Grundlagen und Grenzen der Vertrauensarbeitszeit: Vorgaben des ArbZG und kollektivvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten [1 ed.] 9783428516490, 9783428116492

Thema des Buches ist die "Vertrauensarbeitszeit", eine Form flexibler Arbeitszeitgestaltung, die für beide Arb

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German Pages 494 Year 2005

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Grundlagen und Grenzen der Vertrauensarbeitszeit: Vorgaben des ArbZG und kollektivvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten [1 ed.]
 9783428516490, 9783428116492

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 235

Grundlagen und Grenzen der Vertrauensarbeitszeit: Vorgaben des ArbZG und kollektivvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten Von

Helke Grunewald

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HELKE GRUNEWALD

Grundlagen und Grenzen der Vertrauensarbeitszeit: Vorgaben des ArbZG und kollektivvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 235

Grundlagen und Grenzen der Vertrauensarbeitszeit: Vorgaben des ArbZG und kollektivvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

Von

Helke Grunewald

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-11649-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation vorgelegen. Literatur und Rechtsprechung wurden überwiegend bis Ende 2003 berücksichtigt, in Einzelfällen noch darüber hinaus. Ganz besonders möchte ich mich an dieser Stelle bei Frau Prof. Dr. Monika Schlachter bedanken. Sie hat nicht nur mein Interesse für das Thema geweckt, sondern mir während der Arbeit daran auch immer wieder geduldig für Gespräche zur Verfügung gestanden und durch ermutigende Worte und wertvolle Anregungen die Dissertation entscheidend gefördert und in überaus angenehmer Weise betreut. Frau Prof. Schlachter sowie dem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Hartmut Oetker danke ich außerdem sehr herzlich für die zeitnahe Gutachtenerstellung. In guter Erinnerung behalte ich die freundliche und hilfsbereite Atmosphäre am Lehrstuhl Prof. Schlachter – in diesem Zusammenhang möchte ich mich v. a. bei Frau Ramona Bornschein für Zuspruch, Ermunterungen und ihre Hilfe bedanken. Der DFG danke ich ganz herzlich für die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel. Großen Anteil am Gelingen dieser Arbeit hat nicht zuletzt meine Familie, die mir nicht nur die bisweilen notwendige Nachsicht entgegengebracht, sondern auch ganz praktisch geholfen hat. Mein herzlichster Dank gilt dabei meinem Vater, dessen Unterstützung ich mir in jeder Hinsicht stets gewiss sein durfte. Ihm ist dieses Buch gewidmet. Jena, im Juli 2004

Helke Grunewald

Inhaltsverzeichnis Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 1 Begriff der Vertrauensarbeitszeit

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§ 1 Flexible Arbeitszeiten und Arbeitszeitflexibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

§ 2 Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte“ Gleitzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gleitende Arbeitszeit – Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gleitzeit als „Keimzelle, aber auch Irrweg der Flexibilisierung“ . . . . . . . . C. Charakteristika der Vertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitsouveränität oder Bedarfs- und Kundenorientierung? . . . . . . . . . . II. Keine Anordnung von Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dezentralisierung des Arbeitszeitkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Abschaffung der Zeiterfassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Bedeutung des Begriffs „Vertrauen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abgrenzung der Vertrauensarbeitszeit von weiteren Arbeitszeitmodellen . . I. Abgrenzung von reiner Ergebnisorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung von Abrufarbeit und Arbeitsplatzteilung . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Verbreitung der Vertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 4 Chancen und Risiken der Vertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Mögliche Vorteile für die Arbeitsvertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mögliche Nachteile für Arbeitnehmer und ihre Ursachen . . . . . . . . . . . . . . I. Ausweitung des Arbeitstags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbestehen zeitlicher Gebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitsvolumen, Personalausstattung, Möglichkeit zu weitgehender Selbstorganisation, insbesondere bei Projektarbeit . . . . . . . . . . 3. Eigenverantwortung für Zeitausgleich bzw. Balance zwischen Arbeitszeit und Aufgabe; informelle Zwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ersetzung der Zeitkontrolle durch Ergebniskontrolle: Kombination der Vertrauensarbeitszeit mit Zielvereinbarungen im Rahmen neuer Managementmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abschaffung der Zeitdokumentation als „Tarnung“ der faktischen Arbeitszeitverlängerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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65 67

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Inhaltsverzeichnis 6. Unkenntnis der Arbeitszeitvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mangelnde Planbarkeit von Arbeits- und Freizeit . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 2 Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen der Vertrauensarbeitszeit § 1 Grenzen der Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . A. Arbeitnehmereigenschaft als Anknüpfungspunkt des Arbeitnehmerschutzes B. Arbeitgeberseitige Bestimmung der Arbeitszeitdauer? . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eingriffe in das arbeitsvertragliche Synallagma und Überwälzung des Unternehmerrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überstundenvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vereinbarkeit mit der arbeitsvertraglichen Risikoverteilung gem. § 615 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vereinbarkeit mit Vorschriften zur Entgeltfortzahlung . . . . . . . . . . . . . D. § 12 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Arbeitnehmer i. S. d. ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inhalt der einzuhaltenden Vorschriften des ArbZG und mögliche Gesetzesverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer, § 3 ArbZG . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz des 8-Stunden-Tags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlängerungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei Nachtarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Feststellung der Höchstarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitszeit i. S. d. § 2 I ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einschluss unproduktiver Zeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beginn und Ende des Arbeitstags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) 10-Stunden-Tag an 4 Wochentagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonderprobleme hinsichtlich der Durchführung des Zeitausgleichs und der Einhaltung der Ausgleichszeiträume . . . . . . . . . . . a) Vorherige Festlegung der Ausgleichszeiträume? . . . . . . . . . . . . b) Vorherige Festlegung des Tags des Ausgleichs? . . . . . . . . . . . . c) Ausgleich im Vorhinein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Behandlung von Krankheits- und Urlaubstagen sowie Tagen sonstiger Arbeitsbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einhaltung von Ruhepausen, § 4 ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Einhaltung der Ruhezeit (§ 5 ArbZG) und Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot (§§ 9 ff. ArbZG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ruhezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Regelungsmechanismen zur Einhaltung des ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sanktionierung durch Bußgeld- und Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . II. Öffentlich-rechtliche Durchsetzungsmechanismen und verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überwachungs- und Durchführungstätigkeit der Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verpflichtungen des Arbeitgebers gem. § 16 ArbZG . . . . . . . . . . . a) Auslagepflicht, § 16 I ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufzeichnungspflicht, § 16 II ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderungen an die Arbeitszeitnachweise . . . . . . . . . . . bb) Anfertigung der Aufzeichnung durch den Arbeitnehmer 3. Rolle des Betriebsrats im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung beim Arbeitsschutz, § 89 BetrVG . . . . . . . . . . . . . b) Überwachung der Durchführung des ArbZG, § 80 BetrVG . . aa) Allgemeine Aufgaben gem. § 80 I BetrVG . . . . . . . . . . . . bb) Unterrichtung und Vorlage von Unterlagen, § 80 II BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruch auf Unterrichtung über Arbeitszeiten bei Vertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auskunfts- und Herstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . (2) Auskunftserteilung durch die Arbeitnehmer . . . . . . . . (a) Kein Anspruch gegen Arbeitnehmer . . . . . . . . . . (b) Arbeitnehmer als Auskunftsperson . . . . . . . . . . . . (c) Informationsbeschaffung am Arbeitsplatz . . . . . . (d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Reaktionsmöglichkeiten auf Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rolle des Individualarbeitsrechts und zivilrechtliche Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtigkeit gem. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verantwortung der Arbeitnehmer für die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3 Möglichkeiten der Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge § 1 Regelungen zur Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zulässigkeit der Regelung von Dauer und Lage der Arbeitszeit . . . . . . . . . B. Grenzen der Tarifmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Tarifnormen aufgrund von Zulassungsnormen – Tarifdispositives Gesetzesrecht, §§ 7, 12 ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gestaltungsmöglichkeiten und Effektivität der tariflichen Beschränkung von Arbeitszeitmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgleichszeiträume und Zeitausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tägliche/wöchentliche Mindest- und Höchstarbeitszeiten; Verbot der Wochenendarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflicht zur Festlegung der Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung . . IV. Pflicht zur Führung von Arbeitszeitkonten und Arbeitszeiterfassung V. Vorgaben für Gleitzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Überstundenarbeit und Zuschlagspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Abweichungen vom Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . I. Abschließende Regelung i. S. d. § 87 I Eingangssatz (ES) BetrVG . . II. Nach dem Tarifvertrag zulässige Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung des Günstigkeitsprinzips zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsschutz der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Individualvertragliche Abweichungen vom Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung tariflicher Arbeitszeitregelungen in die Normkategorien des TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsverfassungsrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Günstigkeitsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleichsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Beurteilungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subjektive Beurteilungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vereinbarung eines vom Tarifvertrag abweichenden Arbeitszeitmodells unter Berufung auf die subjektive Beurteilungsperspektive bzw. das Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis V.

Insbesondere: Zusatzzeitbudgets und tarifliche Mehrarbeitszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässiger Inhalt von Arbeitszeitdauerregelungen . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlage für Entgeltbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Höchstnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Günstigkeitsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Sonstige Möglichkeiten der Leistungsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 § 3 Durchsetzung der Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 § 4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Kapitel 4 Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene § 1 Rechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Mitwirkung bei Arbeitsschutz und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zustimmungsverweigerung gem. § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arbeitszeitbezogene Mitbestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 87 I Nr. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Mitbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mitbestimmung nur über die Lage der Arbeitszeit . . . . . . bb) Ausgleichszeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorübergehende Veränderung der Arbeitszeit gem. § 87 I Nr. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwecke der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Überstunden – Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt des Mitbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mitbestimmung über die Frage der (elektronischen) Zeiterfassung . . 1. Mitbestimmung bei der Abschaffung bzw. Initiativrecht zur (Wieder-)Einführung elektronischer Zeiterfassung gem. § 87 I Nr. 6 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 87 I Nr. 7 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 87 I Nr. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Allgemeine Voraussetzungen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtbestehen einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung . . . . . 2. Kollektiver Tatbestand als Voraussetzung für das Bestehen der Mitbestimmungsrechte gem. § 87 I BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Beschränkung auf kollektive Tatbestände . . . . . . . . bb) Beschränkung der Mitbestimmung auf generelle Maßnahmen bzw. kollektive Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt des notwendigen Kollektivbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Durchsetzung der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individualrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsverfassungsrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Feststellungs- und Unterlassungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbesondere: Durchführungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. § 87 I Nr. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 87 I Nr. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Anordnung von Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine „Duldung“ von Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusatzzeitbudget und Überlastverfahren an Stelle der Überstundenanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Exkurs: Problematik des Durchführungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Rechtliche Alternativen zwecks Ausgleichs der Schutzdefizite . . . . . . . . . . . A. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einführung der Vertrauensarbeitszeit I. Eingreifen der Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG 1. Mitbestimmung trotz „Verzichts“ auf das Weisungsrecht und die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit . . . . . a) Gleichlauf von Direktions- und Mitbestimmungsrecht? . . . . . b) „Ausgleichsfunktion“ des Mitbestimmungstatbestands der Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitsschutzrechtlicher Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Abweichung aufgrund des Günstigkeitsprinzips . . . . . . . . . 3. Kollektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkung der Mitbestimmung bei unternehmerischen Entscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288 288 289 289 289 291 292 294 297 297 297 298 298 299 301 301 302 304 305 305 308 308 309 310 310 310 311 312 323 326 326 326 329 331 338

Inhaltsverzeichnis Einführung von Vertrauensarbeitszeit als unzulässiger Verzicht auf Mitbestimmungsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbestimmung „Verzicht“ und Delegation bzw. Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur zur „Verzichtsproblematik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dauerbetriebsvereinbarungen als Verfahrensregelung . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungsdelegation nach § 28 a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsgruppe i. S. d. § 28 a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und Übertragungsbeschluss des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . c) Gruppenvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beendigung der Zuständigkeit der Arbeitsgruppe . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis des § 28 a BetrVG zu bisherigen „Delegations“-möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Parallele zu Dauerbetriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung von Befugnissen auf Arbeitnehmergruppen vor Inkrafttreten des § 28 a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbare Argumentation bei Delegation auf Einzelne . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einführung der Vertrauensarbeit durch Spruch der Einigungsstelle . . B. Ausgestaltung einer mitbestimmten Regelung zur Vertrauensarbeitszeit . . I. Zwei Regelungsebenen: Rahmenregelung und Systembegleitung . . . 1. Wesentliche Entscheidungen auf der Primärebene . . . . . . . . . . . . . 2. Interventionsmöglichkeit im sekundären Regelungsbereich . . . . . II. Inhalt einer Vertrauensarbeitszeitvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beachtung des Grundsatzes des § 75 II 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelne Regelungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundverteilung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Definition von Zeiten, die als Arbeitszeit zu werten sind . . . . c) Begrenzung des Arbeitstags und Sicherung der Sonn- und Feiertagsruhe; Pausenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ruhezeit und tägliche Höchstarbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . (1) Festlegung von teambezogenen Servicezeiten . . . . . . (2) Sonstige Regelungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonn- und Feiertagsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ruhepausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Planbarkeit der Arbeitszeit; Regelungen zur Synchronisation von Vertrags- und tatsächlicher Arbeitszeit; Schutz vor Überlastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitszeitplanung – Mitbestimmung bei der Arbeitsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II.

338 340 341 348 348 349 350 351 353 353 354 356 357 359 361 365 366 370 370 372 373 376 376 377 377 378 379 379 379 380 381 382

383 383

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Inhaltsverzeichnis (1) Festlegung von inhaltlichen Standards . . . . . . . . . . . . . (2) Mitbestimmungsrechte bzgl. Arbeitsmenge, Personalbemessung, Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Beeinflussung des Arbeitspensums . . . . . . . . . . . . (aa) Gesetzliches Mitbestimmungsrecht? . . . . . . . (bb) Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch Betriebsvereinbarung und Koppelungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Exkurs: Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch Tarifvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Personalstärke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Gesetzliche Mitwirkungsrechte gem. §§ 92, 92 a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Erweiterung der Mitbestimmungsrechte im personellen Bereich durch Kollektivvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sicherung von Freizeitinteressen; Festlegung des Verhältnisses zwischen betrieblichen und privaten Belangen, Mehrarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren zum Überlastungsschutz und Fragen der Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überlastverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtlich zulässige Ausgestaltung von Konfliktlösungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einigungsstelle als Letztentscheidungsinstanz? . (aa) Konfliktlösung und Einigungsstellenkompetenz im Überlastverfahren . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sonstige Fälle der Konfliktlösung . . . . . . . . . (a) Gesetzliches Beschwerdeverfahren als abschließende Regelung? . . . . . . . . . . . . (b) Keine unzulässige Erweiterung der Mitbestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . (b) Paritätische Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Regelungen zum Zeitausgleich und kontengestützte Vertrauensarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

383 384 384 386

390 397 399 399 399

401 404 404 407

408 410 410 411 413 414 416 417 419 423 423 424 427 428 432

Inhaltsverzeichnis e) Arbeitszeiterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufzeichnungen nach § 16 II ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 87 I Nr. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 87 I Nr. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitszeitdokumentation außerhalb des § 16 II ArbZG cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kündigung der Betriebsvereinbarung – Ausschluss der Nachwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 436 437 437 438 444 444 448 448 449

Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Schlussbetrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchungen Mit der Globalisierung der Märkte und der zunehmenden weltweiten Vernetzung aller ökonomischen Aktivitäten stieg der Druck zur wettbewerbsorientierten Restrukturierung von Unternehmens- und Arbeitsorganisationen.1 Dabei wurde der Faktor Zeit als Kosten- und Wettbewerbsfaktor entdeckt. In der Vergangenheit lag die Bedeutung des Zeitfaktors vor allem in der Erhöhung der Produktivität an den einzelnen Arbeitsplätzen; wegen mangelnder Prognostizierbarkeit des Bedarfs über lange Zeiträume und der Verkürzung der Innovationszyklen hat sich dies jedoch als nachteilig erwiesen und zu hohen Lagerbeständen und Marktnachteilen geführt.2 Nunmehr ist eine Rund-um-die-Uhr gewährleistete Ansprechbarkeit nicht nur in der nachfrage- und absatzgesteuerten Produktion, sondern auch in vielen Dienstleistungsbereichen Voraussetzung der Wettbewerbsfähigkeit. Globale Vernetzung hat dazu geführt, dass über Zeitzonen hinweg ein simultaner Informationsaustausch stattfinden kann. Dies ermöglicht die im globalen Maßstab synchronisierte Organisation von bestimmten Tätigkeiten, was wiederum zu vermehrter Arbeit während der bislang als Ruhephasen und Sozialzeiten geltenden Nachtstunden und des Wochenendes führen kann. Diese Trends haben eine variable Arbeitszeitorganisation erforderlich gemacht.3 Ein Mittel zur Erreichung einer besseren Kunden- und Marktorientierung wird in einer höheren Zeiteffizienz durch intensivere Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit gesehen; die Zeit soll zur „Waffe im Wettbewerb“ werden.4 Da die Reaktionszeit des Unternehmens von seinen Mitarbeitern abhängt, gehört hierzu auch, die Bedeutung der Zeit als Wettbewerbsfaktor im Bewusstsein der Mitarbeiter zu verankern, ihr „strategisches Zeitbewusstsein“ zu schärfen.5 Im Rahmen dieser Bestrebungen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die gewünschte Optimierung des Wertschöpfungsprozesses Struktur- und Verhaltensänderungen voraussetzt, die nur durch eine aktive Beteiligung der Mitarbeiter zu verwirklichen sind. Hierarchien und zentralisierte Planungsentscheidungen erweisen sich hierfür als kontraproduktiv. Als entscheidender Wettbewerbs1 2 3 4 5

Müller-Jentsch, MittAB 1998, 575 (576). Wildemann in: Wildemann, Zeitmanagement, S. 15. Seifert/Welsch in: Büssing/Seifert, Die „Stechuhr“ hat ausgedient, S. 49 (63 ff.). Wildemann in: Wildemann, Zeitmanagement, S. 15 (16 ff.). Wildemann in: Wildemann, Zeitmanagement, S. 15 (21 f., 35).

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Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchungen

faktor wird mithin die Fähigkeit der Mitarbeiter angesehen, im Rahmen eines kontinuierlichen Lern- und Verbesserungsprozesses zur Optimierung der organisatorischen Abläufe beizutragen.6 Neue Managementmethoden setzen daher auf Dezentralisierung und Selbststeuerung sowie auf verstärkte Partizipation der Mitarbeiter.7 Eine zentrale Rolle im Rahmen dieser neuen Organisationsformen kommt der Flexibilisierung der Arbeitszeit zu, die nur einen Teilaspekt in einem viel umfassenderen Kontext bildet.8 Aber bereits das Thema der Arbeitszeitflexibilisierung und ihrer Folgen allein ist enorm komplex. Aufgekommen ist die Diskussion über Arbeitszeitflexibilisierungen bereits in den 1980er Jahren als Reaktion auf die von den Gewerkschaften geforderte Arbeitszeitverkürzung. Zur Aufrechterhaltung der Betriebslaufzeiten mussten die damals vereinbarten kürzeren Arbeitszeiten flexibel verteilt werden. Doch die tatsächliche Flexibilisierung hat sich mittlerweile vollständig von diesem politischen Anlass gelöst und wird auch dort beschleunigt, wo es bereits seit langer Zeit keinerlei Arbeitszeitverkürzungen mehr gegeben hat. Als wichtiger Wettbewerbsfaktor hat die Flexibilisierung der Arbeitszeit mittlerweile eine starke Eigendynamik angenommen.9 Flexibilisierung einerseits, Dezentralisierung und Partizipation andererseits sind die Grundpfeiler der neuen „selbststeuernden“ Arbeitszeitsysteme10 geworden11, bei denen den Mitarbeitern weitgehende Freiräume bei der Arbeitszeitgestaltung eingeräumt werden. Obwohl mit dem Begriff der Arbeitszeitflexibilisierung mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten assoziiert werden kann, wird gleichzeitig auf eine Gefahr hingewiesen, die sich als „Entgrenzung von Arbeit und Leben“ bezeichnen lässt.12 In der Tat besteht zwischen verordneter Flexibilität und Autonomie zur Selbstorganisation ein Spannungsverhältnis, das umso ausgeprägter ist, je unmittelbarer die Arbeitsaufgabe an die Anforderungen des Marktes geknüpft ist.13 Die Arbeitszeit ist einerseits Arbeitsbedingung für Mitarbeiter und stellt den Dispositionsrahmen für eine mehr oder weniger zeitautonome Lebensführung, andererseits ist die Arbeitszeitgestaltung ein Führungsinstrument zur 6 Müller-Jentsch, MittAB 1998, 575 (576); Wildemann in: Wildemann, Zeitmanagement, S. 15 (35). 7 Müller-Jentsch, MittAB 1998, 575 (576); vgl. auch Schlachter, ZVglRWiss 102 (2003), 116 (119 f.). 8 Büssing/Glaser, MittAB 1998, 585 ff. (587 f., 594). 9 So auch Lehndorff, WSI-Mitt. 6/2001, 373 (382). 10 Zum Begriff selbststeuernder Arbeitszeitsysteme Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 14. 11 Vgl. auch Büssing/Glaser, MittAB 1998, 585 (586 f.). 12 Vgl. Büssing/Glaser, MittAB 1998, 585 (586); Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 (3); Voß, MittAB 1998, 473 ff. (474, 479). 13 Büssing/Glaser, MittAB 1998, 585 (587).

Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchungen

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Steuerung von Arbeitsprozessen und zur bedarfsorientierten Nutzung der Ressourcen im Unternehmen. Als Arbeitsbedingung hat Arbeitszeit konkrete Auswirkungen auf das (u. a. gesundheitliche) Wohlbefinden des arbeitenden Menschen, als Steuerungsinstrument kommt ihr eine strategische und strukturgebende Funktion zu.14 Das Ziel des wertschöpfenden Einsatzes von Arbeitszeit und die Abkehr von der sog. „Zeitverbrauchskultur“, d.h. von der Vorstellung, lange Anwesenheitszeiten seien ein Indikator für Leistung15, lassen die Arbeitnehmer damit zu Mitarbeitern mit „Pufferfunktion“ werden.16 Flexiblen Arbeitszeiten wird deshalb Janusköpfigkeit attestiert, weil für die Beteiligten beides – Fluch und Segen – daraus folgen kann.17 „Wann und wie lange gearbeitet und wie dies organisiert wird, steht in vielen Bereichen zumindest ständig zur Disposition [. . .].“18 Nicht nur von den Gewerkschaften wird seit einigen Jahren als Folge zunehmenden Leistungsdrucks und der faktischen Verlängerung der Arbeitszeiten das Phänomen des „Arbeitens ohne Ende“ und die Gefahr der Selbstausbeutung beschrieben: Beschäftigte seien überarbeitet, litten am Burnout-Syndrom, chronischen vegetativen Störungen und psychosomatischen Erkrankungen.19 Besonders alarmierend sind auch die aus Japan bekannt gewordenen Todesfälle infolge von Überarbeitung.20 Wie aus Umfrageergebnissen geschlossen wird, nimmt mit zunehmender Selbstständigkeit bei der Zeiteinteilung das Empfinden für störende Belastungen ab21; dies kann als Beleg dafür gesehen werden, dass es keine selbstregulierenden Kräfte gibt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Arbeitszeitgestaltung nicht mehr mitreden. Das birgt das Risiko, „freiwillig“ lange Zeit die Belastungsgrenzen zu überschreiten. Wenngleich dadurch den Beschäftigten kurzfristig ein Konkurrenzvorteil und größere Zufriedenheit zuteil wird, ist langfristig mindestens ein vorzeitiger Verbrauch der Gesundheit und der Arbeitskraft zu befürchten.22

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Büssing/Glaser, MittAB 1998, 585 (586). Vgl. etwa Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 2, 3; Hoff/Weidinger, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http://www. arbeitszeitberatung.de (10/2002), S. 3; Schmitz, PersW 6/2000, 57 (59). 16 Vgl. Reichold, NZA 1998, 393. 17 So Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 46. 18 Voß, MittAB 1998, 473 (474). 19 Vgl. Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 (9); Plath, MittAB 2000, 583 (590 f.). 20 Vgl. Schlachter, ZVglRWiss 102 (2003), 116 (136) m. w. N.; Schlachter, FS BAG, S. 1253 ff.; Schlachter/Meinhardt, RIW 2003, 764 (770). 21 Zum Unterschied zwischen subjektiver Beanspruchung und objektiver Belastung vgl. Oppolzer, Ökologie der Arbeit, S. 14 ff.: Objektive Belastungen können je nach persönlicher Konstitution und situativen Bedingungen zu unterschiedlichen subjektiven Beanspruchungen führen, wobei die qualitativen und quantitativen Unterschiede der subjektiven Belastung begrenzt sind. 22 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 54 f. m. N. 15

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Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchungen

Die Gefahr neuer Arbeitsorganisations- und Arbeitszeitformen ist darin zu sehen, dass sie selbstschädigende Verhaltensweisen der Arbeitnehmer begünstigen.23 Die Flexibilisierungs- und Dezentralisierungstendenzen haben somit die Frage nach der Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften aufgeworfen,24 die die äußerste Grenze der zulässigen Belastung von Arbeitnehmern vorgeben. Dass die Arbeitszeitflexibilisierung überhaupt als Problem für das Arbeitszeitschutzrecht erkannt wurde, hängt damit zusammen, dass die Arbeitszeit traditionell von den Kollektivparteien gestaltet wurde. Die Dauer der geschuldeten Arbeitszeit ergab sich für die meisten Beschäftigten aus dem Tarifvertrag, ihre Lage wurde unter Mitbestimmung des Betriebsrats festgelegt, der im Betrieb die Einhaltung der Vorgaben überwachen konnte.25 Aber schon Anfang der 1990er Jahre wurden kollektive Arbeitszeitregelungen als „Auslaufmodelle“ bezeichnet.26 Im Rahmen dieser Arbeit soll exemplarisch das Hauptaugenmerk auf die „Vertrauensarbeitszeit“ als eine Erscheinungsform sog. „entgrenzter“ Gleitzeitmodelle gelegt werden. Zum einen ist zu prüfen, mit welchen Rechtsnormen eine derartige Arbeitszeitgestaltung in Konflikt geraten könnte. Zum anderen ist der Frage nachzugehen, wie sich Vertrauensarbeitszeitmodelle auf die betriebliche Mitbestimmung auswirken und welche Gestaltungs- und Kompensationsmöglichkeiten auf kollektiver Ebene zur Verfügung stehen, um Schutz vor Überlastungen und faktischen Arbeitszeitverlängerungen zu gewährleisten. Dahinter steht die übergeordnete Frage, ob es den Kollektivparteien weiterhin überlassen bleiben darf, die bestehenden rechtlichen Instrumente zur Sicherung des Arbeitnehmerschutzes, wie er im öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrecht konkretisiert ist, inhaltlich auszufüllen, oder ob sie den Schutzstandard im erwarteten Umfang gar nicht mehr herstellen können. Die zweite Alternative müsste zu einem Bruch mit der arbeitsrechtlichen Grundannahme führen, dass die kollektivrechtliche Flankierung der Arbeitszeitregelungen eine wesentliche Bedingung für die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Arbeitszeit-Schutzstandards ist. Dem liegt die das Arbeitsrecht prägende Annahme zugrunde, dass der Arbeitnehmer bzgl. seiner Durchsetzungsmacht dem Arbeitgeber unterlegen ist, dass aber das arbeitsrechtliche Schutzprinzip die Übertragung der inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen vom Arbeitsvertrag auf andere Rege23 Vgl. etwa Voß, MittAB 1998, 473 (477); zu den gewandelten Arbeitsanforderungen, ihren Chancen und Risiken vgl. auch Plath, MittAB 2000, 583 ff. 24 Vgl. Trittin, AiB 1999, 625 ff. und zu diesem Phänomen in Japan Schlachter, ZVglRWiss (102) 2003, 116 (134 ff.). 25 Hensche, FS Zeuner, S. 74 (76). 26 So Arbeitszeitberater Weidinger, PersF 1993, 598 (601).

Einführung in die Problematik und Gang der Untersuchungen

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lungsebenen (Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) verlangt, von denen allenfalls zum Vorteil der Arbeitnehmer abgewichen werden kann.27 Im Rahmen der Arbeit wird also zu klären sein, was unter Vertrauensarbeitszeit zu verstehen ist, wodurch sie sich von anderen Arbeitszeitformen unterscheidet, welche gesetzlichen Vorgaben bei der Arbeitszeitgestaltung zu beachten sind, welche speziellen Probleme sich bei der Vertrauensarbeitszeit ergeben und schließlich, wie sich die Schutzfunktion der Kollektivparteien im Rahmen des Arbeitszeitschutzes darstellt. Vor allem wird auf die Wirkung und Mitwirkung des Betriebsrats einzugehen sein und dabei insbesondere auf die Frage nach den Grenzen, die die institutionelle repräsentative Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz der direkten Partizipation der einzelnen Arbeitnehmer setzt. Es ist zu untersuchen, inwiefern die Betriebsverfassung noch Schutzmechanismen im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit als Form individualisierter Arbeitszeitgestaltung errichten kann.

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Kilz/Reh, Innovative Arbeitszeitsysteme, S. 59 f.

Kapitel 1

Begriff der Vertrauensarbeitszeit „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet Arbeitszeitberatern zufolge den Verzicht des Arbeitgebers auf die Kontrolle von Arbeits- und Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer – „nicht mehr und nicht weniger“.1 Damit ist allerdings nur ein – wenngleich der besonders auffallende – Aspekt der Vertrauensarbeitszeit angesprochen. Vertrauensarbeitszeit ist eine flexible Arbeitszeitform; sie wird teilweise als „stärkste Form der Arbeitszeitflexibilisierung“ beschrieben.2 Aber ebenso wie der Versuch scheitern muss, den übergeordneten Begriff „Arbeitszeitflexibilisierung“ kurz und prägnant zu definieren, weil darunter inzwischen zu viele – jeweils den Inhalt der Definitionen bestimmende3 – Aspekte4 thematisiert werden, erweist sich eine Kategorisierung der praktizierten Arbeitszeitmodelle als schwierig, da auch diesbezüglich die Begrifflichkeiten recht uneinheitlich verwendet werden. Teilweise bestehen mehrere synonyme Begriffe5, teilweise werden unter demselben Begriff ganz unterschiedliche Gestaltungsvarianten behandelt6. Zu begründen ist diese Vielfalt damit, dass die meisten flexiblen Arbeitszeitsysteme nicht gesetzlich geregelt sind7 und die praktizierten betrieblichen Modelle häufig Kombinationen von „Grundmustern“8 darstellen. 1

Hoff/Weidinger, Personal 1999, 380. Beseler, RWS-Forum 2001, S. 217 (238). 3 s. die verschiedenen Definitionen bei Hielscher, Entgrenzung, S. 18; Mente, Rahmenbedingungen, S. 17; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 24; Linnenkohl, BB 1985, 1920 ff. 4 Z. B. Bedarfsanpassung der Arbeitszeiten an Kundenwünsche und Auftragsschwankungen und damit Senkung der Personalkosten (s. Becker, AuA 2000, 192 [194 f.]; Hielscher, Entgrenzung, S. 13) sowie die aus Sicht der Arbeitnehmer zu gewährleistende Zeitsouveränität als das Recht des Einzelnen auf „eigenverantwortliche Bewirtschaftung seiner Zeitbereiche sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht [. . .], so dass er oder sie Umfang und Lage in der Zeit nach individuellen Gesichtspunkten und Erfordernissen abstimmen kann“, so Teriet, WSI-Mitt. 12/1980, 712 (719). 5 Schultz, DB 1971, 249. Synonym für „Gleitzeitarbeit“ wird beispielsweise „variable Arbeitszeit“ verwendet, vgl. Mente, Rahmenbedingungen, S. 71. 6 Unter den Begriff der Gleitzeit werden beispielsweise die Jahresarbeitszeit (Heinze, NZA 1997, 681 [687]) wie auch Modelle gefasst, die etwa nur die Arbeitsaufgabe vorgeben oder ein auf das Jahr zu verteilendes Deputat (Schüren, AuR 1996, 381; so auch Reichold, NZA 1998, 393 [396, 398]; s. auch u. § 2. A.). 2

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Die in den letzten Jahren erfolgte individuelle Implementierung und Weiterentwicklung von Arbeitszeitmodellen in Betrieben und Verwaltungen und die daraus resultierenden Überschneidungen von Merkmalen und Bezeichnungen haben auch Auswirkungen auf das Verständnis des Terminus „Vertrauensarbeitszeit“.9 Wesentlich ist für Vertrauensarbeitszeit jedoch, dass auf formale Arbeitszeitregelungen fast vollständig verzichtet wird und die Einteilung der Arbeitszeit mit der Maßgabe, sie bedarfsgerecht und ergebnisorientiert vorzunehmen, in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers übertragen wird. Vereinfacht formuliert markiert Vertrauensarbeitszeit ein Entwicklungsstadium in der Geschichte der Arbeitszeitflexibilisierung, das sich zwischen Gleitzeitarbeit und reiner Ergebnisorientierung einordnen lässt.10 Deshalb kann eine Charakterisierung der Vertrauensarbeitszeit bzw. der so bezeichneten Arbeitszeitgestaltungen nicht ohne eine kurze Erläuterung derjenigen Begriffe auskommen, die für die Beschreibung dieser Entwicklung und damit auch für Vertrauensarbeitszeit relevant sind. Außerdem erscheint es sinnvoll, anhand verschiedener „Definitionen“ von Vertrauensarbeitszeit deren Charakteristika herauszuarbeiten.

§ 1 Flexible Arbeitszeiten und Arbeitszeitflexibilisierung Weil sich Vertrauensarbeitszeit im Kontext flexibler Arbeitszeiten entwickelt hat, sind zunächst diesem Begriff Konturen zu verleihen. Teilweise werden als flexible Arbeitszeiten solche bezeichnet, die von einer normalerweise geltenden oder üblichen Arbeitszeitregelung abweichen.11 Indes verliert eine derartige Beschreibung in dem Maße an Aussagekraft, wie sich „Normalarbeitsverhältnisse“ mit gleichmäßig auf Montag bis Freitag verteilter (tariflicher) Vollzeitarbeit zwischen 6 und 18 Uhr12 auflösen.13 Angesichts der 7 Gesetzliche Reglungen finden sich nur zu Arbeit auf Abruf und Arbeitsplatzteilung (§§ 12, 13 TzBfG); vgl. etwa Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 77; Mente, Rahmenbedingungen, S. 109. 8 Zu den Grundmustern vgl. Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 30 ff. 9 s. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 15; vgl. auch die Umfrageergebnisse bei Hoff/ Priemuth, PersF 2001, 44 (45); dass eine einheitliche allgemein gültige Definition des Begriffs Vertrauensarbeitszeit nicht auszumachen ist, hat auch Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 128, festgestellt. 10 Vgl. etwa Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19 ff., 27 f. 11 Klevemann, AiB 1984, 90; ähnl. Dräger, Beteiligung, S. 3; Bauer/Groß/Schilling, Arbeitszeit ’95, S. 52; Roemheld, WiST 1995, 641. 12 Bauer/Groß/Schilling, Arbeitszeit ’95, S. 52 ff.; vgl. auch Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung BT-Drs. 15/279, S. 73.

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

fortschreitenden Erosion eines so verstandenen14 Normalarbeitsverhältnisses15 stellen flexible Arbeitszeitgestaltungen nicht mehr den Gegensatz zum Normalen, sondern gerade das Normale selbst dar.16 Allgemein ist Arbeitszeitflexibilisierung dadurch gekennzeichnet, dass Dauer und Lage der Arbeitszeit nicht mehr für alle Mitarbeiter einheitlich sind17 und dass Betriebszeit und individuelle Arbeitszeit i. d. R. entkoppelt sind.18 So liegt etwa nach Schüren19 Flexibilisierung vor, wenn die Betriebszeit länger ist als die Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer und wenn deren Arbeitszeit nicht durch ein simples, starres Schichtsystem, sondern entsprechend dem betrieblichen Bedarf und/oder den Wünschen der betroffenen Arbeitnehmer bestimmt wird. Kennzeichen einer solchen Arbeitszeitgestaltung sei nicht ein bestimmter Umfang des Arbeitszeitdeputats (durchschnittliche Wochenarbeitszeit), sondern nur die flexible Verteilung der Arbeitszeit in der Planperiode (Woche, Monat, Jahr), so dass Flexibilisierung bei Vollzeit- und Teilzeitarbeit gleichermaßen möglich sei. Im Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung von 2001 heißt es, dass in der arbeitswissenschaftlichen Diskussion Arbeitszeiten als flexibel bezeichnet werden, wenn sie sich im Wesentlichen am betrieblichen Bedarf orientieren.20 Zur juristischen Erfassung des Begriffs Arbeitszeitflexibilisierung ist darauf abzustellen, dass die Arbeitszeit durch den chronometrischen und den chronologischen Faktor bestimmt wird21: Der chronometrische Faktor beschreibt das Arbeitszeitvolumen, d.h. den auf einen bestimmten Erfüllungszeitraum bezogenen Umfang der Leistungspflicht des Arbeitnehmers, der sich aus vertraglicher oder tariflicher Vereinbarung ergibt.22 Mit dem chronologischen Faktor ist die Lage

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Vgl. auch Seifert in: ders., Jenseits der Normalarbeitszeit, S. 271 ff. Vgl. zum Normalarbeitsverhältnis in einem weitergehenden Kontext Kress, MittAB 1998, 488. 15 Dombois, Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, ZWE Arbeit und Region, Nr. 36, S. 4, 16; krit. Bosch, WSI-Mitt. 4/2001, 219 (220). 16 Vgl. dazu etwa Kurz-Scherf, Zeit der Vielfalt, S. 79 ff., die eine begrenzte Flexibilisierung von Dauer und Lage der Arbeitszeit aufgrund „geltender Normalitätskriterien“ in den Geltungsbereich von Normalarbeitszeit einbezieht, vgl. S. 85 f.; Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 41 f.; Voß, „Entwicklungsperspektiven von Arbeit“ (10), S. 33 (49); FAZ v. 25.1.2002: „Der normale Arbeitstag wird zur Ausnahme“. 17 Richardi, FS Merz, S. 481 (482). 18 Heinze, NZA 1997, 681 (685); Reichold, NZA 1998, 393 (394); Schüren, FS Gitter, S. 901. 19 FS Gitter, S. 901. 20 BT-Drs. 15/279. 21 Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 15; Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 29. 22 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 29 f. 14

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und Verteilung der Arbeitszeit angesprochen23, für deren Festlegung dem Arbeitgeber grundsätzlich das Weisungsrecht (§ 106 GewO) zur Verfügung steht. Mittlerweile ist als Definition gebräuchlich geworden, dass Flexibilisierung dann vorliegt, wenn mindestens einer dieser Faktoren permanent abänderbar ist, ohne dass es einer Änderung des Arbeitsvertrags oder der sonstigen die Arbeitszeit bestimmenden Regelungen bedürfte.24 Dabei spielt es keine Rolle, ob die Veränderung einseitig nur durch den Arbeitgeber oder nur durch den Arbeitnehmer möglich ist, oder ob beide Seiten für sich Lage und Dauer der Arbeitszeit ohne Vertragsänderung jeweils einseitig ändern können oder insoweit eine Vereinbarung zwischen beiden Seiten erforderlich ist.25 Dies ist eine Frage der Steuerung flexibler Arbeitszeitsysteme.26 Ausgehend von chronometrischem und chronologischem Faktor wird von vier „Zeitwerkzeugen“ bzw. Instrumenten der Flexibilisierung gesprochen.27 Diese sind 1. die zu verteilende Menge (Volumen), 2. Verteilung der Menge, 3. Lage der verteilten Zeit und 4. Länge der verteilten Zeit. Die Länge der Arbeitszeit wird dabei bezogen auf den Zeitabschnitt eines Tages oder einer Woche, während die Lage der Arbeitszeit beschreibt, zu welchem Zeitpunkt (am Tag) oder in welchen Zeiträumen (Lage in der Woche/Monat/Jahr) die Arbeitsleistung erbracht wird.28 Je weniger dieser Parameter im Voraus feststehen und je größer der Bezugszeitraum für die Erbringung der geschuldeten Arbeitszeit bemessen ist, umso flexibler und bedarfsgerechter lässt sich das Arbeitszeitvolumen einsetzen. Für die Einordnung der im Rahmen dieser Arbeit angesprochenen Arbeitszeitmodelle kann aber auch die von Smentek29 vorgenommene dreigeteilte Differenzierung der Flexibilisierungsinstrumente hinsichtlich ihrer „Flexibilisierungsqualität“ hilfreich sein. In der ersten – für die Zwecke dieser Arbeit zu vernachlässigenden – Gruppe finden sich „klassische“ Instrumente, die im „Ausnahmefall“ sonst klar definierter täglicher und wöchentlicher Regelarbeitszeiten eingesetzt werden. Diese sind Mehr- und Kurzarbeit, Sonder- und außerordentliche (Wochenend-)Schichten.

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Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 60. Hölting, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 59; Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 31; Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 15, Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 37; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 26; Heinze, NZA 1997, 681. 25 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 37; Schüren, FS Gitter, S. 901. 26 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 15 ff. 27 Hölting, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 8 ff., 48 ff., 51 ff., 55 ff.; Heinze, NZA 1997, 681 (685). 28 Hölting, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 48, 51. 29 Smentek, Arbeitszeitflexibilisierung, S. 114 f. 24

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Der zweite Typus besteht aus variablen Arbeitszeiten, denen eine vertraglich bzw. tariflich vereinbarte Regelarbeitszeit zugrunde liegt, die innerhalb eines bestimmten zeitlichen Bezugsrahmens (Woche/Monat/Jahr) im Durchschnitt eingehalten werden muss. Im Gegensatz zum Leistungsvolumen bleibt das Einkommen i. d. R. verstetigt und wird monatlich ausgezahlt. In diese Kategorie lassen sich Gleitzeit sowie im Grundsatz auch Vertrauensarbeit und die sog. ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit/Jahresarbeitszeit einordnen. Eine weitere Variante sind Modelle mit permanent unregelmäßigen Arbeitszeiten, die an keinerlei definierte Regelarbeitszeit mehr gebunden sind. In diesen Bereich fallen Arbeit auf Abruf, Ergebnisvereinbarungen ohne Arbeitszeitvorgaben und Arbeitsleistungen außerhalb regulärer Beschäftigungsverhältnisse. Von den genannten Varianten wird hier auf die ergebnisorientierte Arbeit unter dem Begriff der Orientierungsarbeit zurück zu kommen sein.

§ 2 Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte“ Gleitzeit Vertrauensarbeitszeit – häufig auch als Vertrauensgleitzeit bezeichnet – wird teilweise beschrieben als Gleitzeit ohne Kernzeit, wobei kein Zeitrahmen für den Zeitausgleich vorgegeben, der Zeitausgleich von den Mitarbeitern eigenverantwortlich gesteuert, und die gearbeitete Zeit nicht durch ein elektronisches System oder Stempelkarten erfasst wird.30 Fest steht damit lediglich ein durchschnittliches Arbeitszeitdeputat.31 Dem Mitarbeiter werde ohne weiteren Nachweis geglaubt, dass er seine Vertragsarbeitszeit erbracht hat, die freiwillige Führung eines Zeitkontos diene ihm allenfalls noch zur Selbstkontrolle; er könne daraus aber ebenso wenig Ansprüche herleiten wie der Arbeitgeber.32 Voraussetzung für das Verständnis der Vertrauensarbeitszeit und der damit verbundenen Probleme ist deshalb die Kenntnis der Grundstrukturen der tradierten Gleitzeitmodelle als deren Vorläufer.

A. Gleitende Arbeitszeit – Begriffsbestimmungen Charakteristisch für Gleitzeit ist, dass der Arbeitnehmer selbst – innerhalb gewisser Grenzen – die Lage oder sowohl Lage als auch Dauer der täglichen Arbeitszeit bestimmen kann.33 Dabei steht das Arbeitszeitdeputat innerhalb eines bestimmten Referenzzeitraumes fest. 30

Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1162; Hamm, AiB 2000, 152 (153). Reichold, NZA 1998, 393 (396), der synonym den Begriff der „amorphen Arbeitszeit“ verwendet. 32 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 149. 33 Vgl. statt vieler Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 45. 31

§ 2 Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte‘‘ Gleitzeit

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Werden nur Beginn und Ende der Arbeitszeit bei täglich gleicher Dauer (also die Lage) selbst bestimmt, wird von „einfacher“ oder auch von gleitender Arbeitszeit ohne Zeitausgleich34 gesprochen; kann dagegen auch die Dauer der täglichen Arbeitszeit vom Arbeitnehmer selbst festgelegt werden, so spricht man von „qualifizierter“35 oder von Gleitzeit mit Zeitausgleich.36 Schüren37 fasst unter den Begriff der Gleitzeitarbeit auch solche Modelle, in denen nur die Arbeitsaufgabe feststeht, die Zeiteinteilung hingegen ausschließlich selbstbestimmt erfolgt. Strukturell ist die Gleitzeitarbeit durch die im Folgenden zu erläuternden Elemente geprägt: Kernarbeitszeit ist die Arbeitszeit, in der eine Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz besteht. Sie wird festgelegt, um eine Kontinuität der betrieblichen Abläufe und die betriebliche Kommunikation sicherzustellen.38 Außerhalb oder anstelle der Kernzeit haben sich sog. Funktions-, Ansprechoder auch Servicezeiten herausgebildet. Diese unterscheiden sich von der Kernzeit darin, dass für den einzelnen Arbeitnehmer zwar keine Anwesenheitspflicht mehr besteht, es muss allerdings sichergestellt sein, dass der Arbeitsplatz bzw. eine Funktionseinheit besetzt ist. Die Arbeitnehmer haben untereinander eine Absprache darüber zu treffen, wie die Ansprechbarkeit gewährleistet wird.39 Wird dem Arbeitnehmer sogar die Entscheidung über die Dauer seiner täglichen Arbeitszeit überantwortet und auf Festlegung von Kern- und einer täglichen Mindestarbeitszeit verzichtet, so steht ihm frei, ob er an einem Tag überhaupt arbeitet. Teilweise findet sich auch für derartige Modelle die Bezeichnung „variable Arbeitszeit“40 oder „amorphe Arbeitszeit“. Von Letzter ist immer dann zu sprechen, wenn nur ein Volumen und ein bestimmter Bezugszeitraum vereinbart wird, in dem die Arbeitszeit erbracht sein muss.41 Die Beschäftigten können die gesamte Arbeitszeit – entsprechend den Erfordernissen ihrer Arbeitsaufgabe – selbst einteilen, wodurch ihnen ein Höchstmaß an Zeitsouveränität eingeräumt wird.42

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So Zmarzlik, AR-Blattei SD 240 Rn. 118. Vgl. etwa Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 54, 56. 36 Zmarzlik, AR-Blattei SD 240 Rn. 119. 37 AuR 1996, 381. 38 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 83. 39 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 152; vgl. auch Rischar, Flexible Arbeitszeitmodelle, Rn. 229 f. 40 Vgl. etwa Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 122; Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 150, 152. 41 Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 75 f. 42 Vgl. Reichold, FS Wiese, S. 407 (416). 35

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Als Gleitspanne wird der der Kernzeit unmittelbar vor- bzw. nachgelagerte Zeitraum bezeichnet, in dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit von dem Beschäftigten selbst festgelegt werden kann.43 Rahmenarbeitszeit bzw. Arbeitszeitrahmen beschreibt den Zeitraum, der maximal zur Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung steht. Er umfasst Kernzeit und Gleitspannen.44 Soll- oder Normalarbeitszeit ist die geschuldete Arbeitszeit. Sie ergibt sich aus der (tarif-)vertraglich als Wochen-, Monats- oder Jahresarbeitszeit vereinbarten Dauer. Mindestarbeitszeiten werden definiert, wenn eine tägliche Anwesenheitspflicht in einem bestimmten Zeitumfang besteht.45 Zeitschulden/Zeitguthaben/Ausgleichsspannen bzw. Bezugszeiträume In dem Maße, wie die tatsächlich geleistete von der Normal-Arbeitszeit abweicht, entstehen Zeitguthaben bzw. -schulden. Um zu große Schwankungen im Gleitzeitverhalten zu vermeiden, werden häufig Limits für den Guthaben- und Schuldenstand vereinbart, an deren Erreichung sich dann bestimmte Folgen knüpfen lassen (z. B. Auszahlung von Guthaben in Geld oder Verfall, Nachholung von nicht erbrachter Arbeitszeit bei Schulden). Der damit in Zusammenhang stehende Ausgleichszeitraum46 bezeichnet die Zeitspanne, innerhalb derer die Synchronisation zwischen erbrachter und geschuldeter Arbeitszeit zu erfolgen hat.47 Für die konventionellen Gleitzeitsysteme ist charakteristisch, dass feststehen muss, innerhalb welchen Zeitabschnitts der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitszeit zu erbringen hat.48 Die Verwaltung dieser Daten erfolgt mittels Arbeitszeitkonten (Gleitzeitkonten).49 Eine wesentliche Intention dieser Form von flexibler Arbeitszeitgestaltung ist es, bei Auftragsspitzen das Arbeitsvolumen durch Überschreitung der Sollarbeitszeit zu bewältigen und zu anderen Zeiten durch Unterschreitung auszugleichen und nur noch effektive, intensiv genutzte Arbeitszeit zu vergüten. Durch variable Arbeitszeitverteilung soll die Anordnung zuschlagspflichtiger Überstunden vermieden werden. Zunehmend wird daher die monatliche Überstundenbe43

Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 83. Matthies/u. a., Arbeit 2000, S. 141. 45 Vgl. etwa Reichold, NZA 1998, 393 (395); Schüren, AuR 1996, 381. 46 Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass diese Ausgleichsspannen nicht notwendig identisch sind mit denen der §§ 3 S. 2, 7 I ArbZG; dazu unten Kapitel 2, § 2. B. I. 2. 47 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 84; vgl. auch Linnenkohl/Kilz, AuA 1993, 238 (241). 48 BAG v. 30.3.2000 AP Nr. 2 zu § 15 BAT-O. 49 Vgl. Schoof in: Kittner/Zwanziger, HdbArbR, § 38 Rn. 61, 101. 44

§ 2 Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte‘‘ Gleitzeit

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zahlung durch langfristige Mehrarbeitskonten mit Freizeitausgleich ersetzt, der Tatbestand der Mehrarbeit in Zeitkontenmodellen zu Gunsten von variablen Regelarbeitszeitbudgets fast gänzlich abgeschafft.50 Auf die Zweifelsfragen, wann es sich um ungleichmäßig verteilte Arbeitszeit handelt und wann in flexiblen Modellen Überstunden vorliegen, wird im Kontext der Mitbestimmungsrechte51 noch einzugehen sein. Arbeitszeitkonten Die soeben erwähnten Arbeitszeitkonten nehmen eine Schlüsselrolle im Rahmen flexibler Arbeitszeitgestaltung ein. Zeitkonten sind derzeit das bedeutendste und am weitesten verbreitete52 Instrument der Arbeitszeitflexibilisierung.53 Ihre Verwendung beruht auf der – freilich zunehmend in Frage gestellten – Annahme, dass die Registrierung der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit notwendig wird, wenn diese im Zeitablauf ungleichmäßig verteilt werden und von der vereinbarten Durchschnittsgröße abweichen kann.54 Als Mittel zur Zeiterfassung dienen sie der Dokumentation von Abweichungen der tatsächlichen (Ist-) von der geschuldeten (Soll-)Arbeitszeit,55 weshalb die Zeitkontenführung auch als ein an das System der Buchführung angelehntes Verfahren bezeichnet wird.56 50 Engelhardt, AiB 2001, 451; vgl. auch Hamm, AiB 2002, 412 (413 ff.); Klenner, WSI-Mitt. 4/1997, 254 (264); Ludewig, MittAB 2001, 302. 51 Kapitel 4, § 1. C. I. 2. b). 52 Nach einer ISO-Umfrage wurde 2001 in Deutschland für 40% (1999: 37%) aller Beschäftigten ein Arbeitszeitkonto geführt und arbeitet gut ein Viertel (29%) der Betriebe und Dienststellen bereits mit Kontensystemen. Diese Werte, bestätigt von den durch das IAB-Betriebspanel ermittelten Zahlen, deuten auf einen stabilen Trend für die Verbreitung von Arbeitszeitkonten, s. Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (335). Abweichende Angaben resultieren aus einer WSI-Umfrage (s. Seifert, WSIMitt. 2/2001, 84 [85]) im Zeitraum 1999/2000, wonach in 78% der privatwirtschaftlichen und 72% der öffentlichen Betriebe Zeitkonten geführt werden, davon in 69% bzw. 55% für sämtliche Beschäftigte. Die Unterschiede in den einzelnen Erhebungen ergeben sich zum einen daraus, dass an der Befragung des WSI nur Betriebe oder Dienststellen mit mindestens 20 Beschäftigten und mit Betriebs- und Personalrat teilgenommen haben. Dabei wirken sich die empirisch belegten Tatsachen aus, dass in Kleinbetrieben der Verbreitungsgrad von Zeitkonten weitaus geringer ist als in Mittelund Großbetrieben ab 50 Beschäftigten, wo nach Angaben des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes über 40% im April 2001 ein Arbeitszeitkonto führten und dass die Verbreitung von Zeitkonten auch von der Existenz kollektiver Interessenvertretungen abhängt (Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 [335]). Zum anderen resultieren die Diskrepanzen zwischen den Untersuchungsergebnissen daraus, dass unter den Begriff Arbeitszeitkonto unterschiedliche Gestaltungsvarianten fallen (s. Seifert, WSIMitt. 2/2001, 84 [85]). 53 Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334; vgl. als Überblick etwa Ebert, ArbRB 2003, 24 ff. 54 Vgl. Seifert, WSI-Mitt. 2/2001, 84. 55 Scheurer, Arbeitgeber 1997, 193. 56 Seifert, WSI-Mitt. 2/2001, 84.

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Als Grundlage der Verwaltung von Arbeitszeit57 werden Konten z. T. als Voraussetzung und Medium für die Umsetzung jeder Art von flexibler Arbeitszeitgestaltung bezeichnet.58 Von Gleitzeitkonten lassen sich weitere Arten unterscheiden59, von denen an dieser Stelle nur die Überstundenkonten genannt seien. Sie dienen dazu, Überstunden nicht mehr finanziell zu vergüten, sondern als zuschlagspflichtige Zeiteinheiten auf dem Konto gutzuschreiben, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in Freizeit auszugleichen (sog. transitorische Überstunden60).61 Nach dieser Klärung der wichtigsten Grundbegriffe kann nun entsprechend der eingangs gewählten Bezeichnung der Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte Gleitzeit“ dargestellt werden, warum und wie sich die Entgrenzung und damit die Entwicklung hin zur Vertrauensarbeitszeit vollzogen hat.

B. Gleitzeit als „Keimzelle, aber auch Irrweg der Flexibilisierung“62 Gleitzeitmodelle haben sich seit den 1970er Jahren in Verwaltungen, Produktion sowie im Dienstleistungssektor stetig ausgebreitet.63 Sie gehen zurück auf das von der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH 1967 eingeführte sog. „Ottobrunner Modell“.64 Im Vordergrund stand dabei das Ziel, Anfangs- und Endzeiten der täglichen Arbeit zu entzerren, um Verkehrsstaus auf Zufahrtswegen zum Werk zu vermeiden.65 Ausgehend von dieser Intention enthielten die ersten Gleitzeitmodelle enge Gleitspannen zu Gunsten langer Kernzeiten. Die Diskussion über Arbeitszeitflexibilisierung wurde anfangs unter dem Aspekt der „Humanisierung der Arbeit“ geführt mit der Forderung nach mehr Zeitsouveräni-

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Hölting, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 159. Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 47; vgl. auch Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 15/279, S. 76. 59 Nach einer Systematisierung von Seifert in: Zeitkonten, Arbeit à la Carte, S. 9 (11 ff.) wurden in einer WSI-Erhebung (Seifert, WSI-Mitt. 2/2001, 84 f.) vier Grundmodelle unter den Oberbegriff der Arbeitszeitkonten gefasst. Dies sind neben Gleitzeit- und Überstundenkonten die Ansparmodelle (etwa die Zeit-Wertmodelle bei VW) sowie die Bandbreiten- oder Korridormodelle; zu den Einzelheiten s. dort. 60 Vgl. Autorengemeinschaft, MittAB 2000, 5 (20). 61 Der Freizeitausgleich kann fakultativ oder obligatorisch geregelt sein und für sämtliche Überstunden oder erst ab einem bestimmten Grenzwert gelten Seifert, in: Zeitkonten, Arbeit à la Carte, S. 9 (12); ders., WSI-Mitt. 2/2001, 84 (85). 62 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 149. 63 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 1; vgl. zum Zahlenmaterial MünchArbR-Anzinger, § 218 Rn. 57. 64 Hillert, BB 1970, 216; Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 149. 65 D. Neumann, RdA 1971, 106. 58

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tät.66 Dabei herrschte das Verständnis vor, dass die Kernzeit dem Arbeitgeber und die Gleitspannen dem Arbeitnehmer „gehören“ sollten.67 Soweit die Dauer der täglichen Arbeitszeit veränderbar war, wurden nur geringe Abweichungen von der Sollarbeitszeit zugelassen, zudem bestanden nur sehr restriktive Möglichkeiten zur Übertragung von Zeitguthaben in folgende Abrechnungszeiträume.68 Weitere Flexibilisierungsschritte bestanden darin, Gleitspannen und Arbeitszeitrahmen auszuweiten. Nachteile dieses Konzepts traten im Zusammenhang mit der Kernzeit zutage: Betriebliche Anforderungen waren auf die Kernzeit konzentriert, allein in diesem Zeitraum war die Ansprechbarkeit für Kunden gewährleistet, aber auch interne Besprechungen konnten nur während der Kernzeit stattfinden.69 Andererseits war mit der Kernzeit die Mindestarbeitszeit und damit die Anwesenheitspflicht der Arbeitnehmer definiert, und zwar unabhängig davon, ob es etwas zu tun gab oder nicht. Damit erwies sich die Vorgabe von Kernzeiten einerseits für kundenfreundliche Servicezeiten als zu kurz und andererseits aus betriebswirtschaftlicher Sicht als ungeeignet, Mitarbeiter zu ergebnis- und aufgabenorientiertem Arbeiten zu motivieren.70 Denn unbefriedigende Folge dieser sog. „Behördengleitzeit“ war, dass sie dazu verleitete – wiederum unabhängig vom Arbeitsanfall und ausschließlich an eigenen Freizeitwünschen orientiert – durch frühes Kommen und unnötiges Verweilen am Arbeitsplatz hohe Zeitguthaben aufzubauen, für die ein Freizeitausgleich stattzufinden hatte.71 Wegen mangelnder Kundenorientierung der bestehenden Modelle und gestiegenen Produktivitätsdrucks wurde zunehmend auf starre Kernzeiten oder Anwesenheitspflichten bzw. tägliche Mindestarbeitszeiten verzichtet und damit die Möglichkeiten der Verwendung von Zeitguthaben vergrößert.72 Die Ersetzung der Kernzeiten durch Funktions- oder Ansprechzeiten war ein wesentlicher Schritt hin zur Vertrauensarbeit und ist häufig Bestandteil von Vertrauensarbeitszeitregelungen73. Hierdurch kann im Interesse der Kunden eine längere Zeitspanne der Erreichbarkeit definiert werden als dies mit der Kernzeit 66

Kleinhenz in: Wildemann, Zeitmanagement, S. 110. Vgl. BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 68 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 149; Niebler, Arbeitgeber 1995, 708. 69 Vgl. BAG AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; vgl. zu den Nachteilen fester Anwesenheitszeiten auch Rauscher, PersW 1999, Sonderheft 10, 6 (9). 70 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 10 f.; vgl. auch Helmich, AuA 2001, 123; Reimers, PersF 3/1999, 4 f.; Senne, BB 1996, 1609 (1612). 71 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 150 f.; Schüren, Anm. zu BAG AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit: „Nicht der Arbeitsanfall und die privaten Interessen der Arbeitnehmer bestimmen die Verteilung der Arbeitszeit außerhalb der Kernarbeitszeit, sondern ausschließlich die Wünsche der Arbeitnehmer.“ 72 Vgl. Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 152 zur sog. „variablen Arbeitszeit“; Rauscher, PersW 1999, Sonderheft 10, 6 ff.; Reichold, NZA 1998, 393 f.; Schmitz, PersW 6/2000, 57 ff. (60 ff.). 73 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 94. 67

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

möglich war. Darüber hinaus wurde den Mitarbeitern größere Verantwortung für ihre Arbeitszeitplanung übertragen.74 Bereits der Wegfall der Kernzeit bedeutete einen Rückzug des Arbeitgebers aus der Arbeitszeitgestaltung, der bei der Entwicklung hin zur Vertrauensarbeit immer weiter zunimmt. Vorteile75 dieses Modells aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind neben besserer Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall und dem Rückgang bezahlter Überstunden das Sinken bezahlter Ausfallzeiten76, Leistungssteigerung durch motiviertere Mitarbeiter sowie die Verlängerung der Betriebsnutzungszeit.77 Arbeitnehmer können von extensiveren Gleitzeitregelungen v. a. durch die Möglichkeit profitieren, ihre Arbeitszeit besser auf ihren Lebensrhythmus abzustimmen.78 Zeiterfassung und -auswertung galten lange als Voraussetzungen für das Funktionieren dieser Gleitzeitvarianten, bei denen – ungeachtet der Einführung von Funktionszeiten – die Einhaltung der Vertragsarbeitszeit im Vordergrund stand.79 Als nachteilig hat sich aber u. a. der mit Zeitkontenführung und der Regulierung des Überstundenabbaus verbundene hohe Koordinations- und Administrationsaufwand erwiesen.80 Außerdem werden nicht nur Kernzeiten, sondern auch andere einengende Regelungen, wie die Begrenzung der zulässigen Gleittage pro Monat und Kappung von Guthaben, umso störender empfunden, je mehr die Mitarbeiter und Führungskräfte sich an der Arbeitsaufgabe orientieren sollen.81 So hat z. B. die ursprüngliche Begrenzung der zulässigen Guthaben auf eine geringe Stundenzahl und die Maßgabe, dass der Zeitausgleich in kurzfristigen Zeiträumen bis zur Guthabengrenze zu erfolgen hatte, während darüber hinausgehende Stunden verfallen sollten, zu der Fehlentwicklung aus Sicht der Arbeitgeber geführt, dass sich die Zeitausgleiche am Ende der Abrechnungszeiträume konzentrierten; problematisch war, dass dies häufig mit dem Monatsende zusammenfiel, an dem in einigen Branchen regelmäßig ein erhöhter Arbeitsbedarf besteht. Aus 74

Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 152. Zu den Nachteilen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer s. etwa Heinze, NZA 1997, 681 (688). 76 Arztbesuche fallen nicht mehr in die Arbeitszeit, vgl. Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 155. 77 Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 123 f.; Heinze, NZA 1997, 681 (687 f.); zum Hewlett-Packard-Modell etwa Rauscher, PersW 1999, Sonderheft 10, 6 ff. 78 Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 125; Heinze, NZA 1997, 681 (688). 79 Vgl. Heinze, NZA 1997, 681 (687). 80 Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 124; Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347. 81 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 10 f.; auch Cranen, AuA 2000, 258 f. 75

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diesen Gründen wurde in modernen Gleitzeitsystemen auf die Kappungs- und die Stichtagsregelung verzichtet. Zum Teil wurde stattdessen die Arbeitszeit mit Ampelkonten gesteuert.82 Bei den sog. Ampelmodellen, die sich mittlerweile unter den tariflich und betrieblich ganz unterschiedlich geregelten Formen der Kontenverwaltung besonders etabliert haben83, werden mögliche Kontenstände84 definiert und zwei85 oder drei unterschiedlichen Phasen zugeordnet. Innerhalb des Grünbereichs, der durch eine bestimmte – vergleichsweise geringe – Stundenzahl86 begrenzt wird, kann das Guthaben im Laufe der jeweils verbleibenden Zeit noch gut abgebaut werden. Ziel ist, das Konto in diesem Bereich zu halten. Bei Erreichen des anschließenden Gelbbereichs87 sollen „erste Reaktionen“ erfolgen.88 Diese können lediglich in einer Mitteilung an Beschäftigten und Betriebsrat bestehen; wirkungsvoller ist aber eine damit verbundene Aufforderung, das Konto innerhalb einer bestimmten Frist in die Grünphase zurückzufahren.89 Befindet sich das Konto im roten Bereich, kann mit der verbindlichen Aufforderung zur Rückführung binnen einer Frist reagiert werden. Teilweise ist vorgesehen, dass die Stunden im roten Bereich als zuschlagspflichtige Überstunden behandelt werden. Negative Folge ist der Anreiz für die Beschäftigten, ihr Guthaben in diesen Bereich „zu fahren“, womit eine Verlängerung der Arbeitszeit eintritt.90 Eine andere Variante besteht darin, dass in den verschieden Phasen des Ampelmodells die Dispositionsbefugnis wechselt. Während im grünen Bereich allein der Arbeitnehmer verfügungsbefugt ist, wird im gelben Bereich die gemeinsame Disposition von Mitarbeiter und Führungskraft zur Rückführung des Saldos erforderlich. Im roten Bereich schließlich soll allein die Führungskraft über das Guthaben verfügen.91 Es sind auch

82 Helmich, AuA 2001, 123 (124); vgl. auch BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 344 (355, 364); 415 (421). 83 Vgl. dazu Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 175; ders., AiB 2002, 412 (419 f.); Engelhardt, AiB 2000, 466 (473); BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 41 (48), 405 (408), 249 (253). 84 Die Schwankungsbreite der in einer Phase zulässigen Guthaben differiert von Betrieb zu Betrieb, Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 194; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 175. 85 Nach dem Muster der Fußgängerampel, vgl. etwa Bex, AuA 6/2003, 10 (11) aus der Praxis von klein- und mittelständischen Handwerksbetrieben. 86 Vgl. Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 194; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 175, die für die „Grünphase“ +/– 50 Stunden empfehlen. 87 Durch einen definierten höheren Saldo. 88 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 175. 89 Ob allerdings der „Gelbphase“ tatsächlich substanzielle Bedeutung zukommt, mag bezweifelt werden, vgl. Hamm, AiB 2002, 412 (420). 90 So Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 195; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 176. 91 So das Beispiel bei Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1154, Lindecke/ Lehndorff, WSI-Mitt. 7/1997, 471 (478).

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betriebliche Regelungen bekannt, nach denen das Erreichen der Rotphase zu Verhandlungen über Neueinstellungen führen soll.92 Eine andere Alternative besteht darin, den Aufbau von Guthaben auf Konten möglichst ohne Restriktionen zu ermöglichen.93 Deshalb lassen immer häufiger extensive Regelungen die Übertragung von Guthaben in nachfolgende längere Ausgleichszeiträume zu.94 Weil hohe Guthaben auf Zeitkonten einerseits den Anschein besonderer Einsatzbereitschaft vermitteln, andererseits aber die Tendenz begünstigen, langsame Mitarbeiter auf Kosten der Schnellsten zu belohnen, und „Zeitkontenführung [. . .] oft Mitarbeiterführung (ersetzt)“95, werden Zeitkontenmodelle zunehmend skeptisch betrachtet.96 Gewerkschaftsvertreter sehen daher die klassischen Gleitzeitregelungen dem „zunehmenden Druck von Arbeitgeberseite ausgesetzt“ und eine eindeutige Verschiebung weg von der Zeitsouveränität hin zur Betriebsund Kundenorientierung; insofern sind die Grenzen zwischen „Gleitzeitmodellen der 2. Generation und Vertrauensarbeitszeitkonzepten“ fließend.97 Vor allem im Dienstleistungssektor und im Bereich der „new economy“ steht aufgabenorientierte Zeitgestaltung im Mittelpunkt der Diskussion über flexible Arbeitszeitorganisation.98

C. Charakteristika der Vertrauensarbeitszeit Vor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklungen kann nun näher auf die für Vertrauensarbeitszeit typischen Besonderheiten der Arbeitszeitgestaltung eingegangen werden. I. Zeitsouveränität oder Bedarfs- und Kundenorientierung? Das Spannungsverhältnis zwischen Zeitsouveränität (= Gestaltungsfreiheit für Arbeitnehmer) und Bedarfs- bzw. Kundenorientierung (= Gestaltungsvorgaben durch Dritte) ist kennzeichnend für die Vertrauensarbeitszeit. Aus diesem Grund ist zu klären, was unter dem Begriff der Arbeitszeitsouveränität, der bisweilen 92

Lindecke/Lehndorff, WSI-Mitt. 7/1997, 471 (478). Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 156 f. 94 Vgl. Hamm, AiB 2002, 412 (414); Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 5; Krakowski, AuA 2000, 410. 95 Hoff, z. B. in PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (12). 96 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 64. 97 Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 179. 98 Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 45; Jensen, Die Mitbestimmung 6/2001, 37 ff. 93

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als Euphemismus aufgefasst wird99, zu verstehen ist und wie die mit der Vertrauensarbeitszeit angestrebte eigenverantwortliche Bedarfsorientierung rechtlich umgesetzt wird. Auszugehen ist von der Tatsache, dass die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit – im Gegensatz zu ihrer vertraglich festzulegenden Dauer100 – grundsätzlich dem Arbeitgeber obliegt und rechtlich als Ausübung seines Weisungsrechts101, d.h. als Gestaltungsakt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, qualifiziert wird102 (§ 106 S. 1 GewO). Das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers hat seinen Grund in der Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis, nach der ihm die wirtschaftlich optimale Verwertung des Arbeitszeitdeputats zugewiesen ist.103 Daher wurde es bislang als Sache des Arbeitgebers angesehen, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers sinnvoll einzusetzen.104 Mittlerweile gilt aber als „gemeinsames Kennzeichen zukunftsfähiger flexibler Arbeitszeitsysteme, dass sie die Verantwortung der Mitarbeiter für den Einsatz ihrer Arbeitszeit fordern und fördern“.105 Die hierin zum Ausdruck kommende Delegation unternehmerischer Verantwortung auf untere Ebenen ist generell kennzeichnend für den Umbruch in der Arbeitswelt.106 Während früher als entscheidend für den Arbeitsvertrag angesehen wurde, „dass der Arbeitnehmer seine Zeit für Zwecke des anderen Vertragsteils zur Verfügung stellt“, wobei dies als das „persönlichste Opfer“ für die 99 Vgl. etwa Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 67; Hensche, WSI-Mitt. 10/2001, 602 (603): wegen vorgegebener Projektziele „. . . (reduziert sich) die verheißene Zeitsouveränität [. . .] auf die Wahlfreiheit, entweder eine zusätzliche Nachtschicht einzuschieben oder das Wochenende zu opfern“; Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1025 benutzt daher auch stattdessen ganz bewusst den Begriff „Zeitverantwortung“, um zu verdeutlichen, dass es in erster Linie um die optimale Aufgabenerfüllung im betrieblichen Interesse geht; auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 17 f. verweist darauf, dass der Begriff unglücklich gewählt sei, weil er zu Enttäuschungen führen könne. 100 Durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, selten durch Betriebsvereinbarung, vgl. MünchArbR-Anzinger, § 217 Rn. 15; BAG v. 11.10.1995 AP Nr. 9 zu § 611 BGB Arbeitszeit. 101 MünchArbR-Blomeyer, § 48 Rn. 143; Hromadka, DB 1995, 2601 (2603); LAG Berlin v. 29.4.1991 LAGE § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 9. 102 MünchArbR-Blomeyer, § 48 Rn. 31 m. N.; MüKo-Gottwald, § 315 Rn. 33, 34, 69; Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 100; Böttner, Direktionsrecht, S. 61; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 31, 47; Hromadka, DB 1995, 1609 (1610). 103 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 29; v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 119. 104 MüKo-Müller-Glöge, § 611 Rn. 123; vgl. auch Buschmann/Ulber, ArbZG, § 2 Rn. 4. 105 Hoff/Weidinger, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http://www. arbeitszeitberatung.de (10/2002), S. 1. 106 Sie zeigt sich in neuen Managementmethoden, Zielvereinbarungen, Ergebnisorientierung, vgl. etwa Boysen, Betriebsverband, S. 127 ff.; Schlachter, FS BAG, S. 1253 ff.; Trittin, NZA 2001, 1003; s. auch unten § 4. B. I. 2.; 4.

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Interessen eines anderen galt,107 wird heute davon ausgegangen, dass der Trend zu mehr Eigenverantwortlichkeit in der gewandelten Arbeitswelt zu einer Anpassung des Inhalts des Normalarbeitsvertrags führe. Der Arbeitnehmer verpflichte sich heute schon typischerweise nicht, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, sondern nach bestem Wissen und Gewissen zur Erledigung der Betriebsaufgaben beizutragen.108 Besonders die Arbeit an sog. virtuellen Arbeitsplätzen109 der IT-Branche wird damit beschrieben, dass Selbstständigkeit und Selbststeuerung als Elemente des sog. „Wissensmanagements“ Weisungs- und Direktionsrechte immer mehr in den Hintergrund drängen, weil der Arbeitgeber zunehmend auf „einen wesentlichen Teil seiner formalen Rechtsposition“ verzichte und gar nicht mehr qualifiziert sei, konkrete Weisungen zu erteilen.110 Aber auch in anderen Bereichen rückt der Wettbewerbsgedanke zunehmend in das Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass der Mitarbeiter nicht mehr lediglich Weisungsempfänger ist, sondern sich zur Teilnahme an einem innerbetrieblichen „Optimierungswettbewerb“ verpflichtet.111 Die subordinationsorientierte Weisung wird häufig nur noch als ultima ratio betrachtet112 und ist durch neuere Leitungsinstrumente – gesprochen wird auch von indirekter Steuerung oder Selbststeuerung113 – ersetzt worden. Anschaulich ist daher vorgeschlagen worden, statt von Weisungs- von einem Anforderungsrecht des Arbeitgebers zu sprechen.114 Die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der betrieblichen Vorgänge durch den Arbeitgeber beruht auf dessen Erwartung einer möglichst intensiven und effizienten Leistungsintegration durch die Arbeitnehmer; sie ist nicht Ausdruck einer „altruistischen Motivation“ des 107

Ballerstedt, RdA 1965, 5 (8). Reuter, FS Dieterich, S. 473 (475 f.); vgl. ders., ZfA 1993, 221 (222). 109 Vgl. Schönfeld/Strese/Flemming, MMR Beilage 9/2001, 8; zum Begriff der virtuellen Unternehmensorganisation s. Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (204 f.). 110 Vgl. dazu etwa Linnenkohl, BB 2001, 42 ff. (44); Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (205 f.); Schönfeld/Strese/Flemming, MMR Beilage 9/2001, 8 (9). 111 Beaucamp, NZA 2001, 1011 f.; ähnl. Boysen, Betriebsverband, S. 162; 240 f., nach dem sich der Arbeitnehmer zur aktiven Teilnahme an der kooperativen Koordinierung des Arbeitsprozesses verpflichtet und dazu, eine Rolle in der Arbeitsorganisation zu übernehmen und den betrieblichen Organisationszweck zu fördern. Ausgehend davon ordnet Boysen den Betrieb als privatrechtlichen Verband ein und das „betriebliche Gesamtarbeitsverhältnis“ als hybrides Organisationssystem, das auf einer Grundstruktur von bilateralen Einzelverträgen beruhe, die durch ein überlagerndes Innenverbandsverhältnis rechtlich miteinander vernetzt würden (S. 229 ff., 260). 112 Hümmerich, NJW 1998, 2625 (2634); vgl. auch Reimers, PersF 3/1999, 4 (5): „. . . schließlich haben wir ja nur die Stempeluhr abgeschafft, nicht das Weisungsrecht der Führungskräfte“. 113 Trittin, NZA 2001, 1003 (1007). 114 Beaucamp, NZA 2001, 1011 (1012 f.). Dies verdeutlicht, dass von den Mitarbeitern kreative, eigenständige Lösungen anhand von definierten Aufgaben- oder Problemstellungen in Kooperation mit allen Hierarchieebenen gefordert werden. 108

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Arbeitgebers zu Gunsten der Persönlichkeitsentfaltung der Arbeitnehmer115, die etwa „vom Joch der festen Arbeitszeit“ zu befreien wären.116 Indem der Arbeitgeber die Arbeitszeitplanung, die er sonst einer Führungskraft zuweist, nun unmittelbar vom Arbeitnehmer selbst erledigen lässt, erhöht er vielmehr die Anforderungen an den Arbeitnehmer, der damit zusätzlich für den möglichst effizient bedarfsorientierten Einsatz seines Arbeitszeitdeputats sorgen muss.117 Teilweise wird sogar die Existenz eines Weisungsrechts in zeitlicher Hinsicht gänzlich in Frage gestellt bzw. sein Rückzug konstatiert, wenn vertraglich nur ein Arbeitskontingent vereinbart werde.118 Dieser Befund kann Auswirkungen auf den Arbeitnehmerbegriff haben, sofern man die Rückbesinnung auf zeitliche Weisungsgebundenheit als den Kernbereich und zentralen Gesichtspunkt des Arbeitnehmerbegriffs fordert.119 Weil das Weisungsrecht Ausfluss der persönlichen Abhängigkeit der Dienstleistung und damit Charakteristikum des Arbeitsvertrags ist, wurde also in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen die genannten Veränderungen auf das Weisungsrecht haben. Sie stellt sich hier, weil in dem Arbeitgeberrecht die Wurzeln der „Souveränitätseinbuße“ des Arbeitnehmers gesehen werden können: Sich fremden Weisungen unterordnen zu müssen, bedeutet etwa nach Auffassung Wlotzkes, die Entscheidung über das eigene Verhalten nicht selbst nach dem Maßstab der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit treffen und verantworten zu können, sondern dies dem Weisungsberechtigten überlassen zu müssen, so dass blinder Gehorsam abverlangt werde. In diesem Element der Subordination sei die Fremdbestimmtheit und Fremdgelenktheit des Arbeitnehmers begründet. Darin liege eine Beeinträchtigung der Person des Arbeitnehmers im ethischen Sinne, deren Anerkennung fordere, dass er seinen dem Wesen des Menschen immanenten Schaffensdrang und die darin enthaltenen Leistungs- und Verantwortungskräfte entfalten könne und nicht bloß als anweisungsgesteuerter „Funktionär des Betriebsgeschehens“ agieren müsse.120 Genau diesem Postulat kommen aber anthropozentrische Führungsmethoden121 entgegen, die Arbeitnehmern größere Spielräume für eigene Entscheidungen zur Erreichung des betrieblichen Zwecks gewähren und in deren Kontext häufig auch die Zeitsouveränität steht.

115

Boysen, Betriebsverband, S. 240; vgl. auch Hensche, FS Zeuner, S. 74 (76). MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 25. 117 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 46 f. 118 Bauschke, RdA 1994, 209 (210); Hümmerich, NJW 1998, 2625 (2631). 119 So Danne, FS Söllner, S. 199 (209, 216); vgl. auch Boemke, ZfA 1998, 285 (301 ff.); Hümmerich, NJW 1998, 2625 (2631, 2634); s. dazu noch unten Kapitel 2, § 1 A. 120 Wlotzke, RdA 1965, 180 (187). 121 Vgl. dazu Boysen, Betriebsverband, S. 131 ff. 116

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Welche Auswirkungen diese neuen Führungsmethoden auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers haben, ist noch nicht erschöpfend geklärt, und die Auseinandersetzung damit ist vorrangig im Zusammenhang mit Gruppenarbeit und inhaltlichen Weisungen erfolgt. Hinsichtlich der Flexibilisierung der Arbeitszeiten wird angenommen, dass die zeitliche Weisungsgebundenheit vielfach gelockert sei, aber dennoch eine weitgehende Bindung in zeitlicher Hinsicht vorliegen könne, weil der Arbeitgeber gerade das Interesse an einer Leistungserbringung zu einer bestimmten Zeit habe.122 Nach Reichold handelt es sich zumindest um den partiellen Verzicht des Arbeitgebers auf die Ausübung des ihm kraft Arbeitsvertrags zustehenden Weisungsrechts, wenn den Beschäftigten die Freiheit eingeräumt werde, innerhalb mehr oder weniger enger Grenzen die Lage ihrer Arbeitszeit selbst zu bestimmen.123 Bei aufgabenorientierter Arbeit sei der seltene Fall der ausdrücklichen Aufhebung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts, die konkrete Zeiteinteilung betreffend, eingetreten.124 Davon wäre aber nur auszugehen, wenn es dem Arbeitgeber nicht ohne weiteres möglich wäre, die Ausübung des Direktionsrechts wieder an sich zu ziehen, wenn er also eine vertragliche Vereinbarung dergestalt trifft, dass die Änderung der vereinbarten Arbeitsbedingungen nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglich wäre. Birk125 hat im Zusammenhang mit der bei autonomer Gruppenarbeit erfolgten Einschränkung der Leitungsmacht des Arbeitgebers die Frage aufgeworfen, ob dieses „Zugeständnis“ durch den Arbeitgeber von diesem jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann, sich aber auf den Hinweis beschränkt, dass eine gesetzliche Bindung insoweit nicht bestehe und darüber hinaus keine Lösung angeboten. Da das Weisungsrecht nur soweit besteht, wie der Arbeitsvertrag „Lücken“ hinsichtlich der Konkretisierung der Leistungspflicht enthält126 bzw. gem. § 106 S. 1 GewO „soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag [. . .] festgelegt sind“127, kann es durch den Einzelarbeitsvertrag begrenzt werden.128 Für Gruppenarbeit und nicht speziell auf zeitliche Weisungen bezogen wird z. B. vertreten, dass die Arbeitsgruppen die Leitungsmacht nur stellvertretend 122

ErfK-Preis, BGB § 611 Rn. 85. Reichold, NZA 1998, 393 (397). 124 Reichold, NZA 1998, 393 (398). 125 Birk, FS Hyung-Bae, S. 25 (28 f.). 126 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 45; vgl. auch Birk, Leitungsmacht, S. 107. 127 Vgl. auch Schöne, NZA 2002, 829 (830). 128 Vgl. MünchArbR-Richardi, § 8 Rn. 30. 123

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(§§ 164 ff. BGB) für den Arbeitgeber ausüben würden.129 Eine „Abtretung von Direktionsbefugnissen gem. §§ 398 ff. BGB“ wird von dieser Auffassung abgelehnt, weil der Arbeitgeber sich dadurch sein betriebliches Letztentscheidungsrecht nähme, obwohl ihn die wirtschaftlichen Folgen der von ihm nicht mehr zu dirigierenden Entscheidungen der Arbeitnehmer treffen würden. Zugleich wird die Auffassung verworfen, dass die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Arbeitgeberaufgaben diese zu einer reinen Arbeitnehmermaßnahme werden lasse.130 Es wird mithin davon ausgegangen, dass bei dieser Arbeitsorganisation der Arbeitgeber nur so lange auf die Ausübung seines Weisungsrechts verzichtet, „wie die Aufgabenerledigung funktioniert“, aber von seinem Weisungsrecht wieder Gebrauch machen werde, sobald Störungen in der Zusammenarbeit und v. a. negative Arbeitsergebnisse auftreten.131 Damit ist aber letztlich nur klargestellt, dass sich der Arbeitgeber seines Direktionsrechts nicht vollständig und endgültig begeben will und kann. Für den vorliegenden Fall der Zeitsouveränität ist damit jedenfalls noch nicht viel gewonnen. Hohe Anforderungen an vertragliche Einschränkungen des Weisungsrechts werden auch von der Rechtsprechung gestellt. Im Rahmen der Auslegung werden insbesondere mündliche Abreden über die Arbeitszeitlage bei Abschluss des Arbeitsvertrags als bloße Hinweise auf geltende betriebliche Regelungen angesehen.132 Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass das Direktionsrecht eingeschränkt wird, wenn sich nur rahmenmäßig umschriebene Arbeitspflichten im Laufe der Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren.133 D.h., dass eine Transformation des Direktionsrechts des Arbeitgebers in ein vertragliches Recht des Arbeitnehmers auf Beibehaltung bestimmter Arbeitsbedingungen,134 wie etwa eine bestimmte Arbeitszeitlage oder eben das Recht zur freien Arbeitszeiteinteilung, stattfinden kann. Zum reinen Zeitablauf (z. B. jahrelange Beschäftigung in einer bestimmten Schicht) müssen aber weitere Umstände hinzutreten.135 Allein aus der Beibehaltung einer betrieblichen Regelung hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung über einen bestimmten Zeitraum hinweg kann der Arbeitnehmer nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, diese Regelung auch künftig unverändert beizubehalten.136

129 Elert, Gruppenarbeit, S. 88 f.; Blanke, RdA 2003, 140 (147); Popp, BB 1997, 1790 (1791); Rüthers, ZfA 1977, 1 (12 ff.). 130 Elert, Gruppenarbeit, S. 88 f. gegen Hunold, Lean Production, S. 20. 131 Bartel, AuA 2001, 544. 132 Vgl. etwa BAG v. 7.12.2000 AP Nr. 61 zu § 611 BGB Direktionsrecht = SAE 2002, 52 ff. m. Anm. Thau; BAG v. 23.6.1992 AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit. 133 BAG v. 7.12.2000 AP Nr. 61 zu § 611 BGB Direktionsrecht = NZA 2001, 780 (781); vgl. auch Hunold, NZA-RR 2001, 337 (339 f.) m. N. aus der Rechtsprechung. 134 Zu dieser Klarstellung vgl. Thau, SAE 2002, 56 (59). 135 BAG AP Nr. 61 zu § 611 BGB Direktionsrecht; vgl. auch Hunold, NZA-RR 2001, 337 (339 f.) m. N.

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Eine Begründung der restriktiven Haltung, die auf den „Schutz des Direktionsrechts“ ausgerichtet ist, wird in einer Wechselwirkung zwischen dem Schutz der ökonomischen Interessen des Arbeitgebers einerseits und dem aus dessen Abhängigkeit resultierenden Schutz des Arbeitnehmers durch die Rechtsordnung andererseits erblickt: Wer seine Gestaltungsmacht behalte, bedürfe des Schutzes der Rechtsordnung nicht (§ 84 I 2 HGB), und das Direktionsrecht könne nur soweit eingeschränkt werden, dass seine Funktion an sich erhalten bleibe. Wenn die einseitigen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers derart eingeschränkt seien, dass von einem Weisungsrecht dauerhaft nicht mehr die Rede sein könne, bestehe keine persönliche Abhängigkeit mehr.137 Geht man mithin davon aus, dass das BAG das Direktionsrecht vor „individualvertraglichen Modifizierungen“ schützen will,138 wird deutlich, dass nur unter sehr hohen Hürden von einer dauerhaften vertraglichen Beschränkung des Weisungsrechts ausgegangen werden kann. Namentlich Schüren139 und Reichold140 haben sich diesem Problem eingehender gewidmet. Da der Arbeitsvertrag als „Einzelvertrag“ ein schuldrechtlicher zweiseitiger Austauschvertrag141 ist, und es den Vertragsparteien offen steht, die Rechtsbeziehung nach ihrem Willen zu gestalten, gestattet in den Worten Schürens die Vertragsfreiheit den Arbeitsvertragsparteien, die Bestimmung der Arbeitszeitlage in die Hände des Arbeitnehmers zu legen.142 Aus juristischer Sicht liegt ihnen zufolge Arbeitszeitsouveränität vor, wenn nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer ein Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB zur zeitlichen Konkretisierung seiner Arbeitspflicht zukommt (Leistungsbestimmungsrecht durch den Schuldner).143 § 315 BGB ist anwendbar, wenn eine noch nicht oder nicht genau bestimmte Leistung durch einen der Vertragspartner konkretisiert werden soll.144 Abweichend von § 106 GewO bzw. dem Arbeitsvertrag, aus dem sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach h. M.145 trotz der gesetzlichen Normierung nach wie vor ergibt146, kann 136 Vgl. BAG AP Nr. 61 zu § 611 BGB Direktionsrecht = NZA 2001, 780 (781); BAG v. 11.10.1995 AP Nr. 9 zu § 611 BGB Arbeitszeit; LAG Niedersachsen v. 26.7.2001 NZA-RR 2002, 118. 137 Thau, SAE 2002, 56 (58). 138 Thau, SAE 2002, 56 (58). 139 AuR 1996, 381 ff.; MünchArbR, § 165 Rn. 15 ff. 140 NZA 1998, 393 (397); FS Wiese, S. 407 (414 ff.). 141 Vgl. BT-Drs. VI/334, S. 58. 142 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 27. 143 Reichold, NZA 1998, 393 (397, 398: „Arbeitszeitsouveränität bedeutet einseitige Leistungsbestimmung durch den Schuldner“). 144 v. Hoyningen-Huene, Billigkeit, S. 145. 145 Hromadka, DB 1995, 2601; Hunold, AR-Blattei SD 600 Rn. 46 ff.; Richter, DB 1989, 2378 (2379); BAG v. 14.12.1961, 23.1.1992, 7.11.2000 AP Nr. 17 (Gründe II.1.), Nr. 39 (Gründe II.2.c.), AP Nr. 61 (Gründe I.2.) zu § 611 BGB Direktionsrecht.

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somit vereinbart werden, dass dem Arbeitnehmer das Leistungsbestimmungsrecht bzgl. des Zeitpunkts der Leistungserbringung zustehen soll. Aus der Auslegungsregel des § 315 I BGB folgt, dass der Arbeitnehmer sein Gleitzeitverhalten, sofern dieses eine einseitige Leistungsbestimmung darstellt147, nach billigem Ermessen auszurichten hat. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden.148 Der Maßstab zur Beurteilung der Billigkeit ist ein innervertraglicher149 und es kommt nicht darauf an, wer die Leistungsbestimmung vornimmt.150 Derjenige, dem die Leistungsbestimmung übertragen ist, muss den im Vertrag, namentlich der Unterwerfungsvereinbarung, zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsparteien respektieren und weiterdenken.151 Die Parteien können die Entscheidungsmaßstäbe festlegen, also definieren, welche Aspekte maßgebend sein sollen und welche nicht.152 Aufgrund der Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis soll den betrieblichen Interessen Vorrang vor denen des Arbeitnehmers zukommen.153 Eine Arbeitszeitverteilung entspricht deshalb billigem Ermessen, wenn sie von den betrieblichen Notwendigkeiten bestimmt ist und nicht zu außergewöhnlichen, unzumutbaren Belastungen des Arbeitnehmers führt, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn sie sich im Rahmen des Üblichen bewegt.154 Allerdings räumt nicht jede flexible Arbeitszeitgestaltung dem Arbeitnehmer ein Gestaltungsrecht ein. Mit Schüren155 ist zu differenzieren zwischen Gleitzeit mit Kernzeiten und Regelungen ohne Kernzeiten. Für den Fall, dass eine Kernzeit und damit eine Anwesenheitspflicht des Arbeitnehmers festgelegt ist, ist mit Schüren156 die Anwendbarkeit des § 315 BGB zu negieren. Wird lediglich ein Gleitzeitrahmen festgelegt und macht der Arbeitnehmer hiervon Gebrauch, bestimmt er zwar in diesem Rahmen selbst die Arbeitszeitverteilung. § 315 BGB (bzw. nunmehr § 106 GewO) soll indes sicherstellen, dass mit dem Recht der Leistungsbestimmung ein billiger Ausgleich zwischen den Interessen beider 146 Vgl. ErfK-Preis, BGB § 611 Rn. 274; Abeln/Steinkühler, AuA 1/2003, S. 15 (16); Wisskirchen, DB 2002, 1886. 147 Dazu sogleich. 148 BAG v. 11.10.1995 AP Nr. 9 zu § 611 BGB Arbeitszeit (Gründe III.). 149 Mader in: Staudinger, BGB § 315 Rn. 68. 150 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 33 ff., 37. 151 Rieble in: Staudinger, BGB § 315 Rn. 116. 152 Rieble in: Staudinger, BGB § 315 Rn. 116. 153 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 33 ff., 37. 154 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 32. 155 AuR 1996, 381 (382); MünchArbR § 168 Rn. 13 ff.; ihm zustimmend Reichold, NZA 1998, 393 (398). 156 AuR 1996, 381 (382); ihm folgend etwa TZA – Buschmann, TzBfG, § 12 Rn. 19; Reichold, NZA 1998, 393 (398).

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Vertragspartner erfolgt.157 Dieser Interessenausgleich, der durch den Gestaltungsakt der Leistungsbestimmung hergestellt werden soll, wird aber bereits durch die Gleitzeitregelung selbst getroffen, wenn darin Kernzeiten festgelegt werden. Denn diese bringen grundsätzlich das Interesse des Arbeitgebers an der Anwesenheit des Arbeitnehmers zum Ausdruck. Im Falle einer Gleitzeitregelung mit Kernzeit stellt also die Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers während der Gleitspanne keine Leistungsbestimmung, sondern die schlichte Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflicht dar, wobei § 242 BGB zu beachten ist. Die Bindung an Treu und Glauben verpflichtet den Arbeitnehmer aber grundsätzlich nicht dazu, die Festlegung von Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit an den betrieblichen Belangen auszurichten. Allenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände kann die Ausnutzung der Freiheit ein Verstoß gegen Treu und Glauben sein.158 Eine Gleitzeitregelung, die den Arbeitnehmern die Möglichkeit einräumt, während der Gleitspannen die Arbeitszeit ausschließlich nach ihren Bedürfnissen einzuteilen, hat zur Konsequenz, dass eine Pflicht zur Arbeitsleistung ausschließlich in der Kernarbeitszeit besteht. Der Arbeitnehmer bleibt freilich über den durch die Kernarbeitszeit abgedeckten Teil seines Arbeitszeitdeputats hinaus zur Arbeitsleistung verpflichtet. Aber hinsichtlich dieses Teils des Arbeitsdeputats beschränkt sich das Bestimmungsrecht des Arbeitgebers nur noch auf den Inhalt der Leistung, nicht mehr auf die zeitliche Lage der Leistungserbringung.159 Bei der Zeiteinteilung innerhalb der Gleitspannen hat der Arbeitnehmer betriebliche Interessen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Anders liegt der für die Vertrauensarbeitszeit zutreffende Fall, dass die Regelung keine Kernzeitenvorgabe enthält. Hier ist mit Schüren davon auszugehen, dass noch kein Interessenausgleich in der Regelung selbst erfolgt. Sie stellt vielmehr nur den Rahmen dar für eine einseitige Leistungsbestimmung und zwar diesmal durch den Arbeitnehmer selbst. Es handele sich um die Delegation des Leistungsbestimmungsrechts, die für den Arbeitgeber allerdings nur ein geringes wirtschaftliches Risiko darstelle.160 Denn nunmehr ist der Arbeitnehmer bei der Arbeitsaufnahme zum Interessenausgleich nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB verpflichtet und damit zur stärkeren Berücksichtigung betrieblicher Interessen bei seiner Entscheidung. Genau dieser Umstand wird teilweise de 157 Säcker, Gruppenautonomie, S. 224 spricht insoweit von der Verhinderung funktionswidrigen Gebrauchs der Privatautonomie. 158 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 19 f. 159 Schüren, Anm. zu BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit: Die Anordnung von Arbeitsleistung außerhalb der Kernarbeitszeit ist danach nicht mehr nur Inhaltsbestimmung der geschuldeten Arbeitsleistung, sondern auch eine von der Gleitzeitregelung abweichende Bestimmung der Lage der regelmäßigen Arbeitszeit im Betrieb, was für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats relevant ist. 160 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 27.

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facto als Einschränkung seiner Zeitsouveränität bewertet.161 Denn die Realisierung von Freizeitwünschen ist danach nur möglich, wenn keine erheblichen betrieblichen Belange beeinträchtigt werden.162 Zugespitzt formuliert heißt das, dass in dem Maße, in dem Zeitsouveränität – durch Verzicht auf Kernzeiten – angeboten wird, die Arbeitnehmer über § 315 BGB zum bedarfsgerechten Einsatz ihrer Arbeitszeit verpflichtet werden können. Die Arbeitszeit ist so einzuteilen, wie dies ein vernünftiger Arbeitgeber tun würde163 unter Beachtung kollektiver und individueller Vereinbarungen, die das Leistungsbestimmungsrecht begrenzen.164 Der Hinweis auf das vergleichsweise geringe wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers165 entspricht auch der ökonomischen Betrachtung des Direktionsrechts als Gegenwert des Preises, den der Arbeitgeber aufgrund der Anwendbarkeit des Arbeitnehmerschutzrechts und des Sozialversicherungsrechts auf das (Arbeits-) Vertragsverhältnis zahlt.166 Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers wird kompensiert durch dessen Freistellung von unternehmerischem Risiko und findet Ausdruck in der in §§ 615, 616 BGB festgelegten Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis.167 Vor diesem Hintergrund versteht sich, dass ein Verzicht des Arbeitgebers auf Weisungsbefugnisse auch auf für ihn ökonomisch sinnvollen Erwägungen beruhen kann, wie z. B. der Risikoverschiebung bei Annahmeverzug.168 In den meisten Fällen ist der Rückgriff auf §§ 315 ff. BGB entbehrlich, enthält doch bereits eine die Arbeitszeit regelnde Betriebsvereinbarung die Verpflichtung der Beschäftigten, bei ihrer Arbeitszeitgestaltung die betrieblichen Belange zu berücksichtigen.169 161 Schüren, AuR 1996, 381 (383 f.); dagegen liegt nach Reichold Zeitsouveränität gerade darin, dass dem Schuldner (Arbeitnehmer) ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird, NZA 1998, 393 (397). 162 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 37. Zeitsouveränität bedeutet nicht, dass „jeder kommen und gehen kann, wann er will. [. . .] Wenn ein Abteilungsmeeting um 17 Uhr angesetzt ist, muss der Mitarbeiter natürlich da sein.“, Reimers, PersF 3/1999, 4. 163 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 38. 164 Reichold, NZA 1998, 393 (397). Soll die Zeiteinteilung durch Gruppen erfolgen, lassen sich solche Absprachen § 317 BGB zuordnen, ebd. S. 398. Dies gilt jedenfalls soweit die Gruppe gemeinsam einen verbindlichen Besetzungsplan erstellt, der die Arbeitszeit der Mitglieder gestaltet, denn dann müssen die betrieblichen Belange schon dabei berücksichtigt werden, MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 31 ff. 165 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 27; Reichold, NZA 1998, 393 (398). 166 Vgl. Thau, Anm. zu BAG v. 7.12.2000 SAE 2002, 52 ff. (56 ff.); ähnl. bereits Böker, Weisungsrecht, S. 45 f. 167 Vgl. Boysen, Betriebsverband, S. 90 f. zum „verdeckten“ Synallagma; zum Leerlaufen der §§ 615, 616 BGB bei flexibler Arbeitszeit Reichold, Arbeitsrecht, § 9 Rn. 16. 168 s. dazu Kapitel 2, § 1. C. II. 169 Herbst, AuA 2001, 555.

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Wenn allerdings keine ausdrückliche Vereinbarung in Bezug auf das Leistungsbestimmungsrecht erfolgt ist, kann die Auslegung auch ergeben, dass lediglich ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Ausübung des Weisungsrechts vorliegen wird. Weil es Sinn der Leistungsbestimmungsrechte ist, das Arbeitsverhältnis immer wieder den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen, erlöschen sie jedenfalls nicht durch lange Nichtausübung.170 Zusammenfassend ist festzustellen, dass in Arbeitszeitmodellen, bei denen die Arbeitszeit von den Arbeitnehmern festgelegt wird, eine vertragliche Einschränkung des Weisungsrechts grundsätzlich möglich ist und den Arbeitnehmern ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt werden kann. Hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in diesem Sinne vertraglich Zeitsouveränität eingeräumt, bedürfte es zu einer „Rückholung“ des Weisungsrechts einer Änderungskündigung. Zugleich wird der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Zeiteinteilung vorrangig an den betrieblichen Interessen auszurichten. Der deshalb häufig in Frage gestellte Begriff der Zeitsouveränität ist dennoch durchaus treffend und muss nicht durch das Wort „Zeitverantwortung“171 ersetzt werden, ist doch „souverän“ gleichbedeutend mit „überlegen handelnd“. Die Einräumung von Zeitsouveränität ist somit nicht zwangsläufig mit einer (ausschließlich) den Arbeitnehmerinteressen entsprechenden Arbeitszeitgestaltung gleichzusetzen. II. Keine Anordnung von Überstunden Die für Vertrauensarbeitszeit charakteristische Tatsache, dass der Arbeitgeber Arbeitszeiten nicht mehr anweist, hat zur Folge, dass auch die explizite Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber entfällt bzw. auf Ausnahmefälle beschränkt wird. Durch Verzicht auf die Festlegung einer täglichen regelmäßigen Arbeitszeit (zuschlagspflichtige) Überstunden zu vermeiden, ist Teil des Konzepts der Vertrauensarbeit.172 An dieser Stelle kann auch auf die Ausführungen zur gleitenden Arbeitszeit verwiesen werden.173 Die Eigenverantwortung zur Einhaltung der Vertragsarbeitszeit bedeutet zugleich, dass gegen den Arbeitgeber weder Ansprüche auf Zeitausgleich noch auf Überstundenvergütung bestehen.174 Auf hiermit verbundene vergütungs- und mitbestimmungsrechtliche Aspekte wird noch einzugehen sein.175 170 Hromadka, DB 1995, 1609 (1613 f.), der davon ausgeht, dass grundsätzlich das Leistungsbestimmungsrecht während der gesamten Vertragsdauer bestehen bleibe, so dass man von einer Aufhebung in aller Regel nicht sprechen könne. 171 Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1025. 172 So ist in einer Publikation von Weidinger, „8 Merkmale von Arbeitszeit-Freiheit“ unter http://www.arbeitszeitberatung.de zu lesen: „Es gibt keine Überstunden mehr: Belastungen kompensiert der Mitarbeiter selbst durch Entlastung, Zusatzleistung kann zusätzlich vergütet werden“. 173 Oben § 2. A.

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III. Dezentralisierung des Arbeitszeitkonflikts Mit der Eigenverantwortung ist ein Aspekt der Flexibilisierung angesprochen, der die Vertrauensarbeitszeit entscheidend charakterisiert: Es handelt sich um die Dezentralisierung von Verhandlungskompetenz über Arbeitszeitfragen und damit die Individualisierung des Arbeitszeitkonfliktes:176 Im Zuge der mit der Arbeitszeitverkürzung seit Mitte der 80er Jahre eintretenden Flexibilisierung der Arbeitszeit haben sich zunächst die Gewichte bei der Arbeitszeitgestaltung von der Tarif- hin zur Betriebsebene verschoben. Dort erfolgte die Umsetzung tariflicher Arbeitszeitverkürzung unter Nutzung der durch Tarifvertrag zugelassenen Flexibilisierungsoptionen. Diese sog. „Verbetrieblichung“177 war indes nur eine Zwischenstufe zu weiterer Dezentralisierung. Die von den Befürwortern als Ziel und den Skeptikern als Vorwand bezeichnete Schaffung von mehr Arbeitszeitsouveränität bzw. -autonomie für die Beschäftigten mit der Möglichkeit zur Anpassung der Arbeitszeit an ihre individuellen Bedürfnisse hat zur Abkehr von kollektiven Regelungen geführt. Bei selbstgesteuerter Arbeitszeit verschiebt sich der Fokus auf die arbeitsvertragliche Seite, wobei als zentrale Regelungsdimension die Dauer der Arbeitszeit gilt, deren Einhaltung bei Vertrauensarbeitszeit in ihrer Bedeutung aber gerade stark relativiert ist.178 Um trotz der angestrebten Ablösung „der Vorstellung zwingend vorgegebener Arbeitsvolumina“ Überlastungen zu vermeiden, muss nach den Vorschlägen von Vertrauensarbeitszeitbefürwortern das Arbeitsvolumen und die zur Verfügung stehende Zeit immer wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.179 Der Arbeitnehmer habe einen Anspruch darauf, nur so viele Aufgaben zu erhalten, wie er innerhalb seiner Arbeitszeit bewältigen könne.180 Die Verantwortung für die Herstellung der Balance zwischen Arbeitsaufgabe und Arbeitszeit wird dabei verlagert auf die Beziehungsebene ArbeitnehmerFührungskraft. Leitbild der Vertrauensarbeitszeit ist der selbstbewusste Mitarbeiter, der in der Lage ist, Grenzen zu setzen und sich – gegebenenfalls mit Unterstützung Dritter wie einer Schlichtungsstelle o. ä. – auch einmal gegen 174

Vgl. etwa Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 101. Kapitel 2, § 1. C. I; Kapitel 3, § 1. D. VI.; F. V. 2; Kapitel 4, § 2. B.; § 3. B. II. 2. d) aa) (3). 176 Vgl. dazu etwa Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 204 ff. 177 Vgl. Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 187 ff.; Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 317 ff. 178 Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit: die drei Alternativen bei selbst gesteuerter Arbeitszeit, http://www.arbeitszeitberatung.de (12/2002), S. 3; zu den Vor- und Nachteilen der Individualisierung von Arbeitsbeziehungen vgl. auch Schlachter, ZVglRWiss 102 (2003), 116 ff. (119 ff.). 179 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 152 f. 180 Weidinger/Schlottfeldt, Flexibel ohne Zeiterfassung, http://www.flexible-unter nehmen.de, S. 5. 175

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seine Führungskraft durchzusetzen.181 In der Verlagerung der Regulierungskompetenz in Arbeitszeitfragen auf die arbeitsvertragliche Ebene, d.h. das Verhältnis des einzelnen Beschäftigten zu seinem Vorgesetzten, wird teilweise das Hauptproblem der Flexibilisierung gesehen182, worauf zurückzukommen ist.183 IV. Abschaffung der Zeiterfassung? Keine einheitliche Vorstellung herrscht über das Verhältnis zwischen Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung, was sich auch in unterschiedlichen betrieblichen Regelungen unter dieser Bezeichnung widerspiegelt.184 Vertrauensarbeitszeit kann den Verzicht auf jegliche, aber auch nur auf elektronische, computergestützte Zeiterfassung bedeuten unter Beibehaltung von manueller Dokumentation ohne Zeitkontrolle.185 Meist werden Arbeitszeitkonten nicht mehr geführt186, teilweise wird die Anwesenheitserfassung durch eine Negativ-Erfassung abgelöst, bei der nur Abweichungen von einer bestimmten Soll-Arbeitszeit mit Begründung vermerkt wird187. Zum Teil wird Vertrauensarbeitszeit mit der Delegation des Zeitkontenmanagements an die Mitarbeiter umschrieben188, nach a. A. gehört die Ansparmöglichkeit von Überstunden auf Langzeitkonten189 zu den Charakteristika der Vertrauensarbeitszeit. 190 Der Be181

Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 158. Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 204; Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 21. 183 Vgl. § 4. B. I. 3. 184 s. auch Schliemann, Arbeitsrecht im BGB, § 611 Rn. 649; Adamski, Lohn und Gehalt 4/2001, 34 (36). 185 So Adamski, AuA 1999, 154; Kiesche, PersR 2001, 283 (286); zur Beibehaltung der Zeiterfassung etwa auch Plank, Personal 2001, 644 (648). 186 Vgl. etwa Fröhlich, AuA 1999, 159; Richter/Feldkamp, Personal 9/2002, 8 (9). 187 So die Erläuterung von Vertrauensarbeitszeit bei Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 183. 188 Etwa Fauth-Herkner/Wiebrock, in: Fauth-Herkner, Flexibel ist nicht genug, S. 175 (176). 189 Als Langzeitkonten werden diejenigen bezeichnet, die dem Ansparen umfangreicherer Arbeitszeitvolumina dienen, die dann durch längere zusammenhängende („Block“-)Freizeiten oder vorzeitigen Ruhestand bzw. Altersteilzeit abgebaut werden (vgl. etwa Scheurer, Arbeitgeber 1997, 193 [194 f.] und Linnenkohl/Rauschenberg/ u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 96). Sie unterscheiden sich dadurch von Kurzzeitbzw. Mittelfristkonten mit Ausgleichszeiträumen von bis zu einem Jahr bzw. bis zu 5 Jahren (vgl. Haipeter/Lehndorff, WSI-Mitt. 11/2002, 649 [651]), die der Flexibilisierung dienen, da mit ihrer Hilfe die Anpassung an die betrieblichen Bedürfnisse gehandhabt werden soll. Nach den Angaben der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 1999/2000 schreiben zwar die meisten Vereinbarungen vor, dass ein Zeitausgleich innerhalb eines definierten Zeitrahmens von zwischen einem Quartal und einem Jahr (s. Seifert, WSI-Mitt. 2/2001, 84 [86 f.]) zu erfolgen hat. In jüngerer Zeit nimmt allerdings der Anteil von Kontenregelungen zu, die unbegrenzte Guthaben zulassen und Ausgleichszeiträume ausweiten (Adamski, Lohn und Gehalt 4/2001, S. 34 [38]; 182

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griff Vertrauensgleitzeit wird zuweilen auch dann verwendet, wenn Selbstaufzeichnungen der Mitarbeiter dem Vorgesetzten vorzulegen sind.191 Arbeitszeitberatern zufolge ist Vertrauensarbeitszeit erst erreicht, wenn Mitarbeiter nicht mehr zur vollständigen Arbeitszeiterfassung, sondern nur noch zur Selbstaufschreibung der Überschreitung der 8-Stunden-Grenze (vgl. § 16 II ArbZG)192, verpflichtet sind193, denn der Verzicht auf die Festlegung und/oder Erfassung der Arbeitszeit enthebt nicht von der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes.194 Teilweise wird in diesem Zusammenhang195 auch von „Flexibler Standardarbeitszeit“ gesprochen.196 Dabei kann der Mitarbeiter bei einer grundsätzlich feststehenden Tagesarbeitszeit197 von Arbeitsbeginn und -ende, Arbeitszeitdauer, Dauer und Lage der Pausen jederzeit abweichen. Vorausgesetzt wird die Orientierung am betrieblichen Ergebnis. Abweichungen müssen mit Kollegen abgestimmt und per Selbstaufzeichnung (z. B. viertelstundenweise) erfasst werden, wobei nur das Volumen der Abweichung, nicht aber die zeitliche Lage erfasst wird.198 Damit wird auf die Kommt-/Geht-Zeiterfassung verzichtet. Weiteres Element dieses Modells ist, dass die Überschreitung der Standardarbeitszeit begründungspflichtig ist.199 Die Arbeitszeitformulare werden durch den Vorgesetzten gegengezeichnet und archiviert.200 Die Letztverantwortung für das Arbeitszeitverhalten der Mitarbeiter und für die Zeitkontensteuerung liegt bei der Führungskraft.201 Da bei flexibler Standardarbeitszeit noch mit ZeitaufzeichLudewig, MittAB 2001, 302 [307]). Sofern dem nicht bereits tarifliche Regelungen entgegenstehen, die Ausgleichszeiträume zwischen 6 und 18 Monaten vorsehen, (Hamm, AiB 2002, 412 [419]) wird bei Konten mit längeren Laufzeiten als einem Jahr die Gefahr gesehen, dass der Ausgleich von Guthaben und Schulden nicht mehr zu realisieren ist (Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 170). 190 Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 62, 63; vgl. auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 132; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (15), der als Beispiel das Modell von Hewlett Packard GmbH nennt; vgl. dazu auch Rauscher, PersW 1999, Sonderheft 10, 6 (8 f.). 191 Vgl. Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 78 f. 192 Kapitel 2, § 2. C. II. 2 b). 193 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 60, 171. 194 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 88; BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 195 So z. B. Kiesche, PersR 2001, 283 (285). 196 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 165 ff.; vgl. auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 55, dort allerdings unter der Bezeichnung „Standard-Tagesarbeitszeit“. 197 Vgl. Hoff, PersF 1994, 788 (792). 198 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 169. 199 Zweifelhafte Folge dieser Variante ist, dass Mitarbeiter, die sich in einem Rechtfertigungszwang sehen, in solchen Fällen lieber unbezahlte Mehrarbeit leisten, vgl. Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 171; vgl. dazu auch Kapitel 4, § 3. B. II. 2. e) bb). 200 s. Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 169.

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nung gearbeitet wird, handelt es sich nach der Klassifizierung von Hoff noch nicht um Vertrauensarbeitszeit. 202 Hervorgehoben sei an dieser Stelle ausdrücklich, dass nach verbreitetem Verständnis die Abschaffung computergestützter Zeiterfassung nicht konstitutiv ist für den Begriff der Vertrauensarbeit.203 Im Mittelpunkt steht nach dieser Auffassung eine geänderte Arbeitszeitkultur i. S. eines Wertewandels in den Unternehmen, der bewirkt, dass statt der Arbeitszeit der Arbeitsaufgabe maßgebliche Bedeutung beigemessen wird.204 Beispielhaft für eine derartige Unternehmenskultur ist die Diskreditierung von Mitarbeitern, die in Arbeitszeitmodellen, in denen ihnen die Arbeitszeiterfassung freigestellt ist, von der Zeiterfassung Gebrauch machen.205 In der Vertrauensarbeitszeit wird der Beweis gesehen für das gewandelte „Klischee des Arbeitnehmers als unmündigem Lohnempfänger, der seine Arbeitskraft so gut es geht zurückhält, um Gesundheit und Nerven auf Kosten des Arbeitgebers schonen“ hin zum modernen Mitarbeiter, der sich als „Entrepreneur, Manager, seine eigene GmbH im Betrieb des Arbeitgebers“ versteht und dessen Ziel es ist, sich selbst frei zu verwirklichen.206 V. Die Bedeutung des Begriffs „Vertrauen“ Wenngleich Vertrauensarbeitszeit also nicht zwangsläufig mit dem Verzicht auf jegliche Zeiterfassung gleichzusetzen ist, so entfällt bei ihr aber in weitem Maße die arbeitgeberseitige Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit. Es stellt sich daher die Frage nach der Rolle des Phänomens „Vertrauen“, das dem Arbeitszeitmodell den Namen verleiht und v. a. danach, ob die überkommene Kontrolle durch Vertrauen ersetzt wird und es sich folglich um mehr als um ein „attraktives Sprachspiel“207 handelt. Sicherlich ist – worauf Hoff immer wieder hinweist – gegenseitiges Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften Voraussetzung für den Verzicht auf Zeiterfassung und Zeitkontenführung.208 An anderer Stelle209 heißt es, 201

Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 51. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 51, 55. 203 So explizit Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 129, ders., Lohn und Gehalt 4/2001, S. 34 (36), so auch das Beispiel bei Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 174; BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 447 (450); anders wohl Fauth-Herkner, AuA 2002, 196 (199). 204 Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 129, 160 f. 205 Vgl. den Erfahrungsbericht in BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 602. 206 Mauer, NZA 2002, 540. 207 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (348). 208 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 30 f.; ders., PersW Sonderheft 10/1998, 10. Vgl. für den Fall der Telearbeit Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (203): „Da eine unmittelbare Kontrolle von Arbeitszeit [. . .] oft 202

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Vertrauensarbeitszeit könne auch einen Beitrag zur Vertiefung der Vertrauenskultur leisten. Als Voraussetzung für Kooperation wird Vertrauen als entscheidender Produktionsfaktor angesehen.210 Die Verwendung des Begriffs „Vertrauen“ zur Bezeichnung eines Arbeitszeitmodells stößt allerdings auch auf Skepsis211 und erscheint daher erklärungsbedürftig.212 Vertrauen ist zunächst ein soziales Modell. Es setzt eine gewisse Risikobereitschaft voraus, weil keine Gewissheit über das erwartete Verhalten des anderen besteht.213 Als soziale Norm beruht Vertrauen auf der Erwartung, dass sich das Gegenüber kooperativ und nicht egoistisch verhalten und eine freiwillige Vorleistung nicht missbrauchen wird. Die Entstehung und Aufrechterhaltung von Vertrauen als kollektives Gut hängt in seiner sozialen Dimension von einer bestimmten Qualität der sozialen Beziehungen ab, von wechselseitiger Abhängigkeit, Langfristigkeit und Transparenz.214 Vertrauen kommt zum Zug, wo auf Kontrolle verzichtet werden soll, etwa weil sie einen erheblichen Regulierungs- und Koordinationsaufwand hervorruft.215 Obwohl dies für die Einführung von Vertrauensarbeitszeit eine Rolle spielen mag, liegt darin nicht zwangsläufig ein soziales Modell im obigen Sinne. Geramanis216 weist darauf hin, dass es sich vielmehr um ein Managementkonzept handelt, das das soziale Modell bewusst ökonomisch verwerte. Die Vermischung von sozialem Werte- und Normensystem mit der Ökonomie des Marktes hat aber – entgegen dem ersten Anschein – nicht zur Folge, dass der Arbeitgeber seinerseits ein Risiko eingeht, indem er dem Arbeitnehmer in Form eines Vertrauensvorschusses einen Ermessensspielraum bei der Arbeitszeitgestaltung einräumt.217 Kritikern zufolge wird Kontrolle nicht durch Vertrauen ersetzt, sondern durch die unmittelbare Weitergabe des Marktdrucks bzw. die Verpflichtung der Arbeitnehmer auf Effektivität und Produktivität.218 Wenn Arbeitgeber von „Vertrauen“ redeten, sei damit keinicht möglich sein wird, muss die Beziehung zum Unternehmen auf besonderem Vertrauen gegründet sein.“ 209 Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit: die drei Alternativen bei selbst gesteuerter Arbeitszeit, http://www.arbeitszeitberatung.de (12/2002). 210 Vgl. etwa Seifert/Pawlowsky, MittAB 1998, 599 ff. (601, 603). 211 Vgl. etwa IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 3 f. 212 Einen solchen Erklärungsversuch hat Geramanis vorgenommen, WSI-Mitt. 6/ 2002, 347 ff. 213 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (348) m. N.; Seifert/Pawlowsky, MittAB 1998, 599 (601 f.). 214 Vgl. auch Köndgen, Selbstbindung, S. 243. 215 Vgl. Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347. 216 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (348). 217 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (349). 218 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (351): Um das vom Arbeitgeber entgegengebrachte Vertrauen zu rechtfertigen, reiche es nicht aus, bestimmte Vorgaben zu erfüllen. Vielmehr komme es darauf an, die negative Erwartung, erfolglos zu sein, nicht zu bestätigen. Die Einräumung von Autonomie sei also weniger eine Frage des Vertrau-

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neswegs das Vertrauen in die Beschäftigten gemeint: „Das Vertrauen der Arbeitgeber gilt der Wirksamkeit ihrer neuen Management-Methoden – und das mit vollem Recht!“219 Verständlich ist daher, dass von Arbeitszeitberatern220 verkündet wird, der Arbeitgeber gehe bei der Abschaffung der Zeiterfassung kein großes Risiko ein, weil Nicht-Arbeiten innerhalb der gebuchten Zeit und damit Missbrauch in einem System mit Zeitkontenführung viel wahrscheinlicher sei.221 Der Vertrauensbeweis des Arbeitgebers liege jedenfalls nicht in der Abschaffung der Zeiterfassung, sondern in der Übertragung der Zeiteinteilung auf den Arbeitnehmer.222 Aber auch die Arbeitnehmer müssten dem Arbeitgeber Vertrauen entgegenbringen können, geben sie doch mit dem Verzicht auf Kontenführung ein starkes Kontroll- und Druckmittel aus der Hand.223 Asymmetrische Machtverhältnisse und divergierende Interessenlagen zwischen Management und Beschäftigten stehen jedoch Vertrauensbeziehungen im Arbeitsleben häufig entgegen.224 Denn eine auf Vertrauen basierende und Vertrauen bestärkende Reziprozität als selbststeuernder Mechanismus in sozialen Interaktionen225, die ohne äußere Nachhilfe oder soziale Normierungen auskommt, funktioniert nur bei Gleichheit der Bedürfnislagen und der Leistungsressourcen.226 Materiale227 Ungleichheit schafft Abhängigkeit, die wiederum dem abhängigen Partner die Freiheit nimmt, bei Störung oder Verweigerung von Reziprozität die Beziehung gar nicht erst einzugehen bzw. sie einfach und ohne Schaden aufzukündigen.228 Genau diese Abhängigkeit besteht regelmäßig in Arbeitsverhältnissen und ist umso stärker, je mehr ein Arbeitnehmer auf den Arbeitsplatz angewiesen ist. Vertrauensbeziehungen in Arbeitskontexten hängen deshalb auch von unternehmensexternen und -internen Faktoren wie Arbeitsmarkt und wahrgenommener Stabilität von Beschäftigungsverhältnissen ab.229 ensbeweises gegenüber dem Arbeitnehmer als vielmehr die Instrumentalisierung des Individuums in seinem neoliberalen Streben nach Selbstverwirklichung (ebd. S. 349 f.). Vgl. auch Trittin, NZA 2001, 1003 (1006). 219 Glißmann, AiB 2000, 585 (586). 220 So Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 30. 221 Vgl. auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1254). 222 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 30. 223 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 31. 224 Seifert/Pawlowsky, MittAB 1998, 599 (603). 225 Köndgen, Selbstbindung, S. 240 ff. 226 Köndgen, Selbstbindung, S. 242, 243. 227 Im Gegensatz zu formaler Ungleichheit, die nur auf die Umkehrbarkeit der Rechte und Pflichten der Partner bezogen ist. 228 Köndgen, Selbstbindung, S. 243 f.: Wer Reziprozitätserwartungen enttäuscht, indem er Empfangenes nicht erwidert, gewärtigt den Abbruch der Beziehung durch den anderen, sofern er nicht über alternative Machtchancen als Stabilisierungsmittel verfügt, um den Absprungwilligen weiter an sich zu binden.

§ 2 Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte‘‘ Gleitzeit

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Dennoch wird trotz aller Skepsis in der Vertrauensarbeitzeit durchaus das Potenzial für die Herbeiführung von Vertrauen, gegenseitiger Verlässlichkeit und Verantwortlichkeit gesehen.230 Vertrauensarbeitszeit könne diesem Namen allerdings nur gerecht werden, wenn Arbeitnehmern tatsächlich mehr Autonomie eingeräumt werde231 und wenn ein Unternehmensklima von Solidarität und Kooperation herrsche.232 Dazu gehöre, dass die Unternehmensführung sich ihrer Aufgabe der Arbeitszeiteinteilung nicht entziehe, sondern den Arbeitsprozess verantwortungsbewusst begleite. Vertrauen müsse auch in der Richtung möglich sein, dass ein Arbeitnehmer sich mit Problemen bei der Zeiteinteilung an den Vorgesetzten wenden kann und von diesem Hilfe erhält.233 Der entscheidende Faktor für das Funktionieren des Modells wird in der Möglichkeit zur vertrauensvollen Kommunikation zwischen Führungskraft und Arbeitnehmer gesehen.234 Darin liegen zugleich die Schwierigkeiten begründet, die sich aus der Verdrängung kollektiver Regelungsmechanismen bei Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ergeben können und auf die noch gesondert eingegangen wird.235 Festzuhalten ist, dass Vertrauensarbeitszeit nicht zwangläufig mit dem Bestehen von Vertrauensverhältnissen gleichzusetzen ist, dass aber unter idealen Bedingungen gegenseitiges Vertrauen zwischen den Arbeitsvertragsparteien mit dieser Arbeitszeitform einhergehen kann.

D. Abgrenzung der Vertrauensarbeitszeit von weiteren Arbeitszeitmodellen Da sich das Wort „Vertrauen“ für die Begriffsbestimmung von Vertrauensarbeitszeit nur als wenig ergiebig erwiesen hat, kann es für ihre weitere Charakterisierung sinnvoll sein, die Vertrauensarbeitszeit von ähnlichen Arbeitszeitformen abzugrenzen. I. Abgrenzung von reiner Ergebnisorientierung Während als Ausgangspunkt der Vertrauensarbeitszeit oben die Gleitzeitarbeit genannt wurde, bei der nicht die Dauer, sondern nur die Lage der Arbeitszeit 229

Seifert/Pawlowski, MittAB 1998, 599 (603 f.). Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (350). 231 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 4. 232 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (351). 233 Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347 (351). 234 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 217; ders., Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 22; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 99. 235 Vgl. unten § 4. B. I. 3. 230

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

flexibel ist, werden teilweise unter den Begriff Vertrauensarbeitszeit auch Gestaltungen gefasst, bei denen vertraglich die Vereinbarung der Arbeitszeit durch die Arbeitsaufgabe ersetzt wird und die Arbeitszeit überhaupt nicht mehr interessiert.236 Bisweilen wird dies als „reine (überzogene) Ergebnisorientierung unter dem Deckmantel der Vertrauensarbeitszeit“ bezeichnet.237 Vertrauensarbeitszeit in diesem Kontext bezeichnet Schliemann238 als eine „besondere Art der Führung der Arbeitnehmer mit Hilfe von Zielvereinbarungen“, bei der die Arbeitszeit amorph werde, weil es nicht auf die Einhaltung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeitmenge ankomme, sondern primär auf das Erreichen vereinbarter Ziele (Arbeitsergebnisse) zu einem vereinbarten Zeitpunkt. Besonderheit ist hier, dass es sich um Arbeitsverträge handelt, die überhaupt keine Arbeitszeitvereinbarung mehr enthalten.239 Die Erfüllung der Arbeitsaufgabe tritt in den Vordergrund, wobei sowohl die Lage als auch die dafür benötigte Dauer weitgehend selbstbestimmt und flexibel sind.240 Diese Arbeitsform kann eine „endgültige Verwirklichung der Zeitsouveränität oder aber auch den Freibrief zur Selbstausbeutung“241 bedeuten. In der Literatur finden sich dafür neben der Bezeichnung als Vertrauensarbeitszeit z. B. auch die Begriffe „amorphe Arbeitszeit“242, Arbeitszeitautonomie243 bzw. Arbeitszeit-Freiheit244, selbstbestimmte Arbeitszeit245 oder auch Orientierungsarbeitszeit246. Im Rahmen dieser Arbeit soll der Begriff Orientierungsarbeitszeit verwendet werden, um zugleich zu verdeutlichen, dass hierunter etwas qualitativ anderes zu verstehen ist als unter der Vertrauensarbeitszeit. Während die Arbeitszeit in der Systematisierung von Arbeitszeitberatern247 bei Vertrauensarbeitszeit als Leistungsmaßstab grundsätzlich unberührt bleibt und allenfalls wegen ihrer Nichterfassung in den Hintergrund gerät, wird sie bei der Orientierungsarbeit bzw. Arbeitszeit-Freiheit als Leistungsmaßstab abgelöst. 236 Nach Umfrageergebnissen war dieses Verständnis in 8% der Betriebe verbreitet, Hoff/Priemuth, PersF 2001, 44 (45); so wohl auch Reichold, NZA 1998, 393 (396). 237 Vgl. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 155. 238 Arbeitsrecht im BGB, § 611 Rn. 649; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 27 ff. 239 Vgl. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 153. 240 Vgl. „Die Arbeitszeit richtet sich nach der Arbeitsaufgabe“, Hromadka, FS Hanau S. 211 ff.; ders., AuA 2000, 533 ff.; Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit . . ., http://www.arbeitszeitberatung.de (12/2002). 241 Schüren, AuR 1996, 381. 242 Vgl. etwa Reichold, NZA 1998, 393 (398). 243 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 27, 42. 244 Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit . . ., http://www. arbeitszeitberatung.de (12/2002). 245 Kreft, Grundfragen, S. 91. 246 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 172. 247 Vgl. Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit . . ., http:// www.arbeitszeitberatung.de (12/2002); Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 23.

§ 2 Vertrauensarbeitszeit als „entgrenzte‘‘ Gleitzeit

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Statt vertraglicher Vereinbarung einer bestimmten Arbeitszeit erfolgt für das Maß der Aufgabenzuteilung lediglich eine Orientierung an der betriebs- bzw. branchenüblichen Arbeitszeit.248 Die Zurückdrängung der Arbeitszeit als Leistungsmaßstab hat ihren Ursprung bei außertariflich vergüteten Mitarbeitern, in deren Gehalt Überstunden mit abgegolten sind, geht aber zunehmend einher mit erfolgsorientierter Vergütung und wird praktiziert im Außendienst, bei Führungskräften und Spezialisten.249 Eine Ausbreitung von rein ergebnisorientierten Verträgen wird zwar nicht ganz ausgeschlossen.250 Hier wird sich jedoch die Frage stellen, ob es sich dann noch um Arbeitsverträge handelt oder ob bereits die Grenze zum Werkvertrag überschritten wird, denn durch derartige Vertragsgestaltungen werden, worauf in Kapitel 2251 noch zurückzukommen ist, die Grenzen zwischen dem zeitorientierten Arbeits- und dem ergebnisorientierten Werkvertrag verwischt. Wegen seiner vergleichsweise noch geringen Verbreitung252 soll aber hier auf das Modell der Orientierungsarbeitszeit nicht vertieft eingegangen werden. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass trotz der Abkehr von der strengen Fokussierung „auf die Zeit an sich“253 Vertrauensgleitzeit keine reine Ergebnisorientierung in dem Sinne bedeutet, dass es ausschließlich auf die Erreichung definierter Ziele – unabhängig von der dafür erforderlichen Arbeitszeit – ankommt.254 Bei der hier zu betrachtenden Form der Vertrauensarbeitszeit steht das Arbeitszeitdeputat fest, für das eine verstetigte Vergütung gezahlt wird.255 Aufgrund der fehlenden Festlegung von Lage und Verteilung256 sind die Mitarbeiter für die Einhaltung der Vertragsarbeitszeit sowie den ggf. notwendig werdenden Zeitausgleich selbst verantwortlich.257 Es geht darum, mit einer optimalen Arbeitszeitverteilung den Zielen Kundenorientierung, Wirtschaftlichkeit und Mitarbeiterorientierung gerecht zu werden.258

248 Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit . . ., http://www. arbeitszeitberatung.de (12/2002), S. 2 f. 249 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 26 ff. 250 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 44: Gestaltungen, bei denen Arbeitszeitvolumen und Entgelt konventionell gekoppelt bleiben und der Arbeitnehmer gleichwohl sein Arbeitszeitvolumen selbst bestimmt, wären vermutlich praktikabel. 251 s. dort § 1. A. 252 s. unten § 3. 253 Baeck in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch, 11 Rn. 74. 254 So Baeck in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch, 11 Rn. 76; Fröhlich in: BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 449; Hamm, AiB 2000, 152 (153). 255 Vgl. auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19; Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1266). 256 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 15. 257 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19: nach Umfrageergebnissen gaben 82% der Befragten an, in ihrem Betrieb bedeute Vertrauensarbeitszeit die eigenverantwortliche Erfüllung der Vertragsarbeitszeit; Hoff/Priemuth, PersF 2001, 44 (45).

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

II. Abgrenzung von Abrufarbeit und Arbeitsplatzteilung Abzugrenzen ist Vertrauensarbeitszeit außerdem von den in §§ 12, 13 TzBfG geregelten Formen Arbeit auf Abruf (Kapovaz) und Arbeitsplatzteilung (JobSharing). Parallelen zwischen diesen und den „selbststeuernden“ bzw. „entgrenzten“ Gleitzeitmodellen bestehen zum einen in der auch für Job-Sharing charakteristischen Zeitsouveränität259 und zum anderen in der die Kapovaz kennzeichnenden Bedarfsorientierung. Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass ein „absprachegebundenes“ Arbeitszeitmodell leicht den Charakter eines Gleitzeitmodells als einer „arbeitnehmerorientierten variablen Arbeitszeit“ (Abovaz) verlieren und sich stattdessen als eine Art informelle kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit erweisen kann.260 Die Gefahr besteht etwa, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitszeitwünsche unter Berücksichtigung betrieblicher Belange, z. B. einseitig durch die Geschäftsleitung festgelegter „Sperrzeiten“ mit der Abteilungsleitung abzustimmen hat, und daher nicht frei und unbeeinflusst entscheiden kann261. Für Gleitzeitvereinbarungen mit und ohne Kernarbeitszeit wird jedoch überwiegend angenommen, dass diese nicht unter § 12 TzBfG fallen, weil der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit selbst bestimmen könne, auch wenn er sie am tatsächlichen Arbeitsanfall auszurichten hat.262 Ein „Abruf“ i. S. d. § 12 II TzBfG findet gerade nicht statt.263 Beide gesetzlich geregelten Modelle unterscheiden sich – unabhängig von der Frage, ob sie nur Teilzeit- oder auch Vollzeitarbeitsverhältnisse betreffen264 – von der Vertrauensarbeitszeit darin, dass es bei ihnen nicht darum geht, die Arbeitszeit als Leistungsmaßstab in den Hintergrund treten zu lassen.

E. Zusammenfassung Die oben aufgeführten Beschreibungen von „Vertrauensarbeitszeit“ spiegeln die Vielfalt an Vereinbarungen wider, die unter dieser Bezeichnung empfohlen 258 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 16 ff.; Fröhlich, AuA 1999, 159; Geramanis, WSI-Mitt. 6/2002, 347. 259 Jacobs in: Annuß/Thüsing, TzBfG, § 13 Rn. 2. 260 Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 122, die derartige Modelle den für die Kapovaz geltenden Bestimmungen unterwerfen wollen; Kilz/Reh, Innovative Arbeitszeitsysteme, S. 53. 261 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 20.3.1997 NZA-RR 1997, 390 ff.: Im Sachverhalt waren Abwesenheitszeiten in einer Bank während der Schalteröffnungszeiten mit dem Vorgesetzten abzustimmen, wobei die Festlegung der Schalteröffnungszeiten einseitig vom Arbeitgeber vorgenommen wird. 262 Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, § 12 Rn. 14. 263 Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (06/2002), S. 6. 264 Vgl. Jacobs in: Annuß/Thüsing, TzBfG, § 12 Rn. 5.

§ 3 Verbreitung der Vertrauensarbeitszeit

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und praktiziert werden. Dies verdeutlicht, dass nicht allein die Terminologie Aufschluss über die Charakteristika eines Arbeitszeitmodells geben kann. Ebenso wenig ist der Begriff des Vertrauens an sich geeignet, das Modell Vertrauensarbeitszeit zu beschreiben. Vielmehr kommt es für die Beurteilung auf dessen konkrete Ausgestaltung an. Hierfür können zum einen die o. g. Instrumente der Flexibilisierung herangezogen werden. Flexibel ist bei der Vertrauensarbeitszeit i. d. R. sowohl die Lage als auch die Länge der (täglichen) Arbeitszeit. Hinsichtlich des Arbeitszeitvolumens gilt, dass nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis bei Vertrauensarbeit ein Deputat regelmäßig vereinbart ist, dessen Einhaltung gegenüber dem Arbeitsergebnis aber an Bedeutung verliert, während bei Orientierungsarbeit sogar auf die Vereinbarung des Arbeitszeitvolumens verzichtet wird.265 Zum anderen ist danach zu fragen, wer die Änderungsoptionen im Einzelfall ausüben darf.266 Dies ist bei Vertrauensarbeitszeit regelmäßig der Arbeitnehmer selbst. Aufgrund der Verpflichtung auf betriebliche Interessen ist damit nicht zwangsläufig Zeitsouveränität i. S. einer an den eigenen Bedürfnissen des Arbeitnehmers ausgerichteten Arbeitszeiteinteilung verbunden. Festzuhalten ist, dass Vertrauensarbeit zwischen kontengestützter flexibler Arbeitszeit und vollständiger Arbeitszeitautonomie steht.267

§ 3 Verbreitung der Vertrauensarbeitszeit Nach einer von Arbeitszeitberatern im Juli 2001268 durchgeführten Umfrage unter zufällig ausgewählten Betrieben des Dienstleistungsbereichs (45%), des Produktionssektors (41%) und der öffentlichen Verwaltung (14%) wurde bei 39% der Betriebe Vertrauensarbeit praktiziert; wobei die Arbeitsform im Dienstleistungsgewerbe und in Großbetrieben überproportional vertreten war. In 14% der befragten Betriebe war die Einführung geplant. In mehr als der Hälfte der Betriebe arbeiteten alle außertariflich (im Folgenden: AT-)Angestellten in Vertrauensarbeit, während sie für alle Mitarbeiter nur in knapp einem Drittel der Betriebe galt. Das Umfrageergebnis ließ einen Trend zur individuellen Vereinbarung von Vertrauensarbeit erkennen.

265 Vgl. Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit, http:// www.arbeitszeitberatung.de (12/2002), S. 3. 266 Zu den Steuerungssystemen flexibler Arbeitszeiten vgl. MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 15. 267 Vgl. Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit, http:// www.arbeitszeitberatung.de (12/2002). 268 Vgl. Hoff/Priemuth, PersF 2001, 44 ff.

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Im Rahmen der geplanten Einführung sollten in 21% der Betriebe alle Mitarbeiter einbezogen werden, in 23% wahlweise die Angestellten und in 18% sollte die Einführung aufgrund Einzelvereinbarung erfolgen. In den Betrieben, die bereits Vertrauensarbeit eingeführt hatten, sollte eine Ausweitung auf weitere Bereiche erfolgen. Eine im Auftrag von Gesamtmetall durchgeführte Umfrage ergab, dass über 20% der Befragten Vertrauensarbeitszeit praktizierten269, wobei diese in Betrieben mit weniger als 100 Mitarbeitern überproportional, nämlich mit fast 40%, vertreten waren.270 Verstanden als Arbeitszeitform, bei der die Arbeitszeit überhaupt nicht mehr interessiert („Orientierungsarbeit“), war die Vertrauensarbeitszeit nach den Ergebnissen der erstgenannten Umfrage nur in 5% der Betriebe anzutreffen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Feststellung getroffen, „dass – ganz im Gegensatz zu dem in vielen gewerkschaftlichen und gewerkschaftsnahen Veröffentlichungen zu diesem Thema erweckten Eindruck – Vertrauensarbeit nur sehr selten [. . .] mit dem Abschied von der Arbeitszeit verbunden ist und nur noch die Ergebnisse zählen“.271 Die knappe Hälfte der befragten Betriebe stand der Arbeitszeitform ablehnend gegenüber. Die häufigste Verbreitung fand sich unter AT-Angestellten. Die Befragungsergebnisse ließen den Schluss zu, dass die Bedeutung der Vertrauensarbeitszeit nicht überbewertet werden solle. Es sei nicht zu erwarten, dass sie sich allgemein durchsetzen könne, vielmehr konkurriere sie weiterhin mit flexiblen Modellen, bei denen Zeiterfassung und -kontrolle stattfindet. Dieses Ergebnis bestätigt auch eine bereits Anfang 2001 abgeschlossenen Umfrage der Datakontext-Gruppe, wonach die Vertrauensarbeitszeitmodelle weit überwiegend mit Zeiterfassung, vornehmlich durch elektronische Systeme, praktiziert werden.272

269 Auf welche Zielgruppe sich die Umfrage bezog und welche Kriterien für die Einführung von Vertrauensarbeitszeit dabei zugrunde gelegt wurden, lässt sich den Angaben nicht entnehmen. Der Aussagegehalt dieses Ergebnisses ist daher nicht eindeutig; angesichts des für die Branche vergleichsweise hohen Wertes von 20% dürften auch Betriebe erfasst sein, in denen nur einzelne Arbeitnehmer, v. a. Führungskräfte, Vertrauensarbeitszeit praktizieren. 270 Durchgeführt wurde die Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach; die Angaben stammen von 2001, s. http://www.gesamtmetall.de. 271 Hoff/Priemuth, PersF 2001, 44 (47); s. auch http://www.arbeitszeitberatung.de/ arbeitszeit.htm.; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19 (hier allerdings mit der Angabe von 8%). 272 Adamski, Lohn und Gehalt, 4/2001, 50 (53).

§ 4 Chancen und Risiken der Vertrauensarbeitszeit

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§ 4 Chancen und Risiken der Vertrauensarbeitszeit In dem Maße, wie das Modell von Arbeitszeitberatern und Unternehmensleitungen propagiert wird, wird andererseits auf die Risiken der Vertrauensarbeitszeit hingewiesen und vor Leistungsverdichtung, der Gefahr des Arbeitens ohne Ende bzw. der Selbstausbeutung gewarnt und sie daher z. T. ganz abgelehnt.273

A. Mögliche Vorteile für die Arbeitsvertragsparteien Wie erwähnt, wird Vertrauensarbeitszeit – ausgehend von der Einsicht, dass Zeit- oder gar Anwesenheitskontrolle keine Gewähr für einen zweckmäßigen Einsatz der Ressource Arbeitszeit bietet und Anwesenheit kein Leistungsmaßstab ist – zur Entkopplung der Arbeitszeit von der Anwesenheitszeit eingesetzt.274 Neben der angesprochenen unökonomischen Zeitverbrauchskultur der Mitarbeiter, die sich in langen Anwesenheitszeiten – u. U. verstanden als vom Arbeitserfolg unabhängige Leistungsindikatoren –,275 dem nicht selten sogar gezielten Aufbau hoher Zeitguthaben durch die Mitarbeiter und ihren daraus resultierenden Ausgleichsansprüchen manifestiert („Ansparmentalität und Minutendenken“), können als arbeitgeberseitige Beweggründe für die Abschaffung von Zeiterfassung erhoffte Einsparungen bei Administrationskosten276 und die Verringerung des Einflusses der betrieblichen Mitbestimmung277 genannt werden. Schließlich mag in einigen Fällen auch der Wunsch der Arbeitgeber eine Rolle gespielt haben, durch den Verzicht auf Festlegung und Kontrolle der Arbeitszeiten ihre gem. §§ 22, 23 ArbZG grundsätzlich bestehende Verantwortung für die Einhaltung des ArbZG278 und damit verbundene Probleme bei Überschreitung der gesetzlichen Grenzen zu verringern.279 Ob diese Hoffnung berechtigt ist, soll hier noch dahinstehen und an anderer Stelle280 ausgeführt werden.

273 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 32; s. auch Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 165: Berichtet wird von einem IG Metall-Bevollmächtigten, für den Vertrauensarbeitszeit „die höchste Form der Selbstausbeutung und legalisierte Schwarzarbeit“ sei; Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 188; Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 ff.; Thannheiser, CF 4/2000, 18 (21); krit. Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 571 f.; Schoof in: Kittner/ Zwanziger, HdbArbR, § 38 Rn. 135. 274 Hoff/Weidinger, Personal 1999, 380 ff.; Rauscher, PersW 1999 Sonderheft 10, 6 (11). 275 Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1254). 276 Vgl. etwa Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 208; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 39 ff.; Fröhlich, BuW 1998, 230 ff. 277 Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 139. 278 Hierzu Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 17. 279 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 18. 280 Kapitel 2, § 2. C. II. 2. b) bb).

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Aber auch Arbeitnehmern kann Vertrauensarbeitszeit Vorteile bieten.281 Da statt einer bestimmten Zeit der Anwesenheit die objektive Erledigung einer Arbeitsaufgabe zu einem vorher festgelegten Termin gefordert wird282, kann die Arbeit – sofern die Aufgabe es zulässt – an einem frei gewählten Ort erledigt oder der Betrieb zwischendurch oder bei vorzeitiger Beendigung einer Aufgabe früher verlassen werden („Der Vorgesetzte muss akzeptieren, dass ein Mitarbeiter zur besten Arbeitszeit nicht im Hause ist“283).284 Aufgrund ihrer Vielzahl von Flexibilisierungsoptionen kann die Arbeitszeitform sowohl dem Arbeitgeber betriebswirtschaftliche Vorteile als auch dem Arbeitnehmer einen Zuwachs an Zeitsouveränität bringen, weshalb sie weder eindeutig als arbeitnehmer- noch als arbeitgeberorientiert, sondern als ambivalente Arbeitszeitform bezeichnet werden kann.285 Vertrauensarbeitszeitmodelle bieten die Chance auf mehr Selbstbestimmung und bessere Vereinbarkeit von Freizeit und Arbeitsleben; sie können daher durchaus die Arbeitsmotivation steigern.286 Insbesondere kann erwartet werden, dass zeitlichen Anforderungen von Familie und Kinderbetreuungsaufgaben besser Rechnung zu tragen ist.287 Umfrageergebnisse beweisen, dass viele der in Vertrauensarbeitszeit arbeitenden Mitarbeiter mit dieser Arbeitszeitform zufrieden sind.288 Ein Verzicht auf die Führung von Zeitkonten wird vor allem für diejenigen Mitarbeiter propagiert, die eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten, um einerseits ihre Effektivität zu belohnen, andererseits eine Doppelvergütung zu vermeiden.289 Darüber hinaus eignet sich nach Ansicht der Arbeitszeitberater die Abschaffung der Konten für (v. a. leistungsstarke und hochqualifizierte290) Mitarbeiter, die selbst darauf verzichten wollen, weil sie dem genauen Umfang ihrer Arbeitszeit keine übersteigerte Bedeutung beimessen.291 281

s. dazu auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1254 f.). Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 88. 283 Plank, Personal 2001, 644 (647). 284 Vgl. u. a. Hoff, Personal 1997, 336 (337). 285 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 108. Die Form „Vertrauensarbeit“ ist a. a. O. zwar nicht erwähnt, allerdings lässt sie sich dem dort verwendeten Begriff der amorphen Arbeitszeit zuordnen, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass nur das geschuldete Arbeitszeitvolumen vereinbart wird und ein bestimmter Bemessungszeitrahmen, z. B. ein Jahr oder die ganze Lebensarbeitszeit (a. a. O. S. 45 f.); ähnl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 20, der darauf hinweist, dass das Arbeitszeitmodell für sich genommen ergebnisoffen ist. 286 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 17. 287 Vgl. dazu Böhm/Herrmann/Trinczek, WSI-Mitt. 6/2002, 435 ff. 288 Hoff/Priemuth, Personal 9/2002, 10 ff. in einer Mitarbeiterbefragung bei der Stadtverwaltung Wolfsburg; Umfrageergebnisse v. Gesamtmetall, http://www.gesamt metall.de. 289 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 29. 290 Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 142. 291 Hoff/Winterstein, PersW 4/2001, 56 (59). 282

§ 4 Chancen und Risiken der Vertrauensarbeitszeit

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B. Mögliche Nachteile für Arbeitnehmer und ihre Ursachen Andererseits haben die bisher mit Vertrauensarbeitszeit bzw. mit flexiblen Arbeitszeitmodellen im Allgemeinen gesammelten Erfahrungen gezeigt, dass Vertrauensarbeitszeit sich nachteilig für die Arbeitnehmer auswirken kann. Mögliche Probleme und die rechtlichen und tatsächlichen Gründe für Fehlentwicklungen sollen im Folgenden beschrieben werden, weil die Suche nach Lösungen die Kenntnis der Ursachen voraussetzt. I. Ausweitung des Arbeitstags Weithin wird darauf hingewiesen, dass Vertrauensarbeit i. d. R. zur Ausweitung der Arbeitszeit führt.292 Dies mag angesichts der Tatsache, dass sie vom Arbeitgeber weder vorgeschrieben noch kontrolliert wird, auf den ersten Blick verwundern, ist bei näherer Betrachtung aber durchaus nachvollziehbar. Denn wem der Flexibilisierungsgewinn eines Arbeitszeitmodells tatsächlich zufließt, hängt zum einen von dessen konkreter rechtlicher Ausgestaltung ab.293 Zum anderen spielt eine ebenso wichtige Rolle die gesamte Arbeitsorganisation, die durch die jeweilige Unternehmenskultur und den Führungsstil mitbestimmt wird.294 Aus diesem Ursachengeflecht können die nachstehend betrachteten Probleme der Vertrauensarbeitszeit entstehen. 1. Fortbestehen zeitlicher Gebundenheit Werden formale Arbeitszeitvorgaben aufgehoben und das Leistungsbestimmungsrecht auf den Arbeitnehmer übertragen, können dennoch faktische (Markt-)Zwänge das Zeitverhalten des Arbeitnehmers determinieren. Dies wurde verdeutlicht in den Ausführungen zur Zeitsouveränität295. Deshalb wird teilweise formuliert, dass Zeitsouveränität keinen Verzicht auf das Weisungsrecht in dem Sinne darstelle, dass der Arbeitnehmer aus zuvor bestehenden zeitlichen Bindungen befreit würde.296 Beispielsweise könnten in der Festlegung 292 Vgl. Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn. 169 f., der von Arbeitszeiten in der IT-Branche bis zu 100 Stunden pro Woche berichtet; Hamm, AiB 2000, 152 (154); Schönfeld/Strese/Flemming, MMR-Beilage 9/2001, 8; Zanker, Neue Maßstäbe, S. 32. 293 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 108 (zur „amorphen Arbeitszeit“). 294 Dies wird auch durch Umfrageergebnisse bestätigt: vgl. Hoff/Priemuth, Personal 9/2002, 10 (13); vgl. auch die Bsp. bei Böhm/Herrmann/Trinczek, WSI-Mitt. 6/2002, 435 (438 f.). 295 s. o. § 2. C. I. 296 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 216 f.; ders., AiB 2000, 152 (153); Trittin, AiB 2000, 544 (555).

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls versteckte zeitliche Weisungen gesehen werden.297 Denn die Grenzen zwischen Rechtspflicht und tatsächlichem Zwang, sich den Wünschen des Arbeitgebers zu beugen, seien jedenfalls dann fließend, wenn erwartet werden könne, dass der Arbeitende diesen „Wünschen“ tatsächlich entspricht.298 Deshalb ist nicht mehr die Anweisung, zu bestimmten Zeiten zu arbeiten, sondern die Bemessung des Arbeitsumfangs bei Vertrauensarbeitszeit Ausgangspunkt einer möglichen Überlastung.299 Denn neben der verbalen Weisung stehen dem Arbeitgeber weitere Mittel zur Konkretisierung von Vertragspflichten, z. B. die Schaffung von Sachzwängen, zur Verfügung.300 Das zeitliche Weisungsrecht ist nur ein Ausschnitt seiner Leitungsmacht, neben dem als weitere Leitungsmittel gleichberechtigt und gleich wirksam Motivationen durch Kontrolle, Betriebsgewohnheiten und Anreize materieller und ideeller Art stehen.301 Auch diese haben, wie Böker feststellt, für den Bestand des Arbeitsverhältnisses erhebliche Bedeutung, denn wenn der Arbeitnehmer nicht auf sie anspreche, werde der Arbeitgeber regelmäßig mit rechtlichen Maßnahmen reagieren.302 Es reiche zur Betriebsleitung aus, wenn der Arbeitgeber – statt Weisungen zu erteilen – den Arbeitnehmer in die Lage versetze, Eigeninitiative zu entfalten. Dazu müsse der Arbeitnehmer die übergeordnete Aufgabenstellung und die sonstigen betrieblich-funktionalen Zusammenhänge kennen. Um das Handeln durch Eigeninitiative auszulösen, genügten arbeitgeberseitige Unterrichtung und Zielsetzung als nichtautoritäre Führungsarten. Insofern besteht eine funktionelle Parallelität zur Weisung. Folge ist, dass eine Information hinsichtlich der Aufgabenstellung – je nach Akzentsetzung – zugleich als bloße die Eigeninitiative auslösende Mitteilung einerseits und als Weisung andererseits zu betrachten sein könnte.303 Das „Weisungsrecht [ist] mit der Setzung des (Teil-)Betriebszieles zum Zwecke der eigenverantwortlichen Handlung des Arbeitnehmers eng verwoben und von diesem kaum abgrenzbar“.304 Zu den Leitungsmaßnahmen können mithin sowohl Eigeninitiative auslösende Mitteilungen als auch Weisungen, Kontrolle und Beurteilung gehören.305 Da die Weisung als rechtsgeschäftliche Erklärung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann306, ist u. U. nur schwer abgrenzbar, was je297 Hanau/Strick, AuA 1998, 185 (187); ähnlich schon Berger-Delhey/Alfmeier, NZA 1991, 257 (258). 298 Hromadka, NZA 1997, 569 (576). 299 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218. 300 Hromadka, NZA 1997, 569 (576 f.); vgl. auch Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 46; ders., Arbeitsrecht und Abhängigkeit, BB 1993, 66 (67); Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1256). 301 Böker, Weisungsrecht, S. 25; vgl. auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 ff. 302 Böker, Weisungsrecht, S. 46. 303 So Böker, Weisungsrecht, S. 28. 304 Böker, Weisungsrecht, S. 29. 305 Böker, Weisungsrecht, S. 29.

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weils vorliegt. Das Betriebsleitungsrecht des Arbeitgebers hat jedenfalls zur Folge, dass der Arbeitnehmer in zeitlicher Hinsicht an Vorgaben des Arbeitgebers gebunden bleiben kann. Ohne fixierte Arbeitszeiten kann der Arbeitnehmer zwar nicht in Verzug geraten, läuft aber Gefahr, sich bei mangelnder Aufgabenerfüllung dem Vorwurf der Schlechtleistung – mit entsprechenden Konsequenzen – auszusetzen.307 2. Arbeitsvolumen, Personalausstattung, Möglichkeit zu weitgehender Selbstorganisation, insbesondere bei Projektarbeit Der häufig formulierte Nachteil der Vertrauensarbeitszeit308, dass die Arbeit nicht zu Ende ist, bevor die Aufgabe erfüllt ist, lässt sich u. a. auf die mit der Abschaffung von Kernzeiten verbundene Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Berücksichtigung betrieblicher Interessen zurückführen. Arbeitsüberlastung und Arbeitszeitentgrenzung kann v. a. zum Problem werden bei Projektarbeit, die häufig im Zusammenhang mit modernen Arbeitszeitformen steht309 und vorrangig in Forschung, Planung und Entwicklung auftritt, wo es um die Lösung komplexer und innovativer Aufgaben mit begrenzten Personal-, Zeit- und Kostenressourcen geht.310 Charakteristisch hierfür ist, dass zu Beginn eines Projektes nur eine Mindestklarheit über erforderliche Tätigkeiten und den benötigten Bedarf an Zeit und Personen besteht311, aber die Laufzeit regelmäßig „an der unteren Grenze kalkuliert ist“, Endtermine definitiv feststehen und Projektinhalte und -ziele sich ändern können.312 Die Umsetzung des feststehenden Arbeitsauftrags wird i. d. R. von den Mitarbeitern selbst organisiert.313 Dies führt einerseits zu erhöhter Arbeitsmotivation,314 ist andererseits aber häufig mit Überstunden, Wochenendarbeit und systematischem Unterlaufen 306

MüKo-Gottwald, § 315 Rn. 33. Vgl. Reichold, NZA 1998, 393 (398); Trittin, NZA 2001, 1003 (1006). 308 „Plötzlich wird deutlich, dass die verhasste Stechuhr auch Vorteile hatte. Wenn die Beschäftigten abends ihre Karte reinschoben, wussten sie: Jetzt endet die Macht der Firma, und das Privatleben beginnt. Die Stechuhr schützte vor Überbeanspruchung. Man konnte nachweisen, dass man genug getan hat.“, aus: Holch, Arbeiten ohne Ende – Die Stechuhr ist abgeschafft!, abgedruckt in Adamski, Arbeitszeitmanagement, S. 149, (152). 309 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 41; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218; ders., Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 69 ff.; Hensche, WSI-Mitt. 10/ 2001, 602 (604); Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34 ff. (36); ausf. zur Projektarbeit Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 ff.; Frank, PersF 1996, 378 ff.; Gade/Wilkening, PersF 1996, 1088; Moll, WSI-Mitt. 8/1994, 523 ff. 310 Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685. 311 Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34. 312 Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (687). 313 Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34. 307

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von Arbeitszeitvorschriften verbunden.315 Als besondere Belastungsfaktoren empfundene Leistungsverdichtung, Zeitdruck und Zeitnot316 resultieren aus der Knappheit an Ressourcen.317 Projektumfang, Zahl der dafür beschäftigten Arbeitnehmer, ihre Qualifikation und der Zugriff auf die technischen Ressourcen sind hauptursächlich für die termingerechte Fertigstellung von Aufträgen.318 Schwierigkeiten können sich auch hinsichtlich der Abrufbarkeit projektspezifischen Wissens einzelner Teammitglieder ergeben, das selten dokumentiert wird und daher von der Erreichbarkeit des jeweiligen Mitarbeiters abhängt.319 Diese wiederum ist durch Aufhebung von Anwesenheitspflichten und unterschiedliche Arbeitszeiten bei Vertrauensarbeitszeit erschwert. Im beschriebenen Bedingungsgeflecht sind Leistungssteigerung und Verlängerung des Arbeitstags die einzigen von den Mitarbeitern zu steuernden Stellschrauben320, so dass sich hinter der Selbstorganisation oft eine Risikoverlagerung auf die Beschäftigten verbirgt.321 Dabei hat Bollinger322 festgestellt, dass die Reaktion auf konstatierte Ressourcenknappheit maßgeblich vom Unternehmensklima bzw. dem Vorhandensein einer Vertrauenskultur vorgegeben ist. Während im einen Extrem streng auf die Veröffentlichung von Ressourcenknappheit und Abhilfe geachtet wird, führt im anderen Extrem die Angst der Arbeitnehmer vor Imageschäden zum Verzicht auf das Einfordern von Ressourcen, was wiederum mit dem Gefühl von Schutzlosigkeit und Ausbeutung einhergehe.323

314 Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (686); vgl. zur Motivation auch Pongratz, Das Beste herausholen, Die Mitbestimmung – online 6/2001, http://www.boeckler.de/ mitbestimmung/ind. . ., insb. S. 2 ff.; Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34 (35). 315 Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (686). 316 Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (686 f.). 317 Sie kann entweder auf ein einzelnes Projekt bezogen sein oder daraus resultieren, dass ein einzelner Beschäftigter zu viele Aufgabenstellungen und Projektmitgliedschaften übernehmen muss; vgl. Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (687). 318 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 41; Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (687). 319 Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34: wichtig sei das „Schnittstellenmanagement“ zwischen einzelnen Arbeitspaketen und Teammitgliedern. 320 Vgl. zu den Leistungsparametern bei Projektarbeit IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 41. 321 Vgl. Glißmann, AiB 2003, 193 (195 f.); Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/ 2001, 34 (36). Daher hat insbesondere der IG Metall-Vorstand darauf hingewiesen, dass für die Lösung der möglichen Probleme im Zusammenhang mit Vertrauensarbeitszeit ein „ganzheitlicher Ansatz“ erarbeitet werden müsse, und dass die jeweiligen Schwerpunkte betrieblicher Interessenvertretung durchaus unterschiedlich sein können, Vertrauensarbeitszeit, S. 39 f. Wichtig ist in jedem Fall aber die Sicherstellung angemessener projekt- und personenbezogener Ressourcen, vgl. Bollinger, WSI-Mitt. 11/ 2001, 685 (687 f.); Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 69 f.; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 218. 322 WSI-Mitt. 11/2001, 685 (687). 323 Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (687).

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Zeitsouveränität i. S. einer an den Bedürfnissen des Arbeitnehmers ausgerichteten Arbeitszeiteinteilung und die Vermeidung von Überlastung sind nur realisierbar, wenn die personelle Ausstattung dies zulässt324 bzw. den Beschäftigten echte Einflussmöglichkeiten auf den Arbeitsablauf eingeräumt werden.325 Wenn aber Produktivitätssteigerungen und Personalkosteneinsparungen mit längeren Arbeitszeiten der Beschäftigten aufgefangen werden können, wird auch die (nicht kostenrelevante) Überschreitung der Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer gern geduldet.326 3. Eigenverantwortung für Zeitausgleich bzw. Balance zwischen Arbeitszeit und Aufgabe; informelle Zwänge Aus der Tatsache, dass auch in Vertrauensarbeitszeitmodellen regelmäßig eine durchschnittliche „Arbeitszeitmenge“ 327 vereinbart ist, die den Umfang der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung bestimmt und nach der sich das als Gegenleistung zu zahlende Arbeitsentgelt bemisst,328 folgt zunächst, dass derjenige, der sein Arbeitstempo steigert, trotz freier Zeiteinteilung keine Freiräume für sich selbst, sondern für den Arbeitgeber schafft, der sie mit neuen Anforderungen füllen kann.329 Das vereinbarte Deputat ist zwar grundsätzlich nur im Durchschnitt einer Planperiode zu erbringen.330 Durch den Verzicht auf die Festlegung von Abrechnungszeiträumen spielen aber im Gegensatz zur tradierten Gleitzeit bei Vertrauensarbeit derartige Planperioden gerade keine Rolle. Der Möglichkeit zum eigenverantwortlichen Zeitausgleich331 wird die Gefahr gegenüber gestellt, dass es sich auf die nächste Leistungsbeurteilung auswirken könne, wenn der Arbeitnehmer, „vor Ablauf der tariflichen Arbeitszeit (gehe)“; auch wenn tatsächlich keine Negativbewertung eintrete, könne allein die Vorstellung davon das Arbeitsverhalten determinieren.332 Die Abschaffung formaler Arbeitszeitregelun324 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 213: Möglich war dies etwa bei der Stadt Wolfsburg, die als eine der ersten Kommunen Vertrauensarbeit einführte; ders., Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 13, 43. 325 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 14; Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 26 f. 326 Zanker, Neue Maßstäbe, S. 32. 327 So der Begriff von Schliemann, Arbeitsrecht im BGB, § 611 Rn. 626 ff. 328 MünchArbR-Blomeyer, § 48 Rn. 101; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 658, 666. 329 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 215 f.; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www. arbeitszeit beratung.de (6/2002), S. 4. 330 Reichold, NZA 1998, 393 (396). 331 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19. 332 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 20 f.

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gen führt vor allem dort zur Ausweitung und Entgrenzung des Arbeitstags, wo die Unternehmenskultur Leistungsbereitschaft und Anwesenheitszeit nach wie vor gleichsetzt.333 Selbst wenn man die Vereinbarung der Vertrauensarbeitszeit als vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts begreift, steht noch nicht fest, dass der freien Zeiteinteilung nicht auf informeller Ebene von dem unmittelbaren Vorgesetzten Restriktionen entgegenstehen. Einige beharren z. B. darauf, über jeden Zeitausgleich vorab informiert zu werden und ggf. einzugreifen.334 Der Abbau von Zeitguthaben oder die Freizeitnahme im Vorgriff scheitert immer dann, wenn Vorgesetzte nicht akzeptieren, dass Mitarbeiter selbst über ihre Arbeitszeit disponieren.335 Eine als hierarchieüberwindende, auf Selbstbestimmung für den Einzelnen gedachte Partizipation kann in diesen Fällen nicht verwirklicht werden, vielmehr behält eine „Herrschaftsfreiheit aus Sachzwängen“ Zufallscharakter.336 Dem Führungsstil337 und möglichen informellen Zwängen kommt auch deshalb Bedeutung zu, weil die Verantwortung für die Kommunikation bei Missverhältnissen zwischen Arbeitsaufgabe und Arbeitszeit dem Arbeitnehmer im Rahmen des Überlastverfahrens338 übertragen wird. Die Angemessenheit der dem Mitarbeiter zugewiesenen Arbeitsmenge hängt somit von seinem Kontakt und (Vertrauens-)verhältnis zur Führungskraft ab sowie von deren Fähigkeit, Aufgaben und Leistungsvermögen des Arbeitnehmers einschätzen zu können.339 Deshalb wird der Schlüssel zur Verbesserung von Arbeitsabläufen, Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit in einem fortlaufenden gemeinsamen Abstimmungsprozess zwischen Mitarbeiter, Team und Führungskraft gesehen.340

333 Vgl. Böhm/Herrmann/Trinczek, WSI-Mitt. 6/2002, 435 (438 f.); vgl. auch Schlachter, ZVglRWiss 102 (2003), 116 (135 f.). 334 Haipeter, Trust-based Working Time, http://www.iatge.de/aktuell/veroeff/(2001), S. 14 („aktives Zeitmanagement“). 335 Hamm, AiB 2002, 412 (417 f.). 336 Gast, Arbeitsrecht 2000, S. 63. 337 Zur Bedeutung des Führungsstils bei der Vertrauensarbeit s. auch Haipeter, Trust-based Working Time, http://www.iatge.de/aktuell/veroeff/(2001). 338 Vgl. dazu Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 99 f. und unten Kapitel 4, § 3. B. II. 2. d) (2) (a). 339 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 101 f. 340 Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 4 f.; vgl. auch Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Zeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/ 2003), S. 1: Führungskraft muss Verwendung der Arbeitszeit für die anstehenden Aufgaben planen.

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4. Ersetzung der Zeitkontrolle durch Ergebniskontrolle: Kombination der Vertrauensarbeitszeit mit Zielvereinbarungen im Rahmen neuer Managementmethoden Eine Ursache möglicher Überlastung kann auch in der Verbindung von Vertrauensarbeitszeit mit Zielvereinbarungskonzepten liegen. Wie erwähnt, steht aufgabenorientiertes Arbeiten im Kontext moderner Managementmethoden341 und wird durch Zielvorgaben mit Ergebniskontrolle flankiert.342 Die die Zeitkontrolle ersetzende Kontrolle von Ergebnissen und Zielerreichungsgraden wird teilweise als „indirekte Steuerung“343 bezeichnet. Mittels Zielvereinbarungen, die als mehr oder weniger verbindliche dezentrale Absprachen über Leistungsziele zwischen Leitungspersonen und Beschäftigten beschrieben werden,344 können Mitarbeiter auf unternehmerische Ziele verpflichtet werden.345 Unternehmensziele346 werden auf die Betriebe und die jeweils nachgeordnete Ebene bis zu einzelnen Mitarbeitern heruntergebrochen.347 In arbeitszeitrechtlicher Hinsicht sind insbesondere solche Ziele348 von Bedeutung, deren Gegenstand z. B. die Einhaltung von Terminen oder die optimale Ausrichtung an Kundenbedürfnissen ist.349 Leistungsdruck und Überforderung können zunehmen350, weil die Beschäftigten dadurch mehr und unmittelbarer als früher mit Markt- und Konkurrenzdruck konfrontiert werden und nur „selber entscheiden (können), auf 341 Z. B. Management by Objectives (MbO) (s. dazu Geffken, NZA 2000, 1033 ff.; Peutner, Personal 1999, 486); Balanced Scorecard (BSC); (grundlegend dazu Kaplan/ Norton, Balanced Scorecard; dies., Strategie-Fokussierte Organisation; Breisig, Entlohnen und Führen, S. 42 f.; Däubler, AiB 2001, 208 ff.; Kunz, Personal 1999, 488 ff.); Lean Management, (dazu etwa Pfisterer, AiB 1999, 375 f.; Kreuder, Selbststeuerung, S. 99 ff.). 342 Kiesche, PersR 2001, 283 (286); vgl. auch das Bsp. der Stadtverwaltung Wolfsburg, Ahrens, CF 5/2001, 12 (14, 15); Hesch/Kinner, PersF 8/1998, 46 (50). 343 Vgl. IG Metall-Vorstand, Arbeiten ohne Ende?, S. 11. 344 Tondorf, WSI-Mitt. 1998, 386. 345 Hlawaty, Die Mitbestimmung, 9/1998, 42; zu einem Prämienlohnsystem, das die Anpassung der individuellen Arbeitszeit an die Markterfordernisse unmittelbar entgeltwirksam werden lässt; vgl. Menz/Siegel in: Ehlscheid/u. a., Das regelt schon der Markt, S. 133 (141); Lacher/Springer, WSI-Mitt. 6/2002, 353, 356 ff. 346 Im sog. BSC-System werden die Ziele auf den folgenden 4 Ebenen festgelegt: finanzwirtschaftliche Ziele, Kundenperspektive, Prozessperspektive, Lern- und Innovationsperspektive, vgl. dazu Däubler, AiB 2001, 208 f.; Kunz, Personal 1999, 488 ff. 347 Breisig/Fischer, PersR 1998, S. 452: die Ziele nehmen an Detaillierung, Präzision und Operationalisierung dabei zu; Kunz, Personal 1999, 488 (492). 348 Inhaltlich können sich die Ziele auf Qualität oder Quantität des Arbeitsergebnisses, z. B. auf ökonomische Erfolgskennziffern wie Umsatz, Reklamationskosten, Betriebsergebnis oder auf ein bestimmtes Leistungsverhalten beziehen; vgl. Tondorf, AiB 1998, 322 f. 349 Vgl. Breisig, Entlohnen und Führen, S. 80; Hlawaty, in: Jetter/Skrotzki, Handbuch Zielvereinbarungsgespräche, S. 139 (146). 350 s. auch Däubler, AiB 2001, 208 (212).

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welche Weise sie sich dem stellen wollen“.351 Insofern wird Vertrauensarbeit auch als „Form der Internalisierung von Fremdbestimmung“ bezeichnet.352 Zielorientierte Systeme sollen Leistungsreserven freisetzen und Motivation schaffen.353 Grundlage hierfür ist v. a. das sog. Participative Management by Objectives (PMbO). Dahinter steht eine in den 1950er Jahren in den USA entwickelte Organisationspsychologie, die das Führungsverhalten von Vorgesetzten vor dem Hintergrund seiner Effizienz analysiert, sie beruht auf Forschungsergebnissen, wonach maximale Effektivität dort erzielt wurde, wo Aufgaben- und Beziehungsorientierung der Vorgesetzten besonders hoch waren.354 In diesem Kontext steht auch die Erkenntnis, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer keineswegs kontrolliert und geführt werden muss: Das Maß an aufgebrachter Eigeninitiative und Selbstkontrolle zu Gunsten bestimmter Ziele hänge davon ab, ob er sich diesen Zielen verpflichtet fühle.355 Höhere Effizienz soll mithin dadurch zu erreichen sein, dass eigene Ziele der Beschäftigten mit Unternehmenszielen zur Deckung gebracht werden.356 Dies erklärt, dass ausweislich neuerer Forschungsergebnisse die bei vielen Beschäftigten konstatierte hohe Leistungsbereitschaft mit der Folge langer Arbeitszeiten ihre Ursachen nicht nur in Einkommenserwartungen, Karrierewünschen, verschärften Managementforderungen oder Angst vor Arbeitslosigkeit hat. Vielmehr sind als Motivationsfaktoren „Spaß an der Arbeit“ in flachen Hierarchien, die Bereitschaft, Verantwortung für das Arbeitsergebnis zu übernehmen und die Herausforderung, unter wechselnden Arbeitserfordernissen „das Beste rausholen“ zu wollen sowie die Identifikation mit dem Arbeitsproblem festgestellt worden. Hohe Ziele verstünden diese Beschäftigten als Anreize, bis an die Leistungsgrenzen zu gehen; der Erfolg verschaffe ihnen Befriedigung.357 Besonders problematisch kann dabei die sog. „Intensivierungspflicht“ werden, bei der die Ziele jeweils gegenüber jenen der Vorperiode eine Herausforderung sein sollen.358 In Kombination mit Vertrauensarbeit können zu ehrgeizige Ziele zu Selbstausbeutung und Überschrei351 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 212; s. auch Glißmann, AiB 2003, 193 (194); ders., AiB 2000, 585 (586); zur „indirekten Steuerung“: Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000 S. 1 (6 f.). 352 V. Neumann, NZS 2001, 14 (16). 353 Tondorf, WSI-Mitt. 1998, 386 (387); Schlachter, ZVglRWiss. (102) 2003, 116 (119 f.). 354 Geffken, NZA 2000, 1033 (1034) mit Verweis auf Halpin in: Stogdill/Coons, Leader Behavior, S. 63; vgl. auch Breisig, Entlohnen und Führen, S. 40 f. 355 Vgl. etwa v. Rosenstiel in: Siegwart/Dubs/Mahari, Human Resource Management, S. 303 (305 ff.); Scholz, Personalmanagement, S. 891; Geffken, NZA 2000, 1033 (1034); „Der menschliche Verstand ist auf Ziele und Ergebnisse ausgerichtet“, Hlawaty, Die Mitbestimmung, 9/1998, 42. 356 Geffken, NZA 2000, 1033 (1034 m. N.); vgl. dazu auch Schlachter, ZVglRWiss 102 (2003), 116 (119 f.). 357 Vgl. Pongratz, Das Beste herausholen, Die Mitbestimmung – online 6/2001, http://www.boeckler.de/mitbestimmung/ind.

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tung der Arbeitszeitgrenzen führen.359 Wird dies nicht transparent, besteht die Gefahr, dass unrealistische Ziele sich auch im Nachhinein nicht als solche darstellen, was das Problem der Intensivierung noch verschärft. Einer Orientierung an Arbeitszeitbegrenzungen können außerdem Zielkriterien wie Einsatzbereitschaft und Ausdauer360 entgegen stehen. Hinzu kommt die mögliche Unterstellung, dass die Erreichbarkeit von Zielen allein von den Fähigkeiten der Mitarbeiter abhänge. Aufgrund der vielfach mitverantwortlichen konjunkturellen, preislichen, produktbezogenen, führungsmäßigen oder sonstigen Faktoren361 ist es aber häufig auch bei guter fachlicher Qualifikation und konzentrierter Arbeit nicht möglich, die Aufgaben in der tariflichen Wochenarbeitszeit zu erfüllen.362 Erfahrungsberichten zufolge arbeiten die Beschäftigten daher unter Missachtung gesetzlicher und tariflicher Vorgaben immer länger.363 5. Abschaffung der Zeitdokumentation als „Tarnung“ der faktischen Arbeitszeitverlängerung? Wurde bisher festgestellt, dass die Gründe für die faktische Verlängerung der Arbeitszeit in der Arbeitsorganisation und dem Führungsstil liegen, stellt sich nun noch die Frage, inwiefern der Abschaffung von Arbeitszeitkonten eigenständige Bedeutung als Ursache der Arbeitsüberlastung zukommt. Eines der wichtigsten Argumente für die Führung von Arbeitszeitkonten ist die dadurch herzustellende Transparenz bzgl. der geleisteten Arbeitszeit.364 Exzessive versteckte Mehrarbeit und Überlast einzelner Mitarbeiter können bei Vertrauensarbeitszeit dagegen nur schwer erkannt werden.365 Unter bestimmten Voraussetzungen bietet die Zeitkontenführung die Möglichkeit einer kontrollierten Flexibilisierung, so dass geltende Arbeitszeitstandards eingehalten werden können.366 Bedingung für einen kontrollierten Zeitausgleich ist zunächst die Festlegung von Obergrenzen für Zeitguthaben und eines Aus358 Breisig, Zielvereinbarungen, S. 305 f.; Breisig/Fischer, PersR 1998, 452; Hlawaty, Die Mitbestimmung 9/1998, 42 (44). 359 Vgl. Breisig, Entlohnen und Führen, S. 79 f.; Drexel, WSI-Mitt. 6/2002, 341 (343); Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1255). 360 So z. B. bei Siemens. 361 Sprenger, Mythos Motivation, S. 95; s. auch Breisig, Zielvereinbarungen, S. 306; Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 110 ff., die daher auf die Notwendigkeit einer Auflösung der Unternehmensziele auf die individuell beeinflussbare Ebene, d.h. die Festlegung stellenspezifischer Ziele i. R.e. MbO-Konzepts, hinweist. 362 Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn. 170; vgl. auch Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 140 f. 363 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 19; Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 (2 ff.). 364 Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (336 f.). 365 Plank, Personal 2001, 644 (648).

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gleichszeitraums. Verbreitet wird auf letzteres verzichtet, so dass bis zur definierten Obergrenze das Guthaben stets einen positiven Saldo aufweisen kann.367 Diese teilweise als Sockelregelung368 bezeichneten Modelle bergen wie die Vertrauensarbeitszeit die Gefahr einer schleichenden Arbeitszeitverlängerung, wenn wegen dauerhaft hoher Arbeitsbelastung ein Ausgleich nicht möglich ist.369 Allein das Bestehen von Ausgleichszeiträumen und Obergrenzen besagt jedoch nichts darüber, ob durch Zeitausgleich die Durchschnittsarbeitszeit auch tatsächlich erreicht wird. Ist die finanzielle Abgeltung von Guthaben, deren Übertragung in den nächsten Ausgleichszeitraum oder dessen Verfall vorgesehen, kann es zu bezahlter oder unbezahlter Arbeitszeitverlängerung kommen.370 V. a. bei dünner Personaldecke wird, nicht zuletzt wegen des zu erzielenden Mehrverdienstes, vom Freizeitausgleich selten Gebrauch gemacht, wenn eine Regelung neben der Freizeitentnahme auch einen finanziellen Ausgleich zulässt.371 Zu schleichender Verlängerung der Arbeitszeit kann es auch kommen, wenn mehrere Konten für jeden Arbeitnehmer geführt werden und die innerhalb des (kürzeren) Ausgleichszeitraums nicht abgebauten Stunden auf ein Langzeitkonto übertragen werden372. Mit diesem „Überlaufen“ von Guthaben nach dem „Springbrunnenprinzip“ von einem in das nächste Konto ist zwar der Verfall von Stunden aufzufangen,373 der Zweck des Ausgleichszeitraums, z. B. Auslösen von Maßnahmen zur Rückführung zu hoher Zeitguthaben, wird aber verfehlt.374 Damit wird deutlich, dass die Gefahr der Entgrenzung der Arbeitszeit auch in Systemen mit Zeitkonten besteht. Je größer die in einem System erlaubten Abweichungen von der durchschnittlichen Arbeitszeit sind, desto schwieriger er366 Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (336 f.); Seifert, WSI-Mitt. 2/2001, 84 (90). 367 Nach ISO-Betriebsbefragung 2001 gilt eine solche Regelung in 25% der Betriebe mit Zeitkonten, vgl. Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (337). 368 . . . weil ein gewisser Sockel an Plus- oder Minusstunden immer bestehen bleiben kann. 369 Vgl. ausf. zu den betrieblichen Regelungsinhalten Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (336 ff.). 370 s. Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (337 f.). 371 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 180. 372 Vgl. hierzu Lindecke/Lehndorff, WSI-Mitt. 7/1997, 471 (477 f.). 373 Krakowski, AuA 2000, 410 f. 374 Schoof in: Kittner/Zwanziger, HdbArbR, § 38 Rn. 70; Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 194. In einer großen Anzahl der Betriebe ist ein „Überlaufen von Zeitkonten“ zu beobachten, wobei das Volumen der „gekappten“ Zeitguthaben auf ein „nicht unerhebliches Äquivalent für geleistete, aber nicht ausbezahlte Arbeit“ geschätzt wird, Seifert, WSI-Mitt. 2/2001, 84 (87).

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weist sich häufig die Rückkehr zum geschuldeten Durchschnitt.375 Dennoch wird in der Tatsache der Identifizierbarkeit von Fehlverläufen in der Kontenentwicklung eine gewisse Gewähr dafür gesehen, dass die Arbeitszeitflexibilisierung in einem regulierten Rahmen verläuft.376 Das Konzept der Vertrauensarbeitszeit geht dagegen einher mit mehr oder weniger starkem Desinteresse der Führungskraft an der Einhaltung der geschuldeten Arbeitszeit. Solange sie nichts Gegenteiliges vom Mitarbeiter erfahre, könne sie davon ausgehen, dass „alles im Lot“ und allenfalls geringfügige Zeitausgleichsansprüche entstanden seien.377 Wohl auch deshalb wurde von Arbeitszeitberatern die Antwort auf die Frage „Was tun gegen überlaufende Zeitkonten?“ in deren Abschaffung gesucht.378 6. Unkenntnis der Arbeitszeitvorschriften Ein grundlegendes Problem bei der eigenverantwortlichen Arbeitszeitgestaltung ist schließlich die Unkenntnis der teilweise schwer verständlichen Arbeitszeitvorschriften unter den Arbeitnehmern. Die Übertragung weitgehender Befugnisse und Verantwortung im Hinblick auf Arbeitnehmerrechte bzgl. der Arbeitszeit einerseits und Unkenntnis dieser Rechte andererseits trägt ebenfalls zur Aushöhlung des Arbeitnehmerschutzes bei.379 Voraussetzung für die Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Vorschriften ist eine kontinuierliche und umfassende Information der Arbeitnehmer über ihre Rechte.380 Nach Einschätzung Hamms381 ist aber Kenntnis arbeitszeitrechtlicher Feinheiten schon in Personalabteilungen kaum vorhanden, umso weniger ist davon auszugehen, dass die ohnehin überlasteten Mitarbeiter sich intensiv mit dem Arbeitszeitrecht befassen werden. II. Mangelnde Planbarkeit von Arbeits- und Freizeit Das Problem der Entgrenzung der Arbeitszeit stellt sich nicht nur in quantitativer Hinsicht, sondern auch bzgl. des Zeitpunkts der Leistungserbringung. Während bei Gleitzeit mit Kernzeit die Gleitspannen einen Zeitraum definieren, der grundsätzlich zur freien Verfügung der Arbeitnehmer steht, hat der Verzicht auf Kernarbeitszeiten zur Folge, dass der Arbeitnehmer Freizeitwünsche nur in375

Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 48 f. Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (338). 377 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 62. 378 Hoff/Winterstein, PersW 4/2001, 56 (59). 379 Darauf hat insb. Hamm, AiB 2000, 152 (157) hingewiesen. 380 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 26 f.; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 219. 381 Hamm, AiB 2000, 152 (158). 376

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Kap. 1: Begriff der Vertrauensarbeitszeit

sofern verwirklichen darf, als damit keine erheblichen betrieblichen Belange beeinträchtigt werden.382 Ist beispielsweise die Betreuung eines wichtigen Kunden nur in den Abendstunden möglich, müssen Freizeitinteressen des Mitarbeiters oder familiengebundene Zeiten zurückstehen. Die mit der Abschaffung von Kernzeiten verbundene Aufhebung einer klaren Trennung zwischen Pflicht und Freiraum führt zum Verlust von Planungssicherheit und garantierten Freiräumen.383 Die eigenverantwortliche und selbstbestimmte Planbarkeit der arbeitsfreien Zeit wird aber als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen.384 Ohne sie wäre eine sinnvolle Zeitverwendung, deren Ermöglichung die Menschenwürde gebietet, kaum möglich.385 Der Kernzeit wird deshalb auch eine wesentliche Schutzfunktion zugeschrieben.386 Die Bedeutung der Kernzeit ist jedoch zu relativieren, da die Grenzen zwischen Modellen mit und ohne Kernzeitvereinbarung fließend sein können. Trotz bestehender Kernzeit kann – entgegen den oben387 dargelegten Grundsätzen – der Interessenausgleich in einer Betriebsvereinbarung dergestalt strukturiert sein, dass auch innerhalb der Gleitspannen die betrieblichen Interessen zu berücksichtigen sind. So enthielt etwa die Gleitzeitvereinbarung in einem vom LAG Rheinland-Pfalz388 entschiedenen Fall die Verpflichtung der Arbeitnehmer, Abwesenheit innerhalb der Schalteröffnungszeiten, die teils in der Kernzeit, teils in der Gleitspanne lagen, mit dem Vorgesetzten abzustimmen. Da die Arbeitnehmer aufgrund der Betriebsvereinbarung die Arbeitszeiteinteilung an den betrieblichen Bedürfnissen bzw. den Schalteröffnungszeiten zu orientieren hatten, war der Arbeitgeber berechtigt, innerhalb des Gleitzeitrahmens einseitig die Schalteröffnungszeiten zu verändern. III. Zusammenfassung Verliert die Arbeitszeit an Bedeutung, kann sie nicht mehr ihre begrenzende Funktion im Hinblick auf die Leistungspflicht des Arbeitnehmers erfüllen.389 Gefahren der Vertrauensarbeitszeit sind daher die faktische Verlängerung der 382 Heupel in: Gebert/Heupel/Schall, Flexible Arbeitszeitmodelle im öffentlichen Dienst, S. 91. 383 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 19. 384 Braunert, Schranken, S. 100 m. w. N.; Malzahn, AuR 1985, 137 (143). 385 Braunert, Schranken, S. 101; vgl. auch schon Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 28, nach denen hierin die „Sozialfunktion“ des Arbeitszeitschutzes zum Ausdruck kommt. 386 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 19; Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 178 f., 185. 387 § 2. C. I. 388 V. 20.3.1997 NZA-RR 1997, 390 ff. 389 Trittin, NZA 2001, 1003 (1005).

§ 4 Chancen und Risiken der Vertrauensarbeitszeit

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Arbeitszeit sowie daraus resultierende Überlastungen. Deren Wahrscheinlichkeit steigt, wenn mit der vorhandenen Personalkapazität das Arbeitsvolumen nicht innerhalb der geschuldeten Arbeitszeit zu bewältigen ist. Als Hauptursachen für die dann eintretende faktische Verlängerung der Arbeitszeit können die Verpflichtung auf die Berücksichtigung betrieblicher Belange bei der Arbeitszeiteinteilung, das Fehlen von Ausgleichszeiträumen sowie die fehlende Verantwortung des Arbeitgebers für den Zeitausgleich genannt werden. Verstärkend können Verpflichtungen auf Arbeitsziele wirken, deren Erreichung von den Mitarbeitern häufig nur über die Stellschraube der Arbeitszeit sichergestellt werden kann. Auch informelle Zwänge können den Arbeitnehmer daran hindern, Freizeitausgleich eigenverantwortlich zu realisieren. Auch die Lage der Arbeitszeit wird unberechenbarer, weil gearbeitet werden soll, wenn betriebliche Interessen dies erfordern und definierte Kernzeiten fehlen.

Kapitel 2

Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen der Vertrauensarbeitszeit Im folgenden Kapitel soll überprüft werden, welche gesetzlichen Vorgaben bei der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit zu beachten sind. Es stellt sich also die Frage nach den gesetzlichen Grenzen, denen derartige Vertragsgestaltungen unterworfen sind und an denen sich zulässige Inhalte von Vertrauensarbeitszeitkonzepten orientieren müssen. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zu legen sein1. Zuvor ist aber auf Fragen des Arbeitsvertragsrechts einzugehen.

§ 1 Grenzen der Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertragsrecht Aufgrund ihrer verstärkten Ergebnisorientierung stellt Vertrauensarbeitzeit wesentliche Charakteristika des tradierten Arbeitsverhältnisses in Frage. Welche Auswirkungen auf die Arbeitsvertragsbeziehung daraus resultieren und mit welchen gesetzlichen Vorschriften dies in Konflikt geraten kann, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Ob sich daraus Grenzen für die Zulässigkeit der Vereinbarung dieser Modelle ergeben und wo diese ggf. verlaufen, wird nachstehend diskutiert.

A. Arbeitnehmereigenschaft als Anknüpfungspunkt des Arbeitnehmerschutzes Sämtliche Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes knüpfen an das Bestehen von Arbeitsverhältnissen an. Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, kann jedoch das Vorliegen dieser Voraussetzung bei Vertrauensarbeitszeit zweifelhaft sein, weil sich die Ausgestaltung derartiger Verträge von den typischen Arbeitsverhältnissen entfernt. Damit stellt sich das Problem des Herauswachsens von Beschäftigungsverhältnissen aus dem Arbeitsrecht2 auch im Kontext der Vertrauensarbeitszeit. 1

s. unten § 2.

§ 1 Grenzen der Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertragsrecht

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Für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen ist nach Auffassung der Rechtsprechung3, die im Wesentlichen – wenn auch mit begrifflichen Abweichungen – mit der herrschenden Lehre4 übereinstimmt, die persönliche Abhängigkeit maßgeblich, die durch Weisungsgebundenheit und organisatorische Eingliederung des Arbeitnehmers gekennzeichnet ist.5 Arbeitnehmer ist danach, wer nach Vertragsinhalt bzw. -durchführung6 weisungsgebunden geschuldete Leistungen im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. § 84 I 2 HGB enthält ein typisches Abgrenzungsmerkmal, das über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung erkennen lässt. Selbstständig ist derjenige, der im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig ist, wer hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt. In vielen Entscheidungen hat die Rechtsprechung für den Arbeitnehmerbegriff maßgeblich auf die zeitliche Weisungsgebundenheit abgestellt7 und nur ausnahmsweise darauf verzichtet.8 Angesichts der Tatsache, dass bei aufgaben- und erfolgsorientierten Beschäftigungen mit selbstbestimmter Arbeitszeit das Weisungsrecht in zeitlicher, fachlicher und örtlicher Hinsicht immer mehr durch Terminvorgaben und Aufgabenbeschreibungen abgelöst wird, wird die Einordnung von Mitarbeitern als Arbeit2 Zur Arbeitnehmereigenschaft vgl. statt vieler Hanau/Strick, AuA 1998, 185 ff.; Hromadka, DB 1998, 195 ff.; Reinecke, NZA 1999, 729 ff. 3 Vgl. etwa BAG v. 19.11.1997, 6.5.1998, 26.5.1999, 22.8.2001, 9.10.2002 AP Nr. 90, 94, 104, 109, 114 zu § 611 BGB Abhänigkeit; v. 15.4.1993 AP Nr. 12 zu § 5 ArbGG 1979; v. 16.7.1997 AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979; v. 16.7.1997 AP Nr. 4 zu § 611 BGB Zeitungsträger. 4 Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, § 9 III, S. 35 ff. (41); Schaub, ArbRHdb, § 8 Rn. 10 ff.; Söllner, Grundriss, § 3 II S. 21. 5 Etwa Reinecke, NZA 1999, 729. 6 Vgl. Schliemann, ArbR im BGB, § 611 Rn. 163 ff.; Adomeit/Ladas, FS Söllner, S. 79 (83); Söllner, FS Zöllner, S. 949 ff. (956), für den infolge eines Paradigmenwechsels im Arbeitsrecht nicht mehr der Arbeitnehmer Anknüpfungspunkt für das Arbeitsrecht sei, sondern das Arbeitsverhältnis, der Vertrag; BAG v. 15.12.1999 AP Nr. 12 zu § 84 HGB; v. 24.6.1992 AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 7 BAG v. 19.5.1960 AP Nr. 7 zu § 5 ArbGG 1953; v. 24.11.1967 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Fleischbeschauer-Dienstverhältnis; v. 21.9.1977, 27.3.1991 AP Nr. 24, 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 29.5.1991 AP Nr. 2 zu § 9 BetrVG 1972; LAG Köln v. 26.6.1998 LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 37. 8 BAG v. 15.3.1978 AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit: Hier lag persönliche Abhängigkeit vor, weil aus anderen Gründen fremdbestimmte Arbeit zu leisten war; bei geistigen Tätigkeiten fehle fachliche Weisungsgebundenheit. Erwartet werden Eigeninitiative und schöpferische Fähigkeiten. Geistige Tätigkeiten lassen sich auch nicht nach Ort und Zeit festlegen. Arbeitnehmer ist danach, wer nicht nach selbstgesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und eigenem Risiko tätig wird; BAG v. 6.5.1998 AP Nr. 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit.

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Kap. 2: Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen

nehmer gemäß der o. g. Kriterien zweifelhaft. Diskutiert wird daher, inwiefern gerade die zeitliche Selbstbestimmung von Arbeit das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft ausschließt.9 Wenn das Arbeitsergebnis10 in den Vordergrund tritt, ein fixer Termin verabredet und dem Arbeitnehmer überlassen wird, wann und mit welchem Zeitaufwand er die Aufgabe erfüllt,11 wird darüber hinaus eine Abgrenzung zum Werkvertrag erforderlich. Im Zusammenhang mit Vertrauensarbeitszeit und Zielvereinbarungen wird daher auch auf das Problem der werkvertraglichen Struktur von Arbeitsverträgen hingewiesen.12 Aufgrund seiner eigenverantwortlichen und marktorientierten Arbeitsweise laufe der teilweise so bezeichnete Arbeitskraftunternehmer13 Gefahr, den Arbeitnehmerstatus zu verlieren. Problematisch bei der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist mithin die den Werkvertrag charakterisierende Ergebnisorientierung und die fehlende zeitliche Weisungsabhängigkeit. Wenn die Gerichte daher im Zusammenhang mit Vertrauensarbeitszeit auf die Notwendigkeit hingewiesen werden, ihr Bild des Arbeitsverhältnisses in unserer Zeit zu überprüfen14, ist zunächst darauf zu verweisen, dass eine gewisse Akzentverschiebung der Rechtsprechung bereits seit Anfang der 1990er Jahre auszumachen ist und die Bedeutung des Kriteriums Arbeitszeitsouveränität tendenziell abgenommen hat.15 So wurde auch in Fällen freier Bestimmung der Arbeitszeit durch den Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft angenommen, wenn eine anderweitige organisatorische Eingliederung und Weisungsunterworfenheit vorlag16, wobei auf Eigenart und Organisation der Tätigkeit17 oder ihre ständige Überwachung18 bzw. das Weisungsrecht bzgl. Inhalt und Durchfüh9 Danne, FS Söllner, S. 199 ff.; Kreft, Grundfragen, S. 91 ff.; vgl. auch Bauschke, RdA 1994, 209 (210). 10 Insbesondere bei Arbeit in virtuellen Organisationen stehen Ergebnisorientierung und Projektbezogenheit im Vordergrund, s. Wolmerath, FS Däubler, S. 717 (722); vgl. auch Danne, FS Söllner, S. 199 (203); Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 f. 11 Gast, BB 1998, 2634 (2636), mit der Bemerkung, dass hier die Grenze zum Werkvertrag unscharf werde. 12 So z. B. bei V. Neumann, NZS 2001, 14 ff.; Trittin, AiB 2002, 90 f.; ders., NZA 2001, 1003; vgl. auch Krabbe-Rachut, Anm. zu BAG v. 6.5.2003, AuR 2004, 72 (74). 13 Vgl. zum Begriff aus soziologischer Perspektive Voß/Pongratz, KZfSS 1998, 131 ff.: Arbeitskraftunternehmer sei die Form der Ware Arbeitskraft, bei der der Arbeitende inner- oder überbetrieblich als Auftragnehmer für Arbeitsleistung handelt, d.h. seine Arbeitsleistung weitgehend selbstorganisiert und selbstkontrolliert in konkrete Beiträge zum betrieblichen Ablauf überführt (ebd. S. 139 f.). 14 So Hamm, AiB 2000, 152 (156). 15 Vgl. etwa Kreuder, AuR 1996, 386 (390 ff.); Reinecke, NZA 1999, 729 (731). 16 BAG AP Nr. 26, 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Buschmann, FS Gnade, S. 129 (138). 17 Vgl. BAG v. 20.10.1993 – 7 AZR 657/92 – n. v.

§ 1 Grenzen der Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertragsrecht

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rung19 abgestellt wurde. Da aufgrund der typologischen Vorgehensweise der Rechtsprechung keines der Einzelmerkmale für den Arbeitnehmerstatus unverzichtbar ist20, hat das BAG für unschädlich erachtet, dass die wöchentliche und monatliche Arbeitsmenge und die Lage der Arbeitszeit nicht näher festgelegt seien, sondern dem Bestimmungsrecht des einzelnen Arbeitnehmers und seiner Kollegen unterlagen.21 Im Übrigen kann auf die Ausführungen in Kapitel 122 verwiesen werden, in denen dargestellt wurde, dass das, was an Weisungsrechten aufgegeben wurde, häufig durch Terminvorgaben, wirtschaftliche Bindungen23 und genaue Aufgabenbeschreibung wiedergewonnen24 wird und die Fremdbestimmtheit kennzeichnet. Zwar führen auch nach Auffassung des BAG25 zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine einzuhalten oder die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, noch nicht zur Weisungsabhängigkeit des Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne. Für zeitliche Abhängigkeit spricht jedoch, wenn bei Vertragsschluss der Zeitpunkt der einzelnen zu erbringenden Arbeitsleistungen noch nicht feststeht26 und sich der Beschäftigte bei im Übrigen freier Zeiteinteilung in regelmäßigen Abständen melden oder empfangsbereit halten muss27, wovon im Regelfall bei Vertrauensarbeitszeit auszugehen ist. Auch bedeutet bloße Nichtausübung der Weisungsrechte nicht den rechtlichen Verzicht auf das Weisungsrecht als konstitutives Merkmal des Arbeitnehmerbegriffs und den Verlust des Arbeitsverhältnisses als Vertragstyp.28 Denn wie oben gezeigt, ist der Arbeitgeber zur Ausübung seiner Leitungsmacht – jedenfalls auf 18 Indiz für die Eingliederung und damit die persönliche Abhängigkeit ist z. B. auch, ob der Betroffene auf die Mitarbeiter und den Apparat des Vertragspartners angewiesen ist, BAG v. 15.3.1978 AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 19 BAG v. 6.5.1998 AP Nr. 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 20 BAG v. 23.4.1980 AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 21 BAG v. 19.1.1993 AP Nr. 20 zu § 1 BUrlG = NZA 1993, 988 (989). 22 § 4. B. I. 1. 23 Buschmann, FS Gnade, S. 129 (137); Kerschbaumer/Tiefenbacher, AuR 1999, 121 (124). 24 Kreft, Grundfragen, S. 93; Reichold, FS Wiese, S. 407 (421); ders., NZA 1998, 393 (398); Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (206 f.). 25 BAG v. 19.1.2000 AP Nr. 33 zu § 611 BGB Rundfunk; v. 22.8.2001, 9.10.2002 AP Nr. 109, 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 26 Vgl. BAG AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 27 Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (207). 28 Boysen, Betriebsverband, S. 241 f.; Kreft, Grundfragen S. 92; Danne FS Söllner, S. 199; Hanau/Strick, AuA 1998, 185 (186); Hromadka, FS Hanau, S. 211 (212); ders., AuA 2000, 533; Kreuder, AuR 1996, 386 (388); (209); BAG v. 9.5.1996 AP Nr. 79 zu § 1 KSchG; v. 12.9.1996 AP Nr. 1 zu § 611 BGB Freier Mitarbeiter; v. 24.6.1992 AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit.

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Kap. 2: Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen

tatsächlicher Ebene – nicht auf das Mittel der verbalen Weisung i. S. v. rechtsgestaltenden Willenserklärungen beschränkt. Mit der Einordnung des Weisungsrechts als Gestaltungsrecht ist dessen Gehalt nur unvollständig erfasst.29 I. S. der arbeitsrechtlichen Leitungsmacht bedeutet Weisungsrecht zugleich auch die übergeordnete Befugnis zur Aufstellung von Verhaltensanforderungen an die Arbeitnehmer.30 Da der Arbeitgeber bei Ausübung der Leitungsmacht über Alternativen zur verbalen Anweisung i. S. e. konkreten Arbeitszeitfestlegung verfügt, bedeutet vertraglich eingeräumte Arbeitszeitsouveränität keineswegs die Aufhebung der persönlichen Abhängigkeit und Selbstbestimmung der Arbeitnehmer. Zeitliche Weisungsgebundenheit kann auch technisch vermittelt werden, z. B. wenn die Übermittlung von Daten, auf die der Arbeitende angewiesen ist, durch das Unternehmen zeitlich begrenzt ist.31 Da die Determinierung des Arbeitsverhaltens wahlweise sowohl durch verbale als auch durch dingliche Bestimmung erfolgen kann, bedeutet der Wegfall von ausdrücklichen Weisungen also nicht notwendig das Ende der Direktionsbefugnis.32 Weitergehend hat Wank im Rahmen seines „dualen Modells der Erwerbstätigkeit“33 für die Feststellung der Selbstständigkeit sogar nicht entscheidend auf die Weisungs(un)abhängigkeit, sondern auf die freiwillige Übernahme unternehmerischen Risikos34, Auftreten am Markt und Ausgewogenheit im Hinblick auf unternehmerische Chancen und Risiken (= unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei finanzieller Zurechnung des Ergebnisses) rekurriert35 und damit den 29

Vgl. Böker, Weisungsrecht, S. 12. Vgl. Birk, Leitungsmacht, S. 17. 31 Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (207); vgl. auch schon Birk, Leitungsmacht, S. 5; Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 46; ders., BB 1993, 66 (67). 32 Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 46; ders., BB 1993, 66 (67). 33 Arbeitnehmer und Selbstständige, S. 122 ff.; ders., NZA 1999, 225 (226); ders., DB 1992, 90 ff. 34 Die Freiwilligkeit sei zu bejahen, wenn jemand unternehmerische Risiken auf sich nehme, um andererseits in den Genuss der unternehmerischen Chancen zu kommen, dagegen zu verneinen, wenn er in die Selbstständigkeit gedrängt werde. Wank, NZA 1999, 225, (227); ders., Arbeitnehmer und Selbständige, S. 130 f.; ders., EWiR § 242 BGB 5/97, S. 829 (830); ähnl. auch Kreuder, AuR 1996, 386 (393). Bei einem Vertrag, der viele Risiken zu Lasten des Beschäftigten enthält, beruhten die Bedingungen i. d. R. nur auf dem Willen des Auftraggebers; vgl. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 130; ähnlich auch BAG v. 14.2.1974 AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 35 Ihm folgend hat das LAG Köln (v. 30.6.1995 AP Nr. 80 zu § 611 BGB Abhängigkeit) unter Ablehnung der herkömmlichen auf die persönliche Abhängigkeit ausgerichteten Begriffsbestimmung eine Neubestimmung des Arbeitnehmerbegriffs vorgenommen. Zur Begründung wurde die Schutzfunktion der Grundrechte (Art. 2 II und 12 I GG) herangezogen. Arbeitnehmer ist danach, wer auf Dauer angelegte Arbeit nur für einen Auftraggeber in eigener Person ohne Mitarbeiter und im Wesentlichen ohne eigenes Kapital und ohne eigene Organisation erbringt; vgl. etwa auch LAG Nürnberg v. 25.2.1998 ZIP 1998, 617 (aufgehoben). 30

§ 1 Grenzen der Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertragsrecht

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Ausgangspunkt für einen „zeitgemäßen Arbeitnehmerbegriff“36 geschaffen. Ohne im Einzelnen auf das Modell Wanks37 und die dagegen gerichtete Kritik38 eingehen zu wollen, erscheint es jedenfalls angemessen, mit der Rechtsprechung39 im Rahmen des überkommenen Arbeitnehmerbegriffs zur Beantwortung der Frage nach der organisatorischen Eingliederung auch die Verteilung des Unternehmerrisikos in die Betrachtung einzubeziehen. Der für das Arbeitsverhältnis typische Verzicht auf unternehmerische Marktchancen und die fehlende Marktorientierung können als ergänzende Indizien zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen dienen.40 Sie stützen sich darauf, dass dem mit der Ergebnisverantwortung übertragenen unternehmerischen Risiko auch unternehmerische Chancen gegenüber stehen.41 Dies setzt die Möglichkeit voraus, nach selbst gesteckten Zielen unter eigener Verantwortung und eigenem Risiko wie ein Unternehmer nach den Bedürfnissen des Marktes aufzutreten.42 Unternehmerischer Entscheidungsspielraum43 müsse sowohl bzgl. der internen Organisation als auch extern im Hinblick auf das Verhalten am Markt gegeben sein.44 Erwähnung finden in der Rechtsprechung z. B. eigenes Betriebskapital, 36

Dazu Wank, NZA 1999, 225 (226). Das „duale Modell“ hat außer Betracht zu bleiben, da der Ansatz mit dem geltenden Recht, das auf einer Dreiteilung unter Einbeziehung der Arbeitnehmerähnlichen beruht (vgl. etwa §§ 12 a TVG; 2 BurlG; 5 I 2 ArbGG), nicht in Einklang zu bringen ist; vgl. auch Hanau/Strick, AuA 1998, 185 (188). 38 s. dazu die Nachweise bei Wank, NZA 1999, 225 (229 Fn. 74–76); ErfK-Preis, BGB § 611 Rn. 71; s. auch Boemke/Föhr, Arbeitformen der Zukunft, Rn. 59; Boemke, ZfA 1998, 285 (300); Rommé, ZfA 1998, 251 (258 ff.). 39 Vgl. etwa BAG v. 27.7.1961 AP Nr. 24 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; v. 21.1.1966 AP Nr. 2 zu § 92 HGB; v. 23.4.1989, 13.8.1980 AP Nr. 34, 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 9.5.1996 AP Nr. 79 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; LAG Nürnberg v. 31.7.1996 NZA 1997, 37 (38 f.); LAG Hessen v. 1.6.1995 AuR 1996, 415; als maßgebliches Kriterium heranziehend LAG Köln v. 30.6.1995 AP Nr. 80 zu § 611 BGB Abhängigkeit = AuR 1996, 413 (415); vgl. auch Hanau/Strick, AuA 1998, 185 (188); Kreuder, AuR 1996, 386 (393). Dieses Kriterium wurde zur Abgrenzung von Selbstständigen auch in verschiedenen Gesetzentwürfen herangezogen; vgl. § 1 III Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht, 59. DJT 1992, D 19, 86; Gesetzentwürfe der Länder Brandenburg und Sachsen zum Arbeitsvertragsrecht, BR-Drs. 293/95; 671/96; Gesetzentwurf der SPD zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit, BR-Drs. 793/96. 40 ErfK-Preis, BGB § 611 Rn. 71; Horn/Henssler, ZIP 1998, 589 (592); Kreuder, AuR 1996, 486 (393). 41 BAG v. 9.5.1996 AP Nr. 79 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung = NZA 1996, 1145 (1149); zu weiteren Nachweisen in der Lit., die diesen Gedanken konzedieren vgl. Wank, NZA 1999, 225 (227 Fn. 40). 42 BAG v. 15.3.1978, 22.4.1980 AP Nr. 26, 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit; vgl. auch v. 13.8.1980 AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit; ähnlich BAG v. 16.7.1997 AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979. 43 Vgl. dazu auch schon Lieb, Arbeitsrecht (6. Aufl.), § 1 Rn. 13 ff.; Kreuder, AuR 1996, 390 (392, 393); Rommé, ZfA 1997, 251 (284). 44 BAG v. 9.5.1996 AP Nr. 79 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung = NZA 1996, 1145 (1149). 37

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Kap. 2: Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen

eigene Betriebsstätte, Kundenstamm, eigene Mitarbeiter45, Wahl des Warensortiments46, aber auch die Höhe der Vergütung47 sowie die Freiheit bei der Annahme von Aufträgen.48 Eine freie Marktteilnahme in diesem Sinne liegt bei Zeitsouveränität aber i. d. R. nicht vor. Vertragsgestaltungen, bei denen durch vereinbarte Ergebnisverantwortung ein bestimmter Erfolg in den Mittelpunkt gerückt wird, bezwecken zwar häufig die „Abwälzung“ der unternehmerischen Verantwortung auf Arbeitnehmer.49 Sie zielen aber nicht notwendig darauf, Arbeitnehmer in Selbstständige zu verwandeln und damit u. U. Wissen und Fähigkeiten hochqualifizierter Arbeitskräfte der Konkurrenz preiszugeben50, sondern sollen die Arbeitnehmer lediglich zu einem an unternehmerischer Denkweise orientierten Arbeitsstil motivieren.51 In diesem Sinne ist regelmäßig auch die mit Vertrauensarbeitszeit und Zielvereinbarungen verbundene Ergebnisorientierung52 zu verstehen, wird doch in den meisten Vertrauensarbeitszeitmodellen i. d. R. eine verstetigte Vergütung vereinbart.53 Die mit Zeitsouveränität angestrebte Ergebnisorientierung macht die Vertrauensarbeitszeit auch nicht zu einem Werkvertrag. Richtig ist zwar, dass die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Dienstleistungsschuld in der Erbringung einer zeitbestimmten Leistung besteht54 und die Einordnung ergebnisorientierter Arbeit als Dienstvertrag deshalb fraglich wird.55 Der Werkvertrag hingegen ist ein Vertrag, bei dem sich der Unternehmer (Hersteller) zur Herstellung des versprochenen Werks verpflichtet, d.h. zur Herbeiführung eines bestimmten Arbeitsergebnisses (Erfolg) für den Besteller im Austausch gegen die Leistung einer Vergütung. Gegenstand der Leistungspflicht des Werkunternehmers ist folglich eine entgeltliche Wertschöpfung, indem er durch seine Arbeitsleistung das vereinbarte (körperliche oder unkörperliche) Werk schafft.56 Deshalb ist die Grenze 45 BAG AP Nr. 2 zu § 92 HGB zur Abgrenzung Angestellter – selbstständiger Versicherungsvertreter. 46 BAG AP Nr. 37 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 47 BAG v. 13.1.1983 AP Nr. 43 zu § 611 BGB Abhängigkeit: eine besonders hohe Vergütung wurde als Entgelt für das Risiko bloßer Zeitverträge betrachtet. 48 BAG v. 29.1.1992 AP Nr. 47 zu § 5 BetrVG 1972 = NZA 1992, 835 (837). 49 Vgl. Trittin, NZA 2001, 1003 ff. 50 Vgl. Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (209): v. a. wenn die Tätigkeit vertiefte Einblicke in Unternehmensstrukturen und sensible Daten mit sich bringt, besteht ein Interesse an der arbeitsvertraglichen Einbindung dieser Arbeitskräfte in das Unternehmen. 51 Kreft, Grundfragen, S. 93, 109; vgl. auch Lacher/Springer, WSI-Mitt. 6/2002, 353 (356); Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 (4); Voß/ Pongratz, KZfSS 1998, 131 (149, 151). 52 Vgl. dazu z. B. bei V. Neumann, NZS 2001, 14 ff.; Trittin, AiB 2002, 90 f.; ders., NZA 2001, 1003. 53 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19. 54 MünchArbR-Richardi, § 6 Rn. 7. 55 Trittin, NZA 2001, 1003 (1004).

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vom Dienst- zum Werkvertrag erst überschritten, wenn der durch die Arbeitsleistung herbeizuführende Erfolg zum Inhalt des Leistungsversprechens wird.57 Zweifel an der arbeitsvertraglichen „Zeitbestimmtheit“ der Leistung können bei Vertragsgestaltungen wie „Arbeitszeit-Freiheit“58 oder Orientierungsarbeit auftreten, wenn eine bestimmte Arbeitszeit überhaupt nicht oder allenfalls als Richtwert vereinbart wurde. „Das Risiko des vergeblichen Einsatzes der eigenen Arbeitskraft könnte zumindest dann für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, wenn der Betreffende seine Arbeitszeit investiert und offen bleibt, ob er hierfür überhaupt ein Entgelt erhält.“59 Sollen finanzielle Risiken nur vom Auftragnehmer getragen werden, etwa bei Vereinbarung einer ausschließlich erfolgsabhängigen Vergütung statt eines festen Mindesteinkommens, spricht dies gegen ein Arbeitsverhältnis.60 Allein die Überwälzung des Unternehmerrisikos61 hat aber nicht zur Folge, dass es sich nicht mehr um ein Arbeitsverhältnis handelt.62 Überwiegend wird regelmäßig auch bei ergebnisorientierter Arbeit ein Arbeitsverhältnis angenommen.63 Dafür sprechen die bei Vertrauensarbeitszeit i. d. R. verstetigte Gehaltszahlung und die Eigentumsverhältnisse am zu errichtenden Werk (§ 950 BGB).64 Dagegen anführen ließe sich allerdings der für den Werkunternehmer typische Einsatz der eigenen Arbeitsmittel oder Fachkenntnisse unter eigener Verantwortung65. Weil häufig nicht mehr Kapital, sondern Wissen maßgebliches Arbeitsmittel ist66, wird dieses Merkmal bei überwiegend wissensgesteuertem Arbeiten – v. a. in virtuellen Zusammenhängen – auf den ersten Blick bisweilen erfüllt sein. Aber auch in Bereichen mit hochqualifizierten Tätigkeiten wie der Medien- und Computerbranche verfügen nach wie vor die Arbeitgeber über Mittel und Infrastruktur, insbesondere die Kontakte, die Aufträge zu aquirieren („goodwill“), auf die die dort Beschäftigten 56

Stellv. Schlechtriem in: Jauernig, BGB, Vor § 631 Rn. 2, 3. MünchArbR-Richardi, § 6 Rn. 8. 58 Vgl. dazu etwa Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 23; ders., Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeitfreiheit, http://www.arbeitszeitberatung.de (12/2002), S. 2. 59 BSG v. 12.12.1990 NZA 1991, 907. 60 Vgl. BAG v. 21.1.1966 AP Nr. 2 zu § 92 HGB; Hanau/Strick, DB 1998 Beilage 14, 15. 61 Trittin, AiB 2002, 90 f. 62 Vgl. BAG v. 19.11.1997 AP Nr. 133 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten = NZA 1998, 595 (597) und AP Nr. 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit = DB 1998, 624 (626); Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 130 f.; vgl. auch Hamm, AiB 2000, 152 (156); Trittin, NZA 2001, 1003 (1008). 63 Hromadka, FS Hanau, S. 211 (212); ders., AuA 2000, 533; V. Neumann, NZS 2001, 14 (16 f.); Schüren, FS Däubler, S. 90 (97 f.); Trittin, AiB 2002, 90; ders., NZA 2001, 1003 (1005); zum „Arbeitskraftunternehmer“ vgl. Zachert, AG 2002, 35 (37). 64 Trittin, AiB 2002, 90 ff.; ders., NZA 2001, 1003 (1004). 65 Sprau in: Palandt, Einf. v. § 631 Rn. 1. 66 Vgl. Linnenkohl, BB 2001, 42 (43); A. u. H. Toffler, Creating a new civilization, S. 55, die insoweit von der Aufwertung des „Kognitariats“ sprechen. 57

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für ihre Arbeit angewiesen sind.67 Was die eigene Verantwortung betrifft, so sind es gerade die Managementmethoden, die auf Eigenverantwortung setzen, um die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen.68 Solange der Mitarbeiter nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Verträge abschließen und wirklich eigene Chancen am Markt für sich selbst wahrnehmen,69 sondern nur für den Arbeitgeber arbeiten kann, von dessen Zielsetzungen und Rahmenbedingungen die Tätigkeit beeinflusst wird, liegt werkvertragliche Selbstständigkeit auch bei ergebnisorientierter Arbeit nicht vor.70 Festzuhalten ist, dass ergebnisorientierte Arbeitszeitmodelle nicht schon aufgrund der Zeitsouveränität und der Übertragung größerer unternehmerischer Verantwortung durch Ergebniskontrolle den Charakter von Arbeitsverhältnissen aufheben. Vertrauensarbeitszeit verwandelt Arbeitsverträge insbesondere nicht in Werkverträge. Denn während das Leistungsversprechen des Werkunternehmers auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs gerichtet ist, beinhaltet das Leistungsversprechen des Arbeitnehmers – auch bei Vertrauensarbeitszeit – nur dessen Arbeitskraft, wobei in Ausfüllung dieses Versprechens die vom Arbeitgeber gesetzten und vorgegebenen Ziele umgesetzt werden müssen. Damit wird der Arbeitsvertrag als Vertragstyp beibehalten, so dass im Folgenden zu fragen ist, welche Vertragsinhalte hier zulässig sind.

B. Arbeitgeberseitige Bestimmung der Arbeitszeitdauer? Unter Bezugnahme auf ein Urteil des BAG v. 12.12.198471, wonach dem Arbeitgeber kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeitdauer eingeräumt werden dürfe, werden vereinzelt Bedenken gegen die Klausel „Die Arbeitszeit richtet sich nach der Arbeitsaufgabe“ angemeldet.72

67 Kreft, Grundfragen, S. 107; vgl. auch Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (207). 68 In der Substitution direkter durch indirekte Kontrolle des Handelns, die durch die systematische Nutzung und Zurichtung der menschlichen Fähigkeiten, sich eigenverantwortlich zu steuern, erzeugt wird – also durch Nutzung der Kapazitäten von Arbeitskräften zur Selbstkontrolle, liegt aus industriesoziologischer Sicht die neue Qualität in der Dimension Herrschaft. Beim Umschlag von betrieblicher Fremdherrschaft in Selbstbeherrschung der Arbeitenden könne sich zeigen, dass niemand aus einem Menschen soviel herausholt, wie er selbst, vgl. Voß/Pongratz, KZfSS 1998, S. 131 (149, 151). 69 Trittin, NZA 2001, 1003 (1004); vgl. etwa LAG Hamm v. 16.10.1989 LAGE BGB § 138 Nr. 4. 70 Trittin, AiB 2002, 90; ders., NZA 2001, 1003 (1004); Kritisch zum damit angesprochenen Verlust der zeitlichen Dispositionsfreiheit Rommé, ZfA 1997, 251 (284 ff.). 71 AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969. 72 Trittin, AiB 2002, 90 (91); ders., NZA 2001, 1003 (1009).

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Nach dieser Entscheidung73 darf die Dauer der Arbeitszeit nicht zur Disposition des Arbeitgebers stehen; das Urteil bezog sich auf Regelungen, durch die dem Arbeitgeber innerhalb gewisser Bandbreiten ein Recht zu einseitiger Leistungsbestimmung bezüglich der Arbeitszeitdauer eingeräumt werden sollte. Diese vertragliche Gestaltung würde es bei zeitbezogener Vergütung dem Arbeitgeber ermöglichen, sowohl Leistungs- als auch Entgeltumfang in gleichem Verhältnis zu verändern. Denn bei einer an den Umfang der Arbeitszeit anknüpfenden Vergütung wirken sich quantitative Veränderungen der Arbeitzeit unmittelbar auf den Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus. Der Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (Vergütungs- und Arbeitspflicht) unterliegt aber nicht dem allgemeinen Weisungsrecht, vielmehr gehört dessen Regelung zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses mit der Folge, dass sie lediglich durch Gesetz, Kollektiv- oder Einzelarbeitsvertrag gestaltbar sind. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber durch Reduzierung der Arbeitszeit auf „Null“ das Arbeitsverhältnis einseitig ohne Ausspruch einer Beendigungskündigung beenden. Deshalb sind Vertragsgestaltungen nach § 134 BGB unwirksam, wenn damit kündigungsschutzrechtliche Vorschriften umgangen werden. Gestützt auf diese Entscheidung hält beispielsweise Preis74 Vertragsklauseln, die keine Arbeitszeitdauer vorschreiben, sondern die Arbeitszeit und den Arbeitseinsatz vom Arbeitsanfall bzw. vom betrieblichen Bedarf abhängig machen, für unzulässig.75 In diesem Zusammenhang ist auf § 12 TzBfG zu verweisen, wonach in Vereinbarungen über bedarfsorientierte Arbeit eine bestimmte Dauer der regelmäßigen individuellen Arbeitszeit festgelegt werden muss.76 Klauseln zu ergebnisorientierter Arbeit räumen aber – anders als es in der referierten Entscheidung der Fall war – dem Arbeitgeber nicht explizit ein Be73

BAG v. 12.12.1984 AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969. Arbeitsvertrag, II A 90 Rn. 49. 75 Vgl. aber ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 55: „Ob allerdings (ein) gänzlicher Ausschluss von Flexibilisierungen hinsichtlich der Arbeitszeitdauer aufrechterhalten werden kann und muss, ist zweifelhaft. . . .“. 76 Dies gilt nach Auffassung Buschmanns (TZA, TzBfG § 12 Rn. 22) nicht nur, wenn die Anpassung an den Arbeitsanfall durch Abruf erfolgt. Der Abruf sei vielmehr nur Voraussetzung für Abs. 2. § 12 Abs. 1 TzBfG verlange dagegen vom Wortlaut her nur, dass die Arbeit entsprechend dem Arbeitsanfall erbracht werden soll, was auch der Fall sei, wenn der Arbeitnehmer diese Anpassung selbst vollziehen soll. Insoweit könne die Norm auch bei anderen Arbeitszeitmodellen mit „Kapovaz-Elementen“ Anwendung finden (vgl. Jacobs in: Annuß/Thüsing,TzBfG § 12 Rn. 14; TZA-Buschmann, TzBfG § 12 Rn. 9). Ob sich die Auffassung durchsetzen kann, ist zweifelhaft. In den Erörterungen zur Orientierungsarbeit (s. etwa MünchArbR-Schüren, Ergänzungsband, § 165 Rn. 42 f.) wird jedenfalls nicht darauf eingegangen. Für Gleitzeitvereinbarungen mit und ohne Kernarbeitszeit wird jedoch überwiegend angenommen, dass diese nicht unter § 12 TzBfG fallen, weil der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit selbst bestimmen kann, auch wenn er sie am tatsächlichen Arbeitsanfall auszurichten hat, Meinel/Heyn/Herm, TzBfG, § 12 Rn. 14. 74

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stimmungsrecht über die Arbeitszeitdauer ein. Der o. g. Einwand, dem Arbeitgeber werde ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, lässt sich deshalb hier allenfalls darauf stützen, dass auf den Zusammenhang zwischen der Arbeitszeitdauer und dem „Arbeitsanfall“ bzw. den „betrieblichen Bedürfnissen“ oder eben der Arbeitsaufgabe abgestellt wird77: Wird nämlich die Arbeitszeit durch die Arbeitsaufgabe ersetzt und wird letztere durch den Arbeitgeber bestimmt, so stünde damit zugleich die Dauer der Arbeitszeit zur Disposition des Arbeitgebers.78 Denn durch die Zuweisung einer Aufgabe macht der Arbeitgeber von seinem inhaltlichen Weisungsrecht Gebrauch und bestimmt somit bis zu einem gewissen Grad, wie viel Zeit der Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen hat.79 Dennoch ist zweifelhaft, ob die vorstehenden Erwägungen auch auf die für Vertrauensarbeitszeitmodelle typische Ergebnisorientierung zu beziehen sind. Weil Arbeitszeit als Leistungsmaßstab in den Hintergrund gedrängt wird, wird es zwar dem Arbeitgeber bei Vertrauensarbeitszeit möglich, durch die Zuweisung einer bestimmten Arbeitsmenge de facto einseitig die Dauer der Arbeitszeit zu bestimmen. Aufgabenorientierte Arbeit bei Vertrauensarbeitszeit unterscheidet sich aber von den genannten Vertragsgestaltungen dadurch, dass bei diesem Arbeitszeitmodell regelmäßig eine verstetigte Vergütung gezahlt und ein bestimmtes durchschnittliches Arbeitszeitdeputat vereinbart wird, so dass als Leistungsmaßstab die nach Zeit bemessene Dienstleistungspflicht beibehalten wird.80 Eine de facto eintretende Veränderung der Arbeitszeitdauer hat dabei keine Auswirkungen auf die nach Zeit bemessene Vergütung, sondern vielmehr auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.81 Die Kündigungsschutzvorschriften sollen nach Sinn und Zweck vor Entgeltminderung bzw. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit die Existenzgrundlage schützen. Deshalb ist die Rechtsprechung des BAG auch immer im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit einseitiger (vergütungsmindernder) Leistungsbestimmungen zu sehen.82 Hinsichtlich der Dispositionsfreiheit von Teilzeitarbeitnehmern hat es 77 Zur Kritik Trittins s. auch Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Zeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 4. 78 Trittin, NZA 2001, 1003 (1009). Die h. M. geht davon aus, dass das Vorliegen eines Arbeitsbedarfs in vollem Umfang vom Arbeitgeber bestimmt wird und objektiv auch kaum nachprüfbar wäre, weil der Arbeitsbedarf u. a. von der Anzahl der verfügbaren Arbeitnehmer abhängt; vgl. die Nachweise bei Preis, Arbeitsvertrag, II A 90 Rn. 47 (Fn. 51); a. A. Frey, Flexible Arbeitszeit, S. 63 f. 79 Vgl. BAG v. 15.12.1999 AP Nr. 5 zu § 92 HGB. 80 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 19; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Zeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/ 2002), S. 4. 81 Dazu sogleich unter C. 82 Vgl. auch BAG v. 7.8.2002 AP Nr. 81 zu § 315 BGB: Hat die Zuweisung der Arbeitsmenge Einfluss auf die Verdienstchancen, so unterliegt sie einer Überprüfung

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das BAG als problematisch angesehen, wenn wegen der Unsicherheit der zeitlichen Inanspruchnahme der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft nicht oder nicht voll nutzen könne, ohne dass der Arbeitgeber für nicht abgerufene Arbeitszeit eine Vergütung zu zahlen hätte. Eine derartige Gestaltung würde zu einer Verlagerung von Bestandsschutz- und Beschäftigungsrisiken auf den Teilzeitarbeitnehmer führen.83 Wenn aber bei verstetigter oder erfolgsabhängiger Vergütung nur die Arbeitszeit indirekt über die Zuweisung einer bestimmten Arbeitsmenge verlängert wird, ohne dass eine Entgeltminderung zu befürchten und der Bestand des Arbeitsverhältnisses in Frage gestellt ist, lässt sich mit der ratio der o. g. Entscheidung nicht argumentieren. Zwar findet auch bei Vertrauensarbeitszeit eine gewisse Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer statt.84 Die Vorschriften des KSchG schützen indes nicht generell vor einseitiger Interessendurchsetzung bei Vertragsschluss.85 Dies entspricht auch der Rechtsprechung, wonach eine aufgrund einer Tarifnorm vom Arbeitgeber angeordnete Verlängerung der Arbeitszeit zwar eine Verringerung des Freizeitvolumens bewirkte, aber die Grundvergütung des Angestellten unberührt ließ. Die Tatsache, dass dem Arbeitgeber für dasselbe Entgelt lediglich mehr Zeit zur Verfügung zu stellen ist, bedeutet daher – jedenfalls auf tariflicher Grundlage – keine Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften.86 Dabei darf allerdings das vom BAG87 mit Teilzeitarbeit in Verbindung gebrachte Argument88 nicht außer Acht gelassen werden, dass der Arbeitnehmer auch ein Interesse an der anderweitigen Verwertung seiner Arbeitskraft haben könne, wobei es hier darauf ankommen dürfte, inwieweit solches jeweils in den Grenzen des ArbZG überhaupt möglich ist. Jedenfalls für den Fall, dass es sich um Vollzeitarbeit handelt und ein festes Entgelt vereinbart ist, stellt eine Vertragsklausel, wonach die Arbeitszeitdauer auf die Einhaltung des billigen Ermessens; die Grenze wird hier bei einer Minderung des regelmäßigen Verdienstes um 30% gesehen. 83 BAG AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969. 84 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 135; vgl. dazu nachfolgende Ausführungen unter C. 85 Preis, Arbeitsvertrag, II D Rn. 135; ders., Grundfragen der Vertragsgestaltung, S. 167. 86 BAG v. 17.3.1988 AP Nr. 11 zu § 15 BAT. 87 AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969. 88 Die objektive Funktionswidrigkeit derartiger Klauseln bei Teilzeitarbeit ergebe sich aus der besonderen Struktur des Arbeitsverhältnisses, die sich darin äußere, dass der Arbeitnehmer zu demselben Zeitpunkt stets nur bei einem Arbeitgeber seine Arbeitskraft verwerten könne. Bei Teilzeitarbeit sei der Arbeitnehmer mehr als ein Vollzeitarbeitnehmer auf die anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen, weshalb er besonders stark durch einseitige Leistungsbestimmungsklauseln in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt werde. Denn der Vollzeitarbeitnehmer könne bereits wegen der öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitgrenzen nur eine geringe Nebenbeschäftigung ausüben; BAG AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969.

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durch die Arbeitszeit bestimmt wird, keine Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften dar.89 Hinsichtlich Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit lassen sich die o. g. Bedenken daher entkräften.

C. Eingriffe in das arbeitsvertragliche Synallagma und Überwälzung des Unternehmerrisikos Die Vertrauensarbeitszeit sieht sich außerdem dem Vorwurf ausgesetzt, dass der Verzicht auf die Zeiterfassung das arbeitsvertragliche Synallagma hin zu einem werkvertraglichen Leistungsaustauschverhältnis verändere.90 Dieser Kritik an der Ergebnisorientierung, zu der bereits oben91 Stellung genommen wurde, wird entgegengesetzt, dass es in Vertrauensarbeitszeitmodellen beim Leistungsaustausch Geld gegen (nach Zeit bemessener) Dienstleistung bleibe.92 Wenn ein Arbeitsentgelt für die vereinbarte Arbeitszeit bezahlt wird, handelt es sich freilich nicht um einen Werkvertrag. Das arbeitsvertragliche Synallagma bleibt dabei in der Tat pro forma unberührt.93 I. Überstundenvergütung Dennoch ist nicht zu übersehen, dass Vertrauensarbeitszeit erhebliche Auswirkungen auf das Synallagma haben kann, wenn nach dem Arbeitsvertrag die Arbeitszeit am Arbeitsanfall orientiert ist, der eigenverantwortlich durchzuführende Zeitausgleich unterbleibt und es zur faktischen Verlängerung der Arbeitszeit kommt. Weil Überstunden nicht mehr angeordnet und bezahlt werden sollen, tritt in derartigen Konstellationen eine Verschiebung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zu Lasten des Arbeitnehmers ein. Reicht die vereinbarte Arbeitszeit zur Bewältigung der Arbeitsmenge nicht aus, so dass auch ein Freizeitausgleich nicht möglich erscheint, so soll allerdings der Arbeitnehmer bei Vertrauensarbeitszeit – anders als bei reiner Ergebnisorientierung – dieses Missverhältnis geltend machen und auf Entlastung drängen können. Das nachträgliche Einfordern von Überstundenvergütung soll deshalb nur dann Er-

89 Vgl. Hromadka, FS Hanau, S. 211 (213); ders., AuA 2000, 533; Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht 1, § 6 Rn. 8; dem folgend Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1205. 90 Vgl. Trittin, AiB 2002, 90 ff.; ders., NZA 2001, 1003 (1004); ders., AiB 2000, 544 (548). 91 s. dazu bereits die Ausführungen oben zur Arbeitnehmereigenschaft § 1. A. 92 Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de/dateien/publikationen/, S. 4. 93 So auch Weidinger/Schlottfeldt, Flexibel ohne Zeiterfassung . . ., http://www. flexible-unternehmen.de/kl0501; vgl. auch dies., http://www.arbeitszeitberatung.de (6/ 2002), S. 4.

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folg haben, wenn eine Entlastung objektiv nicht möglich war und der Arbeitnehmer dies beweisen könne.94 Eine solche Vertragsgestaltung steht im Einklang mit dem Grundsatz, dass Überstunden zu vergüten oder aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung in Freizeit auszugleichen sind.95 Vertragsklauseln, mit denen die Verantwortung für die Einhaltung der Vertragsarbeitszeit auf den Arbeitnehmer übertragen wird und Überstunden ggf. selbstständig durch Freizeit auszugleichen sind, finden jedoch eine Grenze in § 138 BGB.96 Sittenwidrigkeit ist anzunehmen, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, d.h. zwischen geforderter Arbeitsleistung und dem vereinbarten Gehalt besteht.97 Ein krasses Missverhältnis soll aber grundsätzlich nicht vorliegen, wenn der Arbeitnehmer bei freier Zeiteinteilung selbst für den Überstundenausgleich durch Freizeit verantwortlich ist und damit für die Einhaltung des vertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnisses sorgen kann.98 Eine unangemessene Benachteiligung liegt darin nach Auffassung des BAG nicht, wenn der Arbeitnehmer es aufgrund seiner Aufgabe und seiner Personaldispositionsbefugnisse selbst in der Hand habe, ggf. durch organisatorische Maßnahmen Freizeit für geleistete Überstunden zu nehmen, wobei hier die Vereinbarkeit des Freizeitausgleichs mit den betrieblichen Interessen zu berücksichtigen sei. Eine finanzielle Abgeltung darf aber nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Freizeitausgleich aus Gründen unterblieben ist, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen.99 Dies ist anzunehmen, wenn eine Vereinbarung die freie Einteilung der Arbeitszeit vorsieht, das zugewiesene Arbeitsvolumen in der vertraglich vorgesehenen Zeit aber nicht zu bewältigen ist.100 Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden, wenn sie schon nicht vom Arbeitgeber angeordnet oder geduldet wurden, zumindest zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren, was vom Arbeitnehmer zu beweisen ist.101

94 Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 5; zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast bei der Forderung von Überstundenvergütung s. BAG v. 17.4.2002 AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung. 95 ErfK-Preis, BGB § 611 Rn. 828. 96 Vgl. etwa BAG v. 4.5.1994 AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Arbeiterwohlfahrt. 97 Vgl. etwa BAG v. 10.3.1960, 11.1.1973, 10.10 1990 AP Nr. 2, 30, 47 zu § 138 BGB; LAG Hamm v. 16.10.1989 LAGE BGB § 138 Nr. 4; LAG Bremen v. 27.9.1974 AP Nr. 33 zu § 138 BGB. 98 BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Arbeiterwohlfahrt. 99 Preis, Vertragsgestaltung, S. 444 m. N. 100 BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Arbeiterwohlfahrt; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz v. 6.8.2002 – 10 Sa 251/01: Der Anspruch auf Überstundenvergütung wird auch nicht schon durch die dem Arbeitnehmer eingeräumte Möglichkeit zur freien Arbeitszeiteinteilung ausgeschlossen.

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Bei ergebnisorientierter Arbeit bieten sich Vertragsgestaltungen an, wonach die Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen. Dies spielt v. a. bei Orientierungsarbeit eine Rolle, ist aber auch bei Vertrauensarbeitszeit denkbar. Nur kurz und der Vollständigkeit halber soll hier auf die Grenzen einer Pauschalabgeltung von Überstunden eingegangen werden. Die Rechtsprechung des BAG102 hat unterschieden zwischen Arbeitsverträgen, in denen eine „bestimmte zeitliche Normalleistung“ zu erbringen ist und solchen – typischerweise Verträgen leitender Angestellter –, die eine starre Arbeitszeit nicht kennen und somit in zulässiger Weise die Verpflichtung der Angestellten enthalten können, ihre ganze Arbeitskraft der Firma zur Verfügung zu stellen. Im Synallagma des (Normal-)Arbeitsverhältnisses wird die Arbeitsleistung um der geschuldeten Gegenleistung willen – d.h. eine bestimmte zeitliche Leistung gegen das vereinbarte Entgelt – erbracht. Ein einseitiger Eingriff des Arbeitgebers in dieses Verhältnis ist grundsätzlich unzulässig.103 Längere Arbeitszeiten zu verlangen, ist dagegen bei Verträgen leitender Angestellter, die ohnehin gem. § 18 vom Geltungsbereich des ArbZG ausgenommen sind, i. d. R. bereits durch das vertragliche Synallagma abgedeckt.104 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass einzelvertragliche Vereinbarungen, in denen mit dem vereinbarten Gehalt etwaige Mehrarbeit abgegolten ist, zulässig sind.105 Derartige Pauschalierungsabreden wurden bislang hauptsächlich an § 138 BGB gemessen.106 Wann die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten ist, lässt sich nicht einheitlich beantworten. Ein krasses Missverhältnis wurde von der Rechtsprechung angenommen, wenn ein vergleichbarer Durchschnittslohn um 50% unterschritten wurde, während diese Grenze noch nicht überschritten ist bei Vergütungen, die noch bei etwa 70% eines vergleichbaren Gehalts liegen.107 Deshalb ist eine vereinbarte Pauschalabgeltung von Überstunden nicht gem. § 138 BGB sittenwidrig, wenn die vertragliche Vergütung mehr als 70% des üblichen Vergleichslohns ausmacht.108 Der Maßstab der Sittenwidrigkeit stellt damit sehr hohe Anforderungen an die Annahme der Unwirksamkeit einer Pauschalierungsabrede.

101 BAG v. 17.4.2002 AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung; v. 4.5.1994 AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge Arbeiterwohlfahrt. 102 Vgl. BAG v. 13.3.1967 AP Nr. 15 zu § 618 BGB; v. 17.11.1966 AP Nr. 1 zu § 611 BGB Leitende Angestellte. 103 Vgl. BAG v. 24.11.1993 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung. 104 Preis, Vertragsgestaltung, S. 438 ff. 105 LAG Schleswig-Holstein v. 5.11.2002 – 5 Sa 147c/02 – juris m. w. N. 106 Abgesehen von § 134 BGB i.V. m. § 291 StGB (§ 302 a I 1 Nr. 3 StGB a. F.), bei dessen Vorliegen zugleich auch Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 BGB anzunehmen sein wird, vgl. Tschöpe, DB 2002, 1830. 107 Vgl. dazu Tschöpe, DB 2002, 1830 (1831 m. N.). 108 LAG Schleswig-Holstein v. 5.11.2002 – 5 Sa 147c/02 – juris.

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Auch ohne das Verdikt der Sittenwidrigkeit kann eine Vertragsgestaltung unwirksam sein, mit der das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gestört wird. Hier könnte, sofern es sich nicht um individuelle Verträge leitender Angestellter handelt, die vertragliche Inhaltskontrolle zur Anwendung kommen. Eine Vertragsgestaltung, die eine Verpflichtung zu Überarbeit in unbegrenzter Höhe enthält und dafür eine Pauschalabgeltung vorsieht, räumt dem Arbeitgeber das „Recht zum einseitigen, zum Teil erheblichen Einbruch in das Synallagma“ ein. Eine derart krasse Beeinträchtigung des Äquivalenzverhältnisses könnte in Formularverträgen eine wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 I, II Nr. 1 BGB unzulässige Klausel darstellen.109 So hat das LAG Köln110 im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Vertragskontrolle eine Arbeitsvertragsklausel für unzulässig gehalten, wonach alle Ansprüche auf Vergütung von anfallender Mehrarbeit mit der Gehaltszahlung abgegolten seien. Die Arbeitskraft sollte laut Vertrag ausschließlich in den Dienst der Firma gestellt werden und die Arbeitszeit sich nach den betrieblichen Erfordernissen richten. In der dort vorformulierten Kombination der Verpflichtung zur Leistung von Überstunden mit einer Pauschalierungsabrede sei das Äquivalenzverhältnis in besonders krasser Weise beeinträchtigt worden. Wenn der Arbeitgeber aufgrund einer Regelung statt der betriebsüblichen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden die nach dem ArbZG zulässigen 48 Stunden fordern könne, sei die damit verbundene Verschiebung des Gegenleistungsverhältnisses zu mehr als 25% für den Arbeitnehmer eine unangemessene Benachteiligung und nicht mehr hinnehmbar. Im entschiedenen Fall war die übertarifliche Vergütung des nominellen AT-Angestellten durch die faktische Inanspruchnahme derart aufgesogen worden, dass er unter das Tarifstundenniveau gesunken war. Die Intransparenz und Unausgewogenheit dieser Vertragsgestaltung hielt der richterlichen Inhaltskontrolle nicht stand, wenngleich die Grenze zur Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nicht überschritten war. Einer krassen Verschiebung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung bei Pauschalierungsabreden steht der Fall gleich, dass von vornherein eine Vergütung von Mehrarbeit ausgeschlossen wird.111 Geht aus der Vereinbarung nicht hervor, wie viele Arbeitsstunden mit der Grundvergütung abgegolten sein sollen, kann sich die Unwirksamkeit der Klausel aus § 307 I 2 BGB ergeben.112 Ebenso verlangt das Transparenzgebot, dass 109 ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 89 m. w. N.; ders., Arbeitsvertrag, II M 20 Rn. 19 f. 110 V. 20.12.2001 AuR 2002, 193. 111 Preis, Vertragsgestaltung, S. 443; zum vertraglichen Ausschluss von Mehrarbeitsvergütung, auch soweit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Freizeitausgleich gewährt worden ist, vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung. 112 Während es sich bei den Pauschalabgeltungsklauseln um kontrollfähige Preisnebenabreden handelt (vgl. ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 88), würde eine Angemessenheitskontrolle bei einer Vereinbarung lediglich von Hauptleistungspflichten auf eine „Preiskontrolle“ hinauslaufen, deren Zulässigkeit auch im Arbeitsrecht überwiegend

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aus der Klausel eindeutig hervorgeht, dass eine vereinbarte Vergütung Äquivalent für die gesamte Arbeitsleistung sein soll, d.h. auch für Mehrarbeit.113 II. Vereinbarkeit mit der arbeitsvertraglichen Risikoverteilung gem. § 615 BGB Nachdem feststeht, dass Vertrauensarbeitszeitmodelle nicht notwendig mit reiner Erfolgsvergütung verbunden sind, und dass in Grenzen auch eine Pauschalabgeltung von etwaigen Überstunden zulässig ist, bleibt als Kernpunkt der Kritik, dass die im Arbeitsverhältnis geltende Risikoverteilung (Betriebs-, Wirtschaftsrisiko) zumindest teilweise außer Kraft gesetzt wird. Aufgrund der verstärkten Aufgabenorientierung bietet die Vertrauensarbeit – ähnlich wie Abrufarbeit – den Rahmen, um das Betriebsrisiko auf die Arbeitnehmer zu übertragen und die mangels Arbeitsanfalls nicht geleistete Arbeit zu anderen Zeiten „nachholen“ zu lassen.114 Nach arbeitsvertraglicher Risikoverteilung behält aber der Arbeitnehmer gem. § 615 S. 3 BGB den Anspruch auf die Vergütung ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber aufgrund von Betriebs- oder Absatzstörungen die Leistung nicht annimmt.115 Denn im Gegensatz zu erfolgsbezogenen Leistungsversprechen des Werkvertrags schuldet der Arbeitnehmer grundsätzlich eine zeitbezogene Leistung.116 Die zeitliche Fixierung der Leistung, die diese aufgrund entsprechender Absprachen oder Interessen unverschiebbar machen, also die „zeitliche Speziesschuld“, ist die Voraussetzung für die Vergütungsgefahr des Dienstherrn.117 Da aber der absolute Fixschuldcharakter118 der Dienstleistungspflicht kein „unverrückbares naturgegebenes Datum“ ist119, kann die Erfüllung des Dienstleistungsversprechens bei abgelehnt wird (zum Streitstand Tschöpe, DB 2002, 1830 ff. [1832 f.]). Deshalb fände jedenfalls das Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB) Anwendung; vgl. ErfK-Preis BGB §§ 305–310 Rn. 88; s. auch Studt, AuA 10/2003, 14 (16). Zur Überprüfung der Hauptleistungspflichten kommt nach wie vor § 138 BGB in Betracht, vgl. ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 5, § 611 Rn. 412. 113 ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 88 f. m. w. N.; vgl. auch schon BAG v. 26.1.1956 AP Nr. 1 zu § 15 AZO. 114 Vgl. Hamm, AiB 2000, 152 (156). 115 MünchArbR-Boewer, § 79 Rn. 19; zur Betriebsrisikolehre vgl. etwa BAG v. 8.2.1957 AP Nr. 2 zu § 615 BGB Betriebsrisiko; BAG v. 23.6.1994 AP Nr. 56 zu § 615 BGB; zur Anwendung des § 615 BGB nach alter Rechtslage etwa Richardi in: Staudinger, BGB, § 615 Rn. 1; Picker, JZ 1979, 285 (292 f.); ders., FS Kissel, S. 813 ff. 116 Richardi in: Staudinger, BGB, § 615 Rn. 1, 40. 117 Picker, FS Kissel, S. 813 (821). 118 Nachweise zum Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung etwa bei MünchArbRBlomeyer, § 57 Rn. 9 (Fn. 19). 119 Picker, FS Kissel, S. 813 (822); so auch Hanau in: Erman, BGB § 611 Rn. 333; ErfK-Preis, BGB § 615 Rn. 8.

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Zeitsouveränität durchaus in der „Nachholbarkeit“ der Leistung liegen.120 Durch Regelungen wie Gleitzeit, Abarbeitung eines angesammelten Stundenguthabens oder Abrufarbeit wird die „zeitliche Speziesschuld“ zur „begrenzten zeitlichen Gattungsschuld“, nämlich zu einer durch den zeitlichen Spielraum limitierten „zeitlichen Vorratsschuld“.121 Trotz der mit § 619 BGB begründbaren und damit grundsätzlich anerkannten Abdingbarkeit des § 615 BGB122, gilt für das Arbeitsverhältnis aber, dass der Arbeitgeber nicht generell das ihn treffende Arbeitsentgeltrisiko auf den Arbeitnehmer verlagern darf. Mit der dieser Norm zugrunde liegenden elementaren Gerechtigkeitsvorstellung wäre es nicht vereinbar, durch Ausschluss des § 615 BGB eine diametral entgegengesetzte Entgeltrisikogestaltung zuzulassen.123 Im Rahmen einer Inhaltskontrolle gem. § 307 I, II Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung nur dann anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer für die Risikoverlagerung kein angemessener Ausgleich gewährt wird.124 Ein solcher könnte in der dem Arbeitnehmer eingeräumten Zeitsouveränität liegen.125 Die Verminderung des Entgeltrisikos oder sogar dessen mittelbare Verlagerung auf den Arbeitnehmer durch bewegliche Zeitgestaltung im Betrieb oder entsprechende Vertragsgestaltung wird deshalb noch nicht als schlechthin unzulässig betrachtet.126 Eine mit dem Leitbild des Arbeitsvertrags unvereinbare Überwälzung des unternehmerischen Marktrisikos liegt erst vor, wenn ausschließlich ein bestimmter Arbeitserfolg entlohnt wird, ohne dass dem Arbeitnehmer im Fall seines Ausbleibens für seine ordnungsgemäß geleisteten Dienste eine Vergütung garantiert wird. Die darin liegende Überwälzung des Marktrisikos allein auf den abhängig beschäftigten Arbeitnehmer ist sittenwidrig.127 Das ist bei der hier betrachteten Variante der Vertrauensarbeitszeit aber nicht der Fall.

120 Richardi in: Staudinger, BGB, § 615 Rn. 35; dagegen betont Sommer, Nichterfüllung, S. 189, dass die Annahme der „Nachholbarkeit“ der Arbeitsleistung bei Gleitzeitmodellen auf einer unklaren Vorstellung beruhe. Mangels zeitlicher Fixierung gehe es nicht darum, Versäumtes nachzuholen. 121 Picker, FS Kissel, S. 813 (822). 122 Allg. Auff., vgl. nur BAG v. 6.2.1964 AP Nr. 24 zu § 615 BGB; v. 6.11.1968 AP Nr. 16 zu § 615 BGB Betriebsrisiko; Matthes in: Schliemann, Arbeitsrecht im BGB, § 615 Rn. 99; a. A. Lotmar, Arbeitsvertrag (Bd. 2), S. 314. 123 RGRK-Matthes, BGB, § 615 Rn. 101; ErfK-Preis, BGB § 615 Rn. 8; Richardi in: Staudinger, BGB, § 615 Rn. 9 f. 124 ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 79. 125 Reichold, NZA 1998, 393 (398): „Zeitsouveränität wird erkauft mit der partiellen (einfache) oder totalen (variable Gleitzeit) Abbedingung der auf zeitliche Fixschulden zugeschnittenen §§ 615, 616 BGB.“ 126 Etwa Richardi, FS Merz, S. 481 (484). 127 Vgl. etwa LAG Hamm v. 16.10.1989 LAGE BGB § 138 Nr. 4; D. Gaul, Anm. zu LAG Hamm v. 16.10.1989, ZIP 1990, 889 (891); vgl. auch BAG v. 11.1.1973, 10.10 1990 AP Nr. 30, 47 zu § 138 BGB.

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Bei Beachtung der aufgezeigten Grenzen der Risikoverlagerung kann aufgrund der Vertragsfreiheit Vertrauensarbeitszeit trotz vereinzelter Kritik128 vereinbart werden.129 Es handelt sich lediglich um eine „besonders arbeitgeberfreundliche Gestaltung von Arbeitsverhältnissen“.130 III. Vereinbarkeit mit Vorschriften zur Entgeltfortzahlung Probleme können sich weiterhin bzgl. bezahlter Freistellungen von der Arbeitsleistung und Fragen der Entgeltfortzahlung ergeben,131 denn die gesetzlichen Regelungen zur Lohnzahlung ohne Arbeitsleistung gehen von einer Fixierung der Arbeitszeit aus.132 Die Frage nach der Vereinbarkeit hochflexibler Arbeitszeitregelungen ohne Kernarbeitszeit mit den gesetzlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen133 lässt sich allerdings nicht losgelöst vom betroffenen Regelungskomplex und der jeweiligen vertraglichen Abrede beantworten.134 Bei vorübergehender Verhinderung an der Erbringung der Arbeitsleistung für einzelne Stunden gilt, dass kein gesetzlicher Anspruch darauf besteht, während der Arbeitszeit etwa Arztbesuche wahrzunehmen oder sonstige private Erledigungen zu verrichten.135 Denn § 616 BGB regelt keinen „Sonderurlaub“, sondern stellt nur ein Korrektiv für die Fremdbestimmung der Arbeitszeitverteilung dar.136 Es wird daher als sachgerecht beurteilt, dass für die Vorschrift mangels Fixierung der Arbeitsleistung durch Vorgaben des Arbeitgebers kein Raum ist.137 Nur wenn tarifliche Regelungen dem Arbeitnehmer Freistellungsansprüche für besondere persönliche Anlässe einräumen, ist im Einzelnen zu prüfen, ob in solchen Fällen das Arbeitszeitdeputat im laufenden Abrechnungszeitraum entsprechend zu kürzen ist.138

128 Trittin, AiB 2002, 90 ff.; ders., NZA 2001, 1003 (1005, 1007; zu den Grenzen der Vertragsfreiheit aus verfassungsrechtlicher Sicht 1008 f.). 129 Hamm, AiB 2000, 152 (156); Reichold, NZA 1998, 393 (398); vgl. auch Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 59 f. und 162 zur Jahresarbeitszeit; zur Problematik im Zusammenhang mit variabler Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten vgl. Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2766). 130 Hamm, AiB 2000, 152 (156). 131 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 31 f.; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 79 ff., 86; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 86; eine ausführliche Darstellung dieses Problemkomplexes soll hier nicht erfolgen. 132 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 44; ders., AuR 1996, 381 (385). 133 Betroffen sind hier insb. §§ 2, 3 EFZG, §§ 1, 11 BUrlG. 134 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 44; ders., AuR 1996, 381 (385). 135 Vgl. ausf. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 82. 136 Schüren, AuR 1996, 381 (385 m. N.). 137 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 53 f.; ders., AuR 1996, 381 (385); Reichold, NZA 1998, 393 (398).

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Anders ist die Rechtslage, wenn ganze Arbeitstage krankheits-, urlaubs- oder feiertagsbedingt ausfallen. Gesetzliche und tarifliche Entgeltfortzahlungsansprüche setzen eine Befreiung von der Arbeitspflicht voraus, laufen aber ins Leere, wenn diese Verpflichtung zum Zeitpunkt der Abwesenheit nicht bestanden hat. Nur bei täglicher Anwesenheitspflicht kann eine ganztägige Abwesenheit mit einer bestimmten Stundenzahl in einem Zeitkonto berücksichtigt werden. Ohne Anwesenheitspflicht entsteht die Gefahr, dass die Arbeit nachzuholen ist und krankheitsbedingte Fehlzeiten somit ins Privatleben abgedrängt werden.139 Dies würde dem EFZG widersprechen, wonach es keinen Zwang zur Nacharbeit geben darf.140 Gem. § 12 EFZG kann daher nicht mit einer auf Kernarbeitszeiten verzichtenden Arbeitszeitregelung die mit der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung getroffene Risikoverteilung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit aufgehoben werden.141 Dem ist in der Praxis dadurch Rechnung zu tragen, dass die Grundverteilung der Arbeitszeit als Bezugspunkt (Referenz138 MünchArbR-Schüren, § 168 Rn. 55; ders., AuR 1996, 381 (385); Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 82 f. Für den Freistellungsanspruch gem. § 8 Abschnitt I MTV Chemie ist die Normalarbeitszeit auch dann zugrunde zu legen, wenn eine kürzere Kernzeit vereinbart wurde: eine Zeitgutschrift auf dem Gleitzeitkonto erhält der Arbeitnehmer danach z. B. auch für Arztbesuche außerhalb der Kernzeit, aber innerhalb der Normalarbeitszeit, vgl. Erl. zu § 2 V MTV Chemie. Den Anspruch auf eine Zeitgutschrift auf dem Gleitzeitkonto wegen eines Arztbesuches verneint LAG Hamm v. 11.12.2001 LAGE § 4 TVG Metallindustrie Nr. 28; im zugrundeliegenden Fall war der Anspruch auf eine tarifliche Klausel gestützt. Voraussetzung war unvermeidbar ausgefallene Arbeitszeit. Nach der vorliegenden Arbeitszeitregelung war dies jedoch nicht erfüllt, da lediglich eine zeitlich nicht fixierte tägliche Kernzeit von 4, 5 Stunden bei einem Arbeitszeitrahmen von 14 Stunden bestand. Das Gericht verweist darauf, dass in Gleitzeitregelungen Dienstbefreiungen für Arztbesuche – soweit sie nicht die Kernarbeitszeiten oder deren Umfang berühren – weitgehend entfallen; vgl. auch LAG Köln v. 10.2.1993 LAGE § 616 BGB Nr. 7. 139 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 31. 140 Vgl. BAG v. 28.11.1989 AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG Auslegung = BAGE 63, 274 (282): „Wollte man Zeiten der gesetzlichen Befreiung von der Arbeitspflicht nicht oder nicht voll auf die Soll-Arbeitszeit anrechnen, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass der Arbeitnehmer im Umfang der Nichtanrechnung zur Nachleistung der durch gesetzliche Freistellung von der Arbeit ausgefallenen Arbeit verpflichtet wäre.“ Zur Unwirksamkeit einer Tarifregelung vgl. BAG v. 26.9.2001 AP Nr. 55 zu § 4 EntgeltFG. In der Entscheidung des BAG v. 13.2.2002 AP Nr. 57 zu § 4 EntgeltFG = NZA 2002, 683 ff. wurde eine betriebliche Regelung zur ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit als Verstoß gegen das Lohnausfallprinzip gem. § 4 I EFZG gewertet, nach der Zeitschulden nur durch tatsächliche Arbeitsleistung ausgeglichen werden konnten. Eine dem Lohnausfallprinzip entsprechende Lösung erfordert, dass die für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit geplante erhöhte Arbeitszeit (Zusatzschichten und Schichtverlängerungen), die zum Abbau von Zeitschulden geführt hätte, dem Arbeitnehmer für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit auf seinem Zeitkonto gutzuschreiben ist; vgl. NZA 2002, 683 (687); ein Verstoß gegen § 2 I EFZG liegt vor, wenn bei feiertagsbedingtem Arbeitsausfall Zeitguthaben auf einem Zeitkonto gekürzt werden, sofern das Konto den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, vgl. BAG v. 14.8.2002 AP Nr. 10 zu § 2 EntgeltFG. 141 Vgl. Schüren, AuR 1996, 381 (385).

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oder Bezugsarbeitszeit) bestehen bleibt.142 Krankheitsbedingte Ausfallzeiten ließen sich auf dieser Grundlage als Arbeitszeit werten. Die nach dem modifizierten Lohnausfallprinzip zu ermittelnden Entgeltfortzahlungsansprüche gem. §§ 2, 4 EFZG richten sich nach dem Arbeitsentgelt, das ohne den Arbeitsausfall verdient worden wäre.143 Da die meisten Vertrauensarbeitszeitmodelle auf der Grundlage der durchschnittlich geschuldeten Wochenarbeitszeit ein verstetigtes Einkommen vorsehen, wirft die Berechnung keine besonderen Probleme auf.144 Auf einem anderen Blatt steht die Frage, wie nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz zu realisieren ist, dass liegengebliebene Arbeit de facto nicht doch nachgeholt werden muss, selbst wenn rein rechnerisch mit Hilfe einer Durchschnittsberechnung das Arbeitszeitdeputat reduziert wurde. Bei völliger Arbeitszeitfreigabe und Steuerung über Zielvorgaben wird das kaum möglich sein, wenn nicht für außerplanmäßige Unterstützung des Betreffenden gesorgt wird.145

D. § 12 TzBfG Obwohl die Arbeitnehmer auch bei Vertrauensarbeitszeit verpflichtet sind, ihre Arbeitszeit bedarfsorientiert einzusetzen, wird überwiegend146 die Anwendung des § 12 TzBfG und somit der gem. Abs. 2 einzuhaltenden Mindestankündigungsfrist abgelehnt, weil die Arbeitnehmer nicht auf Abruf tätig werden, sondern ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich bestimmen können. Teilweise wird zwar die Anwendung der Norm auch für andere Modelle mit „Kapovaz-Elementen“ befürwortet.147 Ob dies für Abs. 1 anzunehmen ist, mag hier dahinste-

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Vgl. Hamm Flexible Arbeitszeiten, S. 81 f.; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 86. Maßgeblich ist dabei die „regelmäßige“ Arbeitszeit. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit ist auch eine vergangenheitsbezogene Betrachtung (Zeitraum von 12 Monaten) zulässig und geboten, vgl. BAG v. 21.11.2001 AP Nr. 56 zu § 4 EntgeltFG, v. 26.6.2002 – 5 AZR 500/00 – n. v., – 5 AZR 100/01 – n. v., jew. m. N.; ist ein festes Monatsentgelt vereinbart, mit dem gleichzeitig eine bestimmte Anzahl von Überstunden einschließlich tariflicher Zuschläge abgegolten werden soll, sind grundsätzlich auch diese Stunden zu berücksichtigen, wobei aber der Überstundenzuschlag nach § 4 I a EFZG nicht entgeltfortzahlungspflichtig und daher aus dem Monatsentgelt herauszurechnen ist, BAG v. 26.6.2002 AP Nr. 62 zu § 4 EntgeltFG. 144 Zu den Problemen bei schwankendem Einkommen vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 86; krit. ggü. einer Durchschnittsbetrachtung bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei ungleichmäßig verteilter Arbeitszeit Hölting, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 249. 145 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 31 f. 146 Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, § 12 Rn 16 m. N.; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeit beratung.de (6/2002), S. 6. 147 TZA-Buschmann, TzBfG § 12 Rn. 9; Jacobs in: Annuß/Thüsing, TzBfG § 12 Rn. 14. 143

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hen,148 weil bei Vertrauensarbeitszeit ein festes Stundendeputat vereinbart ist. Hinsichtlich der Ankündigungsfrist nach Abs. 2 gilt, dass § 12 II TzBfG nach dem eindeutigen Wortlaut einen Abruf des Arbeitgebers voraussetzt.149

E. Zwischenergebnis Aus zivilrechtlicher Sicht bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen Vertrauensarbeitszeit. Grenzen erfährt die Vertragsgestaltung nur in § 138 BGB und der Inhaltskontrolle von Formularverträgen. Sofern eine verstetigte Vergütung vereinbart ist, dürfte diese Grenze regelmäßig nicht erreicht sein.

§ 2 Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften Im weiteren Verlauf ist nun zu prüfen, mit welchen Vorschriften des Arbeitszeitrechts Vertrauensarbeitszeitvereinbarungen in Konflikt geraten können.150 In erster Linie sind hierbei die Vorschriften des ArbZG tangiert. Das Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der in § 18 aufgelisteten Personengruppen.151 Für bestimmte Arbeitnehmergruppen bestehen daneben besondere Schutzvorschriften. Anwendungsvoraussetzung für den Arbeitszeitschutz ist die Arbeitnehmereigenschaft. Hier stellt sich erneut die Frage, ob durch die Anwendung der neuen Arbeitszeitorganisationen der zulässige Inhalt des Vertragstyps „Arbeitsvertrag“ bereits überschritten wird mit der Folge, dass die Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht mehr anwendbar sind.

A. Arbeitnehmer i. S. d. ArbZG Arbeitnehmer i. S. d. Gesetzes sind nach der Definition in § 2 II ArbZG Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nicht dazu zählen u. a. leitende Angestellte i. S. d. § 5 III BetrVG (§ 18 I Nr. 1 ArbZG). Auf leitende Angestellte der Managementebene152, in deren Verträgen 148

So wohl TZA-Buschmann, TzBfG § 12 Rn. 22. TZA-Buschmann, TzBfG § 12 Rn. 22. 150 Teilweise wird gesagt, dass „eine effektive und ergebnisorientierte Vertrauensarbeitszeit eigentlich anderer gesetzlicher [. . .] Rahmenbedingungen (bedürfte) als wir sie z. Zt. vorfinden“, so Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 137; vgl. auch Hamm, AiB 2003, 232 f., der im Hinblick auf die unterschiedlichen Belastungen in den einzelnen Branchen die Regelungen des ArbZG für zu starr hält. 151 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 18 Rn. 1. 152 Vgl. als Bsp. die AT-Arbeitszeitregelung der AUDI-AG bei Weidinger, PersF 1993, 598 (601, 602). 149

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etwa aufgrund der Klausel „Die Arbeitszeit richtet sich nach der Arbeitsaufgabe“153 die Arbeitszeit durch die Arbeitsaufgabe ersetzt und allenfalls „Orientierungsarbeitszeit“ vereinbart wird, ist das ArbZG damit nicht anwendbar. In den Regierungsentwürfen zum ArbZG der 10. und 11. Legislaturperiode sowie noch im Referentenentwurf von 1993 war vorgesehen, neben den leitenden Angestellten i. S. d. § 5 III BetrVG auch solche Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen, die Dauer und Lage ihrer Arbeitszeit weitgehend selbst bestimmen können und keine Überstundenzuschläge erhalten, weil diese Arbeitnehmer des Arbeitszeitschutzes nicht bedürften.154 Das verdeutlicht noch einmal, dass selbstbestimmte Arbeitzeiten der Arbeitnehmereigenschaft nicht per se entgegenstehen.155 Die Vorschrift ist indes so nicht Gesetz geworden. Der Gesetzgeber ist vielmehr von der Schutzwürdigkeit von Arbeitnehmern mit selbstbestimmter Arbeitszeit ausgegangen, wenn die persönliche Abhängigkeit durch andere Merkmale, wie etwa Fremdbestimmtheit von Ort und Inhalt der Arbeit, aufrechterhalten bleibt.156 In der Literatur wird dennoch für bestimmte Beschäftigtenverhältnisse der Arbeitszeitschutz teilweise abgelehnt, wobei sich die Begründungen wohl überwiegend auf die mit der freien Zeiteinteilung zusammenhängende geringere Schutzwürdigkeit dieser Personen stützen.157 Wenngleich sich zeitliche Weisungsgebundenheit – wie schon gezeigt – auch aus der Festlegung einer Zeitspanne zur Erreichung eines Mindestsolls ergeben kann158, so spreche es aber jedenfalls gegen den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, wenn die gesetzten Fristen so bemessen würden, dass die Arbeitzeit innerhalb des vorgegebenen Zeitraums frei gestaltet werden kann.159 Der besondere Schutz des Arbeitsrechts sei teleologisch allein nach der Art und Weise der Beschäftigung und daher nicht bei selbstständiger Organisation der Arbeitsabläufe durch den Arbeitenden zu rechtfertigen.160 Komme zu der Zeitsouve-

153 Vgl. Hromadka, AuA 2000, 533 ff. Zu weiteren Regelungen über variable Arbeitszeitdauer vgl. Preis, Arbeitsvertrag, II A 90 Rn. 45. 154 BT-Drs. 10/2706, S. 10, 24; 11/360, S. 10, 24; NZA 1993, 737 (740). 155 So auch Kreft, Grundfragen, S. 94. 156 So Kreft, Grundfragen, S. 94; Mente für „Gleitzeitarbeitnehmer“, Rahmenbedingungen, S. 109. 157 Für Außendienstmitarbeiter Lieb, ZVersWiss 1976, 207 (230). 158 Hanau/Strick, AuA 1998, 185 (187). 159 Berger-Delhey/Alfmeier, NZA 1991, 257 f.; Boemke, ZfA 1998, 285 (309); Schliemann, RdA 1997, 322 (326); vgl. auch BAG v. 26.5.1999, 22.8.2001, 9.10.2002 AP Nr. 104, 109, 114 zu § 611 Abhängigkeit; v. 19.1.2000 AP Nr. 33 zu § 611 BGB Rundfunk. 160 Boemke/Föhr, Arbeitsformen der Zukunft, Rn. 59, 60; Boemke, ZfA 1998, 285 (322).

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ränität noch fachliche und/oder örtliche161 Ungebundenheit, sei der hinreichende Grad persönlicher Abhängigkeit erst recht schwer zu erkennen.162 In der Tat hilft zwar die Definition „Wem im Einzelnen gesagt werden muss, wann er wo und wie lange zu arbeiten habe, ist Arbeitnehmer“163, heute bei selbstständiger geistiger Arbeit in wissensgesteuerten Bereichen mit hoher Spezialisierung164 nicht mehr weiter.165 Wie bereits in den Ausführungen in § 1 deutlich geworden ist, bedeuten die Zweifel an der Sachgerechtigkeit des Merkmals der persönlichen Abhängigkeit166 für solche Beschäftigungsformen aber nicht, dass von selbstständigen Beschäftigungsverhältnissen ausgegangen167 und der Arbeitszeitschutz gelockert werden müsste. Der der Arbeitszeit-RL 93/104 bzw. 2003/88168 zugrunde liegende Arbeitnehmerbegriff geht ebenfalls von Weisungsgebundenheit des Leistenden aus169, gestattet aber in Art. 17 I die

161 Nach Linnenkohl ist für die Einordnung einer Arbeitsbeziehung als Werkvertrag der – gerade bei virtueller Arbeit und Outsourcing zu verzeichnende – doppelte Abkopplungseffekt ausschlaggebend: die Abkopplung der Arbeitszeit von der Betriebszeit sowie die Abkopplung des Arbeitsplatzes von der Betriebsstätte. Bei sog. „Arbeitskraftunternehmern“, die Linnenkohl den Arbeitnehmerähnlichen oder Selbstständigen zuordnet, müsse wegen deren Zeitsouveränität (§ 84 I 2 HGB) der Arbeitszeitschutz als wichtiges Element des Arbeitsschutzes außer Betracht bleiben, weshalb sie nicht ohne weiteres in den Geltungsbereich des Arbeitsrechts einbezogen werden könnten, vgl. BB 1998, 45 (48); BB 2001, 42 (45). 162 Schliemann, RdA 1997, 322 (326). Allerdings wird auch aufgrund der Schutzbedürftigkeit der so zu qualifizierenden Selbstständigen die Weiterentwicklung des Arbeitsrechts angemahnt, um auch die marktorientierten Arbeitsbeziehungen der sog. Selbstangestellten unter einen gesetzlichen und kollektivrechtlichen Mindestschutzstandard zu stellen, vgl. auch Linnenkohl, BB 1998, 45 (49); ders., BB 1999, 48 (53); ähnlich Heinze, NZA 2001, 1 (3) mit dem Vorschlag, an objektiven Kriterien ausgerichtete Vertragsbausteine für selbstständige und unselbstständige Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen, und an denselben Kriterien (z. B. Zeitsouveränität) den Arbeitsschutz stufenweise differenziert auszurichten. Vorgeschlagen wird auch eine Einordnung als Arbeitnehmerähnliche, vgl. dazu Kreft, Grundfragen, S. 110; Reuter, FS Dieterich, S. 473 (479). Diese Vorschläge beinhalten nicht die Anwendung des ArbZG. 163 Vgl. BAG v. 9.5.1984 AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 164 Vgl. etwa Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34. 165 Für die neuen Arbeitsformen ist „Arbeit“ nicht, wohin man geht, sondern was man zielbewusst tut, wobei sich die Bezahlung nach der originellen Problemlösungsfähigkeit richtet; Linnenkohl, BB 2001, 42 (46); Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199. 166 Dazu etwa Hromadka, NZA 1997, 569 (576); Reuter, FS Dieterich, S. 473; anders aber Danne, FS Söllner, S. 199 (216), nach dessen Auffassung die zeitliche Weisungsbindung den Kernbereich des Arbeitnehmerbegriffs bilde und damit mehr sei als nur das deutlichste und griffigste Merkmal, [. . .] was auch durch die in § 84 I 2 HGB zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wertung deutlich werde. 167 Vgl. etwa Wolmerath, FS Däubler S. 717 (722, 727), der das Abgrenzungskriterium der zeitlichen und örtlichen Weisungsgebundenheit für ungeeignet hält und stattdessen stärker das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit in den Vordergrund rücken will; so auch Haupt/Wollenschläger, NZA 2001, 280 (291 f.).

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Herausnahme der Arbeitnehmer aus dem Arbeitszeitschutz, wenn sie die Dauer und Lage ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können. Im Umkehrschluss spricht das dafür, europarechtskonform eine grundsätzliche Anwendung der nationalen Arbeitszeitvorschriften auch bei selbstbestimmter Arbeitszeit anzunehmen.170 Dass das ArbZG somit auch bei Vertrauensarbeitszeit anwendbar ist, ist auch sachgerecht, denn die aus überlangen Arbeitszeiten resultierenden Gefahren und Belastungen bestehen unabhängig davon, ob die Arbeitszeit selbstbestimmt ist oder nicht. Dies gilt zum einen, wenn die Selbstbestimmung wegen psychologischen Drucks nur eine vermeintliche ist, zum anderen aber selbst dann, wenn eine echte Identifikation mit der Arbeitsaufgabe oder dem Unternehmen erlebt wird und lange Arbeitszeiten Zeichen der Selbstverwirklichung sind.171

B. Inhalt der einzuhaltenden Vorschriften des ArbZG und mögliche Gesetzesverstöße Auch bei Vertrauensarbeitszeit sind somit die Vorschriften des ArbZG über die höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten sowie Regeln über die Sonn- und Feiertagsarbeit einschließlich der Pflicht zur Aufzeichnung der 8 Stunden überschreitenden werktäglichen Arbeitszeit zu beachten.172 Deren Einhaltung wird durch Vereinbarung von Vertrauensarbeit aber den Arbeitnehmern selbst zur Pflicht gemacht. Dies kann unter bestimmten Voraussetzungen mit dem ArbZG in Konflikt geraten und zu Gesetzesverstößen führen, also insoweit der Zulässigkeit entsprechender Gestaltungsformen der Vertrauensarbeitszeit Grenzen setzen. Dem Problem, inwiefern Arbeitnehmern die Verantwortung für die Einhaltung des Gesetzes übertragen werden kann, soll im Zusammenhang mit der Durchführung des ArbZG173 nachgegangen werden. Zuvor ist zu zeigen, welche inhaltlichen Vorgaben das Gesetz aufstellt.

168 Neufassung der Arbeitszeitrichtlinie durch die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. der EU v. 18.11.2003 S 299/9 ff. 169 Kreft, Grundfragen, S. 95 f. m. N. 170 Kreft, Grundfragen, S. 96. 171 Vgl. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 153: „Einige entwickeln geradezu einen Stolz darauf, dass sie bis an/über die Grenzen der Gesundheitsschädigung arbeiten. So wird im Lauf der Zeit ein Arbeitslevel erreicht, der jeden, der nach vernünftigem Maß zu arbeiten versucht, zum Außenseiter und Versager stempelt“; s. auch Kreft, Grundfragen, S. 105 ff., (109). 172 Schliemann in Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 88. 173 s. u. C.

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I. Werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer, § 3 ArbZG 1. Grundsatz des 8-Stunden-Tags Vereinbarungen über Vertrauensarbeitszeit haben zunächst § 3 S. 1 ArbZG zu beachten, der als Grundsatz eine werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden festlegt und entgrenzten Arbeitszeiten damit entgegensteht. Werktag ist jeder Kalendertag, der nicht Sonn- oder Feiertag ist.174 Unter Einbeziehung des Samstags als Werktag ergibt sich somit eine zulässige Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche.175 Der Werktag beginnt mit Arbeitsbeginn und endet 24 Stunden später.176 Sonderregelungen hinsichtlich der Höchstarbeitszeit gelten für Jugendliche, die gem. § 8 JArbSchG nicht mehr als 8 Stunden täglich und nicht mehr als 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden dürfen und für die abweichend vom ArbZG eine 5-Tage-Woche (§ 15 JArbSchG) bei grundsätzlicher Samstagsruhe (§ 16 JArbSchG) gilt. 2. Verlängerungsmöglichkeiten § 3 S. 2 ArbZG lässt die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 10 Stunden zu177, wofür es keiner besonderen Rechtfertigung bedarf178 und wodurch 174

Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 12. Vgl. statt vieler Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 1; Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 28. 176 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 14. Hat daher ein Arbeitnehmer beispielsweise die Arbeit an einem Kalendertag um 12.00 Uhr aufgenommen und nach 8 Stunden beendet, kann die Arbeit nicht vor 12.00 Uhr am nächsten Tag wieder aufgenommen werden, ohne dass die 8-Stunden-Grenze überschritten würde; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 90. 177 Besonderheiten hinsichtlich der Arbeitszeitverlängerung bestehen für schutzwürdige Arbeitnehmer: § 8 MuSchG enthält ein Mehrarbeitsverbot für werdende und stillende Mütter (Abs. 1). Nach Abs. 2 ist Mehrarbeit bei Frauen ab 18 Jahren die Arbeitszeit, die 8,5 Stunden pro Tag oder 90 Stunden in der Doppelwoche übersteigt (unter 18 Jahren: 8 bzw. 80 Stunden). Schwerbehinderte sind nach § 124 SGB IX auf Verlangen von Mehrarbeit freizustellen. Der Begriff der Mehrarbeit ist gesetzlich nicht definiert, naheliegend ist aber die Auslegung, dass damit die über § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden gemeint ist, so MünchArbRCramer, § 236 Rn. 36; BAG v. 3.12.2002 AP Nr. 1 zu § 124 SGB IX; ArbG Aachen v. 2.12.1999 NZA-RR 2000, 462 mit der Begründung, dass Sinn und Zweck des Freistellungsanspruchs ist, die Leistungsfähigkeit des Schwerbehinderten nicht über Gebühr zu beanspruchen und damit der Gesundheitsschutz. Die zeitliche Grenze der Gesundheitsverträglichkeit lasse sich allein § 3 S. 1 ArbZG entnehmen und kann nicht etwa von zufälligen (tarif-)vertraglichen Vereinbarungen der Arbeitsverpflichtung abhängen. 178 Anders noch unter Geltung der AZO; vgl. statt vieler Zmarzlik/Anzinger, ArbZG § 3 Rn. 19. 175

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die 60-Stunden-Woche ermöglicht wird. Erforderlich ist jedoch, dass im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten bzw. 24 Wochen die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten wird. Die Zulässigkeit dieser Erweiterungsmöglichkeit wird bestritten, soweit sie den Vorgaben der EG-Arbeitszeitrichtlinie widerspricht. Denn Art. 16 lit. b) der RL 2003/88179 sieht einen nur 4-monatigen Bezugszeitraum zur Einhaltung der in Art. 6 lit. b) auf 48 Stunden festgelegten durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit vor. Aus diesem Grund wird § 3 S. 2 ArbZG von manchen Autoren für gemeinschaftsrechtswidrig erachtet.180 Die Gegenauffassung181 will die Gemeinschaftskonformität damit rechtfertigen, dass Art. 17 der RL Ausnahmen von Art. 16 und somit auch einen 6-monatigen Ausgleichszeitraum zulasse oder beruft sich darauf, dass die Regelungen des ArbZG hinsichtlich der Höchstarbeitszeiten insgesamt günstiger und daher gem. Art. 15 der RL anwendbar seien. Dafür spricht, dass ein längerer als der in Art. 16 lit. b) vorgesehene Ausgleichszeitraum nicht sinnvoll isoliert betrachtet und als ungünstiger bezeichnet werden kann. Denn „ein Berechnungszeitraum selber ist zunächst einmal weder gut noch schlecht, sondern eine neutrale Abrechnungsgröße“.182 Unter dem Aspekt der Gesundheitsgefährdung und der Vermeidung überlanger Arbeitszeiten kommt es vielmehr auch darauf an, wie hoch die Belastung innerhalb des Ausgleichszeitraums sein darf. Als arbeitsphysiologische Grunderkenntnis gilt, „dass sich Beanspruchung und Erholung im Rahmen des 24-Stunden-Rhythmus’ die Waage halten müssen“, wobei jegliche Überschreitung der 8-StundenGrenze bereits als problematisch angesehen wird.183 Zumindest auf den Tag bezogen ist die Regelung des § 3 ArbZG in ihren praktischen Auswirkungen günstiger als die Richtlinie.184 Während nach § 3 ArbZG die tägliche Arbeitszeit maximal 10 Stunden und folglich pro Woche 60 Stunden betragen darf, ist nach der Richtlinie 2003/88/EG sogar eine tägliche Arbeitszeit von 13 Stunden noch zulässig.185 Danach wäre im Gegensatz zum nationalen Recht eine Verlängerung der Arbeitszeit auf wöchentlich 78 Stunden möglich. Daraus ergibt sich, dass die Regelung des § 3 ArbZG nicht eindeutig ungünstiger, sondern nur an179

Dies hat sich gegenüber der RL 93/104/EG, ABl. EG L 307/18 nicht geändert. Etwa Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 12; Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 566; D/K/K-Klebe § 87 Rn. 69; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 12; ErfK-Wank, ArbZG, § 3 Rn. 8; Fergen in Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 162; Ende, AuR 1997, 137 f. 181 Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (434); vgl. auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 8; Neumann/Biebl, ArbZG, § 3 Rn. 2; Tietje, Grundfragen, S. 70 ff.; diese Argumentation ablehnend etwa Balze, EAS, B. 3100 Rn. 66. 182 Tietje, Grundfragen, S. 70. 183 Vgl. m. N. Oppolzer, AiB 2003, 349 (350 f.). 184 Tietje, Grundfragen, S. 70; a. A. etwa Kreft, Grundfragen, S. 200. 185 Dies ergibt sich mittelbar aus Art. 3, weil keine täglichen Höchstarbeitszeiten, sondern nur Mindestruhezeiten von täglich 11 Stunden geregelt sind. 180

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ders als die der Richtlinie ist.186 Unter Beachtung des auch in den Erwägungsgründen 16 und 17 der Arbeitszeitrichtlinie zum Ausdruck gekommenen Stellenwerts der Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung und des mit § 3 S. 2 ArbZG zu erreichenden Flexibilisierungsgewinns wird man die Norm durchaus noch als richtlinienkonform ansehen dürfen.187 Entscheidend für den Fall der Vertrauensarbeitszeit ist aber, dass Art. 17 I RL 2003/88/EG Abweichungen von Art. 16 zulässt, wenn die Arbeitszeit nicht im Voraus festgelegt ist, was gem. lit. a) insbesondere für Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis gilt. Deshalb „(lassen) insbesondere [. . .] alle qualifizierten Gleitzeitregelungen bereits nach der Richtlinie einen sechsmonatigen Ausgleichszeitraum (zu)“.188 Sofern ein Tarifvertrag dies zulässt, kann die Arbeitszeit jedoch auch über 10 Stunden verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und der Arbeitnehmer schriftlich in die Verlängerung eingewilligt189 hat.190 Ohne Zeitausgleich kann die tägliche Arbeitszeit nach dem Gesetz i. d. F. seit 1.1.2004191 nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 7 II a, VII ArbZG verlängert werden192, d.h. wenn Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst in die Arbeitszeit fällt, besondere Regelungen zum Gesundheitsschutz vereinbart werden und der Arbeitnehmer schriftlich in die Verlängerung eingewilligt hat. Durch Tarifvertrag oder auf dessen Grundlage durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann ein längerer als der gesetzliche Ausgleichszeitraum zugelassen werden. Gem. dem neu eingefügten Abs. 8 des § 7 ArbZG ist diese Verlängerungsmöglichkeit auf 12 Monate begrenzt. Unter engen Voraussetzungen ist es möglich, eine tarifliche Abweichung durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung oder Arbeitsvertrag zu übernehmen (§ 7 I Nr. 1 b und III ArbZG).193 186

Tietje, Grundfragen, S. 71. In diese Richtung Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (434); zust. Tietje, Grundfragen, S. 70 f. 188 Tietje, Grundfragen, S. 71. 189 Angesichts des möglichen Drucks, dem der Arbeitnehmer bzgl. der Erteilung seiner Einwilligung ausgesetzt sein kann, wird diese Regelung allerdings kritisch beurteilt und Zurückhaltung der Gewerkschaften hinsichtlich einer solchen Tarifklausel erwartet, U. Mayer, AiB 2003, 713 (716 m. w. N.). 190 § 7 I Nr. 1 a; VII ArbZG. 191 Vgl. Art. 4 b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003, BGBl. I Nr. 67; vgl. dazu Reim, DB 2004, 186 ff.; Bermig, BB 2004, 101 ff.; Buschmann, AuR 2004, 1 (4). 192 Gem. § 25 ArbZG gilt jedoch für am 1.1.2004 bestehende oder nachwirkende Tarifverträge, die die Grenzen des § 7 I und II ArbZG überschreiten, eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2005. 193 Gem. § 7 IV, V ArbZG n. F. können auch Kirchen und öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften diese Abweichungen vorsehen; werden tarifliche Regelungen 187

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Für die Berechnung der monatsbezogenen Ausgleichsfrist des § 3 S. 2 ArbZG kommt es darauf an, ob hier Kalender- oder Zeitmonate i. S. d. § 188 II BGB maßgeblich sind. Entgegen Schliemann194 und einigen anderen Autoren195 ist mit wohl überwiegender Auffassung196 angesichts des eindeutigen Wortlauts davon auszugehen, dass als Ausgleichszeitraum nicht Zeit- sondern nur Kalendermonate in Betracht kommen. Der Kalendermonat beginnt mit dem 1. und endet mit dem letzten im Kalender ablesbaren Tag des betreffenden Monats.197 Sofern der Tag mit Mehrarbeit am Ende des ersten Monats liegt, kann sich durch dieses Verständnis der Ausgleichszeitraum auf 5 Monate verkürzen.198 Dagegen scheidet die von Schliemann beschriebene Verlängerung des Ausgleichszeitraums auf 7 Monate199 aus. Dies liefe dem Zweck des Gesundheitsschutzes (§ 1 Nr. 1 Alt.1 ArbZG) zuwider und wäre auch kaum vereinbar mit der Entscheidung des Gesetzes, die Verlängerung der Ausgleichszeiträume den Kollektivorganen vorzubehalten.200 Die in ihrer Länge unterschiedlichen Ausgleichszeiträume (6 Monate201 bzw. 24 Wochen) lassen sich damit begründen, dass sie unterschiedliche Abrechnungsstichtage ermöglichen: entweder das Ende des Kalendermonats oder einen beliebigen Tag nach Ablauf der 24 Wochen, was die flexible Gestaltung der Arbeitszeit (vgl. § 1 Nr. 1 Alt.2 ArbZG) in den Betrieben nach deren jeweiligen Bedürfnissen erleichtert.202 3. Aufzeichnungspflicht Arbeitszeiten, die über die des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehen, sind gem. § 16 II ArbZG aufzuzeichnen. Bei Vertrauensarbeitszeit sollen die Arbeitnehmer diese Aufzeichnungen eigenverantwortlich vornehmen. Ob dies mit dem Schutzzweck der Norm vereinbar ist, kann problematisch sein, doch handelt

üblicherweise nicht getroffen, können unter weiteren Voraussetzungen auch die Aufsichtsbehörden Abweichungen bewilligen. 194 Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 209 ff. 195 Neumann/Biebl, ArbZG § 3 Rn. 8; Tietje, Grundfragen, S. 147. 196 So etwa Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 26; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 7; Roggendorf, ArbZG, § 3 Rn. 13; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG § 3 Rn. 21. 197 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 3 Rn. 21. 198 Wird z. B. am 30.1. länger als 8 Stunden gearbeitet, beginnt der Ausgleichszeitraum am 1.1. und endet am 30.6. Dadurch wird er auf 5 Monate verkürzt. 199 Dazu käme es, wenn man bei Überschreitung der 8-Stunden-Grenze am 1.3. die Ausgleichsfrist gem. § 187 I BGB am 1.4. beginnen und gem. § 188 BGB am 30.9. enden ließe, vgl. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 209; gegen die Anwendung der (abdingbaren) Auslegungsvorschriften der §§ 186 ff. BGB, die nur „Monate“, nicht aber „Kalendermonate“ kenne, Tietje, Grundfragen, S. 146 Fn. 421. 200 Vgl. § 7 I Nr. 1 b ArbZG. 201 Dies ist die Hälfte von 52, also 26 Wochen. 202 So Kreft, Grundfragen, S. 190 f.

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es sich hierbei um eine Frage der Durchführung des Gesetzes, die unter Punkt C.203 behandelt wird. 4. Besonderheiten bei Nachtarbeit Der Verzicht auf feste Arbeitszeiten und Arbeitszeitbegrenzungen durch Vereinbarung von Vertrauensarbeit bietet die Möglichkeit, die Arbeit auch auf die Nachtstunden auszudehnen. Dabei stellt sich die Frage nach gesetzlichen Einschränkungen von Nachtarbeit (§ 2 IV ArbZG). Nachtarbeitsverbote sind nur nach Maßgabe des § 8 MuSchG und § 14 JArbSchG zu beachten. Das ArbZG hingegen verbietet Nachtarbeit nicht mehr, enthält aber Regelungen, mit denen zahlreichen Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG204 Rechnung zu tragen war.205 Grundsätzlich gilt auch für Nachtarbeitnehmer206 eine werktägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden mit der Verlängerungsmöglichkeit auf 10 Stunden (§ 6 II ArbZG). Für den Zeitausgleich stehen jedoch nur 4 Wochen zur Verfügung.207 Abweichungsmöglichkeiten durch kollektivvertragliche Regelungen bestehen wiederum nach Maßgabe des § 7 ArbZG208, darüber hinaus gem. §§ 14, 15 ArbZG. 5. Feststellung der Höchstarbeitszeit a) Arbeitszeit i. S. d. § 2 I ArbZG Um die Arbeitszeit von 8 Stunden täglich auch bei Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeitmodellen einhalten und ggf. ihre Überschreitung aufzeichnen zu können, ist der Begriff der „Arbeitszeit“ näher zu bestimmen. Gemäß der Definition in § 2 I ArbZG ist Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn die Zeit von Beginn bis Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Was unter „Beginn und Ende der Arbeit“ im Einzelfall zu verstehen ist, richtet sich in erster Linie nach der vertraglich geschuldeten Tätigkeit.209 Nach h. M. ist 203

s. dort II. 2. b) bb). Art. 8 ff.; Art. 8 Nr. 1 begrenzt die durchschnittliche tägliche Höchstarbeitszeit auf 8 Stunden. 205 Vgl. hierzu etwa Baeck/Deutsch, ArbZG, § 6 Rn. 5 ff. 206 Der Begriff des Nachtarbeitnehmers ist in § 2 V ArbZG gesetzlich definiert. 207 Damit wurde von Art. 16 Nr. 3 RL 93/104/EG (vgl. Art. 16 lit. c RL 2003/88/ EG) Gebrauch gemacht, der die Möglichkeit zur Festlegung eines Bezugszeitraums eröffnet. 208 Abs. 1 Nr. 4; Abs. 2 Nr. 2–4; Abs. 2 a; 7; 8. 209 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 84. Aber auch andere als vertraglich geschuldete Tätigkeiten, die auf Weisung des Arbeitgebers erbracht werden, gehören zur Arbeitszeit, ebd., Rn. 48. 204

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Arbeitszeit die Zeitspanne, für die der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.210 Dabei kommt es nach hergebrachtem Verständnis nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet, d.h. eine im wirtschaftlichen Sinn produktive Arbeit leistet211 oder etwa auf Material oder die Zuweisung weiterer Arbeit wartet.212 Für die Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit werden im Allgemeinen213 die konkreten betrieblichen Verhältnisse für maßgeblich erachtet, i. d. R. also das Betreten oder Verlassen des Betriebsgeländes214, teilweise auch die Benutzung von Kontrolleinrichtungen.215 Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst beispielsweise beginnt oder endet die Arbeitszeit mit dem Betreten bzw. Verlassen der Arbeitsstelle.216 b) Einschluss unproduktiver Zeiten? Diese Grundsätze werden durch Vertrauensarbeitszeit in Frage gestellt, weil diese nicht mehr auf die Verfügbarkeit für den Arbeitgeber während einer bestimmten Zeit als Arbeitszeit abstellt, sondern auf die zur Erledigung der Arbeitsaufgabe aufgewendete Zeit.217 Deshalb soll nicht mehr jede Anwesenheit im Betrieb als Arbeitszeit gewertet werden.218 Es stellt sich die Frage, ob eine Regelung zulässig ist, nach der die Arbeit zusätzlich zu den betrieblich geregelten unbezahlten Pausen unterbrochen wer-

210 Ganz h. M., vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG § 2 Rn. 4; MünchArbR-Blomeyer, § 48 Rn. 101; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 2 Rn. 4; Linck in: Schaub, ArbRHdb, § 45 Rn. 53; § 156 Rn. 12; Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (429). 211 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 48. 212 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 2 Rn. 4; Buschmann, FS Hanau, S. 197 (206 f.) mit der Begründung, dass auch nur das vom Arbeitgeber zu aktivierende Potenzial (die zur Verfügung gestellte Arbeitskraft) eigentlicher Leistungsgegenstand sei; Neumann/Biebl, ArbZG, § 2 Rn. 12; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 2 Rn. 6. 213 Vereinzelt wird vertreten, dass bei Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Vereinbarung die Arbeitszeit beginnt, wenn die Tätigkeit effektiv am Arbeitsplatz aufgenommen wird, so Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 42; zweifelnd Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 85. 214 Der Arbeitsplatz, an dem die Arbeit aufgenommen wird, kann allerdings, wie etwa bei Außen- oder Telearbeit, überall gelegen sein; Baeck/Deutsch, ArbZG § 2 Rn. 26; Neumann/Biebl, ArbZG, § 2 Rn. 11. 215 MünchArbR-Anzinger, § 218 Rn. 6. 216 Vgl. § 15 VII BAT. 217 Etwa Hoff/Weidinger, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http:// www.arbeitszeitberatung.de (10/2002); zu den beiden Arbeitsmodi Verfügbarkeit und Leistung vgl. auch Schlottfeldt in: Ignor/Rixen; Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 5 Rn. 783. 218 Vgl. Hoff, „8 Merkmale von Arbeitszeit-Freiheit“: „[. . .] 2. Es besteht keine Pflicht, bei Anwesenheit zu arbeiten. [. . .] 6. Niemand wird gezwungen, nach Hause zu gehen.“ Aus http://www.arbeitszeitberatung.de.

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den kann und diese Arbeitsunterbrechung als solche der Zeitregistratur unterliegen soll219, weil „Zeiten, die nicht zur Arbeitszeit zählen“, nicht mehr gewertet werden220. Wenn Arbeitszeit i. S. d. § 2 Nr. 1 ArbZG – anders als bei Kommt-/Geht-ZeitErfassung – nicht mehr mit der Anwesenheitszeit gleichzusetzen wäre, könnte die neue Praxis dazu führen, dass Überschreitungen der Höchstarbeitszeit trotz langer Anwesenheiten kaum noch vorkämen.221 Arbeitszeitsouveränität könnte es ermöglichen, größere, z. B. „schöpferische“ Pausen als wirkliche Arbeitsunterbrechungen222 anzusehen, was zum Auseinanderfallen von Anwesenheit am Arbeitsplatz und tatsächlicher Erbringung einer Arbeitsleistung i. S. d. ArbZG führt.223 Es ist also zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen es im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit zulässig ist, unproduktive Zeiten nicht auf die tägliche Höchstarbeitszeit anzurechnen. Ob Arbeitszeit diejenige (gesamte) Zeitspanne ist, an deren Beginn und Ende die Beschäftigung mit abhängiger Arbeit steht224 unter Einschluss der Zeit, in der – ohne dass es sich um eine Ruhepause i. S. d. § 4 ArbZG handelt – die Arbeitsleistung nicht vertragsgemäß angeboten wird, etwa weil längere private Telefongespräche geführt werden225, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung ergibt sich aus der Definition des § 2 I ArbZG mittelbar, dass Arbeitszeit die Summe der Zeit zwischen zwei im Einzelfall zu ermittelnden Zeitpunkten ist, nämlich dem ersten und letzten, an dem abhängige Arbeit geleistet wird.226 Dieser formale Arbeitszeitbegriff kann eine gewisse Rechtssicherheit bieten und berücksichtigt die Tatsache, dass der Arbeitnehmer, solange er dem Arbeitgeber zur Verfügung steht, nicht in der Lage ist, eigenen Beschäftigungen frei nachzugehen.227 Kritisiert wird aber, dass diese Auslegung des § 2 I ArbZG im Hinblick auf den mit dem ArbZG bezweckten Gesundheitsschutz nicht geboten sei. Zeiten, in denen weder gearbeitet noch überhaupt die Arbeit angeboten werde, könnten die Gesundheit nicht gefährden.228 Mit Blick auf flexible Arbeitszeitmodelle, bei denen von der Anwesenheit nicht auf die Arbeitszeit geschlossen werden 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228

Mitgeteilt bei Adamski, AuA 1999, 154. So auch BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 464 (472). Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 214. Zur Abgrenzung von Pausen und Betriebspausen bzw. Wartezeiten s. u. Fn. 264. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 85. So der „formale Arbeitszeitbegriff“ von Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 2 Rn. 5, 7. Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 7. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 2 Rn. 5, 7; Zmarzlik, AR-Blattei, SD 240 Rn. 54. Buschmann, FS Hanau, S. 197 (206). Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 7.

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könne, sei die formale Definition zu eng und daher abzulehnen.229 Dem Wortlaut des § 2 I 1 ArbZG sei lediglich zu entnehmen, dass Ruhepausen nicht zur Arbeitszeit gehören; es lasse sich aber aus § 2 I ArbZG nicht folgern, dass die Arbeit nicht enden und erneut beginnen könne (wie auch bei mehreren Arbeitgebern gem. § 2 Abs. 1 S. 1, 2. HS ArbZG) oder jegliche Anwesenheit im Betrieb umfasse.230 Mögen diese Argumente auch einige Überzeugungskraft besitzen, so stellt sich die Frage, in welche arbeitszeitrechtliche Kategorie unproduktive Zeiten einzuordnen wären231 bzw. unter welchen Voraussetzungen ihre Nichtbewertung als Arbeitszeit möglich ist. Um Ruhezeit i. S. d. § 5 ArbZG kann es sich nicht handeln, da sie die Phase zwischen zwei Arbeitstagen beschreibt.232 Rufbereitschaft233 kommt schon begrifflich nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer sich an seinem Arbeitsplatz aufhält und die Wiederaufnahme der Arbeit nicht von einem „Fremdabruf“ abhängig ist. Teilweise wird vorgeschlagen, dass für die Selbsterfassung von Arbeitszeit eine betriebliche Definition des zugrunde zu legenden Begriffs der Arbeitszeit maßgeblich sein soll.234 Zeiten für soziale Kontakte und fachbezogene Lektüre seien etwa nur anteilig als Arbeitszeit zu werten, wobei der Mitarbeiter selbst einzuschätzen habe, in welcher Höhe derartige minderproduktive Zeiten als Arbeitszeit in Ansatz gebracht werden.235 Dagegen halten andere es für unzulässig, in einer Betriebsvereinbarung festzulegen, welche Tätigkeiten nicht zur Arbeitszeit zählen, vielmehr hätten die Betriebsparteien mangels eigener Definitionsmacht aus § 87 I Nr. 2 BetrVG den rechtlich vorgegebenen Arbeitszeitbegriff bzw. der Ruhepausen236 bei der Arbeitszeitverteilung anzuwenden.237 In der Tat würde es dem Charakter des ArbZG als öffentlich-rechtlichem Schutz229

Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 7; ähnl. Tietje, Grundfragen S. 84. Tietje, Grundfragen S. 84, der damit die Präsenztheorie zur Arbeitsbereitschaft ablehnt. 231 Die drei Grundkategorien sind Arbeitszeit, Ruhepause, Ruhezeit. Die arbeitszeitrechtlichen Begriffe Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sind dagegen nur Unterarten. Vgl. Tietje, Grundfragen, S. 127. 232 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 5 Rn. 5. 233 Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich in der eigenen Wohnung oder an einem anderen (selbstbestimmten), dem Arbeitgeber anzuzeigenden Ort aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufnehmen zu können, BAG v. 26.2.1958 AP Nr. 3 zu § 7 AZO; BVerwG v. 19.1.1988 NZA 1988, 881; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 66. 234 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 45 ff., nach dem eine solche Definition unbedingt erforderlich ist. 235 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 48. 236 BAG v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. Der vorgegebene Begriff der Ruhepause gelte auch für freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG. 237 Baeck/Deutsch, ArbZG, Einführung, Rn. 59; Buschmann, FS Hanau, S. 197 (203); entgegen BAG v. 22.3.1995 AP Nr. 8 zu § 611 BGB Arbeitszeit; zust. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 70, allerdings ging es in diesem Zusammen230

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gesetz widersprechen, wenn der Begriff der Arbeitszeit i. S. d. § 2 ArbZG zur Disposition der Betriebsparteien oder sonstiger Parteivereinbarung gestellt werden könnte.238 Da an die Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit strafrechtliche Sanktionen gegenüber dem Arbeitgeber geknüpft werden (vgl. §§ 22 I Nr. 1, 23 ArbZG), kann er sich dem nicht durch eine eigene Umdefinition des Anknüpfungskriteriums „Arbeitszeit“ entziehen. Mit Blick auf die Kategorien von Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst239 und Rufbereitschaft ist es auch problematisch, Zeiten geminderter Leistungsintensität schlicht dem Arbeitszeitbegriff zu entziehen.240 Insofern kann der von Hoff gemachte Vorschlag allenfalls Bedeutung für die vergütungsrechtliche Ebene erlangen. Für die Bestimmung der zulässigen Höchstdauer der Arbeitszeit gilt das dagegen nicht: Unproduktive Zeiten lassen sich nur entweder als Vollarbeit oder als Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst oder als Ruhepausen in die Kategorien des ArbZG einordnen: Als Vollarbeit wird die Zeit beschrieben, in der der Arbeitnehmer die geschuldete volle Arbeitsleistung erbringt, er also seine Arbeitskraft entsprechend dem Arbeitsvertrag für betrieblichen Zwecke seines Arbeitgebers einsetzt. Schwankungen in der Arbeitsintensität ändern an dieser Einordnung nichts.241 Wie sich aus § 7 I Nr. 1 a ArbZG ergibt, werden darüber hinaus sowohl Arbeitsbereitschaft242 als auch seit der Gesetzesänderung243 Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit gezählt; beide sind daher vollständig auf die werktägliche Arbeitszeit anzurechnen.244 Arbeitsbereitschaft ist nach der überkommenen Definition „wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“245, sie liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zur Anwesenheit am Arbeitsplatz verpflichtet ist und zwar keine Vollarbeit leisten muss, aber i. d. R. gewisse Kontroll- und Beobachtungspflichten hat, die ihn in die Lage versetzen, die Arbeit jederzeit und ohne Aufforderung von dritter Seite aus eigener Entscheidung aufzunehmen.246 Bereitschaftsdienst ist gegeben, wenn sich der Arbeitnehmer für

hang um vom Arbeitgeber geforderte Tätigkeiten; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 53 ff. 238 Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, Einführung, Rn. 59; Bösche/Grimberg, FS Gnade, 377 (385); vgl. hins. der Definition von Ruhepausen BAG v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft = ArbRB 2003, 168 f. m. Anm. Oetter. 239 Dazu sogleich. 240 Vgl. Buschmann, FS Hanau, S. 197 (199); ähnlich Schlottfeldt in: Ignor/Rixen, Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 5 Rn. 784. 241 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 53. 242 ErfK-Wank, ArbZG § 2 Rn. 39. 243 Änderung von §§ 5 III, 7 I Nr. 1 a durch Art. 4 b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003, BGBl. I Nr. 67; BT-Drs. 15/1587, S. 29. 244 BT-Drs. 15/1587, S. 29. 245 Sog. „Kaskelsche Formel“, s. Kaskel, Arbeitsbereitschaft, S. 75 ff.; RAG v. 3.11.1928 ARS 4, 411; v. 25.1.1930 ARS 8, 337; v. 22.8.1936, ARS 28, 345. 246 BT-Drs. 15/1587, S. 29.

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Zwecke des Betriebs lediglich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um ggf. seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen zu können.247 Die Einordnung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit beruht auf der dahingehenden Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Arbeitszeitbegriffs248 durch den EuGH249. Weil durch das ArbZG die RL 93/104/EWG umgesetzt werden sollte,250 liegt jedenfalls seit der Änderung von §§ 5 III und 7 I Nr. 1 a ArbZG251 ein Verständnis der in § 2 I ArbZG niedergelegten Definition der Arbeitszeit nahe, wonach auch das vertragsgemäße Bereithalten zur Arbeit sich noch als „Arbeit“ verstehen lässt252, die als Arbeitszeit gilt. Von dieser Kategorie der Arbeitszeit unterscheidet sich Vertrauensarbeitszeit zwar darin, dass bei ihr im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst gerade keine individuelle Verpflichtung besteht, sich an einem bestimmten Ort zur Arbeitsaufnahme bereitzuhalten. Das bloße Zur-VerfügungStehen zur Arbeit soll hier gerade nicht Gegenstand der Leistungspflicht des Arbeitnehmers sein. Dies gilt jedenfalls für all die Fälle, in denen es überhaupt keine Rolle spielt, wann und wo eine Arbeitsaufgabe erledigt wird, so wie es etwa bei Telearbeit der Fall sein kann253. An die Stelle einer vereinbarten Anwesenheitspflicht für den einzelnen Arbeitnehmer kann bei Vertrauensarbeitszeit aber auch die Verpflichtung der Arbeitnehmer treten, während der sog. „Servicezeiten“ die Erreichbarkeit für Kunden sicherzustellen. Wenngleich sich also Vertrauensarbeitszeit und Bereitschaftsdienst hinsichtlich der jeweiligen Vertragspflicht unterscheiden, kann für den hiesigen Kontext ein gewisser Rückschluss aus der – seit der Anpassung des ArbZG an die Rechtsprechung des 247 BAG v. 10.6.1959 AP Nr. 5 zu § 7 AZO; v. 10.1.1991 AP Nr. 4 zu MTB II = NZA 1991, 516; vgl. auch BT-Drs. 15/1587, S. 29. 248 Nach der in Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG enthaltenen Begriffsbestimmung ist Arbeitszeit „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.“ 249 V. 3.10.2000 – Rs. C-303/98 (Simap) – AP Nr. 2 zu EWG RL 93/104 = NZA 2000, 1227 ff.; v. 3.7.2001 – Rs. C 241/99 (CIG/Sergas) – Slg. 2001, I-5139; v. 9.9.2003 – Rs. C-151/02 (Jaeger) – NZA 2003, 1019 ff. Die Einordnung als Arbeitszeit beruht u. a. auf der damit verbundenen Beschränkung der Selbstbestimmung über den Aufenthaltsort, so ausdr. in den Schlussanträgen des Generalanwalts, Rs. C-303/ 98 (Simap), Slg. 2000, I-7963, 7968 (7982 f.); vgl. auch EuGH NZA 2003, 1019 (1022). 250 Vgl. BT-Drs. 13/2581, S. 6. 251 Damit wurde das Gesetz an die Rspr. des EuGH zum Bereitschaftsdienst angepasst, vgl. BT-Drs. 15/1587, S. 29. 252 Vgl. zur Rechtsansicht vor der Gesetzesänderung BAG v. 18.2.2003 NZA 2003, 742 (748); Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 65/2; Buschmann, AuR 2003, 1 (3, 4, 6 m. w. N.); Hergenröder, Anm. zu EuGH 3.10.2000 Rs. C 303/98, RdA 2001, 339 ff. (346 ff., 348 f.); Rapatinski, RdA 2003, 328 (336 f. m. w. N.); Wank, Anm. EAS RL 93/104/EWG Art. 2 Nr. 1 S. 41, 53. 253 Vgl. dazu Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (214).

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EuGH richtlinienkonformen – Einordnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit gezogen werden: Die Tatsache, dass sogar Bereitschaftsdienste – in denen der Arbeitnehmer auch schlafen kann – als Arbeitszeit gewertet werden, zeigt jedenfalls, dass bei der Auslegung des Begriffs „Arbeit“ im Rahmen der Definition von Arbeitszeit in § 2 I ArbZG254 nicht allein auf den produktiven oder effektiven Einsatz des Arbeitnehmers abzustellen ist. Aber bereits dessen ungeachtet vertritt Hamm255 im Kontext der Vertrauensarbeitszeit die Auffassung, dass die Ausgliederung einzelner unproduktiver Phasen aus dem Arbeitstag rechtlich nicht möglich sei, es sei denn, es handele sich tatsächlich um Ruhepausen i. S. d. § 4 ArbZG. Diese müssen aber im Voraus feststehen und setzen eine vollständige Befreiung von der Dienstpflicht voraus.256 Ihre Einhaltung wäre vom Arbeitgeber sicherzustellen.257 Für diese Auffassung spricht, dass die nachträgliche Herausnahme unproduktiver Zeiten aus dem Arbeitstag die Gefahr in sich birgt, gerade schwächere Arbeitnehmer dazu zu verleiten, durch Nichterfassung von ergebnislos verstrichener Zeit258 diese Defizite zu verschleiern. Gegen die Nichtbewertung unproduktiver Zeiten als Arbeitszeit lässt sich weiter anführen, dass die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung nur in der Erbringung einer seinen subjektiven Fähigkeiten entsprechenden Leistung, und nicht in einem Erfolg besteht.259 Bleibt der Arbeitnehmer unter Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinter seinen Fähigkeiten zurück, mag zwar eine Schlechtleistung vorliegen,260 arbeitszeitrechtlich dürfen solche Zeiten aber nicht abgezogen werden.261 Andererseits stellt sich die Frage, ob eine solche Auslegung nicht das Flexibilisierungsziel des § 1 Nr. 1 2. Alt. ArbZG zu einseitig hinter den Zweck Gesundheitsschutz zurücktreten lässt. Zum Vergleich kann die Situation von Außendienstmitarbeitern herangezogen werden, bei denen ebenfalls fraglich ist, wie unproduktive Zeiten zu behandeln sind. Auch für diese Arbeitnehmer fehlen häufig Regelungen über die Arbeitszeit, so dass sie für die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften selbst verantwortlich sind.262 Für die arbeitszeitrechtliche Bewertung von Wartezeiten bei Kundenbesuchen, die der Arbeitnehmer nicht mit Arbeit ausfüllen kann, soll es da254

Vgl. zur Auslegung des Begriffs „Arbeit“ Buschmann, AuR 2003, 1 (2 ff.). Flexible Arbeitszeiten, S. 214; vgl. auch ders., Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 28 und 30, wo er es als Aufruf zum Rechtsbruch bezeichnet, wenn Arbeitgeber die Mitarbeiter auffordern, unproduktive Zeiten nicht zu erfassen. 256 BAG v. 27.2.1992 AP Nr. 5 zu § 3 AZO Kr. 257 s. unten II. 258 Die sie aber dennoch nicht zur freien Verfügung hatten. 259 Richardi in: Staudinger, BGB, § 611 Rn. 330. 260 Richardi in: Staudinger, BGB, § 611 Rn. 330. 261 Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 32. 262 Vgl. dazu Hunold, NZA 1993, 10 ff. 255

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rauf ankommen, ob das Ende der Wartezeit an ihrem Beginn feststeht oder jederzeit eintreten kann. Nur im ersten Fall ist die Einordnung als Ruhepause geboten, im letzten soll Arbeitsbereitschaft vorliegen.263 Dies entspricht der Auffassung, wonach Betriebspausen und Wartezeiten264 u. U. den Anforderungen an eine Pause i. S. d. § 4 ArbZG genügen können.265 Arbeitszeitberater266 vertreten demgegenüber die Auffassung, dass es ein „Warten auf Arbeit“, das als „Arbeitsbereitschaft“ gewertet werden müsste, bei selbstgesteuerter Arbeitszeit nicht geben könne, weil derartiger Leerlauf allenfalls bei der Abdeckung von Servicezeiten denkbar sei, und entweder mit Privatzeit oder zeitunabhängigen Aufgaben (sog. Speicherarbeit) ausgefüllt werden könnte. Wenn der Arbeitnehmer sich eine Speicherarbeit sucht, handelt es sich freilich um Arbeitszeit. Allerdings ist zweifelhaft, ob die Nutzung als „Privatzeit“ innerhalb der teambezogenen Servicezeit dazu führen kann, diese nicht als Arbeitszeit zu betrachten. Auch wenn der Arbeitnehmer keine weiteren Aufgaben erledigt, ist bereits das Abdecken einer Servicezeit Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung und damit als Arbeitszeit zu bewerten. Dass ein gewisser Entspannungseffekt eintreten kann, ist gerade charakteristisch für die Arbeitsbereitschaft.267 Die sog. Präsenztheorie hat sogar auf jegliche Anspannung verzichtet und die bloße Anwesenheit im Betrieb ausreichen lassen, um von Arbeitsbereitschaft zu sprechen.268 Während von Arbeitszeitberatern darauf hingewiesen wird, man müsse die Arbeitnehmer nicht zwingen, nach 10 Stunden den Arbeitsplatz zu verlassen, sofern während der Anwesenheit nicht ausschließlich gearbeitet werde, wäre nach der Präsenztheorie eine Überschreitung der 10Stunden-Grenze nur unter den Voraussetzungen des § 7 I Nr. 1 a, VIII, IX bzw. §§ 14, 15 ArbZG möglich. Für die Zuordnung reiner Präsenz zur Arbeitszeit wird geltend gemacht, dass nur die Freiheit von jeglicher – auch örtlicher – Inanspruchnahme den Zweck der Ruhezeit erfüllen kann, der auch darin bestehe, Aktivitäten der Persönlichkeitsentfaltung frei nachgehen zu können.269 Bestätigt wird diese Argumentation wiederum durch die arbeitszeitrechtliche Bewertung von Bereitschaftsdienst, bei dem für die Annahme von Arbeitszeit 263

Klinke, Außendienst, S. 56 f. Betriebspausen sind von den Pausen i. S. d. § 4 ArbZG grds. abzugrenzende Unterbrechungen des Betriebsablaufs, insbesondere aus technischen Gründen. Sie zählen zur Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer während der Betriebspause zur Arbeitsleistung verpflichtet bleibt, (BAG v. 23.11.1960 AP Nr. 6 zu § 12 AZO). Das gleiche gilt für arbeitsablaufbedingte Wartezeiten, (Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 7). 265 Dazu etwa Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 293 f.; vgl. auch BAG v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. 266 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 45 ff. 267 Vgl. Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 66. 268 Vgl. die Nachweise bei Tietje, Grundfragen, S. 80 (Fn. 28); BAG v. 14.4.1966 AP Nr. 2 zu § 13 AZO; v. 10.6.1959 AP Nr. 5 zu § 7 AZO. 269 U. a. Fechner, Arbeitsbereitschaft, S. 4 ff. 264

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Präsenz und die Verpflichtung zur jederzeitigen Verfügbarkeit ausreicht. Wenn die Gegenauffassung270 hervorhebt, dass auch Ruhepausen trotz Anwesenheit im Betrieb nicht zur Arbeitszeit rechneten, mithin nicht jede betriebliche Bindung mit Arbeitszeit gleichzusetzen sei, wird dabei übersehen, dass Ruhepausen i. S. d. ArbZG begrifflich jedenfalls die Möglichkeit voraussetzen, den Aufenthaltsort selbst zu bestimmen.271 Teilweise wird vorgeschlagen, eine differenzierende Definition vorzunehmen, je nach dem, ob die Arbeitsbereitschaft im vergütungsrechtlichen oder im arbeitsschutzrechtlichen Kontext betrachtet wird.272 Arbeitsschutzrechtlich soll auf den Grad der Beanspruchung abzustellen sein („Beanspruchungstheorie“273), der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ermittelt wird274 und deutlich geringer sein muss als bei Vollarbeit.275 Nach dem Vorschlag von Tietje ist Arbeitsbereitschaft anhand von zwei Kriterien zu bestimmen: Möglichkeit zu körperlicher und geistiger Untätigkeit sowie Wille zur Arbeitsaufnahme.276 Unabhängig davon, welche Anforderungen man für die Annahme von Arbeitszeit neben der Präsenz im Einzelnen stellt, wären auch unproduktive Zeiten Arbeitszeit, wenn sie jederzeit beendet sein können.277 Dies kann etwa dann 270

Vgl. dazu Tietje, Grundfragen, S. 85 m. N. Stellv. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 8; BAG AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. 272 So Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 34, 35; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rn. 13; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 57; wohl auch Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 2 Rn. 18, 19. 273 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 35; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rn. 13; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 57 ff. 274 Dabei sollen u. a. folgende Gesichtspunkte maßgeblich sein: Häufigkeit der Anordnung von Arbeitsbereitschaft, Grad der geforderten Aufmerksamkeit, Häufigkeit der Inanspruchnahme durch Vollarbeit, Regelmäßigkeit der Unterbrechungen, Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Schwere der Folgen bei Säumnis rechtzeitigen Eingreifens, Grad der Bequemlichkeit während der Bereitschaftszeit, Belastung durch Störfaktoren wie Lärm etc., vgl. Fechner, Arbeitsbereitschaft, S. 58 ff.; MünchArbRAnzinger § 218 Rn. 17; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rn. 36; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 58; BVerwG v. 19.1.1988 BB 1988, 1046. 275 Gestützt wird diese Auffassung auf die Erwägung, dass die tägliche Arbeitszeit 10 Stunden nur überschreiten darf, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt (§ 7 I 1 a ArbZG), aber eine Überbeanspruchung des Arbeitnehmers bei Überschreitung der 10-Stunden-Grenze nur dann auszuschließen sei, wenn der Grad der Inanspruchnahme während dieser Zeit deutlich geringer ist als bei Vollarbeit. Krit. dazu, weil nicht mit der Systematik des ArbZG vereinbar Tietje, Grundfragen S. 86 ff.: Die Belastungsintensität spiele nicht schon für das Vorliegen von Arbeitsbereitschaft an sich eine Rolle, sondern erst i. R. des § 7 I Nr. 1 a ArbZG, wonach die Arbeitszeit verlängert werden kann, wenn regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft vorliegt. 276 Tietje, Grundfragen, S. 92. 277 Vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft: Eine Arbeitsunterbrechung, bei deren Beginn der Arbeitnehmer nicht weiß, wie lange sie dauern wird, ist keine Pause. Der Arbeitnehmer muss sich dann durchgehend zur Arbeit bereithalten. 271

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der Fall sein, wenn aufgrund einer vereinbarten Besetzungsstärke eines Teams eine Servicezeit abgedeckt wird, aber vorübergehend wegen geringen Publikumsverkehrs nur die Aufmerksamkeit eines der (mehreren) Teammitglieder gefordert ist.278 Für die übrigen Arbeitnehmer hängt die Dauer ihrer Untätigkeit jedoch von den betrieblichen Belangen ab: Sobald eine erhöhte Arbeitsbelastung eintritt, kann für sie die unproduktive Zeit unterbrochen sein. In solchen Fällen wäre von Arbeitsbereitschaft auszugehen. Da der Arbeitnehmer bei Vertrauensarbeitszeit die zu beachtenden betrieblichen Interessen selbst erkennen und seine Arbeitsorganisation daran ausrichten muss, sind Anwesenheitszeiten kaum vorstellbar, in denen er sich selbstbestimmt den betrieblichen Anforderungen entziehen kann. Selbst wenn – im Gegensatz zu Bereitschaftsdienst oder Arbeitsbereitschaft – keine persönliche, sondern allenfalls eine teambezogene Anwesenheitspflicht besteht, wird von einem im Betrieb anwesenden Mitarbeiter i. d. R. erwartet, dass er auch während unproduktiver Zeiten z. B. Telefonanrufe entgegennimmt und nicht etwa ignoriert.279 Man wird deshalb für die Einordnung unproduktiver Zeiten als Arbeit darauf abzustellen haben, ob die Verpflichtung besteht, während der Anwesenheit fremdbestimmt – entweder direkt durch den Arbeitgeber oder indirekt durch Kunden – die volle Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Um dem möglichen Einwand zu begegnen, dass durch dieses Ergebnis flexible Gestaltungsmöglichkeiten zu stark eingeschränkt würden, gilt es nun, die Voraussetzungen weiter zu spezifizieren, unter denen unproduktive Zeiten doch von der Arbeitszeitbewertung ausgenommen werden könnten. Es bieten sich hierzu zwei Wege an: der erste, auf den erst unter Punkt II näher einzugehen ist, betrifft die Voraussetzungen des § 4 ArbZG. Vorgeschlagen wird insoweit eine großzügige Auslegung der Voraussetzung des vorherigen Feststehens von Ruhepausen i. S. d. § 4 ArbZG, wonach es genügen soll, dass die Pause an ihrem Beginn feststeht.280 An dieser Stelle soll jedoch vorerst nur die zweite Möglichkeit interessieren, die darin bestehen könnte, die Einordnung einer Arbeitsunterbrechung in die arbeitszeitrechtliche Kategorie der Ruhepause überhaupt nicht von den in § 4 ArbZG aufgestellten Voraussetzungen (Feststehen der Arbeitsunterbrechung im Voraus und Mindestdauer von 15 Minuten) abhängig zu machen. Ob dies möglich ist, hängt von dem Verständnis ab, das man dem gesetzlich nicht definierten Begriff der Ruhepause zugrundelegt. Unter Rückgriff auf den natürlichen Sprachgebrauch handelt es sich nach der Rechtsprechung dabei um eine im Voraus feststehende Unterbrechung der Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat, sich auch nicht für Dienst278 Vgl. das Beispiel bei Hoff/Weidinger, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http://www.arbeitszeitberatung.de (10/2002), S. 7. 279 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 156. 280 So Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 303; in die Richtung wohl auch BAG AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft, s. u. II.

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verpflichtungen bereitzuhalten hat, sondern frei darüber entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will; erforderlich ist mithin eine vollkommene Freistellung von jedweder Arbeitsleistung, auch von Arbeitsleistungen mit geringer Beanspruchung.281 Ob es für die Definition von ,Ruhepause‘ tatsächlich begriffsnotwendig ist, dass die Arbeitsunterbrechung im Voraus festliegt, ist umstritten.282 Denn während die Worte „im Voraus feststehende“ in der AZO noch nicht generell283 enthalten waren, sind sie ausdrücklich in das ArbZG aufgenommen worden. Sie können daher als nähere Beschreibung des Begriffs der Ruhepause, nicht aber als deren Bestandteil aufgefasst werden.284 Teilweise wird dennoch an der Definition der Rechtsprechung festgehalten.285 Der Wortlaut des § 4 ArbZG lässt aber eher darauf schließen, dass der Gesetzgeber einen „natürlichen“ Begriff der Ruhepause zugrunde gelegt hat286, für den das Erfordernis vorherigen Feststehens nicht gilt. Anderenfalls hätte er sich einer Tautologie bedient.287 Wollte er die Definition der Rechtsprechung kodifizieren, hätte es näher gelegen, die Formulierung „im Voraus feststehende Arbeitsunterbrechungen (Ruhepausen)“ zu verwenden. Insofern ist entgegen der Definition der Rechtsprechung davon auszugehen, dass für den Begriff der Ruhepause im natürlichen Sinne das vorherige Feststehen der Unterbrechung nicht begriffsnotwendig ist.288 Wesentliches Kriterium ist damit die Freistellung des Arbeitnehmers von jeder Dienstverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zum Dienst bereitzuhalten.289 Dass Ruhepausen i. S. d. § 4 ArbZG mehr erfordern als nur die Unterbrechung der Arbeitszeit, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift.290 Geht man nun aber davon aus, dass das ArbZG einen natürlichen Ruhepausenbegriff benutzt291, können in die Kategorie „Ruhepause“ neben solchen, die den Anforderungen des § 4 ArbZG entsprechen müssen, weitere Arbeitsunterbre281 BAG v. 5.5.1988, 23.9.1992 AP Nr. 1, 6 zu § 3 AZO Kr; v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. 282 Dagegen Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 9. 283 Die Regelungen in der AZO differenzierten nach männlichen und weiblichen Arbeitnehmern. Während für Frauen in § 18 I das Erfordernis des vorherigen Feststehens der Pause normiert war, war in § 12 II darauf verzichtet worden. 284 Ähnlich Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 9. 285 So etwa Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rn. 2, 3; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 3. 286 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 8; Tietje, Grundfragen, S. 118. 287 Tietje, Grundfragen, S. 119 m. N.; vgl. zur AZO Neumann/Biebl, AZO, § 12 Rn. 17. 288 Tietje, Grundfragen, S. 119. 289 BAG v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft; v. 5.5.1988 AP Nr. 1 zu § 3 AZO Kr = NZA 1989, 138; v. 14.4.1966 AP Nr. 2 zu § 13 AZO. 290 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 3. 291 Tietje, Grundfragen, S. 131, 118 f.; vgl. auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 8 f.

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chungen einzuordnen sein. Sofern dadurch der Erholungswert der Arbeitsunterbrechung nicht geschmälert wird, könnte von einer Ruhepause – im natürlichen Sinne – auch dann gesprochen werden, wenn die Lage der Pause nicht im Voraus feststeht.292 Voraussetzung dafür ist aber, dass der Arbeitnehmer mit Sicherheit davon ausgehen kann, für eine bestimmte Zeit nicht in Anspruch genommen zu werden293, er also vollständig von der Arbeitsverpflichtung freigestellt ist.294 Dabei kommt es darauf an, ob die jeweilige Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit tatsächlich Selbstbestimmbarkeit und Selbstverfügbarkeit über die Zeit gewährleistet. Wegen der vertraglichen Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Berücksichtung betrieblicher Belange ist diese Voraussetzung bei Vertrauensarbeitszeit nicht zwangsläufig und ohne weiteres erfüllt. Sie ist aber gegeben, wenn Beginn und Ende der Arbeitsunterbrechung allein vom Willen und der Entscheidung des Arbeitnehmers abhängt. Auch wenn während der „Servicezeit“ die Personalstärke es zulässt, dass der Betreffende für eine bestimmte Zeit nicht für Kunden zur Verfügung stehen muss und dies zu Beginn der unproduktiven Phase feststeht, wird man von einer Ruhepause im natürlichen Sinne ausgehen können. Diese Zeit kann arbeitsschutzrechtlich aus der Arbeitszeitbewertung herausgenommen werden. Daneben bleibt die gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung von Ruhepausen i. S. d. § 4 ArbZG unberührt.295 Für diese Lösung spricht, dass die Kategorien des ArbZG nicht verlassen werden und die flexible Arbeitszeitgestaltung nicht zu stark beschränkt wird. Sie deckt sich zudem mit der für die Außendienstmitarbeiter oben vorgenommenen Einordnung von Wartezeiten.296 Der Auffassung Hamms297 wird insoweit gefolgt, dass nicht jede Phase „mehr oder weniger zufälligen Leerlaufs“ von der Arbeitszeitbewertung auszunehmen ist, sofern keine vollständige Befreiung von der Arbeitspflicht damit verbunden ist. Entgegen Hamm ist aber nicht erforderlich, dass die Arbeitsunterbrechungen – um in arbeitszeitrechtlichen Kategorien nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhepause zu gelten – den Anforderungen des § 4 ArbZG entsprechen, weil das nicht mehr vom Zweck des Gesundheitsschutzes und des Erholungseffektes gedeckt ist.298 Zusammenfassend ist festzustellen, dass es arbeitszeitrechtlich unzulässig ist, von den Arbeitnehmern zu verlangen, jedes private Telefonat oder morgendliche Zeitungslesen von der Arbeitszeit abzuziehen. Sofern der Arbeitnehmer 292 Zur Frage, wie das Merkmal „im Voraus“ feststehend in § 4 S. 1 ArbZG auszulegen ist, s. unten II. 293 Tietje, Grundfragen, S. 131; BAG AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. 294 Vgl. BAG v. 23.9.1992 AP Nr. 6 zu § 3 AZO Kr = NZA 1993, 752; v. 5.5.1988 AP Nr. 1 zu § 3 AZO Kr = NZA 1989, 138. 295 Vgl. dazu aber die weiteren Ausführungen unter II. 296 Klinke, Außendienst, S. 56 ff. 297 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 27 f. 298 Vgl. Tietje, Grundfragen, S. 119.

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während einer unproduktiven Anwesenheitszeit nicht vollständig von der Verpflichtung befreit ist, sich für betriebliche Zwecke zur Verfügung zu halten und folglich eine Arbeitsunterbrechung nicht einmal eine Ruhepause im natürlichen Sinne darstellt, ist die Anwesenheit im Betrieb als Arbeitszeit i. S. d. § 2 I ArbZG zu berücksichtigen. c) Beginn und Ende des Arbeitstags Um die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten einzuhalten, ist ebenso wichtig zu wissen, wann der Arbeitstag endet. Deshalb sei nochmals explizit darauf hingewiesen, dass der Arbeitstag spätestens mit Aufnahme der Arbeit beginnt und 24 Stunden später endet.299 Wenn also in diesem 24-Stunden-Zeitraum 10 Stunden gearbeitet (zzgl. 45 Minuten Pause) und die 11-stündige Ruhezeit gem. § 5 ArbZG eingehalten wurde, kann die Arbeit nicht nach 21 Stunden und 45 Minuten wieder aufgenommen werden, weil damit die 10-Stunden-Grenze an diesem Tag überschritten würde.300 Ohne die bei Vertrauensarbeitszeit üblicherweise nicht vereinbarte Kommt-/ Geht-Zeiterfassung lässt sich die Einhaltung kaum sicherstellen. d) 10-Stunden-Tag an 4 Wochentagen Fraglich ist, ob aufgrund der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ein Arbeitnehmer an 4 Tagen in der Woche je 10 Stunden arbeiten darf, ohne dass dies gegen § 3 ArbZG verstoßen würde.301 Bedenken gegen eine solche Sichtweise hegen wohl Buschmann/Ulber302. Sie weisen darauf hin, dass sich zwar rechnerisch aus der gesetzlichen Regelung eine regelmäßige 48-Stunden-Woche ergebe. Die Woche sei aber im Gegensatz zu Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG303 nicht eigentlicher Bezugspunkt des Gesetzes. § 3 ArbZG knüpfe vielmehr an die werktägliche Arbeitszeit an. In der Struktur der Vorschrift sei der auf 8 Stunden begrenzte Werktag nach wie vor die Regel, die Verlängerung auf 10 Stunden die Ausnahme. Das in der Flexibilisierung enthaltene Gefährdungspotenzial mache eine besondere Legitimation erforderlich, aus der sich zugleich die Grenzen ergeben.304 Eine genauere Aussage, wo diese Grenzen liegen bzw. wie sie zu ermitteln sind, wird nicht getroffen. Der Hinweis, Art. 2 GG erfordere einen besonderen Schutz vor gesundheitsschädlichen Folgen zu langer Ar299 300 301 302 303 304

Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 14. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 90; ders., AiB 1999, 152 (157 f.). So Heinze, NZA 1997, 681 (682). ArbZG, § 3 Rn. 3; krit. auch Kreft, Grundfragen, S. 188. Die Vorschrift entspricht Art. 6 lit. b) der RL 2003/88/EG. Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 8.

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beitszeiten305, hilft in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht für eine Konkretisierung. Aus diesem Grunde wird man die Antwort aus der gesetzlichen Regelung selbst entnehmen müssen. Buschmann/Ulber ist zuzugeben, dass § 3 ArbZG an die tägliche und nicht an die wöchentliche Arbeitszeit anknüpft. Dennoch kommt es im Gegensatz zu § 3 AZO gerade nicht mehr auf den regelmäßigen 8-Stunden-Tag an.306 Der von § 3 S. 2 ArbZG geforderte Zeitausgleich vollzieht sich noch in derselben Woche, wenn am 5. Tag nur 8 Stunden und an einem Werktag überhaupt nicht gearbeitet wird.307 Vertrauensarbeitszeit kann deshalb auch in der oben genannten Weise praktiziert werden. 6. Sonderprobleme hinsichtlich der Durchführung des Zeitausgleichs und der Einhaltung der Ausgleichszeiträume Da § 3 S. 2 ArbZG verlangt, dass für jede Überschreitung der 8-StundenGrenze ein Zeitausgleich stattzufinden hat, damit der durchschnittliche 8-Stunden-Tag eingehalten wird, stellt sich die Frage, welche Grenzen sich aus dieser Vorschrift für die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ergeben. Es ist also zu klären, welche Anforderungen § 3 S. 2 ArbZG an eine auf seiner Grundlage mögliche flexible Arbeitszeitgestaltung stellt. a) Vorherige Festlegung der Ausgleichszeiträume? Wie gesagt, wird bei Vertrauensarbeitszeit auch der Ausgleich von Überschreitungen der 8-Stunden-Grenze den Arbeitnehmern überlassen. Dies kann mit der gem. § 3 S. 2 ArbZG grundsätzlich dem Arbeitgeber übertragenen Verantwortung für die Einhaltung von Ausgleichszeiträumen kollidieren, wenn diese eine vorab erfolgende Arbeitszeitplanung verlangt. Nach Auffassung von Zmarzlik308 ist die Wahl und Festlegung eines bestimmten Ausgleichszeitraums Voraussetzung für die Zulässigkeit jeder Arbeitszeitverlängerung gem. § 3 S. 2 ArbZG. Von anderen309 wird die vorherige Festlegung des Ausgleichszeitraums nicht für erforderlich gehalten, was mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Ausgleichspflicht begründet wird.310 § 3 305 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 8 mit Verweis auf die Nachtarbeitsentscheidung des BVerfG v. 28.1.1992 AP Nr. 2 zu § 19 AZO = NZA 1992, 270 (273). 306 Vgl. auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 16. 307 Vgl. Kreft, Grundfragen, S. 188. 308 AR-Blattei, SD Nr. 240 Rn. 104. 309 Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 34; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 212 ff. und 219 ff.; Junker, ZfA 1998, 105 (114). 310 Neumann/Biebl, ArbZG, § 3 Rn. 9; Tietje, Grundfragen, S. 138 f.

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ArbZG verlangt lediglich die Einhaltung der 8-Stunden-Grenze im Durchschnitt. Im Rahmen des ArbZG geht es um die Feststellung, ob ein Tag mit Mehrarbeit innerhalb von 6 Monaten ausgeglichen wurde oder einen sanktionsbewehrten Verstoß gegen die Norm darstellt. Die Festlegung von Zeiträumen im Rahmen betrieblicher Arbeitszeitregelungen ist strikt von der öffentlich-rechtlichen Komponente zu trennen. Mehrarbeit löst zunächst nur eine Ausgleichsverpflichtung aus.311 Diese verlangt eine Arbeitszeitorganisation, bei der sichergestellt ist, dass spätestens nach 6 Monaten der Ausgleich erfolgt ist. „Die betriebliche oder arbeitsvertragliche Regelung steht als materiellrechtliches Pendant neben der öffentlich-rechtlichen Norm und muss ihre Grenzen beachten“; die Anwendung des § 3 S. 2 ArbZG erfordert aber keine Festlegung im Arbeitsverhältnis.312 Mit der privatrechtlichen Festlegung wird die Leistungspflicht im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts konkretisiert. Verzichtet der Arbeitgeber auf eine solche Festlegung, lässt dies die öffentlich-rechtliche Ausgleichsverpflichtung nach § 3 S. 2 ArbZG unberührt. Im Interesse einer vereinfachten Planung und Administration von Arbeitszeiten werden zwar bei ungleichmäßiger Arbeitszeitverteilung häufig individuelle oder betriebliche Regelungen getroffen, in denen ein Ausgleichszeitraum „festgelegt“ wird.313 In einem einmal begonnenen Zeitraum, der für den Zeitausgleich zur Verfügung steht, sind dann alle während dieser Zeit vom Durchschnitt abweichend geleisteten Arbeitsstunden auszugleichen. Damit löst nicht jede Überschreitung des 8-Stunden-Tags einen neuen Ausgleichszeitraum aus. Eine solche Regelung hat aber auf § 3 S. 2 ArbZG keine Auswirkungen.314 Vielmehr folgt aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Norm, dass jeder Tag, an dem die Arbeitszeit 8 Stunden übersteigt, die Ausgleichspflicht neu entstehen lässt, was zu einer „Staffelung der Ausgleichszeiträume“ führen kann.315 Durch diese Möglichkeit bestehen für Vertrauensarbeitszeitmodelle große Flexibilitätsspielräume. § 3 S. 2 ArbZG verlangt mithin nicht, dass vor Überschreiten der 8-StundenGrenze ein Ausgleichszeitraum festgelegt wird. Davon ist die Frage zu trennen, ob und wie die Erfüllung der Verpflichtung nachzuweisen ist. Ob die Dokumentation des erfolgten Zeitausgleichs von § 16 II ArbZG gefordert wird, wird unten316 im Zusammenhang mit der Durchführung des Gesetzes geprüft.

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Tietje, Grundfragen, S. 141. Tietje, Grundfragen, S. 139. 313 Vgl. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 218; Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 180. 314 Ähnl. auch Neumann/Biebl, ArbZG § 3 Rn. 9. 315 Schliemann in: Meyer-Schliemann, Rn. 217 f.; so auch Tietje, Grundfragen, S. 143. 316 C. II. 2. b) aa). 312

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b) Vorherige Festlegung des Tags des Ausgleichs In engem Zusammenhang mit dem zuvor Erörterten steht die Frage, ob § 3 S. 2 ArbZG fordert, dass am Tag der Verlängerung der Arbeitszeit über 8 Stunden schon der Tag des Ausgleichs festgeschrieben wird. Vereinzelt wird vertreten, dass Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Überschreitung des 8Stunden-Tags der garantierte Ausgleich durch spätere Arbeitszeitverkürzung sei und dass diese nur erfüllt sei, wenn zum Zeitpunkt der Überschreitung bereits die Arbeitszeitgestaltung für den Ausgleichszeitraum feststehe.317 Eine vorherige Festlegung wird teilweise für praktikabler gehalten318 und mag auch eine größere Gewähr für die tatsächliche Durchführung des Zeitausgleichs bieten, sie würde aber Vertrauensarbeitszeitmodelle weitgehend undurchführbar machen. Nach überwiegender Ansicht geht diese Voraussetzung auch zu weit. Das ArbZG fordert lediglich den tatsächlichen Ausgleich innerhalb der Frist, nicht aber eine solche vorausschauende Planung.319 Sie liefe sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch dem Gesetzeszweck320 der Flexibilisierung zuwider321 und wäre zudem unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes nicht zwingend geboten, da auch der Gesetzeszweck des Gesundheitsschutzes lediglich den tatsächlichen Ausgleich fordert. Problematisch wäre das Postulat derartiger Arbeitszeitplanung letztlich nicht nur aus Sicht der Arbeitgeber. Mit hoher Zeitsouveränität lässt sich eine langfristige Ausgleichsplanung nicht vereinbaren; sie wäre von Arbeitnehmern dann nicht erwünscht, da bei der Arbeitszeitgestaltung ihre sich kurzfristig ergebenden Zeitbedarfe nicht berücksichtigt werden könnten. § 3 S. 2 ArbZG verlangt somit lediglich die tatsächliche Durchführung des Zeitausgleichs, stellt aber keine weiteren Anforderungen an die Arbeitszeitgestaltung. In einem Vertrauensarbeitszeitmodell kann daher die Arbeitszeit von 8 Stunden überschritten werden, ohne dass dabei bereits feststeht, wann die Mehrarbeit wieder ausgeglichen wird. c) Ausgleich im Vorhinein? Weiterhin muss geklärt sein, welche Zeiten für den Ausgleich überhaupt zur Verfügung stehen. 317

Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 13. Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 180. 319 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 216; in diesem Sinne wohl auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 31. 320 § 1 Nr. 1 ArbZG. 321 Erasmy, NZA 1994, 1105 (1106). Wenngleich die Aussage Junkers (ZfA 1998, 105 [113]), dass die „Arbeitswelt in Erstarrung verfallen (müsste, wenn) man derartigen Rechtsvorstellungen Raum geben (würde)“ nicht ganz frei von Polemik sein mag, so ist ihr doch eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen. 318

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Hierbei ist zunächst fraglich, ob es im Rahmen des § 3 S. 2 ArbZG zulässig ist, durch vorherige Arbeitszeitverkürzung eine nachfolgende Verlängerung auf 10 Stunden auszugleichen.322 Diskutiert wird das Problem unter dem Stichwort der reziproken Arbeitszeitverteilung innerhalb zweier Ausgleichszeiträume.323 Es stellt sich also die Frage, ob die Arbeitszeitverteilung so gestaltet werden darf, dass durch kürzere Arbeitszeiten zu Beginn des ersten zweier aufeinanderfolgender Bezugszeiträume Arbeitszeitverlängerungen im Voraus ausgeglichen und die 10-Stunden-Tage dann auf dessen Ende gelegt werden, während im zweiten Referenzzeitraum die Arbeitszeitverlängerungen an dessen Beginn liegen und der Ausgleich im Nachhinein erfolgen soll. § 3 S. 2 ArbZG trifft dazu keine explizite Aussage. Nach ihrem Wortlaut verlangt die Norm nur die Einhaltung des 8-Stunden-Durchschnitts im 6-MonatsZeitraum. § 3 S. 2 ArbZG ist mithin erst verletzt, wenn sich für einen Tag mit Mehrarbeit auch 6 Monate später noch kein Ausgleich nachweisen lässt, wobei in die Durchschnittsberechnung auch die 6 Monate einzubeziehen seien, die vor dem auszugleichenden Tag liegen.324 Eine andere Beurteilung ist aber zu erwägen, wenn man sich die dadurch entstehenden Gestaltungsmöglichkeiten vor Augen führt. Eine „Aneinanderreihung“ zweier aufeinanderfolgender Zeiträume würde bei geschickter Ausnutzung über mehrere Monate die regelmäßige 60-Stunden-Woche ermöglichen.325 Ob die „Aneinanderkopplung“326 von Ausgleichszeiträumen mit reziproker Arbeitszeitverteilung zur Schaffung langfristiger Arbeitszeitzyklen327 erlaubt ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung328 widerspricht die dadurch entstehende Arbeitsbelastung allen medizinischen und arbeitswissenschaftlichen Mindeststandards. Deshalb dürfe der 6-Monats-Durchschnitt zu keinem Zeitpunkt überschritten werden, und zwar weder rück- noch vorausgerechnet.329 Diese Ansicht kann sich 322 Schliemann spricht insoweit von der Schaffung eines „Polsters“ für anschließende werktägliche Arbeitszeiten von mehr als 8 Stunden durch vorherige Arbeitszeitverkürzung, in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 223. 323 s. dazu Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 39, 233 f.; vgl. auch Mente, Rahmenbedingungen, S. 42 f.; Junker, ZfA 1998, 105 (113). 324 Tietje, Grundfragen, S. 141. 325 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 13; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 223; vgl. auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 158. 326 Diese Wortwahl ist bedingt durch die in der Literatur häufig nicht stringent vorgenommene Trennung zwischen öffentlich-rechtlicher Ausgleichspflicht und betrieblicher Festlegung. 327 Vgl. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 233 ff., Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 158. 328 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 13; Oppolzer, AuR 1994, 41, 42 f.; insoweit zweifelnd wohl auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 158 und Mente, Rahmenbedingungen, S. 40 ff. (52).

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auf eine Formulierung in der Gesetzesbegründung330 stützen, wonach der Ausgleich in den folgenden 6 Kalendermonaten bzw. 24 Wochen zu erfolgen habe.331 Die Gegenmeinung332 hält den Ausgleich im Vorhinein für zulässig. Argumentiert wird mit dem Zweck des Gesetzes, Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu schaffen333, mit dem insofern eindeutigen Wortlaut334, der die Formulierung der Gesetzesbegründung gerade nicht aufgreift335 und damit, dass es für den Schutz vor Überbeanspruchung und damit den Gesundheitsschutz unerheblich sei, ob die Tage mit längerer Arbeitszeit am Anfang oder am Ende eines Ausgleichszeitraums liegen.336 Des Weiteren wird angeführt, dass es bereits nach § 3 AZO keine Rolle spielte, wann der Zeitausgleich erfolgte.337 Da im Gesetzgebungsverfahren keine Erörterung dieses Problems stattfand, schlussfolgert Schliemann, dass vom Gesetzgeber nur die quantitative Verlängerung des Ausgleichszeitraums, nicht aber seine qualitative Veränderung gewollt war.338 Hier wird zunächst deutlich, dass in diesem Fall von der überwiegenden Zahl der Autoren dem Flexibilisierungsziel des ArbZG gegenüber dem Gesundheitsschutz der Vorrang eingeräumt wird. Dies begegnet indessen Bedenken. Man wird zwar nicht bereits aus der Reihenfolge der in § 1 Nr. 1 ArbZG vorgenommenen Zwecksetzung den Schluss ziehen können, die angestrebte Flexibilität sei gegenüber dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Kollisionsfall stets nachrangig.339 Andererseits wird man es auch nicht dabei bewenden lassen können, die Gesetzeszwecke der Nr. 1 als gleichrangig nebeneinander stehend340 zu betrachten. Der Reihenfolge in § 1 ArbZG ist indessen keine Bedeutung beizumessen, denn das Gesetz selbst regelt nicht, welchem seiner Zwecke im Kon329 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 13; so noch Däubler, AR 2 (10. Aufl.), Rn. 4.2.2.1.; anders wohl in 11. Aufl. Rn. 203. 330 BT-Drs. 12/5888, S. 24; ebenso der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/6990, S. 40. 331 Roggendorf, ArbZG, § 3 Rn. 12. 332 So z. B. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG § 3 Rn. 23; Schliemann in: Schliemann/ Meyer, ArbZR, Rn. 233 f.; Zmarzlik, AR-Blattei, SD 240 Rn. 107. 333 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 225. 334 Tietje, Grundfragen, S. 142; Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (432). 335 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 224; Erasmy, NZA 1994, 1105 (1106). 336 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 31 ff.; Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 182 f.; Junker, ZfA 1998, 105 (114). 337 Denecke/Neumann, AZO, § 4 Rn. 17. 338 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 224, ihm folgend Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 182; Tietje, Grundfragen, S. 142. 339 So aber Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 7. 340 So Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 26.

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fliktfall Vorrang gebührt.341 Richtig erscheint es vielmehr, die Schutzziele im Einzelfall abzuwägen.342 Dabei wird man im Zweifel zu Gunsten des Gesundheitsschutzes auch dessen verfassungsrechtliche Absicherung in Art. 2 II GG mit zu berücksichtigen haben.343 Es ist zumindest sehr zweifelhaft, ob dem Gesundheitsschutz noch hinreichend Rechnung getragen ist, wenn die Arbeitszeitverlängerung im ersten Ausgleichszeitraum am Ende, im zweiten Ausgleichszeitraum am Anfang liegt. Die dadurch mögliche mehrmonatige 60-Stunden-Woche344 widerspricht dem Grundsatz des 8-Stunden-Tags und der 48-Stunden-Woche, die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegt.345 Baeck/Deutsch346 verweisen auf die Möglichkeit der Tarifpartner, gem. § 7 I Nr. 1 b ArbZG die Ausgleichszeiträume zu verlängern und begründen damit, dass der Gesetzgeber weder einen 12-monatigen noch 2 aufeinander folgende 6-monatige Ausgleichszeiträume für gesundheitsgefährdend erachtet. Dagegen ist aber einzuwenden, dass die Verlängerung des Ausgleichszeitraums nach der gesetzlichen Konzeption nicht per se möglich ist, sondern nur dann, wenn die Tarifparteien aufgrund ihrer besonderen Sachnähe unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung in der zu regelnden Branche dies für vertretbar erachten.347 Auch das Argument, vom Gesetzgeber sei gegenüber der AZO nur eine Verlängerung, aber keine qualitative Veränderung der Ausgleichszeiträume intendiert gewesen, überzeugt nicht. Denn das Problem der reziproken Gestaltung gewinnt gerade erst durch die Verlängerung des Ausgleichszeitraums an Bedeutung. Bei den vorher geltenden kürzen Zeiträumen war die Lage der Arbeitszeitverlängerung aus gesundheitlicher Sicht weniger relevant, da es sich i. d. R. um einen Zweiwochenzeitraum348 handelte, innerhalb dessen der Ausgleich erfolgen musste.349 Das Argument, der Gesetzgeber habe gerade auf die Formulierung 341 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 1 Rn. 10; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 41. 342 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 1 Rn. 10; Junker, ZfA 1998, 105 (106); Tietje, Grundfragen, S. 56 f. 343 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 1 Rn. 1; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 41. 344 Z. B. 6 Wochen keine Arbeit und 20 Wochen je 60 Stunden und umgekehrt, Erasmy NZA 1994, 1105 (1106). 345 So wohl auch Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 13, vgl. auch Mente, Rahmenbedingungen, S. 42 ff. 346 ArbZG, § 3 Rn. 38. 347 Vgl. BT-Drs. 12/5888, S. 20, 22, 26. 348 Vgl. § 4 I, II AZO: 2 bzw. 5 Wochen. 349 Im Übrigen haben die Mitglieder der SPD-Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in ihrer Stellungnahme (BT-Drs. 12/6990, S. 41) Kritik an der Eröffnung der Möglichkeit geübt, über fast ein halbes Jahr 60 Stunden anzuordnen. Bei reziproker Lage können aber 60 Stunden über 40 Wochen, also ein dreiviertel Jahr, angeordnet werden. Diese Variante wurde offensichtlich nicht in Erwägung gezogen.

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„folgende“ 6 Monate verzichtet, ist nicht stichhaltig. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich den Ausgleich auch mit vor der Arbeitszeitverlängerung liegenden Tagen für zulässig erachtet, hätte es näher gelegen, eine Formulierung wie in § 11 III 2 ArbZG zu verwenden („. . . innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von 8 Wochen . . .“). Es mögen sich die Auswirkungen auf die Gesundheit zwar kaum eindeutig nachweisen lassen.350 Dass die regelmäßige tägliche Arbeitszeit nicht über 8 Stunden betragen sollte, gilt aber seit langem in Arbeitswissenschaft und Arbeitsmedizin als gesicherte Erkenntnis.351 Eine jüngst veröffentlichte Studie352 über den Zusammenhang zwischen Überstunden und Schlafmangel mit dem Herzinfarktrisiko ergab, dass dieses bei langen Arbeitszeiten von über 60 Stunden pro Woche doppelt so hoch sei wie bei einer 40-Stunden-Woche. Zusätzlich stellt erhöhte Arbeitsintensität, zu der es bei effizientem Zeiteinsatz in Vertrauensarbeit kommt, gesteigerte Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten mit der möglichen Folge gesundheitlicher Belastungen.353 Die im 24-Stunden-Turnus erforderliche Erholung kann über den Tag hinaus nicht vor- oder nachgeholt werden. Die Regeneration der Arbeitskraft wird durch überlange tägliche Arbeitszeiten beeinträchtigt, so dass zusätzliche Leistungsreserven mobilisiert werden müssen. Geschieht dies andauernd unter Einsatz bewusster Willenanspannung, kann sich das Leistungsvermögen nicht mehr hinreichend regenerieren354, was gesundheitsschädigende Folgen haben kann. Auf der anderen Seite ist hinsichtlich des Flexibilisierungsziels zu berücksichtigen, dass für Kampagne- und Saisonbetriebe, für die die hier diskutierten Arbeitszeitgestaltungen besonders bedeutsam sind,355 gem. § 15 I Nr. 2 ArbZG die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung besteht. Beachtung verdient der Vorschlag Mentes356, die restriktive Ansicht mit der europarechtskonformen Auslegung des § 3 S. 2 ArbZG zu begründen. Dabei geht es hier aber nicht um die Reduktion auf einen 4-monatigen Berechnungszeitraum357, sondern darum, ob eine Auslegung des § 3 S. 2 ArbZG mit der 350 Ebenso Mente, Rahmenbedingungen, S. 50; vgl. auch Oppolzer, AuR 1994, 41 (42 f.), der einen zeitnahen Belastungsausgleich aus arbeitswissenschaftlicher Sicht für erforderlich hält. 351 Oppolzer, Ökologie der Arbeit, S. 141; ders., AiB 2003, 349 (350 f.). 352 Studie von der Guy’s und St. Thomas’ Stiftung und japanischen Wissenschaftlern, FAZ v. 11.7.2002, S. 7. 353 Oppolzer, Ökologie der Arbeit, S. 141. 354 Oppolzer, Ökologie der Arbeit, S. 139 f.; ders., AiB 2003, 349 (350 f.). 355 MünchArbR-Anzinger, § 218 Rn. 93. 356 Rahmenbedingungen, S. 47 ff., 52. 357 Jedoch ist bei Mente Ausgangspunkt der Argumentation die umstrittene Feststellung, dass § 3 S. 2 ArbZG aufgrund der Länge des Ausgleichszeitraums gegen Art. 16 Nr. 2 der RL 93/104/EG (entspr. Art. 16 lit. b RL 2003/88/EG) mit dem bloß 4-monatigen Ausgleichszeitraum verstößt, dazu etwa Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 12 m. w. N. und oben I. 2.

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Richtlinie vereinbar ist, die eine kontinuierliche 60-Stunden-Woche über einen Zeitraum von über 40 Wochen ermöglicht. Eine reziproke Gestaltung der Arbeitszeit ist nach der Richtlinie nicht ausgeschlossen.358 Legt man den 4-monatigen Ausgleichszeitraum zugrunde, so ergibt sich, dass bei reziproker Verteilung (!) nur über einen Zeitraum von 27,6 Wochen kontinuierlich 60 Stunden359 pro Woche bzw. über 21,2 Wochen hinweg die nach Gemeinschaftsrecht zulässigen 78 Wochenstunden gearbeitet werden dürfte.360 In Anbetracht dieser enormen Diskrepanz gegenüber der bei entsprechender Auslegung des § 3 S. 2 ArbZG möglichen Höchstbelastung für die Dauer von 40 Wochen, lässt sich – jedenfalls in dieser Konstellation – kaum noch begründen, dass die deutsche Regelung günstiger wäre.361 Die besseren Argumente sprechen damit wohl eher für einen Ausgleich lediglich mit nach der Verlängerung liegenden Arbeitstagen und damit gegen die „reziproke Verteilung“ von Höchstarbeitszeiten. d) Behandlung von Krankheits- und Urlaubstagen sowie Tagen sonstiger Arbeitsbefreiung Weiterhin stellt sich die Frage, ob in den Zeitausgleich Zeiten der Nichtleistung wegen Krankheit und Urlaub sowie Tage sonstiger Arbeitsbefreiung einzubeziehen sind.362 Hat etwa ein Arbeitnehmer an 6 Werktagen je 10 Stunden gearbeitet und damit die 8-Stunden-Grenze um 12 Stunden überschritten, und war er anschließend 2 Tage arbeitsunfähig krank, ist fraglich, ob der Zeitausgleich von 12 Stunden schon durch die krankheitsbedingte Fehlzeit verwirklicht wurde, oder ob er zusätzlich zu erfolgen hat, wenn die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt ist. Aus dem Gesetzeswortlaut geht nicht hervor, wie arbeitsfreie Tage im Rahmen des Zeitausgleichs zu berücksichtigen sind. Einigkeit herrscht darüber, dass Samstage zum Zeitausgleich als arbeitsfreie Tage herangezogen werden können, auch wenn an ihnen im Betrieb regelmäßig nicht gearbeitet wird363, nicht aber gesetzliche Wochenfeiertage364. 358

Mente, Rahmenbedingungen, S. 49. So unter Zugrundelegung der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden gem. § 3 ArbZG. 360 4 Monate entsprechen 17,3 Wochen. In dieser Zeit kann das Stundenvolumen 830,4 Stunden (= 17,3  48 Stunden) betragen. 830,4 Stunden : 60 bzw. 78 Stunden = 13,84 bzw. 10,6 Wochen. 361 Vgl. aber oben I. 2. 362 Zur Durchführung des Zeitausgleichs allgemein s. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 3 Rn. 25 f. 363 Vgl. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 253; Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (432). 359

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Wie Krankheits-, Urlaubstage und Tage sonstiger Arbeitsbefreiung zu bewerten sind, wird dagegen unterschiedlich beurteilt. Es handelt sich dabei um ein komplexes Problem, das an dieser Stelle nicht umfassend erörtert werden kann.365 Nach einer Auffassung366 können diese genannten arbeitsfreien Tage zum Zeitausgleich herangezogen werden, denn der gemeinsame Zweck des ArbZG und der Arbeitsbefreiungen wegen Krankheit oder Urlaubs sei der Gesundheitsschutz. Da nach Krankheitstagen die Arbeitsfähigkeit erst wieder nach vollständiger Genesung eintrete, sei der Gesundheitsschutz ausreichend gewährleistet. Tage sonstiger Arbeitsbefreiung367 dienten ebenfalls der Entspannung. Im Übrigen sei damit dem Flexibilisierungszweck des Gesetzes besser Rechnung zu tragen. Nach der wohl überwiegenden Gegenauffassung368 sind Urlaubs- und Krankheitstage nicht für den Zeitausgleich heranzuziehen. Der Zweck des Urlaubs gehe über den Gesundheitsschutz hinaus, indem er die Möglichkeit einer längeren Erholungsphase bieten soll. Dieser – den gesetzlichen Zeitausgleich ergänzende – Zweck würde gefährdet, wenn Urlaubstage für verlängerte Arbeitszeiten in Anrechnung zu bringen wären.369 Krankheitstage sind häufig mit Missempfindungen verbunden, so dass die mit dem Zeitausgleich angestrebte Regeneration von der Arbeit (nicht von der Krankheit) und die Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung nicht in ausreichendem Maße gewährleistet werden kann.370 Weiter wird argumentiert, dass gem. Art. 16 lit. b) RL 2003/88/EG Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts unberücksichtigt oder neutral bleiben.371 Gemeinschaftsrechtsbzw. richtlinienkonforme Auslegung müsse dazu führen, derartige Tage entwe-

364 Buschmann/Ulber, ArbZG § 3 Rn. 7a; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 257. 365 Vgl. dazu etwa Tietje, Grundfragen, S. 149 ff. 366 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 31, ihm folgend bzgl. der Urlaubstage Tietje, Grundfragen, S. 152. 367 Z. B. Rosenmontag, Heiligabend. 368 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 41; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 7a; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 257; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 21; Anzinger, BB 1994, 1492 (1493); ders., FS Wlotzke, S. 427 (433); Junker, ZfA 1998, 105 (112); zweifelnd Erasmy, NZA 1994, 1105 (1107). 369 Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (433); Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 257, anderes soll wiederum für bezahlten Sonderurlaub gelten, weil sich dessen Zweck in einer Arbeitsfreistellung erschöpfe. 370 Vgl. auch Tietje, Grundfragen, S. 154 f. 371 Die Argumentationen stützen sich noch auf den insoweit unverändert gebliebenen Art. 16 Nr. 2 RL 93/104/EG.

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der unberücksichtigt zu lassen372 oder neutral mit 8 Stunden zu bewerten.373 Uneinigkeit besteht darüber hinaus bezüglich der Tage sonstiger Arbeitsbefreiung. Nach Schliemann374 beispielsweise können Arbeitsbefreiungen aus besonderen Anlässen nicht dem Zeitausgleich des § 3 S. 2 ArbZG dienen.375 Die Gegenmeinung376 wird damit begründet, dass insoweit keine Vorgaben der Richtlinie bestehen.377 Wegen ihrer besonderen Genesungs- bzw. Erholungszwecke ist es überzeugend, Krankheits- und Urlaubstage nicht für den Zeitausgleich heranzuziehen, während sonstige Tage der Arbeitsbefreiung, die in der gesellschaftlichen Sphäre wurzeln, durchaus in Ansatz gebracht werden können. Allein die Tatsache, dass es sich um eine zweckbestimmte Arbeitsbefreiung378 handelt, rechtfertigt nicht, diese Tage nicht für den Zeitausgleich heranzuziehen. II. Einhaltung von Ruhepausen, § 4 ArbZG Immer wieder wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit sich der Arbeitgeber seiner Verantwortung für die Pausenregelung entledigen kann. Das ArbZG bestimmt in § 4, dass bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden täglich spätestens nach 6 Stunden eine Ruhepause zu gewähren ist. Bei einer Arbeitszeit zwischen 6 und 9 Stunden muss die Dauer der Ruhepausen insgesamt 30 Minuten betragen. Bei Arbeitszeiten über 9 Stunden verlängert sich die Dauer der vorgeschriebenen Ruhepausen auf 45 Minuten. Die Pausen können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Jede kürzere Arbeitsunterbrechung kann nicht als Ruhepause i. S. d. § 4 ArbZG gewertet werden.379 Besonderheiten bestehen für Jugendliche und Mütter.380 Abweichende Regelungen zur Dauer der Pausen können die Tarif-, in Ausnahmefällen auch die Betriebspartner bzw. die Arbeitsvertragsparteien gem. § 7 372 Was nach Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 41 die Verlängerung des Ausgleichszeitraums zur Folge hat; ähnlich ErfK-Wank, ArbZG § 3 Rn. 12; Junker, ZfA 1998, 105 (112). 373 So Zmarzlik/Anzinger, ArbZG § 3 Rn. 47. 374 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 257. 375 So auch Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 7a. 376 Z. B. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 3 Rn. 38. 377 Junker, ZfA 1998, S. 105 (112), wohl auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 41, 42. 378 So aber Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 257. 379 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 10. 380 Jugendlichen muss gem. § 11 JArbSchG bereits bei einer Arbeitszeit von mehr als viereinhalb Stunden eine Pause von 30 Minuten, bei einer Arbeitszeit von über sechs Stunden eine Pause von 60 Minuten gewährt werden. Mutterschutzrechtlich bestehen keine besonderen Regelungen. Jedoch haben stillende Mütter Anspruch auf bezahlte Stillzeiten nach näherer Maßgabe des § 7 MuSchG.

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I Nr. 2, II Nr. 3 und 4, III sowie gem. § 8 S. 1 ArbZG die Bundesregierung durch Rechtsverordnung treffen. In außergewöhnlichen Fällen darf gem. § 14 ArbZG von den gesetzlichen Vorgaben abgewichen werden. Wie sich aus § 22 I Nr. 2 ArbZG ergibt, ist die Gewährung der Pausen eine Pflicht des Arbeitgebers. Diese verletzt er, wenn er die Pausengestaltung der einvernehmlichen Regelung einer Gruppe von Arbeitnehmern überlässt und die Arbeitnehmer eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Regelung nicht treffen oder die getroffene Regelung tatsächlich nicht durchführen.381 Daraus zieht eine Auffassung die weitgehende Konsequenz, dass der Arbeitgeber die Pausengestaltung überhaupt nicht den Mitarbeitern überlassen dürfe, sondern die Pausen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat selbst festlegen müsse.382 Die überwiegende Auffassung hält es aber im Interesse einer möglichst flexiblen Arbeitszeitgestaltung für vom Gesetz gedeckt, das Pausenbestimmungsrecht beispielsweise einer Arbeitnehmergruppe zu übertragen, sofern der Arbeitgeber in diesem Fall überwacht, dass sich die Arbeitnehmer gesetzmäßig verhalten.383 Während im Rahmen von traditionellen Gleitzeitmodellen durch die Existenz von Regelungen384 und deren Überwachung noch eine gewisse Gewähr dafür bestehen mag, dass der Arbeitgeber die rechtzeitige Arbeitsunterbrechung und tatsächliche Einhaltung der Pausen durch die Arbeitnehmer sicherstellen kann,385 ist dies bei Vertrauensarbeitszeitmodellen, bei denen auf Regelungen und Kontrolle ganz verzichtet wird, kaum noch vorstellbar. Abgesehen von der im Kontext der Durchführung des Gesetzes386 noch zu erörtenden Frage, ob die Dezentralisierung und Delegation von Arbeitszeitfragen an den einzelnen Arbeitnehmer die Verantwortung des Arbeitgebers aufheben kann, sind Vertrauensarbeitszeitgestaltungen bereits im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ruhepause problematisch. Hinsichtlich der Definition von ,Ruhepause‘ sei nach oben387 verwiesen. Hier genügt die Feststellung, dass Ruhepause eine voraussehbare Unterbrechung der Arbeitszeit von vorherbestimmter Dauer ist, die der Erholung dient.388 Alle weiteren, darüber hinausgehenden Anforderungen ergeben sich aus dem Wort381 BAG v. 27.2.1992 AP Nr. 5 zu § 3 AZO Kr; so auch LAG Baden-Württemberg v. 14.10.1998 ZTR 1999, 365 (366). 382 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 4 Rn. 7. 383 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 32; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 298; in diesem Sinne auch Junker, ZfA 1998, 105 (116). 384 Zu Gestaltungsoptionen bei Gleitzeit s. etwa Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 103. 385 Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 32. 386 C. II. 2. 387 I. 5. b). 388 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 50; Junker/u. a., Zukunft der Arbeitswelt, S. 49.

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laut des § 4 ArbZG.389 Bei Vertrauensarbeitszeit ist v. a. der Umstand von einiger Brisanz, dass Ruhepausen gem. § 4 S. 1 ArbZG „im Voraus“ feststehen müssen. Da in sog. „selbststeuernden“390 Arbeitszeitsystemen die Beschäftigten selbst entscheiden sollen, wann sie ihre Pause nehmen, werden solche Arbeitszeitmodelle vereinzelt vor diesem Hintergrund als rechtswidrig bezeichnet.391 Diskutiert wurde das Problem bereits im Rahmen der herkömmlichen Gleitzeitmodelle: In Bezug auf das gesetzliche Erfordernis einer gewissen zeitlichen Fixierung der Pause („feststehend“) werden zum einen wegen des Wortlauts des § 4 S. 1 ArbZG392, zum anderen wegen der entstehenden Rechtsunsicherheit bereits gegen die – bei Gleitzeit übliche – bloß rahmenmäßige Pausenbestimmung Bedenken erhoben393. Die h. M. lässt jedoch bei Gleitzeitmodellen die Festlegung eines Rahmens genügen, innerhalb dessen die Arbeitnehmer die Pause nehmen sollen.394 Dies trägt dem Gesetzeszweck der Flexibilisierung gem. § 1 Nr. 1 ArbZG Rechnung und steht im Einklang mit der Entwurfsbegründung des ArbZG395. Da bei Vertrauensarbeitszeit regelmäßig nicht einmal ein solcher Rahmen mehr feststeht, ist sie selbst unter Zugrundelegung der h. M. problematisch. Im Hinblick auf das Merkmal „im Voraus“ stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt feststehen muss, wann eine Pause genommen werden kann. Nach überwiegender Auffassung soll dies bereits zu Beginn der täglichen Arbeitszeit der Fall sein.396 Der geforderte zeitliche Abstand zum Beginn der Pause wird damit begründet, dass es für den Erholungszweck erforderlich sei, dass der Arbeitnehmer sich auf die Pause einstellen kann.397 Der Erholungszweck werde nicht erreicht, wenn die Pause plötzlich über den Arbeitnehmer „hereinbrechen“

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Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 3. s. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 14. 391 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 4 Rn. 7; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 28 f.; ders., AiB 2003, 232. 392 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 29; zum uhrzeitgenauen Feststehen der Pause LAG Baden-Württemberg v. 14.10.1998 ZTR 1999, 365. 393 So etwa Buschmann/Ulber, ArbZG, § 4 Rn. 8; Tietje, Grundfragen, S. 120. 394 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rn. 32; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 304; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 27; Junker, ZfA 1998, 105 (115), mit dem „Argument“, dass anderenfalls alle Gleitzeitmodelle rechtswidrig wären; LAG Baden-Württemberg, ZTR 1999, 365 f. 395 BT-Drs. 12/5888, S. 24, wonach es genügt, wenn am Beginn des Arbeitstags ein zeitlicher Rahmen für die Pause feststeht. 396 Vgl. BT-Drs. 12/5888, S. 24; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 4 Rn. 8; Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 53; Kraegeloh, ArbZG, § 4 Rn. 1; Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rn. 2 f.; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 25; Tietje, Grundfragen, S. 120 f.; BAG v. 27.2.1992 AP Nr. 5 zu § 3 AZO Kr = DB 1992, 2247 (2248); v. 23.9.1992 AP Nr. 6 zu § 3 AZO Kr; weitergehend LAG Baden-Württemberg v. 14.10.1998, ZTR 1999, 365 wonach der genaue Zeitpunkt der Pause bei Arbeitsbeginn feststehen muss. 397 Vgl. etwa Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 3; Tietje, Grundfragen, S. 120. 390

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könnte. Deshalb dürfe eine unvorhergesehene Betriebsunterbrechung398 nicht nachträglich in eine Ruhepause umgewidmet werden.399 Dagegen erachtet Schliemann400 es für den Erholungszweck als ausreichend, wenn die Dauer der Pause erst bei ihrem Beginn feststeht. In dieser Weise hat sich auch das BAG in einer Entscheidung vom 29.10.2002 geäußert.401 Deshalb wird man z. B. eine Betriebspause auch als Ruhepause i. S. v. § 4 ArbZG werten können, wenn der Arbeitnehmer von der Verpflichtung freigestellt wird, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu halten, die Dauer der Arbeitsunterbrechung spätestens an ihrem Beginn feststeht und die von § 4 geforderte Dauer und Lage hat.402 Erforderlich ist aber in jedem Fall eine Unterbrechung der Arbeitszeit403, weshalb etwa auch eine variable Pausengestaltung für unzulässig erachtet wird, bei der Pausen in kundenschwache Zeiten gelegt werden und zu unterbrechen sind, wenn Kundschaft erscheint.404 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Erholungseffekt nicht erreicht werden kann, wenn die Pause kurz nach Arbeitsbeginn oder kurz vor dem Ende des Arbeitstags liegt.405 Eine vollständige Freigabe der Pausengestaltung in Vertrauensarbeitszeitmodellen dürfte mithin auch durch die von der h. M. vorgenommene Auslegung des § 4 ArbZG, wonach für die Vorausfestlegung der Ruhepause auch eine rahmenmäßige Bestimmung ausreicht, nicht mehr gedeckt sein. Erwähnenswert ist deshalb der Vorschlag von Tietje406, im Hinblick auf das Flexibilisierungsziel des ArbZG eine teleologische Reduktion des § 4 ArbZG vorzunehmen. Denn wenn der Arbeitnehmer seine Pause selbst festlegen könne, werde der Schutzzweck auch ohne Vorausfestlegung erfüllt. Die Entscheidung für oder gegen eine Pause erlaube deren individuelle Voraussehbarkeit, so dass sich der Arbeitnehmer auf sie einstellen könne. Ein Festhalten am Erfordernis 398 Gemeint sind die von den Pausen i. S. d. § 4 ArbZG abzugrenzenden sog. Betriebspausen, (BAG v. 23.11.1960 AP Nr. 6 zu § 12 AZO) bzw. arbeitsablaufbedingte Wartezeiten, Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 7. 399 Junker, ZfA 1998, 105 (115); vgl. auch ErfK-Wank, ArbZG § 4 Rn. 7. 400 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 303. 401 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft = ArbRB 2003, 168. 402 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 294; vgl. auch BAG v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft; s. auch Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 7. 403 BAG AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft; vgl. auch LAG Baden-Württemberg v. 14.10.1998 ZTR 1999, 365 (366). 404 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 4 Rn. 7; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 39 Rn. 11, a. A. Junker, ZfA 1998, 105 (117). 405 Baeck/Deutsch, ArbZG § 4 Rn. 22; Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rn. 6; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 4 Rn. 16 ff. Wie groß der zeitliche Abstand sein muss, ergibt sich aus dem Gesetz zwar nicht (vgl. aber § 11 II 1 JArbSchG: 1 Stunde); arbeitsphysiologisch sinnvoll sind Ruhepausen aber nur, wenn sie so liegen, dass innerhalb des Arbeitstags ihre Zwecke, Nahrungsaufnahme und Erholung, erfüllt werden. 406 Grundfragen, S. 121.

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der Vorausfestlegung würde dem Flexibilisierungsziel des ArbZG (§ 1 Nr. 1 Alt. 2 ArbZG) entgegen stehen. Allerdings sei eine rahmenmäßige Festlegung zu Beginn des Arbeitstages aber bereits dann erforderlich, wenn die konkrete Lage der Pause eine Abstimmung mit Kollegen erfordere oder von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig wäre. Unter der von Tietje selbst aufgestellten Bedingung, dass die freie Entscheidungsmöglichkeit nicht nur formell, sondern auch faktisch gewahrt sein müsse, könnte diese Auffassung eine mögliche Lösung sein. Wird die Pause am Arbeitsplatz verbracht, so besteht aber bei unzureichender personeller Besetzung u. U. die Gefahr, dass betriebliche Bedürfnisse, wie z. B. Kundenverkehr, den Arbeitnehmer an der geplanten Pause hindern. In derartigen Konstellationen werden Gesetzesverletzungen bei Vertrauensarbeitszeit regelmäßig vorkommen. III. Einhaltung der Ruhezeit (§ 5 ArbZG) und Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot (§§ 9 ff. ArbZG) 1. Ruhezeit Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist dem Arbeitnehmer gem. § 5 I ArbZG eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren; für Jugendliche ist gem. § 13 JArbSchG eine tägliche Freizeit von mindestens 12 Stunden einzuhalten. In Ermangelung einer gesetzlichen Definition wird formal als Ruhezeit der Zeitraum zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und dem Beginn der nächsten täglichen Arbeitszeit bzw. zwischen zwei Arbeitsschichten bezeichnet.407 Nach § 5 II und III ArbZG kann in bestimmten Branchen die Ruhezeit verkürzt und zu anderen Zeiten ausgeglichen werden. Abweichende Regelungen können wiederum die Tarifparteien, u. U. auch die Betriebspartner und Arbeitsvertragsparteien treffen, § 7 I Nr. 3; II; II a; III ArbZG408. Gesetzliche bzw. behördliche Ausnahmen sind gem. §§ 14 und 15 ArbZG unter den dort genannten Voraussetzungen möglich. 2. Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot Da der grundgesetzliche Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe gem. Art. 140 GG i.V. m. Art. 139 WRV nach h. M. eine institutionelle Garantie enthält409, 407 408 409

Statt vieler Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 5 Rn. 5. Vgl. außerdem § 7 IV, V ArbZG. Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Benda, Sonntagsarbeit, S. 21 Fn. 46.

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besteht gem. § 9 ArbZG410 im Grundsatz das Verbot von Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen411, von dem aber verschiedene Ausnahmen vorgesehen sind.412 In § 10 ArbZG lässt das Gesetz selbst in definierten Bereichen Beschäftigung zu413; für Notfälle und außergewöhnliche Fälle ergibt sich das aus § 14 ArbZG. §§ 13 I, II; 15 III ArbZG ermöglichen weitere Ausnahmen durch Rechtsverordnung. Behördliche Ausnahmen sind nach § 13 III–V; 15 II ArbZG möglich.414 Schließlich besteht auch für die Tarifparteien durch § 12 ArbZG die Möglichkeit zur Schaffung abweichender Regelungen415 bzgl. der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung. Wird aufgrund einer der Ausnahmevorschriften zulässigerweise gearbeitet, so sind die Vorgaben des § 11 I–III ArbZG zu beachten. Durch den Verweis in § 11 II ArbZG auf §§ 3–8 ArbZG ergibt sich eine zulässige Höchstarbeitszeit von 8 Stunden mit der Verlängerungsmöglichkeit auf 10 Stunden. Ob dies zur Folge hat, dass in einzelnen Wochen 70 Stunden zulässig sind, weil an den anderen 6 Tagen auch bereits 10 Stunden gearbeitet wurden, wird unterschiedlich beurteilt. Da Sonntagsarbeit immer Bestandteil der 48- (bzw. 60-)Stunden-Woche sei, wird dies z. T. nicht für zulässig gehalten. Die 48- bzw. 60-StundenWoche sei daher immer einzuhalten.416 Dagegen spricht aber, dass das ArbZG 410 Neben dem ArbZG gelten die VO über Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Eisen- und Stahlindustrie i. d. F. v. 31.7.1968 (BGBl. I S. 886), zul. geänd. durch Gesetz v. 6.6.1994 (BGBl. I S. 1170) und die VO über Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Papierindustrie v. 20.7.1963 (BGBl. I S. 491), zul. geänd. durch Gesetz v. 6.6.1994 (BGBl. I S. 1170) weiter. Für das Fahrpersonal hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit auf Art. 6 VO Nr. 3820/85 und Art. 9 AETR und § 6 FahrpersonalVO zu verweisen. Für Arbeitnehmer in Verkaufsstellen i. S. d. § 1 LadenschlussG ist § 17 LadenschlussG zu beachten. 411 Als Feiertage gelten sowohl bundesrechtlich (z. B. der 3. Oktober) als auch landesgesetzlich entsprechend den unterschiedlichen Traditionen und gewachsenen kulturellen Gewohnheiten festgelegte (Art. 70 I GG) Feiertage; vgl. Buschmann/Ulber, ArbZG, § 9 Rn. 4. 412 Gegen die durch diesen Regelungskomplex vorgenommene Ausweitung der Sonnund Feiertagsarbeit im „puren ökonomischen Interesse“ (BT-Drs. 12/6990, S. 41) werden allerdings im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot des Schutzes der Sonnund Feiertagsruhe (Art. 140 GG i.V. m. Art. 139 WRV) erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, vgl. Buschmann/Ulber, ArbZG, § 9 Rn. 1. 413 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das Unternehmen zwar selbst prüfen; angesichts der hohen Anforderungen und der Sanktionsbewehrtheit (§ 22 I Nr. 5, § 23 ArbZG) ist jedoch empfehlenswert, eine Feststellung der Zulässigkeit gem. § 13 III Nr. 1 ArbZG beim Gewerbeaufsichtsamt zu beantragen; Schlachter, Anm. zu BVerwG v. 19.9.2000 EWiR 2000 § 9 ArbZG 1/2000, S. 1091 (1092). 414 Vgl. dazu BVerwG v. 19.9.2000 EWiR 2000 § 9 ArbZG 1/2000, S. 1091 m. Anm. Schlachter. 415 Dies kann auch auf Grund des Tarifvertrags durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen geschehen. 416 So Buschmann/Ulber, ArbZG, § 11 Rn. 5, Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 689.

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wochenbezogene Höchstarbeitszeiten nicht kennt.417 Insofern kann ausnahmsweise eine Wochenarbeitszeit von 70 Stunden entstehen. Dies entspricht auch der RL 2003/88/EG.418 Trotz Sonntagsarbeit müssen mindestens 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben, § 11 I ArbZG. Für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung muss gem. § 11 III ArbZG innerhalb eines 2- (bzw. 8-)Wochen-Zeitraums ein Ersatzruhetag gewährt werden. Es ist unschwer vorstellbar, dass auch die Einhaltung der Ruhezeit und des grundsätzlichen Sonn- und Feiertagsarbeitsverbots unter den Bedingungen der Vertrauensarbeitszeit kaum sicherzustellen ist, wenn sämtliche arbeitgeberseitigen Vorgaben und Kontrollen wegfallen. Ob zu diesen Zeiten gearbeitet wird, hängt auch von weiteren Bedingungen ab, etwa vom Zugang zum Betrieb bzw. zum unternehmenseigenen IT-Netz sowie davon, ob die (geistige) Tätigkeit auch zu Hause vorgenommen werden kann. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, durch eine entsprechende Arbeitszeitgestaltung das Gebot des § 5 ArbZG einzuhalten. Durch welche arbeitsvertragliche Gestaltung dies erreicht wird, wird nicht vorgeschrieben, sofern sich tatsächlich an die Beendigung der werktäglichen Arbeitszeit der vorgegebene Mindestruhezeitraum anschließt.419 Gleiches gilt für das grundsätzliche Verbot der Sonntagsarbeit. IV. Zusammenfassung Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit können gegen § 3 ArbZG verstoßen, indem sie den durchschnittlichen 8-Stunden-Tag und die Höchstgrenze von 10 Stunden überschreiten. Dabei gilt einerseits, dass arbeitszeitrechtlich auch un- oder minderproduktive Zeiten nur dann von der Arbeitszeitbewertung ausgenommen werden können, wenn es sich um Arbeitsunterbrechungen handelt, deren Dauer im Voraus feststeht und in denen unter keinem Gesichtspunkt eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht. Hinsichtlich des Zeitausgleichs gem. § 3 S. 2 ArbZG ist festzuhalten, dass die Norm weder die Festlegung eines Ausgleichszeitraums noch eine Planung 417 So auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 46; eine 70-Stunden-Woche für möglich halten auch Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 11 Rn. 21, sofern im Durchschnitt eines halben Jahres 48 Stunden pro Woche nicht überschritten werden; s. auch Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 121; Erasmy, NZA 1995, 97 (103). 418 Danach sind vorübergehend 78 Stunden pro Woche zulässig, wie sich aus Art. 3; 5; 6; 16 Nr. 2 ergibt: Die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden muss nur im Durchschnitt erreicht sein; mittelbar folgt aus Art. 3, dass die tägliche Arbeitszeit 13 Stunden betragen darf; unter Berücksichtigung der wöchentlichen Ruhezeit von 24 Stunden kann an 6 Tagen 13 Stunden gearbeitet werden. 419 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 5 Rn. 16.

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des Zeitausgleichs verlangt und insofern der Vertrauensarbeitszeit nicht entgegen steht. Die völlige Freigabe der Pausengestaltung wäre mit § 4 ArbZG vereinbar, wenn durch teleologische Reduzierung der Norm auf das Erfordernis des vorherigen Feststehens verzichtet wird und es ausreicht, dass die Pause individuell planbar ist, und wenn die Umstände die Einhaltung der Pause auch tatsächlich erlauben. Bezüglich der sonstigen Vorschriften des ArbZG verstärkt Vertrauensarbeitszeit die Gefahr, dass ihre Einhaltung aufgrund Unkenntnis der Arbeitnehmer nicht gewährleistet ist und dass Verstöße nicht transparent werden.

C. Regelungsmechanismen zur Einhaltung des ArbZG Das Gesetz hat dem hohen Rang des Gesundheitsschutzes entsprechend Maßnahmen zur Durchsetzung und Überwachung vorgesehen. Diese sind aber noch vor dem Hintergrund des „Normalarbeitsverhältnisses“ entstanden und könnten sich gegenüber Vertrauensarbeitszeitvereinbarungen als weniger wirksam erweisen. Mit Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit soll auch die Verantwortung für die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften den Beschäftigten selbst übertragen werden.420 Normadressat im Hinblick auf die Erfüllung der Vorschriften des Arbeitszeitrechts als Teil des sozialen Arbeitsschutzes ist aber der Arbeitgeber.421 Die Durchführung des Arbeitsschutzes im Betrieb ist im Rahmen seiner Organisations- und Leitungsmacht seine Aufgabe422, wenngleich auch andere Beteiligte, u. a. der Betriebsrat, mitwirken.423 Bei der rechtlichen Verantwortung für die Durchführung des Arbeitsschutzes ist zwischen verwaltungsrechtlicher424, bußgeld- und strafrechtlicher425 sowie zivilrechtlicher426 Verantwortung zu unterscheiden.427

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s. Trittin, NZA 2001, 1003 (1005). MünchArbR-Wlotzke, § 206 Rn. 2; § 207 Rn. 1, 6 ff.; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 94. 422 Vgl. etwa BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 423 MünchArbR-Wlotzke, § 208 Rn. 13, 20, 30 ff. 424 Diese resultiert aus den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers und bezieht sich auf deren Vollzug durch die zuständigen Behörden, vgl. § 17 ArbZG. 425 Resultierend aus den Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts (§§ 9; 30, 130 OWiG; § 14 StGB) und §§ 22, 23 ArbZG. 426 Diese bezieht sich auf die schuldrechtliche Verpflichtung zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen. 427 MünchArbR-Wlotzke, § 208 Rn. 1 ff. 421

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I. Sanktionierung durch Bußgeld- und Strafvorschriften Wie sich aus § 22 I ArbZG ergibt, können Verstöße des Arbeitgebers gegen Pflichten aus dem ArbZG oder aus auf dessen Grundlage erlassener Rechtsverordnungen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden428. Auf die Frage, inwiefern sich der Arbeitgeber seiner Haftung durch Delegation der Verantwortung auf die Beschäftigten entledigen kann, wird unten429 im Zusammenhang mit der Aufzeichnungspflicht gem. § 16 II ArbZG eingegangen werden. Die dortigen Ausführungen sind aber übertragbar auf sämtliche andere Vorschriften, deren Einhaltung das Gesetz vom Arbeitgeber verlangt. Ergänzend ist zu erwähnen, dass § 23 ArbZG einige der in § 22 ArbZG genannten Verstöße gegen das ArbZG zu Straftaten erhebt. Voraussetzung ist gem. § 23 I Nr. 1 ArbZG die vorsätzliche Gefährdung von Gesundheit oder Arbeitskraft der Arbeitnehmer bzw. nach Nr. 2 ein beharrliches Wiederholen der Verstöße, durch das der Arbeitgeber seine rechtsfeindliche Einstellung gegenüber dem ArbZG erkennen lässt.430 Bei Vertrauensarbeitszeit dürfte die Vorschrift weitgehend ins Leere laufen, wenn der Arbeitgeber gesetzeswidrige Arbeitszeiten nicht ausdrücklich anordnet. II. Öffentlich-rechtliche Durchsetzungsmechanismen und verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers Wie die gesetzlichen Vorgaben verwaltungsrechtlich durchgesetzt werden können, richtet sich auch bei der Vertrauensarbeitszeit nach den §§ 16 und 17 ArbZG, in denen die Durchführung des Arbeitszeitgesetzes geregelt ist. 1. Überwachungs- und Durchführungstätigkeit der Aufsichtsbehörden Die Überwachung der Einhaltung des Gesetzes und der aufgrund des Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen erfolgt gem. § 17 I ArbZG durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden als Aufsichtsbehörden. Dies sind überwiegend die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter bzw. die Ämter für Arbeitsschutz.431 Sie sollen durch Beratung und Unterrichtung der Betriebe, aber auch durch Anordnungen von Maßnahmen Gesetzesverstöße verhindern. Die diesbe428

Die Höhe der Geldbuße kann gem. Abs. 2 bis zu 15.000 Euro betragen. II. 2. b) bb). 430 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 169. 431 Mit der in § 17 ArbZG vorgenommenen Übertragung der Aufsicht über die Ausführung des ArbZG auf staatliche Behörden wird den Vorschriften des Gesetzes ein zwingender öffentlich-rechtlicher Charakter verliehen; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 17 Rn. 2. 429

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zügliche generalklauselartige Ermächtigung in § 17 II ArbZG432 betrifft zum einen das aufsichtsbehördliche Verwaltungsverfahren und -handeln, zum anderen die Zuständigkeit zur Verfolgung der in § 22 ArbZG aufgezählten Ordnungswidrigkeiten.433 Die Überwachungstätigkeit setzt keinen Verdacht auf das Vorliegen von Rechtsverstößen voraus.434 Nach § 17 IV ArbZG kann die Aufsichtsbehörde vom Arbeitgeber die für die Durchführung des ArbZG erforderlichen Auskünfte435 verlangen. Auskunftspflichtig ist nur der Arbeitgeber. Eine unmittelbare Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber der Aufsichtsbehörde oder eine generelle Auskunftspflicht des Betriebsrats besteht nach dem ArbZG nicht. Arbeitnehmer können allenfalls im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens als Zeugen angehört werden, sofern kein Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Das in § 17 VI ArbZG enthaltene Auskunftsverweigerungsrecht bezieht sich nach dem Wortlaut nur auf Auskünfte, nicht aber auf Einsichtnahme in und Herausgabe von Unterlagen. Eine Anwendung des Auskunftsverweigerungsrechts entgegen dem Wortlaut auch auf die Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen nach § 17 IV 2 ArbZG436 wird schon aus praktischen Gründen abgelehnt, da sich Verstöße anderenfalls vielfach gar nicht feststellen ließen.437 Die Einhaltung des ArbZG hängt nach der gesetzlichen Konzeption maßgeblich von der Tätigkeit der Aufsichtsbehörden ab. Angaben über Ressourcen und Aktivitäten des überbetrieblichen Arbeitsschutzes durch die Gewerbeaufsicht finden sich etwa in den Unfallverhütungsberichten der Bundesregierung. So wa432 Zu den erforderlichen Maßnahmen zählen Belehrungen und Aufforderungen zu gesetzmäßigem Handeln, wenn Verstöße festgestellt wurden. Bei derartigen Anordnungen handelt es sich um Einzelfallverfügungen i. S. d. § 35 VwVfG, i. d. R. die Untersagung der Beschäftigung von Arbeitnehmern über den gesetzlich zulässigen Arbeitszeitrahmen hinaus; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 17 Rn. 10. Auch gesetzeswiederholende Anordnungen mit Zwangsgeldandrohung (unselbstständige Verfügungen) können zur Durchsetzung des ArbZG getroffen werden; vgl. VGH München GewA 1994, 192; BVerwG GewA 1990, 25. Die Durchsetzung der Anordnung erfolgt ggf. im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder und den darin vorgesehenen Zwangsmitteln unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In Betracht kommt i. d. R. das Zwangsgeld, ggf. die Inanspruchnahme der Vollstreckungshilfe der Polizeivollzugsbehörden oder im Extremfall die Betriebsstilllegung im Wege unmittelbaren Zwangs; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 17 Rn. 11. 433 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 892. 434 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 17 Rn. 8. 435 Auf Verlangen muss der Arbeitgeber Unterlagen zur Arbeitszeit sowie Tarifverträge und Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen aushändigen, damit die Behörde ihren Überwachungsauftrag erfüllen kann. Die Auskunftspflicht wird wirksam, wenn die Behörde eine bestimmte Auskunft verlangt. Von sich aus muss der Arbeitgeber keine Auskünfte erteilen, er kann auch nicht zur fortlaufenden Auskunftserteilung verpflichtet werden (Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 17 Rn. 19). 436 So Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 168. 437 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 17 Rn. 38; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 17 Rn. 33.

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ren z. B. 2001 in Deutschland438 4238 Gewerbeaufsichtspersonen beschäftigt.439 In insgesamt 507.224 Besichtigungen (2000: 521.523) wurden 214.370 Betriebe (2000: 173.261) besichtigt.440 Im Zeitraum von 1998–2001 ist die Anzahl der Besichtigungen um knapp 10% und die der besichtigten Betriebe um 13,6% zurückgegangen. Vor dem Hintergrund sinkender Personalzahlen441 und zusätzlicher Aufgaben wird zunehmend auf zeitintensive einzelfallorientierte „Einzelbetriebsbetreuung“ mit regelmäßigen Interventionsintervallen verzichtet. An die Stelle der Überwachungs- tritt mehr und mehr eine Gestaltungstätigkeit der Behörden in Form von flächendeckenden problemorientierten Aktionsprogrammen. Darauf ist es u. a. zurückzuführen, dass die festgestellten Beanstandungen von 1998–2001 um 11% zurückgegangen sind.442 Wurde schon früher konstatiert, dass die Aufsichtsämter, die in ihrer Überwachungstätigkeit ein breites Aufgabenspektrum abdecken müssen, „hoffnungslos überlastet“ seien443, so ist im Hinblick auf derartige Tendenzen erst recht zu bezweifeln, dass die Tätigkeit der Behörden bei der Umsetzung des Arbeitszeitschutzes in der Praxis tatsächlich ein effektives Mittel darstellt.444 Zu diesen vom jeweiligen Arbeitszeitmodell unabhängigen Defiziten kommt bei der Vertrauensarbeit erschwerend die Vereinbarung hinzu, die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften der Verantwortung der Arbeitnehmer zu übertragen.445 Gesetzesverstöße beruhen dann nicht mehr unmittelbar auf Anordnungen des Arbeitgebers oder entziehen sich gar dessen Kenntnis. Behördliche Maßnahmen gegen den Arbeitgeber würden somit ins Leere laufen, weshalb die Aufsichtsbehörden, die diese Delegationspraxis446 häufig duldeten, als „hilflos“ bezeichnet werden.447

438 In Thüringen waren 129 Beamte mit der Überwachung des Arbeitsschutzes betraut; BT-Drs. 15/279, S. 186. 439 (Und 147 Gewerbeärzte) s. Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2001, BT-Drs. 15/279, S. 187. 440 BT-Drs. 15/279, S. 185. 441 Die Zahl der Gewerbeaufsichtsbeamten ist von 1998 bis 2001 um 4,1% zurückgegangen. 442 Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung von 2001, BT-Drs. 15/279, S. 82. 443 Smentek, Arbeitszeitflexibilisierung, S. 44. 444 So auch Kreft, Grundfragen, S. 67. 445 Vgl. Trittin, AiB 1999, 625 (626). 446 Dazu sogleich. 447 So Trittin, AiB 1999, 625 (626).

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Kap. 2: Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen

2. Verpflichtungen des Arbeitgebers gem. § 16 ArbZG § 16 ArbZG enthält Verpflichtungen des Arbeitgebers, die die Effektivität der Durchführung des Gesetzes verbessern sollen. a) Auslagepflicht, § 16 I ArbZG Der Arbeitgeber ist gem. § 16 I ArbZG verpflichtet, einen Abdruck des ArbZG, der auf dessen Grundlage erlassenen, für den Betrieb geltenden Rechtsverordnungen sowie Tarifverträge und Betriebs- und Dienstvereinbarungen auszulegen oder auszuhängen. Dies muss an einer Stelle erfolgen, an der der Arbeitnehmer ohne Hindernisse Einsicht nehmen kann, um sich über seine Rechte zu informieren.448 Hiermit soll der Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, sich im Eigeninteresse für die Einhaltung des Gesetzes einzusetzen449, indem er die Schutzrechte in Anspruch nimmt. b) Aufzeichnungspflicht, § 16 II ArbZG Besondere Beachtung findet in den Auseinandersetzungen mit Vertrauensarbeitszeit die Vorschrift des § 16 II ArbZG, die den Arbeitgeber u. a.450 verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Diese Nachweise sind gem. § 16 II 2 ArbZG 2 Jahre lang aufzubewahren. aa) Anforderungen an die Arbeitszeitnachweise Bevor auf die im Zusammenhang mit der Abschaffung der Zeiterfassung und -kontrolle durch den Arbeitgeber diskutierten Probleme eingegangen wird, ist zu klären, welche Anforderungen das Gesetz an den Inhalt der Aufzeichnungen stellt. Zunächst ist zweifelhaft, ob tatsächlich jede Überschreitung von 8 Stunden am Tag aufzeichnungspflichtig ist. Z. T. wird vertreten, dass eine nur geringfügige Überschreitung der 8 Stunden nicht aufzuzeichnen sei, weil dies nach Sinn und Zweck der Regelung in Anbetracht des evtl. enormen Aufwands unerheblich sei.451 Deshalb soll erst eine 448

Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 164. Vgl. auch Neumann/Biebl, ArbZG, § 16 Rn. 1. 450 Der Arbeitgeber hat außerdem ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Arbeitszeitverlängerung ohne Zeitausgleich gem. § 7 VII ArbZG eingewilligt haben. 451 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 21; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 110. 449

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mehr als nur geringfügige Überschreitung der Grenze von 8 Stunden die Dokumentationspflicht auslösen.452 Abgesehen davon, dass der Wortlaut des § 16 II ArbZG für diese Interpretation keinen Anhalt bietet, spricht auch der Aspekt der Rechtssicherheit gegen die Auffassung. Wann eine Überschreitung mehr als geringfügig ist, mag ganz unterschiedlich empfunden und beurteilt werden. Um Zweifelsfragen schon gar nicht entstehen zu lassen, erscheint es sinnvoller, auf eine „Geringfügigkeitsgrenze“ ganz zu verzichten. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich jede Arbeitszeit über 8 Stunden aufzuzeichnen hat. Abweichend davon sind allerdings Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen immer aufzeichnungspflichtig, d.h. auch dann, wenn sie weniger als 8 Stunden betragen, da mit ihnen jedenfalls die werktägliche Arbeitszeit überschritten wird.453 Aus diesem Grund ist die Gegenauffassung454, nach der nur aufgezeichnet werden muss, wenn an Sonn- und Feiertagen die 8-Stunden-Grenze überschritten wird, abzulehnen. Teilweise wird die Aufzeichnung der täglichen Gesamtarbeitszeit im Betrieb grundsätzlich für ausreichend erachtet, so dass der Arbeitgeber nicht bei jedem einzelnen Arbeitnehmer ermitteln müsse, in welcher Höhe die 8-StundenGrenze überschritten wird.455 Da es aber gerade darauf ankommt, die Arbeitszeit jedes einzelnen Arbeitnehmers kontrollieren zu können, erfüllt die Aufzeichnung der im Betrieb insgesamt geleisteten Stunden nicht die Anforderungen des Gesetzes.456 Insofern gilt die o. g. Auffassung nur für die Fälle, in denen alle Arbeitszeiten im Betrieb identisch sind. Individuelle Abweichungen von der betrieblichen Gesamtarbeitszeit sind auch nach dieser Auffassung gesondert zu erfassen.457 Gerade durch die zunehmende Individualisierung der Arbeitszeiten scheint eine Gesamtdokumentation auch gar nicht praktikabel.458 Dem Zweck des § 16 II ArbZG, die Aufsichtsbehörde in die Lage zu versetzen, die Einhaltung des 452

Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 110. BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 23; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 8; Neumann/Biebl, ArbZG § 16 Rn. 5; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 881; ErfK-Wank, ArbZG § 16 Rn. 8; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 11; Schlottfeldt/Hoff, NZA 2001, 530. 454 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 165. 455 So etwa Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 165; Neumann/Biebl, ArbZG, § 16 Rn. 5; Roggendorf, ArbZG, § 16 Rn. 7. 456 So auch Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 882; ErfK-Wank, ArbZG § 16 Rn. 11 mit dem Argument, dass auch bei § 24 I Nr. 3 AZO auf den einzelnen Arbeitnehmer abgestellt wurde und insoweit durch die Neufassung inhaltlich keine Veränderung intendiert war. Vgl. auch BT-Drs. 12/5888, S. 31. 457 Neumann/Biebl, ArbZG, § 16 Rn. 5; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 11. 458 Vgl. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 11. 453

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ArbZG im Betrieb zu überprüfen459, kann deshalb bei Vertrauensarbeitszeit nicht durch eine betriebsbezogene Gesamtdokumentation Genüge getan werden. Die gesetzliche Beschränkung der Aufzeichnungspflicht auf die Fälle, in denen über die 8-Stunden-Grenze hinaus gearbeitet wird, bedeutet zugleich, dass Arbeitszeitnachweise für die Arbeitnehmer, die i. d. R. diese Grenze nicht überschreiten460, nicht geführt werden müssen.461 Dies hat in der Praxis zur Folge, dass sich Unternehmen nicht selten darauf berufen, keine Nachweise führen zu müssen, weil nicht länger als 8 Stunden werktäglich gearbeitet werde.462 Vorgeschlagen wurde in der Literatur außerdem, abweichend vom Wortlaut des § 16 II ArbZG nicht jede werktägliche Überschreitung der 8-StundenGrenze zu dokumentieren.463 Dies sei zulässig und praktikabel, wenn grundsätzlich in einer 5-Tage-Woche gearbeitet werde und ein Werktag als freier Tag fest eingeplant sei. Dann könne dieser Tag als Ausgleich betrachtet werden für 8 Stunden, die auf die Arbeitszeiten an den übrigen 5 Tagen verteilt werden können. Ausgleichs- und aufzeichnungspflichtig seien erst die über 9,6 Stunden hinausgehenden Arbeitszeiten an den 5 Tagen. Außer dem klaren Verstoß gegen den Wortlaut scheint gegen eine solche Praxis zunächst nichts einzuwenden zu sein, da sie sich am Zweck des § 16 II ArbZG orientiert. Schwierigkeiten ergeben sich aber dann, wenn einmal an mehr als 5 Tagen gearbeitet wird. In diesen Fällen soll in der Folgewoche jegliche über 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit erfasst werden. Dies verkompliziert den Zeitausgleich, da er sowohl rückwirkend als auch für die laufende Woche vorgenommen werden muss. Eine weitere Vereinfachung soll dahin gehen, in 5-Tage-Wochen an 4 Tagen ausschließlich Arbeitszeiten über 10 Stunden464 und am 5. Tag über 8 Stunden aufzuzeichnen, da dies leichter als die 9,6 Stunden-Grenze handhabbar sei. Ob eine solche Praxis angesichts des klaren Wortlauts von Gewerbeaufsichtsämtern und ggf. Gerichten akzeptiert wird, muss sich zeigen.465 459

Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 10. Z. B. Teilzeitkräfte. 461 Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (442); Roggendorf, ArbZG, § 16 Rn. 9. 462 Jahresbericht der Arbeitsschutzbehörden des Freistaats Thüringen 1999, S. 41 f. Daher wird diese gesetzliche Regelung von den Aufsichtsbehörden (in Thüringen: Ämter für Arbeitsschutz, AfAS) für unzureichend gehalten und gefordert, de lege ferenda die Aufzeichnungspflicht auf die gesamte Arbeitszeit auszudehnen. Indes sind auch in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung des § 16 II ArbZG dahingehende Änderungen nicht enthalten. 463 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 113 ff.; Schlottfeldt/Hoff, NZA 2001, 530 (531); Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002) S. 9; wohl auch Anzinger, FS Wlotzke, S. 432 f. 464 Dies ist allerdings ohnehin nur zulässig im Rahmen von §§ 7; 14; 15 ArbZG. 465 Kritisch Trittin, NZA 2001, 1003 (1006); vgl. auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 22. 460

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Ob die Aufzeichnungspflicht sich auch darauf erstreckt, inwiefern ein Arbeitszeitausgleich stattgefunden hat, d.h. ob auch Unterschreitungen der 8-Stunden-Grenze im Ausgleichszeitraum aufzuzeichnen sind, wird uneinheitlich beurteilt. Eine Auffassung466 lehnt eine derartige Ausdehnung der Nachweispflicht ab und argumentiert mit dem Wortlaut und dem rechtsstaatlichen Gebot der Normklarheit, dem wegen der Sanktionsbewehrtheit der Vorschrift besondere Bedeutung zukomme. Weiterhin wird angeführt, der Gesetzgeber habe es bei der möglichst einfach zu erfüllenden Aufzeichnungspflicht belassen wollen.467 Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen aber dafür, sie auf den Nachweis des Zeitausgleichs zu erstrecken. Die Aufsichtsbehörde muss überprüfen können, ob geleistete Überarbeit an einem anderen Tag innerhalb des Ausgleichszeitraums ausgeglichen wurde.468 Bereits aus der Gesetzesbegründung469 geht hervor, dass die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht im Zusammenhang mit den Prüfungsrechten der Aufsichtsbehörde nach § 17 IV ArbZG steht470 und die Überwachung des Gesetzes durch die Aufsichtsbehörden sicherstellen soll, die angesichts der Erweiterung der Ausgleichszeiträume und den Möglichkeiten, durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung von gesetzlichen Vorschriften abzuweichen, erschwert ist. Insofern ist auch kein Verstoß gegen das Gebot der Normklarheit auszumachen.471 Vielmehr ist es als von der Intention des Gesetzes gedeckt anzusehen, auch den tatsächlich erfolgten Zeitausgleich zu dokumentieren. In Betracht kommen als Arbeitszeitnachweise Stundenzettel, Stempeluhrkarten, Lohnlisten oder Karteien, in denen die Arbeitszeit festgehalten ist. Elektronische Datenverarbeitungsanlagen und sonstige Zeiterfassungssysteme sind zulässig, sofern die gespeicherten Daten für die Behörde jederzeit abrufbar sind. Aufzeichnungen der Arbeitszeit aufgrund anderer Vorschriften472 können den

466 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 24; Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 165; Schlottfeldt/Hoff, NZA 2001, 530 (531); Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/ 2002), S. 9; Schlottfeldt in: Ignor/Rixen, Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 5 Rn. 887. 467 BT-Drs. 12/5888, S. 31: „Durch die Beschränkung der Nachweispflicht auf ,über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeiten‘ wird unnötiger Aufwand vermieden.“ Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 22 mit dem Befund, dass dieses Ziel nur teilweise verwirklicht wurde. Kraegeloh, ArbZG, § 16 Rn. 2. 468 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 8; Roggendorf, ArbZG, § 16 Rn. 8; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 881; Adamski, AuA 1999, 154 (155); ders., Lohn und Gehalt 7/1998, S. 41; Hamm, AiB 2000, 152 (157). 469 BT-Drs. 12/5888, S. 31. 470 Vgl. auch Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 5. 471 A. A. aber wohl Schlottfeldt/Hoff, NZA 2001, 530 (532 f.): „Die in § 17 IV 2 ArbZG genannten Arbeitszeitnachweise, deren Vorlage und Übersendung die Aufsichtsbehörde verlangen kann, sind daher stets nur Nachweise, die in Befolgung der gesetzlichen Aufzeichnungspflicht entstehen.

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Anforderungen des § 16 II ArbZG genügen.473 Nicht ausreichend ist dagegen eine Aufzeichnung des Monatssaldos der geleisteten Überstunden.474 bb) Anfertigung der Aufzeichnung durch den Arbeitnehmer Die Abschaffung der Zeiterfassung bzw. Zeitkontrolle durch den Arbeitgeber und die Verpflichtung der Arbeitnehmer, durch Selbstaufschreibung die Einhaltung des § 16 II ArbZG zu dokumentieren475, wirft die Frage auf, ob dies mit § 16 II ArbZG vereinbar ist. Denn die Aufzeichnungspflicht trifft den Arbeitgeber. Zu klären ist daher, inwiefern diese Praxis zulässig ist und sich der Arbeitgeber dadurch von seiner Verantwortlichkeit nach § 22 I Nr. 9 ArbZG befreien kann476. Nach einer Mindermeinung477 in der Literatur ist die Übertragung der Dokumentationspflicht auf den Arbeitnehmer nicht möglich, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers handele, für deren Delegation auf Arbeitnehmer es einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, wie sie z. B. in § 101 II SeemG existiert. Die arbeitsvertragliche Verpflichtung und Berechtigung zur eigenständigen Dokumentation und Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen durch Selbstaufschreibung sei nur wirksam, soweit sie Nachweispflichten des Arbeitnehmers im Innenverhältnis zum Arbeitgeber betreffe. Die eigenständigen Dokumentationspflichten des Arbeitgebers entfielen jedoch nicht. Argumentativ stützt sich die Auffassung auf Wortlaut und Schutzzweck des § 16 II ArbZG sowie die Unvereinbarkeit mit § 22 I Nr. 9 ArbZG, der als tauglichen Täter nur den Arbeitgeber vorsieht. Die Sanktionsnorm könne nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass der Arbeitgeber öffentlich-rechtliche Pflichten auf untaugliche Täter delegiere. Auch von einem Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 a RL 93/104/EG ist die Rede, weil danach ausschließlich der Arbeitgeber verpflichtet werden müsse, Arbeitszeitnachweise zu führen.478

472 Z. B. Lenk- und Arbeitszeiten bei der Personen- und Güterbeförderung im Straßenverkehr EG-VO Nr. 3821/85 des Rates vom 20.12.1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr. 473 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 12. 474 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 165. 475 Vgl. etwa Fröhlich, BuW 1998, 230 (232). 476 Vgl. etwa Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 166; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 12. 477 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 6, für rechtlich problematisch erachten die Selbstaufschreibungspflicht und den Verzicht auf die Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen auch Hensche, FS Zeuner, S. 74 (78); Kiesche, PersR 2001, 283 (286); Trittin, AiB 2002, 90 (92); ders., NZA 2001, 1003 (1005); ders., AiB 2000, 544 (548). 478 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 6.

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Nach der wohl überwiegenden Gegenauffassung lässt das ArbZG die Möglichkeit zu, die Aufzeichnung durch die Mitarbeiter selbst vornehmen zu lassen.479 Häufigstes Argument ist, dass § 16 II ArbZG keine bestimmte Form der Aufzeichnung vorschreibe.480 Der Arbeitgeber sei aber verpflichtet, sicherzustellen, dass die Aufzeichnung tatsächlich erfolgt, was etwa durch Anweisungen an die Arbeitnehmer und Bereitstellung von Aufzeichnungsmitteln sowie Stichproben erfolgen könne481, denn auch Vertretern dieser Auffassung zufolge kann der Arbeitgeber sich von seiner Verantwortlichkeit nach § 22 I Nr. 9 ArbZG nicht befreien.482 Das Verfahren müsse so gestaltet sein, dass der Arbeitgeber nicht sein Desinteresse an den Aufzeichnungen erkennen lasse, z. B. durch die Zusicherung, er werde sie nicht kontrollieren. Denn dabei handele es sich eher um einen „Aufruf zum Rechtsbruch als um die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht“.483 Die Verpflichtung im Innenverhältnis484, die geleistete Arbeitszeit selbst zu notieren, wird in der Praxis schon länger bei gleitender Arbeitszeit im Wege der Selbstaufschreibung485 gehandhabt, kann aber auch in der Betätigung einer Stechuhr bestehen.486 Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Arbeitgeber sich nicht seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Einhaltung des Arbeitszeitschutzes durch Überwälzung der Aufzeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer entledigen kann.487 Wenn aber geäußert wird, die Vertrauensarbeitszeit sei „mit der vom Arbeitgeber prinzipiell zu tragenden Verantwortung für die Einhaltung der ge-

479 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 27; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 882; ErfK-Wank, ArbZG § 16 Rn. 10; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 30; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 214; ders., AiB 2000, 152 (157); Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 62; Adamski, AuA 1999, 154 (155); wohl auch Neumann/Biebl, ArbZG, § 16 Rn. 7; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63; § 36 Rn. 72. 480 Vgl. etwa Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 166; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 36 Rn. 72; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 110; zur Vorgängervorschrift (§ 24 I Nr. 3 AZO) OLG Hamm v. 25.11. 1958 – 3 Ss 955/58 – BB 1959, 38. 481 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 16 Rn. 27; Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 166; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 12; Schlottfeldt in: Ignor/Rixen, Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 5 Rn. 886. 482 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 166; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 12; vgl. auch BAG v. 27.2.1992 AP Nr. 5 zu § 3 AZO Kr. 483 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 30. 484 Zu den Pflichten des Arbeitnehmers s. noch unten III. 3. 485 So auch bei Telearbeit, vgl. Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (214 m. N.). 486 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 166; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 12. 487 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 94; vgl. zur Verantwortung des Arbeitgebers BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972 (Gründe II.2.d)cc); zur bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers nach § 22 ArbZG s. auch LAG Baden-Württemberg v. 23.11.2000 AuR 2001, 512 m. Anm. Perreng, S. 513.

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setzlichen Höchstgrenzen unvereinbar“488, ergibt sich das allerdings nicht allein aus § 16 II ArbZG. Der Wortlaut des § 16 II ArbZG ist für sich genommen wenig aufschlussreich, er enthält vielmehr nur die Klarstellung, dass es sich um eine Pflicht des Arbeitgebers handelt. Ebenso wenig wird man aus Art. 18 Abs. 1 a der EGRichtlinie 93/104 den Schluss ziehen können, der Arbeitgeber müsse selbst die Arbeitszeiten aufzeichnen.489 Vergegenwärtigt man sich, dass mit der Nachweispflicht die Überwachung des ArbZG durch die Aufsichtsbehörden sichergestellt werden soll490, erscheint es unerheblich, wie die Nachweise zustande gekommen sind. Da die Wahl der zur Einhaltung des ArbZG geeigneten Mittel in der Organisations- und Leitungsmacht des Arbeitgebers liegt491, kann eine Verpflichtung der Arbeitnehmer zur eigenständigen Arbeitszeitdokumentation durch eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht oder Betriebsvereinbarung begründet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass Aufzeichnungen der Arbeitnehmer ebenso verlässlich und wahrheitsgetreu sind wie solche des Arbeitgebers. Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass eine Aufzeichnung nicht erfolgt oder nicht vorgelegt wird mit der Begründung, es habe keine Überschreitung der 8Stunden-Grenze stattgefunden. Dies ist insbesondere vorstellbar, wenn ein Arbeitnehmer der Annahme ist, er habe zu langsam gearbeitet, und dies aus Angst vor dem „Stigma eines Minderleisters“492 nicht eingestehen will. Es wäre aber vereinfacht, hier die Abschaffung der Zeiterfassung durch den Arbeitgeber allein verantwortlich zu machen. Auch in Systemen mit Zeiterfassung kommt es vor, dass Mitarbeiter wegen ihrer hohen Arbeitsbelastung nach der vertraglichen Arbeitszeit „ausstechen“ und danach wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren oder sich Arbeit mit nach Hause nehmen.493 Insofern kann selbst eine Gesetzesänderung, die die Aufzeichnung der gesamten täglichen Arbeitszeit, nicht nur der Überschreitung der 8-Stunden-Grenze, zur Vorschrift macht494, wohl allenfalls bedingt Abhilfe schaffen. Eine andere Frage ist die nach der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit. Sie trifft gem. § 22 I Nr. 9 ArbZG den Arbeitgeber. Arbeitgeber i. S. d. Vorschrift ist jede natürliche Person, die mindestens einen Arbeitnehmer i. S. d. § 2 II 488

So explizit Trittin, AiB 2002, 90 (92). So aber wohl Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 6, nach der Vorschrift der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten gehalten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit sie die Erzielung der von der Richlinie vorgeschriebenen Ergebnisse jederzeit gewährleisten können. 490 BT-Drs. 12/5888, S. 31. 491 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 492 Hoff, Personal 1997, 336 (337). 493 IG Metall-Vorstand, Arbeiten ohne Ende?, S. 7; Trittin, AiB 1999, 625 (626). 494 So etwa der Vorschlag seitens der Aufsichtsbehörden, vgl. Hacke, Jahresbericht der Arbeitsschutzbehörden des Freistaats Thüringen 1999, S. 42. 489

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ArbZG beschäftigt.495 Der von der Verletzung gesetzlicher Pflichten des ArbZG betroffene Arbeitnehmer ist nicht verantwortlich, wenn er als Betroffener nach dem Tatbestand notwendigerweise in das Tatgeschehen einbezogen ist und sich seine Handlung auf die bloße Mitwirkung an der Tatbestandsverwirklichung beschränkt. Damit ist er nur notwendiger Beteiligter, der für Täterschaft oder Teilnahme nicht in Betracht kommt.496 Täter der in § 22 ArbZG genannten Ordnungswidrigkeiten können aber auch vom Arbeitgeber beauftragte Personen sein (§ 9 II OWiG).497 Die Beauftragung kann in der vollständigen oder teilweisen Leitung des Betriebs (§ 9 II Nr. 1 OWiG) liegen oder in der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben, die dem Inhaber des Betriebs obliegen (§ 9 II Nr. 2 OWiG). Nach § 9 II Nr. 1 OWiG haften z. B. Betriebs- und Abteilungsleiter oder Personalleiter. Nach Nr. 2 kann als Täter auch zur Verantwortung gezogen werden, wer vom Inhaber des Betriebs oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt wurde, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Betriebsinhaber obliegen.498 Beispielhaft genannt werden Buchhalter, Werkmeister, Assistenten.499 Vom Wortlaut der Nr. 2 ist die Übertragung der Aufzeichnungspflicht auf Angestellte als Aufgabenwahrnehmung in eigener Verantwortung durchaus gedeckt: Zumindest die Führungskräfte könnten hiernach zur Verantwortung gezogen werden, ebenso, wie es weit verbreitete Praxis ist, die Chefärzte in Krankenhäusern für Verstöße gegen das ArbZG bußgeldrechtlich haftbar zu machen.500 § 9 OWiG führt zu einer Ausweitung der Haftung501; mit der Bestellung von Beauftragten entfällt die Verantwortlichkeit des Inhabers aber nicht ganz, wie sich aus dem Wort „auch“ in § 9 II OWiG ergibt. Er bleibt selbst Normadressat und hat deshalb alle organisatorischen Maßnahmen zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen zu treffen.502 Auch gem. § 130 OWiG bleibt der Arbeitgeber in der Verantwortung. Er muss durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen sicherstellen, dass die übertragenen Pflichten aus dem ArbZG erfüllt werden.503 Wer sich um die Einhaltung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen bewusst nicht kümmert und es unterlässt, die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung von deren Einhaltung zu treffen, nimmt damit voraussehbare Ver495 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 22 Rn. 8; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 974. 496 Göhler, OWiG, § 14 Rn. 8; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 22 Rn. 9. 497 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 976. 498 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 36 Rn. 88. 499 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 22 Rn. 13. 500 Zu letztem Osnabrügge, FAZ v. 11.6.2003, S. 21. 501 Schlottfeldt in: Ignor/Rixen, Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 5 Rn. 929. 502 Göhler, OWiG, § 9 Rn. 37 f.; Lemke, OWiG, § 9 Rn. 29; MünchArbR-Wlotzke, § 208 Rn. 18. 503 Neumann/Biebl, ArbZG, § 22 Rn. 6; Ignor in: Ignor/Rixen, Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 6 Rn. 947 ff.

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stöße auch dann billigend in Kauf, wenn ihm der Verstoß im Einzelfall vor seiner Begehung nicht zur Kenntnis gelangt.504 Inwiefern die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bestehen bleibt, ist eine Frage des Einzelfalls und hängt davon ab, ob dem Beauftragten tatsächlich Entscheidungskompetenz eingeräumt wurde.505 Des Weiteren muss die Übertragung der Verantwortung i. R. d. Sozialadäquaten liegen, d.h. im Rahmen dessen, was bei der Aufteilung von Aufgaben und Pflichten in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft allgemein üblich ist.506 Eine Pflichtenüberbürdung auf ungeeignete Rollenträger soll verhindert werden.507 Wenn es z. B. außerhalb des Sozialadäquaten liegt, dass der Ladeninhaber eine Auszubildende damit beauftragt, in eigener Verantwortung für die Einhaltung der Ladenschlusszeiten zu sorgen508, bestehen auch Zweifel an der Sozialadäquanz einer Übertragung der Verantwortung für die Aufzeichnungspflicht. Insbesondere kann hier auf den Interessenkonflikt zwischen aufgabenorientiertem Arbeiten und Termindruck einerseits und der Pflicht zu gesetzeskonformem Verhalten andererseits verwiesen werden, der auf die zur Verantwortung gezogenen Beauftragten übertragen wird. Nach allem kann auch die eine Selbstaufschreibung zulassende Auffassung nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber nach wie vor gegenüber den Arbeitsschutzbehörden verpflichtet bleibt und es nicht um die Überwälzung der öffentlich-rechtlichen Pflicht auf die betroffenen Arbeitnehmer geht. Bis auf welche Hierarchieebene die ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit dennoch erstreckt werden kann, dürfte entscheidend davon abhängen, ob dem Beauftragten sachliche Entscheidungskompetenz zukommt.509 Wenn Befürworter der Vertrauensarbeitszeit annehmen, dass die Führungskraft als Beauftragte des Arbeitgebers für die Wahrheitstreue und sofortige Verfügbarkeit der Aufzeichnungen verantwortlich ist,510 kann das nur gelten, wenn ihr zur Erfüllung ihrer Pflicht tatsächlich Mittel und Kompetenzen zur Verfügung stehen. Die Vorschläge beschränken sich hier aber weitgehend auf stichprobenartige Kontrollen der Einhaltung der Aufzeichnungspflicht,511 was gegenüber einer automatischen Zeiterfassung nur ein wenig effektives Mittel darstellt. Eine Festlegung, mit der die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auf die Mitarbeiter übertragen wird, so dass bei festgestellten 504 OLG Düsseldorf, NStZ 1990, 76; Lemke, OWiG, § 9 Rn. 31 m. w. N.; in diese Richtung auch BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 505 Lemke, OWiG, § 9 Rn. 29; KK-Rogall, § 9 Rn. 80. 506 Göhler, OWiG, § 9 Rn. 32. 507 KK-Rogall, § 9 Rn. 85. 508 Göhler, OWiG, § 9 Rn. 32 m. N.; KK-Rogall, § 9 Rn. 84. 509 Vgl. KK-Rogall, § 9 Rn. 80. 510 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 110. 511 Vgl. etwa Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 16 Rn. 12, weitere Nachweise oben Fn. 481.

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Verstößen durch die Gewerbeaufsicht das Unternehmen keine Bußgelder oder Geldstrafen übernehmen werde512, kann somit nicht getroffen werden, weil neben den Beauftragten der Arbeitgeber jedenfalls auch in der Verantwortung bleibt. Dass in der Praxis Bußgeldbescheide an Vorgesetzte verhängt werden, die Gewerbeaufsichtsämter derartige Delegationen also bislang nicht verboten haben,513 mag zwar für die Beauftragten einen Nachteil gegenüber zentral durchgeführten Arbeitszeiterfassungen darstellen, ist aber von § 9 II OWiG grundsätzlich gedeckt. Als Ergebnis ist zu konstatieren, dass bei Vertrauensarbeitszeit die Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers i. S. d. § 16 II ArbZG fortbesteht, aber die Praxis der Selbstaufschreibung nicht gegen § 16 II ArbZG verstößt. Eine Übertragung der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verantwortung kommt nur nach Maßgabe der § 9 II OWiG in Betracht. Voraussetzung ist, dass den Verantwortlichen nachgeordneter Hierarchieebenen Kompetenzen zur Verfügung stehen, um die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben durchzusetzen. Dagegen ist eine Delegation der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit auf den betroffenen Arbeitnehmer nicht möglich. 3. Rolle des Betriebsrats im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes Die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden wird ergänzt durch gesetzlich zugewiesene Aufgaben des Betriebsrats, die ebenfalls der Durchsetzung des öffentlichrechtlichen Arbeitsschutzes dienen, deren Wahrnehmung aber im Rahmen von Vertrauensarbeitszeitvereinbarungen Probleme aufwirft. a) Mitwirkung beim Arbeitsschutz, § 89 BetrVG § 89 BetrVG statuiert die Mitwirkung des Betriebsrats in Fragen des Arbeitsschutzes. „Arbeitsschutz“ i. S. d. § 89 BetrVG ist weit zu verstehen514; zu den maßgeblichen Vorschriften zählen die des sozialen Arbeitsschutzes, mithin auch ArbZG, JArbSchG, MuSchG.515 Nach Abs. 1 Satz 2 hat der Betriebsrat eine Unterstützungspflicht gegenüber den für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden. Durch § 89 I BetrVG wird die Überwachungspflicht nach § 80 BetrVG516 512

Mitgeteilt in IG Metall-Vorstand, Arbeiten ohne Ende?, S. 29. Schlottfeldt in: Ignor/Rixen, Hdb. Arbeitsstrafrecht, § 5 Rn. 816; Trittin, AiB 1999, 625 (626). 514 ErfK-Kania, BetrVG § 89 Rn. 1. 515 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 89 Rn. 3; F/K/H/E/S, BetrVG, § 89 Rn. 1; MünchArbR-Matthes, § 344 Rn. 8; BAG v. 3.6.2003 AP Nr. AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972. 513

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für den Bereich des gesetzlichen Arbeitsschutzes konkretisiert und verstärkt.517 Aus Satz 1 folgt ein selbstständiges Überwachungsrecht und eine Überwachungspflicht bei der Bekämpfung von Gesundheitsgefahren sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber den Arbeitnehmern.518 Der Betriebsrat kann alle zur Erfüllung erforderlichen Maßnahmen, wie etwa Besichtigungen des Betriebs und unangekündigte Stichproben, vornehmen.519 Die Unterstützungspflicht gem. Satz 2 umfasst die Pflicht zur Anregung, Beratung und Auskunft gegenüber den zuständigen Stellen: Ihm bekannt gewordene Gefahrenmomente hat der Betriebsrat diesen anzuzeigen und, sobald er dazu in der Lage ist, Vorschläge zur Beseitigung zu machen. Verstößt der Arbeitgeber gegen Arbeitsschutzvorschriften, muss der Betriebsrat dies den zuständigen Stellen mitteilen, wobei es erforderlich werden kann, den Aufsichtsbehörden nähere betriebliche Informationen zu geben. Insoweit entfällt die Schweigepflicht nach § 79 BetrVG.520 Handelt es sich um Normen des Arbeitszeitrechts, können zu den erforderlichen Informationen die im Betrieb tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten gehören.521 Fraglich ist jedoch, ob aus § 89 I 2 BetrVG die Berechtigung des Betriebsrats folgt, der zuständigen Behörde die tatsächlichen Arbeitszeiten namentlich benannter Arbeitnehmer mitzuteilen. Wenngleich § 79 I 1 BetrVG hinter § 89 I 2 BetrVG zurücktritt, könnte aber aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebsparteien (§ 2 I i.V. m. § 74 I 1 BetrVG) zu folgern sein, dass der Betriebsrat jedenfalls vor einer unaufgeforderten Unterrichtung einer Überwachungsbehörde erfolglos versucht haben muss, den Arbeitgeber zur Beseitigung der Mängel zu bewegen.522 Dies bedarf keiner Ent516

Dazu sogleich unter b). D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 89 Rn. 26. 518 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 89 Rn. 26; ErfK-Kania, BetrVG § 89 Rn. 3. 519 F/K/H/E/S, BetrVG, § 89 Rn. 12. 520 H.M. vgl. etwa Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 89 Rn. 6; BAG AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972 m. w. N. 521 BAG v. 3.6.2003 AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972. 522 Während ein solcher erfolgloser innerbetrieblicher Abhilfeversuch in der Literatur vielfach verlangt wird (vgl. Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 89 Rn. 6; GK-Wiese, BetrVG, § 89 Rn. 58 ff. m. w. N.; a. A. etwa Kohte in: HaKo-BetrVG, § 89 Rn. 25; Simitis/Kreuder, NZA 1992, 1009 [1014]), könnte dem jedoch die RL 89/391/EWG v. 12.6.1989 entgegenstehen, die auch im Bereich der Arbeitszeitrichtlinie Anwendung findet (Art. 1 IV RL 2003/88/EG) und nach deren Art. 11 VI die Arbeitnehmer und ihre Vertreter das Recht haben, sich gemäß den nationalen Rechtsvorschriften bzw. Praktiken an die zuständige Behörde zu wenden, wenn nach ihrer Meinung die Mittel und Maßnahmen des Arbeitgebers zur Sicherstellung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nicht ausreichen. Ob aus diesem Grunde der Versuch einer innerbetrieblichen Klärung vor Einschaltung der Behörde nicht verlangt werden darf (so Kohte in: HaKo-BetrVG, § 89 Rn. 25), hat das BAG in seiner Entscheidung AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972 zu den Grenzen des Anzeigerechts aus § 89 BetrVG offen lassen können. Deshalb konnte auch von einem anderenfalls u. U. erforderlichen Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 I lit. b EGV) abgesehen werden und bleibt die Frage weiterhin ungeklärt. 517

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scheidung, denn zumindest wird die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitsschutzbehörden durch Vorgaben des Datenschutzes (vgl. §§ 4 I, 5 I BDSG) beschränkt.523 Wie das BAG524 hierzu ausgeführt hat, sind die Bestimmungen des BDSG auf den Datenfluss zwischen Betriebsrat und Arbeitsschutzbehörden anwendbar und handelt es sich bei Informationen über die tatsächlich geleisteten, elektronisch erfassten Arbeitszeiten der einzelnen Arbeitnehmer um personenbezogene Daten i. S. d. §§ 3 I; 4 I, 5 S. 1 BDSG. Die Weitergabe personenbezogener Daten wird auch nicht schlechthin durch § 89 I 2 BetrVG erlaubt: die Norm stellt weder eine das BDSG verdrängende Regelung i. S. d. § 1 III 1 BDSG noch gem. § 4 I BDSG eine „andere Rechtsvorschrift“ dar, weil sie den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normklarheit525 nicht genügt, die bei einer Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V. m. Art. 1 I GG) zu beachten sind. Ob und in welchem Umfang arbeitszeitbezogene Daten an Aufsichtsbehörden weitergegeben werden dürfen, lässt sich mithin nur unter Berücksichtung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beantworten. So soll es nach Ansicht des BAG zur Wahrung berechtigter Interessen des Betriebsrats (§ 28 I 1 Nr. 2 BDSG) u. U. ausreichen, zunächst den Arbeitgeber um Abhilfe zu ersuchen oder die Behörde ohne Mitteilung personenbezogener Arbeitnehmerdaten über Missstände zu informieren. Auch wenn die Behörde namensbezogene Auskünfte vom Betriebsrat fordert (§ 28 III Nr. 1 BDSG), muss dieser jeweils im Einzelfall eigenverantwortlich prüfen, ob unter Beachtung der schutzwürdigen Belange der Arbeitnehmer berechtigte Interessen der Aufsichtsbehörde eine Datenübermittlung ohne Einwilligung der Arbeitnehmer erforderlich machen.526 Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mitteilungen über sämtliche Arbeitszeiten namentlich benannter Arbeitnehmer weit über die Informationen hinausgeht, die die Behörde aufgrund §§ 17 VI 2, 16 II ArbZG vom Arbeitgeber verlangen kann.527 Im Rahmen des ArbZG kommt außerdem eine Mitwirkung des Betriebsrats in Betracht, wenn das Gewerbeaufsichtsamt nach § 15 Anträge über Verlängerung der täglichen Arbeitszeit zu bescheiden hat. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Arbeitzeitverlängerung vorliegen, können Auskünfte und Anregungen des Betriebsrats einen wichtigen Beitrag für eine sachgerechte Entscheidung der Behörden bilden.528 523

AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972. AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972. 525 Nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG v. 15.12.1983 (E 65, 1 [44]) muss das einschränkende Gesetz klar Voraussetzungen und Umfang der Beschränkung erkennen lassen. 526 BAG v. 3.6.2003 AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972. 527 AP Nr. 1 zu § 89 BetrVG 1972. 528 F/K/H/E/S, BetrVG, § 89 Rn. 23. In den Dienstanweisungen der Länder ist zudem i. d. R. vorgeschrieben, dass der Arbeitgeber bei Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, z. B. nach §§ 7 V; 13 III–V und 15 ArbZG, eine Stel524

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Darüber hinaus sind gem. § 89 II BetrVG sowohl Arbeitgeber als auch Aufsichtsbehörde verpflichtet, den Betriebsrat zu Arbeitsstättenbesichtigungen durch Beauftragte der Aufsichtsbehörde nach § 17 I ArbZG hinzuzuziehen.529 Gem. § 89 V BetrVG sind etwaige Niederschriften der Aufsichtsbehörde dem Betriebsrat auszuhändigen bzw. abschriftlich zuzuleiten; außerdem sind Auflagen und Anordnungen der Aufsichtsbehörde an den Arbeitgeber dem Betriebsrat mitzuteilen. 530 § 89 BetrVG stellt mithin eine enge Einbindung des Betriebsrats in die Durchsetzung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes her. Allerdings wird die praktische Umsetzung dieser Vorschriften wiederum dann erschwert, wenn keine betriebseinheitlichen Arbeitszeiten mehr gelten und sich bei Vertrauensarbeit Arbeitszeitverlängerungen oder sonstige Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften ungeachtet der Ausnahmevorschriften der §§ 14 und 15 ArbZG vollziehen. Die Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats hängt darüber hinaus auch von seinem Verhältnis zum Arbeitgeber ab. Hier wird in der Literatur teilweise eine Entwicklung beschrieben, die die Wirksamkeit des Betriebsrats bei der Durchsetzung des Arbeitszeitrechts zusätzlich schwächt: In jüngerer Zeit besteht der Trend, dass Betriebsräte sich nicht mehr als „Gegenmacht“ zum Arbeitgeber definieren, sondern sich in ihrer Interessenpolitik stärker die Betriebs- bzw. Managementperspektive zu eigen machen (Betriebsrat als „Co-Manager“531), indem sie nicht vorrangig danach fragen, was gut für die Belegschaft ist, sondern danach, was gut für den Betrieb ist.532 Beobachtete Folge ist die Abnahme seiner interessenpolitischen Wirksamkeit als „Vertreter und Beschützer der Arbeitnehmer“.533 Betriebsräte verzichteten auf strikte Normanwendung, um somit durch „Nichtstun“ Flexibilitätsreserven zu eröffnen.534 Normen wie § 80 I BetrVG dienten zwar als unverzichtbare Rechtsposition, hinderlungnahme der Betriebsvertretung, die in die Entscheidung einzubeziehen ist, vorzulegen hat; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 37. 529 F/K/H/E/S, BetrVG, § 89 Rn. 26. Die Aufsichtsbehörde soll selbst befugt sein, sich mit dem Betriebsrat in Verbindung zu setzen, wenn der Arbeitgeber eine Benachrichtigung unterlässt. Unter Umständen (z. B. wenn der Betriebsrat eine Teilnahme ablehnt oder kein Betriebsratsmitglied zu erreichen ist) kann allerdings die Besichtigung ohne Anwesenheit des Betriebsrats durchgeführt werden, Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 167. 530 F/K/H/E/S, BetrVG, § 89 Rn. 27. 531 Vgl. Kotthoff, Industrielle Beziehungen 1998, 76 (78 f.); Schmidt/Trinczek, in: Müller-Jentsch, Konfliktpartnerschaft, S. 103 ff. (117); s. dazu auch Höland/Reim/ Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 195 m. N. 532 Schmidt/Trinczek, in: Müller-Jentsch, Konfliktpartnerschaft, S. 103 (117); vgl. auch Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Bericht der Kommission Mitbestimmung, S. 77. 533 Diese korreliere allerdings mit einem im Rahmen neuer Managementmethoden erlangten Zugewinn an Bedeutung und anderweitigen Beteiligungsmöglichkeiten der Betriebsräte; Kotthoff, Industrielle Beziehungen 1998, 76 (79).

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ten aber nicht daran, durch Zurücknahme der Kontroll- und Durchsetzungslinie gegenüber dem Arbeitgeber eine verhandlungsfähige Kooperationsposition aufzubauen.535 Die Existenz von gesetzlichen Arbeitsschutznormen als rechtlich gesichertes Rückzugsgebiet ist nur noch Druckmittel im „informellen Bargaining“ zur Durchsetzung rechtlich nicht bestehender Ansprüche.536 Derartige Interaktionen können die Wirksamkeit der gesetzlich vorgesehen Mechanismen zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften beeinträchtigen. b) Überwachung der Durchführung des ArbZG, § 80 BetrVG Neben der Mitwirkungspflicht beim Arbeitsschutz nach § 89 BetrVG ist dem Betriebsrat die Überwachungsaufgabe gem. § 80 I Nr. 1 BetrVG zugewiesen, deren Wahrnehmung zu seinen gesetzlichen Pflichten gehört537 und deren Verletzung zu Sanktionen nach § 23 BetrVG führen kann.538 Da es hier um die Rolle des Betriebsrats bei der Einhaltung des gesetzlichen Arbeitszeitschutzes geht, ist angesichts der bei Vertrauensarbeitszeit diesbezüglich auftretenden Probleme auf § 80 BetrVG näher einzugehen.539 aa) Allgemeine Aufgaben gem. § 80 I BetrVG Nach § 80 I Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer bestehenden Gesetze, Rechtsverordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen vom Arbeitgeber durchgeführt werden. Da Gegenstand der Überwachungspflicht alle Arbeitsschutzgesetze sind, bezieht sie sich auch auf die Einhaltung des ArbZG540, sowie der Kollektivverträge, die zur Konkretisierung dieser Rechtsnormen bestehen.

534 Der bewusste und dosierbare Verzicht des Betriebsrats auf die Durchsetzung von Normen sei eine Opportunitätsentscheidung, die in einem nicht ausdrücklichen Gegenleistungsverhältnis zu „bargaining-Themen“ stehen könne; Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 173. 535 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 174. 536 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 184 m. Verweis auf Dombois in: Dohse/Jürgens/Russig, Statussicherung im Industriebetrieb, S. 173 ff. (181). 537 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 1; F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 5; GKKraft, BetrVG, § 80 Rn. 23. 538 GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 23. 539 Wenngleich es hier um die Durchführung des ArbZG geht, lässt sich aufgrund der Struktur des § 80 BetrVG nicht vermeiden, in den folgenden Ausführungen auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zu erwähnen. 540 (Und die auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen), vgl. stellv. GKKraft, BetrVG, § 80 Rn. 11; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 36.

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bb) Unterrichtung und Vorlage von Unterlagen, § 80 II BetrVG Zur Durchführung dieser Aufgabe besteht nach § 80 II BetrVG eine Informationspflicht des Arbeitgebers, der ein Rechtsanspruch des Betriebsrats korrespondiert.541 Der Betriebsrat ist rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und auf Verlangen sind ihm die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Soweit es um § 80 I Nr. 1 BetrVG geht, sind dem Betriebsrat die im Betrieb anwendbaren Schutzvorschriften mitzuteilen und Informationen über deren Einhaltung zu geben.542 Im Hinblick auf die Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften ist z. B. entschieden worden, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben vorhandene Zeiterfassungskarten543 und Ausdrucke von elektronischen Zeiterfassungsgeräten544 zur Verfügung zu stellen hat, außerdem Unterlagen, woraus sich ergibt, an welchen Arbeitsplätzen welche Arbeitnehmer wann und wie viele Überstunden geleistet haben.545 Ebenso ist anerkannt worden, dass der Betriebsrat verlangen kann, vorhandene Gleitzeitkontoauszüge zur Verfügung gestellt zu bekommen, um den Verfall von Arbeitszeit und die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften, aber auch die Auswirkungen der zugrunde liegende Betriebsvereinbarung zu kontrollieren.546 Sind dem Betriebsrat also auf Verlangen zeitbezogene Aufstellungen über monatlich erfasste Anwesenheits- und bezahlte Arbeitszeiten zur Verfügung zu stellen, wird zugleich die Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften möglich: Anwesenheitszeiten sind zwar nicht gleichbedeutend mit Arbeitszeit i. S. d. ArbZG, geben aber i. d. R. einen hinreichenden Aufschluss über diese,547 da sie i. d. R.548 jedenfalls nicht kürzer sein werden. Während allerdings den vorstehenden Beispielen jeweils die Situation zugrunde lag, dass der Arbeitgeber über die vom Betriebsrat geforderten Unterla541 St.Rspr., BAG v. 6.5.2003, 17.5.1983 AP Nr. 61, 19 zu § 80 BetrVG 1972; MünchArbR-Matthes, § 326 Rn. 4; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 54; Kraft, ZfA 1983, 171 (176). 542 GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 62. 543 LAG Frankfurt v. 18.3.1980 AuR 1981, 30; ArbG Lübeck v. 17.6.1992 AiB 1993, 323. 544 ArbG Detmold v. 14.9.1989 – 3 BV 21/89, D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 90 m. N. aus der Rspr. 545 ArbG München v. 24.11.1987 – 2 BV 148/87; vgl. D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 90. 546 ArbG Stuttgart v. 4.8.1993 AuR 1994, 201; LAG Stuttgart v. 21.2.1994 LAGE § 80 BetrVG 1972 Nr. 13. 547 LAG Stuttgart LAGE § 80 BetrVG 1972 Nr. 13; vorgeh. ArbG Stuttgart v. 4.8.1993 AuR 1994, 201; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 37. 548 Bei Vertrauensarbeitszeit soll dieser Zusammenhang allerdings gerade aufgeweicht werden.

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gen bzw. die entsprechenden Informationen verfügte, ist die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften problematisch, wenn und weil der Arbeitgeber bei Vertrauensarbeit bewusst auf Kenntnis der Arbeitszeiten verzichtet, Unterlagen in Form von Schriftstücken oder computergestützte Aufzeichnungen gerade nicht existieren und das Vorlageverlangen gegen den Arbeitgeber möglicherweise ins Leere läuft. In diesen Fällen kann es dazu kommen, dass bei der Überwachung der Schutznormen die Betriebsräte nicht mehr mit den Arbeitgebern, sondern mit den Arbeitnehmern in Konflikt geraten.549 cc) Anspruch auf Unterrichtung über Arbeitszeiten bei Vertrauensarbeitszeit Fraglich ist daher, ob der Betriebsrat Informationen verlangen kann, über die der Arbeitgeber selbst nicht verfügt, bzw. ob er einen Anspruch auf Herstellung entsprechender Unterlagen hat. Schließlich ist darauf einzugehen, ob ein Anspruch gegen die Arbeitnehmer gerichtet werden kann bzw. die Informationen unmittelbar von den Arbeitnehmern zu erlangen sind. (1) Auskunfts- und Herstellungsanspruch Grundsätzlich ist in einer zweistufigen Prüfung zuerst das Bestehen einer Aufgabe des Betriebsrats und anschließend die Erforderlichkeit der Einsicht in die dafür verlangten Unterlagen festzustellen.550 Die Aufgabe folgt hier bereits aus § 80 I Nr. 1 BetrVG.551 Außer Frage dürfte auch stehen, dass zur Überwachung der Einhaltung des ArbZG arbeitszeitbezogene Informationen erforderlich sind.552 Bezüglich der Herstellung von Unterlagen ist zu differenzieren; der Arbeitgeber ist hierzu jedenfalls dann verpflichtet, wenn die erforderlichen Daten zwar noch nicht als Schriftstück, wohl aber in einem Datenspeicher vorliegen und mit einem vorhandenen Programm aufgerufen werden können.553 In diesem Zusammenhang bedeutet Herstellen nur das Sichtbarmachen vorhandener Daten.554 Wird Vertrauensarbeit in der Weise praktiziert, dass nicht auf Zeiterfassung, sondern lediglich auf Kontrolle verzichtet wird, kann der Betriebsrat verlangen, ihm die aufgezeichneten Daten zur Verfügung zu stellen.

549 550 551 552 553

Trittin, AiB 1999, 625 (626). BAG v. 19.9.1999, 6.5.2003 AP Nr. 58, 61 zu § 80 BetrVG 1972. BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972; s. auch oben aa). Vgl. BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 82; BAG v. 17.3.1983 AP Nr. 18 zu § 80 BetrVG

1972. 554

Vgl. BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972.

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Problematisch ist dagegen der Fall, dass eine Zeiterfassung durch den Arbeitgeber nicht mehr vorgenommen wird. Könnte in diesem Fall der Betriebsrat die Anfertigung der zur Überwachung der Einhaltung des ArbZG – sowie anderer normativer Arbeitszeitvorschriften – erforderlichen Unterlagen verlangen, so könnte der Informationsanspruch aus § 80 II BetrVG der Abschaffung der Zeiterfassung bei der Vertrauensarbeit entgegenstehen. (a) Meinungsstand Ein Anspruch auf Herstellung von Unterlagen, die der Arbeitgeber selbst nicht hat, wird allerdings bislang überwiegend abgelehnt.555 In einer Entscheidung, in der es um die vom Betriebsrat geforderte Installation von Lärmmessgeräten ging, hat das BAG556 einen Herstellungsanspruch verneint, da dieser nicht vom Wortlaut des § 80 II 2 1. HS BetrVG gedeckt sei. Nach der Systematik der Norm gehöre sie zu den Unterrichtungspflichten des allgemeinen Aufgabenkatalogs und damit vom Regelungszweck her zu § 80 II 1 BetrVG. Sie trete als Bestandteil des allgemeinen Teils des materiellen Betriebsverfassungsrechts hinter die besonderen Unterrichtungsrechte zurück, die z. T. Bestandteile konkreter Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte sind und deren Verletzung Rechtsfolgen auslösen. Da sie nicht zur Durchsetzung konkreter Mitbestimmungsrechte diene, beinhalte die Vorschrift keinen Herstellungsanspruch.557 Gegen den Einwand, anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, die Überwachungsfunktion des Betriebsrats eigenmächtig zu beschränken, indem er bestimmte Unterlagen nicht herstellt, wird argumentiert, dass der Betriebsrat nicht Kontrolleur des Arbeitgebers sei. Betont wird vielmehr die partnerschaftliche Zusammenarbeit und das Vertrauensverhältnis („ergänzender Beobachter“). Außerdem könne der Betriebsrat etwaigen Manipulationen des Arbeitgebers dadurch entgegen wirken, dass er die zuständigen Behörden auf deren Überwachungsaufgaben hinweist. Auch § 80 I Nr. 2 BetrVG biete keine Anspruchsgrundlage für die Herstellung von Unterlagen, sondern beinhalte nur ein Anregungsrecht, wobei eine Anregung aber nur im Rahmen erzwingbarer Mitbestimmung durchsetzbar ist. Der den Herstellungsanspruch ablehnenden Rechtsprechung558 wird in der Literatur weitgehend gefolgt.559 Als Teilhaberecht am unternehmerischen Handeln müsse die Teilhabe an Informationen nur dort eingeräumt werden, wo der 555 BAG v. 7.8.1986 AP Nr. 25 zu § 80 BetrVG 1972 = NZA 1987, 134 f.; vgl. etwa MünchArbR-Matthes, § 326 Rn. 20; F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 62; Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333 (335). 556 V. 7.8.1986 AP Nr. 25 zu § 80 BetrVG 1972. 557 So auch GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 77: Der Arbeitgeber hat nur die Informationen zu geben, die er selbst hat. Er ist nicht verpflichtet, sich weitere Informationen zu beschaffen, auch wenn der Betriebsrat sie für erforderlich hält.

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Arbeitgeber selbst über solche verfüge, ebenso wie es Mitbestimmung nur dort gebe, wo der Arbeitgeber etwas zu bestimmen habe. Es gehöre zur unangetasteten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, mit welchem Informationsstand der Arbeitgeber seinen Betrieb führe, dem Betriebsrat könne kein Einfluss darauf zugestanden werden, welche Informationen der Arbeitgeber erhebt.560 Vereinzelt wurde in der Literatur ein Herstellungsanspruch befürwortet. So sollte etwa nach einer älteren Auffassung561 aus der allgemeinen Pflicht des Arbeitgebers zur Unterstützung des Betriebsrats bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben im Einzelfall die Verpflichtung abgeleitet werden, Unterlagen zu erstellen, die die Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats erfordert. Der Hinweis, dass keine Unterlagen vorhanden sind, könne den Arbeitgeber nicht grundsätzlich von seiner Verpflichtung nach § 80 II 2 BetrVG befreien. Was erforderlich ist, solle der Betriebsrat im Rahmen eines ihm zur Verfügung stehenden Ermessens- und Beurteilungsspielraums entscheiden können. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen vorhanden sind. Aus der jüngeren Literatur hat sich Buschmann562 gegen die Ablehnung des Herstellungsanspruchs gewandt. § 80 II 2 BetrVG enthalte kein anspruchsbegründendes Merkmal „vorhanden“ und stelle allein auf die Erforderlichkeit ab. Statt den Betriebsrat auf die Einschaltung der Arbeitsschutzbehörden zu verweisen, sei eine innerbetriebliche Konfliktregelung vorzuziehen, wobei der Arbeitgeber, ggf. unter Rückgriff auf § 40 BetrVG, sogar zur Anschaffung eines für die Herstellung bestimmter Informationen notwendigen EDV-Programms verpflichtet werden könne. Mit dem Problem der Überwachungspflicht bei Vertrauensarbeit, bei der die elektronische Zeiterfassung abgeschafft worden war, hatte sich zuerst das ArbG Mönchengladbach563 zu befassen und entschieden, dass der Betriebsrat die zur Überwachung erforderlichen Informationen564 verlangen könne und dass die Ar-

558 Zustimmend etwa auch BAG v. 28.11.1989 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht = NZA 1990, 406 (408) sowie BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 559 Zustimmend etwa Ingo Natzel, Anm. zu BAG v. 7.8.1986, SAE 1987, 230, 233 (235); Kraft, ZfA 1983, 171, (192 f.); F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 62. 560 Kraft, ZfA 1983, 171 (193). 561 Föhr, DB 1976, 1378. 562 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 89. 563 V. 5.4.2000 AiB 2000, 572 ff. 564 Dazu gehörten die zur Überwachung der Einhaltung des bestehenden Tarifvertrags und des ArbZG erforderlichen Informationen (insb. Beginn und Ende der Arbeitszeit der einzelnen Mitarbeiter, Mehrarbeit/Überstunden insgesamt und über 8 Stunden pro Tag, Mehrarbeit an Sonntagen, gesetzlichen und Bank- Feiertagen; Nachtarbeit zwischen 20.00 und 6.00 Uhr). Auf die vom Betriebsrat ebenfalls geforderten Informationen über die Gleitzeit (tägliches Soll, Salden, Freizeitausgleich, Übertrag von Stunden aus dem Vormonat) bestand kein Anspruch, weil vorliegend keine Be-

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beitgeberin sie sich beschaffen müsse. Allerdings könne der Betriebsrat nicht verlangen, dass nur für ihn Unterlagen erstellt bzw. zu deren Erstellung erforderliche Einrichtungen angeschafft werden. Das Gericht hat somit einen Anspruch auf Unterrichtung anerkannt, nicht aber auf Vorlage von Unterlagen gem. § 80 II 2 BetrVG. In der Konsequenz ist der Betriebsrat auf mündliche Informationen beschränkt. In einem zunächst vom LAG Hamm565 entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat vom Arbeitgeber Auskunft über die Arbeitszeiten von AT-Mitarbeitern verlangt, für die im Arbeitsvertrag ein an der tariflichen Arbeitszeit orientiertes Arbeitszeitsystem ohne Zeiterfassung galt. Das Gericht stellte fest, dass die Beschränkung des Anspruchs auf die dem Arbeitgeber selbst zur Verfügung stehenden Informationen nur für solche gelte, zu deren Beschaffung der Arbeitgeber nicht rechtlich verpflichtet sei. Bestehe für ihn aber eine Verpflichtung, sich bestimmte Informationen zu beschaffen, so könne er sich nicht durch Zuwiderhandlung dem Auskunftsanspruch des Betriebsrats entziehen. Vielmehr habe er, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, den Betriebsrat zu unterrichten. Eine solche Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Beschaffung von Informationen sah das LAG nur in § 16 II 1 ArbZG begründet. Da der Arbeitgeber danach zur Aufzeichnung der die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG überschreitenden Arbeitszeit verpflichtet sei, müsse er sich über diese Arbeitszeiten der Mitarbeiter informieren und insoweit auch, da die übrigen Voraussetzungen des § 80 II 1 BetrVG vorlagen, den Betriebsrat unterrichten. Der Arbeitgeber ist nach dieser Rechtsprechung verpflichtet, dem Betriebsrat die gem. § 16 II 1 ArbZG erforderlichen Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen.566 Verneint hat das LAG Hamm eine Beschaffungspflicht für Informationen, die der Arbeitgeber selbst nicht hat und zu deren Beschaffung keine Rechtspflicht bestehe, was bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und Abweichungen von der tariflichen Wochenarbeitszeit der Fall sei. Auch das Argument des Betriebsrats, er benötige über § 16 II ArbZG hinausgehende Angaben zu den Arbeitszeiten der AT-Mitarbeiter im Hinblick auf sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG und die mögliche Einführung von Vertrauensarbeit, konnte daran nichts ändern. Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde des Betriebsrats vor dem BAG567 hatte indessen weitgehend Erfolg.568 Danach hat der Betriebsrat nicht nur einen Anspruch auf Vorlage der Aufzeichnungen gem. § 16 II ArbZG, sondern triebsvereinbarung über die Gleitzeit bestand, deren Einhaltung hätte überprüft werden können. 565 V. 30.10.2001 – 13 TaBV 49/01 – juris. 566 LAG Hamm v. 30.10.2001 – 13 TaBV 49/01 – juris. 567 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972, vgl. auch Schlottfeldt, AuA 7/2003, 52.

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auch auf Auskunft über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Über- und Unterschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Zur Begründung verweist das Gericht auf die gesetzliche Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 I Nr. 1 BetrVG. Der Betriebsrat habe etwa zu überprüfen, ob die in § 5 ArbZG vorgeschriebene Mindestruhezeit (und die tarifliche Arbeitszeit) eingehalten werden. Entgegen der Ansicht, wonach der Arbeitgeber nur ihm zur Verfügung stehende Informationen zu geben habe,569 nimmt der Senat an, dass sich der Arbeitgeber die erforderlichen und in seinem Betrieb anfallenden Informationen in geeigneter Weise zu beschaffen habe; er könne sich dem aus der gesetzlichen Kontrollpflicht resultierenden Auskunftsanspruch nicht dadurch entziehen, dass er auf die Kenntnisnahme der tatsächlichen Arbeitszeiten seiner Beschäftigten verzichtet.570 Den Informationsanspruch hat das Gericht nicht auf § 80 II 2 BetrVG gestützt und insofern in Übereinstimmung mit der früheren BAG-Rechtsprechung571 keinen Anspruch auf Herstellung von Unterlagen angenommen. Gegenstand der Entscheidung war vielmehr der Auskunftsanspruch gem. § 80 II 1 BetrVG. Anders als bei § 80 II 2 BetrVG gehe es hinsichtlich der betrieblichen Arbeitszeiten nicht um den Fall nicht existierender Unterlagen. Der Arbeitgeber müsse lediglich dafür sorgen, dass „objektiv vorhandene Daten“ zur Arbeitszeit, die im Betrieb „ohne weiteres und ständig“ anfielen, „zur Kenntnis genommen und mitteilbar gemacht werden“. Er müsse „nur etwas Gegebenes“ wahrnehmen. Hierzu sei er schon unabhängig von der Überwachungsaufgabe des Betriebsrats verpflichtet. Ein Verzicht auf die Erhebung von Arbeitszeitdaten sei keine zu respektierende Ausübung der betrieblichen Organisations- und Leitungsmacht des Arbeitgebers. Er habe vielmehr seinen Betrieb so zu organisieren, dass die gesetzlichen und tariflichen Höchstarbeitszeitgrenzen eingehalten werden. Dies werde von § 80 I 1 BetrVG, der sich nur auf normativ gebundenes Arbeitnehmerhandeln bezieht, vorausgesetzt. Die Verpflichtung zur Beachtung normativer Vorgaben fordere, den Betrieb so zu organisieren, dass der Arbeitgeber die Übereinstimmung betrieblicher Abläufe mit diesen Vorgaben selbst überprüfen und erforderlichenfalls korrigierend eingreifen kann. Dafür ist die Erhebung der vom Betriebsrat gewünschten Informationen unentbehrlich. Die Wahl der Mittel zur Sicherstellung der Beachtung normativer Arbeitszeitgrenzen obliegt dem Arbeitgeber aufgrund seiner Organisations- und 568 Zust. Anm. zu BAG v. 6.5.2003 Krabbe-Rachut, AuR 2004, 72; J. Wagner, AiB 2003, 751 f.; krit. Mues, M. Werner, ArbRB 2003, 365. 569 ErfK-Kania, BetrVG § 80 Rn. 19; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 70. 570 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 571 BAG v. 7.8.1986 AP Nr. 25 zu § 80 BetrVG 1972 = BAGE 52, 316 (321); v. 28.11.1989 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht = BAGE 63, 283 (291). Entgegen der vorbehaltlich der Urteilsbegründung getroffenen Einschätzung von Tietje, (FAZ v. 23.7.2003, S. 17) ist die Rspr. zu den Lärmmessgeräten damit nicht „ins Wanken geraten“.

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Leitungsmacht. Er dürfe den Betriebsrat aber nicht darauf verweisen, dass dieser sich die Informationen eigenständig zu beschaffen habe. (b) Stellungnahme und Zwischenergebnis Unter dem Gesichtspunkt der effektiven Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats zur Gewährleistung des Arbeitnehmerschutzes ist die Entscheidung des BAG, aus § 80 II BetrVG einen Auskunftsanspruch herzuleiten, der inhaltlich über die Anforderungen des § 16 II ArbZG hinausgeht und alle zur Überwachung der Einhaltung normativer Arbeitszeitvorgaben erforderlichen Arbeitszeiten erfasst, zu begrüßen. Die Kompetenz des Betriebsrats, gem. § 80 BetrVG darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer bestehenden Rechtsvorschriften im Betrieb durchgeführt werden, ist unabdingbar.572 Dem Argument von Kraft573, Informationen, die der Arbeitgeber selbst nicht habe, weil er sie nach seiner Meinung nicht benötige – anderenfalls er sie sich beschaffen würde –, könnten vom Betriebsrat auch nicht gefordert werden, steht entgegen, dass dann der Arbeitgeber auch darüber entscheiden könnte, wie effektiv der Betriebsrat seine Überwachungsaufgabe gem. § 80 I Nr. 1 BetrVG erfüllen kann. Wenn die Beantwortung der Frage nach Inhalt und Umfang des Informationsanspruchs im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Aufgabe erfolgen soll574, so ist diese Erkenntnis zu Gunsten einer extensiven Auslegung im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Arbeitszeitschutz heranzuziehen. Es erscheint weitergehend sogar vertretbar, einen Anspruch auf Herstellung von Unterlagen gem. § 80 II 2 BetrVG zu begründen, wenngleich das BAG575 einen dem § 80 II 2 BetrVG entsprechenden Fall hier nicht gesehen hat. Das von der Rechtsprechung zur Installation von Lärmmessgeräten576 angeführte Wortlautargument überzeugt jedenfalls nicht, da der Wortlaut ebenso wenig für eine Beschränkung auf „vorhandene“ Unterlagen hergibt577 wie für einen Herstellungsanspruch. Im Übrigen wird die Gefahr, dass der Betriebsrat zum Kontrolleur des Arbeitgebers wird, statt vertrauensvoll mit ihm zusammenzuarbeiten578, eher vergrößert, wenn er bei Verdachtsmomenten im Hinblick auf Ar572 Rüthers, ZfA 1977, 1 (15 f.), sie werde auch nicht dadurch geschmälert, dass der Arbeitgeber Teile seines Direktionsrechts auf (teilautonome) Betriebsgruppen überträgt. Die Kontrollbefugnisse des Betriebsrates richteten sich gegen jede Instanz, die im Betrieb delegierte Arbeitgeberfunktionen (Teile des Direktionsrechts) ausübt. 573 ZfA 1983, 171 (192 f.) 574 So Kraft, ZfA 1983, 171 (196 f.). 575 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 576 BAG v. 7.8.1986 AP Nr. 25 zu § 80 BetrVG 1972 = NZA 1987, 134 (135). 577 Wie D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 89. 578 Vgl. BAG NZA 1987, 134 (135).

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beitszeitverstöße auf die Einschaltung der Aufsichtsbehörden verwiesen würde. Im Rahmen des dafür einschlägigen § 89 I BetrVG wird von der h. M.579 gerade aus dem Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit (§§ 2 I und 74 I 2 BetrVG) der Vorrang innerbetrieblicher Lösungen vor der Einschaltung außerbetrieblicher Stellen hergeleitet. Dasselbe soll gelten, wenn der Betriebsrat im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe Rechtsverstöße festgestellt hat.580 Eine Beschränkung des Unterrichtungsrechts auf mündliche Informationen dürfte dem Betriebsrat jedenfalls die Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe erschweren. Deshalb ist es gerade nicht als „erfreulich“581 einzuschätzen, dass der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht auch durch mündliche Angaben nachkommen kann. Selbst wenn ein Rückgriff auf § 80 II 2 BetrVG mit der herrschenden Ansicht unterbleibt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, durch geeignete Mittel die „Mitteilbarkeit“ betrieblicher Arbeitszeiten zu gewährleisten.582 Da hierfür Arbeitszeitaufzeichnungen am praktikabelsten erscheinen, sollte auf diese nicht verzichtet werden.583 (2) Auskunftserteilung durch die Arbeitnehmer Wenngleich Betriebsräte nicht auf eine eigenständige Informationsbeschaffung bei den Arbeitnehmern verwiesen werden dürfen584, soll dennoch darauf eingegangen werden, ob die Arbeitszeitkontrolle auf Grundlage des § 80 II BetrVG überhaupt bei den Beschäftigten selbst durchgeführt werden könnte. Dass diese Praxis bei den kontrollierten Arbeitnehmern auf wenig Verständnis stoßen und Anlass für Konfrontationen bieten dürfte, wurde bereits erwähnt.585 (a) Kein Anspruch gegen Arbeitnehmer Der Wortlaut des § 80 II BetrVG spricht dagegen, dass der Betriebsrat die erforderlichen Informationen auch von den Arbeitnehmern selbst verlangen kann.586 579

MünchArbR-Matthes, § 344 Rn. 10; GK-Wiese, BetrVG, § 89 Rn. 6 m. w. N. Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn.16; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 27; Söllner, FS Herschel, S. 388 (403). 581 So aber wohl Bell, Anm. zu ArbG Mönchengladbach vom 5.4.2000, AiB 2000, 572 (573). 582 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 583 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Schlottfeldt, AuA 7/2003, 52 und Kapitel 4, § 3. B. II. 2 e) bb). 584 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 585 Vgl. oben bb). 580

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Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber bestimmt, welche konkreten Personen Informationen an den Betriebsrat geben dürfen, falls er dies nicht selbst tun will oder kann. Die ermächtigten Personen – in diesem Falle die Arbeitnehmer selbst – sind Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers, der stets der nach Abs. 2 S. 1 Verpflichtete bleibt und daher das Recht hat zu bestimmen, welche Informationsquellen zur Gewinnung welcher Information in welchem Umfang genützt werden und wann die gewonnen Daten so aufbereitet sind, dass sie an den Betriebsrat im Rahmen der gesetzlichen Informationspflicht weitergegeben werden können.587 (b) Arbeitnehmer als Auskunftsperson Seit der Novellierung des § 80 II BetrVG588 ergibt sich jedoch aus dem neu eingefügten Satz 3, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen hat.589 Damit erhält der Betriebsrat einen „förmlichen Anspruch auf Unterstützung“ durch die Arbeitnehmer, die in diesem Fall nicht Vertreter des Arbeitgebers sind.590 Nach Auffassung Krafts, der die Norm als das Übermaßverbot verletzend ablehnt, sei es dem Gesetzgeber in Wahrheit darum gegangen, eine Informationspflicht der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat einzuführen.591 Nach der Entwurfsbegründung der Bundesregierung ist Zweck der Vorschrift, den Einzelnen stärker in die Betriebsverfassung einzubeziehen und dadurch den internen Sachverstand für den Betriebsrat bei der Suche nach Problemlösungen nutzbar zu machen.592 Sachkundige Arbeitnehmer können bei allen gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats erforderlich werden, so auch bei seinen allgemeinen Überwachungsrechten nach Abs. 1.593 Über größere Sachkunde als der Betriebsrat können die Arbeitnehmer gerade in organisatorischen Fragen verfügen594, zu denen sich auch die individuelle Arbeitszeitgestaltung zählen lässt. Da in sachlicher Hinsicht das Auskunftsrecht die Informationen beinhaltet, die auch der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Verfügung stellen 586 Vgl. GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 58; ders., ZfA 1983, 171 (183) zu Fragebogenaktionen. 587 GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 55; ders., ZfA 1983, 171 (179); Stege/Weinspach, BetrVG, § 80 Rn. 9d. 588 Durch BetrVerf-ReformG vom 23.7.2001, BGBl. I S. 1852. 589 Ausf. Oetker, NZA 2003, 1233 ff. 590 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 116; Becker/Kunz, AiB 2002, 537. 591 GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 105. 592 BT-Drs. 14/5741 S. 29 f., 46 f. 593 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 80 Rn. 42. 594 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 80 Rn. 43.

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müsste595, könnten Informationen über Arbeitszeiten durchaus mit Hilfe der Vorschrift verlangt werden. Der Anspruch auf Zur-Verfügung-Stellung einer sachkundigen Auskunftsperson trifft den Arbeitgeber, so dass dieser den entsprechenden Arbeitnehmer zur Auskunftserteilung verpflichten muss.596 Der Betriebsrat kann daher gem. § 80 II 3 BetrVG vom Arbeitgeber verlangen, dass Arbeitnehmer Auskunft erteilen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung einer konkreten Betriebsratsaufgabe erforderlich ist.597 Z. T. wird allerdings vertreten, dass der Arbeitnehmer die Auskunftserteilung verweigern kann. Aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gem. § 75 II 1 BetrVG folgt nach Auffassung Löwischs, dass der Arbeitnehmer selbst entscheiden könne, ob er sich in den Dienst des Betriebsrats stellen wolle. Kraft Direktionsrechts könne der Arbeitnehmer hierzu nicht verpflichtet werden.598 Da der Arbeitnehmer nicht in eigener Angelegenheit Auskunft erteile, sondern einen Anspruch des Arbeitgebers erfülle und damit diesem gegenüber eine arbeitsvertragliche Verpflichtung wahrnehme, ist er nach der Gegenauffassung nicht berechtigt, die Auskunftserteilung zu verweigern, sondern habe wahrhaft Auskunft zu erteilen.599 Gegen die letztgenannte Auffassung spricht zwar, dass der Auskunft erteilende Arbeitnehmer bei kontroversen Themen durchaus in Loyalitätskonflikte geraten kann.600 Genau dieser Aspekt spricht aber auch dagegen, es der vermeintlich freien Entscheidung des Arbeitnehmers anheim zu stellen, ob er dem Betriebsrat seine Sachkunde zur Verfügung stellen will oder nicht, denn dann liefe u. U. der Anspruch des Betriebsrats ins Leere.601 Ist der Arbeitnehmer aber ohnehin verpflichtet, dem Arbeitgeber betriebsbezogenes Wissen zur Verfügung zu stellen, kann er auch durch Weisung verpflichtet werden, dieses dem Betriebsrat zu übermitteln.602 Man wird also davon ausgehen können, dass die Vorschrift de facto eine Informationspflicht der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat begründet, obwohl der Betriebsrat keinen Anspruch gegen die Arbeitnehmer selbst hat.603 595

Ivo Natzel, NZA 2001, 872 (873). F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 81, 85; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 105. 597 Löwisch, BB 2001, 1790 (1791). 598 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 80 Rn. 47; Löwisch, BB 2001, 1790 (1791); zweifelnd GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 105; Franzen, ZfA 2001, 423 (439), der für die Reichweite des Direktionsrechts bei der Interessenabwägung auf Interessenkonflikte des Arbeitnehmers abstellen will. 599 F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 85; ErfK-Kania, BetrVG § 80 Rn. 30 a; Ivo Natzel, NZA 2001, 872 (873); Oetker, NZA 2003, 1233 (1237). 600 Auf diese Konflikte wird etwa hingewiesen von GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 105; Däubler, AuR 2001, 285 (286); Franzen, ZfA 2001, 423 (439); P. Hanau, Denkschrift, RdA 2001, 65 (72). 601 Vgl. Oetker, NZA 2003, 1233 (1237). 602 Oetker, NZA 2003, 1233 (1237). 596

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(c) Informationsbeschaffung am Arbeitsplatz Schließlich stellt sich noch die Frage, ob aus § 80 II BetrVG das Recht des Betriebsrats folgt, die Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz aufzusuchen und ggf. Fragen zu stellen, um sich die notwendigen Informationen zu beschaffen. Das Zugangsrecht ist nach einer engen Auffassung jedenfalls dann zu bejahen, wenn konkrete Aufgabe und Fragestellung des Betriebsrats Bezug zum Arbeitsplatz haben604, wobei letzteres bei Arbeitszeitfragen schon zweifelhaft erscheinen könnte.605 Die Gegenauffassung verzichtet auf das Erfordernis des Arbeitsplatzbezugs und befürwortet im Rahmen des § 80 II BetrVG ein Selbstbeschaffungsrecht von Informationen.606 Kann der Betriebsrat danach jede ihm zugängliche Informationsquelle nutzen607, wäre eine Überwachung der Arbeitszeiten bei den Arbeitnehmern selbst rechtlich abgesichert. Von der Rechtsprechung ist das Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen anerkannt, sofern dies der Überwachungsaufgabe des Betriebsrats gem. § 80 I Nr. 1 BetrVG dient.608 Denn § 80 II und III BetrVG enthielten keine abschließende Regelung dahin, dass Informationen nur durch Unterrichtung durch den Arbeitgeber oder Hinzuziehung von Sachverständigen erlangt werden dürften.609 (d) Stellungnahme Ob ein Selbstbeschaffungsrecht, auf das der Betriebsrat bei Vertrauensarbeitszeit nach Auffassung des BAG610 nicht verwiesen werden darf, von § 80 II BetrVG gedeckt ist, hängt davon ab, ob berechtigte Interessen dagegen sprechen. Abgelehnt wird ein Selbstbeschaffungsrecht vornehmlich unter Hinweis auf einen unzulässigen Eingriff in die Arbeitgebersphäre.611 Diese Gefahr droht

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So GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 105. GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 58; BAG v. 13.6.1989 AP Nr. 36 zu § 80 BetrVG 1972; Schlochauer, FS Müller, S. 459 (466). 605 Vgl. Schlochauer, FS Müller, S. 459 (463 f.). Das Recht zum Aufsuchen der Arbeitsplätze bestehe allerdings nur dann, wenn die konkrete Aufgabe des Betriebsrats einen Bezug zum Arbeitsplatz hat, nicht dagegen, „um mit den Arbeitnehmern die Lage der Arbeitszeit zu diskutieren“, ebd., S. 466. 606 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 99; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 80 Rn. 60, mit dem Vorbehalt, dass kein Eingriff in die Rechtssphäre des Arbeitgebers erfolgen dürfe. 607 So D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 99. 608 BAG v. 13.6.1989 AP Nr. 36 zu § 80 BetrVG 1972; v. 17.1.1989 AP Nr. 1 zu § 2 LPVG NW; vgl. auch v. 8.2.1977 AP Nr. 10 zu § 80 BetrVG 1972. 609 BAG v. 13.6.1989, 6.5.2003 AP Nr. 36, 61 zu § 80 BetrVG 1972; v. 17.1.1989 AP Nr. 1 zu § 2 LPVG NW. 610 V. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 611 Kraft, ZfA 1983, 171 (185). 604

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vorliegend nicht. Vorbehaltlich eines solchen Eingriffs steht es also im Ermessen des Betriebsrats, wie er seine Aufgaben wahrnehmen will. Der für eine zulässige Selbstbeschaffung vorausgesetzte Aufgabenbezug612 ist ebenfalls gegeben. Gründe gegen ein Selbsthilferecht, wenn der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nicht nachkommt613, sind nicht ersichtlich. Auch aus der persönlichen Rechtssphäre des Arbeitnehmers aus Art. 2 I GG lassen sich für den Fall der Arbeitszeitkontrolle an den Arbeitsplätzen Grenzen des Informationsanspruchs nicht begründen614, da dem Arbeitnehmer kein Rechtsnachteil droht und er durch § 612 a BGB gegen „Vergeltung“ geschützt ist. Da sich die Informationsbeschaffung am Arbeitgeber vorbei allerdings als wenig befriedigend darstellt, wenn die Kontrolle durch den Betriebsrat auf den Widerstand der Belegschaft trifft und daher hohes Konfliktpotenzial birgt, ist noch einmal zu betonen, dass weder der Betriebsrat hierauf verwiesen werden darf, noch eine Verpflichtung der Arbeitnehmer auf Informationserteilung aus dem BetrVG hergeleitet werden kann615, es sei denn, sie werden vom Arbeitgeber als Auskunftspersonen zur Verfügung gestellt.616 (3) Zusammenfassung und Ergebnis Auch wenn im Betrieb Vertrauensarbeit eingeführt wurde, muss der Betriebsrat die Möglichkeit haben, die für seinen Überwachungsauftrag gem. § 80 I BetrVG erforderlichen Informationen zu erlangen. Der Arbeitgeber ist daher zu deren Beschaffung verpflichtet, wobei es sich nach Ansicht des BAG nicht um die Herstellung von Unterlagen i. S. d. § 80 II 2 BetrVG handelt. Um den Betriebsrat nicht auf mündliche Informationen zu beschränken, kann entgegen der Rechtsprechung des BAG auch eine Auslegung des § 80 II 2 BetrVG geboten sein, nach der der Arbeitgeber zur Herstellung von Unterlagen verpflichtet ist. Dazu ist mindestens erforderlich, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiter zur umfassenden Aufzeichnung von Arbeitszeiten verpflichtet und diese dem Betriebsrat zugänglich macht. Hilfsweise besteht die Möglichkeit, zur Überprüfung der Arbeitszeiten die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen und sie zu befragen. Ein Anspruch gegen die Arbeitnehmer selbst, z. B. auf Vorlage der Arbeitszeitnachweise, kann nicht hergeleitet werden. De facto kann dies aber durch Geltendma612 Überwachung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften ist eine Aufgabe nach § 80 I Nr. 1 BetrVG. 613 Gegen das Selbsthilferecht Stege/Weinspach, BetrVG, § 80 Rn. 9d. 614 Vgl. Kraft, ZfA 1983, 171 (190), wonach die Einschränkung der persönlichen Freiheit im Konzept des BetrVG liegt und im Einzelfall hinzunehmen ist. 615 Vgl. GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 55; Stege/Weinspach, BetrVG, § 80 Rn. 9b. 616 GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 58.

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chung des Anspruchs auf Zur-Verfügung-Stellung von Arbeitnehmern als sachkundige Auskunftspersonen erreicht werden. dd) Reaktionsmöglichkeiten auf Verstöße Um die Rolle des Betriebsrats für den Arbeitszeitschutz zu definieren, sind noch dessen Mittel zur Reaktion auf festgestellte Verstöße gegen die einzuhaltenden Vorschriften aufzuzeigen. Zunächst hat er den Arbeitgeber auf Verstöße hinzuweisen und auf Abhilfe zu drängen.617 Bei Verletzung von Arbeitsschutznormen kann der Betriebsrat die Gewerbeaufsicht einschalten.618 Vor Anzeigen bei Behörden oder einer „Flucht in die Öffentlichkeit“ ist die interne Bereinigung innerbetrieblicher Missstände anzustreben.619 Der Betriebsrat kann auch die Arbeitnehmer bei Beeinträchtigung ihrer Rechte620, ggf. unter Nutzung des betrieblichen Intranets621, informieren und auf die Möglichkeiten gerichtlicher Maßnahmen hinweisen.622 Ein darüber hinaus gehendes eigenes Recht des Betriebsrats aus § 80 I BetrVG, bei festgestellten Verstößen die Einhaltung der von ihm zu überwachenden, zu Gunsten der Arbeitnehmer bestehenden Vorschriften im Beschlussverfahren gerichtlich geltend zu machen, wird überwiegend abgelehnt.623 Nur vereinzelt wird ein solcher Anspruch des Betriebsrats befürwortet.624 Hierfür mag zwar die geringe Klagebereitschaft der einzelnen Arbeitnehmer sprechen,625 die u. a. aus Furcht vor Nachteilen oder Solidarität mit dem Arbeitgeber resultiert626; indes entspricht ein Antragsrecht des Betriebsrats nicht der gel617 Vgl. BAG v. 10.6.1986, 24.2.1987 AP Nr. 26, 28 zu § 80 BetrVG 1972; D/K/KBuschmann, BetrVG, § 80 Rn. 21; F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 15; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 27. 618 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 21; bei Verstößen gegen Tarifverträge die Gewerkschaft. 619 F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 16; Söllner, FS Herschel, S. 388 (403); vgl. auch BGH v. 20.1.1981 AP Nr. 4 zu § 611 BGB Schweigepflicht. 620 Zu den Durchsetzungsmöglichkeiten des ArbZG auf individualvertraglicher Ebene siehe nachfolgende Ausführungen. 621 BAG v. 3.9.2003 – 7 ABR 12/03; LAG Schleswig-Holstein v. 28.1.2003 – 5 TaBV 25/02 – AuR 6/2003, 43 ff. 622 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 12; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 27. 623 BAG v. 16.7.1985 AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; v. 10.6.1986, 24.2.1987 AP Nr. 26, 28 zu § 80 BetrVG 1972; v. 17.10.1989 AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972; v. 5.5.1992 NZA 1992, 1089; v. 24.1.1996 – 1 ABR 35/95 – n. v. (Gründe A.I.2.c); ausführlich dazu Nebendahl, DB 1990, 2018 ff. 624 Vgl. ArbG Braunschweig v. 24.10.1985 – 1 BV Ga 15/85; BAG v. 29.4.1982 AP Nr. 4 zu § 15 BAT; zur Einhaltung des einschlägigen Tarifvertrags; Däubler, AuR 1995, 305 (306 f.). 625 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 18. 626 Nebendahl, Die Überwachungspflicht, S. 16 f. m. w. N.

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tenden Rechtslage bzw. Rechtspraxis. Hauptargument dagegen ist, dass § 80 BetrVG eine Verlagerung des Individualrechtsschutzes auf die Ebene Arbeitgeber – Betriebsrat nicht vorsieht.627 Aufgrund der systematischen Stellung des § 80 BetrVG im Abschnitt „Allgemeines“ kann aus dieser Norm nicht die so weit gehende Befugnis der Geltendmachung von Individualansprüchen hergeleitet werden. Widersprüche würden sich im Hinblick auf §§ 85 II und 99 II 1 BetrVG ergeben, deren Regelungsinhalte und Voraussetzungen weitgehend leer liefen, wenn der Betriebsrat bereits gem. § 80 I BetrVG die Einhaltung geltenden Rechts gerichtlich durchsetzen könnte.628 Im Übrigen könnte die gesetzlich vorgegebene Trennung zwischen arbeitsgerichtlichem Urteils- und Beschlussverfahren nicht aufrechterhalten werden.629 Aufgrund der Gesetzeslage ist an dieser Rechtsauffassung festzuhalten, was den Befund rechtfertigt, dass der Betriebsrat insofern „ein zahnloser Tiger“ ist.630 Ebenfalls nicht zu den Aufgaben nach § 80 I BetrVG gehört die Prozessvertretung für den Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht.631 Daraus ergibt sich, dass der Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe auf die o. g. außergerichtlichen Handlungsmöglichkeiten beschränkt ist. Aus den vom Gesetz relativ schwach ausgestalteten Durchsetzungsbefugnissen wird deutlich, dass der hinter den Kontrollrechten stehende Druck eher ein moralischer denn ein rechtlicher sein kann. III. Rolle des Individualarbeitsrechts und zivilrechtliche Verantwortlichkeit Neben den öffentlich-rechtlichen bestehen auch zivilrechtliche Mechanismen, die der Durchsetzung des Arbeitszeitrechts dienen sollen. Das staatliche Arbeitsschutzrecht ist mit dem privaten Arbeitsrecht in mehrfacher Weise verbunden. Arbeitsschutzvorschriften können folglich auf die Arbeitsvertragsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten einwirken.632 Die sich daraus ergebenden Ansprüche und Rechte des Arbeitnehmers legen jedoch die Situation zugrunde, dass Arbeitszeiten vom Arbeitgeber festgelegt werden, so dass durch 627

BAG v. 10.6.1986 AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972. Nebendahl, DB 1990, 2018 f. Der Betriebsrat habe die Interessen der Gesamtbelegschaft, nicht bloß einzelner Arbeitnehmer, wahrzunehmen und sei dabei auf das Betriebswohl verpflichtet (§ 2 BetrVG). Die Rolle des Interessenvertreters des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber sei damit nicht vereinbar, ebd., S. 2022. 629 Nebendahl, DB 1990, 2018 (2020). 630 Vgl. Gamillscheg, AuR 1996, 354 (355). 631 Vgl. BAG v. 19.5.1983 AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972 (Gründe 3.a); v. 9.10.1970 AP Nr. 4 zu § 63 BetrVG (Gründe 3.); F/K/H/E/S, BetrVG, § 80 Rn. 14; GK-Kraft, BetrVG, § 80 Rn. 27; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 80 Rn. 6; V. Schmidt, AuR 1988, 26 (28). 632 MünchArbR-Wlotzke, § 209 Rn. 1. 628

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die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit auch die Wirksamkeit der im Folgenden zu betrachtenden Mittel auf individualrechtlicher Ebene in Frage gestellt wird. Systematisch ist zwischen vertragsrechtlichen Inhaltsschranken (§ 134 BGB) und der sog. Doppelwirkung von Arbeitsschutzvorschriften zu differenzieren.633 Mit dem Grundsatz der Doppelwirkung wird allgemein anerkannt, dass die an den Arbeitgeber gerichteten öffentlich-rechtlichen Gebote und Verbote in den Arbeitsschutzvorschriften ganz überwiegend auch entsprechende unabdingbare Vertragspflichten des Arbeitgebers begründen.634 1. Nichtigkeit gem. § 134 BGB Die Vorschriften des ArbZG über zulässige Höchstarbeitszeiten, Pausen und Mindestruhezeiten, Sonn- und Feiertagsarbeit enthalten gesetzliche Verbote i. S. d. § 134 BGB – unabhängig davon, ob sie als Verbote oder Gebote formuliert sind. Vereinbarungen der Vertragsparteien oder Weisungen des Arbeitgebers, die gegen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes verstoßen, sind daher gem. § 134 BGB nichtig.635 An deren Stelle treten rückwirkend die Vorschriften des ArbZG. Eine entgegen den arbeitszeitrechtlichen Höchstgrenzen des ArbZG vereinbarte Dauer der täglichen Arbeitszeit wird auf die arbeitszeitrechtlich zulässige Dauer reduziert.636 Die bei praktizierter Vertrauensarbeitszeit möglicherweise auftretenden Gesetzesverstöße lassen sich hiermit allerdings nicht verhindern, denn die vereinbarten Arbeitszeiten liegen regelmäßig im Rahmen des Zulässigen, während sich die Nichteinhaltung der Vorschriften des ArbZG auf der rein faktischen Ebene vollzieht. 2. Vertragliche Verpflichtungen Die Vorschriften des ArbZG konkretisieren die dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegende privatrechtliche Fürsorgepflicht, nämlich den Ar633

MünchArbR-Wlotzke, § 209 Rn. 1. Vgl. dazu Nipperdey, FS 50 Jahre Reichsgericht, Bd. IV, S. 203 ff. (216 f.); Baeck/Deutsch, ArbZG, Einl. Rn. 49; Oetker in: Staudinger, BGB, § 618 Rn. 10 ff.; MünchArbR-Wlotzke, § 209 Rn. 3; BAG v. 10.3.1976, 21.5.1985 AP Nr. 17, 19 zu § 618 BGB. 635 BAG v. 28.1.1971 AP Nr. 62 zu § 626 BGB = DB 1972, 489 (490); LAG Thüringen v. 19.3.2002 LAGE § 3 ArbZG Nr. 1; MünchArbR-Wlotzke, § 209 Rn. 5 ff.; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 22. 636 Vgl. LAG Thüringen v. 19.3.2002 LAGE § 3 ArbZG Nr. 1; die Anwendung der Teilnichtigkeitsregel des § 139 BGB, wonach im Zweifel das ganze Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn ein Teil nichtig ist, würde dem Schutzzweck des ArbZG zuwiderlaufen. Vollnichtigkeit ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen, z. B. wenn der Arbeitsvertrag auf eine nach § 9 ArbZG unzulässige Sonn- und Feiertagsarbeit gerichtet ist. Vgl. MünchArbR-Wlotzke, § 209 Rn. 7 f.; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 209 Rn. 22. 634

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beitnehmer im Arbeitsvollzug zu schützen und alles zu unterlassen, was dessen Persönlichkeit oder Interessen schädigen könnte und ihn daher nicht über die Höchstarbeitszeitgrenzen oder entgegen §§ 9 und 10 zu beschäftigen sowie ihm Mindestruhezeiten und -pausen zu gewähren.637 Auch bei Vertrauensarbeitszeit muss der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisieren, dass er die Übereinstimmung betrieblicher Abläufe mit den gesetzlichen Vorgaben selbst überprüfen und erforderlichenfalls korrigierend eingreifen kann.638 Eine ausdrückliche Transformationsvorschrift, wie noch in § 6 JArbSchG 1960 a. F., fehlt im ArbZG.639 Die Transformation von Arbeitsschutzvorschriften in Vertragspflichten ist auf solche Pflichten begrenzt, die geeignet sind, von den Arbeitsvertragsparteien als Arbeitsbedingungen vereinbart zu werden.640 Die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften kann der Arbeitnehmer aufgrund eines Erfüllungsanspruchs aus § 618 BGB mit Hilfe einer Leistungsklage durchsetzen.641 Dessen Anwendungsbereich ist nicht auf den Schutz vor Gefahren aus technischen Einrichtungen beschränkt; die Schutzpflicht umfasst vielmehr generell die Regelung von Dienstleistungen, wozu auch Anordnungen hinsichtlich des Umfangs und der Lage der Arbeitszeit gehören.642 Der teilweise befürwortete Anspruch des Arbeitnehmers auf Unterlassung einer verbotswidrigen Beschäftigung, den er mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen könne643, kommt bei Vertrauensarbeitszeit nicht in Betracht, da im Extremfall überhaupt keine Anordnungen bzgl. der Arbeitszeit bestehen. Für den Fall, dass der Arbeitgeber mit einer Arbeitszeitregelung gegen eine Handlungspflicht aus dem ArbZG, wie z. B. die Gewährung von Ruhezeiten verstößt, kommt aber eine Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Regelung in Betracht.644 Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch gegen den Arbeitge637 Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (738 f.); Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 25. 638 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 639 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 25. 640 Nicht darunter fallen Ordnungsvorschriften, die nur gegenüber der Aufsichtsbehörde bestehen; Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (740 ff.); ausf. Nipperdey, FS 50 Jahre Reichsgericht, Bd. IV, S. 203 (219 f.). 641 BAG v. 10.3.1976, 18.2.1982, 21.8.1985 AP Nr. 17, 18, 19 zu § 618 BGB; Baeck/Deutsch, ArbZG, Einl. Rn. 50; MünchArbR-Wlotzke, § 209 Rn. 19, 21; ders., FS Hilger/Stumpf, S. 723 (744); Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 25 ff. 642 Oetker in: Staudinger, BGB, § 618 Rn. 20, 26, 123, 126 gegen MüKo-Lorenz, § 618 Rn. 20, 56; vgl. auch BAG v. 13.3.1967 AP Nr. 15 zu § 618 BGB hins. des Schutzes Leitender Angestellter vor Überlastung durch eine entsprechende Arbeitsorganisation. 643 So Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 30; nach Wlotzke, FS Hilger/Stumpf S. 723 (747) fehlt es hierfür am Rechtsschutzbedürfnis. 644 BAG v. 24.3.1998 AP Nr. 21 zu § 21 e GVG = NZA 1999, 107; Baeck/Deutsch, ArbZG, Einf. Rn. 50.

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ber auf Erfüllung der diesem vom ArbZG auferlegten Handlungspflichten645; er kann sogar nach einem Urteil des LAG Baden-Württemberg646 die uhrzeitgenaue Festlegung von Ruhepausen verlangen. Verlangt der Arbeitgeber eine gesetzwidrige Beschäftigung, kann der Arbeitnehmer gem. § 273 BGB647 die Leistung verweigern, es handelt sich dann nicht um eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers.648 Aus positiver Forderungsverletzung (§§ 280 I, 241 II BGB) kann ein Schadensersatzanspruch gegeben sein, wenn der Arbeitgeber schuldhaft die Vorschriften des ArbZG649 verletzt.650 Dabei soll ein Mitverschulden des Arbeitnehmers gem. § 254 BGB ausscheiden, da nur der Arbeitgeber verantwortlich sei für die Einhaltung der Vorschriften des ArbZG.651 Die ständige und erhebliche Überschreitung der Höchstarbeitszeitgrenzen der §§ 3, 6 II und 11 II oder ständige und erhebliche Verstöße gegen andere Schutzvorschriften des ArbZG können dem Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung mit der Folge des § 628 II BGB geben, und zwar auch dann, wenn er zunächst bereit war, die verbotswidrige Arbeit zu verrichten.652 Die berechtigte Verweigerung gesetzwidriger Arbeit durch den Arbeitnehmer gibt dem Arbeitgeber keinen ausreichenden Grund zur Kündigung.653 Bei Nichteinhaltung der Vorschriften des ArbZG kann sich der Arbeitnehmer an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden, damit von dort aus der gesund645

BAG v. 24.3.1998 NZA 1999, 107 (108 f.). ZTR 1999, 365 f. 647 Stattdessen schlägt Wlotzke in MünchArbR, § 209 Rn. 11 m. w. N. die Geltendmachung einer rechtshindernden Einwendung aus § 134 BGB vor, da insoweit aufgrund von § 134 BGB schon gar keine Leistungspflicht entstehen könne. Zur richtigen Rechtsgrundlage des Leistungsverweigerungsrechts vgl. Oetker in: Staudinger, BGB, § 618 Rn. 257 ff. 648 ArbG Mosbach v. 24.11.1955 AP Nr. 2 zu § 15 AZO; LAG Düsseldorf v. 14.11.1968 DB 1969, 178; LAG Baden-Württemberg v. 26.11.1968 DB 1969, 709; BAG v. 13.12.1989 – AZR 543/88 – n. v.; v. 25.10.1989 AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht. 649 Dobberahn, Arbeitszeitgesetz, Rn. 164; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 19. 650 Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (749); Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, § 48 II 5 c, S. 397 f. 651 Keine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche können allerdings hergeleitet werden aus Verstößen gegen die Auslagepflicht nach § 16 I ArbZG, selbst wenn dem Arbeitnehmer ein Schaden dadurch entsteht, dass er die Vorschriften wegen des fehlenden Aushangs oder der unterbliebenen Auslegung nicht kannte; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 30 ff. 652 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 32; BAG v. 28.10.1971 AP Nr. 62 zu § 626 BGB. 653 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 32; LAG Baden-Württemberg v. 23.11.2000 AuR 2001, 512. 646

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heitsschutzwidrige Zustand durch geeignete Maßnahmen behoben wird. Damit verstößt er nicht gegen seine Treuepflicht, sofern er zuvor beim Arbeitgeber um Abhilfe nachgesucht hat.654 Welche Maßnahmen zur innerbetrieblichen Lösung des Problems der Arbeitnehmer ergreifen muss, bevor er sich an die Aufsichtsbehörde wenden kann, ist nicht für alle Fälle einheitlich zu beantworten.655 Vielmehr ist eine Einzelfallabwägung vorzunehmen, bei der einerseits z. B. der Ruf des Unternehmens und das Arbeitsklima, andererseits der Schutzanspruch des Arbeitnehmers und seine Furcht vor Nachteilen berücksichtigt werden müssten.656 Zusammenfassend ist jedoch festzuhalten, dass die aufgezählten Rechte des Arbeitnehmers nicht weiter helfen, wenn Arbeitnehmer bei Vertrauensarbeitszeit formal selbstbestimmt gegen Arbeitszeitvorschriften verstoßen, indem sie „freiwillig“ auf Pausen verzichten oder länger arbeiten, um Projekte fertig zu stellen oder vereinbarte Ziele zu erreichen und dabei wegen des verinnerlichten Zeitund Wettbewerbsdrucks Schutzvorschriften als störend empfinden und sich selbst schädigen.657 3. Verantwortung der Arbeitnehmer für die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften Als eine Motivation zur Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit wird die Hoffnung der Arbeitgeber genannt, dadurch ließen sich die rechtlichen Probleme verringern, die sich aus ihrer Verantwortung für die Einhaltung des ArbZG ergeben.658 Entsprechend dem zur Aufzeichnungspflicht Gesagten ist aber zunächst festzuhalten, dass den betroffenen Arbeitnehmern die (bußgeldrechtliche) Verantwortung auch hinsichtlich der Einhaltung der sonstigen Arbeitszeitvorschriften, wie etwa der Arbeitszeithöchstgrenzen nicht übertragen werden kann, da sich § 22 ArbZG nur an den Arbeitgeber richtet.659 Es obliegt 654 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 33; § 18 II des Entwurfs eines Arbeitsschutzrahmengesetzes, BT-Drs. 12/6752, S. 10, 41, für den Vorrang der Selbsthilfe auch LAG Baden-Württemberg v. 20.10.1976 – 6 Sa 51/76 – n. v., dazu Denck, DB 1980, 2132; vgl. auch LAG Baden-Württemberg v. 3.2.1987 NZA 1987, 756. 655 Vgl. etwa Denck, DB 1980, 2132 ff. 656 So Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (751). Die nach §§ 84; 85 I BetrVG bestehenden Beschwerderechte des Arbeitnehmers können gegebenenfalls eine Einschaltung der Aufsichtsbehörde entbehrlich machen. Dass aus einer gerechtfertigten Anrufung der Aufsichtsbehörde dem Arbeitnehmer keine Nachteile erwachsen dürfen, folgt aus dem Grundgedanken der §§ 612 a BGB und 84 III BetrVG (ebd. S. 752 f.). Aus Angst vor versteckten Sanktionen mag der furchtsame Arbeitnehmer dennoch auf eine Beschwerde verzichten; vgl. Denck, DB 1980, 2132 (2134). 657 Vgl. Glißmann, AiB 2000, 585 (586 f.). 658 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 18. 659 Vgl. LAG Baden-Württemberg v. 23.11.2000 AuR 2001, 512.

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daher ihm, durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass geltende Arbeitszeitgrenzen auch tatsächlich eingehalten werden können.660 Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit Arbeitnehmer verpflichtet sind bzw. werden können, die Arbeitszeitvorschriften einzuhalten. Die Ausführungen im Zusammenhang mit der Vertrauensarbeitszeit erschöpfen sich zumeist in Hinweisen auf die Problematik der Delegation von Verantwortung für die Einhaltung des Arbeitszeitschutzes661 oder den oben wiedergegebenen Ausführungen zur Delegation der Aufzeichnungspflicht.662 Eine Annäherung an das Problem kann daher nur aus einem allgemeineren Blickwinkel erfolgen. Obgleich die öffentlich-rechtlichen Pflichten des ArbZG solche des Arbeitgebers gegenüber dem Staat sind, ist anerkannt, dass die Arbeitnehmer „gehalten (sind), die Vorschriften dieses Gesetzes zu beachten.“663 Inwiefern sich allerdings aus den an den Arbeitgeber gerichteten Vorschriften zugleich vertragliche Nebenpflichten des Arbeitnehmers ableiten lassen, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise ist zu lesen, der Arbeitnehmer sei arbeitsvertraglich zu einem den Arbeitschutzvorschriften entsprechenden Verhalten verpflichtet und die Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflichten des Arbeitnehmers habe auch zum Inhalt, sich sicherheitsgerecht bzw. arbeitsschutzkonform zu verhalten.664 Die „Transformation der öffentlich-rechtlichen arbeitsschutzbezogenen Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer in deren arbeitsvertragliches Pflichtengefüge“665 ist vom BAG beispielsweise in Bezug auf Unfallverhütungsvorschriften bejaht und von der Literatur z. T. übernommen worden.666 Nach Herschel667 soll es sich hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Schutzvorschriften durch die Arbeitnehmer um echte Pflichten, nicht bloße Obliegenheiten handeln. Allerdings ist diese Aussage wohl auf Fragen des technischen Arbeitsschutzes zu beziehen, 660 Perreng, Anm. zu LAG Baden-Württemberg, AuR 2001, 512 (513); vgl. auch BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 661 Vgl. Trittin, AiB 2000, 542 (548); ders., AiB 1999, 625 (626 f.); so auch Tietje, FAZ v. 23.7.2003, S. 17. 662 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 214; ders., AiB 2000, 152 (157). 663 Buschmann/Ulber, ArbZG, Grundzüge Rn. 18. 664 RGRK-Schick, BGB, § 618 Rn. 41; ähnl. Friedrich in: Schliemann, Arbeitsrecht im BGB, § 618 Rn. 48. 665 Wlotzke, FS Hanau, S. 317 (326 f.). 666 BAG v. 10.3.1976, 21.5.1985 AP Nr. 17, 19 zu § 618 BGB; zu diesem Befund m. N. s. Wlotzke, FS Hanau, S. 317 (326 f.). 667 RdA 1978, 69 (74); in diese Richtung auch bereits Gross, AuR 1955, 75 (78), der „eine gewisse Durchdringung des Arbeitsschutzrechts und des Arbeitsvertragsrechts“ und eine „gewisse Mitwirkungspflicht“ des Arbeitnehmers annahm, bei deren Verletzung der Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt sein sollte; BAG v. 10.3.1976 AP Nr. 17 zu § 618 BGB.

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d.h. auf das Gebiet, das die von Betriebseinrichtungen und technischen Arbeitsmitteln drohenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten betrifft668. Dagegen ist der Arbeitszeitschutz als Teil des sozialen Arbeitsschutzes „viel deutlicher noch als der technische Arbeitsschutz gekennzeichnet als ein Komplex von Pflichten, die durchweg eindeutig nur dem Arbeitgeber auferlegt sind“.669 Deshalb können Zweifel an der Übertragbarkeit der o. g. Auffassungen auf den Arbeitszeitschutz aufkommen. Etwas missverständlich lehnen Zmarzlik/ Anzinger670 eine Transformation der Pflichten des ArbZG in vertragliche Pflichten des Arbeitnehmers einerseits ab, halten diesen andererseits aber „aufgrund der ihm obliegenden ergänzenden leistungsbezogenen Nebenpflichten [. . .] aus § 242 BGB [. . .] (für) grundsätzlich vertraglich verpflichtet, die Arbeitsleistung in Einklang mit den Vorschriften des ArbZG zu erbringen, z. B. die Ruhepausen in Anspruch zu nehmen, die vom Arbeitgeber zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung eingeräumt werden.“ Da das Arbeitsschutzrecht seiner Zielsetzung nach dem Arbeitnehmerschutz dient und Mindestregelungen zu Gunsten der Arbeitnehmer umfasst, können diese nach richtiger Auffassung nicht ohne weiteres als Mindestpflichten der Arbeitnehmer angesehen werden. Sie stecken nur den Rahmen ab, innerhalb dessen zulässige vertragliche Vereinbarungen getroffen werden können und haben daher keine unmittelbare Wirkung auf die Pflichten der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber.671 Eine Transformation in vertragliche Pflichten der Arbeitnehmer scheidet danach aus.672 So sollen etwa Beschäftigungsverbote oder -beschränkungen sowie Mindestunterbrechungen der Arbeitszeit „keinerlei entsprechende Beachtenspflichten“ des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber begründen.673 Anderes kann allenfalls für die Fälle angenommen werden, in denen öffentlich-rechtliche Vorschriften ausdrückliche Verpflichtungen der Beschäftigten normieren674, wie z. B. §§ 15, 16 ArbSchG. Diese Normen enthalten grundlegende Pflichten der Beschäftigten, wonach sie u. a. gehalten sind, unter be668 MünchArbR-Wlotzke, § 207 Rn. 5; zu dieser Differenzierung auch ders., FS Hilger/Stumpf, S. 723 (754 f.). 669 So Herzberg, Arbeitsschutz, S. 59 mit Verweis u. a. auf das MuSchG; anders aber wohl BAG v. 24.6.1960 AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG: „Die arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverbote, insbesondere die des MuSchG, richten sich gegen beide Parteien des Arbeitsvertrags, auch wenn bei Verstößen nur der Arbeitgeber strafrechtlich verantwortlich ist. Das folgt aus dem Zweck der Arbeitsschutzvorschriften, die Leistung verbotener Arbeit schlechthin zu verhindern“. 670 ArbZG, § 1 Rn. 35. 671 Galperin, BB 1963, 739 (743). 672 Insoweit wie Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 35. 673 Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (755). 674 Galperin, BB 1963, 739 (743); Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (755); ablehnend P. Hanau, FS Wlotzke, S. 37 (42 f.).

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stimmten Voraussetzungen für die eigene Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen (§ 15 I 1 ArbSchG). Die Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten lässt allerdings die arbeitsschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers unberührt; er wird vielmehr für verpflichtet gehalten, die Arbeitnehmer vor bewusster Selbstschädigung zu bewahren.675 Jedoch wird hier teilweise eine Transformation der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in vertragsrechtliche Pflichten befürwortet.676 Nach Wlotzke wirken Arbeitsschutzvorschriften, die die Ausführung der Arbeit betreffen, als vertragliche Nebenleistungspflichten auf die Arbeitspflicht nach dem Arbeitsvertrag ein, weil zur Erbringung der Arbeitsleistung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 242 BGB) auch die Beachtung der anzuwendenden Schutzvorschriften gehöre.677 Damit verletzt der Arbeitnehmer durch eine Missachtung gesetzlicher Arbeitsschutzvorschriften nicht nur eine „Pflicht gegen sich selbst [. . .], sondern auch eine Vertragspflicht gegenüber dem Arbeitgeber [. . .]“.678 Verletzt ein Beschäftigter seine Pflicht zur Eigenvorsorge nach dieser Norm, kann der Arbeitgeber hierauf mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Möglichkeiten (Schadensersatz, Kündigung) reagieren.679 Das ArbSchG wird zwar teilweise inhaltlich eher dem technischen Arbeitsschutz zugeordnet.680 In ihm wird aber ein umfassender Ansatz des Arbeitsschutzes gesetzlich verankert681, der u. a. auf die Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gerichtet ist und die menschengerechte Gestaltung der Arbeit erfasst (vgl. § 2 I ArbSchG). Von diesem umfassenden Ansatz ausgehend sind auch Auswirkungen auf das ArbZG anzunehmen.682 Die in § 15 ArbSchG normierte Vorsorgeverantwortung der Beschäftigten für ihre Sicherheit und Gesundheit besteht für den Arbeitnehmer nur im Rahmen seiner Möglichkeiten und setzt voraus, dass erforderliche Unterweisungen und Anweisungen stattgefunden haben.683 Nach § 7 ArbSchG ist bei der Übertragung von Aufgaben zu berücksichtigen, inwiefern der Beschäftigte in der Lage ist, Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachten. Die Rechtspflicht der Beschäftigten hängt somit ganz erheblich davon ab, ob sie vom Arbeitgeber zur Übernahme von Eigenverantwortung befähigt wurden.684 675

Kittner/Pieper, ArbSchG, § 15 Rn. 8. Kittner/Pieper, ArbSchR, § 15 Rn. 4; P. Hanau, FS Wlotzke, S. 37 (42 f.); Wlotzke, FS Hanau, S. 317 (327). 677 Wlotzke, FS Hanau, S. 317 (328). 678 Wlotzke, FS Hanau, S. 317 (328). 679 Kittner/Pieper, ArbSchR, § 15 Rn. 7. 680 Oetker in: Staudinger, BGB, § 618 Rn. 60. 681 Kittner/Pieper, ArbSchR, § 1 Rn. 4. 682 Vgl. Kittner/Pieper, ArbSchR, Einl. Rn. 110. 683 Kittner/Pieper, ArbSchR, § 15 Rn. 6; Wlotzke, FS Hanau, 317 (322 f.). 684 Vgl. Kittner/Pieper, ArbSchR, § 15 Rn. 6. 676

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Daraus ist zu schließen, dass in allen sonstigen Fällen die Beachtung der Arbeitszeitvorschriften lediglich eine Obliegenheit des Arbeitnehmers darstellt. Vom Arbeitnehmer angebotene verbotswidrige Arbeiten kann und muss der Arbeitgeber zurückweisen, ohne dadurch in Annahmeverzug zu geraten.685 Weiter folgt daraus für das Problem der Übertragung der Verantwortung im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit zum einen, dass nach § 15 ArbSchG eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitnehmers zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitschutzes hergeleitet werden kann, und zum anderen, dass jedenfalls eine vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung dieser Vorschriften angenommen werden kann, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt und die Rahmenbedingungen schafft, unter denen den Beschäftigten die Einhaltung des ArbZG möglich ist. Neben der Transformation öffentlich-rechtlicher Pflichten in das Arbeitsverhältnis kommt auch eine ausdrückliche Vereinbarung von Nebenpflichten in Betracht mit Abmahnungen und Kündigungen als mögliche arbeitsrechtliche Reaktionen.686 Auch eine vereinbarte Eigenverantwortung für den Arbeitszeitschutz und damit für den Gesundheitsschutz, die gem. § 15 ArbSchG eine öffentlich-rechtliche Pflicht und gleichzeitig eine Vertragspflicht des Arbeitnehmers darstellen kann, hebt die nach dem ArbZG bestehende Verantwortlichkeit des Arbeitgebers nicht auf. 4. Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB Nach der Erörterung der gegenseitigen Vertragspflichten ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass die Verletzung von Rechtsnormen des ArbZG deliktische Schadensersatzpflichten des Arbeitgebers begründen kann, vorausgesetzt, bei der verletzten Norm handelt es sich um ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 II BGB687. Schutzgesetze sind solche Rechtsnormen (vgl. Art. 2 EGBGB), die zumindest auch den Schutz bestimmter Rechtsgüter oder Interessen gerade des Einzelnen oder einzelner Personenkreise bezwecken.688 Schutzgesetzcharakter zu Gunsten der Arbeitnehmer wird für §§ 3–6; 9–11 ArbZG angenommen, da diese Normen auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gerichtet sind.689 685 Friedrich in: Schliemann, Arbeitsrecht im BGB, § 618 Rn. 48; Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (755); BAG AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG: „Die arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverbote, insbesondere die des MuSchG, richten sich gegen beide Parteien des Arbeitsvertrags, auch wenn bei Verstößen nur der Arbeitsgeber strafrechtlich verantwortlich ist. Das folgt aus dem Zweck der Arbeitsschutzvorschriften, die Leistung verbotener Arbeit schlechthin zu verhindern“. 686 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 94. 687 Dazu allg. Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (732 ff.). 688 BGH 12, 146 (148); Teichmann in: Jauernig, BGB, § 823 Rn. 43 f.

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Kap. 2: Rahmenbedingungen und gesetzliche Grenzen

Liegt eine Schutzgesetzverletzung vor, richtet sich der Umfang des Schadensersatzes nach § 249 ff. und § 842 ff. BGB.690 Dem Deliktsschutz bei Arbeitsunfällen kommt allerdings nicht nur wegen § 104 SGB VII wenig Bedeutung zu691; dieser Mechanismus versagt bei Vertrauensarbeit auch, weil es sich dort regelmäßig um Selbstschädigungen handeln wird. IV. Zusammenfassung und Ergebnis Obgleich zahlreiche Mechanismen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewährleisten sollen, wird das Arbeitszeitrecht in der Praxis häufig unterlaufen.692 Gründe dafür sind Defizite sowohl in der Überwachungstätigkeit staatlicher Behörden als auch bei der Rechtsdurchsetzung auf individualvertraglicher Ebene, etwa fehlende Information der Aufsichtsbehörden693, Unkenntnis der Arbeitnehmer und Arbeitgeber694, geringe Klagebereitschaft der Arbeitnehmer aus Furcht oder Loyalität.695 Treffend wurde das von Fahrtmann wie folgt beschrieben: „Eine hundertjährige Erfahrung lehrt, dass man dem Einzelnen nicht hilft, wenn man ihm durch Paragrafen Einzelrechte gibt. Bei realistischer Betrachtungsweise muss man feststellen: entweder kennt er sie nicht, oder er kann sie [. . .] nicht ausnutzen, weil er Rückschläge und Diskriminierungen durch den Arbeitgeber befürchtet. Nach einer hundertjährigen Erfahrung können die Rechte des Einzelnen am effektivsten dadurch gestärkt werden, dass man ihm ein kollektives Vertretungsorgan an die Seite stellt, das unabhängig und selbstständig dem Arbeitgeber gegenübertreten kann.“696 Dem Betriebsrat sind Aufgaben im Rahmen des Arbeitszeitschutzes zugewiesen. Insbesondere kann er vom Arbeitgeber die erforderlichen Informationen zur Überwachung der Einhaltung des ArbZG verlangen, selbst wenn der Arbeitgeber von sich aus auf die Informationen verzichten will. Dass der Gesetzgeber 689 Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 23. Keine Schutzgesetze sind die Vorschriften, die sich nur an die Überwachungsbehörden wenden ohne Verhaltenspflichten für den Arbeitgeber zu begründen, und Ordnungsvorschriften wie etwa die Pflicht des Arbeitgebers, Arbeitsschutzvorschriften auszulegen oder bestimmte Verzeichnisse zu führen; ebd. § 16 Rn. 19; Wlotzke, FS Hilger/Stumpf, S. 723 (733). 690 Baeck/Deutsch, ArbZG, Einf. Rn. 51. 691 Vgl. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 1 Rn. 23. 692 Vgl. Hacke, „Durchsetzung der Arbeitszeitvorschriften problematisch“, Jahresbericht der Arbeitsschutzbehörden des Freistaats Thüringen 1999, S. 41. 693 Ebenda. 694 Däubler, AuR 1995, 305 (306 f.); Nebendahl, Die Überwachungspflicht, S. 16 f. m. w. N. 695 D/K/K-Buschmann, BetrVG § 80 Rn. 18; Däubler, AuR 1995, 305 (306 f.); Nebendahl, Die Überwachungspflicht, S. 16 f. m. w. N. 696 Fahrtmann, zit. nach: Zur Sache 1/72, Betriebsverfassungsgesetz, 1972, S. 93, zit. nach Plander, Der Betriebsrat als Hüter des zwingenden Rechts, S. 69 Fn. 44.

§ 2 Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften

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gerade den Betriebsrat mit der Aufgabe betraut hat, auf die Einhaltungen zwingenden Rechts zu dringen, beruht sicherlich darauf, dass er als innerhalb des Betriebs tätige Instanz am ehesten die erforderlichen Kenntnisse und Informationen erhalten kann.697 Dennoch folgt aus der Norm nach h. M. kein Recht des Betriebsrats, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften gerichtlich durchzusetzen. Die Wirksamkeit der gesetzlichen Mechanismen zur Einhaltung des ArbZG ist abschließend schon im Falle des gesetzlichen Leitbildes der Normalarbeitszeit als nicht sehr hoch zu beurteilen und wird zusätzlich beeinträchtigt, wenn Arbeitszeiten nicht mehr zentral geregelt und erfasst und Grenzen durch die Arbeitnehmer selbst ohne explizite Anordnung des Arbeitgebers überschritten werden.

697

Plander, Der Betriebsrat als Hüter des zwingenden Rechts, S. 68.

Kapitel 3

Möglichkeiten der Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge § 1 Regelungen zur Arbeitszeit In Anbetracht der beschriebenen Risiken der Vertrauensarbeitszeit und der vergleichsweise geringen Schutzwirkung gesetzlicher Rechtsdurchsetzungsmittel liegt es nahe, die traditionellen Gestaltungsmittel des Arbeitsrechts, die Kollektivverträge, auf ihre Eignung zur Gewährleistung eines höheren Schutzniveaus zu untersuchen. Daher ist zunächst zu fragen, inwiefern durch tarifvertragliche Gestaltung der Arbeitszeit der Schutz der Arbeitnehmer vor Überlastung realisiert werden kann. Dafür ist der Rahmen abzustecken, in dem die Tarifpartner regelnd tätig werden können. Anschließend soll erörtert werden, welche tariflichen Regelungen die Entwicklung von Vertrauensarbeitszeitmodellen einschränken, ihre intendierte Schutzwirkung entfalten und Entgrenzungen der Arbeitszeit verhindern können.

A. Zulässigkeit der Regelung von Dauer und Lage der Arbeitszeit „Die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien bzgl. der Arbeitszeit ist keinesfalls unumstritten.“1 Dennoch werden Arbeitszeitnormen neben Lohn- und Gehaltsbestimmungen als zum „tarifvertraglichen Urgestein“ gehörend bezeichnet.2 Tariflich geregelt3 wird typischerweise die Dauer der Arbeitszeit. Die grundsätzliche Zulässigkeit folgt aus Art. 9 III GG, da die Arbeitszeit als Bemessungsfaktor der Hauptleistungspflicht der Arbeitnehmer den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zuzuordnen ist.4 Das gilt insbesondere für gesundheitsschützende Arbeitszeitregelungen.5 Die gesamte sozial-politische Entwicklung 1

Hromadka, AuA 1998, 73. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 19. 3 Tarifverträge regeln faktisch die Arbeitsbeziehungen von rund 85% der Arbeitnehmer in Deutschland. Für mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer gelten tarifliche Arbeitsbedingungen aufgrund der Tarifbindung, in den restlichen Arbeitsverhältnissen wird auf die Tarifverträge Bezug genommen (Clasen, BArbBl 3/2003, 20 f.). 4 Vgl. auch Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 320. 2

§ 1 Regelungen zur Arbeitszeit

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der Arbeitszeitverkürzungen in den letzten 40 Jahren ist nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch die TV-Parteien vollzogen worden.6 Während in der Vergangenheit noch Wochenarbeitszeiten festgelegt wurden, beschränken sich die Tarifparteien mehr und mehr auf die Vereinbarung von Jahresarbeitszeiten7 oder räumen Arbeitnehmern das Recht ein, ihre regelmäßige Arbeitszeitmenge selbst zu wählen.8 Überwiegend werden Regelungen zur Arbeitszeitdauer als Inhaltsnormen qualifiziert, die gem. § 1 I TVG normativ auf das Arbeitsverhältnis von beiderseits Tarifgebundenen (vgl. §§ 3 I, 4 I TVG) einwirken.9 Inwiefern die Tarifparteien durch die Setzung von Höchstnormen die Arbeitszeitdauer überhaupt normativ wirksam begrenzen können, sei zunächst dahingestellt, denn im Regelfall lassen Vertrauensarbeitszeitmodelle die tariflichen Arbeitszeiten pro forma unverändert.10 Die dennoch zu konstatierende faktische Verlängerung der Arbeitszeit stellt nicht die Normgeltung an sich in Frage, sondern beruht auf mangelnder Sicherstellung ihrer Einhaltung. Davon zu unterscheiden ist das Regelungselement der „Zusatzzeitbudgets“, das gesondert11 betrachtet werden soll. Tariflich regelbar ist daneben die Lage der individuellen Arbeitszeit, da auch diese sich direkt und unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis bezieht und zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. d. Art. 9 III GG zählt.12 Regelungen über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und zur Lage an den einzelnen Tagen können ebenfalls als Inhaltsnormen13 unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der beiderseits Tarifgebundenen einwirken.14 Voraussetzung für diese normative Wirkung ist, dass nicht nur betriebliche Rahmendaten gesetzt werden, sondern Rechtswirkungen auf das Einzel5 Vgl. Wiedemann, RdA 1997, 297 (299) mit dem Hinweis, dass nunmehr v. a. beschäftigungspolitische Ziele Hintergrund der Arbeitszeitregelungen sind. 6 Buschmann/Ulber, ArbZG, Grundzüge, Rn. 19; s. dazu Fn. 55. 7 Vgl. etwa § 2 MTV Chemie. 8 Vgl. BAG v. 28.10.1999 AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge Technikerkrankenkasse. 9 Statt vieler MünchArbR-Blomeyer, § 48 Rn. 117; MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 260 Rn. 2; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 319, 581; Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 47; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 124; BAG v. 7.11.1995, 17.6.1997 AP Nr. 1, 2 zu § 3 TVG Betriebsnormen. 10 Vgl. Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 505. 11 Unter F. V. 12 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 347; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 87 f. 13 Sofern man zwischen positiver und negativer Inhaltsnorm differenzieren will, handelt es sich um negative Inhaltsnormen, da sie einer bestimmten Gestaltung der Arbeitszeitlage entgegenstehen, vgl. Buchner, RdA 1990, 1 (16), der den Begriff „Verbotsnorm“ verwendet. 14 Buchner, AR-Blattei, SD 1550.5 Rn. 154 f.; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 581, 347; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 126; Kort, NZA 2001, 447 (448); a. A. Richardi in: Staudinger, BGB § 611 Rn. 337: nur Betriebsnorm.

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

arbeitsverhältnis und die Ausgestaltung des Einzelarbeitsverhältnisses bezweckt sind. Solche auf die Rechtsstellung des Arbeitnehmers einwirkenden Normen räumen ihm ein Zurückbehaltungsrecht bei einem Verstoß gegen die Tarifnorm ein.15 Während früher die Lage der Arbeitszeit nur selten im Tarifvertrag geregelt wurde16, weil als praktikabler galt, die innerbetriebliche Ordnung durch die Betriebspartner selbst zu regeln17, gewinnen heute Tarifbestimmungen an Bedeutung, die die ungleichmäßige Verteilung der tariflichen Arbeitszeit in Ausgleichszeiträumen ermöglichen.18 So können die Tarifparteien auch Modelle und Vorgaben – auch Grenzen – für Gleitzeitmodelle entwickeln.19

B. Grenzen der Tarifmacht Allerdings besteht die Regelungsmacht der Tarifparteien selbst innerhalb der Grenzen des § 1 TVG nicht schrankenlos. Die aus Art. 9 III GG abgeleitete Tarifautonomie wird durch andere Grundrechte, insbesondere den grundrechtlichen Schutz20 der unternehmerischen Betätigungsfreiheit begrenzt.21 Neben Art. 12 GG wird hier zuweilen auch Art. 14 GG herangezogen. Dies überzeugt im Ergebnis allerdings weniger: Art. 14 GG schützt den Bestand an Rechten und Gütern, also konkrete Eigentumspositionen, wozu auch die Funktionsfähigkeit des Unternehmens gehört22, nicht aber die unternehmerische Betätigung zu einer bestimmten Zeit.23 Anderes lässt sich auch nicht mit Hilfe der Figur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs begründen. Auch wenn man den Eigentumsschutz dieses Instituts mit einer starken Auffassung in der Literatur24 anerkennt, ändert das nichts daran, dass das Grundrecht nur „Bestandsschutz, nicht Erwerbsschutz“ bietet.25 Die 15

Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 126. Vgl. Buchner, RdA 1990, 1 (15). 17 Vgl. etwa May, Lohn und Arbeitszeit, S. 92; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille, S. 255; Dietz, RdA 1955, 241 (243 ff.); Siebert, RdA 1958, 161 (162); Zöllner, ZfA 1988, 265 (274). 18 Z. B. Jahresarbeitszeit, vgl. dazu auch Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 27 ff., 123 ff., 130. 19 Buchner, AR-Blattei, SD 1550.5 Rn. 155. 20 Es soll hier dahingestellt bleiben, ob man sich dem Problem über die mittelbare oder unmittelbare Grundrechtsbindung oder über die Begrenzung der Tarifmacht nähert, vgl. dazu ErfK-Dieterich, GG Einl. Rn. 46 ff; Hanau/Thüsing, ZTR 2001, 1 ff.; Schlachter, Anm. zu BAG v. 18.10.2000 EWiR 2001, 579 (580). 21 Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 22 BVerfG v. 1.3.1979 E 50, 290 (352). 23 BAG v. 7.11.1995 AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen; BVerfG v. 18.12.1985 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 24 Vgl. etwa Wendt in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 26 m. w. N. 16

§ 1 Regelungen zur Arbeitszeit

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dem Erwerb dienende unternehmerische Betätigung fällt unter Art. 12 GG26; an diesem Grundrecht ist die Zulässigkeit tariflicher Arbeitszeitnormen daher zu messen. Arbeitszeitverteilende Kollektivvereinbarungen können dazu führen, dass Art und Umfang der unternehmerischen Tätigkeit beeinflusst, z. B. die Mittelnutzungskapazität beeinträchtigt oder der Vertrieb gedrosselt wird.27 In diesem Zusammenhang wird die Rechtsprechung des BAG28 kritisiert, die nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass tarifliche Schranken für Betriebsnutzungs- und Ladenöffnungszeiten nicht nur Rahmendaten für den Umfang der täglichen Arbeitszeit festlegen29, sondern als „unternehmens-organisatorische Entscheidungen“ dem Arbeitgeber als Unternehmensträger vorbehalten sind.30 Auch die Vertrauensarbeitszeit ist auf eine optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten ausgerichtet, wenn sie z. B. die Ausweitung der Erreichbarkeit für Kunden bezweckt. Deshalb stellt sich auch hier die Frage, inwieweit durch tarifliche Beschränkungen der Arbeitszeitverteilung die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden darf. Dazu wird in der Literatur vertreten, dass ein Ausgleich der Grundrechtspositionen im Lichte der Berufsausübung beider Vertragspartner im Rahmen des Art. 12 GG vorzunehmen sei.31 Regelungen zur Arbeitszeitverteilung sind immer zugleich Ausgestaltungen der unternehmerischen Berufsausübung, deren Legitimation sich aus dem Arbeitnehmerschutz ergibt: „Die Lage der Arbeitszeit an Wochentagen und Wochenenden, die Verteilung auf [. . .] Schichten und die Festlegung von Ruhepausen dient dazu, einen notwendigen und sinnvollen Rhythmus zwischen Arbeit und Erholung zu schaffen.“32 „Es bedarf, wenn Geeignetheit und Erforderlichkeit der von Gewerkschaftsseite angestrebten Arbeitszeitverteilung zu bejahen sind, einer Gewichtung der widerstreitenden Interessen: auf der einen Seite steht die an der Rentabilität orientierte Unternehmensentscheidung möglichst günstiger Ausnutzung der Betriebsmittelkapazität, auf der anderen Seite das soziale Interesse des einzelnen Arbeitnehmers an einer möglichst günstig zugeschnittenen Arbeitszeit“33, was im hiesigen Zusammenhang i. S. e. Begrenzung der Arbeitszeit zu konkretisieren ist. Arbeitszeitver25

Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 10. ErfK-Dieterich, GG Art. 14 Rn. 5, 9, 19; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 10. 27 Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 323; § 1 Rn. 351. 28 Z. B. v. 27.6.1989 AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf m. Anm. Wiedemann; v. 7.11.1995 AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen. 29 . . . und damit Bestandteil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind. 30 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 351; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 86. 31 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 351. 32 Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 323. 33 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 351. 26

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

teilende Tarifverträge müssten deshalb darauf überprüft werden, ob sie die vom Arbeitgeber als Unternehmensträger gesetzten wirtschaftlichen Notwendigkeiten ausreichend berücksichtigen. In die Abwägung sollen einerseits die existenzielle Bedeutung bestimmter Regelungen für das Unternehmen und andererseits die Möglichkeit einzubeziehen sein, ungünstige Arbeitszeitlagen auszudehnen und dies durch soziale Folgeregelungen zu flankieren.34 Eine solche Abwägung kann freilich nicht abstrakt vorgenommen werden. Hinsichtlich der Interessenlagen bei Vertrauensarbeitszeit lässt sich einerseits festhalten, dass restriktive Regulierungen nicht nur dem Interesse des Arbeitgebers, sondern auch den Wünschen der Arbeitnehmer nach selbstbestimmter Zeiteinteilung entgegen stehen können.35 Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass arbeitszeitbezogene Regelungen einen unbegrenzten unternehmerischen Zugriff auf die Arbeitszeitgestaltung der Arbeitnehmer und damit den Verlust von Selbstbestimmung und Planbarkeit der Arbeits- und Freizeit verhindern sollen.36 Das auf dem Ziel einer bedarfsorientierten Arbeitszeitgestaltung beruhende Unternehmerinteresse an vollständig selbstgesteuerten individualisierten Arbeitszeiten kann demgegenüber jedenfalls keinen Vorrang genießen. Andererseits müssen tarifliche Regelungen aber auch der Gefahr Rechnung tragen, dass Arbeitgeber im Falle zu starr und undifferenziert empfundener tariflicher Regelungen sich ihrer Bindung an sie durch Verbandsaustritt zu entziehen versuchen, um die Arbeitszeiten auf betrieblicher Ebene weiter flexibilisieren zu können.37 Auf diesen Trend haben die Tarifparteien in den vergangenen Jahren dadurch reagiert, dass in vielen Tarifverträgen ein Flexibilisierungspotenzial38 eröffnet wurde, das von den Betrieben genutzt werden kann: Nahezu alle tarifvertraglichen Regelungen über die Arbeitszeit sehen die Möglichkeit der ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit vor. Der Ausgleichszeitraum, innerhalb dessen die Durchschnittsarbeitszeit erreicht sein muss, beträgt meist 12 Monate, in einigen Bereichen auch darüber hinaus.39 Sofern Tarifverträge 34 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 351; ders., Anm. zu BAG AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 35 Zum hiermit verbundenen Problem der Anwendung des Günstigkeitsprinzips s. unten F. 36 Vgl. zu den Aufgaben gewerkschaftlicher Tarif- und Betriebspolitik Promberger/ u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 169; vgl. auch Herrmann/u. a., Forcierte Arbeitszeitflexibilisierung, S. 213. 37 Vgl. Hümmerich, DB 1996, 1182 ff.; dagegen T. Mayer, DB 1996, 1777 ff. 38 Vgl. Bischoff, EuroAS 2003, 2 ff. zur Tarifpolitik in der chemischen Industrie; T. Mayer, DB 1996, 1777 nennt beispielhaft tarifliche Arbeitszeitkorridore innerhalb derer die Arbeitszeit verlängert werden kann; lange Ausgleichszeiträume zur Erbringung der tariflichen Arbeitszeit bei ungleichmäßiger Verteilung sowie das Günstigkeitsprinzip, auf dessen Grundlage es zulässig sein soll, gegen höheres Entgelt länger zu arbeiten. 39 Clasen, BArbBl 3/2001, 12 (16); vgl. § 2 I Nr. 1 MTV Chemie mit der Möglichkeit, die Ausgleichszeiträume bei Projektarbeit mit Zustimmung der Tarifvertragspar-

§ 1 Regelungen zur Arbeitszeit

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Ausgleichszeiträume und Guthaben begrenzen, wird freilich eine Ausdehnung zu Gunsten weiterer Flexibilisierungsspielräume40 gefordert.41 Diesbezüglich soll kurz auf die Flexibilisierungsmöglichkeiten der Tarifparteien nach dem ArbZG und ihre Grenzen eingegangen werden.

C. Tarifnormen aufgrund von Zulassungsnormen – Tarifdispositives Gesetzesrecht, §§ 7, 12 ArbZG Hierfür ist die Tatsache von Bedeutung, dass sich der zulässige Inhalt von Tarifverträgen bei der Arbeitszeitgestaltung nicht auf die Setzung von Normen zur Dauer und Lage der Arbeitszeit beschränkt, sondern vielmehr dem Tarifvertrag auch Bedeutung im Rahmen des gesetzlichen Arbeitszeitschutzes zukommt. Wie bereits gezeigt42, räumen die §§ 7, 12 ArbZG den Tarifvertragsparteien und den Betriebspartnern weitgehende Befugnisse zur Abweichung von Grundvorschriften des ArbZG ein und ermöglichen die Schaffung weiterer Flexibilisierungsspielräume. Diese Möglichkeiten stehen neben den öffentlich-rechtlichen Regelungsinstrumenten, mit denen von Vorgaben des ArbZG abgewichen werden kann.43 Damit soll den besonderen Verhältnissen von Branchen und einzelnen Betrieben und dem vermehrten individuellen Bedürfnis der Arbeitnehmer nach freierer Arbeitszeitgestaltung, z. B. Bildung von Arbeitszeit- und Freizeitblöcken, Rechnung getragen werden. Die Übertragung von weit reichenden Befugnissen im Interesse eines praxisnahen, sachgerechten und effektiven Arbeitszeitschutzes wird mit der größeren Sachnähe der Tarifparteien (und Betriebspartner) begründet.44 Nach § 7 I Nr. 1 b, VIII ArbZG kann z. B. ein anderer als in § 3 S. 2 ArbZG genannter Ausgleichszeitraum festgelegt werden; § 12 ArbZG betrifft Abweiteien bis zu 36 Monate zu verlängern. Diese Regelung ist in der Praxis jedoch noch nicht auf die von den Tarifparteien erwartete Resonanz gestoßen, dennoch wird für die Zukunft eine Bedeutungszunahme dieser Gestaltungsmöglichkeit erwartet, vgl. Bischoff, EuroAS 2003, 2 (5). 40 Vgl. etwa die nunmehr im MTV der chemischen Industrie enthaltene Öffnungsklausel, die die Verlängerung der Ausgleichszeiträume über 12 Monate hinaus durch freiwillige Betriebsvereinbarungen erlaubt; vgl. Bispinck, WSI-Mitt. 7/2002, 371 (375). 41 Heinze, NZA 1997, 681 (683). 42 Kapitel 2, § 2. B. I. 2.; II; III. 43 Vgl. §§ 7 V, VI; 8; 13; 15 ArbZG. 44 „Die Tarifvertragsparteien kennen die in den Betrieben zu leistende Arbeit und die für Arbeitnehmer entstehenden zeitlichen Belastungen. [. . .] Sie können daher viel stärker differenzieren, ihre Regelungen den Erfordernissen des einzelnen Beschäftigungsbereichs anpassen und regionalen Besonderheiten Rechnung tragen. Ihr verantwortungsbewusstes Handeln und ihre in der Regel entgegengesetzten Interessen bieten zugleich die Gewähr für ausgewogene und sachgerechte Lösungen.“; BT-Drs. 12/5888, S. 20.

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

chungen von den Regelungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit.45 Die Zulassung von Abweichungen kann durch Tarifvertrag selbst vorgenommen werden. Der Tarifvertrag kann sich aber auch darauf beschränken, Abweichungen durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu gestatten.46 Tarifnormen i. S. d. §§ 7, 12 ArbZG sind nach h. M. privatrechtliche i. S. d. § 1 TVG (Privatrechtliche Theorie)47 und werden überwiegend als Betriebsnormen i. S. d. § 3 II TVG qualifiziert.48 Allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Wirkung von den sonstigen Tarifnormen: An die Stelle der arbeitsschutzrechtlichen treten die vom Tarifvertrag gesetzten Grenzen – und zwar mit öffentlichrechtlicher Wirkung.49 §§ 7 und 12 ArbZG ermöglichen somit, die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes durch privatrechtliche Vereinbarungen sowohl i. S. einer Ausweitung als auch einer Einschränkung des nach öffentlichem Recht Zulässigen zu verändern.50 Durch die Tarifnormen tritt nach h. M. eine betriebsweite Änderung des gesetzlichen Schutzrahmens ein. Es soll dahinstehen, ob diese Verschiebung der Arbeitsschutzgrenzen im Geltungsbereich des Tarifvertrags mit der Qualifizierung der Tarifnormen als Betriebsnormen gem. § 3 II TVG zu begründen ist51 oder ob sie sich unmittelbar aus dem ArbZG ergibt, weil dieses „sich selbst zurück nimmt“, wenn ein ordnungsgemäß zustande gekommener Tarifvertrag vorliegt52, der eine abweichende Regelung oder eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen enthält. Hier genügt die Erkenntnis, dass durch eine gültige Tarifregelung das ArbZG mit der Folge abgeändert werden kann, „dass sich der tarifgebundene Arbeitgeber nicht der Gefahr aussetzt, wegen einer Ordnungswidrigkeit [. . .] oder gar Straftat [. . .] ver45

Ausf. dazu Schliemann, FS Schaub, S. 675 (678 ff.). Vgl. dazu etwa Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 505 ff.; ausf. M. Maier, Delegationstheorie, S. 67 ff. 47 A. A. „Öffentlich-rechtliche Theorie“, wonach die Tarifnormen als gesetzesvertretende öffentlich-rechtliche Normen gewertet wurden, deren öffentlich-rechtliche Wirkung unabhängig von der Tarifbindung gelten sollte, vgl. dazu m. N. Tietje, Grundfragen, S. 272 ff. 48 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rn. 16; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rn. 3; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 7 Rn. 62, 102, 115; Roggendorf, ArbZG, § 7 Rn. 25; OLG Hamburg v.15.11.1961 AP Nr. 3 zu § 25 AZO; s. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR Rn. 496 ff.; ders., FS Schaub S. 689, zweifelnd aber ebd. S. 691 f.; Zmarzlik, AR-Blattei SD 240 Rn. 232; abw. Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 112 ff. zu § 7 AZO: Zulassungsnormen fallen aus dem in § 1 TVG niedergelegten Tarifnormensystem heraus und lassen sich nirgends einordnen, das sei auch nicht erforderlich, da § 1 TVG keinen numerus clausus der Tarifnormen statuiere; gegen die Einordnung als Betriebsnormen etwa Tietje, Grundfragen, S. 278 f. 49 Junker/u. a., Zukunft der Arbeitswelt, S. 55. 50 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 486, 491. 51 Vgl. hierzu die Nachweise bei Tietje, Grundfragen, S. 277 (Fn. 32). 52 Das Vorliegen der Tarifnorm ist somit als Tatbestandsvoraussetzung für die öffentlich-rechtliche Wirkung anzusehen, Neumann/Biebl, ArbZG § 7 Rn. 42 f.; vgl. auch Tietje, Grundfragen, S. 278. 46

§ 1 Regelungen zur Arbeitszeit

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folgt zu werden, wenn er sich an die tarifvertragliche Regelung hält und dadurch die gesetzliche Grundnorm überschreitet“.53 Sofern Tarifverträge verlängerte, z. B. 12-monatige Ausgleichszeiträume vorsehen, ist zu unterscheiden, ob es sich dabei um ein Gebrauchmachen von § 7 I Nr. 1 b ArbZG handelt oder ob die Tarifparteien lediglich die ungleichmäßige Verteilung der tariflichen Arbeitszeit innerhalb eines Jahres zulassen wollten. Nur im ersten Fall geht es um die Ausweitung des gesetzlichen Ausgleichszeitraums, innerhalb dessen die durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten darf54 und damit um die öffentlich-rechtliche Wirkung von Tarifnormen. Im zweiten Fall dagegen geht es um die ungleichmäßige Verteilung der meist zwischen 35 und 40 Stunden betragenden tariflichen Wochenarbeitszeit55. Diesbezüglich kann beispielsweise geregelt sein, dass die durch53

Schliemann, FS Schaub, S. 675 (692). Vgl. § 3 S. 2 ArbG. 55 Die tariflichen Arbeitszeiten liegen heute deutlich unter den gem. § 3 ArbZG zulässigen 48 Stunden pro Woche. Seit den 1990er Jahren beträgt die tarifliche Wochenarbeitszeit in Westdeutschland zwischen 37 und 38, in Ostdeutschland knapp über 39 Stunden (z. B. Ende 1998: 37,38 Stunden [1997: 37,41], in Ostdeutschland 39,25 [1997: 39,31] Stunden; vgl. BArbBl. 3/1999, S. 119; Buschmann/Ulber, ArbZG, Grundzüge des Arbeitszeitrechts Rn. 5, 6). Für Ende 2002 wurde die tarifliche Arbeitszeit für Gesamtdeutschland mit durchschnittlich 37,7 Stunden, die tarifliche Jahresarbeitszeit mit 1.656 Stunden angegeben (nach WSI-Tarifarchiv, Bispinck, WSIMitt. 2/2003, 75 [79]; West: 37,43; Ost: 39,07 Stunden, vgl. Clasen, BArbBl 3/2003, 20 [23]; vgl. auch die Angaben in: Autorengemeinschaft, MittAB 2002, 7 [39]). Nach dem Zweiten Weltkrieg bewegte sich die Wochenarbeitszeit noch bei 48 Stunden. Seitdem erfolgte eine schrittweise Verkürzung, beginnend 1956 in der Metall- und Elektroindustrie mit der Absenkung auf 45 Stunden. In den 60er Jahren wurde dann die 40Stunden-Woche zum Ziel tariflicher Auseinandersetzungen und teilweise Realität, (ausf. zur Entwicklung Schweibert, Verkürzung, S. 32 ff.). Insbesondere die 1980er Jahre waren gekennzeichnet durch bedeutsame tarifliche Arbeitszeitverkürzungen. Ziel war hier v. a. die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Im Zuge dieser Entwicklung sanken die tariflichen Wochenarbeitszeiten deutlich unter 40 Stunden. (In zahlreichen Tarifverträgen ist die 35-Stunden-Woche vereinbart. In der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie war ihre Einführung Gegenstand eines Arbeitskampfes 2003, vgl. FAZ v. 25.6.2003, S. 11.) Von besonderer Bedeutung war der sog. „LeberKompromiss“ von 1984 in der Metallindustrie, in dem die weitgehende Entkoppelung von Arbeitszeit und Maschinenlaufzeit sowie die Einführung einer sog. „individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ (IRWAZ) zwischen 37 und 40 Stunden vereinbart wurden. Die zunächst auf 38,5 Stunden verkürzte tarifliche Wochenarbeitszeit musste nur im Durchschnitt der Gesamtbelegschaft erreicht werden (Schweibert, Verkürzung, S. 36 m. N.). Auf dieser Grundlage gilt in der Metall- und Elektroindustrie Westdeutschlands seit 1995 die 35-Stunden-Woche. Sie war für etwa 4,8 Mio. Arbeitnehmer ab 1995 tarifvertraglich vereinbart (Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 [430]; Clasen, BArbBl. 3/1995, 20, [26]). 1993/94 haben die Tarifparteien in maßgeblichen Tarifbereichen (VW, Metallindustrie) noch drastischere Arbeitszeitverkürzungen bis hin zur 28-Stunden/4-Tage-Woche vereinbart, um damit einen Beitrag zur Beschäftigungssicherung zu leisten (Dokumentation in AuR 1994, 230 ff.). In den 1990er Jahren hat sich das Tempo der Arbeitszeitverkürzungen verlangsamt (vgl. etwa für die Automobilindustrie Lehndorff, WSI-Mitt. 6/2001, 373 [374]); Arbeitszeitverkürzung sei heute kein Thema mehr (so Hensche, WSI-Mitt. 10/2001, 602). 54

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

schnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden nur im Durchschnitt eines Jahres erreicht sein muss. Eine flexible Gestaltung der Wochenarbeitszeit wäre hier bereits aufgrund der Differenz zwischen der tariflich vereinbarten und der gesetzlich zulässigen Wochenarbeitszeit möglich, ohne dass überhaupt auf die gesetzlich zulässige Verlängerung der täglichen Arbeitszeit von 8 auf 10 Stunden und folglich auf die Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 60 Stunden zurückgegriffen werden müsste: So könnten beispielsweise wöchentlich 10,5 Stunden auf einem Jahresarbeitszeitkonto angesammelt werden, ohne dass die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag bei einer 6-Tage-Woche überschritten werden müsste.56 In einer solchen Konstellation stellt sich folglich weder die Frage nach einem Zeitausgleich nach § 3 S. 2 ArbZG noch nach der Ausweitung des gesetzlichen Ausgleichszeitraums. Wann das eine und wann das andere vorliegt, ist allerdings häufig schwer zu beurteilen und wird nicht immer sauber unterschieden.57 Angesichts der bereits bei 6-monatigem Ausgleichszeitraum bestehenden Möglichkeiten einer u. U. gesundheitsgefährdenden Arbeitszeitverteilung58 sind jedenfalls hohe Anforderungen an die Bestimmtheit einer Regelung nach § 7 I Nr. 1 b ArbZG zu stellen.59 Sofern der gesetzliche Ausgleichszeitraum nicht ausgeweitet wurde, muss zwar die durchschnittlich geschuldete Arbeitszeit erst im Jahreszeitraum erreicht sein; für die gesetzlich zulässige Arbeitszeit gilt hingegen der Ausgleichszeitraum von 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen.60 56 Wird die Arbeitszeit allerdings nicht auf 6, sondern nur auf 4 oder 5 Werktage verteilt, kann es freilich zu einer Überschreitung der 8-Stunden-Grenze an einzelnen Tagen kommen. Stellt man dann aber auf den Wochenbezug ab, werden 48 Stunden in der Woche jedenfalls nicht überschritten, d.h. der Ausgleich erfolgt noch innerhalb derselben Arbeitswoche. 57 Z. T. (so etwa Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 92) wird davon ausgegangen, dass in vielen Tarifverträgen schon ein 12-monatiger Ausgleichszeitraum vorgesehen ist. Es wird etwa vertreten, dass bei einer Tarifbestimmung (§ 2 I Nr. 1 MTV Chemie), nach der die regelmäßige tarifliche oder anderweitig festgelegte wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt von 12 Monaten erreicht werden muss und die ungleichmäßig verteilte Arbeitszeit auch auf bis zu 10 Stunden täglich ausgedehnt werden kann, von § 7 I Nr. 1 b ArbZG Gebrauch gemacht wurde (Kreft, Grundfragen, S. 391 f.); vgl. auch TV der Deutschen Post AG, dazu Maneke, ZTR 2001, 300. Nach a. A. (Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rn. 53; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 159; Junker/u. a., Zukunft der Arbeitswelt, S. 63) beziehen sich derartige Regelungen zumeist nur auf die Verteilung der (tarif-)vertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit. 58 s. dazu oben Kapitel 2, § 2. B. I. 6. c). 59 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 159; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 502. 60 Die tarifliche ist dann neben der gesetzlichen Frist anzuwenden, vgl. Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 567; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 159 f.: Lässt beispielsweise ein Tarifvertrag die ungleichmäßige Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche zu, die erst im Durchschnitt von 12 Monaten erreicht werden muss, und kann danach die tägliche Arbeitszeit bis zu 10 Stunden betragen

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Zunehmend treten auch Arbeitszeitkonten mit noch langfristigerer Ausgleichsperspektive in den Mittelpunkt des Interesses.61 Von Arbeitszeitberatern wird ihre Anwendung auch bei Vertrauensarbeitszeit empfohlen.62 Unterschieden werden die auf Flexibilisierung innerhalb des Erwerbslebens63 ausgerichteten Langzeitkonten von Lebensarbeitszeitkonten, die der Verkürzung des Arbeitslebens dienen oder einen flexiblen Übergang in den Ruhestand ermöglichen.64 Bei Vertrauensarbeitszeit sollen Guthaben angespart werden können, die beispielsweise durch vereinbarte Heraufsetzung der Vertragsarbeitszeit entstehen. Vor allem der Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten stehen sowohl rechtliche Gründe65 als auch zahlreiche sonstige Einwände66 entgegen. U. a.67 wird auf die Gefahr hingewiesen, dass die Übernahme von Plusstunden dazu animieund auf 6 Tage verteilt werden, so kann nach dem Tarifvertrag theoretisch über ca. 30 Wochen hinweg ununterbrochen 60 Stunden wöchentlich gearbeitet werden und der Zeitausgleich im Nachhinein erfolgen. Diese Verteilung steht jedoch im Widerspruch zu § 3 S. 2 ArbZG, der für den Zeitausgleich nur 24 Wochen bzw. 6 Monate vorsieht. Selbst wenn die ungleichmäßige Verteilung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit dergestalt erfolgt, dass sie im Bezugszeitraum von 24 Wochen bzw. 6 Monaten wöchentlich 48 Stunden nicht übersteigt, so kann es dennoch zu einem Verstoß gegen § 3 S. 2 ArbZG kommen: bei der gesetzeskonformen ungleichmäßigen Verteilung der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit werden nämlich nur die geplanten Abweichungen von der regelmäßigen Arbeitszeit berücksichtigt. Ungeplante Mehrarbeit, d.h. zusätzlich zur ungleichmäßig verteilten Arbeitszeit geleistete Stunden, sind somit in der auf Grundlage des Tarifvertrags vorgenommenen Durchschnittsberechnung noch nicht enthalten. Sie fließen jedoch in die Durchschnittsberechnung gem. § 3 S. 2 ArbZG ein. Sofern es also durch die ungeplante Mehrarbeit zu einer Überschreitung der durchschnittlichen 48-Stunden-Woche kommt, liegt zwar kein Verstoß gegen den Tarifvertrag, wohl aber ein Gesetzesverstoß vor. 61 Vgl. dazu Hoff, Personal 2001, 550 ff.; Bispinck, WSI-Mitt. 2/2001, 133 (141): Zurückhaltung bei tariflichen Regelungen sind auf sachliche Schwierigkeiten und teilweise inhaltliche Bedenken gegenüber solchen Konzepten innerhalb der Gewerkschaften zurückzuführen. Im Jahr 2000 ist in der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie der bundesweit erste Tarifvertrag über Langzeitkonten abgeschlossen worden. Er enthält Rahmenregelungen zur Einführung von Langzeitkonten, mit denen den Beschäftigten vorübergehende oder vorzeitige Freistellungen aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis ermöglicht werden sollen. Der Tarifvertrag lässt freiwillige Betriebsvereinbarungen zu, gibt aber vor, welche Leistungen zum Aufbau der Konten genutzt werden können. 62 Vgl. etwa Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 132 ff. 63 Z. B. zur Vermeidung von Kurzarbeit, Schaffung einer Alternative zum Verfall von kurzfristig nicht mehr abbaubaren Guthaben durch Blockfreizeiten, die für Qualifizierungen genutzt werden können. 64 Hoff, Personal 2001, 550 (551). Der rechtliche Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass bei drohender Kurzarbeit Arbeitszeitguthaben auf Lebensarbeitszeitkonten, die „ausschließlich für eine vorzeitige Freistellung von einer altersbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmt“ sind, nicht zu deren Vermeidung aufgelöst werden müssen – wie dies innerhalb von § 170 SGB III für alle anderen Zeitund Langzeitkonten der Fall ist. 65 § 7 VIII ArbZG, dazu sogleich.

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ren könnte, Zeitausgleiche möglichst zu vermeiden und maximal Stunden anzusammeln.68 In diesen Modellen werden Höchstbelastungen über längere Zeiträume hinweg vorausgesetzt oder gefördert69, notwendige Erholungsphasen zwangsläufig reduziert.70 Unterbleibt aber der belastungsnahe Ausgleich nach Phasen längerer Arbeitszeiten, kann dies zum beschleunigten arbeitsbedingten Verschleiß der Gesundheit führen.71 Vor der am 1.1.2004 in Kraft getretenen Änderung des ArbZG war umstritten, ob tarifliche Regelungen über Arbeitszeitkonten mit sehr langen oder gar unbegrenzten Ausgleichszeiträumen überhaupt wirksam getroffen werden können. Weder die in § 7 I Nr. 1 b ArbZG vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit noch eine andere Vorschrift des ArbZG a. F. enthielt eine Begrenzung der Länge der Ausgleichszeiträume; dahingehende Vorschläge sind im Gesetzgebungsverfahren ursprünglich abgelehnt worden.72 Damit hätten nach dem Gesetzeswortlaut des § 7 I Nr. 1 b ArbZG die Tarifpartner grenzenlos lange Ausgleichszeiträume zur Erreichung des durchschnittlichen 8-Stunden-Tages vorsehen können, was aus Gründen des Gesundheitsschutzes für bedenklich gehalten wurde73. Zu weit ging allerdings die von Buschmann/Ulber74 zur alten Rechtslage vertretene Auffassung, wonach es sich nur um kürzere Ausgleichszeiträume handeln dürfte, da schon der nach § 3 ArbZG zulässige 6-monatige Ausgleichszeitraum bei voller Ausschöpfung der 60-Stunden-Woche eine Gesundheitsgefährdung darstelle. Längere Ausgleichszeiträume seien dagegen nur denkbar bei Zugrun66 Vgl. zu den Nachteilen Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1191; krit. Hensche, in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 621; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 141; Hamm, AiB 2002, 412 (414); Kegel, AuA 2001, 313 ff. 67 Weitere Kritikpunkte sind, dass notwendiger Arbeitskräftebedarf verschleiert werden kann und die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer vermieden werden soll, Kegel, AuA 2001, 313 (315). 68 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 141; Kegel, AuA 2001, 313 (315). 69 Vgl. Hoff, Personal 2001, 550: „Langzeitkonten sind ein wichtiges Mittel zur Anziehung und Bindung gerade jüngerer qualifizierter Mitarbeiter, die zum einen vom Erwerbsleben nachweislich mehr als konstante 60h-Wochen erwarten – z. B. die Möglichkeit zu Sabbaticals, Familienphasen und längeren Weiterbildungszeiten-, zum anderen aber auch am Nebenaspekt ,Bruttolohn-Sparen’ interessiert sein können. Angesichts der Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Altersversorgung spielt aber auch das Motiv eine Rolle, sich einen früheren und/oder flexibleren Übergang in den Ruhestand anzusparen bzw. – arbeitgeberseitig – den Mitarbeitern die Möglichkeit hierzu zu geben.“ 70 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb § 38 Rn. 141; Kegel, AuA 2001, 313 (315). 71 Vgl. etwa Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 199; Kegel, AuA 2001, 313 (315). 72 BT-Drs. 10/2706, S. 29, 37 zu Nr. 10. 73 Vgl. Kreft, Grundfragen, S. 214 f.; Mente, Rahmenbedingungen, S. 117, 119, 141, 157. 74 ArbZG § 7 Rn. 11.

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delegung der tariflichen Normalarbeitszeit, etwa einer 35-Stunden-Woche. Eine solche tarifliche Regelung zielt aber gerade nicht darauf ab, den öffentlichrechtlichen Schutzrahmen des ArbZG zu verändern.75 Eine unbegrenzte Verlängerungsmöglichkeit steht jedoch im Widerspruch zur Arbeitszeit-RL 2003/88/EG76: Die den Tarifparteien durch Art. 17 III S. 1 der RL eröffnete Möglichkeit, den in Art. 16 lit. b) S. 1 vorgesehenen 4-monatigen Bezugszeitraum zur Einhaltung der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden zu verlängern, wird durch Art. 19 II und III77 auf 6 bzw. maximal 12 Monate begrenzt. Deshalb bestimmt der im Zuge der Änderung des ArbZG neu eingefügte Abs. 8 des § 7 nunmehr, dass die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden im Durchschnitt von 12 Monaten erreicht sein muss.78 Damit ist den Tarifparteien eine Grenze für die Ausweitung des gesetzlichen Ausgleichszeitraums gezogen. Für bereits bestehende abweichende Tarifverträge gilt jedoch gem. § 25 ArbZG n. F. eine Übergangsfrist von 2 Jahren. Festzuhalten ist, dass die Tarifvertragsparteien die nach dem ArbZG bestehenden Spielräume für eine flexible Arbeitszeitgestaltung, wenn auch nicht unbegrenzt, so doch erheblich erweitern können.

D. Gestaltungsmöglichkeiten und Effektivität der tariflichen Beschränkung von Arbeitszeitmodellen Können also die Tarifparteien in den genannten Grenzen Arbeitszeitregelungen treffen, ist nun im Einzelnen nach den tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten zu fragen, die einer vollständigen Deregulierung und Entgrenzung der Arbeitszeiten durch Vertrauensarbeitszeitvereinbarungen entgegenwirken könnten. Dafür sind im Folgenden mögliche Regelungsinhalte von Tarifverträgen sowie deren Wirksamkeit zur Eingrenzung von Arbeitszeiten zu betrachten. Eigenständige Regelungen in den Tarifverträgen zur Vertrauensarbeitszeit sind selten79, oft ergibt sich nur indirekt aus Tarifbestimmungen, ob Vertrauensarbeitszeit damit vereinbar ist.80 Während von gewerkschaftlicher Seite die Vereinbarkeit von Vertrauensarbeitszeit mit Tarifverträgen z. T. verneint wird81, hat 75 Vgl. auch Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rn. 53; Tietje, Grundfragen, S. 272 ff., 277 ff. 76 So in Bezug auf die RL 93/104/EG Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rn. 52; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 7 Rn. 11; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rn. 20; ErfK-Wank, ArbZG § 7 Rn. 6. 77 Dies entspricht Art. 17 IV der RL 93/104/EG. 78 Vgl. BT-Drs. 15/1587, S. 31. 79 Vgl. aber FirmenTV bei IBM, dazu PersF 3/1999, 4 f. 80 Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 186 f. 81 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 29.

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Hamm darauf hingewiesen, dass tarifliche Spielräume für die Flexibilisierungssysteme nur soweit ausgelotet werden könnten, als sie in ihren Auswirkungen präzise beschreibbar seien, und dass dies auf die Vertrauensarbeit gerade nicht zutreffe, weil unter diesem Titel alles möglich ist – vom vollständigen Bruch aller tariflichen Bedingungen bis zu deren präziser Einhaltung.82 Welche Tarifbestimmungen Vertrauensarbeitszeitvereinbarungen entgegen stehen können, wird nachfolgend überprüft. I. Ausgleichszeiträume und Zeitausgleich Will ein Tarifvertrag die Flexibilisierung der Arbeitszeit einschränken, kann dies zum einen durch die Festlegung von Ausgleichszeiträumen geschehen, die jedenfalls einem langfristigen Ansparen von Zeitguthaben entgegen stehen83 und z. B. der Kombination von Vertrauensarbeitszeit mit Langzeitkonten84 Grenzen setzen könnten. Dies hätte die Wirkung, dass Langzeitkonten nicht beliebig gefüllt werden. Die Einhaltung des tariflich vorgegebenen Arbeitszeitdeputats, das mit Hilfe von Flexibilisierungskonten ungleichmäßig verteilt werden kann, setzt jedoch voraus, dass der Abbau eines Guthabens auch tatsächlich gelingt. Anderenfalls85 droht die Umgehung der Tarifverträge und schleichende Arbeitszeitverlängerung.86 Vorgeschlagen wird daher, neben der Festschreibung von Erfüllungszeiträumen, Höchstgrenzen und Entnahmerechten87 auch prozedurale Normen zu verankern, die eine Steuerung der Flexibilisierung ermöglichen, z. B. durch die Schaffung von Signalgrenzen für hohe Kontenstände, mit daran anknüpfenden Maßnahmen zur Saldorückführung.88 Dem einzelnen Arbeitnehmer soll tarifvertraglich ein Anspruch auf Mitsprache und adäquate Berücksichtigung seiner Präferenzen eingeräumt werden.89 So enthalten Tarifverträge, die eine ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit zulassen, häufig zugleich Vorgaben, wie der Freizeitausgleich im Einzelnen zu regeln ist, welche Ausgleichs82 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 284; zur komplizierten tarifrechtlichen Beurteilung Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 574. 83 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 300. 84 Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 62, 63.; vgl. auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 132; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (15) mit dem Modell der Hewlett Packard GmbH als Bsp. 85 Z. B. auch dadurch, dass statt Freizeitentnahme nur ein Geldausgleich gewährt wird. 86 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 72. 87 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 288. 88 Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 170 f. 89 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 283, 288 f.: Eine Wechselwirkung zwischen Kapazitätsorientierung und Partizipation des Arbeitnehmers könne dahingehend ausgestaltet sein, mögliche Arbeitszeitschwankungen in dem Maße zu erweitern, wie andererseits die Mitspracherechte des Einzelnen ausgedehnt würden.

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und Ankündigungsfristen gelten90 bzw. wie zu verfahren ist, um ein Einvernehmen über die zeitliche Lage des Freizeitausgleichs herzustellen.91 Über die Umsetzung derartiger Regelungen ist damit noch nichts gesagt. Tarifliche Ausgleichszeiträume werden im Betrieb selten als verbindlich angesehen.92 Verlangen Tarifverträge explizit, dass in Betriebsvereinbarungen auch Beginn und Ende der Ausgleichszeiträume festzulegen seien,93 können mit dieser Pflicht zur Benennung der Zeiträume zwar die Hürden für eine Ausweitung gegenüber tariflichen Festlegungen erhöht werden: „Statt einer stillschweigenden Umgehung bedarf es einer sich deutlich nach außen manifestierenden Abweichung“; verhindern lassen sich abweichende Regelungen dadurch aber nicht.94 Während die Ausweitung tariflicher Ausgleichszeiträume teilweise dadurch vorgenommen wird, dass nach der betrieblichen Regelung eine bestimmte Zahl von Guthabenstunden in den nächsten Ausgleichszeitraum übertragen werden darf,95 lassen Vertrauensarbeitszeitmodelle die tariflichen Vorschriften unberührt und legen nur ihre Einhaltung in die Verantwortung des Arbeitnehmers. Damit hat dieser zwar auch die postulierten Mitspracherechte; faktisch bietet das aber keine Gewähr für eine wirksame Arbeitszeitbegrenzung96: Sofern dem Arbeitnehmer ein Zeitausgleich in Eigenverantwortung nicht gelingt, wird die Realisierbarkeit des Freizeitausgleichs bei Vertrauensarbeitszeit gerade dadurch gefährdet, dass dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber kein Anspruch darauf mehr zustehen soll. An die Stelle von Freizeitausgleich treten häufig betriebliche Regelungen, die die Vereinbarung sog. Arbeitszeitbudgets vorsehen. In Überlastsituationen kann dann bei Bedarf die Vertragsarbeitszeit individualvertraglich vorübergehend angehoben werden. Derartige Arbeitszeitgestaltungen 90 Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 43 f. mit dem Bsp. der Holzverarbeitenden Industrie und S. 50 f. Textilindustrie West; vgl. auch BRTV Baugewerbe (§ 3). 91 Im Tarifvertrag der Nährmittelindustrie ist etwa geregelt, dass den Wünschen des Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen widersprochen und ein Alternativvorschlag unterbreitet werden kann. Kommt es nicht zur Übereinstimmung, soll § 87 I Nr. 2 und 5 BetrVG analoge Anwendung finden; s. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 48. Ähnliche Regelungen sehen die MTVe für das Frisörhandwerk vor, wo u. a. bestimmt ist, dass eine zu dünne Personaldecke nicht als beachtenswerter Grund, aus dem ein Freizeitwunsch des Arbeitnehmers abgelehnt werden kann, ausreicht. Die Freizeitentnahme kann in diesem Falle per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden. Bei berechtigter Verweigerung des Freizeitwunsches durch den Arbeitgeber ist aber innerhalb gestufter Zeiträume die Freizeit nachzugewähren; s. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 170. 92 Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 169 f. 93 § 3 Ziff. (3) Abs. 3 GMTV niedersächsische Metallindustrie, Quelle: Höland/ Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 277. 94 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 278. 95 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 33, 40. 96 Zur Durchsetzung tariflicher Rechte s. u. § 3. MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 275 Rn. 4, 5; Gamillscheg, AuR 1996, 354 (355).

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gehen davon aus und arrangieren sich damit, dass angesichts einer konstatierten Überlastsituation Freizeitausgleich eher die Ausnahme sein dürfte.97 Sieht ein Tarifvertrag vor, dass Mehrarbeit innerhalb einer bestimmten Frist auszugleichen sei, folgt dieser Ausgleichsanspruch allerdings nach Ansicht des LAG Hamm98 hinsichtlich seiner Erfüllung den für Urlaubsansprüche entwickelten Regeln. Er kann deshalb nicht von vornherein durch eine einzelvertragliche Regelung, die eine Abgeltung durch eine Pauschalzahlung vorsieht, abbedungen werden. II. Tägliche/wöchentliche Mindest- und Höchstarbeitszeiten; Verbot der Wochenendarbeit Als weitere Möglichkeit der Einschränkung von Vertrauensarbeitszeit kann ein Tarifvertrag konkrete Bestimmungen über die zugelassene Lage der Arbeitszeit enthalten. Tarifverträge, die für die Erbringung der tariflichen Arbeitszeit einen längeren Ausgleichszeitraum zulassen, enthalten z. T. Vorgaben der wöchentlichen Höchstarbeitszeit, der täglichen Mindest- und Höchstarbeitszeiten bzw. der Werktage (z. B. Montag bis Freitag), auf die die Arbeitszeit zu verteilen ist99; diese Bestimmungen sind jedenfalls bei beiderseitiger Tarifbindung100 auch dann zu beachten, wenn im Betrieb Vertrauensarbeit eingeführt werden soll.101 Teilweise wird daher in den bestehenden Tarifverträgen eine von vornherein bestehende Blockadeposition im Hinblick auf die Implementierung von „amorpher“ Arbeitszeit, die in der Terminologie von Kilz/Reh dem Modell der Vertrauensarbeitszeit entspricht, gesehen. Denn sofern ein Tarifvertrag hierzu keine Regelung enthalte, seien die normierten allgemeinen tariflichen Arbeitszeitregelungen102 zu beachten.103 Tariflich festgelegte tägliche Mindest- und Höchstarbeitszeiten stehen somit einer Vereinbarung entgegen, die dem Arbeitnehmer freistellt, ob und wie lange er an den einzelnen Tagen arbeitet.

97 Wahrscheinlicher sei die Vergütung in Geld einschließlich anfallender tariflicher Zuschläge oder ein Ansparen auf einem Lebensarbeitszeitkonto; vgl. Helmich, AuA 2001, 123 (125) bzgl. des TV für das private Bankgewerbe. 98 V. 15.10.1981 – 9 Sa 884/81. 99 Hensche in Däubler, TVG, § 1 Rn. 545. 100 Inwiefern es sich bei Arbeitszeitregelungen um Betriebsnormen handelt (§§ 3 II; 4 I 2 TVG), die somit auch für Tarifaußenseiter gelten sollen, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden; vgl. aber unten F. I. 2. 101 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 319. 102 Auf die Frage, inwiefern die Tarifparteien Höchstarbeitszeiten mit normativer Wirkung vereinbaren können, wird unter Punkt F. V. 1. c) eingegangen. 103 Kilz/Reh, Innovative Arbeitszeitsysteme, S. 86; vgl. auch Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 186 f.; Promberger/u. a., Hochflexible Arbeitszeiten, S. 169.

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Ob derartige tarifliche Bestimmungen zur Arbeitszeitlage auch der Abschaffung der Dokumentation der jeweils geleisteten Arbeitszeiten entgegenstehen, ist damit allerdings noch nicht gesagt. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch, wenn der Tarifvertrag festlegt, wie Beginn und Ende der Arbeitszeit zu ermitteln sind.104 Dass bei Vertrauensarbeitszeit nur noch die effektiven Arbeitszeiten gezählt werden sollen („die Arbeitszeit [kann] wieder in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz beginnen und enden und nicht am oft am Firmeneingang platzierten Zeiterfassungsterminal“105), kann einen Verstoß gegen den Tarifvertrag darstellen. III. Pflicht zur Festlegung der Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung Tarifverträge können bei der Begrenzung von Arbeitszeitformen ggf. dann weniger effektiv sein, wenn sie die maßgeblichen Schutznormen nicht selbst festlegen, sondern dies in die Kompetenz der Betriebspartner verweisen. Grundsätzlich ist die Übertragung von Regelungsbefugnissen auf die Betriebspartner ein zulässiges Gestaltungsmittel, da das TVG (§ 1 I) betriebsverfassungsrechtliche Normen zulässt und den Betriebsparteien selbst eine – lediglich durch Tarifvorrang und -vorbehalt (§§ 87 I Eingangssatz; 77 III 1 BetrVG) begrenzte – Regelungskompetenz zusteht.106 Fraglich ist jedoch, ob die Tarifparteien damit zu jeder beliebigen Delegation befugt sind. Aufgrund der strukturell schwächeren Durchsetzungsposition der Betriebsräte wird es von einigen Autoren, z. T. aber auch von Betriebsräten selbst für erforderlich gehalten, dass die Tarifvertragsparteien auf tariflicher Ebene bereits eine gewisse Grobstrukturierung vornehmen und konkrete Maßnahmen etablieren, die etwa das einseitige Festlegen der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber ausschließen.107 Zur Beantwortung der 104 Nach § 15 VII BAT beginnt und endet die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle. Gem. S. 2 der Protokollnotiz ist der Begriff der Arbeitsstelle weiter als der des Arbeitsplatzes. Er umfasst z. B. den Verwaltungs- und Betriebsbereich in dem Gebäude oder Gebäudeteil, in dem der Angestellte arbeitet. 105 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (12). 106 Vgl. Däubler, TVG, Einl. Rn. 145; Meier-Krenz, Erweiterung, S. 14; BAG v. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972. 107 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 285; vgl. auch Kotthoff, Industrielle Beziehungen, 1998, 76 ff. Die von der Böckler-Stiftung 1999/2000 durchgeführten Befragungen von Betriebs- und Personalräten (vgl. Schäfer, WSI-Mitt. 2/2001, 62, 65 ff., im Wesentlichen best. durch Umfrageergebnisse von 2002: Schäfer, WSI-Mitt 3/2003, 138 [147]) ergaben, dass Betriebsräte für ihre Umsetzungsprobleme von Arbeitszeitvorschriften neben defizitärer Gesetzeslage auch die tarifliche Ebene verantwortlich machen: Manche betriebliche Verhandlung zwischen den Betriebsparteien wäre besser zu Gunsten der Belegschaftsseite ausgegangen, hätte es mehr eindeutige tarifvertragliche Flankierung gegeben. Diese Betriebs- und Personalräte stehen der Forderung nach (mehr) Verbetrieblichung der Tarifpolitik ablehnend gegenüber. Berichtet wird, dass das Gebrauchmachen von Öffnungs- und Differenzierungsklauseln zu einem erheblich gesteigerten Konfliktpotenzial in den betrieblichen Gremien geführt hat (WSI-Mitt. 2/2001,

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Frage nach den Grenzen einer zulässigen Delegation kann man einerseits darauf abstellen, dass im Rahmen von Art. 9 III GG die Tarifparteien selbst entscheiden können, wie weit ihre eigene Normsetzung reichen soll und dass sie daher auch auf eine Regelung verzichten können.108 Als Grenze jeglicher Delegation wird aber wegen Verstoßes gegen Art. 9 III GG eine „effektive ,Selbstentäußerung‘“ der Normsetzungsbefugnisse durch die Tarifpartner diskutiert: ein solcher Fall könnte dann anzunehmen sein, wenn materielle Arbeitsbedingungen wie Vergütung und Arbeitszeit in wesentlichem Umfang nicht mehr von den Tarifparteien selbst geregelt werden; denn in diesem Fall würden die Tarifparteien ihre auch im öffentlichen Interesse bestehende Funktion, die sinnvolle Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens109, nicht mehr erfüllen.110 Dem lässt sich wiederum entgegenhalten, dass Art. 9 III GG die Tarifautonomie nicht als einzige und ausschließliche Form der Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gewährleistet.111 Da den Koalitionen kein Normsetzungsmonopol auf diesem Gebiet eingeräumt wurde112, haben sie nur das Recht, nicht aber die Pflicht zur tariflichen Normsetzung; ein denkbarer Funktionsverlust der Tarifautonomie stellt folglich nicht notwendig einen Verstoß gegen Art. 9 III GG dar.113 Auf diese Diskussion ist jedoch nicht näher einzugehen, weil die hier interessierenden Gestaltungen derartige Extremvarianten nicht betreffen: vorliegend geht es um Regelungen zur Arbeitszeitlage und damit nicht um wesentliche materielle Arbeitsbedingungen. Ausgangspunkt ist hier 62 [74]). Aus den Ergebnissen der WSI-Betriebsrätebefragung lässt sich ein statistisch hoch signifikanter Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzung von tariflichen Öffnungsklauseln und Problemen innerhalb des Betriebsrates nachweisen. Demnach treten innerhalb der Betriebsräte eher Probleme auf, wenn betriebliche Öffnungsklauseln genutzt werden. 70% der Betriebsräte geben an, manchmal oder häufig interne Probleme zu haben, wenn sie tarifliche Öffnungsklauseln nutzen. Ohne Anwendung von Öffnungsklauseln geben nur 59% der Betriebsräte Probleme an. Danach scheint sich die These von Kotthoff (a.a.O, S. 98) zu bestätigen, dass, „wenn Betriebsräte die Gewerkschaften tarifpolitisch nicht nur ergänzen, sondern ersetzen müssen – was sie selbst nicht anstreben, sondern als Last empfinden – [. . .] ein Konfliktpotenzial in den Betrieb zurückgetragen (wird), vor dem ihn das duale System weitgehend geschützt hat. Das tangiert unmittelbar das institutionelle Gerüst der betrieblichen Mitbestimmung.“ 108 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 205; vgl. auch BAG v. 9.5.1995 AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle. 109 Vgl. BVerfG v. 6.5.1964 E 18, 18 (27). 110 Däubler, TVG, Einl. Rn. 146; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 205; vgl. auch Kissel, NZA 1986, 73 (79); Weyand, AuR 1989, 193 (196); vgl. auch BAG v. 18.8.1987 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, wonach dies eine Gefahr für die Tarifautonomie darstellen würde; vgl. auch BAG v. 9.7.1980 AP Nr. 7 zu § 1 TVG Form. 111 BVerfG v. 1.3.1979 E 50, 290 (371). 112 Aus Art. 74 Nr. 12 GG ergibt sich hierfür auch eine Gesetzgebungskompetenz; vgl. Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 95. 113 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 94 f.; Buchner, NZA 1986, 377 (380).

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vielmehr, dass die Tarifparteien die Arbeitsbedingungen nicht selbst abschließend regeln müssen; sie können Rahmenbedingungen aufstellen und deren Konkretisierung den Betriebspartnern überlassen; in Anlehnung an Art. 80 I GG ist jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu fordern, dass eine derartige Delegation nach Art und Umfang hinreichend deutlich ist.114 Ob die auszufüllende Regelung darüber hinaus selbst aus sich heraus vollziehbar sein muss, ob also der Tarifvertrag eine Auffang- oder Normalregelung enthalten soll, wird dabei unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine Normalregelung verlangt, weil anderenfalls die Tarifnorm ohne inhaltliche Regelung in Betrieben ohne Betriebsrat im Geltungsbereich eines Tarifvertrags ins Leere ginge und zur einseitigen Entscheidung durch den Arbeitgeber einlade.115 Zur Begründung dient auch § 77 III BetrVG, nach dessen Wortlaut („ergänzende“ Betriebsvereinbarungen) der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen sei, dass auch bei Schaffung einer Öffnungsklausel die Regelung schwerpunktmäßig im Tarifvertrag selbst erfolgen müsse.116 Gegen das Erfordernis einer aus sich selbst heraus vollziehbaren tariflichen Regelung spricht jedoch, dass aus den bereits genannten Gründen eine Regelungsverpflichtung der Tarifpartner aus Art. 9 III GG nicht herzuleiten ist.117 Die Tarifparteien können die Regelungsbefugnis der Betriebspartner also nicht nur ganz ausschließen, sondern auch nur an die Einhaltung bestimmter inhaltlicher Voraussetzungen binden, um somit spezifischen betrieblichen Besonderheiten Rechnung zu tragen; dies liegt in der Struktur der Rahmenregelung als einer zwingend ausfüllungsbedürftigen Vorschrift.118 Eine andere Frage ist, ob derartige Rahmenregelungen im Einzelfall eine Sperrwirkung für die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien entfalten können.119 Es stellt folglich keine unzulässige Delegation dar, wenn einige Tarifverträge bestimmen, dass die konkrete Arbeitszeitverteilung durch Arbeitgeber und Betriebsrat vorgenommen wird.120 Teilweise ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Betriebspartner durch Betriebsvereinbarung Beginn und Ende der täglichen Ar114 BAG v. 28.11.1984 AP Nr. 2 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht; v. 9.5.1995 AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 205; 475 ff. 115 Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 18 Rn. 56; ders., FS Schaub, S. 389 (404); in die Richtung wohl auch Schaub, NZA 1998, 617 (623); vgl. auch ArbG Nürnberg v. 16.10.1989 NZA 1990, 70 f.: dort wurde die Rechtswirksamkeit einer Tarifnorm bestritten, die sich auf eine Kompetenzbeschneidung der Betriebspartner im Bereich des § 87 I BetrVG beschränkte, ohne selbst einen vollziehbaren Inhalt aufzuweisen. Bloße Anweisungen an die Betriebsvereinbarungsparteien seien deshalb unzulässig und unwirksam. 116 Däubler, TVG, Einl. Rn. 146. 117 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 205. 118 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 152 f.; vgl. auch Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 475 f. 119 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 153; s. dazu auch unten E. I. 120 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 476 ff.; z. B. Textilindustrie West, Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 50.

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beitszeit und der Pausen gem. § 87 BetrVG nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse festsetzen121 oder dass eine Betriebsvereinbarung u. a. zur Verteilung der Arbeitszeit auf die Werktage sowie zur Regelung einer (un)gleichmäßigen Arbeitszeitverteilung auf mehrere Wochen einschließlich Ausgleichszeiträumen abgeschlossen wird.122 Knüpft ein Tarifvertrag die Verteilung der Arbeitszeit ausdrücklich an den Abschluss einer Betriebsvereinbarung,123 handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Norm124 i. S. d. §§ 1 I; 3 II TVG. Diese Qualifizierung ergibt sich nach Ansicht des BAG125 daraus, dass ein nach § 87 I Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtiger Sachverhalt gegeben ist, für den der Tarifvertrag einen i. S. d. § 87 I ES BetrVG verbindlichen Rahmen vorgibt, dessen Ausfüllung durch den Betriebsrat möglich und notwendig ist.126 Verlangt ein Tarifvertrag ausdrücklich die Regelung einer Angelegenheit durch Betriebsvereinbarung, so wäre eine Nichtregelung nicht nur wegen eines etwaigen Verstoßes gegen Mitbestimmungsrechte, sondern auch gegen den Tarifvertrag unzulässig.127 Wird ein Arbeitszeitmodell nicht durch die tariflich geforderte Betriebsvereinbarung, sondern nur durch Regelungsabrede und Einzelarbeitsvertrag eingeführt, ist diese Gestaltungsform tarifwidrig. Für den Arbeitnehmer hat das zur Folge, dass eine auf das neue Arbeitszeitmodell gestützte Versetzung oder Änderungskündigung unwirksam ist.128 Dieses Beispiel zeigt, dass die durch tarifliche Bestimmungen grundsätzlich ermöglichte Flexibilisierung von konkreten Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann und damit individualvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Grenzen gesetzt werden können. Begrenzt werden können aber auch die durch einen Tarifvertrag grundsätzlich zugelassenen Flexibilisierungsmöglichkeiten der Betriebspartner: Teilweise sind Abweichungen vom Tarifvertrag nur durch freiwillige Betriebsvereinbarung erlaubt.129 Damit soll sichergestellt werden, dass hierbei nicht gegen den Willen eines Betriebspartners vorgegangen wird.130 Auch können Abweichungen nur 121

§ 3 V MTV für die Metallindustrie Hamburg/Schleswig-Holstein. § 4 Nr. 2 MTV Metallindustrie NRW. 123 Vgl. zum MTV für den Einzelhandel NRW ArbG Hagen v. 16.1.2001 AuR 2001, 239; vgl. auch LAG Hamm v. 10.4.2002 – 18 Sa 1193/01 – juris; ArbG Hagen v. 13.12.2000 AuR 2001, 158. 124 So bereits BAG v. 18.12.1997 AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969 = SAE 1998, 266 (269) = AuR 1998, 212. 125 V. 18.12.1997 AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969 = SAE 1998, 266 (269). 126 BAG AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969. 127 ArbG Bielefeld v. 24.6.1987 DB 1988, 131. 128 BAG AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969. 129 § 2 I Nr. 1 MTV Chemie, weitere Bsp. s. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 42. 130 Vgl. hierzu ausf. Kort, NZA 2001, 477 ff.; krit. MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 271 Rn. 24, nach denen die Unternehmerfreiheit eine Grenze für solche Öffnungs122

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vorbehaltlich der Zustimmung der Tarifvertragsparteien gestattet sein131, so dass die betriebliche Einführung von Vertrauensarbeitszeit von einer solchen Zustimmung abhängig gemacht werden könnte. Noch stärker fällt die Begrenzung betrieblicher Gestaltungsmöglichkeiten aus, wenn der Tarifvertrag inhaltliche Vorgaben enthält. So wird z. B. aus tariflichen Vorschriften, die die Aufstellung von „Arbeitszeitverteilungsplänen“132 oder eine „systematische Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit“133 vorsehen, z. T. geschlossen, dass derartige Tarifverträge die Betriebsparteien beauftragen, Regelungen zur Arbeitszeitverteilung zu treffen.134 Deshalb wird ein Widerspruch zum tarifvertraglichen Erfordernis einer Arbeitszeitregelung gesehen, wenn Betriebsvereinbarungen dem Arbeitgeber einseitige Änderungsoptionen einräumen.135 Lässt der Tarifvertrag Abweichungen nur in Form einer „systematischen Einteilung“ der Arbeitszeit zu136, muss die betriebliche Regelung planmäßig, in einer gewissen Ordnung erfolgen. Eine „Mobilzeit“-Regelung, die einen Zeitkorridor zwischen frühestmöglichem Beginn und spätestmöglichem Ende der Arbeitszeit definiert, innerhalb dessen die genaue Arbeitszeit durch den Abteilungsverantwortlichen festgelegt werden kann, entspricht daher nach Auffassung des LAG Hamm137 gerade nicht den Anforderungen an eine systematische Einteilung. Ähnlich restriktive Vorschriften bestehen etwa darin, dass bei ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit in der Woche für jeden Wochentag mit gleicher Benennung die gleiche Stundenzahl vorgesehen werden muss.138 Das LAG Rheinland-Pfalz139 hat eine tarifliche Regelung, die für die Erreichung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit einen Ausgleichszeitraum von 12 Monaten vorsah, dahingehend gedeutet, dass die Tarifvertragsparteien von einer längerfristigen Vorausplanung der wöchentlichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarungen ausgegangen seien. Denn die Realisierung des Zeitausgleichs im tariflichen Ausgleichszeitraum wäre gefährdet, wenn der Arbeitgeber klauseln darstellt, die eine Abweichung an die Zustimmung des Betriebsrats binden, gleich ob es hier um Abweichungen von Betriebnormen oder die Zustimmung zu abweichenden Individualvereinbarungen geht. Dem Betriebsrat dürfe grds. kein Vetorecht eingeräumt werden, vielmehr solle die Konfliktlösung über die Einigungsstelle möglich bleiben. 131 § 2 Nr. 4 MTV Metallindustrie Bayern. 132 § 3 Ziff. 1 MTV Druckindustrie. 133 § 2 II MTV Einzelhandel NRW. 134 So etwa aus gewerkschaftsnaher Literatur Unterhinninghofen, Anm. zu BAG v. 16.2.2000, AuR 2000, 430 (431). 135 Die abgesehen davon auch mitbestimmungsrechtlich zweifelhaft sind, vgl. Unterhinninghofen, Anm. zu BAG v. 16.2.2000, AuR 2000, 430 (431). 136 § 2 II MTV Einzelhandel NRW. 137 V. 20.1.1998 AuR 1999, 76. 138 Vgl. das Bsp. bei Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 314. 139 V. 8.4.1999 AiB 1999, 528 f.

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in Bedarfsfällen die Arbeitszeit einseitig anordnen könnte. Sowohl hinter dieser als auch hinter der „Mobilzeit“-Entscheidung des LAG Hamm steht als Begründung, dass dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit einseitiger Arbeitszeitfestlegung gegeben werden dürfe. Auf den ersten Blick scheint diese Gefahr bei der Vertrauensarbeitszeit nicht zu bestehen, weil gerade der Arbeitnehmer selbst für die Zeiteinteilung verantwortlich gemacht wird. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass der vorstehende Gedankengang des LAG auf Vertrauensarbeitszeitregelungen übertragbar ist, wenn man in der Möglichkeit der Zuweisung der Arbeitsmenge ebenfalls eine einseitige arbeitgeberseitige Änderungsoption der regelmäßigen Arbeitszeit erblickt. In der Literatur wird zumindest auf diese Gefahr aufmerksam gemacht. Denn der Arbeitnehmer ist hinsichtlich seiner Zeitdisposition weiterhin rechtlich und faktisch an die betrieblichen Interessen gebunden.140 Tarifverträge müssen also nach dem Gesagten zwar selbst keine Regelung zur Arbeitszeitverteilung enthalten. Eine tarifliche Klausel kann jedoch der Einführung von Vertrauensarbeitszeit dadurch entgegenwirken, dass sie bestimmte Anforderungen an die betriebliche Arbeitszeitgestaltung stellt.141 Dies gilt insbesondere wenn sie verlangt, dass die Betriebspartner die Arbeitszeit gemeinsam nach einem bestimmten System (z. B. gleichmäßig oder langfristig) regeln. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, werden damit – vorbehaltlich einer näheren Betrachtung des Günstigkeitsprinzips142 – Arbeitszeitfestlegungen durch die Arbeitsvertragsparteien selbst ausgeschlossen. Enthält der Tarifvertrag selbst inhaltliche Vorgaben zur Arbeitszeitverteilung, lässt er aber Abweichungen hiervon durch die Betriebspartner zu, so könnte zumindest über ein Zustimmungserfordernis der Tarifvertragsparteien eine zu weitgehende Aufweichung von Schutzstandards durch ein Vertrauensarbeitszeitmodell verhindert werden. IV. Pflicht zur Führung von Arbeitszeitkonten und Arbeitszeiterfassung Teilweise sehen Tarifverträge vor, dass die aus der ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit entstehenden Differenzen zur tariflichen Arbeitszeit auf individuellen Zeitkonten zu vermerken sind.143 Dabei findet sich mitunter die Bestimmung, dass das Konto vom Arbeitgeber zu führen ist und die Beschäftigten mit jeder Gehaltsabrechnung einen Ausdruck davon erhalten.144 Solche Rege140

Vgl. etwa Hamm, AiB 2000, 152 (153 f.). Vgl. auch IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 29. 142 Zur Problematik des Günstigkeitsprinzips s. u. F. 143 MTV der Obst- und Gemüse verarbeitenden Industrie; TV Süßwarenindustrie; RTV Textilreinigungsgewerbe. 144 Z. B. Fleischwarenindustrie und Nährmittelindustrie, vgl. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 44, 48. 141

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lungen könnten ein zeiterfassungsfreies System ausschließen. Soweit Arbeitszeitkonten die Entwicklung von Haben und Soll der Arbeitszeit leichter durchschaubar machen sollen145, ist in Erwägung zu ziehen, ob nicht der Arbeitnehmer nach dem Günstigkeitsprinzip146 auf die Führung des Kontos verzichten kann. Sind aber im Tarifvertrag die Inhalte der monatlichen Abrechnung verbindlich vorgegeben, dürfte dies einem Verzicht auf die Kontenführung entgegenstehen. Zumeist wird es Regelungszweck derartiger Tarifvertragsnormen sein, die Guthabenstunden aufgrund der ungleichmäßigen Arbeitszeitverteilung von jenseits der geplanten Arbeitszeit angefallenen Mehrarbeitsstunden sichtbar abzugrenzen.147 Wenn etwa Mehrarbeitszuschläge ab einer gewissen Wochenstundenzahl gewährt werden, muss aus dem Arbeitszeitkonto hervorgehen, wie viele Stunden der Arbeitnehmer in der Woche gearbeitet hat.148 Da also die geleisteten Arbeitsstunden nicht nur für etwaige Zeitausgleichsansprüche bedeutsam sind, sondern auch verschiedene vergütungsrechtliche Auswirkungen haben können, kann die Erfassung der Arbeitszeiten mithin unter dem Aspekt der tariflichen Entlohnung erforderlich werden.149 V. Vorgaben für Gleitzeit Eine weitere Möglichkeit zur Eingrenzung von Vertrauensarbeitszeit besteht in der Schaffung tariflicher Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Gleitzeitarbeit.150 Dazu gehören eine Mindestdauer der Kernzeit sowie eine Begrenzung des Gleitzeitrahmens. Folgt man der Auffassung, dass diese Regelungen verbindlich und bei der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung zu beachten sind151, würde der Tarifvertrag der Einführung von Vertrauensarbeitszeit entgegenstehen, bei der, wie gezeigt, die Trennung zwischen Gleitzeitrahmen und Kernzeiten aufgehoben und durch Ansprech- oder Funktionszeiten ersetzt werden.152 Es können auch Beschränkungen der Übertragung von Zeitguthaben und -schulden in nachfolgende Abrechnungszeiträume zu beachten sein.153 Neben 145

Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 311. Siehe dazu unten F. 147 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 310. 148 Vgl. das Bsp. aus dem Groß- und Außenhandel, Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 329. 149 Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 138 f. 150 So etwa in § 2 V MTV Chemie. 151 Vgl. Hensche in Däubler, TVG, § 1 Rn. 562; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 299, 318, 329. 152 So i. Erg. wohl auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 319 für das Bsp. der Bekleidungsindustrie. 153 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 320; vgl. aber die sehr flexible Gestaltung des § 2 MTV Chemie v. 18.4.2002, wonach der Zeitausgleich aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarung auch außerhalb des tariflichen Verteilzeitraums von 12 Monaten ge146

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der Vorgabe von Ausgleichszeiträumen und Obergrenzen der Wochenarbeitszeit sind auch Öffnungsklauseln möglich, die wiederum die Regelung der Elemente „Abrechnungszeitraum“, „Ausgleich von Zeitguthaben“, „Zeitübertrag“ verlangen.154 Weil Vertrauensarbeitszeitvereinbarungen gerade ohne diese Regelungselemente, insbesondere ohne Abrechnungszeiträume, auskommen wollen, stehen die genannten tariflichen Regelungen Vertrauensarbeitszeit entgegen. Allerdings wird nach der Rechtsprechung155 die individualrechtliche Zulassung eines negativen Zeitguthabens nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass ein Tarifvertrag nur Regelungen über Aufbau und Ausgleich eines positiven Zeitguthabens enthält. Voraussetzung für die Bildung von Negativsalden aufgrund individualvertraglicher Vereinbarung ist mithin nicht ihre explizite Erwähnung in Tarifverträgen, sondern dass die Entstehung von Zeitdefiziten allein von der Entscheidung des Arbeitnehmers abhängig ist. VI. Überstundenarbeit und Zuschlagspflicht Gestaltungsmittel zur Begrenzung der Arbeitszeit ist – neben der Beschränkung der Zahl der zulässigen Mehrarbeitsstunden – auch ihre Verteuerung. Deshalb kann der Tarifvertrag bei Überschreitung der regulären betrieblichen Arbeitszeit Mehrarbeitszuschläge vorsehen156, um einen Anreiz für Verzicht auf Mehrarbeit zu setzen. Der Begriff der „Mehrarbeit“ ist dabei nicht im technischen Sinne zu verstehen, wenn man die teilweise vorgenommene begriffliche Unterscheidung zwischen „Mehrarbeit“ und „Überstunden“ berücksichtigt.157 Letzteres bezeichnet danach die Überschreitung der für den Arbeitnehmer tarifregelt werden kann. Z. T. ist geregelt, dass Zeitguthaben nicht als Mehrarbeit abzurechnen sind; vgl. Hamm, ebd., S. 322. 154 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 324; vgl. § 2 V MTV Chemie. 155 BAG v. 13.12.2000 AP Nr. 31 zu § 394 BGB; Anm. Eckert, DStR 2001, 363; Lenart, AuA 2002, 42. Es stelle einen Vorteil für den Arbeitnehmer dar, wenn er zunächst weniger Arbeitszeit erbringen müsse als die tariflich vorgesehene. Der Ausgleich durch spätere Arbeitszeitverlängerung stelle keine tarifwidrige Benachteiligung, sondern lediglich die Rückführung in den Regelzustand dar. Das negative Zeitguthaben sei der Sache nach ein Gehaltsvorschuss, der spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeglichen sein müsse. Voraussetzung für die Ermöglichung eines negativen Zeitkontos sei aber, dass die Arbeitnehmer selbst entscheiden können, ob ein negatives Guthaben entstehen soll und wie es auszugleichen ist (weil anderenfalls unter Umgehung des § 615 BGB eine Abwälzung des Wirtschaftsrisikos stattfinden würde). In diesem Fall bestehe gegenüber der tariflichen Regelung kein Nachteil. Könnte dagegen der Arbeitgeber diese Entscheidungen treffen, läge darin ein Verstoß gegen den Anspruch des Arbeitnehmers auf Einhaltung der tariflichen Wochenarbeitszeit unter Vergütung jeder geleisteten Arbeitsstunde. 156 Schaub, ArbRHdb, § 156 Rn. 29; vgl. auch §§ 5, 6 MTV Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW, abgedruckt in Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1347. 157 Dazu MünchArbR-Anzinger, § 218 Rn. 31 ff.; Kreft, Grundfragen, S. 185 f.

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lich oder arbeitsvertraglich festgelegten Normalarbeitszeit 158, von Mehrarbeit ist zu sprechen, wenn über die gesetzlich zulässige Arbeitzeit hinaus Arbeit zu erbringen ist.159 Diese Unterscheidung beruhte auf § 15 AZO, der einen unmittelbaren privatrechtlichen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung bei Überschreitung der gesetzlichen werktäglichen Höchstarbeitszeit160 enthielt. Da das ArbZG demgegenüber keine „Mehrarbeit“ in diesem Sinne mehr vorsieht, werden die Begriffe nunmehr vereinzelt für austauschbar gehalten.161 Aus Gründen der Klarheit macht es aber durchaus noch Sinn, die Überschreitung der gesetzlichen 8-Stunden-Grenze als „Mehrarbeit“ und die der geschuldeten Arbeitszeit als Überarbeit zu bezeichnen.162 Während „Mehrarbeit“ regelmäßig nach § 3 S. 2 ArbZG ausgleichspflichtig ist, kann „Überarbeit“ lediglich vergütungsrechtlich163 Bedeutung haben. In der Praxis wird diese begriffliche Trennung indes nicht sauber aufrechterhalten, was sich in der Terminologie einiger Tarifverträge widerspiegelt.164 Tarifliche Regelungen bestimmen jedenfalls, welche über die geschuldete Arbeitszeit hinausgehenden Stunden als Überstunden gewertet werden und sehen u. U. verschiedene Zuschläge dafür vor.165 Verbreitet wird die Zuschlagspflicht an die Überschreitung einer festgelegten Wochenarbeitszeit geknüpft. Teilweise fallen die Zuschläge auch im Rahmen der ungleichmäßigen Verteilung als Belastungsausgleich für längere Wochenarbeitszeiten 166 oder bestimmte prekäre Arbeitszeiten an, wenn diese angeordnet wurden.167 Diese Regelungen drohen aber umgangen zu werden bzw. ins Leere zu laufen, wenn der Arbeitgeber die 158 BAG v. 28.7.1981 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht I, § 33, VI 6, S. 210. 159 BAG AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; MünchArbR-Anzinger, § 218 Rn. 31 ff. 160 Die materiellrechtliche Vorschrift diente der Einschränkung der Mehrarbeit und insoweit dem Zweck des Arbeitsschutzes. Die finanzielle Belastung sollte den Arbeitgeber anhalten, nur notwendige Mehrarbeit ausführen zu lassen, zugleich sollte dem Arbeitnehmer ein Ausgleich für die mit der Mehrarbeit verbundene Belastung gewährt werden; vgl. Denecke/Neumann, AZO, § 15 Rn. 1. 161 Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 89. 162 So auch Kreft, Grundfragen, S. 185. 163 Auch arbeitsvertraglich kann Überstundenvergütung vereinbart werden; MünchArbR-Anzinger, § 218 Rn. 33. 164 Vgl. die Nachweise bei Gnade, FS Kehrmann, S. 227 (243 Fn. 66); die Formulierungen in Tarifverträgen bedürfen daher der Auslegung; vgl. LAG Berlin 22.1.1996 LAGE § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 24 S. 5; zur Entbehrlichkeit dieser Differenzierung auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 103; ders., AiB 2002, 412 (413). 165 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 112 f. 166 Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 138, s. etwa die Bsp. ebd. S. 44 f., 46, 47. 167 So z. B. im Arbeitszeitsystem der Deutschen Bank: tarifliche Nachtarbeitszuschläge werden nur bei angeordneter Arbeit nach 20.00 Uhr gezahlt, vgl. Helmich, AuA 2001, 123 (124).

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zuschlagspflichtigen Zeiten nicht selbst festlegt, sondern die Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Dispositionsfreiheit sich für sie entschieden haben.168 Bisweilen regeln sogar die Tarifverträge selbst, dass dieser Belastungsausgleich nicht gelten soll, wenn betriebliche Gleitzeitregelungen bestehen.169 Knüpft der Tarifvertrag Überarbeit an die Überschreitung der regelmäßigen bzw. durch Betriebsvereinbarung ungleichmäßig verteilten, d.h. geplanten oder betriebsüblichen Arbeitszeit170, so kann derartiges nicht identifiziert werden, wenn kein zeitlicher Rahmen zur Erbringung der Arbeitsleistung existiert, eine Planung mithin fehlt. Weil anderenfalls der Anspruch auf Überstundenzuschläge vereitelt würde, ist solchen Tarifverträgen ein Zwang zur Planung der betrieblichen Arbeitszeit zu entnehmen.171 Denn die ungleichmäßige Arbeitszeitverteilung durch Betriebsvereinbarung ist gleichzeitig Maßstab dafür, wann zusätzliche Stunden als zuschlagspflichtige Überarbeit zu werten sind.172 Dies macht neben der Planung auch die Zeiterfassung erforderlich. Beispielsweise lag in einem vom BAG173 entschiedenen Fall „Mehrarbeit“ nur dann vor, wenn die – durch Betriebsvereinbarung festzulegende – individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit auf Anordnung überschritten wird. Dabei konnte nach dem Tarifvertrag auch eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit durch die Betriebspartner erfolgen. In diesem Fall ist die durch Betriebsvereinbarung festgelegte jeweilige tägliche Sollarbeitszeit die individuelle regelmäßige Arbeitszeit (IRTAZ). Nur wenn die so festgesetzte tägliche Arbeitszeit auf Anordnung überschritten würde, handele es sich um „Mehrarbeit“ i. S. d. Tarifvertrags.174 Eine solche Vorschrift unterscheidet also zwischen einfachen Plusstundensalden, die durch die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit entstanden und innerhalb des tarifvertraglich festgelegten Ausgleichszeitraums abzubauen sind, und tariflichen „Mehrarbeits“-stunden, die durch angeordnete Überschreitung des betrieblich festgelegten Arbeitszeitrahmens entstehen.175 Da 168 Hamm, AiB 2000, 151 (156); vgl. auch Schlachter in: Hoeren/Spindler/u. a., Unternehmensrecht und Internet, S. 199 (214 m. N.). 169 Süßwarenindustrie West, s. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 49. 170 Vgl. z. B. § 3 I MTV Chemie. 171 Hamm, AiB 2000, 152 (156). 172 So Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 325. 173 BAG v. 25.10.2000 AP Nr. 174 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie = BAGE 96, 189 ff. 174 Im Gegensatz zu dieser Auffassung hatte das ArbG Flensburg v. 20.8.1998 (NZA-RR 1999, 151 = AiB 1999, 297 [298] mit zust. Anm. v. Schoof) in erster Instanz noch angenommen, dass die Regelungen in der Betriebsvereinbarung die tarifliche Zuschlagspflicht nicht beseitigen könnten, weil die flexible Festlegung der Arbeitszeit je nach Arbeitsbedarf mit dreitägiger Ankündigungsfrist gerade nicht zu einer „Regelmäßigkeit“ führe, sondern von Tag zu Tag verschieden sei. 175 Vgl. BAG AP Nr. 174 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie = E 96, 189 (197), Durch die Flexibilisierung der Menge der täglichen Arbeitszeit werde gerade ermöglicht, dass gemessen am Durchschnitt der Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum

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dieser Unterschied ohne betriebliche Zeitplanung und Arbeitszeiterfassung nicht transparent gemacht werden kann, steht eine solche tarifliche Regelung176 nicht nur langfristigen Gleitzeitregelungen mit individuellen Gleitzeitkonten entgegen, die es den Beschäftigten überlässt, auf welche Weise sie die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit erreichen177, sondern auch der Vertrauensarbeit. VII. Zusammenfassung und Zwischenergebnis Ungeachtet ihrer inzwischen überwiegend weiten Flexibilisierungsspielräume bestehen eine Reihe tarifvertraglicher Vorschriften, die der Einführung von Vertrauensarbeitszeit Grenzen setzen können, weil sie den Abschluss einer – ggf. nur freiwilligen – Betriebsvereinbarung verlangen und bestimmte Anforderungen an die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit stellen. Tarifliche Mehrarbeitsregelungen enthalten i. d. R. einen Zwang zur Planung und Erfassung der Arbeitszeit; tägliche Mindest- und Höchstarbeitszeiten, Kernarbeitszeiten, Ausgleichszeiträume und Vorschriften über den Zeitausgleich können ebenso zu beachten sein wie eine ggf. tarifvertraglich geforderte Arbeitszeitkontenführung durch den Arbeitgeber.

E. Abweichungen vom Tarifvertrag durch Betriebsvereinbarung Die bisher behandelten Gestaltungsmöglichkeiten und -vorschläge zur tariflichen Flankierung der Arbeitszeitflexibilisierung setzen voraus, dass die Betriebsparteien bei der Arbeitszeitgestaltung an tarifliche Vorgaben (rechtlich und tatsächlich) gebunden sind.178 Der Betrieb ist aber das „Terrain, auf dem Konflikte um die Durchsetzung, Behinderung oder Gestaltung unterschiedlicher Flexibilisierungskonzepte vorzugsweise ausgefochten werden“.179 Die Bereitschaft der Betriebsräte, von Tarifverträgen abzuweichen, hängt u. a. davon ab, inwieweit sie sich mit den Betriebszielen und der Geschäftsleitung identifizieren.180 Kooperative und harmonisierende Interaktionsmuster181 zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung können in Fällen, in denen die Beleglängere oder kürzere Tagesarbeitszeiten entstehen können, bei denen es sich weder um Mehrarbeit handelt noch der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät. Vgl. auch Erl. zu § 2 V MTV Chemie: „Zeitguthaben sind keine Mehrarbeit.“ 176 . . . nach der Mehrarbeit die Arbeitszeit ist, die über die regelmäßige bzw. durch Betriebsvereinbarung ungleichmäßig verteilte Arbeitszeit hinausgeht. 177 So Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 325. 178 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 283, 284 f.; T. Mayer, DB 1996, 1777 (1778). 179 Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 41. 180 Vgl. Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 213; Schlachter, ZIAS 1997, 101 (107).

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schaft selbst aus Überzeugung oder Ehrgeiz wenig Interesse an der strikten Einhaltung tariflicher Schutzvorschriften bzgl. der Arbeitszeit kundtut, sich hier als nachteilig erweisen, weil sie es begünstigen, dass auf diesem Gebiet tarifliche Vorgaben in der Praxis immer mehr aufgeweicht, Ausgleichszeiträume ausgeweitet oder überhaupt nicht mehr festgelegt und Saldoobergrenzen erhöht werden.182 Im Folgenden ist daher darauf einzugehen, inwiefern von den vorgestellten tariflichen Regelung überhaupt abgewichen werden dürfte. Ob tarifliche Regelungen die möglichen Auswüchse flexibler Arbeitszeitmodelle verhindern können, hängt überdies davon ab, wie die tariflichen Normen durchzusetzen sind. Zunächst ist aber auf das Verhältnis zwischen tariflicher und betrieblicher Regelungsebene einzugehen. I. Abschließende Regelung i. S. d. § 87 I Eingangssatz (ES) BetrVG Abgesehen davon, dass sich der Vorrang des Tarifvertrags vor der Betriebsvereinbarung nach dem Unabdingbarkeitsprinzip schon aus dem Vorrang der stärkeren vor der schwächeren Rechtsquelle ergibt183, werden die Spielräume für mitbestimmte betriebliche Regelungen explizit durch § 87 I ES BetrVG begrenzt. Wann eine abschließende tarifliche Regelung i. S. d. § 87 I ES BetrVG vorliegt, die eine Sperrwirkung gegenüber der Mitbestimmung des Betriebsrats auslöst, ist eine Frage der oft schwierigen Auslegung der Tarifnorm.184 Das Mitbestimmungsrecht ist ausgeschlossen, wenn die tarifliche Regelung abschließend, also so gestaltet ist, dass sie nicht durch eine betriebliche Regelung ergänzt werden muss oder kann. Entscheidend ist, ob dem Arbeitgeber noch einseitige Regelungsmöglichkeiten verbleiben185 bzw. ob nach dem gemeinsamen Willen der Tarifvertragsparteien die Angelegenheit inhaltlich durch den Tarifvertrag vollständig erfasst ist.186 Gefordert wird eine die sachliche Substanz selbst regelnde Norm; eine hierdurch gewährte nur rechtliche Gestaltungsmög181 Nach den von Trinczek/Schmidt in: Aichholzer/Schienstock, Arbeitsbeziehungen im technischen Wandel, S. 135 ff. (138 f.) entwickelten drei Interaktionsmustern auf betrieblicher Ebene sind zu unterscheiden das harmonisierende, das konfliktorische und das kooperierende Interaktionsmuster. Allein bei dem konfliktorischen Muster ist der Interessengegensatz handlungsbestimmend. Bei den beiden anderen Formen legt der Betriebsrat seinem Handeln weitgehend den Betriebszweck zugrunde, was indessen bis zum Handlungsverzicht führen kann; vgl. zum Betriebsrat als Co-Manager auch die Ausführungen und Nachweise in Kapitel 2, § 2. C. II. 3. a). 182 Vgl. ausf. Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 215 ff. 183 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 37. 184 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 70. 185 BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 161 m. N. 186 BAG v. 18.4.1989, 4.7.1989 AP Nr. 18, 20 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang.

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lichkeit reicht nicht aus.187 Unzureichend sind somit etwa Richtlinien oder ergänzungsbedürftige Rahmenvorschriften.188 Es besteht keine tatsächliche Vermutung für eine abschließende Regelung der Tarifpartner189, vielmehr ist die Neigung des BAG zu konstatieren, das Erfordernis der „abschließenden tariflichen Regelung“ zu Gunsten betrieblicher Regelungsspielräume eng auszulegen.190 Für die Annahme der Sperrwirkung ist zumindest erforderlich191, dass die Tarifnorm einigermaßen vollständige und aus sich heraus praktisch zu handhabende Regelungen enthält.192 Diese Voraussetzung ist allerdings oft nicht erfüllt: wie gezeigt, beschränken sich die Tarifverträge bzgl. der Lage und Verteilung der Arbeitszeit vielfach auf die Setzung von Rahmenvorschriften, häufig wird auch ausdrücklich das Einverständnis mit der Ausfüllung durch Betriebsvereinbarung erklärt. Der Wille der Tarifvertragsparteien, Raum für ergänzende Regelungen zu lassen, muss im Tarifvertrag zwar nicht ausdrücklich, aber eindeutig erklärt sein.193 Besteht keine tarifliche Regelung, bleibt die notwendige Mitbestimmung unberührt und es bedarf dafür im Gegensatz zu § 77 III BetrVG keiner ausdrücklichen Zulassung.194 Ob eine Materie durch Tarifvertrag geregelt ist, kann besonders schwierig festzustellen sein, wenn der Tarifvertrag selbst keine positive Sachregelung enthält. Dann ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen schlichter Nichtregelung und einer Negativregelung, mit der die fragliche Arbeitsbedingung ausgeschlossen werden soll.195 Für den Bereich der Mitbestimmungsrechte folgt aber aus deren sozialem Schutzzweck, dass weder eine Nichtregelung noch die Negativregelung Sperrwirkung für die Betriebsparteien erzeugen, da beide i. d. R. keine inhaltliche Sachregelung enthalten.196 Ist der Wortlaut insoweit unergiebig, soll es darauf ankommen, ob die Tarifparteien einen Gesamtzusammenhang, d.h. ein bestimmtes Gebiet, abschließend und detailliert regeln wollten und geregelt haben.197 Tarifpolitisch 187

GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 72. Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 28 c; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 74; BAG v. 3.4.1979 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972. 189 Galperin/Löwisch, BetrVG, § 87 Rn. 48; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 162; GKWiese, BetrVG, § 87 Rn. 70. 190 Vgl. Zachert, RdA 1996, 140 (145). Entgegen BAG v. 4.8.1981 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang soll eine tarifliche Regelung nicht schon dann Sperrwirkung entfalten, wenn nicht auf den ersten Blick („nicht ohne weiteres“) erkennbar ist, dass sie nur unvollständig gemeint ist. 191 Krit. gegenüber einer weiten Auslegung etwa GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 73. 192 Vgl. stellv. Wank in: Wiedemann; TVG, § 4 Rn. 603; BAG v. 4.8.1981, 4.7.1989 AP Nr. 1, 20 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang. 193 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 38. 194 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 82. 195 GK-Kreutz, BetrVG, § 77 Rn. 107; MünchArbR-Löwisch/Rieble § 270 Rn. 5. 196 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 16; BAG v. 22.1.1980 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 197 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 270 Rn. 5; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 70 f. 188

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

kann aber gerade die Offenheit tariflicher Vorschriften zu Gunsten betrieblich mitbestimmter Arbeitszeitregelungen gewollt sein, weil sie als notwendig erkannt wird, um die unterschiedlichen betrieblichen Bedingungen in unterschiedlichen Sparten und Strukturen erfassen zu können: im Tarifbereich der chemischen Industrie „reichen die Diskussionen [. . .] (demzufolge) von Modellen der Vertrauensarbeitszeit bis zu Fünf-Schicht-Systemen [. . .].198 Bei der Annahme konkludenter Verbote ist deshalb Zurückhaltung geboten, weil eine negative Regelung im Tarifvertrag ausdrücklich normiert werden kann.199 Ist beispielsweise festgelegt, dass die regelmäßige Arbeitszeit auf die Tage Montag bis Freitag zu verteilen ist, könnte sich hieraus zwar ein grundsätzliches Verbot von Wochenendarbeit ergeben; zwingend ist dies aber nicht: Die Festlegung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit auf diese Tage kann auch nur der „Umschreibung der zuschussfreien Arbeitszeiten“ dienen200. Auch ist von einer solchen Regelung nicht notwendig auf das Verbot einer Arbeitszeitgestaltung zu schließen, bei der im Rahmen von Zeitsouveränität auf eine tägliche Mindestanwesenheitszeit der einzelnen Arbeitnehmer verzichtet wird. Eine pauschale Aussage im Hinblick auf die normative Reichweite der denkbaren tariflichen Arbeitszeitbestimmungen lässt sich freilich nicht treffen. Gilt aber etwa nach einem Tarifvertrag die gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage Montag bis Freitag, steht dies grundsätzlich einer auf § 87 I Nr. 2 BetrVG gestützten Gleitzeitregelung entgegen, soweit der Tarifvertrag hiervon abweichende Betriebsvereinbarungen nicht ausdrücklich zulässt.201 Dies gilt wiederum erst recht für Vertrauensarbeitszeitregelungen. Liegt nach den genannten Grundsätzen eine abschließende tarifliche Regelung vor, so können dennoch betriebliche Regelungen unter den nachfolgend zu erörternden Voraussetzungen zulässig sein. II. Nach dem Tarifvertrag zulässige Abweichungen Gem. § 4 III Alt. 1 TVG können Tarifvertragsparteien durch Öffnungsklauseln die Abweichung von Tarifnormen gestatten. Dadurch entfällt die zwingende Wirkung des Tarifvertrags und der Tarifvorrang des § 87 I ES BetrVG wird beseitigt.202 Unter Zugrundelegung der Vorrangtheorie haben die Betriebs198

Bischoff, EuroAS 2003, 2 (5). MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 270 Rn. 5. 200 Schliemann, ArbR im BGB, § 611 Rn. 647. 201 Kort, NZA 2001, 477 (478) zum Sonderfall, dass der Tarifvertrag nur freiwillige Betriebsvereinbarungen zulässt vgl. auch T. Mayer, DB 1996, 1777 (1778), der den Ausschluss der Einigungsstelle in einer nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit für gesetzwidrig hält. Dem ist nicht zuzustimmen, weil mit der beschränkten Öffnungsklausel nicht die Kompetenz zur erzwingbaren Mitbestimmung an den Betriebsrat zurückfällt, vgl. Kort, a. a. O. 199

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parteien auch die Schranke des § 77 III BetrVG nicht zu beachten, sofern der Regelungsgegenstand eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit gem. § 87 I BetrVG ist.203 Ob der Tarifvertrag eine Abweichung gestattet, weil er eine Öffnungsklausel enthält, oder ob es sich um bloße Empfehlungen ohne Normcharakter handelt, muss durch Auslegung ermittelt werden. Problematisch sind insbesondere „Sollvorschriften“. Ihnen wird grundsätzlich ebenso wie Muss-Vorschriften unmittelbare und anspruchsbegründende Wirkung zugeschrieben, wobei Abweichungen zulässig sind, wenn dafür ein Sachgrund besteht.204 Überwiegend wird in Anlehnung an die in der gesamten Rechtsordnung geltenden Grundsätze der Unterschied zwischen Muss- und Sollvorschriften darin gesehen, dass Verstöße gegen Mussvorschriften i. d. R. zur Unwirksamkeit führen, während das bei Sollvorschriften nicht ohne weiteres der Fall sei.205 Sollvorschriften gelten bei hinreichender Bestimmtheit unmittelbar und begründen Friedens- und Durchführungspflichten, lassen aber i. S. d. § 4 III TVG abweichende Abreden zu.206 Löwisch/Rieble weisen darauf hin, dass Sollvorschriften andererseits auch bloße Appellfunktion haben können, so dass ihnen von vornherein keine normative Wirkung zukomme.207 Der Sache nach werden dies aber Kann-Vorschriften oder bloße Empfehlungen sein, die überhaupt keine Ansprüche begründen.208 Um bloße Empfehlungen im Bereich der Dauer und Lage der Arbeitszeit handelt es sich etwa bei der Aufforderung, die Begrenzung von Mehrarbeit für Neueinstellungen zu nutzen.209 Teilweise wird vertreten, dass tarifliche Bestimmungen über die wöchentliche Regelarbeitszeit Zeitkontenmodellen nicht entgegenstehen, da es sich dabei nur um Auffangregelungen handele, die zur Anwendung kämen, sofern nichts anderes vereinbart sei.210 Dies gilt jedoch nur, sofern eine Öffnung für abweichende Regelungen enthalten ist. Überwiegend wird Regelungen zur Arbeitszeitlage normativer Charakter beigemessen,211 so dass es besonderer Anhaltspunkte bedürfte, wenn tarifliche Festlegungen nur Auffangregelungen darstellen sollten212. 202 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 53; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 810 ff. 203 Vgl. MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 29. 204 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 810; Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 10 Rn. 49; MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 271 Rn. 10; BAG v. 4.11.1970 AP Nr. 119 zu § 1 TVG Auslegung; LAG Düsseldorf v. 20.12.1977 EzA Nr. 41 zu § 4 TVG. 205 BAG AP Nr. 119 zu § 1 TVG. 206 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 810; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 379; krit. Deinert in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 557. 207 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 271 Rn. 10. 208 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 810. 209 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 278 Rn. 2. 210 Boemke/Föhr, Arbeitsformen der Zukunft, Rn. 125 m. w. N.; Boemke, NZA 1993, 532 (536 m. N.).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Öffnungsklauseln können von den Tarifvertragsparteien durch Festsetzung von Ober- und Untergrenzen als zwingendem Rahmen begrenzt werden,213 was beispielsweise bei Arbeitszeitkorridorregelungen praktiziert wird. III. Anwendung des Günstigkeitsprinzips zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung? Ergibt die Auslegung, dass eine abschließende normative Regelung vorliegt, stellt sich die Frage, ob die Zulässigkeit abweichender betrieblicher Regelungen mit der Begründung angenommen werden könnte, dass günstigere freiwillige Betriebsvereinbarungen über Regelungsgegenstände des § 87 I BetrVG zulässig sind.214 Bei lediglich günstigkeitsneutralen Regelungen soll es dagegen darauf ankommen, ob der Tarifvertrag eine abschließende Regelung aufstellt.215 Folgt man der Ansicht, dass die Lage der Arbeitszeit als formelle Arbeitsbedingung günstigkeitsneutral ist,216 erübrigt sich sogleich die Frage nach dem Günstigkeitsvergleich. Doch wird bereits der dogmatische Ausgangspunkt von einer starken Gegenauffassung217 bezweifelt. Daher soll im Folgenden auf die Möglichkeit eingegangen werden, durch Betriebsvereinbarungen vom Tarifvertrag abweichende Arbeitszeitmodelle einzuführen. Ausgangspunkt ist die verbreitete Annahme, dass bei Bestehen einer abschließenden tariflichen Regelung gem. § 87 I ES BetrVG nur die erzwingbare Mitbestimmung entfällt, während freiwillige Betriebsvereinbarungen über die in § 87 I BetrVG aufgeführten Gegenstände grundsätzlich möglich bleiben sollen.218 § 87 I ES BetrVG sperrt danach nur das Mitbestimmungsrecht, nicht die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien.219 Der Zulässigkeit einer günstigeren Betriebsvereinbarung würde es aber entgegenstehen, wenn nach Wegfall der 211

s. oben A. Vgl. insoweit etwa § 2 I Nr. 1 MTV Chemie. 213 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 271 Rn. 13; vgl. auch T. Mayer, DB 1996, 1777 ff. 214 Vgl. etwa Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 169 ff.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 65 ff. 215 So GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 66. 216 Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, S. 41 (55), mit der Begründung, dass die Tarifnorm nur zurücktrete, wenn die abweichende Abmachung günstiger ist, nicht schon, wenn sie nicht ungünstiger ist; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 609; Richardi, Kollektivgewalt, S. 385. 217 Gast, BB 1987, 1249 (1252) bezeichnet die Auffassung, dass formelle Arbeitsbedingungen „günstigkeitsneutral“ seien als „irrig“. 218 So wohl h. M. – ErfK-Kania, BetrVG § 77 Rn. 53; Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 18 Rn. 86, MünchArbR-Matthes, § 332 Rn. 21 ff; § 327 Rn. 72; Richardi, BetrVG, § 87 Nr. 169; § 77 Rn. 250 f.; a. A. aber Säcker, BB 1979, 1201 (1202) m. N. 219 Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 231. 212

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Schranke des § 87 I ES BetrVG der Tarifvorbehalt des § 77 III BetrVG zu beachten wäre.220 Das Eingreifen des Tarifvorbehaltes des § 77 III BetrVG ergibt sich denknotwendig221 bereits bei Anwendung der Zweischrankenlehre.222 Aber selbst wenn im Grundsatz der Vorrangtheorie gefolgt wird, wird das Eingreifen der Schranke des § 77 III BetrVG überwiegend befürwortet223 mit der Folge, dass kein praktischer Anwendungsbereich für günstigere freiwillige Betriebsvereinbarungen mehr verbleiben dürfte.224 Von einigen Autoren wird aber statt des § 77 III BetrVG die Anwendung des Günstigkeitsprinzips befürwortet.225 Deshalb könnten nach dieser Auffassung z. B. über Lage und Verteilung der Arbeitszeit wirksam Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, und zwar nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist, sondern auch, wenn die vom Tarifvertrag abweichenden betrieblichen Arbeitszeitregelungen günstiger seien.226 Begründet wird das mit der größeren Sachnähe der Betriebspartner, insbesondere dem Subsidiaritätsprinzip227 und der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Betriebsautonomie.228 220

So etwa GK-Kreutz, BetrVG, § 77 Rn. 128, 133. Jedenfalls sofern man den Vorbehalt des § 77 III BetrVG nicht auf materielle Arbeitsbedingungen beschränkt. 222 Vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 77 Rn. 118, m. N.; gegen ein spezifisches „Verhältnis“ der Vorschriften § 87 I ES und § 77 III BetrVG und für eine strikte Trennung der Vorschriften s. Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 220 f. 223 ErfK-Kania, BetrVG § 77 Rn. 53; Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 18 Rn. 86; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 30; MünchArbR-Matthes § 332 Rn. 21 ff; § 327 Rn. 72; Richardi, BetrVG, § 87 Nr. 169; § 77 Rn. 250 f.; nicht ganz eindeutig insoweit LAG Baden-Württemberg v. 13.1.1999 AuR 1999, 156 (157) – dabei wird der Anwendungsbereich des § 77 III BetrVG freilich nicht mehr auf materielle Arbeitsbedingungen beschränkt. 224 Vgl. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 30. 225 Gast, Anm. zu BAG v. 24.2.1987 BB 1987, 1246 ff.; 1249 (1252); Wiese, FS 25 Jahre BAG, S. 661 (670), der diese Auffassung, die auf der Trennung zwischen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen beruhte, aufgegeben hat, vgl. § 87 Rn. 66 a. E.; Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 234 f.; T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 96 ff; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip, S. 122 f.; Blomeyer, NZA 1996, 337 (345); Ehmann, ZRP 1996, 314 (316); Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (348); Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (198 ff.); Müller AuR 1992, 257 (261); Sodan, JZ 1998, 421 (429). 226 So explizit Lambrich, AuA 2001, 350 (352); i. Erg. auch Reuter, RdA 1991, 193 (202). 227 Ehmann, ZRP 1996, 314 (318 f.); Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (352 f.), die zusätzlich mit dem Spezialitätsprinzip argumentieren. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 77 III BetrVG müsse dessen Anwendungsbereich auf das Verhältnis Betriebsvereinbarung/Firmentarifvertrag beschränken; Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (195); Hablitzel, NZA 2001, 467 (470 f.); Müller, AuR 1992, 257 (261); Ivo Natzel, ZfA 2003, 103 ff. (136); Sodan, JZ 1998, 421 (426 f.); krit. Beathalter, Einseitige Gestaltungsmöglichkeiten, S. 405. 228 Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (349 f.); Müller, AuR 1992, 257 (261), der den Konflikt zwischen Tarif- und Betriebsautonomie deswegen auch dadurch beheben 221

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Das Günstigkeitsprinzip diene der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Tarif- und Betriebsautonomie.229 Da die Betriebsautonomie nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden dürfe, müsse eine verfassungskonforme Reduktion des § 77 III BetrVG erfolgen, sofern die Betriebsvereinbarungen günstigere Regelungen enthielten.230 Es wird darauf hingewiesen, dass die Sperrwirkung des § 87 I ES BetrVG nur eintrete, wenn die gesetzliche oder tarifliche Regelung zwingend ist. Tarifverträge seien aber gem. § 4 III TVG nur „halbzwingend“, weil abweichende günstigere Regelungen gültig blieben. Da § 87 I ES BetrVG in erster Linie dem Arbeitnehmerschutz und weniger dem Schutz der Tarifautonomie diene, seien im Bereich mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten günstigere freiwillige Betriebsvereinbarungen zulässig.231 Im Übrigen bedürfe das Günstigkeitsprinzip als ein das gesamte kollektive Arbeitsrecht strukturierender, verfassungsrechtlich garantierter Grundsatz keiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung.232 Die Auffassung ist mit Blick auf das geltende Recht abzulehnen. Ob dies schon daraus folgt, dass das Günstigkeitsprinzip nicht das Aufeinandertreffen zweier kollektivrechtlicher Regelungen betrifft, sondern nur für das Verhältnis zwischen Privatautonomie und Kollektivmacht gelte233, sei dahingestellt. Entscheidend ist, dass § 77 III BetrVG nach Wortlaut234, Entstehungsgeschichte will, dass die Tarifpartner im Bereich der Mitbestimmungsrechte den Betriebspartnern genügend Spielraum lassen sollten, z. B. durch Beschränkung auf tarifliche Regelungen mit Richtliniencharakter, die auf Betriebsebene zu konkretisieren seien, ähnl. Sodan, JZ 1998, 421 (426, 427 f., 429), der in § 77 III BetrVG die Verpflichtung der Tarifparteien erblickt, in jedem Tarifvertrag die Zulassung von Betriebsvereinbarungen vorzusehen. 229 Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (354); ähnl. Blomeyer, NZA 1996, 337 (344 f.). 230 Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 234 f.; Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (353); Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (199); Sodan, JZ 1998, 421 (429); zust. Hablitzel, NZA 2001, 467 (470 f.); weitergehend Reuter, RdA 1991, 193 (199 f.), der § 77 III BetrVG wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot für verfassungswidrig hält. 231 T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 103 f.; Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (198); zust. Lettl, DStR 1997, 1249 (1252). 232 T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 98; Ehmann/Schmidt, NZA 1995 (198, 200); vgl. auch Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (348 f.). Teilweise wird daher auch für die Zulässigkeit günstigerer freiwilliger Betriebsvereinbarungen über Gegenstände des § 87 I BetrVG vorgebracht, dass der auf das vertragliche Synallagma zugeschnittene § 4 III TVG auf das Verhältnis zweier kollektiver Regelungen nicht anwendbar sei; vgl. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 234. Das bedarf aber letztlich keiner Entscheidung, weil § 4 III TVG nach seinem Wortlaut das Günstigkeitsprinzip nicht auf einzelvertragliche Vereinbarungen beschränkt, sondern in der Formulierung „andere Abmachungen“ auch Betriebsvereinbarungen einschließt; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 621; Müller, AuR 1992, 257 (261) m. Verweis auf BAG v. 26.4.1961 AP Nr. 5 zu § 4 TVG Effektivklausel; weitere Nachweise bei T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 97 (Fn. 95). 233 So Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 558.

§ 1 Regelungen zur Arbeitszeit

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sowie Sinn und Zweck der Anwendung des Günstigkeitsprinzips entgegensteht.235 Obwohl auch Betriebsvereinbarungen als „abweichende Abmachungen“ i. S. d. § 4 III TVG verstanden werden können und das Günstigkeitsprinzip daher zunächst hier angewandt wurde,236 wird heute überwiegend vertreten, dass die neuere Vorschrift des § 77 III BetrVG als speziellere Norm § 4 III TVG vorgeht.237 § 77 III BetrVG betrifft die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung, während sich § 4 III TVG auf das Verhältnis zweier kollidierender Normen bezieht. Deshalb stellt sich in der Prüfungsreihenfolge zunächst die Frage nach der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung, ehe es darum geht, ob sie überhaupt eine günstigere „andere Abmachung“ i. S. d. § 4 III TVG darstellen kann.238 Dass der Gesetzgeber des BetrVG 1952 eine dem § 4 III TVG entsprechenden Formulierung in das BetrVG nicht aufgenommen hat, obwohl ihm das Günstigkeitsprinzip bekannt war, lässt zusätzlich darauf schließen, dass dessen Anwendung nicht gewollt war.239 § 77 III BetrVG dient dem Schutz der Tarifautonomie und der Tarifparteien vor der Konkurrenz der Betriebsparteien.240 Abweichende Auslegungen der Vorschriften über das Verhältnis der beiden Regelungsebenen sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, gegen den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung zu verstoßen. Denn aus Art. 9 III GG ergibt sich, dass ungeachtet eines gesetzgeberischen Regelungsspielraums bei der Bestimmung des Verhältnisses von Tarifvertrag zu Betriebsvereinbarung der Vorrang der Koalitionen gewahrt werden muss.241 § 77 III BetrVG kommt im Interesse der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Tarifautonomie eine zuständigkeitsbegrenzende Funktion zu.242 Da die Norm Betriebsvereinbarungen be-

234 Vgl. Beathalter, Einseitige Gestaltungsmöglichkeiten, S. 405, nach dem ein Regelungsverbot kaum eindeutiger als in dieser Norm formuliert sein könne; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 559, der dies systematisch mit einem Umkehrschluss begründet; a. A. Ehmann/Lambrich, NZA 1996, 346 (355); Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (199), die den Wortlaut für unergiebig halten. 235 s. auch Kreft, Grundfragen, S. 295 f. 236 Dietz, RdA 1949, 162 (164); Hueck, NzfA 1923, 87 (96). 237 F/K/H/E/S, BetrVG, § 77 Rn. 67; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 419 m. w. N.; in diesem Sinn auch Heinze, NZA 1995, 5 (6) sowie Schlachter, RdA 1993, 313, (314); Wank, NJW 1996, 2273 (2275); nach a. A. ist § 4 III TVG auf das Verhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung nicht anwendbar, Ehmann/ Lambrich, NZA 1996, 346 (347); Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (199). 238 Beathalter, Einseitige Gestaltungsmöglichkeiten, S. 406; ähnl. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 236. 239 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 559. 240 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 559; Schlachter, ZIAS 1997, 101 (114); BAG v. 22.5.1979 AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972. 241 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 547; vgl. auch Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 95 f.; Kittner, FS Schaub, S. 389 (407). 242 F/K/H/E/S, BetrVG, § 77 Rn. 67; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 77 Rn. 127 ff.; BAG v. 24.2.1987 AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 = NZA 1987, 639 (640).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

reits bei Tarifüblichkeit ausschließt, ist es nicht verständlich und würde ihren Schutzzweck konterkarieren, bei bestehendem Tarifvertrag auf dem Gebiet des § 87 I BetrVG „andere Abmachungen“ i. S. d. § 4 III TVG zuzulassen. Denn die Beschränkung des Tarifvorbehalts in § 87 I BetrVG auf im Betrieb geltende abschließende und zwingende Regelungen soll die Entstehung von Schutzlücken für Arbeitnehmer vermeiden, nicht aber den Vorrang der Tarifpartner außer Kraft setzen.243 Verhindert werden soll, dass die Mitbestimmungsrechte bei bloßer Tarifüblichkeit einer Regelung keine Anwendung finden.244 Dass gemeinsamer Zweck der §§ 87 I ES, 77 III BetrVG ist, ein Unterlaufen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Gestaltungsaufgabe der Tarifparteien durch konkurrierende betriebliche Vereinbarungen zu verhindern,245 wird in Formulierungen der Rechtsprechung deutlich, wonach § 87 I ES BetrVG die Tarifautonomie nur insoweit schütze, wie durch den Tarifvertrag gleichzeitig der Normzweck des § 87 I BetrVG (Ablösung des einseitigen Bestimmungsrechts des Arbeitgebers) erfüllt wird, oder der Tarifvorrang des § 87 I ES BetrVG sich „nicht in erster Linie aus der Tarifautonomie“ erkläre.246 Kann aber keine Schutzlücke entstehen, weil ein Tarifvertrag die Angelegenheit regelt, verbietet § 77 III BetrVG jede abweichende Betriebsvereinbarung. Allzu vordergründig erscheint die Äußerung, dass der Schutz der Tarifautonomie seit „dem Wegfall der Bedrohung der Gewerkschaften durch die Betriebsrätebewegung“ nicht mehr zu rechtfertigen sei247. Denn der Vorrang der Tarifautonomie dient zum einen auch dem Betriebsfrieden und der Kooperationsbereitschaft der Betriebsparteien.248 Zum anderen kommt gerade in Bezug auf die Regelung der Arbeitszeitlage und variabler Arbeitszeitmodelle dem empirischen Befund Bedeutung zu, dass vom Tarifvertrag abweichende Betriebsvereinbarungen präjudizielle Wirkung auf andere Betriebe und letztlich die Tarifverträge haben.249 Dieser v. a. von Großbetrieben ausgehende Angleichungsdruck besteht z. B. hinsichtlich einer Ausweitung von Ausgleichszeiträumen und ist ein sich selbst verstärkender Prozess mit Breitenwirkung auf weitere Betriebe, die diesem Druck nicht standhalten können.250 Teilweise führt die Vielfalt unterschiedlicher betrieblicher Regelungen dazu, dass die Tarifpartner von 243 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 239; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 30; vgl. auch Richardi, 61. DJT, GA B 48. 244 Vgl. BAG AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 = NZA 1987, 639 (640, 641). 245 Vgl. Kissel, NZA 1995, 1 (5); Zachert, RdA 1996, 140 (144); ähnl. Wank, RdA 1991, 129 (137). 246 BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang. 247 So Ehmann/Schmidt, NZA 1995, 193 (200). 248 Vgl. Schlachter, RdA 1993, 313 (314). 249 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 259 ff., 275. 250 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 267 f.

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einer Regelung ganz absehen, was zum Verlust der gerade für kleinere Betriebe wichtigen Schutzfunktion bzw. Rückzugsmöglichkeit des Tarifvertrags führt.251 Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie ist nach wie vor verteidigungswürdig, da die Betriebsautonomie ihr nicht gleichwertig ist. Aufgrund der Abhängigkeit der Betriebsratsmitglieder vom Arbeitgeber, der v. a. aus §§ 2 und 74 II BetrVG folgenden geringeren Durchsetzungsfähigkeit des Betriebsrats252, mithin des „Machtungleichgewichts“ auf Betriebsebene, haben betriebliche Regelungen nur geringere Richtigkeitsgewähr als ein Tarifvertrag.253 Somit besteht auf dem Gebiet der Arbeitszeitregelungen die Gefahr, dass der Betriebsrat einer vom Tarifvertrag abweichenden Regelung zustimmt, deren mögliche Fehlverläufe er nicht abschätzen kann. Zudem würde die Subjektivierung des Günstigkeitsvergleichs254 die Tarifautonomie dadurch gefährden, dass tarifpolitische Ziele auf Betriebsebene konterkariert werden könnten.255 Diese Gefahr besteht etwa, wenn Tarifverträge Mehrarbeit zu begrenzen suchen, indem sie grundsätzlich Freizeitausgleich vorsehen, auf betrieblicher Ebene aber ein Wahlrecht zwischen Freizeitausgleich und Vergütung eingeräumt wird.256 Inwiefern § 77 III BetrVG noch zeitgemäß ist, mag dahinstehen.257 Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Situation und unbeeindruckt von der wissenschaftlichen Diskussion258 bzw. rechtspolitischen Forderungen nach Einschränkung des Sperrvorrangs259 im Zuge der Reform des BetrVG260 weder Änderungen des § 4 TVG noch des § 77 III BetrVG vorgenommen. De lege lata ist mit der h. A. daran festzuhalten, dass § 77 III BetrVG der Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung entgegensteht. Ob Tarifnormen betriebsvereinbarungsdispositiv sind, richtet sich daher nach Maßgabe des Tarifvertrags.261 251

Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 268, 184 f. Wank, NJW 1996, 2273 (2276). 253 Vgl. ausf. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 101 ff. 254 Vgl. etwa Gast, BB 1987, 1249 (1252): Wo objektive Kriterien der Günstigkeit fehlten, sei das subjektive Moment maßgeblich. Günstiger im Verhältnis zur tariflichen Regelung sei, was der Betriebsrat aus eigener Initiative dahingehend definiere. Konzen, BB 1977, 1307 (1310). 255 Vgl. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 233 („Gefahr des Überspielens einer tarifvertraglichen Gestaltung nach dem Grundsatz der Günstigkeit“). 256 Höland/Reim/Brecht, AuA 2001, 358; dies. Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 98 ff., 106, mit besonderer Betonung der Ordnungsfunktion der Tarifverträge und dem Unmittelbarkeitsgrundsatz tariflicher Normgeltung. 257 Vgl. Kania, BB 2001, 1091 ff.; skeptisch gegenüber dem Nutzen einer Gesetzesänderung Schlachter, ZIAS 1997, 101 (114 f.). 258 Vgl. stellv. Annuß, NZA 2001, 367 (371); Buchner, NZA 2001, 633 (639); Richardi, 61. DJT, GA B 79 ff., B 48 f. 259 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 58; vgl. auch Kania, BB 2001, 1091 ff. 260 BetrVerf-ReformG vom 23.7.2001; BGBl. I S. 1852. 261 Richardi, 61. DJT, GA B 46. 252

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Vorschriften zur Arbeitszeitlage bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte normative Wirkung haben. Abweichungen von tariflichen Vorgaben durch Betriebsvereinbarung sind nur infolge von Öffnungsklauseln zulässig. Lässt der Tarifvertrag Abweichungen nur durch Betriebsvereinbarung zu, kann eine andere Arbeitszeitregelung nicht durch Regelungsabrede und Einzelarbeitsvertrag eingeführt werden. IV. Rechtsschutz der Gewerkschaften Die Effektivität der tariflichen Vorgaben hängt jedoch wesentlich davon ab, welche Rechtsschutzmöglichkeiten den Gewerkschaften gegen einvernehmliches tarifwidriges Handeln von Arbeitgeber und Betriebsrat zustehen262. § 23 III BetrVG sieht hierfür einen Unterlassungsanspruch vor. Die Gewerkschaft ist im Beschlussverfahren antragsbefugt, wenn eine Betriebsvereinbarung gegen § 77 III BetrVG verstößt, weil hierin ein Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung liegt. Ein Anspruch aus § 23 III BetrVG ist dagegen nicht begründbar, wenn der Inhalt einer Betriebsvereinbarung gegen Rahmenregelungen oder Regelungsvorgaben des Tarifvertrags und damit lediglich höherrangiges Recht bzw. § 87 I BetrVG verstößt.263 Soweit sich die Betriebspartner im Rahmen ihrer Zuständigkeit halten, ist keine Grundnorm des Betriebsverfassungsrechts verletzt. Folge der Verletzung der Tarifnorm ist lediglich die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung.264 Das BAG265 hat selbst Zweifel daran geäußert, ob die Trennlinie zwischen mitbestimmungspflichtigen und mitbestimmungsfreien Betriebsvereinbarungen zugleich die Grenze markiert, von der der Schutz der Koalitionsfreiheit und damit ein Abwehrrecht der Gewerkschaft abhängig sein kann, hatte diese Frage aber offen lassen können.266 Anerkannt ist nunmehr auch ein aus Art. 9 III GG, §§ 1004, 823 BGB hergeleiteter Unterlassungsanspruch gegen Abreden oder Maßnahmen, die zwar nicht die Entstehung oder den rechtlichen Bestand eines Tarifvertrags betreffen, 262

Vgl. ausf. Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 49 ff. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 729 ff.; vgl. Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 56 ff. m. w. N. 264 BAG v. 20.8.1991 AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, krit. u. a. Gamillscheg, AuR 1996, 354 (358). Hat eine tarifwidrige Betriebsvereinbarung, die in Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 2 BetrVG abgeschlossen wurde, zugleich Auswirkungen auf die Arbeitszeitdauer, ist – als Ausnahme zur Vorrangtheorie – neben der Schranke des § 87 I ES BetrVG zusätzlich § 77 III BetrVG als Schranke zu beachten, s. BAG v. 22.6.1993 AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972. 265 BAG v. 20.4.1999 AP Nr. 89 zu Art. 9 GG = NZA 1999, 887 (891). 266 Vgl. zur Differenzierung zwischen Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeitdauer einerseits und Lage der Arbeitszeit andererseits LAG Schleswig-Holstein, 28.1.1999, AiB 2000, 105 f. 263

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aber darauf gerichtet sind, dessen Wirkung zu vereiteln oder leer laufen zu lassen.267 Deshalb kann die tarifschließende Gewerkschaft im Beschlussverfahren Unterlassung des Abschlusses oder der Durchführung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen verlangen.268 Der Unterlassungsanspruch dient dem Schutz der Koalitionsfreiheit gegen Beeinträchtigungen durch Absprachen, die faktisch geeignet sind, aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten; so können etwa auch vertragliche Einheitsregelungen aufgrund von Regelungsabreden in diesem Sinne darauf gerichtet und dazu geeignet sein, die Tarifnorm über den gleichen Regelungsgegenstand als kollektive Ordnung zu verdrängen.269 Das BAG270 hat als Voraussetzung hierfür den bewussten Verstoß gegen die tarifliche Ordnung genannt.271 Zweifelhaft ist deshalb, ob eine im Betrieb praktizierte Vertrauensarbeitszeit, bei der lediglich die Einhaltung geltender Schutzvorschriften dem Arbeitnehmer übertragen wird, eine bewusste Beeinträchtigung der kollektiven Ordnung darstellt, denn immerhin bleibt die Chance einer Realisierung des Geltungsanspruchs des Tarifvertrags bestehen272. Da der Unterlassungsanspruch als reiner Abwehranspruch gegenüber einer konkurrierenden betrieblichen Ordnung konzipiert ist, lässt sich mit ihm jedenfalls nicht zwangsläufig die Anwendung des Tarifvertrags durchsetzen.273 Soll also wie bei der Vertrauensarbeitszeit betrieblich gerade nichts mehr geregelt werden, und die kollektive Ordnung des Tarifvertrags nicht durch eine betriebliche Ordnung verdrängt werden, so ist der Nutzen dieses Instrumentariums eher fraglich. Im Übrigen erwartet auch die Ansicht274, die die Klagemöglichkeit angesichts der Ineffektivität der sonstigen prozessualen Mittel begrüßt, nach empirischen Erkenntnissen keinen häufigen Einsatz dieses Rechts, um das Verhältnis zum Betriebsrat oder gewerkschaftsgebundenen Arbeitnehmern nicht zu gefährden.275 Unter den gleichen Voraussetzungen wie für den Unterlassungsanspruch aus § 23 III BetrVG kann die Gewerkschaft schließlich gem. § 23 I BetrVG Auflösung des Betriebsrats verlangen. Rechtsschutz gegen den Abschluss einer Betriebsvereinbarung unter Verstoß gegen § 77 III BetrVG bietet die Norm wegen des erforderlichen „groben Verstoßes“ allerdings dann nicht, wenn der Verstoß 267 268

BAG v. 20.4.1999 AP Nr. 89 zu Art. 9 GG. BAG v. 13.3.2001 AP Nr. 17 zu § 2 a ArbGG 1979; BAG AP Nr. 89 zu Art. 9

GG. 269

BAG AP Nr. 89 zu Art. 9 GG. BAG AP Nr. 89 zu Art. 9 GG. 271 Dazu Kocher, AuA 1999, 382 (384). 272 Vgl. Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 274. 273 Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 94. 274 Zu den Reaktionen der Literatur auf die Rspr. das BAG vgl. Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 91 f. 275 Höland/Reim/Brecht, AuA 2001, 358 (361); vgl. auch Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 400; Berg/Platow, DB 1999, 2362 (2364, 2368). 270

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

für Betriebsratsmitglieder als Nichtjuristen nur schwer zu erkennen ist.276 Da betriebliche Arbeitszeitregelungen im Rahmen des § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG grundsätzlich in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallen, dürfte § 23 BetrVG kein wirksames Mittel gegen die tarifwidrige Einführung von Vertrauensarbeitszeit enthalten. Im Übrigen werden die zur Verfügung stehenden gerichtlichen sowie außergerichtliche Verfahren zur tarifbezogenen betrieblichen Konfliktlösung äußerst selten genutzt.277 Denn abgesehen davon, dass einerseits Gewerkschaften oft tarifwidriges Vorgehen dulden, v. a. wenn dem Betriebsrat die Kontrolle und Durchsetzung der Regelung zugetraut wird278, wirken andererseits auch „Anpassungs- und Vermeidetechniken“ zwischen den Betriebsparteien im Alltag betrieblicher Interaktion rechtsstreithemmend: wenn der Betriebsrat an dem Tarifverstoß beteiligt war, ist nicht zu erwarten, dass er gegen seine eigene Regelung klagt; deshalb führen Abweichungen vom Flächentarifvertrag im Betrieb nur ausnahmsweise zu rechtlicher Klärung.279 Da Vertrauensarbeitszeit von den Betriebsparteien gerade in denjenigen Betrieben einvernehmlich eingeführt wird, in denen Management und Betriebsräte (als Co-Manager) besonders eng kooperieren, ist davon auszugehen, dass auch hierbei Tarifverstöße hingenommen werden280. Die rechtlichen Instrumente können folglich die Einhaltung von Tarifnormen gegenüber betrieblichen Flexibilisierungsbestrebungen nur unzureichend sicherstellen.

F. Individualvertragliche Abweichungen vom Tarifvertrag Die Schutzfunktion tariflicher Regelungen zur Begrenzung der Vertrauensarbeitszeit kann jedoch nicht nur durch abweichende Betriebsvereinbarungen unterlaufen werden; auch anderweitige einzelvertragliche Abmachungen können die Effektivität des Tarifvertrags beeinträchtigen. Einer wirkungsvollen Arbeitszeitbegrenzung kann zum einen schon die Tatsache fehlender formal-rechtlicher Tarifgebundenheit entgegenstehen, so dass viele Arbeitsverhältnisse schon gar nicht von den Tarifnormen erfasst werden. Insoweit ist problematisch, dass der Grad der Tarifbindung sowohl auf Arbeit276

BAG AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972. Höland/Reim/Brecht, AuA 2001, 358 (361). 278 Vgl. ausf. Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 215 ff. 279 Höland/Reim/Brecht, AuA 2001, 358 (361). 280 Vgl. Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeit, S. 211 f. nach deren Erkenntnis Abweichungen von tariflichen Arbeitszeitvorschriften gerade in solchen Großbetrieben vorkommen, in denen der Betriebsrat die Rolle eines Co-Managers eingenommen hat. 277

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nehmer- als auch auf Arbeitgeberseite stetig rückläufig ist.281 Die schwache gewerkschaftliche Repräsentanz ist v. a. in der Dienstleistungsbranche und in sonstigen – von Individualisierung geprägten – Bereichen mit geistigen Arbeitsinhalten zu verzeichnen282 und damit in denjenigen Betrieben, in denen Vertrauensarbeitszeit vorrangig in Betracht kommt. Zum anderen ist nun aber für den Fall bestehender Tarifbindung zu untersuchen, inwiefern durch individualvertragliche Vereinbarungen von tariflichen Regelungen zur Arbeitszeit abgewichen werden kann. Bei einzelvertraglicher Freigabe der Arbeitszeitverteilung und -lage scheint der Trend dahin zu gehen, aufgrund eines Wahlrechts dies als vom Günstigkeitsprinzip gedeckt anzusehen283 und eine „Renaissance des Einzelarbeitsvertrags“284 anzunehmen. Tarifliche Regelungen werden etwa nach Ansicht von Heinze aufgrund des Günstigkeitsprinzips verdrängt, wenn der Arbeitnehmer eine Wahlmöglichkeit zwischen tariflicher und arbeitsvertraglicher Arbeitszeitgestaltung hat und sich für Letztere entscheidet. Das individuelle Arbeitszeitmodell sei wirksam, weil für den Arbeitnehmer günstiger.285 So berichtet z. B. ein tarifgebundenes Medienunternehmen, dass einer zur besseren Reaktion auf Auslastungsschwankungen intendierten Jahresarbeitszeitregelung der Tarifvertrag entgegenstand, der die regelmäßige Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag vorschrieb und Wochenendeinsätze als zuschlagspflichtige Mehrarbeit definierte.286 Um die abweichende Jahresarbeitszeitregelung einführen zu können, wurde den Mitarbeitern unter Anwendung des Günstigkeitsprinzips die Wahl zwischen dem alten tarifkonformen und dem neuen, vom Tarifvertrag abweichenden Arbeitszeitmodell eröffnet.287 Allerdings wurde hier – wie bei Großbetrieben nicht selten – das Problem dadurch entschärft, dass die Tarifparteien später Öffnungsklauseln vereinbarten. 281 Vgl. Hans-Böckler-Stiftung, WSI-Tarifhandbuch 2003, S. 55 f.: von 1998–2001 sank nach Erhebungen des IAB die Tarifbindung der Beschäftigten im Westen von 76% auf 71%, im Osten von 63% auf 56%. Der Anteil der tarifgebundenen Betriebe sank in diesem Zeitraum um gut 5% im Westen auf 48% und im Osten auf 28%; vgl. zum Effektivitätsverlust der Verbände auch Schlachter, ZIAS 1997, 101 (106 f.). 282 Vgl. Hans-Böckler-Stiftung, WSI-Tarifhandbuch 2003, S. 55 f.; Schlachter, ZIAS 1997, 101 (106 f.). 283 Heinze, NZA 1997, 681 (682); T. Mayer, DB 1996, 1777 (1778). 284 Heinze, NZA 1997, 681 (684). 285 Heinze, NZA 1997, 681 (684); ders., Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309 (316). 286 Vgl. BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 540 f. 287 BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 540 (543: „Gemäß § 4 Abs. 3 TVG sowie § 77 Abs. 3 BetrVG konnte die neue Arbeitszeitregelung nicht in einer Betriebsvereinbarung, sondern musste alternativ auf dem Wege einzelvertraglicher Vereinbarungen eingeführt werden. [. . .] wandte dabei das Günstigkeitsprinzip an und folgte der herrschenden Meinung, wonach eine abweichend vom Tarifvertrag vereinbarte Regelung für den Mitarbeiter dann günstiger ist, wenn er die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen hat.“).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Im Folgenden ist zu klären, ob von tariflichen Vorgaben abweichende individualvertragliche Vereinbarungen zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit tatsächlich vom Günstigkeitsprinzip gedeckt sind. Dieses in § 4 III TVG verankerte Prinzip lässt Abweichungen von den unmittelbar und zwingend wirkenden Tarifnormen durch für den Arbeitnehmer günstigere Abreden zu. Auf seine umstrittene dogmatische Herleitung288 und verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 9 III GG289 braucht nicht erneut eingegangen zu werden. Fest steht, dass dem Arbeitnehmer Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich des Inhalts seines Arbeitsvertrages erhalten bleiben sollen, sofern hierdurch bessere Vertragsbedingungen und damit ein höheres Schutzniveau erreicht werden als durch die Unabdingbarkeit der Tarifnorm.290 I. Einordnung tariflicher Arbeitszeitregelungen in die Normkategorien des TVG Bevor die Frage beantwortet werden kann, ob von tariflichen Arbeitszeitnormen aufgrund des Günstigkeitsprinzips abgewichen werden kann, ist zu klären, welchem Normtyp tarifliche Arbeitszeitnormen zuzuordnen sein können. Denn davon wird es teilweise abhängig gemacht, ob das Günstigkeitsprinzip Anwendung finden kann. 1. Inhaltsnormen Tarifnormen zur Verteilung der Arbeitszeit gehören zunächst zu den klassischen Inhaltsnormen, also zu jenen, die den Inhalt der vom Tarifvertrag erfassten Arbeitsverhältnisse bestimmen.291 2. Betriebsnormen Ob die Lage der Arbeitszeit außerdem durch Betriebsnormen gem. §§ 1 I; 3 II TVG, die im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers für alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Tarifbindung gelten, geregelt werden kann, ist umstritten. Diese Frage ist hier von Bedeutung, weil wiederum streitig ist, ob § 4 III TVG Abweichungen gegenüber Betriebsnormen zulässt. 288 Z. B. als Ausdruck des arbeitsrechtlichen Schutzprinzips, Sozialstaatsgedankens Adomeit, FS Hilger/Stumpf, S. 1 (4) oder des Leistungsprinzips; vgl. im Einzelnen Schaub, ArbRHdb, § 204 Rn. 33 m. w. N. 289 Zu den unterschiedlichen Auffassungen etwa Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 389 m. w. N. 290 Vgl. etwa Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 20, 23. 291 Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 312; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 126.

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Betriebsnormen betreffen nach neuerer Definition der Rechtsprechung292 solche Regelungsgegenstände, die in der sozialen Wirklichkeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nur einheitlich geregelt werden können, wobei ihre Regelung im Individualvertrag zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinn unmöglich wäre, aber wegen evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden müsse, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich ist. Es geht dabei um Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebes (Betriebsmittel und Belegschaft) und die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Belegschaft als Kollektiv betreffen. Ob im Einzelfall alle Beschäftigten des Betriebs unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit von einer Tarifnorm erfasst werden sollen, ist durch Auslegung zu ermitteln.293 Rechtliche Gründe, die nur eine einheitliche Regelung erlauben, sind selten294 und auch hinsichtlich der Arbeitszeiten nicht auszumachen. Es stellt sich also die Frage, ob aus tatsächlichen Gründen die notwendige betriebseinheitliche Geltung von Arbeitszeitregelungen anzunehmen sein kann. In Rechtsprechung und Teilen der Literatur wird vertreten, dass es sich bei Arbeitszeitverteilungsregelungen auch um Betriebsnormen (§ 3 II TVG) handeln kann295 und dass tarifliche Normen zugleich Betriebs- und Inhaltsnormen sein können, wenn Letzte gleichzeitig betriebliche Fragen ordnen.296 Weil aber durch Betriebsnormen gem. §§ 3 II, 4 I 2 TVG die normative Wirkung tariflicher Regelungen auch auf nichttarifgebundene Arbeitnehmer erstreckt werden kann, wird indessen kontrovers beurteilt, wann eine betriebseinheitliche Geltung von Arbeitszeitnormen derart unerlässlich ist, dass sie eine Einbeziehung von Tarifaußenseitern rechtfertigt.297 Denn gegen eine solche Erweiterung der tariflichen Normsetzungsbefugnis werden verfassungsrechtliche Bedenken geltend

292 BAG v. 26.4.1990 AP Nr. 57 zu Art. 9 GG; v. 7.11.1995, 17.6.1997 AP Nr. 1, 2 zu § 3 TVG Betriebsnormen. 293 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 9. 294 Vgl. dazu MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 15. 295 So etwa Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 805; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 590; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 151 f. m. N.; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 581, 563; ders., Anm. zu BAG, v. 18.12.1997 AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969. 296 Vgl. etwa BAG v. 7.11.1995 AP Nr. 1 zu § 3 TVG = NZA 1996, 1214 ff.; Kempen/Zachert, TVG, § 1 Rn. 36; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 276 f. (sog. Doppelnormen mit individuellem und betriebsbezogenem Charakter); a. A. etwa Reuter, DZWiR 1995, 353 (354). 297 Vgl. insoweit etwa Buchner, FS Dieterich, S. 29 (38 ff., 41); Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 16: „im Zweifel sind alle tariflichen Arbeitszeitnormen als Inhaltsnormen, nicht aber als [. . .] betriebliche Normen i. S. v. § 3 II TVG anzusehen“; während dagegen Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 581 in Zweifelsfällen eher vom Vorliegen einer Betriebsnorm ausgeht; H. Hanau, RdA 1996, 158 (168).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

gemacht. Diese gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 3 II TVG selbst sowie gegen die auf seiner Grundlage erlassenen Betriebsnormen erhobenen Einwände werden z. T. auf Art. 9 III GG sowie auf Art. 12 I GG gestützt: Teilweise wird in der auf Außenseiter erweiterten Normgeltung eine Beschränkung der nach dieser Auffassung von Art. 9 III GG gewährleisteten negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiter-Arbeitnehmer gesehen, weil Art. 9 III GG auch davor schütze, nicht von den Wirkungen des Tarifvertrags betroffen zu werden.298 Art. 12 I GG, der die Arbeitsvertragsfreiheit und somit das Recht schützt, die Arbeitsbedingungen selbst durch Vertragsschluss zu bestimmen,299 könnte verletzt sein, weil die aufgrund von § 3 II TVG erlassenen Normen weder demokratisch noch privatautonom hinreichend legitimiert seien.300 Diesen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Betriebsnormen wird durch eine sachlich-gegenständliche Begrenzung der Regelungsmaterie beizukommen versucht, wobei die von der Rechtsprechung verwendete Definition selbst nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt.301 Nach einer Auffassung in der Literatur erfordern tatsächliche Gründe die betriebseinheitliche Geltung einer Tarifnorm, wenn sich die tarifliche Regelung im technisch-organisatorischen Bereich bei ihrer praktischen Umsetzung nicht auf organisierte Arbeitnehmer beschränken lässt.302 Hiernach wäre etwa die Lage der Schichtarbeitszeiten als Betriebsnorm regelbar.303 Zur Begründung wird angeführt, dass in diesem Fall die Regelungsmaterie nicht von den Besonderheiten des Einzelarbeitsverhältnisses geprägt sei, sondern Einsatz und Zusammenwirken aller Arbeitnehmer des Betriebs betreffe, mithin kollektiven Bezug aufweise.304 Aus § 87 I Nr. 2 BetrVG und dem im Einleitungssatz statuierten Tarifvorbehalt wird geschlossen, dass die Materie der Arbeitszeitverteilung einer betriebseinheitlichen Regelung in jedem Fall zugänglich sein soll.305 Nur vereinzelt wird vertreten, dass jede betriebliche Arbeitszeitregel wegen ihrer Kollektivität auch zwingend Betriebsnormcharakter hat.306 Teilweise wird aus298

Vgl. etwa Schleusener, ZTR 1998, 100 ff. m. w. N. Vgl. etwa BVerfG v. 7.2.1990 E 81, 242 (255) = AP Nr. 65 zu Art. 12 GG; ErfK-Dieterich, GG Art. 12 Rn. 14, 15. 300 Ausf. H. Hanau, RdA 1996, 158 (161, 165 ff.). 301 H. Hanau, RdA 1996, 158 (167 f.). 302 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 23; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 15. 303 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 23. 304 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 151 f. 305 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 568; 582; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II 1, § 15 IV, S. 292, die insoweit noch eine Zuordnung zu den „formellen Arbeitsbedingungen“ i. S. d. § 56 I BetrVG 1952 vornehmen; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 151; H. Hanau, RdA 1996, 158 (173, 174). 306 Vgl. etwa Linnenkohl/Rauschenberg/Reh, BB 1990, 628 (630); in diese Richtung wohl auch Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 10 Rn. 66. 299

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drücklich darauf hingewiesen, dass die betriebliche Arbeitszeit, insbesondere Beginn und Ende, nicht aber ihre Dauer, durch Betriebsnormen geregelt werden kann.307 Unter Zugrundelegung der älteren Einteilung von Betriebsnormen in Solidar-, Ordnungs- und Zulassungsnormen308 werden teilweise Regelungen über die Lage der Arbeitszeit309 und Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung310 den Ordnungsnormen zugerechnet; das sind jene, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, d.h. die äußere Form der Arbeitsleistung, regeln. Ausdrücklich offengelassen hat das BAG, ob es sich bei Arbeitszeitvorschriften, wie etwa der tariflichen Beschränkung von Samstagsarbeit, um Betriebsnormen handelt.311 Für die Einordnung als Betriebsnorm bzw. deren Wirksamkeit kommt es darauf an, ob die Notwendigkeit der betriebseinheitlichen Geltung objektiv bzw. orientiert an Entscheidungen des Gesetzgebers (vgl. § 87 BetrVG)312 zu bestimmen ist oder ob sie sich aus dem Regelungsziel der Gewerkschaft ergeben kann. Die Rechtsprechung hat den Betriebsnormenbegriff im letztgenannten Sinn bestimmt.313 Da sie für die notwendig einheitliche Geltung auf das Regelungsziel der Tarifpartner abstellt und diesem die Reichweite der Normwirkung unterordnet, wird ihr vorgeworfen, den Tarifvertragsparteien in die Hand zu legen, praktisch jede Arbeitsbedingung zum Gegenstand einer Betriebnorm zu machen.314 Dem Erfordernis der evidenten Unzweckmäßigkeit einer Unterscheidung zwischen Organisierten und Nichtorganisierten werde jede praktische Bedeutung geraubt, wenn es nicht auf das sachliche Bezugsobjekt (Arbeitszeit), sondern darauf ankomme, ob die Tarifvertragsparteien eine betriebsorganisatorische oder eine individualschützende Regelung beabsichtigt haben.315 In der Literatur wird überwiegend im erstgenannten Sinne auf die Notwendigkeit der betriebseinheitlichen Geltung einer Norm für die Arbeitsorganisation abgestellt.316 Argumentiert wird z. B. damit, dass die Einschränkung der negativen 307

Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 590. Zurückgehend auf Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag I, S. 2 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht II, § 73 IV S. 299 ff. 309 Buchner, AR-Blattei, SD 1550.5 Rn. 199 ff., 207; Nikisch, Arbeitsrecht II, § 73 IV 2, S. 303. 310 Hromadka, AuA 1998, 73 (74). 311 BAG v. 18.12.1997 AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969. 312 Vgl. zu diesem Erfordernis mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 I 2 GG H. Hanau, RdA 1996, 158 (172). 313 Vgl. BAG v. 7.11.1995, 17.6.1997 AP Nr. 1, 2 zu § 3 TVG; v. 26.4.1990 AP Nr. 57 zu Art. 9 GG; LAG Niedersachsen v. 28.5.1998 LAGE § 1 TVG Betriebsnormen Nr. 2. 314 So die Kritik etwa von H. Hanau, RdA 1996, 158 (168 f.); Hromadka, AuA 1998, 73 (74); Ingelfinger, SAE, 1999, 128 (131); Loritz, Anm. zu BAG v. 26.4.1990, SAE 1991, 245 (249 f.). 315 Reuter, JuS 1997, 184 (185). 308

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Koalitionsfreiheit der Tarifaußenseiter nur durch die ebenfalls grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) gerechtfertigt werden könne, die eine effiziente arbeitstechnische Organisation der vom Unternehmen vorgegebenen Ziele gewährleiste.317 Gegenstand von Betriebsnormen könnten daher nur Angelegenheiten der arbeitstechnischen Organisation sein318, d.h. Regelungen, die darauf gerichtet sind, einen geordneten und einheitlichen Arbeitsprozess im Betrieb zu gewährleisten.319 Durch eine pauschale Qualifizierung der Normen zur Arbeitszeitlage als Betriebsnormen würden anderenfalls die Konturen zwischen Inhalts- und Betriebsnormen verwischt.320 Regelungen zur Arbeitszeitlage seien nicht eo ipso Betriebsnormen; vielmehr sei die notwendige betriebseinheitliche Geltung aus technisch-organisatorischen Gründen auf die Lage der Schichtzeiten beschränkt.321 Im Übrigen seien unterschiedliche Regelungen für Organisierte und Nichtorganisierte ebenso möglich wie bei der Dauer der Arbeitszeit.322 Bezogen auf flexible Arbeitszeitmodelle bedeutet das, dass eine betriebseinheitliche Normgeltung nach dieser Auffassung nur dann notwendig wäre, wenn dies die betriebswirtschaftlich effiziente Organisation der Betriebsmittel erfordert. Gegen die Notwendigkeit betriebseinheitlicher Geltung in diesem Sinne kann jedenfalls nicht schon die zunehmende Arbeitszeitflexibilisierung angeführt werden.323 Auch flexible Modelle zur Entkoppelung von Betriebs- und Arbeitszeit sowie zur Bedarfsanpassung wirken sich auf Planung und Koordination der personellen Mittel aus. Notwendig betriebseinheitliche Geltung ist jedenfalls nicht damit gleichzusetzen, dass für alle Arbeitnehmer die gleiche Arbeitszeit gelten soll.324 „Die vielbeschworene Flexibilisierung macht die Arbeitszeit nicht individuell verhandlungsfähig, sondern sorgt lediglich innerhalb des Plans für mehr Alternativen . . .“.325 Das Interesse einer wirtschaftlich effizienten Or-

316 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 96; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 568; Loritz, Anm. zu BAG v. 26.4.1990 SAE 1991, 245 (249 f.). 317 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 144. 318 Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 153. 319 Ingelfinger, SAE 1999, 128 (131); Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1071). 320 So etwa Hromadka, SAE 1998, 271 (272); Zachert, Anm. zu BAG v. 18.12.1997, AuR 1998, 212 f. (214, 215). 321 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 23; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 96; ebenso grds. gegen die Annahme von Betriebsnormen bzgl. der Arbeitszeitlage Hromadka, SAE 1998, 271 (272). 322 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 23; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 96. 323 So aber Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 38 f. 324 Ähnl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 579, 594. 325 Reuter, RdA 1991, 193 (197).

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ganisation der Betriebsmittel wird also nicht etwa durch eine tarifliche Regelung zur ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit obsolet.326 Stellt man andererseits nicht vorrangig auf das unternehmerische Interesse an effizienter Betriebsmittelnutzung, sondern mit der Rechtsprechung auf die Notwendigkeit der betriebseinheitlichen Geltung für den Regelungszweck der Gewerkschaften ab, muss die Zulässigkeit der entsprechenden Vorschrift im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht im Einzelfall festgestellt werden.327 Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Arbeitnehmergrundrechte. Eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit kommt hierbei jedoch nicht in Betracht: mit wohl ü.A. ist als Prüfungsmaßstab Art. 9 III GG abzulehnen; dabei kann dahinstehen, ob die negative Koalitionsfreiheit überhaupt von Art. 9 III GG oder vielmehr nur durch Art. 9 I328 oder 2 I GG geschützt wird.329 Sofern man der herrschenden Auffassung folgt, dass der nicht unter Gesetzesvorbehalt stehende Art. 9 III GG den Schutz der negativen Koalitionsfreiheit beinhaltet, ist davon jedenfalls nicht der Schutz vor tariflicher Normsetzung, sondern nur vor einem hier nicht relevanten mittelbarer Beitrittsdruck zur Koalition erfasst.330 Jedoch ist durch die tarifliche Normgeltung die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) betroffen.331 Regelungen über die Arbeitszeit betreffen die Berufsausübung. Berufsausübungsregelungen können durch vernünftige, zweckmäßige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein, wobei dem Normgeber ein weites Gestaltungsermessen eingeräumt werden kann.332 Als legitimer Zweck im Rahmen der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen kommt eine einheitliche Begrenzung der Arbeitszeitlage in Betracht, weil die Ausweitung der Arbeitszeit auf Nachtstunden oder die Wochenenden bei gleichbleibender Personalbesetzung notwendigerweise Rückwirkungen auf die Arbeitsbelastung der tarifgebundenen Arbeitnehmer hätte.333 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeits326 In diesem Sinne findet sich bei Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 287 als Beispiel für Betriebsnormen eine Schwankungsbreitenregelung im Rahmen ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit; auch das LAG Berlin v. 31.3.1998 NZA 1998, 1061 ff. hat in einer Entscheidung erwähnt, dass ein neues Arbeitszeitmodell betriebseinheitlich gelten müsse. 327 Hromadka, AuA 1998, 73 (74); Loritz, Anm. zu BAG v. 26.4.1990, SAE 1991, 245 (249 ff.). 328 Vgl. Däubler, AR I, Rn. 134 ff. 329 Die früher geführte Diskussion ist von der Rspr. entschieden worden, vgl. Wiedemann, TVG, Einl. 294. 330 Zur Begründung m. w. N. vgl. Schubert, RdA 2001, 199 (200 ff.). Nach bestrittener h. M. schützt Art. 9 III GG zwar auch die negative Koalitionsfreiheit; erfasst ist davon jedoch nur das sog. Fernbleiberecht; vgl. ErfK-Dieterich, GG Art. 9 Rn. 32 f.; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 25; 138; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 564. 331 Vgl. Schubert, RdA 2991, 199 (207). 332 BVerfG v. 11.6.1958 E 7, 377, (405 f.); BAG v. 7.11.1995 AP Nr. 1 zu § 3 TVG.

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prüfung ist zu berücksichtigen, „dass der nichtorganisierte Arbeitnehmer im Interesse der Generalisierung in Randbereichen des Arbeitsverhältnisses gewisse Beschränkungen hinnehmen muss“; unter diesem Aspekt ist daher davon auszugehen, dass eine tarifliche Ordnung z. B. auch die Einführung oder das Verbot gleitender Arbeitszeiten durch Betriebsnorm vorsehen kann.334 Die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht kann bei Betriebsnormen aber auch mit Blick auf die unternehmerische Betätigungsfreiheit (Art. 12 I GG) problematisch sein, v. a., wenn nach dem tariflichen Regelungsziel Fragen der Betriebsorganisation direkt durch Betriebsnormen geregelt werden sollen, so z. B. die Länge der Betriebsmittelnutzung, wozu auch die Ladenöffnungszeiten gehören.335 Geht man davon aus, dass die Regelung betriebsorganisatorischer Maßnahmen als Arbeits- und Wirtschaftsbedingung von der Gewährleistung des Art. 9 III GG erfasst ist, ist ein Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen herbeizuführen. Betriebsnormen, die die Betriebsorganisation des Arbeitgebers einschränken, sind Berufsausübungsregelungen. Da für deren Rechtfertigung jede sachgerechte, vernünftige Erwägung des Gemeinwohls ausreicht und dem Normgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, würde eine auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen i. S. v. Art. 9 III GG gerichtete Tarifnorm eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen können.336 Bezüglich der vorzunehmenden Abwägung ist nach oben337 zu verweisen. In der Literatur338 wird indes bezweifelt, dass die Befugnis zur tariflichen Regelung betrieblicher Fragen339 auch zur Anordnung von „Arbeitsmengenregeln“340 ermächtigt, „die das Nachfrageverhalten des Arbeitgebers am inneren Arbeitsmarkt auch gegenüber nichtorganisierten Außenseitern beschränkt“.341 Tarifnormen, die sich direkt auf das „Güter- bzw. Dienstleistungsmarktverhalten“ des Arbeitgebers auswirkten und das Arbeitsmarktverhalten gegenüber nichtorganisierten Arbeitnehmern regulierten, seien nicht mehr von Art. 9 III GG geschützt und schränkten die Berufsfreiheit des Arbeitgebers unverhältnismäßig ein.342 333

Vgl. H. Hanau, RdA 1996, 158 (169 ff., 178). Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 144. 335 Vgl. BAG v. 7.11.1995 AP Nr. 1 zu § 3 TVG; krit. etwa Buchner, AR-Blattei, SD 1550.6 Rn. 215, 156 f.; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen, S. 153. 336 BAG AP Nr. 1 zu § 3 TVG = NZA 1996, 1214 (1216). 337 § 1. B. 338 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 261 Rn. 10 f.; Reuter, DZWiR 1995, 353 ff.; Richardi, 61. DJT, GA B 63 ff.; weitere Nachweise bei Reichold, SAE 1998, 44 (46 Fn. 18–21). 339 §§ 3 II, 4 I 2 TVG. 340 Z. B. betriebsübliche Arbeitszeiten inkl. Arbeitszeitende. 341 Reichold, SAE 1998, 44 (46). 334

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Die „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ in Art. 9 III GG sind nach ü. A. als aufeinander bezogenes und inhaltlich zusammenhängendes Begriffspaar zu verstehen, das die Gesamtheit der Bedingungen erfasst, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird.343 Die Bedingungen der abhängigen Arbeit sind wiederum determiniert durch die Unternehmenspolitik. Die Arbeitnehmerkoalitionen können ihrem Schutzauftrag daher nur gerecht werden, wenn sie mit den unternehmerischen Entscheidungen auch die Kausalfaktoren der Arbeitsbedingungen beeinflussen können.344 Deshalb ist nicht der letztgenannten, sondern der Auffassung zu folgen, nach der eine Einzelfallabwägung zum Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen vorzunehmen ist. Die Unternehmerfreiheit kann der Koalitionsfreiheit jedenfalls keine absolute Grenze setzen.345 II. Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips Können Arbeitszeitnormen somit grundsätzlich sowohl Inhalts- als auch Betriebsnorm sein346, ist weiter zu fragen, ob Abweichungen hiervon zulässig sind. Anwendung findet das Günstigkeitsprinzip immer, wenn von normativen Vorschriften abgewichen werden soll. 1. Inhaltsnormen Unstreitig ist dies jedenfalls, sofern es sich um positive Inhaltsnormen handelt347, also um Bestimmungen, die eine Regel selbst inhaltlich festlegen, wie z. B. die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit. Unterschiedlich beurteilt werden negative Inhaltsnormen. Sie verbieten den Arbeitsvertragsparteien bestimmte vertragliche Regelungen.348 Von Rechtsprechung und großen Teilen der Literatur wird hier die Anwendung des Günstigkeitsprinzips abgelehnt349, z. T. mit dem Vorbehalt, dass dieses durch die Verbotsnorm im Einzelfall nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt werden dürfe.350 Durch die Norm sei der Günstigkeits342

Reichold, SAE 1998, 44 (46 m. w. N.). Vgl. MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 243 Rn. 1; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99 m. w. N. 344 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 243 Rn. 15. 345 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 243 Rn. 15. 346 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 581 ff., 277; Stein, Tarifvertragsrecht, Rn. 163. 347 Stellv. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 405. 348 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 260 Rn. 1. 349 BAG v. 7.12.1956 AP Nr. 1 zu § 817 BGB = E 4, 59 (61); LAG Düsseldorf v. 17.5.1966 AP Nr. 1 zu § 4 TVG Abschlussverbote; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 413; ebd. Wiedemann § 1 Rn. 253, 323; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 547, 846; Nikisch, Arbeitsrecht II, § 82 II 1, IV 4, S. 423, 433. 350 Wlotzke, Günstigkeitsprinzip, S. 28. 343

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vergleich generalisierend vorweg genommen worden. Gegenüber einem dem Arbeitnehmerschutz dienenden Verbot könne keine günstigere Abmachung bestehen351, ohne den Schutzzweck der Norm zu vereiteln.352 Überzeugender ist aber, bei der Beurteilung des Günstigkeitsprinzips auf eine Differenzierung zwischen positiven und negativen Inhaltsnormen, für die auch § 1 TVG keinen Anhalt bietet, zu verzichten.353 Es handelt sich dabei vielmehr nur um zwei Seiten einer Medaille. Wollte man anders entscheiden, würde allein die jeweils gewählte Formulierung der Tarifnorm über die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips entscheiden, ohne dass dem entsprechende inhaltliche Unterschiede beigegeben sind.354 Unabhängig davon, ob man eine verfassungsrechtliche Verankerung des Günstigkeitsprinzips annehmen will, darf das jedenfalls einfachgesetzlich als zwingender Rechtssatz ausgestaltete Prinzip nicht zur Disposition der Tarifparteien stehen355; § 4 III TVG beschränkt gerade deren Rechtsetzungsbefugnis und kann nicht durch eine günstigere Vertragsgestaltungen verbietende Tarifnorm unterlaufen werden.356 Der Behauptung, dass es gegenüber einem Verbot keine günstigere Regelung geben könne, ist entgegenzuhalten, dass die Frage dann eben lautet, ob die verbotene Regelung nicht in Wirklichkeit günstiger ist.357 Verzichtet man mithin auf eine Differenzierung innerhalb der Inhaltsnormen, so ist eine Günstigkeitsbeurteilung vorzunehmen. Problematisch ist im Bereich der Arbeitszeitlage aber, dass die Normen zugleich Betriebsnormen darstellen können. 2. Betriebsnormen Die durch das Günstigkeitsprinzip geschaffene Kollisionsregelung gilt nach e. A. nur für den Bereich der Inhaltsnormen.358 Begründet wird das mit dem Wesen der Betriebsnormen, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen einheitlich wirken zu müssen; die durch sie geschaffene Gesamtordnung könne nicht durch Einzelabweichungen zunichte gemacht und der Wille der Tarifparteien 351

Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 846; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip

S. 28. 352 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 413; Nikisch, Arbeitsrecht II, § 82 II 1, S. 423. 353 Vgl. auch Baedorf, Tarifliche Regelung, S. 24 f. m. N. 354 So Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille, S. 383; Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (567); Joost, ZfA 1984, 173 (189 f.); Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1070); Zöllner, DB 1989, 2121 (2124). 355 Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1070); vgl. auch Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 78. 356 Buchner, AR-Blattei, SD 1550.5 Rn. 129 f. 357 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 16. 358 Buschmann, NZA 1990, 387 (388); Linnenkohl/Rauschenberg/Reh, BB 1990, 628 (630 m. N.).

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nicht konterkariert werden.359 Nach der Gegenauffassung ist eine Gleichstellung von Betriebs- und Individualnormen (§ 4 I 2 TVG) geboten. Denn es bestehen bereits aufgrund des Wortlauts im TVG keine Anhaltspunkte, dass sich § 4 III nur auf Inhaltsnormen beziehe.360 Der ersten Auffassung ist zuzugeben, dass häufig der Schutzzweck der Betriebsnorm nicht erreicht werden kann und untergraben würde, wenn ihre Geltung zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien steht; die Regelung würde vielmehr ins Leere laufen. Dies gilt insbesondere für Betriebsnormen, die den Kollektivschutz der Belegschaft bezwecken, wie etwa Rauchverbote.361 Dennoch erfordert das nach hier vertretener Auffassung nicht die generelle Nichtanwendung des Günstigkeitsprinzips. Teilweise wird seine Anwendung befürwortet, wenn durch die Betriebsnorm nur ein Mindeststandard eingeräumt werden sollte.362 Z. B. sei nicht ersichtlich, warum einzelnen Arbeitnehmern nicht eine abweichende Lage der Arbeitszeit oder längere Pausen gestattet werden könnten.363 Gamillscheg364 hält etwa auch für zulässig, dass der Arbeitgeber auf die durch Tarifvertrag verlangte Benutzung einer Stechuhr verzichtet. Ebenso könne es für Einzelne günstiger sein, an bestimmten Wochentagen zu arbeiten.365 Däubler differenziert nach der Abgrenzung der Betriebsnormen: bei Zugrundelegung der Begriffsbestimmung der Rechtsprechung sollen individuelle Abmachungen ausscheiden, während bei einem weiten Begriff, der auch Regelungen über Beginn und Ende der Arbeitszeit erfasse, das Günstigkeitsprinzip Anwendung finden soll.366 Nach Buchner scheitert die Günstigkeitsbewertung von Regelungen zur Arbeitszeitlage nicht an ihrer Einordnung als betriebliche Normen, weil sie zugleich den Inhalt des Arbeitsverhältnisses regelten. Ob man Regelungen über die Lage der Arbeitszeit als Inhaltsnorm bewerte, weil sie den Inhalt der Arbeitspflicht betreffen, 359 Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 167; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 415; T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 79 ff.; Zachert, AuR 1998, 214 (216); LAG Niedersachsen v. 28.5.1998 LAGE § 1 TVG Betriebsnormen Nr. 2; weitere Nachweise bei Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 81. 360 So etwa MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272, Rn. 20 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 177; Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 81; Stein, Tarifvertragsrecht, Rn. 959; i.Erg. Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 19 Rn. 12. 361 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 179, wollen daher die Nichtanwendung des Günstigkeitsprinzips auf Betriebsnormen beschränken, die den Kollektivschutz der Belegschaft bezwecken. 362 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 177; Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 415. 363 Preis/Rolfs, Anm. zu LAG Niedersachsen v. 28.5.1998 LAGE § 1 TVG Betriebsnormen Nr. 3. 364 Kollektives Arbeitsrecht I, S. 851. 365 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 20. 366 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 192; ders., AuR 1996, 347 (348); ähnl. Zöllner, DB 1989, 2121 (2125).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

oder als Normen über betriebliche Fragen, mache im Ergebnis keinen Unterschied. Denn im letzten Fall gestalteten sie nicht nur das betriebliche Rechtsverhältnis, sondern auch arbeitsvertragliche Pflichten.367 Vorzugswürdig erscheint daher, den Günstigkeitsvergleich nicht per se daran scheitern zu lassen, dass es sich um Betriebsnormen handelt. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, ob der Normzweck eine individuelle günstigere Regelung zulässt oder ob Rückwirkungen auf die anderen Arbeitnehmer dem entgegenstehen.368 Selbst wenn man also tarifliche Regelungen über die Arbeitszeitverteilung und Zeitkontenführung grundsätzlich als Betriebsnormen einordnet, wäre jeweils zu prüfen, ob individualvertragliche Abweichungen hiervon vom Günstigkeitsprinzip gedeckt sind; letztlich läuft dies wiederum auf die Frage hinaus, ob die Einschränkung der Privatautonomie durch die Normsetzung der Koalitionen im konkreten Fall verhältnismäßig ist. 3. Betriebsverfassungsrechtliche Normen Dagegen kann sich nach Auffassung der Rechtsprechung ein einzelvertraglich vereinbartes, vom Tarifvertrag abweichendes Arbeitszeitmodell nicht aufgrund des Günstigkeitsprinzips durchsetzen, wenn eine betriebsverfassungsrechtliche Norm des Tarifvertrags gem. § 3 II TVG die Einführung eines vom Tarifvertrag abweichenden Arbeitszeitmodells vom Abschluss einer Betriebsvereinbarung abhängig macht. Beispielsweise konnte in dem vom BAG entschiedenen Fall Samstagsarbeit – in Abweichung von der tariflichen Arbeitszeitverteilung auf die Tage Montag bis Freitag – nicht wirksam eingeführt werden. Denn die Arbeitsvertragsparteien können nicht in das durch die betriebsverfassungsrechtliche Tarifnorm geschaffene abgestufte Ineinandergreifen von Tarif- und betriebsverfassungsrechtlichen Normen eingreifen bzw. dieses Verhältnis verändern.369 Entscheidend ist, dass es in diesem Falle nicht darauf ankommt, ob Vorschriften zur Arbeitszeitdauer und -lage auch Betriebsnormen i. S. d. § 3 II TVG sind, sondern allein darauf, auf welchem Weg die tarifliche Öffnungsklausel ausgefüllt werden kann.370 Deshalb könnte sich bei Vorliegen einer betriebsverfassungsrechtlichen Norm auch eine individualvertragliche Vertrauensarbeitszeitregelung nicht gegenüber dem tariflichen Arbeitszeitmodell durchsetzen.

367

Buchner, FS Dieterich, S. 29 (38). ErfK-Schaub, TVG § 4 Rn. 60; Löwisch, BB 1991, 59 (61). 369 BAG v. 18.12.1997 AP Nr. 46 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 1998, 304 (307 m. w. N.). 370 Zachert, zust. Anm. zu BAG v. 18.12.1997, AuR 1998, 212 (214, 215). 368

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III. Günstigkeitsvergleich Scheitert also die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips bei Normen über die Arbeitszeitlage nicht an einer etwaigen Einordnung als Betriebsnorm371 und sind somit tarifliche Arbeitszeitregelungen grundsätzlich einem Günstigkeitsvergleich zugänglich372, ist zu klären wie dieser durchzuführen ist. 1. Vergleichsgegenstand Nach dem überwiegend befürworteten373 Sachgruppenvergleich sind inhaltlich zusammengehörende, jeweils voneinander abhängige Regelungen des Tarifvertrags und des Arbeitsvertrags miteinander zu vergleichen, wobei zwischen den Regelungsgegenständen ein innerer Zusammenhang bestehen muss. Das lange Zeit geltende quantitative Verständnis des Günstigkeitsvergleichs, wonach die arbeitsvertragliche Regelung als günstiger beurteilt wurde, wenn sie einen messbaren Zugewinn an Leistungen enthielt, hilft gerade bei Fragen der Arbeitszeitlage nicht weiter. Hier ist eine qualitative Dimension einzubeziehen.374 Zu vergleichen sind z. B. tarifliche Arbeitszeitkontenregelungen mit Stichtagen für den Zeitausgleich, täglichen oder wöchentlichen Mindest- und Höchstarbeitszeiten, Guthabenbegrenzungen etc. auf der einen Seite und arbeitsvertragliche Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit, in der Stichtagsregelungen nicht existieren und aus Kontenguthaben keine Ansprüche auf Freizeitausgleich hergeleitet werden können, auf der anderen Seite. 2. Objektive Beurteilungsperspektive Nach h. M. soll die für den konkreten Arbeitnehmer zu ermittelnde Günstigkeit objektiv-hypothetisch beurteilt werden, d.h. aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Anschauungen seines Berufsstandes und der Verkehrsauffassung.375 Lässt sich danach nicht eindeutig feststellen, dass eine einzelvertragliche Regelung günstiger als die tarifliche ist, bleibe es bei letzter.376 Z. T. werden Regelungen über Lage und Dauer der Arbeitszeit zu 371

Vgl. Buchner, FS Dieterich, S. 29 (38). Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 103 ff.; Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (593 ff.); Buchner, RdA 1990, 1 (8); Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (301, 303 ff.); v. HoyningenHuene/Maier-Krenz, ZfA 1988, 293 (313); Zöllner, DB 1989, 2121 (2125); weitere Nachweise bei Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 77. 373 Vgl. etwa Deinert in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 657 f.; Schaub, ArbRHdb, § 204 Rn. 39 f.; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 470. 374 Zu diesem „Wandel“ vgl. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 433 f. 375 Stellv. Hromadka, DB 1992, 1042 (1046) m. w. N. 376 BAG v. 12.4.1972 AP Nr. 13 zu § 4 TVG Günstigkeitsprinzip; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 207. 372

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derartigen, an sich neutralen Regelungen gezählt.377 Von einigen Autoren wird eingeräumt, dass sich sowohl eine längere Dauer als auch eine bestimmte Lage der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des Arbeitnehmers als objektiv günstiger darstellen und bei Vorliegen sachlicher Gründe eine Abweichung vom Tarifvertrag rechtfertigen kann.378 Verbiete der Tarifvertrag dagegen Wochenendarbeit, wird die Vereinbarung von Arbeit am Samstag379 oder Sonntag von einigen ebenso als ungünstiger bewertet wie Nachtund Schichtarbeit gegenüber der „Normalarbeitszeit“. 380 Für den vorliegenden Zusammenhang müsste feststellbar sein, dass Vertrauensarbeit objektiv günstiger ist als tariflich vorgegebene Arbeitszeitsysteme. Vorteile der Vertrauensarbeitszeit können zwar in der größeren Zeitsouveränität bestehen, die u. U. eigenen zeitlichen Präferenzen entgegenkommt. Zugleich können sich aus dem Verlust von kollektiven Schutzvorschriften, die einer Entgrenzung der Arbeit entgegen wirken, auch die oben beschriebenen Nachteile381 ergeben. Dafür, dass Vertrauensarbeitszeit nicht notwendig die günstigere Regelung ist, lässt sich weiter die Beobachtung von Heinze anführen, dass in der Praxis Gleitzeitmodellen mit Gruppenabsprache aus Arbeitgebersicht der Vorzug gegenüber Job-Sharing-Modellen eingeräumt wird, weil für Job-Sharer eine gegenseitige Vertretungspflicht gesetzlich grundsätzlich ausgeschlossen ist, ein solches Verbot bei Gleitzeitarbeit mit Gruppenabsprache dagegen nicht bestehe.382 Die auch bei Vertrauensarbeitszeit mögliche Pflicht zu ggf. kurzfristiger gegenseitiger Vertretung kann sich also als ungünstig für Arbeitnehmer erweisen. Zu kurz greift daher, eine individualvertragliche Vereinbarung schon deswegen als günstiger anzusehen, weil sie im Vergleich zu einer Gleitzeitregelung eine kürzere Kernarbeitszeit und damit eine Ausweitung der Dispositionsfreiheit des Arbeitnehmers beinhaltet.383 Die Aussage mag gelten, so lange überhaupt noch eine Kernzeit vereinbart wurde, weil hiermit i. d. R. der Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei der Arbeitszeitvertei377 Stein, Tarifvertragsrecht, Rn. 623, nach dem für eine vom Tarifvertrag abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf andere Werktage bzw. bei einer anderen zeitlichen Lage im Arbeitstag die Bewertungskriterien fehlen, weshalb die Abrede nicht als günstiger angesehen werden könne; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 207, die aber dann das Wahlrecht des Arbeitnehmers für ausschlaggebend halten, Rn. 208. 378 So etwa Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 334. 379 Das BAG (v. 18.12.1997 SAE 1998, 266 [270]) hat offengelassen, ob ein vom Arbeitgeber eingeführtes tarifwidriges Arbeitszeitmodell unter Einschluss des Samstags als Regelarbeitstag günstiger ist als das tarifliche Modell ohne Samstagsarbeit. 380 Kittner in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 19 Rn. 25; Stein, Tarifvertragsrecht, Rn. 622 f. 381 V. a. faktische Verlängerung und Entgrenzung der Arbeitszeit, s. Kapitel 1, § 4. B.; vgl. außerdem statt vieler Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 185 f. 382 Heinze, Brennpunkte des Arbeitrechts 1997, S. 309 (322 f.). 383 So aber Schuhmann, Grenzen, S. 116.

§ 1 Regelungen zur Arbeitszeit

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lung getroffen wird.384 Dass „die Freiheit des Arbeitsnehmers umso größer ist, je kürzer die Kernarbeitszeit ist“,385 kann aber nicht notwendig zur Konsequenz haben, dass der Verzicht auf die Kernzeit am günstigsten sei. Denn nunmehr wird die Einteilung der Arbeitszeit durch jenseits der Kernzeit liegende zeitliche Bindungen beeinflusst, die sich aus den betrieblichen Interessen ergeben und ihrerseits die Dispositionsfreiheit des Arbeitnehmers einschränken und zur faktischen Arbeitszeitverlängerung führen können.386 Die aus diesen Gründen „nicht bei allen Arbeitnehmern beliebte Zeitsouveränität“387 lässt sich weder als objektiv günstigere noch auch nur als neutrale Regelung bezeichnen. Wie sich die Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsalltag auswirkt, insbesondere, ob hierarchische Strukturen tatsächlich abgebaut und Weisungen vermieden werden können, ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht absehbar, sondern hängt von ihrer tatsächlichen Ausgestaltung und Handhabung sowie den Faktoren Aufgabenzuteilung und Personalbemessung ab. Aufgrund dieses Befundes kann von einer ambivalenten Regelung gesprochen werden, die nach hergebrachtem Verständnis nicht als günstiger zu betrachten ist.388 Mit dem objektiven Maßstab kann die Günstigkeit von Vertrauensarbeitszeit daher nicht begründet werden. 3. Subjektive Beurteilungsperspektive In dem bei Regelungen über Dauer und Lage der Arbeitszeit gegebenen Fall, dass sich die Günstigkeit objektiv nicht beurteilen lässt, wollen andere – z. T. grundsätzlich ausgehend von der objektiven Perspektive – einen subjektiven Maßstab anlegen. In diesen Fällen des non liquet soll es auf die freie Entscheidung des einzelnen Arbeitnehmers ankommen, der des kollektiven Schutzes nicht mehr bedürfe.389 Auch ein auf „Objektivität“ basierender Günstigkeitsvergleich werde letztlich nicht i. S. einer wissenschaftlichen Aussage, sondern aufgrund eines Werturteils getroffen, dem keine größere Richtigkeitsgewähr zukomme als den Präferenzen des Arbeitnehmers.390 Ein auf für den Arbeitneh384

s. Kapitel 1, § 2. C. I. Schuhmann, Grenzen, S. 116. 386 Nach Hensche ist die „Freiheit“ zu überlangen Arbeitszeiten nicht günstiger als verlässliche Arbeitszeiten, in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 574. 387 Diese Einschätzung trifft auch Tietje, FAZ v. 23.7.2003, S. 17. 388 ErfK-Schaub, TVG § 4 Rn. 71; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 452 m. N. 389 Gast, BB 1987, 1249 (1252); v. Hoyningen-Huene/Meier-Krenz, ZfA 1988, 293 (313); Joost, ZfA 1984, 173 (183, jedenfalls für solche Fälle, in denen der Arbeitnehmer eines Schutzes vor sich selbst nicht bedürfe); nach Picker, NZA 2002, 761 (768) soll die Entscheidung des Einzelnen maßgeblich sein, wenn sie sich als Verwirklichung eines sinnvollen, rational nachvollziehbaren Marktverhaltens erweist; allein von einem subjektiv-realen Maßstab ausgehend etwa Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (301 m. N.). 385

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

mer objektiv „quantitativ“ günstigere Arbeitsbedingungen verengtes Verständnis des Günstigkeitsprinzips verkenne dessen verfassungsrechtliche Bedeutung, den Vorrang individueller Privatautonomie vor der Kollektivautonomie zu sichern. Zu Gunsten des Arbeitnehmers habe jede Änderung gegenüber der Kollektivvereinbarung zu gelten, die die privatautonome Vertragsgestaltungsfreiheit des Arbeitnehmers nach seinem freien Willen inhaltlich adäquater als die Kollektivautonomie verwirklicht.391 4. Wahlrecht Innerhalb der Auffassung, die den jeweiligen Arbeitnehmerpräferenzen mehr Gewicht verleihen will, wird z. T. explizit auf ein dem Arbeitnehmer einzuräumendes Wahlrecht zwischen tariflicher und vertraglicher Regelung abgestellt.392 Die durch das Wahlrecht geschaffene Dispositionsfreiheit sei schon für sich genommen die günstigere Regelung.393 Das Günstigkeitsprinzip werde dadurch insoweit ausgeweitet, als der objektiv-hypothetische Maßstab für die Günstigkeitsbestimmung bei objektiv gleich günstigen Regelungen durch einen subjektiven Maßstab ergänzt wird.394 Die Auffassung stützt sich auf eine Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 7.11.1989395, in der er für die Günstigkeitsbeurteilung zwischen einzelvertraglich festgelegten Altersgrenzen einerseits und durch Betriebsvereinbarung vorgenommener Verkürzung der Lebensarbeitszeit andererseits maßgeblich auf das Kriterium des Wahlrechts abgestellt hat, sowie auf Erwägungen des 4. Senats396, diese Rechtsprechung auch auf die Wochenarbeitszeit zu übertragen.397 Grenze des Wahlrechts sei der Arbeitnehmerschutz, der nicht entwertet werden dürfe. Begrenzungen der Arbeitszeit aus Gesundheitsschutzgründen und kollektivvertragliche Bestimmungen über die Lage der Arbeitszeit, die dem Arbeitnehmer eine ausreichende Erholungspause zwischen den Arbeitstagen sichern sollen, könnten nicht mit dem Aspekt der Wahl390

Bergner, Arbeitszeitregelungen, S. 36 f. Heinze, NZA 1991, 329 (332); Joost, ZfA 1984, 173 (183); ähnl. Krauss, DB 2000, 1962 (1963); Ivo Natzel, ZfA 2003, 103 (134 f.). 392 Vgl. ausf. m. N. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 492. 393 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 51; ErfK-Schaub, TVG § 4 Rn. 71; Schaub, ArbRHdb, § 204 Rn. 57; Bergner, Arbeitszeitregelungen, S. 36 ff.; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1607 mit dem Hinweis, dass die Möglichkeit zur Rückkehr zum Tarifvertrag an klare Voraussetzungen geknüpft wird; Buchner, DB 1990, 1715 (1720); ders., RdA 1990, 1 (16); Heinze, NZA 1991, 329 (335); Löwisch, BB 1991, 59 (62); D. Neumann, NZA 1990, 961 (963 f.); Richardi, DB 1990, 1613 (1617); vgl. in diese Richtung bereits Konzen, BB 1977, 1307 (1310). 394 Walker, ZfA 1996, 353 (376 f.). 395 BAG v. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG. 396 BAG v. 29.11.1989 – 4 AZR 317, 318, 412, 413/88 – n. v. 397 Vgl. Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (581); Buchner, DB 1990, 1715 (1720); D. Neumann, NZA 1990, 961 (962 f.). 391

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möglichkeit überspielt werden.398 Als weitere Einschränkung wird teilweise die Option für den Arbeitnehmer gefordert, nach einer Ankündigungsfrist wieder zur tariflichen Regelung zurückzukehren.399 5. Vereinbarung eines vom Tarifvertrag abweichenden Arbeitszeitmodells unter Berufung auf die subjektive Beurteilungsperspektive bzw. das Wahlrecht Da nach objektiver Beurteilungsperspektive die Günstigkeit der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht festgestellt werden kann, kommt es darauf an, ob der subjektive Maßstab heranzuziehen ist. Verbreitet werden in der Literatur individualvertragliche Abweichungen von tarifvertraglichen Festlegungen zur Lage der Arbeitszeit für zulässig gehalten. Diese Aussagen beziehen sich z. B. auf einen späteren Arbeitsbeginn400, Nacht- und Wochenendarbeit401 oder die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit.402 Gegen die subjektive Perspektive wird vorgebracht, dass Tarifnormen auch die Funktion haben können, den Arbeitnehmer vor sich selbst zu schützen403 und der Verzicht auf den Schutz angesichts der arbeitnehmertypischen Unterlegenheit oft nicht wirklich freiwillig sein wird.404 Aus dieser Erfahrung heraus sei der als objektiver Günstigkeitsvergleich konzipierte § 4 III TVG formuliert.405 Die häufige wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers und dessen Angewiesensein auf die Arbeit als Erwerbsquelle bestehe auch bei einer freiwillig mit Widerrufsvorbehalt getroffenen Vereinbarung, zu ungünstigen Arbeitszeiten zu arbeiten. „Tarifverträge [. . .] haben die Funktion, die Konkurrenz der Arbeitnehmer durch Unterbietung der Arbeitsbedingungen einzuschränken, z. B. durch ein festgelegtes Arbeitszeitende. Ohne zwingende kollektive Normsetzung würden auch Ende des 20. Jahrhunderts arbeitsrechtliche Schutzstandards zur

398 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 52; ähnl. Buchner, der die Grenze für eine zulässige Verlängerung der Arbeitszeit bei den gesetzlichen Höchstgrenzen, „vielleicht aber auch schon vorher“ ziehen will, DB 1990, 1715 (1720). 399 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 55; zweifelnd Buchner, DB 1990, 1715 (1722). 400 Däubler, AuR 1996, 347 (348). 401 Bergner, Arbeitszeitregelungen, S. 232, nach dem es nicht auf eine Rückkehroption im Arbeitsvertrag ankommt; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 849; Löwisch, NZA 1989, 959 (960); ders., BB 1991, 59 (63); D. Neumann, NZA 1990, 961 (965). 402 Buchner, RdA 1990, 1 (16). 403 Vgl. zu den Gesundheitsgefahren längerer Arbeitszeiten Zachert, DB 1990, 986 (988). 404 Vgl. etwa Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 221; Stein, Tarifvertragsrecht, Rn. 602. 405 Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1077).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

abhängig Variablen der jeweiligen Arbeitsmarktsituation degenerieren.“406 Diese Erkenntnis habe historisch zur Anerkennung der Tarifautonomie geführt. Ein genereller Freiwilligkeitsvorbehalt als immanente Grenze der normativen Wirkung von Kollektivvereinbarungen sei daher ebenso bedenklich wie eine Neuinterpretation des Günstigkeitsprinzips.407 Dagegen wird eingewendet, dass die individuelle Prioritätensetzung durch den Arbeitnehmer nicht stets als das Resultat seiner Abhängigkeit abgewertet werden dürfe, weil anderenfalls auch ehrliche, nicht auf abhängigkeitsbedingten Wahrnehmungsverzerrungen beruhende Präferenzen des Arbeitnehmers nicht verwirklicht werden könnten.408 Vorbehalte im Hinblick auf latenten Druck oder Unzulänglichkeiten in der sozialen Gesamtsituation, welche die Entscheidungsfreiheit beeinflussen könnten, würden einer Entmündigung des Einzelnen gleichkommen und seien daher unbeachtlich.409 Gerade bei Fragen der Arbeitszeitlage wird angenommen, dass die überlegene Verhandlungsposition des Arbeitgebers keine große Rolle spiele.410 Daher scheint einiges für die Auffassung zu sprechen, nach der § 4 III TVG erfordert, den Günstigkeitsvergleich auf die Fragestellung auszurichten, ob eine „wirksame, individuell privatautonome Vertragsgestaltungsfreiheit des Arbeitnehmers“ bestand; die subjektive Beurteilungsperspektive soll folglich immer dann maßgeblich sein, wenn das Verhandlungsgleichgewicht gewahrt blieb und die vereinbarte Abweichung noch sozialstaatskonform ist, wobei der Maßstab das gesamte Tarifvertragssystem sei und eine branchen- und flächenübergreifende Betrachtung der tariflichen Mindeststandards stattzufinden habe.411 Allerdings sind diese vorgeschlagenen Einschränkungen wenig praktikabel. Schlüter412 ist darin zu folgen, dass ein derartiges Verständnis erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hätte, weil Günstigkeit kaum noch messbar wäre. Im Übrigen hängt die Anwendung der subjektiven Perspektive nicht zuletzt von der Stichhaltigkeit des Arguments ab, dass die Unabdingbarkeit von Tarifnormen dem Schutz des Arbeitnehmers vor sich selbst diene. Es beruht auf der Annahme, dass die lediglich subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers nicht sicherstellen könne, dass ihm die kollektivvertraglich erreichten Mindestarbeitsbedingungen real auch wirklich erhalten blieben.413 Däubler verweist darauf, 406

Buschmann, NZA 1990, 387 (388); so auch Otto, NZA 1992, 97 (106 f.). Otto, NZA 1992, 97 (107); ähnl. Schuhmann, Grenzen, S. 107. 408 Bergner, Arbeitszeitregelungen, S. 37; Schlachter, ZIAS 1997, 101 (111: Berücksichtigung des Elements der Wahlfreiheit in engen Grenzen, so etwa Arbeitszeitverlängerungen innerhalb der Grenzen des ArbZG). 409 Käppler, NZA 1991, 745, (751); vgl. auch Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (301). 410 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 222; ders., AuR 1996, 347 (348); Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 849. 411 Heinze, NZA 1991, 329 (333 f.). 412 FS Stree und Wessels, S. 1061 (1077). 407

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dass es die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers in der Praxis mehr denn je gebe414 – und zwar auch in Fragen der Arbeitszeitlage –.415 Der Vorrang einer gewählten individuellen Regelung setzt aber „einen Idealfall von Arbeitnehmer“ voraus, der sich selbstverantwortlich und vernünftig für das entscheidet, was tatsächlich allein zu seinem Vorteil gereicht; häufig werde der Arbeitnehmer aber um kurzfristiger Vorteile willen einer Regelung zustimmen, deren Tragweite und Nachteile er nicht erkenne.416 Dies kann auch auf Vertrauensarbeitszeit zutreffen; sie mag dem Arbeitnehmer auf den ersten Blick angesichts größerer Zeitsouveränität günstiger erscheinen, ohne dass er die möglichen negativen Folgen, Entgrenzung der Arbeitszeit und Verlust rechtlicher Schutzstandards, bedenkt. Dem Argument, dass § 4 III TVG der individuellen Vertragsfreiheit einen Funktionsbereich sichern solle und die so zur Geltung gebrachte Privatautonomie auch die Möglichkeit zu selbstschädigendem Verhalten eröffne417, kann nicht gefolgt werden. Die Tarifautonomie soll der Tatsache Rechnung tragen, dass typischerweise im Arbeitsverhältnis die Selbstbestimmung des Arbeitnehmers nicht gewährleistet, er bei der Ausübung der Privatautonomie relativ häufig Drucksituationen oder Irrtümern ausgesetzt ist, und daher das für einen privatautonom zustande gekommenen Interessenausgleich vorauszusetzende annähernde Kräftegleichgewicht fehlt.418 Es ist der Rechtsordnung keineswegs fremd und entspricht der Schutzfunktion der Grundrechte419, der Privatautonomie Grenzen zu setzen, wo derartige typisierbare Fallgestaltungen struktureller Unterlegenheit eines Vertragsteils vorliegen. Folgerichtig ist auch § 4 III TVG so auszulegen, dass der Vorrang der Tarif- vor der Privatautonomie nur dann aufgehoben wird, wenn Letztere geeignet ist, objektiv günstigere Vertragsbedingungen zu erzeugen. 413

Joost, ZfA 1984, 173 (178). „Eigene Wünsche haben zurückzustehen; die Selbstbestimmung beginnt frühestens nach dem Verlassen des Bürogebäudes. Viele Juristen wollen dies offensichtlich nicht wahrhaben. Wenn ein Arbeitnehmer sagt ,Ich will am Wochenende arbeiten‘ oder ,Ich will länger arbeiten‘, so wird dies als freiwillige Entscheidung betrachtet, so als hätte er sich entschieden, bei [. . .] einzukaufen.“ 415 Jeder müsse sich, um sich in der Konkurrenz zu behaupten, anpassen und Zumutungen und Wünschen der Vorgesetzten nachgeben, Däubler in: Krise des Flächentarifvertrags? Gesprächsdokumentation Otto Brenner Stiftung, S. 134 f. 416 Schuhmann, Grenzen, S. 107. 417 Bergner, Arbeitszeitregelungen, S. 45 ff.; so auch Käppler, NZA 1991, 745 (751). 418 Däubler in: Krise des Flächentarifvertrags? Gesprächsdokumentation Otto Brenner Stiftung, S. 135; vgl. dazu auch Junker, NZA 1997, 1305 (1307 f.), der aber nicht auf das Kräftegleichgewicht, sondern auf das Funktionieren des Marktes abstellt; Singer, JZ 1995, 1133 (1138 f.). 419 BVerfG v. 7.2.1990 E 81, 242 (254); v. 19.10.1993 E 89, 214 (233); v. 28.1.1992, NZA 1992, 270 (273). 414

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Gegen die subjektive Beurteilungsperspektive ist damit einzuwenden, dass die Preisgabe des besonderen Zusammenhanges zwischen Günstigkeit und Unabdingbarkeit der Tarifnormen nur auf einer schwachen und im Ergebnis nicht überzeugenden Grundlage steht.420 Veränderte soziologische Randbedingungen haben an der ursprünglichen Begründung des Schutzzwecks des Tarifvertrages nichts ändern können. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass nicht zu erkennen ist, weshalb verstärkte Individualisierung und gewachsenes Selbstbestimmungsbedürfnis von Arbeitnehmern die „klassischen“ Gefahren mangelnder Erkennbarkeit von Spätfolgen einer Entscheidung oder Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen des Arbeitgebers421 vermindert haben sollten.422 Insoweit besteht ein Unterschied zwischen dem Bedürfnis nach Individualisierung und dessen arbeitsvertraglicher Realisierbarkeit.423 Die Durchbrechung des zu Art. 9 III GG gehörenden Grundsatzes der Unabdingbarkeit tariflicher Rechtsnormen durch § 4 III TVG muss inhaltlich kontrollierbar bleiben. Die Qualität der Überprüfung genügt verfassungsrechtlichen Anforderungen aber nur, wenn den Gerichten ein objektivierendes Bezugsfeld, wie es in der „Kunstfigur des ,verständigen Arbeitnehmers‘“ bestehe, eröffnet wird. Das unbestimmte Rechtsmerkmal „zu Gunsten“ in § 4 III TVG kann daher nicht in eine subjektiv-reale Entscheidungstatsache umgewandelt werden. Genau das geschieht aber, wenn nicht mehr überprüft wird, was im inhaltlichen Sinn „günstiger“ ist, sondern ob etwas in einem Verfahrenssinn „gewollt“ war. Dabei geht es nicht um kulturelle oder soziologische Bewertungen der Entscheidungsfähigkeit i. S. d. „Mündigkeit“ von Arbeitnehmern424, sondern um die Sicherung des Unabdingbarkeitsanspruchs tariflicher Normsetzung. Die mit objektiven Erwägungen zum Inhalt der Günstigkeit in einem gewissen Maß unvermeidlich verbundene Fiktion ist rechtlich zumindest „genauer kontrollierbar als die schlichte Hinnahme der voluntas ohne Vergewisserung ihrer ratio“.425 Schließlich lassen sich verbandsrechtliche Erwägungen gegen die subjektive Beurteilungsperspektive anführen.426 Die Mitgliedschaft in einer Koalition löse eine Selbstbindung an diese und ihre in Tarifabschlüssen umzusetzenden und zu konkretisierenden Zielsetzungen aus. Aufgrund mitgliedschaftlicher Loyalitätspflichten seien die organisierten Arbeitsvertragsparteien an tarifliche Regelungskonzeptionen gebunden. Diese dürften nicht durch ein einzelvertraglich verein420

So Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 94. Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1075 m. N.). 422 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 94; Kohte, BB 1986, 397 (405). 423 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 94. 424 Vgl. dazu etwa Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (301); Heinze, NZA 1997, 1 (2); Junker, NZA 1997, 1305 (1315). 425 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 95. 426 Käppler, NZA 1991, 745 (751 f.). 421

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bartes Konzept der Arbeitsbedingungen konterkariert werden, das eine abweichende subjektive Vorstellung richtiger Vertragsbedingungen festlegt. Die Selbstbindung der Mitglieder werde nur unter den Voraussetzungen des § 4 III TVG eingeschränkt. Da eine Bewertung und Definition der Interessen der Arbeitsvertragsparteien bereits durch die Tarifvertragsparteien in Ausübung des Koalitionszwecks vollzogen wurde, seien die Arbeitsvertragsparteien an diese Interessenbewertung i. S. e. Mindeststandards verbandsrechtlich gebunden. Günstiger könne eine Regelung daher nicht schon deshalb sein, weil ein Arbeitnehmer die Interessen anders bewertet oder gewichtet. Aufgrund dieser Argumente ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die objektive Beurteilungsperspektive dem Günstigkeitsprinzip besser Rechnung trägt als die subjektive und Letztere daher abzulehnen ist. Dieses Ergebnis könnte jedoch von der Ansicht in Frage gestellt werden, die die Günstigkeit einer Vertragsbestimmung annimmt, sobald dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht eröffnet wurde. Der z. T. für ganz unterschiedliche Sachverhalte verwendete Begriff des Wahlrechts gibt Anlass zu weiteren Differenzierungen. Zunächst ist nochmals die „Altersgrenzen-Entscheidung“ des BAG427 zu nennen. Angesichts der Tatsache, dass zumindest das BAG auf diesen Ansatz nicht wieder zurückgekommen ist428, ist aber zu bezweifeln, dass die Entscheidung zu Recht argumentativ als Anbruch der „Epoche der Wahlfreiheit“ genutzt wurde. Eine nähere Auseinandersetzung mit ihr lässt durchaus eine differenzierte Betrachtung zu.429 Gegenstand war dort die Frage, ob eine arbeitsvertraglich festgelegte Altersgrenze für das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung herabgesetzt werden kann. Im Rahmen eines individuellen Günstigkeitsvergleichs war die rechtliche Lage des Arbeitnehmers in Bezug auf die Altersgrenzen einerseits nach dem Arbeitsvertrag und andererseits der Betriebsvereinbarung zu vergleichen. Da eine Altersgrenze die sonst bestehende Entscheidungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zwischen Fortsetzung und Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung einschränkt, hat der Senat darauf abgestellt, dass die Herabsetzung der Altersgrenze den Zeitraum verkürzt, in dem diese Entscheidungsmöglichkeit besteht und daher ungünstiger ist. Die Möglichkeit, über das Ende des Arbeitsverhältnisses bzw. Berufslebens frei zu entscheiden, ist danach ein rechtlicher Vorteil. Eine (Altersgrenzen-)Regelung sei um so günstiger, je länger die Wahl zwischen Arbeit und Ruhestand bestehe; jede Verkürzung sei ungünstiger.430 427

V. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG = BAGE 64, 211 ff. Schliemann, NZA 2003, 122 (124). 429 Vgl. Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 96 f. m. N. in Fn. 40. 430 BAGE 64, 211 (220 f.). 428

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Deshalb wird der Entscheidung z. T. die Aussage entnommen, dass nicht mehr die Günstigkeit der Regelung selbst, sondern die durch sie vermittelte Wahlmöglichkeit („je länger umso günstiger“) entscheidend sei.431 Zu seinem Ergebnis gelangte das BAG aber nicht schon aufgrund der Überlegung, dass die Wahlmöglichkeit schlechthin günstiger als die kollektive Regelung sei. Vielmehr führte der Vergleich der beiden einzelnen Abreden über denselben Regelungsgegenstand im Fall der Altersgrenzen zum genannten Resultat. Zu Recht hat T. B. Schmidt432 darauf hingewiesen, dass die genaue vertragliche Ausgestaltung maßgeblich für die Beurteilung der Günstigkeit sei und nicht bereits die Eröffnung einer Wahlmöglichkeit für sich schon die günstigere Regelung darstelle.433 Zu differenzieren sei zwischen Arbeitsverträgen, die eine Dispositionsmöglichkeit einräumten, und solchen ohne Wahlregelung. Angelehnt an diese Zweiteilung lassen sich gedanklich drei Konstellationen unterscheiden. Einmal kann die Günstigkeitsbeurteilung darauf gestützt werden, dass dem Arbeitnehmer die Wahl zwischen arbeits- und tarifvertraglicher Regelung eröffnet wird. Zweitens kann eine arbeitsvertragliche Regelung günstiger sein, weil sie ein Wahlrecht bzw. eine Rückkehroption zur tariflichen Regelung enthält.434 Drittens ist auf die Konstellation einzugehen, dass sowohl Arbeitsvertrag als auch Tarifvertrag jeweils ein Wahlrecht enthalten. In der ersten Konstellation wäre die Günstigkeit damit zu begründen, dass der Arbeitnehmer zwischen tariflichem und individualvertraglichem Arbeitszeitmodell entscheiden kann. Mit der oben gegen die subjektive Perspektive angeführten Begründung ist es aber nicht schon günstiger, zwischen zwei Regelungen zu wählen. Für den Fall, dass der Arbeitsvertrag selbst keine weitere Dispositionsmöglichkeit enthält, kann die „abweichende Abmachung“ i. S. d. § 4 III TVG nur als Folge eines Vertragsangebots zur Abweichung von der tariflichen Regelung vereinbart werden. Für die Wirksamkeit einer solchen vertraglichen Absprache bedarf es eines konkreten Günstigkeitsvergleichs.435 Gegen den Austausch eines solchen Vergleichs durch eine Wahlmöglichkeit und damit gegen die Umwandlung der „materiellen Rechtsfigur des Günstigkeitsvergleichs“ in ein „Verfahrensangebot“ spricht, dass das Günstigkeitsprinzip in einem besonderen, verfassungsrechtlich ausgestalteten Wirkungszusammenhang mit der grundsätzlichen Unabdingbarkeit tariflicher Rechtsnormen steht. Eine Abweichung muss deshalb in431

Leinemann, DB 1990, 732 (737). Günstigkeitsprinzip, S. 141 f. 433 Vgl. aber Löwisch, BB 1991, 59 (62); MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 51; ErfK-Schaub, TVG § 4 Rn. 71. 434 So MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 272 Rn. 51; ErfK-Schaub, TVG § 4 Rn. 71. 435 T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 141 f. 432

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haltlich kontrollierbar sein.436 Auch aus normlogischen Gründen kann in der Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen zwei Regelungsebenen die Entscheidung zu Gunsten eines der beiden Normsetzer nicht einem der beiden Beteiligten zugesprochen werden. Daher kann nicht der Arbeitnehmer entscheiden, welche Regelung er für günstiger hält.437 Die zweite Konstellation wäre gegeben, wenn der Arbeitnehmer nach der individualvertraglichen Regelung jederzeit zum tariflichen Modell mit Zeiterfassung bzw. Zeitkontenführung und Zuschlagspflicht für prekäre Arbeitszeiten zurückkehren kann. Diese arbeitsvertraglich eingeräumte Dispositionsmöglichkeit wird teilweise als die günstigere Lösung angesehen.438 Das ArbG Nürnberg439 hat unter Bezugnahme auf die Altersgrenzenentscheidung die durch Betriebsvereinbarung eingeräumte Möglichkeit, eine von tariflichen Vorgaben abweichende Arbeitszeitregelung frei zu vereinbaren, für in jedem Fall günstiger gehalten als die starre Festlegung der Arbeitnehmer auf den Tarifvertrag. Die Günstigkeit wurde dort nicht zuletzt auch deshalb bejaht, weil die Freiwilligkeit, mit dem Arbeitgeber ein abweichendes Arbeitszeitmodell zu vereinbaren und sich davon wieder lösen zu können, de facto vorgelegen hat und dies vom Arbeitgeber auch bewiesen wurde. Gegen die hinter der Entscheidung stehende Auffassung sprechen zunächst wiederum die bereits genannten Argumente. Wäre eine einzelvertragliche Abrede aber allein wegen der darin enthaltenen Option günstiger, unter den Schutz des Tarifvertrags zurückzukehren, so müssten selbst inhaltlich nachteilige Regelungen wirksam vereinbart werden können.440 Das ist aber mit Blick auf den Wortlaut des § 4 III TVG abzulehnen. Im Übrigen wird von den Kritikern441 wohl nicht zu Unrecht bezweifelt, dass die Rückkehroption in Anbetracht wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Arbeit einen effektiven Zuwachs an Entscheidungsfreiheit bringt. Innerbetriebliche Zwänge – sowohl arbeitgeberseitiger Druck als auch das Ansehen bei den Kollegen – können den Einzelnen abhalten, von der Möglichkeit der Rückkehr zu zeiterfassungsgestützten Systemen Gebrauch zu machen.442 In diesem Punkt wird deutlich, dass die Altersgrenzen-Entscheidung des BAG nicht verallgemei436 Höland/Reim/Brecht, Flächentarifvertrag und Günstigkeitsprinzip, S. 97; Bengeldorf, ZfA 1990, 563 (599); vgl. auch Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1084); Zachert, RdA 1996, 140 (148). 437 Wank, NJW 1996, 2273 (2277 f.). 438 Vgl. etwa T. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 141 f.; in diese Richtung Buchner, RdA 1990, 1 (16); vgl. Löwisch, NZA 1989, 959 (960); ders., BB 1991, (59) 62; ders., DB 1989, 1185 (1187). 439 V. 5.10.1990 – 12 BV 25/90 – DB 1990, 2605. 440 Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1078). 441 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 221 m. w. N.; Buschmann, NZA 1990, 387 (388). 442 Vgl. den Erfahrungsbericht in BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 602.

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

nerungsfähig ist;443 dort lag die arbeitnehmeruntypische Situation vor, dass bei der Entscheidung zwischen Weiterarbeit und Ruhestand der „Zorn des Arbeitgebers“ kaum mehr eine Rolle spielen dürfte.444 Die Entscheidung kann, wenn überhaupt, nur auf Fälle übertragen werden, in denen die überlegene Verhandlungsposition des Arbeitgebers keine Rolle spielt.445 Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und der Tatsache, dass Arbeitszeitflexibilisierung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung von den Arbeitgebern vorangetrieben wird, dürfte echtes Verhandlungsgleichgewicht auch diesbezüglich eher die Ausnahme sein. Die Rückkehroption von der arbeitsvertraglichen zur tariflichen Regelung ändert somit nichts daran, dass das Günstigkeitsprinzip den Vergleich zweier inhaltlicher Regelungen erfordert. Damit rückt die dritte Konstellation in das Betrachtungsfeld. Der Altersgrenzenentscheidung wird entnommen, dass nicht die Günstigkeit der Regelung selbst, sondern die durch sie vermittelte Wahlmöglichkeit entscheidend ist.446 Dahinstehen kann hier, ob das zur Lebensarbeitszeit Gesagte auf die Verlängerung der Wochenarbeitszeit „zwanglos übertragen“ werden kann.447 In beiden Fällen geht es der Sache nach darum, dass eine auf individuellen Wunsch längere Arbeitszeit proportional vergütet wird, was nach einer Auffassung vom Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung gedeckt ist.448 Selbst wenn man dieser Auffassung insoweit folgt und annimmt, die freie Entscheidung über den Umfang des Einsatzes der Arbeitskraft sei immer günstiger, lässt sich damit nicht die Günstigkeit der Wahl eines Arbeitszeitmodells wie der Vertrauensarbeitszeit begründen. Denn es geht hier gerade nicht darum, durch die individualvertragliche Verlängerung der Arbeitszeit einen Mehrverdienst zu erreichen. Die Vergütung bei Vertrauensarbeitszeit bemisst sich vielmehr nach wie vor nach der tariflichen Arbeitszeit. Eine gewisse Vergleichbarkeit der Altersgrenzen-Konstellation mit Vertrauensarbeitszeit ergibt sich aber daraus, dass bei ihr die arbeitsvertragliche Regelung ebenfalls ein Wahlrecht gewährt, nämlich bzgl. der jeweiligen Arbeitszeitlage. Insofern könnte die Einräumung von Arbeitszeitsouveränität die günstigere Regelung sein, weil die arbeitsvertragliche Regelung größere Spielräume eröffnet als der Tarifvertrag.

443

Linnenkohl/Rauschenberg/Reh, BB 1990, 628 (630); Zachert, RdA 1996, 140

(148). 444 445 446 447 448

Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 222. Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 222. Leinemann, DB 1990, 732 (737). Dazu Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (580). Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (580).

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Anders als in den zuvor betrachteten Fällen ist das Wahlrecht hier aber nicht als eine Erweiterung der Privatautonomie zu verstehen. Vielmehr wird bei Zeitsouveränität die „Wahlmöglichkeit“ durch die Übertragung des Leistungsbestimmungsrechts auf den Arbeitnehmer eröffnet. Somit erscheint auch unter diesem Blickwinkel eine Übertragung der Altersgrenzenentscheidung eher fraglich. Geht es also immer um den inhaltlichen Vergleich der einzelnen Abreden über denselben Regelungsgegenstand,449 spitzt sich die Frage i. S. einer objektiven Günstigkeitsbetrachtung dahingehend zu, ob ein arbeitsvertragliches Modell, das einen Zugewinn an Zeitsouveränität verspricht, inhaltlich stets das günstigere ist. Dies wurde aber oben bereits negiert. Aus dem bisher Gesagten folgt, dass nicht eine formal eingeräumte Wahlmöglichkeit allein für die Günstigkeitsbewertung entscheidend ist. Vielmehr enthält der Tarifvertrag auch Interessenbewertungen, die als Mindeststandards dem Arbeitnehmerschutz dienen. Dazu gehören etwa überschaubare Ausgleichszeiträume und Vorschriften zur Arbeitszeiteinteilung. Von ihnen kann nicht ohne weiteres abgewichen werden. Dabei geht es nicht nur um den Schutz des Arbeitnehmers „vor sich selbst“; vielmehr steht dahinter auch der Schutz des Arbeitnehmers vor dem Zugriff des Arbeitgebers, da dieser die Arbeitszeit über die Aufgaben- und Personalbemessung beeinflussen kann. Aus diesem Grunde können Begrenzungen der Arbeitszeit dem Arbeitnehmerschutz dienen. Sollen aber feste Arbeitszeiten zu Gunsten stärkerer Aufgabenorientierung zurückgedrängt werden, muss dies einhergehen mit anderen Mechanismen, die Schutz gegen Arbeitsüberlastung bieten. Auf die Regelung der Leistungsbedingungen wird noch einzugehen sein.450 IV. Ergebnis Grundsätzlich sind Regelungen über die Arbeitszeitlage einem Günstigkeitsvergleich zugänglich. Für die Günstigkeitsbeurteilung ist die objektive Beurteilungsperspektive heranzuziehen. Daher kann von tariflichen Vorschriften zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit nicht unter Berufung auf das Günstigkeitsprinzip abgewichen werden, solange hinter den Normen eine tarifliche Interessenbewertung steht.451 Regelungen zur Aufrechterhaltung der Grenzziehung zwischen Arbeit und Freizeit und zur Begrenzung des unternehmerischen Zugriffs auf die Zeitgestaltung wird man eine solche Interessenbewertung nicht absprechen können.

449 So auch explizit BAG v. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972 = BAGE 64, 211 (220). 450 s. unten § 2. 451 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 458 ff.; ders., NJW 1996, 2273 (2277 f.).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit ist somit auch nicht unter Berufung auf ein Wahlrecht des Arbeitnehmers günstiger. V. Insbesondere: Zusatzzeitbudgets und tarifliche Mehrarbeitszuschläge Einer gesonderten Betrachtung unterliegen diejenigen Bestandteile von Vertrauensarbeitszeit, die nicht nur die Lage der Arbeitszeit, sondern auch deren Dauer betreffen sowie, damit untrennbar verbunden, die Vergütungshöhe beeinflussen. Vertrauensarbeitszeitmodelle sind darauf angelegt, ohne Anordnung von Überstunden auszukommen, was zur Folge hat, dass tarifliche Mehrarbeitszuschläge entfallen. Für den Fall, dass die (tarif-)vertraglich geschuldete Arbeitszeit zur Bewältigung der anfallenden Arbeit nicht ausreicht, soll daher an die Stelle von Überstunden häufig eine individualvertragliche Vereinbarung sog. „Zusatzzeitbudgets“ treten.452 Derartige „Zusatzzeitbudgets“ dürfen vereinbart werden, wenn entsprechende tarifvertragliche Vorgaben bestehen.453 Fehlen diese jedoch, kann die Zulässigkeit einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung daran scheitern, dass tarifliche Arbeitszeitregelungen als unabdingbare Höchstarbeitszeiten zu verstehen sind. Ist man dagegen der Auffassung, dass Tarifnormen nur Mindestarbeitsbedingungen regeln dürfen und Tarifverträge folglich keine Arbeitszeitobergrenzen statuieren, und nimmt man darüber hinaus an, dass eine tariflich bezahlte längere Arbeitszeit günstiger ist, bestünden gegen Zusatzzeitbudgets keine Bedenken. Erst recht gilt dies, wenn man tariflichen Arbeitszeitbestimmungen die normative Wirkung überhaupt versagt. Die Reichweite der inhaltlichen Regelungsbefugnis der Tarifparteien für das Individualarbeitsverhältnis und damit das Problem, inwiefern individualvertragliche Verlängerungen der Arbeitszeit – ggf. unter Rückgriff auf das Günstigkeitsprinzip – zulässig sind, wird kontrovers beurteilt.454 So wird bereits bestritten, dass die Tarifvertragsparteien berechtigt sind, unabdingbare Obergrenzen für die Arbeitszeit aufzustellen. Ein Blick auf die denkbaren Inhalte von Regelungen zur Arbeitszeitdauer mag dies verdeutlichen.

452 Vgl. Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit; http://www. arbeitszeitberatung.de (12/2002). 453 So besteht z. B. nach § 5 Ziff. 5.4. des Ergänzungstarifvertrags Nordwürttemberg/Nordbaden der Daimler-Benz InterServices v. 3.9.1998 die Möglichkeit von projektbezogenen Zusatzzeitbudgets; zugleich ist bestimmt, dass die Differenzstunden zur individuellen regelmäßigen Arbeitszeit keine Mehrarbeit darstellen; vgl. Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1350 (S. 487 f.). 454 Vgl. dazu Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 321; § 1 Rn. 323; Schliemann, ArbR im BGB, § 611 Rn. 629.

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1. Zulässiger Inhalt von Arbeitszeitdauerregelungen Im Rahmen der ihnen durch § 1 TVG eingeräumten Regelungsmacht können die Tarifparteien grundsätzlich frei entscheiden, welchen Inhalt eine Arbeitszeitregelung haben soll. Dieser ist durch Auslegung des Tarifvertrags nach Wortlaut, System und Zielrichtung zu ermitteln.455 Anschließend ist die Frage zu beantworten, ob der gewollte Inhalt noch von der Regelungsmacht gedeckt ist. a) Grundlage für Entgeltbemessung Als erste und älteste Funktion von Arbeitszeitvereinbarungen und unstreitig anerkannt ist die der Entgeltbemessungsgrundlage. Als solche haben Arbeitszeitvorschriften lediglich zur Folge, dass für die Normalarbeitszeit die Grundvergütung und für Überarbeit Mehrvergütung gezahlt werden muss.456 Wäre dies die einzige zulässige Auslegungsmöglichkeit, käme tariflichen Arbeitszeitnormen gerade keine Normwirkung zu, mit der Folge, dass die Arbeitszeitdauer innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei vereinbart werden könnte.457 b) Umfang der Arbeitspflicht Ob auch der Umfang der Arbeitpflicht positiv geregelt werden soll und darf, wird unterschiedlich beurteilt. Nach Ansicht eines Teils der Literatur458 können tarifliche Arbeitszeitbestimmungen weder den Umfang der Arbeits- noch der Beschäftigungspflicht regeln, weil der Tarifvertrag nur gestaltend auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis einwirken, nicht aber den Rechtsgrund für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ersetzen könne. Diesen bilde vielmehr der Vertrag, in dem der Umfang der Beschäftigungspflicht ausschließlich festgelegt werde. Da die Vereinbarung der Arbeitszeitdauer konstitutiv für den Arbeitsvertrag sei, komme ohne sie bereits kein solcher zustande.459 Selbst wenn die Auslegung einer tariflichen Arbeitszeitvereinbarung den Willen der Tarifparteien zur Regelung des Umfangs der 455

Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 324. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 321; dies als einzigen Inhalt sehen etwa Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (304); Glaubitz, FS Däubler, S. 465 (470 f.); Richardi, ZfA 1990, 211 ff. 457 Vgl. Schweibert, Verkürzung, S. 149. 458 Vgl. u. a. Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 19 f.; Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (304); Glaubitz, FS Däubler, S. 465 (466 f., 471) mit Bezugnahme auf BAG v. 28.6.1972 AP Nr. 1 zu § 15 MTB II; Hromadka, AuA 1998, 73 (74); ders., DB 1992, 1042 (1043 f.); Richardi, DB 1990, 1613 (1618); ders., ZfA 1990, 211 (240); zu weiteren Nachweisen s. Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 42. 459 Glaubitz, FS Däubler, S. 465 (466 f.). 456

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Arbeitspflicht ergebe, sei diese unwirksam oder allenfalls schuldrechtlich aufrechtzuerhalten.460 Wenn aber die Frage nach der Arbeitszeit als dem Umfang der Arbeitsleistung und dem dafür geschuldeten Entgelt dem Tarifvertrag inhaltlich vorgelagert ist, so dass die Parteien frei darüber entscheiden können, sind nach dieser Auffassung Arbeitszeitverlängerungen auch unabhängig vom Günstigkeitsvergleich zulässig, weil der Maßstab der Günstigkeitsbeurteilung – Verhältnis von Leistung und Gegenleistung – versage.461 Die Gegenauffassung462 erblickt in tariflichen Arbeitszeitregelungen zulässige Normen über den Umfang der Arbeitspflicht. Zunächst spricht der Wortlaut einer Norm, die die „individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit“ festlegt, für den Willen der Tarifparteien zur Regelung des Umfangs der Arbeitspflicht.463 Ebenso sei dieser Wille aus dem Regelungszusammenhang zu entnehmen, wenn im Tarifvertrag die Verteilung der Arbeitszeit mitgeregelt ist.464 Im Übrigen lasse sich aus den tariflichen Regelungen, die eine Verpflichtung zu vorübergehender Mehrarbeit begründen, schließen, dass auch die regelmäßig geschuldete Arbeitszeit normativ geregelt sein soll.465 Aus der Rechtsprechung des BAG geht ebenfalls hervor, dass der Umfang der Arbeitspflicht tariflich normativ zu regeln ist.466 Entscheidend dürfte sein, dass die Tarifpartner gem. §§ 1 I und 4 I 1 TVG durch Rechtsnormen den Inhalt von Arbeitsverhältnissen regeln können, zu dem die Dauer der Arbeitszeit als Teil der essentialia negotii gehört.467 Aus Praktikabilitätsgründen wird es dem Willen der Tarifpartner entsprechen, den Inhalt der Arbeitsverhältnisse nicht erst über eine (anderenfalls erforderliche und zu 460

Vgl. zu diesem Streitpunkt Glaubitz, FS Däubler, S. 465 (471). So etwa Glaubitz, FS Däubler, S. 465 ff.; Hromadka, DB 1992, 1042 (1046); Richardi, FS Merz, S. 481, (495). 462 Etwa Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (577); Buchner, DB 1990, 1715 (1717); ders., AR-Blattei, SD 1550.5 Rn. 147 f.; Leinemann, DB 1990, 732 (734). 463 Vgl. Kreft, Grundfragen, S. 269 f., mit dem Hinweis, dass sich Rückschlüsse auf einen entsprechenden Regelungswillen der Tarifpartner allerdings nicht stets aus dem Wortlaut einer Tarifnorm ziehen ließen (z. B. „Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit . . .“). 464 So Glaubitz, FS Däubler, S. 465 (471). Ergibt nach dieser Auffassung die Auslegung, dass der Umfang der Leistungspflicht geregelt werden sollte, soll dies die Unwirksamkeit der Norm wegen Überschreitung der Tarifmacht zur Folge haben; ob diese Klauseln wenigstens schuldrechtlich aufrechtzuerhalten sind, ist str., Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 23 ff. 465 Buchner, DB 1990, 1715 (1716 f.); a. A. Glaubitz, FS Däubler, 465 (471), der aus tariflichen Mehrarbeitsregelungen eher den Gegenschluss ziehen will, dass normalerweise durch tarifliche Arbeitszeitregelungen gerade keine Arbeitspflicht begründet werden soll; ihm folgend Baedorf, Tarifvertragliche Regelung, S. 44 ff. 466 BAG v. 13.1.1987 AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit; BAG v. 11.11.1997 AP Nr. 25 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung = NZA 1998, 1011 (1012). 467 Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (577); Reichold, ZfA 1998, 237 (247, 254). 461

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konstruierende) Bezugnahme durch die Arbeitsvertragsparteien, sondern unmittelbar und normativ zu regeln.468 Folge dieser Auffassung ist, dass die Arbeitszeitregelungen als positive Inhaltsnormen gem. § 4 I TVG unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen gelten. c) Höchstnormen Ob den tariflichen Arbeitszeitregelungen darüber hinaus der Inhalt von Höchstarbeitsbedingungen beigemessen werden kann, die nicht überschritten werden dürfen, wird ebenfalls uneinheitlich beantwortet. Die Auffassung, tarifliche Arbeitszeitregelungen könnten zulässigerweise Höchstnormen enthalten, die auf niedrigerer Basis die Funktion des § 3 ArbZG erfüllen469 und die Anwendung des Günstigkeitsprinzips auf Arbeitszeitverlängerungen verbieten, wird heute noch vertreten.470 Zunächst ist dabei wiederum jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Tarifnorm als Höchstnorm verstanden werden kann. Gegen eine solche Regelungsabsicht der Tarifpartner wird angeführt, dass Tarifnormen stets nur Mindestarbeitsbedingungen enthielten, dass außerdem bei einer Interpretation als Höchstnormen die Überstundenzuschläge sinnlos wären und im Übrigen die Festlegung von Höchstnormen nicht vom Willen der Arbeitgeberseite gedeckt ist.471 Letztes kann aber keine Beachtung finden, wenn der entgegenstehende Wille der Arbeitgeberseite keinen Ausdruck im Wortlaut gefunden hat.472 Ebenfalls nicht überzeugend ist das Argument, die Tarifpartner würden selbst mit Mehrarbeitsregelungen die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit vorsehen473, denn in die Bestimmung der Obergrenze lässt sich selbstverständlich die vorübergehende Mehrarbeit einbeziehen.474 468 Kreft, Grundfragen, S. 270; Buchner, DB 1990, 1715 (1716), davon unberührt bleibt freilich die Möglichkeit der individualvertraglichen Unterschreitung der tariflichen Arbeitszeit, ebd.; ders., FS Dieterich, S. 29 (38 f.). 469 Buchner, AR-Blattei SD 1550.5 Rn. 146, der sie als negative Inhaltsnorm einordnet. 470 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 330; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 844, 849; Kreft, Grundfragen, S. 273; Stein, Tarifvertragsrecht, Rn. 438 ff.; Däubler, AuR 1996, 347 (351); Zachert, DB 1990, 986 (988); aus der älteren Lit.: Nikisch, Arbeitsrecht II, § 82 IV 4, S. 433; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip, S. 80. 471 Krauss, Günstigkeitsprinzip, S. 22, 41; Gitter, FS Wlotzke, S. 297 (304). 472 Kreft, Grundfragen, S. 41. 473 So aber Leinemann, DB 1990, 732 (734). 474 Buchner, DB 1990, 1715 (1716).

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Für die Auslegung als Höchstnormen lässt sich anführen, dass anderenfalls die Quotenregelungen in den Metalltarifverträgen475, mit denen die einzelvertragliche Verlängerung der Arbeitszeit auf einen bestimmten Prozentsatz der Belegschaft beschränkt werden soll, wie auch die detaillierten tariflichen Regelungen über Voraussetzungen und Ausgleich von Mehrarbeit überflüssig wären. Gerade die Regelungen zum Freizeitausgleich bei Überschreitung des Deputats sowie die für die Einführung von Mehrarbeit geforderte Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und die teilweise bestehenden Zustimmungserfordernisse der Tarifvertragsparteien476 deuten darauf hin, dass die Möglichkeit einzelvertraglicher Arbeitszeitverlängerung nicht bestehen soll.477 In diesem Zusammenhang sind auch die tariflichen Regelungen über die Arbeitszeitflexibilisierung zu sehen: Nach der wiedergegebenen Auffassung ergibt sich aus der Verteilung der Arbeitszeit der Wille, dass diese Vorgaben eingehalten werden; eine Überschreitung des Arbeitszeitrahmens verbietet sich daher.478 Folglich ist festzuhalten, dass eine Auslegung von Arbeitszeitnormen als Höchstnormen durchaus möglich ist. Damit ist allerdings noch nichts über deren Zulässigkeit gesagt. In der überwiegenden Literatur wird eine so weitgehende Kompetenz der Tarifpartner abgelehnt.479 Auf dem 61. DJT480 wurde die Rechtsprechung aufgefordert anzuerkennen, dass es Sache der Arbeitvertragsparteien ist, die Höchstgrenze der Arbeits- und Beschäftigungspflicht zu bestimmen. Dabei sind verschiedene Argumentationsansätze auszumachen. Zum einen wird der grundsätzliche Vorrang der Arbeitsvertragsparteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags und damit bei der Festlegung des zeitlichen Umfangs der Arbeitspflicht betont.481 Damit wird der Privatautonomie gegenüber der Kollektivautonomie der Vorrang eingeräumt.482 Das Leistungsversprechen sowie Vertragsänderungen/-erweiterungen i. S. v. Absprachen über Mehrarbeit seien den Arbeitsvertragsparteien vorbehalten; allenfalls sei denkbar, dass diese 475 A. A. Meyer in: Schliemann/Meyer, Arbeitszeitrecht, Rn. 1216: „Die bloße Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im § 3 Nr. 1 MTV lässt keinen Regelungswillen dergestalt erkennen, dass es sich hier um Höchstarbeitszeiten handelt.“ 476 §§ 3, 4 MTV Chemie. 477 So etwa auch Kreft, Grundfragen, S. 273 f. 478 Kreft, Grundfragen, S. 274; diesen Zusammenhang betont auch Glaubitz, FS Däubler, S. 465 (471). 479 Vgl. die Nachweise bei Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 328 ff. 480 Sitzungsberichte des 61. DJT 1996, Abt. Arbeitsrecht Bd. II 1 K 71. 481 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1636; Boemke, NZA 1993, 532 (536); Glaubitz, FS Däubler, S. 465 ff.; Richardi, NZA 1999, 617 (622); ders., DB 1990, 1613 (1616 f.); ders., ZfA 1990, 211 (230 ff.); siehe dazu bereits oben Pkt. b). 482 Vgl. Schliemann, NZA 2003, 122 (123).

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die Bestimmung der Arbeitszeit den Tarifvertragsparteien nach dem Modell des § 317 BGB übertragen.483 Teilweise wird mit der Beschränkung der Tarifmacht auf Mindestarbeitsbedingungen argumentiert, die aus § 4 III TVG folge484; tarifliche Wochenarbeitszeiten seien aber nur solange Mindestarbeitsbedingungen, wie dies aus Gründen des Gesundheitsschutzes geboten sei.485 Der aus Art. 9 III GG hergeleiteten Tarifautonomie seien Grenzen gezogen, da zwingende Arbeitszeitobergrenzen unterhalb von 40 Stunden Eingriffe in die Berufsfreiheit sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern darstellten.486 Die Beschränkung der Koalitionen auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen habe zur Folge, dass Arbeitszeitfestsetzungen, die nicht mehr durch den Gesundheitsschutz, sondern beschäftigungspolitisch motiviert sind, nicht mehr von der Tarifmacht gedeckt seien; derartige Normen seien nicht demokratisch legitimiert. Wegen des fehlenden beschäftigungspolitischen Mandats der Tarifpartner könne ein Eingriff in Art. 12 I, 2 I GG nicht gerechtfertigt werden.487 Nun soll an dieser Stelle keine umfassende Diskussion der Frage nach dem beschäftigungspolitischen Mandat stattfinden.488 Vielmehr ist nochmals zu betonen, dass alle Arbeitszeitverkürzungen aus gesundheitlicher Sicht durch erhöhtes Arbeitstempo und gestiegenen Leistungsdruck entwertet werden können.489 Wie Däubler490 betont, spielt der Gesundheitsschutz auch unterhalb der 40-Stunden-Grenze noch eine Rolle: Die Grenze zwischen akzeptabler und nicht mehr generell hinzunehmender Belastung ist nicht allein durch eine gesetzgeberische Entscheidung zu ziehen, sondern den Tarifparteien überlassen, für die das ArbZG mit seinen Abweichungsmöglichkeiten nur der äußerste Rahmen ist. Gerade bei ergebnisorientierter Arbeit wird 483 Richardi, DB 1990, 1613 (1616 f.); ders., 61. DJT, GA B 93; A. A. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 331: Kollektivvereinbarungen regeln nicht nur den jeweiligen Arbeitsvertrag, sondern das Arbeitsverhältnis insgesamt und dazu gehören auch Vertragsänderungen und Vertragsergänzungen. 484 Bengelsdorf, ZfA 1990, 563 (567) sieht in § 4 III TVG ein Verbot von Höchstarbeitsbedingungen. 485 Etwa Heinze, NZA 1991, 329 (335); ders., DB 1996, 729 (733): Höchstarbeitszeiten, die nicht mehr vom Gesundheitsschutz gedeckt sind, werden zu arbeitsvertraglich abwandelbaren, weil nicht verfassungsbeständigen Höchstarbeitsbedingungen. 486 Dazu etwa Richardi, DB 1990, 1613 (1615); Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1078 ff.); Art. 12 GG gewährleistet nicht nur die Freiheit, sich als Arbeitnehmer beruflich zu betätigen, sondern auch die Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers, vgl. etwa BVerfGE 7, 377 (398 f.); 50, 290 (363). 487 Bengelsdorf, ZfA 1990, 563, 570; Hromadka, AuA 1998, 73; ders., DB 1992, 1042 (1045); H.-P. Müller, DB 1999, 2310 (2314); Rieble, RdA 1999, 169 (176); ders., ZTR 1993, 54 (56); Zöllner, DB 1989, 2121 (2122). 488 Vgl. etwa Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 509 ff.; ausf. dazu Kreft, Grundfragen, S. 280 ff. 489 Ähnl. Kempen/Zachert, TVG, § 1 Rn. 153; Linnenkohl/Rauschenberg/Reh, BB 1990, 628; Zachert, DB 1990, 986 (987 f.). 490 DB 1989, 2534 (2325); AuR 1996, 347 (350).

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deutlich, dass allein die Tatsache der unter 40 Stunden liegenden tariflichen Arbeitszeiten noch keineswegs für einen optimal realisierten Gesundheitsschutz spricht. Der Gesundheitsschutz ist somit immer zugleich „Nebenprodukt“ von Arbeitszeitregelungen.491 Auch „die Verteidigung des erreichten Schutzniveaus gegen auf Absenkung gerichtete Bestrebungen der Marktkräfte“ wird durchaus von der Tarifautonomie erfasst.492 Darüber hinaus ist eine Beschränkung der Tarifmacht auf den Gesundheitsschutz im Lichte des Art. 9 III GG nicht zwingend und wird in der Literatur vielfach abgelehnt.493 Das Arbeits- und Wirtschaftsleben sei vielmehr darauf angewiesen, dass durch Inhaltsnormen – neben der Regelung des einzelnen Arbeitsverhältnisses – zugleich eine Verteilungsund Ordnungsaufgabe erfüllt werde. Insofern gehören Höchstarbeitszeiten und Regelungen über Mehrarbeit mit dem Ziel der Verknappung der nachgefragten Arbeitstätigkeit zu den grundrechtlich verbürgten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Neben der Preis- sei auch die Mengenbestimmung wesentlicher Verhandlungsparameter der Gewerkschaften.494 Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch nach dieser die Zuständigkeit der Tarifparteien zur Setzung von Höchstarbeitsbedingungen grundsätzlich befürwortenden Auffassung die Vereinbarkeit der Tarifvertragsbestimmungen mit Art. 12 GG im Einzelfall zu prüfen wäre.495 In diesem Sinne hat auch das BAG496 festgestellt, dass nicht alle Höchstarbeitszeitregelungen schlechthin verfassungswidrig sind. Bei der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Tarifautonomie und Berufsausübungsfreiheit nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sollten nicht nur Individualinteressen, sondern auch Belange der Koalition wie Solidarität und sogar Interessen Dritter hier in der Abwägung berücksichtigt werden. Eine abschließende höchstrichterliche Klärung der Frage ist damit allerdings wohl nicht erfolgt.497 Fällt indessen die Antwort der nicht pauschal zu beantwortenden Frage i. S. der h. M. dahingehend aus, dass zwingende tarifliche Höchstarbeitszeiten unzulässig sind, muss eine weitere Auseinandersetzung mit dem Günstigkeits491

So zu Recht Kreft, Grundfragen, S. 291. Kreft, Grundfragen, S. 291. 493 Vgl. etwa Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 483; Stein, Tarifvertragsrecht, S. 439; P. Hanau, RdA 1998, 65 (68); Richardi, FS Merz, S. 481 (492); weitere zahlreiche Nachweise bei Kreft, Grundfragen, S. 281 (Fn. 1031); aus der Rspr. BAG v. 14.10.1997 AP Nr. 1 zu § 10 a AVR Caritasverband = NZA 1997, 778 (779). 494 Wiedemann, RdA 1997, 297 (298 f.); ähnl. auch Linnenkohl/Rauschenberg/Reh, BB 1990, 628. 495 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 333 ff.; ders., RdA 1997, 297 (304); Richardi, FS Merz, S. 481 (492). 496 BAG v. 25.10.2000 AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Internationaler Bund = NZA 2001, 328 (330). 497 So Meyer in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1216, die Entscheidung bezog sich auf die vorübergehende Absenkung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit durch Firmentarifvertrag gegen Teillohnausgleich und erhöhten Bestandsschutz. 492

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prinzip erfolgen. Dagegen würde dieses gegenüber Höchstarbeitszeitregelungen keine Anwendung finden,498 weil anderenfalls dadurch die Unabdingbarkeit des Tarifvertrags in Frage gestellt würde und die Regelarbeitszeitdauer sowie die Arbeitszeitlage499 nur noch „Empfehlungscharakter“ hätte.500 2. Günstigkeitsbeurteilung Da Anliegen von Zusatzzeitbudgets die Vermeidung zuschlagspflichtiger Mehrarbeit ist und Zusatzarbeitszeit daher entweder zuschlagsfrei als abgegolten angesehen oder angespart werden soll, bestehen Schwierigkeiten, dieses Regelungsinstrument mit dem Günstigkeitsprinzip zu rechtfertigen. Ausgehend von der Annahme, dass eine verlängerte Arbeitszeit mit proportional höherem Verdienst verbunden ist, ließe sich die Günstigkeit der Arbeitszeitverlängerung u. U. noch begründen.501 Stellt man aber darauf ab, dass die über die tarifliche Regelarbeitszeit hinausgehenden Stunden zuschlagspflichtig sind, könnte sich die Tatsache als ungünstiger erweisen, dass aufgrund der individualvertraglichen Arbeitszeitverlängerung nur die Grundvergütung fällig wird.502 Sieht eine Tarifregelung Zeitzuschläge für jede über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinausgehende Arbeitsstunde vor, unabhängig davon, auf welcher Grundlage die Arbeit beruht, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf den Tariflohn, auch wenn seine Arbeitszeit individualvertraglich verlängert ist.503 Macht die Tarifregelung dagegen die Zahlung von Zuschlägen von der Einführung von Mehrarbeit auf tariflicher Grundlage abhängig, hätte der Arbeitnehmer keinen Anspruch, wenn er aus anderen Gründen die tarifliche Wochenarbeitszeit überschreitet. Für die Fälle dauerhafter Arbeitszeitverlängerung hat Buchner vorgeschlagen, danach zu differenzieren, ob im Betrieb Mehrarbeit auf Grundlage des Tarifvertrags generell oder nur für einen Teil der Arbeitnehmer, nicht aber für den Arbeitnehmer mit arbeitsvertraglicher Überstundenabrede, angeordnet wird. Bei genereller Anordnung soll auch dieser einen Anspruch auf den Mehrarbeitszuschlag haben. Nur wenn feststehe, dass der Arbeitnehmer ohnehin nicht zur tariflichen Mehrarbeit herangezogen worden wäre, entfalle ein 498 Däubler, DB 1989, 2534 (2538); Linnenkohl/Reh/Rauschenberg, BB 1990, 628; Zachert, DB 1990, 986 (988 f.); aus der älteren Lit. Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/ 1, § 30 X 3 b, S. 609. 499 Zachert, DB 1990, 986 (988 f.). 500 Däubler, DB 1989, 2534 (2538). 501 Vgl. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 334; Buchner, DB 1990, 1715 (1720 f.); a. A. etwa Schlüter, FS Stree und Wessels, S. 1061 (1073 f.), mit dem Argument, dass die einbezogenen Regelungsgegenstände nicht kompensatorisch, sondern synallagmatisch verknüpft sind; LAG Baden-Württemberg v. 14.6.1989 DB 1989, 2028 (2029). 502 Däubler, DB 1989, 2534 (2537). 503 Buchner, DB 1990, 1715 (1720).

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Anspruch. Er erbringe seine Arbeitsleistung damit zwar zu schlechteren als den tariflichen Bedingungen. Da der Arbeitnehmer aber nach dem Tarifvertrag gar keine Möglichkeit zur Mehrarbeitsleistung gehabt hätte, sieht Buchner die Günstigkeit der Vertragsabrede in der Chance der Erbringung übertariflicher Arbeitszeit gegen Entgelt.504 Die Tatsache, dass statt des Überstundenzuschlags nur das Regelgehalt gezahlt wird, ist nach diesem Vorschlag der Preis für die Unsicherheit, Überstunden leisten zu dürfen.505 Zusatzzeitbudgets werden aber gerade in Situationen vereinbart, in denen die regelmäßige individuelle Arbeitszeit vorübergehend nicht ausreicht, und daher für den betroffenen Arbeitnehmer Überstunden fällig würden, etwa weil ein bestimmtes Projekt fertig zu stellen ist. Daher hätte er Anspruch auf die tarifliche Mehrarbeitsvergütung. Dass durch das Instrument der Zeitbudgets die generelle Anordnung von zuschlagspflichtigen Überstunden gerade vermieden werden soll, ändert an diesem Befund nichts. Erhält der Arbeitnehmer für die von ihm übernommenen zusätzlichen Stunden nur das normale Tarifentgelt, liegt in der Vereinbarung von Zusatzzeitbudgets eine Schlechterstellung gegenüber dem Tarifvertrag.506 Der Verlust tariflicher Zuschläge kann im Übrigen auch nicht ohne weiteres durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen einer pauschalen Überstundenvergütung ausgeglichen werden. Sofern keine tarifliche Öffnungsklausel besteht, sind solche Vereinbarungen nur möglich, wenn sie günstiger als die tarifliche Regelung sind.507 Ungeachtet der Frage also, ob ein finanzieller Vorteil eine Arbeitszeitverlängerung überhaupt als günstiger erscheinen lässt508, kann eine Pauschalabgeltung je nach dem Anfall von Mehrarbeit günstigere oder ungünstigere Auswirkungen haben. Solche ambivalenten Bedingungen, die sich sowohl als günstiger als auch als ungünstiger erweisen können, setzen sich aber gegen tarifliche Regelungen nur durch, wenn im Voraus feststellbar ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer vorteilhaft auswirken.509 Eine Vereinbarung, die nur eine unwesentliche Steigerung gegenüber den Tarifgehältern enthält und keine Begrenzung der Zahl der Überstunden vorsieht, erweist sich in diesem Sinne nicht als günstiger.510

504

Buchner, DB 1990, 1715 (1721). Abl. Däubler, DB 1989, 2534 (2537). 506 Vgl. Däubler, DB 1989, 2534 (2537). 507 Schaub, ArbRHdb., § 69 Rn. 16; vgl. BAG v. 17.4.2002 AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung. 508 Nach der Gegenauffassung ist der Verlust an Freizeit stets ungünstiger, so dass es auf die Frage nach erhöhter Vergütung nicht ankommen soll, vgl. zum Streitstand Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 492 ff.; Schuhmann, Grenzen, S. 117 f. 509 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 452 m. N. 510 So BAG v. 17.4.2002 AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung. 505

§ 2 Sonstige Möglichkeiten der Leistungsregulierung

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3. Zwischenergebnis Enthält der Tarifvertrag eine Begrenzung der Arbeitszeitdauer und sieht er für Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit Zuschläge vor, so sind Vereinbarungen über Zusatzzeitbudgets, für die nur die Grundvergütung gezahlt werden soll, nicht vom Günstigkeitsprinzip gedeckt.

§ 2 Sonstige Möglichkeiten der Leistungsregulierung Tarifverträge können aber nicht nur auf die Begrenzung von Vereinbarungen gerichtet sein, deren direkter Gegenstand die Arbeitszeit ist, sondern auch auf die Gestaltung derjenigen Arbeitsbedingungen, die indirekt vergleichbare Wirkungen aufweisen: So sind z. B. Arbeitspensum und Personalstärke ebenso mitbestimmend für die Arbeitsbelastung wie die Arbeitszeit selbst. Da sich die Gefahr der Entgrenzung der Arbeitszeit im Rahmen neuer Formen der Arbeitsorganisation nicht allein aus dem direkten Zugriff auf das Arbeitszeitregime selbst ergibt, sondern zusätzlich über den „,Umweg‘ steigenden Termin- und Leistungsdrucks“ vorangetrieben wird511, fordern gewerkschaftliche Alternativkonzepte512 zur Vertrauensarbeitszeit die Einbeziehung einer Regelung der genannten Leistungsbedingungen.513 Zugleich sieht sich aber der Vorschlag, über die Steuerung der Arbeitsmenge die Arbeitszeit zu begrenzen, unter praktischen und rechtlichen Gesichtspunkten 511

IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 40. In einem von „ver.di“ in Auftrag gegebenen Forschungsprojekt zur humanen Gestaltung von Arbeit (vgl. Zanker, Neue Maßstäbe) wird konzediert, dass Arbeitszeitregelungen an die Erfordernisse der Wissensproduktion angepasst werden müssten, wozu keine erzwungene Reduzierung von Arbeitszeit notwendig sei, sondern die Einrichtung von Arbeitszeitkonten als Flexibilitätspuffer. Zum anderen sei wichtig, den Arbeitnehmern ihr Zeitbewusstsein wieder zu vermitteln und die Arbeitsorganisation zu verbessern. Gefordert wird eine mit der gestiegenen Verantwortung für die eigene Arbeit einhergehende Erweiterung von Partizipationsmöglichkeiten der Beschäftigten. Der Hebel für die Regulierung der Arbeit von Wissensarbeitern wird bei den Zielvereinbarungen gesehen, die, sofern sie partnerschaftlich zustande kommen und die Interessen beider Seiten berücksichtigen, als bester Garant für gute Arbeitsbedingungen betrachtet werden. Dabei habe eine gerechte Festlegung von Einkommen, Leistung, Karriere und Qualifizierung zu erfolgen. Eine gewerkschaftliche Innovationspolitik müsse ein Leitbild humaner Arbeit entwickeln, das sowohl den Anforderungen der Wissensproduktion, den persönlichen Bedürfnissen der hochqualifizierten Beschäftigten als auch den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht wird. Dafür werden Kennzahlen für das Ausmaß der Partizipation, die Transparenz von Entscheidungen oder Möglichkeiten zur Qualifizierung vorgeschlagen. 513 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 44. Das Modell Vertrauensarbeit müsse in seiner Verknüpfung mit dem Konzept der „indirekten Steuerung“ gesehen werden (ebd., S. 39), insoweit wird von einer „strategischen Allianz“ zwischen Arbeitszeit- und Leistungspolitik gesprochen (ebd., S. 40). 512

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Bedenken ausgesetzt. Denn Voraussetzung dafür wäre eine Quantifizierbarkeit der Arbeit. Hingewiesen wird denn auch auf die im Zusammenhang mit der Festlegung einer „Normalleistung“ bestehenden Probleme.514 Sie bestehen darin, dass dies grundsätzlich nur bei standardisierten Arbeitsaufgaben möglich ist und eine ständige Qualitätskontrolle erfordert, weil sie das Bestreben fördert, schnell fertig zu werden.515 Ein solches de facto (Stück-)Akkordsystem passt indessen nicht mehr zu den Aufgabenanforderungen in solchen Tätigkeiten, die sich für die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit besonders eignen. Weil der Angestellten- und Zeitlohnbereich im Gegensatz zum Akkord- und Prämienlohn mit den dort bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen und tariflichen Mitbestimmungsrechten über die Arbeitsmenge leistungspolitisch wenig regulierbar sei, überschätzt der u. a. von Hamm516 angeregte Ansatz zur Regulierung der Leistungsbedingungen auch nach Meinung des IG Metall-Vorstands517 die dafür bestehenden Möglichkeiten. Demnach stoßen Regelungen zum Leistungsumfang im Angestelltenbereich auch bei den Angestellten selbst auf Bedenken, weil die Vereinbarung quantitativer Leistungsstandards wegen der mangelnden Vorhersehbarkeit des Arbeitsanfalls praktisch für nicht möglich gehalten wird.518 Auf die Schwierigkeiten gerade im Angestelltenbereich wurde lange vor der Diskussion über die Vertrauensarbeitszeit hingewiesen519, als es tarifpolitisch darum ging, einer zunehmenden Leistungsverdichtung in diesem Bereich entgegenzuwirken. Geistige Arbeit gilt als schwer normierbar; das Fehlen homogener Abläufe und die Vielzahl parallel oder nacheinander ablaufender Prozesse machen eine Orientierung an der vom Zeitlohnakkord bekannten Vorgabezeit unmöglich.520 Beispielhaft mag der wenig erfolgversprechende Versuch sein, eine bestimmte Zeitdauer für Kundengespräche festzulegen.521 Dennoch bestehende Möglichkeiten der Regulierung von Arbeitspensen werden von der IG Metall etwa in der Definition der auszuführenden Arbeiten oder in der Festlegung der Zahl der Bearbeitungsfälle bzw. der Begrenzung auf bestimmte Zuständigkeitsbereiche gesehen.522 Es ist auch vorgeschlagen worden, in ein Überprüfungsverfahren bzgl. der zugewiesenen Aufgaben einzutreten, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen der freiwilligen Arbeitszeitgestaltung seine regelmäßige Arbeitszeit dauerhaft523 um mehr als 15% pro Monat überschreitet oder wenn er eine 514

Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 25. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 25. 516 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 83; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 218, 421; ders., AiB 2000, 152 (160). 517 Vertrauensarbeitszeit, S. 42. 518 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47. 519 Balduin in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (1. Aufl.), S. 473 (492). 520 Balduin in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (1. Aufl.), S. 473 (492). 521 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47. 522 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47; zum Schwerpunkt der IG Metall-Vorschläge – Steuerung über die Personalbemessung – s. a. a. O., S. 48 f. 515

§ 2 Sonstige Möglichkeiten der Leistungsregulierung

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Überforderung reklamiert. Für diesen Fall sei eine Kontrolle der übertragenen Arbeitsmenge durch einen „Steuerungskreis“, ggf. unter Hinzuziehung von Sachverständigen, vorzusehen, um die Angemessenheit der Arbeitszuteilung zu ermitteln, ggf. sei die Arbeitsbemessung zu ändern oder die Rückkehr des Arbeitnehmers in die Regelarbeitszeit zu veranlassen.524 Wenn auch bestimmte Arbeitsaufgaben, wie etwa Kundenbetreuung, überhaupt nicht quantifizierbar sein mögen, bietet sich trotz aller Skepsis zumindest in bestimmten Bereichen die Steuerung des Arbeitsvolumens als mögliche Alternative zur Arbeitszeitsteuerung an. Eine Einflussnahme auf die Arbeitsintensität kann auch durch eine entsprechende Ausgestaltung der Personalbemessung erfolgen. Dass die angemessene Personalausstattung eine wesentliche Bedingung für die Erledigung zugewiesener Aufgaben innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit ist525, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis. Die Leistungsverdichtung infolge der tariflichen Arbeitszeitverkürzung hat schon zu Beginn der 1990er Jahre eine Beschäftigung mit dem Problem erforderlich gemacht.526 Die Vorstellung über eine bestimmte zu erbringende Leistung drückt sich durch die Festlegung der Anzahl der Personen aus, die die Arbeit zu erledigen haben. Unterstellt wird mit der Personalbemessung eine bestimmte Arbeitsmenge, die in der zur Verfügung stehenden Zeit erledigt werden kann, oder die erforderliche Zeitdauer, die für die Erledigung der Aufgaben zugrunde gelegt wird.527 Es stellt sich hierbei die Frage, inwiefern die genannten Themenfelder tariflich regelbar sind. Bezüglich des Arbeitspensums kann z. B. verwiesen werden auf tarifliche Regelungen über Zielvereinbarungssysteme, die unangemessen hohen Leistungsabforderungen entgegenwirken sollen.528 Besonders kontrovers wird aber beurteilt, inwiefern Regelungen zur Personalbemessung noch im Rahmen der durch Art. 9 III GG geschützten Tarifautonomie liegen. Da es sich hierbei um eine Frage der Arbeitsorganisation handelt, 523

Z. B. über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 421 f. 525 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 61; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 213; IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47 ff.; Ehlscheid/Schild/Wagner in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (2. Aufl.), S. 487 (511). 526 Balduin in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (1. Aufl.), S. 473 (495). 527 Vgl. dazu Balduin in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (1. Aufl.), S. 473 (495 ff.); Ehlscheid/Schild/Wagner in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (2. Aufl.), S. 487 (495 f.). 528 Als frühes Beispiel kann der Ergänzungs-TV bei der DaimlerChrysler Services (debis) AG genannt werden, dazu Deller/Münch, PersF 10/1999, 70 ff.; vgl. auch TV Nr. 64 der Deutschen Post AG v. 11.6.1999 (s. dazu BAG v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/ 02). In den MTV der Metallindustrie sind zum Schutz vor Leistungsverdichtung Vorschlags- und Reklamationsrechte der Arbeitnehmer vorgesehen, vgl. Ehlscheid/Schild/ Wagner in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (2. Aufl.), S. 487 (514 f.). 524

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

die unternehmerische Organisation und Planung aber das „Vorfeld“ der tariflich regelbaren Arbeitsbedingungen bilde, werden tarifliche Regelungen mit Auswirkungen auf die Personalbemessung teilweise als „Einbruch in die Grundstrukturen unseres Tarifsystems“ bezeichnet.529 Entscheidend ist mithin das Verhältnis zwischen Tarif- und Unternehmensautonomie.530 V. a. kommt es darauf an, ob die Tarifautonomie auf die Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen beschränkt ist oder schon im Planungsstadium ansetzen kann.531 In einer Entscheidung, in der es um die Zulässigkeit einer Tarifforderung nach Zeitzuschlägen innerhalb eines Personalbemessungssystems und damit um eine in die unternehmerische Planung des Personalbedarfs hineinreichende Frage ging, hat das BAG532 einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt.533 Es hat ausgeführt, dass weder die in Art. 12 I GG verankerte Unternehmensautonomie noch die aus Art. 9 III GG hergeleitete Tarifautonomie so ausgeübt werden dürfe, dass die andere leer läuft. Vielmehr seien die Grundrechtsgewährleistungen so auszudeuten, dass beide jeweils bestmöglich wirksam werden. Die Unternehmensautonomie wäre unzureichend beachtet, wenn ihr die Tarifautonomie keinerlei tariffreien Betätigungsbereich mehr lassen würde. Es könnten deshalb nicht sämtliche unternehmerische Entscheidungen tarifvertraglich geregelt werden.534 Als kollektives Arbeitnehmerschutzrecht könne eine tarifliche Regelung gegenüber der Unternehmensautonomie nur dort eingreifen, wo eine unternehmerische Entscheidung diejenigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Belange der Arbeitnehmer berührt, die sich gerade aus deren Eigenschaft als abhängig Beschäftigte ergeben. Dementsprechend seien unternehmensautonome Entscheidungen der Geschäftsleitung solche über Investitionen, Produktion und Vertrieb. Die tarifvertragsfreie Unternehmensautonomie gehe aber nicht soweit, dass die Gewerkschaften darauf beschränkt wären, nur soziale Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidungen zu regeln. Würden Arbeitsbedingungen verändert, sei es aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer gleichgültig, ob die soziale Frage bereits Teil oder erst Folge der Unternehmensentscheidung sei. Dies gelte insbesondere für die Fälle, in denen besonders belastende Folgen unternehmerischer Entscheidungen im Nachhinein nicht mehr hinreichend gemildert werden könnten. Deshalb beziehe sich der Regelungsauftrag des Art. 9 III GG immer dann, wenn sich die wirtschaftliche und die soziale Seite einer unternehmerischen Entscheidung nicht trennen 529

Loritz, ZTR 1990, 455 f. Beuthien, ZfA 1984, 1 (11 ff.); vgl. D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 80; s. auch die Darstellung bei Loritz, ZTR 1990, 495 ff. 531 Vgl. dazu Beuthien, ZfA 1984, 1 (14). 532 V. 3.4.1990 AP Nr. 56 zu Art. 9 GG = NZA 1990, 886 ff. 533 Noch weitergehend D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 81; Weyand, AuR 1991, 65 ff. 534 Vgl. auch Beuthien, ZfA 1984, 1 (12). 530

§ 2 Sonstige Möglichkeiten der Leistungsregulierung

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ließen, zwangsläufig auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung. Einen solchen Fall hat das BAG darin erblickt, dass der Arbeitgeber ein Personalbemessungssystem einführen wollte, das Auswirkungen auf die Arbeitsgeschwindigkeit hatte. Um die soziale Folge der Arbeitsverdichtung abzumildern, war hier die Tarifforderung nach Zeitzuschlägen noch von Art. 9 III GG gedeckt.535 Entscheidungen zur Personalbemessung und zur Arbeitsumgebung sollten nach einer Ansicht zum Gegenstand tariflicher Bestimmungen gemacht werden können, wenn sie dem auch nur entfernten Schutz der Arbeitnehmer dienten.536 Nach gegenteiliger Auffassung ist die Tarifforderung nicht mehr von der Tarifautonomie gedeckt. Deren Aufgabe bestehe nur in der Regelung der Rechtsbeziehungen der tarifgebundenen Arbeitnehmer, nicht aber in der allein dem Unternehmer obliegenden Planung und Organisation, die nicht Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden.537 Ob die o. g. Entscheidung die Tarifautonomie zu stark einschränkt538 oder im Gegenteil ihre Grenze zu weit ausdehnt539, kann an dieser Stelle offen bleiben. Der Entscheidung des BAG ist als Kernaussage jedenfalls zu entnehmen, dass die Arbeitsintensität tariflich durch Betriebsnorm regelbar ist.540 Unter Anerkennung der unternehmerischen Entscheidungsprärogative als Grenze der Tarifautonomie541 und Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Art. 12 I GG seitens des Arbeitgebers und Art. 9 III GG seitens der Gewerkschaft542, ist eine tarifliche Regelung zur Personalplanung auch dann als zulässig anzusehen, wenn hiermit ein Eingriff in die Unternehmensautonomie verbunden ist. Da die „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ die Gesamtheit der Bedingungen erfassen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird oder die aus ökonomischer Sicht den Arbeitsmarkt regulieren,543 gehören sie sowohl zu jeder Geschäftsführung als auch zum Regelungsauftrag der Koalitionen544 mit der Folge, dass auch die Personalplanung davon erfasst sein kann, wenn sie im Zusammenwirken mit anderen Faktoren nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer mit sich bringt. Die Personalplanung ist nur ein Teilaspekt der

535

BAG v. 3.4.1990 AP Nr. 56 zu Art. 9 GG = NZA 1990, 886 (889). Weyand, AuR 1991, 65 (70) m. N. 537 Loritz, ZTR 1990, 495 (500). 538 Weyand, AuR 1991, 65 (69 f.); Kritik an der „Unternehmensautonomie“ als Grenze des tariflich Regelbaren Däubler, PersR 1990, 243 (244); D/K/K-Kustode/ Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 81. 539 Loritz, ZTR 1990, 495 (498 ff.); Reuter, Anm zu BAG v. 3.4.1990, EzA Art. 9 GG Nr. 49. 540 BAG v. 3.4.1990 AP Nr. 56 zu Art. 9 GG = NZA 1990, 886 (888); Däubler, Anm. zu BAG v. 3.4.1990, PersR 1990, 238 ff. (243). 541 Krit. insoweit D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 81; Weyand, AuR 1991, 65 (69 f.). 542 Vgl. Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 456; ErfK-Kania, BetrVG Einl. vor § 74 Rn. 7. 543 Vgl. Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99 m. w. N. 544 Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99. 536

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

Unternehmensautonomie, so dass von einem unverhältnismäßigen Eingriff nicht in jedem Fall ausgegangen werden kann. Eine den Kernbereich der Unternehmerfreiheit verletzende Beeinträchtigung wird etwa angenommen, wenn eine Tarifregelung dem Unternehmer die Herrschaft über das Unternehmen selbst und die mit ihm verfolgten Ziele entziehen würde. Die Entscheidung über Bestand, Umfang und Zielsetzung des Unternehmens muss deshalb zwingend dem Unternehmensträger verbleiben.545 Da sich extreme Lösungen verbieten,546 dürften Regelungen mit Auswirkungen auf die Personalplanung von der Tarifmacht jedenfalls dann noch gedeckt sein, wenn sie von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht werden und gleichsam als kompensatorische Regelungen für anderweitige Zugeständnisse bzgl. des Arbeitnehmerschutzes fungieren sollen. In der Regulierung der Leistungsbedingungen liegt insofern eine Möglichkeit zur Flankierung ergebnisorientierter selbstbestimmter Arbeitszeit.

§ 3 Durchsetzung der Tarifnormen Nachdem oben festgestellt werden konnte, dass die normative Geltung der tariflichen Arbeitszeitregulierung im Falle der Vertrauensarbeitszeit nicht mit Hilfe des Günstigkeitsprinzips überwunden werden kann, und weil ein Verzicht auf tariflich entstandene Rechte gem. § 4 IV 1 TVG weitgehend verboten und nichtig ist547, hängt die Schutzwirkung tariflicher Regelungen davon ab, inwieweit sie tatsächlich durchgesetzt werden. V. a. durch schlichte Nichtanwendung tariflicher Vorschriften und die Diskussion um die Neudefinition des Günstigkeitsprinzips ist in der Praxis die Geltungskraft der Tarifverträge in Frage gestellt.548 Diese empirischen Befunde lassen sich nicht zuletzt mit den eingeschränkten Möglichkeiten zur Durchsetzung tariflicher Normsetzung begründen549. Es ist in erster Linie Sache der Normadressaten selbst, ihre tariflichen Rechte geltend zu machen.550 Die Individualklage des einzelnen Arbeitnehmers ist aber ohnehin die schwächste Rechtsschutzmöglichkeit, weil i. d. R. die Sorge um die künftige berufliche Entwicklung ihn im laufenden Arbeitsverhältnis von rechtlichen Schritten abhalten dürfte.551 Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitszeiten, weil „Zeitverbrauchsdenken“ als Indikator für man545 So ErfK-Kania, BetrVG Einl. vor § 74 Rn. 7 m. w. N.; Meier-Krenz, Erweiterung, S. 98 m. w. N. 546 Vgl. Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99. 547 Vgl. dazu Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 245. 548 Kittner, FS Stahlhacke, S. 247 (248); Schlachter, ZIAS 1997, 101 (106 f.). 549 Dazu Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 29 ff. 550 MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 275 Rn. 1; Gamillscheg, AuR 1996, 354 (355); LAG Mainz v. 10.4.2003 – 4 TaBV 7/03 – n. v. 551 Kittner, FS Stahlhacke S. 247 (250); Schlachter, ZIAS 1997, 101 (108).

§ 4 Ergebnis

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gelnde Leistungsbereitschaft ausgelegt werden kann. Wird die Einhaltung tariflicher Arbeitszeitgrenzen bei Vertrauensarbeitszeit in die Verantwortung der Arbeitnehmer gelegt, ist nicht davon auszugehen, dass Individualrechtsschutz hier eine nennenswerte Durchsetzungschance bietet. Dennoch existiert keine kollektivrechtliche Durchsetzungsmöglichkeit, weder der Betriebsrat552 noch die Gewerkschaft kann auf Erfüllung zu Gunsten des einzelnen Arbeitnehmers klagen.553 Mit der der Gewerkschaft gegen den Arbeitgeberverband zur Verfügung stehenden Feststellungsklage kann zwar – gem. § 9 TVG für die Tarifgebundenen verbindlich – Klarheit über den Inhalt von Tarifnormen geschaffen werden554, eine operative Wirksamkeit der Vorschriften im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien ist damit aber nicht verbunden.555 Auch der Einwirkungsanspruch der Gewerkschaft gegenüber dem Arbeitgeberverband, der auf einen tarifuntreuen Arbeitgeber einzuwirken hat, ist kaum erfolgversprechender, weil es im Ermessen des Arbeitgeberverbandes steht, wie nachhaltig er die Einwirkung vornimmt.556

§ 4 Ergebnis Tarifliche Regelungen können die den Betrieben und Arbeitsvertragsparteien zur Verfügung stehenden Flexibilisierungsspielräume strukturieren und begrenzen. Die Regelungsoptionen der Tarifparteien umfassen beispielsweise die Festlegung von Ausgleichszeiträumen und Mindest- bzw. Höchstarbeitszeiten inner552 Gem. § 80 I Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat die Einhaltung der Tarifverträge zu überwachen; die Geltendmachung und Durchsetzung tariflicher Rechte der Arbeitnehmer gehört nicht zu seinen Aufgaben; MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 275 Rn. 4, 5; Gamillscheg, AuR 1996, 354 (355). Der Betriebsrat hat allenfalls die Möglichkeit, gem. § 99 II Nr. 1 BetrVG die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme zu verweigern, wenn diese gegen eine tarifliche Bestimmung verstößt. Das setzt jedoch voraus, dass nach dem Zweck der Tarifnorm die Maßnahme ganz unterbleiben muss; § 99 II Nr. 1 BetrVG ist dagegen kein Instrument zur umfassenden Vertragskontrolle, vgl. BAG v. 28.3.2000 AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; v. 17.6.1997 AP Nr. 2 zu § 3 TVG; v. 28.6.1996, v. 9.7.1996 AP Nr. 4, 9 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung. Im Zusammenhang mit Vorschriften zur Arbeitszeit bietet das Zustimmungsverweigerungsrecht daher i. d. R. keine hilfreiche Alternative. 553 s. MünchArbR-Löwisch/Rieble, § 275 Rn. 8; BAG v. 8.11.1957 AP Nr. 7 zu § 256 ZPO; krit. D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 18; Kittner, FS Stahlhacke, S. 247 (251). 554 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 721. 555 Kittner, FS Stahlhacke, S. 247 (252); vgl. auch Döttger, Schutz tariflicher Normsetzung, S. 41 f. 556 Die Einwirkungsklage wird als stumpfes Schwert bezeichnet, weil sie an einem dezidiert tarifunwilligen Arbeitgeber wirkungslos abprallt; Kittner, FS Stahlhacke, S. 247 (253); Wiedemann, TVG § 1 Rn. 722 ff.

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Kap. 3: Vertrauensarbeitszeit durch Tarifverträge

halb vorgegebener Zeitabschnitte oder die Schaffung von prozeduralen Normen in Bezug auf den Zeitausgleich bei ungleichmäßig verteilter Arbeitszeit. Bei Würdigung dieser Vorschläge sind allerdings die Defizite bei der Geltendmachung tariflicher Rechte nicht aus dem Auge zu verlieren. Durch die Einführung eines Vertrauensarbeitszeitsystems können zahlreiche tarifliche Vorschriften unterlaufen werden. Dies gilt insbesondere für Ausgleichszeiträume, tägliche und wöchentliche Mindest- und Höchstarbeitszeiten sowie Zuschläge für Mehrarbeit. Mehrarbeitsregelungen machen eine Planung und Aufzeichnung der Arbeitszeit erforderlich. Die Vereinbarung von Zusatzzeitbudgets, mit denen vorübergehend die tarifliche Arbeitszeit erhöht werden soll, stellt einen Tarifverstoß dar, wenn damit andernfalls anfallende Mehrarbeitszuschläge umgangen werden sollen. Ob allerdings ein Vertrauensarbeitszeitmodell im konkreten Fall tarifwidrig ist, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Tarifvertrag und die Vertrauensarbeitszeitregelung beurteilen. Weiterhin wurde festgestellt, dass alternativ zur Arbeitszeit auch diejenigen Leistungsparameter zu regulieren wären, die die Arbeitszeit bedingen. Dabei sind kollidierende Grundrechtspositionen einzelfallbezogen zum Ausgleich zu bringen. Der Erfolg derartiger Regelungsvorschläge hängt jedoch von ihrer tarifpolitischen Realisierbarkeit ab und ist daher keineswegs verlässlich. Gewähr für eine effektive Begrenzung von Vertrauensarbeitszeit können tarifliche Regelungen im Ergebnis nicht bieten.

Kapitel 4

Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene Da sich die Einwirkungsmöglichkeiten von Tarifverträgen auf die Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit als nur begrenzt wirksam erwiesen haben, kommt der betrieblichen Ebene besondere Bedeutung zu: Soll der Arbeitnehmer nicht ausschließlich auf sich selbst gestellt bleiben, sondern den Schutz von Kollektivvertretungen genießen können, wird der größte Teil der zu treffenden Maßnahmen dem Betriebsrat überlassen bleiben.

§ 1 Rechte des Betriebsrats Daher ist nunmehr zunächst festzustellen, welche Regelungsbefugnisse dem Betriebsrat auf dem Gebiet der Arbeitszeit im Allgemeinen zustehen, um anschließend zu klären, ob sich diese Rechte auch für die Gestaltung und Begrenzung von Vertrauensarbeitszeit eignen.

A. Mitwirkung bei Arbeitsschutz und Überwachung Wie oben1 bereits gezeigt, sind dem Betriebsrat gem. §§ 89, 80 BetrVG Aufgaben bei der Überwachung der Einhaltung der für den Arbeitszeitschutz geltenden Vorschriften zugewiesen. Die Ausführungen zu § 80 BetrVG im Zusammenhang mit der Durchführung des ArbZG gelten auch für die Überwachung der Einhaltung von in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen enthaltenen Arbeitszeitbestimmungen, worauf hier nicht erneut einzugehen ist. Stattdessen sollen nunmehr vorrangig die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 BetrVG untersucht werden. Zuvor ist aber der Vollständigkeit halber zu fragen, ob der Betriebsrat eine unzumutbare Form der Arbeitszeitgestaltung dadurch verhindern kann, dass er einer unter solchen Umständen geplanten Einstellung von Arbeitnehmern gem. § 99 I, II BetrVG die Zustimmung versagt. Dies begegnet im Ergebnis allerdings durchgreifenden Bedenken.

1

Kapitel 2, § 2. C. II. 3.

254

Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

B. Zustimmungsverweigerung gem. § 99 BetrVG Gem. § 99 I, II Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers2 verweigern, wenn diese personelle Maßnahme u. a. gegen ein Gesetz verstoßen würde. Nach h. M.3 liegt ein relevanter Gesetzesverstoß nur vor, wenn das Gesetz gerade der beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme entgegensteht, nicht schon dann, wenn einzelne Vertragsbestimmungen gesetzeswidrig sind.4 Das Mitbestimmungsrecht ist nach ü.A. kein Instrument zur umfassenden Vertragskontrolle.5 Entscheidend ist für das Zustimmungsverweigerungsrecht, ob die verletzte Vorschrift eine bestimmte Art der Beschäftigung unterbinden will, so dass nach dem Normzweck die Einstellung ganz unterbleiben muss.6 In Betracht kommen hier v. a. Schutznormen, durch die Gesundheitsgefahren für die Beschäftigten selbst oder Dritte ausgeschlossen werden sollen7; möglicher Zustimmungsverweigerungsgrund kann somit die Verletzung von Vorschriften des MuSchG, JArbSchG sowie des ArbZG sein.8 Denn bei Verstößen gegen Arbeitszeitnormen kann – in Ausnahmefällen – zugleich die geplante Einstellung als solche unzulässig sein9, etwa, wenn die Beschäftigung entgegen der §§ 9 ff. ArbZG ausschließlich an Sonn- und Feiertagen erfolgen soll, ohne dass Ausnahmetatbestände oder sonstige Befreiungen vom grundsätzlichen Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot vorliegen. Kein Vetorecht besteht aber, wenn der Arbeitgeber bei Neueinstellungen die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich gegenüber der betriebsüblichen Arbeitszeit verlängert.10 Das hat das BAG11 entschieden, wobei es u. a. darum ging,

2 Einstellung ist jedenfalls die tatsächliche Arbeitsaufnahme in einem Betrieb. Ob darüber hinaus auch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu fordern ist, soll hier dahinstehen (verneinend etwa BAG v. 27.7.1993 AP Nr. 3 zu § 93 BetrVG 1972); vgl. dazu F/K/H/E/S, BetrVG, § 99 Rn. 30 ff.; D/K/K-Kittner, BetrVG, § 99 Rn. 37 ff. 3 Vgl. die Nachweise bei GK-Kraft, BetrVG, § 99 Rn. 129. 4 F/K/H/E/S, BetrVG, § 99 Rn. 163; GK-Kraft, BetrVG, § 99 Rn. 129; Richardi, BetrVG, § 99 Rn. 186. 5 Es diene in erster Linie dem Schutz kollektiver Interessen und nur mittelbar dem Individualschutz der Arbeitnehmer (BAG v. 28.6.1994, 28.3.2000 AP Nr. 4, 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung); Richardi, BetrVG, § 99 Rn. 186; zu Argumenten für eine Vertragskontrolle vgl. etwa Plander, Der Betriebsrat als Hüter des zwingenden Rechts, S. 60; ders., Anm. zu BAG v. 28.6.1994, AiB 1995, 125 ff.; Klevemann, AiB 1986, 156 (158 f.); LAG Baden-Württemberg v. 9.8.1985 BB 1985, 2321 f. 6 D/K/K-Kittner, BetrVG, § 99 Rn. 173; BAG v. 28.6.1994, 28.3.2000 AP Nr. 4, 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung. 7 BAG AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung. 8 F/K/H/E/S, BetrVG, § 99 Rn. 164; D/K/K-Kittner, BetrVG, § 99 Rn. 175. 9 Vgl. im Zusammenhang mit flexiblen Arbeitszeiten MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 35; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 50. 10 Anders noch das LAG Hamburg (v. 2.12.1999 AiB 2000, 575 ff.), das den Faktor Arbeitszeit bei einem Vergütungssystem, das an die geleistete Arbeitszeit anknüpft,

§ 1 Rechte des Betriebsrats

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inwiefern die im Betrieb übliche Wochenarbeitszeit Teil der – nach § 87 I Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen – Vergütungsordnung ist. Wäre dies der Fall, so verstieße die vorgenommene Eingruppierung, d.h. die Einordnung einzelner Arbeitnehmer in ein kollektives Entgeltschema, gegen ein Gesetz und böte damit einen Zustimmungsverweigerungsgrund.12 Zweifellos hat eine Heraufsetzung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich vergütungsrechtliche Auswirkungen i. S. e. Lohnminderung pro Zeiteinheit. Dennoch hat das BAG die Anwendbarkeit des § 87 I Nr. 10 BetrVG, der sich nicht auf die Lohnhöhe bezieht13, verneint. Da auch kein anderes der abschließend aufgezählten Mitbestimmungsrechte einschlägig war14 und durch deren Verknüpfung nicht das System der Mitbestimmungstatbestände außer Kraft gesetzt werden kann,15 war ein Zustimmungsverweigerungsgrund somit nicht gegeben. Ein effizientes Mittel gegen die einzelvertragliche Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit bietet § 99 BetrVG daher nicht.16 Zudem würde eine solche Option den Sonderfall der Vertrauensarbeitszeit ohnehin nicht betreffen, da dort das vereinbarte Arbeitszeitdeputat pro forma unberührt bleibt; daher kann auf eingehendere Ausführungen hierzu verzichtet werden. Im Zusammenhang mit der Einführung neuer Arbeitszeitsysteme wird schließlich diskutiert, ob es sich dabei um eine Versetzung handelt und das Zustimmungsverweigerungsrecht aus diesem Grund in Betracht kommt. § 95 III BetrVG definiert Versetzung als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, was nach ständiger Rechtsprechung die Übertragung eines neuen Tätigkeitsbereichs als Teil der Vergütungsordnung ansah und folgerichtig in der Veränderung der Arbeitszeit zugleich eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Vergütungsordnung erkannte. 11 Beschluss v. 30.10.2001 AP Nr. 26 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung, m. zust. Anm. v. Hoyningen-Huene, SAE 2003, 21 ff. 12 Bei der Aufstellung und Veränderung von Entlohnungsgrundsätzen und damit bei der Festlegung des betrieblichen Entgeltschemas steht dem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 10 BetrVG über Fragen der betrieblichen Lohngestaltung zu. Eine unter Verstoß gegen dieses Mitbestimmungsrecht zustande gekommene Vergütungsordnung ist unwirksam und die Eingruppierung nach einer unwirksamen Vergütungsordnung ist stets ein Gesetzesverstoß i. S. d. Vorschrift; BAG v. 27.6.2000 AP Nr. 23 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung. 13 Das Mitbestimmungsrecht betrifft die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit. Mitbestimmungspflichtig sind nur die Faktoren der Lohnfindung, die Festlegung des Verhältnisses einzelner Lohngruppen zueinander sowie das Verfahren, nach dem sich die Bestimmung des Entgelts richtet (BAG v. 29.2.2000 AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). 14 Insbesondere sind die arbeitszeitbezogenen Mitbestimmungsrechte bzgl. der Dauer der Arbeitszeit nicht anwendbar. 15 Zust. v. Hoyningen-Huene, SAE 2003, 21 (22). 16 Entgegen Müller-Knapp, Anm. zu LAG Hamburg v. 2.12.1999, AiB 2000, 575 ff. (577 f.).

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voraussetzt, so dass der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert. Nach der Zuweisung muss sich die Tätigkeit so von der vorher geschuldeten unterscheiden, dass sie vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden kann. Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 BetrVG durch Aufgabe und Verantwortung sowie Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben.17 Damit steht die räumlich-funktionale Komponente des Arbeitsbereichs im Vordergrund.18 Da die Versetzung eine ganz wesentliche Änderung der Arbeitsaufgabe voraussetzt19, besteht weitgehend20 Einigkeit, dass allein die Änderung der Lage der Arbeitszeit nicht ausreicht, weil der Arbeitsbereich i. S. v. § 95 III BetrVG regelmäßig nicht durch die Arbeitszeitlage bestimmt werde.21 Deshalb ist auch die Einführung eines neuen Arbeitszeitsystems grundsätzlich keine Versetzung.22 Hinzukommen müssten vielmehr weitere Umstände, mit denen der Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung umgestaltet wird23, was z. B. bei Kapovaz angenommen wird.24 Wird im Rahmen flexibler Modelle dem Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitsteuerung eine erheblich erweiterte Mitwirkung und Verantwortung zugewiesen, kann ebenfalls eine solche inhaltliche Änderung gegeben sein, so etwa bei Gleitzeitarbeit und Jahresarbeitszeitverträgen.25 Angesichts der auch bei Vertrauensarbeitszeit vom Arbeitnehmer selbst vorzunehmenden Bedarfsorientierung besteht in diesem Punkt kein qualitativer Unterschied zu den genannten Modellen.26 Nach Schüren27 kann von Versetzung die

17 Vgl. etwa BAG v. 22.4.1997 AP Nr. 14 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung = NZA 1997, 1358 (1359). 18 Vgl. etwa BAG v. 16.7.1991 AP Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972 = NZA 1992, 180 (181). 19 Anders wohl insoweit F/K/H/E/S, BetrVG, § 99 Rn. 114 ff.: auch eine erhebliche Änderung der Umstände allein ohne Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs soll genügen, wobei zu den Umständen der Arbeitsleistung auch die Lage der Arbeitszeit gehören soll. Abgesehen davon, dass eine Versetzung bei Änderung der Arbeitszeit trotzdem nur bei Hinzutreten weiterer Umstände angenommen wird (Rn. 126 f.), ist die Auffassung abzulehnen, da sie dem Wortlaut des § 95 III BetrVG widerspricht. 20 A. A. etwa H.-G. Meier, NZA 1988 Beil. 3, 3 (4). 21 GK-Kraft, BetrVG, § 99 Rn. 66 m. w. N.; D/K/K-Kittner, BetrVG, § 99 Rn. 102, der aber eine individuelle Versetzung bejaht, wenn ein Arbeitnehmer in eine zuvor schon bestehende andere Schicht versetzt wird; so auch H.-G. Meier, NZA 1988 Beil. 3, 3 (4), der darüber hinaus auch die mit einer Änderung der Arbeitszeitlage verbundenen wesentlichen Veränderungen der Lebensumstände berücksichtigen will; s. BAG v. 19.2.1991 AP Nr. 25 zu § 95 BetrVG 1972. 22 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 37, 38. 23 F/K/H/E/S, BetrVG, § 99 Rn. 127; MünchArbR-Schüren, § 164 Rn. 42; BAG v. 16.7.1991 AP Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972 = NZA 1992, 180 (181). 24 MünchArbR-Schüren, § 164 Rn. 42; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 148 f. m. N.; Klevemann, AiB 1986, 156 (158). 25 MünchArbR-Schüren, § 164 Rn. 42.

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Rede sein, wenn dem Arbeitnehmer die Aufgabe zugewiesen wird, in einer Gruppe an der Organisation der Arbeitsabläufe intensiv mitzuwirken, z. B. bei Zusammenführung mehrerer Arbeitnehmer zu einer zeitautonomen Gruppe, die Arbeitszeit und Arbeitsverteilung selbst organisieren muss.28 Diese Auffassung kann sich auf eine Aussage des BAG29 stützen, wonach „eine Änderung in der Stellung innerhalb der betrieblichen Organisation dann eine Versetzung [. . .] (darstellt), wenn sie für den betroffenen Arbeitnehmer zu einer ihn berührenden Änderung der organisatorischen Umwelt führt, sei es, dass er mit neuen Arbeitskollegen zusammenarbeiten muss, sei es, dass er seine Arbeitsaufgabe [. . .] innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erbringen muss.“ Selbst wenn die Zusammenarbeit mit anderen Kollegen neben der veränderten Arbeitszeitlage für den Tatbestand der Versetzung noch nicht ausreichen soll30, so kann die Notwendigkeit der Koordination mit Teamkollegen zur Änderung der Arbeitsbedingungen führen, denn neben die Erledigung der ihm zugewiesenen Arbeitsaufgabe tritt nunmehr die Pflicht zur Verteilung der Arbeitszeit und bedarfsgerechten Absprache und Durchführung der Arbeit.31 Da in diesem Sinne bei Vertrauensarbeitszeit die Regelung der Arbeitszeit als zusätzliche Aufgabe hinzukommt, lässt sich hier der Tatbestand der Versetzung durchaus bejahen. Eine mögliche Zustimmungsverweigerung kann der Betriebsrat dabei v. a. auf § 99 II Nr. 3, 4 BetrVG stützen, sofern Nachteile für die Belegschaft zu befürchten sind bzw. der Betroffene benachteiligt wird.32 Auch hier lässt sich die Kapovaz für eine vergleichende Wertung heranziehen: Neben drohenden Kündi26 Vgl. Buschmann in: Buschmann/u. a., TzA, § 12 TzBfG Rn. 17 ff. (21); MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 46. 27 MünchArbR, § 169 Rn. 38, 39. 28 Vgl. LAG Köln v. 26.7.1996 LAGE § 99 BetrVG 1972 Versetzung Nr. 1: Je nach der konkreten Ausgestaltung der Gruppe, insb. deren Autonomie bei der Planung und Ausführung ihres Arbeitsauftrags kann die Arbeitsgruppe als Organisationseinheit verstanden werden. Im entschiedenen Fall wurden die Arbeitsgruppen in der Betriebsvereinbarung über die Gruppenarbeit als Organisationseinheiten bezeichnet. Sofern die Gruppe im Rahmen ihres Arbeitsauftrags Planung, Steuerung, Durchführung, Koordinierung, Kontrolle ihrer Tätigkeit selbstverantwortlich ausübt und ihr ein gewählter Gruppensprecher mit koordinierender Funktion vorsteht, nimmt sie wesentliche Funktionen, die zuvor dem Vorgesetzten oblagen, selbst wahr. Beispiele für eine solche Organisation sind die gruppenautonome Anwesenheitserfassung, die Regelung des Freizeitausgleichs, die Urlaubsplanung. Darin liegt eine wesentliche Änderung in der betrieblichen Organisation. 29 V. 10.4.1984 AP Nr. 4 zu § 95 BetrVG 1972 = NZA 1984, 233 (235). 30 GK-Kraft, BetrVG, § 99 Rn. 67; Richardi, BetrVG, § 99 Rn. 115; BAG v. 23.11.1993 AP Nr. 33 zu § 95 BetrVG 1972; a. A. LAG Köln v. 26.7.1996 LAGE § 99 BetrVG 1972 Versetzung Nr. 1. 31 Vgl. Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 124 ff. 32 Vgl. Klevemann, AiB 1986, 156 (159); Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 149.

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gungen aufgrund des in der Bedarfsanpassung liegenden Rationalisierungspotenzials werden dort als Nachteile33 die Übertragung des Lohnrisikos gem. § 615 BGB und steigende Arbeitsbelastung durch Leistungsverdichtung genannt.34 Diese Gefahren drohen ebenso in modernen bedarfsorientierten Arbeitszeitformen wie Vertrauensarbeit. Diese und der Wegfall bezahlter Überstunden können Nachteile für den betroffenen Arbeitnehmer sein35 und somit gem. § 99 II Nr. 4 BetrVG eine Zustimmungsverweigerung begründen. Allerdings soll eine Benachteiligung bzw. ein Zustimmungsverweigerungsgrund nicht vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer mit der Maßnahme einverstanden erklärt.36 Dies ist aber durchaus denkbar, denn flexible Arbeitszeitmodelle, die die Vorteile größerer Zeitsouveränität versprechen, werden nicht selten bei den Betroffenen zunächst auf Akzeptanz stoßen. Im Übrigen setzt eine Zustimmungsverweigerung bei Nr. 3 und 4 voraus, dass Nachteile nicht durch persönliche oder betriebliche Gründe gerechtfertigt werden können. Dies dürfte indessen i. d. R. möglich sein, z. B. durch den Wunsch der Beschäftigten nach freier Zeiteinteilung sowie durch schwankenden Personalbedarf entsprechend der betrieblichen Auslastung.37 Bringt die intendierte Variante der Vertrauensarbeitszeit daher so weit reichende Änderungen – etwa i. S. einer größeren Ergebnisverantwortung, Koordinationsleistung bzw. der Mitwirkung an der gruppeninternen Arbeitsablaufgestaltung – mit sich, dass der Tatbestand der Versetzung zu bejahen wäre, so kann die Zuerkennung eines Zustimmungsverweigerungsrechts an den Betriebsrat daran scheitern, dass es an nicht zu rechtfertigenden Nachteilen für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 II Nr. 3 und 4 BetrVG fehlt.

C. Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten Effektive Schutznormen zur Begrenzung von Vertrauensarbeitszeit sind daher am ehesten von den stärksten Beteiligungsrechten, den Mitbestimmungsrechten in sozialen Angelegenheiten, zu erwarten. Sie sollen sicherstellen, dass die Arbeitnehmerinteressen bei der Gestaltung der sie unmittelbar berührenden Fragen gleichrangig berücksichtigt werden und haben die Aufgabe, die Ausübung von Direktionsbefugnissen oder die Ausführung von vollzugsbedürftigen Rechtsre33 Es muss sich dabei um erhebliche und ins Gewicht fallende Nachteile handeln, die etwa in materiellen Einbußen und in tatsächlichen Erschwerungen der Arbeit bestehen, BAG v. 15.9.1987 AP Nr. 46 zu § 99 BetrVG 1972. 34 Klevemann, AiB 1986, 156 (159); Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 149. 35 Vgl. stellv. Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1255, 1665). 36 So GK-Kraft, BetrVG, § 99 Rn. 143; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 99 Rn. 69; MünchArbR-Matthes, § 352 Rn. 82; H/S/W/G-Schlochauer, BetrVG, § 99 Rn. 128; a. A. F/K/H/E/S, BetrVG, § 99 Rn. 202; D/K/K-Kittner, BetrVG, § 99 Rn. 194; Heinze, Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen, Rn. 324. 37 Vgl. Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 150, die dies jedenfalls für die Kapovaz in Betrieben mit saisonalen Schwankungen annehmen will.

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geln zu kontrollieren, bevor sich die Entscheidungen auf die Beschäftigten auswirken.38 I. Arbeitszeitbezogene Mitbestimmungsrechte 1. § 87 I Nr. 2 BetrVG Anknüpfend an den Normalfall, dass der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts die Lage der Arbeitszeit bestimmen kann, besteht deshalb nach § 87 I Nr. 2 BetrVG das Recht des Betriebsrats, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Der Frage, ob und wie dieses Recht auch zur Anwendung kommen kann, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ihre Arbeitszeiteinteilung eigenverantwortlich vornehmen können, wird noch gesondert nachzugehen sein.39 a) Zweck der Mitbestimmung Zweck dieses Mitbestimmungsrechts ist, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der für sie verbindlichen Arbeitszeit zur Geltung zu bringen.40 Die Beteiligung des Betriebsrats soll das Interesse an einer Verteilung des geschuldeten Arbeitszeitvolumens schützen, die eine sinnvolle Gestaltung der Freizeit erlaubt41 und die einseitige Weisungsmacht des Arbeitgebers einschränken.42 Im Zusammenhang mit flexiblen Arbeitszeitmodellen wird ein Zweck des Mitbestimmungsrechts außerdem in der Sicherung der Gefahrtragungsregel gesehen, wie sie sich zu Gunsten des Arbeitnehmers aus § 615 BGB ergibt.43 Darüber hinaus lässt sich auch ein Schutzzweck hinsichtlich der Einhaltung (öffentlich-rechtlicher) Arbeitszeitstandards ausmachen.44 Denn die Mitbestim38 Allg. Auff., vgl. nur H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 7; BAG v. 3.12.1991 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = NZA 1992, 749 (752), v. 18.4.1989 AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang. 39 s. dazu unten § 3. 40 BAG v. 21.12.1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.III.1). 41 BAG v. 25.2.1997 AP Nr. 72 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.2.a). 42 Vgl. ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 1. 43 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 255; ders., NZA 1994, 593 (597); vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, § 1. C. II. 44 Vgl. auch Gutzeit, BB 1996, 106 (Fn. 3); Simitis/Weiss, DB 1973, 1240 (1241 f.); Thannheiser, CF 4/2000, 18 (20 f.); Trittin, AiB 2000, 544 (545). S. auch Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 83 ff., die zwischen Arbeitszeitschutznormen mit Schutz- und solchen mit Sozialfunktion differenzieren und zu dem freilich hier nicht

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mung ist auch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Überwachungsauftrag gem. § 80 I Nr. 1 BetrVG zu sehen: Soweit die Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer und die Tarifverträge des Vollzugs bedürfen oder nur einen ausfüllungsbzw. konkretisierungsbedürftigen Rahmen enthalten, dienen gesetzliche Mitbestimmungstatbestände stets auch der Wahrnehmung dieser Aufgabe.45 Bereits in der Begründung zum BRG hieß es, dass die Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der Arbeitsbedingungen wesentlich dazu beitragen sollten, die Einhaltung der Tarifverträge zu sichern oder eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu verhindern.46 Das Mitbestimmungsrecht dient dagegen nicht dem Schutz vor Überforderung, die etwa aus einer durch Personalmangel verursachten stärkeren Arbeitsbelastung resultieren kann47 und die eingangs48 bereits als spezifische Gefahr weiter interessierenden Ergebnis kommen, dass eine Übertragung von schutzfunktionellen Arbeitszeitschutzvorschriften auf die betriebliche Ebene nicht zulässig sei. 45 P. Hanau, NZA 1985, 73 (76): hier wird von der Ergänzungsfunktion der Betriebsvereinbarung zum Tarifvertrag gesprochen, da die i. R. d. § 87 abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen häufig der Ausführung von Tarifverträgen dienen; vgl. etwa schon RAG v. 4.7.1928 E 3, 172 ff. zu Arbeitszeitfragen; v. Roetteken, PersR 1998, 54 (55). 46 Drs. 928 der Nationalversammlung S. 19 ff. (zit. nach v. Roetteken, a. a. O. S. 56 Fn. 21). Dass die Beteiligung der Belegschaften durch ihre Vertretungen an der Arbeitszeitfestsetzung der tatsächlichen Durchsetzung der Arbeiterschutzgesetzgebung dienen und deren Effektivität sichern sollte (RG v. 6.7.1920 NzfA 1921, 508 [509]), wird erkennbar, wenn man diesbezüglich die historischen Wurzeln der Mitbestimmung betrachtet (vgl. die Ausführungen bei v. Roetteken, PersR 1998, 54 [56]). 1918/19 wurde durch An- bzw. Verordnungen der Revolutionsregierung die Arbeitszeit für gewerbliche Arbeitnehmer und für Angestellte auf 8 Stunden täglich begrenzt (RGBl. 1918, 1334 f.; 1919, 315). Zugleich wurde mit diesen Regelungen angeordnet, dass Beginn und Ende der Arbeitszeiten und Pausen vorbehaltlich einer tariflichen Regelung vom Arbeitgeber nur im Einverständnis mit dem Arbeiter-/Angestelltenausschuss festgelegt werden konnte. Damit verlor der Arbeitgeber seine bis dahin bestehende einseitige Anordnungsbefugnis. (Gem. § 134 b GewO i. d. F. 1.6.1891 war der Arbeitgeber zum Erlass einer Arbeitsordnung verpflichtet, die auch Regelungen zur Lage der Arbeitszeit beinhaltete, wobei den Arbeitervertretungen allerdings nur ein Anhörungsrecht zustand [§ 134 d GewO 1891]. Im BRG von 1920 [RGBl. I S. 147] wurde dann festgelegt, dass die Arbeitsordnung mit dem Gruppen- oder Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung zu erlassen war). Kennzeichnend für diesen Beteiligungstatbestand war also seine vorwiegend arbeitsschutzrechtliche Ausrichtung, verbunden mit der Kontrolle des Arbeitgebers bei Maßnahmen zur Festsetzung der Arbeitszeiten, um die Einhaltung des Arbeitsschutzes und die Beachtung sonstiger Interessen der Belegschaften hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten. Entsprechend dem heutigen Recht entfiel die Beteiligung erst, sofern eine tarifliche Regelung erfolgt war (v. Roetteken, PersR 1998, 54 [56]) bzw. galt historisch gesehen der Tarifvertrag als das Gesetz i. S. e. „Berufsgesetzgebung“, die Betriebsvereinbarung als die „Ausführungsverordnung“, Reichold, Sozialprivatrecht, S. 292 m. N. Das halbamtliche Stinnes-LegienAbkommen von 1918 setzte die Arbeiterausschüsse als betriebliche Garanten für die Durchführung der Tarifabschlüsse ein, Reichold, Sozialprivatrecht, S. 264 (Nachweise dort Fn. 179). 47 BAG v. 28.5.2002 AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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der Vertrauensarbeitszeit benannt wurde. Der Überforderungsschutz wird nach Auffassung des BAG nur durch das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 3 erfasst49; dessen Schutzwirkung erweist sich aber, wie noch zu zeigen sein wird, im Fall der Vertrauensarbeitszeit ebenfalls nicht als ausreichend.50 Wie das BAG in anderem Zusammenhang festgestellt hat, greift das Mitbestimmungsrecht gem. Nr. 2 nicht ein, wenn innerhalb eines bestehenden Arbeitszeitmodells ein abwesenheitsbedingter Personalmangel für die übrigen Arbeitnehmer zu gesteigertem Leistungsdruck führt; denn sofern die bestehende Arbeitszeitregelung und damit die Lage der Arbeitszeit nicht geändert wird, fehlt es an einer Maßnahme des Arbeitgebers.51 Wie noch zu zeigen sein wird52, wirken sich diese Grundsätze auch auf die Mitbestimmung bei der Vertrauensarbeitszeit aus, bei der mögliche Überforderungen ebenfalls nicht auf arbeitszeitbezogenen Weisungen des Arbeitgebers beruhen. b) Inhalt des Mitbestimmungsrechts aa) Mitbestimmung nur über die Lage der Arbeitszeit Das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG bezieht sich auf die Lage der Arbeitszeit. Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob der Tatbestand daneben auch ihre Dauer umfasst. Für die tägliche Arbeitszeit gilt, dass durch deren mitbestimmungspflichtigen Beginn und Ende zwangsläufig auch ihre Dauer festgelegt wird und somit ein Mitbestimmungsrecht über die tägliche Dauer der Arbeitszeit reflexartig besteht.53 Hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit herrscht hingegen Uneinigkeit. Jedenfalls sofern der maßgebende Tarifvertrag Regelungen über deren Dauer und keine Öffnungsklausel gem. § 77 III 2 BetrVG enthält54, hat nach der Rechtsprechung des BAG der Betriebsrat hierüber nicht mitzubestimmen55. Nach h. M. in Literatur56 und 48

Kapitel 1, § 4. B. I. 2. BAG v. 28.5.2002 AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; s. Peglau, Anm. zu BAG v. 28.5.2002, AuA 9/2003, 51; krit. insoweit D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 68, 74; Herbst, Anm. zu BAG v. 28.5.2002, AiB 2003, 315 (316). 50 s. unten § 2. B. 51 BAG AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 52 s. unten § 2. A. 53 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 71; BAG v. 13.10.1987, 28.9.1988 AP Nr. 24, 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 54 BAG v. 18.8.1987 AP Nr. 25 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 55 BAG v. 13.1.1987 AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 56 Stellv. ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 25; MünchArbR-Matthes, § 334 Rn. 3 ff.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 275 ff.; a. A. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 73 f.; Gnade, FS Kehrmann, S. 227, 230; Plander, AuR 1987, 281 (288 ff.); für ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit, allerdings mit anderer Begründung: v. Roetteken, PersR 1998, 54 (56). 49

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Rechtsprechung57 erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht nicht auf die Dauer der Arbeitszeit. Bei einer auf die Woche bezogenen Arbeitszeitdauer lasse die Auslegung der Nr. 2 nur zu, dass durch die Mitbestimmung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit deren Lage und Verteilung auf die Wochentage und zwangsläufig die Dauer der Arbeitszeit an einzelnen Tagen festgelegt wird.58 Das Mitbestimmungsrecht über die Dauer der Wochenarbeitszeit kann zwar nicht schon mit dem Argument abgelehnt werden, es handele sich dabei um eine materielle Arbeitsbedingung, über die der Betriebsrat nicht mitbestimmen dürfe, weil dies der Privatautonomie (Art. 2 I GG) widerspreche.59 Denn eine Trennung zwischen materiellen und formellen Arbeitsbedingungen liegt dem Katalog der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten in § 87 I BetrVG gerade nicht mehr zugrunde, wie etwa das Bestehen des Mitbestimmungsrechts nach Nr. 3 beweist.60 Systematisch spricht aber für die h. M., dass nur im Fall der Nr. 3 – bei vorübergehender Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit – ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Dauer besteht.61 Folgte dieses Recht bereits aus Nr. 2, so wäre der Tatbestand der Nr. 3 überflüssig.62 Es ist auch nicht richtig, dass mit der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zwangsläufig die Dauer der Wochenarbeitszeit festgelegt wird.63 Daher kann nicht argumentiert werden, dass der Umfang der Arbeitspflicht eng mit der Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die Arbeitstage verbunden sei und sich praktisch davon nicht trennen lasse.64 Eine Trennung beider Regelungs-

57 St.Rspr., z. B. BAG v. 22.7.2003 – 1 ABR 28/02; v. 18.8.1987 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972 (Gründe III.2.b); v. 13.10.1987 AP Nr. 24 (Gründe B.II.2.); v. 28.9.1988 AP Nr. 29 (Gründe B.II.2) zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 22.6.1993 AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972 (Gründe B.III.2.c.aa). 58 Braunert, Schranken, S. 30. 59 Vgl. Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 62 a; May, Lohn und Arbeitszeit, S. 170, 177. 60 Vgl. stellv. H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 12. 61 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 104 m. w. N.; BAG v. 13.10.1987 AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe II.2.); BAG v. 27.1.1998 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung. 62 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 279; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 155; a. A. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 73; Koch in: Schaub, ArbRHdb, § 235 Rn. 13; Klevemann, AiB 1984, 90 (91); Argumentiert wird damit, dass Nr. 3 als Klarstellung aufzufassen sei, dass die wöchentliche Arbeitszeit auch bei nur vorübergehender Veränderung mitbestimmungspflichtig sei. 63 Dies eingestehend auch F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 104 m. w. N.; D/K/KKlebe, BetrVG, § 87 Rn. 73; Braunert, Schranken, S. 30. 64 So aber Fahrtmann, RdA 1974, 64 (66 f.); ähnl. Koch in: Schaub, ArbRHdb, § 235 Rn. 13; wie hier GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 278; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 155.

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komplexe ist möglich, weil der Umfang der Arbeitspflicht als feststehende Größe der Frage nach ihrer Verteilung vorgelagert ist.65 Zur Begründung der h. M. wird des Weiteren auf Wortlaut („Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit“) und Entstehungsgeschichte der Norm verwiesen.66 Unabhängig davon, inwiefern Letzteres tatsächlich aufschlussreich ist,67 wird angesichts der vorstehenden Begründung und der mangelnden Überzeugungskraft der Gegenargumente68 mit der h. M. davon auszugehen sein, dass das Volumen der Arbeitszeit als Bestandteil der kontradiktorisch auszuhandelnden Vertragsbeziehung nicht mitbestimmungspflichtig ist.69 Dies ergibt sich v. a. aus dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, Schutz vor der einseitigen Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber70, während im Übrigen die rechtsgeschäftliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses respektiert wird.71 Die Festlegung der Dauer der Arbeitszeit unterliegt somit grundsätzlich nicht der Mitbestimmung. Dies gilt für all jene Fälle, in denen diese den Umfang der Leistungspflicht bestimmt. Deshalb wird man die vom BAG vorgenommene Unterscheidung zwischen mitbestimmungspflichtigen Festlegungen der Dauer der täglichen Arbeitszeit einerseits und mitbestimmungsfreien Regelungen über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit72 nur darauf beziehen können, dass das geschuldete Arbeitszeitvolumen durch eine bestimmte Stundenzahl in der Woche festgelegt wird.73 Nach überwiegender und überzeugender Auffassung in der Literatur74 wird die Dauer der Wochenarbeitszeit jedoch dann mitbestimmungspflichtig, wenn diese nur noch eine Durchschnittsgröße für den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung darstellt75, etwa weil nach einem Ta65 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 278; Braunert, Schranken, S. 30 f.; Starck, Leistungspflichten, S. 83; Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2771); BAG v. 13.10.1987, 28.9.1988 AP Nr. 24, 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 66 Vgl. Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 264; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 278; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 60 m. N.; BAG v. 18.8.1987 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972. 67 s. Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 128 ff., 130, 138 ff., 159: mit dem Wortlaut und der historischen Entwicklung argumentieren Vertreter beider Auffassungen; zweifelnd auch Braunert, Schranken, S. 30 f. 68 Das gilt auch für die Befürchtung Planders, der Arbeitgeber könnte praktisch sämtliche Betriebsvereinbarungen über die Arbeitszeitverteilung dadurch aushebeln, dass er die vorausgesetzte Dauer der Arbeitszeit ständig verändert, wodurch es zu einem „Hase-und-Igel-Rennen um neue Betriebsvereinbarungen“ käme, AuR 1987, 281 (290). 69 Vgl. May, Lohn und Arbeitszeit, S. 170, 177. 70 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 255 m. N.; BAG v. 21.12.1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 71 Richardi, NZA 1994, 593 (594). 72 BAG v. 18.8.1987 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG; v. 15.1.2002 EzA § 614 BGB Nr. 1. 73 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 268, 286; vgl. andererseits aber BAG EzA § 614 BGB Nr. 1.

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rifvertrag eine bestimmte Wochenarbeitszeit nur im Durchschnitt eines längeren Zeitraums (z. B. mehrere Monate oder ein Jahr) eingehalten werden muss.76 Erhält der Arbeitgeber die Befugnis, die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage über die Begrenzung auf den Wochenzeitraum hinaus vorzunehmen, so steht die Dauer der Wochenarbeitszeit noch nicht fest, sondern ist nur eine Rechengröße, die nicht in jeder Woche eingehalten werden muss. In diesem Fall muss die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig sein,77 weil die Festlegung der Arbeitszeit für die einzelnen Wochen dann nicht über den Umfang der Leistungspflicht entscheidet, sondern nur über dessen Verteilung. Die Beschränkung des Mitbestimmungstatbestandes auf die Verteilung einer bereits mitbestimmungsfrei festgelegten Wochenarbeitszeit ist auch nicht vom Wortlaut des § 87 I Nr. 2 BetrVG vorgegeben. Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzestext, der „ausdrücklich klarstellt, dass der Betriebsrat über die ,Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage‘ mitzubestimmen hat“78, eine feststehende Wochenarbeitszeit voraussetzt. Die Norm spricht gerade nicht von einer wöchentlichen Arbeitszeit, sondern nur von der Verteilung auf Wochentage.79 Diese ist aber auch dann noch möglich, wenn der Bezugszeitraum nicht die einzelne Woche ist.80 Ist etwa nur die monatliche Arbeitszeit vorgegeben, so besteht das Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung auf die einzelnen Tage des Monats81; zwangsläufig bestimmt diese Festlegung dann auch die Dauer der Arbeitszeit in den einzelnen Wochen. Wollte man das Mitbestimmungsrecht nur eingreifen lassen, wenn eine bereits feststehende Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu verteilen ist, so würde der Zweck des Mitbestimmungsrechts, die Interessen der Arbeitnehmer an der zeitlichen Lage ihrer Arbeitszeit und Freizeit zur Geltung zu bringen,82 nur unzureichend erfüllt.83 Nach dem Zweck des § 87 I Nr. 2 BetrVG greift das Mitbestimmungsrecht also immer dann ein, wenn eine arbeitsvertraglich, tarifvertrag74 A. A. insoweit Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2767, 2720), der als Voraussetzung für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts eine feststehende Wochenarbeitszeit annimmt. 75 Vgl. hierzu etwa Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 269. 76 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 74 a; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 286; ders., RdA 1994, 394 (401); Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 37; GKWiese, BetrVG, § 87 Rn. 296 ff. 77 Richardi, NZA 1994, 593 (594); vgl. auch D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 74 a; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 296. 78 Vgl. aber Richardi, NZA 1994, 593 (594), der den Gesetzestext als Begründung für die Mitbestimmungsfreiheit der wöchentlichen Arbeitszeit anführt. 79 Braunert, Schranken, S. 33, der außerdem darauf hinweist, dass der öffentlichrechtliche Arbeitszeitbegriff keinen Wochenbezug kennt. 80 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 298. 81 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 106. 82 BAG v. 21.12.1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 83 Braunert, Schranken, S. 33, 34; Löwisch/Schüren, BB 1984, 925 (927).

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lich oder aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarung für bestimmte Zeiträume vorgegebene Arbeitszeit zu verteilen ist.84 Der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen die Arbeitszeit zu fixieren ist, ist daher gleichgültig.85 Zu ergänzen ist, dass im Übrigen nach teilweise bestrittener86 Auffassung die Dauer der (Wochen-) Arbeitszeit durch freiwillige Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG) geregelt werden kann. Nach Auffassung des BAG, die in der Literatur weitgehend geteilt wird87, haben die Betriebsparteien eine globale Regelungskompetenz.88 Begründet wird sie mit einem weiten Verständnis des § 88 BetrVG89 und einem Umkehrschluss aus § 77 III BetrVG, aus dem sich ergibt, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen geregelt werden können, wenn sie nicht durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden.90 Gegenstand einer Betriebsvereinbarung könne deshalb jede durch Tarifvertrag gem. § 1 I TVG regelbare Angelegenheit sein.91 Festzuhalten ist, dass der Betriebsrat darüber mitzubestimmen hat, wie eine in ihrer Dauer vorgegebene Arbeitszeit auf die Wochentage verteilt werden soll.92 bb) Ausgleichszeiträume Das Mitbestimmungsrecht der Nr. 2 erfasst mit der Verteilung des hinsichtlich des Umfangs feststehenden Arbeitszeitdeputats innerhalb eines Bezugszeitraumes auch die Wahl und Änderung des in § 3 S. 2 ArbZG geregelten gesetz84

Löwisch, FS Molitor, S. 225 (237 f.). Löwisch/Schüren, BB 1984, 925 (927). 86 Krit. etwa Richardi, ZfA 1990, 211, 235: Vorrang des individuellen Dienstleistungsversprechens; Waltermann, Rechtsetzung, S. 142, 179 ff.: nicht alle Arbeitsbedingungen sind durch Betriebsvereinbarung regelbar, da Fremdbestimmungsordnung der Betriebsverfassung dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt; Regelungsbefugnis besteht nur, wenn parlamentsgesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorliegt; weitere Nachw. s. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 281. 87 Nachweise dazu und zur Gegenauffassung bei GK-Kreutz, BetrVG, § 77 Rn. 83. 88 Die Frage nach der Regelungsautonomie der Betriebspartner hat sich am LeberRüthers-Kompromiss (vgl. Einigungsvorschlag der Besonderen Schlichtungsstelle v. 28.6.1984 [Metallindustrie] NZA 1984, 79) entzündet. Die Tarifparteien hatten dort die Möglichkeit eröffnet, durch Betriebsvereinbarung individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeiten im tarifvertraglichen Rahmen festzulegen. Durch deren normative Wirkung konnten dann auch Tarifaußenseiter erfasst werden. Dieses Ergebnis wurde von Teilen der Wissenschaft (vgl. Fn. zuvor) damit zu vermeiden versucht, dass den Betriebsparteien die Regelungsbefugnis für die Festlegung der individuellen Arbeitszeitdauer abgesprochen wurde. 89 ErfK-Kania, BetrVG § 88 Rn. 1, 2; GK-Wiese, BetrVG, § 88 Rn. 7; § 87 Rn. 280; BAG v. 18.8.1987 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972; v. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972. 90 GK-Kreutz, BetrVG, § 77 Rn. 85; so auch Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 129. 91 V. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972. 92 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 295. 85

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lichen Ausgleichszeitraums93, der bei jeder flexiblen Arbeitszeitgestaltung zu beachten ist. Ausgehend von oben94 abgelehnter Auffassung, dass für die Verlängerung der Arbeitszeit i. S. d. § 3 S. 2 ArbZG eine vorherige Festlegung der Ausgleichszeiträume erforderlich ist, vertritt Zmarzlik, dass der Arbeitgeber vor Durchführung der Arbeitszeitverlängerung die Zustimmung des Betriebsrats gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG einholen müsse. Denn mit der gesetzlich vorausgesetzten Bestimmung eines Ausgleichszeitraums werde die Arbeitszeit zugleich auf die Wochentage verteilt. Die Zustimmung des Betriebsrats sei sowohl für die Festlegung als auch für jede Änderung des Ausgleichszeitraums erforderlich.95 Nach der Gegenauffassung96 kommen die Mitbestimmungsrechte zwar bei der Festlegung des Beginns des Ausgleichszeitraums nur indirekt zur Anwendung, weil die öffentlich-rechtliche Ausgleichspflicht des Arbeitgebers erst mit dem Tag der Mehrarbeit entsteht und die Festlegung eines Ausgleichszeitraums die mitbestimmungsfreie97 Erfüllung dieser Pflicht sei. Durch die tatsächliche Arbeitszeitverteilung zur Einhaltung des Ausgleichszeitraums werden aber das Verhältnis Arbeitnehmer-Arbeitgeber und damit die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berührt. Letztlich führt die Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichem Charakter des Ausgleichszeitraums und seiner privatrechtlichen Festlegung98 zu keinem anderen Ergebnis. Wird also mit dieser Festlegung die Leistungspflicht im Rahmen des Weisungsrechts (§ 106 S. 1 GewO) konkretisiert, besteht die Mitbestimmungspflicht auch hinsichtlich Wahl und Änderung des Ausgleichszeitraums nach § 3 S. 2 ArbZG. Der Betriebsrat hat folglich hinsichtlich der Lage des Ausgleichszeitraums ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 2 BetrVG und kann diesbezüglich sein Initiativrecht zu Festlegungen durch Betriebsvereinbarung nutzen.99 Er kann dabei einen kürzeren Ausgleichszeitraum als 6 Monate verlangen. Längere Zeiträume können nur im Rahmen von § 7 I Nr. 1 b; VIII ArbZG vereinbart werden.100 Einer Betriebsvereinbarung i. S. d. § 7 I, II Eingangssatz und § 7 III ArbZG kann in diesem Fall zusammen mit dem dort genannten Tarifvertrag 93 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 12; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 74 a; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 249; Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (429). 94 Kapitel 2, § 2. B. I. 6. a). 95 Zmarzlik, AR-Blattei, SD 240 Rn. 104. 96 Tietje, Grundfragen, S. 144 (Fn. 410); vgl. auch Erasmy, NZA 1994, 1105 (1106). 97 Erasmy, NZA 1994, 1105 (1106); Junker/u. a., Flexibilisierung, S. 48. 98 Vgl. Tietje, Grundfragen, S. 138. 99 Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 249; Erasmy, NZA 1994, 1105 (1106); Junker, ZfA 1998, 105 (113). 100 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3 Rn. 53; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 3 Rn. 12; D/ K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 74 a; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 3 Rn. 66; Anzinger, FS Wlotzke, S. 427 (429); Junker, ZfA 1998, 105 (113).

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öffentlich-rechtliche Bedeutung zukommen, weil sie eine Verschiebung der Arbeitszeitgrenzen bewirkt.101 cc) Pausen Bei der Vertrauensarbeitszeit sollen die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit selbstbestimmt unterbrechen können und für die Einhaltung der gesetzlichen Ruhepausen selbst verantwortlich sein; jedoch besteht das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG auch hinsichtlich Lage und Dauer der (unbezahlten102) Pausen103. Durch Betriebsvereinbarung können zusätzliche Pausen eingeführt werden, die über die nach § 4 ArbZG erforderlichen Mindestunterbrechungen hinausreichen.104 2. Vorübergehende Veränderung der Arbeitszeit gem. § 87 I Nr. 3 BetrVG Eine Einwirkungsmöglichkeit des Betriebsrats auf die Einführung und Begrenzung von Vertrauensarbeitszeit könnte sich des Weiteren aus den Mitbestimmungsrechten bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gem. § 87 I Nr. 3 BetrVG ergeben. Allgemein wird diese Vorschrift als ein Unterfall des § 87 I Nr. 2 BetrVG angesehen.105 Im vorliegenden Zusammenhang soll allein die Mitbestimmung bei der Verlängerung der Arbeitszeit, d.h. im Falle der Überstunden, betrachtet werden. a) Zwecke der Mitbestimmung Auch wenn Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit an Bedeutung verlieren, soll hier auf die Zwecke des Mitbestimmungstatbestandes der Nr. 3 etwas ausführlicher eingegangen werden. Denn dadurch kann die Schutzfunktion des Betriebsrats nach der Konzeption des Gesetzes verdeutlicht werden. Im Hinblick auf die Verlängerung der Arbeitszeit ist Zweck der Nr. 3, die Arbeitnehmer vor physischen und psychischen Belastungen,106 also vor Gefähr101 Vgl. Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 7 Rn. 10, 68, 117 ff., 122 ff.; Zmarzlik, ARBlattei SD 240 Rn. 31. 102 So h. M., vgl. etwa BAG v. 28.7.1981 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit; Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit, S. 8 f., 81: nicht vom Mitbestimmungsrecht erfasst sind daher bezahlte Kurzpausen, Unterbrechungen aus produktionstechnischen Gründen oder Gründen des Arbeitnehmerschutzes (z. B. Lärmpausen). 103 Zum Begriff der Pause i. S. d. ArbZG s. vorn Kapitel 2, § 2. B. II.; I. 5. b) und BAG v. 23.9.1992 AP Nr. 6 zu § 3 AZO Kr. 104 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 4 Rn. 12. 105 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 130.

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dungen ihrer Gesundheit und Arbeitskraft, zu schützen.107 Unter diesem Blickwinkel besteht wiederum ein gewisser Zusammenhang zwischen der Mitbestimmung bei Überstunden und der Kontrolle der Vorschriften des ArbZG: Der Betriebsrat kann vor Erteilung seiner Zustimmung prüfen, ob bei der Überstundenarbeit die gesetzlichen Vorschriften über die Höchstarbeitszeit eingehalten werden oder ob ggf. eine Überschreitung durch eine Ausnahmeregelung108 gerechtfertigt ist. Um Arbeitnehmern eine sinnvolle Arbeits- und Freizeiteinteilung zu ermöglichen109, soll nach Klärung der Frage, ob die Arbeitszeit überhaupt zu verändern ist, auch eine gerechte Verteilung hiermit verbundener Belastungen und Vorteile erreicht werden.110 Dies stellt ein typisches kollektives Regelungsproblem dar, weil divergierende Arbeitnehmerinteressen zum Ausgleich gebracht werden müssen und dieser horizontale Interessenausgleich nicht auf individualrechtlicher Ebene zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgen kann.111 Daneben soll durch die Mitbestimmung sichergestellt werden, dass Überstunden auch tatsächlich erforderlich sind. Daher kann der Betriebsrat darauf hinwirken, dass Überstunden nur geleistet werden, wenn die betrieblichen Gründe dafür so gewichtig sind, dass sie die Belastungen für die Arbeitnehmer rechtfertigen.112 In einer Erforderlichkeitsprüfung geht es um die Fragen, ob ein erhöhter Arbeitsanfall vorliegt, der mit den betroffenen Arbeitnehmern in der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht zu bewältigen ist und ob andere organisatorische Maßnahmen nicht besser geeignet wären, dem Arbeitsaufkommen Rechnung zu tragen.113 Überdurchschnittliche Auftragseingänge und eine zu dünne Personaldecke sind die häufigsten Ursachen für erhöhten Arbeitsanfall. Wenngleich die Bestimmung von Produktionsumfang und Personaleinsatz mitbestimmungsfreie unternehmerische Entscheidungen sind114, hat der Betriebsrat durch das Mitbestimmungsrecht die Möglichkeit bekommen, dauernde Über106

BAG v. 21.11.1978 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (92 m. N.). 108 Z. B. §§ 10; 14; 15 ArbZG. 109 BAG v. 13.3.2001 AP Nr. 87 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 19.6.2001 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer. 110 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 362; Raab, ZfA 2001, 31 (50 f.); BAG v. 27.11.1990 AP Nr. 41 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 23.7.1996 AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; v. 25.2.1997 AP Nr. 72 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 13.3.2001 AP Nr. 87 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 19.6.2001 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer. 111 Raab, ZfA 2001, 31 (51). 112 BAG AP Nr. 41 BetrVG 1972 Arbeitszeit; vgl. Brossette, ZfA 1992, 379 (420 f. m. w. N., 433). 113 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 100; Brossette, ZfA 1992, 379 (433 ff.); BAG AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 114 Vgl. nur Brossette, ZfA 1992, 379 (435). 107

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lastsituationen zu identifizieren und ggf. über die Einigungsstelle Abhilfe durch andere personelle Maßnahmen zu schaffen.115 Eine in der Literatur genannte, aber weniger beachtete Funktion der Nr. 3 ist der Schutz vor missbräuchlicher Anordnung von Überstunden.116 Darunter ist die Situation zu verstehen, dass der Arbeitgeber einseitig unter Umgehung der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften eine faktisch dauerhafte Arbeitszeitverlängerung vornimmt, um damit eine ständige Unterbesetzung der Belegschaft auszugleichen, mit der die durchschnittlich anfallende Arbeit in der Normalarbeitszeit nicht zu bewältigen ist.117 Nach der Konzeption des Gesetzes muss der vorübergehende Überstundenbedarf überprüft werden können.118 b) Begriff der Überstunden – Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit Überstunden im mitbestimmungsrechtlichen Sinn sind zu unterscheiden von „Mehrarbeit“ im Kontext des ArbZG und „Überzeitarbeit“ im vergütungsrechtlichen Sinn.119 Um mitbestimmungspflichtige Überstunden handelt es sich, wenn über die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit hinaus Arbeit geleistet wird. Es kommt somit darauf an, was unter dem Begriff der „betriebsüblichen Arbeitszeit“ zu verstehen ist. Nach allgemeiner Umschreibung ist dies die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit.120 Darunter fallen alle Arbeitszeiten, die die Arbeitnehmer jeweils individualrechtlich schulden; sie kann für bestimmte Arbeitsplätze oder für einzelne Abteilungen unterschiedlich sein.121 Maßgeblich ist damit grundsätzlich die regelmäßig geschuldete individuelle Arbeitszeit122, 115

Vgl. Kiesche, PersR 2001, 283 (286). Darauf weist zu Recht hin Brossette, ZfA 1992, 379 (440 f.): Überstundenarbeit soll einen vorübergehenden betrieblichen Bedarf decken, nicht aber einen dauerhaft erhöhten Arbeitsbedarf. Für diese Fälle hat der Arbeitgeber neben Neueinstellungen vorbehaltlich tariflicher Regelungen die Möglichkeit der dauerhaften vertraglichen Verlängerung der Arbeitszeitdauer, wobei dann eine spätere Reduzierung der Arbeitszeitdauer nicht mehr einseitig, sondern nur noch unter Beachtung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen möglich ist. Wird dagegen der Weg der Überstunden beschritten, kann der Arbeitgeber diese jederzeit einseitig reduzieren oder ganz einstellen ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Nach dem Gesetz soll aber ersichtlich diese Möglichkeit der Ausschaltung kündigungsrechtlicher Vorschriften zu Lasten der Arbeitnehmer nur bei vorübergehenden Verlängerungen der Arbeitszeit bestehen, nicht aber für Fälle faktisch dauerhafter Arbeitszeitverlängerungen. 117 Brossette, ZfA 1992, 379 (440 f.). 118 Kiesche, PersR 2001, 283 (286) m. N.: Anderenfalls könne mit der Vertrauensarbeitszeit und mittels nicht erfüllbarer Ziele die Vertragsarbeitszeit außer Kraft gesetzt werden. 119 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 112 f. und oben Kapitel 3, § 1. D. VI. 120 BAG v. 16.7.1991 AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 121 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 87; BAG v. 13.6.1989 AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 116

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mithin der Umfang der Arbeitspflicht.123 Das an die betriebsübliche Arbeitszeit und deren vorübergehende Verlängerung anknüpfende Mitbestimmungsrecht betrifft solche Zeiten, in denen der Arbeitnehmer dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt und eine Arbeitsleistung erbringt oder sich hierfür bereithalten muss und deshalb in seiner privaten Lebensgestaltung beschränkt wird.124 Unproblematisch ist die Feststellung der betriebsüblichen Arbeitszeit bei festen Arbeitszeiten, wenn eine pro Tag geschuldete Arbeitszeit für den Arbeitnehmer definiert ist. In diesem Fall sind betriebsübliche und geschuldete Arbeitszeit identisch.125 Anders verhält es sich bei flexiblen, also gerade nicht mehr tagesbezogen feststehenden Arbeitszeiten. Was hier unter betriebsüblicher Arbeitszeit zu verstehen ist, wurde v. a. im Zusammenhang mit Gleitzeitmodellen diskutiert. Deshalb soll der Blick auf die hierzu entwickelten Grundsätze gerichtet werden. In Gleitzeitvereinbarungen wird durch Festlegung der Rahmenzeit126 eine zeitliche Grenze definiert, innerhalb derer sich die Arbeitszeit bewegen kann.127 Die betriebsübliche Arbeitszeit ist dann der sog. „Gleitzeit-Korridor“.128 Die betriebsübliche Arbeitszeit wird mithin durch zwei Komponenten bestimmt: den regelmäßig geschuldeten zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung und seine Verteilung auf einzelne Zeitabschnitte.129 Anders ausgedrückt ist betriebsübliche Arbeitszeit die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit, die im Mitbestimmungswege gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG festgelegt wird.130 Folglich sind von den nach Nr. 3 mitbestimmungspflichtigen Überstunden solche Arbeitszeitverlängerungen abzugrenzen, die im Rahmen von Gleitzeitmodellen Folge der ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit sind und zu anderen Zeiten ausgeglichen werden131: Wird als betriebsübliche Arbeitszeit ein 122

Vgl. BAG AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 396. 124 BAG v. 13.3.2001 AP Nr. 87 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 125 Vgl. etwa BAG v. 11.12.2001 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG (Gründe II.2.a.). 126 Teilweise wird auch von „Zeitfenster“ gesprochen, vgl. Engelhardt, AiB 2001, 451 (454). 127 LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1756). 128 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 32; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 76. 129 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 132; Richardi, NZA 1994, 593 (596); BAG v. 11.12.2001 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 130 Schoof, AiB 2003, 199 (206). 131 Die teilweise zu findende Aussage, der Mitbestimmungstatbestand sei nicht erfüllt, wenn ein Freizeitausgleich stattfindet (sog. Überstunden mit vollem Freizeitausgleich) (vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 398; Brossette, ZfA 1992, 379 [425]; LAG Rheinland-Pfalz v. 24.10.2000, AuR 2001, 197) bedarf aber der Präzisierung. Denn es ist für das Eingreifen des Mitbestimmungstatbestandes ohne Bedeutung, ob für die Überstunden aufgrund einer arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelung ein Über123

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Gleitzeitkorridor festgelegt und den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, in den Grenzen dieses Korridors die Arbeitszeit selbst zu bestimmen, so wird die betriebsübliche Arbeitszeit nicht verlängert, wenn Arbeitnehmer diese Grenzen ausschöpfen. Verändert wird dadurch vielmehr nur die Lage der Arbeitszeit innerhalb des Korridors.132 Die möglichen Folgen einer derartigen Regelung sind in der Entscheidung des BAG133 vom 11.12.2001 anschaulich geworden. Dort hatte das BAG darüber zu befinden, ob mitbestimmungspflichtige Überstunden in einem tariflichen Jahresarbeitszeitmodell schon dann vorliegen, wenn das für den Jahreszeitraum geschuldete tarifliche Arbeitszeitvolumen überschritten wird. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten Arbeitnehmer ausweislich ihrer Arbeitszeitkonten bereits vor Jahresende die geschuldete Jahresarbeitszeit überschritten und der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangt, jede weitere Entgegennahme von Arbeit zu unterlassen, sofern der Betriebsrat nicht zugestimmt hat.134 Gestützt war der Unterlassungsantrag auf die drohende Verletzung von Mitbestimmungsrechten gem. § 87 I BetrVG. Dies hätte das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts gem. § 87 I Nr. 3 BetrVG vorausgesetzt. Bislang ist – nicht nur im Verständnis vieler Betriebsräte135 – häufig davon ausgegangen worden, dass mitbestimmungspflichtige Überstunden vorliegen, wenn ein durch die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit entstandenes Zeitguthaben über die Sollarbeitszeit im Ausgleichszeitraum hinausgeht.136

stundenzuschlag gezahlt werden muss bzw. ob für die geleisteten Überstunden an anderen Tagen in entsprechendem Umfang oder auch mit einem Zeitzuschlag eine Freistellung erfolgt (MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 14, so auch GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 398). 132 Vgl. etwa GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 398; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 89; Brossette, ZfA 1992, 379 (425). 133 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = SAE 2003, 85 ff. m. zust. Anm. Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 ff. 134 Das LAG Nürnberg (v. 7.11.2000 AuA 2001, 141, aufgehoben durch BAG v. 29.11.2001 – 4 AZR 729/00) hatte entschieden, dass sich die Freistellung von der Arbeit auf die Zeit unmittelbar vor Ende des Ausgleichszeitraumes konkretisierte, wenn vorgeschrieben ist, dass die regelmäßige Arbeitszeit in einem bestimmten Ausgleichszeitraum erreicht werden muss und der Ausgleich nicht erfolgen kann. Insoweit könne die festgelegte Arbeitszeit 0 Stunden betragen. Gleichwohl aus betriebsbedingten Gründen notwendig werdende Arbeitsstunden seien zuschlagspflichtige Mehrarbeit i. S. d. MTV Metall- und Elektroindustrie Bayern. 135 Vgl. Hamm, AiB 2003, 228 (230). 136 MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 22; Junker/u. a., Zukunft der Arbeitswelt, S. 72; in die Richtung auch Sprick, Arbeitszeitbegriff, S. 147, nach dem Zeitguthaben die Folge der Verlängerung der „im Betrieb üblichen Arbeitszeit“ sind und Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 67, die für den Tatbestand der Überstunden auf das jeweilige Arbeitszeitdeputat abstellen will; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 85, 93; LAG Hessen v. 21.12.1995 AuR 1997, 124; vgl. Sachverhalt LAG Hessen v. 9.10.1997 NZA-RR 1999, 88 (LS).

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Wäre in diesem Sinne die betriebsübliche Arbeitszeit mit der tariflichen Höchstoder Regelarbeitszeit gleichzusetzen137, so würde schon die Überschreitung der Regel- oder Sollarbeitszeit im Ausgleichszeitraum das Mitbestimmungsrecht auslösen. Dagegen verweist das BAG darauf, dass die für einen bestimmten Zeitraum geschuldete Arbeitszeit zunächst nur von vergütungsrechtlicher Relevanz sei. Betriebsübliche und die für den Jahreszeitraum geschuldete Arbeitszeit seien nicht identisch, wenn im Rahmen der Mitbestimmung eine anderweitige Arbeitszeitverteilung auf kürzere Zeiträume erfolgt ist138; dann richte sich die betriebsübliche Arbeitszeit nach der vorgenommenen Verteilung: Im entschiedenen Fall hatten die Betriebspartner eine Gleitzeitregelung getroffen, wonach die Arbeitnehmer ihre tägliche Regelarbeitszeit um bis zu 2 Stunden durch Ausschöpfen der Gleitspannen verlängern konnten. Durch diese betriebliche Regelung wurde also ein Gleitzeitkorridor eröffnet und den Arbeitnehmern139 die nur durch diesen Korridor begrenzte Möglichkeit eingeräumt, ihre tägliche Arbeitszeit zu verlängern. Die Überschreitung der geschuldeten Jahresarbeitszeit konnte folglich schon dadurch eintreten, dass der Arbeitnehmer die in der Betriebsvereinbarung eröffnete Möglichkeit zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit nutzte. Weil der Betriebsrat durch diese Gleitzeitregelung zur Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit sein Mitbestimmungsrecht bereits dahingehend ausgeübt hatte, dass den Arbeitnehmern die Entscheidung über die Lage ihrer Arbeitszeit innerhalb des Gleitzeitkorridors freigestellt wurde, sah das BAG für eine nochmalige Beteiligung des Betriebsrats keine Grundlage.140 Denn weil die tarifliche Jahresarbeitszeit nur dadurch überschritten wurde, dass von den durch die Gleitzeitregelung eröffneten Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, wurde der Gleitzeitkorridor nicht verlassen und somit auch die betriebsübliche Arbeitszeit nicht verlängert.

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Klevemann, AiB 1984, 90 (92, 93). Zust. Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (90). 139 Die zugrunde liegende Betriebsvereinbarung eröffnete aber auch dem Arbeitgeber innerhalb dieses Rahmens die Möglichkeit zur einseitigen Verlängerung der Arbeitszeit. 140 Zweifelhaft ist nur, welche „Regelung“ hier in Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach Nr. 3 getroffen wurde: In Betracht kommt eine Deutung dahingehend, dass alle Stunden, die innerhalb des vorgegebenen Arbeitszeitrahmens erbracht werden, nicht als Überstunden gewertet werden. Das liegt auf der Linie der BAG-Rspr. wonach eine Rahmenbetriebsvereinbarung, die bestimmte Fälle der Mehrarbeit für mitbestimmungspflichtig erklärt, zugleich regelt, dass in anderen Fällen Mehrarbeit nicht zustimmungspflichtig sein soll. (AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979). Der Unterschied zu Gleitzeitmodellen besteht indes darin, dass das „Herausdefinieren aus der Mitbestimmungspflicht“ nicht inhaltlich, d.h. anhand von bestimmten Ereignissen erfolgt, sondern durch Festlegung einer zeitlichen Spanne. 138

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Die Rechtsprechung hat Zustimmung in der Literatur erfahren, weil es nicht Sinn eines Mitbestimmungstatbestandes sein könne, den Betriebsrat an den Auswirkungen zu beteiligen, die sich unmittelbar aus einer bereits mitbestimmten Regelung ergeben, wobei aber Ausnahmen für möglich gehalten werden, „insbesondere wenn es um fernliegende bzw. überraschende Auswirkungen“ gehe.141 Im Streitfall war also die betriebsübliche Arbeitszeit i. S. d. § 87 I Nr. 3 BetrVG die „nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung über die Anwendung der Jahresarbeitszeit [. . .] für den einzelnen Arbeitnehmer geltende tägliche Arbeitszeit mit ihren von diesem selbst oder von der Arbeitgeberin im Einzelfall ohne Zustimmung des Betriebsrats bestimmbaren Variationsmöglichkeiten.“ Das Mitbestimmungsrecht sei deshalb nur dann zu beachten, wenn die regelmäßige betriebliche tägliche Arbeitszeit über die Regelungen in der Betriebsvereinbarung hinaus von der Arbeitgeberin verlängert werden soll. Allein die rechnerische Überschreitung der regelmäßigen (Jahres-)Arbeitszeit sei nicht geeignet, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 3 BetrVG auszulösen.142 Das BAG verweist in der Begründung u. a.143 auf das widersinnige Ergebnis, das durch eine Gleichsetzung von betriebsüblicher und tariflicher Jahresarbeitszeit entstünde: Bis zur Grenze der geschuldeten Jahresarbeitszeit dürfte der Arbeitgeber unter Beachtung gesetzlicher Vorgaben Arbeit in jeglichem Umfang ohne Betriebsratsbeteiligung anordnen, jede über die tariflich geschuldete Arbeitszeit hinausgehende Arbeit könne der Betriebsrat oder die Einigungsstelle für den Rest des Jahres verhindern, was Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 3 BetrVG widerspreche. Die betriebsübliche Arbeitszeit kann mithin die Überschreitung der geschuldeten Arbeitszeit beinhalten; die Betriebsvereinbarung zur Jahresarbeitszeit war gerade darauf angelegt.144

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Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (91 Fn. 24). Vgl. dazu auch Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (92). 143 Ein Argument war die Systematik des zugrundeliegenden Tarifvertrags, nach dem Überschreitungen des Jahresarbeitszeitsolls auf einem Freizeitkonto verbucht werden und einen Anspruch auf Gewährung von Freizeit begründen. Der Freizeitausgleich wird dann auf einem Arbeitszeitkonto als Anwesenheitszeit, also wie geleistete Arbeit verbucht, so dass das Konto keinen Aufschluss darüber zulässt, wie lange der Arbeitnehmer im betreffenden Jahr tatsächlich gearbeitet hat. 144 Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (92). Demgegenüber hatte das ArbG Arnsberg in einer Entscheidung v. 16.8.1995 (AiB 1995, 799 und 744) noch einen Verstoß gegen § 87 I Nr. 3 BetrVG darin gesehen, dass der Arbeitgeber aufgelaufene Arbeitszeitguthaben entgegen der Regelung in der Betriebsvereinbarung nicht in Freizeit, sondern in Geld ausgeglichen hat. Damit trat zwar eine Verlängerung der geschuldeten Arbeitszeit ein. Da allerdings die Guthaben innerhalb des in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Rahmens oder Korridors aufgelaufen waren, bedeutete die Auszahlung keine Veränderung der betriebsüblichen Arbeitszeit, vgl. auch Krauss, NZA 1996, 294 (295). 142

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Für die Feststellung der betriebsüblichen Arbeitszeit i. S. d. § 87 I Nr. 3 BetrVG ist somit auf den durch die jeweilige Festlegung der Betriebspartner eröffneten Korridor abzustellen, nicht aber allein auf den geschuldeten Durchschnitt. Nach Einschätzung von Walker/Gaumann145 steht die Jahresarbeitszeit-Entscheidung des BAG im Einklang mit den mitbestimmungsrechtlichen Grundsätzen, die für Arbeitszeitkonten innerhalb einer Gleitzeitordnung gelten. Danach liegen mitbestimmungspflichtige Überstunden nicht vor, wenn innerhalb des Gleitzeitsystems länger als üblich gearbeitet wird, um ein Zeitguthaben aufzubauen oder einen Zeitrückstand zu kompensieren. Der Betriebsrat habe erst mitzubestimmen, wenn das Zeitguthaben über die Sollarbeitszeit im Ausgleichszeitraum hinausgeht und ein Zeitausgleich in der Planperiode nicht mehr möglich ist, oder bei einem bestimmten „Übersoll“ eine Überstundenbezahlung oder Verfall vorgesehen ist.146 Das heißt zunächst, dass die Regelung selbst, die bei Überschreiten einer gewissen Guthabengrenze Verfall oder Bezahlung der darüber hinaus geleisteten Stunden anordnet, nach Nr. 3 mitbestimmungspflichtig ist.147 Es kann also geregelt werden, dass die über die Guthabengrenze hinaus geleisteten Stunden verfallen sollen148, sofern sie nicht als Mehrarbeit geneh145

So Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (92). D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 88; MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 22 f.; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 346; Reichold, NZA 1998, 393 (399). 147 Vgl. etwa Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 346. 148 Die Zulässigkeit derartiger Verfallsregelungen ist allerdings umstritten, denn damit werden Arbeitnehmer bestraft, wenn sie ihr maximales Zeitguthaben überschreiten, was „unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten auf jeden Fall fragwürdig“ ist, vgl. Engelhardt, AiB 2000, 466 (473). Andererseits können derartige Regelungen durchaus auch dem Arbeitnehmerschutz dienen. Denn die Gefahr des Verfalls von Plusstunden mag ein starkes Druckmittel sein, um ein Überschreiten der vertraglichen Arbeitszeit zu verhindern. Arbeitnehmern wird der ökonomische Anreiz genommen, in ungesundem Maße ihre regelmäßige Arbeitszeit zu überschreiten. So wurde beispielsweise bei der Software AG und SAG Systemhaus GmbH durch eine Ergänzungsbetriebsvereinbarung die Kappung des eine bestimmte Grenze überschreitenden Saldos vereinbart, da zuvor die bestehende Saldogrenze von Mitarbeitern und Führungskräften nicht beachtet wurde, was zum „Überlaufen der Konten“ geführt hatte, vgl. BMA Forschungsbericht 281/2, S. 470. Die Kappung von Zeitsalden wurde von den Betriebsparteien als das zentrale Steuerungsinstrument angesehen. Teilweise werden keine Bedenken gegen Verfallklauseln erhoben (so etwa Schliemann, Arbeitsrecht im BGB, § 611 Rn. 651; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 335; Lindecke/Lehndorff, WSI-Mitt. 7/1997, 471 [479], die allerdings die Kombination mit Lohnminderung im Fall zu hoher Zeitschulden für bedenklich halten). Zumindest seien Kappungen solange nicht zu beanstanden, wie der Arbeitgeber tatsächlich einen Zeitausgleich für mehr geleistete Arbeitszeit anbietet, also auch eine entsprechende Arbeitsentlastung, der Mitarbeiter aber freiwillig auf die Geltendmachung verzichte (Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 65). Gerade im Angestelltenbereich, der durch Projektorganisation und Ergebnisorientierung und damit einhergehend steigender Arbeitsintensität geprägt ist, ist aber eher zu beobachten, dass sich der von Kappungsregelungen ausgehende Druck in Richtung Verfall der Arbeitszeiten kanalisiert (Haipeter/Lehndorff, WSI-Mitt. 11/2002, 649 [653]). Da aber der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung jeder Arbeitsstunde hat (vgl. Schoof, 146

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migt würden.149 Die betriebsübliche Arbeitszeit ist dann nicht nur durch den täglichen Arbeitszeitrahmen begrenzt, sondern darüber hinaus durch die Festlegung von Höchstgrenzen für Gleitzeitguthaben. Da es sich folglich um mitbestimmungspflichtige Überstunden immer erst dann handelt, wenn der Gleitzeitkorridor, also der Rahmen verlassen wird, der bei Gleitzeit den Arbeitnehmern zur selbstbestimmten Verteilung des geschuldeten Arbeitszeitvolumens in der Planperiode eröffnet wurde150, kommt es für die Definition von Überstunden entscheidend auf die Planung der Arbeitszeit an.151 Je größere Freiräume für eine eigenständige Arbeitszeiteinteilung der Arbeitnehmer geschaffen werden, umso geringer wird der Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts nach Nr. 3: Soweit Betriebsrat und Arbeitgeber nach § 87 I Nr. 2 BetrVG eine Gleitzeitvereinbarung getroffen und den Beschäftigten dadurch die Planung ihrer Arbeitszeit weitgehend selbst überantwortet haben, haben sie im Ergebnis im Rahmen der Festlegungen der Gleitzeitvereinbarung vorübergehende Verkürzungen und Verlängerungen der Arbeitszeit dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 I Nr. 3 BetrVG entzogen.152 Ähnliche Auswirkungen einer mitbestimmten Regelung auf das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 3 lassen sich an einer weiteren Konstellation exemplifizieAnm. zu ArbG Flensburg, AiB 1999, 298 [299]), werden Vereinbarungen, die ein Guthaben ersatzlos verfallen lassen, während etwaige Defizite wie unbezahlter Urlaub bewertet werden, teilweise für unzulässig gehalten, denn Folge der Vereinbarung wäre eine anteilige Minderung des Arbeitsentgelts. Den Betriebs- und Arbeitsvertragsparteien fehle die Rechtsmacht, in tarifliche Zahlungsansprüche einzugreifen, indem sie die Bedingungen für den Verfall festlegen (Märkle/Petri, AuR 2000, 443 [446]; so auch Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 70). Der Rspr. lassen sich zu diesem Problem keine verlässlichen Anhaltspunkte entnehmen. Teilweise wurde offengelassen, ob solche Vereinbarungen zulässig sind (LAG Baden-Württemberg v. 21.2.1994 LAGE § 80 BetrVG 1972 Nr. 1 mit Verweis auf BAG AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG Ordnung des Betriebes). In einem obiter dictum hält das BAG (v. 13.2.2002 AP Nr. 57 zu § 4 EntgeltFG) Verfallklauseln für rechtlich bedenklich. In der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 [1757]) wurde dagegen eine Regelung über den Verfall von geleisteten Stunden als „erzieherische Maßnahme“ gewertet „um grenzenlose Arbeitszeiten zu verhindern“, ohne dass Zweifel an der Zulässigkeit geäußert wurden oder eine nähere Auseinandersetzung erfolgte. Ohne Bedenken ebenso LAG Hessen, v. 9.10.1997 – 5 TaBV 8/97 – juris, NZA-RR 1999, 88 (LS) = AuR 1998, 170 und ArbG Stuttgart v. 23.7.2001 – 6 BV 167/00. 149 Vgl. die zugrundeliegenden Regelungen in LAG Hessen v. 9.10.1997 – 5 TaBV 8/97 – juris (Volltext), NZA-RR 1999, 88 (LS); LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 ff. = AiB 2002, 770 ff. m. zust. Anm. v. Herbst. 150 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 344. 151 Hamm, AiB 2002, 412 (413 f.); in diesem Sinne wohl auch Brossette, ZfA 1992, 379 (425 f.); Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1268 f.). 152 Junker/u.a., Zukunft der Arbeitswelt, S. 39 (72); Hamm, AiB 2002, 412 (414); Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1268 f.); BAG v. 23.3.1999 AP Nr. 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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ren, die einer Entscheidung des BAG153 zugrunde lag: Dort war das Ende der täglichen Arbeitszeit wegen Schwankungen der Arbeitsmenge und des individuellen Arbeitsverhaltens nicht präzise festzulegen; dies hatte zur Folge, dass das in einem Dienstplan angegebene tägliche Arbeitsende nur als Durchschnittswert zu verstehen war. Wenn sich deshalb die Lage der Arbeitszeit an einzelnen Arbeitstagen verschiebt, soll darin keine Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit liegen. Hat also der Betriebsrat einer Regelung zugestimmt, nach der das festgelegte Dienstende einen fiktiven Durchschnittswert darstellt und sich das tatsächliche Ende der täglichen Regelarbeitszeit aus der Beendigung der Arbeit154 ergibt, liegt nach Auffassung des BAG kein Mitbestimmungsrecht vor, wenn infolge einer Verschiebung der Arbeitszeitlage an einzelnen Arbeitstagen der für das Dienstende angegebene fiktive Durchschnittswert überschritten wird.155 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit dann nicht vorliegt und folglich der Ansatzpunkt für die Mitbestimmung fehlt, wenn als betriebsübliche Arbeitszeit durch eine mitbestimmte Rahmenregelung ein Gleitzeitkorridor eröffnet wird und die Arbeitnehmer innerhalb dieses Korridors über die Lage ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können. Bei Arbeit, die im Rahmen der durch eine Betriebsvereinbarung eröffneten Variationsmöglichkeiten geleistet wird, handelt es sich nicht schon um „Überstunden“, wenn dadurch die vergütungsrechtlich geschuldete Arbeitszeit bereits vor Ablauf der Planungsperiode erbracht ist. Eine Betriebsvereinbarung, die sich darauf beschränkt, Verlängerungen der regelmäßigen Arbeitszeit innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens mit der Folge der Überschreitung der geschuldeten Arbeitszeit zuzulassen, bietet folglich keine Möglichkeit, die Einhaltung der geschuldeten Arbeitszeit sicherzustellen. Nur bei Veränderungen der Arbeitszeit über die in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich zugelassenen Möglichkeiten einer Abweichung von der Regelarbeitszeit hinaus besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 3 BetrVG.156 c) Inhalt des Mitbestimmungsrechts Sofern das Mitbestimmungsrecht nach den genannten Grundsätzen besteht, bezieht es sich darauf, ob und wie die betriebsübliche Arbeitszeit verkürzt oder verlängert werden soll157 und es kommt nicht nur zur Anwendung, wenn der 153

AP Nr. 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. So bei der Postzustellung. 155 Dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber nicht das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnen darf, war in dem Fall unproblematisch, da sichergestellt war, dass der Arbeitgeber nicht durch Zuweisung der Arbeitsmenge das tägliche Arbeitsende einseitig beeinflussen kann. 156 Walker/Gaumann, SAE 2003, 88 (91). 154

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Arbeitgeber Überstunden anordnen will, sondern auch, wenn er sie duldet oder entgegennimmt.158 Es greift nur ein, wenn die Veränderung der Arbeitszeit nicht auf Dauer, sondern auf einen überschaubaren Zeitraum angelegt ist159, wobei der Endzeitpunkt nicht feststehen muss.160 Erfasst ist grundsätzlich jeder Einzelfall, in dem zu regeln ist, ob, wann und durch wen Überstunden im Betrieb zu leisten sind.161 Auch Rahmenvereinbarungen und die Festlegung von Höchstgrenzen sind möglich.162 In jedem Fall sind die Grenzen des ArbZG zu beachten.163 Ausnahmegenehmigungen nach dem ArbZG lassen die Mitbestimmung des Betriebsrats unberührt. Soll die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit überschritten werden, besteht die Mitbestimmung im Grundsatz weiter.164 Bevor näher dargestellt wird, dass dieses grundsätzlich dem Überlastungsschutz dienende Mitbestimmungsrecht im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit seine Wirkung nicht mehr entfalten kann, soll untersucht werden, ob dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte zur Verfügung stehen, mit denen er die – mit Vertrauensarbeitszeit häufig verbundene – Abschaffung der elektronischen Arbeitszeiterfassung verhindern könnte. II. Mitbestimmung über die Frage der (elektronischen) Zeiterfassung Es stellt sich daher die Frage, ob neben den Mitbestimmungsrechten bei der Arbeitszeitgestaltung dem Betriebsrat weitere Rechte zur Verfügung stehen, die ihm eine Einflussnahme auf die Durchführung der Zeiterfassung ermöglichen könnten. 1. Mitbestimmung bei der Abschaffung bzw. Initiativrecht zur (Wieder-)Einführung elektronischer Zeiterfassung gem. § 87 I Nr. 6 BetrVG Diskutiert wird diesbezüglich zunächst § 87 I Nr. 6 BetrVG.165 Das dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers dienende166 157

Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 356. BAG v. 27.11.1990 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, s. dazu unten § 2. B. II. 159 BAG v. 21.11.1978 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 160 Str., vgl. Etzel, BetrVG, Rn. 538; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 384. 161 BAG v. 8.6.1982 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 162 BAG v. 2.3.1982, 13.6.1989 AP Nr. 6, 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 163 BAG v. 28.7.1981 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 164 Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 146. 165 s. z. B. Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Zeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (06/2002), S. 7. 158

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Mitbestimmungsrecht bei der Einführung technischer Überwachungseinrichtungen kommt jedenfalls zur Anwendung, wenn im Betrieb eine automatisierte Zeiterfassung eingeführt werden soll.167 Bei Einführung der Vertrauensarbeit stellt sich nun umgekehrt die Frage, ob die Arbeitnehmervertretung die Abschaffung der elektronischen Zeiterfassung verhindern kann.168 Da es für den Mitbestimmungstatbestand nicht darauf ankommt, ob der Arbeitgeber die aufgezeichneten Daten tatsächlich zum Zweck einer Kontrolle auszuwerten beabsichtigt,169 ist Nr. 6 im Rahmen flexibler Modelle unabhängig davon zu beachten, ob sie dem Arbeitgeber zur Kontrolle der Einhaltung von vereinbartem Arbeitsvolumen und Arbeitszeitrahmen und damit der Verhaltenskontrolle170 oder lediglich zum Zwecke der Entgeltabrechnung dienen sollen. Somit ist Nr. 6 auch bei Vertrauensarbeitszeit nicht per se ausgeschlossen. Das BAG hat die Frage, ob die Abschaffung einer maschinellen Zeiterfassung der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, davon abhängig gemacht, ob ihm ein Initiativrecht bei der Einführung einer solchen Einrichtung zusteht171 und dies verneint. Damit wird das Initiativrecht des Betriebsrats bei Nr. 6 ausschließlich bei Anwendung, Änderung und Abschaffung einer Kontrolleinrichtung bejaht172, nicht aber auch zu deren Einführung. Denn das grundsätzlich für alle Tatbestände des § 87 I BetrVG anerkannte Initiativrecht des Betriebsrats173 wird nach ständiger Rechtsprechung durch Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes, hier Schutz der Persönlichkeit vor den von technischen Überwachungseinrichtungen ausgehenden Gefahren, begrenzt.174

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MünchArbR-Matthes, § 338 Rn. 2; BT-Drs. VI/1786, S. 48 f. Dräger, Beteiligung, S. 122; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 354; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 86; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 68. 168 Vgl. dazu auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 388 f.; Kiesche, PersR 2001, 283 (286). Die Abschaffung der elektronischen Zeiterfassung ist allerdings nicht schon per definitionem Bestandteil von Vertrauensarbeit, vgl. Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 129. 169 BAG v. 6.12.1983 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = E 44, 285 (314); Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 501 ff. 170 Dräger, Beteiligung, S. 122; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 69; a. A. Hölting, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 167. 171 BAG v. 28.11.1989 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht (Gründe B.II.1.b). 172 Insofern weitgehend unstr., vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 574; H/S/W/GWorzalla, BetrVG, § 87 Rn. 319; Schlömp-Röder, CR 1990, 477 (Fn. 8); LAG Düsseldorf v. 4.11.1988 NZA 1989, 146 (149). 173 Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung hat es abgelehnt, die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten in solche mit und ohne Initiativrecht des Betriebsrats aufzuspalten, BT-Drs. VI/2729 S. 4. Die Initiative zu einer Regelung muss sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Betriebsrat ausgehen können, denn Mitbestimmung bedeutet gleiche Rechte für beide Teile, vgl. nur BAG v. 28.11.1989 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht (Gründe B.II.2.a). 167

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Diese Rechtsprechung befindet sich in Übereinstimmung mit einem großen Teil der Literatur175. Danach kann die Einführung einer Kontrolleinrichtung selbst dann nicht verlangt werden,176 wenn Betriebsrat bzw. Arbeitnehmer ein Interesse an technischen Überwachungseinrichtungen haben.177 Zur Durchsetzung dieser Interessen wird auf §§ 80 I Nr. 1 und 2; 89; 91 BetrVG verwiesen und dabei hingenommen, dass die Erzwingbarkeit ausscheidet.178 Argumentiert wird vereinzelt u. a. damit, dass die Einführung und Anwendung neuer Technologien dem Kernbereich unternehmerischer Planungs-, Organisations- und Leitungskompetenz unterliege und ein Initiativrecht einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit darstellen würde.179 Dagegen lässt sich aber anführen, dass nach der Rechtsprechung die Mitbestimmungsrechte nicht unter dem allgemeinen Vorbehalt unternehmerischer Entscheidungsfreiheit stehen.180 Einigkeit herrscht darüber, dass der Zweck des Mitbestimmungsrechts im Wesentlichen im Schutz der Arbeitnehmerpersönlichkeit vor Gefahren technischer Überwachung besteht.181 Nach einer Auffassung ist indes der Zweck nicht auf eine „Abwehrfunktion“ beschränkt.182 Der Betriebsrat soll vielmehr auch die Einführung technischer 174 BAG AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht; BAG v. 4.3.1986 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit. 175 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 60; MünchArbR-Matthes, § 338 Rn. 54; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 515, 518; Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 106 a; GKWiese, BetrVG, § 87 Rn. 571; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 319; Junker/ u. a., BB 2000, Beil. 10, 14 (21); Kort, CR 1992, 611 (612, 614); Streckel, Anm. zu BAG EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung, S. 9; vgl. auch LAG Hamburg v. 15.7.1998, NZA 1998, 1245. 176 Statt vieler Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 518. 177 Schwarz, Arbeitnehmerüberwachung, S. 124; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 573; MünchArbR-Matthes, § 338 Rn. 54, nach dem allerdings vor Abschaffung der Überwachungseinrichtung die Betriebsvereinbarung, auf der die Überwachungsanlage beruht, zu kündigen ist; gegen das Erfordernis der Kündigung GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 571; ders., Initiativrecht, S. 51. 178 Schwarz, Arbeitnehmerüberwachung, S. 124. 179 Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 106 a m. N.; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 325; Kort, CR 1992, 611 (614); vgl. auch LAG Hamburg v. 15.7.1998 NZA 1998, 1245. 180 BAG v. 4.3.1986 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit; v. 31.8.1982, 13.10. 87 AP Nr. 8, 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BVerfG v. 18.12.1985 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 181 Vgl. etwa F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 215, 216: „Präventiver Schutz vor unzulässigen Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre“. 182 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 251; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 87 Rn. 147 a; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 135; Klebe/Ratayczak/u. a., BetrVG, § 87 Rn. 32; Kohte in: HaKo-BetrVG, § 87 Rn. 19; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63, 133; ders., AiB 2003, 199 (205); Schlömp-Röder, CR 1990, 477 ff. (479); ders., AiB 1990, 475 f.; wohl auch Apitzsch/Schmitz, AiB 1985, 165 (167 f.).

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Überwachungseinrichtungen verlangen können, wenn es dem Arbeitnehmerschutz dient.183 Als Beispiel für derartige berechtigte Arbeitnehmerinteressen wird auch der Gesundheitsschutz angeführt.184 Immerhin denkbar ist, den Schutz vor Gesundheitsschäden auch als Argument für die automatisierte Zeiterfassung anzuführen und ein Initiativrecht zur Vermeidung der „Selbstausbeutung im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit“ anzuerkennen, dem ein Vetorecht gegen die Abschaffung korrespondiert.185 Befürworter des Initiativrechts stützen sich auf den Wortlaut und darauf, dass anderenfalls der Regelungsanspruch des Betriebsrats und die Gestaltungskompetenz der Einigungsstelle zu Unrecht eingeschränkt werde.186 Hätte der Gesetzgeber ein Initiativrecht ausschließen wollen, so habe er die Einführung von Überwachungseinrichtungen unter einen Zustimmungsvorbehalt stellen können.187 Zur Verfolgung gesetzeskonformer Zwecke unter Einhaltung der Ermessensgrenzen (vgl. § 76 V 3 BetrVG) sei ein Initiativrecht durchaus anzuerkennen.188 Angesichts der technischen Entwicklung und der Fortentwicklung der Rechtsprechung müsse sich § 87 I Nr. 6 BetrVG auch auf „Gestaltungsaufgaben“ erstrecken, damit der Betriebsrat frühzeitig Einfluss auf den Einsatz der Technik nehmen könne.189 Nach einer differenzierenden Auffassung190 kann der Betriebsrat zwar nicht die Abschaffung einer Kontrolleinrichtung durch den Arbeitgeber verhindern, da dies mit Wortlaut und Zweck der Vorschrift unvereinbar wäre.191 Dagegen sei ein Initiativrecht zur Einführung z. B. im Interesse eines besseren Gesundheitsschutzes denkbar und durch den Zweck der Vorschrift zu rechtfertigen. Teilweise192 wird versucht, das Mitbestimmungsrecht bei der Abschaffung damit zu begründen, dass die Tatbestandsalternative „Anwendung von techni183 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 251; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 135; vgl. auch Ossberger, Betriebliche Kontrollen, S. 143. 184 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 251; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 135; Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 815. 185 So F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 251; krit. Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333, der den vom Betriebsrat zu führenden Nachweis von auf Selbstausbeutung beruhenden Gesundheitsschäden in der Praxis für schwer nachweisbar hält. 186 Vgl. ausf. Schlömp-Röder, CR 1990, 477 f.; Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 815; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63, der den Schutzzweck der Norm auch auf das Interesse der Arbeitnehmer an einem Nachweis geleisteter Arbeitsstunden erstrecken will. 187 Schoof, AiB 2003, 199 (205). 188 P. Hanau, RdA 1973, 281 (286 f.); gegen eine Einschränkung des Mitbestimmungstatbestandes via Normzweck auch Schlömp-Röder, CR 1990, 477 (478). 189 Schlömp-Röder, CR 1990, 477 (479); ähnlich auch Wagner, nach dem der Betriebsrat in die Lage versetzt werden muss, Alternativvorstellungen zu entwickeln, um sein Initiativrecht sinnvoll ausüben zu können, AuR 1993, 70 (74). 190 Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 814 f.; Kort, CR 1992, 611 (614). 191 So auch Schwarz, Arbeitnehmerüberwachung, S. 123. 192 Thannheiser, AiB 2003, 233 (235); ders., CF 4/2000, 18 (19 f.).

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schen Einrichtungen“ auch deren Änderung einschließe und nicht nur ein Mehr, sondern auch ein Weniger an Kontrolle den Tatbestand erfülle.193 Unter Anwendung der technischen Einrichtung ist ihre allgemeine Handhabung einschließlich der Art und Weise, wie sie tatsächlich zur Kontrolle verwendet wird, zu verstehen.194 Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen Änderungen mitbestimmungspflichtig sind195, und ob bereits die Möglichkeit ausreicht, dass durch die Veränderung eine Intensivierung oder neue Qualität der Überwachung entsteht196, kann hier dahinstehen: Die gänzliche Abschaffung von Zeiterfassungsgeräten als eine Frage von deren Anwendung qualifizieren, dürfte in jedem Fall diese Tatbestandsalternative überdehnen, denn dabei handelt es sich gerade um die „Nichtanwendung“. Auch aus der Feststellung des BVerwG197 für das Personalvertretungsrecht, dass eine Regelung über die Begrenzung bestehender Überwachungsmöglichkeiten der Mitbestimmung unterliegt, lässt sich nicht zweifelsfrei auf die Mitbestimmung beim Wegfall bestehender elektronischer Zeiterfassungssysteme schließen198, denn im entschiedenen Fall ging es um eine Modalität der Anwendung einer bestehenden bzw. einzuführenden Überwachungseinrichtung. Explizit zur Mitbestimmung bei der Abschaffung der Zeiterfassung bei Vertrauensarbeit hat sich auch Hamm199 geäußert. Er hält die o. g. Rechtsprechung des BAG angesichts der Einführung des § 16 II ArbZG für überholt. Dass i. R. dieser Vorschrift nicht mehr über das „Ob“ der Zeiterfassung, sondern nur noch über deren Form zu entscheiden sei, eröffne dem Arbeitgeber lediglich die Entscheidung zwischen mehreren – jeweils mitbestimmungspflichtigen – Optionen. Somit sei die Abschaffung einer bestimmten Form der Zeiterfassung immer zugleich der mitbestimmungspflichtige Wechsel zu einer anderen Form mit der Folge, dass auch die Abschaffung einer technischen Überwachungsanlage der Mitbestimmung unterliege. Ob der „mitbestimmungspflichtige Wechsel“ zwischen – nicht notwendig elektronischen – Zeiterfassungsformen mit Nr. 6 begründbar ist200, ist zumindest unter Zugrundelegung der h. M. zweifelhaft. In Betracht kommen hier vielmehr die Mitbestimmungstatbestände Nr. 1 und 2 des § 87 I BetrVG sowie 193 Thannheiser, CF 4/2000, 18 (19 f.) dort Fn. 3 Verweis auf D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 156, 141; Schwarz, Arbeitnehmerüberwachung S. 125. 194 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 141. 195 Für Mitbestimmung bei jeder Änderung etwa die Nachweise bei Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 772 (Fn. 247). 196 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 59, vgl. auch Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 772 m. w. N., 831. 197 V. 9.12.1992 PersR 1993, 212 (214). 198 So aber Thannheiser, CF 4/2000, 18 (20). 199 Flexible Arbeitszeiten, S. 388 ff. 200 Hamm hat dies auch nicht expressis verbis behauptet.

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Nr. 7201. Wenn von Hamm202 gegen die Rechtsprechung zu § 87 I Nr. 6 BetrVG die Aufzeichnungspflicht des § 16 II ArbZG ins Feld geführt wird, muss berücksichtigt werden, dass die Vorschrift nur die Aufzeichnung der über die 8. Stunde hinausgehenden Arbeitszeit verlangt. Keinesfalls kann darauf eine umfassende – ggf. auch Überstunden sichtbar machende – Arbeitszeiterfassung gestützt werden. Die z. T. vorgeschlagene203 Differenzierung zwischen Initiativ- und Vetorecht bei der Abschaffung der technischen Einrichtung erscheint unter Berücksichtigung des Wortlauts zwar plausibel, nach Sinn und Zweck aber zweifelhaft.204 Für die Vertrauensarbeit hätte das die Konsequenz, dass der Betriebsrat der Abschaffung der elektronischen Zeiterfassung nicht widersprechen, wohl aber deren Wiedereinführung verlangen könnte, wenn dies aus Gründen des Gesundheitsschutzes geboten erscheint. Deshalb ist es naheliegend, sowohl das Initiativrecht als auch das Mitbestimmungsrecht bei der Abschaffung anzuerkennen. Ein Initiativrecht bei der Einführung einer Überwachungseinrichtung ist zunächst vom Wortlaut der Norm gedeckt.205 Der im Persönlichkeitsschutz liegende Zweck des Mitbestimmungstatbestandes der Nr. 6 wird auch verfolgt, wenn mittels der Kontrolleinrichtung das „Arbeiten ohne Ende“ verhindert werden soll. Die „Entgrenzung von Arbeit und Leben“ und die „Okkupation des gesamten Individuums“206 durch die Arbeit würde in elementarer Weise dem Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers widersprechen. Zwar wurde die Vorschrift in den Katalog des § 87 BetrVG eingefügt, weil anonyme Kontrolleinrichtungen stark in den persönlichen Bereich der Arbeitnehmer eingreifen207 und die Mitbestimmung verhindern soll, dass Arbeitneh201 Dies legt der Verweis Hamms auf Entscheidungen des BAG v. 26.8.1997 AP Nr. 74 zu 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = BAGE 86, 249 ff.; v. 2.4.1996 AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz nahe, in deren einer dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der durch § 6 V ArbZG eröffneten Auswahlentscheidung zuerkannt wurde. 202 Flexible Arbeitszeiten, S. 389. 203 Däubler, Gläserne Belegschaften?, Rn. 814 f. 204 Vgl. auch BAG v. 28.11.1989 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht = NZA 1990, 406 (407); Streckel, EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung, S. 11. 205 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63; vgl. etwa auch SchlömpRöder, CR 1990, 477; Streckel, EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung, S. 11. 206 Vgl. hierzu Pickshaus in: Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 (5); ders. in: Pickshaus/Schmitthenner/Urban, Arbeiten ohne Ende, S. 9 ff. 207 Vgl. BT-Drs. IV/1786, S. 48 f.

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mer Objekt der Überwachungstechnik werden.208 Deswegen müsse es auch Ziel des Betriebsrats sein, von diesen Einrichtungen ausgehende Gefahren für die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer zu verhindern oder jedenfalls auf das betrieblich notwendige Maß zu beschränken.209 Der Einwand liegt also nahe, dass der Schutz der Arbeitnehmerpersönlichkeit vor anderen Gefahren als der technischen Kontrolleinrichtung nicht vom Normzweck gedeckt sei, selbst wenn dieser Schutz mit Hilfe einer solchen Einrichtung erreicht werden soll.210 Da Gesetzesauslegung zu einem gewissen Grade zeitgebunden ist211 und die Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse zu einem Wandel der Normsituation führen können212, dürfen vorliegend die tiefgreifenden Wandlungen der Arbeitswelt nicht unberücksichtigt bleiben. Denn der Anwendungsbereich einer Norm ist nicht auf die Normvorstellungen des Gesetzgebers begrenzt.213 Fortschreitende Technisierung hat nahezu jeden Lebensbereich durchdrungen und erscheint weniger bedrohlich als bei der gesetzlichen Verankerung des Mitbestimmungstatbestandes 1972214; Persönlichkeitsschutz wird nunmehr auch das BDSG215 gewährleistet; schließlich hat das BAG den Anwendungsbereich der Nr. 6 auch auf den Einsatz moderner DV-Technik ausgedehnt, die nicht primär zur Überwachung eingeführt wird. Deshalb kann der Normzweck nicht im Sinne einer überholten gesetzgeberischen Intention restriktiv ausgelegt und auf die reine Abwehrfunktion beschränkt werden.216 Andererseits geht die Gefahr für die persönliche Sphäre des Arbeitnehmers gerade davon aus, dass durch die Abschaffung der Zeiterfassung verbunden mit besonders ehrgeizigen Zielvorgaben und hohem Konkurrenzdruck die Gewährleistung von freier Zeit immer schwieriger wird.217 Die bei Vertragsschluss ver208 BAG v. 6.12.1983, 14.9.1984, 18.2.1986 AP Nr. 7, 9, 13 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung (Gründe C.V.2.; B.IV.1; B.II.3.b). 209 Wiese, Initiativrecht, S. 51. 210 Vgl. etwa GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 486 m. N. aus der Rspr. (BAG v. 11.3.1986, 27.5.1986, 30.8.1995 AP Nr. 14, 15, 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung: „es ist nicht Zweck der Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 6, einen umfassenden Persönlichkeitsschutz . . . sondern nur vor den besonderen vielfältigen Gefahren der technischen Überwachung zu gewähren.“). 211 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 136. 212 Dazu, insb. zu den engen Voraussetzungen, vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 170 ff., 166. 213 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 138 f., 150, 166, 170 f.; vgl. BVerfGE 54, 277 (298). 214 So auch Schlömp-Röder; CR 1990, 477 (479); vgl. zum „ungebremsten Einzug neuer Technologien in die Betriebe“ Wagner, AuR 1993, 70 (71 f.). 215 V. 20.12.1990, BGBl. I S. 2954, neugef. durch Bekanntmachung v. 14.1.2003 BGBl. I S. 66. 216 Darauf weist Schlömp-Röder in CR 1990, 477 (479), hin.

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einbarte Arbeitszeit, die z. T. als freiwilliger Verzicht des Arbeitsnehmers auf diesen Teil seiner Lebenszeit bezeichnet wird, definiert zugleich die Zeit, die als Freizeit der freien Gestaltung des Arbeitnehmers zur Verfügung steht.218 Diese selbstbestimmte Grenze zwischen Arbeit und Freizeit aufrechtzuerhalten, kann auch als Schutzgut des Persönlichkeitsrechts betrachtet werden. Hinzu kommt der angesprochene Gesundheitsschutz, wie er durch das ArbZG bezweckt wird. Kann dessen Einhaltung nur durch die technische Überwachungseinrichtung gewährleistet werden, so ist ein Initiativrecht durchaus gerechtfertigt. Es „kann eben grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine vom Betriebsrat angestrebte Regelung zusätzliche Kontrollmöglichkeiten mit sich bringt und zugleich zu einem verbesserten Persönlichkeitsschutz beiträgt oder anderen berechtigten Anliegen der Arbeitnehmer Rechnung trägt“.219 So verstanden besteht die Aufgabe des Betriebsrats darin, die von technischen Überwachungseinrichtungen ausgehenden Gefahren für die Persönlichkeitssphäre des Arbeitnehmers auf das durch die betrieblichen Notwendigkeiten bedingte Maß zu beschränken. Besteht die Gefahr darin, dass Grenzen des ArbZG verletzt oder zumindest Überstunden ohne Ausgleich geleistet werden, kann eine technische Überwachung durchaus – im Interesse der Arbeitnehmer – betrieblich notwendig sein.220 Es hat eine Abwägung zu erfolgen zwischen den Gefahren mit und ohne Anwendung der technischen Kontrolleinrichtung. Überwiegen sie ohne die elektronische Arbeitszeiterfassung, muss deren Einführung verlangt werden können, unter dem Vorbehalt, dass das Mitbestimmungsrecht nicht dazu genutzt werden darf, das Persönlichkeitsrecht des einzelnen Arbeitnehmers einzuschränken.221 Ohne Verstoß gegen den Wortlaut ist eine zeitgerechte Auslegung222 der Nr. 6 vorzunehmen, die der Tatsache der neuen Managementmethoden223 Rechnung trägt und sich nicht über die Gesetzeszwecke, Arbeitnehmerschutz und Partizipation, hinwegsetzt. Folglich kann der Betriebsrat gestützt auf § 87 I Nr. 6 BetrVG die Einführung elektronischer Zeiterfassung verlangen bzw. deren Abschaffung verhindern.

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Vgl. Trittin, NZA 2001, 1003 (1007). Vgl. Gast, BB 1998, 2634 (2635) und Kreft, Grundfragen, S. 10 ff. unter historischem Aspekt. 219 Schlömp-Röder, CR 1990, 477 (479). 220 Vgl. in diesem Sinne etwa Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 133, 63. 221 Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 253. 222 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 171. 223 Gemeint ist die Überwachung ablösende „indirekte Steuerung“. 218

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2. § 87 I Nr. 7 BetrVG Da aber nach vorherrschender Auffassung der Betriebsrat vom Arbeitgeber dv-gestützte Arbeitszeiterfassung nicht verlangen kann, ist zu prüfen, ob für den Bereich des § 16 II ArbZG ein solches Recht ersatzweise stattdessen aus § 87 I Nr. 7 BetrVG herzuleiten ist. Gegenstand dieses Tatbestandes sind Regelungen auf dem Gebiet des gesetzlichen Arbeitsschutzes.224 Das Mitbestimmungsrecht setzt eine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift des Arbeitsschutzes voraus, die dem Arbeitgeber einen Ermessensspielraum in der Frage einräumt, wie das Ziel der Norm erreicht werden soll.225 Zweck ist es, durch gleichberechtigte Teilhabe möglichst hohe Effizienz des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen.226 Gesundheitsschutz ist weit zu verstehen und erfasst alle Maßnahmen, die der Erhaltung der physischen und psychischen Integrität gegenüber medizinisch relevanten arbeitsbedingten Beeinträchtigungen dienen.227 Voraussetzung für die Mitbestimmung ist vorliegend, dass es sich bei der Arbeitszeitaufzeichnung um eine Regelung über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften handelt.228 Zu den relevanten Rahmenvorschriften zählen u. a. einzelne Vorschriften des ArbZG229, so dass auch § 16 II ArbZG eine solche sein könnte. Ob eine Vorschrift eine ausfüllungsfähige und -bedürftige Rahmenregelung darstellt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Eröffnet die Norm ausdrücklich die Wahl zwischen Alternativen oder verpflichtet sie nur zu „geeigneten“ Maßnahmen, handelt es sich um eine Rahmenvorschrift.230 § 16 II ArbZG enthält zwar keine derartige Formulierung, eröffnet dem Arbeitgeber aber dennoch einen Ermessensspielraum, in welcher Weise er die Aufzeichnungspflicht erfüllt. Da somit eine Wahlmöglichkeit offen steht231, ist die Norm als Rahmenregelung anzusehen. Dass das ArbZG insgesamt dem Gesundheitsschutz dient, ergibt sich schon aus der Zweckbestimmung in § 1 Nr. 1 ArbZG. Für die Anwendung des § 87 I Nr. 7 BetrVG ist unerheblich, ob eine Vorschrift dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar dient.232 Deshalb spielt es keine Rolle, dass § 16 II – an224

MünchArbR-Matthes, § 343 Rn. 4. ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 63. 226 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 257. 227 Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 262. 228 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 264. 229 MünchArbR-Matthes, § 343 Rn. 14; zu § 6 V ArbZG vgl. BAG v. 26.8.1997 AP Nr. 74 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = BAGE 86, 249 ff. 230 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 271 f. 231 Vgl. BAG v. 28.7.1981 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit; v. 6.12.1983 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung. 232 BAGE 86, 249 (259). 225

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ders als § 3 – ArbZG die höchstzulässige Arbeitszeit nicht unmittelbar selbst regelt, sondern sich sein Zweck darin erschöpft, die Überwachungsfunktion der Aufsichtsbehörden zu erleichtern.233 Auch „Hilfsmaßnahmen“ zur Förderung des Gesundheitsschutzes können Rahmenbestimmungen i. S. d. Nr. 7 enthalten. Der zumindest mittelbar dem Arbeitsschutz dienende § 16 II ArbZG ist somit als Vorschrift des Gesundheitsschutzes anzusehen.234 Besteht i. R. der gesetzlichen Vorschriften ein Mitbestimmungsrecht, so erstreckt sich dieses u. a. auf Regelungen zur Gewährleistung des erforderlichen Gesundheitsschutzes. Sie können z. B. technische Maßnahmen, die Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb oder das Verhalten der Arbeitnehmer zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren betreffen.235 Vorliegend kann folglich der Betriebsrat darüber mitbestimmen, ob die Aufzeichnungsverpflichtung des Arbeitgebers durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem oder Selbstaufschreibung erfolgen soll. Die Betriebspartner bzw. die Einigungsstelle haben zu entscheiden, auf welche Weise dem geforderten Arbeitsschutz unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer und der betrieblichen Möglichkeiten am besten Rechnung getragen werden kann.236 Dem Betriebsrat steht ein Initiativrecht zu und zwar auch dann, wenn er eine andere als die vom Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats getroffene Regelung herbeiführen will. Dass die vom Arbeitgeber getroffene Regelung nicht ausreicht, um den geforderten Arbeitsschutz zu gewährleisten, ist dafür nicht Voraussetzung.237 Selbst eine kostenintensivere Lösung, wie sie die automatisierte Zeiterfassung gegenüber der Selbstaufschreibung darstellt, kann nach bestrittener Auffassung238 verlangt werden239, mit der Maßgabe, dass die Kosten i. R. der Interessenabwägung durch die Einigungsstelle zu berücksichtigen sind.240 Der Betriebsrat kann nach der hier vertretenen Auffassung i. R. des § 16 II ArbZG eine Regelung über die Zeiterfassung erzwingen und so die Abschaffung der maschinellen Zeiterfassung verhindern. Da der Mitbestimmungstatbestand nur Aufzeichnungen erfasst, die von § 16 II ArbZG gefordert werden, können Aufzeichnung von Kontenständen, etwa i. R. bestehender Gleitzeitregelungen, nicht mit Hilfe dieses Initiativrechts erzwungen werden. 233

Vgl. BT-Drs. 12/5888, S. 31. Zweifelnd wohl Schlottfeld/Hoff, NZA 2001, 530 (531). 235 MünchArbR-Matthes, § 343 Rn. 23 m. w. N. 236 MünchArbR-Matthes, § 343 Rn. 26. 237 MünchArbR-Matthes, § 343 Rn. 30; BAG v. 16.6.1998 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG Gesundheitsschutz = NZA 1999, 49 (51). 238 Dagegen Galperin/Löwisch, BetrVG, § 87 Rn. 156 d. 239 So etwa Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 561. 240 Vgl. MünchArbR-Matthes, § 343 Rn. 31. 234

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3. § 87 I Nr. 2 BetrVG Der Abschaffung eines elektronischen Zeiterfassungssystems könnte aber bereits § 87 I Nr. 2 BetrVG entgegenstehen: Wie sich v. a. aus den Ausführungen zu Gleitzeitarbeit in Rechtsprechung und Literatur ergibt, wird überwiegend davon ausgegangen, dass Regelungen zur Durchführung eines Arbeitszeitsystems zur Ausübung der Mitbestimmung nach Nr. 2 gehören241, so dass auch Kontrollbestimmungen242 zur Arbeitszeit der Nr. 2 unterliegen sollen.243 Nach einer abweichenden und überzeugenderen Auffassung sind Kontrollvorschriften nicht Inhalt des Mitbestimmungsrechts nach Nr. 2, denn vom Wortlaut ist nur die Regelung der Arbeitszeitverteilung, nicht aber ihre Kontrolle erfasst. Angesichts der Mitbestimmungstatbestände der Nrn. 1244 und 6 besteht auch kein praktisches Bedürfnis für eine die Kontrollbestimmungen einbeziehende Auslegung.245 Selbst wenn man dennoch der h. M. folgte, so bedeutete dies nicht, dass das von ihr im Rahmen der Nr. 6 abgelehnte Initiativrecht zur Einführung technischer Kontrolleinrichtungen über den Umweg der Nr. 2 angenommen werden kann.246 Enthält jedoch eine bereits bestehende, nach Nr. 2 mitbestimmte Arbeitszeitregelung auch Vorschriften zur technischen Kontrolle des Arbeitszeitsystems, wären diese Kontrollvorschriften nicht isoliert einseitig abänderbar.247 4. Ergebnis Nach h. M. enthält § 87 I Nr. 6 BetrVG kein Initiativrecht zur Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen, weshalb der Betriebsrat weder die 241 Vgl. BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, (Gründe B.II.2.a). 242 Nach Klevemann besteht für Regelungen über Art und Umfang der Arbeitszeitkontrolle eine Annexkompetenz zu § 87 I Nr. 2 BetrVG, AiB 1984, 90 (93). 243 Bei Gleitzeitmodellen werden die Kontrollbestimmungen zu den „notwendigen Systemeinzelheiten“ gezählt, die dem Mitbestimmungsrecht unterliegen; vgl. D/K/KKlebe, BetrVG, § 87 Rn. 80 m. N.; Koch in: Schaub, ArbRHdb, § 235 Rn 14 a; LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung. 244 Dazu unten § 3. B. II. 2. e) aa) (2) und bb). 245 Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit, S. 32 f.; vgl. auch Dräger, Beteiligung, S. 100; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 80 f. Dass die h. M. eine befriedigende Begründung vermissen lässt, betont auch Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333 (334); vgl. auch Brossette, ZfA 1992, 379 (427), nach dem § 87 I Nr. 3 BetrVG nicht zugleich ein Mitbestimmungsrecht über die Dokumentation und Kontrolle der Arbeitszeit beinhalte, weshalb sich aus Nr. 3 auch kein Initiativrecht auf Einführung eines Arbeitszeitkontos ergebe. 246 s. Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333 (334). 247 Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333 (334). Zur Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine teilmitbestimmte Regelung zu Gleitzeitarbeit im Falle ihrer Kündigung hinsichtlich der freiwilligen Regelungsbestandteile Nachwirkung entfaltet, s. ebd., S. 334 f.

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Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems verlangen noch dessen Abschaffung verhindern kann. Jedoch wäre die isolierte Änderung der in einer nach Nr. 2 mitbestimmten (Gleitzeit-)Betriebsvereinbarung enthaltenen Bestimmung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung nicht einseitig durch den Arbeitgeber möglich. Mit der überzeugenden Gegenauffassung ist allerdings nach Nr. 6 ein Initiativrecht begründbar, wenn der Nutzen der technischen Einrichtung die von ihr drohenden Gefahren für das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers überwiegt. Da § 16 II ArbZG eine Rahmenvorschrift des Gesundheitsschutzes darstellt, besteht ein Mitbestimmungsrecht über die Art der Zeiterfassung aber zumindest nach § 87 I Nr. 7 BetrVG. Gegen den Betriebsrat wäre eine Abschaffung der computergestützten Zeiterfassung nicht durchführbar. III. Allgemeine Voraussetzungen der Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten 1. Nichtbestehen einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung Die genannten Mitbestimmungsrechte eröffnen dem Betriebsrat jedoch nur dann die Möglichkeiten zur Begrenzung und Gestaltung von Vertrauensarbeitszeit, wenn die allgemeinen Voraussetzungen der Mitbestimmung erfüllt sind. Gem. § 87 I Eingangssatz (ES) greift die Mitbestimmung des Betriebsrats nur ein, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Gesetzliche Bestimmungen schließen die Mitbestimmung gem. § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG aus, soweit sie Fragen der Arbeitszeit inhaltlich regeln und dem Arbeitgeber kein Entscheidungsspielraum verbleibt. Lässt die gesetzliche Vorschrift mehrere Entscheidungen zu, bleibt das Mitbestimmungsrecht insoweit bestehen. Die vom öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrecht248 aufgestellten Höchstgrenzen und die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die Arbeitszeit über den gesetzlichen Rahmen hinaus verlängert werden kann, lassen i. d. R. einen Gestaltungsspielraum, so dass innerhalb dieser Grenzen ein Mitbestimmungsrecht besteht.249 Durch Tarifvertrag wird die betriebliche Mitbestimmung ausgeschlossen, wenn dort die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend geregelt und damit dem Schutzzweck des sonst gegebenen Mitbestimmungsrechts Genüge getan ist.250

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Insb. §§ 3, 7 ArbZG, § 8 JArbSchG und §§ 7, 8 MuSchG. v. Roetteken, PersR 1998, 54 (58). BAG v. 18.4.1989, 17.12.1985 AP Nr. 18, 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang.

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2. Kollektiver Tatbestand als Voraussetzung für das Bestehen der Mitbestimmungsrechte gem. § 87 I BetrVG? Da die Vertrauensarbeitszeitregelung keinen generellen, auf mehrere gleichartig Beschäftigte gleichermaßen anwendbaren Inhalt besitzt, könnte ein Mitbestimmungsrecht aber bereits dadurch in Frage gestellt werden, dass mit einer vielfach vertretenen Auffassung angenommen wird, mitbestimmungspflichtig seien lediglich kollektive Tatbestände. Seit jeher besteht Streit über diese Frage251, die mit dem Verhältnis zwischen individueller Freiheit und kollektiver Gestaltungsmacht ein Grundproblem des Betriebs betrifft252. Im Folgenden sind daher die vertretenen Auffassungen kurz darzulegen und zu diskutieren. In den weiteren Ausführungen253 wird auf die hier getroffenen Feststellungen zurückzugreifen sein. a) Meinungsstand aa) Keine Beschränkung auf kollektive Tatbestände Eine Strömung in der Literatur lehnt mit unterschiedlichen Begründungen die Beschränkung der Mitbestimmung auf kollektive Tatbestände ab und hält folglich auch Einzelfälle für mitbestimmungspflichtig254, so dass unter diesem Aspekt ein Eingreifen der Mitbestimmungsrechte bei der Vertrauensarbeitszeit nach der Auffassung unproblematisch wäre. Zur Begründung dieser Ansicht wird teilweise darauf abgestellt, dass das BetrVG selbst in § 87 I Nr. 5 und 9 davon ausgeht, dass Individualentscheidungen mitbestimmungspflichtig sind; weil zwischen mitbestimmungspflichtigen Kollektivtatbeständen und mitbestimmungsfreien Einzelfällen kein taugliches Abgrenzungsmerkmal bestehe, sei auf eine solche Abgrenzung zu verzichten.255 Hingewiesen wird zudem auf den Gesetzeswortlaut von § 87 I Nr. 2 BetrVG, aus dem das Erfordernis eines kollektiven Tatbestandes nicht hervorgehe256; gleiches wird vereinzelt von Nr. 3 behauptet257. Vielfach wird darüber hinaus 251 Ausf. Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 105 ff.; vgl. auch die Nachweise bei H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 17 ff. 252 Raab, ZfA 2001, 31 (40). 253 Vgl. unten § 3. A. I. 3; III. 3. b); B. I.; II. 2. d) bb) (2) (aa); (2) (b). 254 H/S/G-Glaubitz, BetrVG (5. Aufl.), § 87 Rn. 154, 19; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 15 ff.; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 23; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 154; Braunert, Schranken, S. 48 ff.; Söllner, Grundriss, S. 183 f.; Raab, ZfA 2001, 31 ff. (41). 255 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 23; ders., DB 1971, 621 (626); Söllner, Grundriss, S. 183; Simitis/Weiss, DB 1973, 1240 (1242). 256 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 154; Raab, ZfA 2001, 31 (34).

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mit dem Schutzbedürfnis auch des Einzelnen argumentiert. Nach Söllner, der als vordergründigen Zweck der Mitbestimmung den Schutz des Arbeitnehmers vor der Degradierung zum bloßen Objekt von Leitungs- und Kontrollmaßnahmen versteht, gebiete es bereits die Menschenwürde, dass auch Einzelmaßnahmen mitbestimmt werden.258 Ähnlich argumentieren etwa Glaubitz259, Buschmann260 und Simitis/Weiss261: Der einzelne Arbeitnehmer sei zum einen ebenso vor der einseitigen Regelungs- und Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers zu schützen wie mehrere Arbeitnehmer.262 Zum anderen sei jeder einzelne Arbeitnehmer zugleich Bestandteil des betrieblichen Kollektivs und seine Arbeitsbedingungen berührten die Interessen des Kollektivs.263 Die Gegenüberstellung kollektiver und individueller Maßnahmen widerspreche der Funktion einer Mitentscheidung über Arbeitszeitregelungen.264 Eine schutzzweckorientierte Auslegung des Mitbestimmungsrechts rechtfertigt nach einer weiteren Auffassung265 gerade bei flexiblen Arbeitszeitsystemen eine Beschränkung auf Kollektivtatbestände nicht. Die für flexible Arbeitszeitgestaltungen typische Verquickung von individuellem Wunsch und betrieblichem Interesse mache eine Unterscheidung kaum möglich, ob es sich im Einzelfall um abstrakte, nur im Hinblick auf die besondere Lage oder die individuellen Eigenschaften des gegenwärtig Beschäftigten vorgenommene Arbeitszeitgestaltung handelt.266 Nach Richardi, der die Beschränkung auf Kollektivtatbestände ablehnend für eine Reaktion auf die nach seiner Sicht „rechtsdogmatisch falsche“ Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung hält, liegt der Mitbestimmungsinhalt in der Beschränkung der einseitigen Regelungsmöglichkeit, nicht aber darin, „den einzelnen Arbeitnehmer zu bevormunden“.267 Daher komme es darauf an, ob eine Regelung der Befriedigung des betrieblichen Interesses des Arbeitgebers diene oder nur 257 Röckl, Generelle Maßnahme, S. 31, 55, der dann aber aufgrund von systematischen, teleologischen und historischen Überlegungen zur generellen Maßnahme als Voraussetzung gelangt (s. u. c). 258 Söllner, RdA 1968, 437 ff., (439); ders., Grundriss, S. 183. 259 H/S/G-Glaubitz, BetrVG (5. Aufl.), § 87 Rn. 154. 260 Anm. zu BAG v. 18.4.1989, AiB 1989, 356 (358). 261 DB 1973, 1240 (1242). 262 So auch H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 154; vgl. auch Hurlebaus, Fehlende Mitbestimmung, S. 91. 263 Buschmann, Anm. zu BAG AiB 1989, 356 (358); ähnl. H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 154. 264 Simitis/Weiss, DB 1973, 1240 (1242). § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG bezweckten den Schutz jedes einzelnen Arbeitnehmers durch Intervention des Betriebsrats. Daher erstrecke sich das Mitentscheidungsrecht auf die gesamte Regelung der Arbeitszeit unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer. 265 Braunert, Schranken, S. 48 f. 266 Braunert, Schranken, S. 51. 267 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 104 ff., 25; ders., Festgabe v. Lübtow, S. 755 (767 f.); dagegen GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 113.

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den individuellen Besonderheiten oder Wünschen des Arbeitnehmers Rechnung trage. Nur im letzten Fall sei eine Einzelfallregelung mitbestimmungsfrei.268 Das Mitbestimmungsrecht bestehe nicht nur, wenn eine generelle Ordnung hergestellt werden soll, sondern immer, wenn Meinungsverschiedenheiten bei der Gestaltung betrieblicher Angelegenheiten in eine Konfliktsituation umzuschlagen drohten, gerade auch dann, wenn sich ein Konflikt an einem Einzelfall entzünde.269 Jüngst wurde vorgeschlagen, danach zu differenzieren, ob der gesetzliche Mitbestimmungstatbestand nur Angelegenheiten erfasst, in denen eine einheitliche Regelung zum Ausgleich divergierender Interessen erfolgen muss, oder ob er auch gerade den Schutz individueller Interessen der Arbeitnehmer in Angelegenheiten bezweckt, in denen der Arbeitgeber individualrechtlich befugt ist, einseitige Anordnungen zu treffen. Wenn der Arbeitnehmer im konkreten Falle des Schutzes bedürfe, bestehe ein Mitbestimmungsrecht auch bei Individualmaßnahmen.270 bb) Beschränkung der Mitbestimmung auf generelle Maßnahmen bzw. kollektive Tatbestände Von anderen Vertretern der Literatur271 wird dagegen grundsätzlich das Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes gefordert. Auch nach Auffassung des BAG greifen jedenfalls die hier interessierenden Mitbestimmungsrechte gem. § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG nur bei allgemeinen Maßnahmen ein.272 Zur Begründung für das „ungeschriebene Tatbestandsmerkmal“273 „Kollektivtatbestand“ als Voraussetzung der Mitbestimmung wird als Anhaltspunkt im Wortlaut beispielsweise die Formulierung „betriebsübliche Arbeitszeit“ in § 87 I Nr. 3 BetrVG angeführt, die auf die Notwendigkeit einer generellen Regelung schließen lasse.274 Der mit Blick auf Nr. 2 neutrale Wortlaut ist wenig aufschlussreich; einige verweisen jedoch auf einen möglichen Umkehrschluss aus

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Richardi, § 87 Rn. 25; ähnl. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 16. Richardi, Festgabe v. Lübtow, S. 755 (770). 270 Raab, ZfA 2001, 31 (39). 271 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 10; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 19 f.; ders., ZfA 2000, 117 (125 f.); Schuhmann, Grenzen, S. 136, der mit dem Günstigkeitsprinzip argumentiert, welches zurücktritt, wenn aufgrund der Gemeinschaftsbezogenheit eine einheitliche Ordnung notwendig ist (S. 134 ff.); Ivo Natzel, ZfA 2003, 103 (114). 272 BAG v. 2.3.1982, 8.6.1982, 21.12.1982, 27.6.1989 AP Nr. 6, 7, 9, 35 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 273 Vgl. Wank, FS Wiese, S. 617 ff. 274 BAG v. 18.11.1980 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe 1.b.); Wank, FS Wiese, S. 617 (618); Schuhmann, Grenzen, S. 133. 275 Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 16; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 19; P. Hanau, BB 1972, 499 (500); Wank, FS Wiese, S. 617 (618). 269

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§ 87 I Nr. 5 und 9 BetrVG, wo es das Gesetz ausdrücklich anordne, wenn die Mitbestimmung ausnahmsweise in Einzelfällen bestehen solle.275 Mit der Systematik des BetrVG wird außerdem dahingehend argumentiert, dass die Mitbestimmung bei Einzelmaßnahmen in eigenen Abschnitten in den §§ 99 ff., §§ 81 ff. BetrVG276 gesondert geregelt sei und folglich § 87 BetrVG grundsätzlich die generellen Maßnahmen regeln wolle. Des Weiteren wird mit Hinweis auf die Regelungsebenen Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und Einzelarbeitsvertrag vorgebracht, betriebliche Mitbestimmung betreffe Gegenstände, die wegen der betrieblichen Besonderheiten einerseits und der unterschiedlichen Ausgangs- und Verhandlungspositionen andererseits weder durch Flächentarifverträge noch durch Einzelarbeitsvertrag sinnvoll geregelt werden könnten.277 Als historisches Argument wird zur Begründung angeführt, dass die Vorläufer des BetrVG nur generelle Maßnahmen der Mitbestimmung unterwarfen.278 So seien z. B. Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit bereits seit 1891 als Teil der „generellen“ Form „Arbeitsordnung“ mitbestimmungspflichtig gewesen.279 Soweit auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt wird, wird der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zitiert, der sich übereinstimmend mit Regierungsentwurf und Oppositionsvorlage dafür ausgesprochen hat, dass die Mitbestimmung des § 87 BetrVG 1972 grundsätzlich nur generelle Tatbestände erfasst.280 Welche Schlüsse aus der Einschränkung „grundsätzlich“ zu ziehen sind, wird allerdings unterschiedlich beantwortet281; das Argument ist daher wenig erhellend. Im Übrigen wäre eine an der Entstehungsgeschichte angelehnte Auslegung auch nicht zwingend geboten, wenn der Zweck des Gesetzes (als der objektivierte Wille des Gesetzgebers) entgegen dem subjektivierten Willen des historischen Gesetzgebers die Mitbestimmung auch bei Einzelfällen erfordert.282 Eine überzeugende Begründung für die Abhängigkeit der Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG vom Vorliegen eines Kollektivtatbestandes ist damit noch nicht gelungen.

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GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 24. Röckl, Generelle Maßnahme, S. 35. 278 Vgl. Röckl, Generelle Maßnahme, S. 13 ff., 37 f.; Schuhmann, Grenzen, S. 131. 279 Röckl, Generelle Maßnahme, S. 37. 280 Mit Bezug auf BT-Drs. VI/2729 S. 4. 281 Röckl, Generelle Maßnahme, S. 39 gegen Glaubitz in H/S/G, BetrVG (5. Aufl.), § 87 Rn. 17. 282 Braunert, Schranken, S. 48 f.; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 122. 277

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b) Stellungnahme und Zwischenergebnis Zunächst lässt sich aus dem Wortlaut von § 87 BetrVG, den beide Auffassungen für sich nutzbar machen, ein letztlich überzeugendes Argument weder für noch gegen die Voraussetzung eines Kollektivtatbestands herleiten. Nicht zwingend ist auch der aus der Systematik des BetrVG hergeleitete Schluss, § 87 erfasse grundsätzlich nur generelle Maßnahmen. Mit der Struktur des BetrVG lässt sich jedenfalls nicht begründen283, dass Einzelmaßnahmen nichtpersoneller Natur nicht mitbestimmungspflichtig sein sollen, denn der Unterschied in den Regelungsmaterien muss nicht notwendig zwischen Individualmaßnahmen einerseits und Kollektivmaßnahmen andererseits bestehen, sondern kann auch darin liegen, dass es sich bei §§ 99 ff. BetrVG um Maßnahmen der Personalpolitik handelt, bei denen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht stärker als durch ein Vetorecht eingeschränkt sein soll.284 So wie bei § 87 I BetrVG – in Nr. 5 und 9 – auch Individualmaßnahmen mitbestimmungspflichtig sind, können personelle Einzelmaßnahmen Kollektivbezug haben, z. B. indem die Störung des Betriebsfriedens eintreten könnte (§ 99 II Nr. 6 BetrVG).285 Auch das Argument, die Mitbestimmung betreffe nur Gegenstände, die weder durch Einzelarbeitsvertrag noch durch Flächentarifvertrag geregelt werden könnten, ist nicht verallgemeinerungsfähig. Es mag zwar in Einzelfällen nachvollziehbar sein, jedoch beweist schon der Tarifvorbehalt in § 87 I BetrVG ES, dass die genannten Materien sehr wohl durch Tarifvertrag geregelt werden könnten. Ebenso sind in den Angelegenheiten des § 87 BetrVG Gestaltungen durch Einzelarbeitsverträge oder Weisungen möglich.286 Schließlich führt auch die historische Auslegung aus den bereits genannten Gründen zu keinem eindeutigen Ergebnis. Wenngleich also die einzelnen Argumente für die Notwendigkeit eines Kollektivtatbestands durchaus angreifbar sind, so überzeugt die Annahme eines Mitbestimmungsrechts bei jeder individuellen Maßnahme ebenfalls nicht. Hiergegen sprechen nicht allein Praktikabilitätserwägungen287, sondern auch die Konzeption des Gesetzes, wonach die Wahrnehmung individueller Interessen in 283 Krit. ggü. Rückschlüssen aus der Systematik des § 87 I BetrVG auch Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 115. 284 Vgl. GK-Thiele, BetrVG (4. Aufl.), Einl. Rn. 23. 285 Vgl. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 122, die im Zusammenhang mit der Frage, ob Rechtsträger der Beteiligungsrechte der Einzelne oder die Belegschaft ist, darauf hinweist, dass selbst bei der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten „alles andere als eindeutig“ sei, ob die Widerspruchsgründe des § 99 II BetrVG den Einzelnen oder die Belegschaft schützen sollen. 286 Vgl. BAG v. 7.9.1956 AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG. 287 Vgl. etwa Wank, FS Wiese, S. 617 (619 m. w. N.). 288 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 24.

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erster Linie dem einzelnen Arbeitnehmer selbst überlassen und dem Betriebsrat lediglich eine Hilfsfunktion zugewiesen ist (vgl. §§ 81 ff. BetrVG).288 Ausschlaggebend ist, dass die Mitbestimmung in jedem Einzelfall zu einer zu starken Einschränkung der Privatautonomie führen könnte. Der Betriebsrat hat lediglich die Aufgabe, dann einen Interessenausgleich herbeizuführen, wenn der einzelne Arbeitnehmer dies nicht kann und daher eine gemeinsame Interessenvertretung erfolgen muss.289 Mit der wohl überwiegenden Auffassung290 ist daher im Ergebnis ein Kollektivbezug zu fordern, sofern sich – wie hier bei § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG – nicht eindeutig aus dem Gesetz ergibt, dass auch individuelle Maßnahmen der Mitbestimmung unterliegen sollen. Den gegen diese Auslegung angeführten Bedenken kann dadurch Rechnung getragen werden, dass an das Vorliegen des geforderten Kollektivtatbestandes keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Denn selbst innerhalb dieser Auffassung herrscht noch Uneinigkeit, in welchen Fällen die Voraussetzung einer Kollektivmaßnahme erfüllt ist. c) Inhalt des notwendigen Kollektivbezugs Nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit der geforderten Kollektivmaßnahme ist das Merkmal der generellen Maßnahme, wobei die Terminologie hier uneinheitlich ist.291 Einige nehmen eine generelle Maßnahme an, wenn sie nicht durch die besonderen Umstände des einzelnen Arbeitsverhältnisses bedingt ist.292 Anderen zufolge ist maßgeblich, ob die Regelung für den ganzen Betrieb, eine Abteilung oder eine Gruppe von Arbeitnehmern gilt, die sich nach abstrakten Merkmalen abgrenzen lassen.293 Um die Mitbestimmung auf Fälle der Rechtsetzung zu beschränken294, wird z. T. eine generelle Regelung i. S. e. abstrakt-generellen Maßnahme gefordert, die allgemeingültig für alle Fälle derselben Art für alle nach objektiven Kriterien bestimmbaren Betroffenen dieselbe Wirkung entfaltet.295 Weil es bei Vertrauensarbeitszeit demgegenüber gerade darum geht, Entscheidungen über die Arbeitszeiteinteilung zu individualisieren 289

GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 25; vgl. Wank, FS Wiese, S. 617 (619). Stellv. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 14 f.; MünchArbR-Matthes, § 332 Rn. 25; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 18. 291 Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 106 ff.; Enderlein, ZfA 1997, 313 (348 f.); Wank, FS Wiese, S. 617 (620). 292 So F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 16; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 2; krit. D. Gaul, NZA 1989, 48 (49). 293 Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 16 f. 294 Röckl, Generelle Maßnahme, S. 97 f.; Müller, DB 1970, 1076 (1079). 295 Vgl. Röckl, Generelle Maßnahme, S. 91 ff.; ähnl. Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 760 f.; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle, S. 346; ders., ZfA 1972, Sonderheft, S. 41 (61 f.); ErfK-Wank, ArbZG § 3 Rn. 17; ders., FS Wiese, S. 617 (630); a. A. etwa Otto, NZA 1992, 97 (98). 290

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und situationsgebunden anpassen zu können, nicht aber allgemeingültig zu regeln, würde dieses Erfordernis hier der Mitbestimmung entgegenstehen. Zur Begründung der Forderung nach einem abstrakt-generellen Charakter der mitbestimmten Maßnahme wird auf das in § 87 I ES BetrVG angelegte Stufenverhältnis von Gesetz, Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung hingewiesen und die Parallele zu Gesetz und Tarifvertrag gezogen, mit dem Schluss, dass diese vergleichbar sein müssten.296 Dies überzeugt ebenso wenig wie eine von dritter Seite diskutierte Parallele zum Verwaltungsrecht297. Im Wortlaut des § 77 IV BetrVG findet sich jedenfalls kein Hinweis auf eine Begrenzung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung auf generelle Regelungen. Zudem sind nicht einmal im Verfassungsrecht Einzelfallgesetze generell verboten.298 Die Abstraktheit einer Regelung spielt für die Mitbestimmung keine Rolle, weil eine mehrere Arbeitnehmer betreffende Angelegenheit sowohl durch eine auf abstrakte Merkmale abstellende als auch auf konkrete Arbeitnehmer bezogene Betriebsvereinbarung und schließlich selbst durch die einzelvertragliche Gestaltung der konkreten Arbeitsverhältnisse geregelt werden kann.299 Die Auffassung, die die Mitbestimmung auf kollektive Tatbestände i. S. abstrakt-genereller Regelungen beschränken will, ist mangels überzeugender Begründung abzulehnen.300 Abgesehen von diesem hier abgelehnten Ansatz weichen die eine „generelle“ Maßnahme fordernden Auffassungen eher terminologisch als inhaltlich von der h. M.301 ab, die es genügen lässt, wenn eine Maßnahme kollektiven Bezug dadurch aufweist, dass durch sie kollektive Interessen berührt werden.302 Für die Unterscheidung zwischen mitbestimmungspflichtiger Kollektiv- und mitbestim296

Röckl, Generelle Maßnahme, S. 33, 100. So aber Wank, FS Wiese, S. 617 (626), der den Verwaltungsakt (konkret-individuell und konkret-generell) mit der mitbestimmungsfreien Einzelfallmaßnahme und die Rechtsnorm als generell-abstrakte Regelung mit dem mitbestimmungspflichtigen Kollektivtatbestand vergleicht. 298 GK-Kreutz, BetrVG, § 77 Rn. 313 mit Verweis auf BVerfGE 25, 371 (396); 36, 383 (400); Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 114; vgl. auch H.-H. Klein in: HdbStR, § 40 Rn. 22; Stern in: HdbStR, § 109 Rn. 84. 299 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 23. 300 Vgl. auch Waltermann, Rechtsetzung, S. 239. 301 Nachweise bei Raab, ZfA 2001, 31 ff. 302 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 16; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 16; GKWiese, BetrVG, § 87 Rn. 15 ff. (20); vgl. zur sog. „qualitativen Kollektivität“ auch Röckl, Generelle Maßnahme, S. 82 ff.; BAG v. 18.11.1980, 21.12.1982, 11.11.1986, 18.4.1989, 22.10.1991 AP Nr. 3, 9, 21, 33, 48 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 303 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 20. 304 Zur „Quantitativen Kollektivität“ vgl. Röckl, Generelle Maßnahme, S. 78 f. und Raab, ZfA 2001, 31 (41). 305 BAG v. 3.12.1991 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Gründe III.3.b.bb.); GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 27. 297

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mungsfreier Individualmaßnahme ist nach dieser vorzugswürdigen Auffassung auf den Regelungsgegenstand, nicht aber auf die Art der Regelung abzustellen.303 Die Kollektivität ist nicht als quantitative304 zu verstehen und verlangt daher nicht nach einer bestimmten Personenzahl.305 Es genügt, wenn ein Teil der Belegschaft oder eine Gruppe von Arbeitnehmern betroffen ist.306 Allerdings kann die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer ein Indiz für das Vorliegen eines kollektiven Tatbestands sein.307 Soll ein konkretes Arbeitsverhältnis ausgestaltet werden und ist die Maßnahme nur von den besonderen, den einzelnen Arbeitnehmer betreffenden Umständen veranlasst, so entfällt das Mitbestimmungsrecht.308 Ein kollektiver Tatbestand wäre danach nur dann zu verneinen, wenn ausschließlich die Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf gerade den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände Maßnahmen erfordern und bei einander ähnlichen Maßnahmen gegenüber mehreren Arbeitnehmern kein innerer Zusammenhang besteht.309 Als Beispiel dient hier die Anpassung der Arbeitszeit eines einzelnen Arbeitnehmers an dessen persönliche Bedürfnisse.310 Entscheidend ist also, ob sich nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechtes ein Bedürfnis für eine Regelung der Angelegenheit ergibt, die selbst nicht notwendig abstrakt oder generell sein muss.311 Es ist darauf abzustellen, ob die jeweilige Regelungsfrage überhaupt kollektive Interessen der Arbeitnehmer berührt. Das ist immer dann der Fall, wenn betriebliche Gegebenheiten eine Regelung erfordern, selbst wenn tatsächlich derzeit nur ein einzelner Arbeitnehmer von der Maßnahme betroffen ist.312 In Arbeitszeitfragen kommt es darauf an, ob die Verteilung der Arbeitszeit des Einzelnen die Arbeitszeiten anderer beeinflusst.313 Soll ausschließlich dem individuellen Bedürfnis eines einzelnen Arbeitnehmers Rechnung getragen werden, entfällt der kollektive Bezug und damit das Mitbestimmungsrecht.314 Zur Kontrolle hinsichtlich der Feststellung eines mitbestimmungsfreien Einzelfalls bietet sich die Frage an, ob sich am Regelungsbedürfnis und -inhalt etwas ändern würde, 306

Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 26, 28. BAG v. 29.2.2000 AP Nr. 105 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = NZA 2000, 1066 (1067). 308 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 16; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 33; F/K/H/ E/S, BetrVG, § 87 Rn. 16; Otto, NZA 1992, 97 (98), vgl. auch BAG v. 18.11.1980 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe 2.b.); BAG v. 7.9.1956 AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG 1952, krit. D. Gaul, NZA 1989, 48 (49). 309 GK-Wiese BetrVG, § 87 Rn. 33. 310 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 16. 311 MünchArbR-Matthes, § 332 Rn. 25. 312 Vgl. BAG v. 21.12.1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.3). 313 Vgl. etwa MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 12 f. 314 BAG v. 16.7.1991 AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.1.b.). 315 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 16. 307

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wenn die Person des betroffenen Arbeitnehmers ausgetauscht würde.315 Nach diesen Grundsätzen scheidet bei der Vertrauensarbeitszeit folglich ein Mitbestimmungsrecht jedenfalls insoweit aus, als es dort darum geht, individuelle Wünsche des einzelnen Arbeitnehmers zu verwirklichen. Hierauf wird an anderer Stelle316 noch näher einzugehen sein. d) Zwischenergebnis Durch die von der h. M. vorgenommene enge Definition des Kollektivbezugs lässt sich i. d. R. ein solcher feststellen, so dass kein großer Unterschied zu der Auffassung feststellbar ist, die eine Mitbestimmung auch bei Einzelmaßnahmen fordert.317 Daher kann die strengere Voraussetzung der Kollektivität bei Fragen der Arbeitszeitgestaltung selbst dann zu bejahen sein318, wenn der Interessenausgleich bei flexiblen Arbeitszeiten einzelfallbezogen ist.319 Auch wenn man die Beschränkung auf kollektive Tatbestände befürwortet, greift nach Sinn und Zweck die Mitbestimmung immer dann ein, wenn eine vertragliche Einheitsregelung getroffen werden soll, da anderenfalls die Mitbestimmungstatbestände umgangen würden.320 IV. Durchsetzung der Mitbestimmung Da die Effektivität des Arbeitszeitschutzes durch den Betriebsrat nicht nur von Bestehen und Inhalt der aufgezeigten Mitbestimmungsrechte abhängt, sondern ebenso davon, wie sich deren Missachtung auswirkt bzw. wie sie durchzusetzen sind, ist nunmehr hierauf einzugehen.

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§ 3. A. I. 3. Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 344. 318 So i. Erg. wohl auch Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 64; nach Schüren liegt bei den flexiblen Arbeitszeitsystemen der kollektive Charakter auf der Hand, MünchArbR, § 169 Rn. 10. 319 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 10. 320 Stellv. GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 8. 321 Die Gegenauffassung vertritt die sog. Theorie von der erzwingbaren Mitbestimmung, nach der die unterbliebene Mitbestimmung der individualrechtlichen Wirksamkeit einer Maßnahme nicht entgegensteht; sondern der Betriebsrat lediglich ein gem. § 87 II BetrVG erzwingbares Recht auf Beachtung des Mitbestimmungsrechts habe; vgl. Dietz, FS Nipperdey, S. 147 ff.; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 104 ff. m. w. N.; H/S/ W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 80 ff. (91); Hurlebaus, S. 49 ff., 126 ff. 317

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

1. Individualrechtliche Ebene Die Zustimmung des Betriebsrats ist nach h. M.321 Wirksamkeitsvoraussetzung für alle mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen. Eine einseitig vom Arbeitgeber durchgeführte Maßnahme, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, ist rechtswidrig und unwirksam.322 Die Unwirksamkeitsfolge soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem kollektivrechtlichen Einigungszwang durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht, und die Verletzung des Mitbestimmungsrechts sanktionieren.323 Eine für den Arbeitnehmer belastende Maßnahme ist für ihn damit unverbindlich; Beschäftigte müssen folglich individuelle Abreden zu Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht hinnehmen, wenn sie nicht im Mitbestimmungsverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit den tariflichen Regelungen, den Arbeitsschutzgesetzen sowie den Interessen der anderen Beschäftigten abgestimmt worden sind.324 Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass auch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit ohne Zustimmung des Betriebsrats unwirksam wäre, denn die Nichtigkeitsfolge einer individualrechtlichen Vereinbarung wird von der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung nicht konsequent für alle Fälle angenommen, sondern nur dann, wenn die mitbestimmungswidrige Maßnahme den Arbeitnehmer belastet. Ob demnach eine mitbestimmungswidrig zustande gekommene Arbeitszeitregelung wirksam ist, ist daher nicht zuletzt auch eine Frage der Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips325, auf die an anderer Stelle326 noch einzugehen ist. Von der individuellen Unwirksamkeitsfolge geht allerdings nur ein indirekter und relativ schwacher Druck in Richtung Beachtung der Mitbestimmungsrechte aus. Daher stehen dem Betriebsrat selbst Möglichkeiten zur Verfügung, für die Einhaltung des Mitbestimmungsrechts zu sorgen.327 2. Betriebsverfassungsrechtliche Ebene a) Feststellungs- und Unterlassungsanträge Zur Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts und der Rechtswidrigkeit einseitigen Vorgehens durch den Arbeitgeber kann der Betriebsrat 322

St.Rspr., vgl. Nachweise bei D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 413. Vgl. BAG v. 10.3.1998 AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG 1979; v. 3.12.1991 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 324 v. Roetteken, PersR 1998, 54 (57). 325 So auch MünchArbR-Matthes, § 330 Rn. 7. 326 Vgl. § 3. A. I. 2. 327 Vgl. BAG v. 3.5.1994 AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = NZA 1995, 40 (43). 328 BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972. 323

§ 1 Rechte des Betriebsrats

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einen gerichtlichen Feststellungsantrag (§§ 2 a I Nr. 1, II; 80 II; 46 II ArbGG i.V. m. §§ 495; 256 ZPO) stellen. Nach der Rechtsprechung des BAG steht ihm bei der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein sog. allgemeiner Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu.328 § 87 I BetrVG dient als Anspruchsgrundlage, solange der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht noch nicht ausgeübt hat.329 Der Unterlassungsanspruch nach § 23 III BetrVG kommt in Betracht bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG. Dazu zählen auch Pflichten aus Betriebsvereinbarungen, da sie ihre Rechtsgrundlage im BetrVG haben.330 Grob ist ein Verstoß, wenn er objektiv erheblich ist, also schwerwiegend Sinn und Zweck des Gesetzes verletzt. Er kann einmalig sein oder in mehrfacher Missachtung des Mitbestimmungsrechts trotz geklärter Rechtslage bestehen und setzt kein Verschulden voraus.331 Bei § 87 I Nr. 3 BetrVG kann ein grober Verstoß sowohl in der Anordnung als auch in der Entgegennahme von Überstunden liegen, wenn der Arbeitgeber nichts gegen die ihm bekannte freiwillige Zusatzarbeit unternimmt und die Überstunden im großen Umfang vom Betriebsrat nicht genehmigt worden sind.332 Der Anspruch soll auch bestehen, wenn ein Arbeitgeber duldet, dass zahlreiche Arbeitnehmer in erheblichem Umfang den durch eine Betriebsvereinbarung festgelegten Arbeitszeitrahmen überschreiten.333 b) Insbesondere: Durchführungsanspruch Von besonderer Bedeutung ist der Durchführungs- und Unterlassungsanspruch nach § 77 I 1 BetrVG. Wie sich aus § 77 I 1 BetrVG ergibt, hat der Arbeit329 Die Geltendmachung kann im allgemeinen Beschlussverfahren erfolgen und gem. § 85 I ArbGG, §§ 888 ff. ZPO vollstreckt werden. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen einen vom Gericht anerkannten Unterlassungsanspruch durch den Arbeitgeber kann ein Zwangsgeld i. H. v. bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft verhängt werden (§ 85 ArbGG, § 890 ZPO). Der Unterlassungsanspruch kann auch im Wege einer einstweiligen Verfügung gem. § 85 II ArbGG i.V. m. §§ 935 ff. ZPO durchgesetzt werden, vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 596. 330 F/K/H/E/S, BetrVG, § 23 Rn. 61; GK-Oetker, BetrVG, § 23 Rn. 178. 331 Otto, NZA 1992, 97 (110); BAG v. 18.4.1985, 23.6.1992 AP Nr. 5, 20 zu § 23 BetrVG 1972. 332 MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 42; BAG AP Nr. 20 zu § 23 BetrVG 1972. 333 LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1758). 334 St.Rspr., BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 23.6.1992 AP Nr. 20 zu § 23 BetrVG 1972; v. 24.2.1987 AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; Die Geltendmachung des Anspruchs kann über Leistungs- oder Feststellungsantrag erfolgen sowie mittels einstweiliger Verfügung verfolgt werden (Otto, NZA 1992, 97 [110] m. N.).

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

geber bestehende Betriebsvereinbarungen durchzuführen. Darauf hat der Betriebsrat einen Anspruch, der aus § 77 I 1 BetrVG bzw. der Betriebsvereinbarung selbst hergeleitet wird.334 Dabei kommt dem durch Auslegung zu ermittelnden335 Regelungsgehalt der Vereinbarung entscheidende Bedeutung zu. Ergibt z. B. die Auslegung einer Gleitzeitvereinbarung eine Verpflichtung des Arbeitgebers, zum Abbau von Zeitguthaben unter bestimmten Voraussetzungen den Zeitausgleich zu planen und umzusetzen, so kann mit dem LAG Stuttgart336 ein hierauf gerichteter durchsetzbarer Anspruch337 des Betriebsrats anzuerkennen sein.338 Ebenso kann der Betriebsrat die Unterlassung betriebsvereinbarungswidriger Maßnahmen verlangen. Ist ein Arbeitszeitrahmen vereinbart, hat der Arbeitgeber für dessen Einhaltung zu sorgen. Der Arbeitgeber darf außerhalb dieses Rahmens ohne Zustimmung des Betriebsrats geleistete Arbeitszeit grundsätzlich nicht dulden, sondern muss sie unterbinden.339 Der Anspruch setzt in jedem Fall voraus, dass es sich um eine eigenständige Regelung handelt. Lediglich deklaratorische Verweise auf Bestimmungen in Schutzgesetzen wie etwa die Höchstarbeitszeit des ArbZG begründen keinen Anspruch auf Einhaltung dieser Vorschriften.340 Ebenso wenig beinhaltet der Durchführungsanspruch nach ständiger Rechtsprechung das Recht, vom Arbeitgeber die Erfüllung von Individualansprüchen zu verlangen. Der Betriebsrat hat keinen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber, dass dieser normativ begründete Ansprüche der Arbeitnehmer erfüllt; eine so weit reichende Befugnis des

335 Vgl. LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1755 f.). 336 v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung. 337 Nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung trifft die Verpflichtung zur Abbauplanung Mitarbeiter und Vorgesetzte, die aufgrund der hierarchischen Betriebsorganisation für den Arbeitgeber tätig werden. Damit handelte es sich um eine echte Verpflichtung, die – entgegen der Vorinstanz ArbG Stuttgart – 6 BV 167/00 – „nicht zu einer ,allgemeinen Vorgabe‘ verwässert“ werden dürfe, vgl. LAG Baden-Württemberg AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1755). 338 Kritisch gegenüber der vom LAG vorgenommenen Auslegung Bayreuther, Anm. zu LAG Baden-Württemberg, BB 2002, 1751 (1758): Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Kontenabbau sei weder ausdrücklich geregelt noch von der Intention der Betriebsvereinbarung gedeckt. Von an sich neutralen Gleitzeitvereinbarungen ginge in der Konsequenz dieses Urteils eine generelle Pflicht des Arbeitgebers zum Überstundenabbau aus. Damit wird aber letztlich nur die Notwendigkeit unterstrichen, unzweideutige Formulierungen in Betriebsvereinbarungen zu verwenden, um das Risiko einer gegenteiligen Auslegung zu minimieren. 339 LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1757), so auch LAG Hessen v. 9.10.1997 – 5 TaBV 8/97. 340 LAG Baden-Württemberg AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1757). 341 Vgl. BAG v. 17.10.1989 AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972; AP Nr. 39 zu § 76 BetrVG 1972; v. 10.6.1986 AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972.

§ 2 Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG

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Betriebsrats, die ihm die Rolle eines Prozessstandschafters einräumt, ist nach der Rechtsprechung weder § 77 I noch § 80 BetrVG 1972 zu entnehmen.341 V. Zusammenfassung Sofern ein Kollektivtatbestand vorliegt und eine abschließende gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht existiert, hat der Betriebsrat über die Verteilung der Arbeitszeit und vorübergehende Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Aufgrund der Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeitverteilung und dem Zustimmungserfordernis bei der Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit wird der Betriebsrat in die Lage versetzt, auch die durch den gesetzlichen Arbeitszeitschutz vorgeschriebenen Arbeitszeitgrenzen im Betrieb umzusetzen. Zudem besteht nach § 87 I Nr. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht über die elektronische Zeiterfassung, das ein Initiativrecht beinhaltet und dazu genutzt werden kann, die Abschaffung dieser Art der Zeiterfassung zu verhindern. Nach § 87 I Nr. 7 BetrVG ist mitbestimmungspflichtig, wie die von § 16 II ArbZG geforderte Zeiterfassung durchgeführt werden soll.

§ 2 Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG Hauptproblem der Vertrauensarbeitszeit ist in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht, dass die Mitbestimmungsrechte aus § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG nicht in der vom Gesetz intendierten Form zur Anwendung gelangen. Da bei ihr nicht mehr Betriebsrat und Arbeitgeber Lage und Verteilung der Arbeitszeit aushandeln, sondern Letzterer mit den einzelnen Beschäftigten, werden insoweit „die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Festlegung der Arbeitszeit mit diesem System völlig suspendiert“.342 Das BetrVG folgt dem autoritären Modell der Betriebsführung, wonach an der höchsten Stelle der betrieblichen Hierarchie Weisungen „kontrolliert“ und Macht durch „Gegenmacht“ (Mitbestimmung) kompensiert werden soll.343 Traditionelle Kommandostrukturen, wie bei der tayloristischen Produktionsweise mit ihren klaren Handlungsanweisungen, werden zu den Funktionsvoraussetzungen für die betriebliche Mitbestimmung gezählt. Mit anderen Worten gehört zu den 342 Hamm, AiB 2000, 151 (155); vgl. dazu auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1255, 1265). 343 Im Bericht der Mitbestimmungskommission von 1970 ist etwa die Rede davon, dass die betriebliche Mitbestimmung das „betriebliche Weisungs- und Direktionsrecht“ erreichen könne; BT-Drs. VI/334, S. 61. 344 Dieterich, Mitbestimmung im Umbruch, S. 15, 12.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Bedingungen einer effektiven Mitbestimmung die „klare Zuordnung der Interessenvertretungen zu den Entscheidungsorganen auf den maßgebenden Entscheidungsebenen“344, mithin eine klare soziale und funktionale Unterscheidung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.345 Moderne Managementkonzepte begreifen den Betrieb aber als dynamischen anpassungsfähigen Organismus, in dem eine durchgängige Beeinflussbarkeit jeder Entscheidung im Arbeitsprozess durch eine andere gewollt und erforderlich ist346, so dass der Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer „verwischt“ wird. Diese allgemein zu verzeichnende Entwicklung hat die im Folgenden näher zu betrachtenden Auswirkungen auf die Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG.

A. § 87 I Nr. 2 BetrVG Wie gezeigt, verzichtet der Arbeitgeber bei Vertrauensarbeitszeit formal darauf, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage festzulegen und begibt sich freiwillig eines Teils des ihm zustehenden Weisungsrechts.347 Das Mitbestimmungsrecht knüpft aber an eben dieses Direktionsrecht an348, in dessen Kontrolle die zentrale Aufgabe der Mitbestimmung gesehen wird.349 Sie dient dazu, Weisungen im Rahmen mitbestimmungspflichtiger Tatbestände betriebsnah und im Voraus zu kontrollieren, wodurch Defizite der gerichtlichen Kontrolle von Weisungen ausgeglichen werden können.350 In den Worten des BAG setzt das Mitbestimmungsrecht eine Arbeitgeberentscheidung voraus, an der der Betriebsrat teilhaben kann.351 Wenn nun dem Arbeitnehmer ein Rahmen für individuelle Entscheidungen eröffnet wird, liegt darin gerade die Beschränkung des – jedenfalls formalen – Weisungsrechts. Weil „nur die Lage der kontrollierbaren Arbeitszeit“352 für regelungsfähig und nicht die Handlungen 345 Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Bericht der Kommission Mitbestimmung, S. 79. 346 Vgl. Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Bericht Kommission Mitbestimmung, S. 36 f.; Boysen, Betriebsverband, S. 191. 347 Reichold, FS Wiese, S. 407 (417); ders., NZA 1998, 393 (397). 348 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1422; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 351; ders., Einseitige Leistungsbestimmung, S. 66 f; 116 f.; Galperin FS Molitor, 1962, 143 (150); in diesem Sinne auch Hromadka, AuA 2000, 533 (535); Weitnauer, FS Duden, S. 705 (708). 349 Vgl. allg. MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 14; Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1255); Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (400 f.). 350 Böker, Weisungsrecht, S. 95 ff. 351 BAG v. 27.1.1998 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung = NZA 1998, 835 (836). 352 Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 87 Rn. 64 a. 353 Dräger, Beteiligung, S. 108.

§ 2 Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG

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der Arbeitnehmer für mitbestimmungspflichtig353 gehalten wird, entsteht eine „mitbestimmungsfreie Zone“, wenn dem Arbeitnehmer die konkrete Bestimmung seiner Arbeitszeit überlassen ist und keine arbeitgeberseitigen Kontrollmechanismen mehr greifen.354 Weil nicht mitbestimmt werden könne, wenn nichts angeordnet werde, haben die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der „Flexi-Modelle“ kaum Bedeutung.355 Damit ist aber ein Risiko für die Arbeitnehmer bei der Durchsetzung ihrer Freizeitinteressen gegenüber dem Arbeitgeber verbunden, denn ihre Verhandlungsmacht ist erheblich schwächer als die des Betriebsrats. Ihnen fehlt nicht nur grundsätzlich356 die Einigungsstelle als Konfliktlösungsmechanismus357, sie selber können Objekt tatsächlicher oder zumindest eingebildeter Sanktionsdrohungen sein.358 Das Nichteingreifen des Mitbestimmungsrechts wird weiter damit begründet, dass es sich bei der Arbeitszeiteinteilung des Arbeitnehmers im Vollzug eines flexiblen Arbeitszeitsystems nur noch um die Konkretisierung der individuellen Leistungspflicht handele.359 V. a. fehle es am Kollektivtatbestand, denn im Gegensatz zum statischen und kollektivbezogenen Interessenausgleich starrer Arbeitszeitregelungen ist der Interessenausgleich bei flexiblen Arbeitszeitmodellen einzelfallbezogen und notwendigerweise dynamisch.360 So wird etwa für Gleitzeit angenommen, dass die Bestimmung des konkreten Arbeitszeitbeginns durch den einzelnen Arbeitnehmer keinen Kollektivtatbestand darstelle, weshalb darin keine mitbestimmungspflichtige Regelung durch den Arbeitgeber liege.361 Gleiches soll für den Auf- oder Abbau von Guthaben gelten.362 Eine undifferenzierte Übertragung dieser Annahmen auf die Vertrauensarbeitszeit scheint allerdings problematisch, wie noch zu zeigen sein wird.363 354 Dräger, Beteiligung, S. 108; Reichold, NZA 1998, 393 (399); ders., FS Wiese, S. 407 (424); Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1255); vgl. Schüren, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1995, S. 129 (149): „Die Mitbestimmung kann die konkrete Festlegung der Arbeitszeit nur dann erfassen, wenn dem Arbeitgeber innerhalb des Arbeitsverhältnisses noch eine solche Befugnis zur konkreten (Leistungs-)Bestimmung zusteht; ders., MünchArbR, § 169 Rn. 1, 28; ders., AuR 1996, 381 ff.; ders., FS Gitter, S. 901 (908). 355 Heinze, NZA 1997, 681 (688). 356 Abgesehen von § 85 II BetrVG im Beschwerdeverfahren. 357 Vgl. D/K/K-Berg, BetrVG, § 76 Rn. 61; F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 38. 358 Hamm, AiB 2000, 151 (155). 359 Otto, NZA 1992, 97 (99). 360 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 7, 10. 361 BAG AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe II.2.a); Dräger, Beteiligung, S. 144, 150; vgl. auch GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 320 zu Kapovaz. 362 Heinze, NZA 1997, 681 (684); BAG v. 27.1.1998 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung = NZA 1998, 835 (836 f.). 363 s. u. § 3. A. III. 3. b). 364 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 158.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Schließlich besteht bei Vertrauensarbeitszeit auch rein praktisch ein Informationsdefizit: Die Steuerung der Arbeitszeiten im Verhältnis Arbeitnehmer – Führungskraft364 führt dazu, dass der Betriebsrat von einem regelungsbedürftigen Problem nichts erfährt, weil Arbeitnehmer eine individuell ausgehandelte Lösung auch dann „zähneknirschend hinnehmen“, wenn sie diese nicht als besonders „komfortabel“ empfinden.365 „Gerade dann, wenn von der Delegation des Weisungsrechts Gebrauch gemacht wird – [. . .] (etwa durch) die schlicht faktische Regelung eines Problems –, wird das mitbestimmungsrechtliche Dilemma offenkundig: Der Betriebsrat als institutioneller Träger von Mitbestimmungsrechten fällt faktisch aus.“366 Darüber hinaus werden infolge der zunehmenden Verlagerung von Unternehmerfunktionen auf Arbeitnehmer überkommene Schutzregelungen und -instrumente von diesen selbst häufig als störend empfunden. Betriebsräte, die auf die Einhaltung bestimmter Schutznormen drängen, geraten dann nicht mehr mit dem Arbeitgeber, sondern mit den Arbeitnehmern selbst in Konflikt.367 Aufgrund der Ersetzung überkommener Kommandostrukturen durch Marktdruck368 oder des v. a. bei jungen Beschäftigten nicht seltenen „Lustgewinns aus der Arbeit“369 erfolgen Arbeitszeitüberschreitungen bei Vertrauensarbeit damit nicht mehr auf Anweisung, sondern aus eigenem Antrieb.370 Das Mitbestimmungsrecht kann aus diesen Gründen nicht mehr zur Eingrenzung der Arbeitszeit verwendet werden.

B. § 87 I Nr. 3 BetrVG Auch dem Mitbestimmungstatbestand bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit wird bei der Vertrauensarbeit zu Recht Bedeutungslosigkeit bescheinigt.371 Hierfür sind mehrere Ursachen zu benennen.

365 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (407) – im Zusammenhang mit Arbeitnehmergruppen. 366 Trümner, FS Däubler, S. 295 (302). 367 Trittin, AiB 1999, 625 (626); vgl. auch Hensche, FS Zeuner, S. 74 (77). 368 Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 1 (6); ders. in: Pickshaus/u. a., Arbeiten ohne Ende, S. 11 ff. Als „Management by Emotions“ wird es bezeichnet, wenn schlechtes Gewissen und Angst der Beschäftigten genutzt werden um Ressourcen freizusetzen, ebd., S. 15 f. 369 In der Anfangsphase könne es zu regelrechten Hochgefühlen resultierend aus gesteigertem Selbstwertgefühl, der Wahrnehmung der eigenen Selbstständigkeit, Entscheidungsbefugnis und Machtfülle kommen, wenn indirekte Steuerung gut funktioniert. Peters, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, S. 20 (25). 370 Hensche, WSI-Mitt. 10/2001, 602 (603); Pickshaus in: Pickshaus/u. a., Arbeiten ohne Ende, S. 15 f. 371 Vgl. Heinze, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309 (317).

§ 2 Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG

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I. Keine Anordnung von Überstunden Bezeichnend für das Problem der Überstunden ist die Aussage, dass sich flexible Arbeitszeiten und Überstunden „beißen“372. Wie oben373 dargestellt, sind die Arbeitnehmer bei Vertrauensarbeitszeit dazu angehalten, „die Erledigung ihrer Aufgaben doch möglichst im Rahmen ihrer Normalarbeitszeit hinzukriegen.“374 Überstunden werden demzufolge nicht mehr „angeordnet“.375 II. Keine „Duldung“ von Überstunden Ebenfalls erwähnt wurde bereits, dass auch die Zuteilung einer Arbeitsmenge, deren Erledigung erwartet wird, aber in der normalen Arbeitszeit nicht möglich ist, einer Anordnung von Überstunden gleichzustellen sein kann, und dass das Mitbestimmungsrecht grundsätzlich auch besteht, wenn Arbeitnehmer ohne Anordnung aus eigenem Antrieb Überstunden leisten.376 Eine mitbestimmungspflichtige Duldung von Überstunden wird von der Rechtsprechung bei „Entgegennahme und Bezahlung“ angenommen.377 Voraussetzung ist damit lediglich das Wissen des Arbeitgebers.378 Der erforderliche Kollektivbezug soll gegeben sein, wenn die Überstunden durch betriebliche Bedürfnisse veranlasst sind.379 In tatsächlicher Hinsicht bezieht sich das Mitbestimmungsrecht damit auf die Situation, dass vorübergehend aus betrieblichen Gründen zusätzlicher Arbeitsbedarf vorliegt, der mit dem verfügbaren Personal bzw. in der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit nicht gedeckt werden kann.380 An die Zuteilung einer Arbeitsmenge ohne ausdrückliche Überstundenanordnung knüpft auch die von Buschmann zur Unterscheidung von geduldeter Mehrarbeit und „längerer Gleitzeit“ aufgestellte Faustregel an, wonach Mehrarbeit auf „mittelbare“ Veranlassung nach Wünschen und Bedürfnissen des Arbeitgebers, längere Gleitzeit dagegen nach den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen des Arbeitnehmers erfolge.381 Dieses Unterscheidungskriterium 372

Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 215. Kapitel 1, § 2. C. II. 374 Engelhardt, AiB 2001, 451. 375 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218. 376 MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 19; BAG v. 28.11.1973 AP Nr. 2 zu § 17 BAT; v. 27.11.1990 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = NZA 1991, 382; v. 4.5.1994 AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt. 377 BAG AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Eine Duldung von Überstunden im vergütungsrechtlichen Sinne soll auch dann anzunehmen sein, wenn die geleisteten Stunden auf einem Arbeitszeitkonto saldiert werden; vgl. LAG RheinlandPfalz v. 6.8.2002 – 10 Sa 251/01. 378 Buschmann, AiB 1981, 155. 379 BAG v. 27.11.1990 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 380 Vgl. Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 215. 373

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

dürfte aber mit der oben referierten, auf die geplante Arbeitszeit abstellenden Rechtsprechung zur Jahresarbeitszeit382 weitgehend hinfällig geworden sein, nach der es innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht mehr darauf ankommt, warum Arbeitnehmer länger arbeiten und den Arbeitszeitrahmen ausschöpfen383. Eine andere Deutung könnte allerdings ein ebenfalls in dieser Entscheidung384 enthaltenes obiter dictum nahe legen. Darin heißt es, dass betriebsübliche und geschuldete Arbeitszeit dann gleichzusetzen – und folglich die Überschreitung der geschuldeten Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig wäre – wenn weder die Tarifvertrags- noch die Betriebsparteien Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeit auf einen kürzeren Zeitraum als den eines Jahres getroffen, sondern diese Verteilung – im Rahmen des ArbZG – gänzlich ins Belieben der Arbeitnehmer gestellt hätten. Dies lässt die Vermutung zu, dass bei der selbstgesteuerten Vertrauensarbeit Überschreitungen der geschuldeten Arbeitszeit als mitbestimmungspflichtige geduldete Überstunden gewertet werden könnten. Welche Rückschlüsse aus dem obiter dictum zu ziehen sind, ist indes kaum eindeutig zu beantworten. Es kommt darauf an, wann die Arbeitszeiteinteilung im „Belieben der Arbeitnehmer“ steht; hierzu hat das BAG aber nichts ausgeführt. Sind jedoch bei der Arbeitszeiteinteilung – wie meist – tarifliche Vorgaben zu beachten und die Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitszeitgestaltung mit Kollegen abzustimmen sowie betriebliche Belange (wie z. B. Servicezeiten, Kundenerreichbarkeit u.s.w.) zu berücksichtigen, wird man nicht von einer gänzlich im Belieben der Arbeitnehmer stehenden Verteilung der geschuldeten Arbeitszeit sprechen können.385 Aufgrund derartiger Vorgaben und Bindungen ist i. d. R. auch bei der Vertrauensarbeitszeit eine völlig freie Arbeitszeiteinteilung nicht möglich. Bei der aus Gleitzeitmodellen hervorgegangenen Vertrauensarbeitszeit handelt es sich i. d. R. nicht um die Abarbeitung eines Gesamtdeputats nach freiem Belieben des Arbeitnehmers, sondern um den bedarfsgerechten Arbeitszeiteinsatz. Durch Aufhebung jeglicher Abrechnungszeitpunkte wird außerdem gerade kein bestimmtes Deputat für einen Zeitraum angegeben. Dem 381 AiB 1981, 155 (156); so wohl auch Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 85, 93; in diese Richtung auch MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 22. 382 BAG v. 11.12.2001 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; um mitbestimmungspflichtige Überstunden handelt es sich nur, wenn der betrieblich festgelegte Arbeitszeitrahmen überschritten wird; s. dazu oben § 1. C. I. 2. b). 383 Nach der der Entscheidung zugrunde liegenden Betriebsvereinbarung war eine Verlängerung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sowohl durch den Arbeitnehmer selbst als auch durch den Arbeitgeber in den Grenzen des Arbeitszeitrahmens möglich. 384 BAG v. 11.12.2001 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; zust. Walker/ Gaumann, SAE 2003, 88 (91). 385 So wohl auch Baeck in: Jaeger/Röder/Heckelmann, Praxishandbuch, 12 Rn. 30.

§ 2 Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG

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obiter dictum ist daher für die vorliegend behandelte Vertrauensarbeitszeit keine Bedeutung beizumessen. Folglich sind auch hier betrieblich veranlasste Verlängerungen der täglichen Arbeitszeit nicht ohne weiteres als geduldete mitbestimmungspflichtige Überstunden einzuordnen, wenn weitere kollektive Arbeitszeitvorgaben bestehen. Auf die umstrittene Frage, ob das Mitbestimmungsrecht bei Überstunden überhaupt eingreift, wenn die Arbeitnehmer „freiwillig“ länger arbeiten386, muss daher nicht eingegangen werden. Dass gerade bei Vertrauensarbeitszeit Erfahrungsberichten zufolge die Arbeitnehmer ohne Anordnung „wie von selbst freiwillig“387 länger arbeiten388, wurde bereits ebenso erwähnt, wie die daraus resultierenden Probleme für Betriebsräte.389 Zusätzliche praktische Schwierigkeiten entstehen bei Vertrauensarbeit dadurch, dass der Arbeitgeber nicht nur keine Überstunden anordnet, sondern sich zudem der Kenntnis der Arbeits- und Anwesenheitszeiten seiner Arbeitnehmer versperrt, die für eine rechtlich relevante390 Duldung von Überstunden erforderlich wäre. Im Übrigen werden auch Überschreitungen der Sollzeit nicht transparent, wenn keine Ausgleichszeiträume vorgesehen sind und ein definitiver Abrechnungszeitpunkt entfällt.391 386 Gegen das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts bei freiwilliger Überstundenarbeit vgl. Brossette, ZfA 1992, 379 (440); Löwisch, NZA 1989, 959 f.; Raab, ZfA 2001, 31 (56 Fn. 80 m. N.). Nach der Gegenauffassung sind auch freiwillige Überstunden mitbestimmungspflichtig, wenn mit ihnen ein betriebliches Bedürfnis gedeckt werden soll; vgl. BAG v. 21.12.1982, 10.6.1986, 27.11.1990 AP Nr. 9, 18, 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 18, 144; MünchArbR-Matthes, § 335 Rn. 19; Otto, NZA 1992, 97 (98, 105 ff.); Unterhinninghofen, AiB 1993, 119 (120); im Grundsatz wohl auch Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 87 Rn. 18 a, 79 d. 387 Auf die damit verbundene Gefahr der Selbstausbeutung wurde schon bei Einführung der traditionellen Gleitzeit mit dem Ziel der Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall aufmerksam gemacht. Bereits damals wurde erkannt, dass Arbeitnehmer, die sich sehr mit ihrer Arbeitsaufgabe identifizieren, ihre persönliche Arbeitszeit – nicht wie bei der Kapovaz nach Befehl und Direktion – sondern aufgrund verinnerlichter, ihnen als eigene Individualinteressen erscheinender Produktions- oder Betriebsinteressen, am konkreten Arbeitsanfall orientieren würden; Buschmann/Ulber, Flexibilisierung: Arbeitszeit – Beschäftigung, S. 123 m. N. 388 Vgl. Glißmann, AiB 2000, 585 (586); A. Schmidt in: Pickshaus/u. a., Arbeiten ohne Ende, 28 ff. (31). 389 s. oben A.; vgl. auch Trittin, AiB 2000, 544 (546): In dem Bestreben, „zusätzliche Arbeitsstunden (zu) verbieten“, gerät der Betriebsrat mit den Arbeitnehmern und ihrem Interesse an selbstständigen Entscheidungen in Konflikt, womit sein Recht auf Unterlassung und das Recht der einzelnen Arbeitnehmer auf Verweigerung mitbestimmungswidriger Anordnungen ins Leere geht. 390 Besondere Schwierigkeiten ergeben sich etwa, wenn eine betriebliche Regelung den Arbeitnehmern frei stellt, ob sie innerhalb des Gleitrahmens ein Guthaben aufbauen oder abteilungsbezogen angeordnete Überstunden leisten, die dann nicht in Freizeit ausgeglichen, sondern ausgezahlt werden. Vgl. BAG v. 23.6.1992 AP Nr. 20 zu § 23 BetrVG 1972. Auf die Gefahr solcher Regelungen, dass Arbeitgeber eigene Kontrollmöglichkeiten vernachlässigen und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats unterlaufen, hat Unterhinninghofen, AiB 1993, 119 (120) hingewiesen.

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III. Zusatzzeitbudget und Überlastverfahren an Stelle der Überstundenanordnung Wie bereits erwähnt, tritt bei der Vertrauensarbeitszeit an die Stelle von – angeordneten oder geduldeten – Überstunden häufig das Instrument der sog. „Zusatz-Zeitbudgets“392, mit dem bei prognostiziertem erhöhten Arbeitsanfall individualvertraglich für einen bestimmten Zeitraum ein höheres Arbeitszeitbudget vereinbart und somit vorübergehend die Vertragsarbeitszeit hochgesetzt werden kann. Diese Vorgehensweise soll die Überstunden ersetzen und entzieht die Verlängerung der Arbeitszeit – jedenfalls in einigen Fällen – der Zustimmung des Betriebsrats.393 Die Erforderlichkeit des zusätzlichen Zeitbedarfs wird dabei u. U.394 ausschließlich vom betroffenen Arbeitnehmer und dem Vorgesetzten beurteilt. IV. Exkurs: Problematik des Durchführungsanspruchs Nicht nur die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte wirft bei Vertrauensarbeitszeit Schwierigkeiten auf, sondern auch die Durchsetzung der in einer Betriebsvereinbarung ausgeübten Mitbestimmung395. Führt in Zeitkontenmodellen eine arbeitszeitverteilende Betriebsvereinbarung dazu, dass der Tatbestand der Überstunden nahezu obsolet wird, so kann jedenfalls eine dauerhafte Überschreitung der geschuldeten Arbeitszeit verhindert werden, wenn ein Freizeitausgleich realisiert wird. Hierfür kann in Gleitzeitsystemen der Durchführungsanspruch des Betriebsrats eine Grundlage bieten. In diesem Zusammenhang kommt den Zeitkonten für die Verwaltung von Arbeitszeitschulden und -guthaben Bedeutung zu, weil bei Überschreiten von in der Betriebsvereinbarung definierten Guthabenständen der Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen vom Arbeitgeber Maßnahmen zum Guthabenabbau verlangen kann.396 Dabei ist für den Anspruch gegen den Arbeitgeber die jeweilige Gestaltung der Betriebsvereinbarung entscheidend. Voraussetzung für einen kontrollierten Zeitausgleich ist u. a. die Festlegung eines Ausgleichszeitraums bzw. von Obergrenzen für Zeit391 Vgl. etwa Hoff, Personal 7/1997, 336 (340); Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/2003). 392 Vgl. Helmich, AuA 2001, 123 (125); Hoff, Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit . . ., http://www.arbeitszeitberatung.de (12/2002); dazu auch Schliemann in Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 1097. 393 Vgl. BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 464 (473). 394 Allerdings kann dem Betriebsrat ein Informationsrecht über die Vereinbarung und ein Vetorecht eingeräumt werden, um das Zusatz-Zeitbudget aufzuheben. 395 Vgl. dazu nochmals LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung (Gründe 2.2.2.5.). 396 Dazu LAG Baden-Württemberg AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1755).

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guthaben, um die betriebsübliche Arbeitszeit zu begrenzen, sowie die Führung von Arbeitszeitkonten, um Transparenz397 bzgl. der geleisteten Arbeitszeit herzustellen.398 Da auf derartige Regelungen bei Vertrauensarbeit verzichtet und die Kontenführung den Arbeitnehmern anheim gestellt werden soll,399 der Arbeitgeber explizit so gut wie keine Verantwortung für die Arbeitszeitgestaltung mehr übernimmt, bieten Betriebsvereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit dem Betriebsrat keine Anspruchsgrundlage, um Freizeitausgleich für von Arbeitnehmern zuviel geleistete Stunden zu verlangen. Auch die Annahme des LAG Stuttgart400, dass Eigenverantwortlichkeit des Arbeitnehmers bei der Arbeitszeitgestaltung im Rahmen eines Gleitzeitmodells den Durchführungsanspruch des Betriebsrats nicht ausschließe, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Verantwortung von Führungskraft und Arbeitgeber wird bei Vertrauensarbeit i. d. R. auf die Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Arbeitszeit und Arbeitsbelastung beschränkt, der Arbeitnehmer soll mithin keinen vergangenheitsbezogenen Anspruch auf Freizeitausgleich, sondern allenfalls auf Entlastung haben.401 Ein solcher Individualanspruch des Arbeitnehmers auf Abhilfe oder Vermeidung von Überlastungen402 lässt sich aber nicht mittels eines Durchführungsanspruchs realisieren.403 V. Zusammenfassung Weil bei flexibler Arbeitszeit für die Frage nach Überstunden i. S. d. § 87 I Nr. 3 BetrVG unabhängig vom Arbeitszeitdeputat auf die Überschreitung des betrieblich festgelegten Arbeitszeitrahmens abzustellen ist,404 sind die Anwendungsfälle von angeordneten Überstunden umso geringer, je größer der Arbeitszeitrahmen mit seinen Variationsmöglichkeiten ist. Bei Vertrauensarbeitszeit wird die Anordnung von Überstunden weitgehend obsolet, weil keine regelmäßige tägliche Arbeitszeit festgelegt wird und die Arbeitnehmer ihre geschuldete 397 Jedoch entbindet allein die Tatsache, dass dem Arbeitgeber die Kontrolle der Einhaltung einer Betriebsvereinbarung Schwierigkeiten bereite („Kontrolle sei nicht praktikabel“, vgl. LAG Hessen v. 9.10.1997 – 5 TaBV 8/97 – NZA-RR 1999, 88 [LS]; juris [Volltext]), diesen freilich nicht von einer aufgrund der Betriebsvereinbarung bestehenden Verpflichtung; BAG v. 23.6.1992 AP Nr. 20 zu § 23 BetrVG 1972. 398 Munz/Bauer/Groß, WSI Mitt. 6/2002, 334 (337 f.); Märkle/Petri, AuR 2000, 443 (445). 399 Vgl. ausf. Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/2003). 400 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung. 401 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 66 ff. 402 Vgl. etwa Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 99. 403 s. oben § 1. C. IV. 2. b) (a. E.); zum Überlastverfahren s. unten § 3. B. II. 2. d) bb) (1). 404 So BAG v. 11.12.2001 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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Arbeitszeit bedarfsgerecht einzusetzen haben. Die oben in § 1405 erwähnte Frage nach der Erforderlichkeit von Überstunden tritt damit in den Hintergrund. Nimmt der Arbeitgeber keine Arbeitszeiterfassung mehr vor, wird ein zusätzlicher Arbeitsbedarf auch nicht sichtbar.406 Zudem ist nicht mehr eindeutig nachweisbar, ob die Arbeitsmenge aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht bewältigt werden kann. Sofern am Ende eines Referenzzeitraumes nicht ausgeglichene Zeitguthaben bestehen, stellt sich in kontengestützten Arbeitszeitsystemen die Frage nach der Kontenrückführung, die ggf. mittels Durchführungsanspruchs realisierbar ist. Existieren derartige Abrechnungszeiträume wie bei Vertrauensarbeit gerade nicht, versagt auch dieses Mittel. Ungeregelte Vertrauensarbeitszeit erschwert die Realisierung eines Anspruchs auf Freizeitausgleich ebenso wie unbegrenzte Kontenführung. Aufgrund des faktischen Leerlaufens der Mitbestimmungsrechte versagt der traditionelle Arbeitnehmerschutz bei der Vertrauensarbeit.

§ 3 Rechtliche Alternativen zwecks Ausgleichs der Schutzdefizite A. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einführung der Vertrauensarbeitszeit I. Eingreifen der Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG Nachdem sich die Lückenhaftigkeit der traditionellen Betriebsverfassung für eine effektive Begrenzung von Arbeitszeitmodellen herausgestellt hat, ist zu prüfen, ob dem Betriebsrat andere Mittel eröffnet sind, um Vertrauensarbeitszeit mitzugestalten und in ihren Auswirkungen berechenbarer zu machen. Dazu ist zu klären, ob der Arbeitgeber überhaupt verpflichtet ist, bei der Einführung von Vertrauensarbeitszeit den Betriebsrat zu beteiligen, denn „dies ist keineswegs selbstverständlich“407. Soweit es um die Einführung und Gestaltung sowie Überwachung hochflexibler Systeme geht, kann nur der auf die Lage der Arbeitszeit bezogene § 87 I Nr. 2 BetrVG einschlägig sein. Für die Annahme des Mitbestimmungsrechts 405

C. I. 2. a). Vgl. auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 217: „Eine sowieso schon bestehende Überlastung, häufig resultierend aus einer zu knappen Personaldecke, wird auf diese Weise verschleiert.“ 407 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 81; dagegen das Mitbestimmungsrecht bei Einführung selbstverständlich bejahend Beseler, RWS-Forum, S. 217 (239). 406

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ist ausschlaggebend, dass flexible Modelle eine variable Beschäftigung bei konstantem Arbeitszeitdeputat erreichen wollen, es somit um die Flexibilisierung des Zeitpunkts „der Leistungserbringung am Tag, in der Woche, im Monat, kurz: in der Planperiode überhaupt“ geht, nicht aber um den mitbestimmungsfreien Umfang der Leistungspflicht.408 So umfasst z. B. das Mitbestimmungsrecht nach h. M. bei gleitender Arbeitszeit sowohl die Entscheidung über das „ob“ der Einführung als auch über das „wie“ der konkreten Ausgestaltung, da hierdurch die Lage der täglichen Arbeitszeit betroffen ist.409 Auch wenn Vertrauensarbeitszeitmodelle häufig aus Gleitzeit hervorgehen, bedarf eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Einführung von Vertrauensarbeitszeit einer näheren Betrachtung. Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 3 kommt in flexiblen Modellen in Betracht, wenn der als betriebsübliche Arbeitszeit festgelegte Arbeitszeitrahmen verlassen wird, wenn „ab einem gewissen Übersoll also z. B. Überstundenbezahlung oder gar der Verfall“ vereinbart werden soll.410 In den folgenden Ausführungen soll auf diesen Tatbestand nicht gesondert eingegangen werden, weil er erst Bedeutung gewinnt, wenn es um die konkrete Ausgestaltung eines Arbeitszeitmodells geht. 1. Mitbestimmung trotz „Verzichts“ auf das Weisungsrecht und die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit Dem Mitbestimmungsrecht nach Nr. 2 bei der Entscheidung über die Einführung von Vertrauensarbeitszeit könnte etwa die geschilderte Tatsache entgegen stehen411, dass die Freigabe von Arbeitszeiten wegen des dann nicht mehr bestehenden Weisungsrechts nicht mehr der Mitbestimmung unterliege.412 Insofern könnte ein Unterschied zur Mitbestimmung bei der Einführung variabler Teilzeitarbeit bestehen.413

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Reichold, NZA 1998, 393 (399). Statt vieler F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 115 m. w. N.; Koch in: Schaub, ArbRHdb, § 235 Rn. 14 a; Neumann/Biebl, ArbZG, § 3 Rn. 27; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 334; BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; ähnl. D. Neumann, RdA 1971, 106 (108). 410 Stellv. Reichold, NZA 1998, 393 (399). 411 Vgl. hierzu auch Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 81; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 386. 412 Vgl. Schüren, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1995, S. 129 (149): „Die Mitbestimmung kann die konkrete Festlegung der Arbeitszeit nur dann erfassen, wenn dem Arbeitgeber innerhalb des Arbeitsverhältnisses noch eine solche Befugnis zur konkreten (Leistungs-)Bestimmung zusteht“; ders., MünchArbR § 169 Rn. 1, 28; ders., AuR 1996, 381 ff.; ders., FS Gitter, S. 901 (908), zugleich mit der Aussage, dass auch hochflexible Arbeitszeitregelungen zumindest als Rahmenregelung vereinbart werden müssen. 409

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Es ist deshalb fraglich, ob Nr. 2 seinem Zweck nach eingreift und dem Betriebsrat eine Regelungskompetenz auch dann einräumt, wenn es nicht um die Kontrolle von Weisungen geht, weil der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht gerade keinen Gebrauch machen will. Davon hängt es ab, ob der Betriebsrat die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhindern bzw. mitgestalten kann. Zur Beantwortung dieser Frage gehören mehrere Aspekte.V. a. kommt es darauf an, ob die durch das Mitbestimmungsrecht vermittelte Regelungskompetenz nur besteht, wenn der Arbeitgeber in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht. a) Gleichlauf von Direktions- und Mitbestimmungsrecht? Teilweise wird Mitbestimmung so erklärt, dass dem Arbeitgeber Rechte entzogen und insoweit auf den Betriebsrat übertragen werden. Mitbestimmung bedeutet danach eine gesetzliche Beschränkung der Handlungs- und Verfügungsfreiheit des Arbeitgebers in der Weise, dass an die Stelle einer einseitigen Entscheidung durch Weisungsrecht eine durch die paritätische Mitbestimmung der Kollektivvertretung gebundene tritt. Damit würden sich Umfang und Grenzen der Betriebsautonomie decken mit den Grenzen der Direktions- und Dispositionsbefugnisse des Arbeitgebers; Betriebsautonomie ist nach diesem Verständnis insoweit akzessorisch. Das BetrVG begründe nämlich keine „originäre Belastungsbefugnis“ der Betriebspartner, die über die des Arbeitgebers hinausginge.414 Nach Auffassung Käpplers415 kann sich die direktionsbezogene Betriebsautonomie wirksam nur innerhalb der Grenzen entfalten, die allgemein und für das einzelne Arbeitsverhältnis gelten. Es sei den Arbeitnehmern daher unbenommen, durch einzelvertragliche Absprachen den Bereich des mitbestimmten Direktionsrechts weiter einzuschränken.416 Von diesem Standpunkt aus wäre es z. B. möglich, i. S. eines Jahresarbeitszeitvertrags nicht nur das Gesamtdeputat für das Jahr, sondern auch dessen Feinverteilung innerhalb des Bezugszeitraums der konsensualen Festlegung durch die Arbeitsvertragsparteien zu überlassen, ohne dass für eine Mitbestimmung noch Raum wäre.417 Der billige Interessenausgleich werde dadurch bereits vertraglich strukturiert und gebe „dem Arbeitnehmer darüber hinaus nicht mehr Selbstbestimmung, als im Ver413 Vgl. BAG v. 28.9.1988 AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; hier bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auch auf das „Ob“ des flexiblen Einsatzes. 414 Käppler, FS Kissel, S. 475 (481 f.). In der Konsequenz dieser Auffassung kann auch auf das Günstigkeitsprinzip verzichtet werden, da die vertragliche Abrede immer Vorrang vor der Betriebsvereinbarung habe. 415 FS Kissel, S. 475 (481). 416 Käppler, FS Kissel, S. 475 (483). 417 Reichold, FS Wiese, S. 407 (419, 425).

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trag durchsetzbar war.“418 Der Arbeitsvertrag habe insoweit entscheidende Bedeutung für die Reichweite der Rechtssetzungsmacht. Aus den Mitbestimmungsrechten ergebe sich, dass die Macht der Betriebspartner nicht weiter reiche, als der Arbeitgeber aufgrund seines einseitigen Bestimmungsrechts das Arbeitsverhältnis gestalten dürfe.419 Nun könnte diese These Anlass zu der Überlegung sein, dass in dem Maße, wie die Entscheidungsbefugnisse vom Arbeitgeber direkt auf die Arbeitnehmer übertragen werden – sozusagen unter Verzicht auf das Weisungsrecht – die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG gänzlich obsolet würde, weil die Betriebspartner dann keine Regelungskompetenz hätten.420 Diese Diskussion wird bislang vorrangig unter einem ganz anderen Blickwinkel geführt, und zwar im Zusammenhang damit, ob die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten eine Regelungskompetenz der Betriebsparteien autonom begründen können, d.h. ob Mitbestimmungsrecht und Zuständigkeit deckungsgleich sind. Dahinter steht die Frage, ob im Bereich der Mitbestimmungsrechte Arbeitgeber und Betriebsrat Regelungen treffen können, die der Arbeitgeber nicht kraft einseitiger Regelungsmacht durchsetzen könnte.421 Wenngleich es bei Vertrauensarbeitszeit gerade nicht um die Erweiterung der Regelungsmacht des Arbeitgebers geht, so könnte dennoch die Auffassung, die das Mitbestimmungsrecht an das Recht des Arbeitgebers zur einseitigen Leistungsbestimmung knüpft, Auswirkungen auf die Mitbestimmungsrechte in flexiblen Arbeitszeitmodellen haben. Denn wenn die Mitbestimmung ermöglicht, belastende Regelungen durch Betriebsvereinbarung einzuführen, für die in betriebsratslosen Betrieben die vertragliche Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich wäre, müsste umgekehrt auch durch Betriebsvereinbarung eine vertragliche Abrede verhindert werden können, durch die der Arbeitgeber auf sein Weisungsrecht verzichtet und dem Arbeitnehmer die Selbstorganisation der Arbeitszeit überträgt. Zu dem Ergebnis, dass nicht einmal für mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten eine originäre betriebsverfassungsrechtliche Regelungskompetenz besteht, könnte man mit der Auffassung Söllners422 gelangen. Eine Betriebsvereinbarung könne nur verpflichtend wirken, wenn der Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht habe.423 Eine so weitgehende Beschränkung der be418

Reichold, FS Wiese, S. 407 (419). Käppler, FS Kissel, S. 475 (482 f.); Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 185; vgl. auch Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1422. 420 Vgl. Reichold, NZA 1998, 393 (399): „Die Ausfüllung vertraglich vorbehaltender Arbeitszeitsouveränität kann von daher mangels arbeitgeberseitigem Weisungsrecht nicht mehr der Mitbestimmung unterliegen“; s. auch Schüren, FS Gitter, S. 901 (908). 421 Vgl. etwa Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 295 ff.; vgl. auch Waltermann, Rechtsetzung, S. 177 f. 422 Söllner in: Hromadka, Änderung von Arbeitsbedingungen, S. 13 (27). 419

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

triebsverfassungsrechtlichen Regelungskompetenz hätte zur Folge, dass auch das Mitbestimmungsrecht entfiele, wenn nach dem Arbeitsvertrag mit dem einzelnen Arbeitnehmer der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nur mit dessen Zustimmung regeln könnte424 oder sie stattdessen dem Arbeitnehmer allein überträgt. Die Auffassung Söllners wird aber dadurch relativiert425, dass dieser dem Arbeitgeber eine selbstständige Befugnis zur einseitigen Leistungsbestimmung einräumt,426 welche nach seiner Konzeption das Vertragsprinzip im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nahezu vollständig ersetzt. Die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses erfolge durch rechtsgestaltende Erklärungen, die nicht anders wirkten als vertragliche Vereinbarungen.427 Da der Individualvertrag als Gestaltungsmittel im Arbeitsverhältnis dadurch „an die Peripherie“ rücke428, werde „auf diesem Weg die betriebsverfassungsrechtliche Regelungszuständigkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung weit ausgedehnt“.429 Das Mitbestimmungsrecht greift hiernach immer dann ein, wenn Arbeitsbedingungen auf der faktischen Überlegenheit des Arbeitgebers beruhen, ohne dass es im Einzelfall auf das Vorliegen einer vertraglichen Absprache ankomme.430 Ausgenommen von der einseitigen Leistungsbestimmung sind nach Söllner lediglich die synallagmatischen Arbeitsbedingungen Dauer der Arbeitszeit und Entgelt.431 Da nach Söllner das Leistungsbestimmungsrecht nicht vertraglich abbedungen werden kann und das Mitbestimmungsrecht an dieses anknüpft432, kommt den Betriebspartnern eine umfassende Regelungsbefugnis zu.433 Diese Auffassung kann mithin nicht gegen das Mitbestimmungsrecht angeführt werden, wenn der Arbeitgeber die Planung der Arbeitszeitverteilung auf die Arbeitnehmer überträgt. Vielmehr wird in dieser Auffassung die rechtliche Befestigung der „Machtlosigkeit der einzelnen Arbeitnehmer bei der Gestaltung betrieblicher Angelegenheiten“ gesehen.434 423

So auch Hromadka, NZA 1996, 1233 (1235). So die für den vorliegenden Kontext relevante Feststellung Richardi’s, 61. DJT, GA B 54. 425 Vgl. dazu Richardi, 61. DJT, GA B 54; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 352 f. 426 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 16, 44 ff.: Gegenüber dem Arbeitnehmer werde das Leistungsbestimmungsrecht durch den Vertragsabschluss begründet, mit dem der Arbeitnehmer sich in die organisierte Arbeitsteilung des Arbeitgebers eingliedern lasse und sich dieser unterwirft. 427 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 37. 428 Ein Vertrag soll nur vorliegen, wenn „der Arbeitnehmer die tatsächliche Chance hatte, als einzelner durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber eine andere Regelung zu erzielen“, Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 39 f. 429 Richardi, 61. DJT, GA B 55. 430 Vgl. die Rezension von Richardi, RdA 1970, 208 ff. 431 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 70. 432 Vgl. Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 39, 44 ff., 48 f. 433 Richardi, 61 DJT GA B 55; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 352 f. 424

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Ähnlich wie Söllner argumentieren etwa Adomeit, Weitnauer und Birk. Nach Adomeit435 wird der Betriebsrat konstituiert, um die Macht des Arbeitgebers einzuschränken, die aus seiner einseitigen Regelungsbefugnis aufgrund des Direktionsrechts und aus seiner faktischen Überlegenheit im Rahmen der Vertragsfreiheit resultiert. Bereits die durch das Bestehen der Mitbestimmungsrechte erfolgte Umverteilung der Anordnungsbefugnis habe Ausschließungscharakter, sie sei privativ: In den Materien der erzwingbaren Mitbestimmung werde dem ursprünglichen Kompetenzinhaber (Arbeitgeber oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam) diese Kompetenz entzogen436 und den Gesamtvereinbarungspartnern zur einverständlichen Ausübung überwiesen.437 Weitnauer erklärt die Mitbestimmungsrechte damit, dass „in dem durch das Gesetz bestimmten Umfang dem Arbeitgeber die erwähnten Rechte teilweise entzogen und insoweit auf den Betriebsrat – genauer: die durch den Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer – übertragen werden. Die Mitbestimmung bedeutet also eine gesetzliche Beschränkung der Handlungs- und Verfügungsfreiheit des Arbeitgebers in der Weise, dass an die Stelle einseitiger Entscheidung eine durch die paritätische Mitbestimmung des anderen Teiles, des Betriebsrats, gebundene tritt.“438 Wollte man dies als „cessio legis“ qualifizieren, wäre eine arbeitsvertragliche Abbedingung oder Einschränkung des Direktionsrechts nicht möglich. Nach Birk439 bleibt zwar durch das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 BetrVG die Leitungsmacht formal unbeeinflusst. Wenngleich betriebliche Mitbestimmung keine Beteiligung an der Ausübung der Leitungsmacht sei, entziehe sie Letzterer aber im jeweiligen Bereich die sachliche Basis.440 Damit orientiert auch Birk die Mitbestimmung am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers.441 Konsequenz dieser Auffassungen ist, dass der Arbeitgeber über seine Leitungsmacht nicht dahingehend bestimmen kann, dass er sie mitbestimmungsfrei auf die Arbeitnehmer überträgt. Die Regelungsgegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung sind der einseitigen Verfügung des Arbeitgebers vollständig entzogen, so dass selbst vertragliche Absprachen grundsätzlich442 nicht ohne Mitbestimmung zulässig wären. Damit lässt sich die Theorie von der Wirksamkeitsvoraussetzung untermauern.443 434 So Richardi, Festgabe v. Lübtow, S. 755 (779), der die damit eröffnete weite Zuständigkeit des Betriebsrats auch als „partielle Entmündigung“ der Arbeitnehmer kritisiert. 435 Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 142 f. 436 A. A. Kreutz, Betriebsautonomie, S. 195. 437 Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 143, 151 f.; durch Abschluss einer Regelungsabrede könne aber diese Kompetenz wieder partiell entstehen. 438 Weitnauer, FS Duden, S. 705 (708). 439 Birk, Leitungsmacht, S. 113 440 So auch Haug, Direktion, S. 41. 441 So die Schlussfolgerung von Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 300. 442 Abgesehen von den nach h. M. mitbestimmungsfreien Individualmaßnahmen.

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Dagegen verweist Richardi darauf, dass Mitbestimmungsrecht und funktionelle Zuständigkeit des Betriebsrats bei der Regelung sozialer Angelegenheiten durch Betriebsvereinbarung rechtsdogmatisch scharf voneinander zu trennen seien. Die funktionelle Zuständigkeit bestehe unabhängig vom Mitbestimmungsrecht, während sich Schranken der Zuständigkeit unmittelbar auf das Mitbestimmungsrecht auswirkten.444 Das Mitbestimmungsrecht gebe kein Recht zur Mitgestaltung des Arbeitsvertrags, es solle nicht die Fähigkeit oder Rechtsbefugnis des einzelnen Arbeitnehmers einschränken, sondern habe nur ergänzende Funktion445 bzw. eine Hilfsfunktion, um einen Interessenausgleich dort herzustellen, wo der Arbeitgeber ein Alleinbestimmungsrecht habe. Die arbeitsvertragliche Gestaltungsfreiheit dürfe nur beschränkt, nicht aber durch eine Beteiligung des Betriebsrats an der Regelung der Arbeitsbedingungen ersetzt werden, weshalb nach Auffassung von Richardi die Mitbestimmung auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine einzelvertragliche Regelung im Rahmen der Mitbestimmungstatbestände sein könne.446 Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob das Mitbestimmungsrecht überhaupt seinem Zweck nach Anwendung finden solle.447 Aufschluss darüber könnte möglicherweise die von Reichold begründete Lehre von der Vertragsrechtsakzessorietät geben. Danach darf durch die Mitbestimmung nicht in den Kernbereich der durch Art. 12 GG geschützten Vertragsbeziehungen eingegriffen werden.448 Auf dieser Grundlage wird u. a. von Reichold das Mitbestimmungsrecht bei Einführung einiger Arbeitszeitmodelle verneint, weil durch diese nur das dem Mitbestimmungsrecht vorausliegende Arbeitsverhalten geregelt449 bzw. die Bestimmung der Arbeitszeitlage noch offengelassen würde.450 Namentlich mit Blick auf Jahresarbeitszeitverträge sowie Vereinbarungen zu Abrufarbeit und Job Sharing451 sind diese Einwände gegen das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts vorgebracht worden. Der Arbeitgeber mache von seiner durch Art. 12 GG geschützten Privatautonomie Gebrauch, indem er Art und Umfang der Arbeitspflicht verändere.452 Glei443

Vgl. Kreutz, Grenzen, S. 195; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 353. Richardi, Festgabe v. Lübtow, 755 (756 f.). 445 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 114; zust. Ivo Natzel, ZfA 2003, 103 (113). 446 Richardi, Festgabe v. Lübtow, S. 755 (782). 447 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 115, 122. 448 Reichold, Sozialprivatrecht, S. 515; ihm folgend Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 342; vgl. auch Blomeyer, NZA 1996, 337 (340). 449 Reichold, FS Wiese, 407 (424 f.); ders., NZA 1998, 393 (399 f.); wohl auch Richardi, NZA 1994, 593 (595). 450 Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 87 Rn. 64 d; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 316 ff.; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 166; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 117; Heinze, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309 (323). 451 MünchArbR-Matthes, § 334 Rn. 61; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 297; GKWiese, BetrVG, § 87 Rn. 316; Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2767 f.); ausf. zum Streitstand Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 127 f. 452 Reichold, FS Wiese, 407 (425). 444

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ches gilt nach dieser Auffassung für die amorphe Arbeitszeit, bei der arbeitsvertraglich ausschließlich geschuldetes Arbeitszeitvolumen und Bezugszeitraum geregelt werden, während Arbeitszeitlage und somit auch -dauer innerhalb des Bezugszeitraums bewusst offen gelassen werden453. Dagegen liegen derart gravierende Veränderungen der Arbeitspflicht bei Gleitzeitmodellen nach Reichold nicht vor, vielmehr würden nur die Modalitäten der zeitlichen Erbringung der Arbeitspflicht verändert, so dass auch deren Einführung mitbestimmungspflichtig sei.454 Von anderen wird aber die Einführung von Arbeitszeitmodellen auch dann für mitbestimmungspflichtig gehalten, wenn die Lage der Arbeitszeit nicht festgelegt wird455: Mitbestimmungsfrei ist zwar der Umfang der Arbeitsleistung, zu der sich der Arbeitnehmer verpflichtet.456 Gleichfalls ist das Arbeitsverhalten und somit der Bereich der Privatautonomie insoweit betroffen, als die Arbeitszeitplanung – wie insbesondere beim Job-Sharing – Teil der geschuldeten Leistung wird.457 Wenn Vereinbarungen über die Art der Arbeitspflicht mitbestimmungsfrei sind458 und die Selbststeuerung der Arbeitszeit als Bestandteil der Arbeitspflicht vereinbart wird, wäre es konsequent, die Entscheidung über die Arbeitszeitfreigabe auch im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit als mitbestimmungsfrei anzusehen. Andererseits werden gleichzeitig auch hier – ähnlich wie bei herkömmlichen Gleitzeitsystemen – „Modalitäten der zeitlichen Erbringung der Arbeitspflicht verändert“459, was für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts spricht.460 Im Übrigen finden auch nach der Konzeption Reicholds die Mitbestimmungsrechte immer dann Anwendung, wenn es um die Gleichbehandlung im Betrieb geht, d.h. wenn sich ein Gerechtigkeitsproblem stellt.461 Die Beantwortung der Frage, ob ein solches Gerechtigkeitsproblem auch aus der Entscheidung über die Einführung selbstbestimmter Arbeitszeiten erwachsen kann, soll vorerst zurückgestellt werden und unter b) erfolgen. Zunächst ist zu begründen, dass und warum es nach h. M.462 nicht Voraussetzung der notwendigen Mitbestimmung ist, dass der Arbeitgeber eine Angele453

Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 75. Reichold, NZA 1998, 393 (400). 455 Z. B. bei amorpher Arbeitszeit; vgl. Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 77. 456 Richardi, NZA 1994, 593 (595); s. auch schon oben § 1. C. I. 1. b) aa). 457 MünchArbR-Schüren, § 166 Rn. 91; Reichold, NZA 1998, 393 (396). 458 Reichold, FS Wiese, S. 407 (425). 459 Reichold, FS Wiese, S. 407 (425). 460 So auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1268). 461 Reichold, FS Wiese, S. 407 (417); ders., Sozialprivatrecht, S. 515. 462 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 4; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 10; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 94; Moll, Mitbestimmung beim Entgelt, S. 175; Starck, Leistungspflichten und Mitbestimmung, S. 115 ff.; Waltermann, 454

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

genheit ohne Mitbestimmung einseitig – v. a. aufgrund seines Direktionsrechts – regeln könnte. Zunächst bietet der Wortlaut des § 87 BetrVG, in dem nicht von „Anordnungen des Arbeitgebers“ die Rede ist, keine Anhaltspunkte für eine solche Einschränkung. Das Mitbestimmungsrecht in § 87 I BetrVG werde generell bei der Regelung bestimmter Angelegenheiten begründet. Dabei wird auf die Tatbestände der Nrn. 8, 9, 12 verwiesen, die schon denknotwendig nicht an das Direktionsrecht anknüpften.463 Auch der Vergleich mit Nr. 3 zeige, dass Mitbestimmungsrechte nicht nur dort gelten, wo einseitige Anordnungen des Arbeitgebers möglich wären. Nach der Rechtsprechung kann der Arbeitgeber Überstunden und Kurzarbeit eben nicht aufgrund des Direktionsrechts anordnen, sondern nur durch Änderungsvertrag oder -kündigung.464 Hier kann die Betriebsvereinbarung aufgrund ihrer normativen Wirkung den Vertragsschluss ersetzen. Obwohl es dagegen bei anderen Mitbestimmungsrechten, insbesondere bei Nr. 2, „im Grundsatz um eine Beschränkung des Direktionsrechts [. . .] geht“465, widerspreche es auch bei diesen Tatbeständen Sinn und Zweck des § 87 BetrVG, das Eingreifen der Mitbestimmung vom Vorliegen einseitiger Arbeitgeberbefugnisse abhängig zu machen; anderenfalls könnte der Arbeitgeber durch vertragliche Einheitsregelungen die Mitbestimmung des Betriebsrats umgehen.466 Wie sich aus § 87 I ES BetrVG ergibt, wird aber durch arbeitsvertragliche Absprachen das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeschlossen, sondern nur durch gesetzliche und tarifliche Regelungen.467 Die Mitbestimmungsordnung würde letztlich zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien stehen, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags durch vertragliche Abreden, die zu einer Beschränkung des Direktionsrechts führen, gleichzeitig die Regelungsbefugnisse des Betriebsrats begrenzen könnten. Denn dann könnte die Mitbestimmungsordnung einen ihrer Zwecke, auch die Funktionsdefizite des Einzelarbeitsvertrags auszugleichen, nicht erfüllen.468 Deshalb wird eine Sperrwirkung der Mitbestimmungsrechte angenommen, die verhindert, dass der Arbeitgeber auf individuelle Vereinbarungen auszuweichen versucht.469 Hierfür bietet auch die EntstehungsNZA 1993, 679 (681); einschr. Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, S. 41 (56); Weiss/ Weyand, BetrVG, § 87 Rn. 12. 463 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 7. 464 Vgl. etwa BAG v. 15.12.1961, 14.2.1991 AP Nr. 1 und 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit. 465 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 6. 466 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 8; in diesem Sinne auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1267). 467 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 8. 468 Vgl. Hammer, Schutzpflicht, S. 51. 469 Gast, Arbeitsvertrag und Direktion, S. 360.

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geschichte einen Anhaltspunkt. In dem beim Regierungsentwurf des BetrVG berücksichtigten Bericht der Mitbestimmungskommission470 heißt es zwar, dass das BetrVG v. a. der Wahrung der Arbeitnehmerinteressen in dem Bereich diene, in dem der Arbeitgeber allein entscheide.471 Daneben findet sich aber auch die Aussage, dass die Einräumung des Weisungsrechts völlig unabhängig vom Willen der Vertragspartner geschehe und der Arbeitnehmer nicht auf seine „Freiheit“ verwiesen werden dürfe, Verträge zu schließen, weil er sich dem Arbeitgeber gegenüber in einer schwächeren Position befinde.472 Weiterhin wird angeführt, dass Zweck der gesetzlichen Regelung neben dem Schutz der Arbeitnehmerseite auch deren Teilhabe an betrieblichen Regelungen sei.473 Daher sei den Betriebspartnern der Bereich der sozialen Angelegenheiten zur gleichberechtigten Regelung zugewiesen worden.474 Dass das Mitbestimmungsrecht ein Teilhaberecht zur Rechtssetzung ist, komme bereits klar im Wortlaut des § 87 I BetrVG „Der Betriebsrat hat . . . in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen“ zum Ausdruck.475 Die Mitbestimmungsrechte verschaffen dem Betriebsrat somit eine starke „Vertragspartnerposition“.476 Selbst die Annahme, dass es der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung eher entspräche, wenn der Teilhabezweck durch Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer selbst und nicht durch ihre Repräsentanten erfüllt würde477, die Arbeitnehmer mithin durch selbstständige Einteilung ihrer Arbeitszeit unmittelbar ohne Zwischenschaltung des Betriebsrats partizipieren könnten, ändert nichts daran, dass die Mitbestimmungsordnung von ihrer Anlage her nicht auf direkte Beteiligung ausgerichtet ist.478 § 87 BetrVG statuiert eben gerade nicht die 470

BT-Drs. VI/1786, S. 31. BT-Drs. VI/334, S. 59. 472 BT-Drs. VI/334, S. 61. In diese Richtung argumentiert auch Gast, nach dem das Mitbestimmungsrecht gleiche Rechte für beide Betriebspartner bedeute und der Verwirklichung des Vertragsprinzips als Ausprägung der Privatautonomie diene und damit der Selbstbestimmungsfreiheit der Beteiligten im Betriebsverfassungsrecht auf kollektiver Ebene; vgl. Arbeitsvertrag und Direktion, S. 357 ff. 473 So GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 10. 474 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 10; vgl. bereits Dietz, FS Nipperdey, S. 147 (151 f. mit Hinweis auf die historische Entwicklung der Mitbestimmung). 475 Kreutz, Betriebsautonomie, S. 196. 476 Vgl. Kreutz, Betriebsautonomie, S. 194, der zwischen der Schutzwirkung der Betriebsvereinbarung und der der Mitbestimmungsrechte unterscheidet. Die Betriebsvereinbarung habe eine Schutzfilterwirkung, deren Intensität in Mitbestimmungsangelegenheiten höher sei als bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen, weil die Mitbestimmungsrechte die Vertragspartnerposition entscheidend verstärkten. 477 Wiese, FS Kissel, S. 1269 (1274); ders., ZfA 2000, 117 (122), der dies jedoch zum einen aus Gründen der Organisation und der Durchsetzbarkeit gegenüber dem Arbeitgeber und zum anderen wegen des Erfordernisses eines betrieblichen Interessenausgleichs für unpraktikabel hält. 478 Vgl. Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Bericht der Kommission Mitbestimmung, S. 78 f. 471

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Teilhabe der Arbeitnehmer selbst.479 Deshalb wird es etwa auch in der Diskussion über die teilautonome Gruppenarbeit für unzulässig gehalten, dass der Arbeitgeber „Teile seiner arbeitsorganisatorischen Entscheidungsbefugnisse und seines Direktionsrechts, soweit diese Entscheidungen, weil sie mitbestimmungspflichtig sind, wirksam nur im Konsens mit dem Betriebsrat getroffen und umgesetzt werden dürfen, [. . .] ohne Zustimmung des Betriebsrats auf eine Arbeitsgruppe (delegiert)“.480 Die Anerkennung des Teilhabegedankens wird zudem daran deutlich, dass der Betriebsrat im Rahmen der Mitbestimmungstatbestände grundsätzlich nach h. M. ein Initiativrecht hat.481 Selbst wenn der Arbeitgeber auf Maßnahmen der Arbeitszeitgestaltung verzichten will, könnte sie der Betriebsrat mit seinen Mitteln durchsetzen.482 Als Konsequenz ist es ausgeschlossen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander Vereinbarungen treffen, da hierin eine unzulässige Umgehung der Mitbestimmung liegen würde.483 Dieser Argumentation ist zu folgen. Die Mitbestimmungsrechte sind zwar als Grenze des Weisungsrechts in seiner Ausprägung als Gestaltungsfaktor des einzelnen Arbeitsverhältnisses zu verstehen484, was insbesondere an der Konstruktion der Theorie von der Wirksamkeitsvoraussetzung deutlich wird. Hier dient die Mitbestimmung der präventiven Kontrolle einer anderenfalls nur ex post durchführbaren gerichtlichen Kontrolle einer Weisung.485 Wie in Kapitel 1 erwähnt, wird z. T. allerdings bestritten, dass ein Verzicht auf das Weisungsrecht bei Vertrauensarbeitszeit überhaupt vorliege.486 Vielmehr werde in den neuen Managementmethoden das Direktionsrecht unter Missachtung von Mitbestimmungsrechten zur Schaffung, Veränderung und Durchsetzung neuer Rahmenbedingungen eingesetzt, wie z. B. die Verpflichtung der Ar479

Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 308; Wiese, FS Kissel, S. 1269 (1279). Blanke, RdA 2003, 140 (149). Die für die teilautonome Gruppenarbeit vorausgesetzte Einräumung von Selbstorganisationsbefugnissen der Gruppe und die Übertragung von Elementen des Direktionsrechts auf die Gruppe zur Ausübung sei der Grund für die Mitbestimmung des Betriebsrats in diesem Regelungsfeld; vgl. ebd., S. 147 f.; vgl. auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1267). 481 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 65 ff.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 96, 135 ff. 482 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 81 f.; Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1266 f.). 483 Kilz/Reh, Neugestaltung, S. 129 f. Genau dies würde beispielsweise eintreten, wenn der Arbeitgeber Jahresarbeitszeitverträge abschlösse, ohne dass dafür eine betriebliche Regelung getroffen würde. Denn damit würde die bestehende betriebliche Regelung unterlaufen; vgl. Frey, Flexible Arbeitszeit, S. 80 f.; Schüren, FS Gitter, S. 901 (906); BAG v. 13.10.1987 AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung. 484 BT-Drs. 14/8796, S. 24. 485 Vgl. Böker, Weisungsrecht, S. 95 f. 486 In diesem Sinne äußert auch Hoff, Vertrauensarbeitzeit, S. 15, dass bei Vertrauensarbeitszeit Handlungsspielräume der Mitarbeiter erweitert würden, ohne dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht völlig aus der Hand geben würde. 480

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beitnehmer auf unternehmerische Ziele.487 Die Position, dass eine Freigabe der Arbeitszeiten wegen des dadurch entfallenen arbeitgeberseitigen Weisungsrechts nicht der Mitbestimmung unterliegen solle488, könne, wenn überhaupt, nur für Arbeitszeitsysteme Geltung beanspruchen, bei denen tatsächlich keinerlei Zugriffsrechte des Arbeitgebers mehr existieren. Dies sei aber kaum denkbar.489 Dass das Direktionsrecht durch flexible Arbeitszeitgestaltungen nicht vollständig aufgehoben wird490, lässt sich auch daran verdeutlichen, dass es – insoweit durch die gesetzliche Verankerung in § 106 GewO nur zusätzlich bestätigt491 – überwiegend als immanenter Bestandteil des Arbeitsverhältnisses betrachtet492 bzw. aus der Organisationsaufgabe des Arbeitgebers hergeleitet wird.493 Da der Arbeitgeber für die Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze verantwortlich und diesbezüglich verpflichtet ist, seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht sowie der Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern nachzukommen, müsse er diese ggf. zu einem bestimmten Verhalten durch Weisung anhalten können.494 Auch bei Freigabe der Arbeitszeiteinteilung bleibt der Arbeitgeber für die Einhaltung der Schutzbestimmungen letztverantwortlich.495 Verstößt ein Arbeitnehmer im Rahmen der Zeitsouveränität gegen die Grenzen des ArbZG, hat der Arbeitgeber dem entgegenzuwirken.496 Um dieser Verantwortung nachzukommen, muss er sich z. B. vorbehalten, stichprobenartig die Arbeitszeiten zu überprüfen. Damit bleibt sowohl das Recht als auch die Pflicht des Arbeitgebers bestehen, im Hinblick auf das Arbeitszeitverhalten der Arbeitnehmer zu intervenieren. Selbst wenn man aber die Arbeitsvertragsparteien theoretisch für frei hält, das Weisungsrecht vertraglich zu beschränken497, ist die übertragene Selbstbestimmung auch aus anderen Gründen meist nur formal zu verwirklichen.498 Gegenstand des zeitlichen Weisungsrechts ist die Fixierung des Zeitpunkts der Leis487

Trittin, AiB 2000, 544 (555). So explizit Reichold, FS Wiese, S. 407 (424); Schüren, FS Gitter, S. 901 (908). 489 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 386 f. 490 Vgl. auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1266: „. . . das Weisungsrecht des Arbeitgebers bleibt bestehen, wenn auch lediglich im Hintergrund.“). 491 Vgl. ErfK-Preis, BGB § 611 Rn. 274; Abeln/Steinkühler, AuA 1/2003, 15 (16); Pfaff, BuW 2003, 735; Schönleiter, GewArch 2003, 129 (134 f.); Wisskirchen, DB 2002, 1886. Der Kodifizierung wird hier letztlich keine eigenständige Bedeutung beigemessen. 492 Vgl. die Nachweise bei Birk, Leitungsmacht, S. 40. 493 Vgl. nochmals Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung, S. 22. 494 Birk, Leitungsmacht, S. 180. 495 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972; vgl. auch Notz, AuA 2/2003, 18 (20). 496 MünchArbR-Blomeyer, § 48 Rn. 144; vgl. auch BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 497 Hromadka, DB 1995, 2601 (2606); vgl. auch Mitbestimmungskommission (1970) BT-Drs. VI/334, S. 61; s. oben Kapitel 1, § 2. C. I. 498 So auch Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1264 ff.). 488

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

tungserbringung. Wann Arbeit anfällt, ergibt sich aber aus der i. d. R. betrieblich vorgegebenen Organisation der Arbeitsabläufe, in die der Arbeitnehmer eingegliedert ist und die er bei seiner Arbeitszeiteinteilung zu berücksichtigen hat. Maßgeblich sind hierfür Dispositionen des Arbeitgebers, z. B. die unternehmerische Entscheidung über den (zeitlichen) Umfang der Marktteilnahme. Unternehmerische Entscheidungen sind aber als Teil der Leitungs- und Planungskompetenz grundsätzlich mitbestimmungsfrei; mitbestimmungspflichtig ist nur die arbeitstechnische Umsetzung auf Betriebsebene.499 Auch bei vollständiger Übertragung der zeitlichen Leistungsbestimmung auf Arbeitnehmer bleibt jedoch eine Schutzbedürftigkeit500 bestehen, die jedenfalls auf der faktischen zeitlichen Gebundenheit beruht501. Weil formale Weisungen gerade eingeschränkt werden sollen, ist bei Vertrauensarbeitszeit darauf abzustellen, dass sich Betriebsvereinbarungen nicht nur als mitbestimmte Ausübung des Direktionsrechts erklären lassen, sondern auch durch den in einem Mitbestimmungstatbestand zugewiesenen Regelungsauftrag legitimiert sein können.502 Der Annahme einer gleichberechtigten Teilhabe des Betriebsrats an der Gestaltungsbefugnis kann nicht entgegengehalten werden, dass damit das Prinzip einseitiger Leistungsbestimmung zu Gunsten der zweiseitigen Direktion aufgegeben503 und dem Betriebsrat ein „Mitdirektionsrecht“ eingeräumt würde, was gegen § 77 I BetrVG verstieße und nach h. M.504 ausgeschlossen ist.505 Zwar hat die Betriebsverfassung die Planungs-, Organisationsund Leitungskompetenz des Arbeitgebers als Unternehmer unangetastet gelassen.506 Ausdruck gefunden hat diese Entscheidung aber bereits in der gesetzlichen Ausgestaltung der einzelnen Beteiligungsrechte hinsichtlich ihrer Intensität einerseits und der von der Mitwirkung auf Betriebsebene zu trennenden Unternehmensmitbestimmung andererseits. Die enumerative Aufzählung von Mitbestimmungstatbeständen führt von vornherein dazu, dass entscheidende Bereiche der unternehmerischen Planungs- und Leitungskompetenz der einseitigen Disposition des Arbeitgebers vorbehalten bleiben. Anknüpfungspunkt der Betriebsver499

Mitbestimmungskommission (1970), BT-Drs. VI/334, S. 60 f. Zöllner ist darin zuzustimmen, dass zwar i. d. R. ein Konnex zwischen Weisungsunterworfenheit und Schutzbedürftigkeit bestehen mag, dass aber keine Kausalbeziehung in dem Sinne bestehe, dass Weisungsunterworfenheit zu Schutzbedürftigkeit führe und dass Schutzbedürftigkeit aus Weisungsunterworfenheit folge. „Auch da, wo das Weisungsrecht nahezu oder ganz fehlt, kann die gleiche Schutzbedürftigkeit bestehen [. . .].“ Zöllner, RdA 1969, 65 (67). 501 s. dazu Kapitel 1, § 4. B. I. 1. 502 Hammer, Schutzpflicht, S. 146. 503 In diese Richtung wohl Boysen, Betriebsverband, S. 69. 504 Vgl. H/S/W/G-Hess, BetrVG, Einl. S. 68; Kreutz, Grenzen, S. 195 (Fn. 187); Wlotzke, Betriebsverfassungsgesetz, S. 3; Galperin, DB 1952, 186 (187). 505 Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 179; Kraft, ZfA 1983, 171 (175 Fn. 19). 506 GK-Thiele, BetrVG (4. Aufl.), Einl. Rn. 23. 500

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fassung ist die mit Arbeitsaufnahme verbundene rechtliche und tatsächliche Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, für die dessen Einordnung in den nach Zweck, Organisation, Arbeitsablauf und personeller Zusammensetzung vorgegebenen Arbeitsbereich des Arbeitgebers charakteristisch ist.507 Die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten zeugen somit von dem Entschluss des Gesetzgebers, dem von ihm erkannten sozialen Ordnungsbedarf im betrieblichen „Mikrokosmos“ gerecht zu werden.508 Damit erfassen die Mitbestimmungsrechte auch das Verhältnis der Arbeitnehmer im Betrieb untereinander. b) „Ausgleichsfunktion“ des Mitbestimmungstatbestands der Nr. 2 Daraus folgt, dass die Mitbestimmungsrechte zudem aus Gerechtigkeitserwägungen heraus begründbar sind. Es geht hierbei um die sog. Ausgleichsfunktion der Betriebsverfassung, der teilweise509 eigenständige Bedeutung beigemessen wird, während sie von anderen im Zusammenhang der Teilhabefunktion betrachtet wird.510 Die Ausgleichsfunktion kann verstanden werden als Reaktion auf das multilaterale Interessengeflecht, das aus der durch die „arbeitsteilige Arbeitsorganisation und die räumliche Nähe der Leistungserbringung“ entstehenden „Interdependenz der häufig divergierenden Arbeitnehmerinteressen“ resultiert. In Angelegenheiten, die sich auf die Betriebsgemeinschaft beziehen, macht gerade der mögliche Interessengegensatz zwischen den Arbeitnehmern die Mitbestimmung erforderlich.511 Schon aus der Bezeichnung „soziale“ Angelegenheiten lässt sich folgern, dass sich der Zweck des § 87 I BetrVG nicht im Schutz des einzelnen Arbeitnehmers vor den individualrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers erschöpft. Aus der Eingliederung des Arbeitnehmers in die arbeitsteilige Organisation des Betriebs folgt eine wechselseitige Abhängigkeit der einzelnen Arbeitnehmer bei ihrer Interessenverfolgung, so dass die Berücksichtigung der Interessen anderer die Durchsetzung der eigenen Belange erheblich erschweren kann.512 Gerade bzgl. der Lage der Arbeitszeit kommt der Ausgleichsfunktion wegen der evidenten Wechselbezogenheit der Einzelinteressen besondere Bedeutung zu.513 Grund ist die Korrelation zwischen dem Arbeits507 GK-Wiese, BetrVG, Einl. Rn. 70 f.; vgl. auch Mitbestimmungskommission (1970), BT-Drs. VI/334, S. 60 f. 508 Böker, Weisungsrecht, S. 51; Boysen, Betriebsverband, S. 110. 509 H. Hanau, Individualautonomie, S. 105; vgl. auch Wiese, ZfA 2000, 117 (122 f. und 128), der die Ausgleichsfunktion als ein Element der Teilhabefunktion betrachtet. Ausf. etwa Hammer, Schutzpflicht S. 127 ff. 510 Vgl. GK-Wiese, BetrVG, Einl. Rn. 85 ff.; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 308 m. N.; Blomeyer, Gedächtnisschrift Dietz, S. 147 (157 f.); Weiss, AuR 1982, 265. 511 Raab, ZfA 2001, 31 (37); vgl. auch Fastrich, RdA 1999, 24 ff. 512 Rieble/Gutzeit, NZA 2002, 7 (11).

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zeitvolumen und der innerhalb dessen zu erbringenden Arbeitsleistung, was H. Hanau514 am Beispiel einer arbeitsteiligen Gruppe verdeutlicht hat: Wenn innerhalb der Gesamtzeit ein bestimmtes Resultat erwirtschaftet werden muss und sich je nach Organisation des Arbeitsablaufs, also nach Zuordnung der Arbeitszeiten, verschiedene Arbeitsintensitäten ergeben können, so kann die Lage der individuellen Arbeitszeit im Verhältnis zu der der Mitarbeiter ein wesentlicher Parameter für die persönliche Arbeitsbelastung sein.515 Aufgrund dieses möglichen Zusammenhangs zwischen der (im Regelfall zugeteilten) Arbeitszeit und der Arbeitsintensität kann die Lage der individuellen Arbeitszeit im Verhältnis zu der der Mitarbeiter darüber entscheiden, welcher Teil eines vorgegebenen Gesamtleistungsvolumens vom Arbeitnehmer innerhalb seiner Arbeitszeit zu erbringen ist: „[. . .] Insbesondere in Branchen, in denen betriebliche Gesamtarbeitszeit und individuelle Arbeitszeit auseinander fallen wie bei [. . .], gleitender Arbeitszeit, [. . .] und den Arbeitszeiten im Einzelhandel kommt es für den Grad der individuellen Arbeitsbelastung auf die Lage der individuellen Arbeitszeit in diesem betrieblichen Koordinatensystem an.“516 Auch die Erstreckung der Arbeitszeit auf bisher arbeitsfreie Zeiträume kann, sofern weder Neueinstellungen noch eine Erhöhung des Stundenkontingents erfolgen, durch den Abzug von Arbeitnehmern für die konventionell weiter arbeitenden Beschäftigten eine zusätzliche Arbeitsbelastung bedeuten.517 Eine Betriebsvereinbarung gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG kann hier eine Koordination der individuellen Arbeitszeiten unter Berücksichtigung der Schutzbelange der Arbeitnehmer bewirken518 und damit ein Bezugssystem für konfligierende Arbeitnehmerinteressen schaffen.519 Dieser Gemeinschaftsbezug lässt sich auch bei Vertrauensarbeitszeit ausmachen. Man 513

Vgl. Richardi/Annuß, BB 2000, 2201 (2203); Rieble/Gutzeit, NZA 2002, 7 (11). Individualautonomie, S. 93 f. 515 H. Hanau, Individualautonomie, S. 93 f.; ähnl. Auff. wohl Schüren in: MünchArbR, § 169 Rn. 11 f. 516 H. Hanau, Individualautonomie, S. 137. 517 Das übersieht Löwisch, DB 1989, 1185 (1187), wenn er abweichenden Arbeitszeiten die Drittwirkung abspricht. 518 Eine abweichende Individualabsprache könne dazu führen, dass die Arbeitsintensität der Mitarbeiter in dieser Gruppe erhöht werde (H. Hanau, Individualautonomie, S. 137 f.); anders wohl Hurlebaus, nach dem die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit ausschließlich diejenigen Arbeitnehmer berühre, deren Arbeitszeit geregelt wird. Eigenständige kollektive Rechtspositionen oder Interessen nicht unmittelbar betroffener Arbeitnehmer würden nicht tangiert. Demnach bezwecke § 87 I Nr. 2 ausschließlich den Schutz des Arbeitnehmers vor der einseitigen Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Werde das Schutzziel dadurch erreicht, dass die Arbeitnehmer ihre Interessen im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber wahrnehmen konnten, stelle jede Sanktion dieser Vereinbarung eine Bevormundung des Arbeitnehmers dar. Aufgrund des eigenständigen Teilhabezwecks könne der Betriebsrat zwar die Aufstellung einer allgemeinen Regelung verlangen (§ 87 II), sie trete aber gegenüber günstigeren freiwilligen Regelungen zurück; Fehlende Mitbestimmung, S. 89 f. 519 Vgl. Reuter, ZfA 1975, 85 (88). 514

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denke nur an das Koordinationsbedürfnis hinsichtlich der Frage, wie Servicebzw. Besetzungszeiten abzudecken sind und wann welcher Mitarbeiter Freizeitausgleich nehmen kann. Ein in der Gruppe zu lösendes Gerechtigkeitsproblem kann entstehen, wenn Mitarbeiter auf Kosten und zu Lasten anderer von ihren durch Vertrauensarbeitszeit eröffneten Freiheiten großzügiger Gebrauch machen als durchsetzungsschwächere Mitarbeiter.520 Wer sich auf die formale Position und sein Recht zurückzieht, nach „seinen acht Stunden“ nach Hause zu gehen, schafft damit unmittelbare Probleme nicht für den Arbeitgeber, sondern für die Teamkollegen.521 Anders als bei der von Hanau522 beschriebenen Konstellation liegt die Ursache für eine ungleichmäßige Belastung der Arbeitnehmer bei flächendeckender Einführung von Vertrauensarbeit nicht in der Abweichung von einer Betriebsvereinbarung durch Individualabsprache zwischen einzelnen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber. Sie liegt vielmehr darin, dass die Arbeitnehmer bei Vertrauensarbeit den Interessenausgleich untereinander selbst zu organisieren und herzustellen haben. Ein Ausgleich divergierender Interessen innerhalb der Belegschaft ist aber ohne Mitbestimmung des Betriebsrats praktisch kaum möglich.523 Wenn nun wesentliche Funktion einer auf dem Mitbestimmungstatbestand beruhenden Betriebsvereinbarung und Sinn der Beteiligung des Betriebsrats in kollektiven Angelegenheiten auch die Herstellung des Interessenausgleichs zwischen den Arbeitnehmern ist, die untereinander nicht dem freien Spiel der Kräfte ausgesetzt sein sollen524, bedeutet das zugleich, dass bereits die Entscheidung über die Einführung von Vertrauensarbeit mitbestimmungspflichtig ist. Denn gerade dadurch wird der zuvor bestehende Interessenausgleich aufgehoben. Schon für Job-Sharing wird nach richtiger Auffassung das Mitbestimmungsrecht bei dessen Einführung bejaht, weil diese Arbeitszeitform generell Einfluss auf Arbeitsverhältnisse anderer Arbeitnehmer und somit kollektiven Bezug haben könne.525 Dies muss umso mehr für Vertrauensarbeitszeit gelten. Denn je stärker Arbeitszeiten individualisiert werden, desto größere Probleme können bei der Arbeitsbewältigung auftreten, weil sich Transaktionen, insbesondere die Kommunikation und Information schwieriger gestalten, was höhere Ar520 So z. B. geschildert in BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 104 (107); vgl. auch Haipeter, Trust-based Working Time S. 13 und die bei Hoff/Priemuth, PersF 12/2001, 44 (46) nach einer Umfrage wiedergegebene Einschätzung zur Vertrauensarbeitszeit: „Die arbeiten, sind immer die gleichen, die in der Sonne liegen auch“. 521 Vgl. Glißmann, Supplement der Zeitschrift Sozialismus 2/2000, 30 (36). 522 S. 105 ff. 523 Rieble/Gutzeit, NZA 2002, 7 (11). 524 Hammer, Schutzpflicht S. 132 ff., vergleicht den Ausgleich kollidierender Individualinteressen mit der Herstellung praktischer Konkordanz; vgl. auch Raab, ZfA 2001, 31, 36, 40; Weiss, AuR 1982, 265; Wiese, FS Kissel, S. 1269 (1274). 525 Linnenkohl/Rauschenberg/u. a., Arbeitszeitflexibilisierung, S. 73.

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beitsbelastungen nach sich ziehen kann.526 Deshalb führt die Tatsache, dass der Arbeitgeber von seinem Weisungsrecht keinen Gebrauch macht, jedenfalls nicht dazu, dass die Entscheidung über die Einführung der Vertrauensarbeitszeit mitbestimmungsfrei getroffen werden kann. c) Arbeitsschutzrechtlicher Aspekt Zur Bekräftigung dieses Ergebnisses sei noch hingewiesen auf die auch arbeitsschutzrechtliche Ausrichtung des Mitbestimmungstatbestandes.527 Wie erwähnt528, dienen die Mitbestimmungsrechte auch präventiv zur Sicherung der Einhaltung der Gesetze. Bisher war davon auszugehen, dass das Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung es gebietet, die Regelung der Arbeitszeit nicht allein dem Arbeitgeber zu überlassen.529 Bei Vertrauensarbeitszeit ist nunmehr zu berücksichtigen, dass die Arbeitszeit durch vom Arbeitgeber gesetzte Rahmenbedingungen wie etwa Aufgaben- und Personalbemessung determiniert wird. Verlangt man als Voraussetzung für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts, dass anderenfalls die Entscheidung einseitig vom Arbeitgeber getroffen würde, kann u. U. der genannte Zweck nicht erfüllt werden. d) Zwischenergebnis Nach ihrer Konzeption dienen die Mitbestimmungsrechte vorrangig der Kontrolle von Arbeitgeberweisungen. Aufgrund des Initiativrechts des Betriebsrats bestehen sie aber unabhängig davon, ob der Arbeitgeber sein Weisungsrecht im konkreten Fall ausübt oder nicht. Schließlich wurde festgestellt, dass unabhängig von der formalen Weisung eine Schutzbedürftigkeit bestehen kann, die bei der Beurteilung der Reichweite der Mitbestimmung Beachtung finden muss530. 2. Keine Abweichung aufgrund des Günstigkeitsprinzips Besteht nun nach dem Gesagten eine umfassende Regelungskompetenz der Betriebspartner unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Arbeitszeit einseitig festlegen könnte, ist wiederum zu klären, inwiefern eine individuelle Regelung 526

Kühl, AuA 2002, 412 (414). Zur Parallelität der Zwecke der Mitbestimmungstatbestände nach Nr. 2 und 3 und dem öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz vgl. Sprick, Arbeitszeitbegriff, S. 45 f. 528 § 1. C. I. 1. a). 529 Vgl. etwa die Darstellung bei Sprick, Arbeitszeitbegriff, S. 46 f. mit enstpr. Nachweisen. 530 Vgl. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 302, die die Frage, ob das Mitbestimmungsrecht an das Direktionsrecht gekoppelt ist, vom Zweck des jeweiligen Beteiligungsrechts abhängig macht. 527

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einer kollektiven vorgehen kann. Diese Frage ist in der Literatur zu flexiblen Arbeitszeitmodellen aufgeworfen worden,531 weil ein Vorrang der individualvertraglichen Ebene die Möglichkeiten des Kollektivschutzes deutlich relativieren könnte. Sofern der Arbeitnehmer auf das individuelle Aushandeln von Vertragsbedingungen zurückverwiesen wird, besteht jedoch die Gefahr, den Schutzstandard wegen zu geringer Durchsetzungschancen des Arbeitnehmers zu unterschreiten. Nach Heinze532 haben einzelvertragliche Absprachen dem Mitbestimmungsrecht dann vorzugehen, wenn die vertragliche Abmachung nach herrschender Ansicht eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung enthält. Zu bejahen sei dies stets, wenn er sich aufgrund freier Wahl zwischen verschiedenen Arbeitszeitmodellen für eines entschieden habe533; ausschlaggebend sei allein das Interesse des Arbeitnehmers.534 Flexible Modelle würden deshalb zumeist arbeitsvertraglich eingeführt und gingen im Rahmen des Günstigkeitsprinzips betriebsverfassungsrechtlichen Normen vor.535 Es sei unzulässig, wenn der Betriebsrat dann mittels seines Mitbestimmungsrechts gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG versuchen wollte, diese vertraglichen Vereinbarungen auszuhöhlen oder leer laufen zu lassen. Bei kollektiven Tatbeständen sei bzgl. der Rahmenbedingungen das Mitbestimmungsrecht weiter zu beachten. Damit werden die Mitbestimmungsrechte auf das Setzen von Rahmenbedingungen reduziert. Ähnlich argumentiert Krauss.536 Die Beteiligung des Betriebsrats solle dem Arbeitnehmer Schutz vor einseitigen verschlechternden Maßnahmen des Arbeitgebers bieten. Nur im Falle der Verschlechterung der Rechtsstellung des Einzelnen durch einseitige Arbeitgebermaßnahmen führe ein Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte zur Unwirksamkeit der Maßnahme. Das Verhältnis von Mitbestimmungsrechten und dem Günstigkeitsprinzip kann als in der Literatur völlig ungeklärt bezeichnet werden537; ebenfalls wenig aufschlussreich ist die Rechtsprechung538 zu diesem Punkt. In der Literatur wird 531 532

Vgl. etwa Hromadka, AuA 2000, 533 (535). NZA 1997, 681 (683 f.); ders., Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309

(318). 533 Ähnlich auch Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 76; Hurlebaus, Fehlende Mitbestimmung, S. 29, 74 ff., 77; Löwisch, BB 1991, 59 (61 f.); zur Wahlmöglichkeit zwischen der Abgeltung eines Zeitguthabens in Geld oder Zeit vgl. Krauss, NZA 1996, 294 (295 f.), der für den subjektiven Maßstab zur Beurteilung der Günstigkeit eintritt; so wohl auch Rieble, ZIP 2001, 133 (142); aus der Rspr. etwa LAG Düsseldorf v. 22.5.1991 LAGE § 77 BetrVG Nr. 12. 534 Heinze, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309 (318). 535 Heinze, NZA 1997, 681 (688). 536 NZA 1996, 294 (295); ähnl., aber zum Tarifrecht ders., DB 2000, 1962. 537 Darauf weist z. B. Hromadka hin, AuA 2000, 533 (535). 538 In der Entscheidung v. 13.10.1987 (AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) hat das BAG betont, dass die dem Betriebsrat zustehenden Mitbestimmungs-

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z. T. darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Mitbestimmungstatbestände besondere Zurückhaltung bei der Anwendung des Günstigkeitsprinzips geboten ist539: Um eine sinnvolle betriebseinheitliche Ordnung, die auf den Ausgleich kollidierender Interessen bedacht ist, nicht unmöglich zu machen, müsse die Privatautonomie zwischen Arbeitgeber und einzelnem Arbeitnehmer beschränkt werden.540 Das Günstigkeitsprinzip könne insofern nicht gelten, vielmehr könnten Betriebsvereinbarungen die Arbeitsverträge durch eine betriebseinheitliche Ordnung überlagern.541 Wegen der betriebsbezogenen Sozialbindung des Arbeitsvertrags, d.h. den notwendigen Wechselwirkungen zwischen einzelnem Arbeitsvertrag und betrieblicher Arbeitsorganisation stehe der Individualvertrag unter einem Rücksichtnahmegebot zu Gunsten Dritter.542 So wird beispielsweise die Einschränkung des Günstigkeitsprinzips befürwortet, so dass individuelle Absprachen gegenüber einer Betriebsvereinbarung zurückzutreten hätten, wenn die Absprache automatisch oder unmittelbar zu einem Nachteil für Dritte führt.543 Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zur Ausgleichsfunktion in Fragen der Arbeitszeitgestaltung verwiesen werden.544 Vor diesem Hintergrund ist ggf. dem kollektiven Gesamtinteresse Vorrang vor individuellen Rechtspositionen einzuräumen.545 Von einigen Vertretern in der Literatur546 wird die Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Bereich der von den Mitbestimmungsrechte nicht deshalb entfallen würden, weil Arbeitnehmer in vielen Fällen individuelle Arbeitszeiten wünschten und in einer anderen Entscheidung die Frage offengelassen, inwieweit eine einzelvertragliche Vereinbarung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers gegenüber einer durch Betriebsvereinbarung getroffenen Regelung Bestand hat und dieser vorgeht, BAG v. 23.6.1992 AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit = SAE 1993, 193 ff. m. Anm. Danne, (S. 196 ff.). Das LAG Berlin (v. 19.12.1977 AuR 1978, 283) hat hingegen festgestellt, dass eine Betriebsvereinbarung eine individuell ausgehandelte Arbeitszeitlage nicht beseitigen kann, während das LAG Hamm v. 2.6.1978 (EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 5, S. 14) entschieden hat, dass die dauerhafte Einsetzung in einer bestimmten Schicht entgegen der betrieblichen Regelung nicht mitbestimmungsfrei erfolgen kann, da anderenfalls die betriebliche Regelung „quasi auf kaltem Wege“ umgangen werden könnte. 539 Vgl. etwa Otto, NZA 1992, 97 (107); ähnl. Schuhmann, Grenzen, S. 107; D. Neumann, der auf der tariflichen Ebene im Grundsatz das Günstigkeitsprinzip i. S. e. Wahlrechts anerkennt, lehnt dieses für das Betriebsverfassungsrecht ab, NZA 1990, 961 (963, 966). 540 MünchArbR-Matthes, § 327 Rn. 78. 541 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1433, 1430. 542 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1428, 1433. 543 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 77 Rn. 76; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 150; Schuhmann, Grenzen, S. 120 f.; Joost, RdA 1989, 7 (18); Löwisch, BB 1991, 59 (61). 544 Dort wurde festgestellt, dass mitbestimmte Regelungen über die Arbeitszeitlage regelmäßig auch dazu dienen, einen möglichst gerechten Interessenausgleich herbeizuführen; vgl. auch MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 11 f. 545 GK-Wiese; BetrVG, Einl. Rn. 85 ff.; Blomeyer, Gedächtnisschrift Dietz, S. 147 (157 f.); Weiss, AuR 1982, 265. 546 Vgl. stellv. Lieb, Arbeitsrecht, Rn. 789; Buschmann, NZA 1990, 387 (388); Canaris, AuR 1966, 129 (131); Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, S. 41 (55).

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rechten erfassten formellen Arbeitsbedingungen abgelehnt, da diese im Gegensatz zu den materiellen Arbeitsbedingungen nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung regelten und daher günstigkeitsneutral seien. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Problematik ist an dieser Stelle nicht erforderlich, da bereits in Kapitel 3547 festgestellt wurde, dass Vertrauensarbeit wegen ihrer möglichen Nachteile nicht objektiv günstiger ist und die subjektive Einschätzung dessen, was jeweils als „günstiger“ zu gelten hat, nicht nur deswegen als maßgeblich angesehen werden darf, weil dem Arbeitnehmer die Wahl zwischen mehreren Alternativen belassen wurde. Im Tarifrecht setzen sich diese ambivalenten Bedingungen, die sich sowohl als günstiger als auch als ungünstiger erweisen können, gegenüber der kollektiven Norm nur durch, wenn im Voraus feststellbar ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer vorteilhaft auswirken.548 Diesen Grundsatz auch auf den Bereich der Mitbestimmungsrechte zu übertragen, erscheint sachgerecht. Denn hier geht es ebenfalls darum zu verhindern, dass sich eine bestehende stärkere Verhandlungsposition des Arbeitgebers549 in entsprechenden vertraglichen Gestaltungen zu Lasten des Arbeitnehmers niederschlägt. Insofern kann die Schutzwirkung der betrieblichen Mitbestimmung bei der Einführung von Vertrauensarbeit darin bestehen, die Zustimmung zu diesem Arbeitszeitmodell von der Überprüfung abhängig zu machen, ob die gegebenen Rahmenbedingungen (Vertrauensklima, Personalkapazität, etc.) eine vorteilhafte Wirkung dieses Arbeitszeitmodells erwarten lassen. Falls dies zu verneinen ist, ist das Mitbestimmungsrecht die Basis für eine betriebliche Regelung, mit der auf die Schaffung entsprechender Bedingungen hingewirkt wird. Damit wird zugleich deutlich, dass eine Trennung zwischen der Mitbestimmung bei der Einführung eines die Lage der Arbeitszeit betreffenden Modells und der Mitbestimmung hinsichtlich der Rahmenbedingungen550 nicht sinnvoll möglich ist. Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit entgegen einer anderweitig bestehenden Betriebsvereinbarung wäre daher nicht vom Günstigkeitsprinzip gedeckt. 3. Kollektiver Tatbestand Die Annahme eines Mitbestimmungsrechts aus 87 I Nr. 2 BetrVG könnte allerdings mit der Argumentation abzulehnen sein, dass die Einführung von Vertrauensarbeitszeit als mitbestimmungsfreie Individualmaßnahme zu betrach547

§ 1. F. III. Wiedemann-Wank, TVG, § 4 Rn. 452 m. N. 549 Von diesem ist realistischerweise auszugehen, vgl. Braunert, Schranken, S. 97; Säcker, ZfA 1972, Sonderheft, S. 41 (52 f.). 550 So aber etwa Braunert, Schranken, S. 91; Heinze, NZA 1997, 681 (684). 548

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ten sei. Es kann dahinstehen, ob es sich hier letztlich wieder um eine Ausprägung des Günstigkeitsprinzips handelt, und ob das BAG551 dessen Geltung in betrieblichen Fragen der Sache nach dadurch anerkannt hat, dass es die einzelvertragliche Regelung einer sozialen Angelegenheit für mitbestimmungsfrei erklärt hat, wenn mit ihr auf Wunsch des Arbeitnehmers individuellen Bedürfnissen Rechnung getragen werden soll552. Stützen ließe sich die Mitbestimmungsfreiheit jedenfalls auf die Überlegung, dass durch dieses Arbeitszeitmodell die persönliche Arbeitszeitpräferenz jedes einzelnen Arbeitnehmers verwirklicht werden könnte. Darauf kommt es jedoch nicht an. Dass Vertrauensarbeit größere Selbstbestimmungsfreiheit und grundsätzlich eine auch an den persönlichen Interessen des Arbeitnehmers orientierte Arbeitszeiteinteilung verspricht, lässt noch nicht den Schluss zu, dass eine individualvertragliche Vereinbarung zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit eine Individualmaßnahme ohne Kollektivbezug sei. Denn die Einführung dieses Arbeitszeitmodells ist der durch den Arbeitnehmer vorgenommenen konkreten selbstbestimmten Arbeitszeiteinteilung im Einzelfall vorgeschaltet. Hinter der Einführung von Vertrauensarbeit steckt häufig ein Konzept des Arbeitgebers i. S. einer vom Arbeitnehmer selbst zu beurteilenden Bedarfsarbeit. In diesen Fällen kann von einer ausschließlich an den Interessen der konkreten Arbeitnehmer orientierten Regelung mit Rücksicht auf die Besonderheiten eines einzelnen Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht durchgängig gesprochen werden. Besonders deutlich wird das, wenn die Arbeitsform durch vertragliche Einheitsregelung eingeführt werden soll, was nach h. M. einen Verstoß gegen die Mitbestimmung darstellt.553 Selbst wenn Vertrauensarbeitszeit nur bestimmten Angestellten angeboten wird, können die Gründe hierfür in ihrem Arbeitsplatz und ihrer Arbeitsaufgabe liegen und unabhängig von den Besonderheiten der Person sein, die den Arbeitsplatz besetzt; nach der Abgrenzung der h. M. genügt das für die Annahme eines Kollektivbezugs.554 Hinzu kommt, dass individuelle Abweichungen von einer kollektiven Arbeitszeitregelung im Einzelfall auch deswegen stets Kollek551

V. 21.12.1982 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.3.). So Löwisch, BB 1991, 59 (61); in diesem Sinne auch Schuhmann, Grenzen, S. 133 f. 553 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 8, insofern begrenzt § 87 BetrVG nicht nur das Direktionsrecht, sondern auch die Privatautonomie; Hromadka, Anm. zu BAG v. 18.4.1989 SAE 1990, 22 ff. (23). 554 Vgl. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 16, wonach es darauf ankommen soll, ob die Arbeitzeit den persönlichen Bedürfnissen des Arbeitnehmers angepasst werden soll. Das Mitbestimmungsrecht soll immer bestehen, wenn sich am Regelungsbedürfnis inhaltlich auch dann nichts ändern würde, wenn die betroffene Person ausgetauscht würde. 552

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tivbezug haben dürften555, weil in bedarfsorientierten, flexiblen Systemen eine persönliche Arbeitszeitgestaltung immer auch Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung der Kollegen hat, die ihre Arbeitszeit an die atypische Individualregelung anpassen müssen. Beispielsweise wäre schon eine individuelle Arbeitszeitgestaltung unzulässig, die eine Umverteilung der Arbeitszeit der Kollegen erforderlich macht, selbst wenn die Möglichkeit einer Umverteilung in der Rahmenregelung vorgesehen ist.556 4. Einschränkung der Mitbestimmung bei unternehmerischen Entscheidungen? Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle könnte aber dort an ihre Zulässigkeitsgrenze stoßen, wo die unternehmerische Freiheit als Vorgabe im Rahmen des Mitbestimmungsrechts zu beachten ist. Da die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, insbesondere ihre Entkoppelung von den Betriebszeiten, ein wesentlicher Parameter für Marktverhalten und Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers ist, könnte ein Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darin gesehen werden, dass man das „ob“ der Einführung flexibler Arbeitszeiten dem Mitbestimmungsrecht unterstellt.557 Daher wird teilweise erwogen, das Mitbestimmungsrecht insoweit einzuschränken, als anderenfalls ein Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu konstatieren wäre.558 Weitgehend559 Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass es keinen Grundsatz der Mitbestimmungsfreiheit unternehmerischer Entscheidungen gibt.560 Dennoch hat die Rechtsprechung des BAG, wonach der Betriebsrat selbst dann über

555 Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1269); MünchArbR-Schüren § 169 Rn. 10 ff.; ähnl. H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 154; Klevemann, AiB 1984, 107 (111); LAG Hamm EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 5, S. 14. 556 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 12, 14. 557 So etwa Joost, DB 1983, 1818 (1821). 558 In diese Richtung etwa Gutzeit, BB 1998, 106 (108 f.). 559 A. A. Reuter, der aus der Tatsache, dass die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer mitbestimmten Entscheidung für das Unternehmen nur in § 112 BetrVG ausdrücklich erwähnt ist, während § 76 V BetrVG ganz allgemein von den Belangen des Betriebs spricht, den Schluss zieht, dass die Einigungsstelle unternehmerische Belange im Rahmen des § 87 BetrVG deswegen nicht berücksichtigen müsse, weil in diesem Bereich von vornherein kein Mitbestimmungsrecht bestehe, vgl. etwa ZfA 1981, 165 (180 ff.). 560 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 116; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 82; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 7; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 313; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 395; Joost, DB 1983, 1818 (1819); BAG v. 31.8.1982, 13.10.1987 AP Nr. 8, 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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die Lage der Arbeitszeit mitzubestimmen hat, wenn dadurch die Ladenöffnungszeiten beeinflusst werden, in der Literatur heftige Kritik erfahren.561 Wenngleich sich diesbezügliche Stellungnahmen im Wesentlichen auf den Bereich der im Verkauf beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt haben, ist die Problematik von grundlegender Bedeutung für flexible Arbeitszeitmodelle. 562 So wurde bereits für die Einführung von gleitender Arbeitszeit festgestellt, dass sie – wie die Schichtarbeit auf den Produktionsumfang563 – wesentlichen Einfluss auf den Umfang der unternehmerischen Betätigung in allen Bürobetrieben haben kann, sobald die Arbeitszeit Rückwirkungen auf die Erreichbarkeit für Kunden hat.564 Da flexible Arbeitszeitmodelle in der Praxis überwiegend eine exakte Bedarfsorientierung der Arbeitszeitverteilung sicherstellen sollen565, ließe sich der Einwand erheben, die Frage des „ob“ der Einführung von Vertrauensarbeitszeit sei als unternehmerische Entscheidung der Mitbestimmung über die konkrete Ausgestaltung des Arbeitszeitmodells vorgelagert.566 Entgegen Reuter567 und Lieb568 ist zunächst davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Konflikt zwischen der Beteiligung des Betriebsrats an unternehmerischen Entscheidungen und der daraus folgenden Beschränkung der unternehmerischen Freiheit gesehen und durch eine unterschiedlich starke Ausgestaltung der Beteiligungsrechte gelöst hat. Deshalb kann man die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte nicht mit dem Argument einschränken, durch sie würde gegen die Grundkonzeption des BetrVG verstoßen, nach der der Betriebsrat an der Unternehmensführung nicht zu beteiligen ist.569 Die Grenzen eines Mitbestimmungsrechts können sich aber aus der Regelung des Mitbestimmungstatbestandes selbst, anderen gesetzlichen Vorschriften, der Systematik und dem Sinn-

561 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 315; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 87 Rn. 62 b; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 175; Joost, DB 1983, 1818 ff.; weitere Nachweise s. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 304. 562 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 42; Joost, DB 1983, 1818 (1821). 563 Vgl. dazu Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit, S. 38 ff.; Säcker, Zehn Jahre Betriebsverfassungsgesetz 1972, S. 30, der aus diesem Grund die Mitbestimmung über die Einführung von Schichtarbeit ablehnt; Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2770). 564 Joost, DB 1983, 1818 (1821); vgl. Säcker, Zehn Jahre Betriebsverfassungsgesetz 1972, S. 29: „Entscheidung über Umfang und Zeitpunkt des Dienstleistungsangebots, d.h. über Öffnungszeiten von Banken, Läden, Restaurants, . . ., Beratungs- und Servicefirmen gehört zur unternehmerischen Zielvorgabe, die nicht dem Mitbestimmungsrecht des § 87 I Nr. 2 BetrVG unterworfen ist.“ 565 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 19; vgl. auch Unfallbericht der BReg BT-Drs. 15/279, S. 73. 566 In diesem Sinne etwa Joost, DB 1983, 1818 (1821). 567 Reuter, ZfA 1981, 165 (180 ff.). 568 Lieb, DB 1981, Beil.17, S. 1 (4). 569 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 41 f.; Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2768); BAG v. 31.8.1982 AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.III.2.a); BR-Drs. 715/70, S. 31.

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zusammenhang des BetrVG ergeben.570 Mithin kommt es darauf an, im Rahmen der Auslegung eines Mitbestimmungstatbestandes die beiderseitigen Interessen zum Ausgleich zu bringen.571 Bei der vorzunehmenden Abwägung wird z. B. auf die Intensität der Beeinträchtigung, d.h. darauf abgestellt, ob sich die Ausübung des Mitbestimmungsrechts als unmittelbare oder nur mittelbare572 Beschränkung der unternehmerischen Freiheit auswirkt. Das Mitbestimmungsrecht endet nach dieser Auffassung, wo Entscheidungen über Unternehmenszweck, Ladenöffnungs- und Betriebsnutzungszeiten oder Produktionsumfang getroffen würden.573 Die Beschränkung des Mitbestimmungsrechts von der Intensität eines durch die Mitbestimmung drohenden Eingriffs in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit abhängig zu machen, vermag indessen nicht zu überzeugen. Denn die Frage, wann die unternehmerische Freiheit in ihrem Kernbereich berührt ist, lässt sich verlässlich nicht beantworten.574 Vielmehr müsste die Antwort von Gewicht und Bedeutung abhängen, die der Unternehmer selbst einer Entscheidung im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit beimisst.575 Von anderen576 werden bei der Abwägung die Besonderheiten des Ladenpersonals in den Vordergrund gestellt und zwischen Produktions-, Dienstleistungsund Verkaufsbetrieben differenziert. Zum einen konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG angeführt werden, dass den Freizeitinteressen der Arbeitnehmer durch die Begrenzung der Ladenöffnungszeiten durch das LSchlG bereits in ausreichendem Maße Rechnung getragen werde, so dass im Rahmen des Mitbestimmungsrechts diese Interessen weniger schwer gewichtet werden müssten.577 Zum anderen sei gerade in dieser Branche der Zusammenhang zwischen dem Umfang der unternehmerischen Tätigkeit (Öffnungszeiten) und der Arbeitszeit besonders eng, weil die Marktchancen in Dienstleistungs- und Verkaufsbetrieben im Gegensatz zu Produktionsbetrieben wesentlich davon abhingen, zu welchen Zeiten das Personal zur Verfügung steht.578 Kritisiert wird in570

Joost, DB 1983, 1818 (1820); BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 395 f., 146 f.; Joost, DB 1983, 1818 (1820); Löwisch, Anm. zu BAG v. 31.8.1982, SAE 1983, 141 (142); Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2769). 572 – und daher vom Gesetzgeber in Kauf genommene –. 573 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 305, 146. 574 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 41; Gutzeit, BB 1996, 106 (108); BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 575 Vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 576 Vgl. etwa Reichold, SAE 1998, 44 (46 ff.); Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2769). 577 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 306; Löwisch, SAE 1983, 141 (142); Rath-Glawatz, Anm. zu BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 578 Reichold, Anm. zu BAG v. 25.2.1997, SAE 1998, 44 ff.; Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2769). 571

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sofern, dass dort, wo die Regelungen zur Arbeitszeitlage Ansprech- und Servicezeiten determinieren können, durch das Mitbestimmungsrecht über das Marktverhalten des Arbeitgebers entschieden werden könnte.579 Deshalb sei in Dienstleistungsunternehmen die Entscheidung, zu welcher Tageszeit die Arbeitnehmer im Betrieb tätig werden, damit der Unternehmer das bezweckte Dienstleistungsangebot erbringen kann, mitbestimmungsfrei.580 Diese Differenzierung nach Branchen vermag nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass sie der Gesetzgeber nicht vorgesehen hat581 und auch Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeiten nicht zwangsläufig identisch sind582, entbehrt sie mit Blick auf die Globalisierung und die Umstrukturierung der Produktionsbetriebe hin zu Lean Production und Just-in-Time-Production jeder Grundlage. Die Verselbstständigung der einzelnen Stufen in der Wertschöpfungskette eröffnet interne und externe Konkurrenz, mit der Folge, dass auch alle internen Prozesse marktgesteuert ablaufen. Die marktorientiert flexible Organisation der Arbeitszeit wird auch in Produktionsbetrieben zum zentralen Wettbewerbsfaktor,583 weil es auf ständige Erreichbarkeit infolge globaler Vernetzung und kurze Bearbeitungsfristen ankommt.584 Aus diesem Grund dürfte das u. U. existenzentscheidende Marktverhalten in Produktion, Dienstleistung und Verkauf gleichermaßen in einem Abhängigkeitsverhältnis von der Arbeitszeitverteilung der Beschäftigten stehen. Nach Joost585, der die Differenzierung nach Branchen ebenfalls ablehnt, ist die Entscheidung über den Umfang der unternehmerischen Veranstaltung der Mitbestimmung vorgelagert. Damit wird eine Gleichstellung vorgenommen zwischen dem Umfang der unternehmerischen Veranstaltung und dem Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, der nach ü.A. mitbestimmungsfrei ist. Joost begründet die Mitbestimmungsfreiheit der unternehmerischen Entscheidung mit einem Umkehrschluss aus § 87 I Nr. 3 BetrVG: der Betriebsrat habe nur in diesem Sonderfall ein Mitbestimmungsrecht über die betriebsübliche Arbeitszeit.586 Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht. Denn die betriebsübliche Arbeits579 Reichold, Anm. zu BAG v. 25.2.1997, SAE 1998, 44 (47); Reichold geht davon aus, dass das Sozialmodell der Betriebsverfassung auf die industrielle Produktion ausgerichtet sei und daher die für Dienstleistungsbetriebe typische Kundenorientierung nicht im Auge gehabt habe. 580 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 43. 581 LAG Baden-Württemberg v. 28.2.1980 EzA Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht. 582 BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.III.1.). 583 Stellv. für viele Haipeter/Lehndorff, WSI-Mitt. 11/2002, 649; Hensche, FS Zeuner, S. 74 (75). 584 Vgl. Schusser in: Hromadka, Möglichkeiten und Grenzen flexibler Vertragsgestaltung, S. 49 ff. 585 DB 1983, 1818 (1821). 586 DB 1983, 1818 (1820).

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zeit wird nicht allein durch den Umfang der Arbeitspflicht insgesamt bestimmt, sondern auch durch dessen mitbestimmungspflichtige Verteilung.587 Zwischen der Dauer der Arbeitszeit der Arbeitnehmer und der Betriebszeit lässt sich kein notwendiger Zusammenhang in dem Sinne herstellen, dass von der Mitbestimmungsfreiheit bei der Dauer der Arbeitszeit auf die Mitbestimmungsfreiheit über den Umfang der unternehmerischen Veranstaltung zu schließen wäre588. Die von Joost gezogene Parallele zur mitbestimmungsfreien Entscheidung über das „ob“ einer Leistung des Arbeitgebers im Bereich der Nrn. 8 und 10 des § 87 I BetrVG589 überzeugt folglich nur bzgl. der Mitbestimmungsfreiheit der Dauer der vom einzelnen Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit, nicht aber hinsichtlich des Gesamtumfangs der unternehmerischen Veranstaltung. Schließlich stellt sich die Frage, welches Gewicht dem Kostenargument beizumessen ist. Häufig wird darauf hingewiesen, dass ein durch die Mitbestimmung bedingter Umsatzrückgang aufgrund der damit verbundenen Gewinneinbußen und Rentabilitätsbeschränkungen einen schwer wiegenden Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellt.590 Sicherlich lässt sich dieses Bedenken nicht allein mit dem Hinweis ausräumen, dass „Mitbestimmung eben Geld kostet“.591 Andererseits kann aber das Kostenargument nicht zur Begrenzung der Mitbestimmungsrechte auf die arbeitsorganisatorische Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung führen.592 Denn dies liefe wiederum auf die vom Gesetzgeber grundsätzlich nicht gewollte Einschränkung der Mitbestimmungsrechte und einen einseitigen Vorrang der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit hinaus.593 Deshalb müssen für die Frage nach dem Mitbestimmungsrecht auch die finanziellen Auswirkungen, die die zeitweise Verhinderung einer unternehmerischen Veranstaltung mit sich bringen, i. d. R. unberücksichtigt bleiben. Dass die Arbeitszeitflexibilisierung erhebliche Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg haben kann, rechtfertigt somit keine Begrenzung des Mitbestimmungsrechts.594 Lediglich bei dessen Ausübung ist das Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung der unternehmerischen Veranstaltung mit dem Zweck der Gewinnerzielung gem. § 76 V BetrVG zu beachten.595 Auch ein unmittelbarer Rückgriff auf Art. 12, 14 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, um die Rechte des Betriebsrats einschränkend verfas587

Richardi, NZA 1994, 593 (596). So auch Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit S. 44 f. 589 Joost, DB 1983, 1818 (1821). 590 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 306; Joost, DB 1983, 1818; Löwisch, SAE 1983, 141 (142); Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2768). 591 Joost, DB 1983, 1818. 592 BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 593 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 145. 594 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 313. 595 BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 588

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sungskonform auszulegen596, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das detailliert formulierte BetrVG „organisiert als Ausdruck praktischer Grundrechtspolitik ,Freiheit auf Gegenseitigkeit‘ (Art. 12 GG), indem Grundrechtspositionen beider Arbeitsvertragsparteien im Betrieb zu einem schonenden Ausgleich [. . .] gebracht werden“ und stellt damit eine „prinzipiell verfassungsgerechte Konkretisierung einer Kollisionslage“ dar.597 Wie das BVerfG ausgeführt hat, gebietet Art. 12 GG nicht, Berufsausübungsregelungen so auszulegen und auszugestalten, dass sie die unternehmerische Freiheit unberührt lassen, sondern lässt Raum dafür, auch durch Einschaltung der Einigungsstelle eine Konkordanz der Berufsfreiheit des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer herbeizuführen.598 Das Interesse des Arbeitgebers an einer Ausweitung der Marktteilnahme kann bei der Arbeitszeitflexibilisierung nur im Rahmen des § 76 V BetrVG Beachtung finden, es rechtfertigt aber keinesfalls die Mitbestimmungsfreiheit der Entscheidung über das „Ob“ der Einführung von Vertrauensarbeitszeit. Das folgt daraus, dass die Einigungsstelle gem. § 76 V 3 BetrVG zur angemessenen Berücksichtigung der Belange des Betriebs sowie der betroffenen Arbeitnehmer und zur Entscheidung nach billigem Ermessen verpflichtet ist und dass diese Grenze der Einigungsstellentätigkeit auch die Grenze des Mitbestimmungsrechts markiert599. Wenn also verlangt wird, der Einigungsstelle müsse es „um eine sinnvolle Durchführung der geplanten unternehmerischen Veranstaltung [. . .] und nicht um deren Verhinderung“ gehen,600 bedeutet das nicht, dass eine zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit angestrebte Einführung von Vertrauensarbeitszeit (etwa i. S. e. vollständigen Freigabe der Arbeitszeiteinteilung) mitbestimmungsfrei möglich ist. Vielmehr ist unter Beachtung der Grenzen des § 76 V BetrVG eine geplante unternehmerische Veranstaltung auch dann noch sinnvoll möglich, wenn der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nutzt, um auf eine Begrenzung der Arbeitszeitlage zu bestehen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man darüber hinaus entgegen dem Beschluss des BVerfG601 Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab heranziehen wollte.602 Dies wird unter Bezugnahme auf das Mitbestimmungsurteil des BVerfG603 vertreten, weil Art. 14 GG auch die Nutzung der Eigentumspositionen und damit die unternehmerische Betätigungsfreiheit insgesamt schützt und dem Unterneh596

Gutzeit, BB 1996, 106 (109). Reichold, SAE 1998, 44 (45); vgl. auch BVerfG v. 18.12.1985 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 598 BVerfG v. 18.12.1985 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 599 Reichold, SAE 1998, 44 (47). 600 Joost, DB 1983, 1818; Reichold, SAE 1998, 44 (47). 601 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 602 Etwa Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 87 Rn. 62 b; Gutzeit, BB 1996, 106 (109) m. w. N. 603 BVerfG v. 1.3.1979 E 50, 290 ff. 597

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mer als Eigentümer daher in substanziellen Angelegenheiten der Leitungs- und Planungskompetenz ein Letztentscheidungsrecht erhalten bleiben müsse.604 Auch bei Art. 14 GG wäre eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, wobei hier insbesondere die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 II GG) weite Spielräume eröffnet.605 Auf dieser Grundlage lässt sich die Feststellung treffen, dass die betriebliche Mitbestimmung das „geeignete und erforderliche Mittel (ist), Gemeinwohlinteressen an einer sozialen Ausgestaltung betrieblicher Verhältnisse unter Berücksichtigung von Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer zu verwirklichen“606, wobei die eigentumsrechtlichen Zuordnungsverhältnisse oder die Substanz des Unternehmens (grundsätzlich) erhalten bleiben.607 Zu prüfen wäre jeweils, ob „durch die mitbestimmungsrechtliche Negation der wirtschaftlich geplanten“ Markteilnahme die Funktionsfähigkeit eines Unternehmens übermäßig beeinträchtigt würde; dabei sei auf die Typizität von unternehmerischen Befugnissen und Nutzungselementen abzustellen, wie z. B. auf die elementare Bedeutung von Publikumsverkehr im Bereich von Ladengeschäften.608 Ob die ökonomische Existenz und Wirksamkeit eines Unternehmens durch eine wettbewerbseinschränkende Mitbestimmungsausübung in Frage gestellt ist, kann nur im Einzelfall beantwortet werden.609 Im vorliegenden Kontext ist jedenfalls davon auszugehen, dass die eigentumsrechtliche Funktionsgewährleistung des Unternehmens bzw. dessen Rentabilität und damit die prinzipielle Privatnützigkeit des Unternehmenseigentums nicht durch eine die völlige Arbeitszeitfreigabe verhindernde Mitbestimmungsausübung ausgeschaltet wird, die durch die berechtigten Arbeitnehmerinteressen an einer Begrenzung des Arbeitstags gerechtfertigt ist. Zusammengefasst kann somit nach der Rechtsprechung und zahlreichen Stimmen in der Literatur der Betriebsrat durch die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach Nr. 2 die Ausschöpfung der gesetzlich zulässigen Ladenöffnungszeiten verhindern. Der Konflikt zwischen der Entscheidung über Zweck und Umfang einer unternehmerischen Tätigkeit einerseits und den Interessen der Arbeitnehmer an einer verträglichen Lage ihrer Arbeitszeit andererseits ist grundsätzlich durch das Mitbestimmungsrecht geregelt. Dabei kann dessen Reichweite in konkreten Fällen eingeschränkt sein. Würde man aber aus diesem Grund sein Eingreifen bei flexiblen Arbeitszeitformen ablehnen, so würde man 604 Papier, NJW 1987, 988 (991 f.); Scholz, NJW 1986, 1587 (1588 f.); BVerfGE 50, 290 (339, 350 ff.). 605 Vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 38 ff., 42 m. N.; BVerfGE 50, 290 (339 ff.). 606 GK-Wiese, BetrVG, Einl. Rn. 53; vgl. zur Unternehmensmitbestimmung BVerfGE 50, 290 (339 ff.). 607 GK-Wiese, BetrVG, Einl. Rn. 53. 608 So Scholz, NJW 1986, 1587 (1590). 609 Scholz, NJW 1986, 1587 (1590).

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die Arbeitnehmer bei der Verteilung ihrer Arbeitszeit unmittelbar den Anforderungen des Marktes aussetzen. Wäre die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, zu der die Entscheidung über die Anforderungen des Marktes gehört610, als Vorgabe für die Mitbestimmung anzuerkennen und die Mitbestimmung auf die arbeitsorganisatorische Umsetzung einer solchen Entscheidung zu beschränken, so würde das Mitbestimmungsrecht zur Disposition des Arbeitgebers gestellt. Je detaillierter er seine unternehmerische Entscheidung trifft, umso weniger Raum bliebe für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts.611 Grundsätzlich kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht auch dahingehend ausüben, dass die Einführung bestimmter flexibler Arbeitszeitsysteme im Betrieb ganz unterbleiben muss.612 Dies ist die Konsequenz der gesetzgeberischen Entscheidung, die unternehmerische Freiheit durch Schaffung von Mitbestimmungsrechten zu beschränken. Der Betriebsrat ist aber über das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 BetrVG) und aus der Förderpflicht des § 75 II BetrVG gehalten, nicht aus zweckwidrigen Motiven notwendige und die Selbstbestimmungsfreiheit vergrößernde Flexibilisierungsmaßnahmen zu blockieren. Eine missbräuchliche oder einseitig an den Arbeitnehmerinteressen orientierte Mitbestimmungsausübung würde außerdem nicht den Anforderungen billigen Ermessens (§ 76 V BetrVG) genügen. 5. Ergebnis Trotz der Besonderheiten dieses Arbeitszeitmodells unterliegt die Einführung von Vertrauensarbeitszeit der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 2 BetrVG. Auf der Stufe der Entscheidung darüber, ob überhaupt Vertrauensarbeitszeit eingeführt werden soll, kann der Betriebsrat also einen starken Schutz gegen die Gefahren dieser individuell flexiblen Arbeitzeitform bieten. Auf der Stufe der Ausgestaltung und Durchführung des gewählten Modells realisiert sich dies freilich nicht im selben Maße. II. Einführung von Vertrauensarbeitszeit als unzulässiger Verzicht auf Mitbestimmungsrechte? Da sich Vertrauensarbeitszeit ohne die Zustimmung des Betriebsrats betrieblich nicht verankern lässt, kann es sie allerdings „nur zu (dessen) Bedingungen geben oder gar nicht“.613 Wenngleich die Mitbestimmung des Betriebsrats bei 610 Reuter, ZfA 1981, 165 (202); Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 44, weist darauf hin, dass daraus nicht folgt, „dass das Mitbestimmungsrecht unter einem Marktvorbehalt steht“. 611 BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 612 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 126; MünchArbR-Matthes, § 334 Rn. 40; BAG v. 13.10.1987 AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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der konkreten Arbeitszeiteinteilung ausgeschlossen werden soll, so ist also zumindest der Rahmen der Zeitsouveränität mitbestimmungspflichtig. 614 Ob die Einigungsstelle Vertrauensarbeit gegen den Willen des Betriebsrats durchsetzen kann oder nicht, weil in der Beseitigung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 I Nr. 2 BetrVG eine Überschreitung ihrer Kompetenz liegt615, wird weiter unten616 zu erörtern sein. Grundsätzlich ist die Ausübung der Mitbestimmung sowohl durch Betriebsvereinbarung als auch durch Regelungsabrede möglich. Nach Auffassung des BAG ist aber das geeignete Instrument die gem. § 77 IV BetrVG unmittelbar und zwingend wirkende Betriebsvereinbarung.617 Dementsprechend sind auch schon mehr oder weniger detaillierte Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Vertrauensarbeit bekannt geworden.618 Die Schutzwirkung einer solchen mitbestimmten Regelung könnte jedoch dadurch deutlich zurückgenommen werden, dass sie kaum inhaltliche Abmachungen enthält, sondern sich in einer Generalklausel erschöpft. Ob dies noch eine zulässige Form der Mitbestimmungsausübung darstellt, ist fraglich: Während der Gesetzgeber eine Generalklausel als „ein Stück offengelassener Gesetzgebung“ verbindlich aufstellen und ihre Konkretisierung einem anderen überlassen kann, wird die in einer Betriebsvereinbarung von Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarte Beschränkung auf eine Generalklausel für problematisch gehalten. Denn sie könne die in § 77 IV BetrVG angeordnete unmittelbare und zwingende Wirkung nicht entfalten. Ebenso wenig werde damit der Sinn der Mitbestimmung – Beteiligung an der Regelung – erfüllt.619 Daher stellt sich bei der Einführung von Vertrauensarbeit die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen in einer Vereinbarung, mit der eine effektive Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte für die Zukunft ausgeschlossen wird, zugleich ein unzulässiger Verzicht auf die Mitbestimmungsrechte liegt.620 Die Nichtausübung gesetzlicher Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte kann eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten i. S. d. § 23 I BetrVG sein und eine Auflösung des Betriebsrats rechtfertigen.621 613

Hamm, AiB 2000, 151 (155). Reichold, NZA 1998, 393 (399 f.); Schüren, FS Gitter, S. 901 (909). 615 So Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 52 ff.; ders., Flexible Arbeitszeiten S. 219; ders., AiB 2000, 151 (155). 616 Unter VI. 617 BAG v. 24.2.1987 AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972. 618 Vgl. etwa BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 57 ff.; 72 ff.; 178 ff. 619 Dazu Richardi, ZfA 1992, 307 (319); Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.Pf., S. 395 (409). 620 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (402), vgl. auch v. Hoyningen-Huene, DB 1987, 1426 f. 614

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1. Begriffsbestimmung „Verzicht“ und Delegation bzw. Übertragung Bevor der Frage nachzugehen ist, inwiefern die Einführung von Vertrauensarbeit einem unzulässigen Verzicht auf die Mitbestimmungsrechte gleichkommt, soll eine Begriffsklärung erfolgen. Verzicht ist allgemein das auf dem Willen des Berechtigten beruhende Aufgeben von rechtlichen Befugnissen ohne dessen gleichzeitige Übertragung auf einen anderen.622 Es handelt sich um ein Rechtsgeschäft, wobei im Bereich der Mitbestimmungsrechte von Verzicht nur gesprochen werden könne, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat darüber einigen.623 Neben diesen wohl selten anzutreffenden ausdrücklichen Verzichtserklärungen werden in die Betrachtung auch Fallgestaltungen einbezogen, bei denen zwar formell eine Betriebsvereinbarung in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit abgeschlossen wird, durch die aber materiell ein Zustand hergestellt wird, der auch in einem betriebsratslosen Betrieb bestehen könnte.624 Ein Verzicht kann schließlich auch in bloßem Untätigbleiben des Betriebsrats bestehen.625 Grundsätzlich ist vom Verzicht die Delegation von Rechten zu unterscheiden. Während beim Verzicht das Recht erlischt, geht es bei der Delegation auf einen anderen über.626 Z. T. wird davon ausgegangen, dass die Delegierung des Rechts zur Ausübung der Mitbestimmungsbefugnis selbst Ausübung des Rechts sei.627 Voraussetzung sei die Übertragung auf einen geeigneten Delegaten, da anderenfalls ein Verzicht vorläge.628 Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzung war bisher die Delegation von Rechten des Betriebsrats auf den Arbeitgeber, der kein geeigneter Delegat sei, außerdem auf den Betriebsausschuss, auf paritätisch besetzte Ausschüsse sowie den Betriebsratsvorsitzenden.629 Seit der Gesetzesnovellierung630 ist eine Delegation von Aufgaben auch auf Arbeitsgruppen möglich. Diesbezüglich wird gesagt, dass die §§ 27, 28 und 28 a BetrVG eine abschließende Regelung enthalten und somit die Übertragung von Rechten nur in begrenztem Umfang möglich ist.631 621 F/K/H/E/S, BetrVG, § 23 Rn. 37; GK-Oetker, BetrVG, § 23 Rn. 101; Richardi/ Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 23 Rn. 51; D/K/K-Trittin, BetrVG, § 87 Rn. 52; Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 104, 110 f. 622 Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 29; Wiese, RdA 1968, 455 (456 f.). 623 E. Schmidt, Verzicht, S. 6 f. 624 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (404). 625 D/K/K-Klebe, BetrVG § 87 Rn. 39; Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (404); BAG v. 14.2.1967 AP Nr. 9 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen. 626 Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 35. 627 Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 35. 628 E. Schmidt, Verzicht, S. 28 f. 629 Vgl. dazu E. Schmidt, Verzicht, S. 29 f. 630 Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes v. 23.7.2001, BGBl. I, 1852.

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In der Diskussion über flexible Arbeitszeitsysteme wurde allerdings bislang der begrifflichen Differenzierung zwischen Verzicht und Delegation keine allzu große Bedeutung beigemessen.632 Vielmehr stand die Frage nach der Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten als Selbstausübungspflicht im Mittelpunkt,633 d.h. danach, ob die mit einem „selbst steuernden Arbeitszeitsystem“634 verbundene Delegation von Befugnissen zur Arbeitszeitgestaltung und folglich die Nichtwahrnehmung der Mitbestimmungsrechte nach Nr. 2 und 3 im Einzelfall einem Verzicht gleichzusetzen ist. Davon hing es ab, ob die „Delegation“ von Befugnissen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten unzulässig ist und zur Folge hat, dass das Mitbestimmungsrecht weiterhin besteht635 oder als Ausübung der Mitbestimmungsrechte zu werten ist, so dass die Mitbestimmungsrechte „verbraucht“ sind. Während die Diskussion über den Verzicht auf Mitbestimmungsrechte zunächst Konstellationen betraf, in denen dem Arbeitgeber weitgehende Alleinentscheidungsmacht übertragen wurde – wobei insbesondere seine Ermächtigung zur Anordnung von Überstunden durch abstrakt-generelle Dauerregelungen im Vordergrund stand636 – stellt sich nun die Frage, wie die Beurteilung ausfällt, wenn die Betriebspartner sich auf die Übertragung der Regelungsbefugnis auf Arbeitnehmer – ggf. unter Berücksichtigung betrieblicher Interessen – verständigen. Hierauf, insbesondere auf die für die Delegation von Aufgaben auf Arbeitnehmer geschaffene Regelung des § 28 a BetrVG, wird zurückzukommen sein; zuvor sind aber die bisherigen Grundsätze darzustellen, nach denen sich die Frage nach einem unzulässigen Verzicht auf Mitbestimmungsrechte möglicherweise beantworten lässt. 2. Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur zur „Verzichtsproblematik“ Aus zahlreichen Entscheidungen637 geht hervor, dass das BAG jedenfalls einen Teilverzicht und damit die Übertragung von Alleinentscheidungsbefugnissen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten auf den Arbeitgeber in weitem Umfang für zulässig hält. 631 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 82; vgl. dazu auch E. Schmidt, Verzicht, S. 29 f. 632 Vgl. etwa Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (400 ff.). 633 Vgl. etwa Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (400 ff.). 634 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 14. 635 So Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 63 f.; vgl. auch Blomeyer, Anm. zu BAG v. 28.10.1986, SAE 1987, 277 (279). 636 Vgl. etwa Henssler, FS P. Hanau, S. 413 ff.; Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 ff. 637 BAG v. 7.9.1956 AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG; v. 28.10.1986 AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 26.7.1988 AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Provision.

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Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine generelle Betriebsvereinbarung, die dem Arbeitgeber die Befugnis zur einseitigen Gestaltung eröffnet, zulässig, solange die Substanz des Mitbestimmungsrechts unberührt bleibt.638 Die Möglichkeit der Beschränkung der Mitbestimmung auf allgemeine Regelungen wurde z. B. für die Anordnung von Mehrarbeit und die Aufstellung von Schichtplänen für zulässig erachtet.639 Einen Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte hat der Erste Senat verneint, „wenn dem Arbeitgeber – aus welchen Gründen immer – eine Freiheit eingeräumt wird, die einem mitbestimmungsfreien Zustand nahe kommt“.640 Die Mitbestimmung kann nach Auffassung des Gerichts nicht nur durch eine „bis in das kleinste Detail gehende Regelung mit dem Arbeitgeber“, sondern auch in der Weise ausgeübt werden, dass die Betriebspartner eine Rahmenregelung treffen und bei Ausfüllung dieses Rahmens dem Arbeitgeber einen gewissen Freiraum einräumen.641 Folglich können Betriebsrat und Arbeitgeber in einer Rahmenregelung „die nähere Ausgestaltung der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ überlassen.642 Bei der Gestaltung von Gleitzeitsystemen sei es dem Betriebsrat unbenommen, sein Mitbestimmungsrecht in der Weise auszuüben, dass die konkrete Festlegung der Arbeitszeit im Einzelfall, d.h. der uhrzeitgenaue und tagesexakte Beginn der Arbeitszeit, auch dem zu schützenden Arbeitnehmer überlassen werden könne.643 § 87 I Nr. 2 BetrVG fordert somit nicht die uhrzeitgenaue Festlegung des Beginns der Arbeitszeit.644 Als unzulässig wird dagegen angesehen, den Inhalt der Regelung gänzlich dem Arbeitgeber oder Dritten zu überlassen. Jedenfalls seien an die Klarheit einer Regelung, mit der dem Arbeitgeber das Recht zur einseitigen Gestaltung übertragen werden sollte, strenge Anforderungen zu stellen.645 Ein bedingungs638 Vgl. etwa BAG AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG; v. 3.6.2003 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; v. 1.7.2003 AP Nr. 102 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 639 BAG v. 2.3.1982, 28.10.1986 AP Nr. 6, 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; bestätigt durch BAG v. 18.4.1989, 17.11.1998, 28.5.2002 AP Nr. 34, 79, 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG v. 12.1.1988 AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979; v. 3.6.2003 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; v. 1.7.2003 AP Nr. 102 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; LAG Köln v. 3.8.2000 AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 640 BAG v. 11.3.1986 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; ähnl. BAG AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979 und v. 26.7. 1988 AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Provision. 641 BAG v. 28.10.1981 AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (zu ständig anfallender Überarbeit); BAG v. 31.1.1989 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang. 642 BAG v. 31.1.1989 AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang. 643 BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.2.a.); best. durch BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 644 Vgl. Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (405).

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loser Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht ist nicht von der Verfügungsbefugnis des Betriebsrats gedeckt und damit rechtlich nicht möglich646; eine „Nichtregelung“ im Bereich der notwendigen Mitbestimmung käme einem Verzicht gleich.647 Insbesondere durfte z. B. das Recht zur einseitigen Überstundenanordnung im Einzelfall dem Arbeitgeber nicht durch eine pauschale Ermächtigung eingeräumt werden, sondern konnte allenfalls Teil einer Verfahrensregelung sein.648 Im Schrifttum649 wurde auf die Verzichtsproblematik im Zusammenhang mit den flexiblen Arbeitzeiten nur vereinzelt eingegangen. Däubler650 zweifelt an der Zulässigkeit von Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Vertrauensarbeit und neigt dazu, sie zu verneinen, wenn das Arbeitszeitmodell ohne jede inhaltliche Schranke implementiert werden soll, weil darin gleichzeitig ein Verzicht auf die Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG liege. Hamm geht davon aus, dass der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte nur unter den Voraussetzungen des § 28 a BetrVG übertragen kann. Jenseits dieser Regelung hält auch er Willensakte für unzulässig, mit denen der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte völlig preisgibt.651 Eine Übertragung der Arbeitszeitgestaltung auf die Arbeitnehmer, mit der der Betriebsrat die Arbeitszeitgestaltung aus der Hand gibt, rücke jedenfalls in „gefährliche Nähe“ zum unzulässigen Verzicht.652 Er weist auf die Möglichkeit hin, dass ein Gericht „die ganze Regelung wegen unzulässigen Verzichts auf Mitbestimmungsrechte kippt“653, was angesichts der BAG-Entscheidung vom 6.5.2003 wenig wahrscheinlich ist.654 645

BAG v. 4.5.1982 AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. BAG v. 23.6.1992 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = NZA 1992, 1098 (1099); v. 26.5.1998 AP Nr. 98 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung = NZA 1998, 1292 (1295); v. 19.1.1999 AP Nr. 37 zu § 113 BetrVG 1972 = NZA 1999, 949 (950); v. 14.12.1999 AP Nr. 104 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; v. 14.8.2001 AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972 = NZA 2002, 276 (280). 647 ArbG Bielefeld v. 24.6.1987 DB 1988, 131 m. Verweis auf BAG v. 14.2.1967 AP Nr. 9 zu § 56 BetrVG Wohlfahrtseinrichtungen. 648 BAG v. 17.11.1998 AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Gemeint waren vorsorgliche Regelungen, die eine Vorstrukturierung künftiger Einsätze enthielten; vgl. auch BAG AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 12.1.1988 AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979; v. 3.6.2003 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; LAG Köln AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 649 Vgl. Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 ff.; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218; Hensche in Däubler, TVG, § 1 Rn. 571 krit. zum „Leerlaufen“ der Mitbestimmungsrechte; Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1268); dagegen keine Wertung bei Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 79. 650 Internet und Arbeitsrecht, Rn. 171. 651 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 82. 652 Ähnl. Hensche, FS Zeuner, S. 74 (79). 653 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218; ders., AiB 2000, 152 (158). 646

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Dennoch soll die Schaffung einer Rahmenregelung auch nach Hamm dem Mitbestimmungsrecht genügen. Wenn allerdings keine Barrieren zur Arbeitszeit in Betriebsvereinbarungen mehr aufgestellt würden, sei die „Mitbestimmung praktisch weg“655, worin ein Verstoß gegen das BetrVG liege656. Eingehend hat sich vor Erlass des § 28 a BetrVG Trümner657 mit dem „,stummen‘ Verzicht auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats“ befasst und herausgearbeitet, dass für den Betriebsrat eine Selbstwahrnehmungspflicht hinsichtlich der Ausübung der Mitbestimmungsrechte bestehe.658 Zur Begründung führt er die Systematik des § 87 I BetrVG an, nach dessen Eingangssatz nur eine abschließende tarifliche Regelung mit normativer Wirkung Sperrwirkung entfalten und das Mitbestimmungsrecht verdrängen könne. Daraus folge, dass eine Nicht-Regelung durch die Kollektivparteien vom Willen des Gesetzgebers kaum gedeckt wäre.659 Weiter wurde mit der Theorie von der Wirksamkeitsvoraussetzung argumentiert, aus der abzuleiten ist, dass Anordnungen des Arbeitgebers oder Änderungen von Arbeitsverträgen keine Verbindlichkeit für die Arbeitsverhältnisse erzeugen können, solange das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt wurde. Bei Verzichtserklärungen des Betriebsrats oder diesen gleichzuachtenden Fällen müssten Anweisungen des Arbeitgebers mangels individualrechtlicher Wirksamkeit nicht befolgt werden.660 Soweit es allerdings bei flexiblen Arbeitszeitmodellen um die Delegation nur der Feinregelungskompetenz auf die Arbeitnehmer geht, werde der „Normzweck des § 87 BetrVG (gerade dadurch) auf besonders elegante Weise verwirklicht“, dass „der einzelne Arbeitnehmer in einem rechtlich geschützten Raum ein freies Wahlrecht gesichert erhält [. . .]. Das Anliegen der Mitbestimmung sollte gerade nicht sein, eine Form der Fremdbestimmung (Direktionsrecht des Arbeitgebers) durch eine andere Form der Fremdbestimmung (Betriebsvereinbarung) zu ersetzen, sondern im Arbeitsleben und in den betrieblichen Abläufen der Selbstbestimmung des Arbeitnehmers so weit als irgend möglich Raum zu geben.“661 654 Das BAG (AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972) hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung v. 18.4.1989 (AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG Arbeitszeit) wiederholt, dass die Mitbestimmungsausübung auch so erfolgen kann, dass die Festlegung der Lage der Arbeitszeit dem zu schützenden Arbeitnehmer selbst überlassen wird. 655 Hamm, AiB 2003, 228 (230). Aus mitbestimmungspolitischer Perspektive für problematisch halten auch Haipeter/Lehndorff Regelungen, die keinen Ersatz für die durch die Flexibilisierung entgangenen Mitbestimmungsmöglichkeiten vorsehen, WSIMitt. 11/2002, 649 (651). 656 Hensche, FS Zeuner, S. 74 (79), der Mitbestimmungs- und Kontrollrechte daher auch bei Vertrauensarbeit fordert. 657 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 ff. 658 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (403). 659 Ebd., S. 398 ff. 660 Ebd., S. 402 ff. 661 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (405); in diesem Sinne auch Schaub, ArbRHdb, § 160 I 2.

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Teilweise wird die Problematik hauptsächlich hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Privat- und Kollektivautonomie behandelt, wobei das Mitbestimmungsrecht auf die Festlegung von Rahmenbedingungen beschränkt wird.662 Konsens besteht darüber, dass die Mitbestimmungsrechte weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung prinzipiell aufgehoben oder eingeschränkt werden dürfen.663 Ein Verzicht auf die Mitbestimmungsrechte ist zwar nach heutiger Auffassung nicht schon deshalb unzulässig, weil der Betriebsrat im Gemeinwohlinteresse zu handeln hätte bzw. ein Interesse der Allgemeinheit am Bestand der Mitbestimmungsrechte bestehe.664 Richtig dürfte aber noch immer sein, dass die Beteiligten nicht „auf die vom Gesetzgeber in bestimmter Weise ausgestaltete Betriebsverfassung dadurch einwirken könnten, dass sie auf die ihnen zugewiesenen Befugnisse verzichten. Sie sind dazu berufen, diese Befugnisse auszuüben, aber nicht, über sie aufhebend zu verfügen. Die vom Gesetzgeber gegebene Verfassung ist der jedenfalls insoweit ihrer Disposition entzogene Ordnungsrahmen ihrer Tätigkeit.“665 Begründet werden kann die Unzulässigkeit des Verzichts auf Mitbestimmungsrechte damit, dass unabhängig davon, wen man als Träger der Mitbestimmungsrechte sieht – Betriebsrat, Belegschaft oder die einzelnen Arbeitnehmer –, die Mitbestimmungsrechte dem Betriebsrat jedenfalls nicht zur eigennützigen Wahrnehmung zugewiesen sind; es handelt sich vielmehr um eine treuhänderische, mandatarische Aufgabenübertragung.666 Im Grundsatz sind pflichtgebundene Rechte unverzichtbar.667 Daher wäre ein Verzicht ein Verstoß gegen zwingendes Gesetzesrecht (§ 87 BetrVG) und damit gem. § 134 BGB nichtig668, mit der Folge, dass das Mitbestimmungsrecht in seiner ursprünglichen Form bestehen bleibt und der Betriebsrat es jederzeit wieder beanspruchen kann.669

662 Heinze, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, 309 (316 f., 325); ders. NZA 1997, 681 (684); ähnl. Reichold, NZA 1998, 393 (399). 663 D/K/K-Klebe, BetrVG § 87 Rn. 38 f. m. N. 664 Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 15; E. Schmidt, Verzicht, S. 145 m. N. 665 Wiese, RdA 1968, 455 (457 f.); vgl. auch Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 57 ff. 666 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (23) m. w. N.; A. A. wohl E. Schmidt, S. 149 mit dem Hinweis, dass auch ein Verzicht auf fremde Rechte grundsätzlich möglich ist; Wiese, RdA 1968, 455 (457). 667 Wiese, RdA 1968, 455 (457); ähnl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 245; Kamman/ Hess/Schlochauer, BetrVG (1979), § 88 Rn. 4: ein Verzicht auf die Ausübung der gesetzlichen Rechte im Interesse der Arbeitnehmer sei schlechthin mit der Funktion des Betriebsrats unvereinbar. 668 Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 63 f.; vgl. auch Blomeyer, Anm. zu BAG v. 28.10.1986, SAE 1987, 277 (279); Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (23). 669 Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 63 f.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Aus diesen Gründen wurden selbst gegen den von der Rechtsprechung für zulässig erachteten „Teilverzicht“ bzw. „Lücken der Mitbestimmung“670 in Teilen der Literatur Bedenken geäußert.671 Das Modell der gesetzlichen Mitbestimmung verlange eine Mitentscheidung i. S. e. gemeinsamen Willensbildungsprozesses672 und verbiete eine „Blindgenehmigung“.673 § 87 BetrVG enthalte damit eine Regelungspflicht, der durch eine – partielle – Nichtregelung erzwingbarer Regelungsgegenstände nicht genügt werde.674 Mitbestimmungsausübung könne sich daher nicht in der Aufstellung von Grundsätzen (etwa einer „Vollzugsordnung“) erschöpfen, bei deren Anwendung (durch den Arbeitgeber) der Betriebsrat nicht mehr mitzubestimmen habe.675 Auch die Vereinbarung von vorläufigen Regelungen, die den Betriebsrat in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten auf eine nachträgliche Zustimmung beschränken, wird für unzulässig gehalten.676 Ein vorab erklärtes Einverständnis wäre nach dieser Auffassung rechtlich unbeachtlich und jede Regelung unzulässig, die die Mitbestimmung auch im Einzelnen ausschließe. Denn es gehöre zu den gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats, bei jeder Arbeitgebermaßnahme auf sozialem Gebiet zu prüfen, ob durch sie die Belange der Arbeitnehmer in unvertretbarem Maße betroffen werden; ob Interessen der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden, kann der Betriebsrat aber mangels Kenntnis künftiger Arbeitgebermaßnahmen im Vorhinein nicht abschätzen.677 Sein gesetzliches Mitbestimmungsrecht könne der Betriebsrat weder auf Ausschüsse noch auf den Vorsitzenden noch erst recht auf den Arbeitgeber delegieren.678 Nicht einmal in eine Gleitzeitvereinbarung gehörten nach dieser Auffassung Regelungen, durch die der Betriebsrat eine generelle Zustimmung geben oder auf sein Mitbestimmungsrecht im Einzelfall verzichten soll.679 670

So Buschmann, Anm. zu BAG v. 18.4.1989, AiB 1989, 356 (359). v. Hoyningen-Huene, DB 1987, 1426 f.; Weyand, RdA 1993, 1 (9); vgl. auch die differenzierenden Ausführungen von Wiese, RdA 1968, 455 (457). 672 Simitis/Weiss, DB 1973, 1240 (1243). 673 Herschel, AuR 1967, 65 (67) gegen BAG v. 23.3.1962 AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG Akkord = AuR 1962, 349 m. Anm. Herschel, S. 350 ff. 674 Buschmann, Anm. zu BAG v.18.4.1989, AiB 1989, 356 (359), der darauf hinweist, dass dies nicht vom Regelungsspielraum der Betriebsparteien gedeckt wäre; ähnl. Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 401 f.; nach dem wegen fehlender betriebsverfassungsrechtlicher Ermächtigung keine Betriebsratszuständigkeit zur Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen gegeben ist, vgl. S. 409; ähnl. Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 36 f. 675 Herschel, AuR 1967, 65 (67) gegen BAG AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG Akkord = AuR 1962, 349 m. Anm. Herschel, S. 350 ff.; krit. auch D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 39. 676 Simitis/Weiss, DB 1973, 1240 (1243). 677 Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 59 f. 678 Herschel, AuR 1967, 65 (67). 679 Buschmann, AiB 1981, 155. 671

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Nimmt man hingegen an, dass es grundsätzlich den Betriebsparteien obliegt, wie sie eine ihnen zur Regelung übertragene Sachmaterie inhaltlich strukturieren und damit die ihnen vom Gesetz überantwortete Ordnungs- und Schutzaufgabe erfüllen680, und geht man weiterhin davon aus, dass von einem unzulässigen Verzicht erst dann gesprochen werden kann, wenn die Übertragung von Befugnissen auf den Arbeitgeber oder eine paritätische Kommission eine Substanzbeeinträchtigung darstellt,681 drängt sich die Frage auf, wann die Grenze der Substanzbeeinträchtigung erreicht ist. Vorschläge aus der Literatur, in bestimmten Fallgruppen (Not- und Eilfälle sowie Anordnung von vorläufigen Maßnahmen) keine Substanzbeeinträchtigung zu sehen682, wurden als zu starr und zu eng kritisiert.683 Ein „bewegliches System“, mit dem im Einzelfall anhand der drei Kriterien – ratio legis der Mitbestimmungsrechte, Sinn und Zweck des konkreten Mitbestimmungstatbestandes sowie betriebliche Belange und konkretes Interesse der einzelnen Arbeitnehmer – der dem Arbeitgeber eingeräumte Ermessensspielraum begrenzt bzw. konkretisiert wird und die Grenzen des zulässigen Verzichts festgestellt werden können684, mag zwar interessengerecht sein, ist aber aufgrund der Allgemeinheit der Kriterien im Hinblick auf die Praxistauglichkeit kritisiert worden.685 Weiter wurde vorgeschlagen, – angelehnt an die Grundsätze zu Art. 80 I 2 GG, wonach die Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein muss686 – von der Betriebsvereinbarung bzw. -absprache, in welcher der Betriebsrat einen Verzicht erklärt, eine echte inhaltliche Regelung zu fordern, durch welche die Entscheidung des Arbeitgebers vorgezeichnet ist.687 Nach diesem Ansatz müssen alle wesentlichen Entscheidungen durch die Betriebsvereinbarungspartner getroffen werden. Ziel und möglicher Inhalt müssten ebenso aus der Betriebsvereinbarung hervorgehen wie die Grenzen der übertragenen Entscheidungsbefugnisse. Der Verzicht auf die Regelung von Detailfragen sei zulässig; dagegen dürfe sich der Betriebsrat nicht jeglicher Interventionsmöglichkeiten begeben.688 Er müsse überprüfen können, wie von der eingeräumten Entscheidungsfreiheit Gebrauch gemacht wird.689 680 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (22); BAG AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 681 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 39 m. w. N. 682 Otto, Anm. zu BAG v. 26.7.1988, EzA Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Leistungslohn S. 18 f.; vgl. auch Henssler, FS P. Hanau, S. 431, 432 ff. 683 E. Schmidt, Verzicht, S. 158. 684 Blomeyer, SAE 1987, 279 f. 685 E. Schmidt, Verzicht, S. 159 f. 686 BVerfG v. 23.10.1951 E 1, 14 (60); v. 10.6.1953 E 2, 307 (334 f.); vgl. Säcker/ Oetker, RdA 1992, 16 (25). 687 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (22 f.). Durch den Verzicht darf kein Zustand eintreten, bei dem der Arbeitgeber in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten ein allein durch § 315 BGB bzw. § 106 GewO begrenztes Gestaltungsermessen hat.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

3. Stellungnahme und Schlussfolgerung Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung, die auch Anhänger in der Literatur gefunden hat, soll bis zur Grenze der Substanzbeeinträchtigung der „Verzicht“ auf Mitbestimmungsrechte zulässig sein. Solange diese Grenze nicht überschritten ist, handelt es sich nicht um einen unzulässigen Verzicht, sondern um eine zulässige Ausübung der Mitbestimmungsrechte.690 Dies scheint sachgerecht, da einerseits nicht auf das Erfordernis einer Regelung verzichtet, andererseits aber eine flexiblere Gestaltung mitbestimmungspflichtiger Tatbestände ermöglicht wird. Da Mitbestimmung nach allen Auffassungen zumindest eine „Regelung“ erfordert, wäre nach diesen Grundsätzen wohl eine völlige Arbeitszeitfreigabe (i. S. d. „Macht was ihr wollt, aber seid profitabel“691) als unzulässig einzuschätzen. Andererseits muss die Einführung von Vertrauensarbeitszeit möglich sein, wenn dadurch die Substanz des Mitbestimmungsrechts nicht beeinträchtigt wird.692 Eine Verweigerungsstrategie hinsichtlich der Vertrauensarbeitszeit wäre ebenso wenig angebracht wie die völlige Preisgabe der Mitbestimmungsrechte, mit der Folge, dass keinerlei Schutzmechanismen gegen mögliche „negative Auswüchse“ von Vertrauensarbeitszeit mehr bestehen.693 Eine unzulässige Substanzbeeinträchtigung wird anzunehmen sein, wenn nicht einmal das „Ob“ und das „Wie“ des Arbeitszeitsystems kollektiv geregelt worden sind.694 III. Dauerbetriebsvereinbarungen als Verfahrensregelung Da also aufgrund der oben aufgeführten Erwägungen statt punktueller Regelungen abstrakt-generelle Dauerregelungen für zulässig erachtet werden695, den 688 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16, 24, 26; in diese Richtung bereits Brecht, BB 1954, 840 (843); Dietz, RdA 1968, 439 (440), die die Delegation der Ausübung von Mitbestimmungsrechten – an den Betriebsratsvorsitzenden oder einzelne Mitglieder – allenfalls dann für unbedenklich halten, wenn ein Handlungsrahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen der Ermächtigte in häufig wiederkehrenden gleichartigen Fällen handeln kann. Neben der inhaltlichen soll eine zeitliche Begrenzung einer derartigen Ermächtigung erfolgen. Der Betriebsrat müsse aber stets eine gewisse Kontrolle ausüben und die Sache jederzeit wieder an sich ziehen können. Eine unwiderrufliche Vollmacht, die dem Betriebsrat die Möglichkeit nehmen würde, selbst zu entscheiden, sei dagegen unzulässig. Vgl. auch Lehmpuhl, Nichtausübung, S. 37 f. 689 E. Schmidt, Verzicht, S. 162. 690 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 39. 691 Vgl. dazu etwa Pickshaus, in: Pickshaus/u. a., Arbeiten ohne Ende, S. 9 (13 f.). 692 Diese Einschränkung findet sich indes in der Entscheidung vom 6.5.2003 (AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972) nicht explizit. 693 Hamm, AiB 2000, 152 (155). 694 Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1269). 695 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (22) m. N. aus der Rspr.

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Anforderungen an eine „Regelung“ also auch durch eine bloße Rahmenregelung genügt werden kann, liegt es nahe, diese Grundsätze auch auf die Vertrauensarbeit anzuwenden. 1. Entscheidungsdelegation nach § 28 a BetrVG Ein Rückgriff auf diese Grundsätze könnte jedoch entbehrlich geworden sein: Eine gesetzliche Grundlage für eine Delegation von Mitbestimmungsrechten auf Arbeitnehmer bietet der neu geschaffene § 28 a BetrVG, mit dem eine größere Sach- und Praxisnähe der betrieblichen Mitbestimmung dadurch angestrebt wurde, dass dem einzelnen Arbeitnehmer entsprechend der zunehmend am Arbeitsplatz geforderten Eigeninitiative und Mitverantwortung auch Mitgestaltungsmöglichkeiten in der betrieblichen Mitbestimmung eingeräumt werden sollen.696 Nach dieser Vorschrift können Mitbestimmungsrechte unter den dort genannten Voraussetzungen in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern auf Beschäftigte übertragen werden.697 Mit dieser Möglichkeit der Delegation von Betriebsratsaufgaben auf Arbeitsgruppen soll der Dezentralisierung von Entscheidungsstrukturen Rechnung getragen werden.698 Im Bericht der Mitbestimmungskommission heißt es, dass die Dezentralisierung von Entscheidungsstrukturen in den Unternehmen vermehrt zu einer Delegation betriebsratlicher Kompetenzen an Gruppen von Arbeitnehmern geführt habe. Daraus resultierte die Forderung, den unmittelbar Beteiligten auf lokaler Ebene durch die Betriebsverfassung Rechte und Rechtsformen zur Verfügung zu stellen, mit denen sie gemeinsam sachgerechte Lösungen finden und verwirklichen können, um so die gesetzliche Mitbestimmung an eine inoffiziell gewachsene Praxis anzupassen, die weitaus differenzierter und vielfältiger auf die gewachsenen Unternehmensstrukturen reagiere und sich so von dem Modell zentraler Kontrolle bereits wegbewegt habe.699 Die vor diesem Hintergrund ermöglichte Delegation von Mitbestimmungsbefugnissen ist an den Abschluss einer Rahmenvereinbarung geknüpft und nur auf Arbeitsgruppen700, nicht aber auf Einzelne möglich.701 696 Vgl. BT-Drs. 14/5741, S. 29; dies als Ausfluss des Subsidiaritätsprinzips im kollektiven Arbeitsrecht einordnend Ivo Natzel, ZfA 2003, 103 (122). 697 Der DGB-Vorschlag zur Novellierung des BetrVG sah vor, es dem Betriebsrat in einem Abs. 4 des § 87 zu gestatten, sein Mitbestimmungsrecht auszuüben, indem er eine Rahmenregelung trifft und deren Ausfüllung einer Arbeitsgruppe überträgt, wobei die Rechte zur Durchsetzung der Mitbestimmung beim Betriebsrat verbleiben sollten. Da der Betriebsrat jederzeit die Möglichkeit haben sollte, die Angelegenheit wieder an sich zu ziehen, sei darin kein unzulässiger Verzicht zu sehen, DGB-Bundesvorstand, Novellierungsvorschläge des DGB zum Betriebsverfassungsgesetz 1972, S. 83 f. 698 Däubler, AuR 2001, 1 (3). 699 Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Bericht der Kommission Mitbestimmung, S. 39.

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a) Arbeitsgruppe i. S. d. § 28 a BetrVG Der Begriff der Arbeitsgruppe ist gesetzlich nicht definiert, wird aber überwiegend weit verstanden702: neben teilautonomen Gruppen i. S. d. § 87 I Nr. 13 BetrVG703 sollen auch Projektgruppen und Arbeitsteams darunter fallen; in Betracht kommt eine Übertragung auch für bestimmte Beschäftigungsarten und Arbeitsbereiche704. Zur näheren Begriffsbestimmung ist der Zweck der Regelung zu berücksichtigen, der darin besteht, dass eine Arbeitnehmergruppe infolge der Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber selbst und nicht mediatisiert durch den Betriebsrat wahrnehmen soll. Dies setzt zumindest voraus, dass es sich um eine homogene, von der übrigen Belegschaft abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern handelt, bei der ein Bedarf nach eigenständiger Regelung aufgabenbezogener Sachverhalte besteht, und dass die eigenständige Interessenwahrnehmung die Belange der übrigen Belegschaft nicht tangiert.705 Im Einzelnen ist unklar, welche Organisationsformen hierunter fallen sollen, teilweise wird jede organisatorisch oder sonst abgrenzbare Mehrheit von Arbeitnehmern hierunter gefasst, gegenüber der der Arbeitgeber Leitungsfunktionen ausübt706, z. T. wird aber auch gefordert, dass die Gruppe über einen eigenständigen Handlungsspielraum und größere Selbstständigkeit verfügt.707 Unterschiedlich beurteilt wird auch, ob für die Annahme einer Arbeitsgruppe eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch gewollte und gezielte Zusammenarbeit erforderlich ist.708 Ob Arbeitnehmer eine Arbeitsgruppe bilden, hängt jedenfalls wesentlich von der Organisation der Arbeitsabläufe ab, wobei es sich um eine freie unternehmerische Gestaltung handelt.709 Im Übrigen ist Rechts700

GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 12; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 28 a Rn. 8. GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 11; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 82 f.; vgl. auch Rieble, ZIP 2001, 133 (142); vgl. ausf. Wedde, AuR 2002, 122 ff. 702 Vgl. zur Definition etwa ErfK-Eisemann, BetrVG § 28 a Rn. 3; F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 10 ff.; GK-Raab, BetrVG, § 28 Rn. 12; Thüsing in Richardi, BetrVG, § 28 a Rn. 8; Malottke, AiB 2001, 625 (626); Natzel, DB 2001, 1362; Wedde, AuR 2002, 122 (123). 703 Das sind nach der Legaldefinition solche, die im Rahmen des betrieblichen Ablaufs eine ihnen übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigen. 704 BT-Drs. 14/5741, S. 40. 705 GK-Raab, BetrVG, § 28 Rn. 12; ders., NZA 2002, 474 (476); Thüsing in Richardi, BetrVG, § 28 a Rn. 8; vgl. auch H/S/W/G-Glock, BetrVG, § 28 a Rn. 3. 706 Natzel, DB 2001, 1362; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 28 a Rn. 4; in diese Richtung auch F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 12. 707 D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 a Rn. 14, 20. 708 Dagegen: F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 12; dafür: D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 a Rn. 20. 709 Natzel, DB 2001, 1362; Raab, NZA 2002, 474 (476). 701

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sicherheit hinsichtlich der personellen Zusammensetzung der Gruppe mittels der in § 28 a BetrVG vorausgesetzten Rahmenvereinbarung zu erreichen.710 b) Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und Übertragungsbeschluss des Betriebsrats Die Übertragung von Kompetenzen bedarf gem. § 28 a I BetrVG des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung, mit der über das „Ob“ der Delegation entschieden wird, kann nach wohl h. M.711 nicht erzwungen werden, sondern ist nur auf freiwilliger Basis möglich. Das ist aus dem Fehlen einer gesetzlichen Formulierung zu schließen, wonach im Falle der Nichteinigung die Einigungsstelle entscheide.712 Über den notwendigen Inhalt einer solchen Vereinbarung nach § 28 a I BetrVG enthält das Gesetz keine Vorgaben. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich lediglich, dass festzulegen sei, welchen Arbeitsgruppen in welchem Umfang Aufgaben übertragen werden sollen.713 Die Rahmenvereinbarung legt lediglich die Grenzen fest, innerhalb derer eine Aufgabenübertragung durch den Betriebsrat erfolgen kann; die Aufgabenübertragung selbst bedarf eines zusätzlichen Übertragungsbeschlusses, wofür die Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder erforderlich ist.714 Die zu übertragenden Aufgaben müssen gem. Abs. 1 S. 2 im Zusammenhang mit den von der Arbeitsgruppe zu erledigenden Tätigkeiten stehen; beispielhaft für die Übertragung von Regelungsbefugnissen werden die für den vorliegenden Kontext relevante Arbeitszeit- und Pausengestaltung genannt.715 Es können nur solche Aufgaben übertragen werden, die ausschließlich die Arbeitnehmer der Gruppe betreffen, da der Betriebsrat sich anderenfalls seiner gesetzlichen Aufgabe, als Vertreter aller Arbeitnehmer für einen umfassenden Interessenausgleich zu sorgen, entziehen würde.716 710

Natzel, DB 2001, 1362; Raab, NZA 2002, 474 (476). F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 19; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 28 a Rn. 18; D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 a Rn. 24 m. w. N.; Däubler, AuR 2001, 285 (289); Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532 (537); Konzen, RdA 2001, 76 (85); Malottke, AiB 2001, 625 (626); Ivo Natzel, DB 2001, 1362 (1363); Thüsing, ZTR 2002, 3 (5 m. N. in Fn. 20); A. A. Löwisch, BB 2001, 1734 (1740), der, sofern keine sachlichen Gründe entgegenstehen, eine Verpflichtung zur Übertragung annimmt und mit § 75 II 2 BetrVG begründet; noch offen gelassen hatten dies dagegen Blanke/ Rose, RdA 2001, 92 (97); Däubler, AuR 2001, 1 (3). 712 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 19. 713 BT-Drs. 14/5741, S. 40. 714 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 14 ff., 20; Raab, NZA 2002, 474 (476). 715 BT-Drs. 14/5741, S. 40. 716 Raab, NZA 2002, 474 (478). 711

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Angesichts des Schweigens des Gesetzes werden zur Konkretisierung des notwendigen Inhalts einer Rahmenvereinbarung nach § 28 a BetrVG717 in der Literatur verschiedene Vorschläge gemacht: Eine Orientierung an den zu § 50 II 1 BetrVG entwickelten Grundsätzen lässt den Schluss zu, dass die genaue Bezeichnung des Delegatars und der delegierten Aufgabe, also etwa die Arbeitszeitgestaltung, ausreichen.718 Neben der erforderlichen präzisen Beschreibung der Aufgaben wird darüber hinaus die Aufnahme weiterer Regelungen in der Rahmenregelung vorgeschlagen, z. B. über die personelle Zusammensetzung der Gruppe und die Binnenorganisation, also darüber, wie sich die Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Gruppe vollziehen soll.719 Weitere Inhalte der Rahmenvereinbarung können sich auf die Rechtsstellung der Mitglieder der Arbeitsgruppe beziehen, die mangels einer gesetzlichen Regelung hinter der der Betriebsratsmitglieder zurückbleibt, so dass die Arbeitsgruppenmitglieder z. B. keinen Anspruch auf Freistellungen und Teilnahme an Schulungsveranstaltungen haben, keine Sachverständigen hinzuziehen können und keinen besonderen Kündigungsschutz genießen; es wird deshalb empfohlen, in einer Rahmenregelung derartige Rechte zu begründen.720 Empfohlen wird auch, dass sich der Betriebsrat Informationsrechte über den Gang der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Gruppe sowie Zustimmungsvorbehalte hinsichtlich der Gruppenvereinbarungen vorbehält.721 Weiterhin kann festgelegt werden, aus welchen Gründen der Betriebsrat von seinem Widerrufsrecht gem. Abs. 1 S. 4 soll Gebrauch machen können.722 Die Detailliertheit der Regelungen in der Rahmenvereinbarung obliegt der freien Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber723; von der Ausgestaltung der Rahmenvereinbarung hängt es letztlich ab, ob die Arbeitsgruppen tatsächlich der breiten Verankerung der Betriebsratsarbeit dienen oder ob sie vom Arbeitgeber genutzt werden, um am Betriebsrat vorbei Fakten und Vereinbarungen zu schaffen.724

717 Vgl. ausf. die vorgeschlagenen Inhalte einer Rahmenvereinbarung bei Wedde, AiB 2001, 630 ff. 718 Vgl. Richardi/Thüsing in Richardi, BetrVG, § 28 a Rn. 15; Thüsing, ZTR 2002, 3 (5); weitergehende Regelungsvorschläge aber bei Wedde, AiB 2001, 630 ff. 719 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 14; H/S/W/G-Glock, BetrVG, § 28 a Rn. 15, 17; GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 20; ders., NZA 2002, 474 (478); Wedde, AiB 2001, 630 (631 ff.). 720 Vgl. etwa Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 28 a Rn. 5; Malottke, AiB 2001, 625 (627); Natzel, DB 2001, 1362; Raab, NZA 2002, 474 (475); Wedde, AiB 2001, 630 (631). 721 Wedde, AiB 2001, 630 (635). 722 Natzel, DB 2001, 1362 (1363). 723 D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 a Rn. 29. 724 Malottke, AiB 2001, 625 (626).

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c) Gruppenvereinbarungen Besteht eine Rahmenvereinbarung und hat der Betriebsrat einen Übertragungsbeschluss gefasst, so können mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten gem. Abs. 2 S. 1 durch Gruppenvereinbarungen geregelt werden. Dabei handelt es sich um Vereinbarungen mit kollektivrechtlichem Charakter, denen unmittelbare und normative Wirkung zukommen kann.725 Sie bedürfen der qualifizierten Mehrheit der Stimmen der Gruppenmitglieder. Inhaltlich hat die Gruppe denselben Regelungsspielraum wie der Betriebsrat.726 Überwiegend wird davon ausgegangen, dass eine schriftliche Gruppenvereinbarung als speziellere Regelung Betriebsvereinbarungen zum gleichen Gegenstand vorgeht.727 Däubler728 hingegen hält die Frage für ungeregelt und fragt, ob beispielsweise einer Betriebsvereinbarung über Zeiterfassung auf Grundlage des § 87 I Nr. 6 BetrVG eine Vereinbarung zwischen Arbeitsgruppe und Arbeitgeber über Vertrauensarbeitszeit vorgeht, wenn die „Regelung der Arbeitszeit“ der Gruppe übertragen wurde. Ähnlich liegt der Fall, wenn die Gruppe Überstunden zustimmt, obwohl der Betriebsrat Neueinstellungen erreichen will und die Überstunden daher ablehnt.729 Allerdings scheint hier nur ein theoretisches Problem zu liegen. Hält es nämlich der Betriebsrat für geboten, kann er die Delegation widerrufen (§ 28 a I 4 BetrVG) und die Gruppenvereinbarung kündigen730. Somit steht es in seinem Ermessen, ob eine Gruppenvereinbarung über einen durch Betriebsvereinbarung bereits geregelten Gegenstand bestehen kann oder nicht. d) Beendigung der Zuständigkeit der Arbeitsgruppe Wie soeben erwähnt, kann der Betriebsrat den mit qualifizierter Mehrheit getroffenen Übertragungsbeschluss nach § 28 I S. 4 BetrVG in gleicher Form widerrufen, so dass die Rechte wieder auf ihn zurückfallen. Er kann dann auch von der Arbeitsgruppe abgeschlossene Vereinbarungen kündigen.731 Dieses „Rückholrecht“ der Betriebsräte kann zum einen ihre Bereitschaft fördern, ei-

725

Reg. Begr., BT-Drs. 14/5741, S. 40. F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 31. 727 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 34; Neef, NZA 2001, 361 (363); Raab, NZA 2002, 474 (481); nach Ansicht Däublers ist das Verhältnis zwischen Gruppen- und Betriebsvereinbarung im Konfliktfall nicht geklärt, AuR 2001, 1 (3); a. A. Malottke, AiB 2001, 625 (627). 728 AiB 2001, 379 (383). 729 Malottke, AiB 2001, 625 (627), die eine Lösung über die Rahmenregelung vorschlägt, indem diese dem Betriebsrat ein Widerspruchsrecht gegenüber einer Gruppenvereinbarung gewährt. 730 Dazu sogleich. 731 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 27; GK-Raab, BetrVG, § 28 a BetrVG; Engels/ Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532 (537); Natzel, DB 2001, 1362 (1363). 726

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gene Mitbestimmungsbefugnisse überhaupt abzugeben, es kann ferner als Mechanismus der Konfliktlösung für den Fall dienen, dass Streit über die Vereinbarkeit der Gruppenvereinbarung mit der Rahmenvereinbarung und über ihren Vorrang im Verhältnis zu den ansonsten geltenden, allgemeinen Betriebsvereinbarungen besteht.732 Durch die Möglichkeit des Betriebsrats, die delegierten Beteiligungsrechte jederzeit durch Widerruf der Übertragung gem. § 28 a I 4 BetrVG und Kündigung der Gruppenvereinbarung wieder an sich ziehen733, sollte gewährleistet werden, dass die Funktion des Betriebsrats als einheitliche Interessenvertretung erhalten bleibt.734 Außer durch den Widerruf der Übertragung kann die Zuständigkeit in der delegierten Aufgabe auch kraft Gesetzes wieder auf den Betriebsrat zurückfallen, wenn die organisatorischen Voraussetzungen der Arbeitsgruppe oder die erforderliche Betriebsgröße nicht mehr gegeben sind oder die Rahmenregelung gekündigt wurde. Darüber hinaus sieht § 28 a II 3 BetrVG die Zuständigkeit des Betriebsrats für eine Regelungsfrage vor, wenn zwischen Arbeitgeber und der Gruppe keine Einigung erzielt wird. Dabei wird nicht die Übertragung als solche beendet, sondern nur die Zuständigkeit in dieser konkreten Frage geändert.735 e) Zusammenfassung und Bewertung Im Einzelnen ist hier vieles ungeklärt. Für den vorliegenden Kontext ergibt sich jedoch, dass es keinen unzulässigen Verzicht, sondern eine zulässige Delegation darstellt, wenn die Ausübung des Mitbestimmungsrechts gem. § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG entsprechend den Voraussetzungen des § 28 a I BetrVG auf die Gruppe übertragen wird. Liegen Rahmenvereinbarung und Übertragungsbeschluss und die übrigen Voraussetzungen des § 28 a BetrVG vor, ist Träger des übertragenen Beteiligungsrechts nicht mehr der Betriebsrat, sondern die Gruppe.736 Nach Abs. 2 kann nunmehr als Vertragspartner des Arbeitgebers die Gruppe Vereinbarungen schließen, denen aufgrund des Verweises auf § 77 BetrVG in § 28 a II 2 BetrVG dieselbe rechtliche Wirkung wie Betriebsvereinbarungen zukommt. Da nach der Konzeption des § 28 a BetrVG durch die Delegation nicht mehr der Betriebsrat, sondern die Arbeitsgruppe Träger von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten wird737, muss eine Rahmenregelung i. S. d. § 28 a BetrVG 732

Blanke/Rose, RdA 2001, 92 (97). Vgl. etwa GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 34, 52, 55; Engels/Trebinger/LöhrSteinhaus, DB 2001, 532 (537). 734 Vgl. BT-Drs. 14/5741, S. 29 f. 735 Raab, NZA 2002, 474 (479). 736 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 6. 733

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keine inhaltlichen Vorgaben zur Ausübung des Mitbestimmungsrechts treffen. Die gesetzliche Regelung enthält aber selbst Mechanismen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Zuständigkeit in den übertragenen Angelegenheiten wieder auf den Betriebsrat zurückfallen kann. Die Norm ermöglicht somit z. B. für abgrenzbare Außendienstorganisationen, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen738 arbeitsplatznahe Arbeitszeitregelungen. Kritik739 hat die Neuregelung sowohl von denjenigen Autoren erfahren, die dennoch die Schutzfunktion des Betriebsrats in Frage gestellt sehen, als auch von jenen, nach deren Ansicht die Partizipationsmöglichkeiten des Einzelnen nicht weit genug verwirklicht wurden. So macht z. B. Rieble darauf aufmerksam, dass zwar mit der BetrVG-Novelle der Trend der Individualisierung aufgegriffen werden sollte, dass aber der Wunsch nach kollektiver Herrschaft bei der Ausgestaltung des § 28 a BetrVG Vorrang habe vor den Individualinteressen der Arbeitnehmer. Er kritisiert, dass die Freiheit vom Betriebsrat nur im Kollektiv bestehen könne, dem Individuum aber nicht gewährt werde.740 Ebenso beurteilt Picker741 die Vorschrift als die Eigeninitiative und Kreativität hemmend, weil insoweit die Entscheidungsbefugnis wieder nur auf ein Kollektiv übertragen werde. Es wurde darauf hingewiesen, dass in den Gesetzentwürfen die Befürchtung erkennbar sei, dass die betriebsweite Ausgleichs- und Gerechtigkeitsfunktion der kollektiven Mitbestimmung durch die Stärkung von Partikularinteressen in Gestalt gestärkter Gruppen-Partizipation unterlaufen werden könnte. Daher sei durch die Neuregelung das duale System der Interessenvertretung im Arbeitsrecht wohl auch nur ansatzweise um einen dritten Zweig, die sog. direkte Partizipation, erweitert worden.742 Dagegen macht Däubler auf die Gefahr aufmerksam, dass der Betriebsrat in bestimmten Bereichen „abdankt“ und dass z. B. Regelungen über Vertrauensarbeitzeit allein den Verhandlungen zwischen Technikergruppe und Arbeitgeber überlassen blieben.743 737

F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a Rn. 6. Vgl. etwa Däubler, AuR 2001, 285 (289); D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 a Rn. 16. 739 Weiteres Problem der Neuregelung ist die fehlende Legitimation von Gruppenvereinbarungen: Gruppenvereinbarungen können aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses zustande kommen und der so überstimmten Minderheit Pflichten auferlegen, ohne dass dies durch einen Wahlakt demokratisch legitimiert wäre, vgl. Däubler, AiB 2001, 379 (383); Wendeling-Schröder, NZA 2001, 357 (359). Dem ließe sich dadurch begegnen, dass man in Fällen belastender Regelungen einen einstimmigen Beschluss fordert, so Raab, NZA 2002, 474 (481). 740 Rieble, ZIP 2001, 133 (142). 741 RdA 2001, 257 (269). 742 Blanke/Rose, RdA 2001, 92 (97). 743 Däubler, DB 2001, 1 (3). 738

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Die Regelung mag also Forderungen nach mehr Autonomie und Eigenständigkeit zumindest ansatzweise gerecht werden. Sie stellt sich aber als weniger geeignet dar, wenn es darum geht, Arbeitnehmerschutz durch Mitbestimmung zu verwirklichen. Vielmehr bietet sie eine Grundlage dafür, die Verhandlungskompetenz weiter zu dezentralisieren. Der Nutzen des Rechts des Betriebsrats, grundsätzlich744 jederzeit durch Widerruf der Übertragung das Mitbestimmungsrecht wieder an sich zu ziehen, hängt davon ab, ob der Betriebsrat in der Praxis Informationen über mögliche Fehlverläufe erhält. Derartige Informationsrechte müssten in der Rahmenregelung vorgesehen werden, zwingend ist dies für die gesetzliche Möglichkeit der Delegation aber nicht. 2. Verhältnis des § 28 a BetrVG zu bisherigen „Delegations“-möglichkeiten Angesichts dieser Neuregelung wurde also die Frage aufgeworfen, ob die „bislang von der Rechtsprechung anerkannten Möglichkeiten der Delegation von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zulässig bleiben sollen oder ob künftig ausschließlich nach § 28 a BetrVG verfahren werden muss.“745 Wenig hilfreich ist dabei die Aussage, der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Norm „den Gedanken einer Rechtsprechung (aufgegriffen), nach der die Betriebsparteien in Rahmenvereinbarungen [. . .] mitbestimmungspflichtige Befugnisse dem Arbeitgeber zur Alleinentscheidung (übertragen können)“746. Nach Auffassung von Franzen747 sprechen § 75 II 2 BetrVG und das Schweigen des Gesetzgebers zur bisherigen Rechtslage dafür, die nach bisherigem Recht zulässigen Delegationsmöglichkeiten unangetastet zu lassen. Dem wird von anderen jedenfalls insoweit gefolgt, als es für Betriebe mit bis zu 100 Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen des § 28 a BetrVG nicht erfüllen, bei der alten Rechtslage bleibe.748 In der Tat spricht einiges dafür, die zu Dauerbetriebsvereinbarungen entwickelten Grundsätze auch weiterhin anzuwenden. Denn die gesetzliche Neuregelung sollte den Bedürfnissen der Praxis nach mehr unmittelbarer Beteiligung Rechnung tragen749; damit wäre es aber kaum vereinbar, wenn bestehende Möglichkeiten von Entscheidungsdelegationen nicht mehr anzuwenden wären. 744 Es soll aber bei der Ausübung die Förderpflicht des § 75 II 2 BetrVG zu beachten sein, vgl. Ivo Natzel, DB 2001, 1362 (1363); Raab, NZA 2002, 474 (479). 745 Vgl. etwa Franzen, ZfA 2001, 423 (436 f.). 746 Ivo Natzel, ZfA 2003, 103 (122). 747 ZfA 2001, 423 (436 f.). 748 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 39; nicht ganz eindeutig insoweit Blanke, RdA 2003, 140 (146 f., 153: Arbeitsgruppen in Betrieben mit bis zu 100 Arbeitnehmern bleiben „in regulatorischer Hinsicht in Unselbstständigkeit gefesselt“; ihnen können keine Verhandlungs- und Regelungsbefugnisse übertragen werden).

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3. Parallele zu Dauerbetriebsvereinbarung Sofern die Voraussetzungen für eine echte Delegation nach § 28 a BetrVG nicht vorliegen, aber Arbeitnehmern in Form einer Vertrauensarbeitszeitregelung dennoch Entscheidungsbefugnisse über die Lage ihrer Arbeitszeit eingeräumt werden sollen, stellt sich die Frage, welche inhaltlichen Anforderungen in dieser Situation an eine Rahmenregelung zu stellen sind, insbesondere, ob die für eine Rahmenvereinbarung nach § 28 a BetrVG herausgearbeiteten Mindestinhalte, konkrete Benennung der zu übertragenden Aufgabe und der mit der Wahrnehmung der Beauftragung betrauten Gruppe, auch hier ausreichen würden. Eine analoge Anwendung des § 28 a BetrVG im Fall der Vertrauensarbeitszeit kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Diese liegt nur bei Fehlen einer nach Regelungsplan oder Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regel vor, also bei planwidriger Unvollständigkeit des Gesetzes.750 Da in der BetrVG-Novelle nur die Entscheidungsdelegation auf ein kollektives Gremium geregelt werden sollte, war eine Regelung über die Entscheidungsdelegation auf Einzelne und damit die Übertragung von Regelungsbefugnissen auf die individualvertragliche Ebene nicht zu erwarten. Der ausdrückliche Verweis auf § 77 in § 28 a II 2 BetrVG und die Aussage in der Regierungsbegründung751, dass die Gruppenvereinbarungen kollektivrechtlichen Charakter haben, verdeutlichen das. Es ist mithin auf den entscheidenden Unterschied zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten nach bisheriger Rechtslage und nach § 28 a BetrVG hinzuweisen. Zwar ist in beiden Fällen der Abschluss einer Rahmenvereinbarung erforderlich. Der Unterschied zwischen § 28 a BetrVG und einer Übertragung der Arbeitszeitplanung im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit besteht aber darin, dass bei Letzter der Betriebsrat die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst gestalten muss, während im Rahmen des § 28 a BetrVG dies der Gruppe übertragen werden kann.752 Darin liegt eine echte Delegation auf die Gruppe, weshalb es sich bei § 28 a BetrVG um ein echtes Novum handelt.753 Bei der Regelung mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten durch Gruppenvereinbarungen handelt es sich um Vereinbarungen mit kollektivrechtlichem Charakter, denen selbst unmittelbare und normative Wirkung zukommen kann.754 Die Rahmenvereinbarung gem. § 28 a I BetrVG ist Voraussetzung für die Übertragung 749 750 751 752 753 754

BT-Drs. 14/1541, S. 40. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194 f. BT-Drs. 14/5741, S. 40. Vgl. Raab, NZA 2002, 474. Raab, NZA 2002, 474; Thüsing, ZTR 2002, 3. BT-Drs. 14/5741, S. 40.

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der Normsetzungsbefugnis. Sie ist – anders als bei den schon zuvor zulässigen Dauerbetriebsvereinbarungen – nicht selbst Normsetzung in Ausübung von Mitbestimmungsrechten, sondern Ermächtigungsgrundlage und Voraussetzung für die Übertragung von Mitbestimmungsbefugnissen.755 Im Gegensatz zu einer Betriebsvereinbarung, in der die Mitbestimmung durch den Betriebsrat selbst erfolgt, entfällt mit einer wirksamen Übertragung von Aufgaben auf die Arbeitsgruppe die Zuständigkeit des Betriebsrats für die betreffende Angelegenheit und er kann die Beschlüsse der Gruppe auch nicht ohne Widerruf abändern oder aufheben.756 Konstruktiv besteht also ein Unterschied zwischen der Übertragung von Mitbestimmungsrechten auf eine Arbeitnehmergruppe gem. § 28 a BetrVG einerseits und der Ausübung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat selbst andererseits, wobei Letzteres grundsätzlich auch in Form von sog. Dauer- oder Rahmenregelungen erfolgen kann. Dies muss sich auch im Inhalt der Vereinbarung widerspiegeln. Vorliegend kann es also nur um eine Rahmenregelung gehen, mit der die Ausübung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat selbst erfolgt. Wie erwähnt, sind die von der Rechtsprechung angewendeten Grundsätze über die Anforderungen an eine mitbestimmte Regelung bei den Dauer- oder Rahmenregelungen im Kontext der Übertragung einseitiger Gestaltungsbefugnisse auf den Arbeitgeber oder paritätische Kommissionen757 entwickelt worden. Dabei galt, dass die Übertragung von Befugnissen nur Teil einer Verfahrensregelung sein durfte.758 So wurde z. B. für die Ermächtigung des Arbeitgebers zu einseitiger Überstundenanordnung eine vorsorgliche Regelung für erforderlich gehalten, in der künftige Überstundeneinsätze der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und ihres Umfangs vorstrukturiert waren. Die dem Arbeitgeber eingeräumten Befugnisse mussten Teil einer mitbestimmten Entscheidung und mit Rücksicht auf besondere Umstände geboten sein.759 Ob die gleichen (hohen) 755

Vgl. GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 15; Thüsing, ZTR 2002, 3 (5). GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 33, dieser Schluss wird aus § 28 a II 3 BetrVG gezogen. 757 Vgl. Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (404). 758 BAG v. 17.11.1998 AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 759 BAG AP Nr. 6, 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979; LAG Köln v. 3.8.2000 AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Es musste jeweils geregelt worden sein, ob, ggf. unter welchen Voraussetzungen, in welcher Weise und in welchem Umfang Arbeitnehmer zu Überstunden herangezogen werden. Die Zulässigkeit eines einseitigen Anordnungsrechts des Arbeitgebers hing davon ab, dass es Teil einer mitbestimmten Entscheidung war und nur mit Rücksicht auf besondere Umstände eine kurzfristige Übergangslösung schaffen sollte; vgl. auch BAG v. 3.6.2003 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, wonach es für die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts ausreicht, wenn eine Betriebsvereinbarung zwar keine Voraussetzungen für die Anordnung von Überstunden im Einzelfall aufstellt, 756

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Anforderungen an eine Regelung zu stellen sind, wenn nun nicht mehr dem Arbeitgeber, sondern den Arbeitnehmern – mit dem Recht zur selbstständigen Arbeitszeiteinteilung – Entscheidungsbefugnisse in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten eingeräumt werden, ist nachfolgend zu klären. a) Übertragung von Befugnissen auf Arbeitnehmergruppen vor Inkrafttreten des § 28 a BetrVG Die sinngemäße Anwendung der Grundsätze zu Dauerregelungen wurde jedenfalls vor Inkrafttreten des § 28 a BetrVG für den Fall der Gruppenarbeit vertreten, wenn mitbestimmungspflichtige Fragen von den Arbeitnehmern selbst geregelt werden sollen. Auch wenn eine entsprechende Regelung Rechte nicht auf den Arbeitgeber, sondern auf Arbeitnehmer übertrage, dürfe das Mitbestimmungsrecht nicht in seiner Substanz verletzt werden und müsse der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht so ausüben, dass nur noch der Vollzug der Vereinbarung den Arbeitnehmern der Gruppe überlassen bleibt. Teilweise wurde jedenfalls dann in einer solchen Vereinbarung kein unzulässiger Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht gesehen, wenn der Betriebsrat auch über diesen Vollzug vorab zu informieren sei und im Konfliktfall sein Mitbestimmungsrecht ausübt.760 Für wesentlich wurde mithin erachtet, ob bei einer Rahmenregelung die Normausfüllung allein auf die Gruppe übertragen wurde oder ob eine Auffangregelung für den Nichteinigungsfall bestand und die Betriebsparteien in diesem Fall selbst entscheiden konnten.761 Die Möglichkeit einer Entscheidungskompetenz des Betriebsrats im Konfliktfall setzt aber voraus, dass durch eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf eine Arbeitnehmergruppe die Mitbestimmungsrechte nach § 87 I BetrVG nicht „verbraucht“ wurden, sondern ungeschmälert fortbestehen, was allerdings – zumindest vor Erlass des § 28 a BetrVG762 – nicht unumstritten war.763 So wurde beispielsweise geäußert, dass die Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit einem sachkundiaber detaillierte Regelungen über Umfang und Verteilung der vom Arbeitgeber einseitig anzuordnenden Überstunden enthält. 760 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 39; Kreßel, RdA 1994, 23 (30); krit. Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (406 f.). 761 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (405 f.). 762 Gem. § 28 a II 3 BetrVG fällt das Beteiligungsrecht nur an den Betriebsrat zurück, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitsgruppe nicht einigen; vgl. BT-Drs. 14/5741, S. 40. Soweit die Aufgaben übertragen worden sind, werden diese von der Arbeitsgruppe in eigener Verantwortung wahrgenommen. Es gibt daneben auch keine fortbestehende konkurrierende Zuständigkeit des Betriebsrats. Eine Angelegenheit kann er nur dann selbst regeln, wenn er von seinem Widerrufsrecht aus § 28 a I 4 BetrVG Gebrauch gemacht hat, F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 a BetrVG; Raab, NZA 2002, 474 (475); vgl. auch GK-Raab, BetrVG, § 28 a Rn. 33. 763 Dafür Kreßel, RdA 1994, 23 (30); Rüthers, ZfA 1977, 1 (16); nicht ganz eindeutig Herlitzius, Lean Production, S. 43, 66: „Wie weit diese Zurückhaltung des Be-

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gen Dritten übertragen werden könne, weil sie damit auf der gleichberechtigten Mitwirkung beider Betriebspartner beruhe, eine Kontrolle gem. §§ 317 I; 319 I BGB möglich sei und für den Fall, dass die gefundene Regelung offenbar unbillig sei, das Mitbestimmungsverfahren bzgl. der delegierten Punkte wiederauflebe.764 Dem kann so nicht gefolgt werden. Zu Recht hat Trümner765 darauf hingewiesen, dass eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der vorherigen Zustimmung bedarf, so dass schon die Entscheidungsdelegation selbst als die vorherige Mitbestimmungsausübung zu gelten hat und das Mitbestimmungsrecht für die „delegierten“ Fälle verbraucht.766 Diese Konsequenz wurde auch deutlich in den oben referierten Entscheidungen zur Jahresarbeitszeit und dem durchschnittlichen Dienstende bei Postzustellern.767 Folgerichtig hat Trümner768 bereits vor Inkrafttreten des § 28 a BetrVG Bedenken gegen die Delegation einer bloß normausfüllenden Entscheidungskompetenz auf Arbeitnehmergruppen geäußert. Da das BetrVG als zweiseitig zwingendes Organisationsgesetz den Betriebspartnern auf der Grundlage von Art. 74 Nr. 12 GG Normsetzungsbefugnisse verliehen hat, aber keine entsprechende betriebsverfassungsrechtliche Ermächtigung zur Delegation normausfüllender Kompetenzen enthielt769, durfte nach seiner Auffassung die Rechtsetzung unterhalb der delegierenden Betriebsvereinbarung nur noch schlichten Normvollzug beinhalten und dem Delegat einer Betriebsvereinbarung kein Regelungsermessen eingeräumt werden, was den oben erwähnten Grundsätzen des Art. 80 GG und der Wesentlichkeitstheorie entspricht.770 Das schließt aber nicht aus, als Bestandteil der Regelung einen Rahmen für Entscheidungen der Arbeitnehmer zu eröffnen und gleichzeitig dem Betriebsrat in der Regelung ausdrücklich die Ausübung des Mitbestimmungsrechts für den Konfliktfall vorzubehalten. Dabei würde es sich auch nicht notwendig um die Erteilung einer (nachträglichen) Genehmigung handeln771, sondern um eine untriebsrates im Einzelnen gehen darf, [. . .], inwieweit auch Gruppenentscheidungen noch seiner Mitbestimmung unterliegen, [. . .] wird . . . zu entwickeln sein.“ 764 So W. Moll, Anm. zu BAG v. 4.5.1982 AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung. 765 FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (407 f.). 766 Vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 6; Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 158; Henssler, FS Hanau, S. 413 (432). 767 BAG v. 11.12.2001, 23.3.1999 AP Nr. 93, 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 768 FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (409). 769 Die Aussage galt für die Rechtslage vor der Novellierung und Einführung des § 28 a BetrVG. 770 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (409 f.); mit Bezug auf Richardi, BetrVG, (7. Aufl.) § 77 Rn. 67. 771 So aber wohl Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (407).

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ter Vorbehalt gestellte Zustimmung.772 Dies deckt sich mit der Auffassung, wonach die Betriebsparteien bei Dauerbetriebsvereinbarungen über mitbestimmungspflichtige Tatbestände die beim Vollzug notwendigen Einzelentscheidungen im sog. sekundären Regelungsbereich773 weiterhin als mitbestimmungspflichtige Angelegenheit behandeln können.774 Für die Möglichkeit einer Zustimmung unter Vorbehalt lässt sich auch die gesetzliche Konzeption des § 28 a II 3 BetrVG anführen, nach der im Konfliktfall der Betriebsrat zuständig bleibt oder die Übertragung widerrufen kann. b) Vergleichbare Argumentation bei Delegation auf Einzelne Vorstehende Ausführungen beziehen sich allerdings auf Arbeitsgruppen, betreffen jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer völlig selbstständig über seine Arbeitszeit soll disponieren können. Fraglich ist, ob für eine solche Konstellation ebenfalls die Parallele zu Dauerbetriebsvereinbarungen zu ziehen ist. Die bei Dauerbetriebsvereinbarungen geforderte „Regelung“ soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Schutzfunktion des Mitbestimmungsrechts sowohl bei der Festlegung allgemeiner Voraussetzungen als auch im Rahmen des Vollzugs eingreift775. Nach einer Aussage Trümners776 kann dem einzelnen Arbeitnehmer innerhalb eines Rahmens Raum für individuelle Entscheidungen gegeben werden. Daraus ist zu schließen, dass er die Zulässigkeit einer solchen – Selbstbestimmung ermöglichenden – Variante vom Vorliegen einer mitbestimmten Rahmenregelung und einer Auffanglösung777 für den Fall der Nichteinigung abhängig zu machen scheint.778 D. Neumann779 spricht von der Ausübung der Mitbestimmungsrechte „in durchaus sachgerechter Weise“ zu Gunsten der Arbeitnehmer, nicht aber von 772

Vgl. dazu unten B. II. 2. d) bb) (2) (a) (bb) (b); (b) und (3). Vgl. dazu unten B. I. 774 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (23). 775 Vgl. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 39. 776 Vgl. FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (405). 777 I. S. e. eines Systems festliegender Arbeitszeiten, in das die Arbeitnehmer „zurückwechseln“ können; Trümner, ebd. 778 Vgl. Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (406). 779 D. Neumann, RdA 1971, 106 (107): „Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates soll die Interessen und Rechte der Arbeitnehmer wahren und dem Arbeitgeber gegenüber zur Geltung bringen. Der Betriebsrat kann dann von diesem Recht auch in der Weise Gebrauch machen, dass er die Festlegung im Einzelfall dem zu schützenden Arbeitnehmer selbst überlässt. Ein besserer Schutz individueller Interessen ist kaum möglich, so dass in einer solchen Regelung kein Verzicht auf die Mitbestimmung, sondern deren Ausübung in durchaus sachgerechter Weise liegt.“ 773

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deren Verzicht, wenn die Betriebspartner nur Rahmenvorschriften festlegen und es dem einzelnen Arbeitnehmer gestattet wird, an einzelnen Tagen verschieden lange zu arbeiten und die Arbeitszeit innerhalb der vorgeschriebenen Fristen wieder auszugleichen. Durch die Ausübung des Mitbestimmungsrechts bzgl. der Lage der Arbeitszeit in der Weise, dass die Betriebspartner sich darauf einigten, Beginn und Ende der Arbeitszeit variabel zu gestalten, werde zu Gunsten der Arbeitnehmer eine zulässige Öffnungsklausel geschaffen. Wenn der Arbeitgeber zu einseitigen Maßnahmen ermächtigt werden dürfe, so müsse erst recht der Arbeitnehmer innerhalb vorgeschriebener Grenzen seine Arbeitszeit festlegen können. Insoweit sei die Lage vergleichbar mit der der Reisenden im Angestelltenverhältnis oder anderer Außendienstmitarbeiter, die schon immer die Zeit ihrer Arbeitsleistung selbst bestimmen konnten.780 Betont wird aber immer wieder, dass sich die durch den Arbeitnehmer selbst bestimmte Veränderlichkeit der Arbeitszeit in gewissen Grenzen bewegen muss. Wie eng diese Grenzen sein sollen, v. a. ob sie weiter sein können als bei einer Übertragung von Befugnissen auf den Arbeitgeber oder auf Arbeitsgruppen, wird zwar nicht ausdrücklich beantwortet, dürfte aber aufgrund des Argumentationszusammenhanges anzunehmen sein. Der Rechtsprechung sind in Bezug auf selbstbestimmte Arbeitszeiten ebenfalls keine Anhaltspunkte für Restriktionen zu entnehmen.781 Eine Differenzierung zwischen der Arbeitszeitsouveränität einer Gruppe und der des einzelnen Arbeitnehmers – mit der Folge geringerer Anforderungen an eine Rahmenregelung für den letzten Fall – ließe sich allenfalls damit begründen, dass Entscheidungen der Gruppe wie solche des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer Fremdbestimmung bedeuteten, während im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit die Zeiteinteilung von jedem Arbeitnehmer selbstbestimmt vorgenommen werden könnte und es sich daher um mitbestimmungsfreie Einzelfallentscheidungen handelte. Eine solche Unterscheidung lässt sich Ausführungen Trümners782 entnehmen, wonach eine Gruppenentscheidung letztlich Ausübung der Organisationsgewalt des Arbeitgebers sei783, bei der das Individualinteresse des einzelnen Arbeitnehmers hinter das Gruppeninteresse zurückgestellt werde. Dagegen werde bei der Einräumung eines Wahlrechts für den Arbeitnehmer zwischen mehreren Alternativen die Direktionsgewalt dem Arbeitgeber entzogen. 780 Die Frage, ob und wie sich die Arbeitszeitdauer bestimmen und kontrollieren lasse, sei von der Zulässigkeit einer solchen Regelung unabhängig; D. Neumann, RdA 1971, 106 (107). 781 Vgl. BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 782 FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (405, 410). 783 Vgl. auch Elert, Gruppenarbeit, S. 88 ff.; Rüthers, ZfA 1977, 1 (12 ff.); Trümner, FS Däubler, S. 295 (303); LAG Köln NZA 1997, 260.

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Sofern an die Stelle der Arbeitgeberweisungen Gruppenentscheidungen784 treten, die Gruppenleitung also auch Weisungen anstelle des Arbeitgebers erteilen kann,785 mag zwar in höherem Maße Fremdbestimmung anzunehmen sein als bei Arbeitszeitsouveränität des Einzelnen. Hat aber der Arbeitnehmer bei freier Zeiteinteilung, d.h. bei Modellen ohne Kernzeit, die „betrieblichen Belange“ zu berücksichtigen, besteht die Gefahr, dass von der Selbstbestimmung nicht mehr viel übrig bleibt. Ist er verpflichtet, bei der Arbeitszeitgestaltung die betrieblichen Bedürfnisse vor seine privaten Interessen zu stellen, wird die „Fremdbestimmung“ vermittelt durch eben dieses betriebliche Bedürfnis. Denn die betrieblichen Belange sind durch die Arbeitsmenge und die Personaldichte determiniert, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat.786 Deshalb kann man gegen das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts nicht einwenden, es handele sich bei der individuellen Arbeitszeitgestaltung des Einzelnen zwangsläufig um eine Einzelfallentscheidung.787 Denn mitbestimmungsfreie Einzelfälle liegen nur vor, wenn die Maßnahme an die Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses anknüpft und nicht arbeitsplatzbezogen – und von der Person des jeweils dort Tätigen unabhängig – ist.788 Im Gegensatz zu traditionellen Gleitzeitsystemen wird bei Vertrauensarbeitszeit durch den Verzicht auf Kernzeit und Gleitrahmen sowie die Verpflichtung der Arbeitnehmer auf betriebliche Interessen auch die individuelle Entscheidung über die Arbeitszeitlage aus der ausschließlich individuellen Sphäre heraus in einen kollektiven Kontext gehoben. Die für die Arbeitnehmer bestehende Möglichkeit, innerhalb eines definierten Gleitrahmens frei nach individuellen Bedürfnissen zu entscheiden, besteht bei Vertrauensarbeitszeit gerade nicht. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die Arbeitszeiteinteilung entsprechend den betrieblichen Bedürfnissen auf einem konkreten Arbeitsplatz dem jeweils dort Tätigen faktisch keine Spielräume für individuelle Entscheidungen belässt. Da die Entscheidung über die Arbeitszeitlage in flexiblen Modellen eben auch immer die Betriebsinteressen berücksichtigen muss, ist eine Entscheidung in „Einsamkeit und Freiheit“ selbst dann nicht möglich, wenn ein Arbeitszeitsystem individuelle Optionen eröffnet.789 Raum für eine ausschließlich an den individuellen Arbeitnehmerinteressen orientierte Arbeitszeitgestaltung und damit für mitbestim784 Rüthers, ZfA 1977, 1 (14) spricht davon, dass die Gruppe Gruppenmacht und vom Arbeitgeber eingeräumte Leitungsmacht ausübe. 785 Rüthers, ZfA 1977, 1 (14, 15). 786 Eine Argumentation, die sich darauf stützt, dass „der Arbeitgeber keine Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit machen will“ bezeichnet Hamm als „tatsächlich nur vordergründig, da er deren Umfang selbstverständlich weiterhin über die Arbeitsbemessung, die Zuteilung von Aufgaben und den Zuschnitt von Projekten wesentlich beeinflusst“, vgl. Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 82. 787 So aber wohl Heinze, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309 (325). 788 Vgl. Butzke, BB 1997, 2269 (2271). 789 Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (401).

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mungsfreie Einzelfallentscheidungen ist „nach den betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen flexibler Arbeitszeitverträge allenfalls in ganz geringem Umfang“ denkbar.790 Gegen die Annahme echter Selbstbestimmung spricht außerdem die Tatsache, dass sich zeitliche Weisungen praktisch nicht vollständig ausschließen lassen dürften. Wie in Kapitel 1 dargelegt, steht dem Arbeitgeber zur Ausübung seiner Leitungsmacht neben der Weisung als Mittel der Fremdbestimmung auch die Möglichkeit zur Verfügung, Freiräume der Selbstbestimmung zu eröffnen, was durch Setzung von Zielen und Vorgaben geschieht. Besonders enge Vorgaben und die damit verbundene Beschränkung der Selbstbestimmung kann sich als Fremdbestimmung und somit ggf. als konkludente Weisung darstellen, obwohl Weisungen in Bezug auf die Arbeitszeit durch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit gerade ausgeschlossen werden sollen. Vor diesem Hintergrund hat Haug791 darauf aufmerksam gemacht, dass das herkömmliche Verständnis vom Direktionsrecht zu eng sei, wenn im Rahmen moderner Managementformen hierarchische Strukturen aufgebrochen und die Umsetzungsentscheidungen unternehmerischer Vorgaben nicht mehr „von oben“ vorgegeben werden. Weil sich Weisungsbefugnisse von der Kompetenz für Planungsentscheidungen und Zieldefinitionen nicht trennen ließen und Interessenkonflikte sich im Unternehmen aus Gestaltung, Organisation und Dynamik der betrieblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergeben können, müsse die Frage nach der Gestaltung von Direktionsbefugnissen immer im Zusammenhang mit der Kompetenz zu ihrer Durchsetzung betrachtet und behandelt werden.792 Ohne dass hier aufgrund dieses Befundes einer umfassenden Unternehmensmitbestimmung und dem Prinzip der zweiseitigen Direktion das Wort geredet werden soll793, lässt sich jedenfalls aus den Ausführungen ein Argument dafür gewinnen, dass an eine Betriebsvereinbarung keine geringeren Anforderungen gestellt werden dürfen, wenn der Arbeitgeber durch Zuweisung der Arbeitsmenge den Arbeitsbedarf beeinflusst794 und der Arbeitnehmer selbst entscheidet, ob und wann er seine tägliche regelmäßige Arbeitszeit überschreitet. Denn auch wenn hier nicht der Arbeitgeber zu einseitigen Maßnahmen ermächtigt werden soll, besteht in dieser Konstellation indirekt und vermittelt über das Arbeitspensum die Gefahr einseitiger Arbeitgeberentscheidungen.795 Dieser Zusammenhang kommt z. B. auch zum Ausdruck in der Entscheidung des BAG796 790 791 792 793 794 795 796

So auch Braunert, Schranken, S. 46 f. Haug, Direktion, S. 101 ff. Haug, Direktion, S. 104. So aber Haug, Direktion, S. 176 ff. Vgl. auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 214. Vgl. auch Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 214. V. 23.3.1999 AP Nr. 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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zur Nichteinhaltung des dienstplanmäßigen Arbeitszeitendes bei Postzustellern und mitbestimmungspflichtiger Überstundenarbeit.797 4. Zwischenergebnis Vorstehende Ausführungen sollten verdeutlichen, dass der Arbeitnehmer im abhängigen Arbeitsverhältnis stets einer gewissen Fremdbestimmung ausgesetzt ist. Sie herrscht nicht nur dann, wenn die Arbeitszeitgestaltung auf einer Gruppenentscheidung oder einer direkten Anordnung des Arbeitgebers beruht, sondern kann auch bei im Übrigen autonomer Entscheidung in Folge einer vorgegebenen Arbeitsorganisation gegeben sein. Es wäre außerdem widersprüchlich, zwar die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Angelegenheit ungeachtet der Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber anzunehmen, andererseits aber den konkreten Fall unter Hinweis auf mangelnde Schutzwürdigkeit anders zu behandeln. Denn Umstände, die das Bestehen gesetzlicher Befugnisse nicht hindern, können die Einschränkung derselben zumindest dann nicht rechtfertigen, wenn dem Betriebsrat als dem betroffenen Entscheidungsträger die Dispositionsbefugnis über die gesetzliche Reichweite seiner Mitbestimmungsrechte fehlt.798 In dem Fall, dass dem einzelnen Arbeitnehmer in Arbeitszeitfragen größere Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden sollen und eine echte Delegation von Mitbestimmungsrechten, wie § 28 a BetrVG sie für Arbeitsgruppen vorsieht, hierfür nicht in Betracht kommt, sind die Grundsätze anzuwenden, die auch für die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf den Arbeitgeber gelten.

797 In dem bereits oben § 1 C. I. 2. b) erwähnten Fall stellte das Dienstplanende nur einen Durchschnittswert dar, weil das tatsächliche Ende von verschiedenen Faktoren abhängig war. Weil aber der Betriebsrat dem Arbeitgeber nicht das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnen darf, wäre eine solche Regelung allerdings unzulässig, wenn der Arbeitgeber durch Zuweisung der Arbeitsmenge das Arbeitszeitende einseitig beeinflussen könnte. Das war aber im Fall ausgeschlossen, weil zum einen der das Ende der Arbeitszeit beeinflussende Arbeitsumfang dem Arbeitnehmer nicht nach Belieben zugewiesen werden konnte, sondern in einem festgelegten Verfahren nach REFA-Grundsätzen ermittelt wurde. Zum anderen stellte nach Ansicht des Gerichts das aus der Betriebsvereinbarung hervorgehende fiktive Dienstzeitende eine zusätzliche Sicherung gegen unkontrollierte einseitige Zuweisung von Arbeiten dar. Darüber hinaus gewährten tarifliche Reklamationsrechte unter bestimmten Voraussetzungen die Überprüfung auf Überlastung. Unter diesen Voraussetzungen könne nicht davon gesprochen werden, dass die Regelung (Anbindung des Endes der täglichen Arbeitszeit an die Erledigung des jeweiligen Zustellaufkommens) dem Arbeitgeber ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumt. 798 Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 141.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

IV. Einführung der Vertrauensarbeit durch Spruch der Einigungsstelle Bevor die nach diesen Grundsätzen möglichen und erforderlichen Inhalte einer mitbestimmten Vertrauensarbeitszeit-Regelung herauszuarbeiten sind, ist noch auf die Frage einzugehen, ob der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen könnte, um einen Spruch über die Einführung von Vertrauensarbeit herbeizuführen. Das Recht zur Anrufung der Einigungsstelle kommt ihm gem. §§ 87 II, 76 V BetrVG zu, wenn eine Einigung mit dem Betriebsrat in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit nicht zustande kommt. Theoretisch lassen sich auch flexible Arbeitszeitformen über die Einigungsstelle erzwingen, die bei ihrer Entscheidung gem. § 76 V 3 BetrVG zu einem billigen Interessenausgleich verpflichtet ist.799 Allerdings haben praktische Erfahrungen schon früh gezeigt, dass die Einigungsstelle kaum geeignet ist, ein flexibles Arbeitszeitsystem einzuführen, weil ein solches der ständigen Anpassung und Nachbesserung bedarf.800 Teilweise wird vertreten, die Einigungsstelle könne Vertrauensarbeit nicht gegen den Willen des Betriebsrats durchsetzen, weil sie nicht befugt sei, das Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 2 BetrVG zu beseitigen.801 Darin läge eine Überschreitung ihrer Kompetenz.802 Aus § 28 a BetrVG, der die Übertragung von Mitbestimmungsrechten auf Arbeitsgruppen nur aufgrund einer freiwilligen Rahmenvereinbarung zulässt803, folge, dass dem Betriebsrat nicht gegen seinen Willen Kompetenzen entzogen werden könnten.804 Weil aber bei Vertrauensarbeitszeit die Arbeitszeitgestaltung den Mitarbeitern in eigene Verantwortung gestellt werde, werde dem Betriebsrat auf diesem Gebiet die Mitsprache entzogen. Auch Hoff805 hält die erzwungene Einführung von Vertrauensarbeit für rechtlich unmöglich, weil dem Betriebsrat die von ihm gewünschte Zeitkontrolle nicht verwehrt werden könne. Inwiefern die Einigungsstelle engeren Bindungen als die Betriebsparteien unterliegt, ist ungeklärt. Die Rechtsprechung selbst ist uneinheitlich: Während das BAG Betriebsvereinbarungen der Betriebspartner für zulässig hielt, die einen 799 Schüren, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1995, S. 129 (150); ders., FS Gitter, S. 901 (909). 800 Schüren, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1995, S. 129 (150). 801 Hamm, AiB 2000, 151 (155); i. Erg. auch Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 574; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 80 a. 802 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 219. 803 Wohl überwiegende Auffassung, vgl. Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 28 a Rn. 18; Thüsing, ZTR 2002, 3 (5 m. N. in Fn. 20); D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 a Rn. 24 m. w. N.; a. A. Löwisch, BB 2001, 1734 (1740), der, sofern keine sachlichen Gründe entgegenstehen, eine Verpflichtung zur Übertragung annimmt und mit § 75 II 2 BetrVG begründet. 804 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 54. 805 Vertrauensarbeitszeit S. 31.

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nahezu mitbestimmungsfreien Zustand herbeiführten, hat es im Hinblick auf eine mögliche Ermessensüberschreitung Bedenken gegen eine solche Regelung durch die Einigungsstelle geäußert.806 In einer späteren Entscheidung807 wurde dagegen eine mögliche Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle nicht mehr erwähnt, vielmehr hieß es, „dass eine solche Regelung oder ein solcher Spruch der Einigungsstelle auch dann nicht gegen Mitbestimmungsrechte verstößt, wenn die Regelung dem Arbeitgeber eine Freiheit einräumt, die einem mitbestimmungsfreien Zustand nahe kommt.“ Später wurde der Gestaltungsspielraum der Einigungsstelle gegenüber den Betriebspartnern begrenzt. Da sie gegenüber Letzteren „Dritter“ sei, müsse sie von den Mitbestimmungsrechten angemessenen Gebrauch machen und dürfe dieses Mitbestimmungsrecht nicht ignorieren oder ausschließen.808 Das Regelungsermessen der Einigungsstelle wird danach durch den Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts bestimmt, dem der Spruch Rechnung zu tragen hat. Der Einigungsstellenspruch muss sich als Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts darstellen.809 Dass die Einigungsstelle über das Mitbestimmungsrecht nicht in derselben Weise verfügen könne wie der Betriebsrat selbst, ergebe sich aus § 76 V 3 BetrVG, wonach die Einigungsstelle ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer zu fassen hat. Das bedeute aber nicht, dass jeder Spruch einer Einigungsstelle, der dem Arbeitgeber auch nur etwas Spielraum lässt, ermessensfehlerhaft sei. Die Einigungsstelle könne dem Arbeitgeber eine gewisse Freiheit einräumen, wenn sie nur selbst den Regelungsgegenstand gestaltet habe.810 Das LAG Köln hat in einem Beschluss811 jedenfalls die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Einigungsstellenspruchs verneint, mit dem u. a. der Geschäftsleitung das Recht zur Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit um eine Stunde und den Arbeitnehmern das Recht zur Verteilung der Arbeitszeit eingeräumt wurde. Zur Begründung wird angeführt, dass der Einigungsstellenspruch gem. § 87 II BetrVG die Einigung zwi806 BAG v. 11.3.1986 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; v. 28.10.1986 AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, im Ergebnis wurde eine Überschreitung jedoch abgelehnt. 807 BAG v. 12.1.1988 AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979. 808 BAG v. 17.10.1989 AP Nr. 39 zu § 76 BetrVG 1972, m. zust. Anm. D. Gaul; zust. auch Rieble, SAE 1990, 175 (176); BAG v. 11.2.1992 AP Nr. 50 zu § 76 BetrVG 1972 = NZA 1992, 702 ff., vgl. vorgehend LAG Bremen v. 4.6.1991 DB 1991, 2194 wonach ein Einigungsstellenspruch, der dem Arbeitgeber ein nur an allgemeine Kriterien gebundenes Leistungsbestimmungsrecht einräumt, rechtsunwirksam ist, „weil das Unterlassen einer eigenen Ermessensentscheidung gem. § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG durch die Einigungsstelle einem mitbestimmungsfreien Zustand gleichkommt und eine Ermessensüberschreitung darstellt.“ 809 BAG AP Nr. 39 zu § 76 BetrVG 1972. 810 BAG v. 11.2.1992 AP Nr. 50 zu § 76 BetrVG 1972 = NZA 1992, 702 (704) m. N. 811 V. 30.7.1999 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Unterlassungsanspruch.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

schen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetze und dass durch diese ersetzte Einigung der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte nicht eingebüßt, sondern ausgeübt habe – „nämlich durch die von ihm im Voraus erteilte Zustimmung“. Eine im Voraus erteilte Zustimmung sei zwar nicht grenzenlos zulässig, könne aber grundsätzlich auch durch die Einigungsstelle ersetzt werden. Das Gericht differenziert hierbei nicht zwischen dem Spruch der Einigungsstelle und einer Einigung zwischen den Betriebspartnern selbst, wenn es ausführt, dass die Grenze zwischen erlaubter und unerlaubter Voraus-Zustimmung einer Wertung im Einzelfall bedarf. Zahlreiche Stellungnahmen in der Literatur gehen von einem Unterschied hinsichtlich der Ermessensgrenzen der Betriebspartner und der Einigungsstelle aus.812 Eine Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle wird angenommen, wenn sie dem Arbeitgeber eine Gestaltungsfreiheit einräumt, die einem mitbestimmungsfreien Zustand nahe kommt.813 So ist Rieble der Auffassung, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber einen nahezu mitbestimmungsfreien Zustand einräumen dürfe, während eine solche Extremlösung der Einigungsstelle verwehrt sei. Begründet wird dies mit der unterschiedlichen Zwecksetzung der Kontrolle einer Betriebsvereinbarung einerseits und der Ermessenskontrolle des Einigungsstellenspruchs andererseits. Die Billigkeitskontrolle der Betriebsvereinbarung diene in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmer, während die Kontrolle des Einigungsstellenspruchs die Betriebspartner vor fehlerhafter Vertragshilfe bewahren solle.814 Ebenso hält D. Gaul815 die Betriebspartner für berechtigt, andere Gewichte als die Einigungsstelle, die nur die konkrete ihr zur Entscheidung übertragene Meinungsverschiedenheit ordnungsgemäß ausgestalten darf, zu setzen und bei einer mitbestimmungspflichtigen Entscheidung eine Kompetenzverlagerung zu Gunsten des Arbeitgebers vorzunehmen.816 Die Einigungsstelle habe nur über das „Wie“, nicht über das „Wer“ zu entscheiden. Beharre der Betriebsrat auf seinem Recht, an der Festlegung bestimmter Arbeitszeiten tatsächlich mitzuwirken, könne die Einigungsstelle ihm dieses Recht nicht nehmen, weil sie damit ihre Kompetenz überschreite. Denn sie darf eine Einigung nur ersetzen, nicht aber dahingehend „unterstellen“, dass der Betriebsrat auf die Wahrnehmung seines Mitbestimmungsrechtes tatsächlich verzichtet habe.817

812

Z. B. GK-Kreutz, BetrVG, § 76 Rn. 127 f.; Richardi, BetrVG, § 76 Rn. 115. D/K/K-Berg, BetrVG, § 76 Rn. 92; F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 106. 814 Rieble, SAE 1990, 175 (176); ders., Einigungsstelle, S. 189 ff. 815 Anm. zu BAG AP Nr. 39 zu § 76 BetrVG 1972. 816 Dies soll auch nur dann gelten, wenn hierdurch nicht in erkennbar unausgewogener Weise und damit unter Verstoß gegen § 315 BGB die schutzwert erscheinenden Anliegen der betroffenen Arbeitnehmer missachtet werden. 817 Rath-Glawatz, Anm. zu BAG AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 813

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Die Einigungsstelle muss bei ihrer Konfliktlösung der Zielvorstellung des Mitbestimmungsrechts gerecht werden, was zugleich Vorgabe für ihre Ermessensausübung ist.818 Rieble819 weist außerdem darauf hin, dass die Einigungsstelle, da ihre Regelungsmacht von einem bestimmten Mitbestimmungstatbestand abgeleitet sei, nicht solche Interessen zu Lasten des Arbeitgebers in die Abwägung einstellen dürfe, die nicht von einem Mitbestimmungstatbestand geschützt seien. Dadurch sei es ausgeschlossen, dass sie „gelegentlich“ der Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit mitbestimmungsfreie Erwägungen des Arbeitgebers an sich ziehe und die Regelung daran ausrichte. In der Konsequenz wäre es dann auch ausgeschlossen, eine Vertrauensarbeitszeitregelung zu erstellen, jedenfalls insoweit als zur Kompensation des faktischen Machtverlusts des Betriebsrats auch Regelungsbestandteile aufgenommen werden, die den Boden der erzwingbaren Mitbestimmung verlassen.820 Zu folgen ist aber der Auffassung, die eine Kongruenz der Gestaltungsbefugnisse von Betriebsvereinbarungsparteien und Einigungsstelle annimmt.821 Denn das Gesetz enthält keine Einschränkung der Kompetenz der Einigungsstelle gegenüber der des Betriebsrats. Dies entspricht der ratio legis, denn die Einigungsstelle handelt anstelle der Betriebspartner. Ihr Spruch kann deren Einigung ersetzen, wobei § 76 V 3 BetrVG ein Ermessen einräumt.822 Sowohl Einigungsstelle als auch Betriebspartner müssen angemessenen Gebrauch vom Mitbestimmungsrecht machen, was aber durch eine Rahmenregelung geschehen kann.823 Für die billige Ermessensausübung kommt es immer darauf an, dass eine Regelung getroffen wird, die sowohl Arbeitnehmerbelange als auch die betrieblichen Belange angemessen berücksichtigt.824 Da eine darüber hinausgehende allgemeine Billigkeitskontrolle von Betriebsvereinbarungen mit Rücksicht auf § 310 IV 1 BGB abzulehnen ist825, verliert auch der Hinweis von Rieble auf Unterschiede in der Kontrolle von Betriebsvereinbarungen einerseits und Sprüchen der Einigungsstelle andererseits an Überzeugungskraft. Streiten Arbeitgeber und Betriebsrat darüber, ob die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit durch eine punktuelle oder eine Dauer-Betriebsvereinbarung geregelt werden soll, kann die Einigungsstelle gegen den Willen einer Partei auch eine 818

Vgl. Rieble, Anm. zu BAG v. 17.10.1989, SAE 1990, 175. Anm. zu BAG v. 17.10.1989, SAE 1990, 175; ders., Einigungsstelle, S. 167 f. 820 s. etwa Heidemann, Weiterentwicklung von Mitbestimmung, S. 42 f.; ausf. dazu unten B. II. 2. d) (2). 821 So etwa Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 76 Rn. 21. 822 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 76 Rn. 21; Blomeyer, Anm. zu BAG v. 28.10.1986, SAE 1987, 277 (280). 823 Vgl. Rieble SAE 1990, 175 (176); Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (26 f.). 824 Löwisch, AuR 1987, 96 (99 f.). 825 Vgl. ErfK-Preis, BGB §§ 305–310 Rn. 12: eine Billigkeitskontrolle käme einer nach § 310 IV 1 BGB ausgeschlossenen Inhaltskontrolle i. S. e. Angemessenheitskontrolle gem. § 307 ff. BGB gleich. 819

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Dauerregelung beschließen, die das Mitbestimmungsrecht in Einzelsachverhalten für die Laufzeit der Betriebsvereinbarung verbraucht.826 Nach Säcker/Oetker827 legitimiert der Zweck des Mitbestimmungsrechts auch eine Regelung, die im sekundären Regelungsbereich einen weitgehend mitbestimmungsfreien Zustand schafft. Die Einigungsstelle muss aber innerhalb des ihr zustehenden Ermessensspielraums eine Lösung suchen, auf die sich die Betriebspartner vernünftigerweise auch selbst hätten einigen können.828 Eine Vertrauensarbeitszeitregelung könnte diesem Ansatz folgend theoretisch auch auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen.829 Bei der Vertrauensarbeit bestehen die Probleme weniger in der juristischen Zulässigkeit, sondern liegen vielmehr auf praktischer Ebene830, weil die Einigungsstelle einen Konflikt in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten vollständig selbst lösen muss.831 Angesichts der Komplexität dieses Modells wird das kaum sachgerecht möglich sein. Ein derartiges Verfahren wird als „absurd“832, „der Sache nach völlig unangemessen“ und als „Vertrauensbruch“ bezeichnet, wenn mit „Brachialgewalt“ auf diesem Wege eine Arbeitszeitregelung eingeführt werden soll.833 Daher werden derartige Versuche in der betrieblichen Praxis wohl eher die Ausnahme834 bleiben.

B. Ausgestaltung einer mitbestimmten Regelung zur Vertrauensarbeitszeit I. Zwei Regelungsebenen: Rahmenregelung und Systembegleitung Bei der nun zu betrachtenden inhaltlichen Ausgestaltung einer Regelung kann, wie oben festgestellt, eine Orientierung an den zu Dauerbetriebsvereinbarungen zur Mehrarbeit entwickelten Grundsätzen835 erfolgen. Dies ist sinnvoll, weil es ebenso wie dort bei Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Vertrauensarbeit nicht möglich ist, sämtliche künftigen regelungsbedürftigen Einzelfragen vorab normativ zu erfassen. Das klassische Mitbestimmungsverfahren, 826 BAG v. 28.7.1981 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub; Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (28). 827 RdA 1992, 16 (28). 828 D/K/K-Berg, BetrVG, § 76 Rn. 88; F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 88; RathGlawatz, Anm. zu BAG AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 829 Thannheiser, AiB 2003, 233 (235). 830 Vgl. das Beispiel bei Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 52 ff. 831 Vgl. LAG Bremen v. 26.10.1998 NZA-RR 1999, 86 f. 832 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 31. 833 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 55. 834 Eine solche Konstellation bestand aber etwa in dem der Entscheidung des BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972 zugrunde liegenden Fall. 835 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (22).

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das mit dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung endet, eignet sich für kurzfristig bedarfsorientierte Arbeitszeitsteuerung nicht, weil die Entscheidung über die Arbeitszeit(fein)verteilung entweder ganz offengelassen oder erst in unmittelbarer Nähe der Leistungserbringung getroffen wird.836 Eine Rahmenregelung ist hier erforderlich837, reicht aber nicht aus, um der Arbeitnehmervertretung eine vergleichbar gewichtige Rolle wie bei starren Systemen zu geben. Zur Kompensation des faktischen Machtverlusts des Betriebsrats und um die erforderliche Pflege und Nachbesserung flexibler Arbeitszeitsysteme zu gewährleisten, wird empfohlen, andere Mitwirkungsformen des Betriebsrats an der Systemsteuerung zu entwickeln.838 Bei Dauerbetriebsvereinbarungen wird deshalb gefordert, dass sie neben abstrakt-generellen Regelungen auch Lösungsmechanismen für situationsgebundene, ex-ante nicht regelbare Sachverhalte vorsehen.839 Damit ließe sich vorliegend der Tatsache Rechnung tragen, dass Arbeitszeitentscheidungen des Arbeitnehmers in einem flexiblen System durchaus Kollektivbezug aufweisen können.840 Eine Rahmenbetriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten muss u. a. folglich neben der Entscheidung darüber, wer die Feinanpassung unter welchen Voraussetzungen vornimmt, auch Konfliktlösungsmechanismen vorsehen und die Rolle des Betriebsrats definieren.841 Damit lassen sich angelehnt an die Grundsätze zu Dauerbetriebsvereinbarungen auch für Vertrauensarbeitszeitmodelle zwei Regelungsebenen ausmachen: der primäre Regelungsbereich mit von Einzelfällen abstrahierbaren Vorschriften und der sekundäre Regelungsbereich, dem alle regelungsbedürftigen einzelfallabhängigen Detailaspekte angehören, die nicht durch die Dauerbetriebsvereinbarung strukturierbar sind. Auf der primären Regelungsebene werden alle für die Gestaltung des Sachverhalts wesentlichen Entscheidungen von den Betriebspartnern selbst getroffen. Angesichts 836

MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 14 und § 169 Rn. 19. Vgl. etwa Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn. 171; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 82 f. Es wird davon ausgegangen, dass bei selbstregulierenden Systemen wie Vertrauensarbeitszeit, bei denen für rechtsförmig ausgetragene Konflikte wenig Raum ist, der Entrechtlichung im „Inneren“ eine rechtliche Rahmenlösung von außen entsprechen könne und sich der scheinbare Funktionsverlust des Arbeitsrechts als grundlegender Funktionswandel entpuppe, so Geffken, NZA 2000, 1033 (1037) für das „Participative Management by Objectives“, bei dem sich die Entrechtlichung nicht auf Angst und Repression gründe, sondern auf gegenseitiges Verständnis und angstfreie Kommunikation. 838 MünchArbR-Schüren, § 165 Rn. 14; § 169 Rn. 3, 5, 29; vgl. auch Engelhardt, AiB 2001, 451 (455), nach dem an die Stelle der traditionellen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umfangreiche Informationsrechte und verbindlich vereinbarte Kommunikationsformen bei der Begleitung, Überwachung und Weiterentwicklung der Regelungen in der Praxis treten; ders., AiB 2000, 466 (467, 472 f.). 839 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (22). 840 So etwa durch die Verpflichtung des Arbeitnehmers auf das betriebliche Interesse; anders Heinze, Brennpunkte des Arbeitsrechts 1997, S. 309 (325). 841 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 21. 837

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der essenziellen Bedeutung des primären Regelungsbereichs für den Zweck der Mitbestimmungsrechte ist die Übertragung der Regelung unerlässlicher Mindeststandards einem Verzicht gleichzusetzen.842 1. Wesentliche Entscheidungen auf der Primärebene Ob die Betriebsvereinbarung in ihrer Regelungsdichte diesen Anforderungen genügt, d.h. die wesentlichen Entscheidungen trifft, lässt sich nur aus dem Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts beantworten.843 Dabei bereitet es in der Theorie mehr als in der Praxis Schwierigkeiten, dass in Rahmenregelungen über flexible Arbeitszeiten notwendige und freiwillige Mitbestimmung häufig schwer unterscheidbar ineinander fließen.844 Die Einführung von Vertrauensarbeit verändert den Charakter der Mitbestimmung; von Interessenvertretungen wird gefordert, auch im Sinne einer qualitativen Mitbestimmung sich bei Fragen der Arbeitszeitgestaltung mit Aufgaben, Arbeitsorganisation, Weiterbildungsbedarf und Personalbemessung auseinandersetzen.845 Ob die Reglementierung von Vertrauensarbeitszeit dabei freilich dazu führt, dass sie ihre Wesensmerkmale verliert – und damit ihren Charakter als Vertrauensarbeitszeit im eigentlichen Sinne846 –, kann letztlich nicht entscheidend sein. Die Aussage, dass die Anforderungen, die an eine Rahmenregelung zu stellen sind, im Hinblick auf den von der Rechtsprechung für zulässig gehaltenen „nahezu mitbestimmungsfreien Zustand“ nicht sehr hoch sein können847, hilft ebenfalls nicht weiter. Auch bei einer solchen Arbeitszeitgestaltung ist zu gewährleisten, dass die gesetzlichen, tariflichen und ggf. betrieblichen Höchstarbeitszeitgrenzen beachtet werden.848 Da Mitbestimmung gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltungsbefugnis ist849, und die Rechtslage durch die Rahmenregelung im Wesentlichen selbst ausgestaltet sein muss, können für die an eine Rahmenregelung zu stellenden Anforderungen Rückschlüsse aus dem Inhalt einer Vereinbarung nach § 28 a I BetrVG gezogen werden. Weil eine Rahmenregelung nach dieser Norm nur die 842

Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (24). Blomeyer, Anm. zu BAG v. 28.10.1986, SAE 1987, 277 f. (279), nach dem Schutz- und Ordnungsfunktion (i. S. e. ausgleichenden betrieblichen Ordnung) durch die gemeinsame Rahmenregelung erfüllt werden müssen; Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (23). 844 Vgl. Reichold, NZA 1998, 393 (399). 845 Hensche, FS Zeuner, S. 74 (77 f.); Kiesche, PersR 2001, 283 (287). 846 So IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 31; ähnl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 74. 847 ErfK-Kania, BetrVG, Einl. Vor § 74 Rn. 11. 848 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 849 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 1. 843

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Delegationsentscheidung betrifft, ist davon auszugehen, dass eine mitbestimmte Rahmenregelung inhaltlich jedenfalls über die Anforderungen nach § 28 a I BetrVG hinausgehen muss. Wie bereits erwähnt850, stellt das Gesetz an eine solche Rahmenvereinbarung keine besonderen Anforderungen, es genügt also die präzise Beschreibung, welchen Arbeitsgruppen in welchem Umfang Aufgaben übertragen werden sollen.851 Hinsichtlich des übertragenen Mitbestimmungsrechts hat die Gruppe dann ein eigenes Gestaltungsermessen. Wie bei anderen Dauerbetriebsvereinbarungen kann aber bei einer Rahmenregelung zur Vertrauensarbeitszeit nicht das Mitbestimmungsrecht als solches übertragen werden, vielmehr gilt, dass die Vollzugsentscheidung im sekundären Bereich inhaltlich durch die Rahmenbetriebsvereinbarung gebunden wird. In Anlehnung an die Grundsätze zu Art. 80 I 2 GG heißt das zunächst, dass aus der Rahmenvereinbarung deutlich hervorgehen muss, zu welchem Zweck in welchen Fällen und in welchen Grenzen von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden kann.852 Daher dürfte eine Rahmenregelung über die Einführung der Vertrauensarbeitszeit eine Substanzverletzung darstellen, wenn sie sich auf die Übertragung der Arbeitszeitgestaltung auf die einzelnen Arbeitnehmer beschränkte. Eine Rahmenvereinbarung hat darüber hinaus als wesentliche Entscheidungen jedenfalls diejenigen Eckdaten zu regeln, die zum einen die Einhaltung von Tarifverträgen und des ArbZG gewährleisten853 und zum anderen dem gerechten Interessenausgleich der Arbeitnehmer untereinander i. S. d. Ausgleichsfunktion dienen. Weil in der Beschränkung auf Rahmenbedingungen zugleich eine Beschränkung der Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats angelegt ist und die für den Mitarbeiter unmittelbar relevanten Arbeitszeitentscheidungen auf Abteilungsebene von ihm selbst getroffen werden,854 müssen die Entscheidungen des sekundären Regelungsbereichs durch die mitbestimmte Rahmenregelung soweit strukturiert werden, dass bereits diese Regelung dem Normzweck des Mitbestimmungsrechts genügt.855 2. Interventionsmöglichkeit im sekundären Regelungsbereich Im Hinblick auf Dauerbetriebsvereinbarungen wurde weiterhin herausgearbeitet, dass das Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers nur auf Fragen des sekundären Regelungsbereichs erstreckt werden kann. Insofern soll es sich ledig850

A. III. 1. b). BT-Drs. 14/5741, S. 40. 852 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (25); Trümner, FS Arbeitsgerichtsbarkeit Rh.-Pf., S. 395 (409 f.). 853 So auch Hamm, AiB 2000, 152 (158). 854 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 3. 855 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (23). 851

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lich um administrativ-exekutive Vollzugsentscheidungen handeln, die durch die mitbestimmte Struktur des primären Regelungsbereichs vorgeprägt sind.856 Da nach dem Willen des Gesetzgebers auch die sekundäre Regelungsebene der Mitbestimmung unterliegen soll und die Schutzfunktion der Mitbestimmungsrechte nur gewahrt werden kann, wenn sich der Betriebsrat hier nicht sämtlicher Interventionsmöglichkeiten begibt, ist auf der sekundären Regelungsebene die Installation von Kontrollmechanismen erforderlich.857 Für Dauerbetriebsvereinbarungen wurde gefordert, als Mindeststandard das in § 100 II 1 BetrVG normierte Unterrichtungsrecht zu verankern.858 Auf den Umfang des § 80 II BetrVG käme es dann nicht mehr an, weil sich das Unterrichtungsrecht auf die konkrete Maßnahme bezieht. Die Ausgestaltung des Unterrichtungsanspruchs kann durch die Betriebsvereinbarungsparteien festgelegt werden.859 Weiterhin wurde vorgeschlagen, dem Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen ein förmliches Widerspruchsrecht vorzubehalten.860 Dass die Übertragung von Befugnissen nicht ohne Interventionsrechte zulässig sein kann, wird durch § 28 a BetrVG bestätigt, der ein Widerrufsrecht der Übertragung ausdrücklich vorsieht. Ebenso wie bei flexiblen Arbeitszeitmodellen die Regelung der Arbeitszeit auf zwei Stufen stattfindet – die Festlegung eines Rahmens und Ausfüllung im Einzelfall –, erfolgt auch die Mitbestimmung zweistufig; deshalb kommt der Frage, ob und wie der Betriebsrat dabei an der Steuerung bzw. am Vollzug zu beteiligen ist, besondere Bedeutung zu.861 Für eine den Systemstrukturen entsprechende Beteiligung des Betriebsrats862 zur Kompensation des Machtverlusts soll auf die Gestaltungsmöglichkeiten zurückzugreifen sein, die für ein „partizipatives Management“ vorgeschlagen worden sind, z. B. Gemeinsame Kommissionen, Ständige Einigungsstellen, Workshops und Projektgruppen unter Betriebsratsbeteiligung.863 Entsprechende Gestaltungen sind in Vertrauensarbeitszeitmodellen in der Praxis bereits teilweise umgesetzt worden.864 Betriebliche Projektgruppen oder 856

Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (24). Blomeyer, SAE 1987, 279 (280); Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (24). 858 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (26). 859 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (26). 860 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (26). 861 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 25 f. 862 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 27. 863 Zum Plädoyer für ein partizipatives Management vgl. Senne, BB 1996, 1609 f. 864 So etwa im Modell der Rasselstein Hoesch GmbH in: Fauth-Herkner, Flexibel ist nicht genug, S. 195 (197); vgl. auch Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 146 m. N.: an die paritätisch besetzte Clearingstelle kann man sich wenden, wenn man „das Gefühl hat, dass man zuviel arbeitet“. Hoff zählt die Begleitung der Regelung durch eine Schlichtungsstelle, deren Besetzung unabhängig von den Gremien der betrieblichen Mitbestimmung sei, zu den „Muss-Bestimmungen“ in einer Vertrauens857

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Clearingstellen865 sollen in Form einer sog. „Systembegleitung“ die Mitwirkung des Betriebsrats sichern.866 Hierauf ist noch zurückzukommen.867 Für die Regelung flexibler Arbeitszeitmodelle wird angeregt, Interventionsmöglichkeiten des Betriebsrats ausdrücklich als „Ergänzungsbausteine“868 in Betriebsvereinbarungen vorzusehen. Die Vorschläge beschränken sich dabei nicht auf umfassende Informationen über individuelle Arbeitszeitpläne und -konten der Mitarbeiter, sondern beinhalten auch Informationen über Personalbemessung und Terminpläne. Der Betriebsrat solle sich besondere Interventionsrechte in abteilungsspezifische Terminsetzungen, Zeitarrangements und Organisationsabsprachen einräumen lassen, was etwa mit einem Beteiligungsrecht in Abteilungsbesprechungen und Projektgruppensitzungen zu verbinden sein könne.869 Zur Systemsteuerung wird hier auch die fortwährende Überprüfung der Saldenstände und der Ursachen im Falle von Fehlverläufen gezählt.870 Eine Unterrichtung kann allerdings nur sinnvoll erfolgen, wenn Arbeitszeitverläufe auch dokumentiert werden.871 Überschreitungen der Zeitbudgets aufgrund unangemessener Aufgabenzuschnitte, zu enger Terminpläne und von Personalengpässen müssen zunächst transparent gemacht werden, um nach Lösungen suchen zu können; erkannte Planungsdefizite und Organisationsprobleme können Maßnahmen zur Organisationsplanung und Qualifizierung notwendig machen.872 Zu den genannten Vorschlägen gehört aber auch die Errichtung sog. Mitbestimmungsschwellen, bei deren Erreichen für weitere Arbeitszeitverlängerungen die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich werden soll.873 Auf diese Aspekte wird zurückzukommen sein, wenn es darum geht, die vorgeschlagenen Regelungsbestandteile einer Vertrauensarbeitszeitvereinbarung zu diskutieren und zu bewerten.

arbeitszeitregelung (Vertrauensarbeitszeit, S. 80; vgl. ders., Die neun notwendigen Elemente betrieblicher Vertrauensarbeitszeitregelungen, http://www.arbeitszeitberatung.de [8/2003]). 865 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (15 f.) spricht von einem „außerhalb des ,Mikrobereiches‘ Mitarbeiter-Team-Führungskraft angesiedelten Konfliktlösungsmechanismus [. . .], auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden kann.“ 866 Hamm, AiB 2000, 152 (159). 867 s. unten II. 2. d) bb). 868 Engelhardt, AiB 2000, 466 (472). 869 Engelhardt, AiB 2000, 466 (472). 870 Engelhardt, AiB 2000, 466 (473). 871 Vgl. Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit S. 83. 872 Engelhardt, AiB 2000, 466 (473). 873 Vgl. Haipeter/Lehndorff, WSI Mitt 11/2002, 649 (651); Hamm, AiB 2003, 228 (231).

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II. Inhalt einer Vertrauensarbeitszeitvereinbarung 1. Beachtung des Grundsatzes des § 75 II 2 BetrVG Verbreitet wird besonderer Wert auf eine möglichst knappe Regelung gelegt, bei der es darauf ankomme, den „Geist der Vertrauensarbeit“ zu vermitteln.874 Weil Vertrauensarbeitszeit Chancen zur Selbststeuerung eröffnen soll, werden umfangreiche Regelungen, die nur ein Nachleben der von den Betriebsparteien entwickelten Vorstellungen zum Ziel haben, für wenig sinnvoll gehalten.875 Dies lässt sich auf die neu876 eingefügte Bestimmung des § 75 II 2 BetrVG stützen, die bei der Ausgestaltung der Rahmenregelung zu beachten ist. Die Vorschrift enthält eine Förderpflicht von Betriebsrat und Arbeitgeber, die darauf gerichtet ist, Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen im Betrieb Raum zu geben.877 Daneben wird sie als verbindlicher Verhaltensmaßstab878 für die Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. als eine von ihnen und der Einigungsstelle zu beachtende Ermessensrichtlinie betrachtet, die insbesondere eine weitgehende Übertragung von Entscheidungsbefugnissen in bestimmten Angelegenheiten auf die einzelnen Arbeitnehmer, so z. B. im Rahmen von Gleitzeitregelungen, rechtfertigt.879 Mit § 75 II 2 BetrVG hat die Idee des Lean-Management Eingang in die Betriebsverfassung gefunden, womit dem eigenverantwortlich und selbstständig handelnden Mitarbeiter zentrale Bedeutung im Produktionsgeschehen zuerkannt wird.880 Entsprechend dem gewandelten Selbstverständnis des Einzelnen im Betrieb soll es ihm ermöglicht werden, sich stärker als bisher einzubringen.881 Die Förderung kann durch den Abbau der Weisungsgebundenheit und organisatorischer Zwänge und die Eröffnung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen erfolgen.882 Teilweise wird erwartet, dass aufgrund der Norm dem Willen des Arbeitnehmers stärkere Bedeutung beigemessen wird.883 Die Stärkung der Individualrechte erfolgt aber nicht durch die Konstituierung eigener Rechte der Beschäftigten, sondern durch eine Orientierung des Betriebsrats auf die Autonomie der Beschäftigten und die unmittelbarere Bindung der betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten an die Interessen des Arbeitnehmers.884 Aus der Analyse der gesetzlichen Neuregelungen sowie der Entwurfsbegründung zum BetrVG-Reform874 875 876 877 878 879 880 881 882 883

Fröhlich, AuA 1999, 159. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 60. Durch das Betriebsverfassungsreformgesetz v. 23.7.2001, BGBl I, S. 1852. Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 75 Rn. 93; GK-Kreutz, BetrVG, § 75 Rn. 127. GK-Kreutz, BetrVG, § 75 Rn. 127. ErfK-Kania, BetrVG § 75 Rn. 11. GK-Kreutz, BetrVG, § 75 Rn. 127, 128. Vgl. Entwurfsbegründung, BT-Drs. 14/5741, S. 29. GK-Kreutz, BetrVG, § 75 Rn. 128; vgl. auch BT-Drs. 14/5741, S. 45. P. Hanau, RdA 2001, 65 (70).

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gesetz ergibt sich eher eine Stärkung des Betriebsrats denn des Individuums885: durch die verstärkte Einbeziehung des Einzelnen in die betriebliche Mitbestimmung soll die Funktion des Betriebsrats als einheitliche Interessenvertretung nicht beeinträchtigt werden886 und die Förderung von Eigeninitiative und Selbstständigkeit „im Rahmen der Betriebsverfassung“ erfolgen.887 Der Betriebsrat hat die Förderpflicht aber bei der inhaltlichen Wahrnehmung seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungspflichten zu beachten.888 Daraus wird man schließen können, dass ein Verzicht auf Mitbestimmungsrechte trotz § 75 II 2 BetrVG ebenso wenig zulässig sein soll wie zuvor. Wenngleich unter den Befürwortern der Vertrauensarbeitszeit Skepsis gegenüber zu großer Reglementierung auszumachen ist, weil als maßgeblich für das Funktionieren der Vertrauensarbeitszeit weniger die rechtlichen Rahmenbedingungen als vielmehr der jeweilige Führungsstil angesehen wird889, sind Regelungen durchaus sinnvoll, um eine Rückzugsmöglichkeit „auf die Institution“ für den Konfliktfall zu sichern.890 Denn weder Führungsstil noch Unternehmensklima sind vergleichbar verlässliche Determinanten. 2. Einzelne Regelungsaspekte a) Grundverteilung der Arbeitszeit Nach dem Vorschlag von Hoff 891 gehört zu einer Vertrauensarbeitszeitregelung die Grundverteilung der Arbeitszeit, die gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die einzelnen Wochentage erfolgen kann. Damit soll gewährleistet werden, dass tarifliche Regelungen, die an die Arbeitszeitlage anknüpfen, z. B. bzgl. 884 Wendeling-Schröder, NZA 2001, 357 (359 f.). Franzen, ZfA 2001, 423 (425), bezeichnet die Regelung als ambivalent, weil die Autonomie der Arbeitnehmer auch durch eine Reduzierung der Mitwirkung des Betriebsrats hätte gestärkt werden können, indem dort, wo Schutz- und Ausgleichsfunktion ein Eingreifen der Betriebsverfassung nicht erforderten, vermehrte Freiräume für vertragliche Gestaltungen eröffnet werden könnten; in diesem Sinne auch Richardi, BetrVG, § 75 Rn. 34, 35, 36. 885 Franzen, ZfA 2001, 423 ff. (448 f.); krit. auch Neef, NZA 2001, 361 (364). 886 BT-Drs. 14/5741, S. 29. 887 BT-Drs. 14/5741, S. 45. 888 Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 75 Rn. 96. 889 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 51; Hoff/Priemuth, Personal 2002, 10 (13). 890 In diesem Sinne betont Haipeter, dass sich Vertrauensverhältnisse viel besser entwickeln würden, wenn sie mit formalisierten Strukturen einhergingen, die der Entscheidungsfähigkeit und dem Verantwortungsbewusstsein der Beschäftigten ausreichend Rechnung tragen, Trust-based Working Time; vgl. auch die Ausführungen zur Rolle des Betriebsrats als Co-Manager oben Kapitel 2, § 2. C. II. 3. a). 891 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 86; vgl. auch ders., Die neun notwendigen Elemente betrieblicher Vertrauensarbeitszeitregelungen, http://www.arbeitszeitberatung.de (8/2003).

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Nacht- und Schichtzuschlägen, eingehalten werden. Auch die Anrechnung von Feiertagen, Urlaubs- und Krankheitstagen auf die Vertragsarbeitszeit kann auf dieser Grundlage erfolgen. Eine solche Regelung ist damit v. a. aus finanziellen Gründen geboten und vom Mitbestimmungstatbestand des § 87 I Nr. 2 BetrVG gedeckt. b) Definition von Zeiten, die als Arbeitszeit zu werten sind Ein weiterer Vorschlag geht dahin, in einer Rahmenregelung auch Zeiten zu definieren, die als Arbeitszeit zu werten sind.892 Hinsichtlich des öffentlichrechtlichen Arbeitszeitbegriffs wurde oben893 eine solche Definitionsmacht abgelehnt. Etwas anderes könnte sich ergeben, soweit der Definition nur vergütungsrechtliche Bedeutung zukommt, denn Arbeits- und Verdienstzeit sind nicht identisch.894 Nach z. T. vertretener Ansicht erzwingt allerdings die Feststellung, dass Arbeitsschutz- und Arbeitsvertragsrecht verschiedene Funktionen erfüllen, keine unterschiedlichen Definitionen, weil sich die beiden Rechtsgebiete nicht ausschließen, sondern ergänzen würden, so dass von einer „einheitlichen Inhaltsbestimmung von Arbeitszeit für Lohn- und Arbeitsschutzrecht“895 auszugehen wäre. Auch für den Fall einer nur vergütungsrelevanten Definition erstreckt sich jedenfalls das Mitbestimmungsrecht der Nr. 2, das sich eben nur auf die Begrenzungspunkte der Arbeitszeit bezieht896, nach richtiger Ansicht nicht darauf, welche Tätigkeiten zur Arbeitszeit zu rechnen sind; dies ist vielmehr durch Auslegung tariflicher oder arbeitsvertraglicher Regelungen zu ermitteln.897 Eine Regelung durch freiwillige Betriebsvereinbarung soll aber möglich sein.898 Sofern tarif- oder einzelvertragliche Vorgaben nicht entgegenstehen, kann durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, welche Zeiten nicht vergütungsrelevant sein sollen.

892

Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 92, 45 f. Kapitel 2, § 2. B. I. 5. b). 894 So etwa Zmarzlik, DB 1967, 1264. 895 Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 55 f. m. w. N. „Die sachgerechte Ausgestaltung des Arbeitsvertrags [. . .] dient auch dem Arbeitsschutz“; Simitis/Weiss, DB 1973, 1240 (1241): Lohnrhythmus ist Arbeitsrhythmus. 896 Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 49. 897 Baeck/Deutsch, ArbZG, Einführung Rn. 59; MünchArbR-Matthes, § 334 Rn. 22; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 310; a. A. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 77 m. w. N. 898 MünchArbR-Matthes, § 334 Rn. 22; Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 70; BAG v. 22.3.1995 AP Nr. 8 zu § 611 BGB Arbeitszeit. 893

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c) Begrenzung des Arbeitstags und Sicherung der Sonn- und Feiertagsruhe; Pausenregelungen aa) Ruhezeit und tägliche Höchstarbeitszeit Als unverzichtbares Regelungselement ist des Weiteren die Festlegung von Grenzen der Erreichbarkeit899 anzusehen. Eine Betriebsvereinbarung muss u. a. gewährleisten, dass eine Ruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden möglich ist.900 Zu realisieren ist das durch Vorgabe eines Arbeitszeitrahmens901 bzw. „Zeitfensters“.902 (1) Festlegung von teambezogenen Servicezeiten Nach Hoff sind Arbeitszeitrahmen in Vertrauensarbeitszeitregelungen nicht unbedingt erforderlich.903 Vielmehr nennt er in diesem Zusammenhang die Festlegung von kundenorientierten und häufig904 teambezogenen Servicezeiten,905 die nicht den Einzelnen zur Anwesenheit, aber die Abteilung zur Sicherstellung der Erreichbarkeit für Kunden verpflichtet.906 Derartige Regelungen sollen gleichzeitig die „Erreichbarkeitserwartung an den einzelnen Mitarbeiter gegenüber ,Rund-um-die-Uhr‘ deutlich einschränken“907. Allerdings sind derartige Besetzungs- und Erreichbarkeitsvorgaben in erster Linie, mindestens aber gleichrangig, motiviert durch und orientiert an Kundenerwartungen und dienen der Garantie eines gewissen Leistungsniveaus.908 Sofern die Arbeitsinhalte nicht auf den Kundenverkehr beschränkt sind, beinhaltet eine Regelung zur Begrenzung der Erreichbarkeit für Kunden deshalb nicht notwendig eine Begrenzung der täglichen Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer ist daher im Übrigen auf seine Fähigkeit verwiesen, sich selbst Grenzen zu setzen.909 Inwiefern dies erfolgreich 899

Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 94; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10

(14). 900

Vgl. Hamm, AiB 2000, 152 (158). Vgl. etwa Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn. 171, nach dem die Zulässigkeit von Vertrauensarbeitszeit vom Bestehen eines Arbeitszeitrahmens abhängt; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 8. 902 Vgl. dazu Engelhardt, AiB 2000, 466 (470). 903 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 121 ff. 904 Zu einem Bsp. ohne Teambezug: Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 98. 905 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 94 f.; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (14). 906 Hoff/Weidinger, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http://www. arbeitszeitberatung.de (10/2002), S. 4 f. 907 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 95. 908 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 16. 909 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 95. 901

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gelingt, hängt von Arbeitsmenge und zur Verfügung stehendem Personal sowie von der Persönlichkeit des Mitarbeiters und des Vorgesetzten ab. Die Begrenzung des Arbeitstags allein durch die Vorgabe von Servicezeiten ist daher problematisch und nicht in jedem Falle gleich wirksam wie die unmittelbare Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. (2) Sonstige Regelungsinstrumente Regelungen, in denen ganz auf die Vereinbarung eines Arbeitszeitrahmens verzichtet wird, so dass die Beschäftigten selbst ihre Arbeitszeit unter Berücksichtigung des ArbZG und des maßgebenden Tarifvertrags einteilen müssen910, entsprechen nach den oben entwickelten Grundsätzen nicht den Mindestanforderungen an eine Betriebsvereinbarung. Dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, Schutz einer sinnvollen Freizeitgestaltung, trägt eine Rahmenregelung nur Rechnung, wenn sie der Arbeitszeit Grenzen zieht. Im bloßen Verweis auf gesetzliche Arbeitszeitbestimmungen, verbunden mit der Bestimmung, dass diese einzuhalten seien, liegt jedenfalls noch keine selbstständige und gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzbare Vereinbarung der Betriebsparteien.911 An den Umfang eines Arbeitszeitrahmens werden im Übrigen ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt. Um die gesetzliche Mindestruhezeit von 11 Stunden einhalten zu können, wird eine Beschränkung des Arbeitszeitrahmens auf täglich 13 Stunden vorgeschlagen und teilweise praktiziert.912 Dagegen hat das LAG Stuttgart913 bemerkt, dass der Arbeitszeitrahmen von 6–19 Uhr – wenn er den Bedürfnissen nach Flexibilität nicht ausreichend gerecht werde – durch Änderung der Betriebsvereinbarung auszuweiten sei.914 Hingegen hält Hamm die Definition eines Arbeitszeitrahmens von 7–22 Uhr für völlig unvollständig, wenn die Regelung damit suggeriere, der Arbeitnehmer könne die Arbeit an einem Tag um 22 Uhr beenden und am Folgetag um 7 Uhr wieder aufnehmen.915 Größtmögliche Sicherheit kann daher erreicht werden, wenn der Ar-

910

Vgl. Helmich, AuA 2001, 123 (124). LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1757); ArbG Stuttgart v. 23.7.2001 – 6 BV 167/00. 912 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 152 für Gleitzeit ohne Kernzeit; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 8; Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 143; vgl. ders., AuA 1999, 154, dort Bsp. der Zigarettenindustrie. 913 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1756). 914 Unter http://www.gesamtmetall.de findet sich als Beispiel Dreizehn eine Regelung zur Vertrauensarbeitszeit mit Funktionszeiten, die eine Betriebsöffnungszeit von Mo.–Fr. 6.00–20.00 Uhr vorsieht. 915 Vgl. Hamm, AiB 2000, 152 (158). 911

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beitszeitrahmen 13 Stunden nicht übersteigt. Ist ein solcher definiert, so kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, Arbeiten außerhalb dieses Rahmens zu unterbinden. Der Arbeitszeitrahmen bildet die Grenze, innerhalb derer sich die betriebsübliche Arbeitszeit bewegen kann; Arbeiten außerhalb des Rahmens darf der Arbeitgeber weder anordnen noch dulden.916 Des Weiteren können bestimmte Zeitkorridore vorgesehen werden, in denen der Arbeitnehmer auch durch elektronische Medien (Laptop, E-Mail, Handy) nicht erreichbar ist.917 Da derartige Regelungen tagesbezogene Arbeitszeitbegrenzungen zum Gegenstand haben, können sie aufgrund des § 87 I Nr. 2 BetrVG in einer Rahmenvereinbarung verlangt werden. bb) Sonn- und Feiertagsruhe Zur Einhaltung des gesetzlichen Arbeitsverbots an Sonn- und Feiertagen wird vorgeschlagen, eine konsequente Betriebsschließung an Tagen der Arbeitsruhe zu vereinbaren.918 Für Arbeiten, die außerhalb des Betriebs unter Benutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln verrichtet werden können, sind analog zu den für Tele- und Heimarbeit gemachten Vorschlägen919 Zugriffssteuerungen vorzusehen, so dass der elektronische Zugang zu den betrieblichen Systemen außerhalb der zulässigen Arbeitszeit gesperrt wird. Auch die Erreichbarkeit über Handy oder E-Mail sollte ausgeschlossen werden. Die Verhinderung der Sonn- und Feiertagsarbeit ist grundsätzlich vom Mitbestimmungsrecht nach Nr. 2 erfasst, da es sich auch auf die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage bezieht. Problematisch könnte das Verlangen nach einer Betriebsschließung dennoch sein, weil nach § 87 I Nr. 2 BetrVG nur die Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig ist, nicht aber die Frage, wann ein Betrieb geöffnet ist920; es handelt sich dabei um unterschiedliche Regelungsgegenstände.921 Wie das BAG922 festgestellt hat, kann aber zwischen beiden ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Öffnungs- bzw. Betriebsnutzungszeit und Arbeitszeit identisch sind. Eine mittelbare Beeinflussung der unternehmerischen Entscheidung über die Öffnungszeiten hat das BAG923 daher für zulässig gehalten. Kann bei Vertrauensarbeitszeit 916

LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 BB 2002, 1751 (1756). Hamm, AiB 2000, 152 (160). 918 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 29. 919 Wank, Telearbeit Rn. 416 f.; Wedde, Telearbeit, Rn. 468, 475; Albrecht, NZA 1996, 1240 (1242 f.); krit. Dulle, Telearbeit, S. 189 m. w. N. 920 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 303. 921 Vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.III.1). 922 Ebd. 917

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

immer gearbeitet werden, wenn der Betrieb geöffnet ist, so ist eine solche Abhängigkeit zwischen Arbeitszeit und Betriebsöffnungszeit gegeben. Will der Betriebsrat deshalb eine Betriebsschließung vereinbaren, betrifft das im Gegensatz zu der vom BAG für zulässig gehaltenen Konstellation aber die unternehmerische Entscheidung nicht nur mittelbar, sondern unmittelbar, da hier eine Bestimmung über die Nutzung der Betriebsmittel getroffen werden soll. Die Zweifel, ob bei einer solchen Regelung das Mitbestimmungsrecht eingreift, lassen sich nicht dadurch ausräumen, dass § 9 I ArbZG ein Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen enthält, gegen das der Arbeitgeber auch dann verstoßen würde, wenn er die Leistung seiner Arbeitnehmer entgegen nehmen924 und nicht verhindern würde925. Denn § 9 I ArbZG verbietet nur die Beschäftigung von Arbeitnehmern, schließt aber Arbeit durch Selbständige im Betrieb nicht aus.926 Das öffentliche Recht lässt somit noch Raum für die unternehmerische Entscheidung, den Betrieb zu öffnen. Die Forderung nach einer konsequenten Betriebsschließung, die sich nicht auf die Regelung der Arbeitszeiten beschränkte, wäre daher nicht mehr vom Mitbestimmungstatbestand des § 87 I Nr. 2 BetrVG gedeckt. cc) Ruhepausen Ruhepausen sind in einer Rahmenvereinbarung regelbar, da sich das Mitbestimmungsrecht auch auf deren Lage erstreckt. Dabei sind die Betriebsparteien an den dem ArbZG zugrunde liegenden Begriff der Ruhepause gebunden; sie können daher keine eigene abweichende Definition schaffen.927 Da auf die von § 4 ArbZG geforderte Vorausfestlegung der Pausen nach der überzeugenden Auffassung Tietjes928 allenfalls dann verzichtet werden kann, wenn der Arbeitnehmer seine Pause völlig frei von jeglichen Abstimmungsnotwendigkeiten selbst bestimmen kann, muss in allen übrigen Fällen, in denen z. B. Ansprechzeiten sicherzustellen sind, eine vorherige Festlegung der Pausen stattfinden. Um diesem Erfordernis wenigstens ansatzweise gerecht zu werden, wird die Festlegung eines Pausenkorridors von mehreren Stunden vorgeschlagen, innerhalb dessen die Pause zu nehmen ist.929 Eine weitere Möglichkeit für Arbeitszeitmodelle ohne Kernzeit besteht darin, den Beginn der Pause an die individuelle Arbeitsaufnahme zu knüpfen und die Beschäftigten zu verpflichten, spätestens 6 Stunden nach Arbeitsaufnahme eine Pause zu nehmen.930 Eine die923 924 925 926 927 928 929

AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; vgl. schon oben A. I. 4. Vgl. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 580 ff. (586). Baeck/Deutsch, ArbZG, § 9 Rn. 11; Neumann/Biebl, ArbZG, § 9 Rn. 3. Schliemann in: Schliemann/Meyer, ArbZR, Rn. 586. BAG v. 29.10.2002 AP Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitsbereitschaft. Grundfragen, S. 121, s. dazu bereits oben Kapitel 2, § 2. B. II. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 29.

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ser beiden Varianten sollte Bestandteil einer Vertrauensarbeitszeitregelung sein. Die dennoch bestehenden Probleme bei der Einhaltung von Pausen im Rahmen von selbstbestimmter Arbeitszeit sind freilich nicht spezifisch für die Vertrauensarbeitszeit: Sie bestehen z. B. auch in jenen Gleitzeitsystemen, in denen die Pausenzeiten standardisiert, d.h. im Zeiterfassungssystem derart fixiert sind, dass zu diesen Zeiten keine zeitliche Bewertung stattfindet,931 sondern die Pausenzeit automatisch von der regelmäßigen Arbeitszeit abgezogen wird. Durch eine kürzere Pause erreichte Zeiteinsparungen werden damit nicht berücksichtigt.932 Eine solche Regelung bietet keine Gewähr dafür, dass die Pause auch tatsächlich genommen wird.933 d) Planbarkeit der Arbeitszeit; Regelungen zur Synchronisation von Vertrags- und tatsächlicher Arbeitszeit; Schutz vor Überlastungen aa) Arbeitszeitplanung – Mitbestimmung bei der Arbeitsorganisation (1) Festlegung von inhaltlichen Standards Wie in Kapitel 1934 dargelegt, besteht ein möglicher Nachteil der Vertrauensarbeitszeit in der durch den Wegfall der Kernzeitvorgabe entstehenden Planungsunsicherheit. Die Übertragung der Arbeitszeitgestaltung auf Arbeitsplatzebene erfordert daher, Entscheidungskriterien und -verfahren für die Festlegung der konkreten Arbeits- und Freizeit vorzusehen.935 Als Kriterien, die bei der Arbeitszeitplanung zu berücksichtigen sind, werden die Funktions- und Öffnungszeiten, Bearbeitungsfristen oder Qualitätsstandards sowie Mindestbesetzungen genannt.936 Die Steuerung der An- und Abwesenheitszeiten erfolgt auf Grundlage dieser Vorgaben, auf die sich Vorgesetzter und betroffene Arbeitnehmer937 unter Beteiligung des Betriebsrats938 geeinigt haben. Diese inhaltlichen

930

Vgl. zu gleitender Arbeitszeit Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 203; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 104. 931 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 50; vgl. zum Gleitzeitsystem bei DaimlerChrysler Krakowski, AuA 2000, 410 (411). 932 s. auch das Beispiel bei Cranen, AuA 2000, 258 (259). 933 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 50; Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/ 2002), S. 8; vgl. etwa auch BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 78 (81). 934 § 4. B. II. 935 Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 82. 936 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 77; vgl. auch BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 319 (331). 937 Vgl. Helmich, AuA 2001, 123 (124). 938 Hoff, Vertrauensarbeit, S. 77.

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Standards sollen somit anstelle von Zeitstandards Sicherheit und Orientierung bieten.939 Es stellt sich nun die Frage, auf welcher Grundlage Mitspracherechte des Betriebsrats bei der Festlegung dieser Vorgaben beruhen. Davon hängt es ab, ob diese Regelungselemente erzwingbar sind und der Betriebsrat bei Anpassungen oder Veränderungen dieser Standards zu beteiligen wäre. Dabei ist nach den einzelnen Regelungsinhalten zu differenzieren: klar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht bei den Öffnungszeiten nicht in Betracht kommt; da die Festlegung von Öffnungszeiten als unternehmerische Entscheidung mitbestimmungsfrei ist940, kann der Betriebsrat keine andere als die vom Arbeitgeber vorgegebene Öffnungszeit durchsetzen. Doch sollen die Möglichkeiten ausgelotet werden, die hinsichtlich der Einflussnahme auf die übrigen wichtigsten Faktoren der Arbeitsorganisation bestehen. (2) Mitbestimmungsrechte bzgl. Arbeitsmenge, Personalbemessung, Qualifikation Dass erfolgreich praktizierte Vertrauensarbeitszeit deutlich mehr beinhalten müsse als die Abschaffung der Zeiterfassung, weil sie hohe Anforderungen an Personalplanung, Führung, Teams und an eine Vertrauenskultur stelle, wird immer wieder betont.941 Eine „durchdachte Organisation der Vertrauensarbeitszeit“ setze voraus, dass der Verlust bei der Arbeitszeitmitbestimmung durch andere Regelungselemente kompensiert wird, wobei neben Qualifizierungsmaßnahmen v. a. der Beeinflussung von Arbeitsmenge und Personalstärke besonderes Gewicht beigemessen wird.942 (a) Beeinflussung des Arbeitspensums Wenn es nach Ansicht von Personalberatern sinnvoller ist, Arbeitszeit im Voraus zu disponieren, als sie im Nachhinein zu erfassen, um den Zusammenhang zwischen Arbeitsaufgabe und Arbeitszeit transparenter zu machen943, und wenn eine Betriebsvereinbarung die Möglichkeit eröffnet, die Arbeitszeit über 939

Vgl. BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 319 (331). GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 303; Sprick, Arbeitszeitbegriff, S. 94. 941 Fauth-Herkner/Wiebrock in: Fauth-Herkner, Flexibel ist nicht genug, S. 175 (178); Kiesche, PersR 2001, 283 (287). 942 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 62 ff.; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 217 f.; ders., AiB 2000, 152 (160); Hensche in Däubler, TVG, § 1 Rn. 575; ders., FS Zeuner, S. 74 (78). 943 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 100; Weidinger, PersF 1993, 598 (600); ähnl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 217: „Der entscheidende Akt ist die Einschätzung, welcher Zeitaufwand (für die zu erledigenden Arbeiten) benötigt wird“. 940

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die zugewiesene Arbeitsmenge zu steuern, liegt die Forderung nahe, dass durch sie auch Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats bezüglich der Bemessung der Arbeitspensen bzw. der Definition von Arbeitszielen geschaffen werden, um Überlastungen der Arbeitnehmer zu vermeiden.944 Dies gilt umso mehr, als die Schaffung klarer und weitgehend „objektivierbarer“ Aufgabenbeschreibungen als die am schwierigsten zu schaffende Voraussetzung für ergebnisorientierte Arbeit betrachtet wird.945 Statt einer unmittelbaren Festlegung von Arbeitspensen werden aufgrund hohen Arbeitsdrucks und hoher Arbeitsintensität in vielen Unternehmen oftmals die angesprochenen Qualitätsstandards und Bearbeitungszeiten vereinbart und zum Leistungsmaßstab erhoben.946 Bekannt ist die Steuerung der Arbeitszeit über das Arbeitspensum aus dem Postzustelldienst947 und der Außendienstarbeit.948 Bei Außendienstmitarbeitern, bei denen sich schon immer das Problem der Arbeitszeitregelung und -kontrolle gestellt hat, wird im Zusammenhang mit der Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG die Steuerung der Arbeitszeit durch Einflussnahme auf den Umfang der Arbeitsleistung vorgeschlagen, z. B. durch eine Begrenzung der Anzahl von Kundenbesuchen949 oder der Reisetätigkeit auf bestimmte Tage950. Ähnliches wird für den Bereich der Tele(heim)arbeit vertreten. Der Arbeitgeber soll verpflichtet sein, den Arbeitszeitschutz u. a. durch organisatorische Maßnahmen zu realisieren, wozu etwa die Zuweisung kleiner Arbeitspakete gehört, die innerhalb der zulässigen täglichen Höchstarbeitszeit erledigt werden können und zu einem Abgabetermin – möglichst am täglichen Dienstende – zurückübermittelt werden sollen. Diese Vorgehensweise könnte die Gefahr der Überschreitung täglicher Höchstarbeitszeiten gegenüber Aufgabenzuschnitten, die über mehrere Tage oder Wochen zu bearbeiten sind, wenigstens vermindern,951 wenngleich sie nicht immer praktikabel sein mag. 944 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 83; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 218, 421; ders., AiB 2000, 152 (160); Hensche, FS Zeuner, S. 74 (78). 945 So Weidinger, PersF 1993, 598 (600). 946 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 77; Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeiten, S. 80. 947 Vgl. etwa BAG v. 23.3.1999 AP Nr. 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. In der Entscheidung des BAG zur Arbeitszeit von Postzustellern wurde es beispielsweise für ausreichend angesehen, dass der das Arbeitsende beeinflussende Arbeitsumfang nach REFA-Kriterien festgelegt wurde und den Zustellern ein tarifliches Reklamationsrecht zur Überprüfung von Überlastungen zustand. Damit war ausreichend sichergestellt, dass dem Arbeitgeber kein einseitiges Gestaltungsrecht über einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eingeräumt wurde. 948 Bei der Außendienstarbeit kommt dem Zeitfaktor schon immer geringeres Gewicht zu. Ebenso wie bei Vertrauensarbeit ist dort die Kontrolle der Arbeitszeiten erschwert und wird den Arbeitnehmern eine größere Freiheit bei der Zeiteinteilung eröffnet; vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 213; ders., AiB 2000, 152 (155); Hunold, Arbeitsrecht im Außendienst, S. 80 ff. 949 Vgl. Hunold, NZA 1993, 10 (12); vgl. auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 24 f. 950 Bösche/Grimberg, FS Gnade, S. 377 (385).

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Bei der Diskussion der Vertrauensarbeitszeit wird mithin vielfach der Ausweg nicht in der Definition absoluter, immer einzuhaltender Obergrenzen gesehen, sondern in der Reduzierung der zu bewältigenden Aufgaben auf ein angemessenes Maß.952 Empirische Forschungen der Böckler-Stiftung953 haben ergeben, dass häufig eine Mitbestimmung über Personalbemessung und Arbeitspensum erfolgt, die über die gesetzliche Regelung hinausgeht. Hoff behandelt die Frage nach dem Arbeitspensum hauptsächlich954 im Zusammenhang mit den noch zu erläuternden Überlastsituationen955, und somit i. S. der (nachträglichen) Korrektur einer vom Arbeitnehmer wahrgenommen und gemeldeten Störung der Balance zwischen Arbeitszeit und Arbeitspensum.956 Z. T. wird es als sinnvoller angesehen, nicht dem Betriebsrat, sondern den Beschäftigten selbst ein Beteiligungsrecht an der Arbeitszumessung einzuräumen.957 Die Dienstvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit der Stadt Wolfsburg sieht z. B. die Beteiligung der Mitarbeiter an der laufenden Aktualisierung der ihrer Arbeit zugrunde liegenden Standards958 vor.959 Bzgl. der bei der Quantifizierbarkeit geistiger Arbeiten bestehenden Schwierigkeiten sei nach oben verwiesen.960 (aa) Gesetzliches Mitbestimmungsrecht? Für diejenigen Bereiche, in denen eine Regelung der Arbeitsmenge sinnvoll wäre, stellt sich die Frage nach den Mitteln des Betriebsrats, um eine derartige Mitbestimmung zu realisieren. Vereinzelt finden sich Anhaltspunkte für die These, das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG beziehe sich auch auf Fragen der Arbeitsbemessung. So heißt es etwa in einer Kommentierung zu § 87 I Nr. 2 BetrVG, dass die Ausübung des Mitbestimmungsrechts bei Vertrauensarbeit Schwierigkeiten auf951 952 953 954

Wedde, Telearbeit, Rn. 473. So auch Däubler, Internet und Arbeitsrecht, Rn. 172. Heidemann, Weiterentwicklung von Mitbestimmung, S. 42 f. Daneben auch im Zusammenhang mit den oben genannten inhaltlichen Stan-

dards. 955

Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 101 f., 152 f. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 101 f., 152 f. Für jede hinzukommende Aufgabe müssten zeitlich gleichwertige Aufgaben entfallen, was im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Führungskraft zu regeln ist. 957 Hensche, FS Zeuner, S. 74 (79), fordert etwa Reklamationsrechte für die Zielbestimmung. 958 Servicezeiten, garantierte Besetzungsstärken, Anlaufstellen, Erreichbarkeiten, Termin-Management, Qualitätsstandards etc. 959 Abgedruckt in CF 5/2001, 12 (14). 960 Kapitel 3, § 2. 956

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werfe und der Betriebsrat unter aktiver Einbeziehung der Beschäftigten u. a.961 sicherstellen müsse, dass realistische Arbeitsziele definiert werden.962 In diese Richtung weist auch die Parallele der Vertrauensarbeit mit der Außendienstarbeit963, bei der im Zusammenhang mit der Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG als „andere Methode der Arbeitszeitsteuerung“ die Einflussnahme auf den Umfang der Arbeitsleistung vorgeschlagen wird.964 Dennoch ist die Zuweisung der Arbeitsaufgabe ein Gegenstand des mitbestimmungsfreien Arbeitsverhaltens965: Einer Subsumtion der Bemessung der Arbeitsmenge unter Nr. 2 steht schon der klare Wortlaut entgegen. Auch der Umstand, dass wirtschaftlich die Arbeitszeit über die Arbeitsmenge gesteuert wird966, führt nicht dazu, dass das Mitbestimmungsrecht hierauf auszudehnen wäre. Mit der Systematik der Mitbestimmungstatbestände ist eine generelle Disziplinierung des Weisungsrechts nicht vereinbar: Wie das BAG967 in anderem Zusammenhang betont hat, sollen zwar vielfach die Mitbestimmungstatbestände der Beschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers dienen und die Interessen der Arbeitnehmer in den Bereichen wahren, in denen der Arbeitgeber sonst allein entscheidet. Zu diesem Zweck sind jedoch gerade einzelne Mitbestimmungstatbestände geschaffen, aber nicht die Ausübung des Direktionsrechts generell der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen worden;968 vielmehr sei es sinnvoll, dem Arbeitgeber mitbestimmungsfreie Weisungen bzgl. der Arbeitsleistung zu belassen.969 Es wäre mithin widersprüchlich, im Rahmen des § 87 I Nr. 1 BetrVG jede das Arbeitsverhalten betreffende Maßnahme vom Mitbestimmungsrecht auszunehmen, aber Nr. 2 so weit auszulegen, dass die Norm die Mitbestimmung über das Arbeitspensum erlaube. 961 „Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit“ . . . bzw. „Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage“. 962 Klebe/Ratayczak/u. a., BetrVG, § 87 Rn. 19: außerdem müsste sichergestellt werden, dass gesetzliche und tarifliche Vorschriften eingehalten, Überlastung vermieden und die tatsächlichen Arbeitszeiten betrieblich erfasst werden. 963 Vgl. Hunold, Arbeitsrecht im Außendienst, S. 80 ff.; Hamm, AiB 2000, 152 (155). 964 Vgl. Hunold, Arbeitsrecht im Außendienst, S. 93; ders., NZA 1993, 10 (12); Bösche/Grimberg, FS Gnade, S. 377 (385). 965 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 21; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218, 390, 421; IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47. 966 In einigen Abhandlungen über die Vertrauensarbeit heißt es, die Arbeitszeit werde durch das Arbeitsergebnis ersetzt; das bedeutet selbstverständlich nicht, dass das Arbeitsergebnis bzw. -ziel der geschuldeten Leistung entspricht bzw. zum Leistungsmaßstab erhoben wird; vgl. etwa Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 4; s. auch Plander, ZTR 2002, 155 (161). 967 V. 23.10.1984 AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = NZA 1985, 224 (225). 968 Ähnl. Starck, Leistungspflichten, S. 36 f. 969 BAG v. 23.10.1984 AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; vgl. auch LAG Mainz v. 10.4.2003 – 4 TaBV 7/2003 – n. v.

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Die Bemessung des Arbeitsumfangs entzieht sich folglich dem unmittelbaren Zugriff des Betriebsrats, was trotz entgegenstehender Forderungen970 auch durch die Novellierung der BetrVG unverändert blieb. Eine Mitbestimmung über die abverlangte Leistung und die Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Verhältnis von Leistung und Entgelt gibt es nur im Rahmen der leistungsbezogenen Entgelte gem. § 87 I Nr. 11 BetrVG.971 Sie dient v. a. dem Schutz vor den besonderen Belastungen, die aus Akkord- und Prämienlohnsystemen resultieren.972 Lediglich im Rahmen dieser Vorschrift erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht u. a. darauf, welche Zeitvorgaben für bestimmte Arbeitsschritte gemacht werden.973 Allenfalls ist zu erwägen, ob sich eine Annexkompetenz für die Mitbestimmung über die Arbeitsmenge begründen lässt. Als Annexregelung, die dem erzwingbaren Mitbestimmungstatbestand unterfällt, kann nach der Rechtsprechung des BAG nur eine Regelung verstanden werden, die sich nicht von der an sich mitbestimmungspflichtigen trennen lässt, weil beide notwendigerweise miteinander verbunden sind und die eine nicht ohne die andere sinnvoll getroffen werden kann.974 Die mit Blick auf die Wirksamkeit von Einigungsstellensprüchen entwickelte Lehre von den Annexbedingungen kann auf das Vorfeld von Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat übertragen werden um festzustellen, ob sich vom Betriebsrat gestellte Forderungen noch im Rahmen des Mitbestimmungsrechts halten.975 Teilweise wird dem Betriebsrat als Annexkompetenz z. B. zugestanden, die Einführung von Überstunden von bestimmten Gegenleistungen (Zuschlag, Freizeitausgleich) abhängig zu machen.976 Mit der Annexkompetenz zu § 87 I Nr. 2 BetrVG wird aber etwa auch das Mitbestimmungsrecht über Verfallklauseln für Zeitguthaben begründet977. Ihre eigentliche Bedeutung – mit der Folge kontro970 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 43; Hamm, AiB 2000, 152 (161); Hensche, FS Zeuner, S. 74 (78); vgl. dazu auch Niedenhoff, PersF 5/2000, S. 60 (64). 971 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47; Ehlscheid/Meine/Vogt in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (2. Aufl.), S. 228 (235). 972 Stellv. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 269. 973 Vgl. Ehlscheid/Meine/Vogt in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (2. Aufl.), S. 228 ff. 974 Vgl. etwa BAG v. 8.3.1977 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG Auszahlung. – Dort wurde ein solcher notwendiger Zusammenhang zwischen der Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts und den ggf. anfallenden Gebühren bejaht; vgl. auch P. Hanau, NZA 1985, Beil. 2, 3 (7); ders., RdA 1973, 281 (283). 975 P. Hanau, NZA 1985, Beil. 2, 3 (9). 976 So D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 100; Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 167; LAG Nürnberg v. 6.11.1990 NZA 1991, 281; a. A. LAG Hannover v. 11.12.2001 LAGE § 77 BetrVG 1972 Nr. 28; nachg. BAG v. 21.1.2003 AP Nr. 1 zu § 21 a BetrVG 2002 = NZA 2003, 1097 ff.

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verser Beurteilung978 – hat die Lehre von den materiellen Annexbedingungen im Zusammenhang mit Kostentragungspflichten, die sich aus einer mitbestimmten Regelung ergeben,979 was hier nicht Gegenstand der Betrachtung ist. Einigkeit besteht darin, dass über diese Figur die Grenzen der einzelnen Mitbestimmungstatbestände nicht aufgelöst werden dürfen.980 Mit Blick auf das Enumerationsprinzip des § 87 I BetrVG genügt deshalb ein einfacher Sachzusammenhang für die Begründung einer Annexkompetenz nicht.981 Sind die im Katalog des § 87 I BetrVG benannte Materie und die Folgeprobleme vom Regelungsgegenstand trennbar, muss die gesetzliche Entscheidung beachtet werden; für die Erstreckung des Mitbestimmungsrechts auf Folgeregelungen wird daher ein notwendiger Sachzusammenhang gefordert.982 Der Begriff der Annexkompetenz darf nicht den Blick dafür verstellen, dass es nicht um eine Ausdehnung des gesetzlich vorgegebenen Rahmens gehen kann, sondern letztlich nur um die Frage nach dem Inhalt des einzelnen Mitbestimmungstatbestandes.983 Auch die Rechtsprechung ist mit der Annahme von Annexkompetenzen recht zurückhaltend.984 Die Mitbestimmung über das Arbeitspensum kann allenfalls dann dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 I Nr. 2 BetrVG unterfallen, wenn zwischen Arbeitszeit und Arbeitsmenge ein notwendiger Sachzusammenhang besteht. Dies ist allerdings äußert zweifelhaft. Trotz des Zusammenhangs zwischen Arbeitsmenge und der Einhaltung von Arbeitszeitgrenzen kann man die beiden Parameter Arbeitszeit und Arbeitsaufgabe nicht einfach gleichsetzen und gegenein977 Klevemann, AiB 1984, 90 (93); genannt werden auch Ausgleichsregelungen für Rouliersysteme, wenn der freie Tag auf einen Feiertag fällt (Buschmann, AiB 1981, 171 [172]); weitere Bsp. bei P. Hanau, RdA 1973, 281 (283). 978 Vgl. BAG v. 11.7.2000 AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; v. 8.3.1977 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung; P. Hanau, RdA 1973, 281 (283); krit. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 41 ff.; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 16; Starck, Leistungspflichten, S. 39 ff., 66; Peterek, Anm. zu BAG SAE 1978, 139, 142 ff. 979 Vgl. auch Schwerdtner, DB 1983, 2763 (2771) bzgl. der Frage, ob die Dauer der Arbeitszeit als Annex zu deren Lage zu verstehen ist. 980 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 16; Starck, Leistungspflichten, S. 41; v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; Wiedemann/Moll, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung. 981 Starck, Leistungspflichten, S. 42 – explizit für materielle Annexkompetenzen; v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; Wiedemann/Moll, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung. 982 Wiedemann/Moll, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung. 983 MünchArbR-Matthes, § 332 Rn. 5; ähnl. insoweit auch Hanau/Reitze, FS Wiese, S. 149 (150, 159). 984 So der Befund v. MünchArbR-Matthes, § 332 Rn. 5 m. N. in Fn. 6; Hanau/ Reitze, FS Wiese, S. 149 (150); vgl. auch BAG v. 21.1.2003 AP Nr. 1 zu § 21 a BetrVG 2002 = NZA 2003, 1097 (1100); Anm. Braun, ArbRB 2003, 267 f.; LAG Hannover v. 11.12.2001 LAGE § 77 BetrVG 1972 Nr. 28.

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ander austauschen. Welches Arbeitsvolumen in der geschuldeten Zeit zu bewältigen ist, hängt eben nicht allein von der zur Verfügung stehenden Zeit selbst ab, sondern auch von solchen weniger leicht kalkulierbaren Faktoren wie der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, insbesondere ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation sowie von der Personalbemessung überhaupt.985 Die Lehre von der Annexkompetenz bietet mithin keine Grundlage, eine Erzwingbarkeit der Mitbestimmung über das Arbeitspensum anzunehmen. (bb) Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch Betriebsvereinbarung und Koppelungsgeschäfte Dennoch wird darauf hingewiesen, dass die Schaffung von Rahmenbedingungen, wie etwa die Mitbestimmung über das Arbeitspensum, der Preis für eine Umgestaltung der Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeitgestaltung sein müsse, ohne die der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einführung der Vertrauensarbeitszeit verweigern müsste. Er könne sein Einverständnis von einer derartigen Regelung abhängig machen.986 Das setzt zunächst voraus, dass die Mitbestimmungsrechte durch freiwillige Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG) erweitert werden können. Anschließend ist das Problem der Zulässigkeit von Koppelungsgeschäften zu erörtern. Teilweise wird vertreten, durch Betriebsvereinbarung könne ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht geschaffen werden.987 Zur Begründung wird auf den zwingenden Charakter und die Systematik des Gesetzes verwiesen, wonach zulässige Abweichungen von der gesetzlichen Regelung ausdrücklich bestimmt sind.988 Dieser Öffnungen hätte es nicht bedurft, wenn es den Betriebspartnern freistünde, die Bestimmungen des BetrVG abzuändern.989 Weitere Argumente sind, dass durch eine Erweiterung des Mitbestimmungskatalogs der Arbeitgeber unüberschaubaren Bindungen unterworfen werden könnte und die gesetzliche Kompetenzverteilung nicht verändert werden und den vielfältigen Wandlungen im Verhältnis der Betriebspartner ausgesetzt sein solle.990

985 Als Belastungsfaktoren werden z. B. genannt: Qualifikationsanforderungen, Technikeinsatz, Arbeitsumgebung, Arbeitsorganisation, Über- und Unterforderung, Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit; IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 45. 986 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 390; vgl. auch Hensche, FS Zeuner, S. 74 (77 ff.). 987 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 88 Rn. 14; Richardi, BetrVG, § 88 Rn. 9; H/S/W/GWorzalla, BetrVG, § 87 Rn. 40. 988 Z. B. in §§ 38 I 5; 47 IV; 55 IV BetrVG. 989 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 40; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 277. 990 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 88 Rn. 14; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 40.

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Diese Argumentation kann indessen nicht überzeugen. So wird denn auch überwiegend von der Zulässigkeit einer Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch Betriebsvereinbarung ausgegangen.991 Ausgangspunkt dieser Auffassung ist die Annahme einer umfassenden Regelungszuständigkeit des Betriebsrats in allen betrieblichen Angelegenheiten im Rahmen der durch § 77 III BetrVG gezogenen Grenzen.992 Teilweise wird zusätzlich auf die nur beispielhafte Aufzählung in § 88 BetrVG verwiesen, die dafür spricht, weitere Mitbestimmungsrechte über den Katalog des § 87 I BetrVG hinaus zu schaffen.993 Für die funktionelle Zuständigkeit wird lediglich ein Bezug zu betrieblichen Arbeitsbedingungen vorausgesetzt, der aber in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten grundsätzlich gegeben ist.994 Dafür lässt sich § 76 VI BetrVG anführen, wonach die Betriebspartner sich freiwillig dem Spruch der Einigungsstelle unterwerfen können.995 Im Hinblick auf die Freiwilligkeit ist auch ein Schutz des Arbeitgebers vor unüberschaubaren Bindungen nicht erforderlich.996 Auch das Argument, dass die einzelnen Öffnungsvorschriften in der Betriebsverfassung abschließend seien, überzeugt nicht. Insofern handelt es sich um Normen, die nur die Organisation der Betriebsverfassung, nicht aber die Erweiterung der Mitbestimmung betreffen; deren Zulässigkeit wurde ausdrücklich offengelassen.997 Eine unzulässige Erweiterung der Mitbestimmungsrechte liegt im Übrigen auch nach der ablehnenden Ansicht nicht vor, wenn nur eine Beteiligung des Betriebsrats in einer von den Betriebspartnern inhaltlich getroffenen Regelung vorgesehen ist.998 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung die Schaffung weiterer Mitbestimmungsrechte möglich ist. Die Einflussnahme des Betriebsrats auf das Arbeitsvolumen kann damit jedenfalls dann 991 Vgl. etwa F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 252 ff.; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 84 ff.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 10; BAG v. 13.7.1962 AP Nr. 3 zu § 57 BetrVG. 992 BAG v. 19.5.1976 AP Nr. 1 zu § 88 BetrVG 1972; v. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972; v. 19.1.1999 AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 252; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 84 f.; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 9, vor § 87 Rn. 3 ff., § 88 Rn. 7; a. A. bzw. krit. Richardi, 61. DJT 1996, GA B 46 ff.; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 265 ff.; 290, weitere Nachweise s. GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 3. 993 F/K/H/E/S, BetrVG, § 88 Rn. 2; BAG v.13.7.1962 AP Nr. 3 zu § 57 BetrVG. 994 F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 252, 254, 258; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 85; zu den Schranken vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 13. 995 D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 84; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 9; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 194 f. 996 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 9. 997 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 7; Meier-Krenz, Erweiterung, S. 52, 57 f., 121; BT-Drs. VI/1786, S. 36 ff. 998 Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbem. § 87 Rn. 12; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 8; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 276.

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aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG) ermöglicht werden, wenn man sie zu den sozialen Angelegenheiten zählt. Darunter sind nach bestrittener Auffassung999 die Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne zu verstehen, also alle, die Gegenstand des normativen Teils des Tarifvertrags sein könnten,1000 gleichgültig, ob sie primär den Inhalt des Arbeitsverhältnisses oder die Ordnung des Betriebs betreffen.1001 Hiergegen könnte sprechen, dass die sozialen Angelegenheiten i. S. d. § 88 BetrVG von den personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten abzugrenzen seien und daher eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung von Arbeitplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§§ 90 ff.), bei personellen (§§ 92 ff.) und wirtschaftlichen (§§ 106 ff.)1002 Angelegenheiten nicht möglich sei.1003 Begründet wird dies mit der systematischen Stellung des § 88 BetrVG im dritten Abschnitt, der mit „Soziale Angelegenheiten“ überschrieben ist.1004 Fragen des Arbeitspensums könnten daher nicht unter § 88 BetrVG fallen, weil sie statt „sozialer Angelegenheiten“ tendenziell eher den Arbeitsablauf betreffen oder den wirtschaftlichen Angelegenheiten zuzuordnen sind, für die die Beteiligung in §§ 106 ff. BetrVG abschließend geregelt ist.1005 Allerdings ist diese Abgrenzung zu sozialen Angelegenheiten angesichts zahlreicher im Gesetz selbst angelegter Überschneidungen fließend geworden.1006 Man wird mit Blick auf § 87 I Nr. 11 BetrVG davon ausgehen können, dass die Mitbestimmung über die abgeforderte Arbeitsleistung den sozialen Angelegenheiten zuzuordnen ist, wenngleich dort nur der Leistungslohnbereich geregelt ist. Dagegen könnte vorgebracht werden, dass die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten sich nur auf die Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen, nicht aber auf diese selbst beziehen darf,1007 dass aber Fragen des Arbeitsvolumens als unternehmerische Entscheidung mitbestimmungsfrei bleiben müsse. Dem lässt sich wiederum entgegenhalten, dass Auswirkungen auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Mitbestimmung nicht schlechthin 999

Krit. Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 278 ff. D/K/K-Berg, BetrVG, § 88 Rn. 1; F/K/H/E/S, BetrVG, § 88 Rn. 3. 1001 GK-Wiese, BetrVG, vor § 87 Rn. 3; BAG v. 16.3.1956 AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; BAG v. 1.12.1992 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972; ausf. zum Meinungsstand Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 279 f. 1002 Hierzu ausf. Beuthien, ZfA 1984, 1 (8, 25 ff.) m. N. zu den unterschiedlichen Auffassungen. 1003 Vgl. Richardi, BetrVG, § 88 Rn. 3; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 13; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 283 ff. 1004 Richardi, BetrVG, § 88 Rn. 3. 1005 Vgl. Beuthien, ZfA 1984, 1 (26). 1006 So Richardi, BetrVG, § 88 Rn. 4; Meier-Krenz, Erweiterung, S. 91 f.; Rube, Paritätische Mitbestimmung und Betriebsverfassung, S. 98 ff.; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 284; vgl. BAG v. 7.11.1989 AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972. 1007 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 13; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 278, 286. 1000

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entgegenstehen.1008 So hat z. B. das Recht des Betriebsrats, Überstunden zu verhindern, zweifellos Auswirkungen auf die unternehmerische Entscheidung.1009 Soll aber der Betriebsrat auf dieses Recht weitgehend verzichten, dürfte es keinen unzulässigen Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellen, wenn ihm durch freiwillige Betriebsvereinbarung das Recht eingeräumt wird, in gewissem Umfang Einfluss auf das von Arbeitnehmern abverlangte Arbeitsvolumen zu nehmen. Könnte mithin der Betriebsrat grundsätzlich sein Einverständnis mit der Einführung von Vertrauensarbeit von einer derartigen Regelung abhängig machen, ist die umstrittene Frage nach den sog. Koppelungsgeschäften in der Betriebsverfassung aufgeworfen.1010 Ihre grundsätzliche Zulässigkeit1011 wird damit begründet, dass im Gegensatz zu §§ 99 II, 103 III BetrVG die Zustimmungsverweigerung nicht an bestimmte Gründe gebunden ist.1012 Die Gegenauffassung leitet aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 I BetrVG) her, dass der Betriebsrat die Zustimmung nicht von Zugeständnissen abhängig machen darf, die er nicht aufgrund eines Mitbestimmungsrechts erwirken könnte.1013 Richtig ist insoweit, dass die Betriebspartner aufgrund des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet sind, die im Gesetz vorgegebenen Zwecke zu verwirklichen, und dass daher auch eine etwaige Zustimmungsverweigerung denjenigen Interessen Rechnung tragen muss, um derentwillen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht.1014 Überzeugender ist für die grundsätzliche Zulässigkeit von Koppelungsgeschäften aus dem in § 74 I 2 BetrVG normierten Prinzip des Vorrangs der Verhandlungen und aus der Kooperationsmaxime gem. § 2 I BetrVG zu schlussfolgern, dass der dem Betriebsrat eingeräumte Regelungsspielraum über die bloße Möglichkeit zur Zustimmung oder Ablehnung hinausgeht und auch Kompromisse zwischen Arbeit1008

Vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. Vgl. Rube, Paritätische Mitbestimmung und Betriebsverfassung, S. 100 f. 1010 Ausf. zum Meinungsstand Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 14 ff.; Eich, ZfA 1988, 93 ff.; Konzen, FS Zöllner, S. 799 ff. (809 f.). Nach Hanau/Reitze, FS Wiese, S. 149 (154 f., 157), kann ein Koppelungsangebot des Betriebsrats dessen aufschiebend bedingte Zustimmung beinhalten mit der Folge, dass bei Unzulässigkeit der Bedingung die Zustimmung zur mitbestimmungspflichtigen Maßnahme dennoch als erteilt gilt. Gegen diesen Ansatz hat Brandl eingewandt, dass es sich bei Koppelungsangeboten des Betriebsrats gerade nicht um Bedingungen im Rechtssinne handelt, sondern um eine „Vorbedingung des Kontrahierens überhaupt“. Sie kann mithin nicht isoliert von der Erteilung der Zustimmung betrachtet werden; vgl. Koppelungsgeschäfte, S. 19, 61. 1011 Vgl. Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 14 m. w. N. in Fn. 41–45. 1012 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 9; LAG Nürnberg v. 6.11.1990 NZA 1991, 281. 1013 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 75; LAG Köln v. 14.6.1989 LAGE § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit Nr. 1. 1014 Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 150. 1009

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geber und Betriebsrat zulässt.1015 Dadurch können die Gestaltungschancen im Rahmen einer über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehenden Kooperation zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber erweitert werden.1016 Jegliches Koppelungsansinnen findet aber seine Grenze im Rechtsmissbrauch (§ 2 I BetrVG; § 242 BGB).1017 Als rechtsmissbräuchlich gilt es etwa, wenn der Betriebsrat die Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme aus betriebsverfassungswidrigen Motiven verweigert bzw. sie mit Forderungen verknüpft, auf die kein Anspruch besteht, wie z. B. die Einführung zusätzlicher Mitbestimmungsrechte oder erhöhte materielle Arbeitgeber-Leistungen.1018 Diese Einschränkung gilt nach der hier zugrunde zu legenden Auffassung allerdings für Forderungen, die mit dem Mitbestimmungstatbestand nichts zu tun haben.1019 Dabei kommt es als Maßstab nicht nur auf die tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern ganz entscheidend auch auf den Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts an, an dem sich die Forderungen messen lassen müssen.1020 Der Normzweck des jeweiligen Mitbestimmungstatbestandes muss mit dem durch das Koppelungsansinnen verfolgten Zweck verglichen werden.1021 Zu prüfen ist, ob das Koppelungsgeschäft auf die Verwirklichung des Zwecks des zugrunde liegenden Beteiligungsrechts ausgerichtet ist. Wenn ein Sachzusammenhang zwischen diesem und dem Inhalt des Koppelungsgeschäfts vorliegt, ist eine Koppelung auch dann zulässig, wenn für den Inhalt des Koppelungsgeschäfts kein Mitbestimmungsrecht besteht.1022 Denn Zweck und Inhalt eines Koppelungsgeschäfts stimmen oftmals nicht überein und eine Begrenzung des Betriebsrats auf das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts wäre eben ge1015

Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 148; Konzen, FS Zöllner, 799 (821). Vgl. Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 7. 1017 Wann diese Grenze überschritten ist, wird unterschiedlich beurteilt. Genannt werden Koppelungsgeschäfte, mit denen der Betriebsrat eine grundsätzlich mitbestimmungspflichtige Angelegenheit dazu zu benutzen versucht, Forderungen auf anderen Gebieten durchzusetzen und den Arbeitgeber zu veranlassen, sich die Zustimmung des Betriebsrats zu der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit durch Erfüllen der Forderung zu erkaufen. Vgl. dazu GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 361 m. w. N.; vgl. ausf. Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 15 ff.; Bengelsdorf, BB 1991, 613; Brossette, ZfA 1992, 379 (401); Kappes, DB 1997, 277 ff. 1018 Hanau, NZA 1985 Beil. 2, 3 (7); vgl. zu Letztem etwa LAG Köln v. 14.6.1989 LAGE § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit Nr. 1; Hanau/Reitze, FS Wiese, S. 149 (154 f.): Unzulässig ist danach eine Bedingung u. a. auch dann, wenn sich die Regelungskompetenz für sie nur aus § 88 BetrVG ergibt. Denn anderenfalls läge wiederum eine Missachtung des Enumerationsprinzips im Rahmen des § 87 I BetrVG vor. 1019 Vgl. etwa Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 141 ff.; Konzen, FS Zöllner, S. 799 (819). 1020 Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 141; Konzen, FS Zöllner, S. 799 (818 f.); vgl. auch Ehmann, SAE 1985, 181 (190); s. weitere Nachw. bei Brossette, ZfA 1992, 379 (400: Fn. 108). 1021 Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 141; Konzen, FS Zöllner, S. 799 (818 f.). 1022 Anders insoweit Hanau/Reitze, FS Wiese, S. 149 (155). 1016

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rade nicht am Zweck orientiert. Erfüllt das Verhalten des Betriebsrats den Normzweck, ist es nicht rechtsmissbräuchlich, sondern zulässig.1023 Nach diesen Grundsätzen wird man von einem zweckwidrigen Koppelungsgeschäft solange nicht sprechen können, wie der Betriebsrat den reduzierten Einfluss bei der Festlegung der täglichen Arbeitszeit durch andere Formen der Einflussnahme zu ersetzen strebt, um damit eine Begrenzung des Arbeitstags zu erreichen, die noch eine sinnvolle Freizeitgestaltung erlaubt, um letztlich so den Zweck der Mitbestimmung in Arbeitszeitfragen zu verwirklichen.1024 Eine Koppelung ist mithin zulässig, wenn eine Kompetenz für eine freiwillige Betriebsvereinbarung besteht und der Zweck des Beteiligungsrechts gewahrt ist.1025 Aus § 2 I BetrVG folgt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Mitbestimmungsausübung hat. Das gilt erst recht für sein Ansinnen, die Arbeitszeitgestaltung auf die Ebene des einzelnen Arbeitnehmers zu verlagern. Vielmehr hat der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht schutzzweckorientiert auszuüben. Er handelt deshalb nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er seine Zustimmung zu einem Vertrauensarbeitszeitmodell mit der Forderung nach der Mitbestimmung über das Arbeitspensum verknüpft. Er hat somit die Möglichkeit, Koppelungsgeschäfte durch freiwillige Betriebsvereinbarungen (§ 88 BetrVG) abzuschließen.1026 Auf dieser Grundlage kann auch Einfluss auf die Ausgestaltung von Projektarbeit genommen werden, die, wie in Kapitel 11027 ausgeführt, durch ihre Termingebundenheit im Zusammenhang mit Vertrauensarbeit in besonderem Maße die Gefahr von Überlastung birgt. Ansatzpunkt ist die Projektplanung, da sie die Basis für das Angebot und die spätere Auftragserteilung ist1028.1029 Dabei wird auf die Gefahr hingewiesen, die eine Einbeziehung der betroffenen Mitarbeiter 1023

Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 163; vgl. auch Konzen, FS Zöllner, S. 799

(821). 1024 Dies wäre genauso wenig rechtsmissbräuchlich, wie wenn aufgrund einer Interessenabwägung etwa die durch die Überstunden anfallenden höheren Fahrtkosten ersetzt verlangt werden, vgl. Otto, NZA 1992, 97 (109); GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 361. 1025 Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 167; Konzen, FS Zöllner, S. 799 (821). 1026 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 361; vgl. Brandl, Koppelungsgeschäfte, S. 143; vgl. auch Gast, Arbeitsrecht 2000, S. 63 f. 1027 § 4. I. 2. 1028 „Die Gewinnmarge eines Projektes steigt, je weniger Arbeitsbesprechungen angesetzt werden, je weniger Personen in Supportfunktionen eingesetzt werden oder je weniger Zeit für Qualifizierungsmaßnahmen aufgewendet wird“, vgl. Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34 (35). 1029 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 69 f.; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 218 f.; vgl. auch Hensche, WSI-Mitt. 10/2001, 602 (604): Mitbestimmung über Projektziele und -ressourcen; R. Moll, WSI-Mitt. 8/1994, 523 (525), der die Notwendigkeit der aktiven Mitarbeit des Betriebsrats in der Zielfindungs- und Zielformulierungs-Phase betont.

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anstelle des Betriebsrats birgt. Selbstüberschätzung, Konkurrenzdruck und ideelle Interessen an anspruchsvollen Aufgaben könnten zu einer zu ehrgeizigen Planung führen und somit kontraproduktiv wirken. Bei unrealistischer Planung müsse in jedem Falle ein Nachsteuern möglich sein, was sich i. d. R. allenfalls i. S. einer Kapazitätserweiterung realisieren lässt.1030 Da aber mit Projektarbeit gerade intendiert ist, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen, können Probleme trotz der geäußerten Bedenken wohl auch nur von den Betroffenen selbst am besten gelöst werden und nicht stellvertretend durch den Betriebsrat.1031 Die Aufgabe der Interessenvertretung wird deshalb von anderen vorrangig darin gesehen, eine wirksame Mitarbeit betroffener Belegschaftsmitglieder innerhalb einer Projektgruppe sicherzustellen.1032 Teilweise werden Regulierungen gefordert, in denen für die Mitarbeiter „Anspruchsrechte über Ressourcen und Kompetenzen“ formuliert werden.1033 Nun sind aber unmittelbare Mitsprache- und Mitwirkungsrechte des Arbeitnehmers „rund um seinen Arbeitsplatz“, die seiner Persönlichkeitsentfaltung im Betrieb dienen1034, als Konkretisierung der individualrechtlichen Treuepflichten des Arbeitgebers1035 bereits in den §§ 81 ff. BetrVG normiert.1036 Inhaltlich handelt es sich dabei um Unterrichtungs-, Belehrungs-, Anhörungs- und Erörterungsrechte. Da teilweise auf deren abschließenden Charakter hingewiesen wird1037, stellt sich die Frage, ob darüber hinaus weitere Rechte geschaffen werden könnten. Nach Auffassung von Wiese eröffnet § 86 BetrVG nicht die Möglichkeit, weitere als die in den §§ 81 ff. ausdrücklich normierten Individualrechte durch Kollektivvereinbarung zu begründen.1038 § 86 BetrVG gilt aber nach seinem Wortlaut nur für das Beschwerdeverfahren (§§ 84, 85 BetrVG), weshalb hieraus nicht geschlossen werden kann, dass eine Erweiterung der Individualrechte durch Betriebsvereinbarung nicht möglich sei.1039 Das praktische Problem dürfte aber weniger in der Schaffung als in der Durchsetzung von Individualrechten liegen, gegen deren Verletzung der Betriebsrat nicht gerichtlich vorgehen kann.1040 1030

Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 70; Hensche, FS Zeuner, S. 74, 79. Vgl. R. Moll, WSI-Mitt. 8/1994, 523 (526). 1032 So auch allg. zur gewerkschaftlichen Politik gegen ein Arbeiten ohne Ende Pickshaus, Supplement der Zeitschrift Sozialismus, 2/2000, 1 (14 f.): „Abkehr von der ,Stellvertreter‘-Mentalität als Betriebsrat oder Gewerkschafter“ und Schaffung von Bedingungen, die die Eigenwahrnehmung der Interessen ermöglichen. 1033 Voss-Dahm, Die Mitbestimmung 6/2001, 34 (36). 1034 v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 304. 1035 GK-Wiese, BetrVG, vor § 81 Rn. 26 ff. 1036 Vgl. BT-Drs. VI/1786, S. 47. 1037 GK-Wiese, BetrVG, vor § 81 Rn. 26. 1038 GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 3. 1039 F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 260; zur ausführlichen Begründung s. H/S/W/GHess, BetrVG, Vor 1 Rn. 58 ff. (60). 1031

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Eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Regelungsvorschlägen zur Projektarbeit1041 kann hier unterbleiben, sind doch die jeweiligen Problemlösungen von Fall zu Fall verschieden.1042 (cc) Exkurs: Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch Tarifvertrag? Eine weitere Möglichkeit, die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats auszuweiten, könnte im Abschluss entsprechender Tarifverträge liegen. Bezüglich der Regelung von Leistungsbedingungen durch Tarifvertrag ist auf die Ausführungen in Kapitel 31043 zu verweisen. Die Zulässigkeit der Erweiterung der gesetzlichen Rechte des Betriebsrats durch Tarifvertrag ist ebenfalls umstritten.1044 Die Ansichten reichen von der generellen Ablehnung1045 über differenzierte Lösungen bzgl. einzelner Regelungskomplexe1046 bis hin zur weitgehenden Anerkennung der Erweiterungsmöglichkeit.1047 Die ablehnende Auffassung hält die Regelung des BetrVG für zwingend und begründet dies mit dem bereits zurückgewiesenen Argument, dass die möglichen Abweichungen von den Vorschriften des BetrVG im Gesetz selbst abschließend aufgezählt worden seien.1048 § 1 I TVG ermächtige deshalb auch 1040 F/K/H/E/S, BetrVG, § 81 Rn. 28 mit dem Hinweis, dass bei groben Verstößen ein Vorgehen nach § 23 III BetrVG in Betracht kommt; MünchArbR-v. HoyningenHuene, § 303 Rn. 7. 1041 Dazu Bollinger, WSI-Mitt. 11/2001, 685 (688); Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 71 f. mit dem Vorschlag, mittels eines Balanced-Scorecard-Systems auch den Interessen der Beschäftigten im Rahmen der Projektziele einen eigenen Stellenwert einzuräumen; ähnl. R. Moll, WSI-Mitt. 8/1994, 523 (525); ein Benchmarking-System zur Bewertung der Humanisierung der Arbeit wird auch vorgeschlagen bei Zanker, Neue Maßstäbe für humane Arbeit?, (ver.di-Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V.), S. 52. Darin werden als Bewertungsfaktoren genannt Partizipation/Handlungsspielräume/Entscheidungsmöglichkeiten, Transparenz von Entscheidungen, Möglichkeiten zur Qualifizierung und Kompetenzentwicklung und Work-Life-Balance. 1042 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 71; vgl. auch Bollinger, WSI-Mitt. 11/ 2001, 685 (690): „Ein erweiterter Arbeits- und Gesundheitsschutz muss einer ganz anderen Logik folgen als der klassische Arbeitsschutz. Die mit neuen Arbeitsformen verbundenen Belastungen sind in hohem Maße „individualisiert“, d.h. unternehmens-, projekt-, arbeitssituations- oder personenspezifisch und deshalb nicht allgemeingültig zu bestimmen. [. . .] Jede rigide Arbeitsschutzregelung würde als Eingriff in die als bedeutsam erlebte Autonomie von Arbeit gesehen.“ 1043 Dort § 2. 1044 Ausf. zum Streitstand GK-Kraft, BetrVG, vor § 92 Rn. 10 ff. 1045 So etwa MünchArbR-v. Hoyningen-Huene, § 297 Rn. 102; Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 136 ff., 145 ff.; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 38 ff. m. w. N. 1046 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 11, vor § 92 Rn. 2; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 13. 1047 Vgl. etwa F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 246 ff.; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 77 ff.

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nur insoweit zur Setzung betriebsverfassungsrechtlicher Normen als sie durch das BetrVG selbst zugelassen werden.1049 Im Übrigen wird z. B. auf die Gefahr verwiesen, dass die gesetzliche Mitbestimmungsordnung – ggf. mit Hilfe von Arbeitskämpfen – verändert bzw. branchenspezifisch differenziert werden könnte.1050 Diese Argumentation ist wenig überzeugend, da die Mitbestimmungsordnung nur in Form eines Mindeststandards den Tarifparteien entzogen ist und branchenspezifische Differenzierungen dem Tarifwesen immanent sind.1051 Zu folgen ist der vom BAG1052 und einem Großteil der Literatur vertretenen Gegenauffassung1053. Das BetrVG ist als Arbeitnehmerschutzgesetz mit Ausnahme der Vorschriften über Wahl und Organisation des Betriebsrats nur einseitig zwingend.1054 Die ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungen zu abweichenden tariflichen Regelungen lassen keinen über organisatorische Angelegenheiten hinausgehenden Umkehrschluss zu.1055 Gem. §§ 1 I und 3 II TVG steht den Tarifparteien eine Rechtsetzungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten zu. Wie sich aus § 2 III BetrVG ergibt, ist diese Befugnis durch das BetrVG nicht eingeschränkt worden.1056 Damit ist zumindest für den Bereich der sozialen Angelegenheiten die Möglichkeit zur Erweiterung der notwendigen Mitbestimmung anzuerkennen.1057 Wie bereits festgestellt, wird man mit Blick auf § 87 I Nr. 11 BetrVG Fragen der Arbeitsbemessung zu den sozialen Angelegenheiten rechnen können. Durch Tarifvertrag können somit dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte über die zugeteilte Arbeitsmenge eingeräumt werden.

1048 Vgl. etwa Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 136; H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 39. 1049 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 39. 1050 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 39; ausf. dazu Richardi, NZA 1988, 673 (676). 1051 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 12. 1052 Vgl. etwa v. 18.8.1987 AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972; zu personellen Angelegenheiten v. 10.2.1988 AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972. 1053 F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 245 ff.; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 79 ff.; ErfK-Kania, BetrVG Einl. vor § 74 Rn. 4 ff. 1054 F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 246, 250. 1055 D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 79. 1056 F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 250; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 79; Beuthien, ZfA 1984, 1 (18). 1057 Vgl. zu den Einschränkungen etwa Oetker in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 601; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 13.

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(dd) Zwischenergebnis Durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag können Mitbestimmungsrechte vereinbart werden, die dem Betriebsrat Einflussnahme auf das Arbeitspensum ermöglichen. (b) Personalstärke Als Alternative bzw. Ergänzung kommt die Regelung der Personalbemessung1058 in Betracht, die dem Betriebsrat z. B. ermöglichen könnte, darauf zu drängen, Ausfallzeiten in der Planung zu berücksichtigen und neue Vereinbarungen zu treffen, wenn bestimmte Umstände und Veränderungen eintreten.1059 Ein unmittelbares Mitbestimmungsrecht steht hierfür nach dem BetrVG nicht zur Verfügung. Insbesondere ist die Besetzung einer Abteilung mit einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern nicht vom Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 2 BetrVG erfasst, selbst wenn diese Zahl einer nach Nr. 2 mitbestimmungspflichtigen Regelung zugrunde liegt.1060 (aa) Gesetzliche Mitwirkungsrechte gem. §§ 92, 92 a BetrVG Die gesetzlichen Regelungen zur Personalplanung sind auf Unterrichtungs-, Beratungs- und Vorschlagsrechte (§ 92 BetrVG) beschränkt. Der DGB-Vorschlag, § 92 I BetrVG als volles Mitbestimmungsrecht über Art und Inhalte der Personalplanung auszugestalten, konnte sich im Zuge der Gesetzesnovellierung 2001 nicht durchsetzen.1061 Für den Kündigungsschutz hat das BAG entschieden, dass die Grundsatzfragen der Arbeitszeitgestaltung, insbesondere die Entscheidung über die Kapazität an Arbeitszeit und ihre Verteilung, mitbestimmungsfreie Unternehmerentscheidungen sind. Auch wenn dadurch eine Leistungsverdichtung eintrete, könne der Arbeitgeber frei entscheiden, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten.1062 Während die Betriebsräte zu Beginn der 1990er Jahre von gewerkschaftlicher Seite u. a. auf die Verweigerung 1058 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 47 f. zur Erreichung eines sog. Leistungskompromisses. 1059 Vgl. Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 575; IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 50. 1060 BAG v. 28.5.2002 AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 1061 Vgl. zu diesem Vorschlag und den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein solches Mitbestimmungsrecht etwa Blanke, AiB 2000, 491 (493 ff.); ähnl. Löwisch, DB 1999, 2209 (2213). 1062 Vgl. BAG v. 24.4.1997 AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969; Stege/Weinspach, BetrVG, § 87 Rn. 14 b.

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der Zustimmung zu Überstunden verwiesen werden konnten1063, steht genau dieses Druckmittel in Vertrauensarbeitszeitmodellen nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung. § 92 II BetrVG enthält mit dem Vorschlagsrecht für die Ein- und Durchführung einer Personalplanung „lediglich ein sehr abgeschwächtes Initiativrecht“.1064 Auch der neu geschaffene § 92 a BetrVG bietet keine weitergehenden Handlungsmöglichkeiten. Der Betriebsrat hat danach lediglich das Recht, Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung zu machen, die der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat anschließend zu beraten hat. Es handelt sich mithin auch hier nicht um ein Mitbestimmungsrecht.1065 Zudem ist zweifelhaft, ob von diesem Recht überhaupt Neueinstellungen erfasst wären. Denn es herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Vorschlagsrecht auf die Belegschaft beschränkt ist1066 oder ob der Norm ein darüber hinausgehendes allgemeinpolitisches Mandat entnommen1067 werden kann.1068 Für eine nur belegschaftsbezogene Ausrichtung des Rechts wird zum einen dessen systematische Zuordnung zu den personellen Maßnahmen ins Feld geführt. Zum anderen folge aus dem durch die Wahl im Betrieb vermittelten Mandat, dass es vorrangig um Förderung und Sicherung der Interessen der betriebsangehörigen Arbeitnehmer gehe, auch wenn sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Mangels demokratischer Legitimation könne der Betriebsrat dem Gemeinwohl nicht verpflichtet sein.1069 Aus der Gesetzesbegründung folgt aber der gegenteilige Wille des Gesetzgebers, da dort als mögliches Ziel der Vorschläge auch die Einstellung von Arbeitnehmern genannt ist.1070 Das Ziel der Beschäftigungsförderung als Aufgabe des gesamten Arbeitsrechts soll daher nach der Gegenauffassung auch mit Hilfe der Betriebsverfassung verfolgt werden können.1071 In jedem Fall ist aber Intention der 1063 Vgl. etwa Balduin in: Lang/Meine/Ohl, Arbeit, Entgelt, Leistung (1. Aufl.), S. 473 (508). 1064 Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92 Rn. 43. 1065 D/K/K-Däubler, BetrVG, § 92 a Rn. 1. Lediglich hinsichtlich des Begründungserfordernisses für die Ablehnung eines Vorschlags besteht gem. § 92 a II ein gerichtlich durchsetzbarer Erfüllungsanspruch, Annuß, NZA 2001, 367 (368). Da § 92 a I BetrVG gegenüber den nach § 80 I Nr. 2 und neuerdings Nr. 8 BetrVG bestehenden Vorschlagsrechten keinerlei Zugewinn bringe (GK-Kraft, BetrVG, § 87 Rn. 2; Däubler, AuR 2001, 285 [290]), ist der Norm mangelnde juristische Substanz bescheinigt worden, vgl. Annuß, NZA 2001, 367 (368); Däubler, AuR 2001, 1 (6): „Mitbestimmungslyrik“. 1066 So F/K/H/E/S, BetrVG, § 92 a Rn. 5, 7; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 92 a Rn. 2; J.-H. Bauer, NZA 2001, 375 (378); Konzen, RdA 2001, 76 (91); Rieble, NZA Sonderheft 2001, 48. 1067 Dies als Systembruch bezeichnend Reichold, NZA 2001, 857 (863 f.); krit. auch Rieble, ZIP 2001, 133 (140). 1068 So D/K/K-Däubler, BetrVG, § 92 a Rn. 2; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92 a Rn. 3. 1069 F/K/H/E/S, BetrVG, § 92 a Rn. 5, 7; J.-H. Bauer, NZA 2001, 375 (378). 1070 BT-Drs. 14/5741, S. 49.

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Norm weniger der Schutz der bereits im Betrieb tätigen Arbeitnehmer vor Überlastung bzw. die Sicherung angemessener Leistungsbedingungen, als vielmehr die Schaffung positiver Beschäftigungseffekte. Da der Arbeitgeber den Vorschlägen des Betriebsrats nicht folgen muss, erhält Letzter nur ein eingeschränkt effektives Mittel, um einer Leistungsverdichtung entgegenzuwirken. (bb) Erweiterung der Mitbestimmungsrechte im personellen Bereich durch Kollektivvereinbarung Da der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, dem Betriebsrat echte Mitbestimmungsbefugnisse bei der Personalbemessung einzuräumen, stellt sich die Frage, ob die Tarifvertragsparteien oder die Betriebspartner dies tun könnten.1072 Wie zuvor festgestellt, wird davon ausgegangen, dass die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte grundsätzlich zulässig ist. Innerhalb dieser Auffassung besteht allerdings nur insoweit Einigkeit, als es sich um soziale Angelegenheiten handelt. Für den Komplex der personellen Angelegenheiten gehen die Meinungen auseinander. Teilweise wird differenziert zwischen den hier interessierenden generellen personellen Maßnahmen (§§ 92 f. BetrVG) und personellen Einzelmaßnahmen (§§ 99 BetrVG).1073 Für Letzte hat das BAG1074 die Möglichkeit der tarifvertraglichen Erweiterung und Verstärkung von Beteiligungsrechten anerkannt, wobei auf die o. g. Begründung1075 zu verweisen ist. Z. T.1076 wird eine Ausweitung der Beteiligungsrechte bei der Personalplanung durch Kollektivvertrag nicht für zulässig gehalten. Die §§ 92, 92 a BetrVG enthielten eine sorgfältige Abwägung der berechtigten Interessen der Arbeitnehmer und der unternehmerisch-wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Personalplanung und damit kein bloßes Modell, sondern die vom Gesetzgeber für angemessen gehaltene Lösung, die durch Kollektivvereinbarungen nicht strukturell verändert werden könnten. Umgekehrt wird vertreten, dass eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte nur bei den allge1071 D/K/K-Däubler, BetrVG, § 92 a Rn. 2; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 92 a Rn. 3. 1072 Auf der Grundlage einer Tarifbestimmung gegen Leistungsverdichtung für im Zeitlohn Beschäftigte kann nach einem Vorschlag des IG Metall-Vorstandes eine Vereinbarung über Personalbesetzung und Arbeitspensum getroffen werden, vgl. Vertrauensarbeitszeit, S. 49 f. 1073 Vgl. GK-Kraft, BetrVG, vor § 92 Rn. 24 ff.; für die Erweiterung der Mitbestimmung vgl. BAG v. 10.2.1988 AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972; v. 21.6.2000 AP Nr. 121 zu § 102 BetrVG 1972. 1074 Vgl. BAG AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972; AP Nr. 121 zu § 102 BetrVG 1972. 1075 Vgl. (a) (cc). 1076 ErfK-Kania, BetrVG § 92 Rn. 2; Löwisch/Kaiser, BetrVG, Vorbem. zu §§ 92 ff. Rn. 2.

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meinen personellen Angelegenheiten (§§ 92–95 BetrVG) zulässig sei.1077 Kraft1078 hält eine Vereinbarung, wonach die Personalplanung selbst der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe, zwar nicht für unzulässig, wohl aber für bedenklich, da der Kernbereich der unternehmerischen Dispositionsfreiheit dadurch berührt sei. Eine zulässige Erweiterung will er auf Betriebsvereinbarungen beschränkt wissen, weil die Erweiterung durch Tarifvertrag erstreikbar wäre.1079 Andere nehmen keine Differenzierung zwischen sozialen und personellen Angelegenheiten hinsichtlich der Erweiterung der Beteiligung vor.1080 Diese Auffassung lässt sich bezogen auf die Betriebspartner mit der Annahme ihrer umfassenden Regelungsbefugnis auf dem Gebiet der sozialen Angelegenheiten und der Möglichkeit begründen, jederzeit freiwillig die Einigungsstelle anzurufen und sich ihrem Spruch im Voraus zu unterwerfen.1081 Wenn sämtliche Einzelfragen durch die Betriebspartner geregelt werden können, „so ist schlechterdings nicht zu begründen, warum sie nicht auch einen Gegenstand allgemein festlegen und für spätere Regelungen die Notwendigkeit des Konsenses vorsehen können, verbunden mit einer vorweggenommenen Unterwerfung unter den Spruch der Einigungsstelle.“1082 Dies setzt freilich voraus, dass die allgemeinen personellen Angelegenheiten unter den Begriff der sozialen Angelegenheiten i. S. d. § 88 BetrVG zu fassen sind,1083 was teilweise abgelehnt wird.1084 Eine eindeutige Abgrenzung zwischen personellen und sozialen Maßnahmen ist aber nicht möglich.1085 Die in §§ 92–98 BetrVG eingeräumten Rechte zielen auf die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen bereits im Planungsstadium, woraus sich Überschneidungen zu den sozialen und den wirtschaftlichen Angelegenheiten ergeben können.1086 Eine vorausschauende Personalplanung hat immer zugleich sozialpolitische Gründe.1087 Deshalb ist ein weites, Fragen der 1077

Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 194 ff. GK, BetrVG, vor § 92 Rn. 25 f., 28. 1079 GK, BetrVG, § 92 Rn. 26: Wäre die politisch umstrittene Frage, wieweit die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch Ausweitung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Betriebsebene beschränkt werden solle, Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen den Tarifpartnern, dann könnte das Gesetz in weiten Bereichen seine befriedende Wirkung nicht erfüllen. Damit müsse jedenfalls die kampfweise Durchsetzung einer Erweiterung der Mitbestimmung ausscheiden. 1080 F/K/H/E/S, BetrVG, § 1 Rn. 254; D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 80; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 602; vgl. auch Blanke, AiB 2000, 491 (497). 1081 Vgl. GK-Kraft, BetrVG, § 92 Rn. 31. 1082 Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 194 f. 1083 Vgl. Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 195 f. 1084 Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, § 47 I. 1085 Vgl. Richardi, BetrVG, § 88 Rn. 4. 1086 Richardi, BetrVG, Vorbem. vor § 87 Rn. 7; Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 284. 1078

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Personalplanung einbeziehendes, Verständnis der sozialen Angelegenheiten geboten. Grenze der zulässigen Erweiterung ist wiederum die unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Hier ist von Bedeutung, dass im Zusammenhang mit der Erweiterung von Beteiligungsrechten bei personellen Einzelmaßnahmen das BAG es für „entscheidungserheblich“ gehalten hat, „dass dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bei der Entscheidung zugebilligt wird, ob ein Arbeitnehmer eingestellt wird“, sondern nur, welcher Bewerber bevorzugt wird.1088 Die kollektivvertragliche Einräumung eines Rechts, über Neueinstellungen mitzubestimmen, begegnet danach jedenfalls Bedenken. Die Entscheidung hinsichtlich der tariflichen Erweiterungsmöglichkeit hängt wiederum vom Verhältnis zwischen Tarif- und Unternehmensautonomie ab.1089 Wie in Kapitel 3 dargelegt, ist zwischen beiden Grundrechtsgewährleistungen praktische Konkordanz herzustellen.1090 Die oben in Bezug genommene Entscheidung des BAG1091 hatte zwar hinsichtlich der Personalbemessung nicht die Erweiterung von Mitbestimmungsrechten, sondern eine konkrete Sachfrage zum Gegenstand. Es liegt aber nahe, die angewendeten Maßstäbe auch heranzuziehen, wenn es um den potenziellen Gegenstand tariflich begründeter Mitbestimmungsrechte geht; ob die unternehmerische Freiheit direkt durch den Tarifvertrag oder durch die durch ihn geschaffenen Mitbestimmungsrechte eingeschränkt wird, kann keinen Unterschied machen.1092 Eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte im Bereich personeller Angelegenheiten dürfte jedenfalls dann keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Planungs- und Entscheidungskompetenz darstellen, wenn sie von bestimmten Bedingungen, etwa dem weitgehenden Verzicht auf Regelungen zur Arbeitszeit, abhängig gemacht wird und lediglich der Kompensation der bei Vertrauensarbeitszeit faktisch leer laufenden Mitbestimmungsrechte nach § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG dient. Damit ist den Auffassungen zu folgen, die auch im Bereich der personellen Angelegenheiten die tarifliche Erweiterung der Mitbestimmungsrechte für zulässig erachten. Als Kompromiss bietet sich aber an, die kampfweise Durchsetzung derartiger Tarifforderungen abzulehnen. Grundsätzlich geht zwar die h. M. vom Gleichlauf von Tarifautonomie und Arbeitskampffreiheit aus1093; dies ist aber nicht zwingend.1094 Gerade im Bereich 1087

Veit, Funktionelle Zuständigkeit, S. 284. BAG AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972. 1089 Oetker in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 601; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 13. 1090 Vgl. ErfK-Kania, BetrVG Einl. vor § 74 Rn. 7; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 456; vgl. die Ausführungen in Kapitel 3, § 2. 1091 V. 3.4.1990 AP Nr. 56 zu Art. 9 GG. 1092 So auch D/K/K-Kustode/Däubler, BetrVG, Einl. Rn. 80. 1093 Vgl. etwa Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 255; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S. 482 ff. 1094 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 255; Weyand, AuR 1991, 65 (74). 1088

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der betriebsverfassungsrechtlichen Normen ist zu erwägen, die Zulässigkeit des Arbeitskampfes vom jeweiligen Regelungsgegenstand abhängig zu machen.1095 Damit wären jedenfalls freiwillige in die Unternehmensautonomie eingreifende Tarifregelungen zulässig. (cc) Zwischenergebnis Mitbestimmung im Rahmen der Personalplanung lässt sich auf tariflicher bzw. freiwilliger Grundlage in der Rahmenbetriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit verankern. Im Übrigen ist die an die Stelle reaktiver Mitbestimmung tretende Einbindung der Arbeitnehmervertretung in einen „gemeinsamen Informations-, Such-, Lern- und Entscheidungsprozess jenseits der gesetzlichen Rechte“1096 stark von der jeweiligen Unternehmensführung und der Personalleitung abhängig.1097 (c) Qualifizierung Neben den zuvor behandelten quantitativen „Leistungsbedingungen“ kommt für die Frage nach dem Überforderungsschutz auch den „qualifikatorischen Anforderungen“ wesentliche Bedeutung zu.1098 Dabei geht es nicht nur um die rein beruflich-fachliche Qualifikation, die unabhängig vom Arbeitszeitregime stets eine Rolle spielt. Um bei Vertrauensarbeitszeit der spezifischen Gefahr der Selbstausbeutung Rechnung zu tragen, beinhalten diesbezügliche Vorschläge die Vermittlung von Kenntnissen im gesetzlichen und tariflichen Arbeitszeitrecht und das Erlernen von Projekt- und Zeitmanagementtechniken sowie sozialer Kompetenz zur Durchsetzung der eigenen Interessen gegenüber Kollegen und Vorgesetzten.1099 Hamm1100 geht davon aus, dass Gruppentrainings, dauerhaftes Coaching und Supervisionen zu den gem. § 97 II BetrVG erzwingbaren Qualifizierungsmaßnahmen gehören, weil die organisatorische Veränderung der betrieblichen Arbeitszeit dazu führe, dass die bisherigen Qualifikationen für die Bewältigung des Arbeitsalltags nicht mehr ausreichten. Die Annahme eines Initiativrechts nach § 97 II BetrVG ist hier indes zweifelhaft. Dieses Mitbestimmungsrecht knüpft an tätigkeitsändernde Maßnahmen 1095

Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 255. Vgl. Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Bericht der Mitbestimmungskommission, S. 76. 1097 Blanke, AiB 2000, 491 (493). 1098 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 50 ff. 1099 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 62 ff.; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 390; ders., AiB 2000, 152 (159); ähnl. Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Zeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/2003), S. 4. 1100 Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 63. 1096

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des Arbeitgebers an, die ein Qualifikationsdefizit der betroffenen Arbeitnehmer zur Folge haben.1101 Die Einführung eines neuen Arbeitszeitsystems, das die Fähigkeit zu Selbststeuerung und –organisation voraussetzt, lässt sich zwar noch als eine Maßnahme des Arbeitgebers i. S. d. § 97 II BetrVG einordnen. Denn entgegen der ursprünglichen Fassung im Regierungsentwurf1102 ist der Begriff der tätigkeitsändernden Maßnahme weit auszulegen und umfasst jedes aktive Arbeitgeberhandeln.1103 Die Maßnahme muss jedoch das erforderliche Qualifikationsprofil der Arbeitnehmer zumindest erheblich umgestalten.1104 Nach Auffassung Buschmanns1105 reicht es aus, wenn infolge des entstehenden Qualifikationsdefizits der Arbeitnehmer den neuen Anforderungen nur mit Mühe und notdürftiger Improvisation nachkommen kann. Unter Zugrundelegung dieser Ansicht könnten mangelnde Kenntnisse im Zeitmanagement und Defizite in der Fähigkeit zur Selbstorganisation vom Tatbestand erfasst sein, weil sie eine Verlängerung der Arbeitszeit bewirken können. Hiergegen spricht aber v. a. der Normzweck des § 97 II BetrVG. Die im Zusammenhang mit den arbeitsförderungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers (§ 2 SGB III)1106 stehende Norm wird überwiegend1107 als präventive Ergänzung des § 102 III Nr. 4 BetrVG angesehen.1108 § 97 II BetrVG zielt darauf ab, durch Einflussnahme 1101

F/K/H/E/S, BetrVG, § 97 Rn. 2. Die tätigkeitsändernden Arbeitgebermaßnahmen, die ein Qualifizierungsbedürfnis hervorrufen, waren auf den Tatbestand der „Planung technischer Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe oder Arbeitsplätze“ entsprechend der Formulierung in §§ 90 I Nr. 2–4; 81 IV 1 BetrVG beschränkt, vgl. dazu Franzen, NZA 2001, 865 (866). In der Gesetzesfassung wurde aber diese Beschränkung nicht übernommen, so dass die Planung oder Durchführung beliebiger Maßnahmen ausreicht, wenn sich dadurch die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Nach Auffassung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung soll das Mitbestimmungsrecht bei allen vom Arbeitgeber geplanten und durchgeführten Maßnahmen greifen, welche zur Entwertung der beruflichen Fertigkeiten der Arbeitnehmer führen, vgl. BT-Drs. 14/6352, S. 58. 1103 F/K/H/E/S, BetrVG, § 97 Rn. 11; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 97 Rn. 10; krit. zur „Uferlosigkeit“ des Tatbestandsmerkmals Rieble, NZA Sonderheft 2001, 48 (53). 1104 Franzen, NZA 2001, 865 (867). 1105 D/K/K, BetrVG, § 97 Rn. 20 mit Hinweis auf Däubler, AuR 2001, (1) 7, der aber seinerseits nur angeregt hat, ein Mitbestimmungsrecht vorzusehen, das schon eingreift, wenn es um eine Erleichterung der aktuellen Aufgaben geht; ders., AiB 2001, 379. 1106 F/K/H/E/S, BetrVG, § 97 Rn. 9. Diese Pflichten weisen einerseits dem Arbeitgeber Mitverantwortung für die berufliche Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu und andererseits den Arbeitnehmern die Obliegenheit, ihre Leistungsfähigkeit an sich ändernde Anforderungen anzupassen. 1107 Vgl. bspw. Annuß, NZA 2001, 367 (368); P. Hanau, RdA 2001, 65 (72); Rieble, NZA Sonderheft 2001, 48 (53 f.). 1108 Der weite Tatbestand des § 97 II BetrVG soll dadurch eingegrenzt werden, dass der Betriebsrat immer dann präventiv Berufsbildungsmaßnahmen verlangen könnte, wenn er gem. § 102 III Nr. 4 BetrVG einer Kündigung widersprechen könnte 1102

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des Betriebsrats auf die berufliche Qualifizierung der Arbeitnehmer dem Risiko des Arbeitsplatzverlusts zu begegnen.1109 Normzweck ist damit Beschäftigungsnicht aber Überforderungsschutz. Deshalb reichen die Fähigkeiten der Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben dann nicht mehr aus, wenn ohne die berufliche Bildungsmaßnahme der Arbeitgeber ihnen wegen unzureichender Qualifikation kündigen könnte.1110 Allein die Einführung von Vertrauensarbeit bedeutet aber weder eine Veränderung der konkreten Tätigkeit in diesem Sinne noch eine Entwertung der Fähigkeiten, derer die Arbeitnehmer für die Tätigkeit bedürfen. Defizite bei der Fähigkeit der eigenen Arbeits- und Freizeitplanung können zwar ggf. zu Lasten der Gesundheit der Arbeitnehmer gehen. Sie stellen aber kein den Arbeitsplatz gefährdendes Qualifikationsdefizit dar. Qualifizierungsmaßnahmen mit dem alleinigen Ziel des Überforderungsschutzes können aufgrund des § 97 II BetrVG nicht verlangt werden. Ein Mitbestimmungsrecht besteht jedoch gem. § 87 I Nr. 7 BetrVG, soweit es um die nach § 12 ArbSchG erforderliche „ausreichende und angemessene“ Unterweisung geht. Es handelt sich um eine Qualifizierung im Gesundheitsschutz, die den Beschäftigten in den Stand versetzen soll, Gefährdungen und Gefahren rechtzeitig zu erkennen, Arbeitsschutzmaßnahmen nachzuvollziehen und sich an ihrer Durchführung aktiv zu beteiligen sowie sich sicherheits- und gesundheitsgerecht zu verhalten.1111 § 12 ArbSchG soll auch bezogen auf den Arbeitszeitschutz anzuwenden sein, da im ArbZG keine unmittelbaren Unterweisungsverpflichtungen festgelegt sind.1112 § 12 ArbSchG überlässt dem Arbeitgeber, wie er den Unterweisungsprozess1113 durchführt und ist somit eine auszufüllende Rahmenvorschrift i. S. d. § 87 I Nr. 7 BetrVG, die nicht bereits aus sich selbst heraus abschließend und unmittelbar Schutzstandards festlegt.1114 Sofern es sich um einen Kollektivtatbestand handelt, kann der Be-

(so Franzen, NZA 2001, 865 [867], der das Kriterium der „Zumutbarkeit“ der Bildungsmaßnahmen in § 97 II BetrVG hineinlesen will; ebenso F/K/H/E/S, BetrVG, § 97 Rn. 25); BT-Drs. 14/5741, S. 50; vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 97 Rn. 10; ausf. zu diesem Zusammenhang GK-Raab, BetrVG, § 97 Rn. 28 ff.; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 97 Rn. 1; Annuß, NZA 2001, 367 (368). 1109 F/K/H/E/S, BetrVG, § 97 Rn. 2, 10; P. Hanau, RdA 2001, 65 (72); Reichold, NZA 2001, 857 (864); vgl. auch Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 97 Rn. 9. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drs. 14/5741, S. 29) „soll (der Betriebsrat) dort mitbestimmen, wo absehbar ist, dass Arbeitnehmer durch Maßnahmen des Arbeitgebers von der beruflichen Entwicklung abgehängt werden, wenn sie für ihre neuen Aufgaben nicht ausreichend geschult werden.“ 1110 Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 97 Rn. 9; so wohl auch v. HoyningenHuene, Betriebsverfassungsrecht, S. 321. 1111 Kittner/Pieper, ArbSchR, § 12 Rn. 1 m. w. N. 1112 Kittner/Pieper, ArbSchR, § 12 Rn. 17 a. 1113 Die Unterweisung muss arbeitsplatz- und aufgabenbezogene Informationen, Anweisungen und Erläuterungen zu Gefährdungen und Arbeitsschutzmaßnahmen umfassen; Kittner/Pieper, ArbSchR, § 12 Rn. 3.

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triebsrat das Mitbestimmungsrecht1115 nutzen, um die Unterweisung nicht zur „reinen Alibiveranstaltung“1116 verkommen zu lassen. So könnten etwa die vorgeschlagenen Coaching- und Trainingsprogramme1117 Teil der Unterweisung sein.1118 Da wohl eine einmalige Unterweisung nicht ausreicht, sollte eine ständige Prozessbegleitung institutionalisiert werden, die es den Arbeitnehmern ermöglicht, das eigene Verhalten zu reflektieren und normgemäß auszurichten.1119 (d) Zwischenergebnis Der Bedeutungsverlust der Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeitgestaltung kann durch die Einflussnahme auf die arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen kompensiert werden. Im Hinblick auf Arbeits- und Personalbemessung kann eine verstärkte Partizipation auf betrieblicher Ebene in einer Rahmenbetriebsvereinbarung nur als freiwilliger Regelungsbestandteil vereinbart oder mit Hilfe entsprechender tariflicher Gestaltungen erreicht werden. Als Beispiel ist auf das VW-Tarifsystem 500050001120 zu verweisen, das insoweit neue mitbestimmungsrechtliche Dimensionen eröffnet hat. Erstmals enthielt damit ein Tarifvertrag eine Vorschrift, wonach Arbeitspensum1121 und Personalbesetzung1122 zwischen Betriebsrat und Management zu vereinbaren sind.1123 Die Regelung der Arbeitsorganisation im Tarifvertrag enthält zudem Reklamations- und Vorschlagsrechte der Beschäftigten und Betriebsräte.1124 Durch diesen ganzheitlichen tarifpolitischen Ansatz 1114

Vgl. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 168, 186. Dazu etwa Kittner/Pieper, ArbSchR, § 12 Rn. 3 a; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 188 b; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 613; Fabricius, BB 1997, 1254 (1257 f.); LAG Hamburg v. 21.9.2000 NZA-RR 2001, 190 ff.; LAG Braunschweig v. 15.10.1997 NZA-RR 1998, 214 (215). 1116 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 65. 1117 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 62 f. 1118 Vgl. zu den Anforderungen an die Durchführung der Unterweisung Kittner/Pieper, ArbSchR, § 12 Rn. 3: „dialog- und beteiligungsorientierte Vorgehensweise“, „zeitgemäße pädagogische Grundsätze“. 1119 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 65, der hierfür einen Umfang von 3–5 Stunden monatlich vorschlägt. 1120 Abgedruckt in AuR 2001, 463 ff. 1121 Das Arbeitspensum besteht aus dem Produktionsprogramm, das nach Stückzahl und Qualitätsstandards vereinbart wird. 1122 Die Personalbesetzung umfasst die erforderliche Anzahl von Beschäftigten in den jeweiligen Teams bzw. Fertigungsabschnitten. Ihre einseitige Festlegung oder Änderung durch das Unternehmen ist nicht möglich. Vielmehr muss eine vorherige Vereinbarung mit dem Betriebsrat unter Einbeziehung der Teams getroffen werden. 1123 Vgl. Anl. 4 zum Projekttarifvertrag, AuR 2001, 463 (464). 1124 Dagegen war die IG Metall Baden-Württemberg noch mit dem Versuch, Reklamationsrechte der Beschäftigten bei der Leistungsbemessung zu verankern, gescheitert, vgl. Lenhard in: Pickshaus/Schmitthenner/Urban, Arbeiten ohne Ende, S. 51 (66). 1115

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unter Einbeziehung von Arbeitszeit, Entgelt, Qualifizierung, Arbeitsorganisation und Mitbestimmung,1125 werden zum Schutz vor überhöhtem Leistungsdruck1126 und zur Gewährleistung angemessener Leistungsbedingungen wesentliche Elemente des Produktionsprozesses der alleinigen unternehmerischen Entscheidungsmöglichkeit entzogen.1127 Bei der zukünftigen Vereinbarung zu Personalbesetzung und Leistungsanforderungen sollen betriebswirtschaftliche Vorgaben gleichermaßen zu beachten sein wie die Belange des Arbeitszeit- und sonstigen Gesundheitsschutzes.1128 Für Konfliktfälle ist eine verbindliche Entscheidung der Schlichtungsstelle vorgesehen, die die Einigungsstelle ersetzt.1129 (3) Sicherung von Freizeitinteressen; Festlegung des Verhältnisses zwischen betrieblichen und privaten Belangen, Mehrarbeit Eine Rahmenregelung muss nicht nur Transparenz hinsichtlich der abzudeckenden (ggf. unangenehmen) Arbeitszeitlagen schaffen, sondern diese auch nach gleichmäßigen und gerechten Mustern auf die Mitarbeiter verteilen.1130 Die Ausgleichsfunktion der Mitbestimmung verlangt, dass weniger durchsetzungsfähige Mitarbeiter nicht aufgrund von Unklarheiten oder Regelungsdefiziten in zeitliche Randlagen gedrängt werden.1131 Zu erwägen ist auch eine Definition der Rechte der Beschäftigten gegenüber den Forderungen des Arbeitgebers. Da Zeitsouveränität voraussetzt, dass die Beschäftigten selbst entscheiden können, wie viel Arbeit zu welcher Zeit für ihre Aufgabe notwendig ist, müssen Weisungsbefugnisse der Vorgesetzten auf 1125 Meine/Schwitzer, WSI-Mitt. 9/2001, 580 (582), die dies als Gegenmodell gegen neoliberale Deregulierungskonzepte bezeichnen. 1126 Allerdings besteht für die Arbeitnehmer eine Pflicht zur Nacharbeit nach Schichtende, wenn Stückzahl und Qualität des Produktionsprogramms nicht erreicht wurde. Für den Fall, dass die Ursachen hierfür vom Arbeitgeber zu vertreten sind, erfolgt aber eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto. Die Regelung ist als Kompromiss zu verstehen, war doch das ursprüngliche Ziel der Arbeitgeberseite, im Wege des sog. „Programmentgelts“ Leistung und Arbeitszeit zu entkoppeln. Durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Personalstärke und Arbeitsmenge ist eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, dass das Nichterreichen der Ziele als Dauerzustand ausgeschlossen ist. Die individuelle Verpflichtung zur Nacharbeit lässt außerdem das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unberührt (Schwitzer, AuR 2001, 441 [442 f.]). 1127 Diese Erweiterung der Mitbestimmung wird angesichts der zaghaften Reform des BetrVG als äußerst bemerkenswert bewertet, vgl. dazu Schwitzer, AuR 2001, 441 (442 f.). 1128 „Biologische und soziale Zumutbarkeit“ und „Einhaltung der durchschnittlichen wertschöpfenden regelmäßigen Arbeitszeit und der gesetzlichen Pausen“, vgl. AuR 2001, 463 (464). 1129 Schwitzer, AuR 2001, 441 (443). 1130 Engelhardt, AiB 2000, 466 (475). 1131 Vgl. Engelhardt, AiB 2000, 466 (475).

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Ausnahmefälle beschränkt bleiben.1132 Deshalb wäre es beispielsweise inkonsequent, den Zeitausgleich von der positiven Zustimmung des Vorgesetzten abhängig zu machen.1133 Wenngleich bei Vertrauensarbeitszeit Überstunden grundsätzlich keine Rolle mehr spielen, sei auf den Vorschlag hingewiesen, in die Betriebsvereinbarung eine klare Definition von Mehrarbeit aufzunehmen.1134 Die in einigen Modellen zu findenden Regelungen zu Überstunden1135 beruhen auf der Tatsache, dass auch in flexiblen Arbeitszeitsystemen eine Anordnung von Überstunden erforderlich wird, wenn etwa bei personellen Engpässen der Arbeitsanfall nicht mehr innerhalb des flexiblen Arbeitszeitsystems zu bewältigen ist.1136 Wie bei herkömmlichen Gleitzeitmodellen kommt hierfür die durch den Arbeitgeber vorgenommene Ausweitung des Arbeitszeitrahmens in Betracht. Die Überschreitung des abgesteckten Rahmens bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.1137 Darüber hinaus kann auch geregelt werden, dass die Vereinbarung von Zusatzzeitbudgets das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst.1138 Bestimmungen zur Mehrarbeit werden zu den mitbestimmungspflichtigen Systemeinzelheiten einer Rahmenregelung gezählt.1139 Z. T. werden für den Fall von Betriebszeitverlängerungen auch besondere Schutzinteressen der Arbeitnehmer definiert, die einer Arbeitszeitverlängerung entgegenstehen. Beispielhaft für solche persönlichen Arbeitszeitbeschränkungen werden in einer Betriebsvereinbarung Kindererziehung und Angehörigenpflege genannt.1140 Da derartige Festlegungen Fragen der Arbeitszeitverteilung betreffen und dem Interesse der Arbeitnehmer an einer sinnvollen Freizeitgestaltung dienen, lassen diese sich auf § 87 I Nr. 2 BetrVG stützen.

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Hamm, AiB 2000, 152 (159). Vgl. Haipeter, Trust-based working time, S. 14. 1134 Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 7; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 80 für die Gleitzeit. I. S. d. oben vorgenommenen Differenzierung sind hiermit Überstunden gemeint. 1135 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 129 ff., nach dem derartige Regelungen nur zu den „Kann-Bestimmungen“ gehören. 1136 Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 215. 1137 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 344; vgl. auch Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 82. 1138 So etwa bei der Stadtverwaltung Wolfsburg, vgl. Hoff/Priemuth, Personal 9/ 2002, 10 (11); kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Zusatzzeitbudgets bei der Software-AG, vgl. BMA-Forschungsbericht 2/281, S. 464 (472); s. auch Weidinger/ Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Arbeitszeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 7. 1139 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 66; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 287 m. w. N.; Linnenkohl/Kilz, AuA 1993, 238 (240). 1140 Vgl. BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 523 (533). 1133

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Der Sinn derartiger Kriterien bzgl. persönlicher Belange bzw. betrieblicher Notwendigkeiten wird allerdings skeptisch betrachtet, denn im konkreten Einzelfall spielten Wertungen eine Rolle, die durch eine Definition in einer Betriebsvereinbarung kaum erfasst werden können; wirkungsvoller sei daher, den Beschäftigten durchsetzbare Rechtspositionen einzuräumen.1141 Denkbar sind hier Informations-, Reklamations- und Widerspruchsrechte, die Teil eines mehrstufigen Konfliktlösungsmechanismus sein können.1142 Auf Fragen, die sich bei der Regelung von Konfliktlösungsverfahren ergeben können, ist an anderer Stelle noch einzugehen.1143 bb) Verfahren zum Überlastungsschutz und Fragen der Konfliktlösung Wenn der Betriebsrat nicht mehr im Einzelfall gem. § 87 I Nr. 3 BetrVG überprüfen kann, ob ein erhöhter Arbeitsbedarf die Verlängerung der Arbeitszeit und damit den Freizeitverlust der Arbeitnehmer rechtfertigt, ist fraglich, wie in einer Vertrauensarbeitszeitregelung sichergestellt werden kann, dass die Vertragsarbeitszeit und die nach dem ArbZG zulässige durchschnittliche Höchstarbeitszeit nicht überschritten wird. Grundsätzlich kommen dafür zwei Verfahren in Betracht, die Steuerung über Zeitkonten und das sog. Überlastverfahren. (1) Überlastverfahren Zunächst ist der Frage nachzugehen, ob eine faktisch dauerhafte Arbeitzeitverlängerung verhindert werden kann durch das sog. Überlastverfahren, d.h. durch die Definition und Identifikation von sog. Überlastsituationen, auf die mit Gegenmaßnahmen zu reagieren ist.1144 Regelungen zum Umgang mit „Überlastsituationen“ stehen nach der Konzeption Hoffs – sozusagen als funktionales Äquivalent zum Zeitkonto im Rahmen einer „normalen“ flexiblen Arbeitszeitregelung – im Zentrum einer Vertrauensarbeitszeitregelung1145 und werden als

1141

Hamm, AiB 2002, 412 (418); Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1271). Engelhardt, AiB 2000, 466 (476); ähnl. Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 575; vgl. Schlachter, FS BAG, S. 1253 (1271) mit dem Hinweis, dass ein für das Unternehmen verpflichtendes Verfahren zum Überstundenabbau geschaffen werden müsse. 1143 s. u. bb) (2). 1144 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 59; ders., AiB 2000, 152 (160 f.); vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 99 ff.; s. etwa BMA-Forschungsbericht 281/2, 477 (481). 1145 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 173. 1142

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deren „Herzstück“1146 bezeichnet. Dementsprechend sind diesbezüglich auch bereits Gestaltungsvorschläge gemacht worden. (a) Regelungsinhalte Eine Überlastsituation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Mitarbeiter bei der Bewältigung seiner Arbeitsaufgaben mit der vereinbarten Arbeitszeit nicht auskommt.1147 Dabei wird häufig auf das Erreichen eines bestimmten Guthabenvolumens (z. B. 30 oder 40 Stunden) abgestellt.1148 Das Vorliegen einer Überlastsituation lässt sich weiter davon abhängig machen, dass ein Abbau des angesammelten Stundenguthabens durch Freizeit „auf Sicht“ nicht möglich ist.1149 Dabei kann festgestellt werden, ob die Überlastung ein vorübergehender oder ein Dauerzustand ist. Ist eine „Überlastsituation“ gegeben, muss der Vorgesetzte für Entlastung sorgen.1150 Für den Umgang mit Überlastsituationen finden sich bei Hoff1151 einige Hinweise.1152 Im Übrigen sind auch für diesen Regelungskomplex unterschiedliche Gestaltungen denkbar. Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass dem Arbeitnehmer das Recht zugestanden werden muss, Überlastsituationen zu reklamieren. Der Mitarbeiter, der seine Arbeitsaufgabe innerhalb der Arbeitszeit nicht bewältigen kann, muss dies seiner Führungskraft melden, „die [. . .] verantwortlich ist, dass die Lücke zwischen Arbeitsanforderungen und Arbeitskapazität wieder geschlossen wird“.1153 Z. T. sind teambezogene Überlastsituationen vorgesehen; eine solche soll per definitionem erst vorliegen und der Führungskraft angezeigt werden können, „wenn das Team bereits alles zur Bereinigung versucht hat“.1154 Von wesentlicher Bedeutung ist nach der Konzeption der Arbeitszeitberater die Kompetenz der Führungskräfte, die Überlastmeldungen ausdrücklich einfordern und nach Auswegen suchen müssen,1155 dem Mitarbeiter zu glauben haben 1146 Weidinger/Schlottfeldt, Flexibel ohne Zeiterfassung, Das Flexible Unternehmen, http://www.flexible-unternehmen.de, S. 5. 1147 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 173. 1148 Vorgeschlagen wird, Überlastsituationen zu dokumentieren und der Clearingstelle anzuzeigen, Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 105 f.; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (14); Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 80. 1149 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 105; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (14). 1150 Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 80; vgl. auch Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 105. 1151 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 173 ff. 1152 Diese sind gerichtet an Führungskräfte und Mitarbeiter, die dies erst zu erlernen hätten – in einer Zeitkontenregelung benötige man dies schließlich nicht in dem Maße wie bei der Vertrauensarbeit. 1153 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 173. 1154 So die Dienstvereinbarung der Stadtverwaltung Wolfsburg, vgl. Ahrens, CF 5/ 2001, 12 (14, 15).

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

und keinerlei Zeitaufzeichnungen als Beleg fordern dürfen.1156 Dagegen ist nach Hamm als richtige Anlaufstelle ein Arbeitszeitbeauftragter vorzusehen, der nicht als Interessenwahrer des Arbeitgebers auftritt. Dem Arbeitnehmer solle die Überlastmeldung nicht durch die Befürchtung erschwert werden, er könne sich als leistungsschwach bloßstellen. Durch einen „semiprofessionellen betrieblichen Arbeitszeitberater“ könnten zunächst die Ursachen der Überlastung geprüft und nach möglichen Auswegen gesucht werden, bevor beim Arbeitgeber auf Abhilfe zu drängen ist.1157 Im Gegensatz zum Durchführungsanspruch im Rahmen von Gleitzeitregelungen wird Überlastsituationen nicht mit einem Anspruch auf Freistellung begegnet, weil insoweit keine Verantwortlichkeit der Führungskraft resp. des Arbeitgebers besteht.1158 Vielmehr geht es um Abhilfe für die Zukunft. Grundlagen dafür sind das Einschätzen der Aufgaben und des Leistungsvermögens des Arbeitnehmers sowie die Setzung realistischer Arbeitsziele, um mit entsprechenden Prioritätensetzungen und Leistungseinschränkungen reagieren zu können.1159 Für den Fall, dass mit einer Umverteilung der Arbeit keine Abhilfe zu schaffen ist, soll auf zusätzliche Kapazität wie etwa Mehrarbeit oder zusätzliche Einstellungen zurückgegriffen werden.1160 Für die nachträgliche Geltendmachung eines Missverhältnisses zwischen vereinbarter und erbrachter Arbeitszeitleistung soll eine Beweislastumkehrung dahingehend erfolgen, dass, so lange der Arbeitnehmer keine Überlastmeldung macht, der Arbeitgeber vom tatsächlichen Bestehen einer Balance zwischen Vertragsarbeitszeit und erbrachter Arbeitszeit ausgehen kann.1161 Treten in einem Überlastverfahren Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitarbeiter und Führungskraft auf bzw. kommt die Führungskraft ihrer Verpflichtung zur Einleitung von Abhilfemaßnahmen nicht nach, soll nach der Konzeption von Personalberatern die von Management und Betriebsrat paritätisch besetzte Clearingstelle als objektive Berufungsinstanz einvernehmlich und verbindlich entscheiden.1162 Empfohlen wird außerdem, Überlastgespräche auf dafür vorgesehenen Formblättern zu dokumentieren und der Clearingstelle zuzuleiten. Die Information soll die Ursachen aus Sicht von Arbeitnehmer und Führungskraft sowie die geplanten Maßnahmen beinhalten.1163 1155

Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 100 f. Allenfalls zur Klärung der Sachlage könnten verwendungsbezogene Selbstaufschreibungen vereinbart werden, Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (14). 1157 Hamm, AiB 2000, 152 (160). 1158 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 101. 1159 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 101 f. 1160 Vgl. etwa Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (14). 1161 Weidinger/Schlottfeldt, Vertrauensarbeitszeit und eigenverantwortliche Zeiterfassung, http://www.arbeitszeitberatung.de (6/2002), S. 5. 1162 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (15 f.); Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/2003), S. 2. 1156

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(b) Kritik Die soeben erörterten Vorschläge sehen sich mehr oder weniger starker Kritik ausgesetzt. So verweist etwa der IG Metall-Vorstand auf die Gefahr, dass der Überlast-Regelungsmechanismus nur ein Rationalisierungsmotor sei, indem „Arbeitsumfänge nahezu beliebig ins Arbeitssystem hineingepresst werden, ohne dass andere Ausweichbewegungen der Beschäftigten für die Unternehmen zu befürchten wären.“ Da es keine Überstunden mehr gebe, seien die Beschäftigten gezwungen, ihren Arbeitsablauf zu optimieren.1164 Praxisbeispiele haben gezeigt, dass der Umgang mit Überlastsituationen wesentlich vom Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetztem abhängt.1165 Dies kann zum Problem werden, weil die Organisation der Arbeit für den Arbeitnehmer zum Inhalt der Arbeitsverpflichtung gehört, folglich das Offenbaren von Schwächen gegenüber dem Vorgesetzten in solchen Systemen die Frage nach der eigenen Kompetenz zur Bewältigung seiner Aufgaben aufwirft, was als Barriere gegenüber Überlastungsanzeigen wirken kann.1166 Weiterhin wird kritisiert, dass die von Hoff vorgeschlagenen Mechanismen in Überlastsituationen die Konkurrenzsituation weiter verschärften. Als problematisch wird insbesondere angesehen, wenn nach der Vertrauensarbeitszeitregelung die Betroffenen selbst andere Mitarbeiter vorschlagen sollen, die die Arbeit erledigen könnten, v. a., wenn die Strukturen so angelegt seien, dass die Arbeit nicht zu schaffen ist.1167 Auch wer Überlastverfahren nicht generell ablehnt, stellt deren Erfolgschancen unter den Vorbehalt, dass eine sinnvolle Zeitorganisation aufgrund der Kapazitäten überhaupt möglich ist.1168 Es hänge also sehr davon ab, ob alle Rahmenbedingungen stimmten.1169 Überlastsituationen allein mit Maßnahmen des „Zeitmanagements“ zu begegnen, würde bedeuten, den Ausweg aus Überlastung nur bei den Beschäftigten zu suchen. Mindestens ebenso wichtig sei ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeitsaufgaben und Personalstärke.1170

1163 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 105; ders., PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (14); vgl. auch Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 80. 1164 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 14. 1165 So das Beispiel bei Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 174; Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 22. 1166 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 22. 1167 IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 21. 1168 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 59. 1169 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 22. 1170 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 66.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

(c) Stellungnahme Wenn die Rahmenbedingungen Voraussetzung dafür sind, dass der Umgang mit Überlastsituationen funktioniert, scheint umgekehrt dieser Regelungsmechanismus selbst nicht geeignet, die Sicherstellung der Rahmenbedingungen, d.h. die Anpassung der Personalkapazität an den Arbeitsanfall, zu gewährleisten. Dass eine Einflussnahme auf die Personalstärke und Arbeitsmenge nur aufgrund freiwilliger Vereinbarung möglich ist, wurde dargelegt. Das Überlastverfahren mag zwar u. U. geeignet sein, einen erhöhten betrieblich veranlassten Arbeitszeitbedarf und damit ein Missverhältnis zwischen Arbeitszeit und dem Arbeitsvolumen transparent zu machen. Nach der Konzeption des BetrVG hat der Betriebsrat für Fälle erhöhten Arbeitsbedarfs mit dem Recht aus § 87 I Nr. 3 BetrVG, Überstunden nicht zu genehmigen, ein Mittel an die Hand bekommen, den Arbeitgeber zu einer anderweitigen Deckung des betrieblichen Arbeitskräftebedarfs zu veranlassen, z. B. durch Neueinstellungen. Ein Überlastverfahren, das lediglich bei der persönlichen Arbeitsorganisation ansetzt, kann diese Wirkung dagegen nicht entfalten. Vielmehr besteht die Gefahr, das Problem der Überforderung nur weiter zu individualisieren, wenn der Mitarbeiter auf Zeitmanagementtechniken verwiesen wird. Denn dabei wird die Problemursache beim Arbeitnehmer selbst vermutet.1171 Im Übrigen ist zweifelhaft, ob der Arbeitnehmer seinen von Protagonisten der Vertrauensarbeitszeit betonten „arbeitsrechtlichen Anspruch“ auf angemessene Aufgabenzuteilung1172, mit dem er die eigene Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit in Frage stellen müsste1173, auch angesichts möglichen informellen Drucks von Vorgesetzten und/oder Kollegen und der generell geringen Bereitschaft zur Geltendmachung von Rechten innerhalb eines Arbeitsverhältnisses1174 überhaupt erheben würde. Um dennoch faktische Arbeitszeitverlängerungen wegen betrieblich bedingter Überlastung zu vermeiden und die Durchsetzbarkeit konkreter Abhilfemaßnahmen zur Entlastung der Mitarbeiter sicherzustellen, müsste die Regelung zu Überlastverfahren über die von Hoff vorgeschlagene Ausgestaltung hinausgehen und sich deutlich vom ohnehin nach §§ 84, 85 BetrVG bestehenden Beschwer1171 Die Vorschläge reichen hierbei von der Beteiligung an der Projektplanung bis hin zur echten Einflussnahme auf die Personalstärke; vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 66 f., der darauf hinweist, dass Zeitmanagement nur eine unter vielen für den Erfolg der Vertrauensarbeitszeit verantwortlichen Bedingungen ist. 1172 Weidinger/Schlottfeldt, Flexibel ohne Zeiterfassung, http://www.flexible-unter nehmen.de, S. 5: der Arbeitnehmer habe Anspruch darauf, nur so viele Aufgaben zu erhalten, wie er innerhalb seiner Arbeitszeit bewältigen kann. 1173 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 22; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 217. 1174 Vgl. etwa D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 80 Rn. 18; Nebendahl, Überwachungspflicht, S. 16 f. m. w. N.

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deverfahren abheben.1175 Dazu würde gehören, dass der Anspruch auf Entlastung nicht nur als Individualanspruch1176 konzipiert ist1177. Vielmehr wäre in der Betriebsvereinbarung eine Anspruchsgrundlage für einen vom Betriebsrat durchsetzbaren Anspruch auf Abhilfe zu verankern. Das setzt weiterhin dessen Einbindung in die Konfliktbewältigung voraus. Darüber hinaus müsste der Anspruch auf Abhilfe auch ein Mitspracherecht über die Maßnahmen beinhalten, die für die Entlastung des Arbeitnehmers erforderlich sind.1178 Es ist daher empfehlenswert, in der Betriebsvereinbarung die Folgen einer festgestellten Überbelastung verbindlich festzuschreiben.1179 Der Gefahr, dass der Einzelne aufgrund ungünstiger Umstände1180 von Überlastmeldungen absieht, lässt sich dadurch begegnen, dass Zeitaufzeichnungen angefertigt werden, die dem Betriebsrat ermöglichen, die Arbeitszeitverläufe zu beobachten und in bestimmten Fällen einzugreifen. Auf die Mitbestimmungsrechte bei Fragen der Dokumentation ist unter Punkt e) einzugehen. Institutionalisierte Überlastverfahren können nur eine effektive Möglichkeit der Steuerung der Arbeitsbelastung darstellen und den Verlust der Mitbestimmungsrechte im Einzelfall kompensieren, wenn die soeben genannten Gesichtspunkte Berücksichtigung finden. Inwiefern dies rechtlich möglich ist, soll im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen untersucht werden.1181 Angesichts der Tatsache, dass der Überlastungsschutz kein Zweck des § 87 I Nr. 2 BetrVG ist1182, ist an dieser Stelle bereits festzuhalten, dass Vereinbarungen zum Verfahren in Überlastsituationen nicht zu den Mindestbestandteilen einer Rahmenregelung zählen und nicht gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG erzwingbar sind.

1175 Richtet sich der Arbeitnehmer wegen Überlastung (Zuweisung von zu wenig Personal in die eigene Abteilung) mit seiner Beschwerde an den Betriebsrat, so kann dieser im Falle von Meinungsverschiedenheiten über deren Berechtigung gem. § 85 II BetrVG die Einigungsstelle anrufen, die verbindlich entscheiden kann; vgl. LAG Hamm v. 21.8.2001 NZA-RR 2002, 139 ff.; dazu sogleich. 1176 Denn dieser kann nicht mittels Durchführungsanspruchs vom Betriebsrat durchgesetzt werden, vgl. BAG v. 17.10.1989 AP Nr. 53 zu § 112 BetrVG 1972; GKKreutz, BetrVG, § 77 Rn. 25. 1177 In diesem Sinne wohl Weidinger/Schlottfeldt, Flexibel ohne Zeiterfassung, Das Flexible Unternehmen, http://www.flexible-unternehmen.de, S. 5. 1178 Vgl. das Bsp. bei Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 396, wonach eine Betriebsvereinbarung die Verpflichtung der Betriebspartner begründet, ab einem gewissen durchschnittlichen Zeitkontensaldo in Verhandlungen über Neueinstellungen zu treten. 1179 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 218 f., der als Beispiele die Zuordnung weiterer Beschäftigter zu der Arbeitsaufgabe oder einen neuen Aufgabenzuschnitt nennt. 1180 V. a. wegen des Konkurrenzdrucks und der Angst vor Arbeitsplatzverlust, vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 21, 66. 1181 (2) (a) (aa). 1182 BAG v. 28.5.2002 AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

(2) Rechtlich zulässige Ausgestaltung von Konfliktlösungsmechanismen Wenn der Schutz durch Kollektivvereinbarungen mittels Rahmenverträgen verwirklicht wird, kann sich insbesondere ein Problem daraus ergeben, dass zur Ausfüllung des Rahmens – auf der Stufe der Durchführung der Vereinbarung – notwendig der einzelne Arbeitnehmer berufen ist. Dies ist zwar mit einem Zuwachs an Autonomie verbunden, weckt aber auch Bedenken, ob es im Konfliktfall zu gleichgewichtigen Lösungen führen kann, wenn der Arbeitnehmer ganz auf sein Verhandlungsgeschick und seine Durchsetzungsfähigkeit verwiesen wird. Daher ist zu prüfen, ob der einzelne Arbeitnehmer im Ernstfall notwendig auf sich gestellt seine Interessen selbst durchsetzen kann, oder ob und inwieweit dem Betriebsrat trotz bestehender Rahmenregelung noch die Möglichkeit verbleibt, in Konfliktfällen zu intervenieren.1183 Hierbei könnte es zu Überschneidungen zwischen Mitbestimmung und individuellem Beschwerdeverfahren gem. §§ 84, 85 BetrVG kommen. Während bei statischen Arbeitszeitsystemen die Konfliktlösung über die Einigungsstelle erfolgt, ist bei flexiblen Systemen eine schnelle Problemlösung unter den Beteiligten selbst angestrebt.1184 Deshalb werden von der Praxis zumeist mehrstufige Schlichtungsverfahren vorgeschlagen.1185 Für den Fall des Scheiterns einer Einigung zwischen den unmittelbar Beteiligten sind systembegleitende Ausschüsse oder betriebliche Projektgruppen vorgesehen1186 sowie die Anrufung der Einigungsstelle, falls eine Vermittlung nicht gelingt.1187 Im Detail reichen die Vorstellungen und Vorschläge von der Einsetzung paritätischer Kommissionen (Clearingstellen) als letztentscheidende Instanz1188 bis zur Beteiligung des Betriebsrats auf jeder Stufe der Konfliktbearbeitung.1189 Die Verankerung von Konfliktlösungsmechanismen und die Definition der Rolle des Betriebsrats1190 sowie die Schaffung einer begleitenden Schlichtungsstelle, der nicht notwendig Betriebsratsmitglieder angehören, werden zu den unbedingt er1183 Vgl. beispielhaft MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 31 ff.; Engelhardt, AiB 2000, 466 (476). 1184 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 31. 1185 s. etwa Engelhardt, AiB 2000, 466 (476 f.) für flexible Jahresarbeitszeit und Arbeitszeitkonten; Heidemann, Weiterentwicklung, S. 31. 1186 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 32; Hamm, AiB 2000, 152 (159); vgl. auch Kiesche, PersR 2001, 283, 292: paritätisch besetzte Arbeitszeitkommissionen bzw. Clearingstellen; Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 83. 1187 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 33; Engelhardt, AiB 2000, 466 (476 f.). 1188 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (15 f.); Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/2003), S. 2. 1189 AiB 2000, 466 (476). 1190 MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 21; ausf. dazu Engelhardt, AiB 2000, 466 (474).

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forderlichen Bestandteilen in einer Rahmenregelung gezählt1191: Die Prognose möglicher Konfliktthemen, deren Lösung, Verfahrensweisen und Rechtsfolgen treten in einer Betriebsvereinbarung an die Stelle der Festlegung von Arbeitszeiten.1192 (a) Einigungsstelle als Letztentscheidungsinstanz? Soll der Einigungsstelle allerdings auch rechtlich eine verbindliche Entscheidung vorbehalten bleiben, stellt sich die Frage nach der Grundlage für ihre Zuständigkeit.1193 Davon hängt es ab, ob ein Konflikt verbindlich und abschließend entschieden werden kann. Gegenstand der Schlichtung durch die Einigungsstelle sind grundsätzlich Regelungsstreitigkeiten unter den Betriebspartnern.1194 Eine Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle kommt in Angelegenheiten in Betracht, die in die funktionelle Zuständigkeit der Betriebspartner fallen.1195 Im erzwingbaren Einigungsstellenverfahren ergibt sie sich aus den speziellen gesetzlichen Kompetenzzuweisungen, so etwa aus §§ 87 II; 85 II BetrVG. In Angelegenheiten, in denen gesetzlich keine verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle vorgesehen ist, ist allerdings gem. § 76 VI BetrVG das freiwillige Einigungsstellenverfahren möglich. Die Zuständigkeit besteht daher gem. § 76 I BetrVG für alle Meinungsverschiedenheiten und in Angelegenheiten, die Arbeitgeber und Betriebsrat auch freiwillig regeln könnten.1196 Dazu gehört der Bereich der freiwilligen Betriebsvereinbarungen in sozialen Angelegenheiten (§ 88 BetrVG) und die Regelung des Beschwerdeverfahrens gem. § 86 BetrVG.1197 Problematisch ist nun aber, dass nach den Vorschlägen zur Gestaltung der Vertrauensarbeitszeit mit der Errichtung der Einigungsstelle die Konfliktlösung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, u. U. auch zwischen Arbeitnehmern beabsichtigt ist. Die Einigungsstelle ist jedoch nicht für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien oder zwischen Arbeitnehmern zuständig.1198 Für diese Fälle steht das Verfahren nach § 85 BetrVG zur Verfügung, auf dessen Grundlage sich der Betriebsrat der Belange einzelner Arbeitnehmer annehmen, sie aufnehmen und durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu ordnen versuchen kann.1199 1191 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 80 ff.; ders., Die neun notwendigen Elemente betrieblicher Vertrauensarbeitszeitregelungen, http://www.arbeitszeitberatung.de (8/2003). 1192 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 85. 1193 Vgl. Richardi, BetrVG, § 76 Rn. 41; MünchArbR-Schüren, § 169 Rn. 33. 1194 F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 81 f.; GK-Wiese, BetrVG, § 76 Rn. 9. 1195 F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 81. 1196 GK-Wiese, BetrVG, § 76 Rn. 19. 1197 F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 79. 1198 GK-Wiese, BetrVG, § 76 Rn. 15.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Das Beschwerdeverfahren nach §§ 84, 85 BetrVG baut auf den Individualrechten der §§ 81, 82 BetrVG auf. Nach der gesetzlichen Konzeption hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er sich an den Betriebsrat gem. § 85 BetrVG oder an die sonst zuständigen Stellen – ggf. mit Unterstützung durch ein Betriebsratsmitglied – nach § 84 BetrVG wendet oder sich bei beiden zugleich beschwert.1200 Gegenstand kann alles sein, was den Arbeitnehmer tatsächlich oder rechtlich beschwert, wobei Popularbeschwerden ausgeschlossen sind.1201 Ist die Beschwerde berechtigt, muss der Arbeitgeber für Abhilfe sorgen. Wendet sich der Arbeitnehmer zunächst an den Betriebsrat, so hat dieser die Beschwerde entgegenzunehmen, zu prüfen und, sofern er sie für berechtigt hält, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Gelangt dieser zu dem Ergebnis, dass sie nicht berechtigt sei, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, § 85 II BetrVG.1202 Damit übt der Betriebsrat nur eine Unterstützungsfunktion zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, von dessen freier Entscheidung es abhängt, ob durch die Einlegung der Beschwerde beim Betriebsrat das Verfahren eröffnet wird.1203 Die Anrufung der Einigungsstelle liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsrats1204 und ist von der Zustimmung des Arbeitnehmers unabhängig.1205 Allerdings bleibt der Arbeitnehmer durch sein Recht, die Beschwerde jederzeit zurückzuziehen,1206 „Herr des Verfahrens“.1207 Ein Spruch der Einigungsstelle nach § 85 II S. 1, 2 i.V. m. § 76 V BetrVG betrifft nur die Berechtigung der Beschwerde, die Einigungsstelle entscheidet aber nicht über die zu treffenden Maßnahmen.1208 Die gegenteilige Auffassung, wonach die Einigungsstelle „wie sonst auch zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten“ eine Regelung treffen könne1209, vermag nicht zu überzeugen. Denn nach h. M. dürfen über das kollektive Beschwerdeverfahren gem. § 85 BetrVG Mitbestimmungsrechte nicht erweitert und das abgestufte System der Beteiligungsrechte nicht durchbrochen werden.1210 Die Möglichkeit der Anrufung der Einigungs-

1199

GK-Wiese, BetrVG, § 76 Rn. 15. Stellv. Hinrichs, ArbRGgw 1980 (18), S. 35 (46). 1201 Hinrichs, ArbRGgw 1980 (18), S. 35 (46); Ohm, AiB 2000, 659 (660). 1202 Ohm, AiB 2000, 659 (660 f.). 1203 GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 18. 1204 Hallmen, Beschwerde, S. 103 f.; Hinrichs, ArbRGgw, 1980 (18), S. 35 (46). 1205 GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 9. 1206 BT-Drs. VI/2729, S. 29; Hinrichs, ArbRGgw 1980 (18), S. 35 (47); GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 9. 1207 Buschmann, FS Däubler, S. 311 (321); Ohm, AiB 2000, 659 (661); vgl. LAG Düsseldorf v. 21.12.1993 NZA 1994, 767 (768). 1208 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 85 Rn. 17; GK-Wiese, BetrVG § 85, Rn. 24 m. w. N. 1209 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 85 Rn. 3. 1210 F/K/H/E/S, BetrVG, § 85 Rn. 12; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG § 85 Rn. 26; GK-Wiese, BetrVG § 85 Rn. 17 m. w. N.; ders., FS Müller, S. 625 (632 f., 1200

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stelle nach § 85 II BetrVG kann nicht dazu führen, dem Mitbestimmungstatbestand einen anderen Inhalt zu geben, als durch teleologische Interpretation des § 87 I BetrVG zu ermitteln ist.1211 Dies wäre aber der Fall, wenn die Einigungsstelle die Regelung selbst träfe. Hält die Einigungsstelle die Beschwerde für berechtigt, erlangt der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abhilfe.1212 Im Unterschied zu dem Verfahren im Rahmen der Mitbestimmung gem. § 87 II BetrVG, bei dem die Einigungsstelle den Konflikt vollständig zu lösen hat und eine verbindliche Entscheidung der Regelungsfrage trifft1213, beschränkt sich ihre Kompetenz im kollektiven Beschwerdeverfahren nach dem Wortlaut des § 85 II BetrVG also nur auf die Entscheidung über die Berechtigung einer Beschwerde. Die Einigungsstelle kann grundsätzlich1214 nicht über einzelne Abhilfemaßnahmen entscheiden bzw. diese anordnen.1215 (aa) Konfliktlösung und Einigungsstellenkompetenz im Überlastverfahren Für Fälle der Überlastung wegen überdurchschnittlichen Arbeitsanfalls bzw. personeller Unterbesetzung ist nach nicht unbestrittener Ansicht1216 die Einigungsstelle im Beschwerdeverfahren nach dem Prüfungsmaßstab des § 98 I ArbGG nicht offensichtlich unzuständig.1217 Wäre aber der Arbeitnehmer bei Vertrauensarbeitszeit im Falle der Überlastung auf das Beschwerdeverfahren beschränkt, wäre gerade keine Interventionsmöglichkeit des Betriebsrats in der Sachentscheidung und damit im sekundären Regelungsbereich gegeben. Selbst wenn man der Gegenauffassung folgte, wonach der Betriebsrat die Durchführung des Einigungsstellenspruchs im Beschlussverfahren erzwingen könnte1218,

635 Fn. 45); Löwisch, DB 1972, 2304 (2306); LAG Düsseldorf NZA 1994, 767 (768); LAG Hamm v. 16.4.1986 BB 1986, 1359 (1360). 1211 Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 85 Rn. 27. 1212 GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 25. 1213 D/K/K-Däubler, BetrVG, § 87 Rn. 311; F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 86. 1214 Vgl. aber Löwisch, der eine Ausnahme anerkennen will, wenn über Individualrechte in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten entschieden wird, DB 1972, 2304 (2307). 1215 Buschmann, FS Däubler, S. 311 (326). 1216 Hunold, DB 1993, 2282 (2283, 2285 f.), der den Anwendungsbereich des § 85 II BetrVG sehr weit einschränken will und bei Beschwerden über das Arbeitspensum ablehnt; LAG Schleswig-Holstein v. 21.12.1989 NZA 1990, 703 (704), wonach die Zuweisung bestimmter Aufgaben in den Bereich des Direktionsrechts fällt, für dessen Bestimmung von Umfang und Inhalt einzig die Gerichte zuständig seien. 1217 LAG Baden-Württemberg v. 13.3.2000 AiB 2000, 760; vgl. auch LAG Hamm v. 21.8.2000 NZA-RR 2002, 139. 1218 So etwa D/K/K-Buschmann, BetrVG, §§ 85, 86 Rn. 19.

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würde dennoch die Entscheidung über die konkrete Abhilfemaßnahme dem Arbeitgeber vorbehalten bleiben. Letztentscheidungskompetenz in der Sache kann der Einigungsstelle immer dann eingeräumt werden, wenn die Angelegenheit in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats nach § 87 BetrVG fällt. Für die im Überlastverfahren relevante Frage nach der angemessenen Aufgabenzuteilung und damit der Arbeitsmenge besteht gerade kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht.1219 Die Zuständigkeit der Einigungsstelle lässt sich hier nur auf § 85 II BetrVG stützen. Eine im Rahmen von § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG erzwingbare Ausgestaltung des Konfliktlösungsverfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil weder die Arbeitszeitverteilung noch die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit unmittelbar betroffen ist; insbesondere ist der Überlastungsschutz kein Zweck von § 87 I Nr. 2 BetrVG1220. Eine Rahmenvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit kann Regelungen zu Überlastsituationen allerdings auf der Grundlage des § 86 BetrVG treffen. Danach sind Änderungen des Beschwerdeverfahrens durch Kollektivvertrag möglich; durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag können dessen Einzelheiten näher geregelt1221 und die Einigungsstelle durch eine betriebliche Beschwerdestelle ersetzt werden. Daher könnten in einer Rahmenbetriebsvereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit auf Grundlage des § 86 BetrVG Verfahrensregelungen über den Umgang mit Überlastsituationen getroffen und ein ständiges Gremium geschaffen werden, das an die Stelle der Einigungsstelle tritt1222 und für Arbeitszeitfragen zuständig ist. § 86 BetrVG ermächtigt nach überwiegender Ansicht aber nicht dazu, die Zuständigkeit der Einigungs- oder Beschwerdestelle zu verändern.1223 Aus der in § 86 BetrVG vorgenommenen Beschränkung der Kollektivparteien auf Verfahrensfragen folgt,1224 dass der Einigungsstelle keine Entscheidungskompetenz in der Sache, mithin nicht die Kompetenz eingeräumt werden kann, selbst verbindlich über Abhilfemaßnahmen zu entscheiden1225, wie z. B. über Fragen der Aufgabenzuteilung oder Personalbemessung. Die nach § 86 BetrVG regelbaren „Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens“ betreffen nur etwa Frist- und Form-

1219

Vgl. Hunold, DB 1993, 2282 (2283); s. auch oben aa) (2) (a) (aa). BAG v. 28.5.2002 AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 1221 Vgl. zu Regelungsbeispielen Ohm, AiB 2000, 659 (662). 1222 Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 86 Rn. 8; GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 8, Weiss/Weyand, BetrVG, § 86 Rn. 2. 1223 D/K/K-Buschmann, BetrVG, §§ 85, 86 Rn. 4; F/K/H/E/S, BetrVG, § 86 Rn. 4; ErfK-Kania, § 86 BetrVG Rn. 1; GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 4. 1224 GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 4. 1225 GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 3, 4; Moll/Klunker, RdA 1973, 361 (368). 1220

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vorschriften zur Einreichung und Behandlung einer Beschwerde, Festlegungen der Zuständigkeiten im Betrieb und des betrieblichen Instanzenzugs.1226 Abgesehen davon sind durch § 86 BetrVG der Regelung von Überlastverfahren noch weitere Grenzen gesetzt. Da individuelle Beschwerderechte nicht verkürzt werden dürfen,1227 wird vertreten, dass dem Arbeitnehmer gem. §§ 85 und 84 BetrVG offen stehen muss, ob er eine Beschwerde durch Hinzuziehung des Betriebsrats behandelt wissen will oder sich unmittelbar und ausschließlich an die zuständige Stelle des Betriebs wendet,1228 die zumeist der direkte Vorgesetzte bzw. derjenige sein wird, der üblicherweise der erste Ansprechpartner in der Angelegenheit ist.1229 Dies verdeutlicht, dass im Rahmen der §§ 84 ff. BetrVG der Arbeitnehmer Herr des Verfahrens bleiben muss. Deshalb würde etwa eine zwingend vorgeschriebene Einschaltung des Betriebsrats bei festgestellter Überlastung eines einzelnen Arbeitnehmers den Grundsätzen des Beschwerdeverfahrens widersprechen. Sowohl die Einleitung als auch die Beendigung des Überlastverfahrens dürfte allein von der Entscheidung des Betroffenen abhängig gemacht werden. Bedenklich erscheint daher auch der Vorschlag, Überlastverfahren teambezogen auszugestalten1230 und den Arbeitnehmer zunächst auf einen Klärungsversuch innerhalb des Teams zu verweisen, weil dadurch seine Rechte verkürzt würden. Zusammenfassend hierzu ist festzuhalten, dass im Überlastverfahren die Einbeziehung der Einigungsstelle als Letztentscheidungsinstanz weder erzwingbar noch aufgrund freiwilliger Regelung nach § 86 BetrVG möglich ist. Nach der gesetzlichen Konzeption des Beschwerdeverfahrens hängt die Beteiligung des Betriebsrats von der Entscheidung des Arbeitnehmers ab. Das Überlastverfahren bietet folglich keine Möglichkeit, die Intervention des Betriebsrats im sekundären Regelungsbereich sicherzustellen. Deshalb ist die Aussage, dass das Verfahren nach § 85 II BetrVG eine hilfreiche Kompensation darstellen könne, wenn die Arbeitsbelastung nicht mit Hilfe der Mitbestimmungsrechte gem. § 87 I Nr. 2, 3 gesteuert werden kann,1231, stark zu relativieren. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle auch nicht auf weitere Zweifelsfragen1232 bei der Umsetzung dieses Modells eingegangen werden. 1226 D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 86 Rn. 1; F/K/H/E/S, BetrVG, § 86 Rn. 3 f.; ErfK-Kania, § 86 BetrVG Rn. 1; GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 5. 1227 Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 86 Rn. 2. 1228 ErfK-Kania, BetrVG § 85 Rn.1; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 86 Rn. 2; GK-Wiese, BetrVG, § 84 Rn. 34, § 86 Rn. 6. 1229 GK-Wiese, BetrVG, § 84 Rn. 14; Ohm, AiB 2000, 659 (660). 1230 Vgl. die Regelung der Stadtverwaltung Wolfsburg, Ahrens, CF 5/2001, 12 (14, 15). 1231 Vgl. Klar, Anm. zu LAG Baden-Württemberg v. 13.3.2002, AiB 2000, 761. 1232 Z. B. auf die Frage, ob ein erzwingbares Einigungsstellenverfahren gem. § 85 II 3 BetrVG ausscheidet, weil es sich bei Überlastung eines Arbeitnehmers als Be-

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Eine Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle über die konkrete Abhilfemaßnahme im Falle einer Überlastung ließe sich allenfalls dann begründen, wenn man das Verfahren auf die kollektive Ebene der Mitbestimmung hebt und eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte auf Fragen der Personal- und Aufgabenzumessung zulässt.1233 Zur Anwendung käme in diesem Fall das freiwillige Einigungsstellenverfahren.1234 Sofern ein kollektiver Bezug gegeben ist1235, kann aufgrund freiwilliger Betriebsvereinbarung eine Angelegenheit so geregelt werden, dass die Ausübung eines dem Arbeitgeber zustehenden Rechts an die Zustimmung oder sonstige Mitwirkung des Betriebsrats geknüpft wird und ggf. die Einigungsstelle entscheiden kann.1236 Da eine Überlastung nicht zwingend von einem erhöhten betrieblichen Arbeitsanfall abhängt, sondern auch von der subjektiven Leistungsfähigkeit, die den Maßstab der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungspflicht darstellt1237, kann sie u. U. nur subjektiv empfunden werden. Aus diesem Grund bereitet die Annahme eines Kollektivbezugs Schwierigkeiten. Er ließe sich nur auf den objektiven Zusammenhang zwischen Arbeitszeit, Arbeitsmenge und personeller Besetzung zurückführen. Ein Überlastverfahren könnte dementsprechend derart ausgestaltet werden, dass unabhängig von der Person des Arbeitnehmers für die Definition einer Überlastsituation auf ein vereinbartes Zeitguthaben abgestellt wird, an dessen Erreichen bestimmte Maßnahmen gekoppelt werden. Inwiefern dies realisierbar ist, hängt v. a. von den Arbeitsinhalten ab und wäre am ehesten bei standardisierten Aufgaben möglich. Dabei handelt es sich nicht um ein unzulässiges Koppelungsgeschäft, wenn die Schaffung des Mitbestimmungsrechts die Aufweichung von Arbeitszeitgrenzen kompensieren soll.1238 schwerdegegenstand um einen Rechtsanspruch handelt. Wie der Begriff des Rechtsanspruchs hier auszulegen ist, ob er neben Leistungsansprüchen auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (z. B. der im Falle der Überlastung tangierten Fürsorgepflicht) erfasst, ist umstritten: Nur Leistungsanspruch: D/K/K-Buschmann, BetrVG, § 85 Rn. 16; ders., FS Däubler, S 311 (324); Denck, DB 1980, 2132 (2135: § 85 BetrVG soll Fürsorgepflicht gerade verstärken, deshalb sei es wenig sinnvoll, Gegenstände der Fürsorgepflicht von § 85 II BetrVG auszunehmen); A. A. Hunold, DB 1993, 2282 (2284 f.: sehr weite Auslegung des Begriffs „Rechtsanspruch“, so dass für Beschwerden, deren Gegenstand die Fürsorgepflicht ist, das Einigungsstellenverfahren unzulässig wäre); Nebendahl/Lunk, NZA 1990, 676 (678 f.); vermittelnd: F/K/H/E/S, BetrVG, § 85 Rn. 8; ErfK-Kania, BetrVG § 85 Rn. 5; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 85 Rn. 22; GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 11: Einigungsstelle zuständig, wenn Zweifel an Bestehen und Durchsetzbarkeit des Fürsorgeanspruchs. Ausf. dazu Hallmen, Beschwerde, S. 106 ff. 1233 Vgl. oben aa) (2) (a) (bb), (cc) und (b) (bb). 1234 Vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 76 Rn. 79; GK-Wiese, BetrVG, § 76 Rn. 19. 1235 Vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 14. 1236 Richardi, BetrVG, Einl. Anm. 138, § 88 Rn. 9; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 8. 1237 Vgl. statt vieler Preis, Arbeitsrecht, S. 261; Söllner, Arbeitsrecht in der Verfassungsordnung, S. 151 m. w. N. 1238 s. oben aa) (2) (a) (bb).

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(bb) Sonstige Fälle der Konfliktlösung Der Kollektivbezug könnte sich dagegen viel einfacher belegen lassen in Arbeitszeitfragen, die etwa bei der Absprache von Arbeitszeiten und der Möglichkeit der Freizeitentnahme, z. B. bei Freizeitwünschen mehrerer Arbeitnehmer, auftreten. Hier handelt es sich um Fragen der Arbeitszeitverteilung, für deren Regelung das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 2 BetrVG besteht. (a) Gesetzliches Beschwerdeverfahren als abschließende Regelung? Die in §§ 84, 85 BetrVG vorgesehenen Beschwerderechte des Arbeitnehmers könnten nun aber einer Intervention des Betriebsrats und der Einbeziehung der Einigungsstelle als Letztentscheidungsinstanz ggf. i. S. einer abschließenden gesetzlichen Regelung gem. § 87 I ES BetrVG entgegenstehen.1239 Dann wäre bereits aus diesem Grund die Regelung eines Konfliktlösungsverfahrens im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung ausgeschlossen. Nach Ansicht des LAG Hamburg1240 kann das Procedere einer angestrebten Konfliktlösung nicht im Rahmen einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit geregelt werden, weil dem die gesetzliche Regelung der §§ 81 ff. BetrVG entgegenstehe. Dies ließe sich auf die Argumentation stützen, dass die in §§ 81 ff. BetrVG normierten Mitwirkungs- und Beschwerderechte des Arbeitnehmers einseitig zwingend sind, also nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden dürfen1241, dass es aber für den Arbeitnehmer ungünstiger sei und seine Selbstverantwortung nicht fördere, wenn aufgrund einer mitbestimmten Regelung seine eigentlich durch die §§ 81 ff. BetrVG zu mildernde Abhängigkeit vom Arbeitgeber durch eine neue Abhängigkeit vom Betriebsrat ersetzt bzw. ergänzt werde.1242 Denn die §§ 81–86 a BetrVG stehen in engem Zusammenhang mit dem Schutz des Persönlichkeitsbereichs gem. § 75 II BetrVG.1243 Die Verankerung von Interventionsrechten des Betriebsrats könnte aber der freien Persönlichkeitsentfaltung entgegenstehen. Nach Löwisch/Kaiser1244 enthält § 86 BetrVG, der eine Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens in engen Grenzen durch freiwillige Betriebsvereinbarungen zulässt, eine abschließende Regelung i. S. d. § 87 I ES BetrVG. 1239 LAG Hamburg v. 17.5.1998 NZA 1998, 1245; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 86 Rn. 2, die § 86 BetrVG für die abschließende Regelung halten. 1240 LAG Hamburg NZA 1998, 1245. 1241 F/K/H/E/S, BetrVG, § 81 Rn. 1; GK-Wiese, BetrVG, vor § 81 Rn. 34. 1242 Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 164; Moll/Klunker, RdA 1973, 361 (368); in diesem Sinne auch Butzke, BB 1997, 2269 (2270). 1243 F/K/H/E/S, BetrVG, § 81 Rn. 1; Wiese, ZfA 1996 439 (474). 1244 BetrVG, § 86 Rn. 2.

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Gegen den abschließenden Charakter der §§ 81 ff. BetrVG wird von anderen § 86 BetrVG selbst angeführt, aus dem sich ergibt, dass die Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens durchaus kollektiven Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung zugänglich sind.1245 Wenngleich der Regelungsbefugnis enge Grenzen gesetzt sind1246 und auf § 86 BetrVG nur freiwillige Betriebsvereinbarungen gestützt werden können1247, wird man in der Tat aus der Existenz der Norm jedenfalls den Schluss ziehen können, dass der Wille des Gesetzgebers Abweichungen von §§ 84–85 BetrVG nicht entgegen steht.1248 Es handelt sich somit um dispositives Recht, das nach h. M. keine Sperrwirkung i. S. d. § 87 I ES BetrVG entfaltet.1249 Gegen den Einwand, § 86 BetrVG lasse Abweichungen nur aufgrund freiwilliger Vereinbarung zu, wurde zu Recht vorgebracht, dass in Fällen, in denen die Ausnutzung des durch § 86 BetrVG eröffneten Regelungsspielraums zugleich den Anwendungsbereich eines Mitbestimmungstatbestandes gem. § 87 I BetrVG berührt, diese Abweichungen als Teil eines gesetzlich zulässigen Regelungsspielraums zu betrachten und ihre Erzwingbarkeit zuzulassen seien.1250 Damit wird durch § 87 I ES BetrVG die Regelung des Konfliktlösungsverfahrens in einer mitbestimmten Rahmenregelung, in der die Einigungsstelle als Letztentscheidungsinstanz vorzusehen ist, nicht ausgeschlossen. (b) Keine unzulässige Erweiterung der Mitbestimmungsrechte Grundsätzlich ergibt sich die Zuständigkeit der Einigungsstelle für mitbestimmungspflichtige Tatbestände aus § 87 II BetrVG. Besteht aber eine Rahmenregelung, hat der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht damit schon ausgeübt. Deshalb ist die Möglichkeit seiner Beteiligung auf der Ebene der durch die Rahmenregelung dezentralisierten Entscheidungen über die Einigungsstelle zweifelhaft.1251 Hintergrund ist hier wiederum, dass nach h. M. über das kollek-

1245

Vgl. auch Wolmerath, Anm. zu LAG Hamburg v. 15.7.1998, AiB 1999, S. 102 f. Vgl. ErfK-Kania, BetrVG § 86 Rn. 1; GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 3 ff.; Moll/ Klunker, RdA 1973, 361 (368). 1247 ErfK-Kania, BetrVG § 86 Rn. 2; Stege/Weinspach, BetrVG, §§ 84–86 Rn. 20; GK-Wiese, BetrVG, § 86 Rn. 1. 1248 Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 171; Wolmerath, AiB 1999, 102 f. 1249 F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 29; MünchArbR-Matthes, § 332 Rn. 12; a. A. ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 11. 1250 Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 170. 1251 So Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 172 für Konflikte im Rahmen von Zielvereinbarungen. 1246

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tive Beschwerdeverfahren gem. § 85 BetrVG Mitbestimmungsrechte nicht erweitert werden dürfen.1252 Bei derartigen Regelungsstreitigkeiten ist umstritten, wie das Verhältnis der Zuständigkeit der Einigungsstelle nach § 85 II BetrVG zu der bei Streitigkeiten im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG zu bestimmen ist. Hier sind Überschneidungen und Kollisionen zwischen den vom Betriebsrat wahrgenommenen kollektiven Interessen und den vom Arbeitnehmer mit seiner Beschwerde verfolgten individuellen Interessen denkbar.1253 Darauf muss aber nur eingegangen werden, wenn eine Zuständigkeitsbegründung gem. § 87 II BetrVG tatsächlich nicht angenommen werden kann. Da sich nach h. M. die Mitbestimmungsrechte bezüglich der Arbeitszeit auf kollektive Tatbestände beziehen1254, kann auch die Einigungsstelle nur im Falle einer Regelung mit Kollektivbezug nach § 87 II BetrVG zuständig sein.1255 Für die Frage, ob es sich bei einem individuellen Arbeitszeitkonflikt um eine mitbestimmungsfreie Einzelmaßnahme handelt, kann nach oben1256 verwiesen werden. Da nur Vereinbarungen mitbestimmungsfrei sind, die den individuellen Besonderheiten einzelner Arbeitsverhältnisse Rechnung tragen und deren Auswirkungen sich auf das Arbeitsverhältnis dieses Arbeitnehmers beschränken1257, ist nicht schon dann vom Vorliegen eines mitbestimmungsfreien Einzelfalls auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die Einteilung der konkreten Arbeitszeitlage selbst vornehmen kann. Dementsprechend beruht eine durch betriebliche Anforderungen determinierte Arbeitszeitgestaltung nicht ausschließlich auf eigenen Interessen des Arbeitnehmers und kann auch in ihren Auswirkungen über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausreichen. Welche ungünstigen Arbeitszeiten welcher Arbeitnehmer abzudecken hat bzw. ob und wann einem Arbeitnehmer Freizeitausgleich zu gewähren ist, sind Fragen, mit denen nicht ausschließlich den Besonderheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf gerade den einzelnen Arbeitnehmer betreffende Umstände1258 Rechnung getragen werden soll. Sie können daher nach der hier vertretenen Auffassung durchaus kol1252 F/K/H/E/S, BetrVG, § 85 Rn. 12; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 85 Rn. 26; GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 17 m. w. N.; ders., FS Müller, S. 625 (632 f.); Löwisch, DB 1972, 2304 (2306); LAG Düsseldorf v. 21.12.1993 NZA 1994, 767 (768); LAG Hamm v. 16.4.1986 BB 1986, 1359 (1360). 1253 Wiese, FS Müller, S. 625, 632 ff. 1254 s. oben § 1. C. III. 2. 1255 Vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 76 Rn. 11. 1256 Vgl. etwa A. III. 3. b). 1257 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 6; BAG v. 3.12.1991 AP Nr. 51, 52 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; v. 22.9.1992 AP Nr. 56, 60 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 1258 GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 15 ff., 33; ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 6; BAG v. 3.12.1991 AP Nr. 51, 52 zu § 87 BetrVG 1972.

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lektiven Bezug haben mit der Folge, dass § 87 II BetrVG als Grundlage für eine der Einigungsstelle vorzubehaltende Letztentscheidungskompetenz dienen kann. Dem stehen auch die §§ 84 ff. BetrVG nicht entgegen. Es wird zwar vertreten, dass der Spielraum zur Ausgestaltung eines Konfliktlösungsverfahrens in einer mitbestimmten Rahmenregelung durch § 86 BetrVG begrenzt werde, denn den Betriebspartnern oder der Einigungsstelle könne gem. § 87 II BetrVG nicht erlaubt sein, was selbst den Tarifparteien gem. § 86 BetrVG verwehrt ist.1259 Deshalb wird angenommen, dass auch im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung nur der durch § 86 BetrVG eröffnete Spielraum ausgeschöpft werden darf.1260 Doch kann die vorbehaltlich des § 86 BetrVG bestehende Unabdingbarkeit der Individualrechte gem. §§ 81 ff. BetrVG nicht so weit gehen, die Ausgestaltung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zu präjudizieren. Dies folgt einmal daraus, dass die Einigungsstellenverfahren nach § 85 II und § 87 II BetrVG ganz unterschiedlichen Zwecken dienen.1261 Während im Verfahren nach § 87 II BetrVG der Betriebsrat eigene Rechte wahrnimmt, um die grundsätzlich kollektiven Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach § 85 II die individuelle Beeinträchtigung eines Arbeitnehmers, die geltend zu machen seiner freien Entscheidung obliegt.1262 Da es Aufgabe des Betriebsrats ist, seine Beteiligungsrechte nach § 87 BetrVG wahrzunehmen, wäre es zweckwidrig, aufgrund der §§ 84 ff. BetrVG einen Ausschluss von Konfliktlösungsregelungen anzunehmen.1263 Im Kontext der Vertrauensarbeit ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die individuellen Freiräume hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung und mithin auch die möglichen Gegenstände einer individuellen Beschwerde gerade erst durch eine bestimmte Art der Mitbestimmungsausübung in Form einer Rahmenbetriebsvereinbarung eröffnet werden: ohne die gleichzeitige Rücknahme der Mitbestimmung wäre der Raum für die hier in Frage stehenden möglichen Beschwerdegegenstände schon gar nicht eröffnet. Wenn es aber Sache des Betriebsrats ist, wie er von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch macht, bedeutet dies zugleich, dass er sich Interventionen im Rahmen der Konfliktlösung ungeachtet der §§ 84, 85 BetrVG muss vorbehalten können. Denn eine Beschränkung dieser Rechte durch die Mitbestimmungsausübung kann nicht angenommen werden, wenn durch sie Freiräume für individuelle Entscheidungen erst geschaffen werden. 1259

Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 170. Ausf. Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 168 ff. 1261 GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 18; ders., FS Müller, S. 625 (633 ff.). 1262 F/K/H/E/S, BetrVG, § 85 Rn. 12; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 86 Rn. 26; GK-Wiese, BetrVG, § 85 Rn. 18; Butzke, BB 1997, 2269 f.; Wiese, FS Müller, S. 625 (634). 1263 Wolmerath, Anm. zu LAG Hamburg v. 15.7.1998, AiB 1999, 101 (103). 1260

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Entsprechend den zu Art. 80 I 2 GG entwickelten Grundsätzen muss der Normgeber selbst die Grenzen einer Ermächtigung festsetzen.1264 Die Regelung von Konfliktlösungsmechanismen begrenzt somit von vornherein die Zustimmung zur Arbeitszeitgestaltung durch die Arbeitnehmer1265 bzw. unterwirft die selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung prozeduralen Bindungen1266. Insofern ist die Lage vergleichbar mit der bei Dauerbetriebsvereinbarungen, wo sich der Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen ein förmliches Widerspruchsrecht soll vorbehalten können, dessen Ausübung den Arbeitgeber zu einem Einigungsstellenverfahren zwingt.1267 §§ 84, 85 BetrVG stehen einer Regelung nicht entgegen, bei der sich die Einigungsstellenkompetenz aus § 87 II BetrVG ergibt. Sofern das individuelle Beschwerdeverfahren und die Zuständigkeit der Einigungsstelle gem. § 85 II BetrVG im Rahmen mitbestimmungspflichtiger Tatbestände anerkannt wird,1268 bleibt dieses Verfahren von der Mitbestimmungsausübung grundsätzlich unberührt, wenngleich in der Praxis sein Anwendungsbereich möglicherweise eingeschränkt wird.1269 (cc) Zusammenfassung und Ergebnis In einer gem. § 87 I Nr. 2, 3 BetrVG mitbestimmten Rahmenregelung kann die Beteiligung des Betriebsrats oder der Einigungsstelle an einer Konfliktlösung in festgelegten Fällen vorgesehen werden. Dem stehen die §§ 81 ff., und insbesondere § 86 BetrVG, nicht entgegen, wenn sich ein kollektiver Bezug auch auf der sekundären Regelungsebene begründen lässt. Denn insoweit handelt es sich um Ausübung der Mitbestimmungsrechte, weil die im Voraus gegebene Zustimmung des Betriebsrats nur begrenzt erteilt bzw. unter Vorbehalt gestellt werden kann. Im Falle der Überlastverfahren ist eine Einigungsstellenzuständigkeit nur nach § 85 II BetrVG gegeben; sofern sich im Einzelfall ein Kollektivbezug begründen lässt, kann ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren vorgesehen werden. 1264

BVerfGE 2, 307 (334). Vgl. in etwas anderem Zusammenhang Hamm, AiB 2003, 228 (231), mit dem Vorschlag, die Grenzen des Verzichts enger zu ziehen. 1266 Zu den prozeduralen Bindungen des Arbeitgebers vgl. Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (26). 1267 Säcker/Oetker, RdA 1992, 16 (26). 1268 Str., vgl. dazu Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 86 Rn. 5; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 85 Rn. 27; GK-Wiese, BetrVG § 85 Rn. 18; ders., FS Müller, S. 625 (634 ff.); Löwisch, DB 1972, 2304 (2306 f.); dagegen Hallmen, Beschwerde, S. 142 ff.; Hunold, DB 1993, 2282 (2285); Söllner, ZfA 1982, 1 (12). 1269 Als Beispiel wurde hier genannt, dass der Arbeitnehmer für sich eine Abweichung von der kollektiven mitbestimmten Regelung begehrt, vgl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 85 Rn. 12; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 85 Rn. 27. 1265

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(b) Paritätische Gremien Auch Kommissionen und paritätische Gremien gehören in der Praxis zu den Essentialia flexibler Arbeitszeitsysteme.1270 Unabhängig davon, ob eine endgültige Entscheidung unter Einbeziehung der Interessenvertretung vorgesehen ist, wenn Arbeitnehmern der gewünschte Freizeitausgleich vom Vorgesetzten nicht gewährt wird1271, oder ob in einem Überlastverfahren eine Clearingstelle als objektive Berufungsinstanz über Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich und verbindlich entscheiden soll,1272 stellt sich jeweils die Frage, ob ihr rechtswirksam überhaupt eine Letztentscheidungskompetenz zugewiesen werden kann. Dies ist abhängig von der Rechtsgrundlage, auf die ihre Entscheidungen jeweils gestützt werden könnten. Bezüglich der hier interessierenden paritätischen Gremien findet sich eine gesetzliche Regelung in § 28 II BetrVG. Bei den dort genannten gemeinsamen Ausschüssen von Betriebsrat und Arbeitgeber handelt es sich nicht um ein Organ des Betriebsrats, sondern um ein eigenes Institut der Betriebsverfassung.1273 § 28 II BetrVG enthält eine Regelung zur Bildung von gemeinsamen Ausschüssen, auf deren vom Betriebsrat entsandte Mitglieder Aufgaben zur selbstständigen Entscheidung übertragen werden können. § 28 II BetrVG regelt mithin nur gemeinsame Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnis.1274 Die Norm schließt aber nicht aus, daneben gemeinsame Ausschüsse (Kommissionen) mit nur beratender oder vorbereitender Funktion zu bilden: Im Gegensatz zur Bildung von Ausschüssen des Betriebsrats nach § 28 I BetrVG ist das an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft und somit auch in Betrieben mit weniger als 100 Arbeitnehmern möglich.1275 Die Aussage Hoffs, die Schlichtungsstelle könne verbindlich entscheiden, ist daher insoweit präzisierungsbedürftig. Obwohl also die Bildung gemeinsamer Ausschüsse ohne weiteres möglich ist, können sie mit verbindlicher Wirkung für die Betriebspartner nur unter den Voraussetzungen des § 28 II BetrVG entscheiden.1276 Voraussetzung für die Übertragung von Aufgaben zur selbstständigen Entscheidung ist mithin das Bestehen eines Betriebsausschusses gem. § 27 BetrVG (§ 28 II, I 3 BetrVG).1277 1270 Z. B. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 80; IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 59 zum Flow-Time-Modell; zu „Betriebskommissionen“ in Japan vgl. Schlachter/Meinhardt, RIW 2003, 764 (768). 1271 Vgl. Heidemann, Weiterentwicklung von Mitbestimmung, S. 55. 1272 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (15 f.); Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung, http://www.arbeitszeitberatung.de (1/2003), S. 2. 1273 MünchArbR-Joost, § 306 Rn. 61; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 28 Rn. 27 m. w. N.; D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 Rn. 16. 1274 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 40. 1275 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 40; GK-Wiese/Raab, BetrVG, § 28 Rn. 38; Senne, BB 1996, 1609 (1611). 1276 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 39; GK-Wiese/Raab, BetrVG, § 28 Rn. 38.

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Zum anderen stellt sich die Frage, ob zu den auf gemeinsame Ausschüsse i. S. d. § 28 II BetrVG übertragbaren Aufgaben1278 auch die Ausübung von Mitbestimmungsbefugnissen gehört1279 bzw. ob und unter welchen Voraussetzungen den Mitgliedern des Betriebsrats die endgültige Entscheidungsbefugnis übertragen werden kann.1280 Nach e. A.1281 kann die Ausübung der Mitbestimmungsrechte dem Ausschuss selbst, nicht nur den Betriebsratsmitgliedern, übertragen werden, weil die Zuständigkeit des Ausschusses auf der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffenen Vereinbarung beruhe und jede Seite den von ihr entsandten Mitgliedern die Entscheidungsbefugnis übertrage. Der Ausschuss könne daher als einheitliches Gremium auch in den übertragenen Angelegenheiten entscheiden.1282 Dagegen lehnt die Gegenauffassung1283 eine Übertragung dieser Rechte auf den Ausschuss ab. Danach kann die Befugnis zur Erledigung der Aufgaben nur auf die vom Betriebsrat in das Gremium entsandten Mitglieder übertragen werden. Das hat zur Konsequenz, dass Entscheidungen des Ausschusses nur verbindlich sind, wenn sie (auch) von der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder getragen werden (Prinzip der „doppelten Mehrheit“).1284 Argumentiert wird damit, dass die Mitbestimmungsrechte durch ein Vertretungsorgan der Arbeitnehmer ausgeübt werden müssten, was eine Mitwirkung des Arbeitgebers bzw. der von ihm benannten Personen ausschließe. Der Ausschuss erhalte daher keine vom Betriebsrat abgeleitete Entscheidungskompetenz.1285 V. a. aber spricht der Wortlaut der Norm1286 dafür, dass Betriebsratsaufgaben nicht auf den gemeinsamen Ausschuss übertragen werden können.1287 Aus diesen Gründen ist der zweiten Auffassung zu folgen. 1277 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 39; GK-Wiese/Raab, BetrVG, § 28 Rn. 39; a. A. wohl Blanke in: HaKo-BetrVG, § 28 Rn. 3. 1278 Der Ausschuss kann keine Betriebsvereinbarungen abschließen, §§ 28 II; I 3 2. HS; 27 II 2 2.HS BetrVG. 1279 Vgl. Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 28 Rn. 26; zweifelnd D/K/KWedde, § 28 Rn. 15; ablehnend ArbG Wuppertal v. 12.10.1992 AiB 1993, 456 mit zust. Anm. U. Mayer, a. a. O. S. 457. 1280 D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 Rn. 15. 1281 H/S/W/G-Glock, BetrVG, § 28 Rn. 27; ähnl. F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 45; GK-Wiese/Raab, BetrVG, § 28 Rn. 44 f. 1282 GK-Raab, BetrVG, § 28 Rn. 45. 1283 MünchArbR-Joost, § 306 Rn. 62; Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 28 Rn. 36; P. Hanau, BB 1973, 1274 (1276 f.); ArbG Wuppertal v. 12.10.1992, AiB 1993, 456 mit zust. Anm. U. Mayer, a. a. O. S. 457. 1284 So Blanke in HaKo-BetrVG, § 28 Rn. 3; MünchArbR-Joost, § 306 Rn. 79; ähnl, Richardi/Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 28 Rn. 36. 1285 MünchArbR-Joost, § 306 Rn. 62; P. Hanau, BB 1993, 1274 (1276 f.). 1286 „. . . Übertragung von Aufgaben . . . auf Mitglieder des Betriebsrats in Ausschüssen . . .“. 1287 MünchArbR-Joost, § 306 Rn. 62.

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Vereinzelt wird außerdem bezweifelt, ob gemeinsame Ausschüsse überhaupt in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten abschließend entscheiden können.1288 Das ArbG Wuppertal1289 hatte hierin noch eine unzulässige Delegation der Mitwirkungsrechte gesehen, jedenfalls sofern der gemeinsamen Kommission der Kernbereich eines Mitbestimmungsrechts zur Entscheidung überlassen werden sollte. Dagegen hat das BAG diese enge Grenze für die Aufgabenübertragung abgelehnt. Der Betriebsrat dürfe sich zwar nicht aller wesentlichen Befugnisse durch eine weitgehende Aufgabenübertragung auf Ausschüsse entäußern, sondern müsse als Gesamtorgan in einem Kernbereich der gesetzlichen Befugnisse zuständig bleiben. Dabei sei aber nicht auf einzelne Mitbestimmungstatbestände, sondern auf den gesamten Aufgabenbereich des Betriebsrats abzustellen.1290 Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des BAG den Umfang der Aufgabenübertragung grundsätzlich dem Betriebsrat überlassen, welcher eigenverantwortlich darüber entscheide, inwieweit er im Interesse einer effektiven, flexiblen Betriebsratsarbeit die Übertragung von Aufgaben an Betriebsratsmitglieder in gemeinsamen Ausschüssen für zweckmäßig erachte. Deshalb stelle die Aufgabenübertragung keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn nicht der Kernbereich aller gesetzlichen Befugnisse delegiert wird.1291 Sollen in einem Vertrauensarbeitszeitmodell systembegleitende paritätisch besetzte Ausschüsse gebildet werden, die ggf. Konfliktfälle abschließend entscheiden können, so ist weder nach der engeren noch nach der weiteren Auffassung die Grenze der zulässigen Aufgabenübertragung überschritten. Sofern eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Arbeitszeitverteilung abgeschlossen wird, wird schon nicht der gesamte Bereich der Mitbestimmungstatbestände nach § 87 I Nr. 2 und 3 BetrVG übertragen. Das Problem ist in diesem Fall dadurch etwas entschärft, dass die in Aussicht genommene Aufgabe der Systembegleitung und Konfliktlösung nicht eigentlich die Ausübung des Mitbestimmungsrechts darstellt. Denn dies ist bereits in Form des Abschlusses der Rahmenregelung erfolgt. Können also gemeinsame Ausschüsse grundsätzlich auch in Mitbestimmungsangelegenheiten für beide Betriebspartner mit verbindlicher Wirkung entscheiden,1292 so gilt dies freilich nur insoweit, als eine Zuständigkeit des Betriebsrats besteht.1293 Diese ist bzgl. der Regelung von Arbeitszeitfragen gem. § 87 I 1288

Krit. etwa D/K/K-Wedde, BetrVG, § 28 Rn. 15. AiB 1993, 456 mit zust. Anm. U. Mayer, ebd., S. 457. 1290 BAG v. 20.10.1993 AP Nr. 5 zu § 28 BetrVG 1972, Fortführung von BAG AP Nr. 1 zu § 28 BetrVG 1972. 1291 Ebd. 1292 GK-Wiese/Raab, BetrVG, § 28 Rn. 36. Die Mehrheitsentscheidung einer paritätischen Kommission ist auf grobe Unrichtigkeit beschränkt gerichtlich überprüfbar, BAG v. 20.1.2004 – 9 AZR 393/03. 1293 Vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 28 BetrVG 1972. 1289

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Nr. 2, 3 BetrVG wiederum nur gegeben, wenn in der Rahmenregelung zur Vertrauensarbeitszeit von den Mitbestimmungsrechten nicht in der Weise Gebrauch gemacht wurde, dass diese zugleich als „verbraucht“ anzusehen sind. Auch hier gilt, dass die vorherige Zustimmung in einer Rahmenregelung bzw. der Verzicht auf die Mitbestimmung zu Gunsten individueller Arbeitnehmerentscheidungen auch nur begrenzt erklärt werden kann.1294 Solche Grenzen bzw. Vorbehalte können gerade darin bestehen, die Entscheidung in definierten Fällen der Kommission zu übertragen. Ist eine Zuständigkeit des Betriebsrats in diesem Sinne noch gegeben, so können Entscheidungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nicht nur von den hier erörterten paritätischen Gremien getroffen werden: Für den Betriebsrat besteht im Interesse der Vereinfachung bzw. Beschleunigung seiner Arbeit1295 freilich auch die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 28 I BetrVG1296 eigene Ausschüsse zu bilden und die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen auf sie zu übertragen. Da derartige Ausschüsse ausschließlich von Betriebsratsmitgliedern besetzt sind1297, ist dies vorliegend weniger relevant und wirft keine weiteren Probleme auf. Einer Zuständigkeit von Betriebsrat und damit auch paritätischen Kommissionen könnte aber schließlich noch entgegenstehen, dass es sich bei den von einer Konfliktlösungsstelle zu treffenden Entscheidungen nicht um – nach h. M. für das Bestehen des Mitbestimmungsrechts vorauszusetzende1298 – kollektive Tatbestände, sondern um Einzelfälle handelt. Eine solche pauschale Aussage würde aber dem Problem nicht gerecht. Nach der hier vertretenen Auffassung kann ein Kollektivbezug sich aus Abstimmungserfordernissen mit betrieblichen Bedürfnissen ergeben, zu denen die Arbeitsaufgaben und die Personalbesetzung gehören. Festzuhalten ist, dass die Übertragung einer Letztentscheidungskompetenz auf ein paritätisches Gremium im sekundären Regelungsbereich der Arbeitszeitgestaltung grundsätzlich möglich ist. Sind die Voraussetzungen des § 28 II; I BetrVG nicht erfüllt, können lediglich gemeinsame Ausschüsse mit nur beratender und vorbereitender Funktion gebildet werden.1299 Sie können allenfalls im Rahmen eines Konfliktlösungsverfahrens an Entlastungsgesprächen teilnehmen und Entscheidungsempfehlungen abgeben, beispielsweise bzgl. der von der Führungskraft im Falle einer Überlastsituation vorzunehmenden Maßnahmen. 1294 Vgl. in etwas anderem Zusammenhang Hamm, AiB 2003, 228 (231), der vorschlägt, die Grenzen des Verzichts enger zu ziehen. 1295 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 6. 1296 Die Bildung von Ausschüssen des Betriebsrats ist nur in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern möglich; die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen setzt das Bestehen eines Betriebsausschusses voraus. 1297 F/K/H/E/S, BetrVG, § 28 Rn. 24. 1298 Vgl. Heinze, NZA 1997, 681 (683). 1299 MünchArbR-Joost, § 306 Rn. 64.

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(3) Regelungen zum Zeitausgleich und kontengestützte Vertrauensarbeit Überlastverfahren und Mitbestimmung über die Rahmenbedingungen sind indessen nicht die einzigen vorgeschlagenen Regelungselemente einer Rahmenbetriebsvereinbarung, mit denen Leistungsverdichtung und Arbeitszeitüberschreitungen entgegengewirkt werden soll. Typischerweise ist in Vertrauensarbeitszeitmodellen der Zeitausgleich nicht mehr kollektiv geregelt, sondern Sache des Arbeitnehmers.1300 Auf die in Zeitkontenmodellen gebräuchlichen Regelungen von Zeitguthaben und Ausgleichszeiträumen wird mit der Begründung verzichtet, dass Zeitkonten aufgrund ihrer Eigenschaft, Zeitverbrauch zu fördern, „Auslaufmodelle“ und allenfalls akzeptabel seien, wenn sie zu keinem Zeitpunkt abgerechnet würden.1301 Dagegen gibt es aber Empfehlungen, auch für Vertrauensarbeit Regelungen zur Begrenzung des Guthabens zu treffen, um der Entstehung zu hoher und eigenverantwortlich nicht mehr abbaubarer Guthaben entgegenzuwirken. Hierfür kommen verschiedene Varianten in Betracht. In der Betriebsvereinbarung können etwa Vorschriften darüber enthalten sein, wie der Freizeitausgleich zu erfolgen hat.1302 Das kann z. B. so aussehen, dass ab einem bestimmten Zeitvolumen oder nach Abschluss eines Projektauftrags eine Freistellung verbindlich festzulegen und durchzuführen ist, wobei betriebliche Bedürfnisse in diesen Fällen hinter die individuellen Wünsche des Arbeitnehmers zurückzutreten hätten.1303 Sinnvoll können auch unpersönliche betriebliche Besetzungs- bzw. Abwesenheitsvorgaben sein, mit dem Inhalt, dass jeden Tag ein Arbeitnehmer eines Teams eine freie Schicht zu nehmen habe.1304 Solche Regelungen betreffen Fragen der Arbeitszeitverteilung und haben aufgrund ihrer Abstraktheit vom konkreten Arbeitsverhältnis kollektiven Bezug. Sie wären daher vom Mitbestimmungsrecht nach Nr. 2 gedeckt. Von gewerkschaftlicher Seite wird vorgeschlagen, eine wöchentliche1305 oder tägliche Mindestarbeitszeit festzulegen, deren Lage aber im Gegensatz zu festen Kernzeiten vom Arbeitnehmer selbst zu bestimmen ist (sog. Flow-Time – Vor-

1300 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 62: Der Arbeitnehmer muss die Vertragsarbeitszeit erbringen; solange er sich nicht beklagt, geht die Führungskraft davon aus, dass es dabei keine Probleme gibt. 1301 Hoff, Personal 1997, 336 (340). 1302 Vgl. Klein-Schneider, Flexible Arbeitszeit, S. 82. 1303 Hamm, AiB 2000, 152 (159 f.). 1304 Vgl. Weidinger, PersF 1993, 598 (602). 1305 Fergen in: Ohl/u. a., Handbuch Manteltarifverträge, S. 205.

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schlag der IG-Metall1306). Abgesehen davon, dass § 87 I Nr. 2 BetrVG grundsätzlich kein Mitbestimmungsrecht über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit enthält1307, ist schon zu bezweifeln, dass damit tatsächlich die Ausdehnung der Arbeitszeit verhindert wird. Mag auch diese Regelung etwa der Entstehung zu hoher Zeitdifferenzen zur geschuldeten Arbeitszeit, die ggf.1308 in einem engen Zeitraum auszugleichen wären, entgegenwirken, ist sie allein1309 jedoch nicht geeignet, die Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit bei hohem Arbeitsanfall zu verhindern. Soll die Realisierung des Freizeitausgleichs nicht allein dem Arbeitnehmer überlassen werden, müssen Rechtspositionen des Betriebsrats festgeschrieben werden, die es ihm mit Hilfe des Durchführungsanspruchs ermöglichen, steuernd in die Entwicklung der Arbeitszeiten einzugreifen.1310 Ohne betrieblichen Regelungsrahmen besteht jedenfalls die Gefahr des unkontrollierten Anwachsens von Guthaben, die nicht mehr ausgeglichen werden können und zu einer schleichenden Verlängerung der Arbeitszeit führen.1311 In Zeitkontenmodellen haben sich die bereits erwähnten „Mitbestimmungsschwellen“, die dem Betriebsrat in definierten Situationen Interventionsrechte sichern, als wirksam erwiesen.1312 I.d.R. bleibt dabei der Betriebsrat in die Saldenkontrolle eingebunden, was freilich voraussetzt, dass eine Kontenführung tatsächlich erfolgt. Eine Kombination von Zeitkonten und Vertrauensarbeitszeit ist durchaus möglich.1313 Um dabei der Intention der Vertrauensarbeitszeit Rechnung zu tragen und den gezielten Aufbau von Zeitguthaben („Ansparmentalität“) zu verhindern, bietet sich das bei der Gleitzeit als eines der häufigsten Steuerungsformen verwendete Kurzzeitkonto an, das nicht zu einem bestimmten Abrechnungsstichtag ausgeglichen sein muss, sondern fortlaufend geführt wird und innerhalb eines bestimmten Zeitraumes einmal den Saldo Null erreicht haben muss.1314 Das von der IG Metall vorgeschlagene Alternativmodell zur Vertrauensarbeitszeit ist eine Art qualifizierter Gleitzeit mit Mindestanwesenheitszeit und Ampelkontenführung.1315 Da ein Eingreifen von Vorgesetztem und Betriebsrat 1306

IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 57 ff. Vgl. etwa BAG v. 22.7.2003 – 1 ABR 28/02. 1308 In Modellen mit Abrechnungszeiträumen. 1309 Zu den weiteren Regelungsbestandteilen des Flow-Time-Vorschlags sogleich. 1310 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 84. 1311 Munz/Bauer/Groß, WSI-Mitt. 6/2002, 334 (336). 1312 Haipeter/Lehndorff, WSI-Mitt. 11/2002, 649 (651). 1313 Vgl. als Bsp. das selbstgesteuerte Zeitkonto der Software AG Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 66 ff.; Adamski, Lohn und Gehalt 7/1998, 41 (45); Hoff/Weidinger, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http://www.arbeitszeitberatung.de (10/ 2002), S. 10. 1314 s. etwa Cranen, AuA 2000, 258 (269). 1307

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in Ampelkontenmodellen nur für den Ausnahmefall vorgesehen ist, sind sie ein Mittel, mit dem im Grundsatz selbstbestimmte Arbeitszeit ermöglicht wird. Eigenverantwortung soll auch durch Konten gefördert werden, die neben der Begrenzung der zulässigen Plus- und Minussalden die Kappung von Stunden bei Überschreitung der Grenzwerte vorsehen, wobei auf die Festlegung eines Zeitraums verzichtet wird, in dem das Konto die „Nulllinie“ durchlaufen muss.1316 Zweck der Kappungsregelung ist zwar die Vermeidung von Arbeit über die Kappungsgrenzen hinaus, dennoch besteht – ohne eine entsprechende Regelung – keine Gewähr dafür, dass diese Stunden auch tatsächlich nicht geleistet werden. Der Arbeitgeber kann zwar aus einer entsprechenden Betriebsvereinbarung verpflichtet sein, die Entstehung derartiger Guthaben zu verhindern und selbst dann den Abbau verbindlich zu planen und umzusetzen, wenn in der Betriebsvereinbarung die Verantwortung für den Zeitausgleich dem Arbeitnehmer und der Führungskraft gemeinsam übertragen wird.1317 Problematisch ist aber, es dem Mitarbeiter zu überlassen, ob er von der Möglichkeit Gebrauch macht, von der Führungskraft Unterstützung bei der Rückführung des Saldos zu verlangen oder ob er Stunden verfallen lassen will.1318 Das so bei der Software AG praktizierte Modell sieht zwar vor, dass eine paritätische Arbeitszeitkommission über Kappungsfälle informiert wird um sicherzustellen, dass Pluskappungen nur auf freiwilliger Basis erfolgen.1319 Sinnvoll ist die Regelung nur, wenn an die Information ggf. auch Konsequenzen geknüpft werden. Ab einer bestimmten Guthabenhöhe müssten also Mechanismen greifen, die eine Rückführung bewirken. Denkbar wäre eine – ggf. vom Betriebsrat durchsetzbare – Freistellung innerhalb eines definierten Zeitraums.1320 Für Gleitzeitarbeit wurde festgestellt, dass im Rahmen des eröffneten Freiraums zur individuellen Arbeitszeitgestaltung ein Mitbestimmungsrecht nicht mehr in Betracht kommt, weil Gegenstand der Mitbestimmung nicht der alleinige Kompetenzbereich des Arbeitnehmers sein kann1321 und es nach h. M. grundsätzlich Sache des einzelnen Arbeitnehmers ist, wie er sein Gleitzeitkonto nutzt und er daher selbst entscheiden kann, ob und wann er freie Gleittage 1315

IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 58. So etwa bei der Software AG, vgl. BMA-Forschungsbericht 281/2, S. 464 ff. und Hoff/Winterstein, PersW 4/2001, 56 (64). 1317 LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = BB 2002, 1751 (1755 f.). 1318 Vgl. Modell der Software AG, Hoff/Winterstein, Auf dem Weg zum flexiblen Arbeitszeitsystem, http://www.arbeitszeitberatung.de (10/2002), S. 11. 1319 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 68; ders., Zeitkonto – Vertrauensarbeitszeit – Arbeitszeit-Freiheit, http://www.arbeitszeitberatung.de (12/2002), S. 4. 1320 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 80. 1321 Dräger, Beteiligung, S. 115. 1316

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nimmt.1322 Ob vor diesem Hintergrund eine Zuständigkeit des Betriebsrats zur Durchsetzung von Freistellungen angenommen werden kann, ist hier wiederum davon abhängig, in welchem Ausmaß er seine Mitbestimmungsrechte in der Rahmenregelung ausübt und diese zugleich „verbraucht“. Wie schon mehrfach betont, kann der Betriebsrat auch in einer Betriebsvereinbarung zu einem selbststeuernden Arbeitszeitsystem sein Mitbestimmungsrecht dahingehend nutzen, sich Interventionsrechte vorzubehalten. Ist also davon auszugehen, dass die vorherige Zustimmung unter Vorbehalt gestellt werden kann bzw. dass der Verzicht auf die Mitbestimmung zu Gunsten individueller Arbeitnehmerentscheidungen begrenzt erklärt werden kann,1323 können als derartige Vorbehalte bzw. Grenzen in die Betriebsvereinbarung Regelungen aufgenommen werden, auf deren Grundlage in definierten Fällen Freizeitausgleich durchgesetzt werden kann.1324 Hinsichtlich der Regelung von Ausgleichszeiträumen und Guthabenbegrenzungen besteht nach h. M.1325 auch das Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG.1326 Nach einer abweichenden Ansicht sind Regelungen für den Ausgleich oder die Übertragung von Zeitguthaben bzw. -schulden nicht Gegenstand des Mitbestimmungsrechts, weil damit nicht die Lage bzw. die Dauer der Arbeitszeit an einzelnen Tagen festgelegt werde, worauf sich § 87 I Nr. 2 BetrVG aber nur beziehe. Die Regelung von Guthaben und Schulden betreffe dagegen die Modalitäten der Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten. Geregelt werde nur, bis zu welcher Grenze von Fehlzeiten etwa der Arbeitgeber zur Gegenleistung verpflichtet bleibt bzw. der Arbeitnehmer bei Zeitguthaben die Gegenleistung stun1322 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 Rn. 67; BAG v. 27.1.1998 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung = NZA 1998, 835 (836 f.). 1323 Vgl. in etwas anderem Zusammenhang Hamm, AiB 2003, 228 (231): Grenzen des Verzichts sollten enger gezogen werden. 1324 A. A. offenbar Schang, Mitbestimmung bei Leistungsvergütung, S. 161, die im Zusammenhang mit Zielvereinbarungen darauf abstellt, dass es sich im sekundären Regelungsbereich um Einzelfallentscheidungen handelt. 1325 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 80; Koch in: Schaub, ArbRHdb, § 235 Rn. 14 a; BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.2.a); LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung. 1326 Wenn es um die Regelung des zulässigen Umfangs von Guthaben und Rückständen geht, hält Klevemann (AiB 1984, 90 [93]) im Rahmen der Gleitzeitmodelle § 87 I Nr. 3 BetrVG für einschlägig. Sofern dies damit begründet wird, dass Guthaben und Rückstände nichts anderes seien als die Folge von Verlängerungen oder Verkürzungen der betriebsüblichen Arbeitszeit, und damit eine Gleichsetzung der betriebsüblichen Arbeitszeit mit der tariflichen Höchst- oder Regelarbeitszeit vorgenommen wird (ebd., S. 92, 93), steht diese Auffassung im Widerspruch u. a. zur Rspr. des BAG v. 11.12.2001 (AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Die Zulässigkeit der Entstehung von Guthaben und Schulden und entsprechende Ausgleichsregelungen betreffen bereits eine Frage der Verteilung der Arbeitszeit und damit Nr. 2 (vgl. auch Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 279; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 335).

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det.1327 Diese Auffassung ist abzulehnen.1328 Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 2 ergibt sich hier daraus, dass die Regelungen zum Zeitausgleich den Zeitraum festlegen, in dem der Arbeitnehmer seine geschuldete mit der tatsächlichen Arbeitszeit in Übereinstimmung bringen muss. Diese Festlegung ist auch maßgeblich für Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit.1329 Denn Regelungen über Grenzen von Guthaben bzw. Schulden und den Zeitausgleich betreffen die Verteilung des feststehenden Deputats innerhalb bestimmter Zeiträume und determinieren damit, an wie vielen Tagen und um wie viele Stunden die durchschnittlich geschuldete tägliche Arbeitszeit überschritten werden darf. Die eben als rechtlich zulässig erwiesenen Vorschläge zur Mitwirkung des Betriebsrats setzen aber grundsätzlich voraus, dass die Arbeitszeit in nennenswertem Umfang dokumentiert wird. Wie dies sichergestellt werden kann, ist im Folgenden zu untersuchen. e) Arbeitszeiterfassung Die Zeiterfassung ist ein wesentlicher Regelungspunkt der Rahmenvereinbarung. Setzt man Vertrauensarbeitszeit mit Abschaffung der Zeiterfassung gleich, scheiden sich genau hieran die Geister, wenn es um die Befürwortung bzw. Ablehnung der Vertrauensarbeitszeit geht.1330 Einigkeit dürfte jedenfalls darin bestehen, dass auch bei Vertrauensarbeitszeit zumindest auf die von § 16 II ArbZG geforderten Aufzeichnungen nicht verzichtet werden kann.1331 Des Weiteren hat das BAG festgestellt, dass der Arbeitgeber zur Wahrnehmung anfallender Arbeitszeitdaten verpflichtet ist und ein Verzicht auf deren Erhebung keine zu respektierende Ausübung der betrieblichen Leitungsmacht ist.1332 In diesem Sinne wird teilweise vorgeschlagen, auch bei Vertrauensarbeitszeit nicht generell auf Zeiterfassung, sondern nur in der Regel auf deren Kontrolle zu verzichten, um bei „Ausreißern“ ggf. noch lenkend eingreifen zu können.1333 1327

Dräger, Beteiligung, S. 148 f. Vgl. die Nachweise bei Sprick, Arbeitszeitbegriff, S. 146 (Fn. 3). 1329 Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 182. 1330 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 83 spricht von einem wahren „Ideologienstreit“. 1331 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 30; Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 109. 1332 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 1333 Plank, Personal 2001, 644 (648); ders., Lohn und Gehalt Mai/2002, S. 45 (48); ähnl. Dobler/Städtler, PersW 1998, Sonderheft 10, 8 f.; gegen ein Absehen von „jeglichen Zeitkontrollen“ Hensche in: Däubler, TVG, § 1 Rn. 575; ders., FS Zeuner, S. 74 (78). 1328

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Darüber hinaus existieren zahlreiche Vorschläge, wie individuelle Arbeitszeitverläufe erfasst werden können.1334 Es stellt sich damit die Frage, welche Regelungen zur Arbeitszeitdokumentation in einer nach Nr. 2 BetrVG mitbestimmten Vereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit vom Betriebsrat verlangt werden sollten und können. aa) Aufzeichnungen nach § 16 II ArbZG Bislang wurde dabei differenziert zwischen der von § 16 II ArbZG verlangten und sonstigen Aufzeichnungen, die den Verlauf der tatsächlichen gegenüber der geschuldeten Arbeitszeit dokumentieren. Da die nach § 16 II ArbZG erforderliche Dokumentation eine Rechtspflicht des Arbeitgebers darstellt, gehört die Sicherstellung der Einhaltung der Aufzeichnungspflicht nach Auffassung von Hoff1335 zu den „Muss-Elementen“ einer Vertrauensarbeitszeitregelung. Zu Beginn dieses Kapitels1336 wurde bereits dargelegt, dass sich ein Mitbestimmungsrecht diesbezüglich aus § 87 I Nr. 7 BetrVG herleiten lässt, da es sich bei § 16 II ArbZG um eine Rahmenvorschrift des gesetzlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes handelt. Weiterhin wurde dort dargelegt, dass entgegen der h. M. das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 6 BetrVG einer einseitigen Abschaffung der elektronischen Zeiterfassung entgegensteht, der Betriebsrat mithin deren Beibehaltung erzwingen kann. Soll Zeiterfassung manuell erfolgen, kommen als Mitbestimmungsrechte nach § 87 I BetrVG neben Nr. 7 auch Nrn. 2 und 1 in Betracht. (1) § 87 I Nr. 2 BetrVG Wie bereits erwähnt1337, wird überwiegend davon ausgegangen, dass Regelungen zur Durchführung eines Arbeitszeitsystems zur Ausübung der Mitbestimmung nach Nr. 2 gehören1338 und somit auch Kontrollbestimmungen1339 zur Arbeitszeit der Nr. 2 unterliegen.1340 Wenngleich eine Regelung zur Auf1334 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 48 ff.; s. auch Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 130 f. 1335 Vertrauensarbeitszeit, S. 110. 1336 § 1. C. II. 2. 1337 § 1. C. II. 3. 1338 Vgl. BAG v. 18.4.1989 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (Gründe B.II.2.a). 1339 Nach Klevemann besteht für Regelungen über Art und Umfang der Arbeitszeitkontrolle eine Annexkompetenz zu § 87 I Nr. 2 BetrVG, AiB 1984, 90 (93). 1340 Bei Gleitzeitmodellen werden die Kontrollbestimmungen zu den „notwendigen Systemeinzelheiten“ gezählt, die dem Mitbestimmungsrecht unterliegen; vgl. D/K/K-

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zeichnung nach § 16 II ArbZG im Gegensatz zu den sonstigen „Kontrollvorschriften“ bei Gleitzeitregelungen nicht zu deren Einhaltung selbst, sondern der Einhaltung des ArbZG dienen soll, wird man sie vom Standpunkt der h. M. aus zu den von Nr. 2 erfassten Kontrollbestimmungen zählen können.1341 Da sich für diese Ansicht keine überzeugende Begründung findet, ist die Auffassung vorzugswürdig, wonach Kontrollvorschriften nicht Inhalt des Mitbestimmungsrechts nach Nr. 2 sind. Dafür wird der Wortlaut der Nr. 2 angeführt sowie die Tatsache, dass angesichts der Mitbestimmungstatbestände der Nrn. 1 und 6 auch kein praktisches Bedürfnis für die von der h. M. vorgenommene Auslegung besteht.1342 Nachdem die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Nrn. 6 und 7 bereits ausführlich dargelegt wurden, soll nun im Folgenden noch Nr. 1 betrachtet werden. (2) § 87 I Nr. 1 BetrVG § 87 I Nr. 1 BetrVG kommt im Zusammenhang mit der Durchführung flexibler Arbeitszeitsysteme zur Anwendung, wenn Regelungen erforderlich werden, die über die Festsetzung der Arbeitszeit hinausgehen.1343 Gegenstand sind Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs mit dem Zweck, ihnen die gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des Zusammenlebens und -wirkens im Betrieb zu ermöglichen.1344 Zu differenzieren ist dabei nach h. M.1345 zwischen mitbestimmungspflichtigem Ordnungs- und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten. Letzteres umfasst alle Verpflichtungen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind.1346 Voraussetzung der Anwendung von Nr. 1 in Arbeitszeitfragen ist mitKlebe, BetrVG, § 87 Rn. 80 m. N.; Koch in: Schaub, ArbRHdb, § 235 Rn 14 a; LAG Baden-Württemberg v. 11.7.2002 AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung. 1341 Vgl. D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 80, der die Erforderlichkeit einer automatisierten Zeiterfassung von der betrieblichen Situation abhängig machen will, während er in der Vorauflage noch zur Verhinderung der automatisierten Zeiterfassung anregte; Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63 ff. 1342 Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit, S. 32 f.; vgl. auch Dräger, Beteiligung, S. 100; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 80 f. Dass die h. M. eine befriedigende Begründung vermissen lässt, betont auch Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333 (334). 1343 So Dräger, Beteiligung, S. 100, 122; Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 355; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 80; zust. Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit, S. 32 f. 1344 BAG v. 24.3.1981 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit. 1345 Anders D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 46; Pfarr, Anm. zu AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 1346 Vgl. etwa BAG v. 8.6.1999, 8.11.1994 AP Nr. 24, 31 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; MünchArbR-Matthes, § 333 Rn. 2 m. w. N.; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 174.

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hin, dass es sich um Verhaltensregeln handelt, die primär der Organisation und Kontrolle des Arbeitszeitsystems dienen, nicht aber der Erfüllung der jeweiligen Arbeitsleistung.1347 Folgt man dieser Auffassung, so kommt auch Nr. 1 für den hier untersuchten Fall der Aufzeichnungen nach § 16 II ArbZG in Betracht. Hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung mittels technischer Überwachungseinrichtungen sei nochmals darauf verwiesen, dass nach der überwiegenden Auffassung § 87 I Nr. 6 BetrVG weder ein Initiativrecht zu deren Einführung noch ein Mitbestimmungsrecht bei deren Abschaffung enthält. Dieses fehlende Initiativrecht kann auch nicht durch den Mitbestimmungstatbestand der Nr. 1 überwunden werden, denn zwischen Nr. 6 und Nr. 1 besteht das Verhältnis der Spezialität.1348 Nach h. M. ist das Mitbestimmungsrecht für technische Einrichtungen in Abs. 1 Nr. 6 abschließend geregelt.1349 Wird auf automatisierte Zeiterfassung verzichtet, müssen die Beschäftigten die Aufzeichnungen selbst vornehmen.1350 Empfohlen wird dafür die Verpflichtung der Arbeitnehmer, die geleistete Arbeitszeit in einen Jahreskalender oder in fallbezogene Formulare einzutragen.1351 Entsprechend der oben gewonnenen Erkenntnis, dass der Zweck der Aufzeichnungspflicht nur erfüllt wird, wenn nachgewiesen werden kann, dass Arbeitszeitüberschreitungen innerhalb des Ausgleichszeitraums ausgeglichen wurden, muss dies in der betrieblichen Regelung berücksichtigt werden. Unzureichend wäre daher die Beschränkung der Aufzeichnungsverpflichtung auf Überschreitungen der 8-Stunden-Grenze. Konsequenterweise muss auch eine dem Zeitausgleich dienende Unterschreitung vermerkt werden.1352 Das Bestehen des Mitbestimmungsrechts würde dem Betriebsrat die Chance eröffnen, auf den Inhalt der Formulare Einfluss zu nehmen und beispielsweise darauf hinzuwirken, dass die Aufzeichnungspflicht gem. § 16 II ArbZG auf den von § 3 S. 2 ArbZG geforderten Zeitausgleich erstreckt wird. 1347

Dräger, Beteiligung, S. 101. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 214 m. w. N.; Schwarz, Arbeitnehmerüberwachung, S. 92; Wiese, Initiativrecht, S. 50; Legerlotz, ArbRB 11/2003, 333 (334). 1349 H/S/W/G-Worzalla, BetrVG, § 87 Rn. 319; BAG v. 28.11.1989 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1872 Initiativrecht = NZA 1990, 406 (408) = EzA Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung m. Anm. Streckel, S. 13; BAG v. 9.12.1980, 24.11.1981 AP Nr. 2, 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; zust. Herschel, Anm. zu AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 1350 Wie in Kapitel 2, § 2. C. II. 2. b) bb) dargelegt, bestehen dagegen grundsätzlich keine Bedenken; vgl. auch Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 30. 1351 s. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 110; aus den fallbezogenen Formularen sollen Datum und Ausmaß von Arbeitszeitüberschreitungen sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen hervorgehen. Als weitere Anforderungen werden dort genannt die vorherige Abstimmung und Begründung von Überschreitungen der 10-Stunden-Grenze. 1352 Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, § 2. C. II. 2. b) aa). 1348

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Da typischerweise der Arbeitgeber bei Vertrauensarbeitszeit selbst gerade keine Kontrolle der Arbeitszeiten mehr ausüben will, ist denkbar, dass er zwar eine Aufzeichnungspflicht der Arbeitnehmer entsprechend den Erfordernissen des § 16 II ArbZG begründen, den Arbeitnehmern aber die Verwendung der von ihm zur Verfügung gestellten Formulare anheim stellen will.1353 Ist die Verwendung des vorgeschlagenen Aufzeichnungsformulars also nur ein – unverbindliches – Angebot des Arbeitgebers1354, stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat die Einführung bestimmter verbindlicher Formulare verlangen kann. Überwiegend wird die Anwendung der Nr. 1 auf Kontroll- bzw. Arbeitszeitregelungen bejaht,1355 jedenfalls sollen Kontrollregelungen erfasst sein, mit deren Hilfe die Ordnung im Betrieb durchgesetzt werden soll.1356 Das Mitbestimmungsrecht wurde etwa anerkannt bei der Einführung von Stechuhren und „Zeitstemplern“1357 sowie bei der Anwesenheitskontrolle bei gleitender Arbeitszeit1358. Nach einem Teil der Literatur ist eine Regelung zur Selbstaufschreibung mit Hilfe von Formularen zumindest dann mitbestimmungspflichtig, wenn das Ausfüllen und Einreichen der Arbeitszeitnachweise zur Pflicht gemacht wird.1359 Denn das Mitbestimmungsrecht greift nach der Rechtsprechung jedenfalls dann, ein, wenn durch eine generelle verbindliche Anordnung eine betriebliche Regelung geschaffen werden soll, die nicht die Art und Weise der Arbeitsleistung betrifft.1360 Abgelehnt wird teilweise das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 1, sofern es sich um Kontrollregelungen über die Erbringung der Arbeitsleistung handelt – ein Mitbestimmungsrecht bestehe nur, wenn die Kontrolle mittels technischer Einrichtungen erfolge.1361 Arbeitszeitaufzeichnungen nach § 16 II ArbZG dienen aber nicht der Kontrolle der Arbeitsleistung, sondern sollen

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Gegen eine Formularpflicht etwa Hoff/Weidinger, Personal 1999, 380 (381). So der Vorschlag von Hoff/Weidinger, Personal 1999, 380 (381). 1355 Arens, Mitbestimmung Arbeitszeit, S. 32 f.; Dräger, Beteiligung, S. 100 f.; Kilian, Arbeitszeit und Mitbestimmung, S. 80 f.; An- und Abwesenheitskontrolle: F/K/ H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 71; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 50; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 213. 1356 ErfK-Kania, BetrVG § 87 Rn. 20. 1357 LAG Düsseldorf v. 21.8.1980 AuR 1981, 322; vgl. auch ArbG Hamm v. 14.7.1982 DB 1982, 2632; zust. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 71; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 184; a. A. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 167. 1358 BAG v. 25.5.1982 AP Nr. 53 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte. 1359 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63; ders., AiB 2003, 199 (205); D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 54 ohne die Einschränkung bzgl. der Verbindlichkeit; ebenso Wolgemuth, Anm. zu BAG v. 9.12.1980, AuR 1982, 40; F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 72; wohl auch Pfarr, Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 1360 BAG v. 21.1.1997, 19.1.1999, 25.1.2000 AP Nr. 27, 28, 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; BAG v. 9.12.1980 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 1361 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 181. 1354

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sicherstellen, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen nach dem ArbZG erfüllt. Vorliegend ist das Mitbestimmungsrecht gegeben, wenn die Frage, wie die Arbeitszeitnachweise gem. § 16 II ArbZG bei Vertrauensarbeitszeit geführt werden, die Gestaltung der Ordnung des Betriebes und nicht nur das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betrifft. Zur Gestaltung der Ordnung des Betriebes zählen sowohl verbindliche Verhaltensregeln als auch Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen bzw. die geeignet sind, dieses Verhalten zu beeinflussen und zu koordinieren.1362 Davon abzugrenzen ist das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Während dessen Vorliegen in älteren Entscheidungen vornehmlich davon abhängig gemacht wurde, ob das individuelle Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betroffen ist1363, rückt die neuere Rechtsprechung1364 mehr in den Vordergrund, ob durch die jeweilige Anordnung des Arbeitgebers die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und damit abgefordert werden soll. Mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten ist danach nur dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht bestimmt, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen sind. Nach Auffassung der Rechtsprechung und überwiegenden Literatur1365 sind die Formulierungen „Ordnung des Betriebs“ und „Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb“ gleichermaßen auf die Gestaltung der Ordnung des Betriebs bezogen. Gemeint sei damit die Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufs und des reibungslosen Zusammenlebens und -wirkens der Arbeitnehmer im Betrieb.1366 Einziger Unterschied ist, dass Regelungen zur Ordnung des Betriebs nur dann mitbestimmungspflichtig sein sollen, wenn sie verpflichtenden Charakter haben, während diese Voraussetzung für verhaltensbeeinflussende Maßnahmen zur Sicherstellung ebendieser Ordnung nicht gelten soll.1367 1362 Stellv. BAG v. 8.11.1994, 11.6.2002 AP Nr. 24, 38 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 1363 Vgl. etwa BAG v. 24.3.1981 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit; BAG v. 24.11.1981, 10.4.1984, 14.1.1986 AP Nr. 3, 7, 10, zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 174. 1364 Vgl. etwa BAG v. 21.1.1997, 19.1.1999, 25.1.2000, 11.6.2002, 25.5.2002 AP Nr. 27, 28, 34, 38, 39 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes. 1365 Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 177; GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 175. 1366 Vgl. die Zusammenfassung D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 42. 1367 Maßnahmen des Arbeitgebers, die zwar das Verhalten der Arbeitnehmer betreffen, aber keinen Bezug zur betrieblichen Ordnung, d.h. zum Zusammenleben und -wirken der Arbeitnehmer im Betrieb haben, scheiden aus dem Anwendungsbereich des Mitbestimmungstatbestands aus. Das sei etwa der Fall bei Anordnungen des Arbeitgebers, die ein Verhalten der Arbeitnehmer zum Gegenstand hätten, das sich nur auf ihre Arbeitsleistung beziehe oder in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber betreffe. Hier sei nur das Arbeits- und Leistungsverhalten betroffen; BAG v. 24.11.1981 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes.

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Die Pflicht zur Selbstaufschreibung der Arbeitszeit nach Maßgabe des § 16 II ArbZG betrifft zwar weniger das Zusammenwirken der Arbeitnehmer untereinander1368 als vielmehr das individuelle Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: sie dient dem Arbeitgeberinteresse an der Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht, zu dessen Durchführung er sich der Arbeitnehmer bedient. Dies deutet zunächst auf eine Einordnung als Arbeitsverhalten hin, denn es ist vergleichbar etwa mit dem Fall, in dem Arbeitnehmer Aufzeichnungen vornehmen sollten, die der Arbeitgeber zu Kalkulationszwecken verwenden wollte.1369 Dort wurde – wie auch in ähnlich gelagerten Fällen zum Einsatz arbeitsbegleitender Papiere1370 – das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts unter Hinweis auf das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten nicht anerkannt. Andererseits hat diese Pflicht aber keinen unmittelbaren Bezug zur jeweiligen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, konkretisiert also i. S. d. jüngeren Entscheidungen diese nicht unmittelbar1371. Vielmehr trifft sie alle Arbeitnehmer, für die das Modell Vertrauensarbeitszeit gilt, ohne Rücksicht auf deren Arbeitsaufgabe. Unter diesem Aspekt weist die Konstellation Parallelen zu dem vom BAG1372 entschiedenen Fall auf, in dem der Arbeitgeber den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Bescheinigungen gefordert hatte. Damit habe der Arbeitgeber eine Regel aufgestellt, die unabhängig von der Arbeitsleistung zu beachten sein solle. Dabei ging es mithin nicht um eine individuelle Fragestellung, sondern um ein allgemeines Ordnungsproblem. Um eine Frage der betrieblichen Ordnung handelt es sich auch im vorliegenden Kontext, weil es darum geht, durch die Bereitstellung und Anwendung bestimmter Formulare sicherzustellen, dass im Betrieb gesetzeskonforme Arbeitszeitaufzeichnungen angefertigt werden. Dies dient der Tätigkeit der Aufsichtbehörden und letztlich dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und ist daher eher auf die betriebliche Ordnung1373 als auf das Arbeitsverhalten bezogen. Mitbestimmungspflichtige Regelungen zur Ordnung des Betriebs setzen weiter eine gewisse Verbindlichkeit voraus.1374 Die Anordnung einer Aufzeich1368 Dies ist indes auch nicht ausschlaggebend, da Bezugspunkt nur der Betrieb ist, vgl. GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 176. 1369 Vgl. BAG v. 24.11.1981 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs. 1370 Danach bestand die Verpflichtung zur Eintragung von Zeiten für bestimmte Arbeitsvorgänge auf Arbeitsbogen (Nachweise etwa bei GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rn. 205; krit. F/K/H/E/S, BetrVG, § 87 Rn. 72; D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 50). 1371 Zum jüngeren Trend der Rspr., das Arbeitsverhalten restriktiv auszulegen vgl. Kohte in: HaKo-BetrVG, § 87 Rn. 30. 1372 AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; ähnl. LAG Düsseldorf v. 27.4.1981 DB 1981, 1677. 1373 Vgl. insoweit etwa BAG v. 19.1.1999 AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, wo ausgeführt wird, dass die Betriebsparteien verpflichtet sind, bei ihren Regelungen den Gesundheitsschutz zu beachten (§ 75 II BetrVG, Art. 2 II GG).

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nungspflicht wird wegen der Verantwortung des Arbeitgebers für die Einhaltung des § 16 II ArbZG auch Verbindlichkeit besitzen. Wenn dabei aber der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass es ihm gerade nicht auf die Schaffung einer einheitlichen betrieblichen Ordnung ankommt und die von ihm zur Verfügung gestellten Formulare nicht einmal geeignet wären, das betriebliche Verhalten zu beeinflussen,1375 kann der Betriebsrat die Ausgestaltung der Formulare und ihre Verwendung nur beeinflussen, wenn ihm diesbezüglich ein Initiativrecht zusteht. Davon ist auszugehen: grundsätzlich hat der Betriebsrat im Rahmen des § 87 I Nr. 1 BetrVG ein mit dem Mitbestimmungstatbestand deckungsgleiches Initiativrecht unabhängig davon, ob die angestrebte Regelung zu einer Belastung der Arbeitnehmer führt.1376 Das Gesetz unterscheidet insoweit nicht zwischen Maßnahmen des Arbeitgebers und des Betriebsrats. Nur aus Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes könnte sich eine Einschränkung des Initiativrechts ergeben. Nr. 1 ist jedoch nicht nur auf eine Abwehr von Arbeitgebermaßnahmen beschränkt. Deshalb kann der Betriebsrat eine betriebliche Verhaltensweise verlangen, auf die der Arbeitgeber selbst keinen Wert legt.1377 Da die Mitbestimmungsrechte eine gleichberechtigte Teilhabe der Arbeitnehmer an den sie betreffenden Entscheidungen gewähren sollen, kann der Betriebsrat in diesem Rahmen die ihm zweckmäßig erscheinenden Regelungen erwirken.1378 Einschränkungen nach Sinn und Zweck des Tatbestandes sind vorliegend nicht ersichtlich. Folglich kann der Betriebsrat auch von sich aus die Verwendung bestimmter Formulare und damit die Herstellung einer verbindlichen Ordnung fordern. Das Mitbestimmungsrecht ist auch nicht durch § 87 I ES BetrVG ausgeschlossen, weil es sich bei § 16 II ArbZG, der keine bestimmte Form der Aufzeichnung verlangt, nicht um eine abschließende Regelung handelt.1379

1374 Vgl. etwa BAG v. 9.12.1980 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes: Vom Arbeitgeber angebotene Zeitberichtsformulare, die den Nachweis von Überstunden erleichtern sollten und deren Verwendung im Belieben der Arbeitnehmer steht, enthielten keine Regelung, die ein geordnetes Zusammenleben und -wirken der Arbeitnehmer im Betrieb gewährleisten sollen. 1375 Vgl. BAG AP Nr. 2, 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; LAG Düsseldorf v. 27.4.1981 DB 1981, 1677. 1376 D/K/K-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 48; Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 201; GKWiese, BetrVG, § 87 Rn. 233; ders., Initiativrecht, S. 39 f., m. N. zur a. A. ebd. S. 34 f.; Bitze, AuA 6/2003, 49. 1377 Vgl. LAG Nürnberg v. 10.9.2002 LAGE § 87 BetrVG 2001 Betriebliche Ordnung Nr. 1. 1378 Wiese, Initiativrecht, S. 34 f. 1379 Schoof in: Kittner/Zwanziger, ArbRHdb, § 38 Rn. 63, § 36 Rn. 72.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

(3) Ergebnis Schafft der Arbeitgeber die Zeiterfassung ab und verpflichtet er die Arbeitnehmer im Gegenzug, die von § 16 II ArbZG verlangten Nachweise auf von ihm gestellten Formularen zu führen, steht dem Betriebsrat – neben dem Recht aus § 87 I Nr. 7 BetrVG – hinsichtlich der Gestaltung der Formulare ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 I Nr. 1 BetrVG zu. Der Betriebsrat kann auch von sich aus die Führung von Arbeitszeitnachweisen verlangen. (bb) Arbeitszeitdokumentation außerhalb des § 16 II ArbZG Vom Vorstehenden ist die Frage zu trennen, ob der Betriebsrat weitere, über das nach § 16 II ArbZG erforderliche Maß hinausgehende, Arbeitszeitaufzeichnungen verlangen kann bzw. muss. Auch hier kommen die Mitbestimmungsrechte der Nrn. 1 und 2 in Betracht. Hoff zählt die nicht schon nach § 16 II ArbZG gebotenen Regelungen zur Arbeitszeitaufzeichnung zu den „Kann-Bestimmungen“1380 einer Vertrauensarbeitszeitregelung, die etwa sinnvoll seien, wenn Zeiten gegenüber Kunden abzurechnen seien oder es darum gehe, zuschlagspflichtige Zeiten transparent zu machen.1381 Grundsätzlich diene bei Vertrauensarbeitszeit eine angebotene Zeiterfassung1382 nur noch der Selbstkontrolle des Mitarbeiters, ohne dass die Führungskraft davon tangiert werde und die Arbeitsvertragsparteien hieraus „irgend welche Ansprüche herleiten“ könnten.1383 Begrifflich liege keine Vertrauensarbeit vor, wenn eine Pflicht zur Selbsterfassung begründet wird, weil dies lediglich die Fortführung der Zeiterfassung in anderer Form bedeute.1384 Zahlreiche Argumente sprechen aber dafür, dass der Betriebsrat in einer Rahmenregelung auf einer umfassenden Selbstaufzeichnung beharrt. Gegen die Abschaffung der Zeiterfassung werden vornehmlich wirtschaftliche, verwaltungsund abrechnungstechnische Gründe vorgebracht.1385 Sowohl bzgl. der Vergütung als auch der Realisierung von Freizeitausgleich wird die Dokumentation von Arbeitszeit für unentbehrlich und die Führung von Arbeitszeitkonten als 1380 Auch Hamm hält die Zeiterfassung nicht in jedem Fall für notwendig, vgl. Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 76. 1381 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 125. 1382 Zu den dort vorgeschlagenen Möglichkeiten der „direkten“ und „indirekten“ Zeiterfassung Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 48 ff. 1383 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 149, 60 f., 51. 1384 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10. 1385 Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 142 ff.; auch Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 81 hält die Zeiterfassung mit Verzicht auf deren Kontrolle für die praktikabelste Lösung; Dobler/Städtler, PersW 1998, Sonderheft 10, 8; Dreu, PersW 3/2001, 106.

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hilfreich erachtet.1386 Hingewiesen wird auch auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die es gebiete, Aufzeichnungen der Arbeitszeit unabhängig davon vorzunehmen, was § 16 II ArbZG im Einzelnen verlange.1387 Entscheidend für die Zeiterfassung spricht der bereits erörterte1388 Zusammenhang zwischen Mitbestimmungsrecht und Überwachungsauftrag. Der Betriebsrat muss auch bei weitgehend selbstbestimmten Arbeitszeiten der Überwachungsaufgabe gem. § 80 I BetrVG nachkommen. Auch bei der hier in Rede stehenden Arbeitszeitgestaltung sind nach der Rechtsprechung des BAG1389 die gesetzlichen, tariflichen und ggf. betrieblichen Höchstarbeitszeitgrenzen zu beachten, was der Arbeitgeber aufgrund seiner Organisations- und Leitungsmacht durch Wahl geeigneter Mittel sicherzustellen hat. Wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe einen Auskunftsanspruch hat und der Arbeitgeber sich folglich die erforderlichen Informationen in geeigneter Weise beschaffen muss statt sich der Kenntnisnahme der Arbeitszeiten zu verschließen, so sind andere geeignete Möglichkeiten als Arbeitszeitaufzeichnungen kaum vorstellbar. Da sich der Überwachungsauftrag auf die Einhaltung sämtlicher Arbeitszeitvorschriften, wie z. B. der gesetzlichen Ruhezeit von 11 Stunden bezieht, würde sich der Betriebsrat durch Zustimmung zum Verzicht auf Zeiterfassung zugleich die Wahrnehmung seines gesetzlichen Überwachungsauftrags erschweren, selbst wenn er unabhängig von der Ausübung seiner Mitbestimmung den Auskunftsanspruch gem. § 80 II BetrVG geltend machen kann. Weiterhin ist die Dokumentation von Arbeitszeiten im Kontext der zweiten Stufe der Mitbestimmung, der Systembegleitung, zu sehen. Ohne umfassende Arbeitszeitaufzeichnungen als zweckmäßige Informationsgrundlage würde sich der Betriebsrat u. U. der Möglichkeit begeben, bei Fehlverläufen steuernd einzugreifen, sei es mittels Durchsetzung etwaiger Freistellungsansprüche1390 oder durch Kündigung der Betriebsvereinbarung im Fall des Scheiterns der Vertrauensarbeitszeitregelung.1391

1386 Vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 22 f., 76; IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 20, 32, 53, 58; s. auch Adamski, AuA 1999, 154 (156); vgl. auch Ohl, AiB 2003, 244 (247) allgemein für auftragsbezogene Arbeitszeiten; Plank, Personal 2001, 644 (648); Schlachter, FS BAG, S. 153 (1270 f.). 1387 Dobler/Städtler, PersW 1998, Sonderheft 10, 8. 1388 § 1. C. I. 1. a). 1389 BAG v. 6.5.2003 AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972. 1390 „Nur eine klare Zeitdokumentation von Arbeitszeit sichert auch den Rechtsanspruch auf ,Zeitentnahme‘ von dem Arbeitszeitkonto.“ IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 20, 53. 1391 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 85.

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Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Aus diesen Gründen gehört zu einer sachgerechten Mitbestimmungsausübung auch die Regelung von Arbeitszeitdokumentationen, die nicht schon von § 16 II ArbZG gefordert sind. Dementsprechend existieren auch Vertrauensarbeitszeitregelungen, die mit persönlichen Zeitkonten (i. S. e. Abweichungserfassung) arbeiten,1392 und es wird propagiert, – wenngleich nur auf dem Weg zur „echten“ Vertrauensarbeitszeit –, eigenverantwortliche Zeitkontenführung optional neben Vertrauensarbeitszeit anzubieten.1393 Der Begriff Vertrauensarbeitszeit wäre dann nicht i. S. eines zeiterfassungsfreien Systems1394 zu verstehen, sondern als eine Form selbstbestimmter Arbeitszeit, bei der grundsätzlich auf Arbeitszeitkontrolle verzichtet wird.1395 In Betracht kommen für derartige Regelungen wiederum die Mitbestimmungsrechte aus § 87 I Nr. 2 bzw. 1 BetrVG. Wendet man hier nicht Nr. 2 an, weil Arbeitszeitaufzeichnung und Kontenführung nicht unmittelbar die Festlegung der Arbeitszeitlage betreffen, so ist auf Nr. 1 zurückzugreifen. Diesbezüglich kann nach oben verwiesen werden. Die Aufzeichnungspflicht dient hier der Kontrolle des Arbeitszeitmodells, sie soll Transparenz darüber herstellen, ob auch bei selbstbestimmter Arbeitszeiteinteilung Arbeitszeitgrenzen eingehalten werden. Dabei handelt es sich um eine Frage der betrieblichen Ordnung. Aufgrund des anzuerkennenden Initiativrechts des Betriebsrats kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Anfertigung von Aufzeichnungen gerade vermeiden will. Selbst wenn der Arbeitgeber keine über 16 II ArbZG hinausgehende Dokumentationsverpflichtung begründen will, kann der Betriebsrat eine solche verlangen. In der Rahmenregelung sind also klare Leitlinien zu schaffen, in welcher Weise individuelle Zeiterfassung erfolgen kann.1396 Hamm1397 verweist außerdem auf die Notwendigkeit, sicher zu stellen, dass diese Aufzeichnungen vom Arbeitgeber auch als verbindlich – also inhaltlich richtig – anerkannt würden. Nach seinem Vorschlag ist eine Stelle zur Entgegennahme von Arbeitszeitberichten einzurichten. Die Berichte sollen als verbindlich gelten, sofern innerhalb einer gewissen Frist ein Protest unterbleibt.1398 1392 Etwa das Beispiel Rasselstein Hoesch GmbH: Flexible Standardarbeitszeit und Vertrauensgleitzeit in: Fauth-Herkner, Flexibel ist nicht genug, S. 195 (199 f.). 1393 Weidinger, Wege zu eigenverantwortlicher Zeiterfassung, http://www. arbeitszeitberatung.de (1/2003), S. 4. 1394 Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10. 1395 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 58; Tuchbreiter, Beteiligungsrechte, S. 81; Adamski, AuA 1999, 154 (156); Plank, Personal 2001, 644 (648). 1396 Hamm, AiB 2000, 152 (160). 1397 Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 30; ders., Flexible Arbeitszeiten, S. 219; ders., AiB 2000, 152 (160). 1398 Hamm, Flexible Arbeitszeiten, S. 219.

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Die Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung sind vielfältig.1399 Nach einer Unterteilung aus der Arbeitszeitberatung sind die sog. „indirekte“ Zeiterfassung1400, bei der Beginn und Ende, Pausen und sonstige Unterbrechungen zu vermerken sind, und die „direkte“ Zeiterfassung möglich. Bei ihr werden unterschieden die mengenbezogene Arbeitszeiterfassung1401, bei der nur das Volumen der gearbeiteten Zeit notiert wird, die Abweichungserfassung1402, bei der die Differenz zur Vertragsarbeitszeit als Standard-Tagesarbeitszeit erfasst wird, und schließlich die Verwendungserfassung1403, bei der die Zeiten für jeweilige Arbeitsvorgänge zu vermerken sind. Gegen die mengenbezogene Methode spricht, dass mit ihr z. B. nicht die Einhaltung der Ruhezeit gem. § 5 ArbZG überprüft werden kann. Hierfür ist erforderlich, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit transparent werden. Kritisiert werden auch Regelungen, nach denen Plusstunden nur mit Begründung aufzuführen sind. Dahinter steht die Befürchtung, dass Mitarbeiter auf deren Registratur verzichten, um nicht in den Verdacht mangelnder Effektivität und Leistungsfähigkeit zu geraten.1404 Diese Verhaltensweise lässt sich aber auch durch automatisierte Zeiterfassung nicht völlig ausschließen.1405 Eine Form der „Negativ-Zeit-Erfassung“1406 – mit oder ohne Begründung – sollte entgegen der von Hoff vertretenen Ansicht verpflichtend gemacht werden.1407 Im Übrigen hängt es aber von der konkreten betrieblichen Situation und weiteren Ausgestaltung des Arbeitszeitmodells ab, welche der Zeiterfassungsmethoden zur Anwendung kommen soll. Die Pflicht zu selbstständiger Zeiterfassung steht ergebnisorientiertem Arbeiten und dem Verzicht auf eine Anwesenheitskontrolle nicht entgegen.1408 Sie korrespondiert mit der Philosophie stärkerer

1399 Vgl. Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 48 ff.; s. auch Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 130 f. 1400 Diese auch als „Positiverfassung“ bezeichnete Form wird v. a. verwendet, wenn häufig Zuschläge aufgrund von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit anfallen, Fauth-Herkner/Wiebrock in: Fauth-Herkner, Flexibel ist nicht genug, S. 175 (180). 1401 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 54; s. etwa Rauscher, PersW 1999, Sonderheft 10, 6 (8) (Bsp. Hewlett Packard). 1402 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 55; vgl. auch Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 166 f. 1403 Hoff, Vertrauensarbeitszeit, S. 58. 1404 Vgl. IG Metall-Vorstand, Vertrauensarbeitszeit, S. 21. 1405 Auch bei automatisierter Zeiterfassung sind Fälle von „Ausstechen“ und Weiterarbeiten bekannt, vgl. Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 83. 1406 Dieser Begriff bezeichnet ebenfalls die Aufzeichnung von Abweichungen von der vertraglichen Arbeitszeit, vgl. dazu Kutscher/Weidinger/Hoff, Flexible Arbeitszeitgestaltung, S. 166 f. 1407 Unter dem Gesichtspunkt der Ergebnisorientierung liegt der Vorteil gegenüber herkömmlichen Arbeitszeitkontensystemen darin, dass durch das Begründungserfordernis dem bloßen Zeitverbrauch entgegen gewirkt werden kann; d.h. kein „Dehnen“ der Arbeitskapazität mehr, vgl. Hoff, PersW 1998, Sonderheft 10, 10 (12).

448

Kap. 4: Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene

Eigenverantwortung besser als die Erfassung durch die Stempeluhr.1409 Gleichzeitig sind die erlangten Informationen eine Voraussetzung für die Bewältigung o. g. Überlastsituationen, ermöglichen die Sichtbarmachung von Personalengpässen1410 und dienen dem Betriebsrat als Informationsgrundlage zur Systembegleitung. Sofern in der Arbeitszeitvereinbarung für den Betriebsrat auch Rechtspositionen festgeschrieben sind, die ihm Zugriff auf die Entwicklung der Arbeitszeit ermöglichen, kann er dann noch steuernd eingreifen.1411 So gewährt etwa eine Abweichungserfassung verbunden mit einem Ampelkontensystem bis zu einer gewissen Grenze die Möglichkeit eigenverantwortlicher Arbeitszeitsteuerung, stellt aber bei Überschreiten der Grenze und somit nur für den Notfall zugleich sicher, dass die Verantwortung wieder auf den Arbeitgeber zurückfällt und der Konflikt unter Beteiligung des Betriebsrats gelöst werden kann. cc) Ergebnis Um dem Betriebsrat noch gewisse Einwirkungsmöglichkeiten auf die Arbeitszeitverläufe zu erhalten, bedarf er diesbezüglicher Informationen, die am praktikabelsten aus Aufzeichnungen zu erhalten sind. Aus diesem Grund sollte Bestandteil einer Betriebsvereinbarung eine bestimmte Art der Arbeitszeitdokumentation sein, die über das von § 16 II ArbZG geforderte Maß hinausgeht. Sofern elektronische Zeiterfassung nicht im Hintergrund beibehalten wird, kann der Arbeitszeitverlauf mittels der oben genannten Aufzeichnungen und Ampelkontenführung geschehen. f) Kündigung der Betriebsvereinbarung – Ausschluss der Nachwirkung Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass im Fall des Scheiterns der Vertrauensarbeit der Betriebsrat die Betriebsvereinbarung kündigen kann. Da gem. § 77 VI BetrVG Betriebsvereinbarungen über Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung Nachwirkung zukommt, ist es sinnvoll, diese in der Be-

1408 Vgl. auch Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 161, der die Zeiterfassung als Teil der Zeitwirtschaft und des Arbeitszeitmanagements für unverzichtbar und „einer wie auch immer gearteten Vertrauensarbeitszeit nicht im Wege“ stehend erklärt. 1409 Fauth-Herkner/Wiebrock in: Fauth/Herkner, Flexibel ist nicht genug, S. 175 (180); vgl. auch Dobler/Städtler, PersW 1998, Sonderheft 10, 8 (9), nach denen die Abschaffung der Zeitverbrauchskultur nicht zwangsläufig die Abschaffung der Zeiterfassung erforderlich macht. 1410 Adamski, Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 121 f. 1411 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 84.

§ 3 Rechtliche Alternativen zwecks Ausgleichs der Schutzdefizite

449

triebsvereinbarung bereits auszuschließen und eine alternative Arbeitszeitregelung zu treffen, die an die Stelle der Vertrauensarbeit treten soll.1412 g) Zusammenfassung und Ergebnis Anhand der vorgestellten und diskutierten Regelungselemente wurde deutlich, dass Betriebsvereinbarungen über flexible – im Gegensatz zu solchen über feste – Arbeitszeiten einen anderen Charakter besitzen: Nicht mehr Zeiten werden festgelegt, sondern Verfahrensweisen und Rechtsfolgen, die an bestimmte Vorkommnisse, z. B. die Überschreitung des Zeitrahmens, anknüpfen. Der Betriebsrat soll Teil des Steuerungsinstrumentariums werden und eine eigenständige Aufgabe im Prozess der Arbeitsgestaltung übernehmen.1413 Dies ist allerdings nur dadurch sicherzustellen, dass in der Betriebsvereinbarung Situationen ausdrücklich definiert werden, in denen eine Intervention des Betriebsrats trotz des grundsätzlich bereits ausgeübten Mitbestimmungsrechts noch bzw. wieder möglich sein soll. Seine Einbindung in die Arbeitsorganisation reicht häufig über die gesetzlich vorgesehene Beteiligung hinaus und ist daher nur durch freiwillige Vereinbarungen zu erreichen. Da nach der Rechtsprechung die Betriebspartner einen nahezu mitbestimmungsfreien Zustand schaffen können, kann die Mitbestimmung also auch durch eine solche Rahmenregelung ausgeübt werden. Deren nötige Regelungsdichte lässt sich unter Hinzuziehung der Zwecke der Mitbestimmungsrechte und der im Verfassungsrecht beheimateten Wesentlichkeitstheorie bestimmen. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung, dass es zu den wesentlichen Entscheidungen einer Vertrauensarbeitszeitregelung gehört, einen Arbeitszeitrahmen bzw. entsprechende Zugriffsbeschränkungen zu definieren, Regelungen über die Pausenlage und den Zeitausgleich zu treffen, sowie Grundsätze festzulegen, nach denen die eigenverantwortliche Arbeitszeiteinteilung erfolgen soll. Weiterhin muss die Regelung sicherstellen, dass dauerhafte Überlastungen vermieden werden. Geeigneter als das Überlastverfahren dürfte hierfür eine Ampelkontenregelung sein. Zu regeln ist schließlich, wie die anfallenden Arbeitszeitdaten wahrnehmbar gemacht werden sollen.

1412 Hamm, AiB 2000, 152 (159); Hoff, Die neun notwendigen Elemente betrieblicher Vertrauensarbeitszeitregelungen, http://www.arbeitszeitberatung.de (8/2003). 1413 Hamm, Flexible Arbeitszeitsysteme, S. 85.

Zusammenfassung der Ergebnisse Vertrauensarbeitszeit bezweckt die Förderung von Eigenverantwortung durch Flexibilisierung und Dezentralisierung im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung. Deshalb wird die Einteilung der Arbeitszeitlage nicht mehr durch den Arbeitgeber, sondern durch die Arbeitnehmer selbst vorgenommen, mit der Maßgabe, hierbei bedarfs- und aufgabenorientiert zu handeln. Formal kann dies durch eine Einschränkung des Weisungsrechts in zeitlicher Hinsicht erfolgen.1 Durch die entstehende und im Vergleich zu Gleitzeitmodellen mit Kernzeit erweiterte Zeitsouveränität kann im Idealfall damit sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberinteressen Rechnung getragen werden.2 Die Vertrauensarbeitszeit stellt aber zugleich die Wirksamkeit überkommener Schutzmechanismen in Frage und kann bei Zusammentreffen mit ungünstigen Rahmenbedingungen wie Personalmangel und Termindruck zur „Entgrenzung der Arbeit“ und zu Überlastungen der Arbeitnehmer führen. Denn der Rückzug des Arbeitgebers aus Arbeitszeitgestaltung und -kontrolle wird durch die unmittelbaren Anforderungen von Markt und Kunden ersetzt. Aufgrund des so weitergegebenen Wettbewerbsdrucks bedarf es keiner ausdrücklichen Anordnungen und Kontrollen durch Arbeitgeber mehr, um das Arbeitszeitverhalten der Beschäftigten zu determinieren. Der weitgehende Verzicht auf Arbeitszeitaufzeichnungen soll die Arbeitnehmer zu möglichst effektiver Arbeitsweise anhalten, bei dem unnötiger Aufbau von Zeitguthaben vermieden wird. Zeitkontrolle wird durch Ergebniskontrolle ersetzt.3 Die Ergebnisorientierung führt indessen nicht dazu, dass mit der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit der Vertragstyp des Arbeitsverhältnisses verlassen würde. Die dafür typische persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber wird aufrechterhalten bzw. vermittelt durch genaue Aufgabenbeschreibungen, Terminsetzungen sowie durch die Abhängigkeit des Beschäftigten von Arbeitsmitteln oder Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers. Überwiegend bleibt im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit die Vergütung zeitorientiert; Gegenstand des Leistungsversprechens ist somit – anders als beim Werkvertrag – nicht ein bestimmter Erfolg, sondern nach wie vor grundsätzlich eine nach Zeit bemessene Leistung.4 In Grenzen ist es jedoch bereits im Rah1 2 3 4

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

1, 1, 1, 2,

§ § § §

2. 4. 4. 1.

C. I. A. B. A.

Zusammenfassung der Ergebnisse

451

men von Arbeitsverträgen möglich, im Zusammenhang mit Arbeitszeitflexibilisierung eine gewisse Risikoverlagerung zu Lasten des Arbeitnehmers vorzunehmen.5 Das Bestreben, mittels Vertrauensarbeitszeit die Verantwortung für die Einhaltung von Arbeitszeitbegrenzungen auf die Arbeitnehmer selbst zu delegieren, unterliegt jedoch mehreren Restriktionen. Zunächst sind auch bei selbstbestimmter Arbeitszeit die Vorschriften des ArbZG anwendbar und zu beachten. Für deren Einhaltung ist in jedem Fall der Arbeitgeber verantwortlich; er muss dies durch geeignete Mittel sicherstellen und kann sich nicht durch Vertrauensarbeitszeit seinen gesetzlichen Verpflichtungen entziehen. Das bedeutet etwa, dass er sich der Kenntnis über Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht verschließen darf, sondern z. B. stichprobenartig prüfen muss, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.6 Dabei bietet das Gesetz bereits selbst weite Spielräume für flexible Arbeitszeitgestaltungen. 7 Bei selbstbestimmter Arbeitszeit ist es grundsätzlich möglich, unproduktive Anwesenheitszeiten am Arbeitsplatz von der Arbeitszeitbewertung auszunehmen, das hierfür vorauszusetzende Maß an zeitlicher Selbstbestimmung wird jedoch in der Praxis nur in Ausnahmefällen erfüllt sein.8 Eine effektive Begrenzung der tatsächlichen Arbeitszeiten können die gesetzlichen Vorschriften jedoch nicht leisten, denn die für die Überwachung der Einhaltung des Gesetzes verantwortlichen Aufsichtsbehörden können angesichts ihrer begrenzten Kapazitäten und der immer weiter deregulierten und individualisierten Arbeitszeitgestaltungen Verstöße nur schwer und keinesfalls umfassend aufdecken.9 Die daneben bestehenden zivilrechtlichen Durchsetzungsmechanismen öffentlich-rechtlicher Schutzvorschriften10 bieten ebenfalls keine echte Alternative, wenn Überschreitungen von Arbeitszeitvorschriften nicht auf formalen Anordnungen des Arbeitgebers beruhen. Der Betriebsrat kann zwar die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften überwachen; gerichtlich durchsetzen kann er sie aber nicht.11 Zu beachten sind neben gesetzlichen auch tarifliche Vorschriften, die bereits in großem Umfang flexible Arbeitszeitgestaltungen ermöglichen.12 Da festgestellt wurde, dass weder die Betriebs- noch die Arbeitsvertragsparteien von den Arbeitszeitvorgaben des Tarifvertrags aufgrund des Günstigkeitsprinzips abwei5

Kapitel 2, § 1. B.; C. Kapitel 2, § 2. C.; insb. II. 2. b) bb). 7 Kapitel 2, § 2. B. 8 Kapitel 2, § 2. B. I. 5. b). 9 Kapitel 2, § 2. C. II. 1. 10 Kapitel 2, § 2. C. III. 1.; 2; 4. 11 Kapitel 2, § 2. C. II. 3. 12 Kapitel 3, § 1. C.; D. 6

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Zusammenfassung der Ergebnisse

chen können13, sind z. B. tariflich festgelegte Ausgleichszeiträume, Korridorregelungen und Vorschriften zur Mehrarbeit im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeitregelung einzuhalten. Auch tarifliche Ansprüche auf Vergütung prekärer Arbeitszeiten dürfen durch Vertrauensarbeitszeit nicht umgangen werden. Trotz bestehender Regelungsmöglichkeiten für die Tarifparteien erweist sich die Durchsetzung tariflicher Normen in der Praxis als defizitär.14 Im Bestreben weiterer Flexibilisierung werden arbeitszeitbegrenzende Tarifnormen häufig auf individualvertraglicher und betrieblicher Ebene umgangen, weshalb sie nur unzureichenden Schutz gegen die Auswüchse von Vertrauensarbeitszeit bieten können. Verbesserte Rahmenbedingungen für Vertrauensarbeitszeit könnten durch tarifliche Regulierung von Arbeitspensum und Personalbemessung hergestellt werden, was wiederum unter dem Vorbehalt tarifpolitischer Realisierbarkeit steht.15 Bei Ein- und Durchführung von Vertrauensarbeitszeit sind Rechte des Betriebsrats zu beachten. Zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 I Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat einen Anspruch auf Erteilung der hierfür erforderlichen Auskünfte. Dieser Anspruch gem. § 80 II 1 BetrVG besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden Informationen selbst nicht zur Kenntnis nehmen will. Dies spricht aus Praktikabilitätsgründen dafür, auch bei Vertrauensarbeitszeit die Dokumentation von Arbeitszeitdaten vorzusehen, welche Aufschluss über die Einhaltung gesetzlicher, tariflicher und betrieblicher Vorschriften geben.16 Nach überzeugender Auffassung hat der Betriebsrat nach § 87 I Nr. 6, 7 BetrVG darüber mitzubestimmen, ob eine elektronische Zeiterfassung erfolgt oder abzuschaffen ist. Das Mitbestimmungsrecht sollte genutzt werden, um die aus verschiedenen Gründen sinnvolle Zeiterfassung im Hintergrund beizubehalten.17 Weiterhin wurde festgestellt, dass die Einführung von Vertrauensarbeitszeit gem. § 87 I Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.18 Durch freiwillige Vereinbarung kann jedoch gem. § 28 a BetrVG die Verhandlungs- und Entscheidungskompetenz in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten auf Arbeitnehmergruppen übertragen werden, wobei aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung der Betriebsrat im Konfliktfall zuständig bleibt.19 Außerdem stellt es keinen un13 14 15 16 17 18 19

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

3, 3, 3, 2, 4, 4, 4,

§ § § § § § §

1. E.; F. 3.; § 1. E. IV. 2. 2. C. II. 3 b) cc). 1. II; vgl. auch § 3 B. II. 2. e). 3. A. I. 3. A. III. 1.

Zusammenfassung der Ergebnisse

453

zulässigen Verzicht des Betriebsrats auf seine Mitbestimmungsrechte dar, wenn die Einzelheiten der Arbeitszeiteinteilung den Arbeitnehmern selbst übertragen werden.20 Nach Auffassung des BAG ist eine Mitbestimmungsausübung im Voraus zulässig, mit der für spätere Fallgestaltungen ein nahezu mitbestimmungsfreier Zustand hergestellt wird. Der Zweck der Mitbestimmungsrechte würde mit einer Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Arbeitnehmer ebenfalls verwirklicht. Die individuelle und dezentrale Arbeitszeitsteuerung im Rahmen von Vertrauensarbeit führt allerdings dazu, dass die Mitbestimmungsrechte de facto „leer laufen“.21 Wegen der möglichen nachteiligen Folgen für Arbeitnehmer wird hier den Stimmen in der Literatur gefolgt, die eine schranken- bzw. bedingungslose Mitbestimmungsausübung im Voraus i. S. e. vollständigen Arbeitszeitfreigabe ablehnen. In einer Rahmenregelung, mit der das Mitbestimmungsrecht für künftige Fälle ausgeübt wird, müssen daher die zur Verwirklichung der Zwecke der Mitbestimmungsrechte wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen werden.22 Hierzu gehört etwa die Schaffung von Begrenzungspunkten der Arbeitszeit durch die Definition von Arbeitszeitrahmen bzw. entsprechenden Zugriffsbeschränkungen, Regelungen über Pausenlage und Zeitausgleich sowie die Festlegung von Grundsätzen, nach denen die eigenverantwortliche Zeiteinteilung erfolgen soll.23 Des Weiteren ist erforderlich, dass auf der sekundären Ebene eine Systembegleitung erfolgt.24 Dafür sind in der Rahmenregelung Überwachungs- und Interventionsrechte zu verankern. In der Praxis lässt sich dabei nicht mehr genau zwischen freiwilliger und erzwingbarer Mitbestimmung unterscheiden. Tritt die Arbeitsaufgabe in den Vordergrund und wird die benötigte Zeit in den Hintergrund gedrängt, muss eine Verschiebung der Aufmerksamkeit der kollektiven Interessenvertretung stattfinden: Die dem einzelnen Arbeitnehmer zuzuteilende Arbeitsmenge sowie damit einhergehend die Personalbemessung für das zu bewältigende Auftragsvolumen müssen in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Dabei können in diesem Bereich mangels erzwingbarer Mitbestimmungsrechte Regelungen nur im Rahmen freiwilliger Mitbestimmung vereinbart werden.25 Besondere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Individualisierung der Arbeitszeitkonflikte in selbststeuernden Systemen, da hinsichtlich der Durchsetzung von Individualansprüchen der Durchführungsanspruch aus § 77 I BetrVG versagt.26 Doch können alternative Konfliktlösungsmechanismen in einer Rahmenregelung verankert werden. Sofern der Konflikt keinen Kollektivbezug er20 21 22 23 24 25 26

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

4, 4, 4, 4, 4, 4, 4,

§ § § § § § §

3. 2. 3. 3. 3. 3. 1.

A. I. B. B. II. 2. c), d) aa) (3). B. I. B. II. 2. d) aa). C. IV. 2. b); § 2, B. IV.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

kennen lässt, ist dabei § 86 BetrVG zu beachten, der der Ausgestaltung des betrieblichen Beschwerdeverfahrens Grenzen setzt: Eine abschließende Entscheidungskompetenz in der Sache kann der Einigungs- oder Beschwerdestelle im individuellen Beschwerdeverfahren nicht eingeräumt werden. Im Übrigen kann sich der Betriebsrat für definierte Fälle eine Mitentscheidung über die Konfliktlösung vorbehalten.27 Wird auf elektronische Zeiterfassung verzichtet, so hat eine manuelle Dokumentation der erbrachten Arbeitszeiten zu erfolgen, was mitbestimmungspflichtig und in der Rahmenvereinbarung zu regeln ist. In Kombination mit Ampelkontenführung ließen sich auch Interventionsrechte des Betriebsrats verankern für den Fall, dass geschuldete und geleistete Arbeitszeit in ein extremes Missverhältnis geraten.28

27 28

Kapitel 4, § 3. B. II. 2. d) bb). Kapitel 4, § 3. B. II. 2. d) bb) (3); e).

Schlussbetrachtung und Ausblick Die Abkehr von kollektiven Vertretungsstrukturen und die Verlagerung von Regelungskompetenzen auf nachgeordnete Ebenen – bis hinunter auf die individualvertragliche –, birgt die Gefahr, den Einzelnen schutzlos zu stellen. Gerade im Bereich der Arbeitszeiten kann dies nicht nur materielle, sondern v. a. auch negative Folgen für die Gesundheit haben. Hinsichtlich der gegen solche Gefahren bestehenden rechtlichen Mittel ergibt sich ein differenziertes Bild: Einerseits sind auf allen Regelungsebenen normative Schutzvorschriften zu finden, andererseits bestehen keine ausreichenden Möglichkeiten zur Durchsetzung dieser Normen gegen scheinbar einvernehmliche Missachtung durch die Arbeitsvertragsparteien. Das anzuerkennende Bestreben eines möglichst effizienten Einsatzes der Arbeitszeit bedarf nach wie vor kollektivrechtlicher Begrenzung. Im Interesse größtmöglicher Flexibilität ist hierfür die betriebliche Ebene ehesten geeignet, die selbst in § 28 a BetrVG mit der Arbeitsgruppe ein neues dezentrales Entscheidungsgremium anerkannt hat. Da sich aber in der Praxis bereits gezeigt hat, dass Freiräume zur Selbstgestaltung nicht zwangsläufig das Schutzbedürfnis hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung entfallen lassen, muss auf betrieblicher Ebene mit den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten versucht werden, der Entgrenzung der Arbeitszeit entgegenzusteuern. Dies kann durch Rahmenregelungen geschehen, wobei sich der Betriebsrat auf der Ebene der einzelnen Entscheidungen seines Einflusses nicht vollständig begeben darf. Soll die Arbeitszeit als Leistungsmaßstab zu Gunsten stärkerer Ergebnisorientierung mehr über Arbeitsaufgaben gesteuert werden, wären außerdem rechtlich abgesicherte Einflussmöglichkeiten durch kollektive Gremien auch diesbezüglich wünschbar. Unter den bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen ist die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit i. S. e. völlig zeiterfassungsfreien und ungeregelten Arbeitszeitgestaltung nicht zulässig.

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Stichwortverzeichnis Amorphe Arbeitszeit 27, 52, 186, 317 Arbeitsgruppe 38, 320, 340, 349 ff., 358, 361 f., 365 f., 373, 376 Arbeitskraftunternehmer 74, 95 Arbeitspensum 64, 84, 192, 245 ff., 276, 305, 310, 363 f., 380, 384 ff., 392, 395, 398 f., 407, 414, 420, 422 Arbeitszeitflexibilisierung 23 f., 29 f., 240 Aufsichtsbehörde 131 ff., 135, 137, 140, 143 ff., 155, 164 f., 170, 286 Ausgleichszeitraum 28, 34, 68, 71, 98 ff., 114 ff., 119, 121, 179, 266, 272, 274, 307, 432, 435, 439 – gesetzlicher 99 f., 114 f., 117 ff., 129, 137, 177, 180, 182 f., 266 – in Betriebsvereinbarung 185, 190, 265 f., 308 – tariflicher 174, 176 f., 179, 182, 184 ff., 191, 194, 196 ff., 206, 235, 251 f. Auskunftsanspruch des Betriebsrats 149, 152 ff., 445

– von Rechtsetzungsbefugnissen 187 ff., 340 f., 344, 349, 351, 354, 356 f., 359 ff., 365, 373, 430 Durchführungsanspruch des Betriebsrats 299 f., 308 ff., 412, 433 Einigungsstelle 269, 273, 280, 286, 303, 336, 339, 351, 366 ff., 374, 376, 388, 391, 402, 408, 416 ff. Ergebnisorientierung 23, 51 ff., 72, 74, 78, 82, 84 Flexible Standardarbeitszeit 47 Flow-Time 432

Beschwerdeverfahren 396, 414, 416 ff., 423 ff. Betriebsnorm 178, 212 ff., 218 ff., 249

Gleitzeit 20, 23, 26 ff., 30 ff., 41 f., 51, 54, 63, 69 f., 89, 124 f., 193, 200, 224, 256, 270, 272, 274 f., 286, 305 f., 308 f., 311, 317, 363, 376, 383, 409, 433, 438 – Gleitzeitkorridor 270 ff., 275 f. – Mitbestimmung 287 f., 300, 303, 342, 346, 434 – qualifizierte Gleitzeit 27, 99, 433 Günstigkeitsprinzip 192 f., 202 ff., 211 f., 219 ff., 226, 228, 231 f., 234 ff., 239, 243, 245, 250, 298, 326 ff.

chronologischer Faktor 24 chronometrischer Faktor 24 Clearingstelle 375, 412, 416, 428

Höchstarbeitszeit 97 f., 101, 103, 113, 121, 128, 153, 162 ff., 180, 186, 195, 197, 236, 242, 252, 268, 277, 300, 379, 385, 410, 433

Delegation – des Leistungsbestimmungsrechts 35, 42, 124 – öffentlich-rechtlicher Verantwortung 131, 133, 138, 143, 166

Inhaltsnorm 242

173, 212 f., 219 ff., 239,

Jahresarbeitszeit 26, 173, 211, 256, 271 ff., 306, 312, 316, 360

492

Stichwortverzeichnis

Kernarbeitszeit 26 ff., 30 ff., 41 ff., 54, 61, 69 ff., 90 f., 193, 197, 224 f., 363, 382 f., 432, 450 Kollektiver Tatbestand 289 ff., 301, 303, 305, 325, 327, 329 f., 371, 406, 422 f., 425 ff., 431 Kommission, gemeinsame 374, 428, 430 f., 434 Mitbestimmungsschwellen 375, 433 Normalarbeitsverhältnis 23 f. Normalarbeitszeit 28, 195 Orientierungsarbeitszeit 52 f., 94 Participative Management by Objectives 66 Personalbemessung 61, 68, 225, 235, 245, 247 ff., 260, 268, 305, 326, 363, 372, 375, 380, 384, 386, 390, 399, 401, 403, 407 f., 414, 420, 422, 431 Projektarbeit 61, 165, 244, 395 ff., 404 Qualifizierungsmaßnahme 404, 406, 408

375,

384,

Rahmenregelung 189, 208, 276, 285, 331, 342, 344, 349, 352, 354, 356 ff., 361 f., 369 ff., 376, 378, 380, 408 f., 415 ff., 424, 426 f., 430 f., 435, 444, 446, 449 Risikoverteilung, arbeitsvertragliche 88 Ruhepausen 47, 96, 101 ff., 107 ff., 123 ff., 130, 162 ff., 167, 175, 190, 221, 267, 302, 382 f., 447, 449 Ruhezeit 96, 104, 108, 113, 127, 129, 153, 162 f., 379 f., 445, 447 Selbstausbeutung 19, 52, 57, 66, 404 Selbststeuerung 18, 36, 317, 376, 405 Service- oder Funktionszeit 27, 31, 106, 108, 110, 112, 306, 325, 334, 379 f. Systembegleitung 370, 375, 430, 445, 448

Tarifdispositives Gesetzesrecht 177 Technische Überwachungseinrichtung 278 ff., 284, 287, 439 Überlastverfahren 64, 308, 410, 412 ff., 419 ff., 427 f., 432, 449 Überstunden – Abgrenzung zu Mehrarbeit 194 – Mitbestimmung des Betriebsrats 267 ff., 274 ff., 299, 305, 307 ff., 311, 400 – Pauschalabgeltung 53, 86, 87, 244 – Regelung im Tarifvertrag 195 f., 243 – transitorische 30 – und betriebsübliche Arbeitszeit 269, 272 – Vergütung 84 f. – Vermeidung von 28, 32, 44, 84, 236, 305, 308, 409 – Zuschlagspflicht 33, 194, 244 Unternehmerische Entscheidungsfreiheit 151, 174 f., 218 f., 248 ff., 268, 279, 293, 322, 331 ff., 350, 381 f., 384, 392 f., 401, 403, 408 Verfall von Arbeitszeitguthaben 28, 32, 68, 148, 274, 311, 388, 434 Verzicht auf Mitbestimmungsrechte 338 ff., 354, 359, 362, 368, 372, 377, 393, 403, 431, 435 Weisungsrecht 25, 35 ff., 43 f., 59 f., 64, 73 ff., 81 f., 115, 157, 259, 266, 270, 302, 304, 311 ff., 315, 318 ff., 326, 344, 364 f., 387, 450 Werkvertrag 53, 74, 78 ff., 84, 88 Zeitaufzeichnung 48, 155, 285, 412, 415, 440, 442, 444 ff., 450 – Abweichungserfassung 47, 446 ff. – Negativ-Erfassung 46, 447 – Selbstaufzeichnung 47, 138 f., 142 f., 286, 440, 442, 444

Stichwortverzeichnis Zeitausgleich 26 ff., 31 f., 44, 53, 63 f., 67 ff., 71, 84 f., 99, 101, 114 ff., 121 ff., 129, 136 f., 180, 182, 184 f., 191, 194, 207, 223, 240, 252, 274, 300, 308 ff., 325, 409, 425, 428, 432 ff., 439, 444, 449 Zeitkonto 26, 28 f., 34, 46, 58,1 67 ff., 91, 181 f., 192 f., 201, 223, 271, 274, 308 f., 410, 432 f., 444, 446 – Ampelkonto 33, 433 f., 448 f. – Gleitzeitkonto 28, 30, 148, 197, 434 – Jahresarbeitszeitkonto 180 – Kurzzeitkonto 433 – Langzeitkonto 46, 68, 181, 184 – Lebensarbeitszeitkonto 181

493

– Überstundenkonto 30 – Zeitkontenführung 29, 32, 34, 48, 50, 67, 197, 222, 233, 446 – Zeitkontensteuerung 47 Zeitsouveränität 18, 27, 31, 34, 37, 39 f., 43 ff., 52, 54 f., 58 f., 63, 74, 76, 78, 80, 89, 95, 103, 116, 200, 224 f., 229, 234 f., 321, 339, 362 f., 408, 450 Zeitverbrauchskultur 19, 57 Zielvereinbarungen 52, 65, 74, 78 Zusatzzeitbudget 173, 236, 243 ff., 252, 308, 409