index rerum
creatio C, CVI, CVII crimen 48 culpa XXXVIII, 38, 80, 221, 222 cupiditas 46 Dauer LXXXVI, 112 de dicto 102, 103 de re 102, 103 Deliberationsargument (s. auch argos logos, Beratung, Träg heitsa rgument) 215, 222, 224 deliberieren (s. auch argos logos, Beratung, Trägheitsargument) 24, 26, 32, 222–226 determinate verum LXXI, CIV, 6, 30, 76, 123, 125, 126, 129, 130, 131 determinatio XXXVIII, XLV, XLVII, L , LXXXIII, XCVI, CV, CVIII, CXII, 16, 18, 24–28, 32–42, 54, 58, 62, 97, 98, 105, 222, 223, 226 Determinismus X , XXXIII, XLVIII, XCVII, 127, 221, 224 – bereichsrelativer / partieller XLII
– freiheitsskeptischer harter XLVII, XLIX – kausaler XXXIII, XLII, L , LIV, 147, 220 – klassischer harter XLVII, XLVIII
– logischer XXXIII–XXXVI, XLI, XLI, L , LVI, CIX , CXXII, 120,
267
123, 133, 142, 147, 162, 163, 222 – theologischer XXXIII, XLII, L –LII, LV, LVII, LXVII, LXX , LXXVI, XCI, CVIII, CXX , CXXII, CXXXVIII, 88, 101, 104, 133, 134, 139, 147, 217, 222, 223, 224 – universaler XLIII, XLV, XLVI, 125 deus XXI, LVIII, LXIX , LXXVIII, LXXXI, LXXXVI, LXXXVII, LXXXVIII, XC, XCVIII, XCIX , CVIII, CX , CXI, CXXXIV, CXXXV, 2–12, 16–20, 24–46, 50–60, 64, 68–80, 87, 90, 94, 97, 98, 100, 116, 120, 136, 144, 173, 182, 186 diabolus 48, 82, 227 divinus XXIV, LXXXIII, LXXXVI, CV, CXII, 2, 6–22, 26, 28, 32–36, 40, 44, 52, 54, 58–62, 66–82, 86, 87, 97, 98, 113, 121, 136, 153, 169, 206 effectus LXXXIII, 2, 14, 36–42, 54, 58–62, 80, 92, 94, 172, 186 Efod CXL – CXLII electio LXXXVIII, CIX , 62 eminentia 18, 22, 34, 72 Engel LXXXIX , 19, 37, 39, 43, 45, 154 Entscheidung VIII, IX , XXII, XXIII, XXXV, XXXVII –XXXIX , XLII, XLVI –XLIX , LIII, LIV,
268
Index rerum
LVIII, LX , LXVIII, LXXVIII, LXXXII, LXXXIV, LXXXVIII, CVI – CVIII, CXIII, CXXIII – CXXVIII, CXXX , CXXXIII, CXXXV, CXXXVII, CXLIII, CXLV, CXLVII, CXLVIII, CLXI – CLXIII, CLXVII, CLXXVIII,
15, 31, 33, 37, 39, 43, 53, 55, 57, 63, 87, 90, 93, 95, 99, 105, 110, 135–138, 141, 147–151, 154–159, 161–167, 170–172, 179, 180, 183, 187, 188, 192, 196, 197, 207, 208, 214, 216, 219, 221–223, 226 Entscheidungsfreiheit VII–IX , XXXVII, XXXVIII, XLI, XLVII, L , LIII, LIV, LVI, LXIX , LXXXVIII, CVII, CXXIV, CXXV, 3, 7–11, 39, 53, 55, 63, 79, 87, 88, 179, 212, 213, 215, 220, 221 Entscheidungsvermögen CVIII, CXXIV, CLXXVIII, 13–27, 31–39, 43, 63, 67, 95, 147, 151, 154, 158, 188, 192, 205 Entschluss XXIII, CVII, CXLVII Erhabenheit LXVII, 59, 73 Erkenntnis LXXXIII, LXXXV, LXXXVII, CII, 25, 33, 73, 77, 113, 162, 164, 165, 169, 204, 205, 207 error XXV, XXXII, 8, 58 Erstursache LXXXIV, XCVIII, CIII, CV, CXXXIV, 91, 93, 172 essentia 12, 16, 18, 34, 40, 153, 169, 206
Essenz, geschöpf liche CXXVIII, CXXXVIII, CLXXV ET-Simultaneität LXXVII, C, 113 Evidenz XXXVI, XXXIX , XLVI, CXI, 204 Ewigkeit (s. auch Äternalismus, Atemporalismus, Außer zeitlichkeit, Zeitlosigkeit) LXIX , LXXV, LXXXV, LXXXVII, XCVIII, XCIX , CI, CII, CVI, 7, 9, 31, 43, 55, 59, 65, 77, 81, 86, 87, 100, 108, 111–113, 137, 140, 141, 145, 152, 162, 181, 183, 215, 216, 217 – atemporal / außerzeitlich LXVII, LXXVI, LXXXVI, XCIV, XCIX , C, CVI, CXXVII, 181, 191 – omnitemporal / innerzeitlich LXXVI, 191 Existenz VII, XXXIX , XLVI, XLVII, XLVIII, LXXXVIII, XCIV, XCVII, CXXVII, CLIV, CLXII, CLXVIII, 90, 93, 112, 113, 134, 141, 150, 167, 168, 188, 220 Fähigkeit LXXIII, LXXIV, CIV, CXX , CLX , 59, 137, 220, 224 fallacia 74 – aequivocationis XCIII, 189, 217 Falschheit XXIII, LXXXIV, CIII, CX , CXVIII, CXLV, CXLVIII, CXLIX , 49, 121, 124, 127, 137 falsitas CX , 48, 124, 126 Fatalismus, logischer (s. auch
Index rerum
Determinismus) XXXIII, XLI, LII, LVII, CXXII, 225 Fehlschluss, modallogischer LXX , XC, 75 felicitas 32, 82 fides CXI, 8, 10, 14, 60, 132 finis 36, 169 – supernaturalis 36, 38, 169 Form XL , LV, LVII, LXVI, LXXIX , LXXXII, LXXXVIII –XCI, XCIII, CXIV, CXVI – CXVIII, CXXI, CXXV, CXXVIII, CXXXV, CXXXVI, CXL , CXLII, CLI, CLV, CLIX , CLXIX– CLXXII, CLXXIV, CLXXVI, 87, 102, 103, 105–109, 126, 128, 130, 138, 139, 140, 150, 158, 159, 161, 164, 166, 184, 195, 196, 212, 214, 216, 223, 225 Freies Wissen CXXX , CXXXI, CXLVIII, 15, 17, 29, 41, 43, 61, 94, 98 145–148, 151, 158, 162, 166, 171, 172, 187 Freiheit VIII, X , XV, XX , XXI, XXIII, XXV, XXIX , XXXVIII, XL , XLVII, XLVIII, L –LII, LXII – LXIV, LXVI, LXVIII, LXXI, LXXXIX , CIX , CXII, CXXII, CXXIII, 228 – kreatürliche / menschliche VII, XVII, XVIII, XLV, LX , LXXVI, XCIII, XCIV, CXIII, CXVII, CXXIV, CXXVI, CXXXIV, CXXXV, CXXXVIII, CXXXIX , CXLIV, CXLVIII, 13–
269
23, 27, 33, 43, 55, 59, 63, 67, 87, 89, 95, 105, 120, 135–138, 144, 155, 157, 170, 179, 180, 182, 197, 217, 218, 220, 221 – göttliche LXXXVIII, CVIII, 19, 33, 154, 155, 158 Freiheitsdilemma LXVIII Freiheitsgewissheit, subjektive XXXIX , XLI Freiheitskonditional, kontra faktisches XXIII, CXXVI– CXXVIII, CXXX , CXLI, CXLII, CXLIV, CXLV, CXLVIII – CL , CLII – CLXIV, CLXVII, CLXIX , CLXX , CLXXVI, 149, 150, 159–161, 188, 192 Freiheitstheorie IX , XVI, XVII – inkompatibilistische XXXVIII, XLVII, CXXXVII, – kompatibilistische LXV, CXXXVII, 226 – libertarische VIII, XLVII, CLXIX , CLXX , CLXXIV, 147 fundamentum veritatis CL Futurabilien CXXVI futura contingentia LXXI, LXXXII, LXXXIII, LXXXVII, CII, CIX , CX , CXI, CXLIII, 6, 10, 12, 30, 34, 58, 60, 62, 70–76, 86, 87, 90, 98, 119, 121, 128, 129, 132, 136, 199, 205, 213 Gegenwart XXXIV, XXXVI, XLIII, XLIV, LXVII, LXXII, LXXV, LXXVI, LXXXVI, LXXXVII,
270
Index rerum
XCII –XCIV, XCVII – CII, CVI, CVII, CIX , CX , CXIII, CXIV, CXVI, CXVII, CLV, 86, 108, 109,
111, 112, 114, 132, 142, 149 gemina praedestinatio LXXVIII Gesamtursache 63, 185, 186, 189 Geschlossenheitsprinzip (für Notwendigkeitsoperatoren, s. auch Transferprinzip) LIV– LVII, 115, 195–197 Geschöpf (s. auch Kreatur) VIII, XXII, XLI, LXXX , CXXVI, CXXVIII, CXXXII, CXXXIV, CXLVIII, CLXXV, 11, 15, 19, 31, 33, 35, 63, 96, 148, 150, 151, 154, 156, 157, 167, 170, 172 Gesetz XLII, CXXIX , 119 Gewissheit (s. auch ›Sicherheit‹) XXXIX , XLI, LXXXIV, XCVI, CXII, 7, 39, 59, 77, 86, 87, 140, 214 Glaube XXIX , XXXIII, CXI, 5, 9, 11, 15, 132, 170, 225, 226 Glückseligkeit 81, 83, 169 Gnade XV, XVI, XVIII, XXIV, XXV, XXIX , XXXI, XXXIII, CXXII, CXXIII, CXXXVI, 53, 95, 153, 182 Gnadenangebot VIII, CXXXIV, 170 Gnadenhilfe XXXII, CXXXV, CXXXVI, 169 Gnadenlehre XV, LXV, LXVIII, 220 Gnadenstreit VII, XVI, XX , CXLV, 182
Gottesschau 153, 170 gratia efficax XXXI, CXXXIV– CXXXVI, 95, 182 grounding objection CXLVIII, CLII, CLIV, 149, 208 Grundlageneinwand CXLIX , CLVI, 208 Habitus 168 Häresie XV, XXIII, XXVIII, XXXI, XXXIII, XCVI, CXXXII, XLIV, XLVI
hallucinari 10, 98 Handlung XXI–XXIII, XXXV– XLIV, XLVI –L , LIV, LIX , LX , LXIII, LXXXI, XCIII, XCIV, CVII, CVIII, CXVII, CXXIII, CXXV– CXXVIII, CXXXI, CXXXIII, CXXXV, CXXXVI, CXXXIX , CXL , CXLIII, CL , CLII, CLVII, CLVIII, CLXI – CLXIII, CLXV– CLXVII, CLXX , CLXXVI, 47, 61, 88, 91–95, 99, 105, 108–111, 137, 138, 140, 141, 146–148, 150, 154, 155, 183, 192, 196, 198, 207, 208, 214, 215, 219–223, 226 harte Fakten (über die Vergan genheit) XXXVI, LXXV, CXIX , CXXII
Heil XXXII, CXXXII, 47, 81, 83, 114, 220, 222 Heilige Schrift XXVI, 9, 11, 23 Heiliger Stuhl VII, XXX hypostatische Union 151
Index rerum
idolum 10 illimitatio 24, 30, 34, 54, 206 immensitas XCVIII, XCIX , CI, 66 impassibilitas 22 imperfectus 26, 28 impius LVIII, 4, 52 Implikation XXXIII, CXIV, CLXXV, 14, 15, 20, 21, 64, 65, 68, 74, 192, 216 – strikte LV, CXV, CLXIV, CXLII, 110, 115, 139, 141, 196, 197 – materiale CXLI incarnatio 22 Indeterminismus XLVI–XLIX , 125, 142 – epistemischer XLIII, XLIV, 226 – kausaler CXXIX – logischer 125, 127 – theologischer 104, 139, 141, 197, 200 index librorum prohibitorum XXVII, XXVIII
inesse 64 infallibilitas CXXXVI, 72, 117, 206 infinitas LXXVI, XCIX , 22, 24, 30, 54, 72, 82, 206 Inkompatibilismus XXXVIII, XLVII, L , LI, LIII, CLXV – freiheitsskeptischer agnostischer XLIX – freiheitstheoretischer LVII, CXXXVII, CXLVIII, 138, 155, 220, 221 – klassischer agnostischer XLIX
271
– theologischer LXV, LXVIII, LXXXVIII, CXXXVIII, 88 Inquisition VII, XIV, XV, XVI, XIX , XX , XXIII, XXVI –XXVIII, XXX , CXXXII
in sensu composito LXVI, LXXXI, CV, 58, 60, 68, 72, 74, 101, 104, 180, 182, 210, 211 in sensu diviso LXVI, LXXXI, 58, 60, 74, 101, 104, 180, 182, 183, 210, 211 intellectus LXXXVI, CXII, 18, 24–28, 32, 54, 66, 68, 72, 123, 164, 165, 168, 169, 206 Intellekt LXXXVI, LXXXVIII, LXXXIX , CIII, CV, CVI, CIX , CXII, 19, 25–29, 33, 67, 69, 73, 154, 157, 161, 162, 164, 165, 169, 192, 202, 214, 226 – aktiv 169 – passiv 169 Intension 131 Intention LXI, CX , 126, 166 irrational 222, 223, 226 Irrtum XXV, XXXI, XCVI, 9, 59, 61, 176, 183, 211 Irrtumstheorie CLVII, CLX Kausalität IX , 166, 170, 202 Kirche VII, VIII, XVI, XXXI, 143 Kirchenväter LXXX , 19, 45, 55, 89, 112, 151, 173, 176, 177 Koexistenz (Gottes mit zeitlichen Dingen) XCVIII, XCIX , CI, CII, Kompatibilismus XLVII, CVIII, 139
272
Index rerum
– freiheitstheoretischer L , LXV, 220, 226 – theologischer CXXXVIII, CXXXIX , 215 Konditional (s. auch Freiheits konditional, kontra fakti sches) XXIII, LXXIX , XC – XCII, CXXVI, CXXXVII, CXLI, CXLV, CXLVIII, CXLIX , CLII, CLVI – CLX , CLXIII, CLXIV, CLXIX– CLXXIII, CLXXV, 3, 5, 69, 100–106, 140, 149, 150, 159–161, 172, 188, 189, 192–196, 198, 213, 215 Konsequenzargument LVI, LVII, 106, 107, 195 – nomologisches LIV, 105 – theologisches LI, LIII, LIV, XC, 139 Kontingenz LXX , LXXXII, LXXXIII, LXXXVIII, LXXXIX , XCVIII, CIII – CV, CXV, CXXIII, 3, 11, 35, 53, 55, 79, 81, 85–88, 90, 91, 94, 96, 97, 99, 100, 102, 107, 116, 118, 119, 121, 124–133, 135, 136, 141, 144–149, 162– 165, 169, 179, 184, 188, 189, 191–194, 198–205, 210–212, 214, 215, 220 – entitative XCIV, XCVI, CVII– CIX , 119 – operative CXVII, 186 Kontrolle VIII, XXXIX , XLI, XLV, LIII, LIV, LVI, CXXVIII, CXLVIII
Konzil XXVI – von Trient (s. Tridentinum) VIII, XXV, XXXIII, CXXII, CXXXVI, 95, 142, 170 – von Chalkedon 151, 152 – 2. Vatikanisches 143 kontingent Zukünftiges XXIV, XXXVI, LXVII, LXXIX , LXXXII, LXXXIII, LXXXV, LXXXVIII, XCVII, CIII, CIX– CXII, CXV, 3–11, 31, 35, 45, 59, 61, 63, 71–77, 85–87, 96, 97, 102, 116, 118, 121, 124–126, 128, 129, 131–136, 141, 145, 162–164, 184, 192, 198–202, 205, 210–215 Kreatur (s. auch Geschöpf ) IX , XXI, XXIII, XLV, CXXIV, CXXVI, CXLVI – CXLVIII, CLXI, CLXII, 91, 93, 94, 99, 147, 149, 150, 155, 157, 158, 163, 164, 166, 167, 170, 178, 187, 188, 192, 208 Kunst 37, 97, 99, 168, 169 lapsus 78 leeway incompatibilism XXXVIII Libertarismus, libertarisch VIII, X , XXXVII, XLI, XLVII, XLIX , L , LI, LVI, LXVI, LXVIII, CVIII, CXXV, CXXIX , CXXXVI, CXXXVII, CXLIV, CXLVII, CL , CLXI, CLXVI, CLXIX , CLXX , CLXXIV, 87, 138, 141, 144, 147, 150, 179, 191, 196, 207, 216, 219, 221 libertas XXI, XXXVIII, LXIX , CVIII,
Index rerum
2, 6–22, 26, 32, 38, 42, 52, 54, 58, 62, 66, 78, 87, 88, 222 liberum arbitrium VIII, XXV, XXXII, LXXVIII, LXXXVIII, LXXXIX , CXXXIV, CXXXV, CLXXVIII, 2, 6–18, 24, 30–38, 42, 52–56, 62, 78, 87, 88 Macht LXII–LXVII, LXXII–LXXV, CXI, CXX , CXXI, CXLIII, 5–15, 21, 47, 61, 65, 79, 100, 108, 132, 135, 137, 190, 191, 206, 215–219 – kontrafaktische LXXIII, 138– 140, 144, 148, 150, 217–220 – über den Willen LXII, LXVI Makrodeterminismus XLII, XLVI Mikrodeterminismus XLVI malignus 48 malus LVIII, 48, 56 Materie 164 memoria 56 Mensch VII–IX , XXXII, XXXIV, XXXVII, XLIII, XLIX , L , LVIII – LXI, LXIII, LXVI, LXIX , LXXVI, LXXXI, LXXXIV, LXXXVII, CIII, CXXXIV, CXXXV, CXLVII, 5, 9, 17–23, 33, 35–39, 43–55, 71, 92, 103, 106, 115, 151–154, 169, 170, 176–178, 182, 189, 198, 201, 202, 205, 207, 209, 214, 220, 224 meritorisch XXII Metaphysik IX , X , XXXIII, XXXVII, XLIII, XLIV, LXVII, XCI, XCVII, CVII, CXIX ,
273
CXXVIII – CXXXI, CXXXVII, CXLV, CXLVII, CXLVIII, CLII, CLIII, CLV, CLVI, CLVII, CLX ,
91, 103, 107, 139, 142, 144, 145, 160, 174, 183, 191, 192, 226 Might-Konditional CLXIX– CLXXI, CLXXIV, CLXXV Mittelalter X , LXVI, LXXXIV, LXXXVIII, XCI, CXII, CXVII, CXXIII, CLXI, 85–87, 91, 101, 102, 109, 117, 118, 120, 122, 126, 133, 135, 146, 150, 165, 190, 203 Mittleres Wissen VIII, IX , XXII, XXIII, CXXIV, CXXVII, CXXVIII, CXXX , CXXXI, CXXXIII, CXXXVII – CXLI, CXLIV– CXLVII, CXLIX , CL , CLXI, CLXIX , CLXX , CLXXIV, CLXXV, 13–21, 25, 35, 39, 43, 63, 89, 94, 99, 117, 146– 151, 154–161, 165–167, 170–172, 187–189, 191, 192 Mitwirkung VIII, XXIII, XLV, LXXXIV, CXXVI, 11, 43, 79, 91, 92, 93, 144, 166, 167, 185, 189 Modalität LIV, LXXXIII, XCI, 90, 107–109, 139, 145, 180, 183, 195, 211, 213 Modallogik IX Mögliche Welt IX , LXXI–LXXIII, XCI, CVII, CXXIV, CXXV, CXXVIII – CXXX , CXLV, CXLVI, CXLVIII, 107, 109, 117, 131, 139, 145–148, 159–161, 164, 166, 188, 218
274
Index rerum
Möglichkeit XXII, XXXVII, XXXVIII, XLI, XLVI, XLVII, LXVI, LXXXVIII, XCVIII, CII, CXV, CXXV, CXXXII, CXXXIV, CXLVII, CLVII, CLXVII, 59, 138, 147, 155, 156, 157, 171, 179, 183, 200, 216, 221 Molinismus XVI, CXXXIII, CXXXVII, CXL , CXLV, CXLVII, CLXI, CLXII, CLXIII, CLXIV, CLXX , 141, 142, 149, 160 Mononoetismus 152 Monotheletismus 152 Moore-Paradox CLXXIV Moral X , XXII, XXXI, XXXII, XXXVII, XXXVIII, XLVII, L , LI, LXXII, CXXV, CXXXV, CXXXVI, CLVIII, 138, 220–222 Natürliches Wissen CIV, CXXIX– CXXXI, 11–15, 19, 21, 25, 37– 43, 55, 63, 99, 144, 146–148, 154, 158, 166, 167, 171 Natur XLIII, LX , CII– CIV, CXXXVI, CXLVIII, 9–13, 23, 29, 31, 35, 37, 65, 71, 73, 77, 95, 123, 132, 148, 151–153, 156, 157, 163, 165, 166, 189, 203, 224 natura CXLIII, 8, 10, 22, 28, 30, 34, 64, 70, 72, 76 Naturgesetz XL , XLII, XLIV, XLV, LIV, LV, CVII, CLXI, CLXVI, 105, 140 Naturwissenschaft XLII
necessitas LVIII, LIX , LXXIX , 22, 32, 34, 64, 70, 80, 100 – absoluta LXXX, 64, 66, 102, 104 – antecedens LXXIX , – condicionis LXX , 101 – consequens LXXIX – consequentiae LXVI, LXX , LXXXI, 68, 101, 102, 104, 116, 180, 182, 198–201, 211 – consequentis LXVI, LXVII, LXX , LXXX , LXXXI, 68, 70, 76, 101, 102, 104, 116, 198–202, 211 – simplex LXX , LXXIX , 101 nomologisch XLII, XLIV, LIII, LIV, LVII, 105, 147, 220 Norm CLVIII nostro intelligendi modo / more XCII, CXXVII, 24, 30, 36–40, 113 Notwendigkeit XXXI, XXXII, XXXV, LII, LVII, LVIII, LIX , LXII, LXXVIII, LXXIX , LXXXII, LXXXIII, LXXXIX , XCI, XCIII, XCVIII, CXIV, CXV, CXVII, CXIX , CXX , CXXIX , 23, 33, 35, 61, 63, 69, 71, 77, 81, 90, 100, 101, 105, 111, 115, 131–133, 139, 166, 185, 190, 195, 200, 212, 214 – absolute LXXIX , 65, 67, 102, 106, 114, 180, 189, 190, 194 – akzidentelle XCI, XCII, CXIV, CXVII, 108–110, 115, 140, 190, 196, 197 – hypothetische 65, 103, 145, 190
Index rerum
– konditionale LXX , 101–104, 180 – logische LV, LVII, XCI, XCIII, CXIV, CXXVIII, CXXIX , 106, 107, 114, 139 – metaphysische CXXVIII – ontologische XCI – temporale s. akzidentelle Obersatz 61, 67, 69, 71, 77, 101, 184–189, 193–195, 197–202, 211–215 obiectum 24, 26, 32, 34, 66, 70, 72, 76, 206 Objekt 25 Occasionalismus 94 Ockhams Ausweg XCII, CXIII, CXX , CXXII omnipotentia 14, 206 omnitemporal LXVIII, XC, 181, 183, 191 Ontologie LVI, CLII, CLIII Ontologisches Argument 90 oppositum CVIII, CLXXVIII, 12, 18, 42, 62, 66, 68 Opfertod (Christi) XX , XXII Ordnung LXV, LXVI, LXIX , XCIV, C, CXXIV, CXXVII, CLXV, 13–17, 21, 23, 27, 33, 35, 39, 43, 55, 63, 167, 168, 172 PAP-libertarisch (s. auch
principle of alternate possibilities) XXII, XXXVII, XXXVIII, 138, 147, 219
275
peccatum XXV, LVIII, 6, 8, 14, 22, 38, 44, 50, 56–60, 64, 76, 78, 136, 177, 178 Pelagianismus XVIII, XX , XXV– XXVII, 220 perfectio 24, 26, 30–34, 54, 66, 68, 72, 76, 206 Perfektheitstheologie CXLVII Person XL , LIX , LXXXVII, XCVII, CLXIV, CLXVII, 94, 122, 151, 166, 191 perspicacitas 70 Phantasma 169 Physik XLII, 92, 203, 204 Plan LI, CXXVI postvolitional CXXIX– CXXXI, CXLVIII, CL , 146, 158 potentia 4, 8, 10, 32, 34, 66, 78 Potentialität XCIII, XCIX , CXVII, CXVIII, CXXII potentiell XXIII, XCVIII, CXX , CXXVIII, CXLII, CLX , 177, 192 potestas LXII, 6, 8, 12, 14, 20, 46, 60, 78, 136, 217 praecognitio LXXXII, 4, 18, 22, 32, 52, 54, 66, 72, 74, 78, 118–120 praecognoscere (praenoscere) LX , LXIX , 4, 18, 22, 32, 48, 52–56, 66, 72, 74, 78, 119, 175 praedestinatio LXXVIII, 14, 38, 46, 80, 119 Prädestination XVIII, XXIV, LXV, LXXVIII, 33, 170 Prädestinationslehre LXV, LXVIII, LXXVIII
276
Index rerum
praedeterminatio CXXXVI – moralis CXXXV – physica XX , CXXXIII, CXXXIV, 95, 182, 206 praemotio physica CXXXIV praescientia LX , LXII, LXVI, LXXVI, LXXVIII, LXXX , XCII, CXL , 2–10, 14, 16, 20, 22, 40, 42, 44–60, 64–68, 74–82, 86, 87, 98, 113, 114, 119 Präsentismus C, CVII praeteritum LXVII, LXXV, LXXXVI, XC, XCVIII, CX , CXIII, CXVI, 4, 8, 56, 66, 68, 100, 108, 110, 112 praevidere LXIX , LXXVI, 8, 16, 38, 40, 42, 46, 56, 58, 64, 119, 143 praevolitional CXXIX principle of alternate possibili ties / Prinzip der alternativen Möglichkeiten (PAP, s. auch PAP-libertarisch) XXII, XXXVII, XXXVIII, 138, 221 Priorität, explanatorische CLXI– CLXIX , 150, 160 probatio 4, 6, 68, 70, 74, 76 Prognostizierbarkeit XLIII, XLIV Prophet 11, 47, 73, 119, 141, 153, 174–176 Prophezeiung LXIX , 73 Proposition XX , XXI, XXV, XXVIII –XXX , XXXIV, LVI, LXXI, CIII, CIV, CVI, CXIII – CXX , CXXXI, CXLV, CXLVIII, CL – CLVI, CLVIII, CLXX , 6, 64, 66, 76, 85, 86, 101, 106, 107,
116, 117, 121–123, 131, 134, 142, 149, 159, 160, 164, 189, 192, 199–202, 226 providentia XXI, XXII, LXIX, 38, 82 – approbationis CXXV – concessionis CXXV ratio XXI, XLI, LXXV, LXXXIII, LXXXVI, XCIX , CII, CIII, CXXVII, CLXI, 4, 6, 10, 12, 16–22, 26–36, 40, 44, 48, 52, 54, 58, 60, 64, 70, 72, 76, 80, 92, 98, 100, 165, 168, 173, 223, 225, 226 reasons responsiveness 226 Rechtfertigung VIII, XXXIII, CXXII, CXXXVI, 95, 116, 170 reductio XXXVI, LIX , LX , CLIII, CLXIV, 38, 44, 180, 224 Reformation VIII, CXXII Regel Beta LIV, 107, 195 Religionsphilosophie VII– IX , XIV, LXVII, LXX , CXII, CXXXVII
Repräsentation CII, 169 repugnantia LVIII, LXIX , LXXVIII, 24, 206 Römerbrief LII, LXXX , 47 Rückwärtsverursachung XXIV, 114, 173, 181, 183 Sachverhalt LIV, LXXIV, CIV, CVI, CXIV, CXVIII – CXXI, CXXV, CXXVI, CXXVIII – CXXXI, CXLIV, CLII, CLXVII, 35, 85,
Index rerum
86, 88, 99, 101, 102, 106, 107, 109, 115, 116, 118, 119, 121, 123, 129, 131, 133, 137, 138, 140, 144–146, 163, 192, 196, 199–201, 208, 210, 214 saeculum 8 salus XXXII, 46, 80, 82 Satz XIX , XX , XXII–XXVI, XXX , XXXI, LXVI, LXXIV, LXXIX , LXXXI, XCIII, CII, CIII, CV, CXI, CXX , CXXI, CXLII, CL , CLI, CLXIV, CLXIX , CLXXI, CLXXVI, 7, 15, 65, 67, 71, 77, 79, 85, 102, 103, 106, 109, 118, 119, 122, 123, 126, 129, 130, 131, 132, 137, 143, 174, 177, 178, 181, 189, 190, 200, 202, 211–213 Satz vom ausgeschlossenen Dritten CLXXIII, CLXXV Satz vom konditional aus geschlossenen Dritten CLIX , CLXIX , CLXXI, CLXXIV, CLXXV
Satz vom Widerspruch CLXXV scandalum 48, 132 Schicksal LII, XCVII, 51, 176, 177, 223 Schlussprinzip LIV Schöpfung CXXXI, CXLIX , 150 Schöpfungsakt XXIII, XLV, CVI, 146–148, 187 Schöpfungssituation IX , CXXVII, CXXVIII, CXLV, CXLVIII, CXLIX , CLXI, 146, 150, 160, 161
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Schuld XXXVII, XXXVIII, LII, CXII, 39, 81, 221 scientia LXXVI, LXXXIII, XC, XCVI, 2–6, 10, 20, 28, 32, 34, 40, 44, 58, 60, 64, 66, 70–76, 87, 97, 98, 107, 113, 116, 117, 119–121, 136, 168 – acquisita 153 – infusa 153 – intelligentiae CXXXII – libera CXXX , CXXXI, 12–16, 22–28, 38, 40, 42, 54, 60, 89, 98, 145 – media VIII, LXIII, CXXIV, CXXX– CXXXII, CXXXIV, CXXXVIII, CXLV, CXLVII, CXLVIII, 12–20, 24, 26, 34, 38, 42, 62, 89, 146, 147, 206 – naturalis CXXIV, CXXIX , CXXXI, CXLVII, 10–14, 18, 24, 36–42, 62, 89, 144 – visionis LXXXVIII, XCIV, CXXXII, 153 – vs. doxa 168, 203, 204 Seele (Christi) 17, 23, 33, 151– 154, 157, 165 Seeschlachtargument / See schlachtbeispiel XXXIV, XXXVII, LVI, LVII, 122, 130 Semikompatibilismus 221 Sempiternalismus XXIV, CXIII sempiternitas LXXVI sempiternus 32, 82, 111, 183 sensus 12, 44, 60, 64, 70, 76, 78, 113, 203
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Index rerum
sententia 14, 30, 42, 44 Sentenzenkommentar LXXVIII, LXXX , LXXXII, LXXXIII, LXXXVII, LXXXIX , CII, CIX , 86, 89, 102, 113, 126 Septuaginta 72, 208, 209 servitus 46 Sicherheit LXXXIII, LXXXV, 67, 71, 77, 116–118, 192, 193, 201, 205, 206, 214 significare XXXII, XC, 6, 72, 85, 108, 114, 121–123, 136, 182 Simultanität LXXVI, LXXVII, C, 112, 113 singulär XXXIV, CIX , 102, 124, 125, 133 Sinneserfahrung 71, 118, 202, 203 Skeptizismus, freiheits theoretischer XLVII, XLVIII Skopus 104 Skopusambiguität LXVI source incompatibilism XXXVIII Souveränität, göttliche IX , CXXXIII, CXXXIV, CXLIV, CXLVI – CXLVIII, 147, 183, 192 spiritus sanctus 28, 52 Sprache CXXIX , CLXIX , 130, 208, 209 Sprechakt CLVII– CLIX status comprehensoris 153 stultitia 80 Subjekt XCI, CV, CXXVIII, CXLV, CXLVII, CLVIII, CLXV, CLXIX , CLXXV, 19–23, 65, 101, 116,
137–140, 148, 150, 156, 157, 176, 177, 179, 180, 181, 189, 192, 207, 219, 226 subjektiv XXXIX , XLI, 117, 154–157, 193 subsistieren 156 Substanz XXI, CLIV, 156 Sünde / Sündigen XXIV, XXV, XXXVII, L , LVII –LXIII, LXVI, LXX , LXXIII, LXXVIII, LXIX , CXXXVI, 7, 9, 15, 23, 39, 45, 49, 51, 57–61, 65, 77, 79, 100, 135–137, 139–141, 148, 176– 180, 183, 184, 191, 215–219 supercomprehensio 154, 163, 207 supernaturalis CXXXV, 36, 169 Syllogismus XXVI, 100, 103, 115, 202 Tatsache XLVI, LV, LVI, CXIX , CXX , CXXIX , CLII, 15, 17, 101, 116, 121, 137, 139, 144, 153, 171, 189, 192, 196, 197, 201, 203 Terminus LXXXI, XCVIII, CII– CIV, CVI, CXXXIV, 65, 88, 122, 156, 189 Teufel 49, 83, 227 Theismus, Offener CXLVII, 142 Theodizeeproblem L , LII Theologie VII, XIII, XIV, XVI, XXIII, XXVI, XXIX , LXVII, LXXX , CIX , CXII, CXXIII, CXLVIII, CLXXVIII, 43, 86, 169, 172
Index rerum
These der doppelten Kontingenz (bei Duns Scotus) CIII, 94 Thomismus CXXIII, CXXXIII, Tod XX , XXII, CXXVI Trägheitsargument (s. auch argos logos) 223 Transferprinzip (bzgl. Notwen digkeit, s. auch Geschlossen heitsprinzip) LIV–LVII, 115, 195–197 Transitivität LXXVII, CLXII, CLXVI – CLXVIII Tridentinum (s. Konzil von Trient) VIII, XXV, XXXI, XXXIII, CXXII, CXXXVI, 95 Tugend 169, 170 übernatürlich 37, 153, 169, 170 Überzeugung LXXI, LXXVI, CXXII, CL , 116, 117, 192, 193, 207, 208, 222, 226 Unabänderlichkeit LXXII Unausweichlichkeit XXXV, LVII, LXI, CXXXV, CXXXVI, 176 Unbeeinflussbarkeit XXXIX , CXV, CXVIII, 190, 196 Unendlichkeit CXXIV– CXXVI, 13, 19–27, 31, 55, 73, 83, 111–113, 154, 157, 161, 163, 202, 205, 206, 214 Unermesslichkeit 9, 67 Unfehlbarkeit VIII, LI, LXXXV, XCVI, CII, CVII, CXXXVI, CXXXVII, CXLIV, CXLVII, 73, 87, 95, 117, 192
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ungeschaffen CXIII, 45, 205 universalis CXVI, 36–42, 60, 91, 92, 94, 186 Unmöglichkeit XXXIV, XXXV, XLVIII, LXXXI, LXXXIV, CIII, CXI, CXII, CLIII, CLXXI, 90, 105, 119, 120, 125, 180, 185, 187, 188, 210, 226 Unsicherheit 67, 71, 73, 77, 192, 193, 208, 214 Unveränderbarkeit / Unveränder lichkeit LXXXIII, LXXXIV, XCIII, XCVI, CV, CVII, 190, 191 Urheberschaft XXII, XXXVII– XXXIX , XLI, XLVII, LVIII, LX , LXI, 57, 180 Urheberschaftsbedingung XXXVIII, XLVII Urheberschaftsbewusstsein XLI Ursache XXI, XXIII, XLIII, XLV, LX , LXI, LXV, LXVI, LXIX , LXXX , LXXXI, LXXXIII, LXXXV, XCVIII, CIII, CVI, CXI, CXXXIV, 2, 39–51, 55, 63, 65, 77, 92, 96–98, 166, 168, 170, 172–174, 179, 180, 184, 186, 187, 202, 203, 204 – allgemeine XXIII, XLV, 91, 93, 171 – entfernte XXIII, LXXXIII, 37, 39, 166, 171 – erste (s. auch Erstursache) LXXXIII
– generelle 93 – indirekte XXIII
280
Index rerum
– nächste LXXXIII, 37, 39, 166 – notwendige LXXXIII, LXXXIV, 3, 61, 89–93, 184, 185, 187–189 – partikuläre XXI, XXIII, CXXVI, 37, 39, 43, 93, 166– 168, 171, 185, 186 – universale 37–43, 61, 167, 171, 185, 186 – vollständige (s. auch Gesamt ursache) 41, 61, 91, 94, 185–189 – zweite 43, 166 Ursprung XXXVI, XXXVIII, 41, 65, 86, 157 velle VIII, XXI, LXXVI, LXXXVIII, CVIII, CXXXV, 10–16, 20, 22, 26, 32, 36–42, 46, 48, 54, 58, 62, 95, 97, 98, 170 Verantwortlichkeit, moralische XXII, XXXVI, XXXVII, XLVII, LI, LII, CXXV, 108, 210, 220–222 Verantwortlichkeits-Inkompat i bilismus 220, 221 Verdienst XXI, XXII, XXXVII, CXII
Vergangenheit XXXVI, XXXIX , XLIV, LIII, LXXII –LXXV, C, CXIII – CXXII, CLXVIII, 67, 108, 111, 113, 190, 191, 196, 197, 218, 219 veritas CX , CXVI, CL , 124, 126, 204, 208, 209
Vermögen LXXII–LXXIV, LXXXVIII, CIX , CXX , CXXXI, CXXXII, 33–37, 73, 101, 164– 166, 168, 169 Vermutungswissen LXXXV Vernunft LXXV, 226 Verstand CIII, CIV Verwerfung 220 Verwirklichung CV, CVII visio LXXXVIII, XCIV, CXXXII, CXLVI, 153, 169 Volition LXV, CIV – erster Stufe LXIV, LXV – höherstufige LXIV, LXV Vollendung 152 Vollkommenheit 25, 27, 31–35, 55, 67, 69, 73, 77, 163, 164, 192, 206 voluntas XXI, XXXIX , LVIII, LIX , LXII, LXVI, LXIX , CV, CVIII, CXII, CXXXV, CXXXVI, 12–18, 22–42, 46, 50, 54–58, 62, 80, 97, 98, 161, 165 Vorherbestimmung LIII, 15, 81 Vorherwissen VIII, XVIII, L , LI, LIII, LVIII –LXII, LXV, LXVI, LXIX–LXXI, LXXVI, LXXVIII, LXXX–LXXXII, LXXXV, LXXXVIII, XCII, CXII, CXIII, CXX , CXXVII, CXXXVII, CXL , 3, 7–11, 15, 17, 23, 45–59, 75–83, 86–89, 97, 101, 105, 108, 112, 113, 134, 136–138, 141, 143, 147, 149, 150, 155, 156, 173, 174, 176, 179, 180,
Index rerum
181, 184, 190, 191, 197, 198, 201, 211, 215–217, 219, 220, 222, 223 vorhersehen LXVIII, 17, 49, 55, 57, 59, 175, 176, 178 Vorsehung VII–IX , XVII, XXI, XXIII, L , LI, LXIX , CXXV, CXXXIII, CXXXVII, CXLIV, 39, 83, 147, 170 Vulgata CLXXVIII, 9, 73, 142, 143, 208, 209 Wahlfreiheit XXII, LIV, LV, LVII, 108, 217, 221, 222 Wahlfreiheits-Inkompatibi l is mus 220, 221 Wahrheit XVI, XXIII, XXXIV, XLVII, XLVIII, LXXI, LXXII, CIII, CVI, CX , CXI, CXVI, CXVII, CXXIX , CXLI, CXLV, CXLVIII – CLIII, CLVI, CLX , CLXII – CLXV, CLXIX , 100, 107, 117, 121, 132, 137, 150, 161, 168, 203, 204, 210, 212, 215 – festgelegte / definite CXV, CXVII, CXVIII, 131, 133, 134 – indefinite 124, 127 Wahrheitsprinzip, Ockhamsches CXVIII
Wahrmacher CXLVIII– CLIV, CLVI, CLX , 149 Wahrmacher-Einwand (s. grounding objection) CXLVIII, CLII, CLIV, 149, 208
281
Wahrmacher-Maximalismus CL , CLIII
Wahrmacher-Nihilismus CLIII Wahrscheinlichkeit XLIII, LXXXV, CXLVII, CLVIII weiche Fakten (über die Vergan genheit) CXIX , CXX Weissagung 11, 141 Welt XXXIX , XLII, XLIV, L , LI, XCVIII, CIII, CV, CVIII, CXXX , CXLV, CXLVII, CLII, CLIII, CLVI, CLXI, CLXXIII, 91, 96, 98, 99, 147–149, 158, 159, 171, 174, 186, 187, 205 – aktuale / wirkliche IX , XXIII, CVII, CXXVII, CXXVIII, CXXX , CLIV, CLXII, CLXXIII, 139, 159–161, 190, 217, 218 – mögliche IX , LXXI–LXXIII, XCI, CVII, CXXIV, CXXV, CXXVIII – CXXX , CXLV, CXLVI, CXLVIII, CXLIX , 107, 109, 117, 131, 139, 145–148, 160, 161, 164, 166, 188, 218, Weltenwahl 159, 160, 228 Wesen IX , XXIII, XLIII, LIII, LIV, CIII, CV, CVI, CXXIV– CXXVII, CXXX , CXLII, CXLIX , CLVI, CLXXVI, 13–19, 35, 41, 125, 134, 146, 147, 149, 151, 153, 154, 165, 169, 174, 186, 188 Wille XXI–XXV, XXXI, XXXIII, XXXIX , XLI, XLVIII, LI, LVII – LIX , LXII –LXVI, LXVIII, LXIX , LXXXVIII, LXXXIX , CV,
282
Index rerum
CVI, CIX , CXI – CXIII, CXXVI,
CXIV, CXVII, CXXII, CXXIV,
CXXXV, CXXXVI, CXLVII,
CXXVII – CXXXI, CXXXIII,
CXLVIII, CLVII, 57, 81, 95, 97,
CXXXVII – CL , CLXI, CLXIX ,
152, 161, 164, 165, 167, 171 – erster Stufe LXIV – göttlicher IX , CIII, CIV, CVII, CVIII, CXII, CXIII, CXXIII, CXXV, CXXVI, CXXXI, CXXXII, CXL , 13–19, 23–43, 47–51, 55, 63, 96, 97, 99, 146–148, 154, 155, 158, 161, 162, 164, 166, 171, 220 – höherstufiger menschl icher LXIV
Willensakt CIII, CIV, CXXVIII, CXXIX , 19, 145, 158, 171 Willensentschluss, göttlicher CV, CVI, 98, 117, 172 Willensfreiheit VII, X , XXXVIII, XXXIX , XLIV, XLVIII –LI, CXXII, CXXXIX , CLXXV, 86, 87, 146, 167, 179, 228 Willensfreiheitsdebatte XXXVIII, XXXIX , 105 Wirkung IX , XLIII, XLV, LXXXIII –LXXXV, XCVIII, CIII, CXI, CXXVI, CXXXIV, 3, 15, 37–41, 55, 61, 63, 81, 90–95, 148, 168, 171, 172, 174, 184–189 Wissen VIII, IX , XXII, XXIII, XLIII, LXI, LXVIII, LXIX , LXXVI, LXXVIII, LXXX , LXXXI, LXXXIII –LXXXV, LXXXVIII, XC –XCIV, XCVI, XCIX , CII, CIV, CV, CVII, CX , CXII,
CLXX , CLXXIV, CLXXV, 3–7,
11, 17, 21–29, 33–37, 41, 45, 55, 59–67, 71–79, 87, 89, 94, passim – apodiktisches 214 – empirisch-induktives 214 Wollen XL , LXIII–LXVI, LXXXVIII, LXXXIX , CIV, CV, 21, 23, 27, 31, 49, 51, 148, 149, 151, 152 Would-Konditional CLXIX– CLXXI, CLXXIV, CLXXV Zeit LXVII, LXXV, LXXVI, LXXXV–LXXXVIII, XCIII, XCIV, XCVII – CIII, CV– CVII, CXIII, CXV, CXIX , CLI, CLIV, CLXI, CLXVII, 86, 96, 108, 112, 113, 122, 140 Zeitlichkeit LXXV, XCVIII, 112 Zeitlosigkeit (s. auch Äternal is mus, Atemporalismus, Außer zeitlichkeit, Ewigkeit) LXVII, LXXVIII, XCILV, XCIX , CIV, CVI, 113, 114, 183 Zukunft XXIV, XXXIV–XXXVI, XLII –XLV, LVII –LXIX , LXXII, LXXV, LXXVI, LXXVIII, LXXIX , LXXXV, LXXXVIII, XCVIII – C, CIII, CX– CXII, CXV– CXIX , CXXII, CXXXII, 3–11, 31–35, 39–45, 51, 55, 59–63, 67–81,
Index rerum
85, 87, 89, 96, 97, 101, 109, 112, 114, 116, 119, 121, 124, 125, 127–129, 131–133, 135, 136, 141, 142, 145, 162–164, 173, 175, 184, 187, 192, 198–202, 210–214 Zusammenwirken CXXVI, CXXXIV, 91, 93, 144 Zuschreibbarkeit XXII, LXXI, 221
283
Zustimmung VIII Zwang LXXXIX , 180 Zwei-Naturen-Lehre 157 Zweitursache XLV, LXXXIV, XCVII, XCVIII, CXXIII, CXXXIV, 11, 15, 35, 41, 43, 91–94, 144, 148, 150, 166–168, 171, 172, 185–187, 189