Grundstücksmiete [4. Aufl., [Hauptband]. Reprint 2021]
 9783112394328, 9783112394311

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Grundstücksmiete Von

Dr. Fritz Kiefersauer Erster Bürgermeister in Mindelheim.

4. Auflage

1932 München, Berlin und Leipzig I. Schweitzer Verlag (ArthurS ellier)

Druck von Dr. F. P. Datterer & Cie., Freising-München.

Vorwort zur vierten Auflage. Die Neuauflage umfaßt die beiden bisher selbständigen Teile der Grundstücksmiete: Teil I: Mieterschutz und Wohnungsmangel, Teil II: Mietzinsbildung und Mietzinssteuer. Während die erste Auflage im Jahre 1920 und auch noch die zweite Auflage im Jahre 1923 es gestattete, das Ergeb­ nis eigener Denkarbeit bei der Erläuterung der Gesetze in den Vordergrund zu stellen, mußte bereits bei der dritten und in noch viel größerem Umfang bei der vierten Auflage der Grundstücksmiete der Aufzeichnung von Rechtsprechung und Schrifttum in starkem Maße Raum gegeben werden. Die vor­ liegende Auflage enthält annähernd 2700 Hinweise auf die Rechtsprechung der Gerichte und MEÄ., vornehmlich auf die

Rechtsentscheide des Kammergerichts und des bayerischen Obersten Landesgerichts. Mit Genugtuung kann festgestellt werden, daß bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung der Er­ läuterungen des Kommentars die Ergebnisse der Rechtsprechung in vielen Fällen eine willkommene Ergänzung des Rechts­ stoffes oder eine Vertiefung der Rechtsauslegung brachten. Die vierte Auflage zeigt die Rechtslage auf, die anfangs September 1931 bestanden hat. Die Verordnung des Reichs­ präsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931 konnte noch berücksichtigt werden. Die in dieser Verordnung und in der Verordnung vom 5. Juni 1931 angebahnte Lösung des Problems der Hauszinssteuer kann

IV

Vorwort.

nur als eine unzureichende Zwischenlösung angesehen werden, die in kürzester Frist einer grundsätzlichen Lösung dieses zentralen Problems Platz machen muß. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das gesamte Wohnungs­ recht zu weiteren Veränderungen drängt. Der Praxis ist jedoch nur gedient, wenn die jeweilige Rechtslage klar und eindeutig festgehalten ist; denn nur aus der Entwicklung des Rechts kann das geltende Recht geschöpft werden.

Mindelheim, im Oktober 1931.

Der Berfaffer.

Inhaltsverzeichnis. Teil I: Bayerisches Landesrecht. Einleitung A. Mieterschutzrecht 1. Verordnung über Mieterschutz in Bayern a) Verordnung vom 5. August 1927 ....................................... b) Verordnung vom 29. März 1928 2. Bekanntmachung über ein Schiedsverfahren vor dem Miet­ einigungsamt vom 21. Juni 1927 und 14. April 1928 ... 3. Lockerungsverordnungen a) Vierte Verordnung vom 25.Nov.1929 b) Fünfte Verordnung vom 16. März 1931

1

21 34 34

37 41

B. Wohnungsmangelrecht 1. Verordnung über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern vom 16. März 1931....................................................... 2. Verordnung zur Ausführung der Verordnung des Reichs­ präsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 16. März 1931................................................................................

131

C. Mietzinsbildung 1. Verordnung über die Mietzinsbildung in Bayern 2. Verordnung über die gesetzliche Miete......................................

133 146

55

Teil II: Reichtzrecht. A. Mieterschutzrecht 1. Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter 2. Anordnung für das Verfahren vor dem Mieteinigungsamt und der Beschwerdestelle........................................................... 3. Verordnung über das Kündigungsschreiben

B. Wohnungsmangelrecht 1. Reichswohnungsmangelgesetz 2. Verordnung des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 3. Verordnung des Reichspräsidenten vom 5. Juni 1931 ... 4. Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Okt. 1931 . . .

151

370 386

387 437 443 445

C. Mietzinsbildung

1. Reichsmietengesetz 2. Verordnung über die Festsetzung einer Mindesthöhe der gesetz­ lichen Miete...................................................................................... 3. Mietzinszahlung

517 518

............................................................

519

Sachregister

448

Abkürzungen und Literatur. AG = Amtsgericht. ArchZivPrax.. = Archiv für die zivilistische Praxis (zugleich Fortsetzung der Archivs für bürgerliches Recht). AusfBest. . . = bayer. Ausführungsbestimmungen. BayGemBZ.. = Bayerische Gemeinde- und Berwaltungszeitung. BayZ = Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. BGB = Bürgerliches Gesetzbuch. Brumby Brumby, Miet- und Wohnungsnotrecht bis 1930, Ber­ lin 1928. DMR = Deutsches Mietrecht (vormals Einigungsamt und Miet­ schöffengericht), Organ des Reichsverbandes der Miet- und Wohnungsrechtspfleger, Berlin. DRZ = Deutsche Richterzeitung. DWohnA. . . = Deutsches Wohnungs-Archiv. EA = Einigungsamt und Mietschöffengericht, Berlin-Neu­ kölln. Ebel-Lilienthal = Ebel-Lilienthal, Reichsmietengesetz, 5. Aufl. Berlin 1930 und Ergänzungsheft Berlin 1931. Ebel-Lilienthal = Ebel-Lilienthal, Mieterschutzgesetz, 4. Aufl., Berlin 1930 und Ergänzungsheft Berlin 1931. ErgBd. . . . = Kiefersauer, Grundstücksmiete, Ergänzungsband, Mün­ chen 1929. FM = Friedensmiete. Freidt. . . . — Freidt-Schubart-Thiele, Kündigungsverfahren und Mieterschutz, Berlin 1928. GebOfRA. . . --- Gebührenordnung für Rechtsanwälte. GeldAG.. . . ---- Gesetz über Geldentwertungsausgleich. Genthe Genthe, Mieterschutz, Mannheim 1923. GKG = Gerichtskostengesetz. GBBl. . . . = Gesetz- und Verordnungsblatt. GBG = Gerichtsverfassungsgesetz. Gruch = Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, be­ gründet von Gruchot.

Abkürzungen und Literatur.

VII

GutStZ.. . . = Gut, Stümper, Zormaier, Sammlung wichtiger Ent­ scheidungen, Hefte 4, 5, 7, 9 und 12 der Ber­ einigung Deutscher Wohnungsämter, München. Hertel.... = Hertel, Mieterschutz- und Wohnungszwangswirtschaft Bd. I MSchG., 4. Aufl. 1926, Ergänzungsheft 1928; Bd. II WMG., 4. Aufl. 1930. Hertel . . . . = Hertel, Gesetzliche Mete und Hauszinssteuer (RMG.) 1927. HertelNr. . . = Hertel, Mieterschutz- und Wohnungszwangswirtschaft: Abschnitts: Rechtsentscheide des KG.; Abschnitt B: Rechtsentscheide des BayObLG.; Abschnitt C: Sonstige Entscheidungen. = Juristische Rundschau, Beilage: Die Rechtsprechung. JR. . . . = Juristische Wochenschrift. IW.. . . --- Kammergericht Berlin. KG.. . = Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts. KGBl.. . = Kiefersauer, Wohnungsabgabe und Wohnungsbau, Kiefersauer München 1922. = Kiefersauer, Die Aufwertungsgesetze, München 1925. Kiefersauer — Landgericht. LG.. . . = Löning, Die Grundstücksmiete als dingliches Recht, Löning . Jena 1930. = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht. LZ. . . . = Mieteinigungsamt. MEA. . . = Das Mietgericht, Zeitschrift des Reichsverbandes Deut­ MietG. . scher Einigungsämter, Berlin. Meyerowitz = Meyerowitz, Das gesamte Miet- und Wohnungsnot­ recht, 2. Aufl., Berlin 1929. MinBek. . = Bayer. Ministerialbekanntmachung. Mittelstem --- Mittelstein, Die Miete nach dem Recht des Deutschen Reichs, 3. Aufl., Berlin 1913. MSchG. . = Mieterschutzgesetz. MSchBO. = Mieterschutzverordnung. Nov.. . . — Novelle. ObLG. . = Bayerisches Oberstes Landesgericht. OLG. . . — Oberlandesgericht. PrVerwBl. = Preußisches Verwaltungsblatt. PStG. . = Polizeistrafgesetzbuch (vom 26. Dezember 1871). RE. . . . — Rechtsentscheid. Recht . . --- Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristen­ stand.

VIII

Abkürzungen und Literatur.

= Reichsgericht, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Band, Seite. RMG = Reichsmietengesetz. Rspr = Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Mugdan und Falkmann. Ruth . . . . = Ruth, Das Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, Mannheim 1926. SeussA. . . . = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten.

RGZ

Stern . . . . = Stern, Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungs­ ämter, 10. Aufl., Berlin 1930. Stern . . . . = Stern, Wohnungsmangelgesetz, 2. Aufl., Berlin 1927. Stern . . . . = Stern, Reichsmietengesetz, 3. Aufl., Berlin 1928. BersAO.. . . = Anordnung für das Verfahren vor dem Mieteinigungs­ amt und der Beschwerdestelle vom 19. September 1923. BGH = Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (mit Zahlen ----Sammlung der Entscheidungen, Band, Seite). WA = Wohnungsamt. WarnRspr. . . = Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichts.

Bidal-Had. . . = Vidal-Hadamczik, Mieterschutzgesetz, 3. Aufl., Hamburg 1926. WMG. Wohnungsmangelgesetz. WMBO.. . . = Verordnung über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. ZBl = Zentralblatt für das Deutsche Reich. ZPO = Zivilprozeßordnung.

ZtschrfW.

. . = Zeitschrift für Wohnungswesen, Berlin.

ZwMB . . . = Zwangsmietvertrag. ZBG

= Zwangsversteigerungsgesetz.

Teil I:

Bayerisches Landesrecht. Einleitung. I.

Die Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dez. 1930 (RGBl. 517) befaßt sich im Kapitel IV des Siebenten Teiles (RGBl. 598) mit „Abbau und Beendigung der Wohnungszwangswirtschast".Art. IIMs.l dortselbst verordnet den automatischen Abbau des Mieterschutz- und Reichsmietengesetzes „für Mietverträge, die über sreigewordene oder freiwerdende Räume neu abgeschlossen werden, soweit diese beim Bertragsschluß einer Inanspruchnahme auf Grund des Woh­ nungsmangelgesetzes nicht unterliegen". Die Durchführung dieser reichsrechtlichen Lockerungsgmndsätze hätte für Bayem eine anders geartete Entwicklung des Lockerungsrechtes mit sich gebracht. Im Interesse einer gleichmäßigen Rechts­ entwicklung hat deshalb die bayerische Regierung von der ihr zu­ stehenden Befugnis des Art. II Abs. 2 Gebrauch gemacht und mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers die weitere Lockerung aus dem Gebiete des Mieterschutzes und der gesetzlichen Mietpreisbiloung nach den bisherigen Grundsätzen unter Anpassung an die reichsrechtlichen Richtlinien durchgeführt. Die neuen landesrechtlichen Lockerungsmaßnahmen umfassen in Bayern: 1. die weitere Freistellung von Räumen auf dem Gebiete der Mietzinsbildung und des Mieterschutzes durch a) die Fünfte Verordnung zur Lockerung des Meterschutzes und der Mietzinsbildung in Bayem vom 16. März 1931 GVBl. 59, b) die Verordnung zur Ausführung der Verordnung des Reichs­ präsidenten zur Sicherung von Mrtschaft und Finanzen vom 16. März 1931 GVBl. 62; Kiefersauer, Grundstücksmiete. 4. Aufl. 1

2

Bayerisches Landesrecht.

2. die Abänderung der Verordnung über Mieterschutz in Nahem durch § 8 Abs. 2 der Fünften LockV. und durch die Verord­ nung vom 27. März 1931 GVBl. 65; 3. die neue Verordnung über Maßnahmen gegen Wohnungs­ mangel in Nahem vom 16. März 1931 GVBl. 43.

II. Die Ändemngen des geltenden Rechts auf diesen drei Haupt­ gebieten bezwecken eine weitere Befreiung der Wohnungen und der Nichtwohnräume von den Fesseln der Zwangswirtschaft. Über Art und Umfang der grundsätzlich seit dem 1. April 1931 geltenden Neuregelung in Bayern gilt folgendes.

A. Wohnräume. I. Durch Ausnahmebewilligung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 WMVO. freigegebene Wohnungen: 1. Mieterschutz (§§ 1—36 MSchG.) und Reichsmietengesetz fin­ den auf Mietverhältnisse, die über solche Räume nach dem 31. März 1931 neu begründet wurden, keine Anwendung § 2 Ziff. 3 LockV.; 2. die Bestimmungen der MNVO. finden — ausgenommen das Verbot des Abbruchs von Wohngebäuden § 1 Abs. 1 Buch­ stabe a — keine Anwendung und zwar auch dann nicht, wenn diese Räume später wiedemm Wohnzwecken zugeführt werden § 2 Abs. 4 WMVO. II. Hausmeister-, Hausverwalter- und Pförtnerwoh­ nungen, d. h. Wohnungen, deren Inhaber auf Gmnd eines Dienst­ oder Arbeitsverhältnisses Angelegenheiten des Hauses zu besorgen hat, in dem sich die Wohnung befindet. Die §§ 1—23a MSchG, fin­ den auf Gmnd des § 23b MSchG, keine Anwendung, ebenso die Vorschriften des Reichsmietengesetzes gemäß § 3 LockV. Für die Dauer dieser Zweckverwendung gelten nach § 20 Abs. 4 MNVO. auch nicht die Vorschriften der WMVO., ausgenommen die §§ 1, 2, 3 und 41 WMVO. III. Neugeschaffene Wohnungen: 1. Durch Teilung von Wohnungen gewonnene Räume: a) Die §§ 1—36 MSchG, sowie das Reichsmietengesetz finden auf Mietverhältnisse keine Anwendung, die nach dem l) Wo in diesem Abschnitt von der Außerkraftsetzung des MSchG, u. RMG. die Rede ist, hat man zu lesen: MSchG, und RMG. „samt den hierzu ergangenen AussührunMestimmungen".

Einleitung.

3

31. März 1928 über durch Teilung von benutzten oder un­ benutzten Wohnungen gewonnenen Wohnungen neu be­ gründet worden sind oder künftig begründet werden § 2 Ziff. 2 LockV.; b) durch Teilung einer unbenutzten (§ 25c) oder benutzten (§ 256) Wohnung von fünf oder mehr Räumen gewonnenen abgeschlossenen Wohnungen können nach Maßgabe des §25c WMVO. frei vermietet werden. Darüber hinaus können grundsätzlich frei vermietet werden räumlich abgeschlossene Wohnungen, die durch Teilung oder Ausbau einer Wohnung nach dem 1. Juli 1918 gewonnen sind oder künftig ge­ wonnen werden § 25f WMVO. Die Bestimmungen gelten auch bei späterem Freiwerden der Wohnung § 25g WMVO.

2. Aus gewerblichen Räumen gewonnene Wohnungen:

a) Die §§ 1—36 MSchG, sowie das Reichsmietengesetz fin­ den auf Miewerhältnisse keine Anwendung, die nach dem 31. März 1928 über räumlich und wirtschaftlich selbständige Wohnungen neu begründet worden sind oder künftig be­ gründet werden, die aus unbenutzten oder benutzten ge­ werblichen Räumen durch Ausbau gewonnen sind § 2 Ziff. 2 LockV.; b) die Bestimmungen der WMVO. — mit Ausnahme des Verbotes des Abbruchs von Wohngebäuden § 1 Ms. 1 Buchst, a — finden keine Anwendung; dies gilt auch bei späterem Freiwerden der Wohnung § 25c, § 25g WMVO. 3. Neubauwohnungen sowie durch Um- oder Einbauten neu geschaffene Räume. In Betracht kommen nur solche Räume, die nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden sind oder künftig bezugsfertig werden.

a) Zuschußbauten, d. h. Bauten, für die Zuschüsse aus öffenüichen Mitteln im Sinne des § 33 Ms. 3 MSchG, gegeben worden sind.

a) Die §§ 1—36 MSchG, finden ab 1. April 1931 keine Anwendung auf Metver­ hältnisse über Wohnungen in diesen Räumen, die nach dem 31. März 1931 begründet werden und ab 1. Oktober 1931 überhaupt keine Anwendung mehr, also auch nicht mehr auf die vor dem 1. April 1931 begründeten Miewerhältnisse. Endlich gelten sie nicht mehr für Untermiewerhältnisse in Zuschuß­ bauten §§ 8, 9 LockV.

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Bayerisches Landesrecht. ß) Das Reichsmietengesetz und die WMBO. gelten nicht

§ 16 RMG., § 12 WMG., 8 40 Ws. 2 WMBO. b) Sonstige Neubauten.

§§ 1—31 MSchG, finden keine Anwendung § 33 Abs. 1 MSchG.; keine Geltung haben auch das Reichsmieten­ gesetz und die WMBO. § 16 RMG., § 12 WMG., § 40 Ws. 2 WMBO. IV. Altwohnungen. In Betracht kommen alle Wohnungen, soweit sie nicht bereits unter Ziffer I—III fallen. Vorwegzunehmen sind die Sonderbestimmungen für die wohnungsmangelfreien Gemeinden, d. h. Gemeinden, in denen gemäß § 40a WMBO. der wesentliche Teil der WMBO. durch Gemeinderatsbeschluß mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde außer Kraft gesetzt ist. Auf Miet­ verhältnisse, die nach dem 31. März 1931 über Wohnräume irgend­ welcher Art in diesen Gemeinden neu begründet worden sind, finden ohne Rücksicht auf die Höhe der Jahresfriedensmiete die §§ 1—36 MSchG, sowie das Reichsmietengesetz nicht mehr Anwendung, es sei denn, daß die Räume vor Abschluß des Mietvertrages in zuläs­ siger Weise beschlagnahmt worden sind § 2 Ziff. 4 LockV. Die Lockerung der Zwangswirtschaft bleibt bestehen, auch wenn die Wohnungsmangelfreiheit der Gemeinde später aufgehoben wird § 6 Abs. 2 LockV. Der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft für Altwohnungen ist unter dem Gesichtspunkt weitergeführt, daß die den Jnhabem teurer Wohnungen mehr und mehr der Schutz der Notgesetze ent­ zogen werden kann. Demgemäß sind die Grenzen der maßgebenden Jahresfriedensmiete immer weiter herabgesetzt worden. Der Groß­ teil der Bevölkerung, insbesondere die Angehörigen des Mittelstandes, sind auch noch heute im Genusse der Schutzgesetze. Der Begriff der Jahresfriedensmiete ist für die V. LockV. und die WMBO. der gleiche. Nach § 25a Abs. 3, § 40b, § 40c WMBO. und § 10 Abs. 3 LockV. gilt als Friedensmiete der Betrag, der sich nach den §§ 3 ff. der V. über Mietzinsbildung in Bayern vom 29. März 1928 errechnet, also der Goldmarkbetrag, der für die mit dem 1. Juli 1914 beginnende Mietzeit vereinbart war oder auf Grund des § 2 Abs. 4 ober 5 RMG. festgesetzt worden ist. Die Höhe der Jahresfriedensmiete ist verschieden je nach der Ortsklasse, der die Gemeinde, in der sich der Wohnraum befindet, angehört. Für die Einteilung nach Ortsllassen sind gemäß § 25a Abs. 4, § 40b, § 40c WMBO. und § 10 Abs. 3 LockV. die Bekannt­ machungen des Staatsministeriums der Finanzen vom 28. Okt. 1924,

5

Einleitung.

Ortsbezeichnung

8 40c 1 $1 WMBO. Lock«.

8 2 Z .1 L E

Teuerste Woh­ nungen t. Sinne

Gruppe

Hochw. Woh­ nungen § 40b W M BO . und

20. Okt. 1926,8. Mai 1926 und 1. Febr. 1927 maßgebend. Hinsichtlich der Wohnungen kann man nachstehende Einteilung vornehmen: Teuere Wohnungen 8 25 a WMBO.

Gruppei

München

3000

2580

2100

1200—2100

Gruppen

Nürnberg, Fürth, Lud­ wigshafen

2400

2100

1500

1020—1500

Gruppelll

Orte der Ortsklasse A mit mehr als 15000 Ein­ wohnern

1800

1500

1200

780—1200

Gruppe IV Orte der Ortsklasse A mit 15 000 E. und weniger Orte der Ortsklasse B mit mehr als 15000 E.

1600

1200

1020

720—1020

Orte der Ortsklasse B mit 15 000 Einwohnern und weniger Orte der Ortsklasse C

900

780

600

420-600

Orte der Ortsklasse D

600

540

420

240—420

Gruppe V

Gruppe VI

Hinsichtlich der Bemessung der Einwohnerzahl bestimmt lediglich für die Lockerungsverordnung der § 10 Abs. 3 LockV. die Anwendung des §40a Abs. 7 WMVO.; es sind hier die Ergebnisse der Volks­ zählung vom 16. Juni 1926 und zwar die Zahl der Wohnbevölke­ rung zugrunde zu legen. Auch ohne ausdrückliche Bestimmung wird das gleiche für die Anwendung der §§ 25a, 40b und 40c WMVO. zu gelten haben. Auf dem Gebiete der WMVO. und der LockV. werden hiemach vier Gattungen unterschieden: gewöhnliche, teuere, hochwertige und teuerste Wohnungen. Für die Gruppe V z. B. sind einfache Wohnungen solche mit einer Jahresfriedensmiete unter 420 Jftff teuere Wohnungen solche mit einer Jahresfriedensmiete in Höhe von 420 Jt bis 600 Jl ausschließlich, hochwertige Wohnungen solche mit einer Jahresfriedensmiete in Höhe von 600 Jl bis 780 Jt ausschließlich,

6

Bayerisches Landesrecht.

teuerste Wohnungen im Sinne des § 1 LockV. solche mit einer Jahresfriedensmiete in Höhe von 780 Jl bis 900 Jl, teuerste Wohnungen im Sinne des § 40c WMBO. solche mit einer Jahresfriedensmiete von 900 M und mehr. Die maßgebenden Ziffern für diese vier Gattungen von Wohnungen sind an Hand der obigen Tabelle für jede der sechs Gmppen zu er­ mitteln. Hiemach ergibt sich für jede Gmppe folgende Rechtslage: 1. Die einfachen Wohnungen. a) Mieterschutz- und Reichsmietengesetz haben Geltung, so­ weit diese Gesetze nicht selbst Ausnahmen zulassen; b) die Bestimmungen der WMVO. finden Anwendung. Wegen der Möglichkeit der Anwendung der Erleichterungen des § 25a WMVO. durch Herabsetzung der dort festgelegten Anfangsbeträge der Jahresfriedensmieten seitens des Gemeinderats vgl. nächste Ziff. 2 Buchst, b. 2. Die teueren Wohnungen. a) Mieterschutz- und Reichsmietengesetz haben Geltung, so­ weit diese Gesetze nicht selbst Ausnahmen zulassen; b) die Bestimmungen der WMVO. finden Anwendung. Ab 1. April 1931 ist jedoch durch § 25a WMBO. die Ver­ mietung der Wohnungen durch den Verfügungsberechtigten erleichtert; innerhalb einer Frist von zwei Monaten vom Tage der Anmeldung an gerechnet darf die Wohnung ver­ mietet oder überlassen (§ 25h) werden 1. an Wohnungsuchende, die am Orte für eine Familien­ wohnung voraemerkt sind, 2. an Wohnungsuchende, die am Orte eine Familien­ wohnung freimachen oder zur Verfügung stellen, 3. an Beamte, Beamte im Ruhestand oder Beamtenhinterbliebene, 4. an vertriebene Deutsche im Sinne des § 14 WMG., 5. an Schwerkriegsbeschädigte und 6. an Familien mit drei und mehr in der häuslichen Ge­ meinschaft lebenden Kindem. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25a muß von der Ortspolizeibehörde bestätigt werden; erst mit Erteilung dieser Bestätigung wird der Mietvertrag rechtswirksam. Das Verfügungsrecht der zuständigen Behörden über Be­ amtenwohnungen wird durch § 25a nicht beeinträchtigt. Der Gemeinderat kann mit Genehmigung der Aufsichts­ behörde die freie Vermietung dieser teuren Wohnungen innerhalb der Zweimonatsfrist — unbeschadet der Vor-

Einleitung.

7

schriften des § 27 WMVO. über Beamtenwohnungen — gestatten. Darüber hinaus kann der Gemeinderat mit Genehmi­ gung der Aufsichtsbehörde die Anfangsbeträge der Jahres­ friedensmieten unbeschräilkt herabsetzen und damit prak­ tisch die Erleichterungen bei der Vermietung der teuren Wohnungen auch auf die einfachen Wohnungen (oben Ziff. 1) ausdehnen. Damit ist die Möglichkeit ge­ boten, außerhalb der weitergehenden Lockemng der Zwangs­ wirtschaft im Wege des § 40a WMVO. eine fühlbare Ent­ lastung der öffentlichen Raumbewirtschaftung in der Ge­ meinde herbeizuführen.

3. Die hochwertigen Wohnungen. a) Mieterschutz- und Reichsmietengesetz haben Geltung, soweit diese Gesetze nicht selbst Ausnahmen zulassen. Lanoesrechtliche Ausnahmen: a) hinsichtlich solcher bestehender Miewerhältnisse, die unter der Geltung der IV. LockV. § 2 Ziff. 1 nach dem 1. Januar 1930 neu begründet worden sind und deren Jahresfriedensmiete den dort bestimmten Betrag er­ reicht oder überschritten hat; die Außerkraftsetzung der §§ 1—36 MSchG, und des Reichsmietengesetzes bleibt auch nach Aufhebung der IV. LockV. bestehen § 10 Abs. 2 der V. LockV.; ß) hinsichtlich der nach dem 31. März 1931 neu begrün­

deten Mietverhältnisse § 2 Ziff. 1 der V. LockV.

b) Die Bestimmungen der WMVO. haben keine Geltung § 40b WMVO., ausgenommen § 1 — Verbot des Abbruchs von Wohngebäuden usw.; § 2 — Verbot der Verwendung von Wohnungen für Nichtwohnzwecke; § 3 — Anzeigepflicht des Hauseigentümers hinsichtlich freiwerdender oder unbenutzter Wohnungen; wegen der Erweiterung der Pflicht vgl. § 40b Satz 3 und 4; § 28 Satz 5 — nicht 4 — Ersatz des EinveHändnisses des Vermieters zum Tausch durch die nach § 19 zu­ ständige Stelle; § 41 — Strafe bei Zuwiderhandlungen; § 42 — Fortdauer früherer Anordnungen; insbesondere Anwendung des § 25a in der Fassung der AbändVO. vom 25. Nov. 1929 GVBl. 137 auf Wohnungen ähn­ licher Größe.

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Bayerisches Landesrecht. 4. Die teuersten Wohnungen. Der Begriff ist auf dem Gebiete der WMVO. an höhere Jahresfriedensmieten gebunden als auf dem Gebiete der V. LockV. a) Die §§ 1—36 WMVO. und das Reichsmietengesetz finden mit Wirkung vom 1. Oktober 1931 an keine Anwendung auf bestehende Metverhältnisse; Zubilligung von Ersatz­ raum ist ausdrücklich ausgeschlossen § 1 der V. LockV. Für die Zeit vom 1. Juli 1930 bis 31. März 1931 hat bereits § 1 der IV. LockV. diese Vorschriften für bestehende Metverhältnisse über Wohnungen mit Jahresfriedens­ mieten der in § 40c WMVO. bezeichneten Art ausge­ schlossen; dabei hat es nach § 10 Abs. 2 der V. LockV. sein Bewenden. Da aber die IV. LockV. am 1. April 1931 außer Kraft getreten ist (§ 10 Abs. 1), die Neuregelung des § 1 der V. LockV. aber erst am 1. Okt. 1931 in Kraft tritt, besteht eine Lücke des Gesetzes: in der Zeit vom 1. April bis 30. Sept. 1931 werden die teuersten Wohnungen von den Lockerungsmaßnahmen weder der IV. noch der V. LockV. erfaßt, eine vom Gesetzgeber gewiß nicht beabsichtigte Unterbrechung der Lockerungsgesetzgebung. b) Die Bestimmungen der WMVO. finden ausnahmslos keine Anwendung mehr § 40c WMVO. Soweit die hier bezeichneten Jahresfriedensmieten nicht erreicht werden, ist für das Gebiet der WMVO. § 40b maßgebend.

B. Gewerblich oder geschäftlich benutzte Räume. Sie bilden den Gegensatz zu den Wohnräumen. In 8 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 der V. LockV. ist ausdrücklich bestimmt, daß als gewerblich oder geschäfllich benutzte Räume alle Räume anzusehen sind, die nicht Wohnraum sind. Wegen der Notwendigkeit dieser Begriffs­ regelung vgl. Kiefersauer BayZ. 1929,106 und 1930,19 sowie RE. des BayObLG. vom 21. Nov. 1929 BayZ. 1930, 44. I. Durch Ausnahmebewilligung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 WMVO. freigegebene Räume. Es gelten die oben A I dargestellten Grundsätze. II. Neugeschaffene Räume. 1. Neubauwohnungen sowie durch Um- oder Ein­ bauten neu geschaffene Räume. In Betracht kommen nur solche Räume, die nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig ge­ worden sind oder künftig bezugsfertig werden.

Einleitung.

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a) Zuschußbauten, d. h. Bauten, für die Zuschüsse aus öffent­ lichen Mitteln im Sinne des § 33 Abs. 3 MSchG, gegeben worden sind. a) Ab 1. April 1931 finden die §§ 1—36 MSchG, keine Anwendung mehr auf bestehende und neubegründete Mietverhältnisse über Nichtwohnräume und auf Unter­ mietverhältnisse in solchen Bauten §§ 8, 9 LockV. ß) Reichsmietengesetz und WMVO. gelten nicht § 16 RMG., § 12 WMG., § 40 Abs. 2 WMVO. b) Sonstige Bauten. Die §§ 1—31 MSchG, finden keine Anwendung; keine Geltung haben auch das Reichsmietengesetz und die WMVO. § 16 RWG-, § 12 WMG., § 40 Abs. 2 WMVO. III. Altbauten. In Betracht kommen gewerblich oder geschäft­ lich benutzte Räume, soweit sie nicht unter Ziffer I und II fallen. Vorwegzunehmen sind die Sonderbestimmungen für die wohnungs­ mangelfreien Gemeinden, d. h. Gemeinden, in denen gemäß § 40a WMVO. der wesentliche Teil dieser VO. durch Gemeinderats­ beschluß mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde außer Kraft gesetzt ist. Auf Mietverhältnisse, die nach dem 31. März 1931 über gewerblich oder geschäftlich benutzte Räume in diesen Gemeinden neu begründet worden sind, finden ohne Rücksicht auf die Höhe der Jahresfriedens­ miete die §§ 1—36 MSchG, sowie das Reichsmietengesetz nicht mehr Anwendung, ein Grundsatz, dessen Einschränkung in §2 Ziff. 4 LockV. durch die allgemeine Vorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 LockV. für Nicht­ wohnräume hinfällig geworden sein dürfte. Die Lockerung von der Zwangswirtschaft bleibt bestehen, auch wenn die Wohnungsmangel­ freiheit der Gemeinde später aufgehoben wird § 6 Abs. 2 LockV. Über die Begriffe der Jahresfriedensmiete und über die Ein­ teilung der Orte in Ortsklassen gelten die oben A IV gemachten Ausfühmngen. 1. Gewerblich oder geschäftlich benutzte Räume, die Teile einer Wohnung sind. Mieterschutz und Reichsmietengesetz bleiben in Geltung a) zeitlich begrenzt bis 1. April 1932 für solche Räume, sofern die Wohnung als Ganzes dem Mieterschutz unterliegt § 4 Abs. 2 Ziff. 3 LockV; b) über diesen Termin hinaus zeitlich unbegrenzt unter der gleichen Voraussetzung § 5 Abs. 2 LockV. 2. Ausschließlich gewerblich oder geschäftlich benutzte Räume, a) Zeitlich begrenzten Schutz des Mieterschutz- und des Reichsmietengesetzes genießen nach § 4 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 LockV. bis zum 1. April 1932:

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Bayerisches Landesrecht. a) vor dem 1. April 1931 begründete Mietverhältnisse, deren Jahresfriedensmiete in München 1400 M, „ Nürnberg, Fürth und Ludwigshasen 1200 Jt, „ Orten der Ortsklasse .................... 960 Jf, B 720 M, ff C 480 JH, H ff D 360 JC u. „ tf nicht übersteigt; ß) vor dem 1. April 1931 begründete Mietverhältnisse über Räume, die ausschließlich gemeinnützigen, religiösen, mildtätigen, schulischen oder erzieherischen Zwecken dienen. Nach dem 1. April 1932 entfällt der Schutz bei diesen beiden Arten von Nichtwohnräumen, d. h. die §§ 1—36 MSchG, und das RMG. finden keine Anwendung mehr. Ausnahme: bei Nichtwohnräumen, die Teile einer Wohnung sind, sofem die Wohnung als Ganzes dem Meterschutz untersteht § 5 LockB. und oben Ziffer III1. Die Befreiung von Mieterschutz und Reichsmietengesetz bleibt bestehen, auch wenn die Räume später zu Wohnzwecken verwendet werden § 6 Abs. 1 LockB. b) Die §§ 1—36 MSchG, und das Reichsmietengesetz finden keine Anwendung a) auf bestehende Mietverhältnisse über Nichtwohnräume, deren Jahresfriedensmiete inMinchen ._. . . . 1400 Jl, Nümberg, Fürth und Ludwigshafen 1200 Jt, 960 M, ff Orten der Ortsklasse^ 720 M, B ff 480 M, C ff 360 M, D u.» .. übersteigt; ß) auf alle nach dem 31. März 1931 neu begründete Mietverhältnisse ohne Rücksicht auf die Höhe der Jahres­ friedensmiete. Die Befreiung von Mieterschutz und Metzinsbildung bleibt bestehen, auch wenn die Räume später zu Wohnzwecken verwendet werden § 6 Abs. 1 LockB. Ab 1. April 1932 sind grundsätzlich — Ausnahme für Räume, die Teile einer Wohnung sind § 5 Abs. 2 LockB. — alle gewerblich oder geschäfüich benutzten Räume von den

Einleitung.

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Gesetzen der Wohnungszwangswirtschaft befreit § 5 Abs. 1 Lock«. 3. Gewerblich oder geschäftlich benutzte Räume, die wegen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit Wohnräumenzu­ gleich mit solchen vermietet sind § 4 Ms. 3 LockV. a) Zeitlich begrenzter Schutz bis 1. April 1932 gilt nur für Räume, die ausschließlich gemeinnützigen, religiösen, mild­ tätigen, schulischen oder erzieherischen Zwecken dienen. b) Die §§ 1—36 MSchG, und das Reichsmietengesetz finden keine Anwendung a) auf bestehende Mietverhältnisse über Nichtwohn­ räume, wenn der auf die gewerblich oder geschäftlich benutzten Räume entfallende Teil der gesamten Jahresfriedensmiete in München.............................................. 1400 Jt, „ Nürnberg, Fürth und Ludwigshafen 1200 Jt, „ Orten der Ortsklasse A.................... 960 Jt, tt II n n B......................... ?20Jt, n n » n 0......................... 480Jt, u.„ „ „ „ D......................... 360Jt übersteigt; ß) aus alle nach dem 31. März 1931 neu begründeten Mietverhältnisse ohne Mcksicht auf die Höhe der Jahres­ friedensmiete. c. Untermietverhältnisse. Die Vorschriften der §§ 1—36 MSchG, sowie jene des Reichsmietengesetzes finden zufolge § 7 LockV. auf Untermietverhältnisse ab 1. April 1931 keine Anwendung mehr. Ms Untermietverhältnis gilt auch die Vermietung von Teilen der vom Hauseigentümer oder sonst am Hause dinglich Berechtigten selbst benutzten Räume § 24 Abs. 2 MSchG. III. Die Herausnahme einzelner Mietverhältnisse aus der Wohnungs­ zwangswirtschaft hat immer weiteren Umfang angenommen. Dies gilt insbesondere seit dem Erlaß der Verordnung des Reichspräsioenten zur Sichemng von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dez. 1930. Dort ist für das Wohnungsmangelgesetz der Tag des Außer­ krafttretens unbedingt auf den 1. April 1934 festgesetzt. Das Reichs­ mietengesetz und das Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungs­ ämter treten am 1. April 1936 außer Kraft, aber nur „falls bis zu diesem Zeitpunkt ein Gesetz in Kraft tritt, wo­ durch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Miete unter sozialen Gesichtspunkten ausgestaltet werden".

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Bayerisches Landesrecht.

Damit ist vom Gesetzgeber zum ersten Male der Wille zum Ausdruck gebracht, daß das Mietrecht des BGB. einer Nachprüfung „unter sozialen Gesichtspunkten" unterzogen werden soll. Ein positives Ziel der Metreform ist freilich damit nicht gegeben; nur negativ steht fest, daß nach dem Willen der gegenwärtigen Reichsregierung, die sich bekanntlich auf allen Gebieten weite Ziele für ihre Arbeit gesteckt hat, die Rückkehr zu dem Rechte der §§ 535ff. BGB. auch auf dem Gebiete des Metrechts nicht beabsichtigt ist. Dieser negative Programmsatz der Nowerordnung vom 1. Dez. 1930 ist für die künftige Entwicklung des materiellen Mietrechts von gmndlegender Bedeutung. Noch mehr: das Recht der Übergangs­ zeit, das in den § 22a RMG. und § 52 e MSchG, in rudimentärer Form niedergelegt ist, gewinnt jetzt erhöhte Bedeutung, wie ich bereits im deutschen Mietrecht 1930, 1080 ausgeführt habe. Die „Unbestimmbarkeit der Zukunft des deutschen Mietrechts" (DMR. 1929, 808) gilt auch heute noch, weil die politische Willensbildung auf die Dauer von 5 Jahren auch heute noch nicht zu übersehen ist. Aber drängender denn je ist der Ausbau eines wirllich brauchbaren Übergangsrechts. Die begenwärtige Rechtslage scheidet die materiellen Vorschriften über Miete in drei Gruppen: 1. Das Mietrecht des BGB. Es gilt für alle Mietrechtsverhältnisse, die nach Reichsrecht aus dem Rechte des Mieterschutzgesetzes oder der gesetzlichen Mietpreisbildung von Anfang an — z. B. hinsichtlich der Neubauten § 33 MSchG., § 16 RMG. — oder späterhin — z. B. bezüglich der Pförtnerwohnungen nach § 23b MSchG. — heraus­ genommen worden sind. Soweit die reichsgesetzliche Ausnahmestel­ lung reicht, gilt uneingeschränkt das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetz­ buchs, also freie Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses, Recht des Vermieters zu ordenllicher oder außerordentlicher Kündigung, freie Abändemng abdingbarer Rechtsregeln durch den Mietvertrag usw. Das Mietrecht des BGB. gilt nur für jene Mietrechtsverhält­ nisse, die zufolge reichsrechtlicher Vorschrift ganz oder teilweise der Notgesetzgebung entzogen sind. 2. Das Mietrecht der Übergangszeit. Es setzt voraus, daß für das Miewerhältnis ursprünglich die Notgesetze Geltung gehabt haben, daß aber zufolge landesrechtlicher Lockerungsanordnung auf Grund des § 52 MSchG, oder des § 22 RMG. eine vollständige oder teilweise Loslösung des Metverhältnisses erfolgt ist. Mt dem Fort­ schreiten der landesrechtlichen Lockerungsanordnungen nach Art und Umfang wächst naturgemäß das sachliche Anwendungs­ gebiet des Übergangsrechtes, dessen wesenlliche Grundlagen durch die § 52e MSchG, und § 22a RMG. geliefert werden.

Einleitung.

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Das geltende Mietrecht der Übergangszeit ist, wie erwähnt, inhMich völlig unzureichend. Es ist entstanden in einer Zeit, in der die Rückkehr zum Mietrecht des BGB. allein als Ziel der Gesetz­ gebung nach Aufhebung der Wohnungswirtschaft in Betracht kommen konnte. Diese Zielrichtung ist für die endgültige Gestaltung des Met­ rechts durch die Programmsetzung der Reichsverordnung vom 1. Dez. 1930 geändert. Auch für das Recht der Übergangszeit werden des­ halb andere Gesichtspunkte maßgebend sein müssen. Das geltende Übergangsrecht hat eine zweifache Wurzel: eine vertragliche und eine gesetzliche Gmndlage. 1. Das vertragliche Übergangsrecht war, nachdem gesetzliche RichÜinien fehlten, das primäre. Dies gilt insbesondere für die Rechts­ lage, die für die Vertragsteile nach Aufhebung des RMG. entstanden war. Hier mußte, wenn man die gesetzliche Miete nicht stillschweigend als Vertragsmiete weitergelten lassen wollte, von den Bertragsteilen eine Vereinbarung über den Mietzins getroffen werden, der nach Aufhebung des RMG. und damit der gesetzlichen Miete zu zahlen war. Solche Vereinbarungen, die naturgemäß auch noch andere Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag umfassen konnten, bleiben aufrechterhalten, auch soweit ein gesetzliches Übergangsrecht etwa Platz greifen sollte. Das gilt uneingeschränkt hinsichtlich der Normen des Übergangsrechts nach § 22a RMG.; hier ist in Ziff. 1 ausdrück­ lich vorgesehen, daß die gesetzliche Regelung nur insoweit gilt, als nicht im Mietvertrag für den Fall der landesrechtlichen Außerkraft­ setzung des Reichsmietengesetzes eine Regelung vorgesehen und auch nicht nachträglich eine Vereinbarung erfolgt ist. Das vertragliche Übergangsrecht gilt insbesondere da, wo eine gesetzliche Regelung nicht Platz greift wie z. B. für Mietverhältnisse, die durch eine vor dem 17. Febr. 1928 erlassene Lockerungsanord­ nung vom Reichsmietengesetz ausgenommen worden sind. Das gleiche gilt, wenn z. B. zur Zeit des Erlasses der Lockerungsanordnung im Mietverhältnis nicht die gesetzliche Miete oder doch eine nach den Vorschriften über die gesetzliche Miete zu berechnende Bertragsmiete, sondem die absolute Vertragsmiete gegolten hat; hier gilt das Über­ gangsrecht des § 22a RMG. nicht. 2. Das gesetzliche Übergangsrecht. Es ist eng begrenzt und umfaßt folgende Punkte: a) Die Höhe des Mietzinses. a) Für Mietverhältnisse, die vor dem 17. Febr. 1928 zufolge landesrechtlicher Lockerungsanordnung von den Bestim­ mungen des Reichsmietengesetzes befreit worden sind, fehlt eine gesetzliche Regelung darüber, welcher Miet­ zins mangels besonderer Vereinbarung nach Aufhebung der

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Bayerisches Landesrecht.

gesetzlichen Mete zu zahlen ist. Sofern die Vertragsteile vorher oder nachher eine Bestimmung nach dieser Richtung nicht getroffen haben, muß die ursprüngliche Vertrags­ miete als vereinbarter Mietzins angesehen werden, der, sofern eine Papiermarkmiete in Frage kommt, der Auf­ wertung nach § 242 BGB. unterliegt. Wo eine Vertrags­ miete nicht vorliegt, weil von vomherein nur die gesetzliche Miete Geltung hatte, ist der Vermieter nach § 316 BGB. befugt, den Mietpreis von sich aus zu bestimmen; ist diese Bestimmung nicht billig, so erfolgt sie gemäß § 315 BGB. durch gerichtliches Urteil. Bei der Bestimmung des Miet­ preises ist zu beachten, daß infolge der Außerkraftsetzung des RMG. auch vertragliche Vereinbarungen außer Wirk­ samkeit getreten sind, die sich an die Regelung des RMG. anlehnen und daher nur als für die Geltungsdauer der gesetzlichen Miete berechnet anzusehen sind. ß) Für Mietverhältnisse, die durch eine nach dem 16. Febr. 1928 auf Gmnd des § 22 Satz 3 Halbsatz 1 erlassene landes­ rechtliche Lockerungsanordnung aus der gesetzlichen Miet­ preisbildung herausgenommen worden sind, gilt folgendes: aa) Galt für das Mietverhältnis zur Zeit des Erlasses der Lockerungsanordnung weder die gesetzliche Miete noch ein Metzins, der nach den Vorschriften über die gesetz­ liche Mete zu berechnen war, so ist für das gesetzliche llbergangsrecht des § 22a RMG. kein Raum. Es ver­ bleibt bei der bisherigen Bertragsmiete; sie wird durch die Aufhebung des RMG. nicht berührt. ßß) Galt für das Mietverhältnis die gesetzliche Mete oder eine nach den Vorschriften über die gesetzliche Mete zu berechnende Vertragsmiete, so sind vom Zeit­ punkt der Aufhebung des RMG. an, sofern ver­ traglich von den Parteien nicht ein anderes bestimmt ist, folgende Übergangsvorschriften maßgebend: 1. Der bisherige Mietzins d. h. die gesetzliche Mete oder die ihr angepaßte Vertragsmiete sind weiter­ hin zu entrichten; für diesen Mietzins gelten kraft positiver Vorschrift des § 22a Ziff. 1 RMG. die landesrechtlichen Festsetzungen über die Höhe der gesetzlichen Miete mit der Maßgabe, daß der bis­ herige Mietzins die unabänderliche Gmndlage für die weiterhin zu zahlende Mete bildet. Die Ver­ pflichtung zur Tragung der Betriebs- und In­ standsetzungskosten, die nach § 20 RMG. zwin-

Einleitung.

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gend nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz­ buchs geregelt ist, bleibt trotz Aufhebung des RMG. fortbestehen; das gleiche gilt für oas Erlöschen der vom Mieter oder Vermieter übernommenen über­ gesetzlichen Verpflichtungen, sofern sie auf die Festsetzung der Höhe des Metzinses offenbar von Einfluß waren. 2. Jedem Vertragsteil ist das Recht auf die Ver­ tragsmiete eingeräumt: Mieter wie Vermieter können jederzeit durch schriftliche Erklärung fordern, daß die Regelung des Vertrages gelten soll. Die Erklärung wirkt von dem ersten Zeitpunkt ab, für den eine Kündigung nach § 565 BGB. zulässia sein würde. Das Recht auf die Vertragsmiete, durch dessen Geltendmachung die gesetzliche Miete (Ziff. 1) beseitigt wird, ist dem Recht auf die gesetzliche Miete nachgebildet. Die Vertraasmiete ist der ursprünglich im Vertrag vorgesehene Mietzins. Läßt sich dieser Mietzins nicht mehr feststellen oder war er in Papiermark oder in einer anderen nicht mehr gel­ tenden inländischen Währung ausbedungen, so ist der angemessene Mietzins zu ermitteln. Bei der Ermittlung des angemessenen Mietzinses sind die für die Vermietung maßgebenden Verhältnisse wie Beschaffenheit der Mieträume, Berkehrslage, Über­ nahme übergesetzlicher Leistungen durch einen Vertrags­ teil zu berücksichtigen und zwar sowohl die Verhältnisse im Zeitpunkt des Außerkrafttretens der gesetzlichen Miete als insbesondere — wie das Gesetz ausdrücklich bestimmt — die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsab­ schlusses und die damaligen persönlichen Verhältnisse der Vertragsteile. Inwieweit die oft sehr verschiedenen Verhältnisse in beiden Zeitpunkten Berücksichtigung fin­ den dürfen, ist Sache des billigen Ermessens; es muß ein Ausgleich versucht werden, bei dem Vorteile des Ver­ trages oder der gesetzlichen Regelung oder Verbesserungen des Mietobjekts dem zugute kommen, der sie geschaffen hat, z. B. wenn der Vermieter auf seine Kosten die Räume während der Vertragsdauer in besseren Zustand hat ver­ setzen lassen, so wird der gegenwärtige Zustand zu berück­ sichtigen sein, anders wenn der Mieter die Aufwendungen bestritten hat. Grundsätzlich aber dürfen Änderungen der Verkehrslage und damit des Verkehrswertes nicht berück­ sichtigt werden, der ursprüngliche Zustand gilt als fort-

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Bayerisches Landesrecht. dauernd. Wegen der für die Umwertung maßgebenden Grundsätze vgl. das Urteil des KG. vom 17. Oktober 1927, MietG. 1927, 171; hiernach soll die vereinbarte Miete in Beziehung zu der zur Zeit der Vereinbarung angemes­ senen Mete gesetzt und das Verhältnis der damals an­ gemessenen zur damals vereinbarten Miete auf das Verhältnis der jetzt angemessenen Miete zur jetzt als vereinbart anzusehenden Miete übertragen werden.

Mrd die Vertragsmiete durch die Erklärung eines Vertragsteiles wieder in das Mietverhältnis eingeführt, so treten auch die übrigen Bestimmun­ gen des Mietvertrages wieder in Kraft, die durch die Einführung der gesetzlichen Miete ausge­ schaltet wurden, z. B. die Bestimmungen über die Tragung der Betriebs- und Instandsetzungskosten, über Nebenverpflichtungen usw., die durch § 20 RMG. anders geregelt worden waren. b) Die Zahlung des Mietzinses. § 30 MSchG, bestimmt, daß in den Fällen, in denen die gesetzliche Miete zu zahlen ist, der Vermieter verlangen kann, daß der Mietpreis, wenn er nach einem längeren Zeitabschnitt als einem Vierteljahr bemessen ist, vom Mieter in vierteljährigen Zeitabschnitten entrichtet wird. Landesrechtlich kann für die gesetzliche Miete wöchent­ liche oder monatliche Zahlung angeordnet werden. Für Räume, die zufolge landesrechtlicher Anordnung aus dem Mieterschutz­ recht herausgenommen sind, wird § 30 durch § 52e Ziffer 3 MSchG, für entsprechend anwendbar erklärt. Das bedeutet zunächst, daß für die nun mieterschutzfreien Räume auf Verlangen des Vermieters der Mieter den Miet­ zins in Vierteljahresraten zu entrichten hat, gleich­ gültig, ob bisher die gesetzliche Mete oder ein vertrags­ mäßig bestimmter Metzins zu entrichten war. Das ist der Sinn der entsprechenden Anwendung. Ebenso Günther, MietG. 1928,58; Kiefersauer, Grundstücksmiete ErgBd. S. 72; EbelLilienthal, Mieterschutz und Mieteinigungsämter 4. Aufl. S. 347. Diese entsprechende Anwendung des § 30 MSchG, gilt auch für den Fall der landesrechllichen Lockerung vom RMG.: für die nach § 22a RMG. fiktiv zu zahlende Miete oder für die damach mögliche Inanspruchnahme der Vertrags­ miete (oben a, #) kann der Vermieter vierteljährliche Zahlung ebenso verlangen wie für die mangels Geltung gesetzlichen Übergangsrechts zu entrichtende Vertragsmiete (oben a, «). Die Verschiedenheit der rechllichen Voraussetzungen für die

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Einleitung.

Lockerung des Mieterschutzes und der gesetzlichen Metpreis­ bildung fäßt im übrigen praktisch nicht ins Gewichts weil die landesrechtlichen Lockemngsverordnungen regelmäßig für die einzelnen Raumarten nicht nur das MSchG., sondem gleich­ zeitig auch das RMG. aufheben. Eine dem § 30 Abs. 2 MSchG, entsprechende landesrecht­ liche Regelung ist für die Lockemngsverordnungen in Preußen nicht vorgesehen. In Bayern kann zufolge des Art. II der BO. vom 29. März 1928 GBBl. S. 179 der Vermieter wie der Mieter verlangen, daß der Mietzins wöchentlich oder monatlich bezahlt wird; dies gilt ab 1. April 1928 für die durch Landesrecht vom Mieterschutz befreiten Räume unbe­ schränkt. c) Das Kündigungsrecht des Vermieters § 52e Abs. 1 Ziff. 4 und 5 MSchG. Das Kündigungsrecht des Meters selbst ist im Rahmen oes Meterschutzrechtes unbeschränkt. «) Das Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung ist — unabdingbar zugunsten des Meters Abs. 2 Satz 1 — abweichend vom BGB. geregelt. Kündigungsgrünoe sind ausschließlich: ««) Fortsetzung des vertragswidrigen Mietgebrauchs oder erhebliche Verletzung der Rechte des Ver­ mieters insbesondere durch unbefugte Gebrauchs­ überlassung an Dritte trotz Abmahnung, ferner erheb­ liche Gefährdung des Mietraums durch Sorgfaltsvemachlässigung, § 553 BGB. Dann aber auch im Rahmen des§2MSchG. erhebliche Belästigung des Vermieters oder eines Hausbewohners durch den Meter oder seine Hausstandsangehörigen. ftf) Für den Vermieter wirtschaftlich und im Verhältnis zum Gesamtmietzins wesentliche, nicht Nur gering­ fügige (Satz 2) Mietzinsrückstände für zwei auf­ einanderfolgende Termine § 554 BGB. Der Vermieter ist zur Kündigung, also auch zur Räumungsklage, nicht befugt a) wenn der Verzug des Mieters auf dessen Unkenntnis über den Betrag oder den Zeitpunkt der Fälligkeit des Metzinses oder auf irriger Annahme eines Aufrechnungs-, Mndemngs- oder Zurückbehaltungs­ rechts zurückzuführen ist, es sei denn, daß die Un­ kenntnis oder der Irrtum auf Fahrlässigkeit bemht 8 3 Ws. 2 MSchG.; Kieselsauer, Grundstücksmtete. 4.Ausl.

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Bayerisches Landesrecht. b) wenn der Mieter den Vermieter befriedigt, bevor die Kündigung erfolgt § 554 Abs. 1 Satz 2; c) wenn der Mieter bis zum Wlauf von zwei Wochen seit Fälligkeit des Mietzinses den Vermieter be­ friedigt, eine gegenüber der Mietzinsforderung zu­ lässige Aufrechnung erllärt oder ein ihm zustehendes Mrnderungs- oder Zurückbehaltungsrecht geltend macht: die erfolgte Kündigung aus § 554 BGB. ist unwirksam (Satz 3). Eine dennoch erhobene Räumungsklage ist abzuweisen.

Aber auch nach Erhebung der (Mässigen) Räumungsllage kann der Mieter bis zum Ablauf von zwei Wochen seit Klagerhebung den Vermieter be­ friedigen oder die Aufrechnung erllären. Die Frist von zwei Wochen verlängert sich um weitere zwei Wochen, wenn innerhalb der Frist dem Gericht die Erllärung der Fürsorgebehörde zugeht, daß sie zu seiner Befriedigung bereit sei (§ 10 Abs. 3 Satz 2 MSchG.); wegen der Kostentragung vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3. Bei Räumungsllagen — nicht schon bei der Kündigung, a. M. Günther MietG. 1928, 59 — aus § 554 BGB., die Wohnräume betreff en, hat das Gericht der zuständigen Fürsorgebehörde nach § 10 Abs. 2 unter Zustellung einer Abschrift der Klageschrift, die der Vermieter einzureichen hat, Mitteilung zu machen; das Räumungsurteil darf nicht vor Ablauf der in § 3 Abs. 3 bezeichneten Fristen erfolgen (Satz 4). ß) Das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters ist nur bei Hauptmiewerhältnissen — Satz 2 — vom 1. April 1928 an insoweit eingeschränkt, als die Kündigung des Vermieters bei monatlicher Mietzinsbemessung entgegen § 565 Abs. 1 Satz 2 nur zum Schluffe des Kalendervierteljahres, also mit Dreimonatsfrist, als zulässig erllärt wird, auch wenn ver­ tragsmäßig eine andere Mndigungsfrist vereinbart ist (Abs.2 Satz 2). Bei wöchenllicher oder täglicher Mietzinsbemessung gelten die Normen des § 565 BGB. mit § 564 Abs. 2 BGB. mit der Maßgabe, daß eine vertragliche Abweichung zu­ ungunsten des Mieters nicht zulässig ist (Ws. 2 Satz 2). Eine vereinbarte längere Mndigungsfrist bleibt unberührt. Durch landesrechüiche Anordnung nach Abs. 3 Buchst, a

Einleitung.

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können die Kündigungsfristen des § 565 und des Abs. 1 Ziff.5 sogar noch verlängert werden. d) Die Aufrechnungsbefugnis des Mieters § 52e Abs. 1 Ziffer 2 MSchG. Auf eine Verpflichtung des Mieters, eine chm gegenüber dem Vermieter auf Grund des § 538 Abs. 1 (vgl. Ziff. 2 Satz 2) und Abs. 2 BGB. zustehende Schadensbzw. Ersatzforderung nicht gegen eine Mietzinsfordemng auf­ zurechnen, kann sich gemäß der hier anwendbaren Vorschrift des § 28 MSchG, der Vermieter nicht berufen. Die Unwirk­ samkeit des vertraglichen (nicht gesetzlichen) Ausschlusses der Aufrechnungsbefugnis des Mieters gilt hier, abweichend von § 28, nur dann, wenn der Mieter die Absicht der Aufrechnung dem Vermieter mindestens einen Monat vor der Fälligkeit des Mietzinses schriftlich angezeigt hat. Die Angabe des Betrages ist nicht erforderlich. Dies gilt ftir die Vertragsmiete ebenso wie für die weiterzuzahlende gesetzliche Mete (a, a); eine Be­ schränkung der in § 28 Abs. 2 bezeichneten Art fmdet hier nicht statt. Was für die Aufrechnungsbefugnis des Mieters gilt, soll auch für das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht Geltung haben. Auch das Mietzins-Minderungsrecht aus § 537 BGB. ist hier erwähnt, obwohl die Ausübung dieses Rechts eine von selbst eintretende, also an keine Erklärung geknüpfte Abänderung der VertrMpflicht des Meters zur Folge hat, eine Verpflich­ tung des Meters zur Anzeige der Absicht der Rechtsausübung also nicht in Frage kommen dürfte. e) Die Gewährung einer Räumungsfrist auch für Nicht­ wohnräume § 27 Ms. 1 Satz 3, § 52e Abs. 1 Ziff. 1 MSchG. Das Verfahren richtet sich nach § 6 Abs. 3 Satz 2, 3 MSchG. Die einmalige Berlängemng der Räumungsftist gemäß § 5 Ms. 4 MSchG, ist landesrechtlicher Anordnung für Wohn­ räume und Mchtwohnräume anheimgegeben, § o2e Abs. 3 Buchst, b MSchG. Bayern hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht Art. II der VO. vom 29. März 1928 GVBl. S. 179. 8. Das Mietnotrecht, umfassend das Meterschutzgesetz, das Reichs­ mietengesetz und das Wohnungsmangelgesetz samt den hierzu er­ gangenen reichs- und landesrechtlichen Ausfiihrungsbestimmungen. Durch das Notrecht werden die Bestimmungen des BGB. in wesent­ lichen Punkten außer Wirksamkeit gesetzt, man könnte fast sagen in wesentlicher Richtung völlig umgestaltet. Dies gilt, wie in der Ein­ leitung der 2. Stasi, des Teiles I der Gmndstücksmiete S. 3 bereits hervorgehoben, ganz besonders von der Erschwerung der Aufhebung

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Bayerisches Landesrecht.

des Metverhältnisses gegen den Willen des Meters, wobei die Weiterentwicklung von der Kündigungsbeschränkung zum Zwang zur Aufhebungsklage für den Vermieter nur als eine Berändemng der Form der beschränkten Auflösungsmöglichkeiten zu werten ist. Für den Vermieter handelt es sich in Älen Fällen um die Beseitigung der willkürlichen Aufhebbarkeit des Metverhältnisses, um ein System fester Aushebungstatbestände, gleichviel in welcher Form das Vor­ handensein dieser Tatbestände geltend gemacht werden muß. Das Metnotrecht hat der Mete reichlich dinglichen Charakter verliehen. Wegen Einzelheiten der Untersuchungen des Notrechts nach dieser Richtung muß auf Löning, Die Grundstücksmiete als dingliches Recht, Besprechung LZ. 1931 Nr. 11 verwiesen werden. Das Mietnotrecht ist durch Einzelbestimmungen der Reichsverord­ nung vom 1. Dez. 1930 Siebenter Teil geändert werden, und zwar sowohl in Kapitel III RGBl. 596 als insbesondere in Kapitel IV RGBl. 598.

A. Mieterschutzrecht. 1. Verordnung über Mieterschutz in Bayern, a) Verordnung vom 5. August 1927 GBBl. S. 273 mit den Abänderungen vom 29. März 1928 GBBl. S. 179, vom 30. De­ zember 1929 GVBl. S. 175, vom 16. März 1931 GBBl. S. 59 und vom 27. März 1931 GBBl. S. 67.

Zur Ausführung des Reichsgesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 1926 (RGBl. I S.347) und der Gesetze vom 17. März 1927 (RGBl. I S. 71) und vom 30. Juni 1927 (RGBl. I S. 131) werden folgende Vorschriften Übersicht: Behördenorganisation §§ 1—7. Verfahren §§ 8—13. Bestellung der Beisitzer §§ 14—26. Zahlung der gesetzlichen Miete § 27. Neubauten, durch Um- oder Einbauten neu geschaffene Räume. — Zuschußbauten § 28. VI. Schlußbestimmungen § 29.

I. II. III. IV. V.

erlassen: I. Behördenorganisation.

§ 1. Bei den Amtsgerichten sind in den unter das Reichsmieter­ schutzgesetz fallenden Rechtsstreitigkeiten zwei Beisitzer zuzu­ ziehen; einer hiervon muß Vermieter aus dem Kreise der Haus­ besitzer, einer Meter sein. § 2. 'Die* Mieteinigungsämter werden von den Gemeinden er­ richtet (gemeindliche Mieteinigungsämter); auch die Bezirke

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Mieterschutzrecht.

können Meteinigungsämter — für den ganzen Bezirk oder für Teile desselben — errichten (Bezirks-Meteinigungsämter). "Gemeinden mit mehr als 25000 Einwohnern sind ver­ pflichtet, Mieteinigungsämter, die dem § 38 MSchG, entspre­ chen, zu errichten; kleinere Gemeinden, in welchen sich infolge besonders starken Mangels an Mieträumen außergewöhnliche Mßstände geltend machen, können von den Regierungen, Kammern des Jnnem, zur Errichtung von Meteinigungs­ ämtern angehalten werden. Die Einwohnerzahl bemißt sich nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 16. Juni 1925; hiebei ist die Zahl der Wohnbevölkerung maßgebend.*) 1. Die gemeindlichen MEÄ. bilden die Regel; nur soweit solche nicht be­ stehen, werden deren Aufgaben durch die Amtsgerichte wahrgenommen § 5. Der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft hat aber naturgemäß den Abbau der MEÄ. zur Folge. Die B. des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirt­ schaft und Finanzen vom 1. Dez. 1930 RGBl. IS. 517,599 hat dem § 37 Abs. 2 MSchG, den Satz beigefügt: „Die Übertragung" (der Aufgaben des MEA. auf eine andere Stelle, insbes. auf ein mit Beisitzern besetztes Gericht) „soll erfolgen, wenn der Umfang der Geschäfte des Mieteinigungsamts die Einrichtung oder Aufrechterhaltung einer besonderen Behörde nicht recht­ fertigt". Damit wird die Überleitung der Mietrechtspflege von den MMl. auf die ordentlichen Gerichte in die Wege geleitet.

§ 3. 1 Über Errichtung und Aufhebung eines gemeindlichen Miet­ einigungsamtes beschließt der Stadt- oder Gemeinderat, über Errichtung und Aufhebung eines Bezirks-Mieteinigungsamtes der Bezirkstag. "Errichtung und Aufhebung eines Mieteinigungsamtes sind den Staatsministerien der Justiz und für Soziale Fürsorge, der Regierung, dem Amtsgericht und der Beschwerdestelle anzuzeigen. §4. Das Meteinigungsamt besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern; einer hievon muß Vermieter aus dem Kreise der Hausbesitzer, einer Mieter sein. ♦) Vgl. „Gemeindeverzeichnis für den Freistaat Bayern", Heft 110 der Beiträge zur Statistik Bayerns; Zeitschrift des Bayer. Statistischen Landes­ amts 1926 Heft 1.

1. BO. über Mieterschutz in Bayern.

§§ 5, 6.

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§ 5. lJn Gemeinden ohne Mieteinigungsamt (§§ 2—4) werden die Aufgaben, die nach dem Reichsmieterschutzgesetze, nach dem Reichsmietengesetze und den Ausführungsvorschriften hierzu den Meteinigungsämtern obliegen, von den Amts­ gerichten wahrgenommen. "Den Amtsgerichten wird für die Aufgaben des Mieteini­ gungsamtes je ein Beisitzer aus dem Kreise der Hausbesitzer (Vermieter) und der Meter beigegeben.

8 «-1 l Die Beschwerdestellen (§ 42 MSchG.) werden bei den Land­ gerichten errichtet. "Die Beschwerdestelle entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden. i"Den Vorsitzenden und die Beisitzer sowie deren Stellver­ treter ernennt der Landgerichtspräsident aus der Zahl der Rich­ ter des Landgerichts und des Amtsgerichts am Sitze der Be­ schwerdestelle; beim Landgerichte München II können im Benehmen mit dem Präsidenten des Landgerichtes München I ausnahmsweise Richter des Amtsgerichtes München herangegezogen werden. IV2$)ie Schreib-, Beurkundung^ und Rechnungsgeschäfte der Beschwerdestelle werden von der Gerichtsschreiberei des Land­ gerichtes besorgt; ihre Sachbedürfnisse werden aus den Mtteln des Landgerichtes für Sachbedarf bestritten. ^Die Dienstaufsicht über die Beschwerdestellen führt die Justizverwaltung.

1.

Mit Wirkung vom 1. April 1931 ist durch die Notverordnung vom 1. Dez. 1930 RGBl. S. 517, 599 der § 42 MSchG, geändert worden: sämtliche drei Mitglieder der Beschwerdestelle müssen zum Richteramt befähigt sein oder die Prüfung zum höheren Verwaltungsdienst abgelegt haben, Vertreter aus dem Kreise der Hausbesitzer und Meter sind nicht mehr als Beisitzer bei der Beschwerdestelle zugelassen. Daraus ergab sich die Abänderung des § 6 Abs. II mit IV durch die B. vom 27. März 1931. Die Beschwerdestellen bei den Landgerichten entscheiden nur mehr in der Besetzung mit Berufs­ richtern.

2.

Durch die Streichung des Ms. IV wurden die bisherigen Absätze V u. VI zu Abs. IV u. V.

24

Mieterschutzrecht.

§ 7. I$8ill eine landgerichtliche Beschwerdestelle (§ 6) bei der Ent­ scheidung über eine Rechtsfrage von der ihr bekannten Ent­ scheidung einer anderen bayerischen Beschwerdestelle oder, falls über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung des Obersten Landesgerichts ergangen ist, von dieser abweichen, so hat sie die Sache dem Obersten Landesgericht unter begründeter Dar­ legung der eigenen Rechtsansicht zur Vorabentscheidung der Rechtsfrage vorzulegen. Das gleiche kann geschehen, wenn es sich um eine vom Obersten Landesgericht noch nicht entschie­ dene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Der Rechtsentscheid des Obersten Landesgerichtes ist in der Sache bindend. "Die Entscheidungen der landgerichtlichen Beschwerdestellen von grundsätzlicher Bedeutung und die Entscheidungen des Obersten Landesgerichtes sind in einer Ausfertigung dem Staatsministerium der Justiz vorzulegen. Dieses wird ihre Veröffentlichung veranlassen. II. Verfahren.

§ 8. Für das Verfahren vor den Amtsgerichten als Meteini­ gungsämter gelten die für das Verfahren vor den Meteini­ gungsämtern maßgebenden Vorschriften.

§ «• Der Vorsitzende des Meteinigungsamtes oder Amts­ gerichtes kann Vorverhandlungen abhalten, insbesondere einen Augenschein einnehmen; er kann damit auch die beiden Bei­ sitzer oder beim Amtsgerichte den Gerichtsschreiber betrauen. Kommt ein Vergleich nicht zustande, so kann der Vorsitzende eine Entscheidung treffen, wenn sie sofort erfolgen kann und die Beteiligten es beantragen. § 10. Aus Vergleichen, die in einem vor Beisitzern oder vor dem Gerichtsschreiber stattfindenden Verfahren (§ 9) abgeschlossen sind, findet die gerichtliche Zwangsvollstreckung statt.

1. BO. über Mieterschutz in Bayern.

§§ 11—15.

25

§ 11. 1®te Höhe der Gebühren für das Verfahren vor dem Met­ einigungsamt, dem Amtsgericht als Mieteinigungsamt und der Beschwerdestelle wird im Rahmen des § 46 MSchG, nach dem Maße der Inanspruchnahme der Behörde und nach der Bedeutung der Sache für die Beteiligten festgesetzt. "Bei der Festsetzung der Gebühren ist der Jahresbetrag der gesetzlichen Miete auf Grund des Monatsbetrages der gesetz­ lichen Miete zu ermitteln, der für den der Entscheidung des Mieteinigungsamtes vorhergehenden Monat Geltung hatte.

§ 12. Übt das Amtsgericht die Aufgaben des Mieteinigungs­ amtes aus, so kann die Feststellung über die Sicherung eines Ersatzraums (§§ 6,16 MSchG.) schon im Streitverfahren über die Aufhebung des Mietverhältnisses getroffen werden.

§ 13. Die unter das Reichsmieterschutzgesetz fallenden Rechts­ streitigkeiten und die sonstigen Rechtsstreitigkeiten aus dem Mietverhältnis sind bei den Amtsgerichten zu einer oder, wo ihr Umfang dies nicht gestattet, zu mehreren besonderen Geschäftsaufgaben zusammenzufassen. Bei den Landgerichten empfiehlt es sich, sie einer Kammer zuzuweisen.

III. Bestellung der Beisitzer. § IV Die Beisitzer zu den Amtsgerichten (§ 1), den Mieteini­ gungsämtern (§ 4) und den Amtsgerichten als Meteinigungsämtern (§ 5) werden auf Grund von Vorschlagslisten örtlicher Hausbesitzer- und Metervereine jeweils für zwei Kalender­ jahre bestellt.

1.

In der Fassung der B. vom 27. März 1931; in Kraft seit 1. April 1931.

§ 15? 'Die Einleitungen für die Neubestellung sind in dem Jahre, in welchem die Amtszeit der Beisitzer abläuft, rechtzeitig zu treffen.

26

Mieterschutzrecht.

"Die Amtsgerichte und Mieteinigungsämter haben ihren ungefähren Bedarf an Beisitzern und Stellvertretern den Stadt- und Gemeinderäten spätestens bis zum 20. August jeden zweiten Jahres, erstmals bis zum 20. August 1927 mit­ zuteilen.

1.

In der Fassung der B. vom 27. März 1931; in Kraft seit 1. April 1931.

§ 16. iDie Stadt- und Gemeinderäte haben sodann unverzüglich örtliche Hausbesitzer- und Mietervereine zur Einreichung der Vorschlagslisten aufzufordem und ihnen dabei die vorzuschla­ gende Mindestzahl an Beisitzern und Stellvertretern zu be­ zeichnen. "Als örtliche Hausbesitzer- oder Mietervereine im Sinne des § 7 Abs. 2 MSchG, sind von der Aufstellung der nächsten Vor­ schlagsliste an nur solche rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Vereinigungen anzusehen, deren satzungsmäßiger Zweck aus­ schließlich oder überwiegend die Wahrung der Interessen der Hausbesitzer oder der Meter ist, die ferner eine diesem Zweck entsprechende Tätigkeit entfalten und nicht nur als Vertreter eines verhältnismäßig verschwindenden Teiles dieser örtlichen Bevöllerung angesehen werden können.

§ 17. IS)te Vorschlagslisten sind spätestens bis zum 20. Septem­ ber bei den Stadt- und Gemeinderäten einzureichen. "Sie müssen enthalten: a) den Vor- und Zunamen, Stand und Wohnort (Woh­ nung) der vorgeschlagenen Personen; b) deren Geburtszeiten; c) die Angabe, wie lange die vorgeschlagenen Personen ihren Wohnsitz in der Gemeinde haben; d) die Feststellung, ob Ausschließungsgründe nach § 7 Abs. 3 MSchG, in Verbindung mit den §§ 32 mit 34 des Reichs­ gerichtsverfassungsgesetzes bekannt sind; dabei ist aus­ drücklich festzustellen, daß die vorgeschlagenen Personen nicht gleichzeitig Vermieter und Mieter und nicht zu-

1. BO. über Mieterschutz in Bayern.

§§ 18—20.

27

gleich mit dem Vollzüge der Maßnahmen gegen Woh­ nungsmangel betraut sind. 111 ®en Vorschlagslisten sind beizugeben: a) Erklärungen der vorgeschlagenen Personen, daß sie bereit sind, das Ehrenamt eines Beisitzers oder Stellvertreters zu übernehmen, oder die Angabe der Gründe, aus denen die Berufung zum Beisitzeramt abgelehnt wird; b) Erkürungen der gleichen Personen, daß sie sich ver­ pflichten, für Dritte keine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben, die sich auf Metverhältnisse über Gebäude oder Gebäudeteile bezieht; c) im Falle der Geschäftsvereinigung der vorgeschlagenen Personen mit anderen auch Erkürungen der letzteren, daß sie sich verpflichten, keine Tätigkeit der unter b) genannten Art im Bezirke des Gerichtes gegen Ver­ gütung auszuüben.

§ 18. Die Stadt- und Gemeinderäte haben die Vorschlagslisten auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere daraufhin vorzuprüfen, ob bei den vorgeschlagenen Personen die Voraus­ setzungen für die Bestellung als Beisitzer oder Stellvertreter gegeben sind. Unvollständige oder unrichtige Listen sind zur Vervollständigung oder Richtigstellung an die Vereine hinaus­ zugeben.

§ 1». Die vorgeprüften Vorschlagslisten sind von den Stadt- ober Gemeinderäten bis spätestens zum 1. November an den Vor­ stand des Amtsgerichts einzusenden. Liegen Vorschlagslisten von örtlichen Hausbesitzer- oder Mietervereinen nicht vor, so haben die Stadt- oder Gemeinderäte bis zum gleichen Zeit­ punkte selbst Vorschläge zu machen.

§ 20. ^ber die Vorschläge entscheidet ein beim Amtsgerichte gebildeter „Bestellungsausschuß". "Dem Bestellungsausschuß gehören an: der Vorstand des Amtsgerichts, die Vorsitzenden der Meteinigungsämter im Amtsgerichtsbezirke, der Vorsitzende

28

Mieterschutzrecht.

der Beschwerdestelle, wenn eine Beschwerdestelle am Sitze des Amtsgerichts ist, sowie je ein von diesen Personen zugewählter Vertreter der Vermieter aus dem Kreise der Hausbesitzer und der Mieter. ™S)en Vorsitz im Bestellungsausschuß führt der dienstälteste Richter.

§ 21? 'Der Bestellungsausschuß bestellt die Beisitzer zum Amts­ gericht und den gemeindlichen Mieteinigungsämtern. "Dabei sind für die Zeit vom 1. Januar 1928 an gesonderte Listen für das Amtsgericht als Mietgericht und als Mieteini­ gungsamt aufzustellen; dieselben Personen dürfen in beide Listen ausgenommen werden.

1.

In der Fassung der B. vom 27. März 1931; in Kraft seit 1. April 1931.

§ 22? Bei der Bestellung der Beisitzer sollen alle Kreise der Bevöl­ kerung gleichmäßig berücksichtigt werden.

1.

In der Fassung der V. vom 27. März 1931; in Kraft seit 1. April 1931.

§ 23? 'Die Zahl der Beisitzer ist so zu bemessen, daß jeder Beisitzer voraussichtlich nicht öfter als monatlich einmal zum Dienste herangezogen werden muß. "Die Zahl der Stellvertreter soll jener der Beisitzer minde­ stens gleich sein. '"Erweist sich die Zahl der Beisitzer als ungenügend oder sinkt sie unter den notwendigen Bedarf herab, so kann sie ergänzt werden. Die neuen Beisitzer können vom Bestellungsausschuß den letzten Vorschlagslisten entnommen werden.

1.

In der Fassung der B. vom 27. März 1931; in Kraft seit 1. April 1931.

§ 24. 'Der Bestellungsausschuß beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. "Die Entscheidungen des Bestellungsausschusses sind unan­ fechtbar.

1. BO. über Mieterschutz in Bayern. §§ 25—27 a.

29

8 25.

Die Beisitzer und ihre Stellvertreter werden in der Reihen­ folge ihrer Auswahl in eine Liste ausgenommen und nach dieser Reihenfolge zur Dienstleistung einberufen. Der Tag der Dienst­ leistung soll ihnen möglichst zeitig bekanntgegeben werden. § 26.i

iDie Beisitzer der Amtsgerichte, der Amtsgerichte als Miet­ einigungsämter, sowie die Mitglieder des Bestellungsaus­ schusses, die ihm nicht kraft ihres Richteramtes angehören, erhalten eine Entschädigung nach den für die Schöffen und Geschworenen geltenden Vorschriften. u Die Entschädigung der Beisitzer der gemeindlichen Miet­ einigungsämter wird von den Gemeinden geregelt. 1. In der Fassung der B. vom 27. März 1931; in Kraft seit 1. April 1931.

IV. Zahlung der gesetzlichen Mete. 8 27.1

In den Fällen, in denen die gesetzliche Miete gilt, kann der Vermieter wie der Mieter verlangen, daß der Mietzins wö­ chentlich oder monatlich gezahlt wird. 1. Diese Vorschrift beruht auf der Ermächtigung der Landesbehörden durch § 30 Abs. 2 MSchG. Über die entsprechende Anwendung des § 30 MSchG, auf landesrechtlich gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 MSchG, vom Mieterschutz freigestellte Räume vgl. § 52 Abs. 1 Nr. 3 MSchG, u. Erl. hiezu.

V. Neubauten, durch Um- oder Einbauten ne« geschaffene Räume. — Zuschutzbauten. Die Überschrift wurde eingefügt durch Art. I der B. vom 29. März 1928.

§ 27 a. Die Vorschrift — eingeschaltet durch die B. vom 29. März 1928 — wurde mit Wirkung vom 1. April 1931 an durch die BO. vom 27. März 1931 gestrichen. Sie lautete: Die Bescheinigungen über das Vorliegen der Erfordernisse des § 33 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MSchG, werden von den Regiemngen, Kammern des Innern, erteilt. Durch die RotV. des Reichspräsidenten vom 1. Dez. 1930 RGBl. I S. 517, 593 — Siebenter Teil Kapitel III — wurde die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bei Wohnungsbauunternehmungen neu geregelt, sowohl

30

Mieterschutzrecht.

hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung als auch hinsichtlich des Verfahrens vor der Anerkennungsbehörde bei Anerkennung, Versagung oder Entziehung der Anerkennung. Zugleich wurde § 33 Abs. 1 Satz 2 MSchG, entsprechend dieser Neuregelung geändert und bestimmt, daß die Anerken­ nung und die Entziehung durch eine beglaubigte Abschrift der rechtskräftigen Entscheidung der Anerkennungsbehörde nachzuweisen ist. Für eine Bescheinigung der Regierung, Kammer des Innern, ist kein Raum mehr; § 27a mußte daher aufgehoben werden. Anerkennungsbehörden sind in Bayern die Bezirksverwaltungsbehörden; nähere Einzelheiten in^der VO. vom 9. Mai 1931 StAnz. Nr. 109.

§ 28. J®ie Vorschriften der §§ 1—31 MSchG, finden auf Neu­ bauten und durch Um- oder Einbauten neugeschaffene Räume Anwendung,* die nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden sind oder künftig bezugsfertig werden und für die Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln gegeben sind. 8 Dies gilt nicht für solche Neubauten und Räume von Gemeinden sowie von gemein­ nützigen Gesellschaften und Genossenschaften im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 MSchG. Hb Als Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des Abs.I gelten auch Darlehen, die auf Grund der Dritten Steuernot­ verordnung und der Vorschriften über den Geldentwertungs­ ausgleich bei bebauten Grundstücken gegeben sind. ""Als Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des Abs.I gelten weiter die vor dem Inkrafttreten der unter II genannten Vorschriften seit dem 1. Juli 1918 für Neubauten gewährten Baukostenzuschüsse nach den Bestimmungen vom 31. Oktober 1918 (Zentralblatt f. d. D. Reich S. 1160; StAnz. Nr. 272, GVBl. 1918 S. 1243, MABl. 1918 S. 363), die Reichs- und Gemeindedarlehen nach den Bestimmungen vom 10. Januar und 25. August 1920 (Zentralblatt f. d. D. Reich S. 56, 60, 1395; StAnz. Nr. 40) und die Landeszuschüsse hiezu, die Landes- und Gemeindedarlehen nach den Bestimmungen vom 4. März 1921 (StAnz. Nr. 54), vom 16. Februar 1922 (StAnz. Nr. 41) und vom 16. August 1923 (StAnz. Nr. 196) sowie die Reichs- und Landeshypothekardarlehen für den Wohnungsbau 1923 (vgl. Bekanntmachung vom 20.Juli 1925, StAnz. Nr.165). IV82ltö Zuschüsse aus öffentlichen Mtteln im Sinne des Abs. I gelten endlich Darlehen, die seit dem 1. Juli 1918 von Gemein-

1. BO. über Mieterschutz in Bayern.

§ 28.

31

den oder Gemeindeverbänden für Neubauten aus anderen Mitteln, als aus dem Erträgnis der Mietzinssteuer, jedoch zu ähnlichen Bedingungen * wie die jeweiligen staatlichen Bau­ darlehen (Abs. II und III), insbesondere mit entsprechender Zinsermäßigung gegeben worden sind oder künftig gegeben werden? 1. Grundsätzlich sind Neubauten und durch Um- oder Einbauten neu ge­ schaffene Räume nach der Regel des § 33 Abs. 1 MSchG, mieterschutzfrei. Für Zuschußbauten kann ausnahmsweise durch die oberste Landesbehörde gemäß der Ermächtigung durch § 33 Abs. 3 bestimmt werden, daß die §§ 1—31 MSchG, auch für diese neugeschaffenen Räume Geltung haben sollen. In Betracht kommen Neubauten und durch Um- oder Einbauten neugeschaffene Räume, für die 1. Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln gegeben worden sind und die 2. nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden sind oder künftig bezugsfertig werden. Die Landesbehörde kann nach freiem Ermessen bestimmen, ob und in welchem Umfang sie von der Befugnis der Ausdehnung des Mieterschutzes auf Neu­ bauten Gebrauch macht. In Bayern sind zunächst durch § 28 Abs. 1 S. 2 zwei Ausnahmen gemacht: Zuschußbauten der Gemeinden und der gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmungen unterliegen trotz Ge­ währung von Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln nach der Regel des § 33 Abs. 1 MSchG, nicht den §§ 1—31 MSchG. Einen weiteren Abbau des landesrechtlich eingeführten Mieterschutzes für Zuschußbauten bringen die §§ 8, 9 der V. LockB. vom 16. März 1931. Wegen des vorübergehend in Geltung gewesenen § 28 Abs. V dieser BO. wird auf Anm. 6 verwiesen. Den wesentlichen Inhalt dieser BO. bildet im übrigen die Umschreibung des Begriffes „Zuschuß". Dabei ist vorausgesetzt, daß in allen Fällen nur „Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln" in Frage kommen. Dieser Begriff ist nicht festgelegt, woraus sich für die Praxis Schwierigkeiten ergeben können. Über die Frage, ob Darlehen gemeindlicher Sparkassen als Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln anzusehen sind vgl. Kiefersauer BayZ. 1931, 70.

2. Eingefügt durch die B. vom 30. Dez. 1929; in Kraft seit 1. Januar 1930. Die in Satz 2 bezeichneten Neubauten und Räume sind nach der Regel des § 33 Abs. 1 MSchG, mieterschutzfrei; für sie gilt nicht das Recht der Übergangszeit — oben S. 12 —, sondern das Mietrecht des BGB., aber auch die Bestimmungen der §§ 49a, 49b MSchG, über Mietwucher. Vgl. Kiefersauer BayZ. 1930, 90. 3. Die Absätze II, III u. IV dienen dem Vollzug des § 33 Abs. 3 MSchG, und sollten klarstellen, welche Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln als „Zuschüsse" anzusehen sind. Abs. II wiederholt die reichsrechtliche Regelung des § 33 Abs. 3 Satz 2 MSchG., die erst durch die Novelle vom 13. Febr. 1928 ins MSchG, gekommen ist. Abs. III stellt die Rechtslage klar, die bereits vorher bestanden hat vgl. Kiefersauer 3. Aufl. S. 163. Abs. IV endlich gibt eine weitere Auslegung des Begriffes des Zuschusses.

32

Mieterschutzrecht.

Alle drei Vorschriften sind mit Wirkung vom 1. April 1928 neu einge­ fügt worden durch die BO. vom 29. März 1928. In allen drei Absätzen hätte richtigerweise nur bestimmt werden dürfen, daß die nachbezeichneten Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln als „Zu­ schüsse" gelten; denn über das Vorhandensein der Eigenschaft der „Zu­ wendung aus öffentlichen Mitteln", die eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 33 Abs. 3 MSchG, bildet, hat die oberste Landes­ behörde nicht zu befinden. Wo der allgemeine Begriff der öffentlichen Mittel nicht gegeben ist, kann auch die oberste Landesbehörde die Zuschuß­ eigenschaft nicht feststellen. Insoweit ist die Ausdrucksweise der Abs. II mit IV etwas ungenau vgl. Kiefersauer BayZ. 1931, 70.

4. Abs. IV behandelt die Aufwendungen der Gemeinden (Gemeindever­ bände) für den Wohnungsbau; in Betracht kommen nur Darlehen dieser Körperschaften aus anderen Mitteln als aus Erträgnissen der Mietzinssteuer. Die Darlehen müssen weiterhin „zu ähnlichen Bedingungen wie die je­ weiligen staatlichen Baudarlehen" gegeben sein. Zur Feststellung dieser Voraussetzung ist eine eingehende Vergleichung der Bestimmungen der gemeindlichen mit der staatlichen Baudarlehensgewährung vorzunehmen, wobei nicht nur die wirtschaftliche Auswirkung der Einzelvorschriften, sondern auch die Gesamtwirkung der Darlehensbedingungen zu würdigen sind. Die Prüfung der Frage der eingeräumten Zinsermäßigung bildet, wenn auch einen sehr wichtigen, so doch nur einen der vielen Vergleichspunkte. Über den Versuch einer Vergleichsziehung vgl. Kiefersauer BayZ. 1931, 72. Für das Rechnungsjahr 1931 ist die MinBek. vom 10. ftebx. 1931 StAnz. Nr. 38 über die Gewährung staatlicher Baudarlehen für Wohnungsbauten maßgebend. Frühere Baudarlehensbestimmungen sind enthalten in den MinBek. vom 5. April 1924 StAnz. Nr. 83, Kiefersauer, Mietzinsbildung und Mietzinssteuer 1924 S. 157, vom 31. Dez. 1924 StAnz. 1925 Nr. 3, vom 28. Dez. 1925 StAnz. Nr. 302, vom 8. Jan. 1927 StAnz. Nr. 11, vom 24. Jan. 1928 StAnz. Nr. 21, vom 1. Febr. 1929 StAnz. Nr. 29, vom 26. Febr. 1930 StAnz. Nr. 51.

5. Die B. vom 30. Dez. 1929 hatte mit Wirkung vom 1. Jan. 1930 folgenden Absatz V eingefügt: Sind die sämtlichen Zuschüsse, die für den Neubau oder für die durch Um- oder Einbauten neugeschaffenen Räume aus öffentlichen Mitteln nach Abs. II—IV gewährt worden sind, nach Maßgabe der jeweils geltenden Darlehensbestimmungen zurückgezahlt worden, so finden die Vorschriften der §§ 1—31 MSchG, auf Mietverhältnisse, die vom Inkrafttreten dieser Bestimmung an nach Mckzahlung sämt­ licher Zuschüsse neu begründet werden, keine Anwendung mehr. Das gleiche gilt im Falle der Zwangsversteigerung des Zuschußneubaues für alle Mietverhältnisse, die von dem Ersteher oder einem späteren Erwerber des Anwesens neu begründet werden. Zu Satz 1 ist zunächst zu bemerken, daß die Mckzahlung der Baudarlehen an sich den Mieterschutz nicht hinfällig macht. Die hier getroffene Regelung macht eine Ausnahme für den Fall bestimmungsgemäßer Rückzahlung. Die Befre iung vom Mieterschutz auf Grund der Regelung des Satzes 1 beschränkt

33

1. VO. über Mieterschutz in Bayern. § 29.

sich auf neu begründete Rechtsverhältnisse, bestehende MietverhältNisse verbleiben im Mieterschutz. Satz 2 verschafft die gleiche Begünstigung dem Ersteher. Zu der Regelung des Abs. V vgl. Kiefersauer BayZ. 1930, 90. Abs. V ist mit Wirkung vom 1. April 1931 durch § 8 Abs. 2 der V. LockV. vom 16. März 1931 aufgehoben. Die etwas komplizierte und kasuistische Regelung des Abs. V ist gegenstandslos, da durch die §§ 8, 9 der V. LockB. eine weitgehende allgemeine Lockerung des Mieterschutzes für Zuschuß­ bauten durchgeführt wurde.

VI. Schlutzbefttmmrmgen. § 29. 1 Vorstehende Verordnung tritt sofort in Kraft. ii Gleichzeitig werden aufgehoben: a) die Ausführungsbekanntmachung zum MSchG, vom 23. Juli 1923 (GVBl. S. 367, StAnz. Nr. 168), b) die Bekanntmachung über die gesetzliche Miete vom 28. September 1923 (StAnz. Nr. 225), c) die Bekanntmachung über Mieterschutz vom 23. Februar 1924 (GVBl. S. 64, StAnz. Nr. 49), d) die Ausführungsbekanntmachung zum MSchG, vom 16. Mai 1924 (JustMBl. S. 97, StAnz. Nr. 117), e) die Bekanntmachung über die Zahlung der gesetzlichen Mete vom 25. Februar 1925 (GVBl. S. 94, StAnz. Nr. 48), f) die Ausführungsbekanntmachung zum MSchG, vom 16. Juli 1925 (StAnz. Nr. 167). mJn Kraft bleiben auch weiterhin: a) die Bekanntmachung über die Durchführung der §§ 3 und 10 Abs. 2 MSchG, vom 30. Oktober 1926 (StAnz. Nr. 252), b) die Verordnung über Mieterschutz und Mietzinsbildung in Bayern (MSchG. — MZBO.) vom 28. Dezember 1926 (GVBl. S. 553, StAnz. Nr. 303)/ c) die Bekanntmachung über ein Schiedsverfahren vor dem Mieteinigungsamt vom 21. Juni 1927 (GVBl. S. 226, StAnz. Nr. 140)? 1. Nunmehr als „Zweite Verordnung zur Lockerung des Mieterschutzes und -er Mietzinsbildung in Bayern" bezeichnet, abgedr. ErgBd. 1929 S. 96.

2. Vgl. nachfolgende BO. S. 34. Kiefersauer, Grundstücksmiete. 4. Aufl.

3

34

Mieterschutzrecht.

b) Verordnung vom 29. März 1928 GBBl. S. 180. Zur Ausführung des Gesetzes über Mieterschutz und Miet­ einigungsämter in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Februar 1928 (RGBl. I S. 25) wird, soweit erforderlich mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers, folgendes* an­ geordnet:

Art. II. Für Mietverhältnisse, welche durch Anordnungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 MSchG, von den Vorschriften des ersten Ab­ schnittes des Meterschutzgesetzes ausgenommen worden sind oder künftig hievon ausgenommen werden/ gelten folgende Vorschriften: 1. Der Vermieter wie der Mieter kann verlangen, daß der Mietzins wöchentlich oder monatlich gezahlt wird? 2. Eine dem Mieter nach § 721 ZPO. für Wohnräume oder nach § 52e Abs. 1 Nr. 1 MSchG, für sonstige Räume gewährte Räumungsfrist kann auf seinen Antrag vom Gericht gemäß § 5 Abs. 4 MSchG, verlängert werden? 1. Die B. ist am 1. April 1928 in Kraft getreten.

2. Die Regelung gilt nur für landesrechtlich freigegebene Räume; soweit reichsrechtlich eine Freistellung erfolgt ist, gelten diese Bestimmungen nicht. 3. Diese Bestimmung entspricht der Vorschrift des § 27, die auf Grund des § 30 Abs. 2 MSchG, erlassen ist. Auch ohne die ausdrückliche Bestimmung in Nr. 1 müßte § 27 auch für die Lockerungsräume anwendbar sein, da § 52e Abs. 1 Nr. 3 MSchG, für diese Räume den § 30 MSchG, und damit wohl auch die hiezu erlassenen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für entsprechend anwendbar erklärt. 4. Entspricht der rechtlichen Ermächtigung in § 52e Abs. 3 Buchst, b MSchG.

2. Bekanntmachung über ein Schiedsverfahren vor dem Mieteinigungsamt. Vom 21. Juni 1927 GBBl. S. 226 in der Fassung der Bekanntmachun­ gen vom 14. April 1928 GBBl. S. 202 und vom 31. März 1930 GBBl. S. 174.

I. Auf Grund des § 52a des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Februar 1928 (RGBl. I S. 25) wird für Gemeinden, für

2. Bekanntmachung über ein Schiedsverfahren usw.

35

deren Bezirk ein gemeindliches Mieteinigungsamt besteht, an­ geordnet: 1. Einer Klage, mit der die Herausgabe eines nach § 52 MSchG.* von den Vorschriften des ersten Abschnittes des Mieterschutzgesetzes ausgenommenen Raumes" verlangt wird, hat" mit Ausnahme* der Fälle des § 554 BGB. ein Schieds­ verfahren vor dem Mieteinigungsamt vorauszugehen? 2. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung über die Räumungsklage darf erst bestimmt werden, wenn der Vermie­ ter eine Bescheinigung des Mieteinigungsamtes darüber bei­ bringt, daß in einem Termin, in dem der Vermieter oder ein von ihm zum Vergleichsabschluß ermächtigter Vertreter er­ schienen war, ein gütlicher Ausgleich zwischen den Parteien erfolglos versucht oder daß der Mieter in dem Termin aus­ geblieben ist? 3. Ein bei dem Prozeßgericht angebrachter Güteantrag7 ist an das Mieteinigungsamt zu verweisen. 4. Die Entscheidung auf eine vor dem Inkrafttreten dieser Anordnung erhobene Räumungsklage ist bis zur Erledigung des Schiedsverfahrens auszusetzen. 5. Ein Schiedsverfahren kann auch von dem Mieter bean­ tragt werden, der eine Räumungsklage befürchtet? 6. Das Schiedsverfahren ist gebührenfrei. Die Erstattung von Auslagen kann nicht gefordert werden? 7. Die Vorschriften für das Verfahren vor dem Mieteini­ gungsamt finden auf das Schiedsverfahren entsprechende An­ wendung?"

II. In Gemeinden, für deren Bezirk ein gemeindliches Met­ einigungsamt nicht besteht, kann die Bestimmung eines Ter­ mins zur Güteverhandlung vor dem Amtsgericht auch von dem Mieter beantragt werden, der eine Herausgabeklage be­ fürchtet (§§ 52 Abs. 1 S. 2; 9 MSchG.)?*

III. Die Bekanntmachung tritt sofort in Kraft.*" 1. Der bisherige Hinweis „in Verbindung mit der Dritten LockerungsVerordnung" wurde durch die Bek. vom 31. März 1930 gestrichen. 3»

36

Mieterschutzrecht.

2. Gleichviel, ob es sich um einen Wohnraum oder um Nichtwohnräume handelt. Im Gegensatz zu dieser Regelung beschränkt die Preuß. BO. vom 28. März 1927 GS. S. 36 das Schiedsverfahren auf Geschäftsräume. Wegen des Wegfalls des Schiedsverfahrens nach der daher. BO. bei Klagen aus § 554 BGB. vgl. Anm. 4.

3. Das Schiedsverfahren vor dem MEA. muß — unverzichtbare Vorschrift § 49 MSchG. — der Räumungsklage vorausgehen, gleichviel, ob es sich um Wohn- oder andere Räume handelt. Nur bei den auf Grund des § 52 MSchG, landesrechtlich vom MSchG, freigegebenen Räumen kommt ein Schiedsverfahren in Betracht (Anm. 1 zu § 52a MSchG.). 4. Die Herausgabeklage muß auf das Mietrecht (§ 556 Abs. 1 BGB.) ge­ stützt sein; Klagen auf Grund des §985 BGB., weil z. B. ein gültiges Miet­ verhältnis nicht vorlag oder infolge Anfechtung wegen Irrtums ungültig war, gehören nicht hierher. Anders, wenn die Klage von Eigentümer nach Beendigung des Mietverhältnisses zu dem Zwecke auf § 985 BGB. gestützt wird, um das Schiedsverfahren zu umgehen; hier wird § 49 MSchG, zur Anwendung kommen müssen. Ausdrücklich bestimmt ist, daß kein Schieds­ verfahren erforderlich ist, wenn die Kündigung, auf welche die Klage gestützt wird, wegen Zahlungsverzug des Mieters nach § 554 BGB. erfolgt ist.

5. Termin zur mündlichen Verhandlung über die Räumungsklage darf also erst angesetzt werden, wenn eine Bescheinigung des MEA. vorgelegt wird, daß ein solches Schiedsverfahren stattgefunden hat (Ziff. 2). War dies der Fall, so braucht der Klageerhebung ein nochmaliges Güteverfahren vor dem Amtsgericht nicht vorauszugehen. Wo die LockerungsVO. keine Anwendung findet, entfällt die Notwendigkeit der Beibringung der Bescheinigung LG. I Berlin MietG. 1927, 57. 6. Das Schiedsverfahren ist auch dann notwendig, wenn im Weg der Klage­ erweiterung oder Widerklage (§ 281 ZPO.) oder bei Klagänderung durch Einführung eines neuen Kündigungsgrundes ein Räumungsanspruch er­ hoben wird. Ist die Räumungsklage offensichtlich unbegründet, so braucht das Verfahren nicht ausgesetzt zu werden LG. I Berlin MietG. 1928, 14 und Ebel-Lilienthal S. 337 gegen Schubart MietG. 1927, 157.

7. Es muß ein wirklicher Güteantrag gemäß § 499a ZPO. vorliegen; eine Klageschrift, die nur gemäß § 500a Abs. 2 ZPO. als „Güteantrag" gilt, genügt nicht. Bei Eingang einer Klageschrift darf der Termin zur Verhand­ lung erst anberaumt werden, wenn die Bescheinigung des MEA. nach Ziffer 2 beigebracht ist (Anm. 5). Die Verweisung des Güteantrags hat von Amts wegen zu erfolgen; ein förmlicher Verweisungsbeschluß ist jedoch nicht er­ forderlich, die Akten sind dem MEA. zu übersenden.

8. Vgl. § 9 MSchG. Auch in diesem Verfahren wird auf Antrag die Be­ scheinigung nach Ziffer 2 erteilt. 9. Die Gebührenfreiheit des Verfahrens konnte landesrechtlich auf Grund des § 46 Abs. 1 MSchG, bestimmt werden. Gebührenfrei ist nur das Ver­ fahren in erster Instanz, nicht dagegen auch das an das Schiedsverfahren sich anschließende Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. Anm. 10).

3. Lockerungsverordnungen.

37

Erstattung der Auslagen kann im Gegensatz zu der Regelung in Preußen (Anm. 2) nicht gefordert werden. Auslagen sind die Auslagen des Ver­ fahrens (§ 46 MSchG.), also insbes. die Gebühren der Zeugen und Sachver­ ständigen. Für die Gebühren des Rechtsanwalts gilt § 38a GebOfRA.

10. Die Vorschriften der §§ 37 ff. MSchG, und der BerfAO. kommen inso­ weit zur Anwendung, als sich nicht aus dem Wesen des Schiedsverfahrens, das eine materielle Entscheidung nicht kennt, ein anderes ergibt. Das MEA. kann von sich aus den Sachverhalt aufklären, insbes. das persönliche Er­ scheinen der Parteien anordnen, Beweise erheben, Augenschein einnehmen usw. §8 7, 9,10 BerfAO. Darüber, ob das Schiedsverfahren als ergebnislos im Sinne der Ziffer 2 anzusehen ist, entscheidet das MEA. nach billigem Ermessen (§ 40 Abs. 3 MSchG.). Wird die Bescheinigung nach Ziffer 2 erteilt, so ist sie für das Prozeßgericht bindend und kann von diesem nicht nachgeprüft werden. Gegen die Erteilung oder die Versagung der Bescheinigung ist die Rechtsbeschwerde (§ 41 MSchG.) zulässig KG. 17 Y 55/27 IW. 1927, 2633 und 105/28 IW. 1929, 594 und Y 51/30 Hertel Nr. 615 (VII, 23). Gegen diese Auffassung insbes. Ebel-Lilienthal S. 429 mit der Begründung, daß dadurch das Verfahren mit Förmlichkeiten beschwert wird, die seinem Sinn fremd sind, ferner Hein IW. 1927, 2633; Brumby IW. 1929, 594; LG. Dresden 1929, 3262.

11. Wo ein gemeindl. MEA. nicht besteht (§ 5 der BO. v. 5. Aug. 1927), greift das Schiedsverfahren nicht Platz; hier gilt nur das Güteverfahren, das nach dem Vorbild der Ziff. 5 auch von dem Mieter beantragt werden kann, der eine Herausgabeklage befürchtet.

12. D. i. am 22. Juni 1927.

3. Lockerungsverordnungen. a) Vierte Verordnung zur Lockerung des Meterschutzes und der MetzinSdildung in Bayern. Vom 25. November 1929 GBBl. S. 135.

1. Geltungsdauer: Vom 1. Januar 1930 bis 31. März 1931, § 5 Abs. 1 dieser VO., § 10 Abs. 1 Satz 2 der V. LockB. Mietverhältnisse, die auf Grund dieser BO. vom Mieterschutz und der gesetzlichen Mietzinsbildung ausgenommen worden sind, bleiben auch nach Außerkraftsetzung der VO. weiterhin befreit § 10 Abs. 2 der V. LockB.

2. Rechtsgrundlage für die landesrechtliche Freistellung der Räume bilden § 22 RMG. und § 52 MSchG. Es gilt für die freigestellten Räume das Mietrecht der Übergangszeit nach Maßgabe des § 22a RMG. und § 52e MSchG., oben S. 12. In formeller Hinsicht ist zu bemerken: a) Der Räumungsklage hat ein Schiedsverfahren voranzugehen § 52a MSchG.

38

Mieterschutzrecht.

b) Die Zubilligung von Ersatzraum ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, vielmehr nach Maßgabe des § 6 MSchG, dem Gericht gestattet, § 52 Abs. 1 Satz 2 MSchG. 3. Über die Lockerung der Wohnungsgesetzgebung im allgemeinen vgl. Kiefersauer BayZ. 1930, 17.

Auf Grund des § 22 Satz 3 des Reichsmietengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 1928 (RGBl. I S. 38) und des § 52 Abs. 1 Satz 1 des Reichsgesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Febmar 1928 (RGBl. I S. 25) wird nach Anhörung und soweit erforderlich mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers verordnet:

81. Die Vorschriften des ersten Abschnittes des Gesetzes über Mieter­ schutz und Mieteinigungsämter sowie die Bestimmungen über die gesetzliche Mietpreisbildung finden mit Wirkung vom 1. Juli 1930 an keine Anwendung auf Mietverhältnisse über Wohnungen, deren Jahresfriedensmiete in München 3000 JC, 2400 Jt, Nürnberg, Fürth und Ludwigshafen ft Orten der Ortsklasse^ 1800 Jf, ff 1500 Jt, B ff ff 900 Jf, C ff ff 600 Jt, D u. „ „ „ und mehr beträgt. L § 1 umfaßt nur Wohnräume, die sog. teuersten Wohnungen, erfaßt erstmals im Rahmen des bayerischen Lockerungsrechts bestehende Miet­ verhältnisse. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus wird durch sie die Anwendung des § 3 Abs. 2 u. 3 für die gewerblich und geschäftlich benutzten Räume wesentlich eingeschränkt: bei einer Verbindung von Wohnräumen mit Nichtwohnräumen, z. B. ein Rechtsanwalt, ein Notar benutzt Teile seiner Wohnung als Büroräume, entscheidet das Schicksal der Wohnung zugleich auch über die Nichtwohnräume. Denn der Schutz dieser Räume kann nach dem Sinn der BO. nicht weiter reichen als der für Wohnräume. Umgekehrt kann daher auch über den Umweg des § 3 Abs. 2 oder 3 der Mieterschutz den mit den Wohnräumen verbundenen Nichtwohnräumen nicht gesichert werden, wenn die Gesamtheit der Mischräume als reine Wohnräume durch § 1 außerhalb der Notgesetze gestellt sein würden, Kiefersauer BayZ. 1930, 91 und 1931, 6. 2. Die Freistellung der Wohnräume nach § 1 erfolgt trotz Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 1930 erst mit Wirkung vom 1. Juli 1930 an. Trotzdem kann bereits vor dem 1. Januar 1930 zu dem 1. Juli 1930 nach Maßgabe des § 52b MSchG, gekündigt und auf künftige Räumung geklagt werden. Um den Beteiligten genügend Zeit zur Umstellung auf die neue Rechtslage zu gewähren, wurde diese Schonfrist von Vs Jahr eingeführt.

3. Lockerungsverordnungen.

§§ 2, 3.

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8 2. Die Vorschriften des ersten Abschnittes des Gesetzes über Mieter­ schutz und Mieteinigungsämter sowie die Bestimmungen über die gesetzliche Mietpreisbildung finden keine Anwendung 1. auf Mietverhältnisse über Wohnungen, die nach dem 1. Januar 1930 begründet werden und deren Jahresfriedensmiete in München 2400 Jt, „ Nürnberg, Fürth und Ludwigshafen 1800 Jt, „ Orten der Ortsklasse A............................................ 1500 Jt, „ B.................... .................... 1200 Jl, „ c.................... .................... 720 Jl, 480 Jl, „ D.................... .................... u. „ „ „ und mehr beträgt. Als Neubegründung des Mietverhältnisses gilt nicht der Tausch, wenn die Mieter in die beiderseitigen Mietverträge eintreten; 2. Auf Mietverhältnisse über Wohnungen, die nach dem 31.März 1928 auf Grund der §§ 25c mit e, § 25 f Abs. I, § 25 g der Verord­ nung über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayem vom 29. März 1928 (GVBl. S. 161, StAnz. Nr. 75) in der Fassung der Verordnungen vom 12. Oktober 1928 (GVBl. S. 407, StAnz. Nr. 238) und vom 25. November 1929 (GVBl. S. 137, StAnz. Nr. 276) begründet worden sind oder künftig begründet werden, im Falle des § 25e a. a. O. jedoch nur solange, als die durch Ausbau gewonnene Wohnung zu Wohnungszwecken vermietet ist. 1. § 2 erfaßt neu begründete Mietverhältnisse. Zunächst in Ziffer 1 sog. hochwertige Wohnungen, soweit das Mietverhältnis nach dem 1. Ja­ nuar 1930 neubegründet wurde. Weiterhin werden in Ziff. 2 freigestellt Wohnungen, die nach dem 31. März 1928 neu gewonnen wurden und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der Jahresfriedensmiete. In diesen Fällen handelt es sich um Wohnungen, die durch Teilung oder Ausbau nach Maßgabe der §§ 25c mit e, § 25f Abs. 1 WMVO. neu gewonnen sind oder neu gewonnen werden. Wird eine Wohnung durch Ausbau gewerblicher Räume neu gewonnen, so soll die Freistellung nur solange dauern, als die neue Wohnung zu Wohnzwecken vermietet ist, eine Ein­ schränkung, die aus Zweckmäßigkeitsgründen aufzugeben wäre. 2. Wegen der beschränkten Freistellung der hochwertigen Wohnungen von den Bestimmungen der WMVO. vgl. § 40b dortselbst, eingeführt durch die AbänderungsVO. vom 25. Nov. 1929 GVBl. 137.

§3. I. Die Vorschriften des ersten Abschnittes des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter sowie die Bestimmungen über die gesetzliche Mietpreisbildung finden — vorbehaltlich der Abs. II

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Mieterschutzrecht.s

und III — auf Mietverhältnisse über Räume, die gewerblich oder geschäftlich benützt werden, keine Anwendung. II. Mieterschutz und gesetzliche Mietpreisbildung bleiben bestehen 1. bei Mietverhältnissen über gewerblich oder geschäftlich be­ nützte Räume, deren Jahresfriedensmiete in München......................................................................... 1400 M, „ Nürnberg, Fürth und Ludwigshafen 1200 Jt, Orten der Ortsklasse^.

B C D

u. „ nicht übersteigt; 2. bei Mietverhältnissen über gewerblich oder geschäftlich benützte Räume, die Teile einer Wohnung sind; 3. bei Mietverhältnissen über Räume, die ausschließlich gemein­ nützigen, religiösen, mildtätigen, schulischen oder erzieherischen Zwecken dienen. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfalle vorliegen, ent­ scheidet im Streitfälle das Staatsministerium, zu dessen Geschäfts­ bereich die in den Räumen betriebene Tätigkeit gehört. III. Mietverhältnisse über gewerblich oder geschäftlich benützte Räume, die wegen des wirtschaftlichen Zusammenhanges zusammen mit Wohnräumen vermietet sind, sind vom Mieterschutz und von der gesetzlichen Mietpreisbildung befreit, wenn der auf die gewerblich oder geschäftlich benützten Räume entfallende Teil der Gesamt­ jahresfriedensmiete die Mietgrenzen des Abs. II Ziff. 1 übersteigt und nicht die Voraussetzungen des Abs. II Ziff. 3 gegeben sind. Im Streitfälle wird dieser Teil vom Mieteinigungsamt festgesetzt. IV. Gewerblich oder geschäftlich benützte Räume sind alle Räume, die nicht Wohnraum sind. Der Begriff der gewerblich oder geschäftlich benutzten Räume im Sinne dieser VO. war zweifelhaft. Vgl. Kiefersauer BayZ. 1929, 106 u. 1930,19 und RE. des BayObLG. v. 21. Nov. 1929 BayZ. 1930,44. Die Klarstellung des Begriffs ist nunmehr nach dem Vorbild des § 6 der Preuß. LockerungsVO. durch Abs. 4 erfolgt. Vgl. auch Ziff. 3 der VO. über die gesetzliche Miete v. 23. Dez. 1929 GBBl. 175. Wegen der Einschränkung der Anwendung der Abs. 2 u. 3 auf Mischräume vgl. Erl. zu § 1.

§4. Die Vorschriften des ersten Abschnittes des Gesetzes über Mieter­ schutz und Mieteinigungsämter sowie die Bestimmungen über die gesetzliche Metpreisbildung finden auf Untermietverhältnisse nur Anwendung, wenn diese sich ausschließlich auf Wohnraum beziehen, in dem der Untermieter eine eigene Wirtschaft oder Haushaltung

3. Lockerungsverordnungen .

§ 5.

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führt. Auch in diesem Falle gelten sie nicht, wenn der Untervermieter nach dem 31. März 1928 Wohnräume, die eine abgeschlossene Woh­ nung nicht darstellen, untervermietet hat oder künftig untervermietet. § 24 Abs. 2 MSchG, gilt entsprechend.

8 5. I. Die Verordnung tritt am 1. Januar 1930 in Kraft. Mit dem gleichen Tage tritt die Dritte Verordnung zur Lockerung des Mieter­ schutzes und der Mietzinsbildung in Bayern vom 29. März 1928 (GVBl. S. 174, StAnz. Nr. 75) außer Kraft. II. Mietverhältnisse, die auf Grund der Ersten, Zweiten und Dritten Verordnung zur Lockerung des Mieterschutzes und der Miet­ zinsbildung in Bayern vom Mieterschutz und von der gesetzlichen Mietpreisbildung ausgenommen sind, bleiben auch weiterhin befreit. III. Für die Ortsklasseneinteilung gilt § 25a Abs. IV, für die Berechnung der Jahresfriedensmiete § 25a Abs. III WMVO. IV. Für die Rechtsverhältnisse der Übergangszeit wird auf §22a des Reichsmietengesetzes und die §§ 52b ff. des Gesetzes über Mieter­ schutz und Mieteinigungsämter verwiesen.

b) Fünfte Verordnung zur Lockerung des Mieterschutzes und der Metzinsdildung in Bayern. Vom 16. März 1931 GVBl. S. 59.

1. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO. ist verschieden geregelt § 10 Abs. 1; grundsätzlich gilt der 1. April 1931 als Tag des Inkrafttretens. Die Lockerungsmaßnahmen sind gegenüber dem bisherigen Recht nicht unwesent­ lich vermehrt, der Inhalt der LockV. daher erweitert. Auch formell ist eine Weiterentwicklung festzustellen: der Aufbau der neuen VO. ist mustergültig. 2. Die Rechtsgrundlage der V. bilden wie bei den bisherigen LockVn zunächst § 22 S. 3 RMG. u. § 52 Abs. 1 Satz 1 MSchG.; weiterhin aber auch § 52 Abs. 1 Satz 4 (bisher Satz 3), eine Vorschrift, die die oberste Landes­ behörde ermächtigt, die Befugnis des Gerichts (Satz 2) zur Zubilligung von Ersatzraum einzuschränken. Auf Grund dieser Vorschrift konnte in § 1 Abs. 2 der V. die Unzulässigkeit der Zubilligung von Ersatzraum ausge­ sprochen werden. Die Rechtsgrundlage ist erweitert und zugleich gegenüber dem gelten­ den Reichsrecht abgegrenzt durch die Bezugnahme auf die VO. des Reichs­ präsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dez. 1930 RGBl. I S. 517,598. Im Siebenten Teil Kapitel IV Art. II Abs. 1 ist eine reichsrechtliche Lockerung des Mieterschutzes und des Reichsmietengesetzes vorgesehen, die auf den jeweiligen Stand der Lockerungsmaßnahmen im Wohnungsmangelrecht abgestellt ist. Entscheidend ist hiernach die Inanspruch­ nahme der Räume auf Grund des Wohnungsmangelgesetzes; die Voraus­ setzungen hiefür festzulegen, sind die obersten Landesbehörden durch Art. VI

42

Mieterschutzrecht.

ermächtigt. Die obersten Landesbehörden können weiterhin zufolge Art. II Abs. 2 mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers ausnahmsweise den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft in anderer Weise als nach Art. II Abs. 1 durchführen. Bayern hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und das Lockerungssystem, wie es sich in den vier LockBn bisher eingelebt hat, mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers auch in der V. LockB. fortgeführt. Diese weitere Lockerung schließt sich im übrigen eng an die Grundgedanken der reichsrechtlichen Lockerung des Art. II Abs. 1 an. Hervorzuheben ist, daß Art. II Abs. 1 in Bayern keine Geltung hat, insbes. auch nicht hinsichtlich der Aufrechterhaltung der §§ 49a u. 52e MSchG, in Satz 2 dieser Vorschrift. Für die Lockerung des Mieterschutzes bei Zuschuß neubauten bildet § 33 Abs. 3 MSchG, die rechtliche Grundlage für die Anordnung in den §§ 8 u. 9 LockB.

3. Für Mietverhältnisse, die auf Grund des § 52 Abs. 1 S. 1 MSchG, landesrechtlich vom Mieterschutz freigestellt wurden, gilt das Mietrecht der Übergangszeit nach Maßgabe des § 52e MSchG, und des § 22a RMG. Außerdem gilt folgendes: a) der Räumungsklage hat ein Schiedsverfahren voranzugehen § 52a MSchG.; b) die Zubilligung von Ersatzraum ist — abgesehen von den teuersten Wohnungen § 1 Abs. 2 — nach Maßgabe des §6 MSchG, zulässig § 52 Abs. 1 S. 2 u. 4 MSchG.; c) eine dem Mieter nach § 721 ZPO. für Wohnräume oder nach § 52e Abs. 1 Nr. 1 MSchG, für sonstige Räume gewährte Räumungsfrist kann auf seinen Antrag vom Gericht gemäß § 5 Abs. 4 MSchG, ver­ längert werden Art. II BO. vom 29. März 1928 GBBl. 179.

4. Wegen des Inhalts der V. LockB. wird auf die Übersicht in Aiffer II der Einleitung verwiesen. Die Änderungen gegenüber dem bisherigen Rechts­ zustand betreffen eine mäßige Senkung der Mietgrenzen für die teuersten Wohnungen (§ 1) und für die hochwertigen Wohnungen (§ 2 Ziff. 1), die Neueinführung der Befreiung neu begründeter Mietverhältnisse über Räume, die nach den Bestimmungen des Wohnungsmangelrechts zu Nichtwohn­ zwecken verwendet werden dürfen (§ 2 Ziff. 3) oder in wohnungsmangel­ freien Gemeinden gelegen sind (§ 2 Ziff. 4). Neu ist die Freistellung der sog. Pförtnerwohnungen (§ 3), neu die grundsätzliche Freistellung neubegründeter Mietverhältnisse über Nichtwohnräume ohne Rücksicht auf die Höhe der Jahresftiedensmiete (§ 4 Abs.tl Ziff. 2) sowie die Begrenzung der Schutz­ vorschriften bisher geschützter Nichtwohnräume (§ 4 Abs. 2, § 5), neu die völlige Freistellung der Untermietverhältnisse (§ 7) sowie die Regelung der Schutzvorschriften in sog. Zuschußneubauten (§§ 8, 9).

Auf Grund des Art. II Abs. 2 des Kap. IV des Siebenten Teiles der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I S. 517, 598), des § 52 Abs. 1 Satz 1 und 4 des Reichsgesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Fe­ bruar 1928 (RGBl. I S. 25) und des § 22 Satz 3 des Reichsmieten-

3. Lockerungsverordnungen.

§ 1.

43

gesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 1928 (RGBl. I S. 38) wird nach Anhörung und soweit erforderlich mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers verordnet, daß für die wei­ tere Lockerung des Meterschutzes und der gesetzlichen Metzinsbildung in Bayern — abweichend von Art. II Abs. 1 des Kap. IV des Sieben­ ten Teiles der Verordnung des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 — folgende Vorschriften gelten: §1. I. Die Vorschriften des ersten Abschnittes des Gesetzes über Mieterschutz und Meteinigungsämter sowie jene des Reichsmieten­ gesetzes finden mit den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmunaen mit Wirkung vom 1. Oktober 1931 an keine Anwendung auf Met­ verhältnisse über Wohnungen, deren Jahresfriedensmiete in München 2580 Jl, in Nürnberg, Fürth und Ludwigshafen 2100 Jl, in Orten der Ortsklasse A mit mehr als 15000 Ein­ wohnern 1500 Jl, in den übrigen Orten der Ortsklasse A und in Orten der Ortsklasse B mit mehr als 15000 Einwohnern . . 1200 Jt, in den übrigen Orten der Ortsklasse B und in Orten derOrtsklasse C 780 Jl, und in Orten der Ortsklasse D 540 Jt und mehr beträgt.

II. In den Fällen des Abs. I ist die Zubilligung von Ersatzraum nach § 52 Abs. IS. 2 des Gesetzes über Meterschutz und Meteinigungs­ ämter nicht zulässig. 1. Bestehende Mietverhältnisse über die teuersten Wohnungen werden von RMG. und MSchG, freigestellt. Dies entspricht der bisherigen Rechts­ lage — vgl. Erl. zu § 1 der IV. LockB. — mit zwei Ausnahmen: Die Mietgrenzen sind mäßig gesenkt und die Zubilligung von Ersatzraum wird für unzulässig erklärt ist seit 1. April 1931 aufgehoben. b) Durch die WMBO. vom 29. März 1928 GVBl. S. 161 ist der Gegen­ stand der Beschlagnahme eingeschränkt worden: «) benutzte und unbenutzte Nichtwohnräume, insbes. Fabrik-, Lager-, Werkstätten-, Dienst-, Geschäftsräume, Läden, Dachgeschosse, können seit 1. April 1928 nicht mehr beschlagnahmt werden (bisher § 7 Abs. 1 Buchst, d u. e), es sei denn, daß sie unbe­ nutzt und' zu Wohnzwecken geeignet sind (§ 7 Abs. 1 Buchst, a); ß) Räume und Nebenräume übergroßer Wohnungen, die im engen Rahmen des § 7 Abs. 1 Buchst, b, Abs. 3 bisher beschlag­ nahmt werden konnten, sog. Zwangsrationierung, dürfen nach dem 1. April 1928 nicht mehr beschlagnahmt werden. Bis dahin rechtswirksam erfolgte Beschlagnahmeverfügungen bleiben solange in Kraft, bis die Räume freiwerden (§ 4 Anm. 1); mit dem Freiwerden gelten sie als aufgehoben, ohne daß es einer be­ sonderen Aufhebung der Beschlagnahmeverfügung bedarf Abs. 2.

Im übrigen bestehen keine gesetzlichen Einschränkungen der Beschlag­ nahmebefugnis, die zugleich die Ortspolizeibehörde verpflichtet (§ 30). Wegen der Aufhebung früher zulässiger Beschlagnahmen vgl. § 42 Abs. 2. Insbesondere schützt die Sonderstellung der Landhäuser an sich den Eigentümer nicht vor der Beschlagnahme. Als Landhäuser gelten Gebäude, deren Eigentümer eine selbständige Wohnung in der Stadt besitzen und die deshalb nur einen Teil des Jahres vom Eigentümer bewohnt werden. Immerhin ist bei absoluter Notwendigkeit der Beschlagnahme darauf Rück­ sicht zu nehmen, daß dem Besitzer die Möglichkeit eines Erholungsurlaubes» gewahrt bleibt; statt zulässiger Beschlagnahme der ganzen Wohnung kanrr mit Einverständnis des Hauseigentümers die Inanspruchnahme aus einen Teil der Wohnung beschränkt werden. Verweigert dieser die Zustimmung, so bleibt, da Zwangsrationierung unzulässig ist, nur die Beschlagnahme der ganzen Wohnung übrig. Auch die Wohnungen in bäuerlichen Anwesen sind an sich grund­ sätzlich beschlagnahmefähig. Hier ist jedoch auf die Eigenart des landwirt­ schaftlichen Betriebes Rücksicht zu nehmen; durch die Zuweisung eines Mieters darf keinesfalls die Bewirtschaftung des Anwesens unbillig er­ schwert werden. Hinsichtlich der Beschlagnahme von Altenteilswoh­ nungen hat die MinBek. vom 30. Mai 1925 StAnz. Nr. 123 in Ziffer I folgendes verfügt: „1. Wohnungen in landwirtschaftlichen Anwesen und deren Nebengebäu­ den, die für den Fall der Übergabe des Anwesens zur Aufnahme des Übergebers oder der auf dem Anwesen verbliebenen Geschwister des Übernehmers bestimmt sind oder bestimmt werden (Altenteils- oder AustragSwohnungen), sind als unbenutzte Wohnungen gemäß § 7 Abs. I Buchst, a WMBO. dann nicht zu beschlagnahmen, wenn die

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 8.

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Übergabe des Anwesens und der Bezug dieser Wohnungen in naher Zeit in sicherer Aussicht steht. 2. Bon einer Inanspruchnahme der in Ziff. 1 genannten Wohnungen ist auch für den Fall der Zulässigkeit der Beschlagnahme dann abzu­ sehen, wenn die Durchführung der Beschlagnahme und die Einweisung des für die Wohnung in Aussicht genommenen Mieters eine erhebliche Gefährdung oder Erschwerung des landwirtschaftlichen Betriebes zur Folge haben würde. 3. Beim Vorliegen der Voraussetzungen in Ziff. 1 und 2 ist von einer weiteren Inanspruchnahme künftig freiwerdender Altenteilswohnungen abzusehen. 4. Räumungspflichtigen Inhabern von Altenteils- oder Austragswohnungen ist, falls diese Wohnungen bei oder nach Übergabe eines land­ wirtschaftlichen Anwesens dringend benötigt werden, mit aller Be­ schleunigung eine andere Wohnung, in besonders dringenden Fällen vor anderen, wenn auch länger vorgemerkten Wohnungsuchenden zuzuweisen."

3. Beschlagnahmefähig sind nur mehr a) Wohnungen und Nichtwohnräume — letztere nur, soweit sie zu Wohnzwecken geeignet sind — unter der Voraussetzung, daß sie unbe­ nutzt im Sinne des § 5 sind; b) Wohnungen, die nach § 6 nicht als Hauptwohnung anzusehen sind. Wohnungsuchende sind Personen, deren Wohnbedürfnis unge­ nügend oder überhaupt nicht befriedigt ist. Auf die Vormerkung (§§ 15,16) kommt es hier nicht an; denn auch in wohnungsmangelfreien Gemeinden, in denen die Bormerkungsliste fehlt, ist Beschlagnahme nach § 7 Abs. 1 grundsätzlich zulässig. Vgl. aber auch § 15 Abs. 3 u. Erl. Den Wohnung­ suchenden steht ein Anspruch auf Beschlagnahme einer bestimmten Woh­ nung nicht zu. Die Verpflichtung der Ortspolizeibehörde zur Beschlag­ nahme nach § 30 besteht lediglich gegenüber der Aufsichtsbehörde.

§ 8. I. Die Inanspruchnahme von Gebäuden oder Räumen, die im Eigentum oder in der Verwaltung des Reiches oder eines Landes oder im Eigentum oder Verwaltung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stehen und öffentlichen Zwecken oder zur Unterbringung von Angehörigen der Ver­ waltung des Reiches, des Landes oder der Körperschaft zu dienen bestimmt sind, ist nur zulässig, wenn von der zuständigen Reichs- oder Landesbehörde kein Einspruch erhoben wird. Diese Behörden entscheiden auch, ob die im Satz 1 erwähnten Voraussetzungen im Einzelfalle vorliegen. Ist Einspruch er­ hoben, so entscheidet bei Gebäuden oder Räumen, die zur Ver­ fügung des Reiches stehen, die Reichsregierung; im übrigen 5*

68

Wohnungsmangelrecht.

das Staatsministerium, zu dessen Geschäftsbereich das Ge­ bäude oder die Räume gehören. II. Die Bestimmungen des Abs. I finden auf Gebäude und Räume, die im Eigentum oder in der Verwaltung gemein­ nütziger Anstalten und Lüftungen sowie gemeinnütziger, nicht auf Erwerb gerichteter Organisationen stehen, oder die reli­ giösen oder anerkannt gemeinnützigen oder mildtättgen Zwecken dienen, Anwendung, soferne die Gebäude oder Räume ihren Zwecken dienen oder zur Unterbringung von Ange­ hörigen ihrer Verwaltung zu dienen bestimmt sind. III. Die Bestimmungen der Abs. I und II gelten auch für andere Anordnungen und Maßnahmen, die auf Grund dieser Verordnung getroffen sind; § 2 dieser Verordnung findet auf die in den Abs. I und II bezeichneten Räume keine Anwendung. IV. Verträge der in den Abs. I und II genannten Stellen über die Ermietung von Gebäuden und Gebäudeteilen bedür­ fen nicht der Genehmigung der Ortspolizeibehörden, soweit die Ermietung zur Erfüllung der Zwecke der genannten Stellen erfolgt. 1. Die Vorschrift ist neu. Der bisherige § 8 gestattete zu „Amtszwecken" die Beschlagnahme von Amtsräumen, auch wenn sie Teile einer Wohnung waren. Diese Bestimmung, die den Bürobedarf der Staatsbehörden in Privathäusern (Messungsämter, Notariate) sichern sollte, ist beseitigt; sie ist auch, soweit ersichtlich, ohne praktische Bedeutung geblieben.

2. Vorbild des § 8 bildet § 7 WMG., dessen Rechtsinhalt auch ohne landes­ rechtliche Übernahme selbständige Geltung hat. Insoweit die gleiche Re­ gelung in § 8 übernommen wird, handelt es sich nur um eine praktische Maßnahme im Sinne einer vollständigen Zusammenfassung des bayerischen Wohnungsmangelrechts, das auf diese Weise in rechtlich zulässiger Weise ergänzt ist. Die Übernahme der reichsrechtlichen Norm erfolgte in § 8 in etwas veränderter Fassung dadurch, daß 1. in Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 bestimmt ist, daß über den Einspruch das Staatsministerium entscheidet, zu dessen Geschäftsbereich das Gebäude oder die Räume gehören und damit die Zuständigkeitsbestimmung aus dem bisherigen § 9 Abs. 1 übernommen wurde; 2. in Abs. 2 die entsprechende Anwendung dahin ausgelegt wird, daß die Anwendung des Abs. 1 nur stattfindet, „soferne die Gebäude oder Räume ihren Zwecken dienen oder zur Ünterbringung von Ange­ hörigen ihrer Verwaltung zu dienen bestimmt sind". Diese Ergänzung entspricht einem praktischen Bedürfnis, da nach Reichsrecht nur die Verwendung zu öffentlichen Zwecken, nicht auch die Erfüllung der eigenen Zwecke der gemeinnützigen Organisation maßgebend war. Die Neuregelung entspricht der bisherigen Praxis des Ministeriums

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 8. 69 — vgl. Kiefersauer 3. Ausl. S. 252 — und ist durch $ 1 WMG. gedeckt; 3. in Abs. 3 die Sätze 2 u. 3 des Abs. 3 des 8 7 WMG. als durch § 7 Abs. 4 WMG. überholt und praktisch außer Kraft gesetzt, weggelassen sind. Dagegen ist ergänzend bestimmt, daß das Verbot der Verwendung von Räumen für Nichtwohnzwecke (§ 2) auf die privilegierten Gebäude überhaupt keine Anwendung findet; 4. in Abs. 4 eine den Inhalt des § 7 Abs. 4 nicht ändernde, sprachlich bessere Fassung gewählt wurde. 3. Die Vorschrift umfaßt nur die Inanspruchnahme d. h. die Beschlag­ nahme der privilegierten Gebäude. Sie ist nach den allgemeinen Bestim­ mungen an sich zulässig, kann aber durch erfolgreichen Einspruch der zu­ ständigen Behörde rechtsunwirksam gemacht werden. Diese Behörde ent­ scheidet zugleich über das Vorliegen der Voraussetzungen der Abs. 1 u. 2. Andere Bestimmungen der WMVO., insbes. das Verbot des Abbruchs von Wohngebäuden (§1), die Anzeige- und Auskunftspflicht nach §§ 3, 4 finden auch auf die privilegierten Gebäude Anwendung. Zufolge ausdrück­ licher Regelung in Abs. 3 findet § 2 keine Anwendung. Vor Durchführung baulicher Änderungen und sonstiger Arbeiten ist die vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde zu erholen § 13 Abs. 3. Zur Vermietung ist im Rahmen des § 25 Abs. 1 Buchst, b die Zustimmung der Ortspolizeibehörde nicht erforderlich.

Eine weitere Bestimmung (Abs. 4) gestattet die Anmietung ohne Genehmigung der Ortspolizeibehörde, sofern sie zur Erfüllung der eigenen Zwecke der Körperschaft und Organisation erfolgt. Die Zwecke der früher zulässigen Beschlagnahme zu Amtszwecken (Anm. 1) können vielfach auch aus Grund dieser Bestimmung erreicht werden.

4. Privilegierte Gebäude sind nicht bloß die im Eigentum des Reichs usw. stehenden, sondern auch Privathäuser, die in der Verwaltung des Reiches usw. stehen. Die Gebäude müssen eine besondere Zweckverwendung haben: sie müssen öffentlichen bzw. den Zwecken der gemeinnützigen (Abs. 2) Organisation dienen oder der Unterbringung von Angehörigen der zu­ ständigen Verwaltung. Wann die Korporation das Eigentum erlangt oder die Verwaltung übernommen hat, ist unerheblich. Die Zweckverwendung muß zur Zeit der Inanspruchnahme gegeben sein. Neben Reich, Ländern und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts kommen auch gemeinnützige Anstalten, Stiftungen und Organi­ sationen in Betracht. Wegen der Begriffe gemeinnützig, religiöse und mild­ tätige Zwecke wird auf Anm. 3 zu §§ 4, 5 der V. LockB. verwiesen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechtes ist auch die Reichsbank anzu­ sehen; sie ist zwar keine Anstalt des Reichs, aber eine unter der Aufsicht und Leitung des Reichs stehende Bank mit selbständiger Rechtspersönlich­ keit (8 12 des Bankgesetzes). Der deutschen Reichsbahngesellschaft kommt die Sonderstellung auf Grund des 8 16 Abs. 4 des Reichsbahngesetzes vom 30. August 1924 (RGBl. II 272) im gleichen Umfang zu. Offentlichrechtliche Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts (vgl. hierzu 8 89 BGB.) sind — abgesehen von den Gemeinden im Sinne der Ge-

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Wohnungsmangelrecht.

meindeordnung — die Bezirks- und Kreisgemeinden (§ 22 der Berfassungs­ urkunde des Freistaates Bayern vom 14. August 1919). Weiterhin kommen in Betracht die Religionsgesellschaften, soweit sie bisher schon die Eigen­ schaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besessen haben oder diese künftig erwerben (Art. 137 Abs. V der Berf. des Deutschen Reichs vom 11. August 1919; § 18 bayer. BerfU.); in Bayern sind derzeit als öffent­ liche Kirchengesellschaften nur anerkannt: die katholische Kirche sowie die beiden protestantischen Kirchen rechts und links des Rheins (§ 24 des bayer. Religions-Edikts vom 26. Mai 1818). Da jedoch auch Gebäude, die reli­ giösen Zwecken dienen, unter § 8 fallen, hat hier die Unterscheidung nach dem öffentlich- oder privatrechtlichen Charakter der Religionsgesellschaften keinerlei praktische Bedeutung (vgl. auch Art. 1 der bayer. Kirchengemeinde­ ordnung vom 24. Sept. 1912, wonach zur Klarstellung der Rechtsverhält­ nisse auch die Kirchengemeinden als rechtsfähige Beitragsverbände des öffentlichen Rechts anerkannt sind). Zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts zählen ferner: die Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 25 bayer. BerfU.); ferner berufsständische Vertretungen, soweit sie als öffentliche Körperschaften anerkannt sind, z. B. die Gemeindebeamten­ kammer (BO. vom 9. Jan. 1919 GBBl. S. 13), die Bauernkammern (Art. 3 des Gesetzes über die Bauernkammern vom 20. März 1920 GBBl. S. 67), die Handelskammern (§ 3 der BO. vom 5. Febr. 1908 GBBl. S. 69), die Handwerkskammern (§§ 103ff. der Reichsgewerbeordnung) samt den ihren Unterbau bildenden Innungen, freie wie Pflichtinnungen (§§ 81 ff. der Reichsgewerbeordnung). Hierher gehören ferner die Träger der Reichsversicherung, d. h. die Krankenkassen, die Berufsgenossenschaften die Versicherungsanstalten (§§ 3 und 4 der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911) sowie die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeits­ losenversicherung. Auch Zweckverbände nach Art. 133 der Gemeindeordnung vom 17. Okt. 1927 GBBl. S. 293 zählen hierher. Im übrigen ist der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechtes durchaus kein feststehender; weder in der Reichsverfassung noch in der bayerischen Verfassung ist der Begriff gesetzlich festgelegt (vgl. Piloty, BerfU. S. 74 und 88).

§ ». Zur Ausstellung der Bescheinigung über die Bertriebeneneigenschaft gemäß § 14 des Wohnungsmangelgesetzes sind die Regierungen, Kammer des Innern, zuständig.

§ 10. I. Bor jeder Beschlagnahme ist zu versuchen, unter den Beteiligten eine gütliche Einigung zu erzielen. Hierüber ist eine Niederschrift aufzunehmen. Eingriffe in die Freizügigkeit, in die Unverletzlichkeit der Wohnung und des Eigentums sollen nur erfolgen, nachdem der Versuch einer gütlichen Einigung erfolglos geblieben ist.

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 11.

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II. Die Räume können auch für mehrere Wohnungs­ suchende beschlagnahmt werden.

1.

Die Beschlagnahme ist das Zwangsmittel zur Bekämpfung der Woh­ nungsnot. Gelingt es, im Wege gütlicher Einigung den erstrebten Erfolg zu erzielen, so ist dieser Weg der zweckmäßigere. Darum die Bestimmung, daß vor jeder Beschlagnahme die gütliche Einigung zu versuchen ist. Die vorgeschriebene Aufnahme einer Niederschrift entspricht einem prak­ tischen Bedürfnis. Die Nichtbeachtung dieser Bestimmung hat aber keines­ wegs die Ungültigkeit der Beschlagnahme zur Folge. Die Bestimmung des Abs. 1 ist nicht Voraussetzung der Rechtswirksamkeit der Beschlagnahme, sondern eine Verwaltungsanordnung aus Zweckmäßigkeitsgründen, deren Einhaltung im Beschwerdeweg durchgesetzt werden kann. 2. Die Beschlagnahme kann nur im Umfang des § 10 durchgeführt werden. Es ist daher ohne Einverständnis der Beteiligten nicht zulässig, einen Wohnungsinhaber zur Räumung der Wohnung und zum Beziehen einer anderen zu veranlassen, auch wenn die Verhältnisse noch so sehr für die Zweckmäßigkeit einer solchen Anordnung sprechen. Ein Wohnungstausch kann nicht erzwungen werden; auch Zwangsrationierung ist nicht mehr zulässig (§ 7 Anm. 2). Die Ortspolizeibehörde (Wohnungsamt) ist auch nicht befugt, den Zwangstausch dadurch herbeizuführen, daß es auf den Ver­ mieter der Wohnung einen Druck dahin ausübt, daß er dem Mieter kündigt. Dies ist auch in dem Falle unstatthaft, daß zugleich diesem Mieter eine andere, wenn auch angemessene Wohnung zugewiesen wird. Das Wohnungsamt hat sich einer jeden Einflußnahme auf bestehende Privat­ rechtsverhältnisse zu enthalten.

§ 11. I. Die Verfügungsberechtigten sind vor jeder Beschlag­ nahme zu hören. Ihre Einwendungen sind zu würdigen. II. Jede Beschlagnahme muß den Verfügungsberechtigten oder ihren in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten schriftlich eröffnet werden (§ 39). Dabei sind die beschlag­ nahmten Räume genau aufzuführen; ferner ist anzugeben, von welchem Tage ab die Räume beschlagnahmt sind. Die Verfügung ist mit einer Belehrung über die Wirkungen der Beschlagnahme (§ 12) und die Bestrafung bei Zuwiderhand­ lungen sowie über die Beschwerdemöglichkeit zu versehen. III. Der Hausbesitzer ist von jeder Beschlagnahme in seinem Anwesen zu verständigen.

1. Die Verpflichtung, den Verfügungsberechtigten mit seinen Einwendungen zu hören, entspricht den Grundsätzen eines jeden geordneten Verfahrens. Die Mißachtung dieses Grundsatzes hat zu den meisten Klagen Anlaß gegeben.

72

Wohnungsmangelrecht.

2. Die Einwendungen müssen innerhalb angemessener Frist vorgebracht werden; andernfalls finden sie keine Berücksichtigung. Um einerseits jede Verschleppung hintanzuhalten, andererseits aber um zu vermeiden, daß der Verfügungsberechtigte ohne sein Verschulden mit seinen Erinnerungen zu spät kommt, wird sich die Bemessung einer Frist zur Erhebung von Einwendungen empfehlen; sie soll nicht unter einer Woche, vordringliche Fälle ausgenommen, betragen. Zugleich ist bekanntzugeben, daß Einwen­ dungen, die verspätet einlaufen, in der Regel unberücksichtigt bleiben müssen.

5. Die Unterlassung der schriftlichen Eröffnung begründet die Unwirksam­ keit der Beschlagnahme; die Wirkungen der Beschlagnahme nach § 12 treten nicht ein, Zuwiderhandlungen sind nicht strafbar, Zwangsvollzug nach § 38 ist unstatthaft. 4. Die Zustellung der Beschlagnahmeverfügung muß an den Verfügungs­ berechtigten erfolgen; die Zustellung an eine andere Person genügt nur in den Fällen des § 173 ZPO. Ein Mangel der Zustellung ist nicht mehr zu beachten, wenn der Verfügungsberechtigte die fehlerhafte Zustellung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat KG. Y 11/29 DMR. 835. Die Vorschriften der ZPO. über Zustellungen, die von Amts wegen er­ folgen, finden Anwendung; Ersatzzustellung ist zulässig KG. Y 79/26, MietG. 1926, 138. Zustellung der Beschlagnahmeverfügung an den die häusliche Gemeinschaft teilenden Ehegatten genügt. Durch die Zulassung der Eröffnung der Beschlagnahmeverfügung auch an den Ehegatten des Verfügungsberechtigten (statt an diesen selbst) werden die Schwierigkeiten der Feststellung der Verfügungsmacht nach dem ehelichen Güterrecht (§§ 1363—1557 BGB.) umgangen. Dagegen ist bei jeder anderen Mehr­ heit von Verfügungsberechtigten genau festzustellen, an wen die Eröffnung zu erfolgen hat. Bei mehreren Miteigentümern ist zwischen den beiden, dem BGB. bekannten Arten des gemeinschaftlichen Eigen­ tums, dem Miteigentum nach Bruchteilen (Miteigentum im Sinne der §§ 1008ff. BGB.) und dem Gesamteigentum (Gemeinschaft zur gesamten Hand) zu unterscheiden. Die Bruchteilsgemeinschaft bildet die Regel; ihre rechtliche Wür­ digung (ideeller Anteil des einzelnen Miteigentümers an der Sache) bemißt sich nach den §§ 741 ff. und 1008—1011 BGB. Da nach § 747 BGB. den Miteigentümern nur ein gemeinschaftliches Verfügungsrecht (RG. 89, 178) eingeräumt ist, muß die Beschlagnahmeverfügung jedem Miteigentümer zugestellt werden, es sei denn, daß ein gemeinsamer Bevollmächtigter aufgestellt ist. Als Gemeinschaftsverhältnisse zur gesamten Hand (RG. 65, 331) kommen in Betracht: nicht rechtsfähige Vereine (§ 54 BGB.), Gesell­ schaften des bürgert. Rechts (§§ 705ff. BGB.), Miterbengemeinschaft (§ 2032 BGB.), offene Handelsgesellschaften (§§ 105ff. HGB.) und Kom­ manditgesellschaften (§ 161 HGB.). Zustellungsempfänger sind die nach Maßgabe der einzelnen Bestimmungen vertretungsberechtigten Personen; bei Miterben z. B. sämtliche Miterben (§§ 2038, 2040 BGB.). Ebenso KG. IW. 1924, 837.

6. Die Eröffnung erfolgt durch „Zustellung" nach § 39. Eine förmliche

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 12. 73

Zustellung durch Postzustellungsurkunde ist auch hier nicht erforderlich (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 3 MSchG.); es genügt Bekanntgabe durch einge­ schriebenen Brief, durch den Gemeindediener gegen Empfangschein oder gegen Unterschrift. Vgl. KG. Y 79/26 MietG. 1926, 138. Die bloße Vor­ legung einer Verfügung der Ortspolizeibehörde ist keine Zustellung; denn diese erfordert, daß das Schriftstück dem Betroffenen in Urschrift oder Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift dem Betroffenen ausgehändigt wird und in seinem Besitze verbleibt KG. Y 87/26 MietG. 1926, 127.

6.

Abs. 2 Satz 2 enthält zwingende Vorschriften, deren Beachtung im Beschwerdeweg erzwungen werden kann. Im übrigen hat ihre Nichtbeach­ tung verschiedene Rechtsfolgen. Fehlt die Bezeichnung der beschlag­ nahmten Räume, so ist die Verfügung wegen dieses Mangels unwirk­ sam: die Beschlagnahme hat keinerlei Rechtswirkung (Anm. 3). Ist die Bezeichnung zu unbestimmt, so gilt das gleiche; im übrigen können unter Umständen trotz ungenauer Bezeichnung der Räume insoweit Rechtswir­ kungen eintreten, als nach Lage des einzelnen Falles ein Zweifel hinsichtlich der Beschlagnahme einzelner Räume ausgeschlossen ist. Auch Speicher­ und Kelleranteil sind genau zu bezeichnen RG. Str. II 422/21 BayZ. 1922, 106. Ist der Zeitpunkt, von dem ab die Beschlagnahme wirksam sein soll, nicht oder nicht genügend bestimmt, so ist die Verfügung dennoch voll wirksam: die Wirksamkeit tritt in diesen Fällen spätestens vom Zeit­ punkt der Eröffnung der Verfügung an ein. Ähnlich BayObLG. BayZ. 1923, 236. Nicht erforderlich ist die Bezeichnung eines Wohnungsuchenden. 7. Ter Mangel der Belehrung oder eine falsche Beschwerdebelehrung macht die Beschlagnahmeverfügung nicht unwirksam, weil diese mit der Eröff­ nung der Verfügung wirksam wird, sofern diese nur den wesentlichen In­ halt, nämlich die Erklärung der Beschlagnahme sowie die Angabe des Gegenstandes und des Zeitpunktes, von dem an sie wirksam wird, enthält oder in Verbindung mit den Umständen des einzelnen Falles diese wesent­ lichen Erfordernisse erkennen läßt. Da die Belehrung über die Beschwerde­ möglichkeit ausdrücklich vorgeschrieben ist, beginnt die Beschwerdefrist bei unrichtiger, fehlender oder unvollständiger Beschwerdebelehrung nicht zu laufen (BGH. 41, 72).

8. Verständigung des Hausbesitzers (Abs. 3). Ist der Hausbesitzer selbst der Verfügungsberechtigte, so gilt für ihn Abs. 2; in diesem Falle steht ihm ein selbständiges Beschwerderecht zu. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Mieter verfügungsberechtigt ist.

§ 12. I Mit der Eröffnung der Beschlagnahmeverfügung (§ 11) verlieren die Verfügungsberechtigten die Befugnis, über die beschlagnahmten Räume zu verfügen. Sie dürfen nur mehr mit vorheriger Zustimmung der die Beschlagnahme verfügen-

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Wohnungsmangelrecht.

den Behörde die Räume anderen überlassen oder bauliche Änderungen und sonstige Arbeiten an den Räumen vornehmen.

II. Die Beschlagnahme wird mit dem Eintritt der Rechts­ kraft der Beschlagnahmeverfügung wirksam. Sie bleibt auch einem neuen Verfügungsberechtigten gegenüber wirksam. III. Die Inhaber beschlagnahmter Räume haben diese innerhalb einer angemessenen Frist zu räumen; die Frist wird von der die Beschlagnahme verfügenden Behörde bestimmt und muß mindestens eine Woche, beginnend mit der Wirksam­ keit der Beschlagnahme, betragen. 1. Die Wirkung der Beschlagnahme. Die Eröffnung der Verfügung muß an den Verfügungsberechtigten erfolgen. Die Eröffnung an die Per­ son, zu deren Gunsten die Beschlagnahme erfolgt, ist ebenso wirkungslos, wie jene an den Hausbesitzer allein; denn die Beschlagnahme bedeutet nichts anderes als die Entziehung der rechtlichen Berfügungsmacht, die nur dem gegenüber möglich ist, der sie innehat. Änderung in der Person des Verfügungsberechtigten bewirkt keine Änderung der Beschlagnahmewirkung vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2.

2. Die Verfügung über die Räume ist grundsätzlich nur in rechtlicher Be­ ziehung (z. B. Weitervermietung) beseitigt und zwar insoweit, als die Räume dadurch der Verwendung durch die Ortspolizeibehörde in der von dieser beabsichtigten Art entzogen werden. Der tatsächliche Gebrauch durch den Verfügungsberechtigten in der bisherigen Art ist bis zum Zeitpunkt der Räumung, der nicht schon zugleich mit der Beschlagnahmeversügung fest­ gesetzt sein muß, gestattet. Überlassung zum Gebrauch an andere oder bau­ liche Änderungen und andere Arbeiten dürfen an den beschlagnahmten Räumen nicht vorgenommen werden; insoweit erstreckt sich die Beschlag­ nahme auch auf die tatsächliche Verfügung. Der Verfügungsberechtigte ist aber nicht gehindert, die Raumnutzung durch Kündigung des Mietverhältnisses oder bei sonstiger Beendigung des­ selben (Zeitablauf, vertragsmäßige Aufhebung) aufzugeben. Trotz Beendi­ gung des Mietverhältnisses bleibt die Raumbeschlagnahme nach Abs. 2 auch dem neuen Verfügungsberechtigten gegenüber wirksam. 3. Die Verletzung des Verfügungsverbotes ist nach § 41 strafbar. Die ver­ botswidrige Verfügung ist aber auch zivilrechtlich unwirksam. Die Nichtig­ keit der Verfügung ergibt sich — wenigstens für Wohnungen — bereits aus § 25 in Verbindung mit § 134 BGB. Mietverträge sind nunmehr auf Grund der ausdrücklichen Vorschrift des § 31 MSchG, rechtsungültig. 4. Die formelle Rechtskraft der Verfügung tritt ein, wenn entweder die Beschwerdeftist des § 34 abgelaufen oder wenn eine auf Grund dieser Vor­ schrift in der Beschwerdeinstanz erlassene Entscheidung mit der Rechts­ beschwerde nicht angefochten oder verworfen ist. Eine materielle Rechtskraft der Beschlagnahmeverfügung ist nicht anzuerkennen, da es sich um eine polizeiliche Verfügung handelt. Die Ortspolizeibehörde ist deshalb auch

1. BO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 13.

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nicht gehindert die Beschlagnahmeverfügung zurückzunehmen (§ 31) oder abzuändern. 5. Abs. 3. Eine kürzere Frist macht die Räumungsanordnung nicht unwirksam.

§ 13. I. Die Ortspolizeibehörde kann nach Anhören des Ver­ fügungsberechtigten und des Hauseigentümers in den beschlag­ nahmten Räumen (§ 7 Abs. I) bauliche Veränderungen und sonstige Arbeiten, insbesondere die Einrichtung einer Koch­ gelegenheit durchführen, unter ihrer Aufsicht vom Mieter durch­ führen lassen, oder die bereits erfolgte Durchführung genehmi­ gen, soweit dies erforderlich ist, um die Räume für den Zweck der Beschlagnahme herzurichten oder wiederherzurichten. Inso­ weit zur Herstellung des Anschlusses an die Gas- oder elektrische Leitung Arbeiten in den an die beschlagnahmten Räume an­ schließenden Räumen vorgenommen werden müssen, hat der Verfügungsberechtigte und der Hauseigentümer die Ausfüh­ rung der Arbeiten und die Belassung der Anschlußleitungen auch in diesen Räumen zu dulden. Die Anordnung baulicher Veränderungen muß die Schaffung eines dauernd verwert­ baren Zustandes gewährleisten. Die Ortspolizeibehörde kann es dem Hauseigentümer überlassen, die Abänderung oder Arbeiten binnen bestimmter Frist selbst auszuführen. II. Die Kosten baulicher Änderungen und der sonstigen Arbeiten hat die Gemeinde zu tragen. III. Vor der Vornahme baulicher Änderungen und sonstiger Arbeiten bei Gebäuden int Sinne des § 7 des RWMG. und des § 8 dieser Verordnung sowie bei Dienstwohnungen von Beamten hat die Gemeinde die vorherige Zustimmung der zuständigen Reichs- oder Landesbehörde (§ 8) zu erholen. 1. Die Anhörung des Verfügungsberechtigten und des Hauseigentümers ist zwingend vorgeschrieben; bei Verletzung der Vorschrift macht sich die Gemeinde unter Umständen schadensersatzpslichtig.

2. Bauliche Veränderungen liegen vor, wenn an der Substanz des Ge­ bäudes (innerhalb oder außerhalb der Räume) eine Veränderung vorge­ nommen werden soll, z. B. Aufbau eines neuen Stockwerkes, Aufführen von Zwischenwänden usw. Sie werden in der Regel in Verbindung mit den „sonstigen Arbeiten" vorkommen. Eine scharfe Trennung beider Ar­ beiten ist nicht immer möglich. Zu den sonstigen Arbeiten zählen: Einrich­ tung einer Kochgelegenheit, der Wasserleitung, der Lichtanlage, Anbringen

76

Wohnungsmangelrecht.

von Türen, Fenstern, Fußböden, Öfen und Herden. Weiterhin kommen in Betracht: Tüncherarbeiten, Reparaturen aller Art. S. Die Gemeinde kann die Arbeiten selbst durchführen, unter ihrer Verantwortung und Aufsicht vom Mieter durchführen lassen oder die bereits erfolgte Durchführung genehmigen (Abs. 1 Satz 1); sie kann die Arbeiten für ihre Rechnung vom Hauseigentümer selbst ausführen lassen, wenn sich dieser dazu bereit erklärt und sie innerhalb einer bestimmten Frist durchführt (Abs. 1 Satz 4). Die Duldungspflicht des Verfügungsberechtigten (Hauseigen­ tümers) beschränkt sich nicht nur auf die beschlagnahmten Räume selbst; er hat bei Anbringung von Leitungsanschlüssen auch die Inanspruchnahme anschließender Räume zu gestatten (Abs. 1 Satz 2).

4. Die Kosten der Herrichtung trägt die Gemeinde. Eine Heranziehung des Hausbesitzers zur Kostentragung ist ausgeschlossen. Auch eine Ersatz­ pflicht des Hausbesitzers nach den Vorschriften über Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB.) dürfte hier ausgeschlossen sein.

5. Dienstwohnungen sind Wohnungen, die den Beamten vom Staate bzw. von sonstigen Dienstherren im Interesse des Dienstes d. h. zur Ermöglichung und Förderung der Erfüllung der dem Inhaber obliegenden Dienstes­ aufgaben zugewiesen sind. Unerheblich ist, ob das Gebäude, in dem sich die Dienstwohnung befindet, dem Staate bzw. sonstigen Dienstherren zu Eigen­ tum gehört oder nicht. Wegen der Dienstwohnungen der Bolksschullehrer vgl. Art. 14 SchulbedarfG.

§ 14.

I. Wird die Beschlagnahme von Räumen aufgehoben oder wird die Beschlagnahme aus sonstigen Gründen gegenstands­ los, so hat die Gemeinde die Räume dem Verfügungsberech­ tigten in angemessener Frist zurückzugewähren. Dies gilt auch hinsichtlich auf Grund früherer Wohnungsmangelbestimmun ­ gen erfolgter Beschlagnahmen. II. Sind auf Anordnung der Ortspolizeibehörde in beschlag­ nahmten Räumen bauliche Änderungen oder sonstige Arbeiten vorgenommen worden (§ 13), so hat im Falle des Abs. I die Ortspolizeibehörde auf Verlangen des Hauseigentümers oder des Verfügungsberechtigten den der früheren Zweckbestim­ mung und Ausstattung entsprechenden Zustand der Räume wieder herzustellen, es sei denn, daß ein schriftliches Einver­ nehmen über die vorgenommenen Änderungen erzielt war. III. Verlangt der Hauseigentümer im Falle des Abs. I, daß der durch die baulichen Änderungen und die sonstigen Arbeiten (§ 13) geschaffene Zustand erhalten bleiben soll, so hat er der Gemeinde die von ihr für die Änderungen und die

1. BO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 15.

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Arbeiten gemachten Aufwendungen insoweit zu ersetzen, als der Ertragswert des Anwesens durch diese Arbeiten zurzeit der Rückgewährung (Abs. I) erhöht ist. 1. Die Aushebung der Beschlagnahme — auch wenn sie auf Grund früherer Bestimmungen erfolgt war — kann erfolgen wegen Wegfall der Voraus­ setzungen § 31 oder infolge Verzichtes auf die Durchführung. Die Beschlag­ nahme gilt als aufgehoben im Falle des § 7 Abs. 2 (übergroße Wohnungen werden frei). Die Bestimmung der Frist ist Sache der Ortspolizeibehörde. Zögert die Ortspolizeibehörde ungebührlich lang mit der Rückgewährung, so ist Beschwerde zur Aufsichtsbehörde in entsprechender Anwendung des § 30 möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Rückgewährung bedeutet die Herausgabe der Räume, wenn diese von der Ortspolizeibehörde vermietet waren (§ 556 BGB., § 19 WMBO.); wenn sie vom Verfügungsberechtigten selbst vermietet sind, bedeutet die Rückgewährung wenigstens die Beschaffung von Räumen für die bisherigen Zwangsmieter.

2. Außer der Rückgewähr der Räume kommt die Wiederherstellung des früheren Zustands in Betracht, und zwar auf Kosten der Gemeinde. Eine Beteiligung des Hausbesitzers an der Kostentragung ist auch hier (§ 13 Abs. 2) ausgeschlossen. Das Verlangen ist offenbar unbillig, wenn die Weiterbenutzung der Räume als Wohnräume auch nach Rückgewährung der Räume beab­ sichtigt ist. Wenn z. B. beschlagnahmte Bodenkammern nicht mehr als solche, sondern als selbständige Wohnungen weiterhin vermietet werden, dann ist das Verlangen des Hausbesitzers auf Wiederherstellung des früheren Zu­ standes offenbar unbillig. Solches Verlangen kann, da es wirtschaftlich eine Kosten- und Arbeitsverschwendung bedeutet, nur als Mißbrauch eines Rechtes betrachtet werden (§ 226 BGB.). Hat die Gemeinde die Kosten der Instandsetzung aus eigenen Mitteln bestritten, so kann sie sich gegen solches Verlangen auch dadurch sichern, daß sie das Recht auf Wiederherstellung des früheren Zustandes vertraglich ausschließt. Dies ist als zulässig zu erachten.

3. Der Zustand der beschlagnahmten Räume bleibt auch dann erhalten, wenn der Hausbesitzer weder dieses Verlangen (Abs. 3) noch jenes der Wieder­ herstellung des ftüheren Zustandes stellt. Die Unzweckmäßigkeit der Regelung des Abs. 3 neben der des Abs. 2 springt in die Augen: neben Abs. 2 hätte Abs. 3 dahin lauten müssen, daß der Hausbesitzer, sofern er das Ver­ langen nach Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht stellt, der Gemeinde die von ihr gemachten Aufwendungen insoweit zu ersetzen hat, als der Ertragswert des Anwesens durch diese Arbeiten zur Zeit der Rückgewährung erhöht ist.

8 15. I. Die Ortspolizeibehörde hat über die für Zuweisung einer Familienwohnung (selbständigen Wohnung mit Kochgelegen-

78

Wohnungsmangelrecht.

heit) vorgemerkten Personen Listen (Vormerkungslisten) zu führen. Soweit nicht in den nachfolgenden Vorschriften die Gewährung eines Vorzugsrechtes begründet ist, sind die Wohnungssuchenden Personen nach der Zeit der Anmeldung ihres Wohnungsanspruches in die Vormerkungsliste einzu­ tragen. Das Nähere über die Einrichtung der Vormerkungs­ listen regelt die Ortspolizeibehörde; sie kann besondere Vor­ merkungslisten für vordringliche, dringliche und nicht dringliche Wohnungszuweisungen führen und anordnen, daß zunächst nur Wohnungssuchende, die in der Vormerkungsliste für vor­ dringliche Wohnungszuweisungen stehen, eine Wohnung zuge­ wiesen erhalten. II. Die Vormerkung begründet keinen Rechtsanspruch auf Zuweisung einer Wohnung.

III. Anspruch auf Eintragung in die Vormerkungsliste haben ortsansässige Personen, die wohnungslos sind oder aus dringenden Gründen ihre Wohnung wechseln müssen, weiterhin Personen, die aus einer fremden Gemeinde aus dringenden beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen zugezogen sind oder zuziehen müssen. IV. Die Eintragung in die Vormerkungsliste ist, soferne nicht die Aufsichtsbehörde eine Ausnahme zuläßt, zu versagen: 1. Personen, deren Einkommens- oder Vermögensver­ hältnisse derart sind, daß ihnen die Beschaffung einer Wohnung durch Neubau oder Miete einer beschlag­ nahmefreien Wohnung billigerweise zugemutet werden kann, 2. minderjährigen Personen. Personen, denen nach ihren Einkommens- oder Vermögens­ verhältnissen die Miete einer Wohnung der in den §§ 25a, 25c bis f, sowie der in den §§ 33a und b MSchG, bezeichneten Art zugemutet werden kann, dürfen, soferne nicht die Aufsichts­ behörde eine Ausnahme zuläßt, nur für solche Wohnungen vorgemerkt werden. V. Weiterhin kann die Eintragung in die Vormerkungsliste und die Zuweisung einer Wohnung versagt werden Angestell­ ten und Arbeitern, die infolge Neugründung oder Erweiterung eines Betriebs oder infolge vorübergehender Betriebsvor-

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 15.

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nahmen durch einen privaten Unternehmer zum Zuzug in einer Gemeinde veranlaßt wurden. VI. Wohnungssuchenden, die vor Zuweisung einer Woh­ nung auf Grund ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienste aus einer Gemeinde wegziehen müssen und in dieser Gemeinde noch keine Wohnung inne hatten, die ihnen die Führung eines eigenen Haushalts ermöglichte, ist in der neuen Aufenthalts­ gemeinde die Vormerkungszeit anzurechnen, deren Zurück­ legung die Ortspolizeibehörde des bisherigen Aufenthaltsortes bestätigt. VII. Wohnungssuchenden, die vor Zuweisung einer Woh­ nung aus dringenden wirtschaftlichen oder beruflichen Gründen aus einer Gemeinde wegziehen müssen und in dieser Gemeinde noch keine Wohnung inne hatten, die ihnen die Führung eines eigenen Haushalts ermöglichte, ist in der neuen Aufenthalts­ gemeinde die Bormerkungszeit angemessen anzurechnen, deren Zurücklegung die Ortspolizeibehörde des bisherigen Aufent­ haltsortes bestätigt. 1. Die §§ 15, 16 regeln die Reihenfolge, nach der die Vergebung der Familienwohnungen zu erfolgen hat. Formelle Voraussetzung ist regelmäßig die Vormerkung d. h. die Eintragung des Wohnungsuchenden in die Vormerkungsliste; die Ausnahme bildet die Zuweisung außer der Reihe d. h. nicht in der Reihenfolge der Eintragung in der Vor­ merkungsliste. Über die Auswahl der Wohnungsuchenden und die Regeln der VO. über die Zuweisung im einzelnen vgl. § 19 Anm. 1. Für Einzelräume in Wohnungen sowie für Nichtwohnräume aller Art wird eine Vormerkungs­ liste nicht geführt.

2.

Die Einrichtung der Bormerkungsliste zu bestimmen, ist Sache der Ortspolizeibehörde. Die Einteilung der Wohnungsuchenden in vordringliche, dringliche und nicht dringliche ist anheimgegeben. Maßgebend für die Eintragung in die Vormerkungsliste ist grundsätzlich der Zeitpunkt der An­ meldung des Wohnungsanspruchs; Ausnahme: Vordatierung der Vor­ merkungszeit § 15 Abs. 6 und 7, § 26, § 27 Abs. 13 und § 19 Anm. 1. Die Vormerkung hat nicht die Begründung eines Anspruchs auf Zuweisung einer Wohnung zur Folge (Abs. 2).

3.

Auf Antrag müssen in die Vormerkungsliste eingetragen werden 1. Personen, die wohnungslos sind d. h. deren Wohnungsbedürfnis über­ haupt nicht befriedigt ist. In Betracht kommen in der Regel verhei­ ratete Personen, aber auch ledige Personen, die berechtigten Wohnungs­ bedarf haben z. B. selbständigen Haushalt führen, aber aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen eine Familie nicht gründen können oder die für Angehörige ohne eigenen Haushalt zu sorgen haben. Es

Wohnungsmangelrecht. ist unzulässig, allgemein die Vormerkung von dem Nachweis der Ver­ lobung oder Verheiratung abhängig zu machen. Die Berechtigung zur Gründung eines eigenen Haushalts ist nach Alter, Familienstand und Einkommen sowie nach der sozialen Stellung des Antragstellers zu beurteilen, gegebenenfalls ist eine Abstufung (Anm. 2) vorzunehmen, 2. Personen, die aus dringenden Gründen (tatsächliche Unzulänglichkeit der Wohnung, Baufälligkeit, Räumungszwang) ihre Wohnung wech­ seln müssen oder 3. Personen, die aus dringenden beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen, also zum Zwecke der Ausübung oder Weiterführung ihres Berufes, Gewerbes (Gegensatz: Eintritt in den Ruhestand) aus einer fremden Gemeinde früher oder später zuziehen. Grundsätzlich kommen — abgesehen von Ziffer 3 — nur ortsansässige Personen in Frage d. s. Personen, die am Orte einen Wohnsitz im Sinne der §§ 7 ff. BGB. begründet haben. Ob es sich um Inländer oder Ausländer handelt, ist unerheblich. Durch Anordnung gemäß § 32 kann Personen, die ohne dringenden Grund zuziehen, die Ortsansässigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt zuerkannt werden.

Sofern die Aufsichtsbehörde für den Einzelfall nicht etwas anderes anordnet, sind von der Vormerkung und damit von der Wohnungs­ zuweisung ausgeschlossen: 1. Minderjährige,

2. Personen mit besonders günstigen Einkommens- und Vermögens­ verhältnissen; soweit zumutbar dürfen sie nur für neugeschaffene Woh­ nungen im Sinne des Abs. 4 Satz 2 vorgemerkt werden. Die Aufnahme in die Vormerkungsliste kann Arbeitern und Ange­ stellten im Falle des Abs. 5 versagt werden.

4.

Vordatierung der Vormerkungszeit durch Anrechnung auswärts — auch außerhalb Bayerns — verbrachter Wartezeit 1. bei Zuzug auf Grund öffentlichen Dienstes — nicht nur bei vorliegendem Beamtendienstverhältnis § 27 Abs. 14, 15 — in vollem Umfang (Abs. 6) und 2. bei Zuzug aus dringenden beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen in angemessenem Umfang (Abs. 7).

,§ 16. I. Die Ortspolizeibehörde hat sich bei Vergebung der frei­ werdenden Familienwohnungen an die Reihenfolge der Vor­ merkung zu halten. Außer der Reihe dürfen Wohnungen nur aus dringenden sozialen oder wirtschaftlichen Gründen oder auf besondere Anordnung der Aufsichtsbehörde oder dann zugewiesen werden, wenn eine Neubauwohnung zur Verfü­ gung gestellt wird.

1. BO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 16. 81

II. Die Zuweisung außer der Reihe darf nicht im Büroweg, sondern nur durch Sitzungsbeschluß nach näherer Regelung des Stadt- oder Gemeindesrates erfolgen. III. Zuweisungen außer der Reihe können im Bürowege erfolgen. 1. bei Laden- und Pächterwohnungen, 2. bei Zuweisungen, die wegen Vornahme baulicher Maß­ nahmen in der bisherigen Wohnung erfolgen müssen, 3. bei Zuweisungen auf Grund übertragbarer Tuberku­ lose, 4. bei Zuweisungen an die in § 26 Abs. I genannten Personenkreise, 5. bei Zuweisungen auf Grund des § 36 MSchG, und auf Grund von Räumungsurteilen. IV. Wohnungen, welche in unmittelbarem räumlichen Zusammenhänge mit Geschäftsräumen stehen (Ladenwoh­ nungen), sind auf Antrag dem Inhaber des Ladens zuzuweisen, falls dieser am Orte eine Familienwohnung freimacht oder der bisherige Inhaber des Ladens und der Ladenwohnung auf die Zuweisung einer Familienwohnung in einer inländischen Genreinde verzichtet und der Hauseigentümer mit der An­ mietung des Ladens und der Wohnung einverstanden ist. Außerdem sind Ladenwohnungen in der Regel solchen In­ habern des Ladens zuzuweisen, welche am Orte für eine Fami­ lienwohnung vorgemerkt sind. Bei Zuweisungen von Pächter­ wohnungen ist in gleicher Weise zu verfahren. V. Die Zuweisung einer Wohnung außer der Reihe gegen Zahlung eines Geldbetrages ist unzulässig.

VI. Die Stadt- oder Gemeinderäte können durch Satzung mit Genehmigung der Regierung, Kammer des Innern, die Vergebung von Wohnungen mittels Mietberechtigungskarte (Wohnungssuchkarte) in widerruflicher Weise einführen, die Regierungen, Kammern des Innern, können die Einführung der Mietberechtigungskarte im Bedarfsfälle auch von Aufsichts wegen anordnen. Die Mietberechtigungskarte ist eine von der Ortspolizeibehörde (Wohnungsamt) ausgestellte Bestätigung darüber, daß die in der Karte näher bezeichnete Person berech­ tigt ist, wegen Anmietung einer Familienwohnung der in der Kieselsauer, Grundstücks miete. 4. Stuft

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Wohnungsmangelrecht.

Mietberechtigungskarte näher bezeichneten Art und Größe mit dem jeweiligen Vermieter in Verbindung zu treten und einen vorläufigen Mietvertrag abzuschließen, der jedoch erst nach erfolgter schriftlicher Genehmigung durch die Ortspolizei­ behörde rechtswirksam wird und zum Einzug berechtigt. Die Mietberechtigungskarten dürfen nur an eine begrenzte Anzahl der am längsten vorgemerkten oder sonst besonders berück­ sichtigenswerten Wohnungssuchenden (Abs. I und VII) aus­ gegeben werden; der Vermieter hat keinen Rechtsanspruch auf Vermietung an einen Inhaber einer Mietberechtigungskarte; die Vergebung von Wohnungen kann auch weiterhin durch Zuweisung erfolgen. VII. Wohnungsinhabern, die ihre Wohnung freiwillig auf­ geben, ohne zurzeit eine andere Wohnung am gleichen Ort oder an einem anderen Orte zu beanspruchen, kann durch die Ortspolizeibehörde ein Wohnungsgutschein ausgestellt werden; auf späteres Verlangen ist den Inhabern solcher nicht übertrag­ barer Wohnungsgutscheine sofort außer der Reihe eine mög­ lichst gleichwertige Wohnung zuzuweisen bzw. eine Miet­ berechtigungskarte auf eine solche Wohnung auszustellen. 1. Zuweisung außer der Reihe ist als Ausnahme nur aus dringenden sozialen oder wirtschaftlichen Gründen oder nur dann gestattet, wenn eine Neubauwohnung zur Verfügung gestellt wird (vgl. dazu § 17 Anm. 2). Die Aufsichtsbehörde kann ein anderes anordnen Abs. 1. Form dieser Zuweisung: Gemeinde(Stadt)ratsbeschluß; die Vorlage der Beschlüsse an die Aufsichtsbehörde ist nicht mehr erforderlich. Zuweisun­ gen außer der Reihe können in den in Abs. 3 aufgeführten Fällen ohne weiteres erfolgen und zwar im Bürowege, also ohne Gemeinde(Stadt)ratsbeschluß. Bei Ladenwohnungen ist die Richtlinie des Abs. 4 zu beachten. Wegen der Sonderstellung der sog. Hausmeisterwohnungen vgl. § 20 Abs. 4 und wegen der Richtlinie im Falle des § 18 Abs. 3 die Regelung dortselbst. Durch Zahlung eines Geldbetrages kann die Zuweisung einer Woh­ nung außer der Reihe nicht herbeigeführt werden Abs. 5.

2. Die die Vormerkung begründenden Verhältnisse sind nicht unabänder­ lich. Deshalb kann auch die Vormerkung keine (unabänderlichen) Rechte (§ 15 Abs. 2) schaffen. Je nach der Veränderung der für die Vormerkung maßgebenden Grundlagen der persönlichen Verhältnisse und der Lage des» Wohnungsmarktes kann die Ortspolizeibehörde eine Vormerkung abändern oder auch völlig streichen. Wegen der Vordatierung der Vormerkung nach § 26 vgl. auch § 19 Anm. 1.

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 17. 83

3. Die Einführung der Mietberechtigungskarte im Sinne des Abs. 6 ist grundsätzlich der Beschlußfassung des Gemeinde(Stadt)rats anheim­ gegeben. Die Satzung bedarf der Genehmigung der Regierung, Kammer des Innern; die Grundsätze der Münchener Satzung sind zu empfehlen. Die Einführung der Mietberechtigungskarte dient der Auflockerung der Wohnungszwangswirtschaft und ist daher insbes. in größeren Gemeinden zweckdienlich. 4. Wohnungsgutscheine im Sinne des Abs. 7 stellen Zuweisung außer der Reihe bzw. Allsstellung einer Mietberechtigungskarte in Aussicht; die allgemeinen Bestimmungen der Abs. 1 u. 2 gelten für die durch Wohnungs­ gutschein erfolgte Zuweisung nicht. § 17. I. Die Abwendung der Beschlagnahme von Doppelwoh­ nungen kann gegen Zahlung einer angemessenen Geldsumme unter der Voraussetzung zugelassen werden, daß der geleistete Betrag von der Gemeinde unverzüglich zur Schaffung neuen Wohnraums oder zur Freimachung alten Wohnraums ver­ wendet wird. II. Die Abwendung der Zwangsräumung von Wohnungen, die ohne Zustimmung der Ortspolizeibehörde bezogen wurden, durch Geldzahlung ist in jedem Falle unzulässig. 1. Geldzahlung ist nur zulässig im Falle des § 7 Abs. 1 Buchst, b; in allen anderen Fällen ist die Ablösung ausgeschlossen; ausdrücklich hervorgehoben in Abs. 2 (Abwendung der Zwangsräumung), § 16 Abs. 5 (Zuweisung außer der Reihe). Die Bemessung der Höhe der Abfindungssumme ist — abweichend vom bisherigen Recht — in das pflichtgemäße Ermessen der Gemeindebehörde gestellt. Der Geldbetrag muß in jedem Falle angemessen sein d. h. den Verlust ausgleichen können, der durch die Nichtdurchsührung der Beschlag­ nahme entsteht. Der Ausgleich erfolgt durch Schaffung neuen Wohnraums oder durch Freimachung alten Wohnraums; grundsätzlich muß daher die Abstandssumme so hoch bemessen werden, daß eines dieser beiden Ziele erreicht wird. Die Gemeinde ist verpflichtet, die Geldsumme unverzüglich zu dem von ihr bestimmten Zweck zu verwenden.

2. Eine andere, hier nicht geregelte Frage ist, ob die Gemeinde infolge des Abschlusses eines Loskaufvertrages gehindert ist, eine Beschlag­ nahme der sreigegebenen Räume durchzuführen; man wird sie verneinen müssen unter dem Gesichtspunkt, daß die Ausübung öffentlichrechtlicher Be­ fugnisse durch privatrechtlichen Vertrag nicht beschränkt werden kann. Dies ist besonders wichtig für den Fall, daß eine weitere Verschärfung der Woh­ nungsnot — veränderte Umstände — die Gemeindebehörde zwingt (§ 30), von den ihr zustehenden Befugnissen Gebrauch zu machen OLG. Köln IW. 1924, 851; OLG. Rostock bei GutStZ Nr. 518; KG. 17 Y 85/24 GutStZ.

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Wohnungsmangelrecht.

Nr. 74. Für Klagen auf Erfüllung der Loskaufverträge bzw. auf Feststellung der sich hieraus für die Gemeinde ergebenden Verpflichtungen ist der Rechts­ weg für zulässig zu erachten. Ebenso RG. III 169/26 RGZ. 116, 336; RG. III 77/27 RGZ. 118, 379 und RG. III 43/27 RGZ. 118,109; anders noch RG. VI 53/25 GutStZ. Nr. 466. Nicht zu billigen ist die in der Rspr. des RG. getroffene Unterscheidung zwischen Barablösung und Bauablösung; erstere wird für schlechthin rechtsunwirksam erachtet, während der Verzicht auf zeitlich begrenzte Dauer bei der Bauablösung für rechtsgültig erachtet wird RG. III 148/29 RGZ. 127, 276; RG. III 169/26 RGZ. 116, 336; RG. III 43/27 RGZ. 118,109; RG. III 77/27 RGZ. 118, 379; RG. VIII 347/28 GutStZ. Nr. 2625. Das KG. dagegen erachtet — unter Hinweis auf § 17 BayWMVO. — eine solche Vereinbarung für rechtswirksam KG. 17 Y 85/24 GutStZ Nr. 74; KG. MietG. 1929, 87; KG. 17 Y 23/29 DMR. 835. Wird ohne zwingenden Grund — worüber im Streitfälle nach §§ 34,35 nach freiem Ermessen zu entscheiden sein wird — trotz der Abmachung die Beschlagnahme durchgeführt, so macht sich die Gemeinde unter Umständen schadensersatzpflichtig. In jedem Fall aber wird man dem Betroffenen einen Anspruch auf völlige oder teilweise Zurückzahlung der Abstandssumme unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zuerkennen müssen, wobei allerdings auch die Zeitdauer des ungestörten Raumbesitzes angemessen zu berücksichtigen sein wird.

§ 18. I. Dem Eigentümer (auch Miteigentümer) eines Hauses ist auf Verlangen eine in seinem Hause freiwerdende Woh­ nung zuzuweisen, falls er eine annähernd gleichwertige Woh­ nung am gleichen Orte freimacht oder der Ortspolizeibehörde zur Verfügung stellt. Diese Bedingungen entfallen, wenn seit dem Erwerb eines Anwesens zwei Jahre verflossen sind. Diese Bestimmungen finden auch auf verheiratete Kinder und auf Eltern des Hauseigentümers, soweit sie einen eigenen Haushalt führen, sinngemäße Anwendung. Ist die zuzuweisende Woh­ nung eine Beamtenwohnung, so steht der zuständigen Behörde (§ 27) das Verfügungsrecht über die bisherige Wohnung des Hauseigentümers oder über die freigemachte oder zur Ver­ fügung gestellte Ersatzwohnung zu.

II. Dem Käufer eines Hauses ist, sofern er Inländer ist, eine durch den Wegzug des Verkäufers in dem Hause freiwer­ dende Wohnung zuzuweisen, wenn der Verkäufer auf Zuwei­ sung einer selbständigen, der Zwangswirtschaft unterliegenden Wohnung in einer anderen bayerischen Gemeinde und auf die Vormerkung auf eine mit öffentlichen Zuschüssen erbaute Neu-

1. VO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 18.

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bauwohnung schriftlich verzichtet ; diese Bedingungen entfallen, wenn die Wohnung des bisherigen Eigentümers durch Tod und durch Auflösung des Haushalts frei geworden ist. III. Wohnungen, die durch Bezug einer ohne Inanspruch­ nahme öffentlicher Mittel erstellten Neubauwohnung frei wer­ den, sind in der Regel einem vom bisherigen Wohnungsinhaber bezeichneten, für eine Familienwohnung in dem betreffenden Orte vorgemerkten oder eine solche freimachenden Wohnung­ suchenden zuzuweisen, wenn dies bei der Ortspolizeibehörde noch vor Freiwerden der Wohnung beantragt wird. Die Zu­ weisung soll dann unterbleiben, wenn bei einem Tausche dieser Wohnung die Zustimmung des Hauseigentümers nicht ersetzt werden könnte (§ 28). 1. Der Anspruch des Hauseigentümers und — wie jetzt ausdrücklich hervorgehoben — eines jeden Miteigentümers auf eine im Hause frei­ werdende Wohnung setzt nur mehr voraus, daß der Antragsteller eine an­ nähernd gleichwertige Wohnung freimacht oder zur Verfügung stellt. Das Erfordernis des Vorgemerktseins auf eine Familienwohnung entfällt. Auch diese Voraussetzung entfällt, wenn der Antragsteller seit mindestens zwei Jahren das Haus besitzt. Der Wohnbedarf des Antragstellers ist in keinem Falle zu prüfen; auch auf seine Staatsangehörigkeit kommt es hier — im Gegensatz zu Abs. 2 — nicht an. Verheirateten Kindern des Hauseigentümers (auch Miteigentümers­ ist diese Vorzugsstellung eingeräumt ebenso den Eltern, sofern diese einen eigenen Haushalt führen. Unter dieser Voraussetzung kann auch für den verwitweten Vater oder für die verwitwete Mutter allein eine Wohnung beansprucht werden. Wegen des Anspruchs des Hauseigentümers auf Auf­ hebung des Mietverhältnisses vgl. § 4a MSchG. 2. Der Anspruch des Hauskäufers auf eine durch den Wegzug des Ver­ käufers freiwerdende Wohnung ist an folgende Bedingungen geknüpft: 1. der Käufer des Hauses muß die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, also Inländer sein; 2. der Verkäufer muß schriftlichen Verzicht leisten sowohl auf die Zu­ weisung einer Altwohnung in einer anderen bayerischen Gemeinde als auch auf die Vormerkung auf eine Zuschußneubauwohnung; der Verzicht ist nicht erforderlich, wenn die Wohnung des Verkäufers durch Tod und durch Auflösung des Haushalts freigeworden ist. Voraussetzung ist, daß der Verkäufer aus der Gemeinde wegzieht; wegen Erweiterung dieses Grundsatzes auf den Fall des Todes und der Haushaltsauflösung vgl. letzten Halbsatz. Dem Kauf des Hauses steht der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung gleich LG. Mirzburg BayZ. 1929, 30. Auch außerhalb der Fälle des Abs. 2 kann es aus wirtschaftlichen Gründen zweckmäßig sein, Anträgen auf Zuweisung außer der Reihe an den Käufer des Anwesens zu entsprechen.

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Wohnungsmangelrecht.

b. Abs. 3 stellt weitere Grundsätze über die Zuweisung von Wohnungen beim sog. Neubautausch auf (vgl. § 15 Abs. 4). Erforderlich ist ein Antrag bei der Ortspolizeibehörde. Das Vorschlagsrecht des Mieters steht hinter dem Recht des Hauseigentümers, dessen Kinder und Eltern (Abs. 1 S. 1 u. 3) zurück; die vom Hauseigentümer am gleichen Ort freigemachte oder zur Verfügung gestellte Wohnung tritt in diesem Falle an Stelle der dem Haus­ eigentümer zuzuweisenden Wohnung. Stellt ein Beamter Antrag nach Abs. 3, so erlischt das Verfügungsrecht der zuständigen Behörde (§ 27) erst dann, wenn zwischen dem Borgeschlagenen und dem Hauseigentümer mit Zustimmung der Ortspolizeibehörde ein Mietvertrag abgeschlossen und die Wohnung vom Borgeschlagenen bezogen wird. Durch die Bestimmung des Satzes 2 soll verhindert werden, daß im Zuweisungsverfahren dem Haus­ besitzer ein Mieter aufgedrängt wird, der im Tauschverfahren vom Haus­ eigentümer mit Erfolg abgelehnt werden könnte. Das Recht der freien Vermietung des Hauseigentümers aus §25a Abs. 1 geht regelmäßig dem Borschlagsrecht des Mieters nach Abs. 3 vor.

§ 1». I. Die Ortspolizeibehörde kann dem Verfügungsberechtig­ ten für unbenutzte, rechtswidrig benutzte, beschlagnahmte oder demnächst freiwerdende Räume mehrere Wohnungsuchende zur Auswahl oder einen Wohnungsuchenden zuweisen. Ent­ scheidet sich bei der Zuweisung mehrerer Wohnungsuchender der Verfügungsberechtigte nicht binnen einer angemessenen, von der Ortspolizeibehörde festzusetzenden Frist für einen bestimmten Wohnungsuchenden, so weist ihm die Ortspolizei­ behörde einen solchen zu. Die Zuweisung hat die Wirkung einer Beschlagnahme (§ 12). II. Kommt zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem ausgewählten oder zugewiesenen Wohnungsuchenden einMietvertrag nicht zustande, so setzt auf Anrufen der Beteiligten oder der Ortspolizeibehörde das Mieteinigungsamt, in unmittel­ baren Gemeinden ohne Mieteinigungsamt die nach § 34 errichtete Beschwerdestelle, in mittelbaren Gemeinden ohne Mieteinigungsamt das Bezirksamt, falls für den Verfügungs­ berechtigten kein unverhältnismäßiger Nachteil aus der Ver­ mietung an sich oder aus der Person des Mieters zu besorgen ist, den Mietvertrag fest. Der Vertrag gilt als abgeschlossen, wenn der Wohnungsuchende nicht innerhalb einer von der zur Festsetzung des Zwangsmietvertrages zuständigen Stelle zu bestimmenden Frist bei dieser Widerspruch erhebt. Bis zur

1. BO. über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel in Bayern. § 19.

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endgültigen Festsetzung des Mietvertrages kann die Orts­ polizeibehörde oder die Aufsichtsbehörde den Vertrag vorläufig festsetzen. Der Inhalt des Vertrages gilt den Parteien gegen­ über als vereinbart. III. Die festsetzende Stelle kann dabei anordnen, daß die Gemeinde an Stelle des Wohnungsuchenden als Mieter gilt und berechtigt ist, die Mieträume dem Wohnungsuchenden weiter zu vermieten. In diesem Falle steht der Gemeinde ein Widerspruchsrecht gegen den Zwangsmietvertrag nicht zu. 1. Die Zuweisung Wohnungsuchender. Die Zuweisung hat, wie in Abs. 1 S. 3 jetzt ausdrücklich festgestellt ist, die Wirkung einer förmlichen Beschlagnahme (vgl. § 7 Anm. 1 und Kiefersauer BayGemVZ. 1924,625). Hervorzuheben sind: 1. die Richtlinien für die Auswahl nach der Art der Gebäude und Räume; diese Richtlinien bevorzugen a) Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst hinsichtlich der Privat­ wohnungen (§ 27) und der Dienstwohnungen sowie der öffentlichen Gebäude im Sinne des § 7 WMG. (§22); b) Mitglieder der Baugenossenschaften und ähnlicher Gesellschaften nach Maßgabe des § 21; c) Arbeiter und Angestellte bestimmter Betriebe hinsichtlich der Werk­ wohnungen usw. im Rahmen des § 20 Abs. 1 und 2; d) Arbeiter, Angestellte und diesen sozial gleichstehende Beamte des Kohlenbergbaues (§ 20 Abs. 3); 2. die Grundsätze der Zuweisung außerhalb der Reihenfolge der Vormerkung (§ 15); die Bevorzugung erfolgt a) durch Bordatierung der Vormerkung um mindestens je (§ 26 Abs. 3) s/4 Jahre «) bei versetzten Reichs-, Staats-, Gemeindebeamten, Geistlichen (§ 27 Abs. 13); /O bei Vertriebenen im Sinne des § 14 WMG. (§ 26 Abs. 1 Ziff. 1); y) bei pensionierten Reichs- und Staatsbeamten aus der Pfalz (§ 26 Abs. 1 Ziff. 2); ie Entscheidung des Mieteinigungsamtes (der Bezirks­ polizeibehörde) ist endgültig. Die §§ 11,12 treten an die Stelle der nach §§ 23 Abs. 2 ausgehobenen Bek. vom 15. Juli 1924 ie Eigenschaft als Vertriebener ist durch eine amtliche Bescheinigung festzustellen. Die obersten Landesbehörden be­ stimmen die Stellen, welche zur Ausstellung der Bescheinigung berechtigt sind. Bon der Beibringung der amtlichen Bescheini­ gung sind befreit alle Deutschen, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes im Besitze von amtlichen Flüchtlingspapieren waren. v2)et Anspruch nach Abs. 1 erlischt, sobald der Vertriebene eine Wohnung bezogen hat, sofern es sich nicht lediglich um eine Notwohnung handelt.

1. Reichswohnungsmangelgesetz. § 14.

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Familien mit drei oder mehr in der häuslichen Gemein­ schaft lebenden Kindern sind ebenfalls als „vorzugsweise zu berücksichtigende" anzusehen. 1. Die bisherige Fassung (§ 9c) dieser Vorschrift, die auch über die Geltungs­ dauer der WMVO. hinaus nach Maßgabe des § 18 gilt, lautet: „Deutsche, die unter den Einwirkungen des Krieges aus dem Auslande oder aus einem von dem Feinde besetzten oder infolge des Friedensschlusses aus dem Reichsgebiet ausscheidenden oder einer anderen Verwaltung unterstehenden Landesteil geflüchtet oder ver­ trieben worden sind, sowie Deutsche, die zur Erfüllung einer Wehr­ pflicht aus dem Ausland nach Deutschland zurückgekehrt sind und denen jetzt von der ausländischen Regierung die Rückkehr nach ihrem Wohnort verboten oder erschwert wird, sind von den Gemeinden bei der Unter­ bringung der Wohnungsuchenden vorzugsweise zu berücksichtigen." Der Kreis der vorzugsweise zu berücksichtigenden Personen kann durch landesrechtliche Anordnungen auf Grund des § 6 erweitert, aber nicht ein­ geschränkt werden. Darüber hinaus kann landesrechtlich das gesamte Bormerkungswesen (Reihenfolge der Vormerkungen und Zuweisung, Ableh­ nung von Vormerkungen) geregelt werden. Die Vorschriften der Abs. 2—4 sind eng auszulegen; doch ist ein Ver­ triebener im Sinne dieser Vorschriften auch dann noch vorzugsweise zu berücksichtigen, wenn er sich erst längere Zeit nach Erlangung der amtlichen Bescheinigung um eine eigene Wohnung bemüht KG. 17 Y 4/31 MietG. 1931, 78 oder wenn er in seiner früheren Heimat keine eigene Wohnung gehabt hat KG. 17 Y 11/31 Hertel Nr. 645. Wegen der Zuständigkeit zur Entscheidung vgl. Abs. 4. Personen, die lediglich aus wirtschaftlichen Grün­ den, in der Hoffnung, in Deutschland die Möglichkeit zu einem besseren Fortkommen zu finden oder die aus irgend welchen sonstigen Gründen besonderer Art ohne äußeren Zwang ihren Wohnsitz verlassen haben, haben keinen Anspruch auf vorzugsweise Unterbringung. Wegen des Wortlautes der neuen Fassung vgl. § 3 des Verdrängungsschädengesetzes vom 28. Juni 1921 in der Fassung vom 10. Juli 1923 RGBl. I S. 591 und vom 28. Okto­ ber 1923 RGBl. I S. 1015 — Gewaltschäden-Berordnung. Zuständig zur Ausstellung der Bescheinigung über die Vertriebeneneigenschaft ist in Bayern die Regierung, K. d. I., § 9 WMVO. — oben S. 70.

2. Der Anspruch auf vorzugsweise Unterbringung erlischt, wenn der Wohnungsuchende auf irgendeine Weise in den Besitz einer Wohnung gelangt ist, soweit es sich nicht nur um eine vorläufige Unterbringung, insbesondere in einer Notwohnung handelt. Das ist allgemeiner Rechtssatz, der in Abs. 5 besonders betont ist. Der Begriff der Notwohnung ist hier nicht festgelegt; es kann hier auf die Bundesratsverordnung vom 31. Oktober 1918 über die Gewährung von Baukostenzuschüssen aus Reichsmitteln ver­ wiesen werden. Hiernach sind als Notwohnungen anzusehen „Wohn­ gelegenheiten, die infolge des Umbaues oder der Instandsetzung von an und für sich für den dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten, aber baupolizeilich nicht von vornherein dafür zugelassenen Räumen, vorüber-

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Wohnungsmangelrecht.

gehend für Wohnzwecke herangezogen werden (Einrichtung von Dach- und Kellerwohnungen u. dgl.)". Diese Begriffsbestimmung bedarf jedoch hier einer Erweiterung: Notwohnungen im Sinne dieser Vorschrift sind auch an sich gebrauchsfähige Räume, die aber nach der Zahl der zum Hausstand gehörenden Personen, nach ihrer inneren Ausstattung und Einrichtung im Vergleich mit den persönlichen, geschäftlichen und gesellschaftlichen Bedürf­ nissen des Inhabers den Mindestanforderungen nicht entsprechen. Zustim­ mend Hertel S. 374. L. Die Kinder müssen in häuslicher Gemeinschaft (vgl. § 19 MSchG.) mit den Eltern leben, also ihrem Hausstand angehören. Unerheblich ist, ob sie minderjährig oder volljährig sind. Sind die Kinder verheiratet, so wird man einen selbständigen Hausstand auch dann annehmen können, wenn das junge Ehepaar bei den Eltern wohnen bleibt. Ob es sich um eheliche oder uneheliche Kinder eines Elternteils handelt, ist gleichgültig. Die uneheliche, unverheiratete Mutter bildet mit ihren Kindern keine Familie — a. M. Hertel S. 375 —, wohl aber der Witwer, die Witwe, der geschiedene Ehemann, die geschiedene Ehefrau mit den ihnen verbliebenen Kindern.

8 15. J9luf Räume, die zur Unterbringung von Angehörigen eines Betriebes von dem Inhaber des Betriebs errichtet oder vor dem 1. Juli 1918 zu Eigentum erworben oder gemietet sind, finden die Vorschriften der §§ 3 bis 5 nur dann Anwendung, wenn solche Räume länger als vier Wochen nicht benutzt sind und keine sichere Aussicht auf die Benutzung innerhalb der nächsten vier Wochen besteht. »Soweit es sich um die Unterbringung von Personen handelt, die vor dem 1. Januar 1914 ihren Wohnsitz in Deutsch­ land nicht hatten oder zu den im § 14 genannten Personen nicht gehören, bedarf der Inhaber des Betriebes der Zu­ stimmung der Gemeindebehörde, es sei denn, daß es sich um die Belegung von Räumen handelt, die für die besonderen Zwecke der Unterbringung von Wanderarbeitern oder ähn­ lichen Personen errichtet sind. 1. Sog. Werkwohnungen — dazu KG. 17 Y 139/24 EA. 374; 149/24 EA. 356; 69/27 EA. 621 Gausmeisterwohnungen); 13/28 EA. 692; 60/28 EA. 747 (Hausv erw alter w ohnungen); Schloßmann IW. 1926, 1094 und EA. 478; Brumby IW. 1925, 1774 und EA. 476; Regent DWohnA. 1926,346; Anker DWohnA. 1928, 251; Lilienthal MietG. 1929, 141; Lilienthal, Mietfragen des täglichen Lebens Band 5 — genießen, soweit sie nicht als Neubauten auf Gmnd des $ 12 ohnehin von den Vorschriften dieses Gesetzes

1. Reichswohnungsmangelgesetz. § 15.

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befreit sind, eine Ausnahmestellung. Werkwohnungen im Sinne dieser Vorschriften sind a) Neubauten, gleichviel, wann sie von dem Inhaber des Betriebes oder dessen Rechtsvorgänger errichtet sind, b) Altbauten, die vor dem 1. Juli 1918 zu Eigentum erworben und c) Altbauten, die vor dem 1. Juli 1918 von dem Unternehmer zur Unter­ bringung von Angehörigen des Betriebs gemietet sind.

Auf Räume in Gebäuden, die erst nach dem 30. Juni 1918 zu Eigentum erworben oder gemietet sind, finden diese Vorschriften keine Anwendung Brumby EA. 332. § 15 findet aber Anwendung, wenn die Räume zwar vor dem 1. Juli 1918 zu Eigentum erworben, zunächst aber anderen Zwecken und erst nachträglich, aber vor dem 1. Juli 1918 zur Unterbringung von Angehörigen des Betriebs verwendet worden sind KG. 17 Y 149/24 EA. 355, Meyer IW. 1925, 2325 oder wenn der Betriebsinhaber die Räume vor dem 1. Juli 1918 zur Unterbringung von Betriebsangehörigen nicht verwenden konnte KG. 17 Y 68/27 EA. 609, überhaupt bei nur vorüber­ gehender Aufgabe der Zweckbestimmung OLG. Rostock EA. 636, KG. 17 Y 117/28 EA. 791. Die Weiterbenutzung der Werkwohnung durch den Dienst­ pflichtigen nach Aufhebung des Dienstvertrages bedarf keiner Genehmigung des WA. KG. 17 Y 122/24 JR. 1925 Nr. 894.

2. Die Anwendbarkeit der §§ 3—5 hängt davon ab, daß a) die für die Unterbringung von Angehörigen des Betriebes — vorüber­ gehende Benutzung durch Betriebsfremde schadet nicht KG. 17 Y 139/24 EA. 374; vgl. aber auch OLG. Rostock DMR. 888, DWohnA. 1927, 556 und 1928, 94 — bestimmten Räume länger als vier Wochen für diesen Zweck nicht verwendet werden und b) daß keine sichere Aussicht besteht, daß diese Räume in den nächsten vier Wochen diesem Zweck zugeführt werden. Die Warteftist beträgt hiernach an sich acht Wochen, es sei denn, daß nach Ablauf der ersten vier Wochen bereits zu irgendeinem Zeitpunkt fest­ steht, daß innerhalb der Frist die Räume ihrem bestimmungsgemäßen Zweck nicht zugeführt werden können. Inanspruchnahme der Räume durch das WA. vor Ablauf der Frist hemmt den Lauf der Frist KG. 17 Y 69/27 EA. 621; a. M. Auerbach MietG. 1927, 151.

Die Nichtanwendung der §§ 3—5 bedeutet für den Inhaber des Be­ triebes volle Berfügungsfreiheit; sie ist bei Räumen, die für die besonderen Zwecke der Unterbringung von Wanderarbeitern oder ähnlichen Personen errichtet sind, eine absolute, auch durch Abs. 2 nicht eingeschränkte. Im übri­ gen bedarf die Verfügung des Unternehmers über die Räume der Zustim­ mung der Gemeindebehörde. Wegen der Werkwohnungen landwirtschaftlicher Saisonarbeiter vgl. Erlaß des RArbeitsMin. vom 13. Februar 1924 V 3 Nr. 10373/23 Hertel S. 382.

3. Die Zustimmung der Gemeindebehörde (Abs. 2) ist nur dann nicht notwendig, wenn es sich um die Unterbringung von Werkangehörigen handelt, die vor dem 1. Januar 1914 ihren Wohnsitz in Deutschland hatten

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Wohnungsmangelrecht.

oder um Personen der im § 14 bezeichneten Art (Vertriebene, kinderreiche Familien). Die Zustimmung der Gemeindebehörde muß nicht erteilt, sie kann auch unter Umständen versagt werden. In erster Linie müssen die Interessen des Betriebes berücksichtigt werden; nur bei großem Notstand kann deren Zurückstellung zugunsten allgemeiner Interessen verlangt werden. Zu­ stimmend Hertel S. 382. Maßgebend ist die bisherige Fassung des § 14, § 18. 4. Wegen der landesrechtlichen Regelung in Bayern vgl. § 20 WMBO. — oben S. 89.

§ 16. Gegen eine auf Grund dieser Verordnung im Einzelfalle getroffene Verfügung steht dem unmittelbar Betroffenen die Beschwerde zu. Das Nähere regelt die oberste Landesbehörde. 1. In Betracht kommen Verfügungen jeder Art, nicht bloß solche auf Grund der Ermächtigungsvorschrift des § 6 erlassene Anordnungen und Maßnahmen. Immer aber muß es sich um Verfügungen für einzelne Fälle handeln im Gegensatz zu allgemeinen Anordnungen (Richtlinien). Auch muß die Ver­ fügung — wenn auch zu Unrecht — auf das WMG. oder dessen Bollzugs­ vorschriften gestützt sein KG. 17 Y 33/25 IW. 1926, 1006; 17 Y 37/25 EA. 380; LG. Hannover EA. 779; KG. 17 Y 13/30 DMR. 999. Die Ver­ fügung muß eine bestimmte Person oder Sache oder beides zusammen betreffen. Bon wem die Verfügung ausgeht, ist gleichgültig: nicht nur die Gemeindebehörden, auch andere Behörden kommen hier in Frage. Die aere Regelung ist Sache des Landesrechtes vgl. auch KG. 17 Y 4/29 791. 2. Unmittelbar betroffen ist jeder, in dessen Rechtskreis die Verfügung eingreift. Nicht in Betracht kommt der bei der Zuweisung nicht berücksichtigte Wohnungsuchende KG. 303 und 330; KG. JR. 1926 Nr. 30, auch nicht der zugewiesene Wohnungsuchende KG. EA. 427; auch nicht der Schwarz­ mieter LG. I Berlin EA. 437, OLG. Rostock bei GutStZ. Nr. 496. Vgl. LG. Hamburg EA. 366 und 424, auch KG. 17 Y 33/25 JR. 1925 Nr. 896 und KG. 17 Y 87/25 IW. 1926, 1006 und Meyer Fußnote.

3. Abweichend vom bisherigen Recht (§ 9d) ist nicht das MEA. als zuständige Beschwerdestelle vorgeschrieben. Die Neufassung berücksichtigt die Wünsche einzelner Länder nach selbständiger Ausgestaltung des Beschwerdever­ fahrens; die Landesbehörde ist daher in der Lage, das Beschwerdeverfahren, insbes. die Bestimmung der Beschwerdestelle, selbständig, etwa im Anschluß an landesrechtlich bereits bestehende Einrichtungen, auszugestalten Hertel S. 388. Nach preußischem und bayerischem Landesrecht ist die Rechtsbeschwerde nach § 41 MSchG, auch gegen die auf Grund des § 16 tätigen Stellen zulässig. Vgl. KG. 17 Y 11/24 IW. 1924, 842, Nußbaum und Ruth IW.

1. Reichswohnungsmangelgesetz.

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§ 16.

1924, 834 und 838. Jede auf Grund des WMG. erlassene Verfügung ist beschwerdefähig KG. 17 Y 37/25 EA. 380; KG. 17 Y 15/31 MietG. 1931, 109; vgl. aber auch KG. 17 Y 74/25 IW. 1925, 2799. Die Rechtsbeschwerde steht jedem an dem Verfahren Beteiligten — Beeinträchtigung von Eigentum, Besitz oder Verttagsfreiheit KG. 17 Y 129/25 EA. 421; vgl. auch RG. H 33/26 LZ. 1927, 642 — zu Hertel S. 388, aber auch der Gemeindebehörde (WA.) KG. 17 Y 10/24 EA. 308; LG. Hamburg EA. 366. Insbesondere ist die Beschwerde zulässig gegen die Versagung der Genehmigung des WA. zum Wohnungstausch KG. 17 Y 74/24 EA. 330, gegen eine Verfügung des WA., durch die dem Räumungs­ pflichtigen die Instandsetzung der Wohnung unter Berufung auf das WMG. aufgegeben wird KG. 17 Y 33/25 EA. 389, endlich gegen eine Verfügung des WA., die bei Verstoß gegen § 2 dem Verfügungsberechtigten die Wieder­ herstellung des früheren Zustandes unter Androhung unmittelbaren polizei­ lichen Zwanges aufgibt KG. 17 Y 60/27 EA. 621 (§ 2 Anm. 6). Keine Beschwerde des Wohnungsuchenden gegen eine Verfügung, durch die ihm vom WA. eine Wohnung zugewiesen wird KG. 17 Y 125/25 EA. 427. Keine Beschwerde des Rauminhabers gegen die Erteilung der Zustimmung der Gemeindebehörde zum Abbruch KG. 17 Y 25/26 EA. 515. Keine Beschwerde gegen eine Entscheidung der Gemeindebehörde nach § 2 KG. 17 Y 88/25 EA. 403; KG. 17 Y 20/26 JR. 1926 Nr. 948 und KG. 17 Y 33/30 MietG. 1930, 144; Auerbach und Günther MietG. 1930, 138 und 184 und Lilienthal MietG. 1930, 207. Kein Beschwerderecht für den, der seine Wohnung dem Tauschgegner ausgeliefert hat LG. Hamburg EA. 424. Die Zurücknahme der Beschwerde wird erst wirksam, wenn die Zurück­ nahmeerklärung dem MEA. zugegangen ist KG. 17 Y 15/25 EA. 363. Über Verzicht auf die Beschwerde LG. Düsseldorf MietG. 1929, 215. Über Beschwerdemöglichkeit nach mündlicher Mitteilung, aber vor der Zustellung OLG. Rostock GutStZ. Nr. 584. Über den Umfang der Prüfungspflicht des MEA. im einzelnen Hertel S. 393. Das MEA. darf die Beschwerde gegen die Inanspruchnahme von Räumen durch das WA. nicht mit der Begründung zurückweisen, daß die Durchführung nur zulässig sei, wenn dem Betroffenen ein Ersatzraum gestellt werde. Eine solche Entscheidung unterliegt der Rechtsbeschwerde KG. 17 Y 74/25 JR. 1925 Nr. 1646. Bestätigung der Räumungsverfügung unter Gewährung einer Räumungsfrist ist dagegen zulässig KG. 17 Y 18/26 EA. 456. Über Beschwerde des Schwarzmieters nach rechtskräftiger Beschlag­ nahme LG. I Berlin EA. 437; Askenasy und Bandmann EA.459; vgl. auch Regierung von Unterfranken EA.613; MEA. Heidelberg MietG. 1930, 19. Bei Beschlagnahme ist zu entscheiden, ob sie zur Zeit ihres Erlasses berechtigt war LG. Hamburg EA. 448 und KG. 17 Y 67/26 EA. 499. Wegen der Regelung des Beschwerdeverfahrens in Bayern vgl. §§ 34ff. WMVO. - oben S. 144ff.

4. Die Beschwerde nach § 16 ist unter Umständen nicht der einzige Rechts­ behelf, der dem von der Verfügung Bettoffenen zu Gebote steht. In BeKtefers au er, Grundstücksmiete. 4. Aufl.

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434

Wohnungsmangelrecht.

tracht kommt hier insbesondere die Zulässigkeit des Rechtswegs, d. i. die Möglichkeit, Rechtsansprüche vor dem ordentlichen Gericht geltend zu machen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs kommt zunächst in Betracht, daß das WMG. für verschiedene Ersatzansprüche, die sich aus Anlaß oder im Zusammenhang mit Verfügungen auf Grund dieses Gesetzes ergeben (RGZ. 104, 159 zu § 4; RGZ. 106, 149 zu § 5) keinerlei Zuständigkeitsnormen gibt: es werden weder die ordentlichen Gerichte für zuständig oder für ausgeschlossen erklärt noch andere Behörden zu deren Entscheidung berufen. Vor die ordentlichen Gerichte gehören nach § 13 GVG. alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche nicht ent­ weder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungs­ gerichten begründet ist oder reichsgesetzlich besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Eine Begriffsbestimmung für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ist in § 13 GVG. nicht gegeben; dieser Begriff wird vielmehr vom Gesetzgeber als bekannt vorausgesetzt. Die Anwendung des § 13 GVG. steht hiernach im engsten Zusammenhang mit dem Wechsel der Anschauungen über privates und öffentliches Recht: mehr und mehr sind Rechtsgebilde, die früher als privatrechtliche angesehen wurden, als dem öffentlichen Recht angehörend erkannt worden RG. SeuffA. 73 Nr. 208. Andererseits darf die entgegengesetzte moderne Entwicklung in der Richtung auf eine Ver­ schmelzung des öffentlichen Rechtes mit dem Privatrecht im Sinne einer Beschränkung der privaten Rechtsordnung durch öffentliche Normen nicht unbeachtet gelassen werden. 813 GVG. ist jedenfalls dahin aufzufassen, daß sich diese Vorschrift auf alle Streitigkeiten bezieht, die nach der zur Zeit des Erlasses des GVG. geltenden Rechtsauffassung oder nach der Auf­ fassung des betreffenden späteren Gesetzes durch die ordentlichen Gerichte zu entscheiden waren RGZ. 106, 177. Maßgebend für die Beurteilung einer Streitsache als bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch abgeleitet wird, also die tatsächliche Begründung des mit der Klage erhobenen Anspruchs, der Aufbau und Antrag der Klage RGZ. 89, 208; 93, 255; 102, 246, 251; 103, 52; 104, 207; 105, 38; 106, 149; RG. BayZ. 1925, 375. Das Klagevorbringen ist regelmäßig ausschlaggebend ohne Rücksicht auf die Richtigkeit und Erweislichkeit der vom Kläger auf­ gestellten Behauptungen — RG. BayZ. 1923, 175; RGZ. 103, 18; LZ. 1923, 563 — und ohne Rücksicht auf die Verteidigung des Beklagten RGZ. 93,255. Dieser Grundsatz bedarf der Einschränkung nach zwei Richtungen: 1. der Kläger kann durch seine Prozeßbehauptungen nicht willkürlich einen Streit, der offensichtlich auf öffentlichrechtlichem Gebiet liegt, zu einer bürgerlichen Rechtsstteitigkeit nach § 13 GVG. gestalten RGZ. 71,423; RG. BayZ. 1921, 151; PreußKKGH. IW. 1922, 839; BayKKGH. BayZ. 1924, 174; 2. es gilt der Grundsatz, daß für öffentlichrechtliche, dem ordentlichen Rechtsweg entzogene Ansprüche der Rechtsweg nicht dadurch eröffnet werden kann, daß sie in die Form einer Schadensersatzforderung gekleidet werden RGZ. 70, 395 ; 93, 258; 103, 52; 105, 40; 110,164; PreußKKGH. PrVerwBl. 44,404; 45,404. Dieser Gesichtspunkt wird insbesondere dann zur Geltung kommen, wenn es sich um Eingriffe

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1. Reichswohnungsmangelgesetz. § 16.

der Ortspolizeibehörden oder der von ihr beauflagten Stelle (Woh­ nungsamt) handelt, die in Erfüllung der ihnen übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgaben vorgenommen werden v. d. Pfordten BayGem.BZ. 1921, 558. Abzulehnen ist insbesondere die Auffassung, daß ver­ mögensrechtliche Ansprüche immer oder doch im Zweifel auch bürger­ lich-rechtliche Ansprüche seien und im ordentlichen Rechtsweg ausge­ tragen werden könnten a. 20t. Helmreich BayGemBZ. 1918, 233; Reindl BayZ. 1918, 201. Über die Grenzgebiete zwischen öffentlichem und privatem Recht vgl. RGZ. 104,141; 107, 41; RG. IW. 1924, 775; RG. JR. 1925 Nr. 408.

Einzelheiten: RG. IW. 1923, 2898 (Begriff des Rechtsweges im Sinne des Art. 153 RBerf.), dazu RGZ. 102, 161 im Gegensatz zum BayKKGer. LZ. 1921, 422 und v. d. Pfordten BayGemBZ. 1921, 564 und 614. Für die Mietzinsklage ist der Rechtsweg auch dann nicht ver­ schlossen, wenn die Festsetzung der Miete einer besonderen Spruchbehörde übertragen ist; weigert sich der Mieter das MEA. anzugehen, so hat das ordentliche Gericht ihn als beweisfällig anzusehen und sein Urteil lediglich auf den Bertragsinhalt zu stützen RGZ. 103, 306.

Der Rechtsweg wurde für unzulässig erachtet: bei Klage auf Fest­ stellung der Ungültigkeit eines Zwangsmietvertrages (PreußKKGH. IW. 1922,535), bei Beschlagnahme oder Rationierung einer Wohnung durch die Gemeindebehörde (KG. Recht 1921 Nr. 1489; OLG. Düsseldorf LZ. 1920, 581; BayKKGH. BayZ. 1920, 338; Preuß. OBG. IW. 1923, 795; Bay. KKGH. BayZ. 1924, 174; BadKKGH. GutStZ. Nr. 463; RG. BayZ. 1925, 375), bei Räumungsklage eines Wohnungsinhabers gegen den zugewiesenen Wohnungsuchenden (Preuß. OBG, IW. 1923, 795), bei Enteignung auf Grund der BO. vom 9. Dezember 1919 zur Hebung der dringendsten Wohnungsnot RG. BayZ. 1923, 175. Vgl. weiterhin RG. LZ. 1924, 232; BayZ. 1923, 175; Recht 1923 Nr. 347; RGZ. 109, 294; KG. IW. 1924, 848; BayObLG. BayZ. 1924, 175.

Dagegen wurde der Rechtsweg für zulässig erklärt: bei Geltend­ machung einer auf Vertrag begründeten öffentlichrechtlichen Last (RG. LZ. 1921, 106), bei Streitigkeiten aus Mietverträgen, die am Stichtag der AbgeltungsVO. noch nicht ausgeführt waren (RGZ. 105, 395), bei Ersatz­ ansprüchen gegen die Stadtgemeinde wegen Amtspflichtverletzungen des Leiters des Wohnungsamtes bei Beschlagnahme einer angeblich unbenutzten Wohnung (RG. IW. 1921, 7427 und RGZ. 104,159), bei Ersatzansprüchen wegen Verwendung von Einrichtungsgegenständen aus Anlaß der Inan­ spruchnahme von Räumen nach § 5 WMBO. (RGZ. 106,149), bei negativer Feststellungsklage des Mieters gegenüber einer ohne Genehmigung des MEA. erfolgten Kündigung des Vermieters (LG. Stuttgart IW. 1922, 828"), bei Feststellungsklage gegen die Entscheidung des MEA. (§ 4 WMG.), wenn dieses die Grenzen seiner Tätigkeit überschritten hat (RG. LZ. 1923, 563), bei Herausgabe und Entschädigungsansprüchen aus Anlaß eines zweckwidrigen und den Rahmen der gesetzlichen Befugnisse des WA. überschreitenden Vollzugs einer gesetzlich zulässigen Beschlagnahme Bay. ObLG. DIZ. 1924,237. Vgl. fernerhieher RGZ. 105,253; RG. IW. 1924,

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436

Wohnungsmangelrecht.

800; Preuß. KKGH. PrVerwBl. 45, 404; BayKKGH. BayZ. 1924, 198; OLG. Jena EA. 314. Zu der ganzen Frage Krückmann LZ. 1923, 593; Hofacker LZ. 1924, 113; Hartmann ArchZivPrax. 109, 144; 113, 145; 121, 297; Brandts ArchZivPrax. 121, 188.

5.

Soweit hiernach der Rechtsweg unzulässig ist, können die bayerischen Verwaltungsbehörden bei anhängigen Streitsachen nach Maßgabe des Gesetzes vom 18. August 1879 die Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden betr., den Kompetenzkonflikt erheben.

8 17. Mit Geldstrafe von mindestens 20000 Jb und mit Ge­ fängnis oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1. wer einem gemäß § 3 erlassenen Verbote zuwiderhandelt, 2. wer einer gemäß § 3 erlassenen Anordnung zuwider vor­ sätzlich eine Anzeige oder Auskunft nicht oder nicht recht­ zeitig erstattet oder wissentlich unrichtige oder unvoll­ ständige Angaben macht oder eine Besichtigung nicht ge­ stattet, 3. wer einer Anordnung zuwiderhandelt, die auf Grund des § 6 erlassen worden ist. Strafausmaß: 3 RM. Mindeststrafe, 10 000 RM. Höchststrafe Art. I, V der VO. über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 RGBl. I S. 44; § 2 der zweiten DurchfBO. zum Münzgesetz vom 12. Dezember 1924, RGBl. I S. 775. Dazu Erlaß des RArbM. vom 13. Juni 1928 V 8 3 Nr. 3264/28; Hertel S. 401; § 41 WMBO. — oben S. 129. Die Strafandrohungen gelten reichsrechtlich ohne weiteres; die Länder und Gemeinden sind zu einer Änderung der Bestimmungen nicht befugt Hertel S. 401; Stern S. 97. Zuwiderhandlungen sind Vergehen. Fahr­ lässigkeit ist lediglich bei Verstoß gegen Ziffer 1 und 3 strafbar. JrrtumsBO. findet Anwendung BayObLG. II 111/27 BayZ. 1927, 392. Über die Möglichkeit einer Jdealkonkurrenz dieser Vorschrift mit § 137 StGB. (Arrestbruch) vgl. RG. LZ. 1924, 340. Über Erschleichung einer Wohnungszuweisung RG. DIZ. 1924, 451. Zuwiderhandlung gegen § 8 ist nicht strafbar. In Ziffer 1 soll es statt § 3 heißen: § 2; Berichtigung RGBl. 1923 I S. 878.

§ 18. In Gesetzen, Verordnungen oder Anordnungen, in denen auf Vorschriften der Bekanntmachung über Maßnahmen gegen

2. Erste Verordnung des Reichspräsidenten.

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Wohnungsmangel verwiesen ist, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an ihre Stelle. Soweit jedoch im § 35 des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter vom 1. Juni 1923 (Reichsgesetzblatt I S. 353) sowie in den §§ 8 und 15 dieses Gesetzes auf § 14 Bezug genommen ist, bleibt die bisherige Fassung maßgebend. Diese gilt auch weiter­ hin für Personen, die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Ge­ setzes auf Grund der bisherigen Fassung des § 14 bei einer Gemeindebehörde als Wohnungsuchende zur vorzugsweisen Berücksichtigung eingetragen waren. Ein Endtermin ist für die Geltungsdauer des WMG. im Gesetz nicht vorgesehen. Durch die BO. des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirt­ schaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 RGBl. I 517, 598 Siebenter Teil Kapitel IV Artikel I ist jedoch bestimmt, daß das Wohnungsmangel­ gesetz — im Gegensatz zu der Regelung hinsichtlich RMG. und MSchG. Art. II Abs. 4 vorbehaltlos — am 1. April 1934 außer Kraft tritt.

2. Erste Verordnung des Reichspräfidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 1. Dezember 1930 RGBl. I S. 517.

Siebenter Teil: Wohmmgswirtschaft. Kapitel I: Förderung und Berbilligung des SleinwohnungsbaueS. Als Grundsatz gilt, daß die Mittel aus der Geldentwertungsabgabe den Ländern zufließen und von diesen unabhängig vom örtlichen Aufkommen verteilt werden. In Bayern galt dieser Grundsatz schon bisher; vgl. die oben S. 32 angeführten Baudarlehensbestimmungen. Über die B er w end ung der Wohnungsbaumittel hat der Reichsarbeitsminister Grundsätze aufgestellt, die als „Reichsgrundsätze für den Kleinwohnungsbau" am 10. Januar 1931 RGBl. I S. 9 bekannt­ gegeben wurden; vgl. dazu Ebel MietG. 1931, 57.

Kapitel II:

Übernahme von Bürgschaften zugunsten deS Kleinwohnungsbaues. Das Reich übernimmt, soweit dies nicht allein von den Ländern und Gemeinden geschieht, Bürgschaften für Darlehensverpflichtungen zur För­ derung des Wohnungsbaues in einem durch den Reichshaushaltsplan festzusetzenden Höchstbetrag.

Kapitel iil: Gemeinnützigkeit von Wohnungsunternehmen. Dieses Kapitel wird kurzweg „Gemeinnützigkeitsverordnung" genannt. Darin wird das Verfahren über die Anerkennung der Gemein-

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Wohnungsmangelrecht.

nützigkeit von Wohnungsunternehmen, die sich satzungsgemäß und tatsächlich nur mit dem Bau und der Betreuung von Kleinwohnungen befassen, grundsätzlich und ausschließlich geregelt. Zur Ausführung sind besondere Verordnungen erlassen worden: vom 20. März 1931 RGBl. I 73 und vom 22. August 1931 RGBl. I 463; vgl. auch die BO. über die Steuerbefteiung gemeinnütziger Wohnungsunternehmen vom 22. Mai 1931 RGBl. I 263. Für Bayern ist am 9. Mai 1931 StAnz. Nr. 109, GBBl. S. 135 nachstehende Durchführungsverordnung erlassen worden, die mit der Gemeinnützigkeitsverordnung am 2. Januar 1931 in Kraft getreten ist. In § 6 Abs. 2 ist überdies die oben S. 144 beanstandete Vorschrift des § 20 Abs. 3 der BO. über die Mietzinsbildung auch formell aufgehoben worden. Die §§ 1—5 der DurchführungsBO. lauten:

§ iI. ,,Oberste Landesbehörde" im Sinne der Gemeinnützigkeitsverordnung und der Ausführungsverordnung des Reichsarbeitsministers hierzu ist das Staatsministerium für Landwirtschaft und Arbeit (AbteilungArbeit). II. ,,Anerkennungsbehörden" im Sinne der in Abs. I genannten Ver­ ordnungen sind die Bezirksverwaltungsbehörden. In kreisunmittelbaren Gemeinden werden die Geschäfte der Anerkennungsbehörde von dem ersten Bürgermeister persönlich oder unter seiner Leitung und Verant­ wortung durch Gemeindebeamte versehen; für die Stellvertretung des ersten Bürgermeisters gilt Art. 18 der Gemeindeordnung. III. Zur Genehmigung der Muster für die Miet- und Nutzungsverträge (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Ausführungsverordnung vom 20. März 1931) sind die Anerkennungsbehörden zuständig. § 2. I. Der Antrag auf Anerkennung ist bei der Anerkennungsbehörde (§ 1) schriftlich in doppelter Ausfertigung einzureichen. Dem Anträge sind Belege beizufügen, welche das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 2 mit 15 der Gemeinnützigkeitsverordnung ersehen lassen, so insbesondere die Satzung und ein Verzeichnis der Mitglieder, allenfalls auch die letzte Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung, der letzte Revisionsbericht und etwaige über das Vorliegen der Gemeinnützigkeit früher ausgestellte amtliche Bestätigungen. II. Die Verhandlungen sind, soweit erforderlich, von Amts wegen zu ergänzen; insbesondere können Vorakten erholt, Zeugen und Sachver­ ständige einvernommen werden. Gehört das Wohnungsunternehmen einem Revisionsverband an, so ist dieser zu hören. III. Beteiligte in dem Verfahren sind das Wohnungsunternehmen und das Landesfinanzamt, in dessen Bereich das Wohnungsunternehmen seinen Sitz hat. Dem Landesfinanzamt ist vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Äußerung zu geben. IV. Die Anerkennungsbehörden entscheiden über die Anerkennung, Versagung oder Entziehung der Anerkennung durch Beschluß. Die Entscheidungen sind schriftlich auszufertigen und den Beteiligten zuzu-

2. Erste Verordnung des Reichspräsidenten.

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stellen. Der Versagung und der Entziehung der Anerkennung ist eine Begründung beizufügen. Die Entscheidungen sind mit einer Beschwerde­ belehrung zu versehen. Ein Abdruck der Entscheidung ist gleichzeitig mit der Zustellung dem Staatsministerium für Landwirtschaft und Arbeit (Abteilung Arbeit) vorzulegen. § 3I. Gegen die Beschlüsse der Anerkennungsbehörden über die An­ erkennung, Versagung oder Entziehung der Anerkennung (§ 2 Abs.IV) ist Beschwerde an die Regierung, Kammer des Innern, zulässig. Die Beschwerde ist binnen einem Monat nach Zustellung des Beschlusses bei der Anerkennungsbehörde oder bei der Regierung, Kammer des Innern, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen. Die Regierung, Kammer des Innern, entscheidet über die Beschwerde im verwaltungs­ rechtlichen Verfahren; der Bescheid des verwaltungsrechtlichen Senats ist mit einer Beschwerdebelehrung zu versehen. Ein Abdruck des Be­ scheides ist gleichzeitig mit der Zustellung dem Staatsministerium für Landwirtschaft und Arbeit (Abteilung Arbeit) vorzulegen. II. Im übrigen ist gegen die Verfügungen der Anerkennungs­ behörden Beschwerde zur Regierung, Kammer des Innern, zulässig. Diese entscheidet endgültig. § 4I. Der Gegenstand des Unternehmens einer Genossenschaft soll auf den Geschäftsbetrieb innerhalb eines Kreises beschränkt sein. II. Eine Genossenschaft soll mindestens 20 Genossen haben. § 5. Beim Inkrafttreten dieser Verordnung bestehende Wohnungs­ unternehmen, die sich als gemeinnützig bezeichnen oder von den Behörden als gemeinnützig behandelt werden, haben spätestens bis zum 31. Dezem­ ber 1932 ihre Anerkennung als gemeinnützig zu erwirken. Über die Erhebung von Landessteuern und Abgaben von gemein­ nützigen Wohnungsunternehmen vgl. die den gegenwärtigen Rechtszustand zusammenfassende MinBekanntm. vom 5. August 1931 StAnz. Nr. 184. Die Bescheinigung der obersten Landesbehörde — $ 33 Abs. 1 Satz 2 MSchG., § 16 Abs. 1 Satz 3 RMG. — ist der Nachprüfung durch das ordent­ liche Gericht entzogen Kiefersauer ErgBd. 1929 S. 47; KG. 11. November 1929 DMR. 1000. Die Bescheinigung hatte nur deklaratorische, nicht kon­ stitutive — rechtsgestaltende — Wirkung, so daß das Vorhandensein der Gemeinnützigkeit als schon zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages vor­ handen angesehen werden konnte. Anders ist die Rechtslage nach dem Inkrafttreten der Gemeinnützigkeitsverordnung zu beurteilen. Die Aner­ kennungsbehörde hat die Anerkennung beschlußmäßig festzustellen und darf nach § 17 Abs. 2 den Zeitpunkt, zu dem die Anerkennung wirksam werden soll, nicht vor dem Tag des Eingangs des Antrages auf Anerkennung festlegen. Wird ein Zeitpunkt nicht festgelegt, so wirkt nach § 17 Abs. 3 die Anerkennung von dem Tage, unter dem die Entscheidung ergeht. Die Anerkennung hat also konstitutive, rechtsgestaltende Wirkung. Soweit daher

440

Wohnungsmangelrecht.

vor dem 2. Januar 1931 eine Bescheinigung der obersten Landesbehörde nicht ausgestellt war, liegt eine Anerkennung bis zur Entscheidung gemäß § 17 der GemeinnützigkeitsBO. nicht vor mit allen sich aus der Nichtanwend­ barkeit der §§ 33 MSchG., 16 RMG. ergebenden Rechtsfolgen. Darum liegt es im Interesse aller Wohnungsunternehmen raschenstens Antrag auf Anerkennung zu stellen; bisher erteilte Bescheinigungen behalten nur im engen Rahmen des § 31 vorläufige Gültigkeit. Kapitel IV:

Abbau und Beendigung der Wohnungszwangswirtschast.

Artikel I Das Wohnungsmangelgesetz tritt am 1. April 1934 außer Kraft. Im Gegensatz zu der bisherigen Regelung in § 24 RMG. und § 54 MSchG, war für das Wohnungsmangelgesetz ein Endtermin für die Geltungsdauer dieses Gesetzes nicht bestimmt — oben S. 437 — Art. I bestimmt einen solchen Endtermin für das WMG., ohne jedoch einen stufenweisen Abbau, wie dies für MSchG, und RMG. in Art. II Abs. 1 geschehen, vorzusehen. Zwangsmietverträge — § 4 WMG. — bleiben auch über den 1. April 1934 hinaus in Gültigkeit, soweit sie nicht im Wege des Aufhebungsverfahrens oder nach Wegfall des Mieterschutzes durch Kündi­ gung beendigt sind Günther DWohnA. 1927,97; a. M. Dahmann DWohnA. 1927,156. Auf Grund des § 5 WMG. beschlagnahmte Räume sind gemäß § 5 Abs. 3 mit dem 1. April 1934 dem Verfügungsberechtigten zurückzu­ gewähren. Wegen der Möglichkeit landesrechtlicher Außerkraftsetzung des WMG. vor diesem Zeitpunkt vgl. Art. II Anm. 1.

Artikel II iDie Vorschriften des Reichsmietengesetzes und des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter gelten nicht für Mietverträge, die über frei gewordene oder frei werdende Räume neu abgeschlossen werden, soweit diese beim Vertrags­ schluß einer Inanspruchnahme auf Grund des Wohnungs­ mangelgesetzes nicht unterliegen; ein neuer Mietvertrag liegt nicht vor, wenn im Falle eines Tausches die Mieter in die beiderseitigen Mietverträge eintreten. Die Vorschriften der §§ 49a und 52e des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteini­ gungsämter bleiben unberührt; sie gelten auch für Räume, die nach Satz 1 von den Vorschriften des Gesetzes ausgenommen sind. "Die obersten Landesbehörden können mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers ausnahmsweise den Abbau auch in anderer Weise als nach Abs. 1 durchführen.

2. Erste Verordnung des Reichspräsidenten.

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m2)ie Vorschriften des Abs. 1 finden keine Anwendung auf Räume, die am 31. März 1934 noch einer Inanspruchnahme auf Grund des Wohnungsmangelgesetzes unterliegen. "Das Reichsmietengesetz und das Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter treten am 1. April 1936 außer Kraft, falls bis zu diesem Zeitpunkt ein Gesetz in Kraft tritt, wodurch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Miete unter sozialen Gesichtspunkten ausgestaltet werden. 1. In Abs. 1 werden die reichsrechtlichen Grundsätze über die weitere Lockerung der Zwangswirtschaft für Wohnräume und Nichtwohnräume aufgestellt. Die Herausnahme von Räumen aus den Vorschriften des RMG. unb des MSchG, wird abgestellt auf die Zulässigkeit oder Unzulässig­ keit einer „Inanspruchnahme auf Grund des Wohnungsmangelgesetzes" im Zeitpunkt des Bertragsschlusses. Diese Voraussetzung zu bestimmen, dürfte mancherlei Schwierigkeiten bereiten — Lilienthal MietG. 1931,53 —, da in jedem einzelnen Fall von den Gerichten selbständig geprüft werden muß, ob die Räume zur Zeit des Vertragsschlusses einer Inanspruchnahme unterlagen oder nicht. Art. VI ermächtigt die obersten Landesbehörden von sich aus — ohne jede Einschränkung und ohne Zustimmung des Reichs­ arbeitsministers — festzulegen, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, daß Räume einer Inanspruchnahme auf Grund des WMG. unterliegen oder nicht. Damit ist trotz der reichrechtlichen Grundsätze, wie sie in Abs. 1 niedergelegt sind, die Auflockerung der Zwangswirtschaft für die Zeit vom 1. April 1931 bis 1. April 1934 (Abs. 3) nach Tempo und Ausmaß der landesrechtlichen Regelung überlassen. Eine völlige Außerkraftsetzung des WMG. ist dadurch bereits vor dem 1. April 1934 ermöglicht. Bayern hat von der Befugnis des Art. VI in der VO. vom 16. März 1931 — oben S. 131 — Gebrauch gemacht. Die Durchbrechung der in Abs. 1 aufgestellten Reichsgrundsätze ist weiterhin mit Zustimmung des Reichsarbeitsministers, wenn auch nur „ausnahmsweise" möglich: Der Abbau der Wohnungszwangswirtschaft kann in anderer Weise d. h. nach anderen Gesichtspunkten z. B. nach Raumarten, Raumgröße, durch teilweise Feststellung des Mieterschutzes, durch Erfassung bestehender oder neu begründeter Mietverhältnisse usw. durchgeführt werden. Während Preußen bisher von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, ist in Bayern auf Grund dieser Ausnahmebestimmung mit Zustim­ mung des Reichsarbeitsministers und im engen Anschluß an die Richtlinien des Abs. 1 — Stümper DMR. 1151 — das bisherige System der Lockerung der Zwangswirtschaft durch die V. LockV. vom 16. März 1931 — oben S.41 — fortgesetzt worden. Die Regelung bleibt in Bayern einelandesrechtliche gemäß § 52 MSchG.; deshalb bleibt das Schiedsverfahren auf Grund des § 52a MSchG, und das Recht der Übergangszeit nach $ 52e MSchG., § 22a RMG. — oben S. 12 — samt Übergangsbestimmungen der §§ 52b—d MSchG, nach wie vor in Geltung. Auch die Anwendbarkeit der §§ 49a, 49b MSchG, über Mietwucher ist — auch ohne formale Auftechterhaltung,

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Wohnungsmangelrecht.

oben S. 42 — zweifelsfrei, da die landesrechtliche Lockerung sich auf den ersten Abschnitt, §§ 1-^36 MSchG, beschränkt.

2. Die in Abs. 4 in Aussicht gestellte völlige Außerkraftsetzung des Mie­ terschutzgesetzes und des Reichsmietengesetzes am 1. April 1936 ist nur eine bedingte; Voraussetzung ist die Schaffung eines Gesetzes, das das Mietrecht des BGB. „unter sozialen Gesichtspunkten ausgestaltet". Diese Voraus­ setzung muß durch ein Gesetz festgestellt werden a. M. Friedrichs MietG. 1930, 204; die §§ 24 Abs. 2 RMG. und 54 MSchG, sind durch die NotB. gestrichen, so daß tatsächlich diese beiden Gesetze zunächst zeitlich unbeschränkt gelten. Dringend notwendig wäre in erster Linie ein wirklich brauchbares Übergangsrecht Kiefersauer DMR. 1080, Brumby IW. 1930, 3839, da es nicht angängig erscheint, das Notrecht in dem bisherigen, durch das rudimen­ täre Recht der Übergangszeit — oben S. 12 — bedingten Ausmaß weiterhin abzubauen, um es späterhin — nach Schaffung eines sozialen Mietrechts, dazu Ruth und Michaelis MietG. 1931,117 und 120 — wiederum zum Teil wenigstens aufzubauen. Zur Kritik der NotB. vgl. Brumby, Kiefersauer DMR. 1180; Brumby IW. 1930, 3837; Friedrichs, Hertel, Auerbach MietG. 1930, 204ff.; Hertel, Lange, Lilienthal, Lutz, Schulze und Stern DMR. 1095ff.; Lilienthal MietG. 1931, 53 und 71.

Artikel III enthält Änderungen des Reichsmietengesetzes, die im Text und in den Erläuterungen bereits berücksichtigt sind.

Artikel IV enthält Änderungen des Mieterschutzgesetzes, die im Text und in den Erläuterungen bereits berücksichtigt sind.

Artikel V Ist in rechtskräftigen Urteilen oder Vergleichen, welche die Herausgabe eines vermieteten oder sonst zum Gebrauch über­ lassenen Raumes zum Gegenstände haben, die Zwangsvoll­ streckung von der Sicherung eines Ersatzraums abhängig ge­ macht und findet in der Gemeinde oder dem Teile der Ge­ meinde eine Inanspruchnahme von Räumen auf Grund des Wohnungsmangelgesetzes nicht statt, so kann der Vermieter die Aufhebung der Vollstreckungsbeschränkung verlangen. § 52d des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter findet Anwendung. 1. Art. V gilt in Bayern seit 1. April 1931 zufolge der BO. vom 16. März 1931 — oben S. 131 — in allen wohnungsmangelfreien Gemeinden — § 40a WMVO. Die Streitfrage, ob Art. V nur in jenen Gemeinden gilt, in denen eine Inanspruchnahme von Räumen auf Grund des WMG.

3. Zweite Verordnung des Reichspräsidenten.

443

schlechthin unzulässig ist — Hertel Nachtrag Bd. VII S. 17; Brumby IW. 1930,3838; Lilienthal MietG. 1931,54 — besteht hiernach für Bayern nicht.

2. Über den Antrag des Vermieters auf Aufhebung der Vollstreckungs­ beschränkung entscheidet das Amtsgericht ohne Beisitzer auf Grund münd­ licher Verhandlung durch Urteil Lilienthal MietG. 1931,54; AG. Perleberg MietG. 1931,135; a. M. Hertel Nachtrag Bd. VII S. 17, der die Zuziehung von Mietschöffen für erforderlich erachtet, weil es sich um Nachwirkungen des alten Mietverhältnisses handle. Gegen das Urteil des AG. findet sofortige Beschwerde statt. Dem Mieter kann entsprechend § 52d Satz 2 MSchG, vom AG. eine angemessene Räumungsftist zugebilligt werden, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich erscheint. Die Entscheidung über die Räumungsfrist ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar entsprechend § 6 Abs. 5 Satz 3 — bis zur NotV. Satz 2 — MSchG.

Artikel VI Die obersten Landesbehörden können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen im Sinne dieses Kapitals anzuneh­ men ist, daß Räume einer Inanspruchnahme auf Grund des Wohnungsmangelgesetzes unterliegen oder nicht unterliegen. Vgl. die Erl. zu Art. II. Die Vorschrift bezieht sich auch auf Art. V; wegen der Regelung in Bayern siehe oben S. 131.

Artikel VII Die Vorschriften dieses Kapitels treten am 1. April 1931 in Kraft.

3. Zweite Verordnung des Reichspräfidenten zur

Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Vom 5. Juni 1931 RGBl. I S. 279.

Sechster Teil: Wohmmgswirtschaft. Kapitel I:

Zinszuschüsse.

Die Länder oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, aus den Mitteln der Geldentwertungsabgabe für eine Anzahl von Neubau­ wohnungen Zinszuschüsse zu gewähren. Die erforderlichen Mittel sind „aus dem Neuanfall an Steuern und aus den zur Verfügung stehenden Rückflüssen*) auf Grund des Geldentwertungsausgleichsgesetzes zu ent-

♦) Die Rückflüsse d. s. Rückzahlungen der Darlehenssumme im Ganzen oder in Teilen, Zins- und Tilgungsbeträge, etwaiger Ersatz für Zins- und

444

Wohnungsmangelrecht.

nehmen. Reichen diese Mittel nicht aus, so sind den Ländern zur Deckung dieser Ausgaben andere Steuermittel, in erster Linie solche aus einer Steuer auf den Wohnraum, zuzuweisen". Diese Grundsätze der Neugestaltung der Förderung des Wohnungs­ baues sind nach zweifacher Richtung bemerkenswert. Zunächst wird die Unzulänglichkeit der Unterstützung der Bautätigkeit durch die Gewährung von Darlehen aus öffentlichen Mitteln zugegeben und der Gedanke der Verwendung der Wohnungsabgabe lediglich zur Verzinsung und Tilgung der anderweit — durch privates Kapital — aufzubringenden Baukosten gesetz­ geberisch anerkannt. Der Gedanke ist ebensowenig neu — Kiefersauer, Kann die Abgabe zum Baukostenausgleich (Mietsteuer) die Wohnungsfrage lösen? Zeitschrift für Wohnungswesen 1920, 341; Kiefersauer, Wohnungsabgabe und Wohnungsbau S. 6 — wie die Erkenntnis, daß seine Durchführung die Festlegung der Abgabe auf einen längeren Erhebungszeitraum bedingt. Bemerkenswert ist weiterhin der Wille des Gesetzgebers, die Leistung von Zinszuschüssen erforderlichenfalls sogar durch eine Steuer auf den Wohn­ raum sicherzustellen. Es erscheint zweifelhaft, ob die Schaffung einer solchen Steuerquelle heute ohne organisatorische Umgestaltungen — vgl. meine Vorschläge „Zur Reform des Wohnungswesens" München 1919 — möglich und tragbar ist. Kapitel II: AufwertungSzinSzuschlag. Die Neuregelung ist bedingt durch die Änderung des Zinssatzes für Aufwertungshypotheken — s. oben S. 147. Zunächst wird lediglich § 2 Abs. 3 Satz 4 des Geldentwertungsausgleichsgesetzes geändert; die Änderung tritt in Ländern, die für 1931/32 eine abweichende Regelung bereits getroffen haben, erst mit dem 1. April 1932 in Kraft. Die Abgeltung der Aufwertungsmehrzinsen ist ein Problem, an dessen Lösung der Miethausbesitz aufs stärkste interessiert ist. Die Bestimmungen der NotVO. bringen keine Lösung, erschweren aber den Ländern den — für viele ohnehin dornenvollen — Weg der Ermäßigung der Geldent­ wertungsabgabe (Hauszinssteuer, Mietzinssteuer). Die volle Abgeltung der Aufwertungsmehrzinsen für das Fremd- und Eigenkapital ist ausge­ schlossen, wenn 1. der allgemeine Steuersatz der Hauszinssteuer in einem Lande besonders. niedrig ist. Ob diese Voraussetzung in einem Lande vorliegt, entscheidet im Zweifel die Reichsregierung im Benehmen mit dem Reichsrat; oder wenn 2. eine Herabsetzung der Steuersätze der Hauszinssteuer in Frage kommt z. B. bei niedrigerer Belastung am Stichtag — 31. Dezember 1918; § 4 Abs. 3 (nicht auch Abs. 4); oder wenn Mietzuschüsse aus den Mitteln der Geldentwertungsausgleichsabgabe, sind nach dem Abänderungsgesetz vom 22. März 1930 RGBl. I S. 91 zur För­ derung des Wohnungsbaues in vollem Umfang auch weiterhin zu ver­ wenden; eine Änderung dieser Berwendungsart ist nur durch Reichsgesetz zulässig.

4. Dritte Verordnung des Reichspräsidenten.

445

3. eine günstige Verzinsung des Grundstücks sich errechnet; eine solche liegt vor in Fällen, in denen die Hauszinssteuer nicht in Hundertsätzen der Friedensmiete, sondern nach anderen Maßstäben erhoben wird und die Verzinsung des Grundstücks — errechnet aus der Friedensmiete und dem Friedenswert—über dem Landesdurchschnitt liegt; oder wenn

4. eine Senkung der Betriebs- und Instandsetzungskosten nachgewiesen oder ermöglicht werden kann. Soweit eine dieser Voraussetzungen vorliegt, sind die Länder verpflich­ tet, die Ermäßigung der Hauszinssteuer in einem entsprechend geringeren Umfang durchzuführen. Die durch diese VO. vorgesehene individuelle Senkung der Hauszinssteuer nach § 2 Abs. 3 Satz 6 bis 9 des Geldentwertungsausgleichs­ gesetzes — unten S. 448 — ist durch die dritte BO. des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 RGBl. I 537, 551 grundsätzlich ersetzt durch eine generelle Senkung der Steuer: hienach ist die Hauszinssteuer in allen Steuerstufen ab 1. April 1932 zurAbgeltungder Zinsverpflichtungen des Eigentümers aus den Aufwertungsgesetzen allgemein um 20 v. H. zu senken; ausnahmsweise aber können die Länder mit Zustimmung des Reichsfinanzministers an Stelle der allgemeinen Ermäßigung der Steuer um 20 v. H. die durch die zweite VO. ermöglichte individuelle Senkung durchführen.

Kapitel III: Enteignungen auf dem Gebiete des Städtebaues.

Diese Regelung baut sich auf auf einem „Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigungspflicht und den Rechtsweg bei Enteignungen auf dem Gebiete des Städtebaues". Die Verpflichtung zur Entschädigung nach Art. 153 RVerf. bleibt grundsätzlich aufrechterhalten; der Entschädigungs­ anspruch wird jedoch nach Entstehung und Fälligkeit beschränkt. Anlaß zu dieser Regelung hat die Entscheidung des Reichsgerichts vom 28. März 1930 — RG. III 87/29 RGZ. 128, 18 — gegeben. Dazu Meyer IW. 1931, 2215. Bay. AusfVO. vom 17. Juli 1931 GesBBl. S. 181.

4. Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Bom 6. Oktober 1931 RGBl. I S. 537, 551.

Vierter Teil:

Wohnungs- und Siedlungswesen.

Kapitel I: GeldentwertnngSauSgleich bei bebauten Grundstücken. Die reichsrechtliche Neuregelung dieser VO. steht im Gegensatz zu der durch die zweite BO. Kapitel II des Sechsten Teiles eingeführten individuellen Senkung der Hauszinssteuer. An Stelle dieser in­ dividuellen Regelung tritt die generelle Senkung der Hauszinssteuer

446

Wohnungsmangelrecht

um 20 v. H. ab 1. April 1932. Die zur Ausführung dieses Kapitels er­ forderlichen Anordnungen trifft die Landesregierung (§ 6). Bemerkenswert ist, daß nach § 5 die Länder verpflichtet sind, aus dem Aufkommen der Hauszinssteuer in den Rechnungsjahren 1932—1935 bestimmte Beträge für die Umschuldung der Gemeinden und Gemeinde­ verbände zur Verfügung zu stellen (§ 5). Im übrigen ist im Kap. I bestimmt:

§ 1. JS)ie Steuer, die nach dem Gesetz über den Geldentwertungs­ ausgleich bei bebauten Grundstücken .... in den Ländern und Gemeinden erhoben wird (Gebäudeentschuldungsteuer), ist vom 1. April 1932 ab für die Zwecke des Abs. 3 in allen Steuerstufen um 20 v. H. zu senken. 11 Der Senkung zugrunde zu legen ist der volle Jahresbetrag der Steuer, der für das Rechnungsjahr 1930 Geltung hatte, ohne Berüch'ichtigung der niedergeschlagenen oder erlassenen Beträge. “^uid) die Senkung nach Abs. 1 und 2 gilt der Betrag, der den Eigentümern in der Miete zur Verzinsung aufgewerteter Hypotheken und des Eigenkapitals zu belassen ist, als abge­ golten; damit entfällt die Ermäßigung nach § 2 Abs. 3 Satz 6 bis 9 des Gesetzes über den Geldentwertungsausgleich ... 8 2.

Die Landesregierungen können mit Zustimmung des Reichsministers der Finanzen zur Abgeltung des Betrags, der den Eigentümern in der Miete zur Verzinsung aufgewerteter Hypotheken und des Eigenkapitals zu belassen ist, an Stelle der Senkung nach § 1 die Gebäudeentschuldungsteuer nach §2 Abs. 3 Satz6 bis 9 des Gesetzes über den Geldentwertungs­ ausgleich .... ermäßigen. §3.

Die Gebäudeentschuldungsteuer darf über den sich nach §§ 1, 2 ergebenden Betrag hinaus nicht erhöht werden. Ent­ gegenstehende Bestimmungen treten mit Wirkung vom 1. April 1932 außer Kraft.

4. Dritte Verordnung des Reichspräsidenten.

447

8 4. Soweit die Gebäudeentschuldungsteuer nach den Landes­ bestimmungen mit Rücksicht auf die Hilfsbedürftigkeit der Mieter zu stunden und niederzuschlagen ist, haben die Landes­ regierungen zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Auswirkungen der Steuersenkung auf Grund von §§ 1, 2 für hilfsbedürftige Mieter unter Mitwirkung der Fürsorgever­ bände auszugleichen sind. Landesrechtliche Anordnungen zu dieser BO. — §§ 2, 6 — sind in Bayern noch nicht ergangen; gegebenenfalls werden sie im Anhang oder Nachtrag zu diesem Werke Berücksichtigung finden.

C. Mietzinsbildung. 1. Reichsmietengesetz. In der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 1928 RGBl. I S. 38 uno unter Berücksichtigung der Änderungen durch die Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 RGBl. I S. 517, 596, 598.

Vorbemerkung. Die reichsrechtliche Grundlage für das Recht der gesetzlichen Mietpreisbildung bildet neben dem RMG. das Reichsgesetz über den Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken in der Fassung vom 1. Juni 1926 RGBl. I S. 251 — abgedruckt ErgBd. 1929 S. 182 — mit den Abänderungen des Gesetzes vom 22. März 1930 RGBl. I S. 91, der Verordnungen des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 RGBl. I 517, 597 und vom 5. Juni 1931 RGBl. I 279, 309 — oben S. 444 —. In Betracht kommt hier § 2 des Gesetzes, der lautet:

I Die Länder werden ermächtigt, die Mietzinsbildung abweichend von den Vorschriften des Reichsmietengesetzes vom 24. März 1922 (Reichsgesetzbl. I S. 273) zu regeln. II Wollen die Länder bei einer solchen Regelung vom bürgerlichen Rechte in anderer Weise abweichen, als dies im Reichsmietengeseize vorgesehen ist, so bedarf es der Zustimmung der Reichsregierung; die Reichsregierung kann insoweit mit Zustimmung des Reichsrats GrundSätze aufstellen. IIIDie Länder haben von der ihnen durch Abs. 1 erteilten Ermächti­ gung in der Weise Gebrauch zu machen, daß die Mieten allmählich gemäß der Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage erhöht werden. Dabei sind neben den steuerlichen Bedürfnissen der Länder und Gemein­ den auch die allgemeinen Interessen, insbesondere an der ordnungsgemäßen Unterhaltung und Instandsetzung der Häuser und die Leistungsfähigkeit der als Mieter in Betracht kommenden Bevölkerungskreise zu berück­ sichtigen. Durch die Mieten müssen außer der Steuer (§ 1 Abs. 2 bis 4) mindestens die Betriebs- und Instandsetzungskosten, die nach den bestehenden Verhältnissen zur Erhaltung des Gebäudes erforderlich sind, einschließlich der Verwaltungskosten gedeckt werden. Den Eigentümern ist ferner in der Miete zur Verzinsung aufgewerteter Hypotheken und des Eigenkapitals der Betrag zu belassen, mit dem eine vor dem 1. Januar 1918 eingetragene, nach dem Grundsatz des § 4 des Aufwertungsgesetzes vom 16. Juli 1925 (Reichsgesetzbl. I S. 117) aufgewertete Papiermark-

449

1. Reichsmietengesetz. § 1.

Hypothek zu verzinsen wäre, deren Nennbetrag dem Friedenswerte des Grundstücks entspricht. Für die Höhe der Verzinsung gilt der im § 28 des Aufwertungsgesetzes vorgeschriebene Zinssatz zuzüglich des auf Grund des Gesetzes über die Fälligkeit und Verzinsung der Aufwertungs­ hypotheken vom 18. Juli 1930 (Reichsgesetzbl. I S. 300) festgesetzten, über 5 vom Hundert hinausgehenden Aufwertungszinszuschlags. Die Länder dürfen jedoch zum Ausgleich des Aufwertungszinszuschlags die Steuer nur insoweit ermäßigen, als dem Eigentümer die zur Verzinsung aufgewerteter Hypotheken und des Eigenkapitals erforderlichen Beträge weder insolge eines besonders niedrigen allgemeinen Steuersatzes oder einer Herabsetzung der Steuersätze mit Ausnahme der Fälle des § 4 Abs. 4, noch infolge einer günstigen Verzinsung des Grundstücks, noch infolge einer Senkung der Betriebs- und Instandsetzungskosten in der gesetzlichen Miete zur Verfügung stehen. Soweit hiernach eine Steuerermäßigung zulässig ist, können die Länder für bestimmte Gruppen von Grund­ stücken einen allgemeinen Steuersatz festsetzen. Eine günstige Verzinsung liegt vor, wenn in einem Lande, das die Steuer nicht in Hundertsätzen der Friedensmiete erhebt, die Verzinsung des Grundstücks, errechnet aus der Friedensmiete und dem Friedenswert, über dem von dem Lande zugrunde gelegten Durchschnittssatz liegt. Ob in einem Lande ein besonders niedriger allgemeiner Steuersatz vorliegt, entscheidet im Zweifel die Reichsregierung im Benehmen mit dem Reichsrat. Die in Abs. 3 Satz 6 bis 9 vorgeschriebene Ermäßigung der Hauszins­ steuer gilt durch die generelle Senkung der Steuer um 20 v. H. — oben S. 445 — als abgegolten, soweit nicht die Landesregierung — mit Zu­ stimmung des Reichsfinanzministers — die individuelle Senkung nach Abs. 3 Satz 6—9 einführt — oben S. 446. Die Erläuterungen beschränken sich auf die Teile des RMG., die prak­ tische Bedeutung heute noch besitzen; eine Reihe von Vorschriften dieses Gesetzes besteht formell noch zu Recht, ist aber praktisch bedeutungslos. Wegen der landesrechtlichen Regelung zur Ausführung des RMG. wird auf die VO. über die Mietzinsbildung in Bayern oben S. 133, auf die V. LockV. oben S. 41 und auf die BO. über die gesetzliche Miete in Bayern, oben S. 146 verwiesen.

Gesetzliche Mete.

8 1. J5)er Vermieter wie der Mieter eines Gebäudes oder Gebäudeteils kann jederzeit dem anderen Vertragsteil gegen­ über erklären, daß die Höhe des Mietzinses nach den Vor­ schriften dieses Gesetzes berechnet werden soll (gesetzlicheMiete). Die Erklärung bedarf der schriftlichen Form. Sie hat die Wirkung, daß die gesetzliche Miete von dem ersten Termin ab, für den die Kündigung nach § 565 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Kiefersauer, Grundstücksmiete. 4.Ausl.

29

450

Mietzinsbildung.

zulässig sein würde, an die Stelle des vereinbarten Mietzinses tritt; wird die Erklärung von dem Mieter nach dem 15. Juli 1926 abgegeben, so hat sie ferner die Wirkung, daß der Vertrag auf Verlangen des Vermieters als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Mietverträge, die über frei gewordene oder frei werdende Räume nach dem 31. März 1928 auf mehr als zwei Jahre neu abgeschlossen werden und sich entweder ausschließlich auf Geschäftsräume oder auf solche Wohnungen beziehen, die, abgesehen von Küche, Nebengelaß und Mädchenkammer, mindestens sechs Wohnräume mit mindestens hundert Qua­ dratmeter Wohnfläche haben; dies gilt nicht im Falle des Tausches, wenn die Mieter in die beiderseitigen Mietverträge eintreten.

u Kommt ein Einverständnis über die Höhe der gesetzlichen Miete nicht zustande, so entscheidet auf Antrag eines Bertrags­ teils das Mieteinigungsamt. u^Auf Verlangen der Gemeindebehörde hat das Mieteini­ gungsamt Mietzinsvereinbarungen über Gebäude oder Ge­ bäudeteile nachzuprüfen und, wenn der vereinbarte Mietzins im Vergleiche zu der gesetzlichen Miete für einen Vertragsteil eine schwere Unbilligkeit darstellt, an Stelle des vereinbarten Mietzinses die gesetzliche Miete festzusetzen. IV$)ie oberste Landesbehörde kann für das ganze Land oder für bestimmte Gemeinden oder Gemeindeteile anordnen, daß das Mieteinigungsamt die Nachprüfung und Festsetzung auch von Amts wegen vornehmen kann; sie kann weiter anordnen, daß Vereinbarungen über die Höhe des Metzinses der Ge­ meindebehörde oder dem Mieteinigungsamt anzuzeigen sind. v Diese Vorschriften finden auch Anwendung, wenn der bis­ herige Mietzins durch das Meteinigungsamt festgesetzt oder auf Grund landesrechtlicher Vorschriften zu berechnen war. 1. Der Begriff der ges. M. ist im Gesetze genau umschrieben. Die MEÄ. haben sich bei ihren Entscheidungen an die Bestimmungen des Gesetzes über die Mietpreisbildung zu halten; Abweichungen sind unzulässig. Für eine Entscheidung nach billigem Ermessen ist insoweit kein Raum. Die dem RMG. geläufige Zerlegung des vereinbarten Mietzinses in Grundmiete (§ 2 Abs.1) und Zuschlägen hiezu entfällt künftig vgl. KG. 17 Y 90/29 DMR. 958. Die ges. M. besteht aus einem nach dem Hundertsatz

1. Reichsmietengesetz. § 1.

451

der FM. zu bestimmenden Goldmarkbetrag der FM. §§ 2, 3 AusfVO — oben S. 134; §3 des Geldentwertungsausgleichsgesetzes — unten S. 516. Mit Rücksicht auf §§ 4, 5 AusfVO. ist zu unterscheiden zwischen

a) der unveränderten FM. — in Gebäuden ohne Sammelheizung und Warmwasserversorgung und bei Mietverhältnissen, bei denen Neben­ leistungen und Sonderleistungen nicht in Betracht kommen — und b) der veränderten FM., bei der bestimmte Abzüge oder Zurechnungen zu machen sind; nur Leistungen mit einem gewissen Bermögenswert kommen in Frage vgl. KG. 17 Y 44/25 — Wassergeld — Hertel Nr. 147, Mch wenn das Wassergeld unmittelbar an das Wasserwerk zu entrichten ist KG. 17 Y 72/29 DMR. 927; KG. 17 Y 151/25 und 41/28 — Wasch­ küchenbenutzung — EA. 443 und 706; 17 Y 48/26 EA. 481; 17 Y 3/27 und 22/27 Hertel Nr. 312 und 330. Im ersteren Fall ergibt sich hieraus die ges. M. imengerenSinrr — so Hertel II S. 203 —, im letzteren Fall die ges. M. im weiteren Sinne, zu der alle Umlagen und Vergütungen zählen, die nach dem RMG. oder der landesrechtlichen Sonderregelung der Mieter zu leisten hat. Das RMG. gebraucht den Begriff der ges. M. bald im engeren, bald im weiteren Sinn. Im übrigen gilt folgendes: 1. Die ges. M. ist keine absolut feststehende Größe: sie ist räumlich gebunden an das einzelne Gebäude, sie ist ferner zeitlich abhängig von der Höhe der Zuschläge, die den wirtschaftlichen Verhältnissen jeweils Rechnung tragen muß §§ 3, 11. Ihre Berechnung nach den Vorschriften des RMG. ist zunächst den Beteiligten überlassen; erst bei Streitigkeiten über die Höhe der ges. M. tritt das MEA. in Tätigkeit (§ 1 Abs. II). 2. Tie ges. M. trägt grundsätzlich den persönlichen Verhältnissen der Vertragsparteien nicht Rechnung; das MEA. muß bei der Feststellung der ges. M. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für beide Teile völlig außer Acht lassen. Zustimmend Hertel S. 227. Das billige Ermessen scheidet aus. Deshalb kann auch die allgemeine Ver­ schlechterung der wirtschaftlichen Lage des Gewerbes die Neufest­ setzung der FM. nicht rechtfertigen KG. 17 Y 141/25 EA. 426. 3. Die gesetzliche Miete trägt der tatsächlichen Raumnutzung, also dem objektiven Mietwert, nur in geringem Umfang Rechnung: sie knüpft lediglich an die FM. (§ 2 Abs. 1 und 4) an. Die Tatsache, daß hiernach die FM. regelmäßig — Ausnahme Abs. 4 — auf Preisbildungen beruht, die aus der Zeit freier Wirtschaftsentwicklung herrühren, bleibt un­ beachtet.

4. Die „gesetzliche" Miete tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern nur auf Grund schriftlicher Erklärung eines Berttagsteiles, die dem anderen BerttagMeil gegenüber abzugeben ist. Solange der Mieter, der verttagsmäßig eine höhere als die ges. M. zu entrichten hat, eine Erklärung nach § 1 RMG. nicht abgegeben hat, kann er sich gegenüber der Miet­ zinsklage des Vermieters nicht auf eine Ermäßigung durch die ges. M. berufen RGZ. 103, 311.

452

Mietzinsbildung.

Die „gesetzliche Miete" ist eine auf der Grundlage der nach § 2 zu berechnenden Friedens- bzw. Grundmiete ermittelte Rechnungsgröße; soweit die FM. vom 1. Juli 1914 feststeht, bildet sie ohne weiteres diese Grundlage, in allen anderen Fällen muß sie vom MEA. festgestellt oder festgesetzt werden. Für die freie Vereinbarung der Parteien ist nach dieser Richtung kein Raum. Werden über die FM. Vereinbarungen getroffen — dazu RG. III 612/25 EA. 486 und RG. VIII 51/30 DMR. 1012 — und bestimmt, daß die Berechnung des Mietzinses auf dieser Grundlage nach den Vorschriften des RMG. erfolgen soll, so liegt eine vereinbarte Bertragsmiete, keine gesetzliche Mete vor, mag der Vereinbarung eine Erklärung nach § 1 vorausgehen oder nicht, mag die Grundlage für die Berechnung der FM. eine richtige oder — bewußt oder unbewußt — eine unrichtige sein. So mit Recht RG. III 171/27 RGZ. 120, 21; III 296/27 EA. 704; VII 12/28 EA. 766; VIII 317/28 GutStZ. Nr. 3473; VIII 2/29 RGZ. 124, 225; KG. DMR. 959 und 1159; OLG. Naumburg EA. 446; Kiefersauer BayZ. 1924, 256; Marsson MietG. 1928, 99; Schulze MietG. 1928,101; Auerbach MietG. 1928, 102; Dahm, Mietfragen Band 13 (5.7; a. M. Krieg EA. 519 und 699; Lilienthal MietG. 1928, 82; Dahmann JR. 1927, 446; Günther IW. 1927, 567; Ebel-Lilienthal S. 28. Auch die Bezeichnung als „ges. M." schließt nicht aus, daß es sich in Wahrheit um eine Vertragsmiete handelt RG. VIII51/30 DMR. 1012. Das Einverständ­ nis bindet die Parteien an die Bertragsmiete nur solange, als dieses Ein­ verständnis besteht und nicht durch eine Erklärung gemäß § 1 beseitigt wird; dies gilt auch bei vergleichsweiser Erledigung eines Streites über die Höhe der FM. vor dem MEA. oder der Beschwerdestelle KG. 17 W 6472/25 EA. 434; 17 U 3807/26 EA. 524; RG. III 612/25 EA. 486; RG. VI 588/28 GutStZ. Nr. 3261; KG. 17 Y 42/24 EA. 329 und 17 Y 131/24 IW. 1927, 587; LG. München II BayZ. 1925, 54; Ebel-Lilienthal S. 29; a. M. BayObLG. VII 2/24 BayZ. 1924, 248; VII 5,7/24 BayZ. 1925, 86; Hadamczik IW. 1927, 604. Für die Zeit, für die sich die Parteien über die Höhe der FM. einig waren, kann wegen nachträglicher anderweiter Fest­ setzung der FM. weder eine Nachzahlung noch eine Rückzahlung verlangt werden RG. VIII 30/29 MietG. 1929, 61; KG. MietG. 1931, 31.

2. Die Beschränkung des Geltungsbereiches des RMG. auf gültige Miet­ verhältnisse — oben S. 158ff. — über Gebäude und Gebäudeteile — oben S. 164 — gilt int gleichen Umfang wie für das MSchG. Bei Räumen, die nur mit Rücksicht auf ein bestehendes Dienst- oder Arbeitsverhältnis überlassen sind, gilt jedoch das RMG. nur, wenn ein besonderes Mietver­ hältnis vorliegt — Werkmietwohnung, § 20 MSchG. RG. III 116/28 MietG. 1929, 26 —, nicht dagegen, wenn die Raumüberlassung nur einen Teil der Dienstvergütung darstellt — Werkwohnung, § 21 MSchG. Wegen der Bestimmung des Mietzinses nach Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 21 Satz 1 MSchG, siehe oben S. 269. Die Berufung aus die ges. M. ist dann unzulässig, wenn der Mietzins für die ganze Vertragszeit vorausbezahlt ist RG. III 624/23 BayZ. 1925, 131; RG. VIII 273/28 EA. 772; RG. VIII 200/29 DMR. 892. Dagegen schließt die Vereinbarung einer wertbeständigen Miete die Berufung auf

1. Reichsmietengesetz. § 1.

453

die ges. M. nicht aus RG. III 612/25 MietG. 1926, 99; KG. GutStZ. Nr. 3205. Auf die bloß tatsächliche Jnnehabung von Räumen z. B. bei Über­ lassung auf Ruf und Widerruf — RG. WarnRspr. 1921 Nr. 141 — erstreckt sich das RMG. nicht. Das gleiche gilt, wenn auf Grund Übergabevertrages — mag es sich dabei um einen Leibgedingsvertrag (Leibzucht-, Altenteils­ oder Auszugsvertrag) im Sinne der Art. 32 ff. bayer. AGzBGB. handeln oder nicht, z. B. bei Abnährungsverträgen überhaupt — die weitere Be­ nutzung von Räumen des Anwesens dem bisherigen Eigentümer oder dessen Angehörigen auf Lebensdauer eingeräumt wurde, es sei denn, daß der Abschluß eines förmlichen Mietvertrages nachgewiesen werden kann. Es entscheiden die Umstände des einzelnen Falles; ein besonders niedriger, insbesondere stets gleichbleibender Mietzins wird regelmäßig die Annahme begründen, daß die Beteiligten einen Mietvertrag nicht haben schließen wollen. Liegt hiernach ein Mietverhältnis vor, so kann nur noch in Frage kommen, ob die besonderen Umstände des Falles die Geltendmachung der ges. M. ausschließen: dies gilt z. B. dann, wenn der Verkäufer eines Hauses die Überlassung bisher benutzter Räume für sich oder Familien­ angehörige zu einem bestimmten Mietpreis ausbedungen hat Stern BayZ. 1923, 135; KG. IW. 1923, 1044. Zustimmend OLG. Bamberg BayZ. 1931, 81. Auf das Rechtsverhältnis zwischen Hauseigentümer und Verkäufer findet daher regelmäßig, insbes. wenn ein gemischter Vertrag vorliegt, das RMG. keine Anwendung Ruth EA. 683, 701; OLG. Breslau EA. 711 und DMR. 1191; a. M. Dahm, Mietfragen Band 13 S. 11. Wegen der Nichtanwendung des MSchG, vgl. oben S. 158. Das RG. — zustimmend Ebel-Lilienthal S. 25 und Stern S. 46 — dagegen erachtet die Berufung des Hauskäufers auf die ges. M. auch dann für zulässig, wenn der Kaufpreis mit Rücksicht auf das Wohnrecht des Verkäufers besonders niedrig bemessen worden ist RG. III 550/23 RGZ. 108, 312; III 623/24 BayZ. 1926, 153; III 333/25 MietG. 1926, 125; III 345/24 EA. 504; III 411/25 MietG. 1927, 63; V 199/26 LZ. 1927, 640; III 363/26 DWohnA. 1927, 171: III 312/27 GutStZ. Nr. 3171; V 445/27 RGZ. 121, 141; VIII 273/28 EA. 772; III 337/28 DMR. 819; VIII 200/29 DMR. 892. Aus dieser Beurteilung der Rechtslage hat das RG. wiederholt die Folge­ rungen gezogen dadurch, daß es dem Verkäufer einen Ausgleichsanspruch gemäß § 242 BGB. zubilligt. Dagegen erachtet RG. VI 86/28 Hertel C Nr. 296 das RMG. nicht für anwendbar auf einen Vertrag, in dem der Hausverkäufer sich vorbehält auf dem Grundstück noch eine gewisse Zeit lang gegen Zahlung eines Betrages für Licht und Heizung zu wohnen, weil hier kein Mietrecht, sondern nur ein bloßes Gebrauchsrecht vorliege. Wesentlich ist auch für das RMG., daß Verträge, die unter Umgehung oder zum Zwecke der Umgehung des Gesetzes abgeschlossen werden, trotz ihrer vom Mietverhältnis abweichenden rechtlichen Gestaltung den Vor­ schriften dieses Gesetzes unterstellt sind § 19. Gesetzliche Miete und vertragliche Miete (§ 535 BGB.) können in einem und demselben Gebäude nebeneinander bestehen, sofern nur ver­ schiedene Mietverhältnisse in Betracht kommen. Dagegen kann für ein einheitliches Mißverhältnis nur ein einheitlicher Mietzins — die Ber-

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Mietzinsbildung.

tragsrniete oder die gesetzliche Miete — gegeben sein; dies gilt auch dann, wenn das Mietverhältnis Räume umfaßt, die zum Teil den Vorschriften dieses Gesetzes nicht unterliegen. Wenn z. B. dem Mieter einer Bierzimmer­ wohnung eine neugebaute Dachkammer (§ 16) zu den bisherigen Räumen zugewiesen ist; in diesen Fällen wird zunächst zu prüfen sein, ob ein einheit­ liches Mietverhältnis gegeben ist oder ob nicht vielmehr zwei getrennte Mietverträge vorliegen. Im letzteren Fall gilt die gesetzliche Miete nur für den früheren Mietvertrag, für den neuen dagegen nicht. Ist nur ein einheit­ liches Mietverhältnis gegeben, so entscheidet trotz § 16 der Hauptzweck des Vertrages d. i. die Nutzung der bisherigen Räume (Wohnung) bewirkt die Ausdehnung der gesetzlichen Miete auf das ganze Mietverhältnis, also auch z. B. auf die Miete für die Dachkammer OLG. Rostock DMR. 823; a. M. Ebel-Lilienthal S. 22 und 110. Wie hier im Grundsatz auch BayObLG. VII 7/24 BayZ. 1925, 88, das im übrigen die Entscheidung von der tatsächlichen Lage des einzelnen Falles unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes des Gesetzes abhängig macht. Bon diesem Gesichtspunkt aus muß das MEA. bei einem einheitlichen Mietverhältnis über Geschäftsräume und Inventar seine Entscheidung auch auf das Inventar ausdehnen und darf sich hinsichtlich des letzteren nicht für unzuständig erllären KG. IW. 1923, 772. Darüber, ob ein Mietverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis im einzelnen Fall vorliegt (§ 1), ob eine Umgehung des Gesetzes (§ 19), ob ein Ausnahmefall des § 16 RMG. vorliegt, entscheiden endgültig die ordent­ lichen Gerichte. Würde das MEA. die gesetzliche Miete für ein Rechtsver­ hältnis festsetzen, das ein Mietverhältnis nicht darstellt, so würde das MEA. damit den Rahmen seiner Zuständigkeit überschreiten; eine solche Entschei­ dung wäre für das Gericht nicht bindend RGZ. 101, 53,115; 105,59. Eine solche Entscheidung, insbes. die Festsetzung der FM., bindet auch die Streitteile nicht KG. DMR. 1110. Andererseits würde die Entscheidung des MEA., daß es sich für unzuständig erttäre (z. B. wegen irriger Annahme eines Pachtverhältnisses) das ordentliche Gericht nicht zuständig machen — RG. III 337/28 DMR. 819 —, da das MEA. seine Rechtsauffassung jederzeit nachprüfen kann KG. IW. 1923, 772. Das MEA. darf aber den Antrag auf Festsetzung der FM. nicht deshalb ablehnen, weil für das Rechtsverhältnis der Parteien die ges. M. gar nicht in Geltung gesetzt werden kann — KG. 17 Y 44/28 EA. 732 und 59/29 DMR. 897 — oder deshalb, weil das Met­ verhältnis aufgehoben, der Mieter nur infolge des Ersatzraumvorbehalts in den Räumen geblieben ist und nach dem Sachvortrage des Antragstellers für die Zeit vor der Aufhebung des Mietverhältnisses kein Interesse an der Festsetzung besteht KG. 17 Y 70/30 MietG. 1931, 24. Vgl. § 2 Anm. 6. Mieter wie Vermieter können wie nach bisherigem Recht nicht nur physische — Inländer und Ausländer BayObLG. VII 3/25 BayZ. 1925, 188 —, sondern auch juristische Personen sein RG. III 220/24 RGZ. 111, 8; Ruth DWohnA. 1926, 205. Wegen der Gültigkeit des Mietvertrages, wenn einer von mehreren Vertragsgegnern geschäftsunfähig ist, entscheiden, insbesondere hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 139 BGB., die Umstände des einzelnen Falles

1. Reichsmietengesetz. § 1.

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RG. III410/19 DIZ. 1920,659. Über Gültigkeit des Mietvertrages bei zwei Vertragsurkunden verschiedenen Inhalts KG. Rspr. 27, 159.

3. Die Erklärung der ges. M. ist jederzeit — vgl. aber auch § la — zulässig. Jederzeit bedeutet zunächst: die Erklärung kann während der Dauer des Mietverhältnisses — unbeschränkt und unbeschränkbar § 19 — zu einem beliebigen Zeitpunkt abgegeben werden. Die Rechtswirkung d. h. der Zeit­ punkt, von dem ab die gesetzliche Miete zu entrichten ist, tritt unabhängig von dem Willen des Erklärenden nach der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 3 kraft Gesetzes ein. Ist hiernach der Mietvertrag abgeschlossen, das Mietverhältnis also begründet, so kann z. B. der Mieter die gesetzliche Miete schon zu einem Zeitpunkt verlangen, zu dem er vereinbarungsgemäß noch gar nicht im Be­ sitze der Mietsache ist. Unerheblich ist auch, daß der Mieter sich im Mietvertrag verpflichtet hatte, von den ihm nach diesem Gesetz zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen; da eine solche Verpflichtung nach § 19 unwirk­ sam ist, beschränkt sie die Rechte des Mieters in keiner Weise. Gleichgültig ist deshalb auch, ob das Mietverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, auf kürzere oder längere Dauer abgeschlossen ist, ob das Kündigungsrecht eines Bertragsteiles beschränkt ist oder nicht; auch der Vermieter ist befugt, die gesetzliche Miete zu verlangen. Endlich steht weder eine vertragliche Festlegung des Mietzinses noch dessen Feststellung durch das MEA. auf Grund des bisherigen Rechtes der Befugnis beider Bertragsteile aus § 1 entgegen. Im übrigen gilt für die Abgabe der Erklärung nach § 1 folgende Ein­ schränkung: 1. sie kann erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes rechtswirksam abge­ geben werden. Zustimmend Ebel-Lilienthal S. 24; Stern S. 32; KG. DMR. 1171; 2. sie ist wirkungslos, solange die zuständige Stelle die Hundertsätze der Zuschläge nicht festgesetzt und ortsüblich bekanntgegeben hat. Die Erklärung der ges. M. ist nach Abs. 1 Satz 4 weiterhin einge­ schränkt. Für die hier bezeichneten Mietverhältnisse ist lediglich die Ein­ führung der gesetzlichen Miete ausgeschlossen; es entfallen demnach die Vorschriften der §§ 2—12 über die Berechnung der ges. M., über die Sonder­ zuschläge und Nebenleistungen, des § 13a über Zusatzmiete, des § 14 und insbes. des § 20 (übergesetzliche Verpflichtungen). Dagegen gelten auch hier Abs. 3 und 4 des § 1 — Nachprüfung und Herabsetzung des Mietzinses durch das MEA. —, § 13 — Einstellung der Sammelheizung durch das MEA. —, § 15 — Wirkung der Entscheidungen des MEA. —, § 17 — Wirkungskreis der Mietervertretung —, § 19 — Unverzichtbarkeit der Rechte aus dem RMG. —, § 23 — Strafrecht. Satz 4 ist durch das Abänderungsgesetz vom 14. Februar 1928 RGBl. I 21 eingefügt; unberührt bleiben die Bestimmungen des Mieterschutz- und Wohnungsmangelgesetzes — dazu KG. 17 Y 62/29 DMR. 897. In Bettacht kommen a) Mieträume, die vermietet sind entweder als Geschäftsräume — ohne Rücksicht aus Größe und Mietpreis —

Mietzinsbildung. oder als Großwohnungen, d. h. mindestens 6 Wohnräume mit mindestens 100 qm Wohnfläche. Bei gemeinschaftlicher Vermietung von Wohn- und Geschäfts­ räumen muß die Wohnung für sich allein diese Voraussetzungen er­ füllen; ist dies nicht der Fall, dann gilt Satz 4 auch nicht für Geschäfts­ räume. Ein Fall des § 19 Abs. 2 liegt in der Regel vor, wenn zwei selbständige Mietverträge über verbundene Wohn- und Geschäfts­ räume abgeschlossen sind; alsdann ist die Berufung auf die ges. M. auch hinsichtlich des Geschäftsraumes zulässig. b) Die Mietverträge müssen neu abgeschlossen sein und zwar nach dem 31. März 1928. Verlängerung bestehender Verträge genügt nicht. Der Mietvertrag muß auf mehr als zwei Jahre abgeschlossen sein, d. h. die ordnungsgemäße Kündigung darf erst zwei Jahre nach dem Inkrafttreten zulässig sein. Als Neuabschluß kann auch der Tausch — oben S. 45 und 418 — angesehen werden, wenn nämlich die Tauschenden wirklich völlig neue Mietverträge abschließen. Wenn die Tauschenden dagegen, was die Regel bildet, lediglich in die gegenseitigen Mietverträge eintreten, dann gilt Satz 4 nicht und jede Tauschpartei kann sich auf die gesetzliche Miete berufen. c) Die Mieträume müssen frei geworden sein, d. h. den Mieter gewechselt haben oder für den Fall des Freiwerdens vermietet sein vgl. v. Bremen MietG. 1928,84. Im letzteren Fall kann auch an den bisherigen Mieter, dessen Vertrag abläuft und der bei fehlendem Mieterschutz räumen müßte, vermietet werden a. M. Ebel-Lilienthal S. 37. Das gleiche gilt für den rechtskräftig zur Räumung verurteilten Mieter Stern S. 35; Marwitz MietG. 1928, 20; Brandis IW. 1928, 452. Weitere Bestimmungen über die Unzulässigkeit der Erklärung der ges. Miete enthält § la.

4. Die Erklärung der gesetzlichen Miete ist ein von der Bindung des Bertrags­ willens unabhängiger Rechtsbehelf; ob ein Vertragsteil hiervon Gebrauch machen will, ist seinem Ermessen anheimgegeben. Die nach § 22 zulässige Einführung der gesetzlichen Miete als Zwangs­ miete ist in keinem Lande erfolgt.

Für die Miete gilt grundsätzlich volle Vertragsfreiheit; soweit nicht Maßnahmen zur Bekämpfung des Wohnungsmangels die Rechte der Berttagsteile einschränken, gilt — abgesehen vom Verbot des Mietwuchers § 49a MSchG. — keine Beschränkung des Berttagsrechtes. Auch das RMG. überläßt es grundsätzlich den Parteien, sich über die Höhe der zu zahlenden Miete zu einigen. Trotzdem läßt sich die ges. M. als eine starke Einengung des Grundsatzes der Bertragsfreiheit bezeichnen Lindemann Recht 1922, 55. Die ges. M. ist als die den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßte angemessene Miete zu erachten. Sie bildet den Vergleichs­ maßstab für andere Verhältnisse, z. B. für die Kostenberechnung auf Grund des § 46 MSchG., für die Beurteilung des Mietwuchers — § 49a MSchG, und Erl. sowie KG. MietG. 1931, 110.

1. Reichsmietengesetz. § 1.

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Bertragsmiete und gesetzliche Miete können sich während der Dauer des Mietverhältnisses ablösen, dabei ist aber zu beachten, daß die Ablösung der gesetzlichen Miete durch die Bertragsmiete immer eine übereinstimmende Willenserklärung voraussetzt, daher niemals — abgesehen von dem Recht auf die Bertragsmiete im Mietrecht der Übergangszeit, oben S. 15 — durch einseitige Erklärung eines Vertragsteiles möglich ist wie im umgekehrten Falle. Auch kann, wenn einmal die Erklärung nach § 1 abgegeben ist, diese Erklärung nicht wieder einseitig zurückgenommen werden: die gesetzliche Miete kann ohne die Zustimmung des anderen Vertragsteiles während der Bertragsdauer nicht wieder beseitigt werden Cosack 7. Ausl. Bd. I S. 717. Nur die Beendigung des Mietverhältnisses oder die Aufhebung des RMG. kann eine Änderung schaffen Kiefersauer MietG. 1927, 42. Die ges. M- ist ein Rechtsbehelf, der ohne eine andere Voraussetzung als die des Bestehens eines Mietverhältnisses ausgeübt werden kann. Er ist an keine Voraussehbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung gebunden, er beruht auch nicht auf dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung: eben deshalb kann er sowohl zum Vorteil des einen Vertragsteiles als auch zum Schaden dieses Bertragsteiles sich auswirken. Ob der Erklärende mit der gesetzlichen Miete wirtschaftlich besser fährt als bei der bisherigen Verein­ barung oder nicht, ist für die Rechtswirkung unerheblich; deshalb kann er die Erklärung nach § 1 auch dann nicht widerrufen, wenn seine Erwartungen sich nicht erfüllt haben, seine Berechnung falsch war. Auch eine Anfechtung nach § 119 BGB. ist nicht möglich, weil hier regelmäßig ein unbeachtlicher Irrtum im Beweggrund anzunehmen sein wird Linz IW. 1923, 40; Hertel S. 217. Durch die Erklärung der gesetzlichen Miete übt die Vertragspartei das ihr zustehende Recht aus; da dieses Recht „jederzeit" also ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse des anderen Bertragsteiles geltend gemacht werden kann, in seiner Ausübung überdies noch durch § 19 in besonderem Maße geschützt ist, kann darin niemals eine Schikane erblickt werden § 226 BGB. Ebensowenig verstößt das Verlangen der gesetzlichen Miete gegen Treu und Glauben §§ 157, 242 BGB.; diese Vorschriften sind nicht anwendbar, weil § 1 RMG. es zuläßt, daß durch einseitige Willenserklärung der vertragliche Leistungsinhalt verändert wird. Der Grundsatz der Vertrags­ treue ist für das Gebiet des Mietrechts insoweit beseitigt. Dies gilt selbst dann, wenn z. B. der Mieter kurze Zeit vor der Abgabe der Erklärung nach § 1 in rechtsverbindlicher Weise sich zur Zahlung des vereinbarten, die ges. M. übersteigenden Mietzinses verpflichtet hatte — Kiefersauer BayZ. 1922, 138; zustimmend Stern BayZ. 1922, 217 — oder wenn der Vermieter in dem Mietvertrag — sei es vor oder nach dem Inkrafttreten des RMG. — auf die Geltendmachung einer höheren Mietzinsforderung ausdrücklich verzichtet hatte, da selbst wohlerworbene Rechte durch § 1 RMG. erfaßt werden KG. IW. 1923, 766. Die Erklärung ist auf die Inanspruchnahme der gesetzlichen Miete zu beschränken. Fordert z. B. der Vermieter die ges. M. und zugleich die weitere Übernahme der Instandhaltung durch den Vermieter, so tritt die Rechtswirkung des § 1 nicht ein, weil eine Erklärung der im § 1 bezeichneten Art nicht vorliegt. Der Eintritt der ges. M. hat nach dem Gesetz den Wegfall

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der Jnstandsetzungsleistungen des Mieters zur Folge § 20, mag deren Über­ nahme auch bisher nach dem Vertrag dem Mieter obgelegen haben. Einer Zurückweisung des Verlangens des Vermieters bedarf es an sich nicht. Da aber die Erklärung des Vermieters als Vertragsangebot aufgefaßt werden kann, dessen Annahme auch stillschweigend erfolgen kann, wird es sich für den Mieter empfehlen, die Erllärung, die mehr als die ges. M. verlangt, zurückzuweisen; zustimmend Ebel-Lilienthal S. 33. Der Mietzins berechnet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes, wird also ges. M. zufolge der Erklärung eines Berttagsteiles. Die Ausführung dieser Rechtsfolge geschieht entweder dadurch, daß die beiden Parteien sich über die Höhe, berechnet nach den Vorschriften dieses Gesetzes, einigen — siehe oben S. 452 — oder dadurch, daß sie die Entscheidung beim MEA.