Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt: Internationales Aufsichts- und Privatrecht. Dissertationsschrift 9783161590221, 9783161590238, 3161590228

Mit der Richtlinie über Versicherungsvertrieb (IDD) hat die EU einen weiteren Schritt zur Realisierung eines Versicherun

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German Pages 389 [416] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Anlass der Arbeit
B. Gegenstand der Arbeit
C. Gang und Ziel der Untersuchung
Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt: ökonomische und rechtliche Grundlagen
A. Der Markt der Versicherungsvermittlung
B. Europarechtlicher Hintergrund: Versicherungsbinnenmarkt
I. Grundfreiheiten als Basis des Binnenmarkts
II. Richtlinien zum Betrieb von Versicherungsgeschäften
III. Maßnahmen im Bereich der Versicherungsvermittlung
C. Grundlagen der Versicherungsvermittlung in den Mitgliedstaaten
I. Der europäische „funktionale Vermittlerbegriff“
II. Die Festlegung der Vermittlerkategorien im nationalen Recht: von klarer Polarisation zu flexiblen Übergängen
1. Das deutsche Recht und das Polarisationsprinzip
2. Kategorienbindung in anderen Mitgliedstaaten
III. Die Vermittlervergütung als zentrale Besonderheit im Versicherungsmarkt
1. Dominanz des Provisionssystems in Deutschland
2. Besonderheiten in anderen Rechtsordnungen
D. Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler
I. Ziele und Anwendungsbereich der IDD
II. Harmonisierte Mindestvorgaben für die Versicherungsvermittlung
1. Geschützter Personenkreis: Verbraucher oder Kunden?
2. Wohlverhaltensregeln
a) Allgemeine Informationspflichten
b) Vertrieb ohne und mit Beratung
c) Die Abgrenzung des Wunsch- und Bedürfnistests von der Beratung
aa) Der Wunsch- und Bedürfnistest als Auswahlhilfe für Kunden
bb) Die Beratung als individuelle Empfehlung
(1) Wann „erfolgt“ eine Beratung?
(2) Anforderungen an die „persönliche“ Empfehlung
d) Weitergehende Pflichten bei Versicherungsanlageprodukten
e) Die Vermittlervergütung als zentraler Streitpunkt
III. Mindestharmonisierung, Flexibilitätsklauseln und Umsetzung in Deutschland
E. Die Entscheidung für eine Richtlinienumsetzung im Aufsichtsund/ oder Privatrecht als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen
I. Vorgaben der IDD zur Art der Umsetzung
II. Die Trennung von Gewerbe- und Privatrecht in Deutschland
1. Die gewerberechtliche Um- und Durchsetzung
2. Die privatrechtliche Um- und ihre behördliche Durchsetzung
III. Alternative Umsetzungslösungen in anderen Mitgliedstaaten
IV. Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr
Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht
A. Grundlagen des Internationalen Verwaltungsrechts
I. „Einseitigkeit“ des Internationalen Verwaltungsrechts
II. Zuweisung von Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen im Binnenmarkt: Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip
B. Vermittleraufsicht im Binnenmarkt
I. Die Verwirklichung des Herkunftslandprinzips bei der Zulassungsaufsicht
1. Eintragung im Herkunftsmitgliedstaat als Erstzulassung
a) Natürliche Personen
b) „Juristische Personen“ und Personengesellschaften
aa) Vorgaben der IDD
bb) Umsetzung im deutschen Recht
2. Aufnahme grenzüberschreitender Tätigkeiten
a) Relevante grenzüberschreitende Tätigkeit: Anknüpfungskriterien im Aufsichtsrecht
aa) Vorgaben der IDD
(1) Niederlassungsverkehr
(2) Dienstleistungsverkehr
(a) Aufenthaltsort des Kunden
(b) Risikobelegenheit
(c) Absicht zur grenzüberschreitenden Tätigkeit
(3) Zwischenergebnis
bb) Umsetzung im deutschen Recht
b) Notifikationsverfahren
aa) Vorgaben der IDD
bb) Umsetzung im deutschen Recht
(1) Deutsche Vermittler im Ausland
(2) Ausländische Vermittler in Deutschland
c) Sachkundenachweise und Fortbildungsverpflichtungen im grenzüberschreitenden Verkehr
d) Bindung an Vermittlerkategorien? Oder: Versicherungsberatung durch agents généraux?
aa) Vorgaben der IDD
bb) Umsetzung im deutschen Recht: Anwendung des Polarisationsprinzips auf ausländische Vermittler?
e) Besonderheiten bei (gebundenen) Versicherungsvertretern
3. Zwischenergebnis
II. Modifiziertes Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip bei der laufenden Aufsicht
1. Modifiziertes Herkunftslandprinzip bei Anwendung und Durchsetzung der IDD-Mindestvorgaben im Aufsichtsrecht
a) Vorgaben der IDD: Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts des Herkunfts- und Aufnahmestaats
aa) Kooperationsverfahren bei der Dienstleistungsfreiheit
bb) Erweiterte Kompetenzen des Aufnahmestaats bei der Niederlassungsfreiheit
b) Umsetzung im deutschen Recht
aa) Überwachung deutscher Vermittler im Ausland
bb) Überwachung ausländischer Vermittler in Deutschland
cc) Notwendigkeit einer effektiveren Vermittleraufsicht in Deutschland
c) Zwischenergebnis
2. Modifiziertes Bestimmungslandprinzip bei Anwendung und Durchsetzung strengerer Berufsausübungsregeln
a) Regelungskompetenzen zur Anwendung strengerer Berufsausübungsregeln
aa) Regelungskompetenz des Aufnahmemitgliedstaats
bb) Eingeschränkte Regelungskompetenz des Herkunftsmitgliedstaats
cc) Anwendung auf das deutsche Gewerberecht
(1) Zwingende Informations- und Beratungspflichten
(a) Anwendung auf ausländische Vermittler
(b) Anwendung auf deutsche Vermittler
(2) Sondervergütungsverbot
(a) Generelle rechtliche Einwände gegen das Verbot
(b) Anwendung auf ausländische Vermittler
(aa) Internationaler Anwendungsbereich des Sondervergütungsverbots nach nationalem Recht
(bb) Rechtfertigung des Verbots mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses?
(c) Anwendung auf deutsche Vermittler
(3) Beschränkte Rechtsdienstleistungsbefugnisse und Sonderregeln für Versicherungsberater
(a) Rechtsdienstleistungen von Versicherungsmaklern und -beratern
(b) Tätigkeit ausländischer Vermittler „als“ Versicherungsberater?
(c) Anwendbarkeit des Rechtsdienstleistungsgesetzes auf ausländische Vermittler
(d) Rechtsdienstleistungsbefugnisse ausländischer Vermittler
(aa) Von Vertragsvermittlung oder -betreuung losgelöste Beratungsleistungen und § 5 Abs. 1 RDG
(bb) Erfolgsunabhängige Beratungsvergütung und § 5 Abs. 1 RDG
(cc) Anwendung der Sonderbefugnisse für Versicherungsberater auf ausländische Vermittler (§ 3 RDG)
(dd) Zwischenergebnis und Vereinbarkeit der Honorarberatungsgrenzen mit den Grundfreiheiten
(e) Beschränkungen deutscher Versicherungsvermittler und -berater bei Auslandstätigkeiten
(4) Schadensregulierungsverbot
(a) Internationaler Anwendungsbereich des Verbots
(b) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten
(5) Zwischenergebnis
b) Durchsetzungskompetenz bei Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses und Missbrauchskontrolle
c) Zwischenergebnis
3. Verschiebung der Regelungskompetenzen im elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce)
a) Dienst der Informationsgesellschaft
b) Koordinierter Bereich
c) Ausnahmen
aa) Vertraglicher Verbraucherschutz
bb) Schutzklauselverfahren
d) Anwendung auf deutsche Regulierungsbestimmungen
aa) Informationspflichten der VersVermV
bb) Sondervergütungsverbot
e) Zwischenergebnis zur E-Commerce-Richtlinie
III. Zwischenergebnis: Vermittleraufsicht zwischen Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip
Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht
A. Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts?
I. Privatrechtliche Richtlinienumsetzung aus Gründen der Effektivität und Äquivalenz
II. Hinweise zur privatrechtlichen Bedeutung der IDD
III. Kompetenz zur Angleichung des Privatrechts
IV. Zwischenergebnis: aufsichts- und privatrechtlich einheitliche Mindestvorgaben im Binnenmarkt
B. Internationales Privatrecht
I. Grundlagen des (europäischen) privaten Kollisionsrechts
II. Anwendbarkeit der Rom I- und Rom II-VO
1. Relevanter grenzüberschreitender Bezug in Vermittlerkonstellationen
2. Haager Übereinkommen über Vermittlungsgeschäfte
III. Reichweite des Versicherungsvertragsstatuts
1. Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts auf andere Vermittlungsrechtsverhältnisse?
2. Vermittlungsbezogene Rechtsfragen im Versicherungsvertragsstatut
a) Zurechnung von Fehlverhalten
b) Vertretungsmacht und Wissenszurechnung
3. Weiteres Vorgehen
IV. Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden
1. Nationales Rechtsverständnis: Auswirkung der Vermittlerkategorie auf die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht
a) Versicherungsmakler, broker, courtier
aa) Der Versicherungsmaklervertrag und die Dominanz vertraglicher Haftung in Deutschland
bb) Maklerverträge und Anspruchskonkurrenz in anderen Staaten
b) Versicherungsvertreter, insurance agent, agent général
aa) Entwicklung vom Vertragsrecht zur culpa in contrahendo in Deutschland
(1) Rechtsverhältnis vor Umsetzung der VermRL
(2) Rechtsverhältnis nach Umsetzung der VermRL
(a) „Beratungspflichten“ zwischen Vertrag und Delikt
(b) Vergleich mit anderen Handelsvertretern
(c) „Anlageberatung“ durch Versicherungsvertreter
(d) Kritik an den uneinheitlichen dogmatischen Grundlagen der Vertreterhaftung
bb) Österreich: Versicherungsagent
(1) Grundsatz: kein Vertragsverhältnis
(2) Ausnahmen: Mehrfachagenten und andere Vermittler
cc) Frankreich: agent général
(1) Grundsatz: kein Vertragsverhältnis
(2) „Ausnahme“: mandat
dd) Haftung der insurance agents im common law
(1) England: Anspruchskonkurrenz von Vertrags- und Deliktsrecht?
(2) Vertrags- und Deliktsrechtliche Haftung der agents in den USA
(a) Reichweite der Pflichten
(b) Dogmatische Herleitung
c) Ergebnis der Rechtsvergleichung: Vertreterhaftung zwischen Vertrag und Delikt
2. Kollisionsrechtliche Anknüpfung
a) Anwendbarkeit vertraglicher oder außervertraglicher Kollisionsnormen?
aa) Abgrenzung nach nationalen Vermittlerkategorien?
(1) Versicherungsmakler = Rom I-VO
(2) Versicherungsvertreter = Rom II-VO
(a) Anwendung des Art. 12 Rom II-VO und kritische Würdigung
(aa) Art. 12 Abs. 2 Rom II-VO und der Ort des Schadenseintritts
(bb) Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts (Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. c Rom II-VO)?
(cc) Zwischenergebnis: Interessenwidrigkeit des Art. 12 Rom II-VO
(b) Art. 12 Abs. 2 Rom II-VO als Spezialregelung der Sachwalterhaftung?
(c) Zwischenergebnis: keine Spezialregelung der Vermittlerhaftung in Art. 12 Rom II-VO
bb) Alternative Vorschläge zur Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung
cc) Eigener Vorschlag: Abgrenzung der Rom I- und Rom II-VO nach autonomen Kriterien
(1) Vertragsbegriff
(a) Definitionselemente: die Formel der freiwillig eingegangenen rechtlichen Verpflichtung
(b) Konkludent begründete Verträge und vertragsähnliche Vertrauensbeziehungen im europäischen Recht
(aa) Autonomes Vertragsschlussrecht im IZVR
(bb) Art. 10 Rom I-VO und der Rechtsbindungswille im nationalen Vertragsschlussrecht
(cc) Zwischenergebnis: autonome Kriterien für konkludent begründete vertragliche Schuldverhältnisse
(c) Präzisierung des Vertragsbegriffs für Vermittlungsrechtsverhältnisse
(aa) Teleologisch-funktionaler Ansatz: Rückgriff auf die Prinzipien der Rom I- und Rom II-VO
(bb) Anwendung bei Versicherungsvermittlern
(d) Zwischenergebnis: Vermittlungsverträge zwischen allen Versicherungsvermittlern und Kunden
(2) Verhältnis von Vertrag und Delikt bei Anspruchskonkurrenz im nationalen Recht
(a) Das Alternativverhältnis von Vertrag und Delikt im Zivilverfahrensrecht
(b) Übertragbarkeit auf das Kollisionsrecht und Anwendung auf Versicherungsvermittler
(c) Hinreichender Vertragsbezug von Pflichtverletzungen
(aa) Allgemeiner Vertragsbezug oder Äquivalenzinteresse?
(bb) Anwendung auf die Versicherungsvermittlerhaftung
dd) Zwischenergebnis: einheitlich vertragliche Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung
ee) Übertragung des Ergebnisses auf die Anscheinsmakler- und Anscheinsagentenhaftung
b) Anknüpfung des Vermittlungsvertrags nach der Rom I-VO
aa) Regelanknüpfung
(1) Grundsatz: kollisionsrechtlicher Schutz der Vermittler, insbesondere bei Unternehmergeschäften
(2) Kollisionsrechtlicher Schutz von Verbrauchern i. e. S. über Art. 6 Rom I-VO
(a) Situativer Anwendungsbereich (Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO)
(b) Ausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO
(3) Zwischenergebnis: unterschiedlicher kollisionsrechtlicher Schutz von Unternehmern und Verbrauchern
(4) Reichweite des Vermittlungsvertragsstatuts
bb) Akzessorische Anknüpfung
(1) Anwendbarkeit der Ausweichklausel
(2) Akzessorische Anknüpfung und Parteiidentität
(3) Kollisionsrechtliche Interessen
(a) Konsistenzinteresse bzw. innerer Entscheidungseinklang
(aa) Allgemeine Normwidersprüche
(bb) Abhängigkeit des Provisionsanspruchs vom Hauptvertrag bei Nettopolicen
(b) Kontinuitätsinteresse und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts
(c) Allgemeine Parteiinteressen
(d) Enge Beziehung in Vermittlungsverhältnissen als ausreichendes Kriterium?
(4) Zwischenergebnis: begrenzte Möglichkeiten einer akzessorischen Anknüpfung
c) Zwischenergebnis: über die Rom I-VO anwendbares Privatrecht und Vergleich zum Aufsichtsrecht
d) Koordinierung von Aufsichts- und Privatrecht?
aa) Das Verhältnis von Internationalem Verwaltungs- und Privatrecht im Allgemeinen
bb) Einfluss europarechtlicher Regelungskompetenzen auf das IPR: Vorrang des Aufsichtsrechts?
(1) „Primärrechtliches Herkunftslandprinzip“
(2) Sekundärrechtliches Herkunfts- oder Bestimmungslandprinzip
(3) Zwischenergebnis: kein genereller Gleichlauf aufsichts- und privatrechtlicher Wohlverhaltensregeln
cc) Die kollisionsrechtliche Bedeutung der IDD-Flexibilitätsklauseln im IPR
(1) Strengere Wohlverhaltensregeln als Eingriffsnormen?
(2) Flexibilitätsklauseln als Sonderkollisionsrecht zur Berufung strengeren Aufnahmestaatenrechts
(a) Rechtsanwendungsbefehl für das Privatrecht?
(b) Verdrängung des Herkunftslandrechts?
(c) Umkehrschluss für andere Sachverhalte?
(d) Sonderkollisionsrechtliche Aussagen der Flexibilitätsklauseln und ihre Primärrechtskonformität
(e) Anwendung oder Berücksichtigung strengeren Vermittlerprivatrechts bei fehlender Umsetzung der Flexibilitätsklauseln
dd) Zwischenergebnis: aufsichts- und privatrechtliche Verhaltensanforderungen an Versicherungsvermittler
(1) Die sonderkollisionsrechtliche Annäherung von Internationalem Aufsichts- und Privatrecht im Bereich der Versicherungsvermittlung
(2) Folgerungen für die allgemeine Diskussion zum Verhältnis des Internationalen Verwaltungsrechts zum IPR
e) Privatrechtliche Wohlverhaltensregeln und Allgemeininteresse
f) Anwendbarkeit des deutschen Vermittlerprivatrechts
aa) § 61 VVG als Kernbereich des Vermittlerprivatrechts
(1) Pflichtenkreise des § 61 VVG und ihre Abdingbarkeit
(2) Anwendbarkeit im grenzüberschreitenden Verkehr
(3) Rechtfertigung des § 61 VVG mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses
bb) Privatrechtliche Reichweite des Sondervergütungsverbots
g) E-Commerce-Richtlinie, Verbraucherschutz und Rechtswahl
3. Zwischenergebnis: das auf den Vermittlungsvertrag anwendbare Recht
V. Rechtsverhältnis der Vermittler zu Versicherern
1. Nationales Rechtsverständnis
a) Versicherungsvertreter
b) Versicherungsmakler, broker, courtier
aa) Deutsches Recht im Grenzbereich von Vertrag und Delikt
(1) Der Makler im „Doppelrechtsverhältnis“
(2) Das allgemeine Handelsmaklerrecht als Grundlage für das Rechtsverhältnis
(3) Anwendung auf den Versicherungsmakler und Stellungnahme
(a) § 98 HGB und Rücksichtnahmepflichten
(b) § 99 HGB und Courtageansprüche
(c) §§ 98, 99 HGB als handelsrechtliche Sonderbeziehung
(4) Wesen und Funktion der Rechte und Pflichten
bb) Maklervertragliche Beziehungen in Österreich
cc) Frankreich: Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Deliktsrecht?
(1) Bedeutung und Inhalt der Usages
(2) Tendenz zur deliktischen Haftung
dd) England
(1) Courtage- und Prämienanspruch
(a) Versicherer als (vertragliche) Courtageschuldner
(b) Makler als Prämienschuldner im Seeversicherungsrecht
(2) Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten aus implied contracts und voluntary assumption of responsibility
ee) Ergebnis der Rechtsvergleichung
2. Kollisionsrechtliche Anknüpfung
a) Anwendbarkeit vertraglicher oder außervertraglicher Kollisionsnormen?
aa) Bisheriger Diskussionsstand
bb) Kritische Würdigung
cc) Zwischenergebnis: überwiegend vertragliche Qualifikation
b) Anknüpfung des Handelsvertretervertrags und des Kooperations-, Rahmen- bzw. Maklervertrags
aa) Regelanknüpfung
(1) Subjektive Anknüpfung und die Reichweite einer Rechtswahl im Versicherungsvertrag
(2) Objektive Anknüpfung
bb) Akzessorische Anknüpfung bei objektiver Anknüpfung
(1) Konsistenzinteresse bzw. innerer Entscheidungseinklang
(a) Koordinierung mit dem Versicherungsvertragsstatut?
(aa) Zusammenhang des Provisions- bzw. Courtageanspruchs mit dem Versicherungsvertrag
(bb) Prämienschuldnerschaft des Maklers
(b) Koordinierung mit dem Vermittlungsvertragsstatut?
(aa) Konsistente Rücksichtnahme- und Interessenwahrungspflichten im Doppelrechtsverhältnis
(bb) Abgestimmte Regelungen zur Provisions- und Courtageschuldnerschaft
(c) Zwischenergebnis
(2) Kontinuitätsinteresse, Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts und allgemeine Parteiinteressen
(3) Zwischenergebnis: enge Grenzen für eine akzessorische Anknüpfung
c) Die Anwendung von Handelsbräuchen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr
d) International zwingendes Handelsvertreterrecht?
aa) Ausgleichsanspruch der Handelsvertreter im deutschen Recht
bb) International zwingende Durchsetzung des Warenhandelsvertreterrechts
cc) § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 HGB als Eingriffsnorm?
3. Zwischenergebnis
Ergebnisse der Arbeit
Hinweis zu online abrufbaren Dokumenten
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 433 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Christian Rüsing

Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt Internationales Aufsichts- und Privatrecht

Mohr Siebeck

Christian Rüsing, geb. 1991; 2011–2016 Studium der Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; seit 2016 Wissenschaftlicher Mitarbeiter ebendort bei Prof. Dr. Heinrich Dörner; 2016–2018 Masterstudium (LL.M.) Versicherungsrecht an der ­JurGrad gGmbH, Münster; seit 2019 Rechtsreferendar am Landgericht Münster; 2019 Promotion. orcid.org/0000-0001-7004-7726

D 6. Zugl.: Münster (Westf.), Univ., Diss. der Rechstwissenschaftlichen Fakultät, 2019. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Vertriebsrecht e.V. sowie der Studienstiftung ius vivum. ISBN 978-3-16-159022-1 / eISBN 978-3-16-159023-8 DOI 10.1628/978-3-16-159023-8 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu­lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungs­ beständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand von August 2018; mir wichtig erscheinende Entscheidungen und Beiträge aus Deutschland habe ich bis Ende Juli 2019 nachgetragen. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb (IDD) aus Deutschland, England, Frankreich und Österreich sind ebenfalls berücksichtigt worden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Heinrich Dörner, für den ich während der Anfertigung der Dissertation als Wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeiten durfte. Er hat mich seit meinem Studium in vielfältiger Weise gefördert und erheblichen Einfluss auf mein Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten genommen. Zur Entstehung dieser Arbeit hat er mit Hinweisen zum Forschungsbedarf im IPR der Versicherungsvermittlung und der Gewährung größtmöglicher wissenschaftlicher Freiheit wesentlich beigetragen. Frau Professorin Dr. Petra Pohlmann danke ich herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich darüber hinaus bei Frau Professorin Dr. Bettina Heiderhoff sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die schöne Zeit, die ich an ihrem Lehrstuhl verbringen durfte. Der Deutschen Gesellschaft für Vertriebsrecht e.V. und der Studienstiftung ius vivum gebührt Dank für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. In Worten nicht zu danken ist meinen Eltern. Ihnen ist diese Arbeit daher gewidmet. Münster, im August 2019

Christian Rüsing

Inhaltsübersicht Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 A. Anlass der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 B. Gegenstand der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 C. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5

Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt: ökonomische und rechtliche Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 A. B. C. D.

Der Markt der Versicherungsvermittlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 Europarechtlicher Hintergrund: Versicherungsbinnenmarkt  . . . . . . . . .8 Grundlagen der Versicherungsvermittlung in den Mitgliedstaaten  . . . .13 Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 E. Die Entscheidung für eine Richtlinienumsetzung im Aufsichtsund/oder Privatrecht als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36

Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 A. Grundlagen des Internationalen Verwaltungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . .49 B. Vermittleraufsicht im Binnenmarkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54

Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 A. Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts?  . . . . . . .148 B. Internationales Privatrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155

VIII

Inhaltsübersicht

Ergebnisse der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355 Hinweis zu online abrufbaren Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .363 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .365 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .387

Inhaltsverzeichnis Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V Inhaltsübersicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 A. Anlass der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 B. Gegenstand der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 C. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5

Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt: ökonomische und rechtliche Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 A. Der Markt der Versicherungsvermittlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 B. Europarechtlicher Hintergrund: Versicherungsbinnenmarkt  . . . . . . . . .8 I. Grundfreiheiten als Basis des Binnenmarkts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 II. Richtlinien zum Betrieb von Versicherungsgeschäften  . . . . . . . . . . . . . . . .9 III. Maßnahmen im Bereich der Versicherungsvermittlung  . . . . . . . . . . . . . . . .10

C. Grundlagen der Versicherungsvermittlung in den Mitgliedstaaten  . . . .13 I. Der europäische „funktionale Vermittlerbegriff“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 II. Die Festlegung der Vermittlerkategorien im nationalen Recht: von klarer Polarisation zu flexiblen Übergängen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 1. Das deutsche Recht und das Polarisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 2. Kategorienbindung in anderen Mitgliedstaaten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 III. Die Vermittlervergütung als zentrale Besonderheit im Versicherungsmarkt  20 1. Dominanz des Provisionssystems in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 2. Besonderheiten in anderen Rechtsordnungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22

D. Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 I. Ziele und Anwendungsbereich der IDD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 II. Harmonisierte Mindestvorgaben für die Versicherungsvermittlung  . . . . . . .23 1. Geschützter Personenkreis: Verbraucher oder Kunden?  . . . . . . . . . . . . . .24

X

Inhaltsverzeichnis

2. Wohlverhaltensregeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 a) Allgemeine Informationspflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 b) Vertrieb ohne und mit Beratung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 c) Die Abgrenzung des Wunsch- und Bedürfnistests von der Beratung  . . 27 aa) Der Wunsch- und Bedürfnistest als Auswahlhilfe für Kunden  . . .27 bb) Die Beratung als individuelle Empfehlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 (1) Wann „erfolgt“ eine Beratung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 (2) Anforderungen an die „persönliche“ Empfehlung  . . . . . . . . .31 d) Weitergehende Pflichten bei Versicherungsanlageprodukten  . . . . . . . .32 e) Die Vermittlervergütung als zentraler Streitpunkt  . . . . . . . . . . . . . . . .33 III. Mindestharmonisierung, Flexibilitätsklauseln und Umsetzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34

E. Die Entscheidung für eine Richtlinienumsetzung im Aufsichtsund/oder Privatrecht als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 I. Vorgaben der IDD zur Art der Umsetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 II. Die Trennung von Gewerbe- und Privatrecht in Deutschland  . . . . . . . . . . .37 1. Die gewerberechtliche Um- und Durchsetzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 2. Die privatrechtliche Um- und ihre behördliche Durchsetzung  . . . . . . . . .41 III. Alternative Umsetzungslösungen in anderen Mitgliedstaaten  . . . . . . . . . . .44 IV. Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . .46

Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 A. Grundlagen des Internationalen Verwaltungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . .49 I. „Einseitigkeit“ des Internationalen Verwaltungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . .49 II. Zuweisung von Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen im Binnenmarkt: Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip  . . . . . . . . . . . . . . .51

B. Vermittleraufsicht im Binnenmarkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 I.

Die Verwirklichung des Herkunftslandprinzips bei der Zulassungsaufsicht  54 1. Eintragung im Herkunftsmitgliedstaat als Erstzulassung  . . . . . . . . . . . . .54 a) Natürliche Personen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 b) „Juristische Personen“ und Personengesellschaften  . . . . . . . . . . . . . . .56 aa) Vorgaben der IDD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 bb) Umsetzung im deutschen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 2. Aufnahme grenzüberschreitender Tätigkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .63 a) Relevante grenzüberschreitende Tätigkeit: Anknüpfungskriterien im Aufsichtsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 aa) Vorgaben der IDD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 (1) Niederlassungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 (2) Dienstleistungsverkehr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 (a) Aufenthaltsort des Kunden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68



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(b) Risikobelegenheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70 (c) Absicht zur grenzüberschreitenden Tätigkeit  . . . . . . . . . .71 (3) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 bb) Umsetzung im deutschen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 b) Notifikationsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 aa) Vorgaben der IDD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 bb) Umsetzung im deutschen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77 (1) Deutsche Vermittler im Ausland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77 (2) Ausländische Vermittler in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . .79 c) Sachkundenachweise und Fortbildungsverpflichtungen im grenzüberschreitenden Verkehr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 d) Bindung an Vermittlerkategorien? Oder: Versicherungsberatung durch agents généraux?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .81 aa) Vorgaben der IDD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .81 bb) Umsetzung im deutschen Recht: Anwendung des Polarisationsprinzips auf ausländische Vermittler?  . . . . . . . . . . . .84 e) Besonderheiten bei (gebundenen) Versicherungsvertretern  . . . . . . . . .86 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 II. Modifiziertes Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip bei der laufenden Aufsicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 1. Modifiziertes Herkunftslandprinzip bei Anwendung und Durchsetzung der IDD‑Mindestvorgaben im Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 a) Vorgaben der IDD: Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts des Herkunfts- und Aufnahmestaats  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89 aa) Kooperationsverfahren bei der Dienstleistungsfreiheit  . . . . . . . . .89 bb) Erweiterte Kompetenzen des Aufnahmestaats bei der Niederlassungsfreiheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 b) Umsetzung im deutschen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92 aa) Überwachung deutscher Vermittler im Ausland  . . . . . . . . . . . . . .92 bb) Überwachung ausländischer Vermittler in Deutschland  . . . . . . . .95 cc) Notwendigkeit einer effektiveren Vermittleraufsicht in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 2. Modifiziertes Bestimmungslandprinzip bei Anwendung und Durchsetzung strengerer Berufsausübungsregeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 a) Regelungskompetenzen zur Anwendung strengerer Berufsausübungsregeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 aa) Regelungskompetenz des Aufnahmemitgliedstaats  . . . . . . . . . . . 97 bb) Eingeschränkte Regelungskompetenz des Herkunftsmitgliedstaats  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 cc) Anwendung auf das deutsche Gewerberecht  . . . . . . . . . . . . . . . . .101 (1) Zwingende Informations- und Beratungspflichten  . . . . . . . . .101 (a) Anwendung auf ausländische Vermittler  . . . . . . . . . . . . . .102 (b) Anwendung auf deutsche Vermittler  . . . . . . . . . . . . . . . . .104

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(2) Sondervergütungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 (a) Generelle rechtliche Einwände gegen das Verbot  . . . . . . .107 (b) Anwendung auf ausländische Vermittler  . . . . . . . . . . . . . .108 (aa) Internationaler Anwendungsbereich des Sondervergütungsverbots nach nationalem Recht  . .108 (bb) Rechtfertigung des Verbots mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses?  . . . . . . . . . . . . . .109 (c) Anwendung auf deutsche Vermittler  . . . . . . . . . . . . . . . . .116 (3) Beschränkte Rechtsdienstleistungsbefugnisse und Sonderregeln für Versicherungsberater  . . . . . . . . . . . . . . . . . .117 (a) Rechtsdienstleistungen von Versicherungsmaklern und -beratern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117 (b) Tätigkeit ausländischer Vermittler „als“ Versicherungsberater?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 (c) Anwendbarkeit des Rechtsdienstleistungsgesetzes auf ausländische Vermittler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121 (d) Rechtsdienstleistungsbefugnisse ausländischer Vermittler  122 (aa) Von Vertragsvermittlung oder -betreuung losgelöste Beratungsleistungen und § 5 Abs. 1 RDG  123 (bb) Erfolgsunabhängige Beratungsvergütung und § 5 Abs. 1 RDG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124 (cc) Anwendung der Sonderbefugnisse für Versicherungsberater auf ausländische Vermittler (§ 3 RDG)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 (dd) Zwischenergebnis und Vereinbarkeit der Honorarberatungsgrenzen mit den Grundfreiheiten  .126 (e) Beschränkungen deutscher Versicherungsvermittler und -berater bei Auslandstätigkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . .127 (4) Schadensregulierungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 (a) Internationaler Anwendungsbereich des Verbots . . . . . . . .129 (b) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten  . . . . . . . . . . . . . . .130 (5) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 b) Durchsetzungskompetenz bei Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses und Missbrauchskontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134 3. Verschiebung der Regelungskompetenzen im elektronischen Geschäftsverkehr (E‑Commerce)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134 a) Dienst der Informationsgesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135 b) Koordinierter Bereich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 c) Ausnahmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 aa) Vertraglicher Verbraucherschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 bb) Schutzklauselverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .139 d) Anwendung auf deutsche Regulierungsbestimmungen  . . . . . . . . . . . .140 aa) Informationspflichten der VersVermV  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .140



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bb) Sondervergütungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 e) Zwischenergebnis zur E‑Commerce-Richtlinie  . . . . . . . . . . . . . . . . . .142 III. Zwischenergebnis: Vermittleraufsicht zwischen Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143

Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 A. Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts?  . . . . . . .148 I.

Privatrechtliche Richtlinienumsetzung aus Gründen der Effektivität und Äquivalenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .148 II. Hinweise zur privatrechtlichen Bedeutung der IDD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 III. Kompetenz zur Angleichung des Privatrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 IV. Zwischenergebnis: aufsichts- und privatrechtlich einheitliche Mindestvorgaben im Binnenmarkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155

B. Internationales Privatrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155 I. Grundlagen des (europäischen) privaten Kollisionsrechts  . . . . . . . . . . . . . .155 II. Anwendbarkeit der Rom I- und Rom II‑VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157 1. Relevanter grenzüberschreitender Bezug in Vermittlerkonstellationen  . .157 2. Haager Übereinkommen über Vermittlungsgeschäfte  . . . . . . . . . . . . . . .158 III. Reichweite des Versicherungsvertragsstatuts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .160 1. Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts auf andere Vermittlungsrechtsverhältnisse?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .160 2. Vermittlungsbezogene Rechtsfragen im Versicherungsvertragsstatut  . . .164 a) Zurechnung von Fehlverhalten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 b) Vertretungsmacht und Wissenszurechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165 3. Weiteres Vorgehen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167 IV. Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 1. Nationales Rechtsverständnis: Auswirkung der Vermittlerkategorie auf die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . .168 a) Versicherungsmakler, broker, courtier  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 aa) Der Versicherungsmaklervertrag und die Dominanz vertraglicher Haftung in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 bb) Maklerverträge und Anspruchskonkurrenz in anderen Staaten  . . .169 b) Versicherungsvertreter, insurance agent, agent général  . . . . . . . . . . .171 aa) Entwicklung vom Vertragsrecht zur culpa in contrahendo in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171 (1) Rechtsverhältnis vor Umsetzung der VermRL  . . . . . . . . . . . .171 (2) Rechtsverhältnis nach Umsetzung der VermRL  . . . . . . . . . . .173 (a) „Beratungspflichten“ zwischen Vertrag und Delikt  . . . . . .173 (b) Vergleich mit anderen Handelsvertretern  . . . . . . . . . . . . .174 (c) „Anlageberatung“ durch Versicherungsvertreter  . . . . . . . .175

XIV

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(d) Kritik an den uneinheitlichen dogmatischen Grundlagen der Vertreterhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 bb) Österreich: Versicherungsagent  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180 (1) Grundsatz: kein Vertragsverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180 (2) Ausnahmen: Mehrfachagenten und andere Vermittler  . . . . . .182 cc) Frankreich: agent général  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183 (1) Grundsatz: kein Vertragsverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183 (2) „Ausnahme“: mandat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .184 dd) Haftung der insurance agents im common law  . . . . . . . . . . . . . . .187 (1) England: Anspruchskonkurrenz von Vertrags- und Deliktsrecht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187 (2) Vertrags- und Deliktsrechtliche Haftung der agents in den USA  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 (a) Reichweite der Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 (b) Dogmatische Herleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .190 c) Ergebnis der Rechtsvergleichung: Vertreterhaftung zwischen Vertrag und Delikt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Kollisionsrechtliche Anknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193 a) Anwendbarkeit vertraglicher oder außervertraglicher Kollisionsnormen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .194 aa) Abgrenzung nach nationalen Vermittlerkategorien?  . . . . . . . . . . .194 (1) Versicherungsmakler = Rom I‑VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 (2) Versicherungsvertreter = Rom II‑VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 (a) Anwendung des Art. 12 Rom II‑VO und kritische Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 (aa) Art. 12 Abs. 2 Rom II‑VO und der Ort des Schadenseintritts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .196 (bb) Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts (Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. c Rom II‑VO)?  . . . . .200 (cc) Zwischenergebnis: Interessenwidrigkeit des Art. 12 Rom II‑VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201 (b) Art. 12 Abs. 2 Rom II‑VO als Spezialregelung der Sachwalterhaftung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201 (c) Zwischenergebnis: keine Spezialregelung der Vermittlerhaftung in Art. 12 Rom II‑VO  . . . . . . . . . . . . . .202 bb) Alternative Vorschläge zur Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 cc) Eigener Vorschlag: Abgrenzung der Rom I- und Rom II‑VO nach autonomen Kriterien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204 (1) Vertragsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .205 (a) Definitionselemente: die Formel der freiwillig eingegangenen rechtlichen Verpflichtung  . . . . . . . . . . . . .205 (b) Konkludent begründete Verträge und vertragsähnliche Vertrauensbeziehungen im europäischen Recht  . . . . . . . .206



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XV

(aa) Autonomes Vertragsschlussrecht im IZVR  . . . . . . . .206 (bb) Art. 10 Rom I‑VO und der Rechtsbindungswille im nationalen Vertragsschlussrecht  . . . . . . . . . . . . . .208 (cc) Zwischenergebnis: autonome Kriterien für konkludent begründete vertragliche Schuldverhältnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210 (c) Präzisierung des Vertragsbegriffs für Vermittlungsrechtsverhältnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .210 (aa) Teleologisch-funktionaler Ansatz: Rückgriff auf die Prinzipien der Rom I- und Rom II‑VO  . . . . . . . .210 (bb) Anwendung bei Versicherungsvermittlern  . . . . . . . .212 (d) Zwischenergebnis: Vermittlungsverträge zwischen allen Versicherungsvermittlern und Kunden  . . . . . . . . . . . . . . .215 (2) Verhältnis von Vertrag und Delikt bei Anspruchskonkurrenz im nationalen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215 (a) Das Alternativverhältnis von Vertrag und Delikt im Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .216 (b) Übertragbarkeit auf das Kollisionsrecht und Anwendung auf Versicherungsvermittler  . . . . . . . . . . . . .218 (c) Hinreichender Vertragsbezug von Pflichtverletzungen  . . .222 (aa) Allgemeiner Vertragsbezug oder Äquivalenzinteresse?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .222 (bb) Anwendung auf die Versicherungsvermittlerhaftung  224 dd) Zwischenergebnis: einheitlich vertragliche Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 ee) Übertragung des Ergebnisses auf die Anscheinsmakler- und Anscheinsagentenhaftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .226 b) Anknüpfung des Vermittlungsvertrags nach der Rom I‑VO  . . . . . . . .227 aa) Regelanknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227 (1) Grundsatz: kollisionsrechtlicher Schutz der Vermittler, insbesondere bei Unternehmergeschäften  . . . . . . . . . . . . . . . .227 (2) Kollisionsrechtlicher Schutz von Verbrauchern i. e. S. über Art. 6 Rom I‑VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 (a) Situativer Anwendungsbereich (Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO)  230 (b) Ausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO  . . . . . . . . . . .231 (3) Zwischenergebnis: unterschiedlicher kollisionsrechtlicher Schutz von Unternehmern und Verbrauchern  . . . . . . . . . . . . .232 (4) Reichweite des Vermittlungsvertragsstatuts  . . . . . . . . . . . . . .233 bb) Akzessorische Anknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .234 (1) Anwendbarkeit der Ausweichklausel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .235 (2) Akzessorische Anknüpfung und Parteiidentität  . . . . . . . . . . . .236 (3) Kollisionsrechtliche Interessen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237 (a) Konsistenzinteresse bzw. innerer Entscheidungseinklang  . 238 (aa) Allgemeine Normwidersprüche  . . . . . . . . . . . . . . . .239

XVI

Inhaltsverzeichnis

(bb) Abhängigkeit des Provisionsanspruchs vom Hauptvertrag bei Nettopolicen  . . . . . . . . . . . . . . . . .242 (b) Kontinuitätsinteresse und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .245 (c) Allgemeine Parteiinteressen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .246 (d) Enge Beziehung in Vermittlungsverhältnissen als ausreichendes Kriterium?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .249 (4) Zwischenergebnis: begrenzte Möglichkeiten einer akzessorischen Anknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .250 c) Zwischenergebnis: über die Rom I‑VO anwendbares Privatrecht und Vergleich zum Aufsichtsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .251 d) Koordinierung von Aufsichts- und Privatrecht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 aa) Das Verhältnis von Internationalem Verwaltungs- und Privatrecht im Allgemeinen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 bb) Einfluss europarechtlicher Regelungskompetenzen auf das IPR: Vorrang des Aufsichtsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254 (1) „Primärrechtliches Herkunftslandprinzip“  . . . . . . . . . . . . . . .254 (2) Sekundärrechtliches Herkunfts- oder Bestimmungslandprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .255 (3) Zwischenergebnis: kein genereller Gleichlauf aufsichtsund privatrechtlicher Wohlverhaltensregeln  . . . . . . . . . . . . . .260 cc) Die kollisionsrechtliche Bedeutung der IDD‑Flexibilitätsklauseln im IPR  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .260 (1) Strengere Wohlverhaltensregeln als Eingriffsnormen?  . . . . . .261 (2) Flexibilitätsklauseln als Sonderkollisionsrecht zur Berufung strengeren Aufnahmestaatenrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .264 (a) Rechtsanwendungsbefehl für das Privatrecht?  . . . . . . . . .264 (b) Verdrängung des Herkunftslandrechts?  . . . . . . . . . . . . . . .266 (c) Umkehrschluss für andere Sachverhalte?  . . . . . . . . . . . . .267 (d) Sonderkollisionsrechtliche Aussagen der Flexibilitätsklauseln und ihre Primärrechtskonformität  . .268 (e) Anwendung oder Berücksichtigung strengeren Vermittlerprivatrechts bei fehlender Umsetzung der Flexibilitätsklauseln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270 dd) Zwischenergebnis: aufsichts- und privatrechtliche Verhaltensanforderungen an Versicherungsvermittler  . . . . . . . . . .273 (1) Die sonderkollisionsrechtliche Annäherung von Internationalem Aufsichts- und Privatrecht im Bereich der Versicherungsvermittlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 (2) Folgerungen für die allgemeine Diskussion zum Verhältnis des Internationalen Verwaltungsrechts zum IPR  . . . . . . . . . . .275 e) Privatrechtliche Wohlverhaltensregeln und Allgemeininteresse  . . . . .276 f) Anwendbarkeit des deutschen Vermittlerprivatrechts  . . . . . . . . . . . . .277 aa) § 61 VVG als Kernbereich des Vermittlerprivatrechts  . . . . . . . . .277



Inhaltsverzeichnis

XVII

(1) Pflichtenkreise des § 61 VVG und ihre Abdingbarkeit  . . . . . .277 (2) Anwendbarkeit im grenzüberschreitenden Verkehr . . . . . . . . .278 (3) Rechtfertigung des § 61 VVG mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .279 bb) Privatrechtliche Reichweite des Sondervergütungsverbots  . . . . . .280 g) E‑Commerce-Richtlinie, Verbraucherschutz und Rechtswahl  . . . . . . .281 3. Zwischenergebnis: das auf den Vermittlungsvertrag anwendbare Recht  .282 V. Rechtsverhältnis der Vermittler zu Versicherern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .283 1. Nationales Rechtsverständnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .284 a) Versicherungsvertreter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .284 b) Versicherungsmakler, broker, courtier  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .284 aa) Deutsches Recht im Grenzbereich von Vertrag und Delikt  . . . . . .285 (1) Der Makler im „Doppelrechtsverhältnis“  . . . . . . . . . . . . . . . .285 (2) Das allgemeine Handelsmaklerrecht als Grundlage für das Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .287 (3) Anwendung auf den Versicherungsmakler und Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 (a) § 98 HGB und Rücksichtnahmepflichten  . . . . . . . . . . . . .290 (b) § 99 HGB und Courtageansprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . .292 (c) §§ 98, 99 HGB als handelsrechtliche Sonderbeziehung  . .293 (4) Wesen und Funktion der Rechte und Pflichten  . . . . . . . . . . . .294 bb) Maklervertragliche Beziehungen in Österreich  . . . . . . . . . . . . . . .295 cc) Frankreich: Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Deliktsrecht?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .296 (1) Bedeutung und Inhalt der Usages  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .296 (2) Tendenz zur deliktischen Haftung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .297 dd) England  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .300 (1) Courtage- und Prämienanspruch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .300 (a) Versicherer als (vertragliche) Courtageschuldner  . . . . . . .300 (b) Makler als Prämienschuldner im Seeversicherungsrecht  .302 (2) Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten aus implied contracts und voluntary assumption of responsibility  . . . . . . .304 ee) Ergebnis der Rechtsvergleichung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .309 2. Kollisionsrechtliche Anknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .310 a) Anwendbarkeit vertraglicher oder außervertraglicher Kollisionsnormen?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .311 aa) Bisheriger Diskussionsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .311 bb) Kritische Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .312 cc) Zwischenergebnis: überwiegend vertragliche Qualifikation  . . . . .315 b) Anknüpfung des Handelsvertretervertrags und des Kooperations-, Rahmen- bzw. Maklervertrags  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 aa) Regelanknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 (1) Subjektive Anknüpfung und die Reichweite einer Rechtswahl im Versicherungsvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315

XVIII

Inhaltsverzeichnis

(2) Objektive Anknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .318 bb) Akzessorische Anknüpfung bei objektiver Anknüpfung  . . . . . . . .319 (1) Konsistenzinteresse bzw. innerer Entscheidungseinklang . . . .320 (a) Koordinierung mit dem Versicherungsvertragsstatut? . . . .320 (aa) Zusammenhang des Provisions- bzw. Courtageanspruchs mit dem Versicherungsvertrag  . . 320 (bb) Prämienschuldnerschaft des Maklers  . . . . . . . . . . . .323 (b) Koordinierung mit dem Vermittlungsvertragsstatut? . . . . .325 (aa) Konsistente Rücksichtnahme- und Interessenwahrungspflichten im Doppelrechtsverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .325 (bb) Abgestimmte Regelungen zur Provisions- und Courtageschuldnerschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .327 (c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .330 (2) Kontinuitätsinteresse, Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts und allgemeine Parteiinteressen  . . . . . . . . . . . . . . . . .330 (3) Zwischenergebnis: enge Grenzen für eine akzessorische Anknüpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .332 c) Die Anwendung von Handelsbräuchen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .333 d) International zwingendes Handelsvertreterrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . .340 aa) Ausgleichsanspruch der Handelsvertreter im deutschen Recht . . .340 bb) International zwingende Durchsetzung des Warenhandelsvertreterrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .343 cc) § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 HGB als Eingriffsnorm?  . . . . . . . . . .344 3. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .353

Ergebnisse der Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355 Hinweis zu online abrufbaren Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .363 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .365 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .387

Abkürzungsverzeichnis 4th Cir. United States Court of Appeals for the Fourth Circuit A. 2d Atlantic Reporter, 2nd Series a. A. andere(r) Ansicht/Auffassung ABl. Amtsblatt Abs. Absatz A. C. Appeal Cases (Law Reports England & Wales) AcP Archiv für die civilistische Praxis ACPR Autorité de contrôle prudentiel et de résolution AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen al. alinéa (Absatz) allg. allgemein ÄndRL Änderungsrichtlinie Anh. Anhang AöR Archiv des öffentlichen Rechts App. Ct. Appellate Court Ariz. L. Rev. Arizona Law Review Art. Artikel Aufl. Auflage ausf. ausführlich AVB Allgemeine Versicherungsbedingungen BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAV Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen BB Betriebs-Berater B. & C. Barnewall & Cresswell’s King’s Bench Reports B. C. C. British Company Law Cases (Law Reports) BeckRS Beck online Rechtsprechung Begr. Begründer, Begründung Beschl. Beschluss betr. betreffend BFH Bundesfinanzhof BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BlgNR Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats (Österreich) BörsG Börsengesetz

XX

Abkürzungsverzeichnis

BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BRat Bundesrat BRD Bundesrepublik Deutschland BR‑Drs. Bundesrats-Drucksache BReg Bundesregierung bspw. beispielsweise BT‑Drs. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. beziehungsweise C. ass. Code des assurances CA Cour d’appel Cal.Rptr. California Reporter Cal.Rptr.2d California Reporter, 2nd Series CanLII Canadian Legal Information Institute Cour de cassation, première/deuxième chambre civile Cass. civ. 1re/2e Cass. com. Cour de cassation, chambre civile, section commerciale C. civ. Code civil CDT Cuadernos de Derecho Transnacional CEIOPS Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) Ch Chancery Division (in: EWHC) Ch. D. Chancery Division (Law Reports) COBS Conduct of business sourcebook (in: FCA Handbook) Com. Cas. Commercial Cases (Law Reports) Comm Commercial Court (in: EWHC) Ct. App. Court of Appeal(s) D. Recueil Dalloz DB Der Betrieb D. Ct. App. District Court of Appeal DeckRV Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen (Deckungsrückstellungsverordnung) ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag Diss. Dissertation doctr. doctrine (in: La Gazette du Palais) DÖV Die öffentliche Verwaltung Drake L. Rev. Drake Law Review DVO Delegierte Verordnung ECRL Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der



Abkürzungsverzeichnis

XXI

Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (E‑Commerce-RL) EFTA European Free Trade Association (Europäische Freihandelsassoziation) EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einl. Einleitung EIOPA European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) ErlRV Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Österreich) ErwG Erwägungsgrund EU Europäische Union EuCML Journal of European Consumer and Market Law EuGH Europäischer Gerichtshof EU‑GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union EuGVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen EuGVVO Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – VO (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I‑VO) – VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-VO) EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht EWCA Civ Neutral Citation Number für Entscheidungen des England and Wales Court of Appeal (Civil Division) EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWHC Neutral Citation Number für Entscheidungen des England and Wales High Court EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWR Europäischer Wirtschaftsraum EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht EWSA Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss f., ff. folgende F. 2d Federal Reporter, 2nd Series FCA Financial Conduct Authority Fn. Fußnote FS Festschrift F. Supp. Federal Supplement (Law Reports USA) GA Generalanwalt Gaz. Pal. La Gazette du Palais GB Geschäftsbericht

XXII GewArch

Abkürzungsverzeichnis

Gewerbearchiv – Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschafts­ verwaltungsrecht GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls ggü. gegenüber GP Gesetzgebungsperiode (Österreich) GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Int Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – International GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Hamline L. Rev. Hamline Law Review HGB Handelsgesetzbuch HL House of Lords h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber ICJ Reports International Court of Justice Reports ICOBS Insurance: Conduct of business sourcebook (in: FCA Handbook) IDD Insurance Distribution Directive (Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb) i. d. F. in der Fassung i. E. im Ergebnis IEHC Neutral Citation Number für Entscheidungen des High Court of Ireland i. e. S. im engeren Sinn IGH Internationaler Gerichtshof IGVM Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e. V. IHK Industrie- und Handelskammer IHR Internationales Handelsrecht i. H. v. in Höhe von insb. insbesondere Ins. L. J. Insurance Law Journal InsO Insolvenzordnung IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRspr. Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts IR Informations rapides (in: Recueil Dalloz) i. R. d. im Rahmen des/r i. S. d. im Sinne des/r i. S. e. im Sinne eine(s/r) i. S. v. im Sinne von IStR Internationales Steuerrecht i. Ü. im Übrigen i. V. m. in Verbindung mit IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht J. Judge



Abkürzungsverzeichnis

XXIII

JA Juristische Arbeitsblätter JBl. Juristische Blätter JCP Juris-Classeur périodique (La Semaine Juridique) JPIL Journal of Private International Law JR Juristische Rundschau JURA Juristische Ausbildung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung K. B. King’s Bench Law Reports KG Kammergericht, Kommanditgesellschaft krit. kritisch LG Landgericht lit. litera (Buchstabe) Lit. Literatur L. J. Lord Judge Lloyd’s Law Rep. Lloyd’s Law Report Lloyd’s List Law Rep. Lloyd’s List Law Report LMCLQ Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly LVwG Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-­ Holstein (Landesverwaltungsgesetz) MaklerG Maklergesetz (Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Makler), Österreich m. ausf. N. mit ausführlichen Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MIA Marine Insurance Act 1906 MiFID Richtlinie 2004/39/EG vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente MiFID II Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente Minn. Minnesota (Reporter) MMR MultiMedia und Recht MMR‑Beil. MultiMedia und Recht – Beilage m. w. N. mit weiteren Nachweisen n° numéro N. E. North Eastern Reporter N. E. 2d North Eastern Reporter, 2nd Series n. F. neue Fassung NIPR Nederlands Internationaal Privaatrecht NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW‑RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report no. numero Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NVersZ Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ‑RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-­ Report N. W. North Western Reporter

XXIV N. W. 2d NWVBl. N. Y. S. 2d NZG OBG

Abkürzungsverzeichnis

North Western Reporter, 2nd Series Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter New York Supplement, 2nd Series Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz) o. g. oben genannte(r/s) öGewO Gewerbeordnung (Österreich) OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OHG Offene Handelsgesellschaft Ohio N. U. L. Rev. Ohio Northern University Law Review ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OLG Oberlandesgericht OLGRspr. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts O. R. Ontario Reports (Kanada) OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten P. 2d Pacific Reporter, 2nd Series P. 3d Pacific Reporter, 3rd Series pan. jur. panorama de jurisprudence (in: La Gazette du Palais) par. paragraph PERG The Perimeter Guidance Manual (in: FCA Handbook) QB Queen’s Bench Division (in: EWHC) Q. B. Queen’s Bench Law Reports r+s Recht und Schaden RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RCA Revue Responsabilité civile et assurances RDG Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen RdW Österreichisches Recht der Wirtschaft RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGAT Revue générale des assurances terrestres RGDA Revue générale de droit des assurances RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft RL Richtlinie Rn. Randnummer ROHG Reichsoberhandelsgericht ROHGE Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts RRa ReiseRecht aktuell Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung S. Satz, Seite S. C. R. Supreme Court Reports (Kanada) S. E. South Eastern Reporter S. E. 2d South Eastern Reporter, 2nd Series



Slg.

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XXV

Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz S. L. T. Scots Law Times So.2d Southern Reporter, 2nd Series sog. sogenannt StAZ Das Standesamt (Zeitschrift) Sten. Ber. Stenographische Berichte Deutscher Bundestag str. streitig, strittig st. Rspr. ständige Rechtsprechung sublit. sublitera (Unterbuchstabe) subpar. subparagraph SUP Supervision (in: FCA Handbook) Sup. Ct. Superior Court Supr. Jud. Ct. Supreme Judicial Court S. W. 2d South Western Reporter, 2nd Series SWD Staff Working Document (EU‑Kommission) TGI Tribunal de grande instance T. L. R. The Times Law Report TMG Telemediengesetz Tort Trial & Tort Trial and Insurance Practice Law Journal  Ins. Prac. L. J. u. a. unter anderem/und andere UAbs. Unterabsatz UK United Kingdom UKlaG Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz) Urt. Urteil US D. C. United States District Court u. U. unter Umständen UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. vom/von/versus VAG Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review VerAfP Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für die Privat­ versicherung VerBAV Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für Versicherungswesen verb. Rs. verbundene Rechtssachen Verf. Verfasser VermRL Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung VersR Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, ­Haftungs- und Schadensrecht VersVerm VersicherungsVermittlung (Verbandszeitschrift) VersVermV Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (Versicherungsvermittlungsverordnung) VersVG Bundesgesetz vom 2. Dezember 1958 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz), Österreich

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche VO Verordnung Vol. Volume VP Die Versicherungspraxis VR Die Versicherungsrundschau VuR Verbraucher und Recht VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) VW Versicherungswirtschaft VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz wbl. Wirtschaftsrechtliche Blätter W. L. R. Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Yale L. J. Yale Law Journal z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZFR Zeitschrift für Finanzmarktrecht ZfS Zeitschrift für Schadensrecht ZfV Zeitschrift für Versicherungswesen ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht z. T. zum Teil ZVersWiss Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft ZVertriebsR Zeitschrift für Vertriebsrecht ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZWE Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung Während der Europäische Binnenmarkt in vielen Sektoren verwirklicht ist und Waren und Dienstleistungen wie selbstverständlich grenzüberschreitend vertrie‑ ben werden, sind die Versicherungsmärkte in der EU – vor allem im Massenrisi‑ kengeschäft – weiterhin national geprägt. Weder erwerben Versicherungsneh‑ mer in bedeutendem Maße Versicherungsprodukte ausländischer Versicherer1 noch werden Vermittler häufig in anderen Staaten aktiv2.

A.  Anlass der Arbeit Die europäischen Institutionen versuchen seit langem, diesen Zustand zu ver‑ ändern und einen Europäischen Versicherungsbinnenmarkt Realität werden zu lassen. Legislatorisch legten sie zunächst einen Schwerpunkt darauf, Versiche‑ rungsunternehmen den Geschäftsbetrieb in anderen Mitgliedstaaten zu erleich‑ tern. Begleitet wurde dieser Prozess von umfangreichen rechtswissenschaft‑ lichen Arbeiten zum Internationalen Versicherungsaufsichtsrecht sowie zum Internationalen Privatrecht (IPR) der Versicherungsverträge.3 Er mündete in der Solvency II‑RL4 und Art. 7 Rom I‑VO5, die wissenschaftlich bereits ausführlich untersucht wurden.6 1  Siehe nur m. w. N. Kommission, Final Report of the Commission Expert Group on Euro‑ pean Insurance Contract Law, S. 10 f. (abrufbar unter ); Basedow, in: Reichert-Facilides/Schnyder, Versicherungsrecht in Europa, S. 13 (17 ff.); Loacker, VersR 2009, 289. 2  Beenken/Sandkühler, Versicherungsvertriebsrecht, S.  32  f. Statistiken zum Umfang grenzüberschreitender Vermittlungsaktivitäten im Binnenmarkt existieren, soweit ersicht‑ lich, nicht. EIOPA hat im Jahr 2018 einen Bericht zur Struktur der Versicherungsvermittlungs‑ märkte in der EU veröffentlicht (EIOPA, Insurance Distibution Directive – Evaluation of the Structure of Insurance Intermediaries Markets in Europe). Dieser gibt lediglich an, wie viele Vermittler ihrer zuständigen Behörde die Absicht mitgeteilt haben, im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr in anderen Staaten tätig zu werden. Die Zahl dieser Notifikationen sei von 2013–2017 leicht gestiegen und sie beträfen vor allem Tätigkeiten in Nachbarstaaten (S. 6, 28 ff., 39 f.). Vgl. zum Bericht auch die Anmerkungen unten auf S. 361. 3  Siehe monographisch nur Müller, Versicherungsbinnenmarkt; Roth, Internationales Ver‑ sicherungsvertragsrecht. 4  Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungs‑

2

Einleitung

Vergleichsweise spät gerieten hingegen Vermittler in den Blickwinkel der europäischen Institutionen. Man erkannte schließlich, dass der grenzüberschrei‑ tende Vertrieb von Versicherungsprodukten nicht nur davon abhängt, dass Ver‑ sicherungsunternehmen die Grundfreiheiten nutzen können, sondern dass zu‑ gleich Mittelspersonen, die den Kontakt zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern herstellen, eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung des Binnenmarkts spielen. Folglich erleichterte man auch ihnen grenzüberschrei‑ tende Tätigkeiten. Die dazu zunächst erlassene Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versiche‑ rungsvermittlung7 (VermRL) wurde im Jahr 2016 durch die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb8 (IDD) ersetzt, welche bis zum 1.7.2018 in den Mitglied‑ staaten umzusetzen war.9 Beide Rechtsakte haben ein Mindestschutzniveau für Kunden von Versicherungsvermittlern im Binnenmarkt etabliert. Trotz der da‑ durch erfolgten Harmonisierung unterscheiden sich die Vermittlerrechte der Mitgliedstaaten weiterhin. Zum einen berichtet die Praxis, dass die europäi‑ schen Mindestvorgaben nicht einheitlich im Aufsichts- oder Privatrecht um‑ gesetzt wurden. Zum anderen gehen die Mitgliedstaaten zum Teil über das Mindestschutzniveau des europäischen Rechts hinaus. Vermittler im Dienst‑ leistungs- oder Niederlassungsverkehr müssen somit weiterhin wissen, welche rechtlichen Vorgaben sie zu beachten haben. Schon im Jahr 2002 stellte die Kommission10 fest, dass die Unsicherheit über rechtliche Rahmenbedingungen ein erhebliches Hindernis für grenzüber‑ schreitende Vermittlungsaktivitäten darstellt. Diese Unsicherheit scheint selbst durch die VermRL und die IDD nicht vollkommen beseitigt. Während Ver‑ sicherungsunternehmen durch Regelungen zum Internationalen Aufsichtsrecht in den Art. 145 ff. Solvency II‑RL und den §§ 57–66 VAG sowie zum IPR in Art. 7 Rom I‑VO eine relativ klare Orientierung für grenzüberschreitende Sach‑ verhalte erhalten, sind im Internationalen Vermittlerrecht noch viele Fragen un‑ geklärt. Die Art. 4 ff. IDD enthalten lediglich Sonderregeln zur internationalen tätigkeit, ABl. L 335 v. 17.12.2009, S. 1; zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndRL (EU) 2018/843 vom 30.5.2018, ABl. L 156 v. 19.6.2018, S. 43. 5  Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 v. 4.7.2008, S. 6; berichtigt in ABl. L 309 v. 24.11.2009, S. 87. 6 Zuletzt Platzer, Versicherungsaufsicht; Sala, Internationales Versicherungsvertragsrecht. 7  ABl. L 9 v. 15.1.2003, S. 3. 8  ABl. L 26 v. 2.2.2016, S. 19; zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL (EU) 2018/411 vom 14.3.2018, ABl. L 76 v. 19.3.2018, S. 28. 9 Vgl. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2018/411 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/97 im Hinblick auf den Gel‑ tungsbeginn der Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten, ABl. L 76 v. 19.3.2018, S. 28. Das Umsetzungsrecht ist danach ab dem 1.10.2018 anzuwenden. 10  KOM(2000) 511 endg., S. 4.



B.  Gegenstand der Arbeit

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Verwaltungszusammenarbeit. Weder enthält das deutsche Vermittlerrecht eine (§ 62 VAG vergleichbare) Regelung, welche aufsichtsrechtlichen Vorgaben in grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung finden, noch stellt das euro‑ päische IPR explizit Kollisionsnormen zur Versicherungsvermittlung bereit. Infolgedessen zeigten sich vor allem bei Diskussionen zur IDD‑Umsetzung Missverständnisse über die Behandlung internationaler Sachverhalte. Beliebt war die Argumentation, die Einführung regulatorischer Vorgaben diskrimi‑ niere inländische Vermittler gegenüber ausländischen, weil diese lediglich an ihr Heimatrecht gebunden seien.11 Pauschal verwies man auf ein europarecht‑ liches „Herkunftslandprinzip“, ohne zwischen Aufsichts- und Privatrecht zu unterscheiden. Im Aufsichtsrecht unterschied man schließlich nicht zwischen dem Anwendungsbereich nationaler Normen und den europarechtlichen Gren‑ zen extraterritorialer Rechtsanwendung. Das dürfte unter anderem daran liegen, dass bislang weder die Internationale Vermittleraufsicht noch das IPR der Ver‑ sicherungsvermittlung wissenschaftlich näher untersucht wurden. Diese Lücke soll die vorliegende Arbeit schließen.

B.  Gegenstand der Arbeit Sie befasst sich mit Rechtsfragen der grenzüberschreitenden Versicherungsver‑ mittlung im Binnenmarkt. Unter Versicherungsvermittlung soll – vorbehaltlich einer genaueren Definition  – der Vertrieb von Versicherungsprodukten durch selbständige Mittelspersonen an Versicherungsnehmer verstanden werden. Hierbei sind Versicherungsnehmer, Versicherer und Vermittler wie in jedem Drei-Personen-Verhältnis durch drei Rechtsverhältnisse verbunden: Sowohl im Verhältnis zum Versicherer als auch im Verhältnis zum Versicherungsnehmer ist die Tätigkeit der Vermittler darauf gerichtet, ein Versicherungsvertragsver‑ hältnis zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern zustande zu bringen. Grenzüberschreitende Bezüge erhalten Vermittlungsverhältnisse, wenn eines der Rechtsverhältnisse einen Bezug zum Ausland hat. Das ist vor allem der Fall, wenn eine der drei Parteien ihren Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als die übrigen hat, wenn also beispielsweise ein Vermitt‑ ler einem ausländischen Kunden eine Versicherung vermitteln will oder wenn er für einen ausländischen Versicherer Produkte vertreibt. Schließlich können sich Auslandsbezüge daraus ergeben, dass Risiken versichert werden sollen, die in anderen Staaten belegen sind. In all diesen Fällen muss geklärt werden, 11  Vgl. als veröffentlichtes Beispiel nur die Stellungnahme des DIHK vom 12.12.2016 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97, S. 6 f. (abrufbar unter ).

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Einleitung

welches Aufsichts- und Privatrecht in den einzelnen Beziehungen Anwendung findet. Da derartige Fragen in Bezug auf das Versicherungsvertragsverhältnis wissenschaftlich bereits ausführlich untersucht wurden,12 soll diese Arbeit sich auf die beiden übrigen Vermittlungsrechtsverhältnisse konzentrieren. Es soll er‑ mittelt werden, welches Aufsichts- und Privatrecht im Verhältnis der Vermittler zu ihren Kunden und zu den Versicherern Anwendung findet. Die Ausweitung des Untersuchungsgegenstands auf Aufsichts- und Privatrecht folgt daraus, dass Wohlverhaltensregeln wie Informations- oder Beratungspflichten mittlerwei‑ le häufig sowohl privat- als auch öffentlich-rechtlich durchgesetzt werden,13 sodass die klare Trennung von Öffentlichem Recht und Privatrecht mehr und mehr aufzubrechen scheint. Untersuchungen zum anwendbaren Recht, die sich auf eines der Rechtsgebiete beschränken, bergen daher stets die Gefahr, Wech‑ selwirkungen und Widersprüche zu übersehen. Ferner berichtet die Praxis ge‑ rade im Bereich der Versicherungsvermittlung über Unsicherheiten in interna‑ tionalen Sachverhalten, da europäisches und strengeres nationales Recht nicht einheitlich im Aufsichts- oder Privatrecht der Mitgliedstaaten umgesetzt wurde. Die Untersuchung befasst sich ausschließlich mit Binnenmarktsachverhal‑ ten, d. h. grenzüberschreitenden Aktivitäten in der EU bzw. dem EWR14 ohne Bezug zu Drittstaaten, wenngleich grundlegende Ergebnisse zum IPR auch auf Drittstaatensachverhalte übertragen werden können. Sie geht auf etwaige Be‑ sonderheiten der Rückversicherungsvermittlung nicht ein. Schließlich verfolgt sie nicht das Ziel, die Wohlverhaltensregeln und Vermittlerrechte verschiedener Mitgliedstaaten umfassend zu vergleichen. Rechtsvergleichende Untersuchun‑ gen sollen nur genutzt werden, soweit sie zur Erläuterung der internationalen Verwaltungszusammenarbeit oder zur autonomen Interpretation europäischen Rechts erforderlich sind. Als Vergleichsrechtsordnungen werden die öster‑ reichische, die französische und die englische herangezogen. Das englische Rechtssystem soll berücksichtigt werden, da es trotz des Brexits als common law-Rechtsordnung Einfluss auf die Entwicklung europäischen Rechts genom‑ men hat. Sollte das ausgehandelte Austrittsabkommen15 noch in Kraft treten, gilt ferner bis zum 31.12.2020 im Rechtsverkehr zwischen der EU und dem 12  Vgl. zum IPR nur Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht; Sala, Internationa‑ les Versicherungsvertragsrecht und die umfangreiche Kommentarliteratur zu Art. 7 Rom I‑VO sowie zum Versicherungsaufsichtsrecht nur Müller, Versicherungsbinnenmarkt; Platzer, Ver‑ sicherungsaufsicht; Schnyder, Versicherungsaufsicht sowie die Kommentarliteratur zu den §§ 57 ff. VAG. 13 Zum (verstärkten) private enforcement siehe nur ausf. Poelzig, Normdurchsetzung sowie Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 6. 14  Der Europäische Wirtschaftsraum besteht aus der EU, den EU‑Mitgliedstaaten sowie den EFTA‑Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen. Soweit im Rahmen dieser Arbeit von der EU bzw. von den Mitgliedstaaten der EU die Rede ist, sind grundsätzlich auch die übrigen Vertragsstaaten des EWR gemeint. 15 Draft Agreement on the withdrawal of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland from the European Union and the European Atomic Energy Community v.



C.  Gang und Ziel der Untersuchung

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Vereinigten Königreich noch die vereinheitlichte Aufsicht. Verweise auf auslän‑ disches Recht berücksichtigen bereits die jeweils aus der Umsetzung der IDD folgenden Änderungen.16 Gleiches gilt für Verweise im deutschen Recht auf das VVG, die GewO und die VersVermV.17

C.  Gang und Ziel der Untersuchung Nach einer Einführung in die Grundlagen der Versicherungsvermittlung werden zunächst die europäischen Mindestvorgaben vorgestellt, die europaweit einheit‑ lich für Versicherungsvermittler gelten. Vor kollisionsrechtlichen Überlegungen soll untersucht werden, inwieweit die Mitgliedstaaten diese Bestimmungen im Aufsichts- und/oder Privatrecht umgesetzt haben. Exemplarisch soll ferner dar‑ gestellt werden, inwieweit Mitgliedstaaten über das vereinheitlichte Recht hi‑ nausgehen können. Ausgehend davon soll ermittelt werden, welches Recht die Aufnahme und Ausübung grenzüberschreitender Tätigkeiten reguliert. Der Gang der Untersuchung orientiert sich dabei vor allem an den Über‑ legungen, die Versicherungsvermittler anstellen müssen, wenn sie eine Tätig‑ keit mit Auslandsbezug planen: In aufsichtsrechtlicher Hinsicht müssen sie wissen, in welchem Staat sie eine Zulassung benötigen und unter welchen Be‑ dingungen sie grenzüberschreitend tätig werden dürfen. Eng damit zusammen hängt die Frage, welche behördlich durchsetzbaren Vorschriften sie beachten müssen. Wirkt sich ihre Leistung auf andere Staaten aus, müssen sie wissen, ob ihr Herkunftsstaat ihre Tätigkeit reguliert und überwacht oder ob Behörden des Bestimmungs- bzw. Aufnahmestaats Vorgaben durchsetzen. Die Untersuchung 14.11.2018 (). 16 In Frankreich wurde die IDD mit der Ordonnance n° 2018-361 du 16 mai 2018 re‑ lative à la distribution d’assurances (Journal Officiel de la République Française du 17 mai 2018, Texte 29 sur 147) und dem Décret n° 2018-431 du 1er juin 2018 relatif à la distribu‑ tion d’assurances (Journal Officiel de la République Française du 3 juin 2018, Texte 17 sur 105) umgesetzt. In Österreich erfolgte die Umsetzung zum einen mit dem Versicherungsver‑ triebsrechts-Änderungsgesetz 2018 (BGBl. I Nr. 16/2018) und zum anderen mit der Versiche‑ rungsvermittlungsnovelle 2018 (BGBl. I Nr. 112/2018) sowie mit der Verordnung der Bundes‑ ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über Standes- und Ausübungsregeln für Gewerbetreibende, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ausüben (Standesregeln für Versicherungsvermittlung) (BGBl. II Nr. 162/2019). In England erfolgten Änderungen durch die Insurance Distribution (Regulated Activities and Miscellaneous Amendments) Order 2018 sowie das Insurance Distribution Directive Instrument 2018, FCA 2018/25 (). 17  Siehe zum VVG und zur GewO das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze (BGBl. I v. 28.7.2017, S. 2789) sowie zur Neufassung der VersVermV die Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Umset‑ zung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (BGBl. I v. 17.12.2018, S. 2483).

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Einleitung

soll dabei vor allem Reichweite und Bedeutung des sog. Herkunftslandprinzips in den Blick nehmen. Aus deutscher Sicht ist sodann zu untersuchen, inwie‑ weit ausländische Vermittler an das deutsche Gewerbe- bzw. Aufsichtsrecht ge‑ bunden sind. Anschließend soll analysiert werden, welches Recht die privaten Beziehungen der Vermittler zu ihren Kunden und zu Versicherern beherrscht. Sollten aufsichts- und privatrechtliche Vorschriften unterschiedlicher Rechts‑ ordnungen berufen werden, soll betrachtet werden, inwieweit die Rechtsgebiete koordiniert werden müssen oder können. Da insbesondere elektronisch erbrach‑ te Vermittlungsleistungen im Massengeschäft für ein grenzüberschreitendes Angebot geeignet sind, werden jeweils die besonderen rechtlichen Rahmenbe‑ dingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr berücksichtigt. Ziel der Untersuchung ist damit auch festzustellen, inwieweit der derzeitige Rechtsrahmen grenzüberschreitende Aktivitäten von Versicherungsvermittlern fördert. Das hängt vor allem davon ab, ob Vermittler ihre Tätigkeiten rechts‑ sicher planen können. Hierzu ist die Bestimmung des anwendbaren Aufsichtsund Privatrechts unerlässlich. Die Arbeit soll folglich dazu beitragen, dass der Europäische Binnenmarkt im Bereich der Versicherungsvermittlung kein „gutes Stück Utopie“18 mehr bleibt.

18 

So zur bisherigen Lage Beenken/Sandkühler, Versicherungsvertriebsrecht, S. 33.

Teil 1

Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt: ökonomische und rechtliche Grundlagen Zum besseren Verständnis der grenzüberschreitenden Rechtsfragen sind zu‑ nächst die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Versicherungsvermitt‑ lung im Binnenmarkt darzustellen.

A.  Der Markt der Versicherungsvermittlung Ist vom „Versicherungsmarkt“ die Rede, meint man gewöhnlich den Versicherungsproduktmarkt1, d. h. den Markt, in dem Versicherungsnehmer als Nachfra‑ ger und Versicherer als Anbieter von Dienstleistungen (Versicherungsproduk‑ ten) agieren.2 Auf diesem Markt stellen Vermittler Kontakt zwischen Anbietern und Nachfragern her, beraten und stellen Informationen bereit. Ihre Leistun‑ gen dienen Versicherern zum Absatz ihrer Produkte und Versicherungsneh‑ mern zur Überwindung von Informationsasymmetrien.3 Soweit die Vermittler rechtlich und wirtschaftlich selbständig sind, produzieren sie dabei selbst (Ver‑ sicherungsvermittlungs-)Dienstleistungen.4 Sie bilden mithin einen eigenen Versicherungsvermittlungsmarkt.5 Dieser kann definiert werden als „der öko‑ nomische Ort, an dem Versicherungsvermittlungsleistung gegen Zahlung eines Preises angeboten und nachgefragt wird“6. Unabhängig von der Frage, wem gegenüber Versicherungsvermittler recht‑ lich zur Leistung verpflichtet sind, ist in der Ökonomie anerkannt, dass sie ihre Leistungen stets zwei Abnehmern bereitstellen, Versicherern und Versiche‑ rungsnehmern, die somit beide als Nachfrager auf dem Vermittlungsmarkt auf‑ 1  Schafstädt, Provisionsberatung, S. 14. Vgl. auch Karten, ZVersWiss 2002, 43 (45), der vom Markt für Versicherungsschutz spricht. 2  Siehe nur Höckmayr, Beratungsqualität, S. 13; Schafstädt, Provisionsberatung, S. 14 ff. 3 Dazu Beenken/Brühl/Wende, ZVersWiss 2011, 73 (85); Höckmayr, Beratungsqualität, S. 16. 4  Farny, Absatz, S. 68, 77, 79. Ebenso Beenken/Brühl/Wende, ZVersWiss 2011, 73 (80 ff.); Höckmayr, Beratungsqualität, S. 50 ff.; Karten, ZVersWiss 2002, 43 (45); Schafstädt, Provisi‑ onsberatung, S. 34. 5  Beenken/Brühl/Wende, ZVersWiss 2011, 73 (83 ff.); Karten, ZVersWiss 2002, 43 (45); Schafstädt, Provisionsberatung, S. 32. 6  Höckmayr, Beratungsqualität, S. 14.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

treten.7 Beide profitieren von der Tätigkeit der selbständigen Mittelsperson, die folglich aus ökonomischer Sicht Agent zweier Prinzipale ist.8 Versicherungs‑ produkt- und -vermittlungsmarkt sind durch diese wechselseitigen Beziehun‑ gen der Vermittler zu den Parteien des Versicherungsvertrags eng miteinander verbunden und bilden gemeinsam den Versicherungsmarkt.

B.  Europarechtlicher Hintergrund: Versicherungsbinnenmarkt Art. 3 Abs. 3 EUV9 benennt den Binnenmarkt als wesentliches Mittel und Ziel der europäischen Integration. Die Förderung grenzüberschreitender Aktivitä‑ ten betrifft auch den Absatz von Dienstleistungen. Dementsprechend versucht die EU seit langem, einen Europäischen Versicherungsbinnenmarkt zu errich‑ ten, in dem Versicherungsprodukte grenzüberschreitend vertrieben werden.10 Versicherungsvermittler spielen dabei in doppelter Hinsicht eine Rolle: Zum einen bieten sie, wie eben dargelegt, selbst Dienstleistungen an, deren grenz‑ überschreitende Erbringung an sich ein Ziel des Versicherungsbinnenmarkts ist. Das betrifft sowohl Leistungen für Versicherungsnehmer als auch solche für Versicherer. Zum anderen fördern Vermittler den Absatz von Versicherungspro‑ dukten und sind so, selbst wenn sie ihre Leistungen im Verhältnis zum Kun‑ den nicht grenzüberschreitend erbringen, Mittel zum grenzüberschreitenden Vertrieb von Versicherungsprodukten. Auch der Versicherungsbinnenmarkt be‑ inhaltet somit den Versicherungsprodukt- und den Versicherungsvermittlungs‑ markt. Auf beiden Ebenen dient europäisches Primär- und Sekundärrecht dazu, das Binnenmarktziel zu erreichen.

I.  Grundfreiheiten als Basis des Binnenmarkts Wesentlich für die Entwicklung eines Versicherungsbinnenmarkts waren und sind die Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungs- und Dienstleis‑ tungsfreiheit (nunmehr Art. 49 und 56 AEUV11), die mit Ablauf des 31.12.1969 7  Karten, ZVersWiss 2002, 43 (45); vgl. auch Beenken/Brühl/Wende, ZVersWiss 2011, 73 (84 f.); Höckmayr, Beratungsqualität, S. 14, 51; Schafstädt, Provisionsberatung, S. 35. 8  Höckmayr, Beratungsqualität, S. 29 f.; Karten, ZVersWiss 2002, 43 (48). Freilich können sie rechtlich einer Partei stärker verbunden sein (vgl. bereits Farny, Absatz, S. 81). 9  Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung), ABl. C 326 v. 26.10.2012, S. 13. 10  Vgl. nach dem Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehrs (ABl. P 2 v. 15.1.1962, S. 32 [34] und S. 36 [38]) nur das Arbeitsdokument der Kommission zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes für Scha‑ densversicherungen (ZVersWiss 1972, 101 ff.) sowie das Weißbuch der Kommission zur Voll‑ endung des Binnenmarktes (KOM[85] 310 endg., S. 27). 11 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung), ABl. C 326 v. 26.10.2012, S. 47.



B.  Europarechtlicher Hintergrund: Versicherungsbinnenmarkt

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unbedingte Geltung erlangt haben und Individualrechte für die Wirtschaftsteil‑ nehmer der Mitgliedstaaten verbürgen.12 Sie erlauben Marktakteuren, Leistun‑ gen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, in anderen Mitgliedstaaten anzubieten (Art. 56, 57 AEUV) und dazu gegebenenfalls Niederlassungen zu errichten (Art. 49 AEUV). Da sowohl Versicherer als auch Versicherungsver‑ mittler mit eigenen Leistungen am Markt auftreten, profitieren beide von diesen Grundfreiheiten.13 Die darin verankerten Diskriminierungsverbote stellten zunächst eine weit‑ gehende Gleichbehandlung aus- und inländischer Versicherer und Versiche‑ rungsvermittler sicher. Die Bedeutung der Grundfreiheiten stieg, als der EuGH sie zu allgemeinen Beschränkungsverboten weiterentwickelte.14 Dadurch wurde grundsätzlich jede – auch unterschiedslos auf In- und Ausländer anwend‑ bare – Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit rechtfer‑ tigungsbedürftig. Verstoßen nationale Vorschriften gegen die Grundfreiheiten, sind sie zwar nicht nichtig, in grenzüberschreitenden Sachverhalten aber nicht anwendbar.15

II.  Richtlinien zum Betrieb von Versicherungsgeschäften Um den Gebrauch der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zu erleich‑ tern, ermächtigten bereits die Art. 57 und 66 EWGV16 zu einer sekundärrecht‑ lichen Harmonisierung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten. Derartige Maß‑ nahmen wurden zunächst überwiegend in Bezug auf Versicherungsunter‑ nehmen ergriffen. In drei Richtliniengenerationen förderte der europäische Gesetzgeber schrittweise den Gebrauch der Dienstleistungs- und Niederlas‑ sungsfreiheit durch Versicherer.17 Mit der Dritten Richtliniengeneration18 führ‑ 12 EuGH, Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299 Rn. 24/26; Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74, Slg. 1974, 631 Rn. 24/28. 13  Zum sachlichen Schutzumfang der primär- und sekundärrechtlichen Dienstleistungsund Niederlassungsfreiheit und zur Abgrenzung der beiden Begriffe im Bereich der Versiche‑ rungsvermittlung ausf. S. 65 ff. 14 Vgl. chronologisch EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837 Rn. 5; Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, 1299 Rn. 10, 12; Urt. v. 7.5.1991, Rs. C-340/89, Slg. 1991, I-2357 Rn. 15; Urt. v. 31.3.1993, Rs. C-19/92, Slg. 1995, I-4165 Rn. 37. 15  Statt aller Stettner, in: Dauses/Ludwigs, Hdb. EU‑WR, A. IV. (Februar 2016) Rn. 28 ff. 16  Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, BGBl. II v. 19.8.1957, S. 766. 17  Ausf. zur Entwicklung nur Schmidt, Deregulierung, S. 46 ff. 18  Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG, ABl. L 228 v. 11.8.1992, S. 1 sowie Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG, ABl. L 360 v. 9.12.1992, S. 1.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

te er eine europaweit gültige Zulassung für Versicherungsunternehmen und eine grundsätzliche Herkunftslandkontrolle ein. Dies wurde begleitet von weiteren Liberalisierungsmaßnahmen wie der Abschaffung einer präventiven staatlichen Produktkontrolle, um die Produktvielfalt zu erhöhen.19 Eine grundlegende Zu‑ sammen- und Neufassung der sekundärrechtlichen Vorgaben erfolgte zuletzt in der Solvency II‑Richtlinie. Trotz dieser Maßnahmen werden grenzüberschreitende Aktivitäten von Ver‑ sicherern weiterhin dadurch gehemmt, dass das Versicherungsvertragsrecht nicht harmonisiert ist und das IPR häufig das für den Versicherungsnehmer ver‑ traute Recht zur Anwendung beruft.20 Hierdurch werden zugleich grenzüber‑ schreitende Vermittlungstätigkeiten erschwert. Vermittler können schließlich nur insoweit Mittel zur Förderung eines Binnenmarkts für Versicherungspro‑ dukte sein, wie ein entsprechendes Angebot besteht.

III.  Maßnahmen im Bereich der Versicherungsvermittlung Mit der Deregulierung der Versicherungsmärkte stieg auch die Schutzbedürf‑ tigkeit der Versicherungsnehmer. Der Wegfall der staatlichen Produktkontrolle erschwerte die Vergleichbarkeit von Versicherungsprodukten,21 weshalb Kun‑ den immer mehr Informationen und eine professionelle Beratung benötigten.22 Hierdurch gerieten wiederum Versicherungsvermittler in den Fokus der Diskus‑ sion23 und die europäischen Institutionen erkannten ihre Bedeutung für die Ver‑ wirklichung eines Versicherungsbinnenmarkts. Man stellte richtigerweise fest, dass der grenzüberschreitende Vertrieb von Versicherungsprodukten erheblich gefördert wird, wenn Vermittler Kunden anderer Staaten beraten oder jeden‑ falls in ihrem Heimatstaat Produkte ausländischer Versicherer vertreiben.24 An‑ gesichts dessen waren sekundärrechtliche Maßnahmen zur Erleichterung von Dienstleistungs- und Niederlassungstätigkeiten der Versicherungsvermittler konsequent. 19 Dazu Fahr, VersR 1992, 1033 (1036 f.); Hohlfeld, Vollendung des Binnenmarktes, S. 4 f.

20  Hierzu Kommission, Final Report of the Commission Expert Group on European Insur‑ ance Contract Law (Einleitung Fn. 1); EWSA, ABl. C 157 v. 28.6.2005, S. 1 (7 f.); Basedow, in: Reichert-Facilides/Schnyder, Versicherungsrecht in Europa, S. 13 (14 ff.); Schmidt, Deregulie‑ rung, S. 103 f. m. w. N. 21  Jannott, VW 1994, 612; Schmidt, Deregulierung, S. 105. 22  Vgl. nur Rabe, Liberalisierung, S. 178; Roth, NJW 1993, 3028 (3032). Zu den dama‑ ligen Schutzinstrumenten Hübner, in: Berufsregelung, S. 3 (9 ff.). 23 Vgl. Brittan, VersVerm 1990, 402 (403, 407); Dohmen, Beratungspflichten, S. 115; Hohlfeld, Vollendung des Binnenmarktes, S. 21; Hübner, in: Berufsregelung, S. 3 (8, 14, 19); Jannott, VW 1994, 612 f.; Pearson, in: Berufsregelung, S. 73 (87); ders., VersVerm 1991, 350 (351); Roth, NJW 1993, 3028 (3032). Vgl. auch BReg, BT‑Drs. 12/4279, S. 5. 24 EWSA, ABl. C 157 v. 28.6.2005, S. 8; Kommission, KOM(2000) 511 endg., S. 4 f.; KOM(1999) 232, S. 11.



B.  Europarechtlicher Hintergrund: Versicherungsbinnenmarkt

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Als Vorläufer dieser Maßnahmen kann die 1976 verabschiedete Richtlinie 77/92/EWG25 angesehen werden. Darin stellte der Richtliniengeber eine Be‑ hinderung grenzüberschreitender Aktivitäten durch höchst unterschiedliche na‑ tionale Bestimmungen für die Aufnahme und Ausübung der Versicherungsver‑ mittlungstätigkeit fest.26 Anstatt das Problem umfassend zu lösen, beschränkte sich die Richtlinie darauf, ein Haupthindernis durch Übergangsmaßnahmen27 zu entschärfen: Es sollte verhindert werden, dass Vermittler für die Aufnah‑ me ihrer Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten jeweils erneut ihre Sachkunde und Befähigung nachweisen müssen. Art. 4 und 5 der RL 77/92/EWG sahen dazu vor, dass Vermittler den in anderen Staaten erforderlichen Nachweis aus‑ reichender Kenntnisse und Fertigkeiten durch ihre Berufserfahrung im Her‑ kunftsmitgliedstaat erbringen konnten. Sie mussten jedoch weiterhin etwaige Zulassungsverfahren einhalten. Die Regelungen waren dementsprechend zur Förderung grenzüberschreitender Aktivitäten von Vermittlern nicht ausrei‑ chend.28 Berufsaufnahme und -ausübung wurden in den Mitgliedstaaten wei‑ terhin höchst unterschiedlich reguliert. Die Kommission erließ daher 1991 eine unverbindliche Empfehlung29, mit der sie eine Rechtsangleichung in den Mitgliedstaaten erreichen wollte („Ver‑ mittlerempfehlung“). Darin waren Mindestanforderungen in Bezug auf die be‑ rufliche Kompetenz der Vermittler, der Abschluss einer Berufshaftpflichtver‑ sicherung und eine Eintragungspflicht vorgesehen.30 Deutschland setzte die Empfehlung – im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedstaaten – damals nicht um, weil die Bundesregierung keine Notwendigkeit sah, Berufsregelun‑ gen für Vermittler einzuführen.31 Das führte vor allem zu Problemen für deut‑ sche Vermittler, die im Ausland tätig werden wollten.32 Der europarechtliche Rahmen für grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung blieb Flickwerk.33 Die Kommission erkannte das Bedürfnis nach einer verbindlichen europäi‑ schen Regelung infolge der stark unterschiedlichen nationalen Maßnahmen. 25  Richtlinie 77/92/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Er‑ leichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleis‑ tungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (aus ISIC‑Gruppe 630), insbesondere Übergangsmaßnahmen für solche Tätigkeiten, ABl. L 26 v. 31.1.1977, S. 14. 26  ErwG 1 und 2 der RL 77/92/EWG; näher dazu Pearson, in: Berufsregelung, S. 73 (81). 27  Vgl. ErwG 5 und Art. 12 RL 77/92/EWG. 28  Zu Problemen Hübner, in: Berufsregelung, S. 3 (40 f.); Müller, Versicherungsbinnen‑ markt, Rn. 284. 29  Empfehlung der Kommission vom 18. Dezember 1991 über Versicherungsvermittler (92/48/EWG), ABl. L 19 v. 28.1.1992, S. 32. Ausf. dazu Pearson, in: Berufsregelung, S. 73 (85 ff.); Schmidt, Deregulierung, S. 117 ff. 30  Anhang zur Empfehlung der Kommission vom 18. Dezember 1991 über Versicherungs‑ vermittler (92/48/EWG), ABl. L 19 v. 28.1.1992, S. 32 (33). 31  Antwort BReg BT‑Drs. 12/4279, S. 6. 32 Hierzu Müller, ZfV 2003, 98 (99); Reiff, VersR 2004, 142 (143). 33  Pearson, in: Berufsregelung, S. 73 (96).

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

Auf ihren Vorschlag hin wurde die Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungs‑ vermittlung (VermRL) erlassen, die das Ziel verfolgte, grenzüberschreitende Tätigkeiten von Versicherungsvermittlern zu erleichtern und europaweite Min‑ destvorgaben für die Aufnahme und Ausübung des Berufs festzulegen.34 Zen‑ traler Bestandteil der Richtlinie war wie bei den Versicherungs-Richtlinien die Einführung einer europaweit gültigen „Zulassung“ in Form einer Registereintragung im jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat, die von der Erfüllung beruflicher Mindestanforderungen abhängig gemacht wurde (Art. 3 VermRL). Versiche‑ rungsvermittler sollten sich ausschließlich in ihrem Herkunftsstaat registrie‑ ren lassen und in anderen Mitgliedstaaten Geschäfte betreiben können, ohne erneute Zulassungsverfahren durchlaufen zu müssen. An deren Stelle trat ein Mitteilungsverfahren, in dem der Herkunftsstaat andere Mitgliedstaaten über beabsichtigte grenzüberschreitende Tätigkeiten informierte (Art. 6 VermRL). Obwohl auch die laufende Überwachung der Berufsausübung in der Union durch den Herkunftsmitgliedstaat erfolgen sollte,35 gestaltete die VermRL die Verwaltungszusammenarbeit nicht näher aus.36 Um die grenzüberschreitende Aufsicht zu koordinieren, verabschiedeten die mitgliedstaatlichen Aufsichts‑ behörden lediglich das sog. Luxemburger Protokoll,37 in dem näher erläutert wurde, wann und unter Verwendung welcher Formblätter Vermittler grenzüber‑ schreitende Aktivitäten anzeigen müssen. Diese Vereinbarung war zwar recht‑ lich unverbindlich, hatte in der Praxis aber wegen der einheitlichen Anwen‑ dung der VermRL durch die Aufsichtsbehörden erhebliche Bedeutung. Weitere wesentliche Regelungen der VermRL waren die in Art. 12 und 13 geregelten Informationspflichten: In einer Erstinformation sollten Versicherungsvermittler ihren Kunden offenlegen, wie (un)abhängig sie von Versicherungsunternehmen sind (Art. 12 Abs. 1 VermRL). Ferner mussten sie die Wünsche und Bedürfnis‑ se der Kunden sowie die Gründe für einen erteilten Rat angeben (Art. 12 Abs. 3 VermRL). Insgesamt erleichterte die VermRL durch das einheitliche Zulassungsver‑ fahren Niederlassungs- und Dienstleistungstätigkeiten in anderen Mitglied‑ staaten bereits in erheblichem Maße. Ihre Vorgaben zum Mindestschutzniveau für Kunden waren jedoch sehr knapp, sodass die Mitgliedstaaten unterschiedli‑ che Maßnahmen zum Schutz des Allgemeininteresses erließen, die die VermRL ausdrücklich zuließ.38 34 

Vgl. ErwG 6, 8 und 19 der VermRL.

35  Kommission, KOM(2000) 511 endg., S. 8. 36  Lediglich Art. 9 VermRL machte ausführlichere

Vorgaben zum Informationsaustausch zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden. 37 CEIOPS, Protocol Relating to the Cooperation of the Competent Authorities of the Member States of the European Union in Particular Concerning the Application of Directive 2002/92/EC of the European Parliament and of the Council of 9 December 2002 on Insurance Mediation, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1. 38  Vgl. Art. 6 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 4 VermRL.



C.  Grundlagen der Versicherungsvermittlung in den Mitgliedstaaten

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Deshalb und um den Verbraucherschutz zu stärken, sollte die Richtlinie neu‑ gefasst werden.39 Ergebnis dieses Prozesses ist die Richtlinie (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb (IDD). Da mit der europaweit gültigen Zulassung bereits der Grundstein für die Förderung des Dienstleistungs- und Niederlassungsver‑ kehrs gelegt wurde, beschränkt sich die IDD in diesem Bereich notwendiger‑ weise auf Präzisierungen (Art. 4 ff.). Sie gestaltet vor allem das Verfahren zur Aufnahme grenzüberschreitender Tätigkeiten und die Zusammenarbeit der Be‑ hörden bei der Überwachung der Vermittler näher aus. Vor dem Hintergrund dieser Änderungen bzw. Präzisierungen hat die Europäische Aufsichtsbehör‑ de für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) das Luxemburger Protokoll ersetzt. In einem Beschluss des Rates der Aufseher vom 28.9.2018 wurden die Vereinbarungen des Protokolls an die neue Rechts‑ lage angepasst.40 Dieser „IDD‑Kooperationsbeschluss“ soll zur kohärenten An‑ wendung der IDD und zur Schaffung einer gemeinsamen Aufsichtskultur bei‑ tragen.41 Darüber hinaus zielt die IDD auf eine Konkretisierung und Anhebung des Kundenschutzes ab. Damit sollte zugleich das Vertrauen der Kunden in sämt‑ liche Vermittler der EU gestärkt und grenzüberschreitende Aktivitäten geför‑ dert werden.42 Um Kunden unabhängig davon zu schützen, ob sie ein Ver‑ sicherungsprodukt über eine Mittelsperson erwerben oder direkt vom Anbieter, erfasst die IDD ebenfalls den Direktvertrieb durch Versicherer, die gemeinsam mit den Vermittlern unter den weiten Begriff der „Versicherungsvertreiber“ fal‑ len (Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 IDD). Damit sind die Solvency II‑RL und die IDD die derzeit maßgeblichen Rechtsakte, mit denen ein Europäischer Versicherungs‑ binnenmarkt verwirklicht werden soll.

C.  Grundlagen der Versicherungsvermittlung in den Mitgliedstaaten Trotz der europäischen Rechtsvereinheitlichung bestehen auf den nationalen Vermittlermärkten noch bedeutende Unterschiede. Das beginnt bereits bei den Vermittlerkategorien. Welche Versicherungsvermittler es gibt und mit welchen Berufsbezeichnungen sie im Rechtsverkehr auftreten, legen weiterhin die Mit‑ gliedstaaten fest. 39  40 

Siehe Kommission, COM(2012) 360 final, S. 2 ff. EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss). 41 Vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Par‑ laments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichts‑ behörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 48. 42  Kommission, COM(2012) 360 final, S. 12.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

I.  Der europäische „funktionale Vermittlerbegriff“ Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 IDD definiert Versicherungsvermittler nämlich nur als na‑ türliche oder juristische Personen, die weder Versicherungsunternehmen noch deren Angestellte sind und die Versicherungsvertriebstätigkeit gegen Vergütung aufnehmen oder ausüben. Unter Versicherungsvertrieb versteht Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 IDD die Beratung, das Vorschlagen oder das Durchführen anderer Vor‑ bereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mit‑ wirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Darunter fasst die Richtlinie nunmehr explizit verschiedene Online-Angebo‑ te wie Preisvergleich-Websites, soweit sie Kunden den direkten oder indirek‑ ten Abschluss von Versicherungsverträgen ermöglichen. Tippgeber, die nicht auf einen Vertragsschluss hinwirken, sondern nur allgemeine Informationen zu Versicherungsprodukten oder Versicherern erteilen, üben hingegen keine Ver‑ sicherungsvertriebstätigkeit aus.43 Da die Definition sich nur an der Tätigkeit der Vermittler orientiert, verwendet die IDD einen „funktionalen Vermittler‑ begriff“44. Im Gegensatz dazu versuchte der europäische Gesetzgeber in der Richt‑ linie 77/92/EWG noch, die Berufsgruppen aller Mitgliedstaaten europarecht‑ lich zu kategorisieren. Er unterschied in Art. 2 Abs. 1 insbesondere zwischen „Personen, die zum Zweck der Herstellung eines Versicherungs- oder Rückver‑ sicherungsschutzes als Vermittler zwischen Versicherungsnehmern und frei von ihnen gewählten Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen auftre‑ ten“, und „Personen, die auf Grund eines oder mehrerer Verträge oder von Voll‑ machten damit betraut sind, im Namen und für Rechnung oder nur für Rech‑ nung eines oder meh[r]erer Versicherungsunternehmen Versicherungsverträge anzubieten“. Von dieser klaren Zweiteilung sind die europäischen Institutio‑ nen bereits bei der Vermittlerempfehlung bewusst abgerückt, weil es in den Mitgliedstaaten höchst unterschiedliche Vertriebsformen gab.45 Auch die IDD vermeidet mit der funktionalen Definition eine generelle Kategorisierung. Sie verlangt daher nicht, dass die Mitgliedstaaten die Berufszulassung von der Ent‑ scheidung für eine bestimmte Vermittlerkategorie abhängig machen, sondern schreibt lediglich vor, dass ein Vermittler im konkreten Vermittlungsfall mit‑ teilt, ob er als Vertreter des Versicherers oder als unabhängiger Vermittler tätig 43  Vgl. Art. 2 Abs. 2, ErwG 12 S. 2 IDD. Ausf. BGH, Urt. v. 28.11.2013, I ZR 7/13, VersR 2014, 497 (499) Rn. 21 ff.; Dörner, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 9 Rn. 77. 44 Siehe zur VermRL nur Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 22; BT‑Drs. 16/3655, S. 41 sowie zur Vermittlerempfehlung bereits Pearson, VersVerm 1991, 350 (352). EIOPA spricht von einer „activity-based definition“ (EIOPA, Insurance Distribution Directive – Evaluation of the Structure of Insurance Intermediaries Markets in Europe, S. 11). 45  Pearson, VersVerm 1991, 350 (352).



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wird (Art. 18 lit. a sublit. v sowie Art. 19 Abs. 1 lit. c IDD).46 Dementsprechend können die Mitgliedstaaten beispielsweise erlauben, dass Vermittler sowohl als unabhängige Makler als auch als gebundene Vertreter tätig werden, so z. B., wenn ein Vermittler im Lebensversicherungsgeschäft nur für einen Versiche‑ rer tätig wird, im Übrigen aber einen Marktvergleich erbringt. Freilich schließt die IDD die Bildung bestimmter Vermittlerkategorien bei der Berufszulassung nicht aus, sondern erkennt diese Möglichkeit ausdrücklich an.47

II.  Die Festlegung der Vermittlerkategorien im nationalen Recht: von klarer Polarisation zu flexiblen Übergängen 1.  Das deutsche Recht und das Polarisationsprinzip Beispielhaft für eine solche Kategorienbildung ist das deutsche Recht, das so‑ wohl bei der Berufszulassung als auch bei der Berufsausübung dem Prinzip der Polarisation folgt.48 Gemeint ist damit die grundsätzliche Trennung zwi‑ schen Vermittlern, die im Auftrag eines oder mehrerer Versicherer handeln, und denen, die im Auftrag der Kunden tätig werden. In diesem Sinne unterscheiden § 59 Abs. 1 S. 1 VVG und § 34d Abs. 1 GewO Versicherungsvertreter und Ver‑ sicherungsmakler und definieren den Begriff des Versicherungsvermittlers über diese beiden Berufsgruppen. Nach § 59 Abs. 2 VVG und § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GewO ist Versicherungsvertreter, wer von einem Versicherer oder Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Zentrales Abgrenzungsmerkmal zum Versicherungsmakler ist die „Betrauung“ durch den Versicherer. Versicherungsvertreter sind durch einen Agenturver‑ trag an Versicherer gebunden und handeln prinzipiell für diese. Aus ihm ergibt sich zugleich eine Tätigkeits- bzw. „Bemühenspflicht“ des Vertreters (vgl. § 86 46  Ebenso nunmehr EIOPA, Insurance Distribution Directive – Evaluation of the Structure of Insurance Intermediaries Markets in Europe, S. 11 („leaving flexibility to Member States to define categories of insurance intermediaries […] at national level“). Vgl. zur VermRL be‑ reits Cornelissen, Erlaubnis, S. 17; Schlömer, Prämieninkasso, S. 122; Werber, VersR 2014, 412 f. A. A. zur IDD Jabornegg, in: Fenyves/Schauer, IDD, S. 13 (26 f.) und wohl auch Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 40. Soweit die IDD z. T. von „Kate‑ gorien“ spricht (z. B. in ErwG 5), erklärt sie nur, dass es solche in den Mitgliedstaaten geben kann. In Abkehr von der RL 77/92/EWG haben sich die europäischen Institutionen bewusst gegen die Vorgabe von Kategorien entschieden und verlangen stattdessen Transparenz im Ein‑ zelfall (siehe vorherige Fn.). 47  Vgl. ErwG 5, Art. 4 und 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c sowie Art. 10 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 IDD. Zur VermRL auch Schlömer, Prämieninkasso, S. 123. 48  Cornelissen, Erlaubnis, S. 129 ff.; Reiff, in: MüKo-VVG, § 59 Rn. 56. Zur vergleich‑ baren Rechtslage in Spanien siehe Art. 7 Abs. 1 der Ley 26/2006, de 17 de julio, de mediación de seguros y reaseguros privados (hierzu auch Aguilar Grieder, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 [688]).

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

Abs. 1 HGB).49 Trotz dieser Abhängigkeit ist Versicherungsvertreter nur, wer gewerbsmäßig (d. h. insbesondere selbständig) tätig ist. Nicht erfasst sind daher angestellte Außendienstmitarbeiter der Versicherer.50 Sind Vertreter ständig damit betraut, Versicherungen für ein Versicherungsunternehmen zu vermitteln, sind sie zugleich Handelsvertreter i. S. d. §§ 84 Abs. 1; 92 Abs. 1 HGB. § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GewO stellt mittlerweile explizit klar, dass Versicherungs‑ vertreter auch für mehrere Unternehmen tätig sein können. Man unterscheidet daher im Versicherungsmarkt folgende Arten von Handelsvertretern:51 Entspre‑ chend dem grundsätzlichen Wettbewerbsverbot des § 86 Abs. 1 HGB sind Ausschließlichkeits- bzw. Einfirmenvertreter nur für ein Unternehmen tätig. Soweit vertraglich eine Abweichung vom Wettbewerbsverbot vereinbart ist, dürfen Vertreter auch für mehrere Unternehmen tätig werden. Man bezeichnet sie als echte Mehrfachvertreter, wenn sie auch in Konkurrenz stehende Produkte ver‑ schiedener Versicherer vermitteln. Unechter Mehrfachvertreter ist hingegen, wer nur Versicherungsprodukte von Unternehmen vermittelt, die zueinander nicht in Konkurrenz stehen. Anders als Versicherungsvertreter übernehmen Versicherungsmakler nach § 59 Abs. 3 S. 1 VVG bzw. § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GewO die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen für die zukünftigen Versicherungs‑ nehmer, ohne von Versicherern damit betraut zu sein. Sie sind Handelsmakler i. S. d. § 93 HGB, stehen aber vorrangig „im Lager des Versicherungsnehmers“, von dem sie eine Geschäftsbesorgungsmacht erhalten.52 Dementsprechend be‑ zeichnet der BGH sie als „Sachwalter“ und Interessenvertreter der Versiche‑ rungsnehmer.53 Da sie nicht vertraglich verpflichtet sind, Produkte bestimmter Versicherer zu vertreiben, bieten sie ihren Kunden im Gegensatz zu Versiche‑ rungsvertretern einen Marktvergleich und helfen ihnen bei der Auswahl zwi‑ schen verschiedenen Anbietern. Erwecken Vertreter den Anschein, dass sie ebenso unabhängig sind, behandeln sie § 59 Abs. 3 S. 2 VVG und § 34d Abs. 1 S. 3 GewO wie Makler (sog. Anscheinsmakler). Ähnlich den Versicherungsmaklern handelt es sich bei Versicherungsberatern i. S. d. § 34d Abs. 2 GewO bzw. § 59 Abs. 4 S. 1 VVG um Selbständige, 49  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 20; Münkel, in: Hk-VVG, § 59 Rn. 4; Schwintowski, in: Bruck/Möller, VVG, § 59 Rn. 38 f. Nach Reiff (in: MüKo-VVG, § 59 Rn. 3, 27) kommt es für die Eigenschaft als Versicherungsvertreter aber nicht auf die Tätigkeitspflicht an, sondern nur auf die Erteilung der Geschäftsbesorgungsmacht. 50  Vgl. nur Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 5, 18. Im Übrigen ist unklar, ab wann eine gewerbsmäßige Tätigkeit vorliegt, weil Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 IDD lediglich auf eine Tätigkeit „gegen Vergütung“ abstellt (siehe dazu nur BGH, Urt. v. 18.9.2013, I ZR 183/12, VersR 2013, 1578 Rn. 11; Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d [Februar 2018] Rn. 79 f.). 51  Zum Folgenden siehe nur Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 14; Reiff, in: Mü‑ Ko-VVG, § 59 Rn. 33 ff. 52  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 65; Reiff, in: MüKo-VVG, § 59 Rn. 42 f. 53  BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 (220 f.); Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359). Vgl. auch Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 22 f.



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die Versicherungsnehmer bei dem Abschluss und der Verwaltung von Versiche‑ rungsverträgen beraten und Versicherungen vermitteln54, hierbei aber nicht an bestimmte Versicherer gebunden sind. Sie sind von der Versicherungswirtschaft noch unabhängiger, da sie keine Zuwendungen – insbesondere Provisionen – von Versicherern annehmen dürfen (§ 34d Abs. 2 S. 3 GewO). Dafür stehen ihnen erweiterte Rechtsberatungsbefugnisse im Versicherungsbereich zu. Sie werden aufgrund dieser historisch gewachsenen Besonderheiten nach deutscher Terminologie nicht als „Vermittler“ bezeichnet. Gleichwohl fallen sie unter den funktionalen Vermittlerbegriff des Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 IDD.55 Wollte man es bei einer Zweiteilung belassen, stünden die an Versicherer gebundenen Vertreter den Maklern und Beratern gegenüber. All diese Berufsgruppen bedürfen nach § 34d Abs. 1 und 2 GewO grund‑ sätzlich einer Erlaubnis der IHK und müssen sich nach § 34d Abs. 10 GewO im Vermittlerregister eintragen lassen. Einfirmen- und unechte Mehrfachvertreter dürfen nach § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 1 GewO ohne Erlaubnis tätig werden, wenn das oder die Versicherungsunternehmen, für das oder die sie tätig werden, die uneingeschränkte Haftung für ihr Handeln übernimmt bzw. übernehmen. Ent‑ sprechend den europäischen Vorgaben müssen sie nach § 34d Abs. 10 GewO gleichwohl ins Vermittlerregister eingetragen werden. Die unterschiedlichen Vermittlerkategorien haben in Deutschland nicht nur für die Berufsausübung, sondern schon bei der Berufszulassung Bedeutung. Vermittler müssen sich entscheiden, ob sie als Vertreter, Makler oder Berater tätig werden möchten. Eine Berufsausübung in mehreren Kategorien ist nicht möglich.56 Um diese klare Trennung nicht zu umgehen, darf eine Person nach überwiegender Auffassung auch nicht Gesellschafter und Geschäftsführer ver‑ schiedener juristischer Personen unterschiedlicher Kategorien sein.57

2. Kategorienbindung in anderen Mitgliedstaaten Die Abgrenzung der Vermittler entsprechend dem Grad ihrer Bindung an Ver‑ sicherer ist in fast allen Rechtsordnungen üblich.58 Zum Teil existiert in Mit‑ gliedstaaten auch ein dem deutschen Recht vergleichbares Polarisationsprinzip. Beispielsweise dürfen Vermittler in Österreich ihren Beruf seit der Umsetzung 54 

Vgl. nunmehr § 34d Abs. 2 S. 2 Nr. 3 GewO. VermRL Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 21; BT‑Drs. 16/3655, S. 41; Reiff, Ver‑ sicherungsvermittlerrecht, S. 125 f. 56  Siehe § 34d Abs. 1 S. 5 und Abs. 3 GewO sowie m. w. N. Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 33, 40. 57 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.3.2017, OVG 1 N 41.15, BeckRS 2017, 106878 Rn. 12; Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 34d GewO Rn. 33; Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 40; a. A. Adjemian u. a., GewArch 2009, 137 (139); Emde, ZVertriebsR 2018, 292 (295). 58  Basedow/Fock, in: dies., Europäisches Versicherungsvertragsrecht, S. 41 f.; vgl. auch Kommission, SWD(2012) 191 final, S. 13. 55  Zur

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

der IDD nur noch als „Versicherungsagent“ oder „Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten“ ausüben (§§ 137 Abs. 2 S. 2; 365a Abs. 1 Nr. 14 der österreichischen GewO [öGewO]59). Zuvor war es in Öster‑ reich noch erlaubt, sich allgemein als „Versicherungsvermittler“ eintragen zu lassen (§ 365a Abs. 1 Nr. 14 öGewO a. F.60) und den Beruf sowohl als Agent als auch als Makler auszuüben.61 Hieran wollte der österreichische Gesetzgeber aus Gründen der Statusklarheit nicht mehr festhalten.62 Demgegenüber sind Vermittler in einigen anderen Mitgliedstaaten nicht an eine bestimmte Kategorie gebunden. Beispielsweise folgt das französische Recht in Art. L. 511-1, I, II, III, al. 2 und 3 Code des assurances63 (C. ass.) dem funktionalen Vermittlerbegriff der IDD und stellt für die Berufsausübung ledig‑ lich Vermittlerkategorien zur Verfügung, die in Art. R. 511-2, I C. ass. festgelegt sind. Eine Tätigkeit ist danach insbesondere möglich als courtier d’assurance (Makler), agent général d’assurance (Versicherungsvertreter), mandataire d’assurance (Versicherungsbevollmächtigter)64 oder mandataire d’intermédiaires d’assurance (Versicherungsvermittlerbevollmächtigter). Die agents généraux sind selbständige Handelsvertreter eines Versicherers, deren Berufs‑ bild in einem Statut festgeschrieben ist; ihnen ist die Vermittlung und Verwal‑ tung von Versicherungsverträgen anvertraut.65 Da auf sie in Rechtsprechung und Literatur überwiegend Bezug genommen wird, sollen sie in dieser Arbeit als Äquivalent zu deutschen Versicherungsvertretern näher betrachtet werden. Anders als in Deutschland und Österreich erlaubt Art. R. 511-2, II C. ass. Ver‑ mittlern, ihren Beruf in mehreren Kategorien auszuüben.66 Vermittler können sich somit sowohl als courtier als auch als agent général registrieren lassen. Le‑ 59 

Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994. auf die a. F. der öGewO beziehen sich auf die Fassung vor Inkrafttreten der Versicherungsvermittlungsnovelle 2018 (BGBl. Nr. 112/2018). 61  Ausf. dazu Fenyves, VR 7–8/2009, 24 (25). Krit. Jabornegg, in: Fenyves/Schauer, IDD, S. 13 (26 f.). 62  Vgl. ErlRV 371 BlgNR 26. GP, S. 4. Vgl. als Übergangsvorschrift auch § 376 Abs. 12 und 13 öGewO. 63  Verweise auf den Code des assurances beziehen sich auf die ab dem 1.10.2018 geltende Fassung, sodass bereits das Umsetzungsrecht der IDD in Gestalt der Ordonnance n° 2018-361 du 16 mai 2018 relative à la distribution d’assurances (Journal Officiel du 17 mai 2018, Texte 29 sur 147) sowie des Décret n° 2018-431 du 1er juin 2018 relatif à la distribution d’assurances (Journal Officiel du 3 juin 2018, Texte 17 sur 105) berücksichtigt wird. 64  Das sind alle selbständigen Beauftragten, die bei der Vermittlung von Verträgen, nicht aber beim Prämieneinzug und der sonstigen Vertragsverwaltung mitwirken (Art. L. 550-1 C. ass.; siehe auch Klöckener, Versicherungsvertreter, S. 13 sowie zur historischen Entwicklung S. 7 ff.). Sie sind nicht vom Statut der agents généraux erfasst. 65 Ausf. Langé, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 460 ff. Zur Genehmi‑ gung des Statuts siehe das Décret n° 96-902 du 15 octobre 1996 portant approbation du statut des agents généraux d’assurances. 66 Dazu Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 235: „un même inter‑ médiaire peut se trouver immatriculé dans plusieurs catégories“; Vedrenne, Le contrôle des in‑ termédiaires d’assurance par l’ACPR, S. 21. 60  Verweise



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diglich vor der Vermittlung eines konkreten Versicherungsprodukts müssen sie gem. Art. L. 521-2, II, 1 °C. ass. mitteilen, in welcher Funktion sie tätig werden. In England schreiben sections 19 und 22 des Financial Services and Mar‑ kets Act 2000 vor, dass Finanzdienstleister zur Ausübung bestimmter Tätig‑ keiten eine Erlaubnis benötigen oder hiervon befreit sein müssen. Durch die Financial Services and Markets Act 2000 (Regulated Activities) (Amendment) (No 2) Order 2003 wurde die Versicherungsvermittlung zur „regulated activi‑ ty“. Die Erlaubnis wird grundsätzlich nicht für eine bestimmte Vermittlerkate‑ gorie erteilt, sondern für die Erbringung verschiedener Vermittlungstätigkeiten, die sich aus der Financial Services and Markets Act 2000 (Regulated Activities) Order 2001 ergeben.67 Sie sind im Handbuch68 der Financial Conduct Authori‑ ty (FCA) im sog. Perimeter Guidance Manual 5 (PERG 5) zusammengefasst.69 Die Erlaubnis ist also nicht auf eine bestimmte Kategorie beschränkt. Ledig‑ lich im Einzelfall müssen Vermittler wie in Frankreich mitteilen, inwieweit sie an Versicherer gebunden sind.70 Zwischen der Bindung an einen einzigen Ver‑ sicherer (tied agent) und völliger Unabhängigkeit (broker) ist mittlerweile auch die Bindung an mehrere Versicherer möglich (multi tied agent), sodass das eng‑ lische Recht den Grundsatz strenger „polarisation“ aufgegeben hat.71 Lediglich die Kategorie der appointed representatives hat bereits bei der Zulassungsentscheidung Bedeutung. Darunter sind Personen zu verstehen, die unter Verantwortung eines Erlaubnisinhabers (d. h. eines Versicherers oder eines Vermittlers mit Erlaubnis) selbständig tätig sind. Section 39 (1) des Fi‑ nancial Services and Markets Act 2000 befreit solche Vertreter von der Erlaub‑ nispflicht, soweit sie nur bestimmte Vermittlungstätigkeiten ausüben.72 Voraus‑ setzung dafür ist, dass ihr Prinzipal die uneingeschränkte Verantwortung für ihr Handeln übernimmt. Anders als unechte Mehrfachvertreter i. S. d. § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 1 GewO können appointed representatives mehrere, auch konkurrieren‑ de Unternehmen vertreten, wenn diese sich in einer gemeinsamen schriftlichen Vereinbarung damit einverstanden erklären.73 67  Angepasst an die Definitionen der IDD durch die Insurance Distribution (Regulated Ac‑

tivities and Miscellaneous Amendments) Order 2018, sections 2 ff. 68  FCA Handbook, abrufbar unter . 69 FCA, The Perimeter Guidance manual, abrufbar als Teil des FCA Handbook unter . 70  Insurance: Conduct of Business sourcebook (ICOBS) 4.1.6 R im FCA Handbook. 71  Hierzu auch Schwintowski, MiFID, VVR, S. 155 f. 72  Vgl. zur Begrenzung die Financial Services and Markets Act 2000 (Appointed Repre‑ sentatives) Regulations 2001 sowie die Erläuterungen im PERG 5.13.3 und 4 des FCA Hand‑ book. 73  Vgl. SUP 12.2.4 G des FCA Handbook. Nach SUP 12.4.5B R und C des FCA Hand‑ book müssen in der Vereinbarung die Tätigkeitsbereiche des Vertreters festgehalten werden und Regelungen getroffen werden, wer für Beschwerden zuständig ist oder die Weiterbildung sicherstellt.

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Jenseits dieser gesetzlichen Terminologie werden Versicherungsvermittler im englischsprachigen Rechtskreis häufig unterschiedlich bezeichnet. Das liegt in England schon daran, dass es dort früher, anders als in Deutschland, wenige Versicherungsvertreter gab.74 Dementsprechend wurde der Begriff insurance agent zum Teil auch als Oberbegriff für alle Vermittler verwendet.75 In Abgren‑ zung zum broker spricht man teilweise von sog. underwriting agents, wenn Vertreter dazu befugt sind, Versicherungsverträge im Namen des Versicherers zu zeichnen.76 Vertreter, die, wie in Deutschland, häufig keine Abschlussvoll‑ macht haben, sondern nur Anträge an den Versicherer weiterleiten, werden auch selling agents genannt.77 Die jüngere Literatur versucht mittlerweile terminolo‑ gisch klarer zwischen (unabhängigen) Maklern (broker) und gebundenen Ver‑ tretern (insurance agents bzw. agents of insurers) zu unterscheiden.78 Da dies in den USA schon längere Zeit üblich ist, werden dort unter insurance agents überwiegend Versicherungsvertreter wie in Deutschland verstanden.79 Dem folgt diese Arbeit. Die meisten Mitgliedstaaten erlauben mittlerweile, dass ein Versicherungs‑ vertreter mehrere Versicherer vertreten kann, auch wenn diese miteinander in Konkurrenz stehen.80 Soweit die Europäische Kommission81 unter multi tied agents nur solche Vertreter versteht, die nicht-konkurrierende Produkte vertrei‑ ben, ist die Bezeichnung daher zu eng. Schließlich ist festzustellen, dass eine Trennung zwischen Maklern und Beratern entsprechend der deutschen Termi‑ nologie anderen Rechtsordnungen fremd ist.

III.  Die Vermittlervergütung als zentrale Besonderheit im Versicherungsmarkt Wesentlich für viele Teile dieser Arbeit ist das Verständnis, welche „Gegenleis‑ tung“ Versicherungsvermittler für ihre Tätigkeit erhalten. 74 

Siehe nur Sieger, Rechtsstellung des englischen Versicherungsmaklers, S. 10 ff. m. w. N. Vgl. bereits Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 144 ff. Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-015. 77  Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-015. 78  Henley/Kemp, Insurance Broking, Rn. 1-002 f., 1-010 ff.; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-015; Merkin/Hjalmarsson, Compendium of Insurance Law, Rn. 8.1; Walton, in: Charlesworth & Percy on Negligence, Rn. 10-183. 79 Ausf. Richmond, Tort Trial & Ins. Prac. L. J. 40 (2004), 1 (2 ff.); vgl. auch Hennen, Drake L. Rev. 33 (1983–1984), 899 (901 ff.). Vgl. früher bereits Trinkhaus, Versicherungsver‑ mittlung I, S. 147 f. Freilich sind insurance broker auch „agents“ der Versicherungsnehmer, so wie Versicherungsmakler in Deutschland Vertreter der Kunden sein können. 80 Zu Ausnahmen Basedow/Fock, in: dies., Europäisches Versicherungsvertragsrecht, S. 41 f. Die dort genannte Ausnahme für Spanien trifft nicht mehr zu. Auch dort ist mittlerwei‑ le die Kategorie eines echten Mehrfachvertreters anerkannt, vgl. nur Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (41). 81  SWD(2012) 191 final, S. 13. 75  76 



C.  Grundlagen der Versicherungsvermittlung in den Mitgliedstaaten

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1.  Dominanz des Provisionssystems in Deutschland In Deutschland werden Versicherungsvermittler trotz der unterschiedlichen Vermittlerkategorien und handelsrechtlichen Stellung meist in ähnlicher Weise vergütet. Bei Versicherungsvertretern ergibt sich bereits aus § 92 Abs. 3 und 4 HGB, dass sie für ihre Vermittlungstätigkeit vom Versicherer eine erfolgs‑ abhängige Provision erhalten. Diese wird als Teil der Abschlusskosten in die von den Versicherungsnehmern zu zahlenden Prämien eingerechnet. Man spricht daher von Bruttopolicen. Demgegenüber müssten Versicherungsmak‑ ler nach den gesetzlichen Regelungen des § 652 BGB und des § 99 HGB im Zweifel – jedenfalls zur Hälfte – von den Versicherungsnehmern vergütet wer‑ den, die sie beauftragen. Davon abweichend hat sich in der Versicherungswirt‑ schaft durchgesetzt, dass Makler eine Provision in Form einer sog. Courtage grundsätzlich nur von den Versicherern verlangen können, deren Produkte sie erfolgreich vertrieben haben.82 Makler werden somit ebenfalls von Versiche‑ rungsunternehmen vergütet, welche die Courtage in die Versicherungsprämie einrechnen (Bruttopolicen).83 In Deutschland gibt es daher weder für Vertreter noch für Makler ein Provisions(annahme)verbot, d. h. ein Verbot, Vergütungen von Versicherern anzunehmen. Damit Kunden erkennen, dass sie dem Vermitt‑ ler zwar keine unmittelbare Gegenleistung schulden, ihn aber mittelbar über die Prämie vergüten, müssen Vermittler über die Provisionszahlungen aufklä‑ ren.84 Eine generelle Pflicht zur Offenlegung der Provisionshöhe besteht aller‑ dings nicht.85 Im Gegensatz zu den Versicherungsvermittlern dürfen Versicherungsbera‑ ter nach § 34d Abs. 2 S. 3 GewO keine Zuwendungen von Versicherern anneh‑ men, sodass sie lediglich auf Honorarbasis für Kunden tätig werden können. Ein derartiger Honorarvertrieb86 ist in begrenztem Maße auch durch Makler und Vertreter möglich, in der Praxis aber bislang unüblich. Beide können im Rahmen einer Honorarvermittlung mit Kunden vereinbaren, dass diese für den Fall einer erfolgreichen Vertragsvermittlung eine Provision (ein Vermittlungshonorar bzw. eine Vermittlungsgebühr) zahlen müssen.87 Das betrifft sog. 82  Siehe nur BGH, Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359) sowie näher und m. w. N. S. 284 ff. 83  BGH, Urt. v. 20.1.2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 (72). 84  Siehe § 15 Abs. 1 Nr. 5 und 6 VersVermV, womit Art. 19 Abs. 1 lit. d und e IDD umge‑ setzt werden soll. 85 A. A. für Makler Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 92 ff.; Schwintowski, ZfV 2013, 176 (179) sowie auch für Vertreter Sonnenberg, Vertriebskostentransparenz, S. 132 ff. (insb. S. 142 f., 146 f.). 86  Zur Terminologie und Differenzierung siehe Beenken u. a., Versicherungsvermittlung und -beratung gegen Honorar, S. 3 ff. 87  Grundlegend zum Makler BGH, Urt. v. 20.1.2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 ff. und zum Versicherungsvertreter BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 ff.; Urt. v. 6.11.2013, I ZR 104/12, VersR 2014, 64 ff.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

Nettopolicen, bei denen Versicherer Vermittlern keine Zuwendungen gewäh‑ ren und dementsprechend keine Abschlusskosten für die Vertragsvermittlung in die Prämie einrechnen. Inwieweit Versicherungsvermittler darüber hinaus eine Honorarberatung anbieten und sich ein erfolgsunabhängiges Beratungshonorar für ihre Tätigkeit versprechen lassen dürfen, ist umstritten. Hier wird davon ausgegangen, dass eine derartige, vom Vermittlungserfolg unabhängige Vergütung der Beratungsleistung im Verbraucherbereich abgesehen von § 34d Abs. 1 S. 8 GewO allein Versicherungsberatern vorbehalten ist.88

2.  Besonderheiten in anderen Rechtsordnungen Auch in anderen Rechtsordnungen werden grundsätzlich alle Versicherungsver‑ mittler vom Versicherer vergütet.89 Aufgrund der starken Kritik am Provisions‑ vertrieb haben einige Staaten allerdings für unabhängige Vermittler ein Provisi‑ onsverbot eingeführt.90 Alternativ werden Vermittler zum Teil auch verpflichtet, die Höhe der Provisionen – gegebenenfalls auf Nachfrage des Kunden – offen‑ zulegen.91 In ähnlicher Weise müssen Makler, die auf einer uneingeschränk‑ ten Marktgrundlage beraten, in Frankreich nach Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. offenlegen, wenn sie im letzten Geschäftsjahr mehr als 33 % ihres Umsatzes durch Zusammenarbeit mit einem Versicherungsunternehmen oder einer Ver‑ sicherungsgruppe erwirtschaftet haben.92 Kunden soll so bewusst werden, dass Makler ihnen möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen das Produkt eines bestimmten Anbieters empfehlen. Gerade im Bereich der Vergütung weicht die Regulierung in den nationalen Vermittlermärkten somit erheblich voneinander ab.

88 

Dazu ab S. 117.

89  Vgl. später S. 295 ff. und 300 f. 90  Ausf. rechtsvergleichend Sonnenberg, Vertriebskostentransparenz,

S. 157 ff.; siehe auch Schwintowski, ZfV 2013, 176 (178 f.) sowie zur Rechtslage bei Umsetzung der VermRL CEI‑ OPS, CEIOPS‑DOC-09/07 – Annex 3. 91  Vgl. in England ICOBS 4.4.1 R (1), der eine Provisionsoffenlegung bei Nachfrage eines commercial customer vorschreibt, sowie ausf. rechtsvergleichend Sonnenberg, Vertriebskos‑ tentransparenz, S. 157 ff. 92  Die Norm bestimmt: „Tout intermédiaire qui exerce selon les modalités prévues au c du II de l’article L. 521-2 [= un courtier d’assurance s’il n’est pas soumis à une obliga‑ tion contractuelle de travailler exclusivement avec une ou plusieurs entreprises d’assurance, lorsqu’il se prévaut d’un service de recommandation fondé sur une analyse impartiale et personalisée] indique également au souscripteur éventuel ou à l’adhérent éventuel le nom de l’entreprise d’assurance ou du groupe d’assurance avec lequel il a enregistré au cours de ­l’année précédente un chiffre d’affaires, au titre de son activité d’intermédiaire, supérieur à 33 % du chiffre d’affaires total qu’il a réalisé au titre de l’ensemble de son activité de distri‑ bution“.

D.  Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler 23



D.  Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler Um die rechtlichen Rahmenbedingungen der Versicherungsvermittlung zu ver‑ einheitlichen, enthielt bereits die VermRL europäische Mindestvorgaben. Diese wurden in der IDD präzisiert und zum Teil verschärft.

I.  Ziele und Anwendungsbereich der IDD Die Richtlinie zielt darauf ab, grenzüberschreitende Tätigkeiten von Vermitt‑ lern zu fördern und ein angemessenes Schutzniveau für Kunden in der gesamten Union zu etablieren.93 Wegen der Besonderheiten auf den nationalen Versiche‑ rungsmärkten legt sie im Bereich der Wohlverhaltensregeln gleichwohl nur Mindestanforderungen fest, sodass sie insoweit mindestharmonisierend wirkt (ErwG 3 IDD). Sie erfasst nach ihrem persönlichen und sachlichen Anwen‑ dungsbereich alle Versicherungsvertreiber, d. h. auch den Direktvertrieb von Versicherungsunternehmen, der hier allerdings nicht näher betrachtet werden soll. In räumlicher Hinsicht findet die IDD im Verhältnis zu Drittstaaten nur ein‑ geschränkt Anwendung. Sie gilt nur für Vermittler, die in einem Mitgliedstaat der EU niedergelassen sind oder sich dort niederlassen wollen, und findet keine Anwendung auf Vertriebstätigkeiten, die in Drittländern vorgenommen werden oder sich auf Risiken oder Verpflichtungen beziehen, die außerhalb des EWR bestehen.94

II.  Harmonisierte Mindestvorgaben für die Versicherungsvermittlung Für das im grenzüberschreitenden Verkehr anwendbare Recht kommt es ent‑ scheidend darauf an, welche Anforderungen bereits die IDD an Vermittler stellt und welche Regelungsmöglichkeiten den Mitgliedstaaten verbleiben. Daher sollen hier zunächst die wesentlichen Mindestvorgaben der IDD dargestellt werden. Nach Art. 3 der Richtlinie müssen sich Versicherungsvermittler vor Auf‑ nahme ihrer Tätigkeit in ein Register ihres Herkunftsmitgliedstaats eintragen lassen. Hierfür müssen sie gewisse berufliche und organisatorische Anfor‑ derungen erfüllen, insbesondere hinreichende Kenntnisse über den Versiche‑ rungsmarkt haben (Art. 10 IDD). Darüber hinaus verpflichtet Art. 10 Abs. 2 IDD die Mitgliedstaaten nunmehr dazu, eine laufende Fortbildung der Ver‑ 93 

Vgl. ErwG 6, 9, 16, 19 und 20 IDD. Siehe Art. 1 Abs. 2 und 6 IDD. Krit. zu vergleichbaren Regelungen der VermRL Müller, ZfV 2003, 98 (100). Über die Gleichbehandlungspflicht des Art. 1 Abs. 6 UAbs. 2 sind freilich auch drittstaatliche Dienstleister betroffen. Der deutsche Gesetzgeber hat Vermittlungstätig‑ keiten mit Drittstaatenbezug auch nicht von der Regulierung ausgenommen. 94 

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

mittler sicherzustellen. Ausführliche Vorschriften zur Aufnahme und Aus‑ übung grenzüberschreitender Tätigkeiten finden sich sodann in Kapitel III der IDD (Art. 4–9). Die Ausübung der Vermittlertätigkeit im Allgemeinen regu‑ lieren schließlich maßgeblich die Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI. Während Kapitel V für die Vermittlung jedes Versicherungsprodukts gilt, stellt Kapitel VI ergänzende Anforderungen an die Vermittlung von Versicherungs‑ anlageprodukten.

1.  Geschützter Personenkreis: Verbraucher oder Kunden? ErwG 43 der IDD erklärt, dass die Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI nur zwischen Unternehmen und Verbrauchern Anwendung finden. Auch an‑ dere Bestimmungen wie Art. 5 Abs. 2; 8 Abs. 4 und 11 Abs. 2 IDD stellen auf den Verbraucherschutz ab. Es stellt sich daher die Frage, ob damit nur Per‑ sonen erfasst werden, die zu Zwecken handeln, die außerhalb ihrer gewerb‑ lichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit liegen.95 ErwG 43 legt eine solche Einschränkung nahe, wenn er explizit nicht auf den sonst in der IDD verwendeten Begriff „Kunde“ abstellt. Dafür spricht auch, dass die Begriffe im Gesetzgebungsverfahren zum Teil ausgewechselt wurden,96 sodass man sich Gedanken über die Bezeichnung gemacht haben muss. Hieraus lässt sich jedoch keine enge Auslegung des Verbraucherbegriffs her‑ leiten. Schon in den ErwG 44 ff. IDD und in den Art. 17–20 wird ausschließ‑ lich der Begriff „Kunde“ verwendet.97 Ferner benutzt die englische Fassung der Richtlinie den Begriff „customer“ im Gegensatz zum „consumer“ zum Teil auch dann, wenn in der deutschen Fassung von „Verbrauchern“ die Rede ist.98 Daher liegt es nahe, dass die Begriffe „Kunde“ und „Verbraucher“ wie schon in der VermRL99 grundsätzlich synonym in einem weiten Sinne verwendet wer‑ den. Dafür spricht auch Art. 22 Abs. 1 IDD, der Ausnahmen von den Wohlver‑ haltensregeln bei Vertriebstätigkeiten in Bezug auf Großrisiken und Erleichte‑ rungen bei professionellen Kunden vorsieht.100 Diese Norm wäre überflüssig, wenn die Wohlverhaltensregeln ohnehin nur gegenüber Personen gälten, die die Kriterien des engen Verbraucherbegriffs erfüllen. Demnach ist die IDD grund‑ 95  So die übliche Definition des Verbraucherbegriffs, vgl. nur Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rech‑ te der Verbraucher, ABl. L 304 v. 22.11.2011, S. 64. 96 Rat, Ratsdokument Nr. 14791/14 v. 28.10.2014. Eine Änderung von „consumer“ in „customer“ erfolgte in den damaligen ErwG 6, 26, 30, 38 und 41, im Art. 19 Abs. 3 sowie im Anhang II. Umgekehrt erfolgte eine Änderung in ErwG 23. 97  Vgl. ErwG 44, 45, 46, 48, 51, 52 und 53. 98  ErwG 3, 37 und 47. Demgegenüber verwendet die französische Fassung in ErwG 3 und 37 den Begriff „consommateur“ (Verbraucher) und nur in ErwG 47 den Begriff „client“ (Kunde); siehe zum Ganzen bereits Gruber, ZFR 2016, 211 (212), insb. Fn. 23. 99 Dazu Abram, VP 2003, 174 (176); Zumpf, Beratungspflichten, S. 121 f. 100  Vgl. auch ErwG 51; darauf abstellend auch Gruber, ZFR 2016, 211 (213).



D.  Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler 25

sätzlich zum Schutz aller Versicherungsinteressenten anwendbar.101 Der Ver‑ braucherbegriff ist weit zu verstehen und mit dem des Kunden gleichzusetzen.

2. Wohlverhaltensregeln102 Kernbereich der europäischen Mindeststandards sind die Wohlverhaltens‑ regeln der Art. 17 ff. IDD. Art. 17 Abs. 1 bestimmt allgemein, dass Vermittler stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse ihrer Kun‑ den handeln müssen. Nähere Ausgestaltung findet dieser Programmsatz in den Art. 18 ff. IDD.

a)  Allgemeine Informationspflichten Die Art. 18 und 19 IDD legen Vermittlern zunächst Informationspflichten auf. Während Art. 18 die Erteilung allgemeiner (statusbezogener) Informationen vorsieht, beziehen sich die nach Art. 19 mitzuteilenden Angaben auf konkret zu vermittelnde Versicherungsprodukte. Nach Art. 18 lit. a IDD müssen Vermittler ihre Kunden insbesondere darüber informieren, dass sie Versicherungsvermitt‑ ler sind, in welches Register sie eingetragen sind, ob sie eine Beratung anbieten und ob sie die Kunden vertreten oder für Rechnung und im Namen eines Ver‑ sicherungsunternehmens handeln. Kommt es zum Angebot konkreter Verträge, müssen sie nach Art. 19 Abs. 1 IDD offenlegen, ob sie gesellschaftsrechtlich am Anbieter eines Versicherungsprodukts beteiligt sind oder der Anbieter an ihnen, ob sie ausschließlich Produkte dieses Anbieters vertreiben dürfen oder sie einen ausgewogenen Marktvergleich durchführen und wie sie im Zusammenhang mit dem Vertrag vergütet werden, d. h. ob der Kunde ihre Tätigkeit mit einer Ge‑ bühr bezahlt oder ob sie Provisionen eines Produktanbieters erhalten. Zur Of‑ fenlegung der konkreten Provisionshöhe verpflichtet Art. 19 Abs. 1 IDD hin‑ gegen nicht.

b)  Vertrieb ohne und mit Beratung Zentrale Vorgaben für die weitere Vermittlungstätigkeit macht Art. 20 IDD, der zwischen einem Vertrieb mit und einem ohne Beratung differenziert. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 IDD verpflichtet Versicherungsvertreiber zunächst, die Wünsche und Bedürfnisse eines Kunden zu ermitteln und objektive Informationen über angebotene Versicherungsprodukte (nach Maßgabe der Absätze 4 bis 9) zu erteilen. Im Fall einer Beratung müssen Vermittler Kunden nach Art. 20 Abs. 1 101  Wie hier Schauer, in: Fenyves/Schauer, IDD, S. 69 (75) sowie grundsätzlich auch Gruber, ZFR 2016, 211 (213). 102  Gemeint sind damit im Rahmen dieser Arbeit sämtliche Informations-, Beratungs- und Interessenkollisionsregeln. Die IDD verwendet den Begriff uneinheitlich; vgl. enger die Über‑ schrift zu Kapitel V der IDD, die Informationspflichten anscheinend nicht zu Wohlverhaltens‑ regeln i. e. S. zählt, und weiter die Bedeutung in Art. 33 IDD (siehe dazu S. 37).

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

UAbs. 3 IDD zudem eine persönliche Empfehlung geben. Makler haben die‑ ser nach Art. 20 Abs. 3 IDD eine ausgewogene Marktuntersuchung zugrunde zu legen. Vermittler müssen also stets die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden er‑ mitteln sowie objektive Informationen erteilen und nur beim Vertrieb mit Be‑ ratung zusätzlich eine persönliche Empfehlung geben.103 Die abweichende Ansicht Grubers, der den Wunsch- und Bedürfnistest nur beim Vertrieb mit Be‑ ratung für verpflichtend hält,104 lässt sich weder mit dem Normwortlaut noch mit einer systematischen oder historischen Auslegung in Einklang bringen: Die ErwG 44 und 45 stellen explizit klar, dass der Vertrieb von Versicherungspro‑ dukten stets mit einem Wunsch- und Bedürfnistest einhergehen und bei einer Beratung „zusätzlich“ eine persönliche Empfehlung abgegeben werden soll. Dementsprechend verlangt Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 IDD, dass jeder „angebote‑ ne“ Vertrag den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entspricht. Mit dieser Formulierung soll wie bei Art. 18 lit. a und b sublit. ii und Art. 19 Abs. 1 lit. c der Vertrieb mit und ohne Beratung gemeint sein. Hiervon geht auch Art. 30 Abs. 2 IDD aus, der für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten ohne Bera‑ tung bestimmt, dass Vermittler „unbeschadet des Artikels 20 Absatz 1“ weiter‑ gehende Pflichten erfüllen müssen. Schließlich wurde die Überlegung, beim Vertrieb ohne Beratung auf die Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse zu verzichten, im Gesetzgebungsverfahren verworfen.105 Die IDD verlangt also zwingend, dass Vermittler die Wünsche und Bedürf‑ nisse der Kunden ermitteln, objektive Informationen zu Versicherungspro‑ dukten erteilen und dass diese Produkte den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entsprechen. Erfolgt vor Abschluss des Vertrags eine Beratung, müs‑ sen Vermittler zusätzlich eine persönliche Empfehlung abgeben und erläutern, warum ein Produkt den Wünschen und Bedürfnissen am besten entspricht. Eine Beratung ist daher von der IDD nicht zwingend vorgesehen. Sie kann jedoch 103 Ebenso Beenken/Sandkühler, Versicherungsvertriebsrecht, S. 103; Beyer, VersR 2016, 293 (296); Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (272 f.); Jabornegg, wbl. 2017, 481 (487 f.); Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (238). 104  Gruber, ZFR 2016, 211 (216). Er argumentiert mit einer systematischen Auslegung zu Art. 18 IDD und der teleologischen Überlegung, dass die Ermittlung der Wünsche und Bedürf‑ nisse nur bei einer Beratung Sinn mache. In systematischer Hinsicht ließe sich darüber hinaus anführen, dass Art. 20 Abs. 4 IDD weitgehend überflüssig wäre, wenn Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 und Abs. 2 bereits auf den Vertrieb ohne Beratung anwendbar wären (siehe auch Brömmel­ meyer, r+s 2016, 269 [272]). 105 Vgl. zunächst die Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 26.2.2014, ABl. C 285 v. 29.8.2017, S. 581. Art. 18 Abs. 1–3, d. h. auch der Wunsch- und Bedürfnistest sollten danach nur greifen, soweit eine Beratungsleistung erbracht wird. Dies wurde im Kom‑ promissvorschlag des Rates vom 20.6.2014 (Ratsdokument Nr. 11141/14) in Art. 15a und c aufgegriffen. Bereits im nächsten Kompromissvorschlag (Ratsdokument Nr. 12961/14 v. 8.9.2014) sah man jedoch bereits wieder vor, dass die Wünsche und Bedürfnisse auch beim Vertrieb ohne Beratung zu ermitteln sind, vgl. dort die Absätze 4 und 5 der Art. 15a und c.



D.  Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler 27

nach Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 und 3 IDD von den Mitgliedstaaten verbindlich vorgeschrieben werden.

c)  Die Abgrenzung des Wunsch- und Bedürfnistests von der Beratung Angesichts dessen stellt sich die Frage, welche Pflichten zum Wunsch- und Be‑ dürfnistest gehören und welche zur darüber hinausgehenden Beratung.

aa)  Der Wunsch- und Bedürfnistest als Auswahlhilfe für Kunden Beim Vertrieb ohne Beratung soll Kunden nach ErwG 44 geholfen werden, „eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage [zu] treffen“. Vermittler sollen hierzu alle Versicherungsprodukte „anbieten“ (und nicht empfehlen), die den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Die Auswahlent‑ scheidung für ein bestimmtes Produkt soll ein Versicherungsinteressent sodann selbst treffen, weshalb die Aufgabe der Vermittler lediglich darin besteht, eine Auswahlhilfe zu bieten. Mit der Ermittlung der (objektiven) Bedürfnisse soll daher nur festgestellt werden, ob und in welchem Umfang Kunden Versiche‑ rungsschutz benötigen.106 Vermittler müssen dazu zunächst in Erfahrung brin‑ gen, ob die Versicherung, die ein Kunde abschließen will, nicht überflüssig ist, z. B., weil er bereits in einem anderen Vertrag (mit)versichert ist. Hierzu müssen Vermittler alle notwendigen Informationen zur Risikosituation des Kunden er‑ fragen, weil andernfalls das Ziel des Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 IDD nicht erreicht würde.107 Im Hinblick auf den Umfang des Versicherungsschutzes müssen Ver‑ mittler zudem ermitteln, ob Kunden eine Police benötigen, bei der bestimmte Risiken nicht ausgeschlossen sind.108 Eine weitere Konkretisierung der „Be‑ dürfnisse“ lässt sich Art. 25 IDD entnehmen. Darin werden insbesondere Ver‑ sicherer verpflichtet, für ihre Produkte einen Zielmarkt festzulegen, d. h. Kun‑ dengruppen zu benennen, für die Produkte geeignet sind. Ist dieser Zielmarkt bei einem Produkt eingeschränkt, müssen Vermittler prüfen, ob ihre Kunden noch zum Zielmarkt gehören. Wurde ein entsprechender Bedarf ermittelt, müssen auch die (subjektiven) Wünsche eines Kunden auf den Abschluss eines bestimmten Versicherungsver‑ trags gerichtet sein. Vermittler müssen also herausfinden, an welchen Produk‑ ten ein Kunde interessiert ist und welche Erwartungen er an sie stellt.109 Dabei 106  Vgl.

zu § 61 VVG OLG München, Urt. v. 6.4.2017, 29 U 3139/16, VersR 2017, 1270 (1272); Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG, § 61 Rn. 10. 107  Für eine Fragepflicht auch Matusche-Beckmann, ZVertriebsR 2018, 285 (289). Trotz Ablehnung einer Fragepflicht i. E. ebenso Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (273). Vgl. auch be‑ reits Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 24. Gegen eine Fragepflicht explizit Werber, VersR 2019, 321 (325). 108  Ebenso zu § 61 VVG OLG München, Urt. v. 6.4.2017, 29 U 3139/16, VersR 2017, 1270 (1272). 109  Früher bereits Schmidt, Beratungsgrundlage, S. 213.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

muss allerdings nicht jede persönliche Präferenz erfragt werden, die für die Auswahl einer Versicherung relevant sein könnte. Es geht vielmehr nur um die grundlegenden Ziele des Kunden. Beispielsweise muss nicht erfragt werden, ob der Kunde Wert legt auf besondere Serviceleistungen oder ein bestimmtes Re‑ gulierungsverhalten des Versicherers.110 Andernfalls wäre eine Abgrenzung zur Beratung unmöglich.111 Ausreichend ist daher die Beantwortung von Basisfra‑ gen. Soweit es um den genauen Leistungsinhalt geht, genügt es, weitere Anga‑ ben bei den „objektiven Informationen“ zu einzelnen Produkten zur Verfügung zu stellen, eben weil der Wunsch- und Bedürfnistest und das Angebot verschie‑ dener Versicherungsprodukte Kunden lediglich in die Lage versetzen sollen, selbst eine Auswahl zu treffen. Der Umfang der Ermittlungspflicht richtet sich nach der Komplexität eines Versicherungsprodukts (Art. 20 Abs. 2 IDD).112 Das heißt jedoch nicht, dass der Wunsch- und Bedürfnistest nur durchzuführen ist, soweit hierfür ein besonderer Anlass besteht, wie dies die §§ 6 Abs. 1 S. 1; 61 Abs. 1 S. 1 VVG nahelegen.113 Die Intensität der Ermittlung darf zwar an die Komplexität der angebotenen Produkte angepasst werden, der Wunsch- und Bedürfnistest muss aber der Re‑ gelfall sein.114 Damit ist freilich nicht die Durchführung einer allgemeinen Ri‑ sikoanalyse gemeint. Der Test darf sich auf diejenigen Risiken beschränken, zu denen der Kunde nähere Informationen wünscht.115 Ziel des Wunsch- und Bedürfnistests ist nämlich nur, dass angebotene Versicherungen den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entsprechen (Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 IDD). Nach alledem müssen auch Online-Anbieter wie Vergleichsportale mittels Standardfragen prüfen, welche Produkte für ihre Kunden geeignet sind.116 Aus‑ reichend sind oben genannte Basisfragen zur Risikosituation der Kunden.117 Individuelle Kriterien, die helfen, aus mehreren passenden Produkten ein be‑ sonders gutes auszuwählen, sind allein bei der Beratung heranzuziehen. Bei 110  Zu weit Schwintowski, VuR 2014, 370 (374). 111  Ähnlich daher die Abgrenzung bei Ramharter,

ZVersWiss 2016, 221 (244), der an‑ nimmt, der Wunsch- und Bedürfnistest müsse „weniger engmaschig“ sein als die Beratung. 112  Art. 20 Abs. 2 IDD bezieht sich nicht nur auf die Erteilung objektiver Informationen i. S. v. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 IDD; a. A. Gruber, ZFR 2016, 211 (216). In der englischen Fas‑ sung ist nämlich weitergehend von „details referred to in paragraph 1“ die Rede. 113  Dazu Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 24; Reiff, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 5 Rn. 169. Dagegen bereits Schmidt, Beratungsgrundlage, S. 209 ff. 114 Ebenso Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (276); Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (239). Zur Vereinbarkeit mit der IDD siehe auch Stöbener, Beratungspflichten, S. 145 f. 115  Explizit Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 24; selbst für Versicherungsmakler auch OLG Hamm, Urt. v. 21.5.2015, 18 U 132/14, NJW 2016, 336 ff. Zu weit Schwintowski, VuR 2014, 370 (372), wonach ein Vergleichsportal einen Kunden mit Interesse an einer Kfz-Versicherung fragen müsse, ob er schon eine Risikolebensversicherung hat. 116  Vgl. zu § 61 VVG auch OLG München, Urt. v. 6.4.2017, 29 U 3139/16, VersR 2017, 1270 (1272); ausf. Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 61 Rn. 41 ff. 117  Vgl. auch EWSA, ABl. C 44 v. 15.2.2013, 95 (96), der einen Vertrieb ohne Beratung gerade für Online-Anbieter vorsah.



D.  Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler 29

besonders komplexen Produkten wie Lebensversicherungen, bei denen die Bedürfnisse der Kunden stärker individualisiert sind, kann freilich bereits der Wunsch- und Bedürfnistest eine Befragung per Telefon oder Webcam erfordern.

bb)  Die Beratung als individuelle Empfehlung Im Fall einer Beratung haben Vermittler nach Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD eine persönliche Empfehlung an den Kunden zu richten, welches Produkt seinen Wünschen und Bedürfnissen am besten entspricht. Während es beim Vertrieb ohne Beratung also genügt, dass alle angebotenen Produkte einen „passenden“ Versicherungsschutz darstellen, müssen Vermittler bei der Beratung einen kon‑ kreten Auswahlvorschlag machen.118

(1)  Wann „erfolgt“ eine Beratung? Eine derartige Empfehlung schuldet ein Vermittler nach Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD, wenn vor Abschluss eines Versicherungsvertrags eine Beratung (d. h. „die Abgabe einer persönlichen Empfehlung“119) „erfolgt“. Für die Frage, wann das der Fall ist, hilft die Definition des Beratungsbegriffs nicht weiter. Da Art. 18 lit. a sublit. ii IDD Vermittler verpflichtet mitzuteilen, ob sie eine Beratung an‑ bieten, könnte man annehmen, eine Beratung „erfolge“ nur dann, wenn sie in der Erstinformation angeboten wird.120 Dabei bestünde aber „die Gefahr, dass sich der Vermittler von seiner Beratungsverantwortung zu entbinden versucht, indem er dem Kunden mitteilt, dass keine Beratung erfolgt“121. Man wird daher nicht nur auf die formale Erstinformation abstellen können, sondern auch auf den rechtsgeschäftlichen Grundsatz des objektiven Empfängerhorizonts zu‑ rückgreifen müssen. Stellt ein Vermittler in Aussicht, dass er individuell auf die Einzelsituation eines Kunden eingeht und das für ihn beste Produkt auswählt und vorschlägt, ist die Abgabe einer persönlichen Empfehlung geschuldet.122 Dafür spricht vor allem ein Vergleich zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 MiFID123. An dieser Norm orientierte man sich bei der Definition der Beratung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 15 IDD.124 Nach Ansicht des EuGH kommt es für die Frage, ob eine (Anla‑ 118  Vgl. auch die Differenzierung bei Jabornegg, wbl. 2017, 481 (489) und Schauer, in: Fenyves/Schauer, IDD, S. 69 (91). 119  Art. 2 Abs. 1 Nr. 15 IDD. 120  So wohl Gruber, ZFR 2016, 211 (216). 121  EWSA, ABl. C 44 v. 15.2.2013, S. 95 (96). 122 Ähnlich Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (273). 123 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 124  Vgl. Änderungsantrag 9 der Stellungnahme des Ausschusses für Binnenmarkt und Ver‑ braucherschutz v. 30.4.2013, als Anlage dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Wäh‑ rung v. 5.2.2014 über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

ge-)Beratung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 MiFID stattfindet, auf die Art und Weise an, wie ein Finanzinstrument angeboten wird.125 Damit stellt er auf die Präzi‑ sierung des Beratungsbegriffs in Art. 52 der RL 2006/73126 ab. Dort heißt es: „Die betreffende Empfehlung muss als für die betreffende Person geeignet dar‑ gestellt werden oder auf eine Prüfung der Verhältnisse der betreffenden Per‑ son gestützt sein“. Für die IDD muss man das dahingehend einschränken, dass nicht bereits die Ermittlung der grundlegenden Wünsche und Bedürfnisse des Kunden und ein darauffolgendes Angebot von Verträgen dazu führt, dass eine Beratung geschuldet ist, d. h. „erfolgt“ i. S. d. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD.127 Ansonsten gäbe es einen Vertrieb ohne Beratung nie. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit ein Vermittler individuell auf die Lage seines Kunden eingeht und ihm das Gefühl vermittelt, er werde eine auf diesen abgestimmte Empfehlung abgeben. Insbesondere bei persönlichen Gesprächen gehen Kunden in der Regel davon aus, dass Vermittler eine persönliche Empfehlung abgeben, wenn sie ihnen be‑ stimmte Verträge als besonders vorteilhaft anbieten. Demgegenüber wissen Kunden bei Online-Angeboten wie Vergleichswebsites selbst nach Durchfüh‑ rung des Wunsch- und Bedürfnistests, dass sie nicht eine in jeder Hinsicht in‑ dividualisierte Empfehlung erhalten. Sie erkennen, dass sich eine Auflistung verschiedener Versicherungsangebote in der Regel an der zu zahlenden Prä‑ mie orientiert. Bei einer solchen Auflistung sollte man daher noch nicht davon ausgehen, dass eine Beratung „erfolgt“ i. S. d. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD.128 Eine Abgrenzung zum Wunsch- und Bedürfnistest wird freilich im Einzelfall schwierig sein, da das herkömmliche Verständnis von „Beratung“ weit gefasst Rates über Versicherungsvermittlung (Neufassung) beigefügt (Plenarsitzungsdokument Nr. A7–0085/2014, S. 81 f., abrufbar unter ). 125  EuGH, Urt. v. 30.5.2013, Rs. C-604/11, EuZW 2013, 557 (559 f.) Rn. 53. 126  Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organi‑ satorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. L 241 v. 2.9.2006, S. 26. 127 Ähnlich Beenken/Sandkühler, Versicherungsvertriebsrecht, S. 100; Ramharter, ZVers‑ Wiss 2016, 221 (237); Schauer, in: Fenyves/Schauer, IDD, S. 69 (91). Zweifelnd zur Abgren‑ zung Matusche-Beckmann, ZVertriebsR 2018, 285 (289), die meint, mit der Ermittlung eines auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Versicherungsprodukts ginge zwangsläufig auch eine persönliche Empfehlung einher. Dem ist entgegenzuhalten, dass das bloße Anbieten bzw. Vorschlagen verschiedener Produkte nicht mit der Empfehlung eines Pro‑ dukts gleichzusetzen ist. 128  A. A. Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (273), nach dem eine Beratung nur dann nicht erfolgt, wenn der Vermittler „mehrere in Betracht kommende Produkte unstrukturiert, d. h. in beliebiger Reihenfolge aufführt und den Kunden darauf hinweist, dass auch durch die Reihung keine Empfehlung abgegeben werden soll“. Dabei überträgt er die Kriterien des Art. 52 RL 2006/73/EG ohne Einschränkung auf die IDD, was aus o. g. Gründen abzulehnen ist.



D.  Europarechtlich harmonisierte Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler 31

war und damit auch die Bedürfnisermittlung umfasste.129 In den meisten Fällen, in denen bisher ein „Beratungsfehler“ angenommen wurde, dürfte daher selbst beim Vertrieb ohne Beratung eine Pflichtverletzung anzunehmen sein, so z. B., wenn Vermittler Versicherungen anbieten, obwohl Kunden bereits anderweitig (mit)versichert sind.

(2)  Anforderungen an die „persönliche“ Empfehlung Bei der geschuldeten „persönlichen“ Empfehlung müssen Vermittler das aus ihrer Marktgrundlage „beste“ Produkt auswählen. Dazu müssen sie mehr Fak‑ toren berücksichtigen als beim Wunsch- und Bedürfnistest.130 Im Fall einer Beratung müssen sie also auch in Erfahrung bringen, auf welche Aspekte der Kunde besonderen Wert legt, um zwischen verschiedenen passenden Produkten differenzieren zu können. Angesichts dessen ließe sich erneut darüber streiten, inwieweit ein Vermittler einen „best advice“ und nicht bloß einen „suitable ad‑ vice“ schuldet. Der Streit um diese Begriffe ist jedoch wenig zielführend.131 Selbst wenn man von einem „best advice“ ausgeht, ist es angesichts der vielen Kriterien, die für Kunden bedeutsam sein können, schwierig, nur ein Produkt als das beste zu bezeichnen.132 Häufig handelt es sich um Wertungen, weil Krite‑ rien unterschiedlich gewichtet werden können. Es genügt daher, wenn Vermitt‑ ler in Erfahrung bringen, auf welche Kriterien (z. B. Prämie, Leistungsumfang, Regulierungsverhalten, zusätzliche Serviceleistungen) ihre Kunden besonderen Wert legen, und dann in vertretbarer Weise ein Produkt empfehlen.133 Für On‑ line-Anbieter ist das ohne persönlichen Kontakt schwieriger, aber auch nicht unmöglich.134 So können nach den eben genannten Kriterien Kategorien ge‑ bildet werden, in denen jedes angebotene Versicherungsprodukt bewertet wird. Kunden können dann angeben, auf welche Punkte sie besonderen Wert legen. 129  Vgl. auch EWSA, ABl. C 44 v. 15.2.2013, S. 95 (98); Beenken/Sandkühler, Versiche‑ rungsvertriebsrecht, S. 66; Jabornegg, wbl. 2017, 481 (486); Matusche-Beckmann, ZVer‑ triebsR 2018, 285 (289). 130  So wohl auch Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (244). Anders Jabornegg, wbl. 2017, 481 (490), der die Unterschiede von Wunsch- und Bedürfnistest und Beratung als „minimal“ bezeichnet. 131  Ebenso bereits Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 61 Rn. 23. 132  Ausf. nur Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 61 Rn. 23; Werber, ZfV 2004, 419 (424). 133  Mit überzeugender Argumentation für einen suitable advice nunmehr auch Werber, VersR 2019, 321 (328 f.). 134  Ebenso unter Verweis auf die Erwartungshaltung der Nutzer Fischer, BB 2012, 2773 (2778); a. A.  Gruber, ZFR 2016, 211 (218). Anders auch Beenken/Sandkühler, Versicherungs‑ vertriebsrecht, S. 188, die meinen, eine „persönliche“ Empfehlung könne nur von einer Per‑ son und keiner Internetanwendung abgegeben werden. Das Adjektiv bezieht sich jedoch nicht darauf, dass die Empfehlung von einem Menschen abgegeben wird, sondern nur darauf, dass sie individuell auf den Kunden ausgerichtet sein muss. Auch eine automatisierte Beratung ist daher möglich (vgl. Art. 12 DVO [EU] 2017/2359 sowie Stöbener, Beratungspflichten, S. 278 f.).

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Hinsichtlich der Beratungsgrundlage unterscheidet die IDD in Art. 19 Abs. 1 lit. c drei Typen: yy den Vermittler, der „seinen Rat auf eine ausgewogene und persönliche Un‑ tersuchung stützt“. Es handelt sich um einen Makler, der auf Basis einer un‑ eingeschränkten Marktgrundlage vermittelt. yy den Vermittler, der verpflichtet ist, ausschließlich für ein oder mehrere Ver‑ sicherungsunternehmen tätig zu werden. Gemeint sind damit Ausschließ‑ lichkeits- oder Mehrfachvertreter. yy den Vermittler, der nicht verpflichtet ist, ausschließlich für ein oder mehrere Versicherungsunternehmen tätig zu werden, aber auch keine ausgewogene und persönliche Untersuchung anbietet. Hiermit können sowohl Makler als auch Vertreter erfasst sein.135 Art. 20 Abs. 1 IDD erlaubt grundsätzlich allen Vermittlerkategorien einen Ver‑ trieb ohne und mit Beratung.136 Schuldet jedoch ein Versicherungsvertreter eine Beratung, muss er in der Regel nur Produkte seines/r Versicherer(s) anbieten. Die Pflicht zu erläutern, warum ein Produkt den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden am besten entspricht, wird allenfalls dann bedeutsam, wenn der/die Versicherer mehrere unterschiedliche Produkte anbietet/anbieten, die sämtlich den Wünschen und Bedürfnissen entsprechen.137

d)  Weitergehende Pflichten bei Versicherungsanlageprodukten Die soeben dargestellten Pflichten werden bei der Vermittlung von Versiche‑ rungsanlageprodukten durch die Art. 26 ff. IDD ergänzt. Hierbei handelt es sich um (vor allem Lebens-)Versicherungsprodukte, die einen Fälligkeits- oder Rückkaufswert bieten, der Marktschwankungen ausgesetzt ist.138 Bei ihrem Vertrieb treffen Vermittler nach Art. 29 Abs. 1 IDD zunächst weitergehende Informationspflichten. Art. 30 IDD sieht sodann wie Art. 20 einen Vertrieb mit und ohne Beratung vor. Beim Vertrieb ohne Beratung müssen sich Vermittler über die Pflichten des Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 IDD hinaus Informationen über die Kenntnisse ihrer Kunden im Anlagebereich verschaffen, um die An‑ 135 Erfasst sein können (echte) Mehrfachvertreter (dafür Müller, ZfV 2003, 98 [102]; Werber, ZfV 2004, 419 [420]), jedenfalls soweit sie von Versicherern nicht zur Vermittlung „verpflichtet“, sondern „zugelassen“ werden (so Jabornegg, wbl. 2017, 481 [483]). Darüber hinaus können Makler erfasst sein, die ihre Marktgrundlage einschränken und nur mit be‑ stimmten Versicherern zusammenarbeiten (dafür Beenken/Sandkühler, Versicherungsver‑ triebsrecht, S. 40, 98; Reiff, VersR 2004, 142 [147]). Vgl. auch Dohmen, Beratungspflichten, S. 212 ff.; Vedrenne, Le contrôle des intermédiaires d’assurance par l’ACPR, S. 45. 136  Das gilt auch für Versicherungsmakler (hierzu Werber, VersR 2019, 321 [326]). 137 Ebenso Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (272); Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (241 f.). 138  Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 IDD. Zu den hierunter fallenden Produkten ausf. Kohleick/Gerold/ Werner/Gierse, BaFin-Journal August 2017, S. 34 ff.; Beyer, VersR 2016, 293 (294 f.); Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (271); Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (224).

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gemessenheit anzubietender Versicherungsanlageprodukte beurteilen zu kön‑ nen (Art. 30 Abs. 2 UAbs. 1 IDD: Befragungspflicht). Halten sie Produkte für unangemessen, haben sie die Kunden zu warnen (Art. 30 Abs. 2 UAbs. 2 IDD). Im Fall einer Beratung bezieht sich die Befragungspflicht darüber hinaus auf die finanziellen Verhältnisse und Anlageziele der Versicherungsinteressenten (Art. 30 Abs. 1 IDD). Sowohl beim Vertrieb mit als auch ohne Beratung tref‑ fen Vermittler ferner Aufzeichnungs- und Berichtspflichten: Nach Art. 30 Abs. 4 IDD müssen sie Aufzeichnungen über die Vereinbarungen mit ihren Kunden, die zu erbringenden Dienstleistungen und die Rechte und Pflichten der Parteien erstellen. Über erbrachte Dienstleistungen müssen Versicherungsnehmern fer‑ ner angemessene Berichte zur Verfügung gestellt werden (Art. 30 Abs. 5 IDD). Abweichend von Art. 30 IDD können die Mitgliedstaaten strengere oder mil‑ dere Regelungen erlassen: Wie bei Art. 20 können sie eine Beratung zwingend vorschreiben (Art. 29 Abs. 3 UAbs. 3 IDD). Machen sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, können sie sogar Erleichterungen von der Angemessenheits‑ prüfung des Art. 30 Abs. 2 IDD vorsehen, und zwar nach Art. 30 Abs. 3 IDD für den sog. execution only-Vertrieb.139 Eine weitergehende Erleichterungsmög‑ lichkeit bietet Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 IDD beim Vertrieb gegenüber professio‑ nellen Kunden.

e)  Die Vermittlervergütung als zentraler Streitpunkt Im Gegensatz zu den bislang dargestellten Wohlverhaltensregeln war die Ver‑ mittlervergütung im Gesetzgebungsverfahren Gegenstand heftiger Diskus‑ sionen. Die ursprünglichen Pläne der Kommission, eine generelle Offenle‑ gungspflicht über die Provisionshöhe und ein Provisions(annahme)verbot für Versicherungsmakler einzuführen,140 wurden nicht verwirklicht. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. d und e IDD müssen Vermittler nunmehr lediglich die Art der Ver‑ gütung, die sie im Zusammenhang mit der Vermittlung bestimmter Verträge er‑ halten, offenlegen. Selbst bei Versicherungsanlageprodukten müssen Vermittler bzw. Versicherer nach Art. 29 Abs. 1 IDD grundsätzlich nur Informationen über alle Kosten und Gebühren in aggregierter Form erteilen. Kunden können aller‑ dings eine Aufstellung der Kosten nach einzelnen Posten verlangen. Damit ver‑ langt die IDD weder eine generelle Provisionsoffenlegung141 noch verbietet sie die Annahme von Provisionen. 139 Dazu

Gruber, ZFR 2016, 275 (281). Vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. f und Art. 24 Abs. 5 lit. b des Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Versicherungsvermittlung, COM(2012) 360 final. 141 Ausf. Brömmelmeyer, r+s 2016, 269 (274), der bei Versicherungsanlageprodukten von einem „verhaltenen Anspruch auf Provisionsangabe“ spricht, sowie Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (233 ff.). Allg. Gruber, ZFR 2016, 211 (215). 140 

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Eine Vergütung auf Provisionsbasis darf nach Art. 17 Abs. 3 IDD allerdings nicht mit der Pflicht des Vermittlers, im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln, kollidieren. Bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten ist die Zahlung einer Provision darüber hinaus nur zulässig, wenn sie „sich nicht nachteilig auf die Qualität der entsprechenden Dienstleistung für den Kunden auswirkt und nicht die Verpflichtung des Versicherungsvermittlers […] beein‑ trächtigt, im besten Interesse seiner Kunden […] zu handeln“142. Auch im Bereich der Vermittlervergütung dürfen Mitgliedstaaten strengeres nationales Recht – insbesondere ein Provisionsverbot – erlassen.143 Wie oben bereits gezeigt,144 weichen die einzelnen nationalen Maßnahmen erheblich von‑ einander ab: Einige verbieten – jedenfalls im Lebensversicherungsbereich – die Annahme von Provisionen, andere verpflichten Vermittler zur Offenlegung von Zuwendungen. In Frankreich müssen Makler, die auf einer uneingeschränkten Marktgrundlage beraten, ferner offenlegen, ob sie mit einem Versicherer oder einer Versicherungsgruppe im letzten Geschäftsjahr mehr als 33 % ihres Umsat‑ zes erwirtschaftet haben.145

III.  Mindestharmonisierung, Flexibilitätsklauseln und Umsetzung in Deutschland Angesichts politischer Meinungsdifferenzen auf EU‑Ebene setzt die IDD weit‑ gehend nur Mindeststandards und erlaubt den Mitgliedstaaten – wie eben je‑ weils dargestellt – die Einführung strengerer nationaler Vorschriften. Ihnen wird so ermöglicht, Besonderheiten auf nationalen Versicherungsmärkten zu berücksichtigen und Versicherungsnehmer stärker zu schützen. Dieses Anlie‑ gen zeigt sich besonders in den Flexibilitätsklauseln der Art. 22 Abs. 2 und 3 und Art. 29 Abs. 3 IDD. Darin ermächtigt der Richtliniengeber die Mitgliedstaa‑ ten, strengere Vorschriften zu erlassen, die letztlich auf EU‑Ebene nicht durch‑ gesetzt werden konnten. Das betrifft vor allem strengere Informationspflich‑ ten, eine verpflichtende Beratung oder Provisionsverbote.146 Umgekehrt erlaubt Art. 30 Abs. 3 IDD den Mitgliedstaaten, Erleichterungen beim Vertrieb nichtkomplexer Versicherungsanlageprodukte ohne Beratung vorzusehen. 142  Art. 29 Abs. 2

IDD; konkretisiert durch Art. 8 Abs. 2 DVO (EU) 2017/2359. Vgl. Art. 22 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 3 IDD. Das beinhaltet die Möglichkeit anzuordnen, dass verbotswidrig erlangte Provisionen an Kunden auszukehren sind (Art. 29 Abs. 3 UAbs. 2 IDD sowie allg. Gruber, ZFR 2016, 211 [215]). Soweit Art. 29 Abs. 3 UAbs. 1 IDD lediglich von einem Provisionsverbot für „Versicherungsberatungsleistungen“ spricht, ist damit keine Einschränkung der Mitgliedstaaten gemeint (a. A. Gruber, ZFR 2016, 275 [280]). Schon nach Art. 22 Abs. 3 IDD ist ein generelles Provisionsverbot möglich. 144  S. 22. 145  Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. Hierzu bereits oben (S. 22). 146  Siehe zu Informationspflichten Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 IDD; zur Beratung Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 und Art. 29 Abs. 3 UAbs. 3 IDD sowie zu Provisionsverboten Art. 22 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 3 UAbs. 1 und 2 IDD. 143 



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Das deutsche Recht macht von diesen Möglichkeiten nur in begrenztem Um‑ fang Gebrauch. Im Bereich der Informationspflichten der Art. 18 und 19 IDD fordert § 15 Abs. 1 VersVermV eine Information des Kunden nicht erst recht‑ zeitig vor Abschluss eines Versicherungsvertrags, sondern bereits „beim ers‑ ten Geschäftskontakt“. Der Wunsch- und Bedürfnistest und die Beratung sind in § 61 VVG geregelt, welcher eine Befragung des Kunden nach seinen Wün‑ schen und Bedürfnissen weiterhin nur bei einem entsprechenden Anlass ver‑ langt. In richtlinienkonformer Auslegung ist dieser grundsätzlich gegeben.147 § 61 Abs. 1 VVG verpflichtet Vermittler darüber hinaus zur Beratung. Soweit eine solche nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen bereits geschuldet ist, d. h. „erfolgt“ i. S. d. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD, dient § 61 VVG der Richtlinien‑ umsetzung. Soweit Vermittler ihren Kunden hingegen nicht versprechen bzw. in Aussicht stellen, eine persönliche Empfehlung abzugeben, geht § 61 Abs. 1 VVG über die IDD hinaus. Kunden können auf die Beratung lediglich nach § 61 Abs. 2 VVG in Schrift- bzw. im Fernabsatz in Textform verzichten. Entschei‑ dend ist, dass sich diese Verzichtsmöglichkeit nur auf die Beratung, d. h. die Ab‑ gabe einer persönlichen Empfehlung, und nicht auf den Wunsch- und Bedürf‑ nistest bezieht, der nach der IDD verpflichtend ist.148 Verzichtet ein präsumtiver Versicherungsnehmer wirksam auf die Beratung, ist daher auch im deutschen Recht bedeutsam, welche Pflichten bereits beim Wunsch- und Bedürfnistest er‑ füllt werden müssen.149 Ergänzende Informations-, Befragungs-, Beratungs-, Aufzeichnungs- und Berichtspflichten für den Vertrieb von Versicherungsanla‑ geprodukten sind schließlich in den §§ 7b und 7c i. V. m. § 59 Abs. 1 S. 2 VVG umgesetzt. Sie entsprechen den Vorgaben der IDD, wobei § 7c Abs. 3 VVG die eben angesprochenen Erleichterungen beim execution only-Vertrieb nicht-kom‑ plexer Versicherungsanlageprodukte vorsieht. Im Bereich der Vergütung gilt in Deutschland nur für Versicherungsberater ein Provisionsverbot (§ 34d Abs. 2 S. 3 GewO). Vermitteln sie Bruttopolicen, müssen sie veranlassen, dass das Versicherungsunternehmen Zuwendungen an den Versicherungsnehmer nach § 48c VAG auskehrt (Durchleitungsgebot, § 34d Abs. 2 S. 6 GewO). Versicherungsvermittler dürfen sich hingegen durch Provi‑ sionen von Versicherern vergüten lassen. Machen sie hiervon Gebrauch, dürfen 147  148 

Siehe S. 28. Stöbener, Beratungspflichten, S. 417 f. Ebenso bereits Reiff, in: MüKo-VVG, § 61 Rn. 29. Die Überschrift des § 61 VVG hat zwar ein weites Verständnis von „Beratung“, im Normtext des Absatzes 1 wird aber zwischen dem Wunsch- und Bedürfnistest und der Bera‑ tung differenziert, wodurch eine richtlinienkonforme Auslegung möglich ist. Vgl. nunmehr auch § 6 Abs. 3 S. 2 VVG, wo im Fernabsatz eine Verzichtsmöglichkeit nur bzgl. der Beratung geschaffen wurde und der generelle Ausschluss des Wunsch- und Bedürfnistests (§ 6 Abs. 6 3. Var. VVG a. F.) gestrichen wurde. Das übersehen Beenken/Sandkühler, Versicherungsver‑ triebsrecht, S. 190. Ausf. zu § 61 VVG ab S. 277. 149 Anders Matusche-Beckmann, ZVertriebsR 2018, 285 (289), wonach die Abgrenzung in Deutschland „allein akademischer Natur“ sei.

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sie ihren Kunden keine Provisionsanteile zurückgewähren, da § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO i. V. m. § 48b VAG ihnen verbietet, Kunden Sondervergütungen zu gewähren. Der Gesetzgeber will insbesondere verhindern, dass Vermittler Kun‑ den mit dem Versprechen auf Rückgabe von Provisionsanteilen zum Abschluss von Versicherungsverträgen verleiten.150

E.  Die Entscheidung für eine Richtlinienumsetzung im Aufsichts- und/oder Privatrecht als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen Bislang wurden lediglich die unionsrechtlich determinierten Verhaltensanfor‑ derungen an Versicherungsvermittler und Beispiele für Schutzverstärkungen in den Mitgliedstaaten betrachtet. Da die Richtlinienvorgaben nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbar sind (Art. 288 Abs. 3 AEUV), ist es darüber hinaus für die Rechtsanwendung von erheblicher Bedeutung, ob Staaten die Richtlinie im Aufsichts- und/oder Privatrecht umgesetzt haben. Diese Entschei‑ dung hat vor allem Auswirkungen auf das Kollisionsrecht, das sich in aufsichtsund privatrechtlichen Sachverhalten unterscheidet.

I.  Vorgaben der IDD zur Art der Umsetzung Die IDD enthält lediglich zur aufsichtsrechtlichen, nicht aber zur privatrecht‑ lichen151 Umsetzung explizite Regelungen. Die Art. 31 ff. bestimmen, inwie‑ weit staatliche Behörden152 die Einhaltung des Umsetzungsrechts überwachen müssen. Art. 31 Abs. 1 IDD verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihren Behörden bei Verstößen gegen die (d. h. alle) zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen Vor‑ schriften Eingriffsbefugnisse zu gewähren. Das gilt nach Art. 33 Abs. 1 lit. e und f IDD vor allem bei der Verletzung von Wohlverhaltensregeln der Kapi‑ tel V und VI. Werden Wohlverhaltensregeln des Kapitels V beim Vertrieb von Produkten, die keine Versicherungsanlageprodukte sind, verletzt, müssen staat‑ liche Behörden mindestens eine Anordnung erlassen können, wonach die ver‑ antwortliche Person die Verhaltensweise einzustellen und von einer Wieder‑ holung abzusehen hat (Art. 33 Abs. 1 lit. f, Abs. 3 lit. a IDD). Dieselbe Befugnis 150  151 

Siehe ausf. hierzu S. 105 ff. Dazu ausf. S. 148 ff. 152  Das sind nach Art. 12 Abs. 2 S. 1 IDD staatliche Stellen oder Einrichtungen, die nach nationalem Recht „anerkannt“ sind. Sie müssen nach Absatz 3 mit entsprechenden Befugnis‑ sen ausgestattet sein und nach Art. 31 (insb. Abs. 4) zur Überwachung und zum Einschreiten verpflichtet werden (vgl. auch Art. 12 Abs. 3 S. 2 IDD, der in der englischen Fassung von „du‑ ties“ spricht). Qualifizierte Einrichtungen i. S. d. § 4 UKlaG, denen lediglich eine Klagemöglichkeit gegeben wird, genügen diesen Anforderungen nicht.



E.  Richtlinienumsetzung als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen

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muss Behörden zustehen, wenn Vermittler Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten verletzen (Art. 33 Abs. 1 lit. e, Abs. 2 lit. b IDD). Darüber hinaus müssen Behörden in diesen Fäl‑ len zeitweilige Tätigkeitsverbote und finanzielle Verwaltungssanktionen ver‑ hängen können (Art. 33 Abs. 2 lit. d, e und f IDD). Der Richtliniengeber erwartet also, dass die Mitgliedstaaten sämtliche Pflichten der Kapitel V und VI der IDD mit behördlichen Mitteln durchset‑ zen.153 Allenfalls ließe sich auf den ersten Blick vertreten, dass den Behörden die in Art. 33 Abs. 2 und 3 IDD vorgesehenen Befugnisse nicht bei der Verlet‑ zung von Informationspflichten der Richtlinie zustehen müssen. Die speziell in Art. 33 IDD genannten Verwaltungsmaßnahmen und Sanktionen müssen nämlich nur bei der Verletzung von „Wohlverhaltensregeln“ bestehen (Art. 33 Abs. 1 lit. e und f IDD). Da die Überschrift zu Kapitel V Informationspflichten wohl nicht zu Wohlverhaltensregeln i. e. S. zählt, könnten die Art. 18–24, 29 f. IDD weitgehend von Art. 33 ausgenommen sein. Der Begriff der Wohlverhal‑ tensregeln in Art. 33 IDD ist allerdings weit zu verstehen und erfasst auch die Informationspflichten der Richtlinie. Dafür spricht bereits die englische Fas‑ sung des Art. 33 Abs. 1 lit. e und f IDD, die mit „conduct of business require‑ ments“ einen anderen Terminus verwendet als „conduct of business rules“, die in der Überschrift zu Kapitel V Informationspflichten gegenübergestellt sind.154 Wie auch ErwG 58 S. 1 nahelegt, müssen somit alle Bestimmungen der Kapitel V und VI behördlich durchgesetzt werden, z. B. mit Anordnungen i. S. d. Art. 33 Abs. 2 lit. b, Abs. 3 lit. a, mit denen Vermittlern aufgegeben wird, rechtswidrige Verhaltensweisen abzustellen und von Wiederholungen abzusehen.155

II.  Die Trennung von Gewerbe- und Privatrecht in Deutschland Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei Umsetzung der VermRL dafür entschie‑ den, die europäischen Vorgaben möglichst klar zu trennen und zum Teil in das Gewerberecht der GewO und der VersVermV und zum Teil in das privat‑ rechtliche VVG zu integrieren.156 Diese Unterscheidung hat er im Rahmen der IDD‑Umsetzung überwiegend nicht aufgegeben. 153  Vgl. zum Erfordernis einer aufsichtsrechtlichen Umsetzung auch Ramharter, in: Feny‑ ves/Schauer, IDD, S. 143 (149) sowie explizit zu den „Bedarfsermittlungs-, Informations- und Dokumentationspflichten“ Stöbener, Beratungspflichten, S. 62 (unklar allerdings dann S. 465, 470 f.). 154  Hierzu sowie zu weiteren Argumenten ausf. Rüsing, VersR 2019, 129 (137). 155  Rüsing, VersR 2019, 129 (137). 156  Dazu bereits Schönleiter, GewArch 2007, 265 (273). Die Entscheidung zur zum Teil privatrechtlichen Umsetzung geschah somit bewusst. Für eine privatrechtliche Umsetzung der Informations- und Beratungspflichten auch Reiff, VersR 2007, 717 (722), der aber schon in VersR 2004, 142 (146) erkannte, dass auch ein „gewerberechtliches Bedürfnis“ bestehen könn‑ te, die Pflichten behördlich durchzusetzen.

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1.  Die gewerberechtliche Um- und Durchsetzung Im Gewerberecht wurden insbesondere die Pflichten zur Vermeidung von In‑ teressenkollisionen und unerwünschten Vergütungsanreizen157 sowie die sta‑ tus- und produktbezogenen Informationspflichten der Art. 18 und 19 IDD (§ 15 VersVermV) umgesetzt. Darüber hinaus sind Befragungs- und Beratungspflich‑ ten beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten mit staatlichen Zwangs‑ mitteln durchsetzbar, da § 147c GewO auf § 7c Abs. 1 S. 1 und 2 VVG Bezug nimmt. Verstoßen Vermittler gegen gewerberechtlich umgesetzte Wohlverhal‑ tensregeln und enthält die GewO keine spezielle Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Maßnahmen, können die zuständigen Behörden auf Grundlage der Generalklauseln des Ordnungsrechts der Länder einschreiten (z. B. nach § 14 Abs. 1 OBG NRW).158 Hiernach können die Ordnungsbehörden die notwen‑ digen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Da die öffentliche Sicherheit die Unversehrtheit der Rechtsordnung umfasst,159 können die Behörden (weiteren) drohenden Verstö‑ ßen gegen die GewO und die VersVermV vorbeugen. Auf dieser Basis können sie – entsprechend Art. 33 Abs. 2 lit. b und Abs. 3 lit. a IDD – eine Anordnung erlassen, wonach die verantwortliche Person rechtswidrige Verhaltensweisen einzustellen hat. Soweit Verstöße Ordnungswidrigkeitentatbestände der GewO und der VersVermV erfüllen,160 können sie zudem Bußgelder erlassen. Welche Behörden für diese aufsichtsrechtliche Durchsetzung zuständig sind, legt die GewO nicht explizit fest. Sie weist den Industrie- und Handelskam‑ mern (IHKs) zunächst nur eine sachliche Zuständigkeit für die Erlaubnisertei‑ lung und Registrierung zu.161 Auch früher enthielt sie keine Regelung, wel‑ che Behörden präventive oder repressive Maßnahmen wegen der Verletzung von Wohlverhaltensregeln erlassen dürfen. Maßgeblich war nach § 155 Abs. 2 GewO das Recht der Länder, die überwiegend die örtlichen Ordnungsbehörden bzw. Gewerbeämter oder IHKs für zuständig erklärten.162 Auch nach Umset‑ zung der IDD findet sich keine eindeutige Regelung. Soweit die GewO – bei‑ 157  §§ 14 Abs. 2; 18 und 19 VersVermV. Die Normen dienen der Umsetzung der Art. 17 Abs. 3; 27, 28 und 29 Abs. 2 IDD. 158  Zu dieser Auffangfunktion des allgemeinen Ordnungsrechts siehe nur BVerwG, Beschl. v. 24.10.2001, 6 C 3/01, BVerwGE 115, 189 (192 f.). Das gilt z. B. für die §§ 14 Abs. 2; 18 und 19 VersVermV, deren Verletzung nach § 26 VersVermV keine Ordnungswidrigkeit i. S. d. § 144 GewO darstellt. Soweit danach in Bezug auf Versicherungsanlageprodukte der Erlass von fi‑ nanziellen Verwaltungssanktionen nicht möglich ist, wird die Umsetzung Art. 33 Abs. 2 IDD nicht gerecht. 159  Siehe nur BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315 (352). 160  Vgl. insb. § 147c GewO und §§ 26 Abs. 1 Nr. 3; 15 Abs. 1 VersVermV i. V. m. § 144 Abs. 2 Nr. 1b GewO. 161  § 34d Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und § 11a Abs. 1 S. 1 GewO. 162  Vgl. die Übersicht bei Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 279.



E.  Richtlinienumsetzung als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen

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spielsweise in § 34d Abs. 9 S. 6 – explizit zum Eingreifen ermächtigt, legt sie die zuständigen Behörden nicht fest. Die BaFin ist jedenfalls nur für Maßnah‑ men gegen Versicherer zuständig, auch wenn Pflichten der Vermittler im VVG oder VAG geregelt sind.163 Eine Zuständigkeitszuweisung könnte man allenfalls dem neuen § 34d Abs. 12 S. 1 GewO entnehmen. Danach richten die IHKs Verfahren zur Mel‑ dung von Verstößen gegen die zur Umsetzung der IDD ergangenen Vorschriften ein, „bei denen es ihre Aufgabe ist, deren Einhaltung zu überwachen“. Legt man die Norm eng aus, müssen die IHKs Meldeverfahren lediglich in Bezug auf die Vorschriften einrichten, zu deren Überwachung sie die GewO explizit für zuständig erklärt.164 Meldeverfahren müssten dann vor allem für Verstöße im Erlaubnis- und Registrierungsverfahren sowie bei der Fortbildung eingerichtet werden. Da den IHKs im Übrigen zum Vollzug bzw. zur Durchsetzung zentraler Wohlverhaltensregeln der IDD keine sachliche Zuständigkeit zugewiesen wird, liefe die Norm weitgehend leer und würde Art. 35 IDD nicht gerecht, der for‑ dert, dass die zuständigen Behörden Meldungen über alle Verstöße gegen euro‑ päische Mindestvorgaben entgegennehmen.165 Überzeugender ist es daher, dass sich § 34d Abs. 12 S. 1 GewO auf alle zur Umsetzung der IDD ergangenen Vorschriften bezieht.166 Demnach weist der Relativsatz den IHKs die Aufgabe zu, die Einhaltung des Umsetzungsrechts generell zu „überwachen“. Ob die IHKs hierdurch allerdings für zuständig er‑ klärt werden, präventive Maßnahmen als Sonderordnungsbehörden nach dem Ordnungsrecht der Länder oder repressive Maßnahmen zur Ahndung von Ord‑ nungswidrigkeiten zu ergreifen, ist höchst fraglich. Den IHKs würde dann die gesamte Gewerbeüberwachung über Versicherungsvermittler anvertraut.167 Hiergegen spricht schon der systematische Standort des Relativsatzes, der sich lediglich auf das Meldeverfahren bezieht. Hätte der Gesetzgeber einen gesam‑ ten Bereich der Wirtschaftsüberwachung den IHKs zuweisen wollen, hätte er 163  Vgl. nur §§ 1 Abs. 1; 294 Abs. 2; 298 Abs. 1 VAG. Näher zur unmittelbaren und mit‑ telbaren Aufsicht der BaFin über Versicherungsvermittler Rüsing, VersR 2019, 129 (131 ff.). Anders der DIHK, der annahm, die BaFin sei für Maßnahmen gegen Vermittler bei Verstö‑ ßen gegen Pflichten aus dem VVG oder dem VAG zuständig (Stellungnahme vom 12.12.2016 [Einleitung Fn. 11], S. 15). Für eine derartige Zuständigkeitszuweisung entsprechend dem Re‑ gelungsort einer Pflicht gibt das VAG nichts her. 164  So DIHK, Stellungnahme vom 12.12.2016 (Einleitung Fn. 11), S. 15 und wohl auch Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 202. Der DIHK forderte den Ge‑ setzgeber auf, eine Weiterleitungspflicht der IHKs vorzusehen, wenn sie sachlich unzuständig sind. Eine derartige Regelung wurde nicht eingeführt. 165  Die BaFin muss nach § 4d Abs. 1 FinDAG lediglich Meldungen zu den „von ihr beauf‑ sichtigten Unternehmen und Personen“ (d. h. nicht Vermittlern) entgegennehmen. 166  Hierzu sowie zum Folgenden bereits Rüsing, VersR 2019, 129 (134 f.). 167  Ohne Verweis auf § 34d Abs. 12 GewO hiervon ausgehend wohl Schwintowski, ZfV 2017, 714, jedenfalls bei Verstößen gegen das Sondervergütungsverbot des § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO i. V. m. § 48b VAG.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

das eindeutiger bestimmen müssen. Das gilt erst recht, weil bei Umsetzung der VermRL Einigkeit zwischen allen Beteiligten bestand, den IHKs keine umfas‑ sende sachliche Zuständigkeit für die Vermittleraufsicht zu übertragen.168 Das steht im Einklang mit ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörperschaften. Auch das Bundesverfassungsgericht hat jüngst betont, dass den IHKs zwar Wirt‑ schaftsverwaltungsaufgaben übertragen worden, diese „aber nicht mit gewer‑ beaufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen verbunden“ seien.169 Die Beru‑ fung von IHKs zu Sonderordnungsbehörden in Abweichung vom allgemeinen Ordnungsrecht der Länder bedürfte daher einer expliziten Willensäußerung des Bundesgesetzgebers.170 Eine solche lässt sich dem schwammigen § 34d Abs. 12 S. 1 GewO nicht entnehmen. Zur „Überwachung“ i. S. d. Norm genügt es daher, dass die IHKs Meldungen entgegennehmen und Vorwürfen nachgehen. Belas‑ tende Präventivmaßnahmen nach dem Ordnungsrecht der Länder oder Buß‑ gelder dürfen hingegen nur die landesrechtlich zuständigen Behörden erlassen (§ 155 Abs. 2 GewO).171 An diese dürfen die IHKs nach § 11a Abs. 7 S. 1 GewO Daten über die Vorwürfe übermitteln. Freilich können die Länder auch die IHKs selbst zum Erlass von Eingriffs‑ maßnahmen für zuständig erklären.172 Weit überwiegend haben die Länder al‑ lerdings die einzelnen Gemeinden als örtliche Ordnungsbehörden oder Kreise/ Ämter, kreis- bzw. amtsfreie Städte und Gemeinden oder große kreisangehöri‑ ge Städte zur Durchsetzung des Gewerberechts berufen.173 In NRW sind bei‑ spielsweise nach § 5 Abs. 1 S. 1 OBG NRW die örtlichen Ordnungsbehörden für Präventivmaßnahmen zuständig. Zugleich ahnden sie Ordnungswidrigkei‑ ten i. S. d. §§ 144 und 147c GewO, die von Versicherungsvermittlern begangen 168 

Möllering, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, § 1 Rn. 192. Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 und 1 BvR 1106/13, NJW 2017, 2744 (2748) Rn. 98. Vgl. auch Möllering, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, § 1 Rn. 169, 192. Freilich folgt hieraus kein generelles Verbot zur Übertragung hoheitlicher Befugnisse mit Eingriffscha‑ rakter. In gewissem Umfang dürfen auch Selbstverwaltungskörperschaften zum verbindlichen „Handeln mit Entscheidungscharakter“ ermächtigt werden (BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002, 2 BvL 5/98, BVerfGE 107, 59 [94]; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962, 1 BvR 541/57, BVerfGE 15, 235 [242]). 170  Hierfür spricht auch Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG, wonach der Bundesgesetzgeber bestimmte Landesbehörden für den Vollzug von Bundesgesetzen für zuständig erklären kann, den Län‑ dern aber ein Abweichungsrecht zusteht. Damit sie hiervon Gebrauch machen können, müssen entsprechende bundesgesetzliche Regelungen hinreichend transparent sein. 171 I. E. ebenso (auch nach Umsetzung der IDD) Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 278; Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 117, 208. Dass die IHKs ihre Überwachungsaufgabe in Zusammenarbeit mit den örtlichen Ordnungsbehörden wahrnehmen, ist nach Art. 31 Abs. 3 lit. b IDD möglich. 172  Siehe die Übersicht bei Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 279. Krit. Möllering, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, § 1 Rn. 192. 173  Mit Verweis auf die Bestimmungen der einzelnen Länder Rüsing, VersR 2019, 129 (135 f.). Siehe (zum Teil abweichend) auch die Übersicht bei Schönleiter, in: Landmann/Roh‑ mer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 279. 169  BVerfG,



E.  Richtlinienumsetzung als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen

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werden (§ 2 Abs. 3 GewRV NRW).174 Dass sie angesichts der höchst komple‑ xen Regelungsmaterie eine effektive Vermittleraufsicht gewährleisten, ist nicht zu erwarten, insbesondere in kleinen Gemeinden. Mangels entsprechender Ver‑ pflichtung im Gewerberecht ist ohnehin unklar, ob alle Behörden auf Basis der Generalklauseln des Ordnungsrechts der Länder Anordnungen erlassen, wo‑ nach Vermittler rechtswidrige Verhaltensweisen einzustellen haben. Hinsichtlich der gewerberechtlich umgesetzten Pflichten stehen staatlichen Behörden aber jedenfalls theoretisch Befugnisse zu, die über die der priva‑ ten Rechtsteilnehmer hinausgehen. Nur ausnahmsweise wurden bzw. werden Wohlverhaltensregeln im deutschen Recht zugleich auch im Privatrecht umbzw. durchgesetzt. Das gilt zunächst für die Befragungs- und Beratungspflich‑ ten beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten (§ 7c Abs. 1 S. 1 und 2 VVG), auf die § 147c GewO Bezug nimmt. Darüber hinaus soll eine Verlet‑ zung der Erstinformationspflicht des § 15 VersVermV nach Ansicht der Litera‑ tur einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB begrün‑ den können.175

2.  Die privatrechtliche Um- und ihre behördliche Durchsetzung Überwiegend wurden Wohlverhaltensregeln der IDD in Deutschland sogar aus‑ schließlich im Privatrecht umgesetzt. Das betrifft die Pflicht zur Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse und zur Beratung i. S. d. Art. 20 IDD (§ 61 Abs. 1 S. 1 VVG), Pflichten im Zusammenhang mit Querverkäufen i. S. d. Art. 24 IDD (§ 7a i. V. m. § 59 Abs. 1 S. 2 VVG) sowie Informations-, Aufzeichnungsund Berichtspflichten bei der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten i. S. d. Art. 29 Abs. 1; 30 Abs. 4 und 5 IDD (§§ 7b, 7c Abs. 4 und 5 VVG i. V. m. § 59 Abs. 1 S. 2 VVG)176. Soweit danach Pflichten beim Vertrieb von Versiche‑ rungsanlageprodukten nicht aufsichtsrechtlich – insbesondere mit finanziellen Verwaltungssanktionen – durchsetzbar sind, wird das deutsche Recht bereits Art. 33 Abs. 2 IDD nicht gerecht. 174  Hieran

hat der Landesgesetzgeber auch nach Umsetzung der IDD bewusst festgehal‑ ten; siehe die Siebte Verordnung zur Änderung der Gewerberechtsverordnung v. 8.5.2018, Ge‑ setz- und Verordnungsblatt NRW 2018 Nr. 13 v. 30.5.2018, S. 272. 175  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 34d GewO Rn. 57; Schönleiter, in: Landmann/Roh‑ mer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 283. Ob der BGH dem folgen würde, ist fraglich. Im Ka‑ pitalmarktrecht ist er deutlich zurückhaltender, aus aufsichtsrechtlichen Vorschriften indivi‑ dualschützende Zwecke herzuleiten (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2013, XI ZR 332/12, JZ 2014, 252 [253 ff.] Rn. 15 ff.; Urt. v. 27.9.2011, XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 [135] Rn. 47; Urt. v. 19.12.2006, XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 [232] Rn. 18 f.). 176  § 147c Abs. 1 GewO verweist anders als § 332 Abs. 3 Nr. 3b und c VAG nicht auf diese Pflichten. Die Ordnungswidrigkeitentatbestände des VAG richten sich nur an Versicherer. Sie verweisen schon nur auf die §§ 7b und c VVG, ohne § 59 Abs. 1 S. 2 VVG einzuschließen. Damit wurden einige Informationspflichten für Vermittler in § 15 VersVermV aufsichtsrecht‑ lich, andere in § 7b VVG ausschließlich privatrechtlich umgesetzt.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

Ob die privatrechtliche Umsetzung im Übrigen den Vorgaben der Art. 31 ff. IDD entspricht, ist höchst fraglich. Art. 33 Abs. 1 lit. f, Abs. 3 lit. a IDD ver‑ langt, dass die nationalen Behörden bei jedem Verstoß gegen Wohlverhaltens‑ regeln des Kapitels V mindestens eine Anordnung erlassen können, wonach die verantwortliche Person die Verhaltensweise einzustellen und von einer Wieder‑ holung abzusehen hat. Das heißt beispielsweise, dass Behörden kontrollieren müssen, ob Vermittler wie Online-Portale in ausreichender Weise die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden ermitteln. Kommen Vermittler dieser Pflicht nicht nach, ist ihnen aufzugeben, die Verhaltensweise einzustellen. Hierfür bietet je‑ denfalls die GewO keine Ermächtigungsgrundlage.177 § 35 GewO erlaubt le‑ diglich eine generelle Gewerbeuntersagung wegen „Unzuverlässigkeit“ eines Vermittlers. Abgesehen davon, dass tatbestandlich ein Verstoß eines Vermittlers (oder seiner Mitarbeiter) gegen einzelne zivilrechtliche Pflichten nicht stets eine generelle gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden begrün‑ det,178 ist die Gewerbeuntersagung als Rechtsfolge schon nicht zielführend. Im Übrigen ist § 35 GewO nach Absatz 8 nicht anwendbar, soweit Versicherungs‑ vermittler eine Erlaubnis besitzen, da die §§ 48, 49 Landes-VwVfG179 einer Ge‑ werbeuntersagung vorgehen.180 Angesichts dessen könnten die zuständigen Behörden allenfalls auf Basis der ordnungsrechtlichen Generalklauseln der Länder tätig werden, wonach die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im Einzel‑ fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuweh‑ ren. Zur öffentlichen Sicherheit zählt unter anderem der Schutz der objekti‑ ven Rechtsordnung und individueller Rechte.181 Ein (drohender) Verstoß gegen Wohlverhaltensregeln des VVG kann auch eine Gefahr für diese Schutzgüter begründen. Die Durchsetzung privater Schutznormen ist im allgemeinen Ord‑ 177  In anderen Gesetzen, die entsprechende Richtlinienvorgaben umsetzen, finden sich hingegen Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass derartiger Verwaltungsakte, vgl. § 6 Abs. 6 WpHG und § 3a Abs. 2 S. 1 BörsG. § 298 Abs. 1 S. 1 VAG, bei dem jeder Rechtsverstoß zum Einschreiten ermächtigt, kommt als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht, da Vermittler dort nicht als Adressaten genannt sind. Sie unterliegen im Übrigen bereits nicht der Aufsicht der BaFin (vgl. nur § 1 Abs. 1 VAG). 178  Dazu VGH München, Beschl. v. 20.10.2011, 22 ZB 11.1473, BeckRS 2014, 53252. Nach Marcks (in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 [Juni 2018] Rn. 62) kann die Verletzung zi‑ vilrechtlicher Vorschriften auf eine Unzuverlässigkeit hindeuten, wenn ein Gewerbetreibender „hartnäckig und in erheblichem Umfang wettbewerbsrechtliche Vorschriften missachtet, um sich dadurch in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise wirtschaftliche Vorteile zu Lasten seiner Geschäftspartner zu verschaffen“. 179  In Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-An‑ halt gelten die entsprechenden Bestimmungen des Bundes-VwVfG kraft Verweises. Auf die abweichende Ordnung des LVwG Schleswig-Holstein wird in dieser Arbeit nicht verwiesen. 180 Siehe nur Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 27; Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 142. 181  Statt aller BVerwG, Urt. v. 28.3.2012, 6 C 12/11, NJW 2012, 2676 (2677) Rn. 23.



E.  Richtlinienumsetzung als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen

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nungsrecht allerdings üblicherweise nur eingeschränkt möglich. Behörden sind nach entsprechenden Subsidiaritätsklauseln zum ausschließlichen Schutz priva‑ ter Rechte nur zum Einschreiten befugt, wenn zivilgerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und eine Rechtsvereitelung droht.182 Mit ori‑ ginär hoheitlichen Befugnissen lassen sich die Wohlverhaltensregeln des VVG somit nur schwer durchsetzen. Allenfalls ließe sich darauf verweisen, dass ein Verstoß gegen die §§ 61 ff. VVG in der Regel die Gefahr weiterer Verstöße be‑ gründet und Kunden nicht bemerken, ob beispielsweise ihre Wünsche und Be‑ dürfnisse ausreichend ermittelt werden. Eine Rechtsvereitelung könnte daher drohen, weil eine Vielzahl von Kunden möglichen Rechtsverstößen eines Ver‑ mittlers ohne effektiven Rechtsschutz ausgesetzt ist.183 Hält man eine entspre‑ chende Auslegung der Subsidiaritätsklauseln nicht für möglich, könnten sie al‑ lenfalls richtlinienkonform teleologisch reduziert werden.184 Alternativ könnten die IHKs nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wett‑ bewerb (UWG), d. h. auf Basis nicht-hoheitlicher Befugnisse, gegen Vermitt‑ ler vorgehen. § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 4 UWG gewährt IHKs Unterlassungsansprü‑ che bei der Verletzung von Marktverhaltensregeln i. S. d. § 3a UWG, wozu die Rechtsprechung Pflichten der VersVermV und des VVG zählt.185 Verstoßen Ver‑ mittler hiergegen, könnten IHKs sie nach § 12 Abs. 1 S. 1 UWG abmahnen und notfalls (einstweilig) gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Zur Umsetzung der Art. 31 ff. IDD genügt das allerdings nicht.186 Selbst wenn den IHKs ein Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG zusteht, werden sie damit noch nicht zur effektiven Durchsetzung europäischer Mindestvorgaben verpflichtet. Die aufsichtsrechtliche Durchsetzung der IDD ist somit in Deutschland nicht in dem in Art. 31–33 IDD vorgesehenen Maße möglich.187 Selbst wenn man ein ordnungsrechtliches oder wettbewerbsrechtliches Einschreiten deutscher Be‑ 182  Dazu m. w. N. Schoch, JURA 2013, 468 (469 ff.). Die Subsidiaritätsklauseln greifen nicht, wenn private Rechte auch öffentlich-rechtlich, d. h. durch „Strafrecht, Ordnungswidrig‑ keitenrecht, Verwaltungsrecht“ (Schoch, JURA 2013, 468 [470]), geschützt sind. Das ist bei der ausschließlich privaten Sanktionsnorm in § 63 VVG nicht der Fall. In einzelnen Ländern wie NRW leitet man die Subsidiarität nur aus einer Analogie zum Polizeirecht her (Schoch, JURA 2013, 468 [469 f.] Fn. 19 m. w. N.). Wendet man diese nicht an, könnten Behörden wohl auch auf Basis des Ordnungsrechts handeln. 183  Vgl. zu entsprechenden Ansätzen VGH Mannheim, Beschl. v. 10.6.2011, 1 S 915/11, NJW 2011, 2532 (2533 f.); Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5 Rn. 43. 184  Siehe zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nur Heiderhoff, Europäisches Pri‑ vatrecht, Rn. 125 ff. Zu möglichen Grenzen im Eingriffsrecht, die aus dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes folgen, siehe Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methoden‑ lehre, § 13 Rn. 49. 185  BGH, Urt. v. 28.11.2013, I ZR 7/13, VersR 2014, 497 (500) Rn. 33; OLG München, Urt. v. 6.4.2017, 29 U 3139/16, VersR 2017, 1270 (1271, 1273). 186  Ein Verfahren, nach dem die Behörden nicht selbst eine Unterlassung anordnen dürfen, sondern dafür Gerichte einschalten müssen, wäre aber wohl wegen Art. 31 Abs. 3 lit. c mit der IDD vereinbar. Eine effiziente Staatsaufsicht würde es freilich nicht sicherstellen. 187  Das gilt folglich auch für die öffentliche Bekanntmachung aufsichtsrechtlicher Maß‑

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hörden bei Verletzung aller Mindestpflichten der IDD für möglich hält, wäre die Überwachung jedenfalls faktisch nicht hinreichend sichergestellt. Mangels expliziter Ermächtigungen überwachen bislang weder die IHKs noch andere Ordnungsbehörden die Einhaltung des VVG. Die Vorgabe des EuGH, Richt‑ linien so umzusetzen, dass ihre vollständige Anwendung durch die nationalen Behörden gewährleistet und die Rechtslage hinreichend bestimmt und klar dar‑ gestellt wird,188 erfüllt das deutsche Recht somit nicht.189

III.  Alternative Umsetzungslösungen in anderen Mitgliedstaaten Demgegenüber ist die Vermittleraufsicht in anderen Mitgliedstaaten deutlich ausgeprägter. In Österreich hat der Gesetzgeber bereits die Informations- und Beratungspflichten der VermRL sowohl im Gewerbe- als auch im Privatrecht umgesetzt. Sie waren bis zur Umsetzung der IDD in den §§ 137f–137h öGewO enthalten. Durch Verweise in § 43 Abs. 4 VersVG a. F.190 und § 27 Abs. 2 Mak‑ lerG a. F.191 galten die gewerberechtlichen Pflichten zugleich auch im privaten Schuldverhältnis, sodass Kunden sowohl Versicherungsmakler als auch Ver‑ sicherungsagenten bei der Verletzung von Wohlverhaltensregeln persönlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen konnten.192 Im Zuge der IDD‑Umsetzung hat der österreichische Gesetzgeber an der aufsichts- und privatrechtlichen Umsetzung festgehalten. Die Wohlverhaltens‑ regeln der IDD, einschließlich der Informations- und Beratungspflichten, sind nunmehr allerdings in eine gesonderte Verordnung i. S. d. § 69 Abs. 2 öGewO ausgelagert worden, den sog. Standesregeln für Versicherungsvermittlung193. Verstoßen Vermittler gegen Vorgaben der Standesregeln, indem sie z. B. die nahmen i. S. d. Art. 32 IDD. § 34d Abs. 11 GewO ermöglicht eine derartige Veröffentlichung nur bei Verstößen gegen Bestimmungen der GewO oder der VersVermV. 188  EuGH, Urt. v. 23.5.1985, Rs. 29/84, Slg. 1985, 1661 Rn. 23. Ähnlich später EuGH, Urt. v. 10.5.2001, Rs. C-144/99, Slg. 2001, I-3541 Rn. 17; Urt. v. 23.3.1995, Rs. C-365/93, Slg. 1995, I-499 Rn. 9. 189  Krit. zur bisherigen Aufsichtspraxis auch Beenken/Sandkühler, Versicherungsvertriebs‑ recht, S. 64, 108, 124. Vgl. auch Bernardino, The Future of the European Insurance Industry in a Digital Era, Vortrag auf dem Süddeutsche Zeitung Insurance Day 2017, S. 4 (abrufbar unter ). 190  Bundesgesetz vom 2. Dezember 1958 über den Versicherungsvertrag (Versicherungs‑ vertragsgesetz), BGBl. Nr. 2/1959. Mit der a. F. wird auf die Fassung vor Inkrafttreten des Ver‑ sicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetzes 2018 (BGBl. I Nr. 16/2018) verwiesen. 191 Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Makler (Maklergesetz), BGBl. Nr. 262/1996. Mit der a. F. wird auf die Fassung vor Inkrafttreten der Versicherungsvermitt‑ lungsnovelle 2018 (BGBl. I Nr. 112/2018) verwiesen. 192  Vgl. ErlRV 616 BlgNR 22. GP, S. 20. 193 Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über Standes- und Ausübungsregeln für Gewerbetreibende, die die Tätigkeit der Versicherungsver‑ mittlung ausüben (Standesregeln für Versicherungsvermittlung) (BGBl. II Nr. 162/2019).



E.  Richtlinienumsetzung als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen

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Wünsche und Bedürfnisse der Kunden nicht ausreichend ermitteln, kann die zuständige Behörde eine Anordnung erlassen, wonach die verantwortliche Per‑ son die Verhaltensweise einzustellen und von einer Wiederholung abzusehen hat (§ 360a Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 Nr. 5 öGewO). Neben dieser aufsichtsrecht‑ lichen Bedeutung bestehen die in den Standesregeln vorgesehenen Informati‑ ons-, Beratungs- und Dokumentationspflichten gem. § 27 Abs. 2 MaklerG auch im privaten Rechtsverhältnis der Versicherungsmakler gegenüber ihren Kun‑ den, welche bei Rechtsverstößen Schadensersatz fordern können.194 Verletzt ein Versicherungsagent Informations- oder Beratungspflichten, haftet der ver‑ tretene Versicherer gem. § 44 Abs. 2 VersVG selbst dann für das Verschulden des Agenten, wenn die Pflicht nur diesen trifft. Die gewerberechtlich veranker‑ ten Wohlverhaltensregeln der Standesregeln wirken somit über das MaklerG bzw. das VersVG zugleich auch auf Privatrechtsverhältnisse ein. In ähnlicher Weise hat das Vereinigte Königreich das europäische Recht auf den ersten Blick allein im Aufsichtsrecht umgesetzt. Die einzelnen Wohl‑ verhaltensregeln finden sich im Insurance: Conduct of Business Sourcebook (ICOBS) bzw. im Conduct of Business Sourcebook (COBS), verbindlichen In‑ strumenten, die die Financial Conduct Authority (FCA) für die Überwachung der Vermittler erlassen hat.195 Die Pflichten wirken allerdings zugleich auf das private Schuldverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden ein, da diese bei Ver‑ stößen gegen das (I)COBS Schadensersatz wegen breach of statutory duty for‑ dern können.196 In Frankreich finden sich die wesentlichen Wohlverhaltensregeln der IDD in den Art. L. 521-1 ff. und Art. R. 521-1 ff. C. ass. Ihre Einhaltung überwacht die Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR), vor allem in VorOrt-Kontrollen.197 Sie kann bei Pflichtverletzungen eine Verwarnung (avertissement) oder eine Rüge (blâme) aussprechen oder ein Verbot rechtswidri‑ ger Verhaltensweisen anordnen.198 Im Hinblick auf diese Befugnisse hat die ACPR beispielsweise im Jahr 2013 umfangreiche Aufsichtsmaßnahmen ge‑ genüber Vermittlern ergriffen, die Produkte im Fernabsatz (z. B. über Preis‑ 194  Der

Verweis bezieht sich nur auf Standesregeln mit Schutzgesetzcharakter, vgl. § 27 Abs. 2 MaklerG („zu dessen Schutz vorgesehene Information und Beratung“) sowie ErlRV 371 BlgNR 26. GP, S. 10. 195 Als Teil des FCA Handbook abrufbar unter . Zu Änderungen im Zuge der IDD‑Umsetzung siehe das Insurance Distribution Direc‑ tive Instrument 2018, FCA 2018/25, abrufbar unter . 196  Saville v. Central Capital Ltd. [2014] EWCA Civ 337 Rn. 7; Birds, Modern Insurance Law, S. 223; Elkington, in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16-007. Ausf. zur deliktischen und zur vertraglichen Haftung ab S. 169. 197  Vgl. Art. L. 612-2, II 1° und Art. L. 612-41 Code monétaire et financier. Zum Kontroll‑ maßstab und zu Eingriffsmöglichkeiten siehe Vedrenne, Le contrôle des intermédiaires d’as‑ surance par l’ACPR, S. 39 ff., 42 ff. sowie zu Vor-Ort-Kontrollen S. 33 ff. 198  Art. L. 612-41 Code monétaire et financier.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

vergleich-Websites) vertrieben haben.199 Dabei kontrollierte sie insbesondere, ob die Pflichten zur Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse der Kunden und Beratungspflichten eingehalten wurden. Neben dieser aufsichtsrechtlichen Be‑ deutung der Wohlverhaltensregeln können Kunden bei einer Verletzung der eu‑ roparechtlich determinierten Verhaltensanforderungen Schadensersatz fordern, da die im Code des assurances statuierten Vorgaben zugleich die vertraglichen bzw. deliktischen Pflichten der Vermittler näher ausgestalten.200 Andere Mitgliedstaaten haben die europäischen Wohlverhaltensregeln damit überwiegend im Aufsichts- und Privatrecht umgesetzt.

IV.  Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr Die unterschiedliche Umsetzung im Aufsichts- und/oder Privatrecht hat vor allem in grenzüberschreitenden Sachverhalten für Unsicherheit gesorgt. Hierzu führt Schönleiter201 aus: „Die Vorgaben des Kapitels V der EU‑RL wurden nur von Österreich und Deutschland im Zivilrecht umgesetzt; die anderen EU‑Mitgliedstaaten übernahmen diese Pflichten in das Versicherungsaufsichtsrecht.202 Dies hat leidliche Konsequenzen: Da die Ver‑ sicherungsaufsicht von dem Prinzip des home country surveillance (= grds. Aufsicht/ Überwachung durch den Heimatstaat) ausgeht, unterliegen demnach die Vermittler bei Vermittlungen in das Ausland im Rahmen einer Dienstleistung der Überwachung ihrer jeweiligen Heimatbehörde und entsprechend ihrem heimatlichen Recht. Bei einer zivil‑ rechtlichen Umsetzung regelt sich die Anwendung des jeweils zu beachtenden Rechts nach dem internationalen Privatrecht, d. h. es ist das Recht des Landes anzuwenden, in welchem es zum Vertragsschluss kommt bzw. welches vertraglich für anwendbar erklärt ist. Die öffentlich-rechtliche Lösung über die Versicherungsaufsicht lässt hingegen etli‑ che Fragen offen, die auf EU‑Ebene noch keiner endgültigen Lösung zugeführt wurde – ebenso wie die Definition, ab wann eine grenzüberschreitende Vermittlung vorliegt.“

Befürchtet wird insbesondere, dass in einem grenzüberschreitenden Sachver‑ halt das Aufsichtsrecht eines Staates anwendbar ist, der die Mindestpflichten im Privatrecht umgesetzt hat, während das private Kollisionsrecht eine Rechts‑ ordnung beruft, die die Pflichten im Aufsichtsrecht verankert hat. Inwieweit ein solcher Normenmangel möglich ist und wie festgestellt wird, an welches (auch strengere) nationale Recht ein Vermittler gebunden ist, soll in den folgenden 199  Vgl.

den entsprechenden Jahresbericht der ACPR (Rapport annuel de l’ACPR 2013, S. 97; abrufbar unter ). 200  Vgl. nur Cass. civ. 2e v. 18.1.2018, n° 16-29.062; v. 18.5.2017, n° 16-16.803; Cass. com. v. 23.9.2014, n° 13-22.763; Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 1068 ff., 1100 ff., 1175 ff., 1185 f. Siehe ausf. zur Haftung S. 169 und 183 ff. 201  In: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 9. 202 Das ist angesichts der Feststellungen im letzten Abschnitt jedenfalls ungenau. Die meisten Staaten haben sich für eine aufsichts- und privatrechtliche Umsetzung entschieden.



E.  Richtlinienumsetzung als Ausgangspunkt kollisionsrechtlicher Überlegungen

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Kapiteln die übergeordnete Frage sein. Zur Veranschaulichung mag folgender Beispielsfall dienen: Zwei Deutsche und zwei Franzosen wollen eine Versicherungsmakler-KG mit al‑ leiniger Niederlassung in Deutschland gründen, mit der sie kleinen und mittelstän‑ dischen Unternehmen aus Deutschland und Frankreich Versicherungsprodukte zur Deckung von Betriebsrisiken vermitteln möchten. Um auf dem französischen Markt Fuß zu fassen, werben sie damit, einen Teil der von Versicherern erhaltenen Provi‑ sionen an Kunden zurückzugeben. Aufgrund steigender Kundenanfragen können sie vor allem die Risiken einiger französischer Kunden vor Ort nicht ausreichend erfas‑ sen. Letztlich vermitteln sie meist eine Police desselben Versicherers V, mit dem sie seit Jahren 40 % ihres Umsatzes erwirtschaften. Nach einiger Zeit beschweren sich einzelne Kunden wegen Deckungslücken und zu hoher Prämien. Sie fordern Scha‑ densersatz, weil die KG nicht ausreichend ihre Bedürfnisse ermittelt habe und weil sie nicht entsprechend Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. ihre enge Geschäftsbeziehung zu V offengelegt habe.203 Aus denselben Gründen wollen französische Behörden einschreiten.204

In derartigen Sachverhalten sind aufsichts- und privatrechtliche Fragen zu tren‑ nen. Das gilt erst recht bei Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass., weil die Norm Ver‑ haltensanforderungen an Versicherungsmakler stellt, die weder ausschließ‑ lich noch primär dem Aufsichts- oder Privatrecht zugeordnet werden können. Nach Art. L. 612-2, II 1° und Art. L. 612-41 Code monétaire et financier setzt die ACPR die entsprechenden Vorgaben des Code des assurances durch,205 so‑ dass die Wohlverhaltensregeln insoweit aufsichtsrechtlich Bedeutung erlangen. Zugleich gestaltet der Code des assurances das private Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden dadurch aus, dass er vertragliche bzw. deliktische Pflichten der Parteien festlegt. Je nachdem, welche Folgen aus ihm hergelei‑ tet werden sollen, lässt sich somit auch Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. dem Auf‑ sichts- und dem Privatrecht zuordnen. Da die Bestimmung des anwendbaren Rechts in beiden Rechtsgebieten nach unterschiedlichen methodischen Grundlagen erfolgt, sollen diese in den fol‑ genden Kapiteln jeweils einleitend dargestellt werden. Davon ausgehend soll ermittelt werden, wie Vermittler grenzüberschreitende Tätigkeiten aufnehmen können und welchem Recht sie dabei unterliegen. Näher betrachtet werden soll vor allem die Frage, welche Reichweite das vermeintlich der IDD zugrunde lie‑ gende „Herkunftslandprinzip“ hat und wie es auf die Ermittlung des anwend‑

203 Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. bestimmt, dass Makler, die auf Basis einer unein‑ geschränkten Marktgrundlage beraten wollen, ihren Kunden offenlegen müssen, ob sie im letzten Geschäftsjahr mehr als 33 % ihres Umsatzes durch Zusammenarbeit mit einem Ver‑ sicherer oder einer Versicherungsgruppe erwirtschaftet haben. Dazu bereits oben (S. 22). 204 Siehe zu diesem Beispielsfall jeweils die Ergebnisse auf S.  63, 145, 252, 273, 280, 283. 205  Siehe ggü. ausländischen Vermittlern zusätzlich Art. L. 515-6, al. 1 C. ass.

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Teil 1: Versicherungsvermittlung im Binnenmarkt

baren Rechts einwirkt. Ausgehend von diesen übergeordneten Fragen werden Einzelheiten zur Internationalen Vermittleraufsicht betrachtet und die interna‑ tional-privatrechtliche Qualifikation der Vermittlungsrechtsverhältnisse vor‑ genommen.

Teil 2

Internationale Vermittleraufsicht Während das IPR in Fällen mit Auslandsbezug Verweisungsnormen für die Kol‑ lision verschiedener Rechtsordnungen bereithält, fehlt im Öffentlichen Recht häufig ein vergleichbares separates Kollisionsrechtsregime, das bestimmt, wel‑ che Behörden zuständig sind und welches Recht anwendbar ist.

A.  Grundlagen des Internationalen Verwaltungsrechts Beide Aspekte, die Ermittlung der Zuständigkeit staatlicher Behörden und des von ihnen anzuwendenden Rechts, sollen im Rahmen dieser Untersuchung unter dem Ausdruck des Internationalen Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrechts zu‑ sammengefasst werden.1

I.  „Einseitigkeit“ des Internationalen Verwaltungsrechts De lege lata ist dieses Rechtsgebiet geprägt vom Grundsatz der Einseitigkeit.2 Das bedeutet zum einen, dass jeder Staat grundsätzlich selbst entscheidet, wel‑ che Behörden er für welche Aufgaben bereithält. Zum anderen beschränken sich Staaten meist darauf, den internationalen Anwendungsbereich ihres eigenen Öffentlichen Rechts festzulegen. Häufig geschieht das nicht explizit, sondern durch Zuständigkeitszuweisungen an inländische Behörden, da diese grundsätz‑ lich nur eigenes Recht anwenden.3 Allseitige Kollisionsnormen in dem Sinne, dass ein Staat gleichermaßen eigenes wie fremdes Öffentliches Recht berufen würde, sind selten.4 Dementsprechend stellt sich in aufsichtsrechtlichen Sach‑ 1 Bei v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 52, 57 ff. „öffentlichrechtliches IÖR“. 2 Grundlegend Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 115 f., 120

und Vogel, Anwendungsbereich, S. 194 ff., 239, 299; siehe auch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 61; Lehmann, in: MüKo-BGB, IntFinMarktR Rn. 101; Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 67 Rn. 45; Schnyder, Versicherungsaufsicht, S. 30. Krit. zum Begriff Menzel, Interna‑ tionales Öffentliches Recht, S. 793 ff. 3  v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 66; vgl. auch Lehmann, in: MüKo-BGB, IntFinMarktR Rn. 97; Schnyder, Versicherungsaufsicht, S. 30. 4 So bereits Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 116; siehe auch v. Bar/ Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 53; Lehmann, in: MüKo-BGB, IntFinMarktR Rn. 103; Menzel, In‑ ternationales Öffentliches Recht, S. 778 ff.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

verhalten mit Auslandsbezug häufig nicht die Frage, welches Recht Behörden anwenden, sondern, welche Behörden ihr inländisches Recht anwenden und (einseitig) durchsetzen. „[D]ie Frage des anzuwendenden Rechts [verschmilzt also] mit der Frage des Anwendungsbereichs des eigenen Rechts“5. Daraus folgt zwar nicht, dass die Anwendung fremden Öffentlichen Rechts a priori ausgeschlossen ist,6 selbst die Befürworter eines mehrseitigen Öffent‑ lichen Kollisionsrechts7 müssen aber eingestehen, dass der Gesetzgeber hiervon bislang selten Gebrauch gemacht hat.8 Jedenfalls für den Bereich der Eingriffs‑ verwaltung beruht das schon auf dem verfassungsrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes9. Danach muss für Bürger und Unternehmen erkennbar sein, in welchen Fällen der Staat grundrechtsbeschränkend tätig werden kann. Dem könnte eine Kollisionsregel, nach der Behörden unbegrenzt auch auslän‑ disches Öffentliches Recht anwenden, nicht gerecht werden.10 Diese Überlegungen müssen auch die Grundlage für die Abgrenzung des In‑ ternationalen Verwaltungsrechts zum IPR bilden. Nicht der „Charakter“ einer Rechtsnorm, sondern die Art ihrer Durchsetzung muss entscheidend dafür sein, ob das private Kollisionsrecht anwendbar ist. Das ergibt sich im europäi‑ schen IPR schon daraus, dass der Anwendungsbereich der Rechtsakte häufig nur „Zivil- und Handelssachen“ erfasst, nicht aber „verwaltungsrechtliche An‑ gelegenheiten“.11 Letztere liegen vor, wenn Behörden hoheitliche Befugnisse ausüben.12 Es kommt somit nicht darauf an, welchen Interessen Normen die‑ nen oder ob sie „ordnungspolitisch relevant“ sind, sondern allein darauf, ob 5  Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 9. Vgl. zu § 67 VAG auch Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 67 Rn. 45. 6 Ausf. Schurig, Kollisionsnorm, S. 143 ff. A. A. v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 53: „Es kann seinen Charakter als öffentliches Recht nicht wahren, wenn es ein solches mehrseiti‑ ges Rechtsanwendungsrecht ausbilden will“. Dazu nur Kment, Grenzüberschreitendes Verwal‑ tungshandeln, S. 223 f.; Vogel, Anwendungsbereich, S. 237 ff. 7  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 214 ff., 264; Ohler, Kollisions‑ ordnung, S. 87 ff. m. ausf. N. Dagegen v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 60. 8  Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 212 f., 239 ff. 9 Zur Herleitung vgl. nur BVerfG, Urt. v. 5.11.2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (363 f.) Rn. 33; Beschl. v. 21.12.1977, 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46 (78 f.); Beschl. v. 22.6.1977, 1 BvR 799/76, BVerfGE 45, 400 (417 f.). 10  Ausf. hierzu Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 219 ff.; Ohler, Kol‑ lisionsordnung, S. 267 ff. (insb. S. 314 ff.). Vgl. auch v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 60 a. E.; Linke, Int. VerwR, S. 126 ff.; Meessen, AöR 110 (1985), 398 (406 f.). Unklar Vogel, Anwen‑ dungsbereich, S. 201, der es nicht ausschließt, dass der Vorbehalt des Gesetzes durch auslän‑ disches Recht erfüllt wird. Möglich erscheint die Einführung klarer mehrseitiger Kollisions‑ normen für bestimmte Sektoren, wenn die Betroffenen erkennen können, in welchem Maße Behörden ausländisches Recht durchsetzen. 11  Siehe nur Art. 1 Abs. 1 Rom I‑VO. 12  EuGH, Urt. v. 28.2.2019, Rs. C-579/17, BeckRS 2019, 2434 Rn. 49; Urt. v. 15.11.2018, Rs. C-308/17, EuZW 2019, 88 (89) Rn. 34; Urt. v. 9.3.2017, Rs. C-551/15, EuZW 2017, 686 (687) Rn. 35; Urt. v. 11.4.2013, Rs. C-645/11, NJW 2013, 1661 (1662) Rn. 33; Urt. v. 14.10.1976, Rs. 29/76, Slg. 1976, 1541 Rn. 4.



A.  Grundlagen des Internationalen Verwaltungsrechts

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ein Staat „Befugnisse wahrnimmt, die von den im Verhältnis zwischen Privat‑ personen geltenden Regeln abweichen“13. Maßgeblich ist also der Zusammen‑ hang, in dem eine Norm angewendet, bzw. die Folge, die aus ihr hergeleitet werden soll.14 Geht es um die Frage, ob eine staatliche Stelle hoheitliche Be‑ fugnisse ausüben darf, gilt das Internationale Verwaltungsrecht. Geht es hin‑ gegen um die Auswirkungen einer Norm auf Rechtsverhältnisse, die nicht aus der Ausübung von Sonderbefugnissen resultieren, ist das private Kollisions‑ recht anwendbar. Das gilt auch für die Frage, inwieweit Normen des Verwal‑ tungsrechts auf Privatrechtsverhältnisse einwirken.15 Hieraus folgt, dass sich die Frage, ob eine Norm öffentlich- oder privatrechtlich ist, nicht stellt. So mag ein Staat eine Verhaltensregel in einem „neutralen“ Gesetz kodifizieren und sie mit staatlichem Zwang und privatrechtlichen Sanktionen durchsetzen. Soweit dadurch Rechte und Pflichten jenseits hoheitlicher Befugnisse entstehen, ent‑ scheidet über ihre Berufung das IPR. Das Internationale Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrecht bezieht sich demnach auf die Frage, welche Behörden in einem Fall mit Auslandsbezug welches Recht bei ihrer hoheitlichen Tätigkeit anwenden und durchsetzen. Ohne ver‑ einheitlichtes, vorgeschaltetes Kollisionsrecht bestimmen das die Staaten ein‑ seitig selbst, indem sie den Anwendungsbereich ihres nationalen Rechts fest‑ legen. „[W]eder [ist also] die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts prinzipiell ausgeschlossen noch die Anwendung inländischen öffentlichen Rechts stets territorial beschränkt“16. Die Befugnis, Verwaltungsrechtsnormen auf Auslandssachverhalte zu erstrecken, setzt allerdings völkerrechtlich eine Inlandsverbindung voraus, um eine Einmischung in innerstaatliche Vorgänge fremder Staaten zu verhindern.17

II.  Zuweisung von Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen im Binnenmarkt: Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip Im Binnenmarkt unterliegen Mitgliedstaaten weiteren Beschränkungen. Primärrechtlich haben sie die Grenzen der Grundfreiheiten zu beachten. Eine 13  EuGH, Urt. v. 21.4.1993, Rs. C-172/91, Slg. 1993, I-1963 Rn. 22. Vgl. mit ausf. Diffe‑ renzierung auch EuGH, Urt. v. 28.2.2019, Rs. C-579/17, BeckRS 2019, 2434 Rn. 49 ff. sowie EuGH, Urt. v. 15.11.2018, Rs. C-308/17, EuZW 2019, 88 (89) Rn. 35; Urt. v. 14.11.2002, Rs. C-271/00, Slg. 2002, I-10489 Rn. 36. 14 Prägnant v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 55. 15  Als „privatrechtliches IÖR“ bezeichnet bei v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 52, 80 ff. 16  Meessen, AöR 110 (1985), 398 (411 f.). 17 IGH v. 6.4.1955, Nottebohm Case (Liechtenstein v. Guatemala), ICJ Reports 1955, 4 (24 ff.); v. 5.2.1970, Case concerning The Barcelona Traction, Light and Power Company (Belgium v. Spain), ICJ Reports 1970, 1 (105); v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 65; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 72 f., 106 f.; Lehmann, in: MüKo-BGB, IntFin‑ MarktR Rn. 118; Ohler, Kollisionsordnung, S. 327 ff.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

grenzüberschreitende Tätigkeit kann zwar sowohl von Bestimmungen eines Herkunfts-18 als auch eines Bestimmungs- bzw. Aufnahmestaats19 reguliert werden. Soweit Vorschriften allerdings die Grundfreiheiten beschränken, d. h. die Erbringung grenzüberschreitender Leistungen „unterbinden, […] behindern oder weniger attraktiv […] machen“20, müssen sie gerechtfertigt werden.21 Das ist bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen nach der Rechtsprechung des EuGH auch jenseits der Rechtfertigungsgründe des AEUV möglich.22 Die Vor‑ schriften müssen in verhältnismäßiger, d. h. geeigneter und erforderlicher Weise einem Allgemeininteresse dienen, welches nicht bereits durch Vorschriften des Herkunftsstaats geschützt wird.23 Die Mitgliedstaaten können sich dabei grundsätzlich nur auf den Schutz eigener Interessen berufen,24 d. h. „den Schutz von Personen und Rechtsgütern mit Bezug auf das eigene Staatsgebiet“25. Soweit in einem grenzüberschreiten‑ den Sachverhalt also nur Interessen eines Aufnahmestaats betroffen sind, kann nur dieser Tätigkeiten beschränken. Ausnahmsweise kann ihn der Herkunfts‑ mitgliedstaat kooperativ beim Schutz seiner Interessen unterstützen.26 Soweit der Aufnahmestaat hingegen einen Schutz seiner inländischen Interessen (z. B. 18  Das ist allg. der Staat, in dem ein Leistungserbringer seinen Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Begriff wird in einzelnen Sekundärrechtsakten näher definiert (zur IDD ab S. 54). 19  Das ist der Staat, in den Leistungen hinein erbracht werden, z. B. bei Dienstleistungen der Staat, in dem Kunden die Leistungen empfangen, oder bei Waren der Staat, in den sie ver‑ bracht werden. Siehe zur IDD S. 64 ff. 20  So zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Urt. v. 15.3.2001, Rs. C-165/98, Slg. 2001, I-2189 Rn. 22 m. w. N. 21 Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit auch von Beschränkungen des Dienstleistungs‑ exports durch einen Herkunftsmitgliedstaat siehe EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995, I-1167 Rn. 30 sowie Ludwigs, in: Dauses/Ludwigs, Hdb. EU‑WR, E. I. (August 2017) Rn. 193 ff.; Müller-Graff, in: Streinz, Art. 56 AEUV Rn. 95 f.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 57 AEUV (März 2011) Rn. 158 ff.; Repasi, Wirkungsweise, S. 232 ff. 22  EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649 Rn. 8; für die Dienstleistungsfrei‑ heit EuGH, Urt. v. 18.1.1979, Rs. 110/78, Slg. 1979, 35 Rn. 28; für die Niederlassungsfreiheit EuGH, Urt. v. 31.3.1993, Rs. C-19/92, Slg. 1993, I-1663 Rn. 32; übertragen auf alle Grundfrei‑ heiten in EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 37. 23 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 37; Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, I-4221 Rn. 15. 24 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs.  C-384/93, Slg.  1995, I-1167 Rn.  43 sowie m. w. N. Fetsch, Eingriffsnormen, S. 199 f., 228 ff.; Körber, Grundfreiheiten, S. 236 f.; Ludwigs, in: Dauses/Ludwigs, Hdb. EU‑WR, E. I. (August 2017) Rn. 212; Roth, in: FS Fikentscher, S. 723 (736 f.). Ähnlich mit Blick auf die Erforderlichkeit v. Wilmowsky, Kreditsicherungs‑ recht, S. 16 f. A. A. Kort, JZ 1996, 132 (138 f.); implizit anders – ohne Auseinandersetzung mit der früheren Rechtsprechung – auch EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-205/07, NJW 2009, 1579 (hierzu Ackermann, ZEuP 2009, 230 [254]). 25  Roth, in: FS Fikentscher, S. 723. 26  Fetsch, Eingriffsnormen, S. 229; Roth, in: FS Fikentscher, S. 723 (732 f., 737), beide unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 25.1.1977, Rs. 46/76, Slg. 1977, 5 Rn. 46/47. Daneben ver‑ weisen beide auf den Schutz „universaler Interessen“.



A.  Grundlagen des Internationalen Verwaltungsrechts

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der dort ansässigen Kunden) nicht vorsieht, kann der Herkunftsstaat die An‑ wendung seines Rechts nicht allein mit dem Schutz fremder Interessen rechtfer‑ tigen. Ansonsten würde dieser jenem seine eigenen politischen Ziele und Wert‑ vorstellungen aufdrängen.27 Die Grundfreiheiten weisen den Mitgliedstaaten so bereits Regelungskompetenzen zu:28 Soweit die Regulierung eines Leistungserbringers in seinem Herkunftsmitgliedstaat (z. B. als Reflex) einen hinreichenden Schutz des All‑ gemeininteresses im Bestimmungsstaat bewirkt, darf dieser die Tätigkeit nicht weiter beschränken. Das ist vor allem bei Berufszulassungsvoraussetzungen oder Entscheidungen über das Inverkehrbringen von Produkten relevant. Ein Aufnahmestaat muss insoweit auf den Schutz des Herkunftsstaats vertrauen und diesen anerkennen (Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung)29. Im Üb‑ rigen obliegt die Festlegung des nationalen Schutzniveaus (z. B. für inländische Kunden) primärrechtlich dem Aufnahmestaat.30 Dieser legt beispielsweise fest, welche kundenschützenden Vorgaben Dienstleister zwingend beachten müs‑ sen. In Anbetracht dieses hinsichtlich der Berufsausübung beachtlichen Spiel‑ raums der Aufnahmestaaten wäre es jedenfalls ungenau, generell von einem „primärrechtlichen Herkunftslandprinzip“31 zu sprechen.32 Hierbei handelt es sich lediglich um eine „besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrund‑ satzes“33: Beschränkungen eines Aufnahmestaats sind nicht erforderlich, so‑ weit seine Interessen faktisch bereits ausreichend durch den Herkunftsstaat ge‑ schützt sind. Soweit das nicht der Fall ist, darf ersterer sein Recht anwenden, wenn es zwingenden Gründen des Allgemeininteresses in verhältnismäßiger Weise dient. Dem Modell der Grundfreiheiten liegt daher im Ergebnis ein „mo‑ difiziertes Bestimmungslandprinzip“34 zugrunde. Diese Erkenntnis ist aus kol‑ lisionsrechtlicher Sicht wichtig, weil sie deutlich macht, dass die Grundfreihei‑ ten keinesfalls verlangen, die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung ausschließlich dem Recht des Herkunftsstaats zu unterwerfen.35 27  28 

Fetsch, Eingriffsnormen, S. 228 f.; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 17. Fetsch, Eingriffsnormen, S. 199 f., 226 f.; ähnlich Roth, in: FS Fikentscher, S. 723 (725). 29  Vgl. nur Möstl, DÖV 2006, 281 (283). 30  Fetsch, Eingriffsnormen, S. 226 f.; Möstl, DÖV 2006, 281 (283). 31  Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 213. 32  Vgl. ausf. v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 53 ff. sowie ferner Körber, Grund‑ freiheiten, S. 136, 237 Fn. 648; Reimer, in: Terhechte, VerwR der EU, § 18 Rn. 56 f.; Repasi, Wirkungsweise, S. 187 ff.; Thünken, Herkunftslandprinzip, S. 31 f. Auch der EuGH hat klar‑ gestellt, dass es sich bei der Herkunftslandkontrolle „nicht um ein im Vertrag verankertes Prin‑ zip handelt“ (EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 Rn. 64). 33  Roth, in: FS Fikentscher, S. 723 (734); ähnlich Möstl, DÖV 2006, 281 (282). 34  So treffend Möstl, DÖV 2006, 281 (282); Reimer, in: Terhechte, VerwR der EU, § 18 Rn. 57. 35  Roth, in: Baur/Mansel, Systemwechsel, S. 47 (54); Thünken, Herkunftslandprinzip, S. 99; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 57 ff. Das gilt erst recht, wenn das Herkunfts‑ landrecht strenger ist als das des Aufnahmestaats.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

Sekundärrechtlich können die Kompetenzen freilich abweichend verteilt werden.36 Der EU‑Gesetzgeber darf ein strenges Herkunftslandprinzip in dem Sinne einführen, dass der Herkunftsstaat die Tätigkeit eines Leistungserbrin‑ gers in der gesamten Union reguliert.37 Abgeschwächt kann dem Herkunfts‑ staat auch nur teilweise eine Kompetenz zur Regelung der Berufstätigkeit, wie z. B. der Berufszulassung, zugewiesen werden, während der Bestimmungsstaat im Übrigen, z. B. hinsichtlich der Berufsausübung, seine Regelungskompetenz behält.38 Daneben können sekundärrechtlich auch Durchsetzungskompetenzen, d. h. Behördenzuständigkeiten zur Überwachung von Marktteilnehmern, zwischen den Mitgliedstaaten verteilt werden. Dies muss nicht kongruent zur Regelungskompetenz erfolgen. So reicht die Durchsetzungs- weiter als die Regelungskompetenz, wenn der Herkunftsstaat auch Bestimmungen eines Auf‑ nahmestaats durchsetzen muss.39

B.  Vermittleraufsicht im Binnenmarkt Auf dieser Basis soll im Folgenden die aufsichtsrechtliche Regulierung grenz‑ überschreitender Versicherungsvermittlungstätigkeiten im Binnenmarkt unter‑ sucht werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer Zulassungsaufsicht und einer laufenden Aufsicht.

I.  Die Verwirklichung des Herkunftslandprinzips bei der Zulassungsaufsicht Die Zulassungsaufsicht wiederum lässt sich in das generelle Erlaubnisverfah‑ ren und das Verfahren zur Aufnahme einer grenzüberschreitenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat unterteilen.

1.  Eintragung im Herkunftsmitgliedstaat als Erstzulassung Die Aufnahme einer Versicherungsvermittlungstätigkeit mit einer Niederlas‑ sung in der EU setzt eine Eintragung des Vermittlers in seinem Herkunftsmit‑ gliedstaat voraus (Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 IDD). 36  Fetsch, Eingriffsnormen, S. 235 f.; Reimer, in: Terhechte, VerwR der EU, § 18 Rn. 57. 37  Ausf. zu den Voraussetzungen Möstl, DÖV 2006, 281 (283 ff.); siehe auch Roth, in: FS

Fikentscher, S. 723 (728 f.). 38  So bspw. im Versicherungsaufsichtsrecht, wo die Zulassungs- und Finanzaufsicht dem Herkunftsstaat obliegen (Art. 14 Abs. 2; 15 Abs. 1; 30 Abs. 1 Solvency II‑RL), während der Aufnahmestaat im Übrigen regelungsbefugt bleibt (vgl. Art. 155 Solvency II‑RL). 39  Vgl. bspw. im Versicherungsaufsichtsrecht Art. 155 Abs. 2 Solvency II‑RL. In diesem Rahmen müssen Behörden auch ausländisches Öffentliches Recht anwenden.



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a)  Natürliche Personen Das ist bei natürlichen Personen der Mitgliedstaat, in dem der Vermittler seinen Wohnsitz hat (Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a IDD). Nach ErwG 18 soll ausnahmswei‑ se sein Geschäftssitz maßgeblich sein, wenn er täglich zwischen seinem Wohnund Geschäftssitz pendelt. Aus dem deutschen Richtlinientext ergibt sich diese Ausnahme nicht. Andere Sprachfassungen bringen sie jedoch hinreichend zum Ausdruck. So ist in der englischen und französischen Fassung des Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a IDD lediglich von „residence“ bzw. „résidence“ die Rede. ErwG 18 nennt dann als mögliche Anknüpfungspunkte den Wohnsitz („private re‑ sidence“ bzw. „résidence privée“) und den Geschäftssitz („professional resi‑ dence“ bzw. „résidence professionnelle“). Grenzpendler müssen sich nach der IDD somit im Staat ihres Geschäftssitzes eintragen lassen. Im deutschen Recht soll sich die Festlegung des Herkunftsmitgliedstaats aus § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und Abs. 10 S. 1 GewO ergeben. Danach „bedarf“ ein Vermittler keiner Erlaubnis und muss sich nicht in das deutsche Vermitt‑ lerregister eintragen lassen, wenn er in einem anderen Mitgliedstaat „nieder‑ gelassen“ und dort in ein Register eingetragen ist. Die Regelung ist höchst un‑ genau und muss mehrfach richtlinienkonform ausgelegt werden. Zum einen ist der „Niederlassungsort“ einer natürlichen Person nach ihrem Wohn- bzw. Ge‑ schäftssitz zu bestimmen. Zum anderen darf man die Norm nicht nur als eine Ausnahme von der Erlaubnis- und Registrierungspflicht ansehen. Sie verhindert darüber hinaus, dass Vermittler, deren Herkunftsmitgliedstaat i. S. d. IDD nicht Deutschland ist, hier eine Erlaubnis erhalten bzw. registriert werden können. Das gilt unabhängig davon, ob der Vermittler im Ausland bereits in ein Register eingetragen ist. Das wurde in § 34d Abs. 11 GewO a. F. noch klargestellt.40 Die Streichung der Vorschrift im Zuge der IDD‑Umsetzung soll nach der Begrün‑ dung des Regierungsentwurfs an dieser Rechtslage nichts ändern.41 Die Mög‑ lichkeit, eine optionale freiwillige Erlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat zu erhalten, würde ohnehin die klare Festlegung des Herkunftsmitgliedstaats sowie die eindeutige Kompetenzzuweisung an diesen zur Registereintragung in der IDD konterkarieren.42 Daher hat auch EIOPA im IDD‑Kooperationsbeschluss festgehalten, dass die Entscheidung zur Registereintragung in den alleinigen Verantwortungsbereich des Herkunftsmitgliedstaats fällt.43 Werden Vermittler 40 Zum Hintergrund der Regelung siehe die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsaus‑ schusses, BT‑Drs. 16/10599, S. 4 f. Darin hielt man die 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GewO entspre‑ chende Vorschrift nicht für hinreichend klar, um das Herkunftslandprinzip der VermRL zum Ausdruck zu bringen. 41  BT‑Drs. 18/11627, S. 36 unter Verweis auf das „der IDD zugrunde liegende[n] Her‑ kunftslandprinzip“. 42 ErwG 18 und Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 IDD. Ebenso Will, in: BeckOK‑GewO, § 34d (1.6.2019) Rn. 214. Vgl. auch Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 213 f.; Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 168. 43  EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340, S. 11: „the decision to register an Intermediary […] shall

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in anderen Mitgliedstaaten tätig, können in den Registern dieser Staaten ledig‑ lich Angaben zu Informationszwecken gespeichert werden.44 Um eine „Eintra‑ gung“ i. S. d. Art. 3 Abs. 1 IDD handelt es sich dabei allerdings nicht. Natürliche Personen sind somit ausschließlich an ihrem Wohn- bzw. (bei Grenzpendlern) Geschäftssitz einzutragen.

b)  „Juristische Personen“ und Personengesellschaften aa)  Vorgaben der IDD Neben natürlichen kennt die IDD lediglich juristische Personen als Vermittler (Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 und 10). Für diese sieht Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. b IDD eine Eintragung ausschließlich45 an ihrem Satzungs- bzw. (subsidiär) Hauptverwal‑ tungssitz vor. Das betrifft unzweifelhaft Körperschaften wie Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaften. Personengesellschaften sind hingegen nach deutschem gesellschaftsrechtlichem Verständnis keine juristi‑ schen Personen.46 Sie sind nach überwiegender Auffassung zwar rechtsfähig und damit Rechtssubjekte,47 sollen aber keine eigene Rechtspersönlichkeit be‑ sitzen.48 Die fehlende Rechtspersönlichkeit wurde ursprünglich damit begrün‑ det, dass nur die Gesellschafter – gesamthänderisch verbunden – Träger der Rechte und Pflichten seien.49 Mit der Anerkennung eigener Rechtssubjektivi‑ be the sole responsibility of the Home Competent Authority in accordance with Article 3(1) of the IDD“. 44 EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340, S. 11. Hiervon machen bspw. Deutschland, Frankreich und Österreich Gebrauch (siehe § 137b Abs. 7 S. 3 öGewO und ErlRV 371 BlgNR 26. GP, S. 5; Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 233 [S. 161]; Schönleiter, in: Land‑ mann/Rohmer, GewO, § 34d [April 2018] Rn. 210). 45  Wie soeben bei natürlichen Personen erläutert, muss § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GewO auch bei juristischen Personen richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie eine deutsche Erlaubnis nicht erhalten und sich nicht im Vermittlerregister eintragen lassen können, wenn ihr Herkunftsmitgliedstaat nicht Deutschland ist. Vgl. zum früher problematischen Fall britischer Limiteds, die z. T. in Deutschland registriert wurden, auch Adjemian u. a., GewArch 2009, 186 (189); Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 217; Will, in: BeckOK‑GewO, § 34d (1.6.2019) Rn. 215 f. 46  Vgl. § 14 BGB und BGH, Beschl. v. 4.12.2008, V ZB 74/08, BGHZ 179, 102 (107); Urt. v. 29.1.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 (343); Dörner, in: Hk-BGB, Vor §§ 21–89 Rn. 6. A. A. noch Raiser, AcP 194 (1994), 495 (503 ff.). Vgl. auch die überzeugende rechtsdogmati‑ sche Kritik von Klingbeil, AcP 217 (2017), 848 (871 ff.). 47 Vgl. § 124 Abs. 1 HGB und § 14 Abs. 2 BGB sowie BGH, Urt. v. 29.1.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 (344, 346). Anders noch BGH, Urt. v. 24.1.1990, IV ZR 270/88, BGHZ 110, 127 (128); Urt. v. 16.2.1961, III ZR 71/60, BGHZ 34, 293 (296). 48  Siehe § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO; BGH, Beschl. v. 9.7.2001, PatAnwZ 1/00, BGHZ 148, 270 (277); Urt. v. 29.1.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 (347). Krit. Beuthien, JZ 2003, 715 (717); Klingbeil, AcP 217 (2017), 848 (859, 871 ff.); Rühlicke, ZWE 2007, 261 (265 f.). Zum Zusammenhang von Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit auch Hadding, in: FS ­Beuthien, S. 167 (173). 49  Vgl. nur Gierke, Das Deutsche Genossenschaftsrecht II, S. 941 f.



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tät der Gesellschaft wurde dieser Unterschied zur juristischen Person beseitigt. Damit hat sich auch der Begriff der Rechtspersönlichkeit gewandelt: Während er ursprünglich von Rechtsfähigkeit abhing, wird er nun verwendet, um Struk‑ turmerkmale juristischer Personen zusammenzufassen,50 wie die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung und die Fähigkeit zur Fremdorganschaft51 oder all‑ gemein die größere Unabhängigkeit der juristischen Person vom Gesellschaf‑ terbestand52. Rechtsprechung und Literatur in Deutschland übertragen dieses gesellschaftsrechtliche Verständnis fast einhellig auf das europäische Richtlini‑ enrecht und gehen davon aus, dass anstelle der Personengesellschaften nur die Gesellschafter selbst als Versicherungsvermittler eingetragen werden können.53 Der Begriff der juristischen Person wird somit als Verweisung auf die Katego‑ rien des nationalen Gesellschaftsrechts verstanden. Dafür wird vor allem ange‑ führt, dass der EU‑Gesetzgeber Kenntnis von deutschen Personengesellschaf‑ ten habe, sodass er den Begriff der juristischen Person nicht undifferenziert verwende.54 In der Tat gibt es in einigen Sekundärrechtsakten Hinweise für ein derartiges Verständnis. Beispielsweise gewährt Art. 1 Abs. 2 und 3 EWIV‑VO55 der EWIV Rechtsfähigkeit, überlässt es aber dem nationalen Recht zu entscheiden, ob sie auch Rechtspersönlichkeit besitzt. In ähnlicher Weise unterscheidet Art. 19 Abs. 1 Rom I‑VO Gesellschaften und juristische Personen. Ein enges Verständ‑ nis zeigt sich schließlich in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II56, wonach Wertpapier‑ 50 Krit. Beuthien, JZ 2003, 715 (717); Klingbeil, AcP 217 (2017), 848 (875); Rüsing, in: Heiderhoff/Queirolo, Persons on the Move, S. 117 (131 ff.); ausf. Rühlicke, ZWE 2007, 261 (265 f.) mit dem Ergebnis, „dass eine kategorische Abgrenzung […] nicht mehr durchgehend möglich ist“. 51  Dagegen nunmehr Leuschner, in: MüKo-BGB, Vor § 21 Rn. 12 (anders noch Reuter in der Vorauflage Rn. 7). 52  Vgl. nur Dörner, in: Hk-BGB, Vor §§ 21–89 Rn. 1, 6; Ulmer/Schäfer, in: MüKo-BGB, § 705 Rn. 308 f. Jüngst auch BGH, Urt. v. 14.12.2016, VIII ZR 232/15, NJW 2017, 547 (549) Rn. 19. 53  Zur VermRL explizit VG Bremen, Urt. v. 15.9.2011, 5 K 3670/07, BeckRS 2011, 55620 sowie auch nach Umsetzung der IDD noch Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 15, 214. In Rn. 216 will Schönleiter sogar den deutschen Personengesellschaf‑ ten entsprechende ausländische Gesellschaftsformen nicht als juristische Personen anerkennen. Damit würden (rechtsfähige) Gesellschaften, die in anderen Staaten ohne Weiteres als juristi‑ sche Person angesehen werden, aufgrund des engen Verständnisses der Rechtspersönlichkeit in Deutschland nicht als solche anerkannt. Weitere Nachweise zu § 34d GewO in Fn. 74. 54  VG Bremen, Urt. v. 15.9.2011, 5 K 3670/07, BeckRS 2011, 55620; ähnlich Freitag, NZG 2013, 329 (332). Darüber hinaus verwies das VG auf Art. 3 Abs. 1 UAbs. 3 VermRL, wo‑ nach eine juristische Person ein „Leitungsorgan“ haben müsse. Dieser Begriff wurde nunmehr in Art. 3 Abs. 1 UAbs. 8 IDD durch den der Geschäftsführung ersetzt. Eine solche hat auch eine Personengesellschaft. Soweit vereinzelt wie in Art. 33 Abs. 2 lit. d noch das Leitungsorgan er‑ wähnt wird, kann darunter die Geschäftsführung verstanden werden. 55  Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABl. L 199 v. 31.7.1985, S. 1. 56 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai

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firmen juristische Personen sind, die Mitgliedstaaten aber auch andere Unter‑ nehmen zulassen können. Diese Differenzierung verschiedener Rechtsformen, die in der IDD so schon nicht zu finden ist, wird in der MiFID II jedoch auch konsequent fortgesetzt: So richtet sich der Herkunftsmitgliedstaat juristischer Personen nach deren Sitz, während für alle anderen Unternehmensformen, die keinen satzungsmäßigen Sitz haben, auf den Ort der Hauptverwaltung abge‑ stellt wird.57 Diese beiden Orte werden in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. b IDD generell für „juristische Personen“ verwendet. Man wollte also auch Unternehmensfor‑ men erfassen, die nach nationalem Recht keinen satzungsmäßigen Sitz haben, weil sie dort möglicherweise keine juristische Person im engeren Sinne sind. Dass man die Trennung verschiedener Gesellschaftsformen in der IDD nicht vorgenommen hat, spricht somit bereits für eine weite Auslegung des Begriffs der juristischen Person. Grundlage dafür könnte eine autonome Auslegung sein, wie sie auch in an‑ deren Vorschriften des Europarechts vorgenommen wird. So fallen unter juris‑ tische Personen i. S. d. Art. 263 Abs. 4 AEUV auch Personengesellschaften.58 Der EuGH setzt dabei „Rechtspersönlichkeit“ bzw. „Rechtsfähigkeit“ nach na‑ tionalem Gesellschaftsrecht voraus,59 setzt also beide Begriffe gleich. Ohne weitere Begründung hat er zudem im Steuerrecht eine KG als „juristische Per‑ son des Privatrechts“ bezeichnet.60 Konsequenterweise werden auch im Se‑ kundärrecht immer häufiger Personengesellschaften als juristische Personen im autonomen Sinne angesehen.61 Das liegt unter anderem an der Bedeutung korrespondierender Termini in an‑ deren Sprachfassungen. Der auch in der englischen Fassung der IDD verwendete Begriff „legal person“ umfasst sämtliche Rechtssubjekte mit Rechtsfähigkeit.62 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. L 173 v. 12.6.2014, S. 349; zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL (EU) 2016/1034 vom 23.6.2016, ABl. L 175 v. 30.6.2016, S. 8. 57  Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 lit. a sublit. ii und iii MiFID II. 58  Vgl. nur Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 263 AEUV (November 2012) Rn. 22; Ehricke, in: Streinz, Art. 263 AEUV Rn. 42. 59  EuGH, Urt. v. 22.11.2001, Rs. C-452/98, Slg. 2001, I-8973 Rn. 51; Urt. v. 27.11.1984, Rs. 50/84, Slg. 1984, 3991 Rn. 7. 60 EuGH, Urt. v. 4.6.2009, Rs.  C-102/08, Slg. 2009, I-4629 Rn. 74. Allerdings ging er jüngst wohl davon aus, dass Personengesellschaften zwar als „Personen“, nicht aber als „nichtsteuerpflichtige juristische Person“ i. S. d. Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie angesehen werden können (EuGH, Urt. v. 16.7.2015, verb. Rs. C-108/14 und C-109/14, EuZW 2015, 753 [756] Rn. 37); hierzu krit. Rüsing, in: Heiderhoff/Queirolo, Persons on the Move, S. 117 (131 ff.). 61 Allg. Lehmann, AcP 207 (2007), 225 (246); Rüsing, in: Heiderhoff/Queirolo, Persons on the Move, S. 117 (142 ff.); zur RL 2006/112/EG (ABl. L 347 v. 11.12.2006, S. 1) in der durch RL 2008/8/EG (ABl. L 44 v. 20.2.2008, S. 11) geänderten Fassung ausf. Spilker, IStR 2009, 838 ff.; zur RL 2011/61/EU Hüwel, in: Baur/Tappen, InvG, Vorbem §§ 124–138 KAGB Rn. 26 ff.; a. A.  Freitag, NZG 2013, 329 (331 f.). 62  Vgl. nur Smith, Yale L. J. 38 (1928), 283: „To be a legal person is to be the subject of



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Haftungsbeschränkungen oder eine Unabhängigkeit der Gesellschaft vom Ge‑ sellschafterbestand sind irrelevant.63 Gleiches gilt für die französische „personne morale“.64 Rechtspersönlichkeit hängt somit in den meisten Ländern – wie früher auch in Deutschland – nur von Rechtsfähigkeit ab. Das Konstrukt einer rechts‑ fähigen Gesamthand ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist den meisten Mitglied‑ staaten schlicht unbekannt.65 Wenn der EU‑Gesetzgeber also wie häufig ledig‑ lich „natürliche und juristische Personen“ erwähnt, spricht vieles dafür, dass er von den Rechtsordnungen geleitet wird, die nur zwei Arten von Subjekten mit Rechtsfähigkeit kennen.66 Die oben genannten Ausnahmen zeigen ferner, dass der Gesetzgeber im Regelfall andeutet, wenn er von diesem Grundsatz abweicht. Im Übrigen ist mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass „Begriffe einer Bestimmung des Unionsrechts, die […] nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen“67. Dafür sprechen vor allem der Effektivitäts- und der Äquivalenzgrundsatz (Art. 4 Abs. 3 EUV):68 Der EU‑Gesetzgeber richtet seine Rechtsakte üblicher‑ weise an „natürliche und juristische Personen“, um Rechte und Pflichten für alle Teilnehmer des Rechtsverkehrs zu begründen. Dies würde konterkariert, wür‑ den Rechtssubjekte von Regulierungsbestimmungen ausgenommen, weil ihnen trotz Rechtsfähigkeit im nationalen Recht keine Rechtspersönlichkeit zugespro‑ chen wird. Wenn die IDD dementsprechend Wohlverhaltensregeln aufstellt, wäre es widersinnig, diese den Gesellschaftern aufzuerlegen, obwohl im Rechtsver‑ kehr die Gesellschaft als Rechtssubjekt mit eigenen Rechten und Pflichten auf‑ tritt. Das muss auch bei der Durchsetzung der Verhaltensregeln gelten. Art. 33 Abs. 2 lit. e und f IDD sieht bei Verstößen gegen die europäischen Mindeststan‑ dards Verwaltungssanktionen vor. Diese orientieren sich bei juristischen Per‑ sonen vor allem am jährlichen Gesamtumsatz des Unternehmens, während bei natürlichen Personen auf das Individuum abgestellt wird. Würde bei einer Per‑ sonengesellschaft nun auf den einzelnen Gesellschafter als Vermittler abgestellt, würde nicht berücksichtigt, dass zunächst die Gesellschaft als eigenes Rechts‑ subjekt die wirtschaftlichen Vorteile aus der Geschäftstätigkeit zieht. rights and duties“. Siehe aus dem deutschen Schrifttum nur Spilker, IStR 2009, 838 (840). Freilich werden natürliche Personen hiervon in der IDD nicht erfasst, da sie den „legal per‑ sons“ gegenübergestellt werden. 63  Davies, Company Law, S. 9; Windbichler, ZGR 2014, 110 (121 ff.). 64 Vgl. Laroche-Gisserot, Les personnes, Rn. 438, 775; aus der deutschen Lit. Spilker, IStR 2009, 838 (840); Windbichler, ZGR 2014, 110 (123 ff.). 65 Siehe Hadding, in: FS Beuthien, S. 167 (177); Raiser, AcP 194 (1994), 495 (497 f., 500). 66  Vgl. auch Hüwel, in: Baur/Tappen, InvG, Vorbem §§ 124–138 KAGB Rn. 33 mit di‑ versen Beispielen. 67  EuGH, Urt. v. 18.10.2016, Rs. C-135/15, NJW 2017, 141 (142) Rn. 28 m. w. N. 68  Zum Folgenden bereits ausf. Rüsing, in: Heiderhoff/Queirolo, Persons on the Move, S. 117 (143 ff.).

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

Ferner sind rechtsfähige Personengesellschaften aus Transparenzgründen als Versicherungsvermittler anzusehen. Bei der Aufnahme grenzüberschreitender Tätigkeiten müssen Vermittler der Herkunftslandbehörde ihren Namen mittei‑ len,69 der an den Aufnahmestaat und EIOPA übermittelt wird. Er wird dann in der einheitlichen elektronischen Datenbank eingetragen (Art. 3 Abs. 4 IDD). Zusätzlich kann der Aufnahmestaat Angaben über den Vermittler zu Informa‑ tionszwecken in seinem nationalen Register veröffentlichen.70 Würde hier nur der Name der Gesellschafter vermerkt, könnten Kunden, die nach der Personen‑ gesellschaft suchen, über diese keine Angaben abrufen.71 Die bloße Aufnahme der Gesellschafter in das Register wird in vielen Fällen nicht genügen, wenn Angestellte im Rechtsverkehr unter der Firma der Gesellschaft auftreten. Zu Brüchen käme es auch in Fällen, in denen Personen unterschiedlicher Mitgliedstaaten Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft werden. Tritt im Rechtsverkehr allein die Gesellschaft als Rechtssubjekt auf, wäre es anderen Mitgliedstaaten schwer vermittelbar, warum sie eine Person, die Ge‑ schäftsführungsaufgaben wahrnimmt, als Versicherungsvermittler eintragen muss, obwohl sie selbst im Rechtsverkehr keine Versicherungen gegen Ent‑ gelt vertreibt. Noch sinnloser wäre es, von einem Franzosen, der sich an einer deutschen Gesellschaft beteiligt, zu verlangen, sich in Frankreich eintragen zu lassen und zugleich die Absicht zur grenzüberschreitenden Tätigkeit anzuzei‑ gen, nur um Gesellschafter einer in Deutschland tätigen Personengesellschaft zu werden. Nach alledem sind juristische Personen i. S. d. IDD rechtsfähige Subjekte, die keine natürlichen Personen sind.72 Darunter fallen auch deutsche Personen‑ gesellschaften. Ihr Herkunftsmitgliedstaat bestimmt sich also gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. b IDD nach ihrem satzungsmäßigen Sitz bzw. Hauptverwaltungssitz.

bb)  Umsetzung im deutschen Recht Bei Umsetzung der VermRL war sich der deutsche Gesetzgeber dieses Pro‑ blems offenbar nicht bewusst. § 34d GewO sprach und spricht zwar lediglich von „Gewerbetreibenden“, worunter vom Wortlaut auch rechtsfähige Personen‑ gesellschaften gefasst werden können. In der Begründung des Regierungsent‑ wurfs verwies man jedoch auf den allgemeinen gewerberechtlichen Grund‑ 69 

Art. 4 Abs. 1 lit. a und 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a IDD.

70  Siehe S. 56. 71 Anders als in

Deutschland gibt es in anderen Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit, nach der Firma der Gesellschaft zu suchen, an denen ein in Deutschland eingetragener Ver‑ mittler beteiligt ist. Es muss dort also die im Rechtsverkehr auftretende Gesellschaft eingetra‑ gen sein, um sie zu finden. 72 Ebenso zur VermRL ohne nähere Begründung Jabornegg, VR 2005, 128. Anders Abram, r+s 2005, 137 (139); ders., VP 2003, 174 (176); Zumpf, Beratungspflichten, S. 117, die von einer planwidrigen Regelungslücke ausgehen.



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satz, nach dem Gewerbetreibende nur natürliche oder juristische Personen im Sinne des deutschen Gesellschaftsrechts sein können.73 Auch später nannte der Gesetzgeber in § 34d Abs. 11 GewO a. F. explizit nur diese beiden Gruppen. Dementsprechend geht die ganz überwiegende Auffassung im deutschen Recht davon aus, dass Personengesellschaften nicht als Versicherungsvermittler ein‑ getragen werden können.74 Zu demselben Ergebnis führten Diskussionen des Bund-Länder-Ausschus‑ ses Gewerberecht. Dort stellte man fest, dass zivilrechtlich Personengesell‑ schaften selbst Wohlverhaltensregeln erfüllen müssen und Kunden im Vermitt‑ lerregister keine Angaben zu den im Rechtsverkehr auftretenden Gesellschaften finden.75 Gleichwohl lehnte die Mehrheit des Ausschusses die „Anwendung des Gewerberechts auf Personengesellschaften vorerst ab“76. Grund dafür war vor allem die Bindung der Personengesellschaft an ihre Gesellschafter. Um den Transparenzvorgaben des europäischen Rechts zu genügen, sah man in § 5 Nr. 1 VersVermV a. F. (§ 8 Nr. 1 VersVermV n. F.) vor, im Vermittlerregister zu ver‑ merken, in welchen Personengesellschaften ein Vermittler als geschäftsführen‑ der Gesellschafter tätig ist. Gibt ein Kunde bei der Suche im Vermittlerregister die Firma der Gesellschaft ein, sollen ihm alle eingetragenen geschäftsführen‑ den Gesellschafter angezeigt werden, über die er dann weitere Informationen bekommt.77 Damit wird das deutsche Recht den europäischen Vorgaben allerdings nicht gerecht. In anderen Mitgliedstaaten besteht häufig lediglich die Möglichkeit, nach dem Vermittler selbst zu suchen. Ausländische Kunden würden bei Ein‑ 73 BT‑Drs. 16/1935, S.  18. So auch später bei Umsetzung der IDD Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S.  36 (missverständlich S.  28). Zum gewerberechtlichen Grundsatz siehe nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1965, I C 69/62, BVerwGE 22, 16 (19); Ennuschat, in: Tettin‑ ger/Wank/Ennuschat, GewO, § 1 Rn. 76 f. Wegen fehlender Rechtspersönlichkeit sollen Per‑ sonengesellschaften auch nach Anerkennung ihrer Rechtssubjektivität keine Gewerbetreiben‑ den sein (OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.7.2008, 7 LA 53/08, NVwZ‑RR 2009, 103 f.; VGH München, Beschl. v. 5.8.2004, 22 ZB 04.1853, GewArch 2004, 479 [480]; offengelassen in BVerwG, Urt. v. 1.10.2015, 7 C 8/14, BVerwGE 153, 99 [105] Rn. 29). 74  VG Bremen, Urt. v. 15.9.2011, 5 K 3670/07, BeckRS 2011, 55620; Dörner, in: Prölss/ Martin, VVG, § 34d GewO Rn. 1; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 34d Rn. 42; Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 15, 214; SchulzeWerner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 134, 191, § 11a Rn. 14; Will, in: Beck‑ OK‑GewO, § 34d (1.6.2019) Rn. 135, 146; mit rechtspolitischer Kritik i. E. ebenso Adjemian u. a., GewArch 2009, 137 (140 f.); 186 (188 f.). A. A. Cornelissen, Erlaubnis, S. 109 ff.; Emde, ZVertriebsR 2018, 292 (295 f.) unter Verweis auf die Rechtssubjektivität der Personengesell‑ schaften. Beide gehen nicht auf eine europarechtskonforme Auslegung ein, sondern beziehen sich allein auf das nationale Recht. Das ist problematisch, weil der Gesetzgeber Personenge‑ sellschaften trotz Rechtssubjektivität nicht als Gewerbetreibende anerkennen wollte. 75  Schönleiter, GewArch 2008, 109 (111). 76  Schönleiter/Stenger/Zerbe, GewArch 2008, 242 (244). 77  Vgl. Begr. zum Entwurf für eine VersVermV BR‑Drs. 844/08, S. 11. Stichprobenunter‑ suchungen des Verf. haben allerdings gezeigt, dass der Firma einer OHG zum Teil kein Ver‑ mittler zugeordnet ist, sodass man keine Angaben abrufen kann.

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gabe der Firma einer Personengesellschaft also keine Angaben finden. Zudem ist unklar, wie eine Vermittlungs-OHG durch ihre Angestellten eine transparen‑ te Statusinformation i. S. d. Art. 18 IDD erteilen soll, wenn sie von mehreren Gesellschaftern geführt wird. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VersVermV müssten dem Kunden die Namen aller geschäftsführenden Gesellschafter mitgeteilt werden sowie die Namen aller Personengesellschaften, an denen die Vermittler beteiligt sind. Dem Kunden würden also beispielsweise die Namen von fünf OHG‑Ge‑ sellschaftern mitgeteilt. Sind diese an mehreren Personengesellschaften betei‑ ligt, würden sie ebenfalls benannt. Letztlich wüsste der Kunde überhaupt nicht, wer ihm im Rechtsverkehr gegenüber auftritt. Das ist ferner problematisch, weil Art. 32 Abs. 1 IDD verlangt, dass gegen Vermittler erlassene behördliche Maßnahmen und Sanktionen im Vermittlerregister veröffentlicht werden. Nach § 34d Abs. 11 GewO können jedoch nur gegen die registrierten Gesellschafter erlassene Maßnahmen eingetragen werden. Maßnahmen gegen die Personen‑ gesellschaft können so nicht abgebildet werden. Sie können überwiegend sogar nicht erlassen werden, wenn man die Gesellschaft nicht als Träger der gewerbe‑ rechtlichen Pflichten ansieht. Art. 33 Abs. 2 und 3 IDD sieht demgegenüber vor, dass Anordnungen auch unmittelbar gegenüber der Personengesellschaft als ju‑ ristische Person im autonomen Sinn erlassen werden können. Die Europarechtswidrigkeit des deutschen Rechts zeigt sich schließlich in grenzüberschreitenden Sachverhalten, in denen sich ausländische juristische Personen geschäftsführend an einer deutschen KG beteiligen wollen.78 Erbringt die ausländische juristische Person selbst keine Versicherungsvertriebs­tätigkeit gegen Entgelt i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 IDD, weil im Rechtsverkehr allein die deutsche KG auftritt, kann von anderen Mitgliedstaaten nicht verlangt werden, sie als Vermittler einzutragen. Könnte nun auch die KG nicht in Deutschland registriert werden, könnten derartige europarechtlich zulässige Gesellschafts‑ formen nicht als Versicherungsvermittler tätig werden.79 Soweit juristische Per‑ sonen nämlich ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, können sie trotz der ungenauen Regelung in § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GewO nicht in Deutschland eingetragen werden.80 Eine richtlinienkonforme Umsetzung der IDD erfordert somit die Anerken‑ nung von Personengesellschaften als gewerbetreibende Versicherungsvermitt‑ ler. De lege lata ist dies durch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 34d GewO zu erreichen. Bereits sein Wortlaut lässt die Subsumtion aller rechts‑ fähigen Gesellschaften unter „Gewerbetreibende“ zu.81 Das Bundesverwal‑ 78  Dazu unter Anwendung der hier abgelehnten Rechtsauffassung Schönleiter, in: Land‑ mann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 216, 218. Krit. bereits Adjemian u. a., GewArch 2009, 186 (189). Siehe auch Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 34d Rn. 136. 79  Zu dieser „Regelungslücke“ bereits Adjemian u. a., GewArch 2009, 186 (189). 80  Siehe Fn. 45. 81  Mittlerweile wird im Übrigen immer häufiger auch der Begriff der „juristischen Person“



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tungsgericht hat zuletzt sogar offengelassen, ob es an dem gewerberechtlichen Grundsatz, nach dem Personengesellschaften keine Gewerbetreibenden sein können, festhalten will.82 Dass in der VersVermV Sonderregeln für Personen‑ gesellschaften geschaffen wurden, zwingt zu keiner abweichenden systemati‑ schen Auslegung, da die Rechtsverordnung im Rang unter der GewO steht. Der richtlinienkonformen Auslegung steht auch nicht der Wille des Gesetzgebers entgegen, mit § 34d GewO lediglich natürliche und juristische Personen zu er‑ fassen. Er war sich dabei nicht bewusst, dass er damit den europarechtlichen Vorgaben nicht gerecht wird. In derartigen Irrtumsfällen ist eine richtlinien‑ konforme Auslegung verfassungsrechtlich erlaubt. Art. 20 Abs. 3 GG und das Verbot einer contra legem-Rechtsanwendung83 verbieten es nicht, bei der Ge‑ setzesauslegung dem generellen Willen des Gesetzgebers, das nationale Recht richtlinienkonform zu gestalten, Vorrang vor der konkret irrtümlichen Rege‑ lungsabsicht einzuräumen.84 Ein derartiger Umsetzungswille ist bei § 34d GewO mehrfach geäußert worden.85 Rechtsfähige Personengesellschaften des deutschen Rechts wie die Versicherungsmakler-KG des Beispielsfalls86 sind somit als Versicherungsvermittler in Deutschland als Staat ihres Satzungs- bzw. Hauptverwaltungssitzes einzutragen.

2.  Aufnahme grenzüberschreitender Tätigkeiten Will ein Vermittler eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Union auf‑ nehmen, muss (und kann) er sich in diesem Aufnahmemitgliedstaat87 nicht er‑ neut eintragen lassen.88 Unabhängig davon, wie die Eintragung im Herkunfts‑ mitgliedstaat dogmatisch qualifiziert wird, hat die Verwaltungsentscheidung transnationale Wirkung.89 Das beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung:90 Andere Mitgliedstaaten erkennen die im Herkunftsmitglied‑ europarechtskonform weit ausgelegt, vgl. nur BFH, Urt. v. 1.6.2016, XI R 17/11, ZIP 2016, 1577 (1580); BVerwG, Urt. v. 1.10.2015, 7 C 8/14, BVerwGE 153, 99 (107) Rn. 35. Da die Wortlautgrenze nicht überschritten wird, ist keine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung er‑ forderlich (zur Methodik Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 124). 82  BVerwG, Urt. v. 1.10.2015, 7 C 8/14, BVerwGE 153, 99 (105) Rn. 29. 83  Vgl. dazu auch EuGH, Urt. v. 16.7.2009, Rs. C-12/08, Slg. 2009, I-6653 Rn. 61 m. w. N. 84  Möllers/Möhring, JZ 2008, 919 (922). Siehe aus der Rspr. nur BVerfG, Beschl. v. 26.9.2011, 2 BvR 2216/06, BVerfGK 19, 89 (101); BGH, Urt. v. 26.11.2008, VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 (34 ff.) Rn. 21 ff. 85  Vgl. nur Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 34 ff.; BT‑Drs. 16/1935, S. 17 ff. 86 S. 47. 87  Der Begriff ist definiert in Art. 2 Abs. 1 Nr. 11 IDD als „der Mitgliedstaat, in dem ein Versicherungs- oder Rückversicherungsvermittler eine ständige Präsenz oder Niederlassung hat oder Dienstleistungen erbringt und der nicht sein Herkunftsmitgliedstaat ist“. Synonym wird in dieser Arbeit der Begriff des „Aufnahmestaats“ verwendet. 88  ErwG 18 letzter Satz IDD. 89 Ausf. Neßler, Richtlinienrecht, S. 5 ff.; siehe auch Linke, Int. VerwR, S. 63 f.; Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 826 ff.; Möstl, DÖV 2006, 281 (284). 90  Vgl. Kommission, KOM(2000) 511 endg, S. 11. Allg. dazu Neßler, Richtlinienrecht,

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staat erteilte Verwaltungsentscheidung an und machen im Hinblick darauf eine Geschäftstätigkeit im Inland nicht von einer erneuten Zulassung abhän‑ gig. Für die Festlegung und Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen ist al‑ lein die Herkunftslandbehörde zuständig (Art. 3 Abs. 4 UAbs. 5 IDD). Sind im Aufnahmemitgliedstaat strengere berufliche Anforderungen für eine Eintra‑ gung vorgesehen, muss der Vermittler diese nicht erfüllen.91 „Streicht“ der Her‑ kunftsmitgliedstaat die Eintragung,92 hat auch diese Maßnahme transnationale Wirkung. Ein Tätigwerden in anderen Mitgliedstaaten ist dann ohne erneute Eintragung nicht möglich. In Bezug hierauf und insbesondere auf die berufli‑ chen Anforderungen des Art. 10 IDD ist somit das Herkunftslandprinzip voll‑ kommen verwirklicht. Man spricht wie auch im Versicherungsaufsichtsrecht vom single license-Prinzip bzw. Europäischen Pass.93 Einzige Voraussetzung für die Aufnahme der grenzüberschreitenden Tätigkeit ist die Durchführung des Notifikationsverfahrens der Art. 4 und 6 IDD.

a)  Relevante grenzüberschreitende Tätigkeit: Anknüpfungskriterien im Aufsichtsrecht Dieses ist einzuleiten, wenn Vermittler im Wege der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig wer‑ den wollen.

aa)  Vorgaben der IDD Wann das der Fall ist, erläutert die IDD nicht. Dabei hatte das Parlament94 im Gesetzgebungsverfahren noch folgende Definition des Niederlassungsverkehrs in Art. 6 des Entwurfs vorgeschlagen: „1a. Ein Versicherungsvermittler ist im Rahmen der Niederlassungsfreiheit tätig, sofern er seine Geschäftstätigkeit in einem Aufnahmemitgliedstaat für unbestimmte Zeit durch eine ständige Anwesenheit in diesem Mitgliedstaat ausübt.“

S. 5 ff.; Tiedje, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 53 AEUV Rn. 44; zur Versicherungs‑ aufsicht Platzer, Versicherungsaufsicht, S. 107; Roth, NJW 1993, 3028 (3030); Schmidt, De‑ regulierung, S. 72. 91 Kommission, KOM(2000) 511 endg, S. 7, 11; Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédia‑ tion d’assurance, Rn. 235 (S. 163); Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 18. Strengere berufliche Eintragungsvoraussetzungen sind daher keine Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses i. S. d. Art. 11 IDD. Anders und ohne klares Ergebnis zur VermRL noch Pulverich, VersVerm 2003, 45 (52). 92  Hierzu Art. 3 Abs. 4 UAbs. 6 IDD. 93  Siehe hierzu nur Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 57 Rn. 5. 94  Abänderungen des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Versicherungsvermittlung (Neufassung), ABl. C 285 v. 29.8.2017, S. 581.



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Der Dienstleistungsverkehr sollte in Art. 5 des Entwurfs wie folgt definiert wer‑ den: „4a. Ein Versicherungsvermittler oder Rückversicherungsvermittler übt eine Versiche‑ rungsvermittlungstätigkeit im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs aus, wenn (a) er seine Versicherungs- oder Rückversicherungsvermittlungstätigkeit gegenüber einem Versicherungsnehmer ausübt, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Nie‑ derlassung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat des Vermitt‑ lers hat; (b) alle zu versichernden Risiken in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunfts‑ mitgliedstaat des Vermittlers belegen sind; (c) er die Anforderungen der Absätze 1 und 4 [das Notifikationsverfahren] erfüllt.“

Dass die Vorschläge des Parlaments nicht umgesetzt wurden, bedeutet keines‑ wegs, dass die Begriffe nun anders ausgelegt werden müssen. Der Gesetzgeber schien die Frage offenlassen zu wollen. Er erlaubt dem Rechtsanwender so, die Begriffe unter Berücksichtigung der primärrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie des Regelungszusammenhangs und der Ziele der IDD im Einzelfall zu konkretisieren.

(1) Niederlassungsverkehr Im Primärrecht umfasst die in Art. 49 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit jede selbständige, auf Dauer angelegte Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Staates mittels einer festen Einrichtung.95 Ohne dauerhafte physische Präsenz begründet eine längerfristige Tätigkeit im Aufnahmestaat noch keine Niederlassung.96 Besteht eine feste Einrichtung, kommt es für die Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit darauf an, ob die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist. Eine nur vorübergehende Tätigkeit fällt auch dann noch unter die Dienstleis‑ tungsfreiheit, wenn sie mit einer gewissen Einrichtung im Aufnahmestaat aus‑ geführt wird.97 Art. 49 Abs. 1 S. 1 AEUV gewährleistet zunächst die primäre Niederlassungsfreiheit, d. h. die Freiheit, eine Tätigkeit neu in einem anderen Staat aufzunehmen, Unternehmen neu zu gründen oder die Hauptniederlassung zu verlegen. Darüber hinaus gewährt Art. 49 Abs. 1 S. 2 AEUV das Recht, se‑ kundäre Niederlassungen in Form von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen.98 Der EuGH hat dies erweitert auf jede stän‑ 95  Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49 AEUV Rn. 11; vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.2.1996, Rs. C-53/95, Slg. 1996, I-703 Rn. 8; Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 25. 96 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2003, Rs.  C-215/01, Slg. 2003, I-14847 Rn. 32; Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 Rn. 15; Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 49 AEUV (Februar 2019) Rn. 31; eventuell weiter Müller-Graff, in: Streinz, Art. 49 AEUV Rn. 17 m. w. N. 97  EuGH, Urt. v. 11.12.2003, Rs. C-215/01, Slg. 2003, I-14847 Rn. 28; Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165 Rn. 27. 98 Zu beiden Formen Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 49 AEUV (Februar 2019) Rn. 52; Korte, in: Calliess/Ruffert, Art. 49 AEUV Rn. 29.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

dige Präsenz, „auch wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlas‑ sung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das von dem eigenen Personal des Unternehmens oder von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln“99. Mit diesem primärrechtlichen Verständnis muss der Niederlassungsbegriff im Sekundärrecht nicht übereinstimmen. Auch Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 IDD ver‑ steht unter einer Niederlassung lediglich die Einrichtung einer Zweigniederlas‑ sung oder ständigen Präsenz. Eine ständige Präsenz gilt nach Unterabsatz 2 als Niederlassung, wenn sie einer Zweigniederlassung gleichwertig ist. ErwG 25 gibt dazu die gerade zitierte Rechtsprechung wieder. Insoweit stimmen die Be‑ griffe überein. Aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 IDD ergibt sich jedoch bereits, dass die sekundäre Niederlassungsfreiheit nicht vollständig vom Niederlassungsbegriff der IDD umfasst ist. Eine ständige Präsenz ist danach nicht als Niederlassung anzusehen, wenn sie rechtmäßig in einer anderen Rechtsform eingerichtet wird. Gemeint ist die Gründung eines rechtlich selbständigen Tochterunternehmens. In diesem Fall hat die Tochtergesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit, so‑ dass sie nach Art. 1 Abs. 2 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 IDD selbst im Empfangsstaat als ihrem Sitzstaat einzutragen ist. Für die Gründung einer Tochtergesellschaft gilt das Notifikationsverfahren somit nicht.100 Gleiches gilt für die Fälle der primä‑ ren Niederlassungsfreiheit: Will ein Vermittler seinen Wohn- oder Geschäftssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, wird dieser Staat zum Herkunftsmit‑ gliedstaat i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 IDD.101 Er muss sich daher dort erneut ein‑ tragen lassen. Dabei kommen ihm die allgemeinen Regeln für die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen nach Art. 10 ff. der RL 2005/36/EG102 zugute.103 Deutlicher als das Primärrecht zeigt die IDD, dass die dauerhafte Ausrich‑ tung der Tätigkeit auf einen anderen Staat noch nicht zur Begründung einer Niederlassung ausreicht.104 Art. 6 Abs. 1 IDD setzt vielmehr eine (feste) phy‑ sische Präsenz des Vermittlers in einem anderen Staat voraus. Bedeutung er‑ langt das insbesondere bei Online-Vermittlern. Wollen sie ihre Tätigkeit auf andere Mitgliedstaaten erstrecken, planen sie in der Regel eine dauerhafte Tä‑ 99 

EuGH, Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84, Slg. 1986, I-3755 Rn. 21. für die Versicherungsaufsicht Platzer, Versicherungsaufsicht, S. 52 f., 62 m. w. N.; krit. dazu Rabe, Liberalisierung, S. 76 f. 101  Vgl. zur VermRL CEIOPS, CEIOPS‑DOC-19/09, S. 7, 10. Das gilt nicht, wenn er nur seine Hauptniederlassung in den Aufnahmemitgliedstaat verlegt, vgl. Art. 7 Abs. 1 IDD. 102  Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 v. 30.9.2005, S. 22; zuletzt geändert durch Art. 1 des Delegierten Beschlusses (EU) 2017/2113, ABl. L 317 v. 1.12.2017, S. 119. 103  EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 20. Dazu auch Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 18. 104  Vgl. auch Art. 9 Abs. 2 IDD. 100 Ebenso



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tigkeit, die zugleich eine „Integration“ in die ausländische Volkswirtschaft dar‑ stellt. Mangels dauerhafter, fester physischer Präsenz errichten sie gleichwohl keine Niederlassung, auch nicht, wenn sie sich technischer Mittel wie Servern im Aufnahmestaat bedienen.105 Eine ständige Präsenz liegt nach oben dargestellter EuGH‑Rechtsprechung nicht nur vor, wenn Vermittler sich selbst in den Aufnahmestaat begeben, son‑ dern auch, wenn sie sich (un)selbständiger Vertreter mit Sitz in diesem Staat bedienen. Denkbar wäre das z. B. bei Maklerunternehmen, die durch Handels‑ vertreter im Aufnahmestaat vertreten werden. Ob die Vertreter „wie eine Agen‑ tur“ handeln, hängt vom Einzelfall ab: Sie müssen einer gewissen Aufsicht und Leitung unterstehen, befugt sein, für den Vermittler zu handeln, insbesondere Vermittlungsverträge mit Kunden abzuschließen, und die Tätigkeit auf Dauer ausüben.106 Keine ständige Präsenz begründet die Einschaltung selbständiger Untervermittler, die keiner generellen Aufsicht unterstehen.107

(2) Dienstleistungsverkehr Übt ein Vermittler eine Auslandstätigkeit ohne ständige Präsenz aus, stellt sich die Frage, ab wann er die Kriterien des Dienstleistungsverkehrs i. S. d. IDD er‑ füllt. Dabei ist insbesondere problematisch, inwieweit Tätigkeiten mit Bezug zu anderen Mitgliedstaaten durchgeführt werden können, ohne das Notifikations‑ verfahren des Art. 4 IDD zu durchlaufen. Primärrechtlich umfasst die Dienstleistungsfreiheit alle grenzüberschreiten‑ den Leistungen von Selbständigen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wer‑ den (Art. 57 Abs. 1 AEUV). Dabei ist unerheblich, wer oder was die Grenze überschreitet: der Leistende (aktive Dienstleistungsfreiheit), der Leistungsemp‑ fänger (passive Dienstleistungsfreiheit) oder nur die Leistung (Korrespondenz‑ dienstleistung).108 Übertrüge man dieses weite Begriffsverständnis auf Art. 4 IDD, könnte jeder grenzüberschreitende Bezug die Durchführung des Noti‑ fikationsverfahrens erfordern. Eine Einschränkung ließe sich allenfalls über den Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 IDD erzielen: Danach muss ein Vermittler im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig werden. Das könnte auf eine 105  Vgl. auch die Wertung von Art. 2 lit. c RL 2000/31/EG (ABl. L 178 v. 17.7.2000, S. 1) sowie Kommission, ABl. C 43 v. 16.2.2000, S. 5 (13). 106  Siehe zum Versicherungsaufsichtsrecht Kommission, ABl. C 43 v. 16.2.2000, S. 5 (10); übertragen auf die Versicherungsvermittlung bei Bigot in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’as‑ surance, Rn. 242; Rokas, in: Marano, „Dematerialized“ Insurance, S. 3 (24). 107 Ebenso Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 244 (S. 169); vgl. auch S. 170, wonach die Überlegungen auf andere Hilfspersonen im Aufnahmestaat übertragen werden können, die z. B. bei der Schadensregulierung oder der Risikoanalyse eingesetzt wer‑ den. Die bloße zivilrechtliche Verantwortlichkeit für das Handeln des Untervermittlers ändert hieran nichts (siehe auch CEIOPS, CEIOPS‑DOC-19/09, S. 14). 108 Vgl. nur Forsthoff/Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 57 AEUV (März 2011) Rn. 52 ff.; Müller-Graff, in: Streinz, Art. 56 AEUV Rn. 34 ff.

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zwingend physische Präsenz des Vermittlers i. S. d. aktiven Dienstleistungs‑ freiheit hindeuten. Angesichts der technologischen Entwicklung, die eine Ge‑ schäftstätigkeit „in“ anderen Staaten auch ohne physische Präsenz ermöglicht, ist eine solche Auslegung jedoch zu eng. Es müssen daher andere Kriterien ge‑ funden werden. Der oben dargestellte Definitionsvorschlag des Parlaments griff auf das Lu‑ xemburger Protokoll109 zurück. Die Dienstleistungsfreiheit wurde dort wie folgt definiert: „An IIM [insurance intermediary] is operating under FOS [Freedom of Services] if it in‑ tends to supply a policyholder, who is established in a Member State different from the one where the IIM is established, with an insurance contract relating to a risk situated in a MS different from the MS where the IIM is established.“

Maßgeblich ist danach, ob ein Vermittler beabsichtigt, einem Versicherungs‑ nehmer mit „Niederlassung“ in einem anderen Mitgliedstaat einen Versiche‑ rungsvertrag zu vermitteln, der Risiken deckt, die ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind. Auch der Kommissionsvorschlag verwies bereits auf diese „Bestimmungen“ des Luxemburger Protokolls.110 Soweit die Krite‑ rien sich als geeignet erweisen, sollten sie daher auch für die Auslegung der IDD herangezogen werden.111

(a)  Aufenthaltsort des Kunden Zunächst setzt das Luxemburger Protokoll voraus, dass Vermittler Kunden be‑ treuen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen („established“) sind. In der deutschen Literatur wurde dies mit dem „Sitz“ des Kunden übersetzt.112 Richtigerweise ist der gewöhnliche Aufenthalt gemeint. Soweit in einem vor‑ bereitenden Arbeitsdokument, in dem die spätere Definition des Luxemburger Protokolls begründet wurde, vom „residence“ die Rede ist,113 bezog man sich auf den „habitual residence“ (gewöhnlichen Aufenthalt). Es wurde nämlich versucht, bei der Definition die Anknüpfungspunkte des Internationalen Privat‑ rechts für Versicherungsverträge zu berücksichtigen.114 Das ist im Sinne einer Kohärenz von Internationalem Verwaltungsrecht und IPR auch überzeugend. Dort wird indes nicht auf den Wohnsitz, sondern auf den gewöhnlichen Auf‑ 109  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1, S. 9. Zum Rechtscharakter dieser Vereinbarung siehe S. 12. 110  Kommission, COM(2012) 360 final, S. 9. 111  EIOPA verwendet die Definitionselemente des Luxemburger Protokolls nach einem Beschluss des Rates der Aufseher nunmehr ebenfalls zur Auslegung der IDD, vgl. EIO‑ PA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14. 112  Moraht, in: Gebert/Erdmann/Beenken, Praxishandbuch Vermittlerrecht, Rn. 197; Stenger, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 11a (Juni 2018) Rn. 31. 113  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 1 f. 114  Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 2 f.



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enthalt des Versicherungsnehmers abgestellt.115 Daran sollte man gleichsam bei Art. 4 IDD anknüpfen. Hierfür spricht schon eine systematische Auslegung zu den Flexibilitätsklauseln, die die Anwendung eines strengeren Aufnahmestaa‑ tenrechts vorsehen, wenn Vermittler Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat betreuen.116 Der Richtliniengeber nähert sich so mit den aufsichtsrechtlichen Anknüpfungskriterien an das europäische IPR an, wo der gewöhnliche Aufenthalt sich mittlerweile überwiegend durchgesetzt hat. Der Vermittler muss somit einen Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat betreuen. „Kunden“ in diesem Sinne sind ausschließlich Versicherungsnehmer, sodass (mit)versicherte Personen oder Bezugsberechtigte außer Betracht bleiben.117 Auch Dienstleistungen eines Vermittlers für einen Versicherungsvermittler aus einem anderen Mitgliedstaat sollten nicht zum Eingreifen des Notifikationsver‑ fahrens führen. Beauftragt beispielsweise ein deutscher Makler einen französi‑ schen Untervermittler mit der Vermittlung von Deckungsschutz bei französi‑ schen Versicherern, wird der Untervermittler nicht im Dienstleistungsverkehr i. S. d. IDD aktiv, wenn er ausschließlich seinen deutschen Kollegen berät und nicht vom Versicherungsnehmer beauftragt wird. Sind Versicherungsnehmer juristische Personen, bestimmt sich ihr gewöhn‑ licher Aufenthalt gegebenenfalls nach der Niederlassung, die den Vermittler be‑ auftragt.118 Für die Vermittlung internationaler Versicherungsprogramme, bei denen Konzernmütter ihren Versicherungsschutz für das eigene Unternehmen und etwaige Niederlassungen und Tochtergesellschaften in anderen Mitglied‑ staaten koordinieren, bedeutet das Folgendes: Beauftragt die Konzernmutter einen Vermittler und wird sie Versicherungsnehmerin, übt dieser keine sekun‑ därrechtliche Dienstleistungstätigkeit aus, wenn beide Parteien ihren gewöhnli‑ chen Aufenthalt in demselben Staat haben. Ob Risiken von Tochtergesellschaf‑ ten oder Niederlassungen mitversichert werden, ist unerheblich. Beauftragt zusätzlich eine Niederlassung bzw. Tochtergesellschaft in einem anderen Mit‑ gliedstaat einen lokalen Makler, wird auch dieser nicht im Dienstleistungsver‑ kehr tätig, wenn er Verträge für die Niederlassung vermittelt. 115  Vgl. damals Art. 7 RL 88/357/EWG und Art. 32 RL 2002/83/EG sowie heute Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 lit. b Rom I‑VO. 116  Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 und Art. 29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD. Zu den Flexibilitätsklau‑ seln im Allgemeinen siehe bereits S. 34. 117  Siehe bereits die Klarstellung im Luxemburger Protokoll, CEIOPS, CEIOPS‑​ DOC02/06 Rev 1, S. 9: „The IIM should notify its intention to operate under freedom of services in the sole MS where the policyholder is established or has his residence, also in the case the po‑ licyholder acts on behalf of different insured and/or risks established or situated in one or more other MS“. Vgl. nunmehr auch EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14. 118  Vgl. entsprechend Art. 13 Nr. 13 lit. d sublit. ii und Nr. 14 lit. b Solvency II‑RL sowie Art. 19 Abs. 2 Rom I‑VO.

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(b) Risikobelegenheit Neben dem abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt verlangt das Luxembur‑ ger Protokoll, dass sämtliche Risiken, die Gegenstand der Vermittlungstätig‑ keit sind, in einem anderen Staat als dem Herkunftsmitgliedstaat des Vermitt‑ lers belegen sind. Hierbei lässt sich im Sinne einer einheitlichen Auslegung mit dem Versicherungsaufsichtsrecht auf Art. 13 Nr. 13 Solvency II‑RL zurück‑ greifen. Der Staat der Risikobelegenheit ist danach bei Gebäudeversicherungen derjenige, in dem sich die Immobilie befindet; bei der Versicherung zugelasse‑ ner Fahrzeuge der Zulassungsmitgliedstaat; bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- oder Ferienrisiken der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat, sowie bei allen üb‑ rigen Nicht-Lebensversicherungen der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungs‑ nehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. in dem sich die Niederlassung einer juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht. Bei Lebens‑ versicherungen entspricht der „Mitgliedstaat der Verpflichtung“ i. S. d. Art. 13 Nr. 14 Solvency II‑RL dem Ort der Risikobelegenheit und wird durch den ge‑ wöhnlichen Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers bestimmt bzw. durch die Niederlassung einer juristischen Person, auf die sich der Vertrag bezieht. Bei der Erarbeitung des Luxemburger Protokolls wurde vor allem über das Verhältnis dieses Kriteriums zum gewöhnlichen Aufenthalt des Kunden gestrit‑ ten. Unklar war, ob die Kriterien bereits alternativ zur Begründung des Dienst‑ leistungsverkehrs ausreichen oder ob sie kumulativ vorliegen sollten. Man ent‑ schied sich schließlich dafür, die Kriterien als kumulative Voraussetzungen in die Definition aufzunehmen.119 Bei alleinigem Abstellen auf die Risikobelegen‑ heit würde das Notifikationsverfahren nämlich auch in Fällen greifen, in denen Vermittler und Kunden ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Damit wären Regeln zum grenzüberschreitenden Verkehr anwendbar, obwohl beide Parteien von der Geltung „ihrer“ Aufsicht ausgehen.120 Für das alleinige Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kunden spricht umgekehrt zwar, dass dieser unter Umständen auf eine inländische Aufsicht und das Eingreifen seines Aufsichtsrechts vertraut, auch wenn er von Vermittlern anderer Mitgliedstaaten betreut wird.121 Vermittler könnten jedoch von einer grenzüberschreitenden Binnenmarkttätigkeit abgehalten werden, wenn bereits ein unterschiedlicher Aufenthaltsort dazu führt, dass sie das Notifikationsver‑ fahren durchlaufen müssen und einem ausländischen Aufsichtsrecht unterlie‑ gen.122 119  120 

CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 4. Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 3. Siehe auch S. 4, wonach Vermittler abgehal‑ ten werden könnten, Vermittlungsaufträge von Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in dem‑ selben Staat anzunehmen, soweit sie sich auf Auslandsrisiken beziehen. 121  Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 2. 122  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 2.



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Diese Überlegungen sind überzeugend. Der Ort, an dem zu versichernde Ri‑ siken belegen sind, eignet sich als alleiniges Kriterium schon deshalb nicht, weil der Staat der Risikobelegenheit keine wesentlichen Interessen für die An‑ wendung seines Vermittlerrechts und die Aufsicht über ausländische Vermitt‑ ler geltend machen kann. Berät beispielsweise ein deutscher Vermittler einen deutschen Kunden bei der Versicherung eines Ferienhauses in Frankreich, mag es zwar Gründe für die Anwendung des französischen Rechts im Verhältnis zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer geben. Das gilt hin‑ gegen nicht für die der Risikotragung vorgelagerte Vermittlungsphase. Ähn‑ liche Überlegungen sprechen dagegen, Vermittler einer ausländischen Aufsicht zu unterstellen, wenn sie ausländische Kunden zur Deckung im Herkunftsmit‑ gliedstaat belegener Risiken beraten. Will beispielsweise ein Franzose eine Po‑ lice für ein Grundstück in Deutschland vermittelt bekommen und wird hier‑ für ein deutscher Vermittler tätig, besteht noch eine derart starke Verbindung zum deutschen Aufsichtsrecht, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, die Ein‑ haltung des Notifikationsverfahrens zu verlangen und den Vermittler einem aus‑ ländischen Aufsichtssystem zu unterstellen. Die kumulative Anwendung beider Voraussetzungen stellt sicher, dass die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Tätigkeit erst greifen, wenn ein starker Bezug zum Herkunftsstaat des Vermitt‑ lers nicht mehr gegeben ist. In diesen Fällen muss ein Vermittler damit rechnen, dass er nicht ohne Weiteres grenzüberschreitend tätig werden darf. Zugleich müssen Kunden – wenn eine der Voraussetzungen nicht gegeben ist – erken‑ nen, dass ihre Zusammenarbeit mit dem Vermittler einen derartigen Bezug zum Herkunftsmitgliedstaat hat, dass sie der Aufsicht dieses Staates unterliegt. An‑ gesichts des sekundärrechtlich vorgegebenen Mindestschutzes ist ihnen dies zu‑ zumuten.

(c)  Absicht zur grenzüberschreitenden Tätigkeit Art. 4 Abs. 1 IDD setzt schließlich voraus, dass der Vermittler im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats tätig werden will. Er muss daher jedenfalls Kennt‑ nis vom gewöhnlichen Aufenthalt und der Risikobelegenheit haben. Darüber hi‑ naus setzt der Wille zur grenzüberschreitenden Tätigkeit allerdings nicht voraus, dass der Vermittler das Notifikationsverfahren eingeleitet hat. Das Luxembur‑ ger Protokoll führt vielmehr überzeugend aus, dass sich ein solcher Wille auch aus der aktiven Geschäftstätigkeit im Ausland ergeben kann.123 Als Beispiele werden genannt, dass der Vermittler Treffen mit ausländischen Kunden organi‑ 123  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1, S. 9: „If the IIM did not notify its intention to operate under FOS in an other MS, an intermediary shall nevertheless be considered as having the intention to write business under FOS with residents of that MS, when it is marketing, pro‑ viding insurance mediation services or when it is actively seeking business from a client/con‑ sumer resident or established in that MS“. Vgl. auch EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Ko‑ operationsbeschluss), S. 14.

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siert oder er Werbung an ausgewählte Kundengruppen sendet. Demgegenüber solle ein solcher Wille nicht angenommen werden, wenn der Vermittler eine Website nur in der Sprache seines Herkunftslandes unterhält und sich damit auch nicht an ausländische Kunden wendet. Damit ähnelt das Merkmal dem des „Ausrichtens“ der Geschäftstätigkeit i. S. d. Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c Brüssel Ia-VO124. Die dazu ergangene Rechtsprechung kann als erster Anhaltspunkt verwendet werden. Dabei ist vor allem problema‑ tisch, wann Vermittler ihre Tätigkeit bewusst auf das Ausland ausrichten, wenn sie online Vermittlungsleistungen erbringen oder bewerben. Das Luxemburger Protokoll125 führt dazu aus: „If the content of the website of the IIM is general and only in the language of the MS of the intermediary, if it is not addressed to a specific group of clients or clients in specific countries, then the IIM cannot be considered as actively seeking for these clients […]. If the IIM is contacted by those clients it will not be considered as doing FOS in the coun‑ tries of these clients.“

Die Sprache einer Website ist also ein erster Anhaltspunkt. Wird in anderen Mitgliedstaaten dieselbe Sprache gesprochen wie im Herkunftsmitgliedstaat, müssen letztlich andere Indizien gefunden werden, mit denen man auf den Wil‑ len zur grenzüberschreitenden Tätigkeit schließen kann. Als solche kommen in Betracht: Hinweise auf eine internationale Tätigkeit, Werbung über Such‑ maschinen gegenüber ausländischen Kunden, die Verwendung von Auslands‑ vorwahlen bei Telefonnummern oder die Verwendung eines ausländischen oder neutralen Domänenamens wie „.com“.126 Vermittler, die online automatisierte Vermittlungsleistungen erbringen, können sich vor dem Risiko, die Kriterien mit ihrer Website zu erfüllen, dadurch schützen, dass sie eine Vermittlung nicht zulassen, wenn der Kunde eine ausländische Adresse einträgt. Anders als bei Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO127 ist bei Art. 4 Abs. 1 IDD kein Aus‑ richten der Tätigkeit auf den ausländischen Staat als solchen erforderlich. Eine Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr liegt daher auch dann vor, wenn Vermitt‑ ler sich gezielt nur an Einzelpersonen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Aus‑ land wenden.128 Irrelevant ist dann, ob Leistungen im Staat des gewöhnlichen 124 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre‑ ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 351 v. 20.12.2012, S. 1. 125  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1, S. 9 f. Hierzu Rokas, in: Marano, „Demateri‑ alized“ Insurance, S. 3 (20 ff.), auch zur Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit. Vgl. nunmehr auch EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14. 126 EuGH, Urt. v. 7.12.2010, verb. Rs.  C-585/08 und C-144/09, Slg. 2010, I-12527 Rn. 80 ff. 127  Dazu S. 230. 128  Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1, S. 9 f., wonach die Werbung an ausgewähl‑ te Kundengruppen genügt. Bestätigt in EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14.



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Aufenthalts des Kunden oder im Herkunftsmitgliedstaat der Vermittler erbracht werden. Wenngleich Art. 4 Abs. 1 IDD voraussetzt, dass Vermittler „im Ho‑ heitsgebiet“ eines anderen Mitgliedstaats tätig werden, kann es hierbei, wie oben bereits erläutert, nicht auf eine physische Beziehung zum Aufnahmemit‑ gliedstaat ankommen. Der Schutz der Kunden rechtfertigt vielmehr eine weite Auslegung, nach der die gezielte Geschäftstätigkeit für ausländische Kunden zur Deckung im Ausland belegener Risiken genügt. Fraglich ist jedoch, ob bereits eine einmalige grenzüberschreitende Vermitt‑ lungsleistung dazu führt, dass das Notifikationsverfahren eingehalten werden muss. Aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 IDD („erstmalig“) könnte man her‑ leiten, dass eine einmalige Geschäftstätigkeit noch nicht ausreicht. Dagegen spricht, dass der im Ausland angesprochene Kunde häufig gar nicht weiß, ob Vermittler eine längerfristige Geschäftstätigkeit in seinem Staat planen bzw. mit wie vielen Kunden sie zusammenarbeiten. Er darf unabhängig davon auf das Eingreifen seiner nationalen Aufsicht vertrauen. Daher sollte für die Ab‑ grenzung allein relevant sein, ob die Vermittlung auf Initiative des Vermittlers oder auf Initiative des Kunden erfolgt.129 Geht die Vermittlungsleistung vom Vermittler aus, d. h. wendet er sich an einen ausländischen Kunden und bietet ihm seine Tätigkeit an, ist es unerheblich, ob er plant, auf Dauer mehrere Kun‑ den aus dem Staat zu betreuen. Das steht auch mit dem Wortlaut der IDD im Einklang: „Erstmalig“ heißt in dem Sinne nur, dass der Vermittler das Verfah‑ ren nur einmal durchlaufen muss, nämlich beim ersten aktiven Geschäftskon‑ takt mit dem Ausland. Zusammenfassend lässt sich die Absicht zur grenzüberschreitenden Tätig‑ keit annehmen, wenn der Vermittler Kenntnis von dem abweichenden gewöhn‑ lichen Aufenthalt des Kunden und der Belegenheit des Risikos hat und die Ver‑ mittlungsleistung auf seine Initiative zurückzuführen ist. Die Einleitung des Notifikationsverfahrens beweist grundsätzlich eine entsprechende Absicht.130

(3) Zwischenergebnis Alles in allem bringen die im Luxemburger Protokoll vorgeschlagenen Defini‑ tionselemente, auf die sowohl das Europäische Parlament als auch die Kom‑ mission verwiesen haben, die Interessen der Vermittler und Kunden in einen 129  Ebenso

wohl auch EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14 („on its own initiative“). So auch nunmehr das zentrale Kriterium zur Begründung eines Inlandsbezugs im Versicherungsaufsichtsrecht bei § 67 Abs. 1 S. 1 VAG, vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 18/2956, S. 255. 130  Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1, S. 9: „If the IIM already notified its inten‑ tion to operate under FOS in a MS other than the one where the IIM has its residence, this no‑ tification procedure is considered as the legal proof of its intention to write business under FOS with residents of that MS“. Bestätigt in EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14.

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gerechten Ausgleich. Sie sollten daher für die Auslegung der IDD übernommen werden, wofür sich nunmehr auch EIOPA entschieden hat.131 Eine Niederlas‑ sung liegt danach vor, wenn ein Vermittler eine Zweigniederlassung oder stän‑ dige Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat errichtet. Ohne eine solche phy‑ sische Präsenz sind Vermittler im Dienstleistungsverkehr tätig, wenn sie auf eigene Initiative Versicherungsnehmern mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat einen Versicherungsver‑ trag vermitteln, der Risiken deckt, die sämtlich ebenfalls in einem anderen Mit‑ gliedstaat belegen sind. Die Anknüpfungskriterien im Aufsichtsrecht nähern sich damit den aus dem IPR bekannten Anknüpfungspunkten an. Zugleich zeigt die Untersuchung, dass die Dienstleistungs- und Niederlassungsbegriffe der IDD enger sind als im Primärrecht und nicht jede grenzüberschreitende Ver‑ mittlungstätigkeit erfassen.

bb)  Umsetzung im deutschen Recht Der deutsche Gesetzgeber hat keine vom europäischen Recht abweichenden Definitionen eingeführt. Er spricht vielmehr in § 11a Abs. 4 GewO lediglich davon, dass ein Vermittler in einem anderen Mitgliedstaat „tätig“ wird. Da‑ runter sind sämtliche Fälle des Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsverkehrs i. S. d. IDD zu verstehen. Die Ausführungen zur IDD lassen sich daher auf das deutsche Recht übertragen. Ist im Rahmen dieses Kapitels von grenzüberschrei‑ tenden Tätigkeiten die Rede, sollen folglich nur noch Fälle gemeint sein, die die eben dargestellten Kriterien erfüllen.

b)  Notifikationsverfahren Bevor Vermittler eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufnehmen, müssen sie ein Notifikationsverfahren bei den Behörden ihres Herkunftsmit‑ gliedstaats einleiten.

aa)  Vorgaben der IDD Der Ablauf dieses Verfahrens hängt bei der IDD stärker als im Versicherungs‑ aufsichtsrecht132 davon ab, ob ein Vermittler eine Niederlassung errichten oder im Dienstleistungsverkehr tätig werden will. Während sich das Verfahren bei der Dienstleistungsfreiheit auf die Mitteilung der beabsichtigten Tätigkeit, des Namens, der Anschrift, der Vermittlerkategorie und der relevanten Versiche‑ rungsarten beschränkt,133 prüft die Herkunftslandbehörde beim Niederlassungs‑ verkehr zusätzlich die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Voraussetzung für 131  132 

EIOPA, EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss), S. 14. Siehe dort Art. 146, 148 Solvency II‑RL und § 58 f. VAG. 133  Art. 4 Abs. 1 IDD.



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die Gründung einer Niederlassung ist nämlich, dass die Herkunftslandbehörde „keinen Anlass hat, an der Angemessenheit der Organisationsstruktur oder der finanziellen Verhältnisse des Versicherungsvermittlers […] zu zweifeln“ (Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 IDD). Die Frage, was hierunter zu verstehen ist, stellt sich vor allem, weil Vermittler bei der Anzeige ihrer beabsichtigten Niederlassungstätig‑ keit nach Art. 6 Abs. 1 IDD nur wenige Angaben machen müssen. Über die eben bereits genannten Informationen hinaus müssen sie lediglich die Anschrift der Niederlassung und den Namen der für ihre Leitung verantwortlichen Person mitteilen. Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst vorgesehen, dass sie zu‑ sätzlich einen Betriebsplan und eine Organisationsstruktur einreichen134 bzw. Nachweise über die beruflichen Fähigkeiten und Kompetenzen der verantwort‑ lichen Personen erbringen müssen135. Das scheint auch erforderlich, um die An‑ gemessenheit einer Organisationsstruktur zu prüfen. Da die Vorgaben allerdings später wieder gestrichen wurden, könnte man annehmen, sie dürften von der Herkunftslandbehörde nicht erfragt werden. Wäre das der Fall, wäre die Zulässigkeitsprüfung weitgehend überflüssig. Überzeugender erscheint daher, dass Vermittler zwar nicht verpflichtet sind, ausführliche Geschäftspläne einzureichen, die Herkunftslandbehörden aber zu prüfen haben, ob die zu errichtende Niederlassung die organisatorischen An‑ forderungen des Art. 10 IDD erfüllt. Die Zulässigkeitsprüfung beruht nämlich darauf, dass Aufnahmestaaten durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerken‑ nung und das Prinzip des Europäischen Passes gehindert sind, vor Errichtung einer Niederlassung in ihrem Staat die Kenntnisse und Fertigkeiten der Ver‑ mittler und die organisatorische Struktur des Betriebs zu prüfen. Diese Aufgabe nimmt der Herkunftsmitgliedstaat im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 IDD wahr. Um die Angemessenheit der Organisationsstruktur prüfen zu können, wird die Her‑ kunftslandbehörde daher insbesondere Nachweise über die Qualifikation der in der Niederlassung verantwortlichen Personen verlangen können. Diese müs‑ sen jedenfalls grundlegende Kenntnisse über den Versicherungsmarkt im Auf‑ nahmemitgliedstaat haben. Wenngleich die Anforderungen je nach Vermittler‑ kategorie und zu vermittelnden Produkten variieren können,136 muss generell erkennbar sein, dass die Niederlassung die einschlägigen Wohlverhaltensregeln einhalten kann. Das steht im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 IDD, der verlangt, dass Vermittler und Angestellte über die angemessenen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, die sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben, d. h. auch zum Betrieb der Niederlassung, benötigen. Art. 10 IDD widerspräche es, wenn 134  Art. 6 Abs. 1 lit. e des Vorschlags der Kommission, COM(2012) 360 final; ähnlich auch die Vorgabe im Versicherungsaufsichtsrecht in Art. 145 Abs. 2 lit. b Solvency II‑RL. 135  Vgl. insb. Art. 6 Abs. 1 lit. i des dritten Kompromissvorschlags des Rates vom 8.9.2014, Ratsdokument Nr. 12961/14. 136  Vgl. Art. 6 Abs. 2 IDD: „unter Berücksichtigung der beabsichtigten Vertriebstätigkeit“.

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der Herkunftsstaat Vermittlern den Aufbau einer Niederlassung ermöglicht, in der niemand Kenntnisse vom Versicherungsmarkt im Aufnahmestaat hat. Für die Niederlassung verantwortliche Personen müssen darüber hinaus zu‑ verlässig i. S. d. Art. 10 Abs. 3 IDD sein. Ebenso müsste die Herkunftslandbehör‑ de berücksichtigen, wenn sie von finanziellen Schwierigkeiten des Vermittlers Kenntnis hat. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an die Zulässigkeitsprü‑ fung nicht überspannt werden. Das gilt vor allem, weil die Maßstäbe des Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 IDD zwar an die Begriffe der Versicherungs-Richtlinien an‑ gelehnt sind,137 für Versicherungsunternehmen aber auch andere Anforderun‑ gen an die organisatorische und finanzielle Ausstattung zu stellen sind. Kommt die Herkunftslandbehörde zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben rechtlich unzulässig ist, übermittelt sie die Angaben des Vermittlers nicht an den Aufnahmemitgliedstaat. Sie teilt ihm spätestens einen Monat nach Eingang der Angaben die Gründe für die Ablehnung mit, damit er einen Rechtsbehelf bei den Gerichten seines Herkunftsmitgliedstaats einlegen kann (Art. 6 Abs. 3 IDD). Geht man wie hier davon aus, dass zur Prüfung der Organisationsstruk‑ tur der Niederlassung die Angaben des Art. 6 Abs. 1 IDD nicht ausreichen, darf die Behörde weitere Informationen anfordern, um Zweifel auszuräumen. Macht ein Vermittler keine Angaben, hat die Herkunftslandbehörde Anlass, an der Zu‑ lässigkeit des Vorhabens zu zweifeln. Bei rechtlicher Zulässigkeit des Vorhabens im Niederlassungsverkehr sowie generell beim Dienstleistungsverkehr, bei dem keine Zulässigkeitsprüfung statt‑ findet, muss die Herkunftslandbehörde die Angaben des Vermittlers innerhalb eines Monats nach deren Eingang an den Aufnahmestaat übermitteln.138 Die‑ ser bestätigt den Eingang und teilt gegebenenfalls die Vorschriften zum Schutz des nationalen Allgemeininteresses mit. Bei der Dienstleistungsfreiheit darf der Vermittler die Tätigkeit aufnehmen, wenn seine Behörde ihn darüber infor‑ miert hat, dass die Angaben bei der Behörde des Aufnahmestaats eingegangen sind (Art. 4 Abs. 2 S. 2 IDD). Bei der Niederlassungsfreiheit muss der Vermitt‑ ler grundsätzlich warten, bis seine Herkunftslandbehörde die von der Aufnah‑ mestaatenbehörde benannten Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses mitteilt. Erfolgt innerhalb eines Monats nach Eingang der Angaben im Auf‑ nahmestaat keine derartige Mitteilung, darf die Niederlassung ihren Geschäfts‑ betrieb aufnehmen (Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 IDD).

137  Vgl. die deutliche Ähnlichkeit zu Art. 10 Abs. 3 der RL 73/239/EWG i. d. F. durch RL 92/49/EWG, der ebenfalls von einer angemessenen „Verwaltungsstruktur“ spricht. Absatz 2 der Vorschrift sah dementsprechend aber auch vor, dass das Unternehmen „einen Tätigkeits‑ plan, in dem insbesondere die Art der vorgesehenen Geschäfte und die Organisationsstruktur der Zweigniederlassung angegeben sind“, vorlegen muss. 138  Art. 4 Abs. 2 S. 1 sowie Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 IDD.



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Wenngleich das Zusammenspiel der Behörden zunächst kompliziert wirkt,139 hat das Notifikationsverfahren für Vermittler den entscheidenden Vorteil, dass sie sich nur an die Behörde ihres Herkunftslands wenden müssen. Hierbei kön‑ nen sie auf Formulare von EIOPA zurückgreifen.140 Bei der Dienstleistungsfrei‑ heit kommt es durch den Wegfall141 der Zulässigkeitsprüfung zudem zu einer deutlichen Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten. Etwas mehr als einen Monat nach Anzeige einer beabsichtigten Dienstleistungstätigkeit kön‑ nen Marktteilnehmer bereits Kunden in anderen Mitgliedstaaten betreuen.

bb)  Umsetzung im deutschen Recht Bei der Analyse des Notifikationsverfahrens im deutschen Recht ist zu diffe‑ renzieren zwischen der grenzüberschreitenden Tätigkeit deutscher Vermittler in anderen Mitgliedstaaten und ausländischer Vermittler in Deutschland.

(1)  Deutsche Vermittler im Ausland Nach § 11a Abs. 4 1. Alt. GewO müssen in Deutschland registrierte Vermittler der zuständigen IHK ihre Absicht zur Aufnahme einer grenzüberschreitenden Tätigkeit mitteilen. Bei Errichtung einer Niederlassung müssen sie zusätzlich deren Anschrift und ihren Vertreter angeben.142 Die IHK teilt der ausländischen Behörde dann über den DIHK als gemeinsame Stelle i. S. d. § 11a Abs. 6 S. 2 GewO innerhalb eines Monats143 die Absicht des Vermittlers und die notwen‑ digen Angaben mit (§ 11a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 GewO). Die Entscheidung über diese Mitteilung steht nach dem Wortlaut der Norm nicht im Ermessen der IHK. Der Vermittler hätte daher einen gebundenen Anspruch auf Mitteilung der be‑ 139  Vgl. krit. Abram, NVersZ 2001, 49 (53); Müller, ZfV 2003, 98 (105). Dass der Nut‑ zen demgegenüber gering ist, leuchtet nicht ein. Für eine erneute Eintragung im Aufnahme‑ mitgliedstaat zu sorgen und dort andere Eintragungsvoraussetzungen zu erfüllen, ist deutlich komplizierter. Auch darf das Interesse eines Aufnahmemitgliedstaats an Informationen über in seinem Land tätige Vermittler nicht unberücksichtigt bleiben. 140  Siehe Annex II‑A und II‑B zum Luxemburger Protokoll (abrufbar unter ). 141  Im Luxemburger Protokoll zur VermRL war noch eine Zulässigkeitsprüfung durch die Herkunftslandbehörde vorgesehen, vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1, S. 11. 142  § 8 S. 1 Nr. 5 i. V. m. § 9 Abs. 1 VersVermV. Will der Vermittler nach seiner Eintragung eine Niederlassung aufbauen, würde § 9 Abs. 1 S. 2 VersVermV die Mitteilung unverzüglich nach Änderung der Angaben verlangen. In richtlinienkonformer Auslegung sind die Angaben jedoch vor Einrichtung der Niederlassung mitzuteilen (Art. 6 Abs. 1 IDD). Die Mitteilung der übrigen Angaben des Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 IDD erscheint nicht notwendig, da sie oh‑ nehin im Register gespeichert sind. 143  Die Zeitvorgabe wurde in Deutschland nicht umgesetzt. Sie ist entweder richtlinien‑ konform hineinzulesen oder über § 8d Abs. 1 Landes-VwVfG anzuwenden (zu Letzterem so‑ gleich näher). Hält man das nicht für möglich, hätten die Art. 4 Abs. 2; 6 Abs. 2 IDD unmit‑ telbare Wirkung zugunsten der Vermittler (dafür Will, in: BeckOK‑GewO, § 11a [1.6.2019] Rn. 40).

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absichtigten Tätigkeit an die ausländische Behörde.144 Für den Dienstleistungsverkehr steht das im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 IDD. Übermitteln die deutschen Behörden die Angaben nicht, kann der Vermittler den Anspruch mit der all‑ gemeinen Leistungsklage durchsetzen. Die Mitteilung ist ein Realakt, da sie keine regelnde Entscheidung beinhaltet. Klagegegner ist die zuständige IHK, da diese die Pflicht zur Übermittlung trifft. Auch beim Niederlassungsverkehr gewährt § 11a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 GewO Vermittlern seinem Wortlaut nach einen gebundenen Anspruch auf Mitteilung der beabsichtigten Tätigkeit. Eine Prüfung der Organisationsstruktur oder der finanziellen Verhältnisse i. S. d. Art. 6 Abs. 2 IDD sieht die Norm nicht vor. Die Zulässigkeitsprüfung lässt sich daher nur über § 8d Abs. 1 S. 1 Landes-VwVfG in das deutsche Gewerberecht integrieren. Danach übermitteln deutsche Be‑ hörden ausländischen Stellen Informationen nur, soweit dies nach Maßgabe von Rechtsakten der EU geboten ist. Wenngleich diese allgemeine Regelung grundsätzlich von § 11a GewO verdrängt wird, kann auf die lex generalis zur Europäischen Verwaltungszusammenarbeit zurückgegriffen werden, soweit in Spezialgesetzen Regelungslücken bestehen.145 Hiervon ist bei § 11a GewO aus‑ zugehen, da der Gesetzgeber die Norm im Zuge der IDD‑Umsetzung angepasst hat, um Art. 4 Abs. 2 IDD umzusetzen,146 dabei aber anscheinend Art. 6 Abs. 2 IDD übersehen hat. Die dort vorgesehene Zulässigkeitsprüfung ist somit über den Verweis in § 8d Abs. 1 Landes-VwVfG anwendbar. Ob sie in der Praxis angesichts der fehlenden Regelung in § 11a GewO durchgeführt wird, ist un‑ gewiss. Aufgrund der Zulässigkeitsprüfung beinhalten die Mitteilung der beabsich‑ tigten Niederlassungstätigkeit an den Aufnahmemitgliedstaat und die Informa‑ tion an den Vermittler durch die IHK eine regelnde Entscheidung, die dem Ver‑ mittler die Tätigkeit im Ausland erlaubt bzw. jedenfalls die Zulässigkeit des Vorhabens feststellt.147 Es handelt sich also um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 Landes-VwVfG, der mit Zugang der Information beim Vermittler wirksam wird.148 Hält die IHK das Vorhaben für unzulässig bzw. bleibt sie un‑ tätig, wäre als Rechtsbehelf i. S. d. Art. 6 Abs. 3 IDD daher die Verpflichtungs‑ klage gem. § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft.149 144  145 

Ebenso zur a. F. Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 11a Rn. 29. Ebenso allg. Lenders/Paplocki, NWVBl. 2010, 87 (89). 146  Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 34. 147  Vgl. im Versicherungsaufsichtsrecht entsprechend die Diskussion, ob es sich um eine „Untererlaubnis“ oder um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt (hierzu Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 58 Rn. 35; Präve, in: Prölss/Dreher, VAG, § 60 Rn. 24). 148  Vgl. entsprechend zu § 58 VAG Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 58 Rn. 36. 149 Vgl. entsprechend zum Versicherungsaufsichtsrecht Begr. RegE BT‑Drs. 12/6959, S. 66, wo für den Fall der Untätigkeitsklage auf § 75 VwGO verwiesen wird.



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Erfolgt eine Mitteilung des DIHK an die ausländische Behörde, sollen die IHKs die Vermittler nach § 11a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 GewO über diese Mittei‑ lung informieren. Auch das ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die IHKs warten, bis die Behörde des Aufnahmestaats den Eingang der Angaben bestätigt. Der Vermittler wird sodann über diesen Zugang im Aufnahmestaat informiert.150 Ob der Vermittler die Wartefrist des Art. 6 Abs. 2 IDD einhalten muss, legt der Aufnahmestaat fest. Wird ein deutscher Vermittler im Ausland ohne Einhaltung des Notifikati‑ onsverfahrens tätig, können die IHKs die Tätigkeit mangels Sonderregelung in der GewO lediglich auf Basis des allgemeinen Ordnungsrechts (in NRW § 14 Abs. 1 OBG) vorläufig untersagen. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. VersVermV i. V. m. § 144 Abs. 2 Nr. 1b GewO stellt das Nichtanzeigen einer beabsichtig‑ ten Auslandstätigkeit darüber hinaus mittlerweile eine Ordnungswidrigkeit dar.

(2)  Ausländische Vermittler in Deutschland Die Tätigkeit ausländischer Vermittler in Deutschland wird von § 11a Abs. 4 und 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 GewO nicht erfasst.151 § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GewO er‑ möglicht ihnen lediglich die Aufnahme der Geschäftstätigkeit ohne erneute Er‑ laubnis oder Eintragung. Es fehlen hingegen den §§ 61, 331 Abs. 1 Nr. 2 VAG vergleichbare Regelungen, die die Inlandstätigkeit von der Einhaltung des No‑ tifikationsverfahrens abhängig machen. Nach den Bestimmungen der §§ 11a und 34d GewO dürften ausländische Vermittler also auch ohne das Mitteilungs‑ verfahren in Deutschland tätig werden. Das ist offensichtlich nicht gewollt152 und wird regelmäßig schon dadurch verhindert, dass der Herkunftsmitglied‑ staat seine Vermittler verpflichtet, das Notifikationsverfahren einzuhalten. Wer‑ den sie rechtswidrig in Deutschland tätig, muss der Herkunftsstaat nach Art. 5 Abs. 1 bzw. Art. 8 Abs. 2 IDD einschreiten. Problematisch wäre lediglich, wenn er untätig bliebe oder die Maßnahmen nicht ausreichen würden. In einem solchen Fall dürften deutsche Behörden ge‑ eignete Maßnahmen ergreifen und dem Vermittler die Tätigkeit verbieten.153 Im deutschen Recht ist die Pflicht zur Einhaltung des Notifikationsverfahrens für ausländische Vermittler allerdings nicht verankert. Man müsste daher § 34d Abs. 7 GewO teleologisch reduzieren oder § 11a Abs. 4 und 6 S. 1 Nr. 3 GewO entsprechend auf ausländische Vermittler anwenden. Aus der Gesamtschau die‑ ser Bestimmungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch EU-ausländische 150 

Art. 4 Abs. 2 S. 2; 6 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 IDD. § 11a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 GewO knüpft explizit an Absatz 4 an, der auf Eintragungs‑ pflichtige i. S. d. § 34d Abs. 10 S. 1 GewO, d. h. in Deutschland Registrierte, abstellt. 152  Vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 16, wo die Bundesregierung explizit auf das spä‑ ter im Luxemburger Protokoll näher ausgestaltete Mitteilungsverfahren verwies. Siehe auch die explizite Regelung für Immobiliendarlehensvermittler in § 34i Abs. 4 S. 2 GewO. 153  Siehe Art. 5 Abs. 1 UAbs. 3 und Abs. 2 bzw. Art. 8 Abs. 3 und 4 IDD. 151 

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Vermittler nur unter der Bedingung des Notifikationsverfahrens im Inland tätig werden lassen möchte. Eine nicht notifizierte grenzüberschreitende Tätigkeit könnte dann unter Anwendung des allgemeinen Ordnungsrechts der Länder vorläufig untersagt werden. Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber das Notifikationsverfahren so kurz wie möglich regeln wollte, dabei aber nicht sämtliche Vorgaben richtlini‑ enkonform umgesetzt hat. Überzeugender und ebenso kurz wäre ein Verweis auf die Art. 4 und 6 IDD gewesen.

c)  Sachkundenachweise und Fortbildungsverpflichtungen im grenzüberschreitenden Verkehr Zur Aufnahme der grenzüberschreitenden Tätigkeit müssen Vermittler nur das Notifikationsverfahren einhalten, nicht aber die im Aufnahmestaat geltenden Sachkundenachweise erbringen. Die Gefahr unqualifizierter Dienstleistungen wird jedoch dadurch begrenzt, dass die Herkunftslandbehörde bei einer be‑ absichtigten Niederlassungstätigkeit eine Zulässigkeitsprüfung durchführt und dabei prüfen kann, ob Mitarbeiter der Niederlassung über angemessene Kennt‑ nisse i. S. d. Art. 10 Abs. 1 IDD verfügen. Darüber hinaus sollte der Herkunfts‑ mitgliedstaat generell bei der Überwachung der Fortbildungsverpflichtung des Art. 10 Abs. 2 IDD die Dienstleistungs- bzw. Niederlassungstätigkeit berück‑ sichtigen. So sollten Mitarbeiter der Niederlassung an Fortbildungen im Auf‑ nahmestaat teilnehmen (können).154 Auch bei Vermittlern im Dienstleistungs‑ verkehr sollte – entsprechend der Art der vermittelten Produkte sowie der Kategorie der Vertreiber – dafür gesorgt werden, dass bei der Fortbildung die Auslandstätigkeit berücksichtigt wird. In beiden Fällen sollten die Behörden der betroffenen Staaten kooperieren. Eine entsprechend flexible Handhabung ist auch unter § 7 VersVermV mög‑ lich. Dessen Absatz 1 Satz 2 fordert, dass Weiterbildungsmaßnahmen den An‑ forderungen der ausgeübten Tätigkeit des zur Weiterbildung Verpflichteten ent‑ sprechen. Soweit Vermittler oder ihre Mitarbeiter grenzüberschreitend tätig sind, beinhaltet das die Möglichkeit, an Fortbildungsveranstaltungen auslän‑ discher Anbieter teilzunehmen. Sind diese von der dortigen Vermittleraufsicht anerkannt und entsprechen sie im Wesentlichen den Vorgaben des § 7 Abs. 1 S. 5 und 6 VersVermV, sollten sie ebenso in Deutschland als ausreichend angesehen werden.

154  Handelt es sich bei der Niederlassung um eine Hauptniederlassung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 IDD, können der Herkunfts- und Aufnahmestaat nach Art. 7 Abs. 1 IDD zudem verein‑ baren, dass letzterer generell für die Überwachung der Fortbildung zuständig ist.



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d)  Bindung an Vermittlerkategorien? Oder: Versicherungsberatung durch agents généraux? Soweit Mitgliedstaaten Berufszulassungen nur für bestimmte Vermittlerkatego‑ rien erteilen,155 stellt sich die Frage, inwieweit diese Beschränkungen im grenz‑ überschreitenden Verkehr gelten. Als Beispiel mag ein deutscher Versiche‑ rungsvertreter dienen, der in Frankreich tätig werden möchte. Dort können sich Vermittler zugleich als Vertreter (agent général) und Makler (courtier) eintra‑ gen lassen, während sich der Deutsche für eine Kategorie entscheiden musste. Kann er nun im Ausland wie ein Makler agieren? Oder umgekehrt: Muss sich ein englischer oder französischer Vermittler in Deutschland dafür entscheiden, nur als Makler oder Vertreter aufzutreten? Drei Lösungen kommen in Betracht: erstens eine Bindung des Vermittlers an die Kategorie seines Herkunftsstaats; zweitens eine Bindung an die des Aufnah‑ mestaats: Deutschland dürfte dann auch von einem ausländischen „Vermittler“ verlangen, als Makler, Vertreter oder Berater im Sinne des deutschen Rechts tätig zu werden.156 Drittens kommt – wie zuletzt häufiger vertreten – der voll‑ ständige Verlust jeglicher Kategorienbindung in Betracht, sodass beispielswei‑ se ein ausschließlich als agent général registrierter Franzose in Deutschland nach Belieben im Einzelfall als Makler oder Versicherungsberater tätig werden könnte.157

aa)  Vorgaben der IDD Die IDD enthält zu dieser Frage keine ausdrückliche Regelung, weil sie es den Mitgliedstaaten offenlässt, die Berufszulassung von der Entscheidung für eine Kategorie abhängig zu machen oder nur im Einzelfall Statustransparenz zu ver‑ langen.158 Die Absätze 1 lit. c der Art. 4 und 6 IDD sehen allerdings vor, dass ein Vermittler der Behörde seines Herkunftsmitgliedstaats seine Vermittlerkate‑ gorie mitteilt und bei entsprechender Bindung auch den Namen des vertrete‑ nen Versicherers. Diese Angaben werden an die Behörden eines Aufnahmemit‑ gliedstaats übermittelt. Sie wären sinnlos, wäre nicht das Herkunftslandrecht 155  Dazu ausf. 156 Dafür aus

S. 15 ff. Sicht des deutschen Rechts Cornelissen, Erlaubnis, S. 17 f.; wohl auch Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 222. 157 So Stellungnahme der IGVM zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umset‑ zung der IDD, VIIB3 – 12 03 63/6, S. 6 (abrufbar unter ). Ähnlich VG Potsdam, Urt. v. 10.3.2015, VG 3 K 2738/13, GewArch 2015, 318 ff. und OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.3.2017, OVG 1 N 41.15, BeckRS 2017, 106878 Rn. 16. In dem Verfahren argumentierte die Klägerin, ein aus‑ ländischer gebundener Versicherungsvertreter könne in Deutschland als Versicherungsberater tätig werden. Weder das VG noch das OVG zweifeln hieran, sondern halten eine derartige In‑ länderdiskriminierung für zulässig. 158  Vgl. ausf. S. 14.

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maßgeblich dafür, in welcher Kategorie der Vermittler tätig werden darf. Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 IDD sprechen somit bereits dafür, dass ein Vermittler die Kategorienbindung seines Herkunftslands ins Ausland „mitnimmt“. Hiergegen könnte sprechen, dass er im Aufnahmemitgliedstaat „diskrimi‑ niert“ wird, soweit Vermittler dort bei der Berufszulassung nicht an eine Ka‑ tegorie gebunden sind. Umgekehrt mag der Aufnahmemitgliedstaat auch ein Interesse daran haben, seine Kategorien auf ausländische Vermittler anzuwen‑ den, wenn er eine Berufsausübung nur in bestimmten Formen zulässt. Das gilt vor allem, soweit Kunden anhand einer Berufsbezeichnung erkennen sollen, um welchen Vermittlertyp es sich handelt. Würden ausländische Vermittler mit ihrer heimischen Berufsbezeichnung tätig, könnte dies für Verwirrung sorgen. Freilich dürfte die Anwendung der Kategorien des Aufnahmemitgliedstaats nicht dazu führen, dass Vermittler sich erneut eintragen lassen müssen. Gegen die Maßgeblichkeit des Aufnahmestaatenrechts spricht allerdings, dass die IDD grenzüberschreitende Aktivitäten auf Basis des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung zulässt.159 Wenn der Aufnahmemitgliedstaat die Zulassungsentscheidung des Herkunftsmitgliedstaats anerkennt und dem Ver‑ mittler auf dieser Basis eine Inlandstätigkeit erlaubt, darf er ihn auch auf die be‑ grenzte Reichweite seiner Zulassung verweisen. Das ist vor allem in den Fällen sinnvoll, in denen der Herkunftsmitgliedstaat die Anforderungen an Kenntnisse und Fertigkeiten des Vermittlers an die begrenzte Tätigkeit (z. B. für nur einen Versicherer) anpasst.160 Soweit der Vermittler dadurch anders als im Aufnah‑ mestaat Registrierte stärker an eine Kategorie gebunden wird, liegt auch keine europarechtlich unzulässige Diskriminierung vor. Eine solche setzt eine unglei‑ che Behandlung durch denselben Hoheitsträger voraus.161 Die unterschiedliche Reichweite der Zulassungen in- und ausländischer Vermittler im Aufnahme‑ staat folgt hier aber nur daraus, dass nicht alle Mitgliedstaaten von der Möglich‑ keit Gebrauch gemacht haben, die Aufnahme der Tätigkeit nur in bestimmten Kategorien zu gestatten. Dass Vermittler dadurch anders reguliert werden als ihre Kollegen des Aufnahmestaats, ist nach der IDD nicht verboten, sondern ergibt sich beispielsweise auch dann, wenn der Herkunftsmitgliedstaat über die Vorgaben zur Fortbildungsverpflichtung des Art. 10 Abs. 2 IDD hinausgeht. Aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ergibt sich also, dass Begrenzungen der Zulassungsentscheidung im Herkunftsstaat im grenzüber‑ 159 

Dazu S. 63. Vgl. dazu Art. 10 Abs. 2 UAbs. 4 IDD. Will der Vermittler im Aufnahmestaat unabhän‑ giger auftreten, muss er die nach seinem Herkunftslandrecht ggf. strengeren Sachkundenach‑ weise für eine derartige Tätigkeit erbringen und eine Erlaubnis für die entsprechende Kate‑ gorie erhalten. Da der Aufnahmestaat für die Zulassung und die Vorgaben der beruflichen Anforderungen (Art. 10 IDD) nicht zuständig ist, kann sein Recht diesbezüglich nicht ange‑ wendet werden. 161  Vgl. nur v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 18 AEUV (September 2010) Rn. 9. 160 



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schreitenden Verkehr grundsätzlich nicht ihre Wirkung verlieren.162 Für eine weitergehende Wirkung der Erlaubnis im Aufnahmestaat gibt die IDD nichts her. Es gilt somit grundsätzlich das Recht des Herkunftsmitgliedstaats für die Frage, in welcher Kategorie ein Vermittler tätig werden darf. Von diesem Er‑ gebnis geht man ohne weitere Diskussion auch in England163 und Frankreich164 aus. Ein ausschließlich als agent général registrierter Franzose kann somit in Deutschland nicht wie ein unabhängiger Versicherungsberater tätig werden, sondern bleibt an die französische Kategorie gebunden. Eine andere Frage ist, ob der Aufnahmestaat zum Schutz des nationalen All‑ gemeininteresses165 verlangen kann, dass ausländische Vermittler unter einer im Aufnahmestaat üblichen Berufsbezeichnung auftreten. Soweit ersichtlich, hat jedenfalls bei Umsetzung der VermRL kein Mitgliedstaat eine solche Re‑ gelung eingeführt. Finnland verlangte lediglich, dass Vermittler, die unter einer dem finnischen Recht unbekannten Bezeichnung tätig werden, Kunden mittei‑ len, welche Leistungen sie erbringen und inwieweit sie an Versicherungsunter‑ nehmen gebunden sind.166 Diese Angaben sind mittlerweile nach Art. 18 IDD verpflichtend. In Anbetracht der dadurch erreichten Transparenz erscheint es schwer vorstellbar, dass Kunden einen weitergehenden Schutz benötigen. Häu‑ fig können sie die Kategorien schon im nationalen Recht nicht auseinander‑ halten. Zudem wäre es für ausländische Vermittler schwierig, sich einer Be‑ rufsbezeichnung des Aufnahmestaats zuzuordnen, wenn die Berufsbilder nicht vergleichbar sind. Insofern sorgen die Mindestvorgaben des Art. 18 IDD sogar für eine stärkere Transparenz. Den Kunden wird danach nicht nur eine Katego‑ rie, sondern explizit mitgeteilt, inwieweit Vermittler an Versicherer gebunden sind. Eine Regelung, nach der Vermittler im Aufnahmestaat nur unter einer dort üblichen Berufsbezeichnung auftreten dürfen, ist daher im Regelfall nicht er‑ forderlich.167 162  Freilich dürfte der Aufnahmemitgliedstaat über die Anerkennung der ausländischen Zulassung hinausgehen und die Kategorienbindung „aufheben“. 163  Vgl. Financial Services and Markets Act 2000, schedule 3, par. 15, subpar. 2: „The per‑ mission [to carry a regulated activity on through a branch or by providing services] is to be treated as being on terms equivalent to those appearing from the consent notice, regulator’s notice or notice of intention“. Bei der Mitteilung (notice) gibt der Vermittler die Kategorie sei‑ nes Herkunftsstaats an. 164  Vgl. Art. R. 511-2, I C. ass., wo ausländische Vermittler in Nummer 6 eine eigene Kate‑ gorie bilden. Vgl. auch Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 233 (S. 161), wonach sie zu Informationszwecken im französischen Register ohne Angabe einer Kategorie eingetragen werden, da sich die Kategorien in den Mitgliedstaaten erheblich unterscheiden. Bigot hält die französischen Kategorien also nicht für maßgeblich. 165  Vgl. Art. 11 Abs. 1 IDD sowie ausf. S. 97 ff. 166  Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-09/07 – Annex 3, S. 3. 167  Eine entsprechende privatrechtliche Aufklärungspflicht, die national und international zwingend wäre, müsste ebenfalls in verhältnismäßiger Weise zwingenden Gründen des All‑ gemeininteresses dienen (hierzu S. 276). Angesichts der detaillierten Angaben, die Art. 18 IDD

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Die Maßgeblichkeit des Herkunftslandrechts für die Kategorienbindung bedeutet freilich nicht, dass ein Vermittler sein „Berufsbild“ mit allen Be‑ rufsausübungsregeln „mitnimmt“. Die Art. 4 und 6 IDD sollen lediglich den Marktzugang koordinieren. Das bedeutet auf der einen Seite, dass ein Auf‑ nahmemitgliedstaat das Berufsbild eines ausländischen Vermittlers durch Vor‑ schriften zum Schutz des Allgemeininteresses in gewisser Weise „modifizieren“ kann, z. B. dadurch, dass er ein Provisionsverbot einführt und auch deutsche Makler nur gegen Honorar tätig werden dürfen. Auf der anderen Seite ist der Vermittler im Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr nicht zwingend an alle Vorschriften des Herkunftsmitgliedstaats gebunden, die für diese Vermitt‑ lerkategorie gelten. Beides ist später im Rahmen der laufenden Aufsicht zu un‑ tersuchen.

bb)  Umsetzung im deutschen Recht: Anwendung des Polarisationsprinzips auf ausländische Vermittler? Die Gewerbeordnung regelt nicht ausdrücklich, ob ausländische Vermittler in Deutschland nur als Vertreter, Makler oder Berater tätig werden dürfen. Da sie durch § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und Abs. 10 GewO lediglich von der Erlaubnisund Registrierungspflicht befreit werden, müssen sie jedenfalls gegenüber kei‑ ner deutschen Behörde angeben, unter welcher deutschen Berufsbezeichnung sie auftreten möchten. Cornelissen geht gleichwohl davon aus, dass auslän‑ dische Vermittler „an das materiellrechtliche Polarisierungsgebot gebunden“ seien, da der Gesetzgeber hiermit über das europäische Recht hinausgegangen sei.168 Damit lässt sich allerdings noch nicht begründen, dass der Gesetzgeber den internationalen Anwendungsbereich des „Polarisierungsgebots“ auf auslän‑ dische Vermittler erstrecken will. Hiergegen spricht schon, dass sich die über die IDD hinausgehenden Regelungen des § 34d Abs. 1–3 und 10 GewO aus‑ schließlich auf die Erlaubnis und Eintragung deutscher Vermittler beziehen. Aus diesem Grund ist auch dem Vorschlag Schönleiters169 zu widersprechen, ausländische Vermittler bei der zu Informationszwecken deklaratorischen Ein‑ tragung im deutschen Vermittlerregister170 einer deutschen Kategorie zuzuord‑ nen, die ihrem Tätigkeitsbild im Herkunftsstaat am nächsten kommt. Er schlägt vor, einen ausländischen Vermittler beispielsweise als Versicherungsberater ein‑ zutragen, wenn seine Tätigkeit der eines deutschen Beraters entspricht, „selbst wenn das Zuwendungsannahmeverbot in seinem Heimatland nicht gilt oder er sonstwie mit einem VU verbunden ist“. Wenn aber die wesentlichen Regelun‑ bereits vorsieht, erscheint eine darüber hinausgehende Aufklärungspflicht nur in seltenen Fäl‑ len erforderlich. 168  Cornelissen, Erlaubnis, S. 18. 169  In: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 25. 170  Dazu S. 56.



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gen, die Makler und Berater unterscheiden, nicht zum Berufsbild des auslän‑ dischen Vermittlers gehören, ist nicht ersichtlich, wie die Tätigkeitsbilder ver‑ gleichbar sein sollen. Eine Vergleichbarkeit ließe sich auch in den Fällen nicht feststellen, in denen Vermittler im Ausland sowohl als gebundene Vertreter als auch als Makler auftreten dürfen und z. B. nur im Bereich der Lebensversiche‑ rungen an einen Versicherer gebunden sind. Erkennt das deutsche Recht die ausländische Erlaubnis nach § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GewO an, bedürfte es schon wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer expliziten Regelung, um sie aus Gründen des Allgemeininteresses für die Tätig‑ keit im Inland zu beschränken. § 34d Abs. 7 S. 2 GewO lässt sich dafür nicht an‑ führen. Nach der Norm bedürfen auch im EU‑Ausland eingetragene Versiche‑ rungsberater keiner Erlaubnis in Deutschland. Bedeutung kann diese Regelung allenfalls erhalten, wenn andere Staaten ebenfalls zwischen Vermittlern und Beratern unterscheiden. Der Gesetzgeber scheint nicht hinreichend bedacht zu haben, dass ausländische Berufsbezeichnungen von den deutschen abweichen können und andere Länder die Figur des Versicherungsberaters nicht kennen. Erst recht lässt sich der Norm daher nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber allen ausländischen Vermittlern eine Tätigkeit „als“ Versicherungsberater erlau‑ ben will.171 Inwieweit ausländische Vermittler von den Sondervorschriften für Versicherungsberater profitieren, ist später zu untersuchen.172 Das deutsche Recht erkennt nach alledem (richtlinienkonform) die auslän‑ dische Erlaubnis in der Reichweite an, die ihr auch im Herkunftsmitgliedstaat zukommt.173 Wird sie dort generell für die Versicherungsvermittlung erteilt, be‑ schränkt sie sich auch in Deutschland nicht nur auf eine Tätigkeit als Makler oder Vertreter. Das Polarisierungsgebot des § 34d Abs. 1–3 GewO gilt somit nur für Vermittler, deren Herkunftsmitgliedstaat Deutschland ist. Sind Personen aus anderen Mitgliedstaaten bei der Berufszulassung nicht an bestimmte Ka‑ tegorien gebunden und werden sie grenzüberschreitend in Deutschland tätig, führt das zu einer Inländerdiskriminierung. Diese begegnet allerdings auch vor den Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG174 keinen Bedenken. Die Befugnis der Mit‑ gliedstaaten, Kategorien bereits bei der Berufszulassung einzuführen, und die 171  So aber die Interpretation des Wortlauts des entsprechenden Verweises in § 34e Abs. 2 GewO a. F. bei Reiff, VersR 2007, 717 (730); ders., in: FS Birk, S. 703 (710). Dazu ausf. S. 119 ff. Wenn § 34d Abs. 7 S. 2 GewO Satz 1 Nummer 2 entsprechend auf Versicherungs‑ berater anwenden will, ist die Norm wie folgt zu lesen: „Abweichend von Absatz 2 bedarf ein Versicherungsberater keiner Erlaubnis, wenn er 2. in einem anderen Mitgliedstaat […] nieder‑ gelassen ist […]“. Es muss sich daher nach ausländischem Recht bereits um einen „Versiche‑ rungsberater“ handeln. 172  Dazu S. 117 ff. 173  Ebenso implizit Stenger, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 11 VersVermV (März 2016) Rn. 10 sowie die französische und die englische Auffassung, siehe die Nachweise in Fn. 163 und 164. Vgl. auch § 34i Abs. 4 S. 1 GewO. 174  Ausf. zum Prüfungsmaßstab m. w. N. Riese/Noll, NVwZ 2007, 516 (520 f.).

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ausschließliche Bindung der Vermittler an die des Herkunftsmitgliedstaats sind durch die Richtlinie determiniert, sodass die Vorgaben nicht am Maßstab der nationalen Grundrechte zu messen sind.175 Selbst wenn man die Frage nicht für abschließend richtliniendeterminiert hielte, weil die Mitgliedstaaten nicht ver‑ pflichtet sind, bindende Vermittlerkategorien einzuführen, ließe sich die Un‑ gleichbehandlung rechtfertigen. Gewichtige sachliche Gründe176 für die deut‑ sche Regelung liegen zunächst darin, dass durch die Polarisierung eine erhöhte Statustransparenz erreicht wird.177 Kunden können bereits auf Basis der natio‑ nalen Berufsbezeichnung erkennen, mit welchem Vermittler sie es zu tun haben. Dass sie sich bei ausländischen Anbietern näher über deren Status informieren müssen, beruht darauf, dass der Gesetzgeber insoweit durch Europarecht ge‑ bunden war.178 Darüber hinaus erlaubt das Polarisierungsgebot, das historisch gewachsene Berufsbild des Versicherungsberaters zum Schutz der Verbraucher und zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtspflege zu erhalten.179

e)  Besonderheiten bei (gebundenen) Versicherungsvertretern Soweit ein Herkunftsmitgliedstaat einen Vermittler als gebundenen Versiche‑ rungsvertreter einträgt, bereiten grenzüberschreitende Sachverhalte weitere Schwierigkeiten. Nach Berichten aus der Praxis gehen ausländische Behörden zum Teil davon aus, dass diese Personen selbst nicht von den Vorschriften zum grenzüberschreitenden Verkehr erfasst werden. Allein das vertretene Versiche‑ rungsunternehmen sei verpflichtet, das Notifikationsverfahren der Solvency II‑RL einzuhalten. Das kann nicht überzeugen. Wenngleich auch ein Versiche‑ rer im Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsverkehr tätig wird, wenn seine Ver‑ treter Verträge vermitteln, die Risiken in anderen Mitgliedstaaten decken,180 175  Siehe nur BVerfG, Beschl. v. 15.12.2015, 2 BvR 2735/14, BVerfGE 140, 317 (334 f.) Rn. 36, 38. Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (374 ff.). Art. 15 und 20 EU‑GRCh sind nicht verletzt, da die IDD es den Mitgliedstaaten so ermöglicht, auf nationale Besonderheiten der Vermittlermärkte in angemessener Weise Rück‑ sicht zu nehmen. Haben sich Kunden dort an bestimmte Kategorien gewöhnt, soll die hierdurch gewährleistete Transparenz aufrechterhalten werden. Eine Bindung ausländischer Vermittler an die Kategorien des Aufnahmemitgliedstaats würde grenzüberschreitende Tätigkeiten un­ nötig erschweren, weil die historisch gewachsenen Kategorien nicht vergleichbar sein müssen. 176  Zum Maßstab siehe nur BVerwG, Urt. v. 31.8.2011, 8 C 9/10, BVerwGE 140, 276 (287 f.) Rn. 43 ff. 177 Vgl. ähnlich die Argumentation zum Schadensregulierungsverbot für deutsche Ver‑ sicherungsmakler bei Schlömer, Prämieninkasso, S. 123 f. 178  Zu diesem Rechtfertigungsgrund siehe BVerwG, Urt. v. 31.8.2011, 8 C 9/10, BVerwGE 140, 276 (287) Rn. 44; VG Potsdam, Urt. v. 10.3.2015, 3 K 2738/13, GewArch 2015, 318 (320). Über die Informationen des Art. 18 IDD wird eine vergleichbare Transparenz her‑ gestellt. Zu privatrechtlichen Aufklärungspflichten siehe Fn. 167. 179  VG Potsdam, Urt. v. 10.3.2015, 3 K 2738/13, GewArch 2015, 318 (320), allerdings auf Basis der Rechtsauffassung der Klägerin, dass ein im Ausland als gebundener Versicherungs‑ vertreter eingetragener Vermittler in Deutschland „als“ Versicherungsberater auftreten kann. 180  Gebundene Einfirmenvertreter, die sich dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat nie‑



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werden auch die Vertreter selbst als selbständige Versicherungsvermittler i. S. d. IDD von den Art. 4 ff. erfasst, sodass auch sie das Notifikationsverfahren ein‑ halten müssen.181 Problematisch ist ferner, ob ein Vertreter, der im Herkunftsstaat ausschließ‑ lich einen bestimmten Versicherer vertritt, im Aufnahmestaat einen anderen Versicherer vertreten kann. Die Frage ist vor allem bedeutsam, wenn der Ver‑ sicherer des Herkunftsstaats nicht grenzüberschreitend tätig werden möchte. Die Kommission vertrat auf Anfrage einer nationalen Behörde die Ansicht, dass der Vertreter grundsätzlich für den ausländischen Versicherer tätig werden kön‑ ne.182 Sie übersieht dabei, dass gebundene Vertreter im Herkunftsmitgliedstaat häufig nur die Erlaubnis haben, für ein bestimmtes Versicherungsunternehmen tätig zu werden. Entsprechend den obigen Ausführungen zur Bindung an Ver‑ mittlerkategorien ist ein solcher Vermittler auch im grenzüberschreitenden Ver‑ kehr an diese begrenzte Wirkung der Erlaubnis gebunden.183 Für deutsche Ver‑ sicherungsvertreter hat das vor allem im Rahmen des § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 1 GewO Bedeutung. Hiernach darf der Einfirmen- bzw. unechte Mehrfachver‑ treter seine Tätigkeit ohne Erlaubnis nur für einen oder mehrere Versicherer ausüben, die in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugt sind und deren Pro‑ dukte nicht in Konkurrenz stehen. Er könnte daher im Aufnahmestaat nicht für einen ausländischen Versicherer tätig werden, der in Deutschland nicht zum Geschäftsbetrieb befugt ist oder dessen Produkte mit denen des deutschen Ver‑ sicherers in Konkurrenz stehen. Hierfür bedürfte der Vertreter einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO. Dass ausländische Versicherer nach § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 1 GewO in Deutsch‑ land zum Geschäftsbetrieb befugt sein müssen, lässt sich damit rechtfertigen, dass sie nach § 48 Abs. 2 i. V. m. § 62 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VAG die ausreichende Qualifikation des Vertreters sicherstellen und dementsprechend der Aufsicht der BaFin unterliegen müssen. Ob sie im Dienstleistungs- oder Niederlassungsver‑ kehr tätig sind, ist nach diesen Normen unerheblich,184 wenngleich die ständige derlassen, können als Niederlassung eines Versicherers anzusehen sein (zu den Vorausset‑ zungen Kommission, ABl. C 43 v. 16.2.2000, S. 5 [10 f.]; Pohlmann, in: Kaulbach/Bähr/Pohl‑ mann, VAG, § 57 Rn. 15 ff.). Zweifelhaft daher CEIOPS, CEIOPS‑DOC-19/09, S. 5, wo die Kommission nur auf den Dienstleistungsverkehr abstellt. 181  Vgl. auch CEIOPS, CEIOPS‑DOC-19/09, S. 8 f. Ebenso die FCA in einer Mitteilung vom 13.5.2015: „Passporting rights for appointed representatives or tied agents“ (). 182  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-19/09, S. 9. 183  Der Sinn dieser Bindung zeigt sich hier deutlich daran, dass der Herkunftsstaat die An‑ forderungen an die Kenntnisse und Fertigkeiten des Vermittlers herabsetzen kann, weil er nur die Produkte eines Versicherers vermittelt (Art. 10 Abs. 2 UAbs. 4 IDD). Die Erlaubnis soll dem Vermittler in diesen Fällen gerade nicht die Befugnis geben, auch für ausländische Ver‑ sicherer tätig zu werden. 184 A. A. zu § 110a VAG a. F. Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 207.

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physische Präsenz des Versicherungsvertreters in Deutschland regelmäßig eine Niederlassung des Versicherers begründet.185 Ist der ausländische Versicherer ausnahmsweise auch in Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugt und stehen die zu vermittelnden Produkte mit denen des deutschen Versicherers nicht in Konkurrenz186, kann der Vertreter weiterhin nach § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 1 GewO tätig werden. Der ausländische Versicherer muss allerdings ebenfalls die uneingeschränkte Haftung für die Vermittlertätigkeit übernehmen.187 Da die Haftung beider Versicherer, für die der Vertreter tätig ist, nach außen uneingeschränkt ist, sollten sich deutsche Versicherer gut überlegen, ob sie ihren Vermittlern eine derartige Tätigkeit erlauben.

3. Zwischenergebnis Alles in allem liegt der IDD bei der Zulassungsaufsicht ein Herkunftslandprin‑ zip zugrunde: Ob eine Person die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung auf‑ nehmen und ob sie in anderen Mitgliedstaaten tätig werden darf, bestimmt der Herkunftsmitgliedstaat anhand des dort geltenden Rechts. Ein Aufnahmemit‑ gliedstaat kann die Aufnahme der Tätigkeit in seinem Staat nicht von strengeren Vorgaben abhängig machen. Er wird lediglich im Rahmen des Notifikationsver‑ fahrens informiert.

II.  Modifiziertes Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip bei der laufenden Aufsicht Dass das Herkunftslandprinzip bei der Berufsausübung nicht vollkommen ver‑ wirklicht ist, zeigt sich schon daran, dass Vermittler nach Art. 4 Abs. 2 S. 3 und Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 IDD darüber informiert werden sollen, dass sie sich im Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr an strengeres Recht des Auf‑ nahmemitgliedstaats halten müssen. Die IDD weist diesem insoweit (auch) eine Regelungskompetenz zu. Bevor aber auf die Befugnis der Mitgliedstaaten ein‑ gegangen wird, strengeres nationales Aufsichtsrecht anzuwenden, soll im Fol‑ genden zunächst festgestellt werden, inwieweit die Mindestvorgaben der IDD, d. h. insbesondere die Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI, im grenz‑ 185  186 

Siehe hierzu bereits Fn. 180. So z. B., wenn beide Versicherer die konkreten Produkte jeweils nur an Versicherungs‑ nehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt in ihrem Staat vermitteln lassen. In diesem Fall erbringt der Vertreter keinen Produktvergleich (darauf abstellend auch Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 34d GewO Rn. 22). 187  So zu Recht die überwiegende Auffassung beim unechten Mehrfachvertreter, vgl. nur m. w. N. Schulze-Werner, in: Friauf, GewO, § 34d (Februar 2018) Rn. 166; Will, NVwZ 2015, 389 (391). Etwas anderes gilt nur, wenn der Vertreter in geringfügiger Weise im Rahmen einer sog. Ventillösung für den ausländischen Versicherer tätig wird (zu den Voraussetzungen BGH, Urt. v. 30.1.2014, I ZR 19/13, VersR 2014, 1002; krit. Will, NVwZ 2015, 389 ff.).



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überschreitenden Verkehr im Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaat angewen‑ det und durchgesetzt werden.

1.  Modifiziertes Herkunftslandprinzip bei Anwendung und Durchsetzung der IDD‑Mindestvorgaben im Aufsichtsrecht a)  Vorgaben der IDD: Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts des Herkunfts- und Aufnahmestaats Die zwingenden Mindestvorgaben der IDD müssen angesichts der Art. 5 ff. und 31 ff. in allen Mitgliedstaaten jedenfalls mit Mitteln des Aufsichtsrechts durch‑ setzbar sein.188 Zur Überwachung in grenzüberschreitenden Fällen berufen die Art. 5, 7 und 8 IDD zum Teil sowohl Behörden des Herkunfts- als auch (zum Teil subsidiär) solche des Aufnahmemitgliedstaats. Da Behörden in der Regel ihr eigenes nationales Umsetzungsrecht anwenden,189 gilt in diesen Fällen das – wegen des Gebots der einheitlichen, richtlinienkonformen Auslegung – inhalts‑ gleiche Aufsichtsrecht beider Staaten.

aa) Kooperationsverfahren bei der Dienstleistungsfreiheit Das zeigt sich besonders im Dienstleistungsverkehr. Nach Art. 5 IDD findet ein Kooperationsverfahren der zuständigen Behörden statt, wenn ein Vermitt‑ ler „gegen eine in dieser Richtlinie festgelegte Pflicht verstößt“. Gemeint sind die zwingenden Mindestvorgaben und nicht strengeres nationales Recht, selbst wenn es auf Basis der Flexibilitätsklauseln der IDD erlassen wurde.190 Vom Verfahren des Art. 5 sind daher folgende Pflichten umfasst: Art. 4, 10191, 17–21 und 23–30 IDD (mit Ausnahme von Art. 29 Abs. 3). Die Beratung zählt dabei nur insoweit zu den Mindestvorgaben, als sie nach Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD „erfolgt“, also geschuldet ist.192 Ist sie nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen nicht geschuldet, sondern nur, weil der Aufnahmemitgliedstaat von der Flexibi‑ litätsklausel des Art. 22 Abs. 3 IDD Gebrauch gemacht hat, fällt sie nicht unter Art. 5, sondern unter Art. 9. Beruht allerdings die Verletzung strengeren natio‑ nalen Rechts darauf, dass die Mindestvorgaben der IDD nicht eingehalten wur‑ 188 

Siehe hierzu S. 36 ff. Dazu allg. S. 49. Vgl. auch Art. 8 Abs. 1 IDD, der davon ausgeht, dass der Aufnahme‑ staat sein eigenes Recht anwendet. Der Herkunftsstaat könnte hinsichtlich der Durchsetzung der Mindestvorgaben im grenzüberschreitenden Verkehr freilich auch auf das ausländische Aufsichtsrecht verweisen. 190  Für diese Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses gilt Art. 9 IDD. 191 Vgl. entsprechend im Versicherungsaufsichtsrecht EuGH, Urt. v. 27.4.2017, Rs. C-​ 559/15, EuZW 2017, 606 ff., wonach das Kooperationsverfahren grundsätzlich auch dann greift, wenn der Aufnahmestaat Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit des Geschäftsfüh‑ rers hat. Entsprechendes gilt für Vermittler, die die Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 und 3 IDD nicht erfüllen. 192  Zu der Frage, wann das der Fall ist, siehe S. 29. 189 

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den, sollte das Kooperationsverfahren ebenfalls anwendbar sein. Denkbar ist das vor allem, wenn der Aufnahmestaat eine zwingende Beratungspflicht ein‑ führt. Verstößt ein Vermittler hiergegen, weil er schon die Wünsche und Bedürf‑ nisse der Kunden nicht ausreichend ermittelt, sollte Art. 5 IDD greifen. Der ei‑ genständige Gehalt der strengeren Beratungspflicht ist nämlich nicht berührt, wenn deren Verletzung bereits auf der Nichteinhaltung der IDD‑Vorgaben be‑ ruht. Art. 9 IDD gewährt den Behörden des Aufnahmestaats nur eine ausschließ‑ liche Kompetenz, weil sie mit ihrem nationalen Recht besser vertraut sind. Das ist nicht nötig, wenn Mindestvorgaben der IDD betroffen sind. Das Verfahren des Art. 5 läuft im Einzelnen wie folgt ab: Hat die Behör‑ de des Aufnahmemitgliedstaats Grund zu der Annahme, dass ein Vermittler eine der Mindestvorgaben nicht erfüllt, teilt sie dies der Herkunftslandbehör‑ de mit. Letztere soll die Informationen bewerten, geeignete Maßnahmen i. S. d. Art. 31 ff. IDD ergreifen und die Behörde des Aufnahmemitgliedstaats193 hierü‑ ber informieren. An die Einschätzung des Aufnahmestaats vom Vorliegen eines Rechtsverstoßes ist die Herkunftslandbehörde nicht gebunden. Zwar wird beim Kooperationsverfahren im Versicherungsaufsichtsrecht teilweise eine solche Bindung vertreten;194 dagegen spricht bei der IDD jedoch schon Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2, wonach die Herkunftslandbehörde eine „Bewertung“ der Informatio‑ nen und damit eine eigene Prüfung vornimmt. Das ist auch im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 EU‑GRCh195) erforderlich. Gegen die „Mitteilung“ der Aufnahmestaatenbehörde sieht die IDD nämlich keinen Rechtsschutz vor. Ergreift die Herkunftslandbehörde nun erstmals eine belastende Maßnahme mit Außenwirkung, muss diese vollständig gerichtlich überprüfbar sein. Art. 5 Abs. 1 UAbs. 3 IDD sieht eine subsidiäre Zuständigkeit des Aufnah‑ memitgliedstaats vor, wenn die Herkunftslandbehörde keine oder unzurei‑ chende Maßnahmen getroffen hat und der Vermittler weiterhin in einer Weise handelt, die „eindeutig den Interessen der Verbraucher196 im Aufnahmemit‑ gliedstaat in hohem Maße oder dem reibungslosen Funktionieren der Versiche‑ rungsmärkte schadet“. In diesen Fällen kann der Aufnahmemitgliedstaat selbst sämtliche Maßnahmen der Art. 31 ff. IDD treffen, als ultima ratio auch ein Tä‑ tigkeitsverbot erlassen. Art. 5 Abs. 2 IDD sieht dieselbe Befugnis im Eilfall vor. Ein solcher liegt nur vor, wenn die durch die Durchführung des Koope‑ rationsverfahrens entstehende Verzögerung zu einem Schaden im Inland führen 193  Die Übersetzung in Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 IDD ist fehlerhaft. In der englischen Fassung wird der richtige Begriff „host Member State“ verwendet. 194  Zens, Zusammenarbeit, S. 334 f.; a. A. wohl Bähr, Aufsichtssystem, S. 197. 195  Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 202 v. 7.6.2016, S. 389. 196  Der Begriff der Verbraucher sollte hier wie generell bei der IDD weit ausgelegt und mit „Kunde“ gleichgesetzt werden (allg. dazu S. 24). A. A. Gruber, ZFR 2016, 211 (212) Fn. 24. Da sämtliche in Bezug genommenen Pflichten ebenfalls Kunden betreffen, ist kein Grund er‑ sichtlich, hier eine engere Auslegung vorzunehmen.



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würde. Entsprechend dem grundsätzlichen Vorrang der Herkunftslandkontrolle erlaubt Art. 5 Abs. 2 IDD nur den Erlass vorläufiger Sicherungsmaßnahmen.197 Sämtliche Maßnahmen des Aufnahmestaats sind nach Absatz 3 dem Herkunfts‑ mitgliedstaat, EIOPA und der Kommission mitzuteilen. Dabei handelt es sich angesichts des Wortlauts („getroffene Maßnahme“) nicht um eine Rechtmäßig‑ keitsvoraussetzung für den Eingriff. Bei der Kontrolle der IDD‑Mindestvorgaben im Dienstleistungsverkehr ist insgesamt noch in erheblichem Maße das Ideal der Herkunftslandkontrolle ver‑ wirklicht.

bb)  Erweiterte Kompetenzen des Aufnahmestaats bei der Niederlassungsfreiheit Im Niederlassungsverkehr erweitern hingegen die Art. 7 und 8 IDD die primä‑ re Zuständigkeit der Behörden des Aufnahmemitgliedstaats. Nach Art. 7 Abs. 2 i. V. m. Art. 8 Abs. 1 IDD sind sie unmittelbar dafür zuständig zu kontrollie‑ ren, ob die Niederlassung die Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI ein‑ hält. Der Aufnahmestaat kann daher bei deren Verletzung unmittelbar Maßnah‑ men ergreifen. Diese müssen nach Art. 8 Abs. 5 IDD der Herkunftslandbehörde, EIOPA und der Kommission unverzüglich zur Kenntnis gebracht werden. Wie bei Art. 5 Abs. 3 IDD handelt es sich um keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Die Herkunftslandbehörde hingegen überprüft im Hinblick auf die Tätigkeit der Niederlassung nur die Art. 6 und 10 IDD, d. h. „Verpflichtungen, die den Geschäftsbetrieb insgesamt betreffen“198. Wird ein Vermittler diesen Vorgaben nicht gerecht, können Behörden eines Aufnahmemitgliedstaats nicht unmit‑ telbar Maßnahmen ergreifen, sondern müssen das Kooperationsverfahren des Art. 8 Abs. 2–4 IDD einhalten, das dem der Dienstleistungsfreiheit entspricht. Diese Zuständigkeitsverteilung kann nach Art. 7 Abs. 1 IDD modifiziert wer‑ den, wenn es sich bei der Niederlassung um eine Hauptniederlassung handelt, d. h. um den Ort, von dem aus die Geschäftstätigkeit hauptsächlich ausgeübt wird.199 In diesem Fall können die Behörden der beteiligten Staaten verein‑ baren, dass die Aufnahmelandbehörde in Bezug auf die Bestimmungen der Ka‑ pitel IV–VII so handelt, als ob sie die zuständige Behörde des Herkunftsmit‑ gliedstaats wäre. Hierdurch wird die Behörde des Aufnahmemitgliedstaats zum einen primär zuständig für die Kontrolle der beruflichen und organisatorischen Anforderungen des Art. 10 IDD, d. h. auch zur Sicherstellung der Fortbildungs‑ 197  So jetzt auch für die Versicherungsaufsicht EuGH, Urt. v. 27.4.2017, Rs. C-559/15, EuZW 2017, 606 (609) Rn. 52. Es kann sich z. B. um ein befristetes Tätigkeitsverbot handeln. 198  ErwG 22 S. 1 IDD. 199  Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 IDD. Nicht gemeint ist damit die Situation, dass der Vermittler sei‑ nen Wohn- bzw. Geschäftssitz generell wechselt. In diesem Fall kommt es wegen Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 IDD zu einem Wechsel des Herkunftsmitgliedstaats und der Vermittler muss sich erneut eintragen lassen (S. 66).

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

verpflichtung entsprechend dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats. Zum an‑ deren müssen ergriffene Maßnahmen bei Verstößen gegen Mindestvorgaben der IDD nicht mehr dem eigentlichen Herkunftsmitgliedstaat und EIOPA nach Art. 8 Abs. 5 IDD mitgeteilt werden. Die entsprechende behördliche Verein‑ barung ist nur in Bezug auf Einzelpersonen möglich. Sie stellt sicher, dass Ver‑ mittler sich nicht in einem Mitgliedstaat registrieren lassen, um geringere or‑ ganisatorische oder berufliche Anforderungen zu erfüllen als in dem Staat, von dem aus sie ihre Tätigkeit hauptsächlich ausüben. Die Eintragung des Vermitt‑ lers hat weiterhin bei der Herkunftslandbehörde zu erfolgen, die auch für die Streichung der Eintragung zuständig bleibt (Art. 3 Abs. 4 UAbs. 6 IDD).

b)  Umsetzung im deutschen Recht In Deutschland überwachen die IHKs gemeinsam mit den nach Landesrecht zu‑ ständigen Ordnungs(widrigkeiten)behörden die Einhaltung der zur Umsetzung der IDD erlassenen Vorschriften. Während die IHKs Meldungen über Verstö‑ ße gegen vereinheitlichte Wohlverhaltensregeln entgegennehmen, ergreifen die landesrechtlich zuständigen Behörden wie örtliche Ordnungsbehörden belasten‑ de präventive oder repressive Maßnahmen.200 Wann die zuständigen Behörden in grenzüberschreitenden Vermittlungsfällen eine Durchsetzungskompetenz be‑ sitzen, wurde im deutschen Recht nicht speziell geregelt. Als lex generalis sind daher die §§ 8a ff. Landes-VwVfG zur Europäischen Verwaltungszusammen‑ arbeit anwendbar, welche auf die einschlägigen europäischen Rechtsakte ver‑ weisen. Hierüber werden die Art. 5, 7 und 8 IDD hinsichtlich des Kooperati‑ onsverfahrens in deutsches Recht „inkorporiert“201 und unmittelbar anwendbar.

aa)  Überwachung deutscher Vermittler im Ausland Verletzt ein deutscher Vermittler im Auslandsverkehr Mindestvorgaben der IDD, wenden sich ausländische Stellen zum Teil im Rahmen des vereinheitlich‑ ten Verfahrens an deutsche Behörden,202 die nach § 8a Abs. 1 Landes-VwVfG Hilfe zu leisten haben. Beispielsweise könnte eine ausländische Behörde darum bitten, eine Anordnung zu erlassen, mit der dem Vermittler aufgegeben wird, eine rechtswidrige Verhaltensweise im Aufnahmemitgliedstaat einzustellen.203 Welche Maßnahmen die deutschen Behörden ergreifen können, bestimmt nach § 8a Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 Landes-VwVfG das deutsche Aufsichtsrecht.204 200  Siehe ausf. S. 38 ff. 201 Allg. Lenders/Paplocki,

NWVBl. 2010, 87 (88). Art. 5 Abs. 1 und 8 Abs. 2 IDD. Hierbei dürfte in der Praxis der DIHK als ge‑ meinsame Stelle i. S. d. § 11a Abs. 6 S. 2 GewO Informationen annehmen und weiterleiten. Ist der Vermittler über eine Niederlassung tätig, erfolgt keine Mitteilung, weil die ausländische Stelle nach Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Abs. 2 IDD überwiegend zuständig ist. 203  Vgl. Art. 33 Abs. 2 lit. b, Abs. 3 lit. a IDD. 204  Vgl. nur Riedel, in: BeckOK‑VwVfG, § 8a (1.4.2019) Rn. 38. Die Maßnahme der deut‑ 202  Siehe



B.  Vermittleraufsicht im Binnenmarkt

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Die deutschen Herkunftslandbehörden wenden somit das Umsetzungsrecht der GewO und der VersVermV an. Soweit diese Rechtsquellen Mindestvorgaben der IDD umsetzen und keine spezielle Ermächtigungsgrundlage zum präventi‑ ven Einschreiten enthalten, können die Behörden Anordnungen auf der Grund‑ lage der ordnungsrechtlichen Generalklauseln der Länder treffen.205 Örtlich zu‑ ständig wäre beispielsweise nach § 4 Abs. 1 OBG NRW die Ordnungsbehörde, in deren Bezirk die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Da hiernach bei Verstößen gegenüber ausländischen Kunden keine Zuständig‑ keit deutscher Behörden begründet würde, muss subsidiär auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW zurückgegriffen werden, wonach die Behörde zuständig ist, in deren Bezirk der Vermittler seinen Beruf ausübt, d. h. in dem er seinen deut‑ schen Geschäftssitz hat. Erfüllt der Pflichtenverstoß zugleich einen Ordnungswidrigkeitentatbestand, stellt sich die Frage, ob die zuständigen Behörden auch repressive Maßnahmen erlassen können. Die §§ 5 und 7 OWiG erlauben eine entsprechende Sanktionie‑ rung grundsätzlich nur, wenn der Vermittler in den Staatsgrenzen der BRD ge‑ handelt hat oder hätte handeln müssen. Hiervon abweichend begründet die eu‑ roparechtlich determinierte Verteilung von Durchsetzungskompetenzen in den Art. 5, 7 und 8 IDD allgemein eine Zuständigkeit der deutschen Herkunftsland‑ behörden, soweit dem Aufnahmemitgliedstaat keine Kompetenz zur Ahndung von Verstößen gegen Richtlinienvorgaben zusteht. Deutsche Behörden sind in‑ soweit auch zur Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten zuständig, die im Auslandsverkehr begangen wurden. Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Vermittler zur Zeit der Einleitung des Bußgeldverfahrens seinen Wohnsitz bzw. Sitz hat (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Problematisch ist nun, dass Deutschland nicht alle Wohlverhaltensregeln der IDD im Aufsichtsrecht umgesetzt hat.206 So ist beispielsweise die in Art. 20 Abs. 1 IDD vorgesehene Pflicht zur Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse der Kunden und zur Beratung nicht öffentlich-rechtlich, sondern lediglich in § 61 Abs. 1 VVG umgesetzt. Damit deutsche Behörden gleichwohl Maßnahmen im Rahmen des Kooperationsverfahrens ergreifen können, sind verschiedene Lösungen denkbar: Zunächst könnte man in den durch § 8a Abs. 1 Landes-VwVfG inkorporier‑ ten Art. 5, 7 und 8 IDD unmittelbar Ermächtigungsgrundlagen zum hoheitli‑ chen Einschreiten sehen. So würde Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 IDD deutsche Behör‑ schen Behörden ist die „Durchführung der Amtshilfe“. Ob nach ausländischem Recht die Vo‑ raussetzungen dafür vorlagen, die deutsche Behörde anzurufen, prüft die deutsche Behörde hingegen nicht. Letzteres ist mit der „Zulässigkeit der Maßnahme“ gemeint (vgl. Beschluss‑ empfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses BT‑Drs. 16/13399, S. 13). 205  Siehe S. 38. Zur Anwendung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts in grenz‑ überschreitenden Fällen siehe auch Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 3 Rn. 248. 206  Dazu S. 41 ff.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

den ermächtigen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen. Freilich steht eine derartige Auslegung in Konflikt mit § 8a Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 Landes-VwVfG, die für die Zulässigkeit der Maßnahme auf deutsches Recht verweisen und damit zeigen, dass die Europäischen Rechtsakte nur dafür maßgeblich sind, wann Behörden zur Verwaltungszusammenarbeit verpflichtet sind. In richtlinienkonformer Auslegung lässt sich allerdings auch ein entspre‑ chend weiter Verweis annehmen. Alternativ könnten die zuständigen Behörden auf Grundlage der ordnungs‑ rechtlichen Generalklauseln der Länder tätig werden. Danach sind Maßnahmen bei einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zuläs‑ sig. Da die vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfassten §§ 61 ff. VVG in grenzüberschreitenden Sachverhalten privatkollisionsrechtlich häufig nicht an‑ wendbar sind,207 ließe sich ein Eingriff nur mit dem Schutz individueller Rech‑ te der Kunden im Aufnahmemitgliedstaat rechtfertigen.208 Soweit der Schutz privater Rechte im Ordnungsrecht der Länder nur eingeschränkt möglich ist,209 müssten diese Einschränkungen eng ausgelegt bzw. teleologisch reduziert wer‑ den, um die praktische Wirksamkeit der Art. 5 ff. IDD sicherzustellen.210 Hält man hoheitlich-belastende Maßnahmen deutscher Behörden wegen des Vorbehalts des Gesetzes nicht für möglich, bliebe den IHKs schließlich nur noch die Möglichkeit, auf Grundlage des privaten Wettbewerbsrechts gegen den Vermittler vorzugehen. § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 4 UWG gewährt ihnen Un‑ terlassungsansprüche und Klagerechte, wenn Vermittler Marktverhaltensregeln verletzen. Da die IHKs nach diesen Bestimmungen keine hoheitlichen Sonder‑ befugnisse in Anspruch nehmen, wäre § 8 UWG indes nicht nach internationalverwaltungsrechtlichen Grundsätzen einseitig anwendbar, sondern müsste vom 207 Siehe ab S. 278. Ein ähnliches Problem stellt sich bei § 147c Abs. 1 GewO. Berät ein deutscher Versicherungsvermittler ausländische Kunden zu Versicherungsanlageproduk‑ ten, werden die entsprechenden Vorschriften des VVG u. U. kollisionsrechtlich nicht berufen. Man sollte daher § 147c Abs. 1 GewO dahingehend auslegen, dass er nicht die internationalprivatrechtliche Anwendbarkeit des VVG verlangt, sondern lediglich inhaltlich auf die dorti‑ gen Pflichten verweist. 208  Inwieweit im Ausland „belegene“ Rechte und Rechtsgüter als Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i. S. d. ordnungsrechtlichen Generalklauseln geschützt werden kön‑ nen, ist umstritten (für einen weiten Schutz Menzel, Internationales Öffentliches Recht, S. 725; Vogel, Anwendungsbereich, S. 418 f.; enger Ohler, Kollisionsordnung, S. 309 ff.). 209  Zu den Subsidiaritätsklauseln in den Ländern siehe Schoch, JURA 2013, 468 f. Fn. 19 sowie oben S. 43. Soweit die Subsidiarität nur aus einer Analogie zum Polizeirecht herge‑ leitet wird, könnte man diese ablehnen, um richtlinienkonform auch die privatrechtlich umge‑ setzten Wohlverhaltensregeln durchzusetzen. 210 Allg. dazu bereits auf S. 43. Vgl. auch Riedel, in: BeckOK‑VwVfG, § 8a (1.4.2019) Rn. 39, wonach bei der Europäischen Verwaltungszusammenarbeit Regelungen unangewen‑ det bleiben, die die Durchsetzung europarechtlicher Pflichten verhindern. Ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG liegt trotz der belastenden Wirkung nicht vor. § 8a Abs. 1 VwVfG i. V. m. Art. 5 ff. IDD muss Vermittler dafür sensibilisieren, dass sie auch aufsichtsrechtlich zur Verant‑ wortung gezogen werden, wenn sie grenzüberschreitend Mindestpflichten der IDD verletzen.



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Privatkollisionsrecht berufen werden.211 Handelt ein deutscher Vermittler im Ausland wettbewerbswidrig, findet nach Art. 6 Abs. 1 Rom II‑VO212 überwie‑ gend das dort geltende Marktortrecht und nicht § 8 UWG Anwendung.213 Dass danach den IHKs ein Unterlassungsanspruch zusteht, ist keinesfalls gesichert. Insgesamt darf bezweifelt werden, dass deutsche Behörden ausländischen Stellen schnell und effektiv i. S. d. Art. 31 ff. IDD Hilfe leisten können, zumal schon in Inlandssachverhalten Unsicherheit über die staatliche Durchsetzung privatrechtlicher Pflichten besteht.

bb)  Überwachung ausländischer Vermittler in Deutschland Auch die sachliche und örtliche Zuständigkeit deutscher Behörden für die Über‑ wachung ausländischer Vermittler hat der Gesetzgeber nicht explizit geregelt. Der DIHK wirkt als eingetragener Verein des Privatrechts nach § 11a Abs. 6 S. 2 GewO lediglich bei der Übermittlung von Informationen zwischen IHKs und ausländischen Behörden mit, ihm werden aber keine Eingriffsbefugnisse ver‑ liehen. Präventive oder repressive Maßnahmen gegen ausländische Vermittler wegen Verstößen gegen das deutsche Gewerberecht treffen daher ebenfalls die nach Landesrecht zuständigen Behörden, in NRW also die örtlichen Ordnungs‑ behörden.214 Verletzt ein ausländischer Vermittler bei seiner Tätigkeit in Deutschland Mindestpflichten der IDD, dürfen die deutschen Behörden allerdings nur dann unmittelbar gegen ihn vorgehen, wenn er im Niederlassungsverkehr tätig ist und Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI der IDD betroffen sind (Art. 7 Abs. 2 i. V. m. Art. 8 Abs. 1 IDD). Im Übrigen, z. B. im Dienstleistungsverkehr oder, wenn der Vermittler die Anforderungen des Art. 10 IDD nicht erfüllt, müs‑ sen sie grundsätzlich nach Art. 5 Abs. 1 oder Art. 8 Abs. 2 IDD das Kooperati‑ onsverfahren einhalten. In diesen Fällen sind sie nach § 8a Abs. 2 S. 2 LandesVwVfG verpflichtet, ausländische Behörden um Hilfe zu ersuchen. Nur wenn diese untätig bleiben, ihre Maßnahmen unzureichend sind oder vorläufige Si‑ cherungsmaßnahmen in einem Eilfall erforderlich sind, dürfen deutsche Behör‑ 211 Zum

S. 50.

Begriff der „verwaltungsrechtlichen Angelegenheit“ i. S. d. Rom I‑VO oben

212 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. L 199 v. 31.7.2007, S. 40; berichtigt in ABl. L 310 v. 9.11.2012, S. 52. 213  § 8 UWG wird nach wohl überwiegender Auffassung jedenfalls als „materiell-recht‑ liche Regelung zur Anspruchsberechtigung“ von Art. 6 Abs. 1 Rom II‑VO erfasst (zum Streit‑ stand ausf. Poelzig/Windorfer, in: BeckOGK, Art. 6 Rom II‑VO [1.12.2018] Rn. 40 ff.). Zur Anwendung des Art. 6 Rom II‑VO auf Verbandsklageverfahren siehe EuGH, Urt. v. 28.7.2016, Rs. C-191/15, NJW 2016, 2727 ff. 214  Siehe ausf. zur sachlichen Zuständigkeit S. 38 ff. Vgl. zur Anwendung der ordnungs‑ rechtlichen Generalklausel auf vom Ausland ausgehende Gefahren für inländische Rechtsgüter nur Ohler, Kollisionsordnung, S. 309.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

den Maßnahmen gegen den ausländischen Vermittler ergreifen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, sind gleichwohl erlassene Maßnahmen rechtswid‑ rig. Der Fehler ist nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 Landes-VwVfG heilbar, da es sich beim Kooperationsverfahren schon nicht um den Erlass eines „mehrstufi‑ gen Verwaltungsakts“ im Sinne dieser Norm handelt, bei dem mehrere Behör‑ den „mitwirken“.215 Ist die internationale Zuständigkeit deutscher Behörden bei Maßnahmen gegen ausländische Vermittler gegeben, richtet sich ihre örtliche Zuständigkeit in Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 OWiG. Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Verstoß begangen wurde oder in dem sich die Niederlassung des Vermittlers befindet. Bei Präventivmaßnahmen ist nach § 4 Abs. 1 OBG NRW bzw. nach den entsprechenden Bestimmungen anderer Länder maßgeblich, wo zu schützende Interessen gefährdet sind. Es sind also die Behörden aller Bezirke zuständig, in denen der Vermittler tätig ist und Kunden betreut.216

cc)  Notwendigkeit einer effektiveren Vermittleraufsicht in Deutschland Die Aufteilung der Vermittleraufsicht auf IHKs und andere nach Landesrecht zuständige Behörden wie örtliche Ordnungsbehörden erweist sich vor allem in grenzüberschreitenden Sachverhalten als ineffektiv. Wendet sich beispielsweise die französische Finanzaufsicht an deutsche Behörden, weil ein deutscher Ver‑ mittler in Frankreich Wohlverhaltensregeln verletzt, kommt es zu einem zeit‑ raubenden Zuständigkeitschaos. Der DIHK oder die BaFin, die die Meldung der ausländischen Stelle entgegennehmen könnten, müssten diese an die zu‑ ständige IHK und ggf. andere landesrechtlich zuständige Behörden wie Ge‑ werbeämter oder örtliche Ordnungsbehörden weiterleiten. Da letztere in den seltensten Fällen Erfahrung mit Versicherungsvermittlerrecht oder Internationa‑ lem Aufsichtsrecht haben, werden sie mit entsprechenden Verfahren überfordert sein. Eine Bündelung der Zuständigkeit – beispielsweise bei der BaFin – würde ein deutlich schnelleres Tätigwerden ermöglichen, schon weil deren Mitarbei‑ ter mit solchen Sachverhalten vertraut sind. Es sollte daher überlegt werden, der BaFin jedenfalls in grenzüberschreitenden Fällen eine Zuständigkeit zuzuwei‑ sen. Bei dieser Gelegenheit könnte der Gesetzgeber eine explizite Ermächti‑ gungsgrundlage für aufsichtsrechtliche Maßnahmen bei der Verletzung von 215  Die Herkunftslandbehörde ist vielmehr vorrangig zuständig. Im Übrigen würde es dem Effektivitätsgebot widersprechen, wenn deutsche Behörden das Kooperationsverfahren da‑ durch umgehen könnten, dass sie zunächst selbst gegen ausländische Vermittler vorgehen und später erst die Herkunftslandbehörden einschalten (vgl. auch Emmenegger, in: Mann/Senne‑ kamp/Uechtritz, VwVfG, § 45 Rn. 70). 216 Vgl. zu derartigen parallelen Zuständigkeiten auch Germann, Gefahrenabwehr, S. 366 f.



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Mindestpflichten der IDD einführen. So könnte bestimmt werden: „Verstößt ein Gewerbetreibender im Sinne des § 34d Absatz 10 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 der Gewerbeordnung im Dienstleistungs- oder Niederlas‑ sungsverkehr gegen eine zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 erlasse‑ ne Bestimmung, kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Einklang mit den Art. 5 bis 9 der Richtlinie geeignete Maßnahmen treffen“. Noch überzeugender und effektiver wäre es freilich, der BaFin generell Ein‑ griffsbefugnisse für die laufende Überwachung der Vermittler zu gewähren.217 Um eine aufsichtsrechtliche Durchsetzung aller europäischen Mindestvorgaben sicherzustellen, sollte der Gesetzgeber in der GewO ferner auf die im VVG ge‑ regelten Pflichten verweisen und Behörden zu ihrer Überwachung ermächtigen.

c) Zwischenergebnis Gestalten alle Mitgliedstaaten ihr nationales Recht in diesem Sinne richtlinien‑ konform aus, gilt im grenzüberschreitenden Verkehr hinsichtlich der zwingen‑ den Wohlverhaltensregeln der IDD das Aufsichtsrecht des Herkunfts- und/oder des Aufnahmemitgliedstaats, welche die Vorgaben zum Teil kooperativ durch‑ setzen.

2.  Modifiziertes Bestimmungslandprinzip bei Anwendung und Durchsetzung strengerer Berufsausübungsregeln Für Vermittler ist angesichts dessen interessanter, an welche strengeren Be‑ rufsausübungsregeln sie gebunden sind. Die Art. 11, 22 Abs. 2, 3 und 29 Abs. 3 IDD weisen (jedenfalls auch) dem Aufnahmemitgliedstaat eine Regelungskom‑ petenz zu, indem sie ihm die Anwendung seines strengeren nationalen Auf‑ sichtsrechts auf ausländische Vermittler erlauben. Es stellt sich daher die Frage, in welchen Grenzen er hiervon Gebrauch machen kann und ob der Herkunfts‑ staat die Berufsausübung im Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr eben‑ falls beschränken kann.

a)  Regelungskompetenzen zur Anwendung strengerer Berufsausübungsregeln aa)  Regelungskompetenz des Aufnahmemitgliedstaats Entsprechend der Einseitigkeit des Internationalen Verwaltungsrechts218 legen die Aufnahmemitgliedstaaten selbst fest, ob ihre strengeren Berufsausübungs‑ regeln auch auf Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr an‑ wendbar und behördlich durchsetzbar sind. Für das Verwaltungsrecht drücken 217 

Siehe m. w. N. bereits Rüsing, VersR 2019, 129 (136). So auch die Forderung des EIO‑ PA‑Vorsitzenden Bernardino, Vortrag (Teil 1 Fn. 189), S. 4. Krit. zur Aufsicht auch Beenken/ Sandkühler, Versicherungsvertriebsrecht, S. 64, 124. 218  Dazu S. 49.

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die Flexibilitätsklauseln der Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 und  29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD somit eine „Selbstverständlichkeit“219 aus:220 Erlässt ein Mitgliedstaat für die Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet strengeres Recht, müssen sich auch aus‑ ländische Vermittler hieran halten. Soweit dadurch jedoch Grundfreiheiten beschränkt werden, unterliegen Aufnahmemitgliedstaaten einem Rechtfertigungserfordernis.221 Nach oben be‑ reits genannten Maßstäben müssen entsprechende Vorschriften in verhältnis‑ mäßiger, d. h. geeigneter und erforderlicher Weise zwingenden Gründen eines nationalen Allgemeininteresses dienen, welches nicht bereits faktisch durch den Herkunftsstaat ausreichend geschützt ist.222 Die IDD greift diese EuGH‑Recht‑ sprechung insbesondere in Art. 11 auf, der Mitgliedstaaten zur Veröffentlichung solcher Vorschriften verpflichtet.223 Daraus folgt, dass die IDD grundsätzlich nicht als speziellere sekundärrechtliche Regelung eine Prüfung des nationalen Rechts am Maßstab der Grundfreiheiten verhindert. Das gilt auch, soweit na‑ tionale Bestimmungen auf den Flexibilitätsklauseln der Art. 22 Abs. 2, 3 und 29 Abs. 3 IDD beruhen.224 Diese erkennen zwar ein Allgemeininteresse der Mit‑ gliedstaaten an, bestimmte Vorschriften wie eine verpflichtende Beratung oder ein Provisionsverbot zu erlassen, hindern aber nicht daran, die Beschränkungen einer Verhältnismäßigkeitskontrolle zu unterziehen. Zugleich machen die Art. 11, 22 und 29 IDD deutlich, dass alle nationalen Vorschriften, die Vermittlern im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr über die IDD hinausgehende Vorgaben auferlegen, einem Allgemeininteresse dienen und verhältnismäßig sein müssen. So stellt Art. 11 Abs. 2 IDD die An‑ wendung derartiger Bestimmungen unter die Bedingung der Verhältnismäßig‑ keit. Sämtliche strengeren vermittlerspezifischen Wohlverhaltenspflichten ste‑ hen so unter dem Vorbehalt einer Prüfung am Maßstab des Allgemeininteresses. Als solches hat der EuGH insbesondere den Versicherungsnehmerschutz aner‑ 219 So

Gruber, ZFR 2016, 211 (216) Fn. 54. Zur Bedeutung im IPR ausf. S. 260 ff. 221  Werden Vermittlungsleistungen (auch) über Niederlassungen erbracht, ist im Einzelfall umstritten, ob sich die Rechtfertigungsbedürftigkeit aus einer Beschränkung der Dienstleis‑ tungs- oder der Niederlassungsfreiheit ergibt (ausf. zum Konkurrenzverhältnis Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 49 AEUV [Februar 2019] Rn. 43 ff.; zur Niederlassungsfreiheit als Schranke für Berufsausübungsvorschriften siehe EuGH, Urt. v. 5.10.2004, Rs. C-442/02, Slg. 2004, I-8961 Rn. 9 ff.). 222  Vgl. die Nachweise in Fn. 23. 223  Die IDD nennt – wie die Solvency II‑RL – stets nur den Begriff des Allgemeininte‑ resses, meint damit aber sämtliche Voraussetzungen, die der EuGH zur Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeschränkungen aufgestellt hat. 224  Vgl. nur Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 IDD, wonach die Vorschriften mit dem Unions‑ recht vereinbar sein müssen, d. h. auch mit den Grundfreiheiten (so zu ähnlichen Öffnungs‑ klauseln EuGH, Urt. v. 30.4.2014, Rs. C-475/12, MMR 2015, 339 [342] Rn. 64 ff.; Urt. v. 18.7.2013, Rs. C-265/12, GRUR 2013, 1154 [1156] Rn. 31; Urt. v. 11.12.2003, Rs. C-322/01, Slg. 2003, I-14887 Rn. 64 f. sowie allg. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 71). 220 



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kannt.225 Art. 11 Abs. 2 und ErwG 3 der IDD sprechen zwar ausschließlich von Verbraucherschutz; wie oben dargelegt,226 ist der Verbraucherbegriff jedoch gleichzusetzen mit dem des Kunden. Strengeres nationales Recht darf somit ebenfalls Unternehmer schützen. Das bestätigen die Flexibilitätsklauseln, die auch vom Schutz von Kunden mit einer „Niederlassung“ im Aufnahmemit‑ gliedstaat sprechen. Dieser hat somit hinsichtlich der Dienstleistungs- und Niederlassungstätig‑ keit EU-/EWR-ausländischer Vermittler eine Regelungskompetenz, die durch die Vorgaben des Allgemeininteresses begrenzt wird. Wie bei der Kompetenz‑ ordnung der Grundfreiheiten227 lässt sich insoweit von einem „modifizierten Bestimmungslandprinzip“ sprechen.

bb)  Eingeschränkte Regelungskompetenz des Herkunftsmitgliedstaats Ob Vermittler im grenzüberschreitenden Verkehr gleichwohl auch an stren‑ geres Aufsichtsrecht ihres Herkunftsmitgliedstaats gebunden sind, hängt zu‑ nächst davon ab, ob dieser Staat überhaupt den Anwendungsbereich der ent‑ sprechenden Vorschriften auf die Auslandstätigkeit der Vermittler erstreckt. Ist das der Fall, muss die Erstreckung mit Europarecht im Einklang stehen. Die IDD enthält diesbezüglich keine explizite Regelung. Art. 10 Abs. 2 weist dem Herkunftsstaat lediglich eine ausschließliche Kompetenz zur Regelung von Fortbildungsverpflichtungen und zur laufenden Sicherstellung organisato‑ rischer Anforderungen zu. Diesbezüglich behält er somit eine ausschließliche Regelungskompetenz. Im Übrigen lässt sich Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 IDD jedoch entnehmen, dass eine Befugnis zum Erlass strengerer Berufsaus‑ übungsregelungen wie öffentlich-rechtlicher Beratungspflichten hinsichtlich der Auslandstätigkeit grundsätzlich nur dem Aufnahmemitgliedstaat zusteht. Das steht im Einklang mit den Anforderungen des Primärrechts, wonach der Herkunftsstaat eine Beschränkung der Berufsausübung im Dienstleistungsund Niederlassungsverkehr grundsätzlich nur dann rechtfertigen kann, wenn er den Schutz eines eigenen Allgemeininteresses verfolgt.228 Daraus folgt, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Anwendung seines strengeren Aufsichtsrechts nicht ausschließlich mit dem Schutz ausländischer Kunden rechtfertigen kann. Er darf daher bei Auslandstätigkeiten seiner Vermittler grundsätzlich nur die Mindestvorgaben der IDD anwenden. Das heißt aber nicht, dass strengeres Heimatrecht niemals bei Vermittlungs‑ tätigkeiten mit Auslandsbezug Anwendung finden kann. Das wäre vor allem in 225 

Vgl. nur EuGH, Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 Rn. 30.

226 S. 24.

227  Dazu S. 53. 228  Siehe S. 52

und dort auch Fn. 21 zur Rechtfertigungsbedürftigkeit von Beschränkun‑ gen des Dienstleistungsexports durch einen Herkunftsmitgliedstaat.

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den Fällen interessenwidrig, in denen die Merkmale des Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehrs i. S. d. IDD nicht erfüllt sind. Beispielsweise liegt nach oben dargestellten Maßstäben keine Tätigkeit im Dienstleistungsverkehr vor, wenn sich ein österreichischer Kunde an einen deutschen Vermittler wendet, um eine Versicherung für eine in Deutschland belegene Immobilie vermittelt zu be‑ kommen. In diesen Fällen muss der Vermittler weder das Notifikationsverfahren durchlaufen noch österreichisches Aufsichtsrecht zum Schutz des Allgemein‑ interesses beachten.229 Der Kunde muss sich vielmehr auf das Aufsichtsrecht des Herkunftsmitgliedstaats des Vermittlers einlassen, weil er aufgrund eigener Initiative oder ausländischer Risikobelegenheit nicht mit der Anwendung „sei‑ nes“ Aufsichtsrechts rechnen kann. Hiervon ging auch der Ausschuss der Euro‑ päischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen aus.230 Sind die Kri‑ terien des Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehrs i. S. d. IDD also nicht erfüllt, verbleibt die Regelungskompetenz für derartige Sachverhalte beim Her‑ kunftsmitgliedstaat, dessen strengeres Aufsichtsrecht zum Schutz eines Kunden Anwendung findet. Auch dieses muss allerdings zwingenden Gründen des All‑ gemeininteresses dienen, wenn Vermittler zwar nicht im Dienstleistungsverkehr i. S. d. IDD aktiv sind, ein grenzüberschreitender Sachverhalt aber unter die pri‑ märrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit fällt.231 Vermittler müssen in dem Fall zwar nicht das Notifikationsverfahren durchlaufen und strengeres Aufsichtsrecht eines anderen Staates einhalten. Daraus folgt allerdings nicht, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Grundfreiheiten unbegrenzt beschränken dürfte. Wegen der insoweit speziellen Verteilung von Regelungskompetenzen im Sekundärrecht bedarf es lediglich keiner näheren Untersuchung, inwie‑ weit der Herkunftsmitgliedstaat ein hinreichendes eigenes Interesse an der Be‑ schränkung der Grundfreiheiten hat; ausreichend ist nach Ansicht des Gesetz‑ gebers, dass sich der ausländische Kunde in gewisser Weise auf den Markt des Herkunftsstaats begibt. Die Definition des Dienstleistungs- und Nieder‑ lassungsverkehrs i. S. d. IDD bietet insofern eine speziellere Abgrenzung von Regelungskompetenzen, die der europäische Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit vorgenommen hat. Es bleibt festzuhalten: Erfüllt die grenzüberschreitende Tätigkeit eines Ver‑ sicherungsvermittlers die sekundärrechtlichen Kriterien der Dienstleistungsoder Niederlassungsfreiheit, findet bei der Berufsausübung überwiegend das strengere Aufsichtsrecht des Aufnahme- und nicht des Herkunftsmitgliedstaats 229  Vgl. auch Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 IDD, der die Anwendung strengeren nationalen Rechts erlaubt, soweit ein Vermittler „im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit oder der Nieder‑ lassungsfreiheit tätig [wird]“ und soweit Kunden betroffen sind, „die ihren gewöhnlichen Auf‑ enthalt in diesem [Aufnahme-]Mitgliedstaat haben oder dort niedergelassen sind“. Ausf. zu den Kriterien des sekundärrechtlichen Dienstleistungsbegriffs auf S. 67 ff. 230  CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 5. 231  Zur unterschiedlichen Reichweite der Dienstleistungsbegriffe im Primär- und Sekun‑ därrecht siehe S. 67 ff.



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Anwendung.232 Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, behält der Herkunfts‑ staat die Regelungskompetenz und wendet sein Aufsichtsrecht an. Welches strengere Aufsichtsrecht anwendbar ist, wird also maßgeblich durch die An‑ knüpfungskriterien des Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehrs i. S. d. IDD bestimmt.

cc)  Anwendung auf das deutsche Gewerberecht Auf Basis dieser Rahmenbedingungen soll nun der Anwendungsbereich deut‑ scher aufsichtsrechtlicher Vorgaben für Versicherungsvermittler bestimmt wer‑ den. Die einzelnen gewerberechtlichen Wohlverhaltensregeln sind auf ihre An‑ wendbarkeit im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr ausländischer Vermittler in Deutschland und deutscher Vermittler im Ausland zu unter‑ suchen.233 Festzustellen ist jeweils, inwieweit der deutsche Gesetzgeber mit den Normen Auslandssachverhalte erfassen will und in welchen europarecht‑ lichen Grenzen ihm das erlaubt ist. Während die europarechtlichen Grenzen, wie gerade erörtert, relativ klar ab‑ gesteckt sind, ist die Bestimmung des internationalen Anwendungsbereichs von Verwaltungsrechtsnormen häufig schwierig. Enthält das nationale Recht anders als § 62 VAG keine explizite Regelung, welche Normen in grenzüberschrei‑ tenden Sachverhalten anwendbar sind, muss ihr internationaler Anwendungs‑ bereich durch Auslegung ermittelt werden. Besondere Bedeutung hat dabei die teleologische Auslegung:234 Verfolgen Normen den Schutz im Inland belege‑ ner Rechtsgüter, wird man sie häufig nur in Sachverhalten anwenden können, in denen diese Schutzgüter betroffen sind. Sind hingegen ausschließlich oder überwiegend Interessen anderer Staaten betroffen, spricht vieles dafür, dass sich das deutsche Recht entsprechend dem Grundsatz der größeren Nähe235 zurück‑ nimmt und keine Anwendung findet.

(1)  Zwingende Informations- und Beratungspflichten Über die IDD hinausgehende Vorgaben finden sich im deutschen Recht zunächst im Bereich der Informations- und Beratungspflichten. § 61 Abs. 1 VVG sieht im Einklang mit der Flexibilitätsklausel des Art. 22 Abs. 2 IDD eine grundsätz‑ 232  Die Herkunftslandbehörde wendet nur insoweit ihr eigenes Umsetzungsrecht an, wie sie von der IDD zur Durchsetzung berufen ist. 233  Erfüllen grenzüberschreitende Tätigkeiten nicht diese Kriterien, ist entsprechend des Zwischenergebnisses im letzten Absatz davon auszugehen, dass das Aufsichtsrecht des Her‑ kunftsstaats Anwendung findet. Dieser Sonderfall soll im Folgenden nicht mehr stets erörtert werden. 234  Vgl. nur Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 189 f.; Menzel, Inter‑ nationales Öffentliches Recht, S. 762. 235  Dazu im Versicherungsaufsichtsrecht bereits Prölss, in: FS Ehrenzweig, S. 207 (210) sowie später Schnyder, Versicherungsaufsicht, S. 41 f.

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lich verpflichtende, anlassbezogene Beratung vor. Diese Pflicht hätte der Ge‑ setzgeber auch mit behördlichen Mitteln durchsetzen können. Er hat sich inso‑ weit allerdings auf privatrechtliche Sanktionen beschränkt, sodass die Vorgaben auch im grenzüberschreitenden Verkehr nicht einseitig zwingend verwaltungs‑ rechtlich durchgesetzt werden können, sondern international-privatrechtlich be‑ rufen werden müssen. Aufsichtsrechtlich ist der Gesetzgeber im Bereich der Informationspflichten in § 15 VersVermV über die Vorgaben der Art. 18 und 19 IDD hinausgegangen. Zum einen müssen Vermittler ihren Kunden nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV nicht nur mitteilen, ob sie verpflichtet sind, im Auftrag eines Versicherers zu handeln,236 sondern auch, welcher konkreten deutschen Vermittlerkategorie sie angehören. Zum anderen sind sämtliche Informationen der Art. 18 und 19 IDD nicht erst „rechtzeitig vor Abschluss eines Versicherungsvertrags“, sondern bereits „beim ersten Geschäftskontakt“ zu erteilen. Inwieweit diese Vorgaben in grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung finden, legt der Verord‑ nungsgeber nicht explizit fest.

(a)  Anwendung auf ausländische Vermittler Soweit § 15 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV zur Angabe einer deutschen Vermittler‑ kategorie verpflichtet, ist die Norm jedenfalls nicht auf ausländische Vermitt‑ ler anwendbar. Wie oben dargelegt,237 richtet sich die Vermittlerkategorie nach dem Herkunftslandrecht, sodass ausländische Vermittler in Deutschland schon nicht „als“ Versicherungsmakler oder -vertreter i. S. d. § 34d Abs. 1 GewO tätig werden. § 15 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV bezieht sich daher richtigerweise explizit nur auf Vermittler i. S. d. § 34d Abs. 10 GewO, d. h. solche, die in Deutschland im Vermittlerregister eingetragen sind.238 Bei ausländischen Vermittlern genügt daher die Angabe der in Art. 18 lit. a IDD genannten Informationen über ihren Status. Es bleibt damit nur der für die Erteilung der Erstinformation maßgebliche Zeitpunkt, der auf ausländische Vermittler als strengeres nationales Recht an‑ wendbar sein könnte. Fraglich ist allerdings schon, inwieweit § 15 Abs. 1 Vers‑ VermV hiermit über die IDD hinausgeht. Richtigerweise ist dabei zwischen Art. 18 und 19 IDD zu differenzieren, obwohl eine solche Unterscheidung in § 15 VersVermV nicht vorgenommen wurde. Während Art. 18 IDD sich nämlich auf allgemeine Statusinformationen bezieht, die von zu vermittelnden Versiche‑ rungsprodukten unabhängig sind, geht es bei Art. 19 IDD um Informationen mit 236 

So die Vorgabe des Art. 18 lit. a sublit. v IDD.

237  Ausf. S. 81 ff. 238 Ebenso Stenger,

in: Landmann/Rohmer, GewO, § 11 VersVermV (März 2016) Rn. 10. De lege ferenda scheitert die Einführung einer Pflicht zur Angabe einer deutschen Berufs‑ bezeichnung am fehlenden Allgemeininteresse (dazu S. 83).



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Bezug zu konkreten Versicherungsverträgen.239 Wenn Art. 18 IDD Vermittler nun verpflichtet, ihren Kunden „rechtzeitig vor Abschluss eines Versicherungs‑ vertrags“ offenzulegen, mit wem sie es allgemein zu tun haben, wäre eine ent‑ sprechende Information kurz vor Vertragsschluss nicht ausreichend. Starten sie einen „Verkaufsprozess“, müssen sie für Transparenz sorgen. Vom Wortlaut her geht § 15 Abs. 1 VersVermV hierüber noch hinaus. So könnte man unter dem „ersten Geschäftskontakt“ jede Kontaktierung verstehen, auch wenn sie noch nicht auf die Vermittlung von Versicherungsprodukten abzielt. Das kann aller‑ dings schon aus teleologischen Gründen nicht überzeugen. Eine Bank, die auch Versicherungen vermittelt, müsste dann beispielsweise Statusinformationen er‑ teilen, wenn Kunden gar nicht über Versicherungen beraten werden möchten. Entsprechend dem Schutzzweck liegt ein Geschäftskontakt erst dann vor, wenn Vermittler in eine konkrete Versicherungsvermittlungssituation einsteigen, d. h. beispielsweise Fragen zum Bedarf eines Kunden stellen.240 Bedeutende Unter‑ schiede zu Art. 18 IDD ergeben sich dann nicht.241 Etwas anderes gilt allerdings im Hinblick auf die Informationen, die nach Art. 19 IDD ebenfalls „rechtzeitig vor Abschluss eines Versicherungsvertrags“ zu erteilen sind, sich aber auf konkret zu vermittelnde Versicherungsproduk‑ te beziehen. Vermittler müssen beispielsweise mitteilen, welche Vergütung sie im Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt erhalten oder ob sie ihren Rat in dem Produktbereich auf eine ausgewogene Marktuntersuchung stützen. Zur Erfüllung dieser Pflichten können sie z. B. jedem Angebot eines Versiche‑ rers ein „fact-sheet“ voranstellen, in dem die entsprechenden Informationen er‑ teilt werden. Dem wird § 15 Abs. 1 VersVermV nicht gerecht, weil die Norm die einmalige Erteilung allgemeiner Informationen ohne Bezug zu konkreten Versicherungsprodukten beim ersten Geschäftskontakt verlangt. So müsste ein Makler beispielsweise generell seine Vergütungsquellen offenlegen. Diese von der IDD abweichende Regelung lässt sich nicht mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses rechtfertigen. Als solches kommt nur der Versicherungs‑ nehmerschutz in Betracht, der durch eine möglichst frühzeitige Transparenz ge‑ fördert werden soll. Hierzu ist § 15 Abs. 1 VersVermV indes weder geeignet noch erforderlich. Arbeitet ein Makler beispielsweise mit zehn Versicherern, die zum Teil Nettopolicen anbieten, Provisionen zahlen oder andere wirtschaft‑ liche Vorteile gewähren, müsste der Vermittler beim ersten Geschäftskontakt alle diese Vergütungsquellen angeben. Welchen Vorteil das einem Kunden brin‑ 239  Vgl. nur Art. 19 Abs. 1 lit. c („in Bezug auf den Vertrag, der angeboten wird“) oder lit. d und e („im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag“). 240  Ähnlich OLG Schleswig, Urt. v. 25.5.2010, 6 U 19/10, VersR 2011, 114 (115); Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 11 VersVermV Rn. 2. Vgl. auch Begr. VersVermV BR‑Drs. 207/07, S. 30, wonach eine Terminabsprache noch nicht genügen soll. 241 Ebenso zur VermRL OLG Schleswig, Urt. v. 25.5.2010, 6 U 19/10, VersR 2011, 114 (115). Anders das Wirtschaftsministerium (siehe die Mitteilung an CEIOPS, CEI‑ OPS‑DOC-09/07 – Annex 3, S. 5).

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gen soll, der sich für die entsprechenden Produkte (noch) gar nicht interes‑ siert, ist nicht ersichtlich.242 Art. 19 Abs. 1 lit. e IDD sorgt bereits für ausrei‑ chende Transparenz, indem er Vermittler verpflichtet, die Art ihrer Vergütung, die sie bei der Vermittlung eines konkreten Versicherungsprodukts erhalten, of‑ fenzulegen. Allgemeine Informationen über generelle Vergütungsquellen und ähnliche allgemeine Angaben ohne konkreten Bezug zu Versicherungsproduk‑ ten sind dementsprechend nicht erforderlich. Angesichts dessen sollte bereits in Inlandssachverhalten darüber nachgedacht werden, § 15 VersVermV richt‑ linienkonform auszulegen. Jedenfalls müssen ausländische Vermittler die In‑ formationen des Art. 19 IDD erst bei der Vermittlung konkreter Produkte, d. h. rechtzeitig vor deren Abschluss, erteilen. Demnach findet § 15 VersVermV auf Vermittler anderer Mitgliedstaaten keine Anwendung, soweit er von den Art. 18 und 19 IDD abweicht.

(b)  Anwendung auf deutsche Vermittler Deutsche Vermittler im grenzüberschreitenden Verkehr sind jedenfalls inso‑ weit an § 15 VersVermV gebunden, als er den europarechtlichen Vorgaben ent‑ spricht und deutsche Behörden eine Durchsetzungskompetenz besitzen. Hin‑ sichtlich der strengeren Vorgaben ist zu differenzieren: Soweit Vermittler nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV nur ihre deutsche Kategorie angeben müssen, soll‑ ten sie ausländischen Kunden aus Transparenzgründen zusätzlich entsprechend Art. 18 lit. a sublit. v IDD erklären, ob sie in dieser Kategorie den Kunden ver‑ treten oder für Rechnung eines Versicherers handeln. Soweit ein Aufnahmestaat dies nämlich richtlinienkonform verlangt, wird der Vermittler beiden Rechts‑ ordnungen gerecht. Der bloße Verweis auf § 34d Abs. 1, 6 oder 7 GewO hilft ausländischen Kunden nicht weiter. Soweit § 15 VersVermV die Erteilung einer Statusinformation zu einem frü‑ heren Zeitpunkt als die Art. 18 und 19 IDD fordert, will der deutsche Verord‑ nungsgeber inländische Versicherungsnehmer besonders schützen. Es ist daher bereits aufgrund teleologischer Auslegung der VersVermV nicht davon aus‑ zugehen, dass die Vorgabe im Auslandsverkehr deutscher Vermittler gelten soll. Jedenfalls könnte der deutsche Gesetzgeber kein eigenes Allgemeininteresse an der Beschränkung der Grundfreiheiten vorbringen.243 Macht ein Aufnah‑ mestaat keine abweichenden Vorgaben, genügt daher eine Auskunftserteilung „rechtzeitig vor Abschluss eines Versicherungsvertrags“. Vermittler müssen oh‑ 242  Vgl. krit. in diese Richtung auch DIHK, Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 24.11.2017, S. 23, wonach Verbraucher von der Vielzahl der von § 15 VersVermV geforderten Angaben „gerade beim ersten Geschäfts‑ kontakt“ eher überfordert als besser geschützt werden (abrufbar unter ). 243  Zu diesem Rechtfertigungserfordernis siehe S. 52.



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nehin beachten, dass andere Staaten Art. 19 IDD vermutlich richtlinienkonform umgesetzt haben und entsprechende konkrete produktbezogene Informationen vor Abschluss eines Versicherungsvertrags verlangen. Die Erteilung einer all‑ gemeinen Statusinformation beim ersten Geschäftskontakt wird dem im Regel‑ fall nicht gerecht.

(2) Sondervergütungsverbot Anders als die Informationspflichten des § 15 VersVermV, die im Wesentlichen formaler Natur sind, greift das sog. Sondervergütungsverbot stark in Geschäfts‑ modelle einzelner Marktteilnehmer ein. § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO i. V. m. § 48b Abs. 1 S. 1 VAG verbieten Vermittlern, einem Versicherungsnehmer, Ver‑ sicherten oder Bezugsberechtigten Sondervergütungen zu gewähren oder zu versprechen.244 Das sind nach § 48b Abs. 2 S. 1 VAG alle unmittelbaren oder mittelbaren Zuwendungen neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung. Verboten sind insbesondere vollständige oder teilweise Provisions‑ abgaben (Nr. 1), sonstige Sach- oder Dienstleistungen, die nicht die Versiche‑ rungsleistung betreffen (Nr. 2), sowie Rabattierungen auf Waren oder Dienst‑ leistungen, sofern sie nicht geringwertig sind. Vermittlern ist es somit untersagt, Kunden beim Abschluss eines Versicherungsvertrags Teile der vom Versicherer erhaltenen Provisionen zurückzugeben oder andere Vorteile zu gewähren. Ver‑ stöße werden nach § 144 Abs. 2 Nr. 7 GewO als Ordnungswidrigkeit geahndet und können zu Unterlassungsklagen nach dem UWG führen.245 Da Vermittler bei der Vermittlung von Bruttopolicen keine unmittelbare Ge‑ genleistung von ihren Kunden erhalten, sondern nur mittelbar über die in die Versicherungsprämie eingerechnete Provision vergütet werden, führt das Verbot dazu, dass sie die Höhe ihrer Vergütung im Einzelfall nicht frei mit ihren Kun‑ den gestalten oder mit anderen Vorteilsangeboten werben können. Insbesonde‑ re können sie einen Preiswettbewerb nicht dadurch führen, dass sie einen Teil ihrer Provision an Kunden abgeben. Zur Rechtfertigung dieser Wettbewerbs‑ beschränkung wurden im Laufe der Jahre unterschiedliche Gründe angeführt: 244  Ähnliche Verbote galten von 1924–2017 aufgrund der Verordnung über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen in der Schadenversicherung vom 17. Au‑ gust 1982 (BGBl. I v. 2.9.1982, S. 1243) sowie der Bekanntmachungen des Reichsaufsichts‑ amtes für Privatversicherung vom 8. März 1934 betr. Lebensversicherung (VerAfP 1934, S. 99 f.) sowie vom 5. Juni 1934 betr. Krankenversicherung (VerAfP 1934, S. 100 f.). Da ei‑ nige Gerichte die jedenfalls aus dem Jahr 1934 stammenden Verbote wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) für unwirksam hielten (VG Frankfurt/M., Urt. v. 24.10.2011, 9 K 105/11.F, VersR 2012, 358; auf alle Verordnungen übertragend LG Köln, Urt. v. 14.10.2015, 84 O 65/15, BeckRS 2016, 15554), entschied sich der Gesetzgeber im Zuge der IDD‑Umsetzung für eine formell-gesetzliche Verankerung im VAG. 245  Vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 40, wonach es sich bei der Norm um eine Markt‑ verhaltensregel i. S. d. § 3a UWG handelt. Anders zu den früheren Verboten noch OLG Köln, Urt. v. 11.11.2016, 6 U 176/15, VersR 2017, 227 (228 ff.).

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Ursprünglich sollte das Verbot eine weitere Steigerung von Verwaltungs‑ kosten der Versicherungsgesellschaften verhindern:246 Versicherungsvermittler waren immer häufiger dazu gedrängt worden, einen Teil ihrer Provision ab‑ zugeben. Um das zu kompensieren, verlangten sie von Versicherern immer hö‑ here Provisionen, was letztlich zu Prämiensteigerungen für alle Versicherten führte. Die Provisionsabgabe an einzelne Versicherungsnehmer belastete so die Gesamtheit der Versicherten. Das Verbot sollte die Verwaltungskosten der Ver‑ sicherer senken und eine Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer herstel‑ len. Dementsprechend durften auch Versicherungsunternehmen ihren Kunden abweichend vom Geschäftsplan keine Sondervergütungen gewähren. Nachdem ein Einfluss der Provisionsabgaben auf die Verwaltungskosten später nicht mehr festgestellt werden konnte,247 berief man sich zunächst nur noch allgemein auf den Gleichbehandlungsgedanken.248 Als auch dieser nicht mehr überzeugte, führte der Finanzausschuss des Bundestages die Markttransparenz sowie die Sicherung der Beratungsqualität und Existenzgrundlage der Vermittler als Ar‑ gumente an.249 Im Zuge der IDD‑Umsetzung berief sich der Gesetzgeber nun‑ mehr auf Verbraucherschutzgesichtspunkte: Das Verbot solle den „Fehlanreiz“ verhindern, dass Kunden bei Abschluss eines Versicherungsvertrags nicht auf den passenden Versicherungsschutz achten, sondern allein auf eine Sonderver‑ gütung.250 Die Auswahlentscheidung des Kunden für eine Versicherung soll also nicht von Gründen beeinflusst werden, die sich nicht auf die Qualität oder den Preis des Versicherungsschutzes beziehen. Entsprechend der neuen Zielsetzung erlaubt § 48b Abs. 4 S. 1 VAG nunmehr Sondervergütungen, soweit sie zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prä‑ mienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet werden. Die Sonderver‑ gütung, die beispielsweise im Verzicht des Vermittlers auf einen Teil seiner Provision liegen kann, darf also nur unmittelbar dem vermittelten Versiche‑ rungsvertrag zugutekommen. Das schließt es aus, dass Vermittler Kunden einen Geldbetrag auszahlen, den diese für die Prämienzahlung verwenden sollen. In dem Fall handelt es sich nämlich um eine vom Versicherungsvertrag unabhän‑ gige Leistung, die zwar zur Zahlung der Prämie genutzt werden kann, hierfür aber nicht unmittelbar verwendet wird. Derartige Anreize will der Gesetzgeber gerade verhindern. Das bedeutet, dass Vermittler Sondervergütungen grund‑ sätzlich nur gewähren können, wenn Versicherer sich bereit erklären, den Ver‑ sicherungsvertrag durch Prämiensenkung oder Leistungserhöhung anzupas‑ 246  Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmen, S. 8, abgedruckt in: BAV, Motive VAG, S. 327. 247  Dazu Begr. RegE BT‑Drs. 12/6959, S. 83. 248  BAV, VerBAV 1982, 456 (457); 1980, 312. 249  BT‑Drs. 12/7595, S. 104, 109. 250  Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 40; Gegenäußerung BReg BT‑Drs. 18/11627, S. 59: „Die Provisionsweitergabe als Verkaufsargument wird verhindert“.



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sen.251 Zur „dauerhaften“ Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung trägt eine Sondervergütung bei, „wenn sie langfristig dem Versicherungsverhältnis zu Gute kommt“252. Soweit die Ausnahme des § 48b Abs. 4 S. 1 VAG greift, führt sie zur Ab‑ milderung der bisher stark wettbewerbshemmenden Wirkung des Verbots. Da‑ durch, dass Vermittler Kunden jedoch grundsätzlich nur Vorteile gewähren kön‑ nen, wenn Versicherer die vermittelten Versicherungsverträge anpassen, wird ein unmittelbarer Preiswettbewerb auf dem Vermittlermarkt weiterhin verhin‑ dert. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Vermittler nach deutschem Recht ihre Provisions- bzw. Courtageansprüche an Kunden abtreten können und diese die Prämienbelastung dadurch „reduzieren“, dass sie die zedierten Ansprü‑ che zur Aufrechnung nutzen,253 muss das keinesfalls möglich sein, wenn das Rechtsverhältnis eines ausländischen Vermittlers zum Versicherer einer ande‑ ren Rechtsordnung unterliegt.254 Unabhängig davon erlaubt § 48b Abs. 4 S. 1 VAG ohnehin keine einmalige Sondervergütung, z. B. in Form eines Werbe‑ geschenks im Wert von über 15 Euro, in Form der einmaligen Abgabe eines Teils der Abschlussprovision oder eines Rabatts auf andere Produkte. Das letzt‑ lich als Rabattverbot wirkende Sondervergütungsverbot hat insofern weiterhin wettbewerbshemmende Wirkungen auf dem Vermittlermarkt.

(a)  Generelle rechtliche Einwände gegen das Verbot Angesichts dieser Wirkungen wird seit langer Zeit diskutiert, ob das Verbot mit Art. 101 AEUV i. V. m. Art. 4 Abs. 3 EUV vereinbar ist.255 Danach darf ein Staat keine Regelung einführen, die rechtswidrige „Kartellabsprachen vorschreibt, erleichtert oder deren Auswirkungen verstärkt oder wenn er der eigenen Rege‑ lung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, daß er die Verantwortung für 251  Boslak, in: Brand/Baroch Castellvi, VAG, § 48b Rn. 11; Temmen, BaFin-Journal Okto‑ ber 2017, S. 23 sowie Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, Vor § 59 Rn. 66, der von „zwei inhalt‑ lich in Zusammenhang stehenden Vereinbarungen zwischen dem VN und Vermittler einerseits […] und zwischen dem VR und dem Vermittler andererseits“ spricht. A. A. mit einer zu wei‑ ten Auslegung der Ausnahme Evers, VW 10/2017, 67. Schwintowski (ZfV 2017, 740) hält es darüber hinaus für möglich, dass Makler ihre Courtageansprüche an Versicherungsnehmer ab‑ treten, um sie mit Prämienansprüchen des Versicherers zu verrechnen. 252  Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 40. Schwintowski (ZfV 2017, 714 [717]) hält eine Versicherungsperiode für ausreichend. 253 Dafür Schwintowski, ZfV 2017, 740, der allerdings statt der Aufrechnung von einer Anweisung zur Verrechnung spricht. 254  Die Übertragbarkeit des Provisions- bzw. Courtageanspruchs richtet sich gem. Art. 14 Abs. 2 Rom I‑VO nach dem Recht, das sein Entstehen bestimmt. Bspw. kann ein Abtretungs‑ verbot Wirkung inter omnes haben, wenn eine § 354a HGB entsprechende Regelung im aus‑ ländischen Recht nicht existiert. 255  Dazu EuGH, Urt. v. 17.11.1993, Rs. C-2/91, Slg. 1993, I-5751; KG, Beschl. v. 3.6.1994, 2 Ss 125/90, 5 Ws (B) 192/90, VersR 1995, 445; Dreher, VersR 2001, 1 ff.; Icha, Nettopolice, S. 117 ff.; Saller, VersR 2010, 1249 ff.; Schwintowski, in: Bruck/Möller, VVG, § 59 Rn. 191 ff.

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in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt“256. In Bezug auf das deutsche Provisionsabgabeverbot schien der EuGH in seinem Meng-Urteil aus dem Jahr 1993 keine ausreichenden Nach‑ weise für eine Verstärkung privater Vereinbarungen über Provisionsabgaben im Bereich der Versicherungswirtschaft gesehen zu haben und ging unter dieser Prämisse nicht von einer Unvereinbarkeit mit europäischem Kartellrecht aus.257 Inwieweit das (auch vor dem Hintergrund der neuen Ausnahme in § 48b Abs. 4 VAG) noch zutrifft, soll hier nicht weiter vertieft werden.258 Da der EuGH Pro‑ visionsabgabeverbote bislang lediglich auf ihre Vereinbarkeit mit europäischem Kartellrecht untersucht hat,259 soll vielmehr auf die noch nicht ausführlicher er‑ örterte Frage eingegangen werden, inwieweit die Grundfreiheiten einer Anwen‑ dung des Verbots entgegenstehen.260

(b)  Anwendung auf ausländische Vermittler Eine derartige Prüfung ist nur dann erforderlich, wenn Vermittler anderer Mit‑ gliedstaaten im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr in Deutschland überhaupt dem Sondervergütungsverbot unterliegen. Da § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO den internationalen Anwendungsbereich des Verbots nicht explizit fest‑ legen, ist er durch Auslegung zu ermitteln.

(aa)  Internationaler Anwendungsbereich des Sondervergütungsverbots nach nationalem Recht § 34d Abs. 1 S. 6 GewO bezieht sich auf „Versicherungsvermittler“, d. h. nach der Legaldefinition des Absatzes 1 Satz 1 auf Personen, die „gewerbsmäßig den Abschluss von Versicherungs- oder Rückversicherungsverträgen vermitteln“. Damit sollen nach der Begründung des Regierungsentwurfs nicht nur Vermitt‑ ler mit einer Erlaubnis nach Absatz 1 gemeint sein, sondern auch von der Er‑ laubnispflicht befreite.261 Dementsprechend können trotz der systematischen Stellung der Norm auch ausländische Vermittler i. S. d. § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 256 EuGH,

Urt. v. 17.11.1993, Rs. C-2/91, Slg. 1993, I-5751 Rn. 14; Urt. v. 21.9.1988, Rs. 267/86, Slg. 1988, 4769 Rn. 16. 257  EuGH, Urt. v. 17.11.1993, Rs. C-2/91, Slg. 1993, I-5751 Rn. 17 ff. Dazu Dreher, VersR 2001, 1 (6 ff.); Saller, VersR 2010, 1249 (1252). 258 Dazu Schwintowski, ZfV 2017, 740 (741). 259  Auch im Fall eines belgischen Provisionsabgabeverbots im Bereich der Reisevermitt‑ lung ging der EuGH auf die Grundfreiheiten nicht ein, da das Gericht die Vorlagefrage fälsch‑ licherweise zur Warenverkehrsfreiheit gestellt hatte (EuGH, Urt. v. 1.10.1987, Rs. 311/85, Slg. 1987, 3801 Rn. 32). 260 Krit. zur Konformität mit den Grundfreiheiten jeweils knapp Brömmelmeyer, VuR 2017, 1 (2); Dreher, VersR 1997, 1 (6 f.); Heukamp/Stepanek, VersR 2017, 193 (198). Unter Verweis auf den „neuen“ Zweck des § 48b VAG einen Verstoß gegen europäisches Recht ab‑ lehnend Schwintowski, ZfV 2017, 740 (741). 261  Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 35.



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GewO vom Verbot erfasst sein. Hierfür spricht ferner, dass ausländische Ver‑ sicherer das Sondervergütungsverbot nach § 62 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VAG eben‑ falls einhalten sollen.262 Der Gesetzgeber zeigt dadurch, dass er deutsche Kun‑ den auch gegenüber ausländischen Versicherungsvertreibern vor Fehlanreizen schützen will. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum das Verbot nicht auch gegenüber ausländischen Vermittlern gelten sollte. Sie sind somit nach systematischer und teleologischer Auslegung vom internationalen Anwen‑ dungsbereich des Sondervergütungsverbots erfasst.

(bb)  Rechtfertigung des Verbots mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses? Dadurch werden ihre Möglichkeiten eingeschränkt, einen unmittelbaren Preis‑ wettbewerb zu führen und für ihre Dienstleistungen zu werben. Bereits nach primärrechtlichen Maßstäben beschränkt das Sondervergütungsverbot somit die Grundfreiheiten und bedarf einer Rechtfertigung.263 Gleiches ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 und 2 IDD, der jegliche über die Richtlinie hinausgehende Regulierung einer Verhältnismäßigkeitskontrolle unterzieht. Entscheidend ist daher, ob das Sondervergütungsverbot zum Schutz zwingender Gründe eines Allgemeininteresses erforderlich ist. Ursprünglich sollte es die Verwaltungskosten der Versicherer senken264 und damit ihre finanzielle Leistungsfähigkeit sichern. Dass das Verbot hierzu er‑ forderlich ist, wurde jedenfalls seit den 1990er-Jahren nicht mehr ernsthaft vertreten.265 Vielmehr, so die Bundesregierung, hätten „die Erfahrungen der 262 Dagegen Fahr, VersR 1992, 1033 (1043); Merz, in: FS Everling, S. 835 (838 f.), die im Hinblick auf den 1923 angeführten Zweck, die Senkung der Verwaltungskosten und damit die Sicherung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen, vertreten, dass die Bestimmung zur Finanzaufsicht i. S. d. § 62 Abs. 1 S. 1 VAG zu rechnen sei und daher trotz des Verweises nicht auf ausländische Versicherer angewendet werden könne. Dagegen spricht, dass der ur‑ sprüngliche Zweck seit langer Zeit nicht mehr zur Rechtfertigung herangezogen wird (Dreher, VersR 1997, 1 [6]; i. E. ebenso Saller, VersR 2010, 1249 [1250]). 263 Vgl. EuGH, Urt. v. 4.5.2017, Rs. C-339/15, GRUR 2017, 627 (630) Rn. 62 f., wo‑ nach auch unterschiedslos auf In- und Ausländer anwendbare Maßnahmen, die die Möglich‑ keit der Dienstleister einschränken, „sich bei ihren potenziellen Kunden bekannt zu machen und die Dienstleistungen, die sie ihnen anbieten möchten, zu fördern“, einer Rechtfertigung bedürfen. Ausreichend ist somit jedenfalls bei der Dienstleistungs- und Niederlassungsfrei‑ heit eine marktzugangsbehindernde Wirkung (vgl. nur EuGH, Urt. v. 28.4.2009, Rs. C-518/06, Slg. 2009, I-3491 Rn. 64). Gegen die Annahme beschränkender Wirkungen wohl Schwintowski, ZfV 2017, 740 (741), der jedenfalls annimmt, § 48b VAG greife nicht in Art. 12 Abs. 1 GG ein, weil er lediglich „Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips“ sei. 264  Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmen, S. 8, abgedruckt in: BAV, Motive VAG, S. 327. 265  Siehe OLG Köln, Urt. v. 11.11.2016, 6 U 176/15, VersR 2017, 227 (229); VG Frank‑ furt/M., Urt. v. 24.10.2011, 9 K 105/11.F, VersR 2012, 358 (361); BAV, GB 1976, 25; 1975, 64; Dreher, VersR 1997, 1 (3); Heukamp/Stepanek, VersR 2017, 193 (196); Saller, VersR 2010, 1249 (1250); Winter, VersR 2002, 1055 (1058). Auch der BGH, der im Jahr 1984 noch den

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Aufsichtsbehörden gezeigt, daß Verwaltungskosten durch ein Begünstigungs‑ verbot nicht in nennenswertem Umfang gesenkt werden können“266. Auch heute ist nicht zu befürchten, dass Vermittler von Versicherern immer höhe‑ re Provisionen verlangen können, wenn sie diese teilweise an Kunden abge‑ ben oder andere Sondervergütungen gewähren. Es ist schon fraglich, ob Ver‑ mittlern eine entsprechende Marktmacht zukommt. Jedenfalls sind steigenden Provisionsforderungen mittlerweile Grenzen gesetzt: § 50 VAG begrenzt Pro‑ visionszahlungen im besonders sensiblen Bereich der substitutiven Kranken‑ versicherung. Allgemein dürfen Zuwendungen Vermittler nach § 48a Abs. 1 VAG nicht daran hindern, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu han‑ deln. Dem stünde es entgegen, würden Vermittlern ausschließlich zur Finan‑ zierung ihrer Sondervergütungen immer stärkere Zugeständnisse gemacht.267 Der ursprüngliche Regelungszweck kann somit nicht mehr zur Rechtfertigung herangezogen werden. Das damit verbundene Ziel, eine Ungleichbehandlung der Versicherungsnehmer zu verhindern, kann angesichts des § 48b Abs. 4 S. 1 VAG nicht mehr vorgebracht werden. Diese Ausnahme erlaubt einen Provisionsverzicht zu‑ gunsten einzelner Versicherungsnehmer und damit eine Ungleichbehandlung. Soweit § 48b Abs. 4 S. 2 VAG die Gleichbehandlungsgebote im Bereich der Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung unberührt lässt, betrifft das eine Gleichbehandlung durch den Versicherer. Dass auch Vermittler in diesen Pro‑ duktbereichen alle Kunden gleichbehandeln müssen, ergibt sich daraus nicht. Soweit man davon abweichend den Zweck des § 48b Abs. 1 S. 1 VAG noch darin sehen wollte, dass alle Kunden vom Vermittler gleichbehandelt werden und dieselbe Vergütung erbringen sollen, stellt dies kein legitimes Allgemein‑ interesse dar. Das vergleichbare Argument, dass alle Kunden für besonders wichtige Produkte dieselbe Gegenleistung erbringen sollen, zog der EuGH nicht einmal zur Rechtfertigung gebundener Preise für Arzneimittel heran.268 Dass verhandlungsschwächere Versicherungsnehmer unter Umständen nicht von denselben Vergünstigungen profitieren wie stärkere,269 rechtfertigt das Ver‑ bot daher ebenfalls nicht. Ein bedeutender, wenn auch häufig nicht explizit ausgesprochener Grund für das Sondervergütungsverbot liegt in der Sicherung der Existenz kleiner Vermittlerbetriebe.270 Ein derartiger Schutz einzelner Marktteilnehmer vor (lauterem) ursprünglichen Regelungszweck anführte (BGH, Urt. v. 19.12.1984, I ZR 181/82, BGHZ 93, 177 [181]; ebenso noch Merz, in: FS Everling, S. 835 [838 f.]), hat ihn später als „überholt“ bezeichnet (BGH, Urt. v. 17.6.2004, III ZR 271/03, VersR 2004, 1029 [1031]). 266  Begr. RegE BT‑Drs. 12/6959, S. 83. 267  Zu den qualitativen Anforderungen, die bei Festlegung der Provisionshöhe beachtet werden müssen, siehe Art. 8 Abs. 2 DVO (EU) 2017/2359. 268  EuGH, Urt. v. 19.10.2016, Rs. C-148/15, NJW 2016, 3771 ff. 269 Vgl. Kahlscheuer, VersVerm 2017, 16 (17). 270  Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses BT‑Drs. 12/7595, S. 104.



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Wettbewerb ist allerdings ebenfalls kein schutzwürdiges Allgemeininteresse.271 Der EuGH stellt regelmäßig klar, dass „wirtschaftliche Gründe“ allein eine Be‑ schränkung nicht rechtfertigen können.272 Wie bei Art. 12 Abs. 1 GG ist daher davon auszugehen, dass die Grundfreiheiten „lediglich die freie Betätigung im Rahmen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, nicht aber Bestandsschutz gegen rechtmäßigen Wettbewerb gewährleiste[n]“273. Insofern könnte das Verbot allenfalls aus Nachfragersicht damit gerechtfer‑ tigt werden, dass es die flächendeckende Versorgung mit Versicherungsvermittlungsleistungen sichern soll. Angesichts der Verzichtsmöglichkeit, die § 48b Abs. 4 S. 1 VAG eröffnet, ist bereits fraglich, ob das Verbot zur Erreichung die‑ ses Ziels geeignet ist. Im Übrigen stellt der EuGH hohe Anforderungen an den Nachweis, dass ein Preiswettbewerb das flächendeckende Angebot von Leis‑ tungen vor Ort gefährdet.274 Dafür, dass der Wettbewerb mit Provisionsabgaben lokale Vermittlerbetriebe derart stark verdrängt, dass persönliche Beratungsleis‑ tungen zum Teil nicht mehr angeboten werden, gibt es keine Nachweise. Dementsprechend bleibt nur noch der allgemeine Versicherungsnehmerschutz zur Rechtfertigung des Verbots. Diesbezüglich wurde früher vor allem auf eine höhere Markttransparenz verwiesen:275 Da Kunden bereits unterschied‑ liche Versicherungsbedingungen und -tarife vergleichen müssten, sollten sie nicht auch noch Provisionsabgaben in ihre Auswahlentscheidung einbeziehen müssen. Diese Argumentation beruht allerdings nicht auf Transparenzgedan‑ ken. Dadurch, dass Vermittler die Höhe ihrer Provision nicht offenlegen müs‑ sen und auch keine Provisionsanteile abgeben dürfen, werden Kunden vielmehr Informationen vorenthalten.276 Die Argumentation läuft also letztlich darauf hi‑ naus, dass man Kunden nicht zutraut, sowohl das Preis-Leistungs-Verhältnis des Versicherungsprodukts als auch das der Vermittlungsleistung zu bewerten. Man würde ihnen lediglich eine wohlinformierte Entscheidung zwischen ver‑ 271  Vgl. EuGH, Urt. v. 12.10.2004, Rs. C-60/03, Slg. 2004, I-9553 Rn. 18, 35 ff., wo er le‑ diglich den Schutz fairen Wettbewerbs, nicht aber die Sicherung der „wirtschaftliche[n] Exis‑ tenz von Mittel- und Kleinbetrieben in Deutschland“ als Allgemeininteresse anerkennt. Siehe auch Ludwigs, in: Dauses/Ludwigs, Hdb. EU‑WR, E. I. (August 2017) Rn. 105, wonach „die Er‑ haltung eines angemessenen Auskommens für die Erwerbstätigen“ kein legitimes Schutzziel ist. 272 EuGH, Urt. v. 16.2.2012, verb. Rs. C-72/10 und C-77/10, EuZW 2012, 275 (278) Rn. 59 m. w. N. 273  So zu Art. 12 Abs. 1 GG Heukamp/Stepanek, VersR 2017, 193 (196), u. a. unter Verweis auf BVerfGE 105, 252 (265). Vgl. auch VG Frankfurt/M., Urt. v. 24.10.2011, 9 K 105/11.F, VersR 2012, 358 (361). Zur marktwirtschaftlichen Grundlage des Binnenmarkts siehe Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 EUV. 274  Vgl. für die flächendeckende Versorgung durch Apotheken EuGH, Urt. v. 19.10.2016, Rs. C-148/15, NJW 2016, 3771 (3773) Rn. 35 ff. Darauf verweisend auch Brömmelmeyer, VuR 2017, 1 (2). 275  Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses BT‑Drs. 12/7595, S. 109. 276  Ähnlich OLG Köln, Urt. v. 11.11.2016, 6 U 176/15, VersR 2017, 227 (230); VG Frank‑ furt/M., Urt. v. 24.10.2011, 9 K 105/11.F, VersR 2012, 358 (361); Heukamp/Stepanek, VersR 2017, 193 (196).

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

schiedenen Anbietern auf dem Vermittlermarkt ersparen. Angesichts der markt‑ wirtschaftlichen Grundlagen des Binnenmarkts ist das kein legitimes Ziel. Es liegt dem Verbot angesichts der Ausnahme in § 48b Abs. 4 S. 1 VAG ohnehin nicht mehr zugrunde. Danach müssen Verbraucher beim Vergleich von Ver‑ sicherungsprodukten und Vermittlern nämlich nunmehr berücksichtigen, inwie‑ weit Sondervergütungen die Konditionen verschiedener Versicherungsverträge beeinflussen. Das ist sogar intransparenter als eine unmittelbare Provisions‑ abgabevereinbarung zwischen Vermittlern und Kunden.277 Mit der Markttrans‑ parenz lässt sich das Verbot somit nicht rechtfertigen. Es könnte aber zur Sicherung der Beratungsqualität der Vermittler erfor‑ derlich sein. So wurde argumentiert, Vermittler könnten bei einem Verzicht auf einen Teil ihrer Vergütung keine professionelle Beratung und Betreuung mehr bieten.278 Auch diese Begründung ist mit der Einführung des § 48b Abs. 4 S. 1 VAG überholt. Kunden können Vermittler nun zu einem Provisionsver‑ zicht drängen, der sich unmittelbar in einer geringeren Prämie niederschlägt. Selbst wenn man annimmt, dass durch die Kopplung an den Versicherungs‑ vertrag jedenfalls massenhafte Provisionsabgaben verhindert werden, wäre das Verbot nicht zur Sicherung der Beratungsqualität erforderlich. Die IDD sieht eine staatliche Aufsicht vor, die auch die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln des Art. 20 IDD sicherstellen muss. Als milderes Mittel zum Provisionsabgabe‑ verbot hätte der deutsche Gesetzgeber daher diese Vorgaben umsetzen und Be‑ hörden verpflichten müssen zu überwachen, ob Vermittler die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden ermitteln und hinreichend beraten.279 Bei (Online-) Vermittlern, die mit hohen Provisionsabgaben werben, könnten sie dann prüfen, ob diese den Preiswettbewerb nur durch Effizienz führen oder durch rechtswid‑ riges Abweichen von gesetzlichen Beratungsstandards. Ferner sorgen Verfahren nach dem UWG und § 63 VVG für eine Sicherung der Beratungsqualität. Das mildere Mittel liegt also in der konsequenten Überwachung und Sanktionierung von Verstößen gegen Wohlverhaltenspflichten. Angesichts dessen lässt sich das Sondervergütungsverbot allenfalls, wie zu‑ letzt bei der IDD‑Umsetzung angeführt, mit einer Verhinderung von Fehlanreizen rechtfertigen.280 Ein Kunde soll sich beispielsweise nicht deshalb für ein Versicherungsprodukt entscheiden, weil ihm ein Vermittler für den Vertrags‑ schluss einen 100 €-Gutschein, eine Barzahlung von 50 € oder einen Rabatt für andere Produkte verspricht. Das Verbot soll also die Entscheidungsfreiheit der 277  Vgl. bereits Saller, VersR 2010, 1249 (1250); Winter, VersR 2002, 1055 (1058), wo‑ nach die Problematik beim Vergleich der Tarife und nicht der Provisionsabgaben liege. 278 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses BT‑Drs. 12/7597, S. 109; Winter, VersR 2002, 1055 (1058). 279  Zu diesem Defizit im Aufsichtsrecht siehe S. 41 ff. 280  Begr. RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 40; Gegenäußerung BReg BT‑Drs. 18/11627, S. 59; Kahlscheuer, VersVerm 2017, 16 (17).



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Kunden schützen, indem sie ihre Auswahlentscheidung allein auf Basis ihrer Wünsche und Bedürfnisse und des Preis-Leistungs-Verhältnisses eines Ver‑ sicherungsprodukts treffen können. Damit kann sich der Gesetzgeber auf ein Allgemeininteresse berufen, das auch im europäischen Recht als schutzwürdig angesehen wird (Art. 17 ff. IDD). Erforderlich ist das Verbot allerdings ohnehin nur, soweit es sicherstel‑ len soll, dass Kunden ihre Auswahlentscheidung zwischen Versicherungspro‑ dukten verschiedener Anbieter nicht von einer vom Versicherungsvertrag un‑ abhängigen Zuwendung abhängig machen, d. h. sie nur darauf achten, welcher Versicherungsschutz für sie am passendsten ist.281 Die Verhinderung der Ver‑ mittlung eines unpassenden, d. h. ihren Wünschen und Bedürfnissen nicht ge‑ recht werdenden Produkts wird nämlich bereits durch § 63 VVG und die von der IDD geforderte aufsichtsrechtliche Überwachung der Vorgaben des Art. 20 sichergestellt. In Anbetracht dessen ist das Verbot jedenfalls bei Versicherungsmaklern nicht erforderlich. Stellen sie entsprechend ihrer Verpflichtung aus dem Makler‑ vertrag mehrere Versicherungsverträge zur Auswahl und gewähren sie bei der Vermittlung aller Produkte dieselbe Sondervergütung (z. B. bei jeder Hausrat‑ versicherung 50 €), wird die Auswahlentscheidung für ein bestimmtes Produkt nicht von dem „Rabatt“ beeinflusst. Makler sorgen bereits durch den Markt‑ vergleich dafür, dass Kunden den passendsten Versicherungsschutz erhalten. In derartigen Fällen hat eine Provisionsabgabe oder sonstige Sondervergütung keinen Einfluss auf die Auswahl des Versicherungsprodukts, sondern vorgela‑ gert auf die Auswahl des Vermittlers. Das Verbot verhindert lediglich, dass Kunden von Vermittlern „angelockt“ werden, die unter Umständen kosteneffi‑ zienter arbeiten. Diesen (lauteren) Wettbewerb zu verhindern, lässt sich aller‑ dings nicht rechtfertigen. Es müsste vielmehr nachgewiesen werden, dass die Sondervergütung bei der Auswahl des Vermittlers Fehlanreize setzt. In diesem Sinne könnte das Versprechen einer hohen Provisionsabgabe oder eines sons‑ tigen Rabatts beim Kunden die Vorstellung hervorrufen, der Vermittler werde besonders günstig tätig. Das trifft nicht zu, wenn er mit Versicherern deutlich höhere Provisionssätze vereinbart hat als seine Konkurrenten. Kunden könnten fälschlicherweise von einer hohen Sondervergütung auf geringere Gesamtkos‑ ten für die Vermittlungsleistung schließen und teurere Marktanbieter für güns‑ tiger halten. Wenngleich diese Gefahr besteht, ließe sie sich nur durch eine Pro‑ visionsoffenlegungspflicht beseitigen. Kunden könnten dann erkennen, welche Vergütung ein Makler im Ergebnis erhält. Bei Versicherungsmaklern, die für gleichartige Produkte dieselbe Sondervergütung versprechen, ist das Verbot dementsprechend nicht erforderlich. 281  So ist wohl auch die Gegenäußerung der Bundesregierung (BT‑Drs. 18/11627, S. 59) zu verstehen.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

Selbst bei unterschiedlich hohen Sondervergütungen für gleichartige Pro‑ dukte genügt die Pflicht des Maklers, seine Empfehlungen ausschließlich an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden auszurichten, um Entscheidungen für schlechtere Produkte zu verhindern. Soweit die Gefahr besteht, dass Makler hohe Provisionsabgaben vor allem für die Produkte anbieten, für die sie höhe‑ re Provisionen bekommen, wäre ebenfalls eine Provisionsoffenlegungspflicht ein geeigneteres und milderes Mittel. Beim Provisionsvertrieb besteht generell die Gefahr, dass Makler ihre Empfehlungen an der Provisionshöhe ausrichten. Um Kunden eine wohlinformierte Entscheidung zu ermöglichen und mögliche Fehlanreize zu erkennen, wäre also Kostentransparenz ein milderes Mittel als eine Wettbewerbsbeschränkung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH in der Rechts‑ sache 286/81. In dem Verfahren ging es um ein niederländisches Zugabeverbot, das Gewerbetreibenden untersagte, Waren als Zugaben zu anderen Produkten an‑ zubieten, wenn diese nicht geringwertig sind oder im Zusammenhang mit dem Hauptprodukt verwendet werden. Der EuGH hielt die hierdurch bewirkte Be‑ schränkung der Warenverkehrsfreiheit aus Verbraucherschutzgründen zur Her‑ stellung größerer Markttransparenz für gerechtfertigt, weil „das Angebot von Zugaben als Mittel der Absatzförderung bei den Verbrauchern einen Irrtum über die tatsächlichen Preise der Erzeugnisse bewirken und die Bedingungen eines auf Leistung beruhenden Wettbewerbs verfälschen kann“282. Er folgte damit den Erklärungen der deutschen Regierung, wonach Zugaben eine „Preisver‑ schleierung“ bewirkten; „es werde der Anschein der Unentgeltlichkeit erweckt, während tatsächlich der Preis der Zugabe bereits in den Preis der Hauptware mit einkalkuliert worden sei“283. Diese Überlegungen lassen sich auf den Versiche‑ rungsvermittlungsmarkt und das Sondervergütungsverbot nicht übertragen. Der Preis für das Hauptprodukt des Vermittlers, die Vermittlungsleistung, ist Kunden ohne eine Provisionsoffenlegungspflicht schon nicht bekannt. Die fehlende oder gefährdete Markttransparenz entsteht daher nicht erst durch das Versprechen einer Sondervergütung, sondern besteht bereits vorher. Auch dadurch, dass ein Rabatt, wie von § 48b Abs. 4 S. 1 VAG gefordert, dem Versicherungsvertrag un‑ mittelbar zugutekommt, entsteht keine größere Transparenz auf dem Vermittler‑ markt als bei einer direkten Auszahlung der Sondervergütung an den Kunden. Es handelt sich lediglich um eine andere Modalität der Rabattgewährung, die Kun‑ den gerade nicht die wahre Vergütung des Vermittlers transparent macht. Das Sondervergütungsverbot ist dementsprechend nicht geeignet, die vom EuGH zur Rechtfertigung des Zugabeverbots herangezogene Markttransparenz zu för‑ dern.284 Bei Versicherungsmaklern ist es also nicht erforderlich. 282  283 

EuGH, Urt. v. 15.12.1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, 4575 Rn. 18. EuGH, Urt. v. 15.12.1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, 4575 (4581 f.). 284  Siehe ergänzend bereits die Überlegungen auf S. 111.



B.  Vermittleraufsicht im Binnenmarkt

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Bei Versicherungsvertretern und Versicherungsunternehmen, die nur ei‑ gene Produkte anbieten, kann eine Sondervergütung hingegen als „Verkaufs‑ argument“285 Einfluss auf die Auswahlentscheidung der Kunden nehmen. Im Hinblick auf vom Versicherungsvertrag unabhängige Zuwendungen könnten sie zum Abschluss eines Vertrags bewogen und von einem eigenen Marktver‑ gleich abgehalten werden. Hierdurch könnte die Sondervergütung verschlei‑ ern, dass Leistung und Gegenleistung eines Versicherungsprodukts schlech‑ ter als bei anderen Anbietern sind. Allerdings ist der europäische Gesetzgeber der Gefahr, dass Kunden Versicherungsprodukte nicht vergleichen können, be‑ reits durch verpflichtende Produktinformationsblätter i. S. d. Art. 20 Abs. 3–8 IDD entgegengetreten. Angesichts dieser Informationsgrundlagen ist fraglich, ob ein Sondervergütungsverbot erforderlich ist, um Kunden vor einer voreili‑ gen Entscheidung zu schützen. Hierbei ist insbesondere in Erinnerung zu rufen, dass Versicherungsnehmer ihre Willenserklärung auf Abschluss eines Versiche‑ rungsvertrags nach den §§ 8 und 152 VVG binnen 14 bzw. 30 Tagen widerru‑ fen können. Selbst wenn sie durch eine Sondervergütung zum Abschluss eines Vertrags verleitet werden, können sie also nachträglich noch die Leistungen des Vertrags mit anderen Produkten vergleichen. Der finanzielle „Fehlanreiz“ wirkt sich schon nicht besonders stark aus. Ferner legt der EuGH seinen Betrachtungen das Bild eines normal infor‑ mierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmers zugrunde.286 Dass dieser sich ohne jede weitere Überlegung beispielsweise von einem 50 €-Gutschein dazu verleiten lässt, eine Versicherung abzuschließen, darf bezweifelt werden.287 Jedenfalls ist der Anreiz, übereilt einen Vertrag ab‑ zuschließen, derselbe, als wenn ein Vertreter damit wirbt, dass der Kunde nur eine 10 % niedrigere Prämie zahlen muss und damit 50 € spart. In beiden Fäl‑ len ist es heutzutage üblich, dass Versicherungsnehmer versuchen, Testberichte zum Angebot sowie zu alternativen Produkten einzuholen.288 Keinesfalls lassen sie sich nur von Sondervergütungen locken. Das gilt erst recht bei gewerblichen oder freiberuflichen Versicherungsnehmern, denen man zutrauen kann, auch bei Rabattangeboten nicht auf einen Marktvergleich zu verzichten. In Anbetracht dieses Leitbildes ist es auch nicht erforderlich, dass Zuwendungen eines Ver‑ mittlers dem Versicherungsvertrag unmittelbar zugutekommen. Für den Ver‑ sicherungsnehmer macht es wirtschaftlich keinen Unterschied, ob eine jährliche Zuwendung auf sein Konto überwiesen wird und er so einen Teil der geschulde‑ ten Prämien ausgleichen kann oder ob der Betrag durch Vereinbarung mit dem Versicherer unmittelbar zur Prämienreduktion verwendet wird. Die Annahme, 285 

Gegenäußerung BReg BT‑Drs. 18/11627, S. 59. Urt. v. 23.4.2015, Rs. C-96/14, NJW 2015, 1811 (1814) Rn. 47; ähnlich zum Verbraucherleitbild bereits EuGH, Urt. v. 16.7.1998, Rs. C-210/96, Slg. 1998, I-4657 Rn. 31. 287 Ähnlich Brömmelmeyer, VuR 2017, 1 (2). 288  Vgl. bereits allg. BGH, Urt. v. 26.3.1998, I ZR 222/95, NJW‑RR 1998, 1497 (1498). 286  EuGH,

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im ersten Fall verstehe der Kunde die Zahlung als „Geschenk“ ohne Bezug zum Versicherungsvertrag und sei daher ein Fehlanreiz, geht von einem unver‑ ständigen Verbraucher aus. Schließt er im Zusammenhang mit der Sonderver‑ gütungsvereinbarung einen Versicherungsvertrag ab, in dem ihm die monatli‑ che Prämie angezeigt wird, kann er seine Gesamtkostenbelastung auf einfache Weise errechnen.289 In die Abwägung ist darüber hinaus einzustellen, dass mit den geringen ver‑ braucherschützenden Vorteilen erhebliche Nachteile einhergehen.290 So be‑ schränkt das Sondervergütungsverbot den Wettbewerb in dem aufgrund des Provisionssystems ohnehin schon wettbewerbsärmeren Markt und verhindert Kostenvorteile für Verbraucher. Dem steht lediglich der Schutz vor Übereilung und Unterlassen eines Produktvergleichs gegenüber, der angesichts der vorheri‑ gen Ausführungen als wenig notwendig angesehen werden kann.291 Im Ergeb‑ nis geht das Sondervergütungsverbot somit über das zur Erreichung des Ver‑ sicherungsnehmerschutzes Erforderliche hinaus. § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO i. V. m. § 48b VAG verstoßen gegen die Grundfreiheiten und sind auf EU-/ EWR-ausländische Vermittler nicht anwendbar.

(c)  Anwendung auf deutsche Vermittler Umgekehrt stellt sich die Frage, ob das Verbot von deutschen Vermittlern bei ihrer Dienstleistungs- bzw. Niederlassungstätigkeit im Ausland eingehalten wer‑ den muss. Eine derartige extraterritoriale Anwendbarkeit wird von der GewO und dem VAG nicht explizit angeordnet. Jedenfalls die Verordnung über das Verbot von Sondervergütungen und Begünstigungsverträgen von 1982 galt aber auch bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten deutscher Versicherer an ausländische Kunden.292 Das beruhte allerdings darauf, dass mit dem Verbot früher eine Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer erreicht werden soll‑ te.293 Der internationale Anwendungsbereich bestimmte sich dementsprechend danach, ob ein Vertrag eines deutschen Versicherers vermittelt wurde, und er‑ fasste in dem Fall auch deutsche Vermittler im Auslandsverkehr. Mittlerweile soll das Sondervergütungsverbot Kunden nur noch vor Fehl‑ anreizen schützen. Dass der Gesetzgeber ausländischen Kunden diesen Schutz aufdrängen will, ist nicht ersichtlich. Im Zweifel überlässt er die Festlegung die‑ ses Schutzniveaus nach dem Grundsatz der größeren Nähe den anderen Staaten. 289 Ebenso Brömmelmeyer, VuR 2017, 1 (2). 290  Vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 11.11.2016, 6

U 176/15, VersR 2017, 227 (230). Zu Recht an der verbraucherschützenden Wirkung zweifelnd daher die Stellungnahme des Bundesrates, BT‑Drs. 18/11627, S. 54. 292  Vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung, wonach das Verbot die unter Bundesaufsicht stehenden Versicherungsunternehmen und die Vermittler der bei ihnen abgeschlossenen Versicherungs‑ verträge erfasste (BGBl. I v. 2.9.1982, S. 1243). 293  BAV, VerBAV 1982, 456 (457). 291 



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Die extraterritoriale Anwendung würde deutsche Vermittler darüber hinaus im Wettbewerb im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr benachteiligen. Das will der Gesetzgeber jedenfalls dann nicht, wenn wie hier keine nationalen Interessen betroffen sind. Angesichts des fehlenden eigenen Allgemeininteres‑ ses könnte die mit der Anwendung des Sondervergütungsverbots einhergehen‑ de Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit deutscher Vermittler und auslän‑ discher Kunden ohnehin nicht gerechtfertigt werden. Im grenzüberschreitenden Verkehr im Binnenmarkt ist das Sondervergütungsverbot alles in allem nicht anwendbar.

(3)  Beschränkte Rechtsdienstleistungsbefugnisse und Sonderregeln für Versicherungsberater (a)  Rechtsdienstleistungen von Versicherungsmaklern und -beratern § 34d Abs. 1 und 2 GewO trennt die unter den europäischen Vermittlerbegriff fallenden Versicherungsmakler und -berater. Da beide mittlerweile im Auftrag ihrer Kunden Versicherungen vermitteln dürfen, unterscheiden sie sich im We‑ sentlichen nur noch in ihrer Befugnis zur Rechtsberatung: Soweit ihre Tätig‑ keit Rechtsdienstleistungen294 beinhaltet, sind diese nur zulässig, soweit sie ge‑ setzlich erlaubt werden (§ 3 RDG) oder als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören (§ 5 Abs. 1 RDG). Makler und Berater dürfen daher Rechtsdienstleistungen erbringen, die erforderlich sind, um Versicherungsver‑ träge zu vermitteln, die Pflichten der §§ 59 ff. VVG zu erfüllen und Kunden bei der Betreuung bestehender Verträge295, insbesondere der Geltendmachung von Ansprüchen, zu beraten.296 Ohne Bezug zur Vermittlung bzw. Betreuung von Verträgen dürfen Makler nach § 34d Abs. 1 S. 8 GewO i. V. m. § 3 RDG Rechts‑ dienstleistungen nur bei der Beratung von Unternehmern oder deren Beschäf‑ tigten erbringen.297 Eine von zu vermittelnden oder vermittelten Verträgen los‑ gelöste Beratung von Verbrauchern ist nach § 34d Abs. 2 S. 2 GewO i. V. m. § 3 RDG Versicherungsberatern vorbehalten. 294 

Das sind nach § 2 Abs. 1 RDG Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern. Eine solche kann bei der Auslegung von AVB, der Analyse von Risiken oder der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Versiche‑ rungsvertrag erforderlich sein. Damit gehen viele Beratungs- und Vermittlungsleistungen eines Maklers mit einer rechtlichen Prüfung einher (enger Enke, Honorarberatung, S. 76 ff., 87 ff., 131; Schwintowski, VersR 2009, 1333 [1334 f.]). Zur Reichweite siehe nunmehr BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1060) Rn. 43 ff. 295  Dazu BGH, Urt. v. 28.6.2018, I ZR 77/17, VersR 2018, 1383 (1384) Rn. 16, 19 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.10.2009, 4 U 113/09, VersR 2011, 366 (368); OLG Hamm, Urt. v. 16.8.1984, 4 U 189/84, VersR 1985, 59. 296  Vgl. zum Makler § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und S. 4 Nr. 1 GewO und zum Berater § 34d Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 3 GewO. 297  Mit einer Beratung gegen „gesondertes Entgelt“ sind daher definitiv Fälle erfasst, in denen eine Vermittlung gar nicht beabsichtigt ist (vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 18).

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

Aus dem Zusammenspiel dieser Normen ergibt sich auch die Zulässigkeit des sog. Honorarvertriebs298. Nach § 5 Abs. 1 RDG i. V. m. § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GewO darf sich ein Versicherungsmakler vom Kunden jedenfalls eine vom Vermittlungserfolg abhängige Provision, d. h. ein Vermittlungshonorar, versprechen lassen und im Zusammenhang mit dieser Vermittlungstätigkeit Rechtsdienstleistungen erbringen.299 Inwieweit Berater und Makler hingegen ein erfolgsunabhängiges Beratungshonorar verlangen dürfen, ist höchst proble‑ matisch: Gesetzlich i. S. d. § 3 RDG erlaubt § 34d Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GewO der‑ artige Vereinbarungen mit Unternehmern und Verbrauchern nur Versicherungs‑ beratern. Makler werden demgegenüber in § 34d Abs. 1 S. 8 GewO lediglich ermächtigt, „Dritte, die nicht Verbraucher sind, [und deren Beschäftigte] bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten“. Ob sie darüber hinaus generell Ver‑ braucher nach § 5 Abs. 1 S. 1 RDG gegen ein erfolgsunabhängiges Honorar be‑ raten dürfen, weil derartige Tätigkeiten als Nebenleistung zu ihrem Berufsbild gehören, ist höchst umstritten. Einige gehen davon aus, dass Rechtsdienstleistungen durch eine eigenständi‑ ge Vergütung der Beratung ihren Charakter als Nebenleistung i. S. d. § 5 Abs. 1 RDG verlieren.300 Das kann nicht überzeugen, weil nicht nur die Vermittlung, sondern auch die wirtschaftliche Beratung und Risikoanalyse vor der Vermitt‑ lung bzw. bei der Betreuung von Versicherungsverträgen zur Haupttätigkeit eines Maklers gehören.301 Diesbezüglich sind Rechtsdienstleistungen wie die Auslegung von AVB unabhängig von der Art der Vergütung Nebenleistungen. Soweit bei der Beratung die Vermittlung eines konkreten Vertrags beabsichtigt war, stehen Rechtsdienstleistungen ferner in sachlichem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit. Eine erfolgsunabhängige Vergütung der Beratungsleistung eines Versiche‑ rungsmaklers gehört allerdings nicht zu dessen Berufsbild i. S. d. § 5 Abs. 1 RDG. Dieses ergibt sich maßgeblich auch aus einem Vergleich zu dem Be‑ rufsbild des Versicherungsberaters.302 Im Hinblick darauf hielt die Versiche‑ 298  Zur Terminologie siehe S. 21. 299  Vgl. nur zur Tarifwechselberatung

BGH, Urt. v. 28.6.2018, I ZR 77/17, VersR 2018, 1383 (1384) Rn. 19 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.6.2018, 6 U 122/17, BeckRS 2018, 14373 Rn. 27 ff. 300  BAV, VerBAV 1996, 222; GB 1987, 44; Karle, VersR 2000, 425; Schafstädt, Provi­ sionsberatung, S. 109. Vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 11.4.2014, 6 U 187/13, VersR 2015, 1181 (1182). 301 Ebenso Ruttloff, GewArch 2009, 59 (61 f.) mit Verweis auf die geschäftsbesorgungs‑ vertraglichen Elemente des Versicherungsmaklervertrags sowie Enke, Honorarberatung, S. 119 ff. Demgegenüber betrachten Baumann, Versicherungsmakler, S. 326 sowie die in der vorigen Fn. Genannten wohl allein die Vermittlung als Haupttätigkeit. 302  Vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.2.1995, AnwZ (B) 71/94, NJW 1995, 2357; Beschl. v. 14.6.1993, AnwZ (B) 15/93, BeckRS 1993, 31170524.



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rungsaufsicht schon früher eine Honorarberatung für unzulässig.303 Mit der gewerberechtlichen Regulierung und § 34d Abs. 1 S. 8 GewO hat der Gesetz‑ geber sich dem angeschlossen und eine Liberalisierung explizit nur für Un‑ ternehmergeschäfte vorgenommen. Im Übrigen bleibt es dabei, dass Mak‑ ler ein gesondertes, d. h. vom Vermittlungserfolg unabhängiges Entgelt304 für die Rechtsberatung von Verbrauchern nicht fordern dürfen.305 Das lässt sich damit rechtfertigen, dass die gesonderte Vergütung einer (Rechts-)Beratungs‑ leistung nur zulässig sein soll, wenn sie ohne Interessenkonflikte erbracht wird, was lediglich bei Versicherungsberatern durch das Provisionsannahmeverbot des § 34d Abs. 2 S. 3 GewO sichergestellt wird. Soweit Marktteilnehmer hin‑ gegen von der Versicherungswirtschaft nicht völlig unabhängig sind, sollen Verbraucher für ihre Beratungsleistungen keine gesonderte Vergütung zahlen müssen.306 Ein erfolgsunabhängiges Beratungshonorar dürfen Versicherungs‑ makler daher von Verbrauchern abgesehen von § 34d Abs. 1 S. 8 GewO nicht verlangen.307

(b)  Tätigkeit ausländischer Vermittler „als“ Versicherungsberater? Das Verbot einer vermittlungs(erfolgs)unabhängigen Beratung(svergütung) gilt jedenfalls für deutsche Versicherungsmakler und nicht für deutsche Versiche‑ rungsberater. Dementsprechend ist es im Interesse ausländischer Vermittler, ebenfalls von den für Versicherungsberater geltenden Rechtsberatungsbefug‑ nissen zu profitieren. Inwieweit das möglich ist, wurde bisher unter der Fra‑ gestellung diskutiert, ob ausländische Marktteilnehmer in Deutschland „als“ 303 BAV, VerBAV 1996, 222; GB 1990, 55; 1987, 44 f.  A. A. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.12.1990, 2 U 121/90, VersR 1991, 883 (884), ohne nähere Begründung. 304 Anders die Auslegung des Begriffs „gesondert“ bei Ruttloff, GewArch 2009, 59 (60). Danach seien ausschließlich Beratungen ohne Vermittlungsintention gemeint. Wie hier i. E. Enke, Honorarberatung, S. 67 f. 305 Vgl. auch Begr. RegE BT‑Drs. 16/3655, S. 41, wo hinsichtlich der Liberalisierung nur auf § 34d Abs. 1 S. 4 GewO a. F. verwiesen wird; ebenso Schafstädt, Provisionsberatung, S. 109. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Gesetzgeber es im Zuge der IDD‑Um‑ setzung abgelehnt hat, ein Honorarannahmeverbot für Versicherungsmakler einzuführen (siehe § 34d Abs. 1 S. 6 GewO im RegE BT‑Drs. 18/11627, S. 6). Damit wären auch Vermittlungshonorare bei Nettopolicen unzulässig geworden. Diesen Schritt wollte der Gesetzgeber nicht gehen. Für erfolgsunabhängige Beratungshonorare lässt sich daraus nichts herleiten (vgl. auch Beenken/Sandkühler, Versicherungsvertriebsrecht, S. 132). Anders zur Rechtslage vor der IDD bereits Enke, Honorarberatung, S. 63 ff., 192 ff. 306 Vgl. Zinnert, Recht und Praxis, S. 368 f. Ähnlich früher BAV, VerBAV 1996, 222; Karle, VersR 2000, 425. Zur Gefahr von Interessenkonflikten bei Versicherungs(rechts)be‑ ratungen von Maklern siehe auch BGH, Beschl. v. 13.2.1995, AnwZ (B) 71/94, NJW 1995, 2357; Beschl. v. 14.6.1993, AnwZ (B) 15/93, BeckRS 1993, 31170524. 307  I. E. ebenso Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 81 m. w. N.; Zinnert, Recht und Praxis, S. 369. A. A. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.12.1990, 2 U 121/90, VersR 1991, 883 (884); Enke, Honorarberatung, S. 57 ff. (zum Berufsbild S. 63 ff., 192 ff.); Ruttloff, GewArch 2009, 59 (60, 63); Schwintowski, VersR 2009, 1333 (1335).

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Versicherungsberater tätig werden können. Das dürfte maßgeblich daran liegen, dass der Gesetzgeber in § 34d Abs. 7 S. 2 GewO auch ausländische „Versiche‑ rungsberater“ von der Erlaubnispflicht befreit. Zu Recht wurde dieser Verweis kritisiert, da in den meisten Ländern eine Trennung von Versicherungsmaklern und -beratern nicht üblich ist.308 Hieraus zu folgern, dass die Norm allen aus‑ ländischen Vermittlern eine Tätigkeit als Versicherungsberater in Deutschland erlaubt,309 geht aber zu weit. Dagegen spricht schon, dass ausländische Ver‑ mittler an die begrenzte Wirkung der Erlaubnis ihres Herkunftsstaats – z. B. für eine bestimmte Vermittlerkategorie – gebunden sind.310 Jedenfalls gebundene Versicherungsvertreter sind also schon an einem unabhängigen Versichererver‑ gleich gehindert. Soweit ausländische Vermittler hingegen nicht verpflichtet sind, ausschließ‑ lich mit einem oder mehreren Versicherer(n) zu arbeiten, sind sie mit den deut‑ schen Maklern und Beratern vergleichbar.311 Inwieweit sie deswegen an die Sonderregeln für deutsche Versicherungsberater gebunden werden können bzw. von ihnen profitieren, wird unterschiedlich beurteilt: Reiff schlägt vor, auf Pro‑ visionsbasis arbeitenden Vermittlern zu untersagen, in Deutschland unter der Berufsbezeichnung „Versicherungsberater“ tätig zu werden.312 Das bedarf kei‑ ner weiteren Diskussion, weil der Vermittler ohnehin in der Kategorie, d. h. auch unter der Berufsbezeichnung, seines Herkunftsstaats, in Deutschland tätig wird.313 Zusätzlich, so Reiff, solle ihnen untersagt werden, in Deutschland Tä‑ tigkeiten auszuüben, „die sich materiell als Tätigkeit eines Versicherungsbera‑ ters darstellen“314. Schönleiter hingegen schlägt vor, einen ausländischen Vermittler in Deutschland entweder als Makler oder Berater einzutragen.315 Eine Eintragung als Versicherungsberater sei möglich, wenn seine Tätigkeit der eines deutschen Beraters entspreche, „selbst wenn das Zuwendungsannahmeverbot in seinem Heimatland nicht gilt oder er sonstwie mit einem VU verbunden ist“. Die An‑ wendung des Zuwendungsannahmeverbots auf ausländische Vermittler oder Berater scheitere aber am Europarecht.316 Damit würde die wesentliche Un‑ terscheidung zwischen Maklern und Beratern für ausländische Vermittler auf‑ 308  Reiff, VersR 2007, 717 (730); ders., in: FS Birk, S. 703 (710); Schönleiter, in: Land‑ mann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 222. 309  So jedenfalls zum Wortlaut der Norm Reiff, VersR 2007, 717 (730); ders., in: FS Birk, S. 703 (710). Dazu bereits ablehnend S. 85. 310  Dazu S. 81 ff. 311 Vgl. nur in Österreich die Kategorie der „Versicherungsmakler und Berater in Ver‑ sicherungsangelegenheiten“ (§ 137 Abs. 2 öGewO). 312  Reiff, VersR 2007, 717 (730); ders., in: FS Birk, S. 703 (710). 313  Zur entsprechenden Auslegung der VersVermV siehe S. 102. Ähnlich auch § 15 Abs. 4 RDG für vorübergehende Rechtsdienstleistungen. 314  Reiff, VersR 2007, 717 (730); ders., in: FS Birk, S. 703 (710). 315  Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 222. 316  Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 34d (April 2018) Rn. 222. Unklar ist,



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gegeben. Welchen Sinn dann die Eintragung noch haben soll, wird nicht deut‑ lich. Dass eine Eintragung des ausländischen Vermittlers in das Vermittlerregister unter einer deutschen Kategorie nicht verlangt werden kann, wurde oben bereits dargelegt.317 Sie ist größtenteils auch nicht erforderlich, da Makler und Berater in Deutschland ähnliche Befugnisse haben. Angesichts dessen sollte die Diskus‑ sion nicht darüber geführt werden, ob ausländische Vermittler in Deutschland „als“ Versicherungsberater tätig werden dürfen. Vielmehr muss die Betrachtung am Verbot des Rechtsdienstleistungsgesetzes ansetzen. Nur soweit dieses auf ausländische Vermittler überhaupt anwendbar ist, stellt sich die Frage, inwie‑ weit sie in den Genuss der für deutsche Versicherungsberater geltenden Befug‑ nisse kommen.

(c)  Anwendbarkeit des Rechtsdienstleistungsgesetzes auf ausländische Vermittler Das RDG ist gem. § 1 Abs. 1 anwendbar, wenn Personen „in der Bundesrepublik Deutschland“ Rechtsdienstleistungen erbringen. Nach der Begründung des Re‑ gierungsentwurfs ist hierzu keine physische Präsenz in Deutschland erforder‑ lich. Vielmehr genügt es, wenn ausländische Rechtsdienstleister „in das Bun‑ desgebiet hineinwirken“318. Der danach erforderliche Bezug zur BRD ergibt sich maßgeblich aus den Zielen des RDG: dem Schutz der Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleis‑ tungen (§ 1 Abs. 1 S. 2 RDG). Diesen Zielen entsprechend ist das RDG nach § 1 Abs. 2 in Fällen, in denen Dienstleistungen ausschließlich aus einem anderen Staat heraus erbracht werden,319 nur anwendbar, wenn ihr Gegenstand deut‑ sches Recht ist. In der Regel unterfallen danach auch ausländische Vermittler dem RDG, wenn sie sich an deutsche Kunden wenden. Das gilt nicht nur, wenn sie vor Ort in Deutschland beraten, sondern auch, wenn sie sich aus dem Ausland an deutsche Kunden wenden. Die Ausnahme des § 1 Abs. 2 RDG könnte nur grei‑ fen, wenn deutsche Kunden im ausländischen Recht beraten werden. Soweit zu Versicherungsverträgen beraten wird, auf die wie im Regelfall das für deutsche Kunden vertraute Recht Anwendung findet,320 genügt daher ein „Hineinwir‑ ob er sich damit nur auf die Tätigkeit des Vermittlers im Herkunftsstaat bezieht oder auch in Deutschland. 317  Siehe hierzu S. 84 ff. Vgl. auch ErwG 18 letzter Satz IDD. Angesichts der rechtsver‑ bindlichen Entscheidung für eine deutsche Vermittlerkategorie würde die Eintragung hier auch nicht mehr lediglich zu Informationszwecken vorgenommen. 318  Begr. RegE BT‑Drs. 18/9521, S. 203. 319 Das ist der Fall, wenn der Dienstleister das Gebiet der BRD nicht betritt, Begr. RegE BT‑Drs. 18/9521, S. 203; Beschlussempfehlung und Bericht Rechtsausschuss BT‑Drs. 18/11468, S. 13. 320  Siehe Art. 7 Rom I‑VO (hierzu kurz auf S. 160).

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

ken“ ausländischer Vermittler. Entsprechend den Ausführungen zur Verteilung der Regelungskompetenz nach der IDD, sollte man ein derartiges „Hineinwir‑ ken“ allerdings erst dann annehmen, wenn die Merkmale des Dienstleistungsoder Niederlassungsverkehrs i. S. d. IDD erfüllt sind. In allen anderen Fällen soll das Aufsichtsrecht des Herkunftsmitgliedstaats Anwendung finden und der Vermittler darauf vertrauen, dass ihm die dort geltenden Befugnisse zustehen, weil ein besonderer Bezug zum Aufnahmemitgliedstaat nicht besteht. Diese Wertung kann bei der Konkretisierung des offen formulierten Tatbestands‑ merkmals des Inlandsbezugs in § 1 Abs. 1 S. 1 RDG entsprechend berücksich‑ tigt werden. Da die Beschränkungen der Beratungsbefugnisse maßgeblich dem Ver‑ sicherungsnehmerschutz, d. h. dem Schutz des rechtsuchenden Kunden, die‑ nen, finden sie auch dann keine Anwendung, wenn ausländische Vermittler aus‑ ländische Kunden im Zusammenhang mit der Vermittlung des Produkts eines deutschen Versicherers beraten. Im Übrigen sind ausländische Vermittler im Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr in Deutschland aber regelmäßig an das RDG gebunden.

(d)  Rechtsdienstleistungsbefugnisse ausländischer Vermittler321 Nach § 3 RDG dürfen sie Rechtsdienstleistungen erbringen, soweit ihnen dies aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Unmittelbar auf Befugnisse aus auslän‑ dischen Gesetzen kann dabei nicht abgestellt werden, da die §§ 1 und 15 RDG sonst unterlaufen würden. Auch die im Ausland erteilte Erlaubnis eines Ver‑ sicherungsvermittlers, die in Deutschland anerkannt wird, ist für die Befug‑ nisse bei der Berufsausübung nicht generell maßgeblich. Das beruht auf der Differenzierung zwischen Zulassungsaufsicht, bei der das Herkunftslandprin‑ zip gilt, und laufender Aufsicht, der das modifizierte Bestimmungslandprinzip zugrunde liegt. In welchem Rahmen Beratungsbefugnisse bestehen, darf daher ein Aufnahmemitgliedstaat selbst festlegen. In Deutschland sind auf auslän‑ dische Vermittler jedenfalls die sich aus § 34d Abs. 1 S. 2, 4 und 8 GewO er‑ gebenden Befugnisse zur Rechtsberatung anzuwenden.322 Die Art. 20 und 30 321  Auf § 15 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 RDG soll nicht eingegangen werden. Diese Normen betreffen vorübergehende Rechtsdienstleistungen EU-/EWR-ausländischer Ren‑ tenberater oder vergleichbarer Berufe. Wenngleich sie auch über staatlich geförderte priva‑ te Versicherungsprodukte beraten dürfen, ist davon eine generelle Beratung zu und Vermitt‑ lung von privaten Lebens- bzw. Rentenversicherungsprodukten nicht umfasst (vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 16/3655, S. 65; Schmidt, in: Krenzler, RDG, § 10 Rn. 64). 322 Eine Analogie ist nicht erforderlich, da § 34d Abs. 7 S. 1 GewO auch ausländische Marktteilnehmer als „Versicherungsvermittler“ bezeichnet, sodass auf sie die Bestimmungen des Absatzes 1 angewendet werden können, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die denen der Le‑ galdefinition des Absatzes 1 Satz 1 und 2 entsprechen. Vgl. ähnlich die Argumentation zur An‑ wendbarkeit des Sondervergütungsverbots des § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO auf ausländische Anbieter auf S. 108.



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IDD legen Vermittlern vor Abschluss eines Versicherungsvertrags umfangrei‑ che Pflichten auf, die zum Teil eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern. Schon um ausländische Vermittler nicht zu diskriminieren, dürfen sie daher je‑ denfalls im Umfang des § 34d Abs. 1 GewO Rechtsdienstleistungen erbringen. Auch im Hinblick auf Unternehmergeschäfte ist kein Grund ersichtlich, auslän‑ dische „Versicherungsmakler“, d. h. Personen, die nicht vertraglich verpflich‑ tet sind, Verträge bestimmter Versicherer zu vermitteln, zu diskriminieren und § 34d Abs. 1 S. 8 GewO nicht anzuwenden. Eine Befreiung vom verbleibenden Verbot vermittlungsunabhängiger Rechtsberatungen und erfolgsunabhängiger Beratungsvergütung im Verbrau‑ cherbereich ist darüber hinaus nur nach § 3 oder § 5 Abs. 1 RDG möglich. Nach § 5 Abs. 1 RDG wäre entscheidend, ob derartige Beratungstätigkeiten als Ne‑ benleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild ausländischer Vermittler gehören. Hierbei ist zu differenzieren:

(aa)  Von Vertragsvermittlung oder -betreuung losgelöste Beratungsleistungen und § 5 Abs. 1 RDG Erbringen sie Rechtsdienstleistungen gegenüber Verbrauchern völlig losgelöst von Vermittlungsbemühungen oder einer Vertragsbetreuung, handelt es sich schon nicht um Nebenleistungen i. S. d. § 5 Abs. 1 RDG. Auch Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IDD verstehen unter Versicherungsvermittlung nur die Beratung oder das Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder zu deren Verwaltung. Die vorrangigen Regelungen der IDD und der GewO zur grenzüberschreitenden Versicherungsvermittlung sollen ausländischen Marktteilnehmern daher nicht generell die Erbringung von Rechtsdienstleistungen ermöglichen. Damit ergibt sich auch aus der An‑ erkennung der im Herkunftsmitgliedstaat erteilten Zulassung nicht, dass aus‑ ländische Vermittler unabhängig von einer Versicherungsvermittlung Rechts‑ dienstleistungen erbringen dürfen.323 Soweit Beratungsleistungen gar keinen Bezug zur Vertragsvermittlung oder -betreuung haben, müssen derartige Tä‑ tigkeiten daher nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 RDG als Nebenleistung angesehen werden. Beratungsleistungen ausländischer Vermittler gegenüber Verbrauchern ohne Bezug zu Vorbereitungsarbeiten zum Abschluss oder der Verwaltung von Versicherungsverträgen sind folglich nicht nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt.

323  Das zeigt sich deutlich in einem Fall, in dem ein Marktteilnehmer im Ausland Ver‑ sicherungen vermitteln und unbegrenzt Rechtsberatung anbieten darf. Der Marktzugang im Bereich der Versicherungsvermittlung führt nicht dazu, dass Rechtsberatungen in Deutschland nun generell zulässig sind. Eine Veröffentlichung dieses Verbots nach Art. 11 Abs. 1 IDD ist nicht erforderlich, da der sachliche Anwendungsbereich der IDD nicht eröffnet ist.

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(bb)  Erfolgsunabhängige Beratungsvergütung und § 5 Abs. 1 RDG Besteht hingegen ein solcher Bezug, verlieren Rechtsdienstleistungen auch dann nicht ihren Charakter als Nebenleistungen, wenn Versicherungsnehmer die Beratung erfolgsunabhängig gesondert vergüten. Entscheidend ist daher, ob eine derartige Tätigkeit zum Berufsbild eines ausländischen Vermittlers ge‑ hört (§ 5 Abs. 1 S. 1 RDG). Hierbei ist problematisch, dass sich das gesetzliche Berufsbild ausländischer Vermittler nicht aus den Vermittlerkategorien der Ab‑ sätze 1 und 2 des § 34d GewO ergibt, sondern vielmehr nach den rechtlichen Rahmenbedingungen des Herkunftsmitgliedstaats. Die oben angestellte Über‑ legung, dass eine mit einem erfolgsunabhängigen Beratungshonorar vergütete Rechtsdienstleistung nicht zum Berufsbild eines Versicherungsmaklers i. S. d. § 34d Abs. 1 GewO gehört, lässt sich daher nicht auf ausländische Vermitt‑ ler übertragen. Entspricht es ihrem Berufsbild im Herkunftsmitgliedstaat, er‑ folgsunabhängige Beratungsleistungen anzubieten, wäre die Ausnahme des § 5 Abs. 1 RDG einschlägig und ein Vermittler dürfte auch in Deutschland derartige Dienstleistungen erbringen. Hiergegen ließe sich allenfalls anführen, dass der Gesetzgeber mit der in § 34d Abs. 7 GewO vorgenommenen Differenzierung zwischen Vermittlern und Beratern erweiterte Befugnisse zur Rechtsberatung nur dann gewähren will, wenn ausländische Vermittler den deutschen Kategorien entsprechen. Entschei‑ dend für die Erweiterung der Rechtsdienstleistungsbefugnisse wäre dabei die Einhaltung des Provisionsannahmeverbots. Hieraus könnte man ableiten, dass das ausländische Berufsbild bei § 5 Abs. 1 S. 1 RDG nicht relevant ist. Das al‑ lerdings ist vor allem aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes, des Art. 11 Abs. 1 IDD und der Grundfreiheiten bedenklich. Danach muss für ausländische Ver‑ mittler erkennbar sein, an welche strengeren Vorgaben sie im Dienstleistungsoder Niederlassungsverkehr in Deutschland gebunden sind. Das ist hinsichtlich etwaiger Beschränkungen der Honorarberatungsbefugnisse nicht der Fall, da Deutschland die entsprechenden Bestimmungen nach Erlass der VermRL nicht als Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses mitgeteilt hat,324 vermut‑ lich weil schon in Inlandssachverhalten Unklarheit besteht. Umso unklarer ist die Rechtslage bei ausländischen Vermittlern angesichts des Zusammenspiels der GewO und des RDG. Legen Bestimmungen aber die Modalitäten ihrer An‑ wendung auf Personen anderer Mitgliedstaaten nicht klar fest, können sie ihnen auch nicht entgegengehalten werden.325 Entsprechende Beschränkungen kön‑ nen daher jedenfalls solange nicht auf ausländische Vermittler angewendet wer‑ den, wie der Gesetzgeber nicht eine transparente Festlegung des internationa‑ 324 

Siehe die Zusammenstellung bei CEIOPS, CEIOPS‑DOC-09/07 – Annex 3, S. 5. Urt. v. 17.12.2015, Rs. C-342/14, NJW 2016, 857 (859) Rn. 58. Nach Rn. 59 gebietet es nämlich der „Grundsatz der Rechtssicherheit […], dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen“. 325  EuGH,



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len Anwendungsbereichs in der GewO vorgenommen hat. Bis dahin kann sich die Befugnis zur erfolgsunabhängigen Honorarberatung aus dem Berufsbild des Herkunftsmitgliedstaats ergeben. Während ausländischen Vermittlern also die Erbringung von Rechtsdienst‑ leistungen gegenüber Verbrauchern ohne Bezug zur Vertragsvermittlung oder -verwaltung grundsätzlich verboten ist, dürfen sie für Vermittlungs- und Ver‑ waltungstätigkeiten eine erfolgsunabhängige Beratungsvergütung vereinbaren, wenn dies zu ihrem Berufsbild im Herkunftsmitgliedstaat gehört.

(cc)  Anwendung der Sonderbefugnisse für Versicherungsberater auf ausländische Vermittler (§ 3 RDG) Soweit die Rechtsberatungsbefugnisse ausländischer Vermittler hiernach be‑ schränkt sind, stellt sich die Frage, ob sie von den Verboten wie deutsche Ver‑ sicherungsberater befreit werden können. Gegen eine derartige Befreiungsmög‑ lichkeit lässt sich jedenfalls nicht anführen, dass eine den Versicherungsberatern vergleichbare Tätigkeit Rechtskenntnisse voraussetzt, die über die allgemeinen Anforderungen an Versicherungsvermittler hinausgehen. Das deutsche Ge‑ werberecht verlangt von Versicherungsberatern nämlich kein höheres Maß an Sachkunde.326 Die generelle Nichteröffnung der Befreiungsmöglichkeit für aus‑ ländische Vermittler wäre daher eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung. Angesichts dessen erscheint es überzeugend, die Befugniserweiterung des § 3 RDG i. V. m. § 34d Abs. 2 S. 2 GewO ebenfalls auf ausländische Marktteil‑ nehmer anzuwenden. Das steht mit dem Wortlaut und der Systematik des § 34d GewO im Einklang, da dessen Absatz 2 grundsätzlich auch auf ausländische Vermittler Anwendung findet. Sie werden lediglich durch § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 i. V. m. S. 2 GewO von der Erlaubnispflicht befreit. Das schließt es nicht aus, im Übrigen den Absatz 2 auf ausländische Marktteilnehmer anzuwenden. Voraussetzung hierfür muss sein, dass ihre Tätigkeit im Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr in Deutschland mit dem Berufsbild der deutschen Ver‑ sicherungsberater vergleichbar ist. Das bedeutet, dass sie in Deutschland Ver‑ sicherungsberatungsleistungen gegen gesondertes Entgelt erbringen dürfen, wenn sie hier das Provisionsannahmeverbot einhalten. In dem Fall wird si‑ chergestellt, dass sie im Hinblick auf ihre Inlandstätigkeit von der Versiche‑ rungswirtschaft unabhängig sind. Dass sie in ihrem Herkunftsstaat bei Bera‑ tungstätigkeiten gegenüber den dort ansässigen Kunden keinen vergleichbaren Beschränkungen unterliegen, ist unerheblich, da die Ausgestaltung der Berufs‑ 326  Siehe § 34d Abs. 5 S. 1 Nr. 4 GewO i. V. m. § 2 und Anlage 1 VersVermV sowie Begr. RegE BT‑Drs. 16/1935, S. 21; krit. Reiff, VersR 2007, 717 (729); ders., in: FS Birk, S. 703 (709). Die deutschen Behörden können im Übrigen sicherstellen, dass ausländische Vermittler bzw. Berater sich ausreichend fortbilden, und dabei Beratungstätigkeiten in Deutschland be‑ rücksichtigen (dazu allg. S. 80).

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zulassung und -ausübung insoweit allein das Herkunftslandrecht bestimmen kann.327 Diese Lösung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in § 34d Abs. 7 S. 1 und 2 GewO eine Differenzierung zwischen Vermittlern und Beratern vorgenommen hat, die sinnlos wäre, wenn die Sonderregeln für Ver‑ sicherungsberater nicht auf ausländische Marktteilnehmer anwendbar wären. Die Bestimmung würde darüber hinaus ins Leere gehen, würde man fordern, dass im Herkunftsmitgliedstaat des Vermittlers in gleicher Weise zwischen Maklern und Beratern unterschieden wird, da eine solche Trennung anderen europäischen Staaten fremd ist. Die Einhaltung des Provisionsannahmeverbots als Bedingung für erweiter‑ te Rechtsdienstleistungsbefugnisse zu verlangen, steht auch mit europäischem Primär- und Sekundärrecht im Einklang. Mitgliedstaaten dürfen ungebundenen Vermittlern nach Art. 22 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 3 UAbs. 1 IDD sogar generell die Annahme von Zuwendungen durch Versicherer verbieten und dieses Ver‑ bot auch auf Vermittler anderer Mitgliedstaaten anwenden. Erst recht dürfen sie daher als milderes Mittel die Einhaltung eines Provisionsannahmeverbots zur Bedingung besonderer Beratungsbefugnisse machen. Dies dient nämlich dem Verbraucherschutz als Allgemeininteresse dadurch, dass Kunden gesonderte Entgelte für Rechtsberatungen nur zahlen müssen, wenn die Beratungsleistung ohne Interessenkonflikte erbracht wird. Diese Lösung hätte auch den Vorteil, dass ausländische Vermittler sich zwar nicht generell für eine deutsche Vermittlerkategorie entscheiden müssen, sie aber die Wahl haben, von erweiterten Rechtsdienstleistungsbefugnissen zu pro‑ fitieren, indem sie das Provisionsannahmeverbot beachten. Die IHKs sollten ungebundene Vermittler auf die Beschränkungen des Rechtsdienstleistungs‑ gesetzes und die erweiterten Befugnisse von Versicherungsberatern hinweisen und anbieten, die Einhaltung des Provisionsannahmeverbots zu kontrollieren. Entscheidet sich ein ausländischer Vermittler hierfür, sollten die deutschen Be‑ hörden in Kooperation mit der ausländischen die Einhaltung des Verbots kon‑ trollieren und darauf achten, dass bei der Fortbildung des Vermittlers i. S. d. Art. 10 Abs. 1 und 2 UAbs. 2 IDD die Tätigkeit in Deutschland angemessen be‑ rücksichtigt wird.

(dd)  Zwischenergebnis und Vereinbarkeit der Honorarberatungsgrenzen mit den Grundfreiheiten Ausländische Vermittler, die nicht vertraglich verpflichtet sind, für bestimm‑ te Versicherer tätig zu werden, dürfen Rechtsdienstleistungen somit grund‑ 327 

Darüber hinaus finden wesentliche Regelungen des Versicherungsberaterrechts wie § 48c VAG keine Anwendung, wenn der Vermittler Kunden im Herkunftsmitgliedstaat Pro‑ dukte ausländischer Versicherer anbietet, die nicht in Deutschland zum Geschäftsbetrieb be‑ fugt sind.



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sätzlich nur erbringen, wenn sie mit der Vermittlung oder Betreuung konkreter Versicherungsverträge in sachlichem Zusammenhang stehen. Ist das der Fall, dürfen sie eine Honorarberatung mit Rechtsdienstleistungen nur anbieten, so‑ weit dies ihrem Berufs- oder Tätigkeitsbild im Herkunftsstaat entspricht. Von diesen Beschränkungen können sie nach § 3 RDG i. V. m. § 34d Abs. 2 GewO befreit werden, wenn sie bei ihrer Tätigkeit in Deutschland das Provisions‑ annahmeverbot einhalten und damit im Rechtsverkehr „wie“ ein deutscher Ver‑ sicherungsberater auftreten. Davon ausgehend ist auch auf die Ansicht Enkes einzugehen, ein „Verbot der Honorarvergütung des Versicherungsmaklers“ verstoße gegen die Dienst‑ leistungsfreiheit.328 Unabhängig davon, dass kein derartiges generelles Ver‑ bot existiert, ist das Argument, ausländische Makler, die in ihrem Herkunfts‑ staat einem Provisionsverbot unterliegen, könnten in Deutschland nicht tätig werden,329 wie gerade dargelegt, unzutreffend. Sie können vielmehr wie ein Versicherungsberater agieren. Soweit Makler in Deutschland auch auf Provi‑ sionsbasis arbeiten möchten, rechtfertigen sich die Beschränkungen aus den oben erläuterten Verbraucherschutzgründen. Der Gesetzgeber schafft mit der Gesamtkonzeption einen Anreiz, sich generell vom Provisionssystem zu lösen. Für Verbraucher soll Klarheit bestehen, dass sie Beratungsleistungen nur ge‑ sondert vergüten müssen, wenn Berater von der Versicherungswirtschaft völlig unabhängig sind.

(e)  Beschränkungen deutscher Versicherungsvermittler und -berater bei Auslandstätigkeiten Erbringen deutsche Versicherungsvermittler gegenüber ausländischen Kunden Rechtsdienstleistungen, könnte man das RDG nach § 1 Abs. 1 für anwendbar halten, wenn sie physisch in der BRD verbleiben. Hat die Rechtsdienstleis‑ tung allerdings ausschließlich Auswirkungen auf den ausländischen Markt und sind ausschließlich Kunden dieses anderen Staates betroffen, spricht § 1 Abs. 1 S. 2 RDG dafür, nicht sämtliche Beschränkungen des RDG auf den deutschen Vermittler anzuwenden.330 Das gilt erst recht für die hier relevante Frage, in‑ wieweit Vermittler eine versicherungsrechtliche Beratung anbieten dürfen. Da ausschließlich Interessen ausländischer Kunden betroffen sind, könnte der deut‑ sche Gesetzgeber die Einschränkung der Beratungsbefugnisse schon nicht mit einem eigenen Allgemeininteresse rechtfertigen. Hierüber entscheidet daher der Aufnahmemitgliedstaat.331 328 

Enke, Honorarberatung, S. 208 f. Enke, Honorarberatung, S. 209. Vgl. auch Remmertz, in: Krenzler, RDG, § 1 Rn. 52, 62, 93. 331  A. A. Enke, Honorarberatung, S. 209, die ohne Begründung von der internationalen Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgeht. 329  330 

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Allerdings unterliegen Versicherungsberater nach § 34d Abs. 2 S. 3 GewO dem Provisionsannahmeverbot. Eine Befreiung hiervon beim Dienstleis‑ tungs- oder Niederlassungsverkehr sieht die GewO nicht vor. Das lässt sich damit rechtfertigen, dass die Neutralität und der Berufsstand der Versicherungs‑ berater durch einen Provisionsvertrieb nicht beeinträchtigt werden sollen. So‑ weit sie Bruttopolicen deutscher Versicherer vermitteln, können sie nach § 34d Abs. 2 S. 6 GewO die Durchleitung der Zuwendung veranlassen. Vermitteln sie im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr Produkte ausländischer Ver‑ sicherer, die nicht nach § 48c i. V. m. § 62 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VAG an das Durch‑ leitungsgebot gebunden sind, können sie keine Bruttopolicen vermitteln bzw. müssen sicherstellen, dass Provisionen aus den Prämien herausgerechnet wer‑ den. De lege ferenda bietet es sich an, § 34d Abs. 2 S. 3 GewO auf die „Tätig‑ keit in Deutschland“ zu beschränken, damit die Versicherungsberater auf dem ausländischen Vermittlermarkt keine Wettbewerbsnachteile haben. Inwieweit ihnen Rechtsberatungsbefugnisse zustehen, entscheidet ohnehin das dort gel‑ tende Recht. Dadurch, dass sie im Auslandsverkehr Provisionen erhalten, wird ihre Neutralität in Deutschland auch nicht erheblich beeinträchtigt. Entschei‑ dend ist, dass deutsche Kunden darauf vertrauen können, dass die Berater neben der Beratungsgebühr keine weiteren Zuwendungen vom Versicherer erhalten.

(4) Schadensregulierungsverbot Das RDG setzt nicht nur der entgeltpflichtigen Beratung, sondern auch der Schadensregulierung durch Versicherungsmakler Grenzen. In der Praxis wur‑ den sie früher zum Teil von Versicherern damit beauftragt, Versicherungsfälle zu regulieren. Vor allem im Bereich der Haftpflichtversicherung sollten Mak‑ ler mit Vollmacht eines Versicherers mit Geschädigten verhandeln und gegen den Versicherungsnehmer gerichtete Ansprüche gegebenenfalls außergericht‑ lich abwehren. Der BGH sah eine derartige Schadensregulierung für den Versicherer nicht als erlaubte Nebenleistung i. S. d. § 5 Abs. 1 RDG an. Sie stehe zwar mit der Betreuung von Versicherungsverträgen in sachlichem Zusammenhang,332 ge‑ höre aber nicht zum Berufsbild des Versicherungsmaklers, der Sachwalter des Kunden sei.333 Daher müsse der Makler den Kunden bei der Schadensregulie‑ rung unterstützen und nicht den Versicherer. Wegen dieser Leistungspflicht ge‑ genüber dem Versicherungsnehmer hielt der BGH eine Schadensregulierung 332  BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1057) Rn. 15; vgl. nun‑ mehr auch § 34d Abs. 1 S. 4 Nr. 1 GewO. Im Rahmen einer gegen das Urteil gerichteten Anhö‑ rungsrüge äußerte der BGH allerdings angesichts der Bearbeitung von 12.000–15.000 Einzel‑ schadensfällen jährlich Zweifel, ob die rechtliche Anspruchsprüfung nicht Hauptleistung sei (BGH, Beschl. v. 3.11.2016, I ZR 107/14, BeckRS 2016, 109935 Rn. 12). 333  BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1057) Rn. 17, 19. Ausf. auch Schlömer, Prämieninkasso, S. 108 ff.



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für den Versicherer auch nach § 4 RDG für verboten. Danach dürfen Rechts‑ dienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer Leistungs‑ pflicht haben, nicht erbracht werden, wenn die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Die hiernach zu vermeidende Interes‑ senkollision sah der BGH darin, dass ein Makler bei einer Regulierung für den Versicherer die Interessen des Kunden beachten müsse. Er müsse daher ent‑ weder maklervertragliche Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer ver‑ letzen oder die Rechtsdienstleistung unter Umständen gegen die Interessen sei‑ nes Auftraggebers erbringen.334 Auch im Haftpflichtbereich seien die Interessen von Versicherungsnehmern und Versicherern nicht immer übereinstimmend auf die Abwehr eines Anspruchs gerichtet. Ein Versicherungsnehmer könne – um seine Kunden zufrieden zu stellen – ein Interesse daran haben, dass ein mög‑ lichst hoher Entschädigungsbetrag gezahlt wird, während der Versicherer den Anspruch abwehren will.335 Erst recht ist Maklern hiernach die Regulierung von Versicherungsfällen für Versicherer verboten, soweit es um Ansprüche der Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsvertrag geht. Angesichts der ge‑ genläufigen Interessen der beiden Vertragsparteien bestünde die Gefahr, dass Makler entweder nicht im besten Interesse der Kunden handeln oder die Rechts‑ dienstleistung nicht an den Interessen der Versicherer als Auftraggeber ausrich‑ ten. Das Verbot soll somit im Ergebnis sowohl den Versicherungsnehmer336 als auch den Versicherer337 schützen.

(a)  Internationaler Anwendungsbereich des Verbots Dieser Schutzzweck ist vor allem bei der Auslegung des internationalen An‑ wendungsbereichs des Verbots zu beachten. Nach § 1 Abs. 1 ist das RDG nur anwendbar, wenn ein ausländischer Dienstleister – unabhängig von seiner Nie‑ derlassung – in die BRD „hineinwirkt“. Da sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherer durch das Verbot der Schadensregulierung geschützt werden sollen, liegt ein Hineinwirken dann vor, wenn ihre Interessen i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 RDG betroffen sind. Das RDG ist daher sowohl dann anwendbar, wenn ein Makler die Schadensregulierung für einen deutschen Versicherer übernimmt, als auch dann, wenn er den Vertrag eines deutschen Kunden betreut. Nach § 1 334  BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1059) Rn. 33 f. Ausf. auch Schlömer, Prämieninkasso, S. 116 f., der § 4 RDG nicht für einschlägig hält, wenn der Makler zur Schadensregulierung in zweifelsfrei zu beurteilenden Schadensfällen bevollmächtigt wird. 335  BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1058 f.) Rn. 24, 33 f. Zuvor bereits Henssler/Deckenbrock, DB 2014, 2151 (2155); Krenzler, BRAK‑Mitteilungen 2015, 19 (21 f.). 336  Auch diesem gegenüber lässt sich letztlich auf § 4 RDG abstellen. Hat der Makler auch den Versicherungsnehmer im Schadensfall zu unterstützen und beinhaltet dies eine rechtliche Prüfung, ist auch diese gefährdet, soweit eine Leistungspflicht gegenüber dem Versicherer zur Schadensregulierung besteht. 337  Vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1059) Rn. 34.

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Abs. 2 ist die Anwendbarkeit des RDG nur ausgeschlossen, wenn ein Makler ausschließlich aus einem anderen Staat tätig wird und nicht im deutschen Recht berät. Bei einer Beratung zu Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag wäre daher maßgeblich, welchem Recht dieser unterliegt. Bei der Abwehr von Haft‑ pflichtansprüchen Dritter käme es darauf an, nach welchem Recht sich eine mögliche Haftung des Versicherungsnehmers richtet. Bei grenzüberschreiten‑ den Fällen mit Bezug zu Deutschland müssen Makler angesichts dieser engen Einschränkungen häufig mit der Anwendbarkeit des RDG rechnen. Wegen § 1 Abs. 1 S. 2 sollte das RDG allerdings dann nicht angewendet werden, wenn Ver‑ mittler zwar in Deutschland physisch präsent sind, dabei aber eine Schadens‑ regulierung ausschließlich mit Bezug zum ausländischen Markt und Rechts‑ verkehr erbringen.338 Das wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Makler mit Niederlassung in Deutschland den Vertrag eines ausländischen Kunden bei einem ausländischen Versicherer betreut und Ansprüche ausländischer Geschä‑ digter abgewehrt werden sollen. Hier besteht kein hinreichendes Schutzbedürf‑ nis für eine Anwendung des Schadensregulierungsverbots. Soweit ausländische Vermittler hingegen vom Anwendungsbereich des RDG erfasst sind, dürfen auch sie für Versicherer nur dann schadensregulierend tätig werden, wenn dies als Nebenleistung zu ihrem Berufs- oder Tätigkeits‑ bild entsprechend dem Recht ihres Herkunftsmitgliedstaats339 gehört (§ 5 Abs. 1 S. 1 RDG) und wenn die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung nicht durch Interessenkonflikte gefährdet wird (§ 4 RDG). Beide Voraussetzun‑ gen müssen erfüllt sein, da § 4 RDG das Verbot eigenständig trägt.340

(b)  Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Soweit das Schadensregulierungsverbot ausländische oder deutsche Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr beschränkt, muss es mit zwin‑ genden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.341 Der EuGH hat jedenfalls den vom RDG verfolgten Schutz vor unqualifiziertem Rechtsrat grundsätzlich als Allgemeininteresse anerkannt.342 Gleiches gilt für die Siche‑ 338  339 

Vgl. auch Remmertz, in: Krenzler, RDG, § 1 Rn. 52, 62, 93. Vgl. entsprechend oben S. 124 sowie Schlömer, Prämieninkasso, S. 123. 340  BGH, Beschl. v. 3.11.2016, I ZR 107/14, BeckRS 2016, 109935 Rn. 9. Hierauf nicht eingehend Schlömer, Prämieninkasso, S. 123. 341  Ohne weitere Diskussion bejahend BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1059) Rn. 31. Europarechtliche Bedenken bestehen an § 4 RDG, soweit die Norm Rechtsschutzversicherern verbietet, für ihre Versicherungsnehmer Rechtsdienstleistungen zu erbringen (vgl. nur Kleine-Cosack, RDG, § 4 Rn. 22 ff.). Ob in derartigen Situationen, in denen die Leistungspflicht gegenüber der Person besteht, für die auch die Rechtsdienstleistung er‑ bracht wird, tatsächlich ein hinreichender Interessenkonflikt bestehen kann, bedarf keiner wei‑ teren Erläuterung, da es hier um mögliche Interessenkonflikte im Drei-Personen-Verhältnis zwischen Maklern, Versicherern und Versicherungsnehmern geht. 342  EuGH, Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, I-4221 Rn. 17.



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rung der Integrität der Rechtspflege.343 Die IDD erkennt ferner in Art. 17 und 27 das Ziel an, Interessenkonflikte im Bereich der Versicherungsvermittlung zu verhindern. Folglich ist auch der Schutz vor einem mit Interessenkonflikten belasteten Rechtsrat ein anerkennenswertes Allgemeininteresse. Das Schadens‑ regulierungsverbot soll ebensolche Rechtsdienstleistungen, bei denen Makler unter Umständen entgegengesetzte Interessen zweier Auftraggeber vertreten müssen, verhindern und verfolgt damit ein legitimes Ziel.344 Ein milderes Mittel zum generellen Verbot der Schadensregulierung für Ver‑ sicherer wird derzeit allerdings noch im Vereinigten Königreich angewendet. Dort weist die FCA Vermittler lediglich darauf hin, dass sie als Vertreter der Kunden diesen gegenüber Pflichten verletzen können, wenn sie auch im Auf‑ trag eines Versicherers Schäden regulieren. Sie sollten daher die Kunden über diesen Interessenkonflikt informieren. Merkt ein Vermittler im Einzelfall, dass er entgegengesetzte Interessen vertreten muss, soll er den Auftrag des Versiche‑ rers nicht erfüllen.345 Dass eine derartige Regelung Interessenkonflikte effektiv verhindert, ist nicht ersichtlich. In den Bereichen, in denen Versicherungsneh‑ mer und Versicherer entgegengesetzte Interessen haben, d. h. bei der Geltend‑ machung von Ansprüchen gegen den Versicherer, geht auch die Empfehlung der FCA davon aus, dass ein Vermittler in der Regel eine Doppelbeauftragung ablehnen muss. Da die Gefahr einer Verletzung von Interessen des Auftrag‑ gebers hier besonders hoch ist, ist ein im Vergleich zum Verbot milderes Mittel nicht ersichtlich. Allenfalls für den Bereich der Haftpflichtversicherung lässt sich argumentie‑ ren, dass Versicherungsnehmer und Versicherer im Regelfall dasselbe Interesse haben, unbegründete Ansprüche abzuwehren.346 Zwar können ausnahmsweise auch dort entgegengesetzte Interessen bestehen: So kann der Versicherungs‑ nehmer im Interesse der Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung mit dem Geschädigten eine unkomplizierte und hohe Entschädigung wünschen, während der Versicherer den Anspruch abwehren will.347 Umgekehrt mag der Versicherer bei geringen Schäden eher eine Entschädigungsleistung erbringen wollen, wäh‑ rend der Versicherungsnehmer einen etwaigen Schadensfreiheitsrabatt behalten will und auf Abwehrdeckung besteht. Ein Interessenkonflikt ließe sich in diesen Fällen aber dadurch vermeiden, dass Makler ihre Kunden vor der Regulierung nach ihren Interessen befragen. Kollidieren diese mit Weisungen des Versiche‑ rers, müssten Makler die Schadensregulierung abgeben. Soweit Vereinbarungen 343  Vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996, 344 Ebenso Schlömer, Prämieninkasso, S. 120 f. 345  ICOBS 8.3.3 G (3) 346  OLG Köln, Urt. v.

I-6511 Rn. 38.

und (4). 11.4.2014, 6 U 187/13, VersR 2015, 1181 (1183); Kleine-Cosack,

RDG, § 4 Rn. 18. 347  BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1058 f.) Rn. 24, 33 f. Zuvor bereits Henssler/Deckenbrock, DB 2014, 2151 (2155); Krenzler, BRAK‑Mitteilungen 2015, 19 (21 f.).

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zwischen Versicherern und Maklern auf diesem Weg einen Interessenkonflikt vermeiden, ist kein Grund ersichtlich, der die Anwendung des Verbots recht‑ fertigt. Auch die Gefahr, dass Makler einem Versicherungsnehmer trotz unbe‑ friedigender Weisungen des Versicherers bei der Schadensregulierung nicht zu einer Umdeckung raten,348 besteht nicht, wenn sie nur bei gleichgerichteten In‑ teressen regulieren dürfen. Soweit das vertraglich sichergestellt ist, ist ein ge‑ nerelles Verbot der Schadensregulierung nicht erforderlich. In dem Fall dürfte § 4 RDG jedoch bereits nach nationalen Auslegungskriterien nicht anwendbar sein.349 Gehört die Erbringung von Rechtsdienstleistungen für Versicherer in‑ soweit auch zum Berufsbild eines ausländischen Versicherungsvermittlers, darf er in begrenztem Rahmen schadensregulierend tätig werden.350 Im Übrigen hält das Verbot einer Kontrolle am Maßstab des Allgemeininteresses stand.351

(5) Zwischenergebnis Werden Vermittler im Wege der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit i. S. d. IDD grenzüberschreitend tätig, darf der Aufnahmemitgliedstaat sie seinen strengeren aufsichtsrechtlichen Vorgaben unterwerfen, soweit diese nicht beruf‑ liche und organisatorische Anforderungen i. S. d. Art. 10 IDD betreffen und zum Schutz eines Allgemeininteresses erforderlich sind. Diese Beschränkung führt bereits dazu, dass wesentliche regulatorische Vorgaben des deutschen Rechts wie das Sondervergütungsverbot und Abweichungen von der IDD im Bereich der Informationspflichten nicht auf EU-/EWR-ausländische Vermittler anwend‑ bar sind. Es hat sich ferner gezeigt, dass deutsche Vermittler im Dienstleistungsund Niederlassungsverkehr häufig bereits nach nationalen Auslegungsmethoden nicht an strengeres deutsches Aufsichtsrecht gebunden sind.

b) Durchsetzungskompetenz bei Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses und Missbrauchskontrolle Soweit ein Aufnahmemitgliedstaat seine Vorschriften zum Schutz des All‑ gemeininteresses anwenden darf, dürfen seine Behörden diese nach Art. 9 Abs. 1 IDD unmittelbar, d. h. ohne vorherige Einschaltung der Herkunftsland‑ 348  So BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1059) Rn. 33; Krenzler, BRAK‑Mitteilungen 2015, 19 (22). 349  Vgl. allerdings Schlömer, Prämieninkasso, S. 118, der es nicht für ausreichend hält, dass der Versicherer Makler „mit der Maßgabe beauftragt, in Zweifelsfällen den Interessen des Versicherungsnehmers den Vorzug zu geben“, da der Versicherer ein unverzichtbares Interesse daran habe, „die Kontrolle über Regulierungsentscheidungen in Zweifelsfällen zu behalten“. Dieses Interesse wird bei der hier vorgeschlagenen Lösung nicht beeinträchtigt, weil der Mak‑ ler die Schadensregulierung abgibt, wenn sein Kunde andere Interessen hat. 350  Zur damit verbundenen zulässigen Inländerdiskriminierung Schlömer, Prämieninkas‑ so, S. 123 f. 351  Ebenso i. E. Schlömer, Prämieninkasso, S. 120.



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behörden, durchsetzen. Zwar dürfen Mitgliedstaaten Rechtsverstöße danach nur „ahnden“. Damit ist jedoch wie bei Art. 155 Abs. 3 Solvency II‑RL jegliche Verwaltungsmaßnahme gemeint.352 Bei Art. 9 IDD ist eine derartige Auslegung schon erforderlich, da sonst keine Behörde für präventive Maßnahmen zustän‑ dig wäre. Ferner zeigt Art. 9 Abs. 1 S. 2 IDD, dass präventive Maßnahmen mög‑ lich sind. Das dort geregelte Tätigkeitsverbot ist nur ultima ratio. Art. 9 Abs. 1 IDD beschränkt diese Befugnisse auf Fälle, in denen ein Handeln „unbedingt notwendig ist“. Damit ist allerdings keine Einschränkung gemeint, die über die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Grundfreiheitsbeschränkungen hinausgeht. Eine Subsidiarität zur Herkunftslandbehörde besteht bei den strengeren natio‑ nalen Vorschriften nicht. Die „Notwendigkeit“ soll daher nur daran erinnern, bei der Anwendung strengeren nationalen Rechts die Grundfreiheiten zu be‑ achten. Schließlich verbleibt dem Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 9 Abs. 2 IDD die Kompetenz, Vermittler mit Sitz im Ausland daran zu hindern, ihre Tätig‑ keit gänzlich oder hauptsächlich auf das Inland auszurichten und die Dienstleis‑ tungs- oder Niederlassungsfreiheit dazu zu nutzen, Vorschriften des Aufnah‑ mestaats zu umgehen. Damit wird die seit der Rechtssache van Binsbergen353 bestehende Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten übernommen. Ob ein Vermittler seine Tätigkeit gänzlich oder hauptsächlich auf das Hoheits‑ gebiet des Aufnahmemitgliedstaats ausrichtet, ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen.354 Entscheidend ist insbesondere, inwieweit der Vermittler im Herkunftsstaat aktiv ist. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, wann der Ver‑ mittler zu dem einzigen Zweck handelt, die Rechtsvorschriften des Aufnahme‑ mitgliedstaats zu umgehen. Das könnte z. B. der Fall sein, wenn deutsche Ver‑ mittler Gesellschaften im Ausland gründen, um das gegen die Grundfreiheiten verstoßende Sondervergütungsverbot zu umgehen oder nicht an die deutschen Vermittlerkategorien gebunden zu sein. Die Umgehungsabsicht setzt jedenfalls ein rechtsmissbräuchliches Verhalten voraus.355 Die Ausnahme ist angesichts der Bedeutung der Grundfreiheiten eng auszulegen.356 Auf einen entsprechen‑ den Willen des Vermittlers wird man anhand objektiver Indizien schließen kön‑ nen.357 Dabei können der Zeitpunkt der Aufnahme, Inhalt und Ausrichtung der 352  Vgl. auch Art. 31 Abs. 1 S. 1 IDD sowie im Versicherungsaufsichtsrecht jüngst EuGH, Urt. v. 27.4.2017, Rs. C-559/15, EuZW 2017, 606 (608) Rn. 40, wonach die Ahndung auch den „Erlass von Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Unregelmäßigkeiten“ gestattet. 353  EuGH, Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, I-1299 Rn. 13. 354  GA Lenz, Schlussanträge v. 16.6.1994, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 Rn. 55. 355  EuGH, Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 Rn. 21; GA Lenz, Schluss‑ anträge v. 30.4.1996, Rs. C-11/95, Slg. 1996, I-4115 Rn. 73 f. 356  GA Jacobs, Schlussanträge v. 17.9.1996, Rs. C-34/95, Slg. 1997, I-3843 Rn. 45; GA Lenz, Schlussanträge v. 30.4.1996, Rs. C-11/95, Slg. 1996, I-4115 Rn. 75; vgl. auch ErwG 27 S. 2 IDD. 357  GA Lenz will in seinen Schlussanträgen vom 16.6.1994, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795

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Geschäftstätigkeit sowie mögliche unternehmerische Verflechtungen mit dem Aufnahmemitgliedstaat eine Rolle spielen.358 Zu beachten ist, dass wegen Art. 7 Abs. 1 IDD die bloße Verlagerung der Hauptniederlassung nicht genügt, um eine Umgehungsabsicht zu belegen. Die Umgehung muss ferner zur Folge haben, dass das reibungslose Funktionieren der Versicherungsmärkte hinsicht‑ lich des Verbraucherschutzes gefährdet wird. Das ist bei Verstößen gegen das Sondervergütungsverbot nicht zu befürchten.359

c) Zwischenergebnis Während die IDD‑Mindestvorgaben demnach sowohl im Aufsichtsrecht des Herkunfts- als auch des Aufnahmestaats anwendbar sind und von den Behör‑ den zum Teil kooperativ durchgesetzt werden, behalten Aufnahmemitgliedstaa‑ ten eine Kompetenz zur Anwendung und Durchsetzung ihrer Vorschriften zum Schutz des nationalen Allgemeininteresses.

3.  Verschiebung der Regelungskompetenzen im elektronischen Geschäftsverkehr (E‑Commerce) Diese Regelungskompetenz eines Aufnahmemitgliedstaats könnte allerdings im elektronischen Geschäftsverkehr durch Art. 3 Abs. 2 der E‑Commerce-RL360 (auch ECRL) bzw. dessen Umsetzungsnormen (in Deutschland § 3 Abs. 2 TMG) weiter begrenzt sein. Danach dürfen Dienste der Informationsgesellschaft, die nach dem Recht eines Herkunftsstaats rechtmäßig erbracht werden, nicht be‑ schränkt werden. Dieses Herkunftslandprinzip wird von der IDD nicht ver‑ drängt, obwohl sie Aufnahmestaaten zum Erlass strengerer Berufsausübungs‑ regeln ermächtigt. Diese müssen nämlich mit dem übrigen Europarecht im Einklang stehen, wozu auch die E‑Commerce-Richtlinie gehört.361 Im Bereich der elektronischen Versicherungsvermittlung geht die E‑Commerce-Richtlinie daher als lex specialis vor.362 Rn. 56 ff. wegen der Schwierigkeit der Zurechnung bei juristischen Personen das Merkmal ge‑ nerell objektiv auslegen. 358  GA Lenz, Schlussanträge v. 16.6.1994, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 Rn. 65. 359  Zur Bedeutung des Verbots für den Verbraucherschutz siehe S. 111 ff. 360  Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Ge‑ schäftsverkehr“), ABl. L 178 v. 17.7.2000, S. 1. 361  Explizit Art. 22 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 i. V. m. ErwG 52 IDD; allg. ErwG 3 IDD. 362  Vgl. allg. Spindler, ZHR 165 (2001), 324 (348). Art. 1 Abs. 3 ECRL gilt für strengeres nationales Recht gerade nur, „soweit die Freiheit, Dienste der Informationsgesellschaft an‑ zubieten, dadurch nicht eingeschränkt wird“. Eine Ausnahme vom Vorrang der ECRL ggü. der IDD sollte bei Art. 30 Abs. 3 UAbs. 2 IDD gelten. Unterabsatz 1 erlaubt den Mitgliedstaaten, beim execution only-Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten gegenüber den Mindestvor‑ gaben des Art. 30 Abs. 2 IDD mildere Vorgaben zu machen. Macht der Herkunftsmitgliedstaat



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a)  Dienst der Informationsgesellschaft Versicherungsvermittler fallen nur unter die Richtlinie, wenn sie einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ anbieten (Art. 2 lit. a ECRL).363 Hierbei handelt es sich um „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“364. „Ent‑ geltlich“ ist eine Dienstleistung nach ErwG 18 ECRL auch dann, wenn sie nicht von demjenigen vergütet wird, der sie empfängt. Es ist daher unerheb‑ lich, ob ein Vermittler die Vergütung vom Versicherer oder vom Kunden er‑ hält. Der Dienst muss ferner ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht werden. Darüber hinaus setzt die „elektronische“ Er‑ bringung eine Dienstleistung voraus, „die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung […] und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weiterge‑ leitet und empfangen wird“. Anhang V der Richtlinie 98/48/EG stellt klar, dass hierunter weder Sprachtelefondienste noch die anwaltliche Beratung per Tele‑ fon oder Telefax zu verstehen sind, sodass telefonische Dienstleistungen nicht von der ECRL erfasst sind.365 Online-Vergleichsportale oder Versicherungs‑ vermittlungs-Apps fallen demgegenüber in den Anwendungsbereich der Richt‑ linie. Das gilt grundsätzlich auch, wenn Vermittler nur einen Teil ihrer Dienstleis‑ tung elektronisch erbringen. Häufig kommt das bei Vergleichsportalen vor, die die Vermittlung eines Produkts online ermöglichen, aber zusätzlich bei kom‑ plexeren Produkten eine telefonische Beratung anbieten. Die hierbei elektro‑ nisch erbrachten Leistungen stellen grundsätzlich einen Dienst der Informati‑ onsgesellschaft dar. Gleiches gilt bei Vermittlern, die Kunden bei gleichzeitiger physischer Anwesenheit oder telefonisch beraten, aber zusätzliche Dienste wie Apps anbieten. von dieser Möglichkeit Gebrauch, könnte ein dort eingetragener Vermittler die Erleichterun‑ gen bei Anwendung der ECRL in den Aufnahmemitgliedstaat „mitnehmen“. Das will Art. 30 Abs. 3 UAbs. 2 IDD verhindern, da hier das Mindestschutzniveau der IDD betroffen ist, auf dessen Eingreifen ein Aufnahmemitgliedstaat vertrauen darf. Ob beim execution only-Vertrieb mildere Vorgaben als in der IDD gelten, bestimmt somit auch im elektronischen Geschäftsver‑ kehr der Aufnahmestaat. 363  Das entspricht in Deutschland den „elektronischen Informations- und Kommunikati‑ onsdiensten“ i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 TMG. 364  Vgl. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und tech‑ nischen Vorschriften, ABl. L 204 v. 21.7.1998, S. 37, i. d. F. der Richtlinie 98/48/EG des Euro‑ päischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 217 v. 5.8.1998, S. 18. 365  Darunter fällt auch die Internettelefonie, siehe Begr. RegE BT‑Drs. 16/3078, S. 13; Martini, in: BeckOK‑InfoMedienR, § 1 TMG (1.8.2018) Rn. 12, 14.

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b)  Koordinierter Bereich Diese Mischformen sind allerdings nicht vollständig von der ECRL erfasst, sondern nur, soweit Dienste elektronisch erbracht werden. Art. 2 lit. h sublit. ii ECRL stellt klar, dass die Richtlinie Dienste dann nicht mehr erfasst, wenn sie nicht auf elektronischem Wege erbracht werden. Soweit Beratungs- oder Ver‑ mittlungsleistungen daher teilweise telefonisch durchgeführt werden, greift die ECRL in Bezug auf diese Tätigkeiten nicht mehr.366 Online-Vergleichsportale können also auch teilweise unter die ECRL fallen: Soweit sie den Kundenkon‑ takt über eine Website herstellen und der Kunde dort automatisch elektronisch eine Versicherung vermittelt bekommt, fallen sie in den koordinierten Bereich. Soweit Kunden auch telefonisch beraten werden, verliert der Vermittler diesbe‑ züglich den Schutz der Richtlinie. Im Übrigen umfasst der koordinierte Bereich alle Anforderungen, die an den Diensteanbieter oder den Dienst gestellt werden (Art. 2 lit. h ECRL). Das be‑ trifft bei der Berufsausübung alle Anforderungen an die Qualität oder den In‑ halt des Dienstes, „einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters“. Der koordinierte Bereich umfasst daher die elektronische Erbringung der Dienstleistung als solche und nicht nur den „Marketingbereich“ zum Vertrieb der Dienstleistung.367 Wenngleich der Marketingbereich von den Art. 6 ff. ECRL erfasst ist, geht der koordinierte Bereich nach der Definition in Art. 2 hierüber hinaus. Dementsprechend fallen unter „Qualität oder Inhalt“ des Dienstes neben Anforderungen an die Gestaltung der Website oder App (z. B. zur Platzierung der Erstinformation) auch Informations- und Beratungspflichten des Versiche‑ rungsvermittlers. Diese beeinflussen in erheblichem Maße die Ausgestaltung des Dienstes. Sie können eine Anpassung des Geschäftsangebots erfordern, welche die Richtlinie vermeiden will, um grenzüberschreitende Aktivitäten zu fördern. Für die IDD hat das besondere Bedeutung für eine möglicherweise verpflichtende Beratung i. S. d. Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3. Ist eine solche im Her‑ kunftsmitgliedstaat nicht vorgesehen und schuldet der Vermittler sie auch nicht nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen,368 muss er dort nur die grundlegenden Wünsche und Bedürfnisse der Kunden ermitteln und objektive Informationen 366 

Vgl. ErwG 18 ECRL; dazu auch Spindler, MMR‑Beil. 2000, 4 (7): „Die Richtlinie ver‑ sucht den koordinierten Bereich demgemäß anhand des Kriteriums, ob eine Leistung nur on‑ line erbracht worden ist, abzugrenzen“ (Hervorhebung durch den Verf.). 367  Vgl. ErwG 18 ECRL sowie Martiny, in: MüKo-BGB, § 3 TMG Rn. 10. Anders wohl Wendelstein, Telemedizin, S. 127 f., wonach Art. 8 Abs. 1 ECRL „Art. 3 Abs. 1 ECRL letztlich auf den Marketingbereich begrenzt“. 368  Zu diesem Abgrenzungskriterium, wann eine Beratung „erfolgt“ i. S. d. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD, siehe S. 29. Bei einer Vermittlung über elektronische Medien ist nach den dort gemachten Ausführungen in der Regel keine Beratung geschuldet.



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erteilen. Das würde bei Anwendung des Art. 3 Abs. 2 ECRL dann auch für den Aufnahmemitgliedstaat gelten. Eine persönliche Empfehlung zur am besten ge‑ eigneten Versicherung wäre dann – soweit keine Ausnahme vorliegt – nicht er‑ forderlich. Zum koordinierten Bereich gehören ferner die Vergütung und Preisgestal‑ tung des Online-Anbieters.369 Unterschiedliche Anforderungen in diesem Be‑ reich erfordern ebenfalls eine Anpassung des Angebots. Ferner umfasst die kommerzielle Kommunikation, die Teil des koordinierten Bereichs ist, „An‑ gebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke“370. Alle Vorschriften, die die Vergütung eines Online-Vermittlers durch Provisio‑ nen oder Honorare betreffen (wie Provisionsverbote oder Provisionsoffenle‑ gungspflichten), sind somit vom koordinierten Bereich der ECRL erfasst. Auch eine Provisionsabgabe ist letztlich nichts anderes als ein „Preisnachlass“, da der Vermittler zum Teil auf die mittelbar durch den Kunden gezahlte Vergütung „verzichtet“, indem er ihm diese zurückgewährt. Das Herkunftslandprinzip der E‑Commerce-Richtlinie ist somit weitgehend auf Anforderungen, die an Online-Versicherungsvermittler gestellt werden, an‑ wendbar.

c) Ausnahmen Es wird jedoch durch zahlreiche Ausnahmen erheblich eingeschränkt. Im Be‑ reich der Versicherungsvermittlung sind die generelle Ausnahme für die in Art. 3 Abs. 3 i. V. m. dem Anhang, 6. Spiegelstrich ECRL genannten Verbrau‑ cherverträge sowie das Schutzklauselverfahren in Art. 3 Abs. 4 ECRL relevant.

aa)  Vertraglicher Verbraucherschutz Das Herkunftslandprinzip gilt nach dem sechsten Spiegelstrich im Anhang zur ECRL bzw. nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG nicht für vertragliche Schuldverhältnis‑ se in Bezug auf Verbraucherverträge. Das sind Verträge zwischen einem Un‑ ternehmer und einer „natürliche[n] Person, die zu Zwecken handelt, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören“ (Art. 2 lit. e ECRL: Verbraucher i. e. S.). Die Ausnahme hat auf den ersten Blick für das Aufsichtsrecht keine Bedeutung. Bei einer engen Auslegung würde sie nur in privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unterneh‑ mern gelten. Das kann indes nicht überzeugen. Art. 3 Abs. 2 ECRL betrifft die 369 Ebenso für die Arzneimittelpreisverordnung LG Münster, Urt. v. 26.3.2004, 23 O 202/02, BeckRS 2005, 10278; Mand, GRUR Int 2005, 637 (642). Die Anwendbarkeit auf den Versandhandel mit Medikamenten scheiterte letztlich nur daran, dass Bestellungen erst nach Einreichung des Originalrezepts und damit nicht ausschließlich online möglich waren (vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 28.8.2007, 16 O 153/07, BeckRS 2011, 09246). 370  Art. 6 lit. c ECRL.

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Frage, ob an ausländische Vermittler strengere rechtliche Anforderungen ge‑ stellt werden dürfen. Wenn Art. 3 Abs. 3 ECRL hiervon eine Ausnahme für vertragliche Schuldverhältnisse macht, heißt das zunächst nur, dass Regelun‑ gen, die dieses Schuldverhältnis betreffen, im Aufnahmemitgliedstaat unein‑ geschränkt Anwendung finden können. Sie gelten dann freilich nur in dem jeweiligen Schuldverhältnis. Knüpft das Öffentliche Recht jedoch an die Ein‑ haltung dieser Pflichten an und sieht bei Verletzung der das vertragliche Schuld‑ verhältnis betreffenden Regelungen Sanktionen vor, greift die Ausnahme des sechsten Spiegelstrichs auch dort. Eine Einschränkung der Ausnahme auf be‑ stimmte Arten von Sanktionen oder Streitigkeiten ist nicht ersichtlich.371 Sie kann daher auch im Aufsichtsrecht Bedeutung haben, wenn dieses an Pflichten aus dem Schuldverhältnis mit Verbrauchern anknüpft.372 Soweit ein Verbrauchervertrag vorliegt, erfasst die Ausnahme nicht nur Vorschriften, die exklusiv Verbraucher i. e. S. schützen, sondern auch solche, die generell einen Versicherungsnehmerschutz bezwecken.373 Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Bestimmungen das vertragliche Schuldverhältnis ausgestalten. Das Vorliegen eines Verbrauchervertrags genügt daher nicht, um sämtliche – auch öffentlich-rechtliche – Rechtsnormen des Aufnahmestaats zur Anwendung zu bringen.374 Umfasst sind damit bei der Versicherungsvermitt‑ lung jedenfalls zivilrechtlich kodifizierte Informations- und Beratungspflich‑ ten. Dazu zählen Provisionsoffenlegungspflichten, soweit sie als (vor)vertrag‑ liche Pflichten der Vermittler ausgestaltet sind. Bei Provisionsannahmeverboten kommt es auf die Umsetzung im Aufnahmemitgliedstaat an. Werden sie als Vor‑ schriften, die das Vertragsverhältnis des Kunden zum Vermittler beeinflussen, erlassen, fallen sie unter die Ausnahme. Das wäre etwa der Fall, wenn der Auf‑ nahmemitgliedstaat einem Verbraucher einen Anspruch auf Herausgabe ver‑ botswidrig vom Versicherer erhaltener Provisionen gewährt. Bisher nicht behandelt wurde die Frage, wann überhaupt ein Vertrag zwi‑ schen einem Vermittler und einem Verbraucher besteht. Während hiervon bei Versicherungsmaklern grundsätzlich auszugehen ist, soll auf das Rechtsverhält‑ nis der Vertreter zu ihren Kunden später ausführlich eingegangen werden.375 An dieser Stelle genügt es festzuhalten, dass in den Fällen, in denen Vermittler 371  Vgl. LG Berlin, Urt. v. 1.6.2010, 16 O 525/08, BeckRS 2010, 24931, das die Ausnah‑ me auch im Verfahren nach dem UWG anwendet. 372  Ein derartiges Anknüpfen ist im Öffentlichen Recht mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die Technik wurde nun auch in § 147c GewO verwendet. Damit werden Pflichten aus dem Zi‑ vilrecht Kontrollmaßstab der Aufsichtsbehörden. 373  Vgl. allg. Stellungnahme BRat und Gegenäußerung BReg BT‑Drs. 14/6098, S. 32 und 36; Martiny, in: MüKo-BGB, § 3 TMG Rn. 44 f.; Spindler, ZHR 165 (2001), 324 (344). Anders noch Begr. RegE BT‑Drs. 14/6098, S. 18. 374  Vgl. LG Münster, Urt. v. 26.3.2004, 23 O 202/02, BeckRS 2005, 10278; Mand, GRUR Int 2005, 637 (643); Spindler, ZHR 165 (2001), 324 (342 f.). 375  Siehe zum Sachrecht S. 171 ff., zum IPR S. 194 ff. sowie zur ECRL auf S. 281.



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auch für Verbraucher tätig werden, das Herkunftslandprinzip der E‑CommerceRichtlinie im Bereich der (vor)vertraglichen Pflichten nicht greift. Werden diese auch aufsichtsrechtlich durchgesetzt, fallen sie unter die Ausnahme des vertrag‑ lichen Verbraucherschutzes.

bb) Schutzklauselverfahren Sollte diese nicht greifen, sind Einzelfallmaßnahmen, die vom Herkunftsland‑ prinzip abweichen, nach dem sog. Schutzklauselverfahren des Art. 3 Abs. 4–6 ECRL bzw. § 3 Abs. 5 TMG möglich. Mit ihm können Vorgaben des deutschen Rechts nur gegenüber einzelnen Vermittlern durchgesetzt werden.376 Dafür müssen kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Maßnahme muss aus einem der abschließend377 aufgezählten Gründe erforderlich sein, der Auf‑ nahmemitgliedstaat muss den Herkunftsmitgliedstaat aufgefordert haben, selbst Maßnahmen zu ergreifen, und er muss die Kommission über die beabsichtigte Maßnahme informieren. Im Hinblick auf Versicherungsvermittler sind Maßnahmen nach Art. 3 Abs. 4 lit. a sublit. i, dritter Spiegelstrich ECRL besonders bedeutsam („Schutz der Verbraucher“). Da hiervon nicht nur vertragsrechtliche Normen erfasst wer‑ den, können sämtliche Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats, die aus Verbraucherschutzgründen erforderlich sind, durchgesetzt werden. Der auslän‑ dische Vermittler muss den Verbraucherschutz beeinträchtigen bzw. es muss die ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung bestehen (Art. 3 Abs. 4 lit. a sublit. ii ECRL). Dabei ist zu beachten, dass der Versicherungssek‑ tor nach der Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf den Verbraucherschutz einen „besonders sensiblen Bereich“ darstellt.378 Auch muss bei der Auslegung berücksichtigt werden, dass der europäische Gesetzgeber mit den Öffnungs‑ klauseln in Art. 22 Abs. 2 und 3 sowie Art. 29 Abs. 3 IDD insbesondere in Bezug auf die Vergütung des Vermittlers das Interesse der Mitgliedstaaten an verbrau‑ cherschützenden Maßnahmen anerkannt hat. Sie unterliegen jedoch dem Ver‑ hältnismäßigkeitsgebot des Art. 3 Abs. 4 lit. a sublit. iii ECRL. Wollen Aufsichtsbehörden selbst Maßnahmen ergreifen, müssen sie zuvor das in Art. 3 Abs. 4 lit. b, Abs. 5 und 6 ECRL beschriebene Verfahren einhalten. Nach Art. 3 Abs. 4 lit. b ECRL ist das Informationsverfahren nicht bei Gerichts‑ verfahren, Vorverfahren und strafrechtlichen Ermittlungen einzuhalten.379 Das 376  Rokas, in: Marano, „Dematerialized“ Insurance, S. 3 (28). Vgl. Art. 3 Abs. 4 ECRL, der von einem „bestimmten“ Dienst spricht; ebenso Blasi, Herkunftslandprinzip, S. 314; Nordmeier, in: Spindler/Schuster, § 3 TMG Rn. 22; Spindler, ZHR 165 (2001), 324 (345); Weller, in: BeckOK‑InfoMedienR, § 3 TMG (1.2.2016) Rn. 32. 377  Vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2011, verb. Rs. C-509/09 und C-161/10, Slg. 2011, I-10269 Rn. 59; Blasi, Herkunftslandprinzip, S. 313; Nordmeier, in: Spindler/Schuster, § 3 TMG Rn. 22. 378  EuGH, Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 Rn. 30. 379  Das Gericht muss daher sein Verfahren nicht aussetzen. Teilweise wird jedoch eine

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betrifft insbesondere auch Wettbewerbsstreitigkeiten. Wird ein Verfahren nach dem UWG wegen Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften geführt, ge‑ nügt eine Rechtfertigung nach Art. 3 Abs. 4 lit. a ECRL.380 Nach der deutschen Umsetzung in § 3 Abs. 5 S. 2 TMG fällt unter die Ausnahme der strafrechtlichen Ermittlungen auch die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten.

d)  Anwendung auf deutsche Regulierungsbestimmungen Nach § 3 Abs. 2 TMG müssen ausländische Diensteanbieter im Dienstleistungs‑ verkehr Vorgaben des deutschen Rechts nicht beachten, soweit sie in ihrem Her‑ kunftsland nicht gelten. Diese Regelung geht einer Prüfung nationaler Bestim‑ mungen am Maßstab der Grundfreiheiten vor. Freilich können Überlegungen aus dem Primärrecht, vor allem zur Erforderlichkeit bestimmter Regelungen im Hinblick auf den Verbraucherschutz, auf die E‑Commerce-Richtlinie übertra‑ gen werden. Aus deutscher Sicht stellt sich vor allem die Frage, ob Online-Ver‑ mittler die strengeren Informationspflichten der VersVermV und das Sonderver‑ gütungsverbot einhalten müssen.

aa)  Informationspflichten der VersVermV § 15 Abs. 1 VersVermV, der Vermittler zur Erstinformation und Erteilung weite‑ rer produktbezogener Informationen „beim ersten Geschäftskontakt“ verpflich‑ tet, beeinflusst die Erbringung des Online-Dienstes und fällt somit in den ko‑ ordinierten Bereich der ECRL. Daher ist die Norm nach § 3 Abs. 2 TMG nicht auf ausländische Online-Vermittler anwendbar. Sie müssen die Informationen lediglich i. S. d. Art. 18 und 19 IDD „rechtzeitig vor Abschluss eines Versiche‑ rungsvertrags“ erteilen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausnah‑ men des § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG für Vorschriften über Verbraucherverträge oder des § 3 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 TMG über den allgemeinen Schutz der Verbraucherinte‑ ressen. § 15 Abs. 1 VersVermV hat bereits keinen vertragsrechtlichen Bezug, sondern wird als rein aufsichtsrechtliche Pflicht ausgestaltet. Soweit das deut‑ sche Recht hierbei über die IDD hinausgeht, ist die Norm nicht zum Schutz der Verbraucher vor Beeinträchtigungen oder ernsthaften und schwerwiegen‑ den Gefahren erforderlich. Die Erstinformation soll Kunden bewusst machen, mit welcher Art von Versicherungsvermittler sie es zu tun haben. Die IDD stellt bereits sicher, dass Kunden diese Information rechtzeitig vor Abschluss eines Mitteilungspflicht des Gerichts nach Abschluss des Verfahrens oder eine Mitteilungspflicht des Mitgliedstaats während des laufenden Verfahrens angenommen, siehe Blasi, Herkunftsland‑ prinzip, S. 315 f.; Nordmeier, in: Spindler/Schuster, § 3 TMG Rn. 23 Fn. 102; überzeugend da‑ gegen Spindler, ZHR 165 (2001), 324 (346). 380  Vgl. BGH, Urt. v. 30.3.2006, I ZR 24/03, NJW 2006, 2630 (2633); OLG Hamburg, Urt. v. 8.4.2009, 5 U 13/08, MMR 2010, 185 (186); anders LG Münster, Urt. v. 26.3.2004, 23 O 202/02, BeckRS 2005, 10278.



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Versicherungsvertrags erreicht. Sie haben daher noch die Möglichkeit, von dem Geschäft Abstand zu nehmen. Das ist vor allem bei Online-Vermittlern ausrei‑ chend. Ein Kunde kann rechtzeitig vor Vertragsschluss einfach die Website ver‑ lassen. Dementsprechend wäre es nicht angemessen, ausländische Vermittler dazu zu zwingen, ihre Website für den deutschen Markt zu ändern, um die Erst‑ information möglicherweise etwas früher zu erteilen. Im Übrigen steht jeden‑ falls in Bezug auf Art. 19 IDD ein von der Richtlinie abweichender Informati‑ onszeitpunkt nicht mit den europäischen Mindestvorgaben im Einklang381 und kann sich daher auch nicht im elektronischen Geschäftsverkehr durchsetzen.

bb) Sondervergütungsverbot Problematischer ist, ob ausländische Online-Vermittler das Sondervergütungs‑ verbot des § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO i. V. m. § 48b VAG einhalten müssen. Die Frage hat vor allem deshalb Brisanz, weil in der Vergangenheit gerade On‑ line-Anbieter die Provisionsabgabe als Werbestrategie benutzt haben. Für aus‑ ländische Diensteanbieter handelt es sich um eine Marketingmaßnahme, die den Zugang zum deutschen Markt erleichtert. Das Sondervergütungsverbot be‑ einflusst so unmittelbar die Gestaltung des Online-Angebots und fällt zudem als „Preisnachlass“ in den Bereich der kommerziellen Kommunikation. Es gehört somit zum koordinierten Bereich und wird vom Herkunftslandprinzip erfasst. Es könnte aber als Vorschrift mit Bezug zu Verbraucherverträgen nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG ausnahmsweise anwendbar sein. Eine gegen das Provisions‑ abgabeverbot verstoßende Vereinbarung ist neuerdings nach § 48b Abs. 1 S. 3 VAG unwirksam. Das Verbot kann sich daher durchaus auf Verbraucherverträge auswirken. Bei Vorschriften mit Bezügen zu Verbraucherverträgen ist es zudem, wie eben erläutert, unerheblich, ob sie im Einzelfall auch behördlich durch‑ gesetzt werden. Damit sind allerdings Fälle gemeint, in denen Vorschriften, die das vertragliche Schuldverhältnis ausgestalten, behördlich durchgesetzt wer‑ den. Es geht somit um Informationspflichten und andere Wohlverhaltensregeln, die die private Rechtsbeziehung zwischen Online-Anbieter und Kunde betref‑ fen und die Pflichten der Parteien ausgestalten. Nicht darunter fallen sonstige Ge- oder Verbote, die letztlich nur mittelbar auf den Vertrag einwirken. Sonst würden alle Vorschriften (auch solche zum Schutz des Marktes) bereits dann ausnahmslos vom Herkunftslandprinzip befreit, wenn sie auch auf Verbraucher‑ verträge einwirken können. § 3 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 TMG wäre dann überflüssig.382 Beim Sondervergütungsverbot handelt es sich nicht um eine Vorschrift, die das private Schuldverhältnis zwischen Kunde und Vermittler unmittelbar ge‑ stalten will. Vielmehr handelt es sich um eine grundsätzlich aufsichtsrechtliche Pflicht, die ursprünglich gesamtwirtschaftlichen Zielen diente. Dadurch, dass 381  382 

Siehe hierzu allg. S. 103. Vgl. auch Mand, GRUR Int 2005, 637 (643).

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

sie nunmehr auch mit einem individuellen Kundenschutz gerechtfertigt wird und ihre Durchsetzung mit privatrechtlichen Mitteln erfolgt, wird sie nicht au‑ tomatisch generell zu einer Vorschrift „für vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge“. Jedenfalls soweit sie entsprechend ihrer ur‑ sprünglichen Form aufsichtsrechtlich durchgesetzt wird, sollte die Ausnahme über Verbraucherverträge nicht greifen. Da Kunden sich häufig gar nicht auf die Unwirksamkeit der für sie günstigen Vereinbarung berufen werden, ist die behördliche Durchsetzung ohnehin in gewisser Weise unabhängig vom indivi‑ duellen Verbraucherschutz. Selbst wenn man das anders sieht, könnte sich das Verbot jedenfalls wegen Verstoßes gegen die Grundfreiheiten nicht in grenz‑ überschreitenden Binnenmarktsachverhalten durchsetzen, da es zum Schutz der Versicherungsnehmer nicht erforderlich ist.383 Angesichts dessen kann es auch nicht über das Schutzklauselverfahren des § 3 Abs. 5 TMG durchgesetzt werden. Beeinträchtigungen des Verbraucher‑ schutzes oder ernsthafte und schwerwiegende Gefahren sind bei der Gewäh‑ rung von Sondervergütungen nicht ersichtlich. Andere Mitgliedstaaten, in denen das Verbot nicht gilt, stellen jedenfalls keine Nachteile für Verbraucher fest. Im Gegenteil profitieren sie in erster Linie von einer geringeren Kostenbelas‑ tung. Eine von der IDD vorgesehene staatliche Überwachung und die §§ 59 ff. VVG stellen bereits sicher, dass Verbraucher trotz etwaiger Sondervergütungen nur Produkte erwerben, die ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Da Online-Leistungen öffentlich erbracht werden, können die Behörden auf ein‑ fache Weise prüfen, ob die Anbieter diese Vorgaben tatsächlich einhalten. Wer‑ den deutsche Behörden dieser Aufgabe, die ihnen die Art. 31 ff. IDD auferlegen, gerecht, bedarf es keines Sondervergütungsverbots. Es ist somit auch nach der E‑Commerce-Richtlinie im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr aus‑ ländischer Vermittler nicht anwendbar.

e)  Zwischenergebnis zur E‑Commerce-Richtlinie Die E‑Commerce-Richtlinie bzw. deren nationalen Umsetzungsbestimmungen schützen Versicherungsvermittler im Ergebnis vor beschränkenden Maßnah‑ men. Angesichts der weiten Ausnahmen in Bezug auf den Verbraucherschutz ist das dort verankerte Herkunftslandprinzip jedoch nicht generell geeignet, stren‑ geres nationales Recht eines Aufnahmestaats zurückzudrängen. Soweit Vor‑ schriften bereits gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sind sie auch im grenz‑ überschreitenden E‑Commerce nicht anwendbar. Das gilt in Deutschland vor allem für die strengeren Informationspflichten der VersVermV und das Sonder‑ vergütungsverbot.

383  Ausf.

hierzu S. 109 ff.



B.  Vermittleraufsicht im Binnenmarkt

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III.  Zwischenergebnis: Vermittleraufsicht zwischen Herkunfts- und Bestimmungslandprinzip Zusammenfassend lässt sich damit zur Internationalen Vermittleraufsicht fest‑ halten: Die Frage, welches Aufsichtsrecht auf grenzüberschreitende Versiche‑ rungsvermittlungsleistungen anwendbar ist, beantwortet grundsätzlich jeder Staat einseitig selbst, indem er den Anwendungsbereich seines nationalen Rechts festlegt. Damit Vermittler in Binnenmarktsachverhalten nicht den Vor‑ gaben mehrerer Staaten unterliegen, sorgt die Verteilung von Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen durch europäisches Primär- und Sekundärrecht für eine überwiegend vorhersehbare Festlegung des anwendbaren Aufsichtsrechts. Dabei ist zwischen einer Zulassungs- und einer laufenden Aufsicht zu differen‑ zieren: Im Bereich der Zulassungsaufsicht liegt der IDD ein Herkunftslandprinzip zugrunde. Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Kategorie ein Ver‑ mittler den Beruf aufnehmen und in anderen Mitgliedstaaten tätig werden darf, entscheidet der Herkunftsmitgliedstaat. Das ist bei natürlichen Personen der Staat, in dem der Vermittler seinen Wohn- bzw. (bei Grenzpendlern) Geschäfts‑ sitz hat, und bei Körperschaften und rechtsfähigen Personengesellschaften der Staat, in dem die juristische Person ihren Satzungs- bzw. Hauptverwaltungssitz hat. Über beabsichtigte grenzüberschreitende Aktivitäten werden andere Mit‑ gliedstaaten lediglich im Rahmen eines Notifikationsverfahrens informiert. Bei der laufenden Aufsicht sind die Regelungskompetenzen zwischen Her‑ kunfts- und Aufnahmemitgliedstaat verteilt. Die zwingenden Mindestvorgaben der IDD sollen überwiegend im Aufsichtsrecht beider Staaten gelten, werden aber vor allem im Dienstleistungsverkehr vorrangig vom Herkunftsmitglied‑ staat durchgesetzt („modifiziertes Herkunftslandprinzip“). Gehen Mitgliedstaa‑ ten über die Vorgaben der IDD hinaus, sind Vermittler im Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehr an das strengere Recht des Aufnahmemitgliedstaats ge‑ bunden, soweit es zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient („mo‑ difiziertes Bestimmungslandprinzip“). Welches Aufsichtsrecht anwendbar ist, wird somit durch die sekundärrechtlichen Kriterien des Dienstleistungs- und Niederlassungsverkehrs bestimmt. Unter einer Niederlassung ist jede Zweig‑ niederlassung oder ständige Präsenz zu verstehen. Im Dienstleistungsverkehr sind Vermittler aktiv, wenn sie beabsichtigen, Versicherungsnehmern (auch Un‑ ternehmern) mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat des Vermittlers Versicherungsverträge zu vermit‑ teln, die ebenfalls in anderen Mitgliedstaaten belegene Risiken decken. Sind die Kriterien nicht erfüllt, findet das Aufsichtsrecht des Herkunftsmitgliedstaats Anwendung. Welche Behörden zur Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben berufen sind, bestimmen die Art. 5 und 7–9 IDD. Die Zuständigkeitsverteilung in diesen

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

Normen ist deutlich differenzierter als im Versicherungsaufsichtsrecht.384 Die IDD unterscheidet danach, ob ein Vermittler im Wege der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit tätig ist, und danach, welche Pflicht er verletzt. Mindest‑ pflichten der IDD werden in einem Kooperationsverfahren durchgesetzt, wobei dem Aufnahmemitgliedstaat bei der Überwachung einer Niederlassung über‑ wiegend eine primäre Aufsichtszuständigkeit zusteht. Strengeres nationales Recht wird stets von den eigenen Behörden durchgesetzt. Diesbezüglich findet kein Kooperationsverfahren statt. Die Herkunftslandbehörde ist demnach nicht für die Kontrolle sämtlicher für Vermittler in der Union geltenden Vorschrif‑ ten zuständig.385 Dass den Behörden des Aufnahmestaats eine ausschließliche Kompetenz zur Kontrolle der Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses zugewiesen wird, ist angesichts der besseren Rechtskenntnis zu begrüßen. Von einer reinen Herkunftslandkontrolle wurde bei der IDD also im Hinblick auf die Verwaltungspraktikabilität abgesehen. Die nähere Untersuchung der IDD belegt damit, dass Herkunfts- und Be‑ stimmungslandprinzip gerade nicht in einem Alternativverhältnis stehen, son‑ dern im Sekundärrecht in vielfältiger Weise gemischt werden.386 Dass die EU sich gegen die Einführung eines generellen Herkunftslandprinzips entschieden hat, ist primärrechtlich unbedenklich. In der Ausgestaltung der Aufsicht ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei.387 Die Grundfreiheiten fordern gerade nicht die ausschließliche Anwendung des Herkunftslandrechts, sondern weisen in den Grenzen des Allgemeininteresses den Aufnahmestaaten Regelungskompeten‑ zen zu. Damit übernimmt die IDD im Bereich der Berufsausübung mit ihrem modifizierten Bestimmungslandprinzip im Wesentlichen die grundfreiheitli‑ che Kompetenzverteilung. Dass der Richtliniengeber hiervon nicht abweichen wollte, liegt an den Besonderheiten der nationalen Versicherungsmärkte. Nach‑ teile für Vermittler werden durch die Transparenz ausländischer Vorschriften abgemildert (Art. 11 IDD). Die Umsetzung der Internationalen Vermittleraufsicht im deutschen Recht ist zu kritisieren. Anders als im VAG legt der Gesetzgeber schon nicht klar den internationalen Anwendungsbereich des nationalen Rechts fest. Soweit er über 384 Nach Art. 30 Abs. 1 Solvency II‑RL obliegt die Finanzaufsicht ausschließlich dem Herkunftsstaat. Bei der übrigen Rechtsaufsicht sind die Herkunftslandbehörden vorrangig zur Durchsetzung berufen, auch soweit strengeres nationales Recht des Aufnahmestaats verletzt wird (vgl. Art. 155 Solvency II‑RL). Dem Aufnahmestaat verbleibt nur in Ausnahmefällen eine Reservezuständigkeit. 385  ErwG 23 IDD darf daher nicht so weit verstanden werden wie das „Herkunftslandprin‑ zip“ der Solvency II‑RL. Dort hat die Herkunftslandbehörde auch eine Kompetenz zur Durch‑ setzung strengeren Aufsichtsrechts des Aufnahmemitgliedstaats (vgl. Art. 155 Abs. 2 Solvency II‑RL). 386  Vgl. allg. auch Reimer, in: Terhechte, VerwR der EU, § 18 Rn. 56. 387  Vgl. EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 Rn. 64; Reimer, in: Ter‑ hechte, VerwR der EU, § 18 Rn. 57.



B.  Vermittleraufsicht im Binnenmarkt

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die IDD hinausgeht, lassen sich die Vorgaben zum Teil nicht mit einem All‑ gemeininteresse rechtfertigen. Ausländische Vermittler müssen insbesondere weder die strengeren Informationspflichten der VersVermV noch das Sonder‑ vergütungsverbot einhalten. Ferner sind die zwingenden Wohlverhaltensregeln der IDD im deutschen Aufsichtsrecht nur unzureichend umgesetzt. Dass Behör‑ den tatsächlich, wie von Art. 31 und 33 IDD gefordert, die Einhaltung sämtli‑ cher Wohlverhaltensregeln der Kapitel V und VI effektiv überwachen, ist nicht zu erwarten. Schon in Inlandssachverhalten sind die Behördenzuständigkeiten unklar. Soweit in den Ländern örtliche Ordnungsbehörden zum Vollzug der IDD‑Umsetzung für zuständig erklärt werden, können sie keine Aufsicht ge‑ währleisten, die auch nur im Ansatz mit der professionellen Finanzaufsicht der BaFin vergleichbar ist. Jedenfalls nach dem Konzept der IDD kann es aller‑ dings im grenzüberschreitenden Verkehr hinsichtlich der zwingenden Mindest‑ vorgaben zu keinem Normenmangel kommen, da alle Mitgliedstaaten diese mit aufsichtsrechtlichen Mitteln durchsetzen müssen. Damit gilt in dem oben geschilderten Beispielsfall388 Folgendes: Als juristische Person i. S. d. IDD muss sich die Versicherungsmakler-KG in Deutsch‑ land als Herkunftsmitgliedstaat eintragen lassen.389 Da sie Versicherungsnehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich zur Deckung dort belegener Risiken bera‑ ten will, muss sie ihre Absicht zur Dienstleistungstätigkeit der zuständigen IHK mit‑ teilen. Ermittelt sie bei der Berufsausübung die Wünsche und Bedürfnisse französi‑ scher Kunden nicht ausreichend, können französische Behörden von ihrer Befugnis, dem Vermittler die rechtswidrige Verhaltensweise zu untersagen,390 nicht unmittelbar Gebrauch machen. Sie wenden sich an deutsche Behörden, die versuchen müssen, in richtlinienkonformer Weise die privatrechtlichen Wohlverhaltensregeln des VVG durchzusetzen.   Im Dienstleistungsverkehr ist die KG an das strengere Aufsichtsrecht Frank‑ reichs gebunden. Französische Behörden können daher unmittelbar die Pflicht des Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. durchsetzen:391 Die KG muss ihren Kunden mittei‑ len, dass sie im letzten Geschäftsjahr mehr als 33 % ihres Umsatzes mit demselben Versicherer erwirtschaftet hat. Das deutsche Provisionsabgabeverbot ist hingegen bereits nach einer Auslegung seines internationalen Anwendungsbereichs nicht an‑ wendbar. 388 S. 47.

389  Ebenfalls einzutragen sind nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 8 IDD bzw. § 34d Abs. 10 S. 1 GewO die Personen, die für die Vermittlung in leitender Position verantwortlich sind, d. h. insb. die geschäftsführenden Gesellschafter. 390  Art. L. 612-2, II 1° und Art. L. 612-41 Code monétaire et financier. 391  Zu Eingriffsmöglichkeiten siehe Art. L. 515-6, al. 1 C. ass. i. V. m. Art. L. 612-41 Code monétaire et financier. Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. muss privatkollisionsrechtlich nicht be‑ rufen sein, um von Behörden durchgesetzt zu werden. Es handelt sich beim Code des assu‑ rances und auch beim Livre 5 über Versicherungsvermittler nicht um Normen, die allein pri‑ vate Rechtsbeziehungen regeln (vgl. auch Livre 3). Insofern verweist das Aufsichtsrecht nicht bloß auf privatrechtliche Informationspflichten. Die Vorschriften des Code des assurances sind i. R. d. behördlichen Durchsetzung unmittelbares Aufsichtsrecht.

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Teil 2: Internationale Vermittleraufsicht

Damit steht allerdings noch nicht fest, ob den französischen Kunden Scha‑ densersatzansprüche zustehen. Für sie kommt es darauf an, ob die Mindest‑ pflichten der IDD auch im Privatrecht gelten und welchem strengeren nationa‑ len Recht ihr privates Rechtsverhältnis zum Makler unterliegt.

Teil 3

Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht Welches Privatrecht in grenzüberschreitenden Sachverhalten die Rechtsverhält‑ nisse der Versicherungsvermittler zu ihren Kunden sowie zu Versicherern be‑ herrscht, bestimmt das IPR. Beriefe es im Verhältnis der Vermittler zu Kunden aus einem anderen (Aufnahme-)Mitgliedstaat eine Rechtsordnung, deren Auf‑ sichtsrecht nach den in Teil 2 herausgearbeiteten Grundsätzen nicht anwend‑ bar ist, könnte es zu Brüchen kommen: Vermittler könnten unterschiedlichen, ja sogar widersprüchlichen Pflichten ausgesetzt sein. Einleitend wurde darü‑ ber hinaus bereits auf das Risiko eines Normenmangels hingewiesen: Setzen der Herkunfts- und der Aufnahmemitgliedstaat zwingende Mindestvorgaben der IDD jeweils nur im Aufsichts- oder Privatrecht um, erscheint es nicht aus‑ geschlossen, dass ein Vermittler an das Aufsichtsrecht des Staates gebunden ist, der Wohlverhaltensregeln im Privatrecht umgesetzt hat, dieses aber keine An‑ wendung findet, weil das IPR das Privatrecht des anderen Staates beruft, der die entsprechenden Pflichten im Aufsichtsrecht umgesetzt hat.1 Ein solcher ge‑ nereller Normenmangel2, der einer Durchsetzung des europarechtlich deter‑ minierten Mindestschutzniveaus in grenzüberschreitenden Sachverhalten ent‑ gegenstünde, wird nach dem Konzept der IDD bereits dadurch verhindert, dass alle Mindestvorgaben gem. Art. 5, 8 und 31 ff. IDD in allen Mitgliedstaaten je‑ denfalls aufsichtsrechtlich durchsetzbar sein müssen.3 Hierfür haben die Mit‑ gliedstaaten – soweit methodisch möglich – bei der Rechtsanwendung Sorge zu tragen. Von den vereinheitlichten Wohlverhaltensregeln profitieren Kunden aller‑ dings nur, wenn sie auch privatrechtlich in allen Mitgliedstaaten durchsetzbar sind, ihre Verletzung also Individualrechte der Kunden begründet. Vor der Be‑ stimmung des auf die einzelnen Vermittlungsrechtsverhältnisse anwendbaren Rechts ist es daher angebracht zu prüfen, inwieweit die IDD Einfluss auf die privaten Rechtsverhältnisse nimmt. Müssten die europäischen Wohlverhaltens‑ regeln auch mit privatrechtlichen Mitteln durchsetzbar sein, könnten bei ihrer Verletzung nicht nur Behörden einschreiten, sondern Kunden beispielsweise 1  2 

Siehe zu diesen Befürchtungen S. 46. Vgl. zu diesem Begriff (aus Sicht des IPR) nur v. Bar/Mankowski, IPR I, § 7 Rn. 256. 3  Siehe ausf. hierzu S. 36 ff. sowie zusammenfassend S. 145.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

auch Schadensersatz fordern. Im Binnenmarkt würden dann nicht nur aufsichts‑ rechtlich, sondern auch privatrechtlich ein einheitlicher Mindeststandard und gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Explizit schreibt die IDD allerdings nur vor, dass und wie staatliche Be‑ hörden die europäischen Mindestvorgaben durchsetzen müssen. Bestimmungen über zivilrechtliche Sanktionsmechanismen wie Schadensersatzansprüche wur‑ den nicht aufgenommen. Im Folgenden soll daher zunächst untersucht werden, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Mindestvorgaben der IDD auch mit privatrechtlichen Mitteln durchzusetzen. Erst danach soll das auf die Vermitt‑ lungsrechtsverhältnisse anwendbare Privatrecht bestimmt werden.

A.  Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts? I.  Privatrechtliche Richtlinienumsetzung aus Gründen der Effektivität und Äquivalenz Enthält eine Richtlinie keine Hinweise darauf, welche Rechtsfolgen eine Verlet‑ zung ihrer Umsetzungsnormen haben soll, steht es grundsätzlich im Ermessen der Mitgliedstaaten, sachgerechte Sanktionen festzulegen.4 Sie können daher auch wählen, ob sie die Pflichten mit öffentlich- und/oder privatrechtlichen Mit‑ teln durchsetzen. Dabei haben sie jedoch den Äquivalenz- und Effektivitäts‑ grundsatz aus Art. 4 Abs. 3 EUV zu beachten: Sie müssen gewährleisten, dass unionsrechtliche Pflichten effektiv und in gleicher Weise wie vergleichbare na‑ tionale Vorgaben durchgesetzt werden.5 Entsprechendes gilt, wenn eine Richtlinie nur Vorgaben zur aufsichtsrecht‑ lichen Umsetzung enthält. Art. 4 Abs. 3 EUV kann auch in diesen Fällen die Ein‑ führung zivilrechtlicher Sanktionsmechanismen gebieten. Das hat der EuGH zuletzt im Zusammenhang mit den Wohlverhaltensregeln der MiFID, die in Deutschland in den §§ 31 ff. WpHG nur aufsichtsrechtlich6 umgesetzt wurden, entschieden.7 Eine zivilrechtliche Sanktionierung sei dann vorzusehen, wenn dies zur praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist oder ver‑ 4  Vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV: „Wahl der Form und Mittel“ sowie EuGH, Urt. v. 2.2.1977, Rs. 50/76, Slg. 1977, 137 Rn. 32 f.; Roth, ZBB 2012, 429 (435). 5 EuGH, Urt. v. 22.4.1997, Rs. C-180/95, Slg. 1997, I-2195 Rn. 24; Urt. v. 8.6.1994, Rs. C-382/92, Slg. 1994, I-2435 Rn. 55; zur RL 92/96/EWG und RL 2002/83/EG auch EFTA‑Gerichtshof, Urt. v. 13.6.2013, Rs. E-11/12 Rn. 121 ff.; ausf. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 8 Rn. 220 ff. 6  Der BGH hat einen unmittelbaren Einfluss der Vorschriften auf das Zivilrecht abge‑ lehnt, siehe BGH, Urt. v. 17.9.2013, XI ZR 332/12, JZ 2014, 252 (253 ff.) Rn. 15 ff.; Urt. v. 27.9.2011, XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 (135) Rn. 47; Urt. v. 19.12.2006, XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 (232) Rn. 18 f. 7  EuGH, Urt. v. 30.5.2013, Rs. C-604/11, EuZW 2013, 557 (560) Rn. 57.



A.  Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts?

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gleichbare Pflichten im nationalen Recht mit Mitteln des Zivilrechts durchgesetzt werden.8 Angesichts der unbestimmten Kriterien ist wenig überraschend, dass die Frage, ob die MiFID durch die Kontrollen der BaFin und der Verbraucher‑ schutzverbände bereits effektiv durchgesetzt wird, unterschiedlich beantwortet wurde.9 Diese Überlegungen wurden in der Literatur10 auf die IDD übertragen. Die Frage, ob die Richtlinie privatrechtlich umzusetzen sei, solle davon abhän‑ gen, „ob die nationalen Aufsichtsbehörden tatsächlich Durchsetzungskraft ent‑ falten und die volle Wirksamkeit der IDD gewährleisten können“11.

II.  Hinweise zur privatrechtlichen Bedeutung der IDD Hierauf kommt es nicht an, wenn sich der IDD bereits Hinweise entnehmen lassen, dass sie auch privatrechtlich um- und durchzusetzen ist. Einen ersten Anhaltspunkt dafür bietet Art. 15 IDD. Darin werden die Mitgliedstaaten ver‑ pflichtet, außergerichtliche Beschwerde- und Abhilfeverfahren für Kunden einzurichten. Damit können zwar grundsätzlich auch Verfahren zur Kontrolle öffentlich-rechtlicher Bestimmungen gemeint sein. Sonst hätte man auch aus Art. 53 MiFID, der ebenfalls eine Regelung zur außergerichtlichen Streitbei‑ legung enthielt, eine privatrechtliche Bedeutung der MiFID herleiten müssen. Im Vergleich zu Art. 11 VermRL, der im Wesentlichen inhaltsgleich mit Art. 53 MiFID war, präzisiert Art. 15 IDD nun allerdings, was Inhalt des Streitbeile‑ gungsverfahrens sein soll: Es geht um Streitigkeiten zwischen Kunden und Ver‑ mittlern über aus dieser Richtlinie erwachsende Rechte und Pflichten. Daraus lässt sich bereits schließen, dass es nicht bloß um Beschwerdeverfahren zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten der Versicherungsvertreiber geht, sondern um Individualrechte der Kunden. Dass diese nicht bloß in der Feststellung eines öffentlich-rechtlichen Pflich‑ tenverstoßes bestehen sollen, sondern auch im Ersatz materieller Schäden, wird in Art. 10 Abs. 4 IDD deutlich. Danach muss jeder Versicherungsvermittler eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, die Schäden infolge der Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten deckt. Hieraus wurde zum Teil bereits bei der VermRL geschlossen, dass die Mitgliedstaaten Pflichtenverstöße insbesonde‑ re durch Einführung eines Schadensersatzanspruchs gegen Vermittler sanktio‑ 8  So auch das Verständnis von Rn. 57 des Urteils bei Harnos, ZEuP 2015, 546 (562); Poelzig, ZBB 2015, 108 (115); dies., JZ 2014, 256 (259). 9  Für eine zwingende Durchsetzung mit Mitteln des Zivilrechts z. B. Poelzig, JZ 2014, 256 (259 f.); Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, § 8 Rn. 237; Roth, ZBB 2012, 429 (435 f.). Dagegen BGH, Urt. v. 17.9.2013, XI ZR 332/12, JZ 2014, 252 (255 f.) Rn. 28 ff. und die in Fn. 24 angeführte Lit. Die Nachfolgerichtlinie MiFID II verpflichtet Mitgliedstaaten in Art. 69 Abs. 2 UAbs. 3 explizit zur Einführung zivilrechtlicher Sanktionsmechanismen. 10  Poelzig, ZBB 2015, 108 (112 ff.); Ramharter, ZVersWiss 2016, 221 (253). 11  Poelzig, ZBB 2015, 108 (116). Ähnliche Überlegungen zur VermRL bereits bei Platzen, Informationsverschulden, S. 240 ff.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

nieren müssen.12 Diese Schlussfolgerung scheint zunächst dem im Haftpflicht‑ versicherungsrecht geltenden Trennungsprinzip zu widersprechen. Danach ist die Frage, ob und in welcher Höhe eine Haftung besteht, grundsätzlich von der Frage zu trennen, ob der Schaden durch eine Versicherung gedeckt ist.13 Man könnte Art. 10 Abs. 4 IDD daher durchaus so auslegen, dass die Haftpflichtver‑ sicherung nur Schäden decken muss, soweit das nationale Recht einen Ersatz‑ anspruch gegen den Vermittler vorsieht. Der EuGH nimmt hingegen an, dass eine unionsrechtliche Bestimmung zur Pflichtversicherung durchaus Auswir‑ kungen auf das nationale Haftungsrecht haben kann.14 So schreibt die Richt‑ linie 2009/103/EG15 beispielsweise die Einführung einer Kfz-Haftpflichtver‑ sicherung vor. Damit obliegt es grundsätzlich weiterhin den Mitgliedstaaten, Voraussetzungen und Inhalt der Haftung festzulegen.16 Gleichwohl muss nach Ansicht des EuGH bei der Ausgestaltung der Haftung „der effet utile des euro‑ päischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts“17 berücksichtigt werden.18 Das setzt die Einführung wirksamer Haftungsgrundlagen voraus, für die die Pflicht‑ versicherung Deckung bieten soll. Hieraus folgt für Art. 10 Abs. 4 IDD, dass die obligatorische Berufshaft‑ pflichtversicherung das Bestehen entsprechender Schadensersatzansprüche bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten im nationalen Recht voraussetzt. Die praktische Wirksamkeit der Richtlinienbestimmung erfordert daher die Ein‑ führung von Haftungsnormen. Dafür spricht auch, dass die Kommission die Einführung einer Berufshaftpflichtversicherung mit Klagerechten der Kun‑ den rechtfertigte.19 Der Kommissionsvorschlag zur VermRL20 sah dement‑ 12  Dohmen, Beratungspflichten, S. 278 f.; Platzen, Informationsverschulden, S.  249 f.; Reiff, Versicherungsvermittlerrecht, S. 92; ders., in: MüKo-VVG, § 63 Rn. 3 (auch zu ErwG 23 der VermRL); Schimikowski, VW 2005, 1912 (1916); Zumpf, Beratungspflichten, S. 143; a. A.  Abram, r+s 2005, 137 (141); ders., VP 2003, 174 (179), der sogar annimmt, die Mitglied‑ staaten dürften keine zivilrechtliche Sanktion vorsehen. 13 Hierzu und zu möglichen Bindungswirkungen nur BGH, Urt. v. 30.9.1992, IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 (278 f.); Schneider, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 24 Rn. 4. 14  Dazu ausf. Lüttringhaus, VersR 2014, 653 ff. 15  Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Septem‑ ber 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechen‑ den Versicherungspflicht, ABl. L 263 v. 7.10.2009, S. 11. 16  EuGH, Urt. v. 24.11.2013, Rs. C-22/12, BeckRS 2013, 82042 Rn. 41; Urt. v. 30.6.2005, Rs. C-537/03, Slg. 2005, I-5745 Rn. 24; Urt. v. 14.9.2000, Rs. C-348/98, Slg. 2000, I-6711 Rn. 27 ff. 17  Lüttringhaus, VersR 2014, 653 (654). 18 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2011, Rs.  C-409/09, Slg. 2011, I-4955 Rn. 28 ff.; Urt. v. 19.4.2007, Rs. C-356/05, Slg. 2007, I-3067 Rn. 34; Urt. v. 30.6.2005, Rs. C-537/03, Slg. 2005, I-5745 Rn. 28; Urt. v. 28.3.1996, Rs. C-129/94, Slg. 1996, I-1829 Rn. 19. 19  Kommission, KOM(2000) 511 endg., S. 15; darauf verweisend auch Dohmen, Bera‑ tungspflichten, S. 279; Reiff, Versicherungsvermittlerrecht, S. 92; ders., ZVersWiss 2001, 451 (464); ders., in: MüKo-VVG, § 63 Rn. 3. 20  Kommission, KOM(2000) 511 endg., S. 26.



A.  Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts?

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sprechend in Art. 10 Abs. 1 lit. e vor, dass der Vermittler dem Kunden mitteilen muss, welche Personen für Pflichtverletzungen haftbar sind. Diese Bestimmung wurde nur deswegen nicht in die VermRL aufgenommen, weil derartige Zurech‑ nungsfragen von den Gerichten zu entscheiden seien.21 Wenngleich die Ausgestaltung der Vermittlerhaftung also dem nationalen Gesetzgeber obliegt, darf er Schadensersatzansprüche gegen Vermittler nicht von vornherein ausschließen oder unverhältnismäßig begrenzen.22 Einschrän‑ kend wird man annehmen können, dass nicht jede Verletzung einer Pflicht der IDD (wie z. B. der Art. 4 und 6) einen Schadensersatzanspruch des Kunden ge‑ bietet, sondern nur solcher Pflichten, die (auch) einen individuellen Schutz des Kunden bezwecken. Das ist bei den Wohlverhaltensregeln der Art. 17 ff. IDD der Fall,23 wohingegen das Notifikationsverfahren lediglich eine wirksame Aufsicht sicherstellen soll. Die IDD verlangt somit für die Verletzung (auch) individualschützender Bestimmungen die Einführung zivilrechtlicher Sanktio‑ nen. Auf den allgemeinen Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz kommt es nicht an. Die IDD regelt daher nicht nur das Aufsichtsrecht, sondern will auch das Privatrecht der Mitgliedstaaten harmonisieren.

III.  Kompetenz zur Angleichung des Privatrechts Das ist allerdings nur möglich, soweit der EU‑Gesetzgeber überhaupt eine Kompetenz zur Angleichung des Privatrechts hat. Die IDD ist insbesondere auf die Art. 53 Abs. 1 und 62 AEUV gestützt. Bei der MiFID, die auf die entspre‑ chenden Vorgängernormen der Art. 47 Abs. 2 und 55 EGV gestützt wurde, ent‑ sprach es der überwiegenden Auffassung in der Literatur, dass sich aus die‑ sen Normen keine Befugnis zur Angleichung des Privatrechts ergibt.24 Hieraus wurde geschlossen, dass die EU auch bei der IDD keine entsprechende Kom‑ petenz besitze.25 Der EuGH ist in seinem Urteil zur MiFID26 nicht auf derarti‑ 21  Gemeinsamer Standpunkt des Rates, ABl. C 145 E v. 18.6.2002, S. 1 (15); darauf hin‑ weisend bereits Zumpf, Beratungspflichten, S. 142 f. 22 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.1.2014, Rs. C-371/12, VersR 2014, 617 (620) Rn. 41; Urt. v. 17.3.2011, Rs. C-484/09, Slg. 2011, I-1821 Rn. 37; zum Maßstab Lüttringhaus, VersR 2014, 653 (658 f.). 23  Vgl. auch ErwG 10, 40 ff. IDD. Auch die Informationspflichten des Art. 18 IDD sind also individualschützend, sodass ihre Verletzung einen Schadensersatzanspruch begründen kann, a. A. zur VermRL Dohmen, Beratungspflichten, S. 233 f. 24  Assmann, in: FS Schneider, S. 37 (50); Forschner, Wechselwirkungen, S. 32 ff.; Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264 (274 f.); Harnos, ZEuP 2015, 546 (551 ff.); Honsell, ZIP 2008, 621 (624 f.); Poelzig, ZBB 2015, 108 (114) m. w. N. in Fn. 47. A. A. eventuell diejenigen, die einen zivilrechtlichen Einfluss der Wohlverhaltenspflichten der MiFiD annahmen (Fn. 9), wobei die Vertreter nicht auf die Gesetzgebungskompetenz eingehen. Zur allg. a. A. siehe die Nachwei‑ se in Fn. 46. 25  Poelzig, ZBB 2015, 108 (114). Trotz der fehlenden Kompetenz könne aber eine zivil‑ rechtliche Durchsetzung wegen des Effektivitätsprinzips geboten sein (S. 115 f.), was sie dann

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

ge Fragen eingegangen. Wenn er es jedoch für möglich hält, dass die Mitglied‑ staaten nach dem Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz verpflichtet sind, die Richtlinie mit Mitteln des Privatrechts durchzusetzen, muss er auch annehmen, dass der EU eine entsprechende Kompetenz zusteht.27 Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, die Kompetenznormen der Art. 53 Abs. 1 2. Var. und 62 AEUV näher zu betrachten. Sie ermächtigen die EU zur Koordinierung, d. h. Harmonisierung, der Rechts- und Verwaltungs‑ vorschriften über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten. Die Maßnahmen müssen darauf abzielen, den Gebrauch der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zu erleichtern. Art. 53 Abs. 1 AEUV ist daher eine ge‑ genüber Art. 114 AEUV speziellere Kompetenznorm.28 In Anlehnung an die dort ergangene Rechtsprechung wird als weitere Voraussetzung für die Koor‑ dinierung verlangt, dass durch die unterschiedliche Rechtslage in den Mitglied‑ staaten ein spürbares Hemmnis für die Wahrnehmung der Grundfreiheiten be‑ steht oder zu erwarten ist.29 Diese Voraussetzungen sah die Literatur bei der MiFID überwiegend nicht als gegeben an, um eine Angleichung des Privatrechts zu begründen. Zivil‑ rechtliche Vorschriften würden bereits kein Hindernis für die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten darstellen.30 Den Grundfreiheiten gehe es darum, die Diskriminierung von In- und Ausländern zu vermeiden, sodass zivilrechtliche Vorschriften, die für beide Gruppen gelten, nicht harmonisiert werden müssten.31 Zudem sei eine unterschiedliche Zivilrechtslage in den Mit‑ gliedstaaten selbstverständlich und allen Marktteilnehmern bekannt. Sie könne daher kein spürbares Hemmnis für eine grenzüberschreitende Tätigkeit darstel‑ len.32 Das sei vielmehr nur bei aufsichtsrechtlichen Regelungen der Fall, die eine Tätigkeit generell verbieten.33 Im Übrigen seien zivilrechtliche Vorschrif‑ ten dispositiv, sodass sie die Grundfreiheiten nicht gefährden könnten.34 Noch genereller wurde die Befugnis der EU infrage gestellt, (auch öffentlich-recht‑ liche) Wohlverhaltensregeln für Wertpapierdienstleister einzuführen. Sie wür‑ wohl auf eine Annexkompetenz stützt, vgl. Poelzig, Normdurchsetzung, S. 296 f. Gegen eine zivilrechtliche Zuständigkeit der EU bei der IDD auch Stöbener, Beratungspflichten, S. 18. 26  EuGH, Urt. v. 30.5.2013, Rs. C-604/11, EuZW 2013, 557. 27  Zum Verhältnis von Effektivitätsgebot und Kompetenz auch Harnos, ZEuP 2015, 546 (548, 551, 565 ff.) sowie zuvor bereits Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264 (275). 28  Korte, in: Calliess/Ruffert, Art. 53 AEUV Rn. 21. 29  EuGH, Urt. v. 5.10.2000, Rs. C-376/98, Slg. 2000, I-8419 Rn. 107 f.; Fischer, in: Lenz/ Borchardt, Art. 53 AEUV Rn. 3; Forschner, Wechselwirkungen, S. 36; Korte, in: Calliess/Ruf‑ fert, Art. 53 AEUV Rn. 11; Ludwigs, in: Dauses/Ludwigs, Hdb. EU‑WR, E. I. (August 2017) Rn. 230; Schlag, in: Schwarze, Art. 53 AEUV Rn. 24. 30  Forschner, Wechselwirkungen, S. 32 f.; siehe auch Harnos, ZEuP 2015, 546 (552 f.). 31  Forschner, Wechselwirkungen, S. 33. 32  Forschner, Wechselwirkungen, S. 38; ähnlich Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264 (274 f.). 33  Forschner, Wechselwirkungen, S. 38. 34  Harnos, ZEuP 2015, 546 (552 f.) sowie zu Art. 114 Abs. 1 AEUV S. 555 f.



A.  Um- und Durchsetzung der IDD mit Mitteln des Privatrechts?

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den die selbständige Tätigkeit schließlich nicht erleichtern, sondern beschrän‑ ken.35 Diese Überlegungen zur Reichweite der Art. 53 Abs. 1; 62 AEUV überzeu‑ gen nicht. Schon die Grundannahme, unterschiedliche privatrechtliche Rahmen‑ bedingungen könnten die Grundfreiheiten nicht gefährden, trifft nicht zu. Zu‑ nächst ist festzuhalten, dass eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten genügt, nachdem diese mittlerweile als Beschränkungs- und nicht als reine Diskriminie‑ rungsverbote angesehen werden. Dass im Privatrecht auf den „Primärzweck“ der Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot, abzustellen sei,36 lässt sich mit der allgemeinen Dogmatik der Grundfreiheiten nicht vereinbaren. Sodann ist nicht ersichtlich, warum meist zwingende Informationspflichten eines Pri‑ vatrechts, das nicht abgewählt werden kann, Grundfreiheiten nicht beeinträch‑ tigen sollen, während dies bei denselben Pflichten im Aufsichtsrecht der Fall sein soll.37 Freilich kann nicht jeder Unterschied in den Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten eine Koordinierung nach Art. 53 Abs. 1; 62 AEUV recht‑ fertigen. Das gilt insbesondere für das allgemeine Zivilrecht, z. B. zum Ver‑ tragsschluss. Art. 53 Abs. 1 AEUV bezieht sich vielmehr nur auf spezielle Vor‑ gaben zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit. Bei Waren produzierenden Unternehmen mag sich das auf unmittelbar unternehmensbezogene und nicht produktbezogene Vorschriften beschränken.38 Soweit hingegen Dienstleistun‑ gen Gegenstand der Tätigkeit sind, wird ihre „Ausübung“ maßgeblich durch Vorschriften beeinflusst, die „die Art und Weise bestimmen, in der eine Leis‑ tung erbracht [werden muss]“39. Das ist bei privatrechtlichen Wohlverhaltens‑ regeln der Fall. Noch entscheidender ist, dass Art. 53 Abs. 1 AEUV nicht nur die Koordinie‑ rung solcher Vorschriften erlaubt, die Selbständigen die Aufnahme von Tätig‑ keiten in anderen Mitgliedstaaten ermöglichen, wie z. B. Regeln zum Notifika‑ tionsverfahren. Die Koordinierung soll darüber hinaus verhindern, dass jeder Mitgliedstaat die Berufsausübung mit unterschiedlichen Bestimmungen zum Schutz seines Allgemeininteresses reguliert.40 Würde eine Richtlinie Mitglied‑ staaten nur vorschreiben, dass sie ausländischen Finanzdienstleistern ein Tätig‑ 35 

Assmann, in: FS Schneider, S. 37 (50); ähnlich Honsell, ZIP 2008, 621 (624 f.).

36 So Forschner, Wechselwirkungen, S. 33. 37  Allg. hierzu Heiderhoff, Europäisches Privatrecht,

Rn. 58. Siehe ausf. hierzu auf S. 276. Schlag, in: Schwarze, Art. 53 AEUV Rn. 24; Tiedje, in: v. der Groeben/Schwarze/ Hatje, Art. 53 AEUV Rn. 60 f. 39  Schlag, in: Schwarze, Art. 53 AEUV Rn. 24; siehe auch Tiedje, in: v. der Groeben/ Schwarze/Hatje, Art. 53 AEUV Rn. 64; Forsthoff/Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 62 AEUV (März 2011) Rn. 19. 40  EuGH, Urt. v. 7.11.2000, Rs. C-168/98, Slg. 2000, I-9131 Rn. 32; Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 Rn. 16 f.; prägnant Fischer, in: Lenz/Borchardt, Art. 53 AEUV Rn. 12; siehe auch Müller-Graff, in: Streinz, Art. 53 AEUV Rn. 2; Schlag, in: Schwarze, Art. 53 AEUV Rn. 1. 38 So

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werden ohne erneute Erlaubnis ermöglichen müssen, würden alle Staaten unter‑ schiedliche nationale Schutzregeln für die Berufsausübung einführen. Um das zu verhindern, darf der EU‑Gesetzgeber in Richtlinien nach Art. 53 AEUV ein einheitliches, akzeptables Mindestschutzniveau einführen.41 Dieses dient not‑ wendigerweise dem Kundenschutz.42 Möglich ist daher auch der Erlass von Wohlverhaltensregeln, die die Tätigkeit zwar beschränken, aber durch einheit‑ liche Maßstäbe gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt garantieren. Wenn der EU‑Gesetzgeber nun bei der Bestimmung dieses Schutzniveaus über ein weites Ermessen verfügt,43 muss das auch für die Mittel gelten, mit denen er dieses durchsetzen will.44 Für eine Begrenzung auf das Öffentliche Recht geben die Kompetenznormen schon vom Wortlaut her keinen Anhaltspunkt. Voraussetzung ist bei Art. 53 Abs. 1 AEUV lediglich, dass sich die Mittel spe‑ ziell auf die Ausübung der selbständigen Tätigkeit beziehen. Für die damit ein‑ hergehende Angleichung des Privatrechts muss demnach nicht auf eine Annex‑ kompetenz45 abgestellt werden. Die Koordinierung der Rechtsvorschriften i. S. d. Art. 53 Abs. 1 2. Var. AEUV kann somit auch das Privatrecht umfassen,46 soweit die Maßnahmen eine Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten bezwecken. Das ist bei der IDD angesichts der oben dargestellten Internationalen Vermittleraufsicht der Fall.47 Seit Beginn des Gesetzgebungsverfahrens ging es auch um die För‑ derung grenzüberschreitender Tätigkeiten.48 Der Wegfall einer erneuten Er‑ laubnis im Aufnahmestaat und die Transparenz in Bezug auf strengere na‑ tionale Vorschriften sollen nach ErwG 36 solche Tätigkeiten erleichtern. Das Ziel, durch Koordinierungsmaßnahmen nationale Alleingänge zum Schutz des Allgemeininteresses zu vermeiden, wird auch in ErwG 10 deutlich. Die IDD 41  EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 Rn. 17; Urt. v. 7.11.2000, Rs. C-168/98, Slg. 2000, I-9131 Rn. 32; Müller-Graff, in: Streinz, Art. 53 AEUV Rn. 7; allg. zur Notwendigkeit der Rechtsangleichung bei Einführung eines Herkunftslandprinzips Möstl, DÖV 2006, 281 (284 f.). 42  Vgl. GA Jääskinen, Schlussanträge v. 20.11.2014, Rs. C-507/13 Rn. 109 f. („Schutz der Sparer“) unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 Rn. 13, 15 (gegen die Ansicht der deutschen Regierung in Rn. 10); Tiedje, in: v. der Groeben/Schwar‑ ze/Hatje, Art. 53 AEUV Rn. 11. 43  EuGH, Urt. v. 7.11.2000, Rs. C-168/98, Slg. 2000, I-9131 Rn. 32, 44. 44 Ebenso Tiedje, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 53 AEUV Rn. 11: „[W]elche Mittel zu seiner Durchsetzung in einer Richtlinie festgelegt sind, entscheidet der gemeinschaft‑ liche Gesetzgeber nach eigenem weitem Ermessen“; vgl. aber auch Rn. 45, wo er bei Schutz‑ rechten für Verbraucher zusätzlich auf Art. 114 AEUV abstellt. 45 So Poelzig, Normdurchsetzung, S. 296 f. Dagegen Harnos, ZEuP 2015, 546 (556 ff.). 46  I. E. ebenso Heese, Beratungspflichten, S. 140; Ludwigs, in: Dauses/Ludwigs, Hdb. EU‑WR, E. I. (August 2017) Rn. 230. Zum Versicherungsvertragsrecht siehe auch Basedow, in: Reichert-Facilides/Schnyder, Versicherungsrecht in Europa, S. 13 (26). 47  Vgl. auch ErwG 2, 9, 19. 48  Beide Ziele waren leitend bei den Entwürfen, vgl. Kommission, SWD(2012) 191 final, S. 5, 27 f.; ebenso zur VermRL Kommission, KOM(2000) 511 endg., S. 4 ff.



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nimmt daher nicht nur unter dem Deckmantel dieses Ziels eine Privatrechts‑ angleichung vor. Die mit der Koordinierung verbundene Erhöhung des Ver‑ braucherschutzniveaus lässt sich zudem mit Art. 169 Abs. 1 AEUV rechtferti‑ gen.49 Die Nachfrage grenzüberschreitend erbrachter Leistungen kann auch dadurch gefördert werden, dass Kunden in der gesamten Union mit einem ein‑ heitlichen Schutzniveau rechnen können.50

IV.  Zwischenergebnis: aufsichts- und privatrechtlich einheitliche Mindestvorgaben im Binnenmarkt Die Harmonisierung des Vermittlerprivatrechts durch die IDD lässt sich somit auf die Art. 53 Abs. 1 2. Var.; 62 AEUV stützen. Aufgrund der Auslegungshoheit des EuGH gelten europaweit privat- wie auch öffentlich-rechtlich einheitliche Mindestpflichten für Versicherungsvermittler, sofern alle Mitgliedstaaten ihr nationales Recht richtlinienkonform ausgestalten. Für das deutsche Recht folgt daraus, dass denjenigen kundenschützenden Wohlverhaltensregeln, die bislang ausschließlich im Öffentlichen Recht umgesetzt wurden,51 im Privatrecht da‑ durch Geltung zu verleihen ist, dass man sie als (vor-)vertragliche Pflichten der Vermittler einordnet bzw. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB ge‑ währt.

B.  Internationales Privatrecht Die Privatrechtsharmonisierung macht die Ermittlung des anwendbaren Rechts in Fällen grenzüberschreitender Versicherungsvermittlung nicht überflüssig. Im Verhältnis zum Kunden legt die IDD nur ein Mindestschutzniveau fest, über das die Mitgliedstaaten hinausgehen können. Ferner gleicht sie allgemeine zivil‑ rechtliche Regelungen wie zur Verjährung ebenso wenig an wie Bestimmungen über das Rechtsverhältnis der Vermittler zu Versicherern. Das IPR verliert inso‑ weit nicht an Bedeutung.

I.  Grundlagen des (europäischen) privaten Kollisionsrechts In diesem Rechtsgebiet gelten andere Grundsätze als im Internationalen Ver‑ waltungsrecht.52 Während das Verwaltungsrecht den Staat zum Handeln be‑ 49  50 

Darauf verweisend auch Kommission, SWD(2012) 191 final, S. 26. Vgl. auch die Ausführungen der Kommission, COM(2012) 360 final, S. 12; ähnlich Heese, Beratungspflichten, S. 140. 51  Dazu oben ab S. 38. 52  Zur Entwicklung des IPR vgl. nur v. Bar/Mankowski, IPR I, § 6; Kropholler, IPR, § 2. Zum Internationalen Verwaltungsrecht siehe einleitend S. 49 ff.

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rechtigt oder verpflichtet und deshalb in der Regel nur für die Behörden des eigenen Staates (einseitig) seinen Anwendungsbereich festlegt, ist das private Kollisionsrecht überwiegend offen für die Anwendung ausländischen Rechts. Ob das darauf beruht, dass die Privatrechtsordnungen gleichwertig sind oder die Anwendung fremden Rechts interessengerecht oder völkerrechtlich geboten ist, mag dahinstehen.53 Aus allem folgt, dass für ein Rechtsverhältnis mit Auslands‑ bezug ermittelt werden muss, welchem Recht es „seiner eigenthümlichen Natur nach angehört“54, d. h. mit dem es am engsten verbunden ist.55 Hierzu nutzt das IPR Kollisionsnormen, die für Rechtsfragen aus grenzüber‑ schreitenden Sachverhalten das anwendbare Recht bestimmen. Sie benennen in ihrem Tatbestand einen Anknüpfungsgegenstand, „einen bestimmten Bereich des privatrechtlichen Systems“56 wie „Dienstleistungsverträge“ oder „Schuld‑ verhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags“, und ordnen die‑ sem eine Privatrechtsordnung zu.57 Das geschieht durch Anknüpfungspunkte, die auf einen bestimmten Staat verweisen, z. B. den des gewöhnlichen Aufent‑ halts einer Partei. Alle Normen der durch den Anknüpfungspunkt benannten Rechtsordnung, die eine Regelung für den vom Anknüpfungsgegenstand be‑ schriebenen Bereich enthalten, werden von der Kollisionsnorm auf Rechtsfol‑ genseite zur Anwendung berufen (sog. Statut). Entscheidend ist im IPR also, welche Kollisionsnorm das zur Beantwortung einer Rechtsfrage anwendbare Recht bestimmt und welche Sachnormen sie beruft. Diese Zuordnung von Rechtsfragen bzw. -instituten und Sachnormen zu Kollisionsnormen nennt man auch Qualifikation.58 In Fällen grenzüberschreitender Versicherungsvermittlung sind vor allem die vereinheitlichten Kollisionsnormen der Rom I- und Rom II‑VO relevant. Die Rom I‑VO bestimmt, welches Recht auf vertragliche Schuldverhältnisse Anwendung findet. Sie erlaubt den Vertragsparteien überwiegend, das anwend‑ bare Recht frei zu wählen (Art. 3). Machen sie hiervon keinen Gebrauch, beruft sie im Rahmen einer objektiven Anknüpfung das Recht des Staates, in dem die Partei, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 1 und 2). Soweit der Empfänger dieser Leistung hin‑ 53  Zur Diskussion vgl. nur Kegel/Schurig, IPR, § 1 III; v. Savigny, System VIII, S. 26 f.; Vogel, Anwendungsbereich, S. 206 ff. 54  v. Savigny, System VIII, S. 28; siehe auch S. 108 zum „Sitz“ eines Rechtsverhältnis‑ ses. Das schließt es logisch schon nicht aus, auch im IPR einseitige Elemente vorzusehen wie die Anwendung zwingender Normen; ausf. Roth, in: FS Kühne, S. 859 (862 ff.). 55  Ausf. zu diesem Prinzip nur Hirse, Ausweichklausel, § 4 (zusammenfassend S. 184 ff.). 56  Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Einf. Int. VersR Rn. 2; ähnlich ders., StAZ 1988, 345 (347). 57  Hierzu nur Dörner, StAZ 1988, 345 (347). 58  Ausf. zum umstrittenen Begriff und Gegenstand der Qualifikation Dörner, StAZ 1988, 345 ff. (insb. S. 348); v. Hein, in: MüKo-BGB, Einl. IPR Rn. 112 f.; Kropholler, IPR, § 15; Leicht, Qualifikation, S. 70 ff.



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gegen eines besonderen Schutzes bedarf, bringt die Rom I‑VO überwiegend „dessen“ Recht zur Anwendung. Das betrifft vor allem Verbraucher im enge‑ ren Sinne (Art. 6) und Versicherungsnehmer als Vertragspartner der Versicherer (Art. 7). Für außervertragliche Schuldverhältnisse enthält die Rom II‑VO in Art. 4 eine allgemeine Kollisionsnorm, die nach Absatz 2 vorrangig das Recht des Staates zur Anwendung bringt, in dem beide Parteien ihren gewöhnlichen Auf‑ enthalt haben. Besteht kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, beruft Art. 4 Abs. 1 das Recht des Staates, in dem ein Schaden eingetreten ist. Vorrangig zu Art. 4 bestimmt Art. 12 Rom II‑VO das anwendbare Recht für Schuldverhält‑ nisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags, auf die die Rom I‑VO nach Art. 1 Abs. 2 lit. i nicht anwendbar ist. Aufgrund ihres europarechtlichen Ursprungs sind die Kollisionsnormen der Rom-Verordnungen grundsätzlich autonom nach ihrem Wortlaut, ihrer Entste‑ hungsgeschichte und Systematik sowie ihrem Sinn und Zweck auszulegen.59 Ihren Begriffen kommt also nicht zwingend dieselbe Bedeutung wie im natio‑ nalen Recht zu. Zur Überwindung der nationalen Systemverständnisse dient vor allem die teleologische Auslegung: Ob eine Kollisionsnorm bestimmte Rechts‑ fragen erfasst und welche nationalen Rechtsnormen und Institute sie beruft, hängt entscheidend davon ab, warum sie Anknüpfungsgegenstände einer be‑ stimmten Rechtsordnung zuordnet, d. h. welche kollisionsrechtlichen Interes‑ sen sie in Ausgleich bringen will.60 Selbst wenn nationale Rechtsinstitute also unterschiedlichen Systemkategorien der Mitgliedstaaten zugeordnet werden, können sie von derselben Kollisionsnorm erfasst werden, wenn sie dieselbe Funktion haben. Man spricht auch von funktionaler Qualifikation.61

II.  Anwendbarkeit der Rom I- und Rom II‑VO Die Kollisionsnormen der Rom-Verordnungen sind nur auf Rechtsverhältnisse anwendbar, die einen grenzüberschreitenden Bezug haben und nicht vorrangig von internationalen Übereinkommen erfasst werden.

1.  Relevanter grenzüberschreitender Bezug in Vermittlerkonstellationen Nach Art. 1 Abs. 1 Rom I- und Rom II‑VO müssen Rechtsverhältnisse eine Ver‑ bindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Hierzu „genügt, dass es 59  Statt aller Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 9a. Zur culpa in contrahendo ex‑ plizit ErwG 30 Rom II‑VO. 60  Zu möglichen Interessen vgl. nur Kegel/Schurig, IPR, § 2 II; Kropholler, IPR, § 5 I. 61  Siehe allg. (auch im nationalen Kollisionsrecht) hierzu v. Hein, in: MüKo-BGB, Einl. IPR Rn. 118; Kropholler, IPR, § 17 I; Leicht, Qualifikation, S. 73 ff. Zum europäischen Kolli‑ sionsrecht siehe auch Wendelstein, Telemedizin, S. 139 ff. sowie deutlich jüngst GA Szpunar, Schlussanträge v. 13.12.2017, Rs. C-558/16 Rn. 37, 81 f.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

aufgrund des Sachverhalts überhaupt in Frage steht, welche Rechtsordnung an‑ zuwenden ist“.62 Das ist – auch im Rahmen der Versicherungsvermittlung – jedenfalls in solchen Rechtsbeziehungen der Fall, in denen die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben. Darüber hinaus kann sich der Auslandsbezug aus anderen Vermittlungsrechtsverhältnissen ergeben, so z. B., wenn ein deutscher Makler für einen deutschen Versicherer Produkte an ausländische Kunden vermittelt. Zwar scheint es auf den ersten Blick nahe‑ liegend, dass im Verhältnis zwischen Makler und Versicherer das für sie ver‑ traute Recht gilt. Soweit jedoch in einer anderen Rechtsbeziehung das Recht eines anderen Staates gilt, mögen kollisionsrechtliche Interessen der Parteien eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Dieser Einfluss eines möglicher‑ weise einem anderen Recht unterliegenden Vermittlungsrechtsverhältnisses ge‑ nügt zur Begründung eines Auslandsbezugs.63 In ähnlicher Weise hat der EuGH im Zuständigkeitsrecht einen hinreichenden Auslandsbezug eines Reisever‑ tragsverhältnisses zwischen zwei österreichischen Parteien darin gesehen, dass der Vertrag über einen deutschen Vermittler geschlossen wurde.64 Da die Rom-Verordnungen nach alledem nicht nur anwendbar sind, wenn Versicherungsvermittler Kunden aus anderen Mitgliedstaaten betreuen, werden in diesem Kapitel auch Sachverhalte betrachtet, in denen Vermittler nicht im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr i. S. d. IDD tätig sind.

2.  Haager Übereinkommen über Vermittlungsgeschäfte Nach Art. 25 Abs. 1 Rom I‑VO und Art. 28 Abs. 1 Rom II‑VO sind die Verord‑ nungen nicht anwendbar, soweit internationale Übereinkommen Kollisions‑ normen zur Versicherungsvermittlung enthalten. Diesbezüglich muss vor allem das Haager Übereinkommen vom 14.3.1978 über das auf Vermittlungsgeschäf‑ te und auf die Stellvertretung anwendbare Recht beachtet werden.65 Es wurde nur von Argentinien, Frankreich, den Niederlanden und Portugal ratifiziert, so‑ dass es aus deutscher Sicht nicht anwendbar ist. Da die Niederlande und Por‑ tugal das Übereinkommen im Bereich der Versicherungsvermittlung nicht an‑ wenden,66 gilt es insoweit nur in Frankreich und Argentinien. Frankreich wird 62 

Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 1 Rom I‑VO Rn. 23 m. w. N. diese potenzielle Anwendbarkeit eines fremden Rechts stellen auch andere Sprach‑ fassungen ab (vgl. „situations comportant un conflit de lois“ und „situations involving a con‑ flict of laws“). Dazu Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 1 Rom I‑VO Rn. 23. 64  EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-478/12, NJW 2014, 530 (531) Rn. 29; dazu Staudinger, RRa 2014, 10 ff. Vgl. zum EuGVÜ auch den Jenard-Bericht, ABl. C 59 v. 5.3.1979, S. 1 (8). 65  Text abgedruckt in RabelsZ 43 (1979), 176 ff. Zur vorrangigen Anwendbarkeit siehe ABl. C 343 v. 17.12.2010, S. 3, 5. 66 Sie haben von der Vorbehaltsmöglichkeit in Art. 18 Nr. 2 des Übereinkommens Ge‑ brauch gemacht: „Any Contracting State may […] reserve the right not to apply this Conven‑ tion to – […] (2) agency in matters of insurance“, vgl. die Übersicht unter . 63  Auf



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es auch in rein innergemeinschaftlichen Sachverhalten anwenden müssen, da Art. 25 Abs. 2 Rom I‑VO und Art. 28 Abs. 2 Rom II‑VO, die im Verhältnis der Mitgliedstaaten eine vorrangige Anwendung der Rom-Verordnungen vorsehen, nur für ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkommen gelten und das Haager Übereinkommen auch durch einen Drittstaat unterzeich‑ net wurde.67 Es gilt in Fällen, in denen eine Person die Befugnis hat, für eine andere Person zu handeln, oder vorgibt, eine solche Befugnis zu haben (Art. 1). Dem Wortlaut nach ist das Übereinkommen also nur auf Fragen des Stellvertretungs‑ rechts anzuwenden. Gleichwohl scheint die Cour d’appel de Paris es auch für die Frage für einschlägig zu halten, welche Beratungspflichten ein Versiche‑ rungsmakler gegenüber seinem Kunden erfüllen muss.68 Die Übertragung einer Vollmacht und die Bestellung des Maklers zum Stellvertreter sind jedoch in der Regel nicht Schwerpunkt eines Maklervertrags. Art. 7 des Übereinkommens be‑ stimmt für solche Fälle, in denen die Begründung eines Vertretungsverhältnis‑ ses nicht einziger Zweck der Vereinbarung ist, dass die Kollisionsnormen nur anwendbar sind, wenn die Übertragung der Vertretungsmacht Hauptzweck der Vereinbarung oder von der übrigen Vereinbarung trennbar ist. Das spricht dafür, die Normen allenfalls auf die Bevollmächtigung eines Vermittlers anzuwen‑ den.69 In diesem Sinne erwähnt Bigot das Übereinkommen im Bereich der Ver‑ sicherungsvermittlung auch nur für die Frage, ob der Vollmachtgeber durch das Handeln eines Versicherungsvermittlers verpflichtet wird.70 Die Rom-Verord‑ nungen sind somit im Bereich der Versicherungsvermittlung in Deutschland und den meisten europäischen Staaten uneingeschränkt, in Frankreich größten‑ teils anwendbar.

67 Ebenso v. Hein, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 Rom I‑VO Rn. 10; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 28a sowie Art. 25 Rom I‑VO Rn. 1 f.; Martiny, in: MüKoBGB, Art. 25 Rom I‑VO Rn. 10; Spickhoff, in: BeckOK‑BGB, Art. 25 Rom I‑VO (1.2.2019) Rn. 5; a. A.  Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 82. Auch in rein innergemeinschaftlichen Sach‑ verhalten gilt der Vorrang des Übereinkommens. Eine abweichende Regelung, die die Kom‑ mission noch in Art. 23 Abs. 2 des Entwurfs der Rom I‑VO vorgesehen hatte (KOM[2005] 650 endg., S. 23 f.), wurde durch den jetzigen Wortlaut ersetzt. Bedeutung hat die Frage freilich ohnehin nur, soweit das Haager Übereinkommen über die Ausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I‑VO hinaus Kollisionsnormen enthält. 68  CA Paris v. 31.10.1990, D. 1991 IR, 6. 69 Ebenso Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 82. Auch im Verhältnis zur Gegenpartei sprechen die Art. 11 und 15 des Übereinkommens dafür, dass allein Fragen der Reichweite der Vertretungsmacht und der Folgen fehlender Vertretungsmacht von den Kollisionsnormen erfasst sind. 70  Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 252.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

III.  Reichweite des Versicherungsvertragsstatuts Für die meisten Erstversicherungsverträge, d. h. das Verhältnis zwischen Ver‑ sicherungsnehmern und Versicherern, enthält die Rom I‑VO in Art. 7 eine spe‑ zielle Kollisionsnorm. Bei Verträgen über Großrisiken i. S. d. Art. 13 Nr. 27 Sol‑ vency II‑RL gewährt Art. 7 Abs. 2 Rom I‑VO den Parteien uneingeschränkte Rechtswahlfreiheit und erklärt subsidiär das Recht des Staates für anwendbar, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Entsprechendes gilt nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 3 und 4 Abs. 1 lit. b bzw. Abs. 2 Rom I‑VO für Rückversicherungsverträge.71 Im Übrigen werden Versicherungsnehmer, so‑ weit sie (Massen-)Risiken absichern, die in einem Mitgliedstaat belegen sind, in Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO besonders geschützt. Dessen Unterabsatz 1 beschränkt zunächst die Rechtswahlmöglichkeiten der Parteien auf Anknüpfungspunkte, die es dem Versicherer jedenfalls nicht generell erlauben, das Recht seines Sitz‑ staats zur Anwendung zu bringen. Ohne oder bei unwirksamer Rechtswahl un‑ terliegt der Vertrag nach Unterabsatz 3 dem Recht des Staates, in dem das Ri‑ siko belegen ist.72 Soweit versicherte Massenrisiken hingegen außerhalb des EWR belegen sind, verlieren Versicherungsnehmer den besonderen Schutz des Art. 7. Versicherungsverträge unterliegen dann den allgemeinen Kollisionsnor‑ men der Art. 3, 4 und 6 Rom I‑VO,73 die nur Verbraucher i. e. S. schützen.

1.  Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts auf andere Vermittlungsrechtsverhältnisse? Soweit Versicherungsverträge der Sonderkollisionsnorm des Art. 7 Rom I‑VO unterliegen, wäre es nun freilich am einfachsten, diese zugleich auf die übrigen Vermittlungsrechtsverhältnisse anzuwenden. In diesem Sinne wurden Pflich‑ ten der Vermittler gegenüber ihren Kunden bereits aus dem Versicherungsver‑ tragsstatut hergeleitet.74 Dafür ließe sich durchaus der Schutzgedanke des Art. 7 Rom I‑VO anführen. Versicherungsnehmer erscheinen gegenüber Versiche‑ rungsvermittlern nicht weniger schutzwürdig als beim Direktvertrieb durch Versicherer. Dieser Gedanke könnte allerdings ohnehin nur die Anwendung des Art. 7 Rom I‑VO auf das Verhältnis der Vermittler zum Kunden und nicht das zum Versicherer rechtfertigen. Darüber hinaus spricht allgemein schon der Wortlaut der Kollisionsnorm gegen eine Erstreckung auf andere Vermittlungsrechtsverhältnisse. Er benennt 71  Hierzu m. w. N. einerseits Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 4 ff. sowie andererseits Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, Art. 1 ff. Rom I‑VO Rn. 43. 72  Zur Risikobelegenheit siehe Art. 13 Nr. 13 und 14 Solvency II‑RL sowie oben S. 70 f. Ausf. Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 7 Rom I‑VO Rn. 26 ff. 73  Siehe Art. 7 Abs. 1 S. 1 2. Alt. Rom I‑VO sowie m. w. N. zur rechtspolitischen Kritik nur Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, Art. 1 ff. Rom I‑VO Rn. 8, 36 ff. 74  Unter Verweis auf Art. 8 EGVVG a. F. Reiff, ZVersWiss 2001, 451 (468).



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eindeutig den Versicherungsvertrag als Anknüpfungsgegenstand und als Par‑ teien nur den Versicherer und den Versicherungsnehmer.75 Ferner hängt die An‑ knüpfung maßgeblich davon ab, in welchem Staat das zu versichernde Risiko belegen ist. Das Verhältnis des Vermittlers zum Kunden ist jedoch nicht zwin‑ gend durch ein bestimmtes zu versicherndes Risiko geprägt. Häufig schließt der Kunde mit dem Vermittler einen Vertrag, der ihm generell die Betreuung in Versicherungsangelegenheiten anvertraut. Ist noch gar nicht im Einzelnen bestimmt, welche Risiken versichert werden sollen, ließe sich teilweise gar nicht feststellen, ob Art. 7 Rom I‑VO anwendbar ist (vgl. Abs. 1), und könnte gegebenenfalls das Vertragsverhältnis nicht angeknüpft werden. Beziehen sich Vermittlungstätigkeiten ferner auf unterschiedliche Risiken, müsste ein ein‑ heitlicher Vermittlungsvorgang gespalten werden, was im Regelfall nicht den Parteiinteressen entspricht. Das alles liegt freilich daran, dass die Leistung des Vermittlers nicht in der Risikotragung besteht. Auch eine historische Auslegung spricht gegen die Anwendung des Art. 7 Rom I‑VO auf andere Vermittlungsverhältnisse. Die Norm geht zurück auf Art. 7 der RL 88/357/EWG76 sowie Art. 32 der RL 2002/83/EG77. Beide Richt‑ linien wandten sich nur an Versicherungsunternehmen und betrafen dement‑ sprechend nur den Versicherungsvertrag. Argumente für eine Erstreckung des Versicherungsvertragsstatuts auf andere Vermittlungsrechtsverhältnisse könnte man allenfalls aus einer rechtsaktübergreifenden Auslegung mit den Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO gewinnen. Flankierend zur kollisionsrechtlichen Privilegierung gewähren diese zivilverfahrensrecht‑ lichen Sonderregeln Versicherungsnehmern in grenzüberschreitenden Sach‑ verhalten einen besonderen Schutz. Nach Art. 10 Brüssel Ia-VO gelten sie für „Klagen in Versicherungssachen“. Vom Wortlaut sind damit nicht nur Klagen aus einem Versicherungsvertrag erfasst. Das zeigt auch die englische Fassung, die lediglich von „matters relating to insurance“ spricht. Es genügt somit ein Bezug zu Versicherungen.78 Eine Einschränkung erfahren die Art. 10 ff. Brüs‑ sel Ia-VO lediglich dadurch, dass ErwG 18 sie auf Klagen beschränkt, in denen eine „schwächere Partei“ besonders schützenswert ist. Als schutzwürdig wer‑ den in den Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO dann Versicherungsnehmer, Versicherte 75  Vgl. auch Staudinger, in: Hk-BGB, Art. 7 Rom I‑VO Rn. 5 unter Verweis auf den Jenard-Bericht zum EuGVÜ, ABl. C 59 v. 5.3.1979, S. 1 (31). 76  Zweite Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebens‑ versicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungs‑ verkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG, ABl. L 172 v. 4.7.1988, S. 1. 77  Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen, ABl. L 345 v. 19.12.2002, S. 1. 78  Vgl. auch BGH, Urt. v. 18.4.2012, IV ZR 147/10, NJW 2012, 2352 Rn. 14, wonach unter Versicherungssachen „alle Streitigkeiten, die sich auf den Abschluss, die Auslegung, die Durchführung und die Beendigung eines Versicherungsvertrags beziehen“, fallen.

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und Geschädigte angesehen.79 Mit Blick auf den weiten Wortlaut und das telos der Norm ließe sich eine Anwendung der besonderen Gerichtsstände auch auf Klagen gegen Versicherungsvermittler vertreten. Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, warum ein Versicherungsnehmer weniger schutzwürdig sein soll, wenn vorvertragliche Pflichten nicht vom Versicherer verletzt wurden, sondern von einer Mittelsperson. Auch das Rechtsverhältnis des Versicherungsnehmers zum Vermittler kann „durch ein Ungleichgewicht zwischen den Beteiligten ge‑ kennzeichnet“80 sein. ErwG 18 spricht schließlich nur davon, dass die Personen „bei“ Versicherungsverträgen geschützt werden sollen. An einem derartigen Bezug zum Versicherungsvertrag könnte es bei der Vermittlerhaftung jedoch fehlen, weil diese sich lediglich aus einem gesonder‑ ten Vermittlungsvertrag ergibt. Hiergegen lässt sich wiederum anführen, dass Art. 10 Brüssel Ia-VO nicht darauf abstellt, aus welchem Vertrag die schutz‑ würdige Person Ansprüche geltend macht. Wird die Haftung aus einem Vermitt‑ lungsvertrag hergeleitet, könnte es genügen, wenn dieser einen hinreichenden Bezug zum Versicherungsvertrag hat. Da die Vermittlung den Abschluss des Hauptvertrags bezweckt, besteht zwischen einem Vermittlungsvertrag und dem vermittelten Vertrag stets sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich ein starker Zusammenhang. Das hat auch der EuGH in der Rechtssache Maletic81 berück‑ sichtigt. Dort schlossen die in Österreich wohnhaften Kläger mit der TUI Öster‑ reich GmbH einen Reisevertrag, der über den deutschen Vermittler lastminute. com vermittelt wurde. Gegenüber letzterem profitierten die Kläger von Art. 16 Abs. 1 Brüssel I‑VO82, wonach Verbraucher ihren Vertragspartner an ihrem Wohnsitz verklagen können. Ob dies auch für TUI als Vertragspartner des Rei‑ severtrags galt, war zwischen den Parteien streitig. Der EuGH legte den Be‑ griff des „anderen Vertragspartners“ in Art. 16 Abs. 1 Brüssel I‑VO weit aus und nahm an, dass hierunter nicht nur der Partner des Vermittlungsvertrags, sondern auch der des vermittelten Vertrags falle. Dieser folgte somit dem Gerichtsstand des Vermittlungsvertrags. Der EuGH verwies zur Begründung vor allem auf die untrennbare Verbindung der beiden Vertragsverhältnisse.83 Dementsprechend 79 

Damit sind auch Unternehmer als Versicherungsnehmer geschützt. Versicherer sind hin‑ gegen als Versicherungsnehmer oder beim Regress gegen andere Versicherer nicht geschützt (EuGH, Urt. v. 26.5.2005, Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509; Urt. v. 13.7.2000, Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925 Rn. 62 ff.). 80  Vgl. EuGH, Urt. v. 26.5.2005, Rs. C-77/04, Slg. 2005, I-4509 Rn. 22. 81  EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-478/12, NJW 2014, 530. 82  Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Han‑ delssachen, ABl. L 12 v. 16.1.2001, S. 1. 83  EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-478/12, NJW 2014, 530 (531) Rn. 29 f. Unmittelbar lässt sich das Urteil ohnehin nicht für eine Anwendung der Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO oder des Art. 7 Rom I‑VO auf die Vermittlerhaftung heranziehen, da dort letztlich der vermittelte Ver‑ trag dem Vermittlungsvertrag „folgte“. Für den vermittelten Versicherungsvertrag bestehen hier explizite Sonderregelungen im IZVR und IPR.



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ließe sich auch ein fehlender Bezug der Vermittlerhaftung zum Versicherungs‑ vertrag unter Umständen nicht gegen ihre Subsumtion unter die Art. 10 ff. Brüs‑ sel Ia-VO vorbringen. Überzeugender ist es daher, darauf abzustellen, dass zwar Art. 10 Brüs‑ sel Ia-VO weit formuliert ist, die Art. 11 ff. als „stärkere“ Partei aber stets nur den Versicherer benennen und gerade nicht den Vermittler. Dabei war sich der Gesetzgeber der Versicherungsvermittlung durchaus bewusst: Art. 8 Abs. 2 EuGVÜ84 sah noch vor, dass der Versicherer in dem Staat verklagt werden kann, in dem die Person, durch deren Vermittlung der Vertrag geschlossen wurde, ihren Wohnsitz hat, soweit das Recht des angerufenen Gerichts eine sol‑ che Zuständigkeit vorsieht. Gleichwohl traf man für die Haftung der Vermittler keine Sonderregelung.85 Das lässt sich damit rechtfertigen, dass sie rechtlich und wirtschaftlich nicht derart „stark“ sind, um ihre zuständigkeitsrechtlichen Interessen wie die der Versicherer zurückzustellen. Werden Vermittler in den Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO nicht als Partei benannt, sollten die Sondervorschrif‑ ten ihnen gegenüber also nicht angewendet werden. Dafür spricht auch, dass die versicherungsnehmerschützenden Bestimmungen nach Ansicht des EuGH „keiner Auslegung zugänglich [sind], die über die in dem Übereinkommen vor‑ gesehenen Fälle hinausginge“86. Die Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO beziehen sich demnach nur auf Rechtsverhältnisse einer im Sinne des Abschnitts schutz‑ würdigen Person zum Versicherer. Der weite Wortlaut der Überschrift und des Art. 10 lässt sich damit erklären, dass der Abschnitt auch Direktansprüche Ge‑ schädigter gegen Haftpflichtversicherer erfasst (Art. 13 Abs. 2 Brüssel Ia-VO). Im Ergebnis ist es daher richtig, die Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO nicht auf eine Klage gegen Versicherungsvermittler anzuwenden.87 Selbst wenn man dieser Auslegung der Brüssel Ia-VO nicht folgte, sollte das Verhältnis des Vermittlers zum Kunden aufgrund oben genannter Argumente nicht nach Art. 7 Rom I‑VO angeknüpft werden. Auch die Entscheidung in der Rechtssache Maletic, die den engen Bezug eines Vermittlungsvertrags zum ver‑ 84 Übereinkommen von Brüssel von 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (konsolidierte Fas‑ sung), ABl. L 299 v. 31.12.1972, S. 32. 85  Im Hinblick darauf handelt es sich auch um keine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO rechtfertigen könnte. 86  EuGH, Urt. v. 13.7.2000, Rs. C-412/98, Slg. 2000, I-5925 Rn. 70. 87  I. E. ebenso Aguilar Grieder, in: Bataller Grau u. a., La Reforma, S. 695 (708 f.) (aller‑ dings mit rechtspolitischer Kritik); Gottwald, in: MüKo-ZPO, Art. 10 Brüssel Ia-VO Rn. 3; Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 10 Brussels Ibis Rn. 12; Vassilakakis, in: FS Spyridon Vrellis, S. 1079 (1081). Ohne Begründung auch der irische High Court in Coleman & Ors. v. Offley Insurance Services [2012] IEHC 303 = unalex IE-90. Mit Verweis auf die fehlende Schutzbedürftigkeit der Parteien im Rückversicherungsmarkt ebenso für Rückversicherungs‑ vermittler Sabido Rodríguez, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 717 (732). Gleiches muss für eine Klage des Vermittlers gegen den Versicherer gelten, da jener von den Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO nicht geschützt werden soll.

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mittelten Vertrag betont, kann im Kollisionsrecht nicht dazu führen, dass Ver‑ träge automatisch unter die Kollisionsnorm anderer, zusammenhängender Ver‑ tragsarten fallen. Soweit Rechtsverhältnisse dort besonders eng verbunden sind und kollisionsrechtlich koordiniert werden sollen, stellt die akzessorische An‑ knüpfung eine spezielle Methode dar,88 deren Voraussetzungen nicht dadurch umgangen werden dürfen, dass man beispielsweise den Anknüpfungsgegen‑ stand „Versicherungsvertrag“ i. S. d. Art. 7 Rom I‑VO auf Vermittlungsverträge erstreckt. Die spezielle Kollisionsnorm ist demnach nur auf das Versicherungs‑ vertragsverhältnis anwendbar.89

2.  Vermittlungsbezogene Rechtsfragen im Versicherungsvertragsstatut Das schließt es nicht aus, dass das Versicherungsvertragsstatut Rechtsfragen be‑ antwortet, die Bezug zur Vermittlungstätigkeit haben.

a)  Zurechnung von Fehlverhalten Dazu gehört zunächst die Frage, ob Versicherer für das Fehlverhalten von Ver‑ mittlern einzustehen haben.90 Das Versicherungsvertragsstatut bestimmt in‑ soweit, unter welchen Voraussetzungen Versicherer für Fehler ihrer Vertreter oder unabhängiger Vermittler haften. Im deutschen materiellen Recht hängt die Frage, ob ein Vermittler Erfüllungsgehilfe des Versicherers ist, beispielswei‑ se nicht strikt davon ab, ob der Vermittler Makler oder Vertreter ist. Vielmehr kann nach Ansicht des BGH auch der Makler Erfüllungsgehilfe sein, wenn ihm umfassend Aufgaben übertragen werden, die typischerweise dem Versicherer obliegen.91 Danach können auch im Ausland registrierte Vermittler nach deut‑ schem Versicherungsvertragsstatut als Erfüllungsgehilfe eines Versicherers an‑ zusehen sein. Selbst wenn die Vermittlerkategorie des Herkunftsmitgliedstaats dem deutschen Recht unbekannt ist, würden Zurechnungsfragen nicht vom Recht dieses Mitgliedstaats entschieden. 88  Vgl.

insb. Art. 4 Abs. 3; 7 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 i. V. m. ErwG 20 Rom I‑VO. Siehe dazu ausf. S. 234 ff. 89 Ebenso Aguilar Grieder, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediacíon, S. 677 (693) mit rechtspolitischer Kritik auf S. 695 ff.; Armbrüster, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu Art. 7 Rom I‑VO Rn. 10; Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 1; Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47); Leible, in: NK‑BGB, Art. 7 Rom I‑VO Rn. 7; Looschelders, in: Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 9 Rn. 136 f.; Lüttringhaus, in: Beck‑ OGK, Art. 7 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 27 f. Unklar Sabido Rodríguez, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediacíon, S. 717 (738 f.), die annimmt, die Ausnahme des Art. 7 Abs. 1 S. 2 Rom I‑VO für Rückversicherungsverträge erfasse auch Vermittlungsverträge. 90 Ebenso Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 7 Rome I Regulation Rn. 82. 91 BGH, Urt. v. 5.4.2017, IV ZR 437/15, NJW 2017, 2268 (2269) Rn. 23; Beschl. v. 26.9.2012, IV ZR 71/11, r+s 2013, 117 (118) Rn. 30 f.; Urt. v. 11.7.2012, IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 (51 f.) Rn. 51; krit. Werber, VersR 2014, 412 (417 f.).



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Die Rechtsordnung, in der der Vermittler registriert ist, könnte allenfalls dann Bedeutung erlangen, wenn ein Tatbestandsmerkmal des Versicherungsvertrags‑ statuts auf eine bestimmte Vermittlerkategorie abstellt. Beispielsweise schul‑ den Versicherer nach § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG keine Beratung, wenn der Vertrag durch einen Versicherungsmakler vermittelt wurde. Diese deutsche Vermittler‑ kategorie kann durch eine ausländische substituiert werden, wenn die Tätigkeit des ausländischen Vermittlers mit der eines Maklers nach deutscher Vorstellung vergleichbar ist.92 Gehört es zu seinem Berufsbild, umfassend und unabhän‑ gig zu beraten, greift das telos des § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG, sodass der Versiche‑ rer auch bei einem ausländischen Vermittler von seiner Beratungspflicht befreit wird, unabhängig davon, welcher Vermittlerkategorie er nach ausländischem Recht angehört.93 Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber es nicht für erfor‑ derlich hielt, in § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG neben dem Makler den Versicherungs‑ berater zu nennen, weil es eindeutig sei, dass er mit diesem vergleichbar ist.94

b) Vertretungsmacht und Wissenszurechnung Höchst praxisrelevant sind ferner Bestimmungen zur Vertretungsmacht der Ver‑ mittler sowie zur Wissenszurechnung. Diese sind nicht nur systematisch meist in Versicherungsvertragsgesetzen geregelt, sondern auch funktional in beson‑ derem Maße mit dem Ziel des Versicherungsvertragsrechts verbunden, dem Ausgleich von Versicherungsnehmer- und Versichererinteressen. Es erscheint daher auf den ersten Blick sinnvoll, die Rechtsfragen vom Versicherungsver‑ tragsstatut beantworten zu lassen. Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I‑VO nimmt jedoch die Frage, ob ein Vertreter eine andere Person Dritten gegenüber verpflichten kann, vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Darunter fällt jedenfalls die Frage, ob der Vermittler im Namen einer Partei den Versicherungsvertrag abschließen oder aufheben kann. Vom Wortlaut her bereits nicht erfasst ist die Wissenszurechnung. Das muss bei teleologischer Auslegung erst recht im Versicherungsrecht gelten. Bestim‑ mungen zur Wissenszurechnung bei unterbliebener oder verzögerter Weiter‑ leitung von Erklärungen des Versicherungsnehmers zur Erfüllung von Ob‑ liegenheiten sind beispielsweise grundlegend für die Risikoverteilung im Versicherungsvertrag. Die Entscheidung, ob einer Vertragspartei das Wissen des Vermittlers zugerechnet werden kann, ist elementar für den Versicherungs‑ schutz. Sie sollte daher konsistent sein mit den übrigen versicherungsvertrag‑ lichen Regelungen. Die Frage, auf wessen Kenntnis abzustellen ist, entscheidet

92  Allg. zur Substitution Kropholler, IPR, § 33. 93  Ausf. zur Anwendung des § 6 Abs. 6 VVG bei

S. 240. 94  Begr. RegE BT‑Drs. 16/3945, S. 58.

abweichendem Maklervertragsstatut auf

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dementsprechend das Versicherungsvertragsstatut.95 Bestimmungen zur passi‑ ven Vertretungsmacht der Vermittler wie § 69 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VVG bezwe‑ cken in ähnlicher Weise einen Versicherungsnehmerschutz. Im Hinblick da‑ rauf ist eine – vom Wortlaut ohnehin schon gebotene – enge Auslegung der Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I‑VO vorzunehmen. Rechtsfragen der Wissenszurechnung und der passiven Vertretungsmacht sind daher von Art. 7 Rom I‑VO erfasst.96 Problematisch erscheint allein die Anwendung des Versicherungsvertrags‑ statuts auf die (aktive) Vertretungsmacht des Versicherungsvermittlers. Ange‑ sichts des klaren Wortlauts des Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I‑VO ließe sich eine sol‑ che nur auf zwei Wegen erreichen: durch eine teleologische Reduktion97 der Ausnahme, die zur Anwendbarkeit der Rom I‑VO führt, oder durch einen Ver‑ weis im nationalen Kollisionsrecht der Stellvertretung auf Art. 7 Rom I‑VO. Für die erste Lösung mag der Versicherungsnehmerschutz sprechen, den vor allem Sonderbestimmungen zur Reichweite der Vollmacht eines Vermittlers bezwe‑ cken.98 Das wirksame Zustandekommen eines Versicherungsvertrags kann für den Versicherungsnehmer so existenziell sein, dass sein Vertrauen in die Voll‑ macht des Vermittlers auch kollisionsrechtlich besonders geschützt werden soll‑ te. Ähnliche Überlegungen könnten angestellt werden, wenn ein ausländischer Makler nach „seinem“ Recht Versicherungsverträge wirksam kündigen kann, der Versicherungsnehmer aber auf die Rechtsmacht nach dem ihm bekannten Recht vertraut. Gleichwohl scheidet eine hierauf gestützte teleologische Re‑ duktion aus Gründen der Rechtssicherheit aus. Die Argumente lassen sich auf andere Verträge übertragen, in denen Parteien kollisionsrechtlich ebenfalls be‑ sonders schutzwürdig sind. Obwohl der Gesetzgeber diese Schutzbedürftigkeit in den Art. 6 ff. Rom I‑VO sieht, hat er sich bewusst dafür entschieden, Sonder‑ regeln nur im Anwendungsbereich der Verordnung zu treffen. Das ist de lege lata zu respektieren. Auf die (aktive) Vertretungsmacht des Versicherungsvermittlers ist daher na‑ tionales Kollisionsrecht anzuwenden,99 d. h. in Deutschland Art. 8 EGBGB. Da‑ nach kann der Vollmachtgeber das anwendbare Recht wählen, wenn die Rechts‑ 95  Vgl. allg. auch Mäsch, in: BeckOK‑BGB, Art. 8 EGBGB (1.5.2019) Rn. 29; Spellenberg, in: MüKo-BGB, Art. 8 EGBGB Rn. 159 m. w. N. zur Gegenauffassung; a. A. auch Magnus, in: Staudinger, BGB, Anh. II zu Art. 1 Rom I‑VO Rn. 48. 96 Ähnlich Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 7 Rome I Regulation Rn. 81, der jedoch ge‑ nerell für eine Rückausnahme von Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I‑VO plädiert, ohne zwischen akti‑ ver/passiver Vertretungsmacht und Wissenszurechnung zu unterscheiden. Vgl. auch die Denk‑ schrift zum EVÜ, BT‑Drs. 10/503, S. 23, wonach es sich bei dem Ausschluss nur um einen „Teilaspekt“ handeln soll. 97 Zur teleologischen Reduktion im Europarecht siehe ausf. Martens, Methodenlehre, S. 505 ff. (insb. S. 508) sowie GA Bobek, Schlussanträge v. 22.6.2016, Rs. C-177/15 Rn. 37. 98  Daher für eine Rückausnahme Heiss, in: Magnus/Mankowski, Art. 7 Rome I Regulation Rn. 81 (jedenfalls bei entsprechenden Bestimmungen im Versicherungsvertragsrecht). 99 Ebenso Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, Art. 1 ff. Rom I‑VO Rn. 7; Dörner, in:



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wahl dem Dritten und dem Bevollmächtigten bekannt ist (Abs. 1). Im Übrigen ist nach Art. 8 Abs. 2 EGBGB überwiegend der gewöhnliche Aufenthalt des Vermittlers maßgeblich, der in der Regel auch für die Parteien des Versiche‑ rungsvertrags erkennbar ist. Das danach anwendbare Recht gilt freilich nur für die Frage, ob der Vermittler die Erklärung für eine andere Partei abgeben kann. Ob die Ausübung der Vollmacht im Innenverhältnis eine Pflichtverlet‑ zung darstellt, entscheidet das nach der Rom I‑VO anwendbare Recht.100 Eine Abweichung von Art. 8 EGBGB im Sinne einer akzessorischen Anknüpfung der Vertretungsmacht an das Versicherungsvertragsstatut ist auch im deutschen Kollisionsrecht abzulehnen, da der Gesetzgeber mit der neu eingeführten Kol‑ lisionsnorm Rechtssicherheit schaffen wollte.101 Dem stünde es entgegen, das Geschäftsstatut schon immer dann anzuwenden, wenn eine Partei besonders schutzwürdig erscheint. Für die weitere Untersuchung ist festzuhalten, dass Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I‑VO sich nur auf die aktive Vertretungsmacht bezieht und demnach die Kollisionsnormen der Rom I‑VO auf vertragliche Schuldverhältnisse im Be‑ reich der Versicherungsvermittlung überwiegend anwendbar sind.

3.  Weiteres Vorgehen Da Art. 7 Rom I‑VO auf die Rechtsverhältnisse der Vermittler zum Kunden und zum Versicherer keine Anwendung findet, sollen im Folgenden die diesbezüg‑ lich einschlägigen Kollisionsnormen ermittelt werden. Wesentlich ist dabei die Abgrenzung der sachlichen Anwendungsbereiche der Rom I- und Rom II‑VO. Um zu entscheiden, ob die Kollisionsnormen der einen oder anderen Verord‑ nung auf Vermittlungsrechtsverhältnisse Anwendung finden, muss geklärt wer‑ den, ob es sich bei ihnen um „vertragliche Schuldverhältnisse“ i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Rom I‑VO oder um „außervertragliche Schuldverhältnisse“ i. S. d. Art. 1 Abs. 1 Rom II‑VO handelt. Auf den ersten Blick mag man geneigt sein, einen Vermittler nach dem Grad seiner Abhängigkeit zu(m) Versicherer(n) schlicht einer Seite des Versicherungsvertrags zuzuordnen. So könnten an Versicherer gebundene Vertreter nur mit diesen in einem vertraglichen Schuldverhältnis ste‑ hen und unabhängige Makler nur mit den sie beauftragenden Kunden. Anderer‑ seits sind aus ökonomischer Sicht beide Vertragspartner des Versicherungsver‑ trags Abnehmer bzw. Profiteur der Vermittlungsleistung,102 sodass Vermittler auch mit beiden in vertraglichen Beziehungen stehen könnten.

Bruck/Möller, VVG, Art. 12 Rom I‑VO Rn. 6; Lüttringhaus, in: BeckOGK, Art. 7 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 86; Roth, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 4 Rn. 111. 100  Vgl. nur den Bericht von Giuliano/Lagarde, ABl. C 282 v. 31.10.1980, S. 1 (13). 101  Begr. RegE BT‑Drs. 18/10714, S. 24. 102  Dazu S. 7.

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Rechtsvergleichende Untersuchungen sollen zeigen, inwieweit die Vermitt‑ lerkategorien im Sachrecht zur Abgrenzung vertraglicher und außervertragli‑ cher Schuldverhältnisse genutzt werden. Derartige Betrachtungen sind nützlich und erforderlich, obwohl europäisches Kollisionsrecht grundsätzlich autonom auszulegen ist: Zum einen helfen sie dabei, sich von nationalen Rechtsverständ‑ nissen zu lösen. Zum anderen kann die systematische Einordnung eines Rechts‑ instituts in der Mehrheit der Mitgliedstaaten durchaus ein gewisses „Indiz“ für eine autonome Qualifikation sein.103 Die Ergebnisse der Rechtsvergleichung sollen die Grundlage für eine Zuordnung der Schuldverhältnisse zur Rom Ioder Rom II‑VO bilden, um die einschlägigen Kollisionsnormen und das an‑ wendbare Privatrecht zu ermitteln. Beide Schritte sollen zunächst für das Ver‑ hältnis der Vermittler zu ihren Kunden und sodann für das zum Versicherer durchgeführt werden.

IV. Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden 1.  Nationales Rechtsverständnis: Auswirkung der Vermittlerkategorie auf die Abgrenzung von Vertrags- und Deliktsrecht Ob das Rechtsverhältnis eines Vermittlers zum Kunden ein vertragliches oder außervertragliches ist, könnte davon abhängen, ob der Vermittler vertraglich verpflichtet ist, nur Produkte bestimmter Versicherer zu vertreiben, oder ob er einen unabhängigen Marktvergleich bietet. Wird ein Vermittler von seinem Kunden mit einem Vergleich verschiedener Produkte beauftragt und vermittelt er sodann für diesen einen Versicherungsvertrag, liegt ein vertragliches Rechts‑ verhältnis deutlich näher, als wenn ein Vermittler von einem Versicherer mit dem Vertrieb seiner Produkte beauftragt wird und er aus diesem Grund mit Kunden in Kontakt tritt. Hier könnte allein zum Versicherer, nicht aber zum Kunden ein vertragliches Schuldverhältnis bestehen.

a)  Versicherungsmakler, broker, courtier Unabhängige Vermittler werden vom Kunden mit der Vermittlung eines Ver‑ sicherungsprodukts beauftragt.

aa)  Der Versicherungsmaklervertrag und die Dominanz vertraglicher Haftung in Deutschland Angesichts dessen ist in Deutschland unumstritten, dass zwischen den Partei‑ en ein Vertrag besteht,104 der Makler zu Vermittlungsbemühungen verpflich‑ 103  Vgl. entsprechend die Argumentation in EuGH, Urt. v. 14.7.2016, Rs. C-196/15, NJW 2016, 3087 (3088) Rn. 23; Urt. v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 20. 104  Siehe nur BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 (220) Rn. 13;



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tet. Selten (im Fall der Vermittlung von Nettopolicen) schulden Kunden für er‑ folgreiche Vermittlungsleistungen gem. § 652 Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar ein Entgelt. Abweichend hiervon bestand schon früher eine Verkehrssitte, dass die Zahlung eines Maklerlohns durch den Kunden nicht geschuldet ist. Ihn trifft daher im Regelfall keine Gegenleistungspflicht. Makler verpflichten sich viel‑ mehr in Erwartung einer Erfolgsvergütung durch Versicherer (Courtage) zur Tätigkeit. Beim Versicherungsmaklervertrag handelt es sich demnach im Re‑ gelfall um einen Maklerdienst-105 und Geschäftsbesorgungsvertrag106, bei dem die Leistung der Makler nicht gegen eine Vergütung der Versicherungsnehmer zu erwarten ist (vgl. §§ 612 Abs. 1; 653 Abs. 1 BGB) und dessen Inhalt durch die §§ 59 ff. VVG und das Berufsbild der Versicherungsmakler eine besondere Ausgestaltung findet. Er verpflichtet Makler i. d. R. dazu, eine Risikoanalyse vorzunehmen, zur bestmöglichen Deckung zu beraten und sich um die Vermitt‑ lung eines passenden Produkts zu bemühen.107 Da Versicherungsmakler ihre Kunden grundsätzlich auch nach Abschluss des Versicherungsvertrags (ins‑ besondere bei der Schadensregulierung) betreuen müssen,108 hat der Makler‑ vertrag regelmäßig Dauerschuldcharakter.109

bb)  Maklerverträge und Anspruchskonkurrenz in anderen Staaten Auch in Frankreich110 und Österreich111 leitet man die Maklerhaftung aus einem eigenständigen Maklervertrag her. Selbst das englische Recht erkennt Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 70; Reiff, in: MüKo-VVG, § 60 Rn. 26. Gleiches gilt selbstverständlich für Versicherungsberater. Sie werden im Folgenden nicht gesondert be‑ trachtet. 105 Siehe Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 98 Rn. 31. Ein solcher liegt vor, wenn sich der Mak‑ ler zu Diensten verpflichtet und die Vergütung erfolgsabhängig ist (BGH, Urt. v. 9.5.1984, IVa ZR 113/82, NJW 1984, 2407 f.). Ausf. gegen eine werkvertragliche Einordnung Baumann, Versicherungsmakler, S. 122 ff. Da die fehlende Provisionszahlungspflicht des Kunden mit dem Einverständnis verbunden ist, dass sich der Makler von der Gegenseite vergüten lässt, liegt kein Auftrag vor (hierzu Arnold, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 652 ff. Rn. 18 mit zutreffen‑ dem Verweis auf BGH, Urt. v. 12.2.1981, IVa ZR 94/80, NJW 1981, 1444). 106  BGH, Urt. v. 10.3.2016, I ZR 147/14, NJW 2016, 3366 (3367) Rn. 18; Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359). Maklerdienstverträge sind häufig auch Geschäftsbesor‑ gungsverträge, vgl. Heermann, in: MüKo-BGB, § 675 Rn. 105. Vgl. auch Dörner, in: Prölss/ Martin, VVG, § 59 Rn. 70, der von einem „Geschäftsbesorgungsvertrag mit anderstypischer Gegenleistung“ spricht. 107  Vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2016, I ZR 147/14, NJW 2016, 3366 (3367) Rn. 18; Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1057) Rn. 19; Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359); Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 73 f.; Reiff, in: MüKo-VVG, § 60 Rn. 26 ff. 108  Vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2017, I ZR 143/16, VersR 2018, 349 (350) Rn. 13; Urt. v. 16.7.2009, III ZR 21/09, VersR 2009, 1495 (1496) Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.2017, 20 U 53/17, NJW‑RR 2018, 33 f. Rn. 6. 109  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 72. 110  Vgl. Cass. com. v. 23.9.2014, n° 13-22.763; v. 13.4.2010, n° 08-21.334; Cass. civ. 1re v. 24.5.1989, RGAT 1989, 910; v. 13.5.1985, D. 1986, 525, wo die Haftung auf die vertragliche

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derartige Verträge an, auch wenn Kunden broker wie im Regelfall nicht direkt vergüten.112 Das Erfordernis der consideration, d. h. eines gegenseitigen Leis‑ tungsaustausches, soll dadurch erfüllt sein, dass Kunden Maklern die Mög‑ lichkeit geben, eine Provision vom Versicherer zu erhalten.113 Der Maklerver‑ trag verpflichtet broker ähnlich wie in Deutschland, sich mit der erforderlichen Sorgfalt um Versicherungsschutz zu bemühen und Kunden zu beraten.114 Um‑ stritten ist, ob er zur weiteren Betreuung der Kunden nach Abschluss des Ver‑ sicherungsvertrags verpflichtet.115 Vermittlungs- und Beratungspflichten ergeben sich im englischen Recht da‑ rüber hinaus unabhängig vom Maklervertrag aus dem Deliktsrecht (tort law).116 Verwiesen wird diesbezüglich auf die Entscheidung des House of Lords in Hedley Byrne v. Heller & Partners.117 Danach können sich aus der freiwilligen Übernahme von Verantwortung („voluntary undertaking to assume responsibi‑ lity“) deliktische Pflichten ergeben, bei deren Verletzung ein Anspruch wegen negligence entsteht.118 Das gilt bereits, wenn jemand freiwillig, d. h. auch ohne ein bindendes Leistungsversprechen, eine Leistung erbringt.119 Dazu gehören vor allem Fälle der freiwilligen Beratung oder Auskunftserteilung. Lord Morris of Borth-y‑Gest führte dazu aus:120 „[I]f someone possessed of a special skill undertakes, quite irrespective of contract, to apply that skill for the assistance of another person who relies upon such skill, a duty of care will arise.“

Anspruchsgrundlage des Art. 1147 Code civil (C. civ.) a. F. gestützt wird. Zum Versicherungs‑ maklervertrag auch Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 1185. Die Ent‑ scheidung Cass. civ. 2e v. 18.5.2017, n° 16-16.803 stützt die Maklerhaftung auf die deliktische Anspruchsgrundlage des Art. 1382 C. civ. a. F., weil der Makler dort vom geschädigten Ver‑ tragspartner des Versicherungsnehmers verklagt wurde. 111  Vgl. nur Fenyves, VR 3/2011, 28 (31); Gartner/Karandi, MaklerG, § 26 Rn. 3. 112  Ackbar v. C. F. Green & Co. Ltd. [1975] 1 Lloyd’s Law Rep. 673 (675); Elkington, in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16-009; Walton, in: Charlesworth & Percy on Negligence, Rn. 10-185 und 10-188. 113  Elkington, in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16-009. 114 Ausf. Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-047 ff. 115  Für einen entsprechenden Dauerschuldcharakter Grace v. Leslie & Godwin Financial Services [1995] C. L. C. 801 (809) [jedenfalls für Policen bei Lloyd’s]; Merkin/Hjalmarsson, Compendium of Insurance Law, Rn. 8.6. Dagegen (bzw. nur für den Fall vertraglicher Verein‑ barungen) in Irland Coleman v. Offley Insurance Services [2012] IEHC 303 = unalex IE-90. Ausf. dazu Henley/Kemp, Insurance Broking, Rn. 9-002 ff. 116  Vgl. nur Walton, in: Charlesworth & Percy on Negligence, Rn. 10-188 sowie die fol‑ genden Fn. 117  Darauf Bezug nehmend Henderson v. Merrett [1994] C. L. C. 918 (930); Forsikrings‑ aktieselskapet Vesta v. Butcher [1989] A. C. 852 (860); Youell v. Bland Welch (The „Super‑ hulls Cover“ Case) (No. 2) [1990] 2 Lloyd’s Law Rep. 431 (459). 118  Hedley Byrne v. Heller & Partners [1963] 1 Lloyd’s Law Rep. 485. 119  Hedley Byrne v. Heller & Partners [1963] 1 Lloyd’s Law Rep. 485. 120  Hedley Byrne v. Heller & Partners [1963] 1 Lloyd’s Law Rep. 485 (501).



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Da auch Versicherungsmakler derartiges Vertrauen hervorrufen, besteht ihre Pflicht, auf die Interessen eines Versicherungsnehmers Rücksicht zu neh‑ men, bereits nach dem Deliktsrecht und setzt einen Vertragsschluss nicht vo‑ raus. Damit geht die deliktische Haftung der Versicherungsmakler für reine Vermögensschäden ihrer Kunden im englischen Recht deutlich weiter als im deutschen Deliktsrecht. Das zeigt sich auch darin, dass Verstöße der Makler gegen die im (Insurance:) Conduct of business sourcebook ([I]COBS) umge‑ setzten Pflichten der VermRL bzw. der IDD deliktische Schadensersatzansprü‑ che wegen breach of statutory duty begründen können.121 Vertragliche und de‑ liktische Ansprüche stehen in Anspruchskonkurrenz, sodass Geschädigte sich aussuchen können, ob sie auf Basis des Vertrags- oder Deliktsrechts klagen.122

b)  Versicherungsvertreter, insurance agent, agent général Anders als bei ungebundenen Vermittlern liegt das Rechtsverhältnis der Ver‑ sicherungsvertreter zu ihren Kunden nicht eindeutig im vertraglichen oder de‑ liktischen Bereich. Da Vertreter von Versicherern damit betraut sind, Verträge zu vermitteln, und ihre Leistungen der Erfüllung dieser Pflicht dienen, drängt sich die Frage auf, ob sie sich auch gegenüber Kunden vertraglich zur Leistung verpflichten.

aa)  Entwicklung vom Vertragsrecht zur culpa in contrahendo in Deutschland (1)  Rechtsverhältnis vor Umsetzung der VermRL Das Reichsgericht hatte Versicherungsagenten zunächst häufiger nur als Beauf‑ tragte der Versicherer angesehen, um diesen ihr Wissen zuzurechnen.123 Als ein Versicherungsinteressent „seinen“ Agenten jedoch persönlich auf Schadens‑ ersatz in Anspruch nahm, ging das Reichsgericht davon aus, zwischen beiden sei durch die erfolgte Beratung und die Entgegennahme des Versicherungs‑ antrags ein Auftragsverhältnis begründet worden.124 Vermöge desselben sei der 121  122 

Siehe die Nachweise in Teil 1 Fn. 196. Grundlegend Henderson v. Merrett [1994] C. L. C. 918 (dort zu Maklern auch S. 930); siehe auch Avondale Exhibitions v. Arthur J. Gallagher Insurance Brokers [2018] EWHC 1311 (QB) Rn. 118; Involnert Management Inc v. Aprilgrange [2015] 2 C. L. C. 307 (387) Rn. 278; Grace v. Leslie & Godwin Financial Services [1995] C. L. C. 801 (807 ff.); Birds, Modern In‑ surance Law, S. 221; Elkington: in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16-012; Merkin/Hjalmarsson, Compendium of Insurance Law, Rn. 8.6.; Walton, in: Charlesworth & Percy on Negligence, Rn. 10-188. 123  Vgl. RG, Urt. v. 3.7.1883, III 75/83, RGZ 9, 195 (197); ähnlich RG, Urt. v. 2.12.1890, III 167/90, RGZ 27, 151 (152). Zum Teil relativierte das Reichsgericht dies aber auch (vgl. RG, Urt. v. 9.11.1888, III 177/88, RGZ 22, 201 [207]) und nahm schließlich sogar an, ein Agent habe als Beauftragter eines Kunden gehandelt, als er für diesen Fragen im Antragsformular be‑ antwortet hat, RG, Urt. v. 29.6.1897, III 62/97, RGZ 39, 177 (180). 124  RG, Urt. v. 9.6.1888, I 143/88, RGZ 21, 90 f. Die Ansicht hat das RG auch in seinem Urt. v. 22.1.1906 (VI 267/05, RGZ 62, 315 [318]) nicht aufgegeben. Danach besteht zwar kein

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Agent verpflichtet gewesen, den Antrag „geschäftsmäßig zu behandeln“, ins‑ besondere rechtzeitig an den Versicherer weiterzuleiten, und den Kunden über eine Ablehnung zu informieren. Der BGH scheint dem zunächst gefolgt zu sein,125 ließ die Frage aber spä‑ ter selbst beim Mehrfachvertreter offen.126 Es setzte sich dann immer mehr die Ansicht durch, dass Versicherungsvertreter wie „gewöhnliche“ Stellvertreter zu behandeln seien.127 Eine Eigenhaftung sollte nur in seltenen Ausnahmefällen aus culpa in contrahendo in Betracht kommen (sog. Sachwalterhaftung): ent‑ weder, wenn der Vertreter ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsschluss hatte, oder, wenn er in besonderem Maße persönliches Vertrau‑ en in Anspruch nahm.128 Bei Versicherungsvertretern sollten diese Vorausset‑ zungen im Regelfall nicht erfüllt sein.129 Auch ein Auftragsverhältnis wurde überwiegend abgelehnt,130 sodass Agenten in der Regel keine eigenen Pflichten gegenüber ihren Kunden hatten. Bereits vor Erlass der VermRL wurde dies von Teilen der Literatur unter Verweis auf die Vergleichbarkeit der Versicherungsvermittlung mit der Anla‑ geberatung von Banken kritisiert. Durch den Wegfall der staatlichen Produkt‑ kontrolle war der Informationsbedarf der Versicherungsnehmer gestiegen und Versicherungsvertreter warben immer häufiger – ähnlich wie andere Berater im Auftragsverhältnis zum Generalagenten, der den Versicherungsschein ausfertigt, jedoch mit dem Agenten, „mit dem der Kläger über den einzugehenden Versicherungsvertrag die Vorver‑ handlungen pflog, der ihm bei der Beantwortung der Fragen des Antragsformulars behülflich war und den Versicherungsantrag zur Beförderung […] annahm“. 125  BGH, Urt. v. 4.2.1960, VII ZR 8/59, VersR 1960, 491 f., wobei unklar ist, ob die Ver‑ mittlungsgesellschaft als Vertreter auftrat; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.10.1972, 4 U 285/71, VersR 1973, 74, das einen „Vermittlungsvertrag“ annahm. 126  BGH, Beschl. v. 7.3.1963, VII ZR 165/61, VersR 1963, 554 (555). Er zog alternativ eine Haftung aus § 179 BGB in Betracht (ebenso gegenüber Dritten BGH, Urt. v. 6.11.1967, II ZR 71/65, VersR 1968, 35 [36]). 127  Vgl. bereits OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.5.1985, 9 U 292/83, VersR 1986, 33 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.6.1982, 9 U 94/81, ZfS 1982, 334 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.6.1969, 21 U 174/67, VersR 1970, 126; LG Darmstadt, Urt. v. 4.4.1977, 10 O 300/76, ZfV 1978, 302 f.; LG Mönchengladbach, Urt. v. 26.6.1973, 4 S 86/73, VersR 1974, 185 (186); Klöckener, Versicherungsvertreter, S. 261 ff.; Martin, in: Prölss/Martin, VVG, 24. Aufl. (1988), § 43 Anm. 7  D.; Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. (1961), Vor §§ 43–48 Anm. 177 und § 44 Anm. 35. 128  Vgl. nur BGH, Urt. v. 4.7.1983, II ZR 220/82, BGHZ 88, 67 (68 ff.); Urt. v. 24.4.1978, II ZR 172/76, BGHZ 71, 284 (286 f.); Urt. v. 29.1.1975, VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382 (384 f.). 129  BGH, Urt. v. 17.6.1991, II ZR 171/90, VersR 1991, 1052 (1053); OLG Hamm, Beschl. v. 25.5.1991, 20 W 19/91, VersR 1992, 50 f.; Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. (2004), § 43 Rn. 42 ff. 130  Explizit OLG Hamm, Urt. v. 6.8.2007, 18 U 162/06, BeckRS 2008, 22153 (bestätigt durch BGH, Beschl. v. 16.7.2008, IV ZR 288/07, BeckRS 2008, 15040; anders noch die Vor‑ instanz: LG Paderborn, Urt. v. 18.8.2006, 2 O 8/06); gegen einen Beratungsvertrag auch be‑ reits OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.6.1969, 21 U 174/67, VersR 1970, 126.



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Finanzdienstleistungsbereich – mit ihrer Sachkunde.131 Es lag daher nahe, die Idee eines Beratungs- oder Vermittlungsvertrags auch auf Versicherungsvertre‑ ter anzuwenden.132

(2)  Rechtsverhältnis nach Umsetzung der VermRL (a)  „Beratungspflichten“ zwischen Vertrag und Delikt Die Forderung nach strengeren Beratungspflichten wurde dann allerdings durch die VermRL erfüllt. Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie sah vor, dass auch Versiche‑ rungsvertreter die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden sowie die Gründe für einen erteilten Rat anzugeben haben. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Pflichten in den §§ 60 ff. VVG umgesetzt und so auch das Rechtsverhältnis der Vertreter zu Versicherungsnehmern grundlegend geändert. Pflichtverletzungen sind nunmehr nach § 63 VVG schadensersatzbewehrt. Unklarheit bestand allerdings über die systematische Einordnung der Pflich‑ ten. Im Zuge der Umsetzung der VermRL ordneten die VVG‑Reformkommis‑ sion und Reiff sie zunächst dem Vertragsrecht zu.133 Für den Regelfall der Ver‑ mittlung von Bruttopolicen hält die nunmehr ganz überwiegende Auffassung hingegen daran fest, dass Versicherungsvertreter als Beauftragte der Versiche‑ rer grundsätzlich keinen Vertrag mit ihren Kunden schließen. Aus den §§ 60 ff. VVG ergebe sich lediglich ein gesetzliches, vertragsähnliches Rechtsverhält‑ nis,134 das häufig als Spezialfall des in § 311 Abs. 3 BGB geregelten vorvertrag‑ lichen Schuldverhältnisses zu Dritten angesehen wird.135 Nur sehr selten geht die Literatur noch von einem eigenen Vertrag zwischen Versicherungsvertretern und Kunden aus.136 131  Kieninger, AcP 199 (1999), 190 (206 ff., 238, 241); v. Stebut, ZIP 1992, 1698 (1703 f.). Das genügte nicht für eine Haftung aus culpa in contrahendo, weil es nach Ansicht des BGH erforderlich war, dass der Vertreter „den Eindruck vermittelt, er werde […] die ordnungsgemä‑ ße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut“ (BGH, Urt. v. 3.4.1990, XI ZR 206/88, VersR 1990, 753 [754]; ähnlich BGH, Urt. v. 4.7.1983, II ZR 220/82, BGHZ 88, 67 [69]). 132 Ausf. Kieninger, AcP 199 (1999), 190 (236 ff.); grds. auch v. Stebut, ZIP 1992, 1698 (1703 f.). Dagegen Wolf, NVersZ 2001, 392 (393 ff.). 133  Lorenz, Abschlussbericht Reformkommission, S. 14 („vertragsrechtliche Pflichten des Versicherungsvertreters gegenüber dem Versicherungsnehmer“); Reiff, Versicherungsvermitt‑ lerrecht, S. 15 f.; zuvor zum RL‑Entwurf bereits ders., ZVersWiss 2001, 451 (466): „Der Sache nach steht die Richtlinie also auf dem Standpunkt, bei jeder Versicherungsvermittlung werde – im Grundsatz ähnlich wie bei einer Anlagevermittlung – konkludent ein Beratungsvertrag zwi‑ schen dem Vermittler persönlich und seinem Kunden geschlossen“. 134  OLG Hamm, Urt. v. 6.5.2013, 18 U 114/12, NJW‑RR 2014, 209; Armbrüster, Privat‑ versicherungsrecht, Rn. 701, 719; Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 57; Münkel, in: Hk-VVG, § 63 Rn. 2; Reiff, VersR 2016, 757 (759); Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG, § 63 Rn. 3; Stöbener, Beratungspflichten, S. 106. 135  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 57; Reiff, in: MüKo-VVG, § 63 Rn. 23; wohl auch Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn. 719. 136  So z. B. Sonnenberg, Vertriebskostentransparenz, S. 144 f. und z. T. Reiff, in: MüKo-

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(b)  Vergleich mit anderen Handelsvertretern Damit weicht das Versicherungsrecht im Grundsatz nicht vom allgemeinen Handelsrecht ab, wo Vertragsbeziehungen der Handelsvertreter zu den (zukünf‑ tigen) Vertragspartnern ihrer Geschäftsherrn im Grundsatz ebenfalls abgelehnt werden.137 Hiervon macht die Rechtsprechung allerdings seit einiger Zeit bei‑ spielsweise bei Reisevermittlern eine Ausnahme. Mit diesen schließen Kunden nach Ansicht des BGH einen Reisevermittlungsvertrag.138 Welchen handels‑ rechtlichen Status Vermittler haben, scheint unerheblich zu sein.139 Der BGH jedenfalls hat die Frage, ob die Stellung eines Reisebüros als Handelsvertreter erhöhte Anforderungen an die Annahme eines Reisevermittlungsvertrags stellt, früher offengelassen140 und später nicht mehr aufgegriffen. Auch in aktuellen Gesetzgebungsverfahren wurde das Vertragsverhältnis nicht infrage gestellt.141 Schon viel früher hatte die Rechtsprechung einen Vermittlungsvertrag zwi‑ schen Kunden und Anlagevermittlern angenommen. Er wird nach Ansicht des BGH stillschweigend dadurch geschlossen, dass Anlageinteressenten an Anla‑ gevermittler wie Banken herantreten und diese die gewünschte Tätigkeit be‑ ginnen.142 Den Rechtsbindungswillen der Parteien leitet die Rechtsprechung regelmäßig daraus her, dass die Tätigkeit der Vermittler für den Kunden von erheblicher Bedeutung und Grundlage wesentlicher Entscheidungen ist.143 Ob hierfür eine unmittelbare Gegenleistung erbracht wird, ist für das Zustandekom‑ men des Vertrags nicht von Bedeutung.144 Er kann Vermittler entweder zur Aus‑ VVG, § 59 Rn. 40, der zunächst von „vertragliche[n] Pflichten“, dann von einem „vertragli‑ che[n] oder vertragsähnliche[n] Schuldverhältnis“ spricht und bei § 63 Rn. 24 von einem „ge‑ setzliche[n] Schuldverhältnis“ (so dann auch ders., VersR 2016, 757 [759]). 137  BGH, Urt. v. 25.4.2006, X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 (2322) Rn. 12; Busche, in: Oetker, HGB, § 84 Rn. 79; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 84 Rn. 49; v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 84 Rn. 86; Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 84 Rn. 102 f. 138  BGH, Urt. v. 25.11.2014, X ZR 105/13, NJW 2015, 853 Rn. 8; Urt. v. 10.12.2013, X ZR 24/13, NJW 2014, 1168 (1170) Rn. 33; Urt. v. 25.7.2006, X ZR 182/05, NJW 2006, 3137 (3138); zustimmend Führich, Reiserecht, § 27 Rn. 7 f. und § 28 Rn. 1; zur Rechtsnatur Staudinger, in: Staudinger, BGB, § 651a Rn. 62 f.; offengelassen dagegen noch in BGH, Urt. v. 25.4.2006, X ZR 198/04, NJW 2006, 2321 f. Rn. 8; Urt. v. 10.12.2002, X ZR 193/99, NJW 2003, 743 (745). 139  Vgl. zum handelsrechtlichen Status von Reisebüros Führich, Reiserecht, § 27 Rn. 11 f.; Staudinger, in: Staudinger, BGB, § 651a Rn. 67. 140  BGH, Urt. v. 10.12.2002, X ZR 193/99, NJW 2003, 743 (745), wobei er von „atypi‑ schen Fällen“ spricht, „in denen der Handelsvertreter in Rechtsbeziehungen zu den Kunden des Geschäftsherrn [trete]“. 141  Begr. RegE BT‑Drs. 18/10822, S. 103. 142  Grundlegend BGH, Urt. v. 4.3.1987, IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117 (118 f.); siehe auch BGH, Urt. v. 9.5.2000, XI ZR 159/99, NJW‑RR 2000, 1497 (1498) sowie zum Beratungs‑ vertrag bereits BGH, Urt. v. 18.1.1973, II ZR 82/71, NJW 1973, 456; Urt. v. 22.3.1979, VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 (106). 143  BGH, Urt. v. 22.3.1979, VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 (106). 144  BGH, Urt. v. 4.3.1987, IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117 (119); Urt. v. 27.6.1984, IVa ZR 231/82, VersR 1984, 891 (892); Urt. v. 1.2.1983, VI ZR 152/81, VersR 1983, 445 (446).



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kunft (Anlagevermittlungsvertrag) oder zur Beratung (Anlageberatungsvertrag) verpflichten. Ein bloßer Auskunftsvertrag kommt nach der Rechtsprechung mit einem „reinen Anlagevermittler“ zustande, der Anlageprodukte ohne Beratung vertreibt, und verpflichtet lediglich zu vollständiger und richtiger Information über wesentliche tatsächliche Umstände.145 Wünscht ein Kunde darüber hinaus eine fachkundige Beurteilung und Bewertung sowie einen Rat über die Anlage eines Geldbetrags, nehmen Gerichte regelmäßig einen Anlageberatungsvertrag an.146 Soweit die Tätigkeit einer Bank oder eines sonstigen Vermittlers hin‑ gegen in der Erstellung eines Finanzierungskonzepts besteht, kommt durch die Aufnahme der Gespräche lediglich ein Finanzierungsberatungsvertrag zustan‑ de.147 Die Rechtsprechung unterscheidet hierbei nicht danach, welche handels‑ rechtliche Stellung Vermittler bei konkreten Geschäften haben.148 Das wäre letztlich auch inkonsequent, da für Kunden häufig gar nicht ersichtlich ist, ob eine Bank bei der Vermittlung eines bestimmten Geschäfts als Handelsvertreter tätig ist. Zu Beginn eines Beratungsgesprächs mag noch gar nicht klar sein, wel‑ ches Produkt später angeboten wird, sodass auch noch unklar ist, ob die Bank die Vermittlung als Handelsvertreter vornimmt.

(c) „Anlageberatung“ durch Versicherungsvertreter Hierauf aufbauend hat die Rechtsprechung zum Teil auch bei Versicherungs‑ vertretern einen Vertragsschluss mit Versicherungsinteressenten angenommen. Dies betraf vor allem Fälle, in denen Lebensversicherungsprodukte vermittelt wurden, die einer Kapitalanlage „ähnlich“ waren.149 Einige Instanzgerichte lei‑ teten die Haftung von Versicherungsvertretern in diesem Bereich aus einem konkludent abgeschlossenen Anlageberatungsvertrag her.150 Dabei dürfte ganz 145  BGH, Urt. v. 7.10.2008, XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149 (152); Urt. v. 12.2.2004, III ZR 359/02, NJW 2004, 1732 (1733); Urt. v. 13.5.1993, III ZR 25/92, NJW‑RR 1993, 1114 f.; Urt. v. 25.11.1981, IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095 f. 146  BGH, Urt. v. 6.7.1993, XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 (128); Urt. v. 13.5.1993, III ZR 25/92, NJW‑RR 1993, 1114; Urt. v. 25.11.1981, IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095 f.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.10.2012, 4 U 517/10, BeckRS 2012, 24290; OLG Stuttgart, Urt. v. 25.8.2011, 2 U 2/11, BeckRS 2013, 03497. Nach BGH, Beschl. v. 9.3.2011, XI ZR 191/10, NJW 2011, 3227 f. ist der Beratungsvertrag bei der Vermittlung durch Banken der Regelfall. 147  BGH, Urt. v. 1.7.2014, XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 (3361) Rn. 20 ff. 148  Vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2014, XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 (3362) Rn. 29 f., wo er offenlässt, ob die Bank als Handelsvertreter oder Makler aufgetreten ist. Explizit für den Fall, dass der Vermittler Handelsvertreter ist, auch LG Wuppertal, Urt. v. 13.3.2013, 3 O 308/12, BeckRS 2014, 05123. Der BGH (Urt. v. 25.11.1981, IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095 [1096]) hat früher jedoch eine dem Handelsvertreter ähnliche Stellung als Indiz dafür angesehen, dass lediglich ein Anlagevermittlungs- und kein Beratungsvertrag geschlossen wurde. 149  Zur Übertragung kapitalanlagerechtlicher Pflichten auf den Vertrieb bestimmter Le‑ bensversicherungsprodukte siehe BGH, Urt. v. 11.7.2012, IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39. 150  LG Hamburg, Urt. v. 3.6.2013, 330 O 67/12, BeckRS 2013, 19740; einen Beratungs‑

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

wesentlich gewesen sein, dass in den meisten Fällen eine Bank als Versiche‑ rungsvertreter auftrat und die vermittelte Versicherung bloß eine Möglichkeit der „Geldanlage“ war. Die Annahme eines konkludent abgeschlossenen (An‑ lage-)Beratungsvertrags zu Beginn des Bankberatungsgesprächs steht daher mit der Rechtsprechung des BGH zur Anlageberatung im Einklang.151 Entspre‑ chendes gilt, wenn „Vermögens- und Finanzberater“ Kunden in unterschiedli‑ chen finanziellen Angelegenheiten beraten und dabei unter anderem als Ver‑ sicherungsvertreter Produkte vermitteln.152 In dem Bereich, in dem zu vermittelnde Versicherungsprodukte Anlagepro‑ dukten ähnlich sind oder in dem Kunden eine generelle Beratung in Finanz‑ fragen wünschen bzw. erhalten, wird die Rechtsprechung daher weiterhin von einem Beratungsvertrag ausgehen.153 So war für das OLG Stuttgart beispiels‑ weise entscheidend, dass ein Versicherungsvertreter nicht bloß eine Versiche‑ rung vermittelt hatte, sondern ein „Finanzprodukt“, bestehend aus Darlehen, Rentenversicherung und Zeichnung eines Immobilienfonds.154 In ähnlicher Weise nahm das OLG Hamm155 ein Auftragsverhältnis in einem Fall an, in dem ein Versicherungsagent einen Kunden beim Abschluss von Lebensversicherun‑ gen zur Finanzierungsplanung für Grunderwerb beraten hatte. Jenseits dieser Fälle ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsprechung generell einen Vertrag zwi‑ schen Versicherungsnehmern und Vertretern annehmen wird.156 § 63 VVG stellt dann insoweit einen vertragsähnlichen Schadensersatzanspruch als Spezialfall der Dritthaftung aus culpa in contrahendo dar.

vertrag annehmend, aber eine Pflichtverletzung ablehnend OLG Köln, Urt. v. 12.12.2012, 13 U 20/12, BeckRS 2014, 00850; zuvor bereits OLG Stuttgart, Urt. v. 25.8.2011, 2 U 2/11, BeckRS 2013, 03497. Krit. Grote/Schaaf, GWR 2013, 482 (485 f.). 151  Das übersehen Grote/Schaaf, GWR 2013, 482 (485 f.), wenn sie meinen, die Annahme eines Vertrags passe nicht zum Leitbild des Versicherungsvertreters. Vgl. zu Überschneidun‑ gen von Anlageberatung und Versicherungsvermittlung auch Schmidt, Beratungsgrundlage, S. 341 ff. 152  Vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.4.2017, 5 U 36/16, BeckRS 2017, 120805 Rn. 44. Das OLG ließ lediglich offen, ob der Beratungsvertrag mit der Vermittlungs-AG oder dem für diese auftretenden Handelsvertreter zustande kam. 153  Vgl. auch BGH, Urt. v. 1.7.2014, XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 (3361), in dem es um den Abschluss einer Versicherung im Zusammenhang mit einer Finanzierungsberatung ging. 154  OLG Stuttgart, Urt. v. 25.8.2011, 2 U 2/11, BeckRS 2013, 03497 mit Abgrenzung zur „üblichen“ Versicherungsvermittlung, bei der kein Beratungsvertrag zustande komme. 155  Urt. v. 10.11.1998, 29 U 141/98, NJW‑RR 1999, 1356. 156  Implizit bereits BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 (221) Rn. 14; Urt. v. 6.11.2013, I ZR 104/12, VersR 2014, 64 (66) Rn. 21, wonach Versicherungsvertreter „im Lager des Versicherers“ stünden und die §§ 61 ff. VVG gesetzliche Pflichten seien, die bei der der Vermittlung von Nettopolicen vertraglich bekräftigt würden.



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(d)  Kritik an den uneinheitlichen dogmatischen Grundlagen der Vertreterhaftung Der Vergleich der unterschiedlichen Handelsvertreter zeigt, wie uneinheitlich eigene Pflichten von Vermittlern im deutschen Recht hergeleitet werden. Die Annahme eines eigenständigen Beratungs- oder Vermittlungsvertrags hängt mehr vom Zufall ab als von klaren Kriterien. Wohl auch deshalb wirft die Lite‑ ratur der Rechtsprechung immer wieder vor, der Beratungsvertrag sei reine Fik‑ tion; ein Vermittler habe keinen Rechtsbindungswillen auf Abschluss eines Ver‑ trags mit Haftungsfolgen.157 Die Rechtsprechung hält dem entgegen, Banken würden gerade in der Öffentlichkeit mit ihrer Kompetenz werben und z. B. als „Beraterbank“ auftreten.158 Dementsprechend erwarte ein Kunde, dass sich die Bank im Rahmen eines Gesprächs auch vertraglich zur Beratung verpflichte. Diese Erwartungshaltung ist durchaus berechtigt. Der Vorwurf, die Argu‑ mentation sei geradezu unjuristisch, weil ein Verkäufer sich hinsichtlich sei‑ ner allgemeinsten Anpreisungen und Loyalitätsbekundungen im deutschen Ver‑ tragsrecht nicht beim Wort nehmen lassen müsse,159 vermag so pauschal nicht zu überzeugen. Das Auftreten einer Person am Markt, das berechtigte Erwar‑ tungen bei Kunden erzeugt, muss bei der Ermittlung des Rechtsbindungswillens berücksichtigt werden. Ein Vermittler verhält sich geradezu widersprüchlich, wenn er stets betont, Kunden einen besonderen Service zu bieten, dann aber einen Rechtsbindungswillen abstreitet. Ihm ist bewusst, dass Kunden beispiels‑ weise bei Nachfragen zu Geldanlagen eine wirtschaftlich wesentliche Entschei‑ dung treffen müssen und bei Beratungsgesprächen im Regelfall nicht davon ausgehen, dass die Beratungstätigkeit des Vermittlers eine reine Gefälligkeit ist. Insofern ist der Vorwurf der Fiktion eines Beratungsvertrags zu pauschal. Überzeugend ist hingegen die Kritik, dass die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze bei allen Vermittlern gelten müssen und nicht nur bei Banken.160 Soweit der Rechtsbindungswille nach der Rechtsprechung davon abhängen soll, ob ein Kunde eine wirtschaftlich wesentliche Entscheidung treffen muss und hierbei die besonderen Kenntnisse des Vermittlers in Anspruch nimmt,161 ist kein Unterschied zwischen als Handelsvertretern agierenden Anlage- bzw. Reisevermittlern und Versicherungsvertretern ersichtlich. Die Sinnlosigkeit einer solchen Differenzierung zeigt sich schon, wenn man die Vermittlung einer 157 

Vgl. zuletzt nur Heese, Beratungspflichten, S. 135 ff. m. w. N. auf S. 133 Fn. 27 und 28. Er nimmt als Haftungsgrundlage eine „gesetzliche[n] Vertrauenshaftung kraft Geschäftsver‑ bindung“ an, die zwischen Vertrag und Delikt stehe, siehe S. 138, 141. 158  Wiechers, WM 2012, 477 (480). 159  Heese, Beratungspflichten, S. 137. 160  Bausch, NJW 2012, 354. 161  Vgl. BGH, Urt. v. 4.3.1987, IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117 (118); Urt. v. 22.3.1979, VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103 (106): „Auskünfte […], die für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung sind“.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

einwöchigen Pauschalreise mit der einer Lebensversicherung mit einer Lauf‑ zeit von 40 Jahren vergleicht. Das Problem liegt also darin, dass der Recht‑ sprechung in Vermittlerkonstellationen keine einheitlichen Grundsätze für die Annahme eines Beratungs- oder Vermittlungsvertrags zu Grunde liegen. Dabei müsste auf die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von Verträgen und Ge‑ fälligkeitsverhältnissen zurückgegriffen werden: Ob eine Partei einen Rechts‑ bindungswillen auf Abschluss eines Vertrags hat, ist aus der wirtschaftlichen sowie rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit, Art, Grund und Zweck der Tä‑ tigkeit und der Interessenlage der Parteien zu ermitteln.162 Entscheidend ist, ob sich der Leistungsempfänger auf Aus- und Zusagen einer anderen Person ver‑ lässt und erhebliche Werte auf dem Spiel stehen oder der Leistende an der An‑ gelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat.163 Diese Kriterien gelten auch, wenn eine Person eine Leistung gegenüber einem Dritten erbringt, weil sie hierzu bereits einem anderen Vertragspartner gegenüber ver‑ pflichtet ist.164 Danach lässt sich ein Vertragsschluss zwischen Versicherungsvertretern und Kunden häufig annehmen.165 Weiß ein Kunde noch nicht, welche Versiche‑ rungsprodukte er erwerben soll, und erwartet er vom Vertreter eine fachkundige Beratung, ist nicht ersichtlich, warum seine Erwartungshaltung von der bei der Anlage- oder Reisevermittlung abweichen soll. Wenngleich ein Kunde weiß, dass der Vertreter nur Produkte einer oder mehrerer Versicherer vertreibt, will er eine persönliche Analyse erhalten, welche Produkte für ihn nützlich sind. Gera‑ de mit diesem Service werben Versicherungsvertreter. Besonders im Gegensatz zu rein digitalen Anbietern betonen sie regelmäßig, dass Kunden nur bei ihnen persönlich und umfassend betreut werden. Nicht selten bezeichnen sie sich als „persönliche Berater“. Sie treten daher nicht nur als „Organe“ der Versicherer am Markt auf, sondern werben mit eigenen Leistungen. Angesichts dessen ändert auch ihr handelsrechtlicher Status nichts an der Annahme eines Rechtsbindungswillens. Gegen einen Vertragsschluss wurde häufig angeführt, Kunden wüssten, dass Versicherungsvertreter handelsrecht‑ lich an Versicherer gebunden seien und demnach nicht „in ihrem Lager“ stün‑ den.166 Abgesehen davon, dass den wenigsten Kunden die Unterscheidung zwi‑ 162  Vgl. nur BGH, Urt. v. 10.7.2015, V ZR 206/14, NJW 2016, 317 (320) Rn. 28 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einl v § 241 Rn. 7. 163  BGH, Urt. v. 23.7.2015, III ZR 346/14, NJW 2015, 2880 Rn. 8; Urt. v. 18.12.2008, IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141 (1142) Rn. 7; Urt. v. 20.9.1984, III ZR 47/83, BGHZ 92, 164 (168); Urt. v. 3.11.1983, III ZR 125/82, BGHZ 88, 373 (382); Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einl v § 241 Rn. 7. 164  Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2015, V ZR 206/14, NJW 2016, 317 (319 f.). 165 Ebenso Sonnenberg, Vertriebskostentransparenz, S. 144 f. 166  Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 6.8.2007, 18 U 162/06, BeckRS 2008, 22153; Klöckener, Versicherungsvertreter, S. 254; Wolf, NVersZ 2001, 392 (393 f.); ähnlich Grote/Schaaf, GWR 2013, 482 (485).



B.  Internationales Privatrecht

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schen Handelsvertretern und -maklern bewusst ist, steht diese Aussage auch im Widerspruch zum Berufsbild der Finanzdienstleistungsvermittler. Sie treten seit langer Zeit nicht mehr nur als reine Verkaufsstellen der Finanzdienstleister auf, sondern werben mit eigener Kompetenz. Dass Vermittler außerhalb der Anla‑ geberatung prinzipiell keine besondere Vertrauensstellung eingenommen hät‑ ten,167 überzeugt folglich nicht.168 Auch die Interessenlage der Versicherungs‑ interessenten spricht für eine Verpflichtung des Vertreters zu entsprechenden Vermittlungsbemühungen. Benötigt ein Kunde eine Versicherung zur Deckung eines Risikos und beauftragt er einen Versicherungsvertreter, für ein Angebot des Versicherers zu sorgen oder ein eigenes Angebot weiterzuleiten, geht er davon aus, dass es nicht im Belieben des Vertreters stehen soll, die Handlungen vorzunehmen. Er erwartet ähnlich wie bei Maklern, dass der Vertreter den Ver‑ tragsschluss vorbereitet und ihn bei einer Ablehnung des Versicherers rechtzei‑ tig hierüber informiert.169 Die Annahme eines Vermittlungs- oder Beratungsvertrags führt freilich nicht zur Übertragung kapitalanlagerechtlicher Pflichten. Vor Abschluss des Ver‑ sicherungsvertrags wird ein Kunde meist nur die Erfüllung der eben genannten sowie der in den §§ 60 Abs. 2; 61 VVG festgelegten Pflichten erwarten. Die Par‑ teien können darüber hinaus weitergehende Pflichten (konkludent) vereinbaren, so z. B., wenn ein Agent auch andere Finanzprodukte vertreibt. Ist sich ein Kunde noch gar nicht sicher, ob er eine Versicherung abschließen möchte, kön‑ nen Versicherungsvertreter verpflichtet sein, die Vor- und Nachteile einer Ver‑ sicherung zu anderen Finanzprodukten aufzuzeigen, wenn sie mit einer solchen Kompetenz werben. Auch nach Abschluss des Versicherungsvertrags können sie unter Umständen eigene Pflichten treffen. Versprechen sie, Kunden stets bei Schadensfällen zu unterstützen, können diese erwarten, dass sie erforderliche Unterlagen anfordern, weiterleiten und gegebenenfalls auf Fristen hinweisen. Auch § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB, der Handelsvertreter zur Wahrung der In‑ teressen ihrer Geschäftsherrn verpflichtet, schließt es nicht aus, dass ein Ver‑ sicherungsvertreter einen Vertrag mit seinem Kunden schließt. Zwar handelt es sich beim Vermittlungs- bzw. Beratungsvertrag im Fall der Unentgeltlichkeit um einen atypischen Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. Auftrag,170 dem Fremd‑ interessenwahrungscharakter zukommt.171 § 86 Abs. 1 2. Hs. HGB darf jedoch keineswegs so verstanden werden, dass Vertreter nur die Interessen „ihres“ Ver‑ sicherers beachten dürfen. Einer solchen Auslegung steht schon § 1a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 59 Abs. 1 S. 2 VVG entgegen, wonach Vermittler im bestmöglichen In‑ teresse der Versicherungsnehmer handeln müssen. Die Stellung als Handelsver‑ 167 

Wolf, NVersZ 2001, 392 (393). So auch bereits v. Stebut, ZIP 1992, 1698 (1703 f.). 169  Vgl. bereits RG, Urt. v. 9.6.1888, I 143/88, RGZ 21, 90 f. 170 Hierzu Hauck/Blaut, NJW 2018, 1425 (1426). 171  Vgl. für den Anlageberatungsvertrag Weller, ZBB 2011, 191 (196 f.). 168 

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

treter beeinflusst lediglich den Inhalt der vertraglichen Pflichten, weil der Ver‑ sicherungsvertreter im Grundsatz keinen Produktvergleich schuldet. Sofern echte Mehrfachvertreter auch einen solchen anbieten, liegt die An‑ nahme eines Rechtsbindungswillens erst recht nahe.172 Zutreffend vergleicht das OLG München173 ihre Tätigkeit in der „Auswahlphase“ mit der eines Mak‑ lers. Wenngleich die Produktpalette nicht so groß ist wie beim Makler, erzeugt das beim Kunden die berechtigte Erwartungshaltung, der Mehrfachvertreter werde unter den Anbietern eine mit seinen Wünschen übereinstimmende Ver‑ sicherung auswählen. Jedenfalls hier ist kein Unterschied zur Vermittlung von Reiseprodukten durch Reisebüros ersichtlich. Besonders deutlich wird das auch bei Online-Vermittlungsportalen, die als Mehrfachvertreter auftreten. Besucht ein Kunde eine solche Homepage, weicht seine Erwartungshaltung nicht von der beim Besuch eines Makler-Vergleichsportals ab. Warum im letzten Fall ein Vertrag zustande kommen soll und im ersten nicht, lässt sich mit der Auslegung von Willenserklärungen nach objektivem Empfängerhorizont nicht erklären.174 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Haftung des Versicherungsvertreters gesetzlich in § 63 VVG geregelt hat, stellt schließlich keine erhöhten Anfor‑ derungen an den Vertragsschluss.175 Die Norm kann in gleicher Weise einen vertraglichen Schadensersatzanspruch darstellen, wie es auch beim Makler der Fall ist. Der Gesetzgeber hat sich schon nicht gegen Stimmen in der Literatur gestellt, die vor Umsetzung der VermRL davon ausgingen, die dort genannten Pflichten seien auch für den Versicherungsvertreter solche aus Vertrag.176 Dem‑ nach liegt auch bei Einfirmen- und Mehrfachvertretern häufig der Abschluss eines Vermittlungs- bzw. Beratungsvertrags mit Kunden nahe. Jedenfalls sollte die weit überwiegende Ansicht, die ein Vertragsverhältnis zwischen Versiche‑ rungsvertretern und Kunden ablehnt, nicht dazu verleiten, die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum außervertraglichen Bereich als selbstverständlich an‑ zusehen.

bb)  Österreich: Versicherungsagent (1)  Grundsatz: kein Vertragsverhältnis In Österreich war die Rechtslage vor Umsetzung der VermRL im Wesentlichen mit der deutschen vergleichbar. Der OGH nahm wie der BGH an, Versiche‑ 172 

Siehe auch v. Stebut, ZIP 1992, 1698 (1704); a. A. Wolf, NVersZ 2001, 392 (394).

173  Urt. v. 22.10.2010, 25 U 5827/07, VersR 2011, 1254 (1255). 174 Zum Vertragsschluss mit Online-Vergleichs- und Vermittlungsplattformen

nunmehr allg. auch Hauck/Blaut, NJW 2018, 1425 (1426). Zu Recht berücksichtigen sie bei ihren Über‑ legungen den handelsrechtlichen Status des Plattformbetreibers nicht. 175  So aber Zumpf, Beratungspflichten, S. 232 f.: Der Gesetzgeber habe mit der Schadens‑ ersatzregelung zum Ausdruck gebracht, dass durch die Vermittlung als solche kein Vertrag ge‑ schlossen werde. 176  Siehe die Nachweise in Fn. 133.



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rungsagenten seien allein Erfüllungsgehilfen der Versicherer und stünden mit Kunden in keiner vertraglichen Beziehung.177 In der Literatur wird diese Auf‑ fassung noch heute mit dem Argument gestützt, ein redlicher Versicherungs‑ kunde könne die Bemühungen des Agenten nur „als Ausfluss des zum Versiche‑ rer bestehenden ‚Vermittlungsrechtsverhältnisses‘“178 verstehen und nicht als Tätigkeit zu seinen Gunsten. Eine Eigenhaftung sollte früher wie in Deutsch‑ land nur in Betracht kommen, wenn ein Agent besonderes persönliches Ver‑ trauen in Anspruch nahm oder ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hatte.179 Das änderte sich mit Umsetzung der VermRL in den §§ 137f und 137g öGewO a. F. § 43 Abs. 4 VersVG a. F. nahm Bezug auf diese Bestimmungen und sorgte so für die erforderliche privatrechtliche Umsetzung des europäi‑ schen Rechts. Nach Ansicht der Regierungsvorlage sollte es sich bei den Be‑ stimmungen der Gewerbeordnung um Schutzgesetze zugunsten der Kunden handeln, „deren Verletzung nach allgemeinen Vorschriften Haftungsansprüche nach sich ziehen kann“180. Versicherungsagenten sollten also deliktisch nach § 1311 ABGB auf Schadensersatz haften.181 Unter Verweis auf die Haftung des Geschäftsherrn für Fehlverhalten seiner Agenten ließ der OGH die Frage nach einer möglichen Eigenhaftung allerdings offen.182 Die hierdurch ausgelöste Unklarheit, inwieweit Versicherungsagenten für die Verletzung eigener Informations- und Beratungspflichten haftbar gemacht werden können, nahm der österreichische Gesetzgeber zum Anlass für eine Änderung des VersVG im Zuge der IDD‑Umsetzung.183 Statt eines Verweises auf die gewerberechtlichen Pflichten, dessen normativen Gehalt die Regierung als „zweifelhaft“ bezeichnete,184 entschied sich der Gesetzgeber für eine Zu‑ rechnung des Fehlverhaltens eines Versicherungsagenten zum vertretenen Ver‑ sicherer. Dieser soll nunmehr gem. § 44 Abs. 2 VersVG auch dann für das Ver‑ schulden eines Vertreters haften, wenn der Versicherungsagent ausschließlich eigene Informations- und Beratungspflichten verletzt. Zur Begründung ver‑ weist die Regierung darauf, dass einen Vertreter eine Eigenhaftung nach all‑ gemeinem Zivilrecht nur in Ausnahmefällen treffe.185 Im Grundsatz geht der 177  OGH, Urt. v. 14.5.2009, 6 Ob 26/09f, JBl. 2010, 119 (120); vgl. auch Koban/FunkLeisch, in: Koban/Funk-Leisch/Aichinger, Rechte und Pflichten, S. 6. 178  Kepplinger, Eigenhaftung, S. 69; ähnlich Jabornegg, RdW 1999, 451 (452). Grassl, RdW 1999, 445 (447) bezeichnet den Agenten daher als „verlängerte[n] Arm seines Geschäfts‑ herrn“. 179  Vgl. nur Fenyves, VR 3/2011, 28 (31) m. w. N. 180  ErlRV 616 BlgNR 22. GP, S. 20 (zur Schutzgesetzeigenschaft siehe S. 13). 181  Ebenso das Verständnis bei Kepplinger, Eigenhaftung, S. 221. 182  OGH, Urt. v. 2.7.2015, 7 Ob 92/15b, VersR 2016, 418 (420). 183 Siehe Art. 1 Ziffer 18 und 20 des Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetzes 2018 (BGBl. I Nr. 16/2018). 184  ErlRV 26 BlgNR 26. GP, S. 13. 185  ErlRV 26 BlgNR 26. GP, S. 13.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

österreichische Gesetzgeber also nach Umsetzung der IDD davon aus, dass Versicherungsagenten nur ausnahmsweise persönlich haften. Hieraus folgt, dass in der Regel auch kein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen Agen‑ ten und Kunden besteht.

(2)  Ausnahmen: Mehrfachagenten und andere Vermittler Abweichend hiervon nahm die Literatur bereits vor Umsetzung der VermRL an, zwischen Versicherungskunden und Mehrfachagenten werde ein Auftrags- bzw. Maklervertragsverhältnis zur Vermittlung eines Versicherungsvertrags begrün‑ det, wenn der Kunde dem Agenten die Auswahl des Versicherers überlasse.186 Dieser Ansicht ist der OGH gefolgt: Ein Mehrfachagent handele als Makler, wenn er dem Kunden nicht mitteilt, „für welches der Versicherungsunternehmen er im Folgenden als Agent auftritt“, sondern eine Auswahl zwischen Versiche‑ rungsprodukten verschiedener Anbieter trifft.187 Der OGH stützte sich dabei auf die älteren Aufsätze, die sämtlich vor Umsetzung der VermRL geschrieben wor‑ den waren. So übersah er, dass seine Auffassung § 137f Abs. 8 Nr. 2 lit. b und Abs. 9 S. 2 öGewO a. F. widersprach.188 Dort wurden Mehrfachagenten sogar verpflichtet, Kunden mitzuteilen, für welche Versicherer sie Geschäfte tätigen dürfen, und eine Auswahlentscheidung entsprechend den Wünschen und Be‑ dürfnissen der Kunden zu treffen.189 Sie sollen durch ihre Tätigkeit gerade nicht zum Makler werden. Nichtsdestotrotz ist der Grundgedanke des OGH richtig, dass Kunden gerade beim Mehrfachagenten darauf vertrauen, dass dieser sich auch ihnen gegenüber vertraglich verpflichtet.190 Wie in Deutschland nimmt der OGH ferner einen Reisevermittlungsvertrag zwischen Kunden und Reisebüros an, ohne auf die handelsrechtliche Stellung der Vermittler einzugehen.191 Die Literatur begründet das zum Teil damit, dass Reisebüros meistens als Mehrfachagenten auftreten und Kunden somit nicht er‑ kennen, dass jene im Interesse der Veranstalter handeln.192 Mit ähnlichen Ar‑ 186  Grassl, RdW 1999, 445 (447). Ähnlich Benke/Brandl, wbl. 2004, 153 (154); Jabornegg, RdW 1999, 451 (452). 187  OGH, Urt. v. 2.7.2015, 7 Ob 92/15b, VersR 2016, 418 (420): „Spätestens in jenem Mo‑ ment, in dem der Versicherungskunde beim Mehrfachagenten nicht nur um materiellen Rat in Bezug auf Versicherungsschutz bei einem bestimmten, für den Kunden von vornherein festste‑ henden Versicherer sucht, sondern dem Mehrfachagenten auch die Auswahl des Versicherers überlässt, ist der Agent Versicherungsmakler“. 188  Vgl. nunmehr auch § 1 Abs. 9 Nr. 8 lit. b und § 3 Abs. 2 der Standesregeln für Versiche‑ rungsvermittlung. 189  So auch die Vorstellung in den ErlRV 616 BlgNR 22. GP, S. 14 („Analog zum Mak‑ ler“); zutreffend auch Fenyves, VR 7–8/2009, 24 (26 f.); Schauer, VR 6/2005, 158 (162 f.). 190  Zweifelnd jedoch Kepplinger, Eigenhaftung, S. 71. 191  OGH, Beschl. v. 26.4.2011, 8 Ob 101/10a, RRa 2011, 202 (203); Urt. v. 29.9.2009, 4 Ob 130/09k, RRa 2010, 97 (98); Urt. v. 22.2.1984, 1 Ob 688/83, JBl. 1986, 49 (50). 192  Kepplinger, Eigenhaftung, S. 76 f. Gleichwohl zweifelt er an einem Vertrag zwischen Versicherungsnehmern und Mehrfachagenten, siehe Fn. 190.



B.  Internationales Privatrecht

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gumenten und dem Hinweis auf die erhebliche Bedeutung der Vermittler recht‑ fertigt man ferner Anlageberatungsverträge.193

cc)  Frankreich: agent général Anders als in Deutschland und Österreich hat die Rechtsprechung in Frank‑ reich früh eigene Informations- und Beratungspflichten und eine persönliche Haftung der agents généraux anerkannt. Zur Begründung verwies die Cour de cassation darauf, dass die Agenten als selbständige Experten im Rechtsverkehr auftreten.194 Ausführungen zum Rechtsgrund der persönlichen Haftung fehlten zunächst,195 sodass auch unklar blieb, ob zwischen Versicherungsnehmern und Agenten ein Auftragsverhältnis (mandat196) besteht.

(1)  Grundsatz: kein Vertragsverhältnis Erst in der Rechtssache Ancelet197 wurde diese Frage bedeutsam. In dem Fall hatte sich die Klägerin an einen agent général gewandt, um ihr Schloss ver‑ sichern zu lassen. Weil er ihr bei seinem Versicherer mangels Einigung über die Prämie keinen Vertrag vermitteln konnte, half er ihr dabei, das Gebäude bei einem anderen Unternehmen zu versichern. Diesen Vertrag kündigte die Kläge‑ rin später, um sich vom beklagten Agenten nun doch einen Vertrag bei seinem Geschäftsherrn vermitteln zu lassen. Dabei gab der Vertreter eine derart gerin‑ ge Versicherungssumme an, dass die Klägerin unterversichert war. Nach einem Brand erhielt sie keine volle Entschädigung und verklagte den agent général und seinen Versicherer. Die Cour d’appel verurteilte nur den Agenten, weil er nicht als mandataire des Versicherers, sondern der Versicherungsnehmerin auf‑ getreten sei, indem er sich für deren Interessen eingesetzt habe.198 Die Cour de cassation hob die Entscheidung auf, weil sie nicht genügend Hinweise für ein mandat sah, das den Vertreter allein auf die Seite der Versiche‑ 193 Ausf.

Kepplinger, Eigenhaftung, S. 78 ff. Cass. civ. 1re v. 28.10.1986, RGAT 1986, 610 (611): „en sa qualité de professionnel de l’assurance mettant sa compétence à la disposition de public, M. Houllier était tenu d’une ob‑ ligation de conseil“. Zuvor bereits Cass. civ. 1re v. 25.10.1977, RGAT 1978, 364 (365). Aus der Lit. auch Adda, Gaz. Pal. 1982.I doctr., 168; Klöckener, Versicherungsvertreter, S. 75. 195  Vgl. auch Cass. civ. 1re v. 3.5.1979, RGAT 1980, 185 (186). Auch später spricht die Cour de cassation häufig schlicht von einer „obligation de renseignement et de conseil“, Cass. civ. 1re v. 21.1.1997, n° 94-20.271. 196  Der Begriff des mandat beschränkt sich in der Diskussion bei Versicherungsvermitt‑ lern nicht auf eine Vollmacht i. S. d. Art. 1984 C. civ., sondern wird deutlich weiter i. S. e. Auf‑ tragsverhältnisses verstanden, in dem sich eine Partei verpflichtet, eine (auch rein tatsächliche) Handlung vorzunehmen. 197  Cass. civ. 1re v. 21.11.1979, RGAT 1980, 182 f. = JCP 1981.II.19511. 198  Siehe Cass. civ. 1re v. 21.11.1979, RGAT 1980, 182 (183). Die Cour d’appel konnte sich dabei auf eine ältere Entscheidung der Cour de cassation stützen, in der ein agent général als mandataire des Versicherungsnehmers angesehen wurde, weil er für diesen das Antrags‑ formular ausgefüllt hatte (Cass. civ. 1re v. 21.10.1975, D. 1977, 180 = JCP 1977.II.18408). 194 

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

rungsnehmerin gestellt habe.199 Ein agent général sei (jedenfalls auch) mandataire des Versicherers, wenn er für diesen Versicherungsverträge vermittle und Kunden berate. Dementsprechend hafte ein Versicherer auch für das Fehl‑ verhalten seines Agenten.200 Damit hat die Entscheidung zwar nicht per se ein Auftragsverhältnis zwischen Agenten und Kunden ausgeschlossen,201 aber je‑ denfalls eine gewisse Zurückhaltung in der Annahme eines solchen Vertrags ausgedrückt. Das zeigt sich auch in einem Urteil aus dem Jahr 1981, in dem die Cour de cassation die Haftung eines agent général aus der deliktischen Ge‑ neralklausel des Art. 1382 Code civil (C. civ.) a. F. (heute Art. 1240 C. civ.) her‑ leitete.202 Ein Vertragsverhältnis war zur Begründung eigener Sorgfaltspflich‑ ten und einer persönlichen Haftung der Vertreter auch nicht erforderlich, da das französische Recht mit seiner deliktischen Generalklausel weitergehend als das deutsche Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB reine Vermögensschäden ersetzt. Die deliktischen Pflichten der Agenten sollten jedoch hinter denen eines Maklers zurückbleiben.203 Weitergehende (vertragliche) Pflichten sollten sich nur aus einem mandat ergeben können.204 Ein solches wollte die Cour de cassation je‑ doch nicht aus der üblichen Zusammenarbeit von Agenten und Kunden herlei‑ ten; sie forderte die Instanzgerichte vielmehr auf darzulegen, auf Basis welcher Umstände sie ein derartiges Auftragsverhältnis annehmen.205

(2)  „Ausnahme“: mandat Die Rechtsprechung präzisierte daher in der Folge, welche Umstände hierfür ausreichen sollten. Zunächst nahmen mehrere Obergerichte ein mandat in Fäl‑ len an, in denen agents généraux besonders große Risiken auf mehrere Ver‑ 199  Cass. civ. 1re v. 21.11.1979, RGAT 1980, 182 (183) = JCP 1981.II.19511. Dementspre‑ chend nahm der TGI Dunkerque in einer Entscheidung vom 7.12.1983 (JCP 1985.II.20336) an, die Tatsache, dass der agent général sich im Interesse des Versicherungsnehmers eingesetzt habe, genüge nicht für die Annahme eines stillschweigenden Auftragsverhältnisses. 200  Ähnlich bereits Cass. civ. 1re v. 25.10.1977, RGAT 1978, 364 (365 f.); vgl. auch später Cass. civ. 1re v. 7.3.1989, RGAT 1989, 895 (896). Art. L. 511-1, II C. ass. bestimmte damals, dass eine Zurechnung von Fehlverhalten zu Lasten des Versicherers möglich ist für Fehler der „mandataires agissant en cette qualité“. 201  Ebenso die Interpretation von Besson, RGAT 1980, 183 (184). Vgl. auch Pauffin de Saint Morel, JCP 1981.II.19511, wonach die Abgrenzung zwischen courtier und agent général nicht danach erfolge, von wem der Vermittler ein mandat erhalte. 202  Cass. civ. 1re v. 6.5.1981, Gaz. Pal. 1981.II pan. jur., 346 f.; ebenso später TGI Dunker‑ que v. 7.12.1983, JCP 1985.II.20336. Zustimmend Adda, Gaz. Pal. 1982.I doctr., 168; Langé, RGAT 1992, 185 (188); Pauffin de Saint Morel, JCP 1985.II.20336. 203  Vgl. TGI Dunkerque v. 7.12.1983, JCP 1985.II.20336: „devoir de conseil limité“. Ausf. zu den Pflichten der agents généraux Klöckener, Versicherungsvertreter, S. 75 ff. 204  Cass. civ. 1re v. 28.10.1980, RGAT 1982, 43 (44); Völker, in: Basedow/Fock, Europäi‑ sches Versicherungsvertragsrecht, S. 483. 205  Cass. civ. 1re v. 28.10.1980, RGAT 1982, 43 (44); ähnlich Cass. civ. 1re v. 26.5.1994, n° 91-11.980.



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sicherer „aufteilen“ mussten.206 Logischerweise musste das auch dann gelten, wenn ein Agent sich um Deckung des gesamten Risikos bei einem anderen Ver‑ sicherer bemühte, z. B., weil sein Geschäftsherr zu einem Vertragsschluss nicht bereit war.207 Darüber hinaus nahm die Cour de cassation ein Auftragsverhält‑ nis schon in einem Fall an, in dem ein Agent für einen Kunden ein Kündigungs‑ schreiben zur Auflösung einer alten Police vorbereitet hatte, um den Abschluss eines Versicherungsvertrags bei dem von ihm vertretenen Unternehmen zu er‑ möglichen.208 Die Voraussetzungen für einen Vertragsschluss waren also nicht hoch. Das zeigte sich auch in der Rechtssache Lacombe c/ Courcier209, in der die Cour de cassation die persönliche Haftung eines agent général aus der vertrag‑ lichen Anspruchsgrundlage des Art. 1147 C. civ. a. F. herleitete. Dort hatte ein Versicherungsnehmer seinem Agenten telefonisch einen Versicherungsfall ge‑ meldet, ohne seinen Schaden zu präzisieren. Der Vertreter vergaß, den Kun‑ den auf eine Ausschlussfrist hinzuweisen, sodass der Schaden zu spät schrift‑ lich angezeigt und zu Recht nicht reguliert wurde. Die Cour de cassation nahm an, der agent général habe seine Beratungspflicht verletzt und hafte daher aus Art. 1147 C. civ. a. F. auf Schadensersatz.210 Die Wahl der Anspruchsgrundlage wurde in der Literatur kritisiert.211 Als der Fall wieder vor der Cour de cassation verhandelt werden musste, erklärte sie ihre Ansicht wie folgt:212 Dass der be‑ klagte agent général als Vertreter des Versicherers angesehen werde, stehe der Begründung eines mandat im Verhältnis zum Kunden nicht im Wege. Indem der Beklagte sich zu einem großen Teil bei der Schadensregulierung (auch) für den Versicherungsnehmer eingesetzt habe, habe er auch mit diesem ein mandat geschlossen,213 das ihn verpflichte, auf eine kurze Verjährungs- bzw. Aus‑ schlussfrist hinzuweisen. Die Cour de cassation hielt es somit für möglich, dass die Parteien auch während des Bestehens eines Versicherungsvertrags ein Auf‑ 206  CA Paris v. 8.5.1981, RGAT 1982, 166. Hinsichtlich des Risikoanteils, der bei ande‑ ren Versicherern gedeckt wird, handelt der Agent nach Ansicht des CA Aix-en-Provence v. 12.11.1986, RGAT 1987, 150 f. als Makler. 207  Cass. civ. 1re v. 7.3.1989, RGAT 1989, 895 (896). Der TGI Paris v. 14.5.1986, RGAT 1986, 616 (617) behandelt den agent général in diesem Fall wie einen Makler; vgl. auch Klöckener, Versicherungsvertreter, S. 89 f. 208  Cass. civ. 1re v. 1.3.1988, RGAT 1988, 383 (384). 209  Cass. civ. 1re v. 17.12.1991, RGAT 1992, 184 f. sowie später mit näherer Begründung Cass. civ. 1re v. 12.12.1995, RGDA 1996, 498 ff. Dazu auch Völker, in: Basedow/Fock, Euro‑ päisches Versicherungsvertragsrecht, S. 483 f., die anführt, die Cour de cassation nehme ein Auftragsverhältnis „unter geringen Voraussetzungen“ an. 210  Cass. civ. 1re v. 17.12.1991, RGAT 1992, 184 f. Die Anspruchsgrundlage war bewusst gewählt, da sich sogar der Beschwerdeführer auf Art. 1382 C. civ. a. F. und damit das Delikts‑ recht gestützt hatte, vgl. dazu Langé, RGAT 1992, 185 (187). 211  Langé, RGAT 1992, 185 (187 f.). 212  Zum Folgenden Cass. civ. 1re v. 12.12.1995, RGDA 1996, 498 (499). 213  Krit. dazu Langé, RGDA 1996, 500. Vgl. auch Völker, in: Basedow/Fock, Europäi‑ sches Versicherungsvertragsrecht, S. 483 f.

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tragsverhältnis begründen, aus dem eigene Pflichten bei der Schadensregulie‑ rung folgen. Inwieweit die Annahme eines mandat angesichts dieser Entscheidungen wirklich die Ausnahme ist, ist schwierig zu beurteilen. Jüngere Entscheidun‑ gen stützen die Haftung der agents généraux ohne nähere Begründung zum Teil auf Art. 1147 C. civ. a. F.214 und zum Teil auf Art. 1382 C. civ. a. F.215. Die Rechtsprechung wählt die vertragliche Anspruchsgrundlage vor allem dann, wenn Agenten gemeinsam mit Versicherern verklagt werden. Vermutlich stellt sie pauschal auf den Versicherungsvertrag ab, ohne zwischen der Haftung der Versicherer und der Vertreter zu unterscheiden. Der häufige Rückgriff auf das Vertragsrecht führte allerdings bereits dazu, dass Beschwerdeführer einen Ver‑ sicherungsnehmer generell als Vertragspartner eines agent général bezeichnet haben.216 Dass die Cour de cassation dem folgt, ist nicht zu erwarten. Von ihren Entscheidungen, dass Agenten nur „ausnahmsweise“ einen Vertrag schließen, wenn ihnen ein mandat übertragen wird, ist sie bisher nicht explizit abgerückt. Dementsprechend gehen auch die neuere Literatur217 und der Cour d’appel de Pau218 – ohne ein mögliches Auftragsverhältnis auch nur zu erwähnen – davon aus, dass zwischen agents généraux und Versicherungsnehmern kein Vertrag besteht und sich Haftungsansprüche allenfalls aus dem Deliktsrecht ergeben. Hieran hat auch die Umsetzung des europäischen Rechts in den Art. L. 521-1 ff. C. ass. nichts geändert, da schon vor Erlass der VermRL eigene Pflichten der agents généraux anerkannt waren. Die im Code des assurances ge‑ nannten Vorgaben bestimmen lediglich, welche deliktischen Pflichten Agenten gegenüber Versicherungsnehmern haben. Für ausländische Vermittler ist ent‑ scheidend, dass die dort genannten Vorgaben nicht abschließend sind und die 214  Cass. civ. 2e v. 8.3.2006, n° 05-11.319, D. 2006, 1941; Cass. civ. 1re v. 10.5.2000, n° 9810.033; v. 22.4.1992, n° 89-20.361; v. 13.1.1987, RGAT 1987, 156. Vgl. auch den Vortrag des Beschwerdeführers in Cass. civ. 1re v. 10.12.1991, RGAT 1992, 183. Die Entscheidung Cass. civ. 2e v. 19.6.1996, n° 92-19.375, in der auf Art. 1382 C. civ. a. F. Bezug genommen wird, bezog sich auf die Haftung gegenüber Begünstigten eines Versicherungsvertrags. 215  Cass. civ. 1re v. 23.5.2000, n° 98-11.768. 216  Cass. civ. 2e v. 10.4.2008, RGDA 2008, 763 (764). Die Cour de cassation hat dazu keine Stellung genommen, sondern eine Pflichtverletzung des Agenten verneint. 217  Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 1185 (ausf. noch Bigot, in: Bigot/Langé, Distribution de l’assurance, Rn. 288 f.); Lafin/Coutin/Dupont, L’intermédiation, S. 268; Langé, in: FS Bigot, S. 243 (256) (immerhin noch mit Verweis auf die vertragsfreund‑ lichere Rspr. der Cour de cassation in Fn. 47); ders., RGDA 2008, 765; Sainte-Rose, D. 2003, 510 (511). Anders Noguéro, D. 2006, 1941 (1942) Fn. 10, der aus Pflichtverletzungen vor Ab‑ schluss des Versicherungsvertrags eine außervertragliche und nach dessen Abschluss eine ver‑ tragliche Haftung herleiten will; die zitierten Urteile betreffen jedoch nur Klagen gegen Ver‑ sicherer. 218  CA Pau v. 18.12.2014, n° 13/02137: „En l’absence de contrat conclu directement entre l’assuré et l’agent général d’assurance, mandataire de la compagnie auprès de laquelle est souscrite la police, la responsabilité professionnelle de celui-ci envers l’assuré ne peut être re‑ cherché que sur le fondement des articles 1382 et suivants du code civil“.



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durch die Rechtsprechung präzisierten Pflichten (insbesondere nach Abschluss des Versicherungsvertrags) weiterhin gelten.219 Unabhängig vom konkreten Pflichtenumfang versuchen Rechtsprechung und Literatur in Frankreich also, den Vermittler dem Lager einer Partei zuzuordnen. Wenngleich ein agent général danach nur ausnahmsweise ein mandat vom Kunden erhalten soll, zeigen Beispiele aus der Rechtsprechung, dass schon einfache Tätigkeiten für Kunden zur Begründung eines Auftragsverhältnisses führen können.

dd)  Haftung der insurance agents im common law (1)  England: Anspruchskonkurrenz von Vertrags- und Deliktsrecht? Da Versicherungsverträge in Großbritannien seltener von gebundenen Versiche‑ rungsvertretern vermittelt wurden, wurde auch ihre Haftung, soweit ersichtlich, noch nicht ausführlicher diskutiert. Walton220 nimmt lediglich Bezug auf die kanadische Entscheidung Fine’s Flowers Ltd. v. General Accident Assurance Co. of Canada221. In dem Fall hatte ein Versicherungsvermittler den Inhaber eines Gartenbaubetriebs betreut, der vollständige Deckung für Betriebsrisiken erhalten wollte. Weil später eingetretene Betriebsschäden nur unzureichend versichert waren, verklagte der Kunde den Vermittler auf Schadensersatz. Die Mehrheit der Richter nahm an, letzterer habe durch seine Tätigkeit eine ver‑ tragliche Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer getroffen, die ihn ver‑ pflichte, den gewünschten Versicherungsschutz zu vermitteln oder mitzuteilen, dass ein solcher nicht verfügbar sei. Wenngleich aus dem Urteil nicht explizit hervorgeht, dass es sich um einen gebundenen Versicherungsvertreter handelte, zeigt die Begründung, dass die Vermittlerkategorie für die Herleitung eigener Pflichten keine Bedeutung hat.222 Walton folgt der Idee eines Vertragsschlusses zwischen Vermittlern und Kunden und geht – unabhängig von etwaigen Ver‑ mittlerkategorien – davon aus, dass zwischen beiden auch vertragliche Pflich‑ ten bestehen.223 Das ist insofern überraschend, als prinzipiell versucht wird, die Grundsätze der law of agency auch auf die Versicherungsvermittlung anzuwen‑ 219  Cass. civ. 2e v. 5.7.2006, n° 04-10.273; Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’as‑ surance, Rn. 1060 ff.; Langé, RGDA 2008, 765 f.; Noguéro, D. 2006, 1941 (1942). 220  in: Charlesworth & Percy on Negligence, Rn. 10-190. 221  17 O. R. (2d) 529 = 1977 CanLII 1182 (Ontario Ct. App.). 222  Siehe deutlich auch die Vorinstanz in 5 O. R. (2d) 137 = 1974 CanLII 493 (Ontario High Court). Vgl. später auch ohne Differenzierung Fletcher v. Manitoba Public Insurance Co. [1990] 3 S. C. R. 191 (217) (Supreme Court): „private insurance agents and brokers are viewed as more than mere sales-people. […] They are, after all, licensed professionals who specialize in helping clients […]. It is both reasonable and appropriate to impose upon them a duty not only to convey information but also to provide counsel and advice“. 223  Walton, in: Charlesworth & Percy on Negligence, Rn. 10-188: „The legal relationship between insurance agents and brokers on the one hand and their clients on the other is pri‑ marily a matter of contract. A concurrent duty does, however, arise in tort“.

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den und Vermittler dem „Lager“ einer Partei zuzuordnen.224 Eine agency relationship mit beiden Parteien des zu vermittelnden Vertrags (dual agency) soll grundsätzlich vermieden werden. Das wird vor allem bei der Zurechnung von Wissen eines Vermittlers zu einer der Hauptvertragsparteien betont.225 Unabhängig von einem Vertragsverhältnis sind Versicherungsvertreter je‑ denfalls auch deliktisch zum sorgfältigen Handeln gegenüber Kunden entspre‑ chend der Entscheidung in Hedley Byrne v. Heller & Partners226 verpflichtet. Sie bieten ihre beruflichen Fähigkeiten als selbständige Mittelsperson in der Öf‑ fentlichkeit an und rufen so bei Kunden berechtigtes Vertrauen hervor (voluntary assumption of responsibility). Ob sie sich vertraglich zur Vermittlung eines Versicherungsprodukts verpflichtet haben oder dies lediglich auf einer freiwil‑ ligen Tätigkeit für den Kunden beruht, ist für die Haftung also unerheblich. De‑ liktische Haftungsansprüche wegen breach of statutory duty können schließlich entstehen, wenn insurance agents die im [I]COBS umgesetzten europäischen Wohlverhaltensregeln verletzen.227

(2)  Vertrags- und Deliktsrechtliche Haftung der agents in den USA Dass Versicherungsvertreter im common law überwiegend aus Vertrag und De‑ likt haften, bestätigt auch eine Analyse der Rechtsprechung einzelner US‑Bun‑ desstaaten.

(a)  Reichweite der Pflichten Dort wird regelmäßig kein Unterschied zwischen der Haftung von brokern und tied agents gemacht.228 Übernehme ein Vermittler die Besorgung von Ver‑ sicherungsschutz, müsse er mit „reasonable skill, care, and diligence“ und „good faith“ handeln.229 Für gebundene Versicherungsvertreter, die grundsätz‑ lich agents der Versicherer sind, wird das überwiegend darauf gestützt, dass 224 Vgl. Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-001, insb. Rn. 16-009. 225 Dazu Birds, Modern Insurance Law, S. 213 ff. sowie ausf. Law Commissions,

Insuran‑ ce Contract Law, Issues Paper 3: Intermediaries and Pre-contract Information (2007); abruf‑ bar unter . 226  Dazu bereits oben auf S. 170. 227  Siehe entsprechend zu Maklern S. 171. 228  Vgl. nur m. w. N. Hennen, Drake L. Rev. 33 (1983–1984), 899 (900 ff.); Richmond, Tort Trial & Ins. Prac. L. J. 40 (2004), 1 (2 ff., 11). Anders Weinisch v. Sawyer, 587 A. 2d 615 (New Jersey 1991). Siehe im Einzelnen die Nachweise in den folgenden Fn. 229  Highlands Underwriters Insurance Company v. Elegante Inns, 361 So.2d 1060 (1065) (Alabama 1978); Karam v. St. Paul Fire & Marine Insurance Company, 281 So.2d 728 (730) (Louisiana 1973); Elam v. Smithdeal Realty & Insurance Co., 109 S. E. 632 (633) (North Caro‑ lina 1921); Riddle-Duckworth v. Sullivan, 171 S. E. 2d 486 (490) (South Carolina 1969). A. A. für gebundene Versicherungsvertreter Bellmer v. Charter Security Life Insurance, 433 N. E. 2d 1362 (1366) (App. Ct. Illinois 1982).



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sie bei der Besorgung von Versicherungsschutz (auch) als agents der Kunden handeln.230 Sie seien daher verpflichtet, für den gewünschten Versicherungs‑ schutz zu sorgen oder Kunden zu informieren, wenn ein Versicherer einen Ver‑ tragsschluss ablehnt.231 Verletzen Vertreter diese Pflicht (z. B. durch Vermitt‑ lung eines im Vergleich zur Anfrage zu niedrigen Deckungsschutzes), machen sie sich schadensersatzpflichtig.232 Höchst umstritten ist, inwieweit Vermittler darüber hinaus zu einer wei‑ tergehenden Beratung verpflichtet sind, insbesondere zur Prüfung der Geeig‑ netheit oder Angemessenheit eines Versicherungsprodukts. Nach wohl über‑ wiegender Auffassung bestehen derartige Pflichten nur im Fall einer special relationship.233 Wann eine solche begründet wird, ist höchst unklar.234 Zum Teil wird auf eine lange Geschäftsbeziehung,235 ein Auftreten des Vermittlers als besonderer Experte236 oder eine besondere Schutzbedürftigkeit des Versiche‑ 230  Bulla v. Donahue, 366 N. E. 2d 233 (236) (Ct. App. Indiana 1977); Wolfswinkel v. Gesink, 180 N. W. 2d 452 (456) (Iowa 1970); Kelley v. Shelter Mutual Insurance Co., 748 S. W. 2d 54 (56, 58) (Ct. App. Missouri 1988); Musgrave v. Mutual Savings and Loan Associ‑ ation, 174 S. E. 2d 820 (825) (Ct. App. North Carolina 1970); Riddle-Duckworth v. Sullivan, 171 S. E. 2d 486 (492) (South Carolina 1969); vgl. auch Fli-Back Company v. Philadelphia Manufacturers Mutual Insurance Company, 502 F. 2d 214 (217) (4th Cir. 1974): „the insurance agent represents both insurer and insured“. A. A. Bellmer v. Charter Security Life Insurance, 433 N. E. 2d 1362 (1366) (App. Ct. Illinois 1982); Weinisch v. Sawyer, 587 A. 2d 615, 340 f. (New Jersey 1991); Blanchard, Hamline L. Rev. 21 (1997), 9 (10). 231  Peter v. Schumacher Enterprises, 22 P. 3d 481 (485 f.) (Alaska 2001); Karam v. St. Paul Fire & Marine Insurance Company, 281 So.2d 728 (730) (Louisiana 1973); Murphy v. Kuhn, 660 N. Y. S. 2d 371 (373) (Ct. App. New York 1997); Baldwin v. Lititz Mutual Insurance Com‑ pany, 393 S. E. 2d 306 (307) (Ct. App. North Carolina 1990). 232  Vgl. nur Desai v. Farmers Insurance Exchange, 55 Cal.Rptr.2d 276 (281) (Ct. App. California 1996): „failure to deliver the agreed-upon coverage“. Anders im Grundsatz Wei‑ nisch v. Sawyer, 587 A. 2d 615, 340 f. (New Jersey 1991), wonach sich der Versicherer die Vermittlung unzureichenden Versicherungsschutzes durch den Agenten zurechnen lassen muss und der Versicherungsvertrag „umgestaltet“ wird (reformation). 233  Peter v. Schumacher Enterprises, 22 P. 3d 481 (486) (Alaska 2001); Harts v. Farmers Insurance Exchange, 597 N. W. 2d 47 (51) (Michigan 1999); Murphy v. Kuhn, 660 N. Y. S. 2d 371 (373) (Ct. App. New York 1997); Nelson v. Davidson, 456 N. W. 2d 343 (346) (Wisconsin 1990). Ähnlich Sinex v. Wallis v. W. S. P. Combs, Jr. Agency, 611 A. 2d 31 (33) (Sup. Ct. Del‑ aware 1991); Sandbulte v. Farm Bureau Mutual Insurance Co., 343 N. W. 2d 457 (465) (Iowa 1984); Gabrielson v. Warnemunde, 443 N. W. 2d 540 (543) (Minnesota 1989) und Tackes v. Utica Mutual Ins. Co., 476 N. W. 2d 311 (313) (Ct. App. Wisconsin 1991). Weitergehend McAlvain v. General Insurance Company of America, 554 P. 2d 955 (958) (Idaho 1976). 234  Ausf. dazu Blanchard, Hamline L. Rev. 21 (1997), 9 (11 ff.); Richmond, Tort Trial & Ins. Prac. L. J. 40 (2004), 1 (27 ff.); Sakall, Ariz. L. Rev. 42 (2000), 991 (997 ff.). 235  Nowell v. Dawn-Leavitt Agency, 617 P. 2d 1164 (1168) (Ct. App. Arizona 1980); Ga‑ brielson v. Warnemunde, 443 N. W. 2d 540 (545) (Minnesota 1989); Trotter v. State Farm Mu‑ tual Automobile Insurance Company, 377 S. E. 2d 343 (347) (Ct. App. South Carolina 1987). Gegen das Kriterium Harts v. Farmers Insurance Exchange, 597 N. W. 2d 47 (51 f.) (Michigan 1999); abgelehnt auch bei zwölfjähriger Beziehung in Szelenyi v. Morse, Payson, Noyes In‑ surance, 594 A. 2d 1092 (1094) (Supr. Jud. Ct. Maine 1991). 236  Tackes v. Utica Mutual Ins. Co., 476 N. W. 2d 311 (315) (Ct. App. Wisconsin 1991).

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rungsnehmers237 verwiesen. Trotz der relativ weiten Kriterien nehmen Gerichte eine special relationship nur sehr selten an, da die übliche Beziehung eines Ver‑ mittlers zu seinem Kunden nicht ausreichen soll, um weitergehende Pflichten zu begründen.238

(b)  Dogmatische Herleitung Ob sich die jeweiligen Pflichten aus dem Vertrags- oder Deliktsrecht ergeben, wird unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte leiten die Vermittlungspflicht nur aus dem tort law (negligence), d. h. dem Deliktsrecht, her.239 Ein Vertrags‑ verhältnis kann sich dann allenfalls aus einer special relationship ergeben.240 Die große Mehrheit der Bundesstaaten geht hingegen sogar davon aus, dass Versicherungsvertreter schon durch Übernahme der Vermittlungstätigkeit Ver‑ träge mit ihren Kunden schließen, die sie dazu verpflichten, den gewünsch‑ ten Versicherungsschutz zu besorgen oder über die Ablehnung eines Versiche‑ rungsantrags zu informieren. Eine deliktische Haftung wegen (professional) negligence steht danach allenfalls neben einer vertraglichen.241 Freilich war 237  Johnson v. Urie, 405 N. W. 2d 887 (890) (Minnesota 1987). Ähnlich erweiterte Bera‑ tungspflichten bei bloßer Nachfrage nach „sufficient coverage“ annehmend Peter v. Schuma‑ cher Enterprises, 22 P. 3d 481 (486) (Alaska 2001); Harts v. Farmers Insurance Exchange, 597 N. W. 2d 47 (52) (Michigan 1999). Anders Sandbulte v. Farm Bureau Mutual Insurance Co., 343 N. W. 2d 457 (465) (Iowa 1984). 238  Sandbulte v. Farm Bureau Mutual Insurance Co., 343 N. W. 2d 457 (465) (Iowa 1984); Collegiate Manufacturing Company v. McDowell’s Agency, 200 N. W. 2d 854 (857 f.) (Iowa 1972); Nelson v. Davidson, 456 N. W. 2d 343 (347) (Wisconsin 1990). Krit. im Hinblick auf die Expertenstellung der Vermittler Swift, Hamline L. Rev. 21 (1998), 323 (332 ff.); ihm fol‑ gend Sakall, Ariz. L. Rev. 42 (2000), 991 (1014 f.). 239  Desai v. Farmers Insurance Exchange, 55 Cal.Rptr.2d 276 (Ct. App. California 1996); Trammell v. Prairie States Insurance Co., 473 N. W. 2d 460 (South Dakota 1991); Golden Rule Insurance Corporation v. Greenfield v. Martin, 786 F. Supp. 914 (916) (US D. C. Colorado 1992); wohl auch Riddle-Duckworth v. Sullivan, 171 S. E. 2d 486 (South Carolina 1969): Dort berief sich der Kläger aber auch nur auf negligence; das Gericht spricht von einer agency relationship und einem agreement zwischen den Parteien. Auch hinsichtlich genereller Beratungs‑ pflichten allein auf das Deliktsrecht abstellend Darner Motor Sales v. Universal Underwriters Insurance Company, 682 P. 2d 388 (402) (Arizona 1984). 240  Für einen implied contract Blanchard, Hamline L. Rev. 21 (1997), 9 (15, 17 ff., insb. S. 20). Überwiegend wird die special relationship gleichwohl nur benutzt, um den Pflichten‑ inhalt im Rahmen einer Klage aus negligence festzulegen, vgl. Southwest Auto Painting and Body Repair v. Binsfeld, 904 P. 2d 1268 (Ct. App. Arizona 1995); Harts v. Farmers Insuran‑ ce Exchange, 597 N. W. 2d 47 (Michigan 1999); wohl auch Gabrielson v. Warnemunde, 443 N. W. 2d 540 (Minnesota 1989), wo die Klage nur auf negligence gestützt wurde. 241  Highlands Underwriters Insurance Company v. Elegante Inns, 361 So.2d 1060 (1065) (Alabama 1978); Rametta v. Stella, 572 A. 2d 978 (981) (Connecticut 1990); McAlvain v. Gen‑ eral Insurance Company of America, 554 P. 2d 955 (958) (Idaho 1976); Bulla v. Donahue, 366 N. E. 2d 233 (236) (Ct. App. Indiana 1977); Wolfswinkel v. Gesink, 180 N. W. 2d 452 (456) (Iowa 1970); Bank of French Broad v. Bryan, 83 S. E. 2d 485 (487) (North Carolina 1954); Baldwin v. Lititz Insurance Company, 393 S. E. 2d 306 (307) (Ct. App. North Carolina 1990); Fli-Back Company v. Philadelphia Manufacturers Mutual Insurance Company, 502 F. 2d 214



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diese Anspruchskonkurrenz früher noch stärker umstritten.242 Vor allem der Abschluss von Vermittlungsverträgen wird in älteren Urteilen noch ausführ‑ licher diskutiert, da zwischen den Parteien auf den ersten Blick keine gegen‑ seitigen Leistungspflichten bestehen, die das Erfordernis der consideration erfüllen könnten. Versicherungsnehmer verpflichten sich nämlich allenfalls ge‑ genüber den Versicherern zur Prämienzahlung, nicht aber gegenüber den Ver‑ tretern zur Vergütung ihrer Vermittlungsbemühungen.243 Die meisten Gerichte nahmen gleichwohl an, dass insurance agents nicht aus Gefälligkeit tätig wer‑ den.244 Zur consideration sollte es genügen, dass Kunden sich verpflichten, Prä‑ mien zu zahlen und damit die Basis für Provisionen der Vermittler zu legen.245 Diese Auffassung legen Gerichte in jüngeren Entscheidungen ohne weitere Dis‑ kussion zugrunde. Prägnant fasste ein Berufungsgericht in Kalifornien die Dis‑ kussion bereits 1990 wie folgt zusammen:246 „Insurance agents and brokers have been held liable to insureds or applicants for insur‑ ance on a number of theories including breach of contract and professional negligence. […] In any of these situations, contractual liability of the agent can be at least theoreti‑ cally premised on the agent’s breach of an oral agreement to obtain insurance as request‑ ed by the client.“

In Abgrenzung zum Versicherungsvertrag („contract of insurance“) wird der Vermittlungsvertrag auch als „contract to procure insurance“ bezeichnet.247 In Vutci v. Indianapolis Life Insurance Company248 nahm der Court of Appeals of Michigan ferner einen Beratungsvertrag zwischen einer Ausschließlichkeits‑ vertreterin (Nancy Adams) und ihrem 64-jährigen Kunden Vutci an. Adams hatte Vutci die Kündigung seines alten Lebensversicherungsvertrags und den Abschluss eines neuen empfohlen, obwohl sich der Gesundheitszustand des (217) (4th Cir. 1974). Für ein Vertragsverhältnis mit einem Mehrfachvertreter auch Everett v. O’Leary, 90 Minn. 154 (157) (Minnesota 1903); Stevens v. Wafer, 14 S. W. 2d 295 (296) (Ct. App. Texas 1929) und Milwaukee Bedding Co. v. Graebner, 196 N. W. 533 (535 f.) (Wisconsin 1923). Vgl. aus der Lit. nur Hennen, Drake L. Rev. 33 (1983–1984), 899 (907 ff.). 242  Zur dogmatischen Herleitung der Haftung ausf. und m. w. N. McNeil, Vand. L. Rev. 12 (1959), 839 (841 ff.); vgl. auch Hennen, Drake L. Rev. 33 (1983–1984), 899 (909 ff.). 243 Aus diesem Grund wurde ein Vertragsverhältnis abgelehnt in Cass v. Lord Same v. American Central Ins. Co., 128 N. E. 716 (717) (Massachusetts 1920). 244  Hierzu und zum Folgenden Hause v. Schesel v. Dairyland Insurance Co., 167 N. W. 2d 421 (424) (Wisconsin 1969). 245  Siehe auch Russell v. O’Connor, 139 N. W. 148 (Minnesota 1912); Elam v. Smithdeal Realty & Ins. Co., 109 S. E. 632 (633) (North Carolina 1921); Schuck v. Habicht, 672 So.2d 559 (562) (D. Ct. App. Florida 1996); Swickey v. Silvey Companies, 979 P. 2d 266 (268 f.) (Ct. App. Oklahoma 1999); Richmond, Tort Trial & Ins. Prac. L. J. 40 (2004), 1 (15). Vgl. zur ähn‑ lichen Argumentation bei Versicherungsmaklern S. 170. 246  Saunders v. Cariss, 274 Cal.Rptr. 186 (188 f.) (Ct. App. California 1990). 247  Harris v. Albrecht, 86 P. 3d 728 (Utah 2004); Duncanson v. Service First, 157 So.2d 696 (699) (D. Ct. App. Florida 1963); ähnlich bereits Everett v. O’Leary, 90 Minn. 154 (157) (Minnesota 1903); aus der Lit. Richmond, Tort Trial & Ins. Prac. L. J. 40 (2004), 1 (15, 17). 248  403 N. W. 2d 157 (Ct. App. Michigan 1987).

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Mannes deutlich verschlechtert hatte. Das Gericht zog eine deliktische Haftung wegen negligence in Betracht, ergänzte aber zur Vertragshaftung:249 „[T]his Court held that an implied contract exists where one engages or accepts beneficial services from another for which compensation is customarily made and naturally antic‑ ipated. In the instant case, plaintiff alleges that Vutci accepted services from Adams in allowing her to advise him on the adequacy of his insurance coverage. In addition, plain‑ tiff alleges that Adams expected to receive a commission for the services she provided to Vutci, if Vutci made a purchase from her based on her advice. Thus, we conclude that plaintiff has adequately stated a claim that Adams breached an implied contract to pro‑ vide Vutci with proper advice concerning his insurance coverage.“

Dabei fällt auf, dass das House of Lords in Hedley Byrne mit ähnlichen For‑ mulierungen deliktsrechtliche Pflichten herleitete.250 Das zeigt, dass auch im common law keine einheitlichen Kriterien gelten, wann die freiwillige Leis‑ tungserbringung eines Kaufmanns im wirtschaftlich relevanten Bereich zum konkludenten Abschluss eines Vertrags oder einer bloß deliktischen, vertrags‑ ähnlichen Vertrauensbeziehung führt. Im Bereich der Versicherungsvermittlung tendiert man jedenfalls überwiegend zur Anspruchskonkurrenz von Vertragsund Deliktsrecht.

c)  Ergebnis der Rechtsvergleichung: Vertreterhaftung zwischen Vertrag und Delikt Während Deutschland die Abgrenzung vertraglicher und außervertraglicher Schuldverhältnisse also davon abhängig macht, welcher Kategorie ein Ver‑ mittler angehört, stehen vertragliche und deliktische Haftungsansprüche gegen Versicherungsvermittler im common law überwiegend generell in Anspruchs‑ konkurrenz. Mit der culpa in contrahendo als Haftungsgrundlage für Versiche‑ rungsvertreter beschreitet das deutsche Recht jedenfalls einen Sonderweg. Andere Rechtsordnungen greifen auf das Vertrags- und/oder das allgemeine Deliktsrecht zurück. Vor allem in common law-Jurisdiktionen zeigen sich Ten‑ denzen, die bereits beim Reichsgericht zu erkennen waren: Man sieht den Ver‑ sicherungsvertreter zwar im Grundsatz als agent des Versicherers an, geht aber im Bereich der persönlichen Haftung davon aus, dass er sich als selbständiger Kaufmann vertraglich gegenüber Kunden zur Leistung verpflichtet. Deutlich stärker wird dort und in Frankreich seine Stellung als Experte betont. Über‑ raschenderweise nehmen so gerade Rechtsordnungen mit einem weiten Delikts‑ recht häufiger ein Vertragsverhältnis an. Selbst wenn Jurisdiktionen Vermitt‑ lungsverträge zwischen Vertretern und Kunden grundsätzlich ablehnen, sind sie zum Teil häufiger als in Deutschland bereit, hiervon Ausnahmen zu machen. 249  Vutci v. Indianapolis Life Insurance Company, 403 N. W. 2d 157 (165) (Ct. App. Mich‑ igan 1987). 250  Siehe hierzu S. 170.



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So wünschenswert demnach eine klare Zuordnung der Vermittler zu einer Partei des Versicherungsvertrags auch sein mag, so deutlich zeigt die Realität, dass Finanzdienstleistungsvermittler gerade nicht klar in einem Lager stehen. Insofern befinden sich nicht nur Makler in einem „Doppelrechtsverhältnis“251, sondern auch Versicherungsvertreter. Für sie ist es selbstverständlich, mit Kun‑ den in Rechtsbeziehungen zu treten und Leistungen zu ihren Gunsten zu er‑ bringen.252 Dementsprechend vertrauen Versicherungsinteressenten bei allen Vermittlern – unabhängig von ihrer Kategorie – darauf, dass diese eine ord‑ nungsgemäße Leistung erbringen. Die Funktion der Vermittlerhaftung hängt folglich nicht davon ab, ob sie aus dem Vertrags- oder Deliktsrecht hergelei‑ tet wird: Vermittler werden haftbar gemacht, weil sie ihren Kunden Leistun‑ gen anbieten, auf deren ordnungsgemäße Erbringung diese vertrauen. Ob eine Rechtsordnung Verhaltenspflichten aus einem konkludent abgegebenen Leis‑ tungsversprechen ableitet oder ob sie an die freiwillige Vornahme der Tätig‑ keit anknüpft, hat für Inhalt und Umfang der Haftung überwiegend keine Be‑ deutung. Ähnliche Unterschiede wie beim internationalen Vergleich der Vermitt‑ lerhaftung lassen sich bereits auf nationaler Ebene zwischen verschiedenen Handelsvertretern feststellen. Gerade in Deutschland zeigt sich, dass für das Rechtsinstitut eines Vermittlungs- oder Beratungsvertrags keine klaren Kri‑ terien gelten. Angesichts dessen liefert die Rechtsvergleichung kein klares „Indiz“, wie derartige Vermittlungsrechtsverhältnisse in den Mitgliedstaaten systematisch eingeordnet werden.

2.  Kollisionsrechtliche Anknüpfung Umso schwieriger ist es, auf kollisionsrechtlicher Ebene das Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden als vertraglich i. S. d. Rom I‑VO oder außer‑ vertraglich i. S. d. Rom II‑VO zu qualifizieren. Oben wurde bereits erläutert, dass eine unterschiedliche Kategorisierung von Rechtsinstituten im nationa‑ len Recht kollisionsrechtlich irrelevant sein kann, soweit sie dieselbe Funk‑ tion haben.253 Voraussetzung dafür ist eine autonome, funktionale Qualifika‑ tion. Inwieweit eine solche im europäischen Kollisionsrecht im Grenzbereich von Vertrag und Delikt möglich ist, ob das Rechtsverhältnis eines Vermittlers zum Kunden danach vertraglich oder außervertraglich ist und welche Kollisi‑ onsnormen den Interessen der Parteien gerecht werden, soll im Folgenden er‑ mittelt werden.

251  252 

Dazu ausf. S. 285 ff. Vgl. aus ökonomischer Sicht auch Karten, ZVersWiss 2002, 43 (48). 253 S. 157.

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a)  Anwendbarkeit vertraglicher oder außervertraglicher Kollisionsnormen? aa)  Abgrenzung nach nationalen Vermittlerkategorien? Obwohl die Vermittlerhaftung im nationalen und internationalen Vergleich höchst unterschiedlich hergeleitet wird, geht die deutsche Literatur bislang davon aus, dass das Rechtsverhältnis eines Versicherungsmaklers zum Ver‑ sicherungsnehmer als vertragliches Schuldverhältnis von der Rom I‑VO erfasst sei,254 während die Haftung eines Versicherungsvertreters auch kollisionsrecht‑ lich als Sonderfall der culpa in contrahendo unter Art. 12 Rom II‑VO falle255. Man überträgt somit das nationale Rechtsverständnis auf das Kollisionsrecht. Entsprechendes zeigt sich in der französischen Literatur, die die Haftung der agents généraux unter die allgemeine deliktische Kollisionsnorm des Art. 4 Rom II‑VO subsumiert,256 weil die Vertreterhaftung dort überwiegend aus dem allgemeinen Deliktsrecht hergeleitet wird. In ähnlicher Weise ziehen spanische Beiträge zum IPR der Versicherungsvermittlung ein vertragliches Rechtsver‑ hältnis zwischen Vertretern und Versicherungsnehmern nicht einmal in Erwä‑ gung.257 Um eine derartige Abgrenzung der Rom-Verordnungen nicht nur auf Basis des nationalen Vermittlerrechts, sondern auch mit autonomen Maßstäben zu begründen, könnte man durchaus auf Art. 18 lit. a sublit. v IDD verweisen. Dort trennt auch der europäische Gesetzgeber Vermittler danach, ob sie in einer konkreten Vermittlungssituation Kunden vertreten oder für Rechnung und im Namen eines Versicherungsunternehmens handeln.

254  Armbrüster, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu Art. 7 Rom I‑VO Rn. 10; Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 1; Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47); Leible, in: NK‑BGB, Art. 7 Rom I‑VO Rn. 7; Looschelders, in: Lüer/Schwepcke, Rück‑ versicherungsrecht, § 9 Rn. 136 f.; Lüttringhaus, in: BeckOGK, Art. 7 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 27. Ebenso in Österreich Koban/Funk-Leisch, in: Koban/Funk-Leisch/Aichinger, Rechte und Pflichten, S. 39. 255  Armbrüster, in: Staudinger, BGB, Vorbem zu Art. 7 Rom I‑VO Rn. 10; Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Rn. 12; Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47); Leible, in: NK‑BGB, Art. 7 Rom I‑VO Rn. 7; Lüttringhaus, in: BeckOGK, Art. 7 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 28; Roth, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 4 Rn. 112. A. A. vor den Rom-Verordnungen Spindler, in: Hoeren/Spindler, Versicherungen im Internet, S. 97 (208), der sich für eine vertragliche Qualifikation aussprach und akzessorisch an den Versiche‑ rungsvertrag anknüpfen wollte (vgl. ders., IPRax 2001, 400 [407]). 256 Vgl. Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 250 (vertragliches Ver‑ hältnis nur zu einem courtier) und Rn. 277. Art. 12 Rom II‑VO wird nicht in Erwägung gezo‑ gen. Auf die Rechtsprechung zu einem konkludenten mandat geht Bigot schon sachrechtlich nicht mehr ein. 257 Vgl. Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (41) Rn. 4, (43) Rn. 7, (51) Rn. 27; zum IZVR dies., in: Bataller Grau u. a., La Reforma, S. 695 (705). Als vertragliche Rechtsver‑ hältnisse werden ausschließlich die Agenturverträge zum Versicherer (contratos de agencia de seguros) und die contratos de corretaje o de mediación de seguros zwischen Maklern und Ver‑ sicherungsnehmern genannt.



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(1)  Versicherungsmakler = Rom I‑VO Knüpfte man in diesem Sinne Versicherungsmaklerverträge nach der Rom I‑VO an, fände nach Art. 4 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung, in dem der Makler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vorrangig könnte er nach Art. 3 das anwendbare Recht mit seinen Kunden wählen. Bei der Betreuung von Verbrauchern hingegen fände in den meisten Fällen nach Art. 6 Abs. 1 das Recht des Staates Anwendung, in dem diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ihnen könnten selbst durch Rechtswahl (national) zwingen‑ de Schutzbestimmungen nicht entzogen werden (Art. 6 Abs. 2 S. 2). Die Inte‑ ressen der Kunden und der Vermittler an der Anwendung des ihnen vertrauten Rechts wägt die Rom I‑VO also danach ab, welche Partei schutzwürdiger ist: der Makler, weil er die vertragscharakteristische Leistung erbringt, oder der Kunde, weil er als Verbraucher geschäftlich unerfahrener ist. Jedenfalls können beide Parteien bei Kontaktaufnahme erkennen, welches Recht ihre Beziehun‑ gen beherrscht.

(2)  Versicherungsvertreter = Rom II‑VO Qualifizierte man im Gegensatz dazu das Rechtsverhältnis von Versiche‑ rungsvertretern zu ihren Kunden außervertraglich, würden die Kollisionsnor‑ men der Rom II‑VO das anwendbare Recht berufen. Vorrangig zu Art. 4 sieht Art. 12 Rom II‑VO Sonderregeln für Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags vor. Fiele die Haftung von Versicherungsvertre‑ tern, wie die überwiegende Auffassung in Deutschland annimmt, unter diese Bestimmung, wäre eine allgemeine Auseinandersetzung mit der Abgrenzung vertraglicher und außervertraglicher Schuldverhältnisse nicht erforderlich, da Art. 1 Abs. 2 lit. i Rom I‑VO vorvertragliche Schuldverhältnisse von seinem Anwendungsbereich ausnimmt. Es bietet sich daher an, hier zunächst Art. 12 Rom II‑VO anzuwenden und zu untersuchen, ob die Kollisionsnorm eine inte‑ ressengerechte Spezialregelung für die Vertreterhaftung darstellt.

(a)  Anwendung des Art. 12 Rom II‑VO und kritische Würdigung Nach Art. 12 Abs. 1 Rom II‑VO findet auf ein Schuldverhältnis aus Verhandlun‑ gen vor Abschluss eines Vertrags grundsätzlich das Recht Anwendung, das auf den Vertrag anzuwenden ist oder anzuwenden gewesen wäre, wenn er geschlos‑ sen worden wäre. Es gilt also das (hypothetische) Vertragsstatut der Rom I‑VO. Das setzt voraus, dass die Parteien, deren Rechtsverhältnis anzuknüpfen ist, einen Vertrag schließen wollen. Soweit ein Verhandlungsgehilfe andere ledig‑ lich beim Vertragsschluss unterstützt, ist nach vorzugswürdiger Ansicht nicht Absatz 1, sondern Absatz 2 einschlägig.258 258 

Budzikiewicz, in: NK‑BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 37–42 m. w. N. auch zu Gegenauf‑

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(aa)  Art. 12 Abs. 2 Rom II‑VO und der Ort des Schadenseintritts Da Versicherungsvertreter nach herrschender Auffassung in Deutschland kei‑ nen Vertrag mit ihren Kunden schließen, knüpft die Literatur ihre Haftung über‑ wiegend ebenfalls nicht nach Absatz 1, sondern Absatz 2 an.259 Dessen Anknüp‑ fungsleiter ähnelt der deliktischen Regelanknüpfung des Art. 4. Art. 12 Abs. 2 lit. b beruft vorrangig260 das Recht des Staates, in dem die Parteien einen ge‑ meinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Hat ein Kunde seinen gewöhnli‑ chen Aufenthalt – wie das im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr je‑ denfalls der Fall ist – in einem anderen Staat als der Vertreter, fände auf ihr Rechtsverhältnis nach Art. 12 Abs. 2 lit. a Rom II‑VO grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung, in dem Schäden eintreten, die Versicherungsvertreter verursachen. Um herauszufinden, welches Recht ihre Beziehungen beherrscht, müsste daher bestimmt werden, welchen Schaden ein Vertreter verursacht hat und an welchem Ort er eingetreten ist. Fehler von Versicherungsvertretern können im Wesentlichen zu zwei Arten von Schäden führen: Zum einen können sie Kunden nicht ausreichend ver‑ sichern, weil sie Risiken übersehen oder unzureichenden Versicherungsschutz vermitteln. Kunden wollen in diesen Fällen so gestellt werden, als hätten sie ausreichenden Versicherungsschutz abgeschlossen (positives Interesse). Zum anderen können Versicherungsnehmer bereits durch den Abschluss eines Ver‑ sicherungsvertrags Nachteile erleiden, z. B., wenn sie zu hohe bzw. für eine nicht benötigte Versicherung Prämien zahlen müssen oder wenn sie Kapital‑ verluste durch den Abschluss risikoreicher Versicherungsanlageprodukte erlei‑ den. Sie wollen in diesen Fällen gezahlte Beiträge zurückerhalten (negatives Interesse). In beiden Szenarien liegen reine Vermögensschäden vor, deren Ein‑ trittsort schwer zu bestimmen ist. Art. 12 Abs. 2 lit. a Rom II‑VO gibt nur inso‑ weit Hilfe, als er den Ort des schadensbegründenden Ereignisses oder indirekter Schadensfolgen für nicht maßgeblich erklärt. Es käme daher nicht darauf an, wo Vertreter Pflichten verletzt haben.261 fassungen; Dörner, in: Hk-BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 5; Junker, in: MüKo-BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 17; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 12 Rom II Rn. 5. Für die Anwendung von Art. 4 hingegen Gomille, JZ 2017, 289 (291); Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 14; Lehmann, in: NK‑BGB, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 71. Auf die Abgrenzung des Art. 12 Abs. 2 zu Art. 4 soll hier nicht näher eingegangen werden, da abgesehen von dem unterschied‑ lichen Zeitpunkt, zu dem ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt vorliegen muss, keine Unterschiede bestehen. Ausführungen zum Schadenseintrittsort bei Art. 12 Rom II‑VO lassen sich auf Art. 4 Abs. 1 übertragen. 259  Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Rn. 12; Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47); Leible, in: NK‑BGB, Art. 7 Rom I‑VO Rn. 7; Lüttringhaus, in: BeckOGK, Art. 7 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 28. 260 Vgl. nur Dörner, in: Hk-BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 5; Junker, in: MüKo-BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 27 m. w. N. zur Gegenauffassung. 261 Anders Wendelstein, GPR 2016, 140 (144 ff.), der bei Vermögensschäden zwischen der Verletzung eines Vermögensrechts und dem konkret finanziellen Schaden unterscheidet. Der



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Entscheidend wäre vielmehr, wo daraus resultierende Schäden, d. h. nach‑ teilhafte Folgen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Rom II‑VO, eintreten. Das ist bei reinen Vermögensschäden häufig bereits deshalb schwierig zu bestimmen, weil unklar ist, zu welchem Zeitpunkt „Vermögen“ in relevanter Weise geschädigt wird. Stets ließe sich jedenfalls darauf abstellen, dass das Gesamtvermögen eines Ge‑ schädigten gemindert wird. Eine Lokalisierung des Schadens wäre dann unter Umständen an seiner „Vermögenszentrale“, d. h. in der Regel an seinem ge‑ wöhnlichen Aufenthaltsort, möglich. Neben dem Nachteil, dass die Vermögens‑ zentrale bei verstreutem Vermögen schwierig zu bestimmen ist, würde eine sol‑ che Auslegung im Regelfall zu einer reinen Bevorzugung des Geschädigten führen. Der EuGH hat die Anknüpfung an die Vermögenszentrale im Zustän‑ digkeitsrecht daher in der Rechtssache Kronhofer abgelehnt, sofern sich kon‑ kretere Vermögensnachteile i. S. e. „Erstschadens“ zu einem früheren Zeitpunkt feststellen lassen.262 Dies kann nach Ansicht des EuGH der Fall sein, wenn sich ein Vermögens‑ nachteil auf einem bestimmten Bankkonto des Geschädigten realisiert,263 etwa bei einer Überweisung hiervon. Der Schadenseintrittsort wird dann anhand der Belegenheit des Bankkontos bestimmt. Da dies die Gefahr beinhaltet, dass Ge‑ schädigte durch die Wahl eines Kontos den Gerichtsstand oder das anwendbare Recht beeinflussen, hat der EuGH in der Rechtssache Universal Music bereits die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung als relevanten Vermögensnach‑ teil und die anschließende Überweisung des geschuldeten Betrags nur als indi‑ rekten Folgeschaden angesehen.264 Demnach kann schon der Abschluss eines nachteilhaften Vertrags ein relevanter Vermögensschaden sein.265 Der Ort des Schadenseintritts liegt dann dort, wo der Vertrag geschlossen wird.266 „Primärschaden“ liege bereits in der Verletzung des Vermögensrechts. Da dieses nicht phy‑ sisch fassbar sei, sondern erst durch die vermögensschützende Pflicht begründet werde, werde es am Ort des Pflichtverstoßes verletzt. Dagegen spricht Art. 2 Abs. 1 Rom II‑VO, wonach ein Schaden eine (nachteilhafte) Folge der Pflichtverletzung ist. Da diese selbst noch keinen Nachteil für den Geschädigten bedeuten muss, liegt die Folge erst in der Minderung eines Ver‑ mögensbestandteils. 262 EuGH, Urt. v. 10.6.2004, Rs.  C-168/02, Slg. 2004, I-6009 Rn. 19–21. Zum Be‑ griff des „Erstschadens“ siehe EuGH, Urt. v. 5.7.2018, Rs. C-27/17, BeckRS 2018, 14029 Rn. 31. Subsidiär bleibt der Sitz des Geschädigten maßgeblich (vgl. EuGH, Urt. v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, EuZW 2015, 584 [589] Rn. 52). 263  EuGH, Urt. v. 28.1.2015, Rs. C-375/13, NJW 2015, 1581 (1584) Rn. 55. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.9.2018, Rs. C-304/17, EuZW 2018, 998 (1000) Rn. 28 ff. 264  EuGH, Urt. v. 16.6.2016, Rs. C-12/15, NJW 2016, 2167 (2168 f.) Rn. 30 f., 36 ff. Ähn‑ lich BGH, Urt. v. 24.6.2014, VI ZR 315/13, RIW 2015, 307 (310) Rn. 37; Freitag, WM 2015, 1165 (1168). 265  Vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2014, VI ZR 315/13, RIW 2015, 307 (310) Rn. 37. Der EuGH legte sich in Universal Music nicht fest, ob bereits das Entstehen der „vertragliche[n] Ver‑ pflichtung, die die Vertragsparteien nicht hatten begründen wollen“, oder der Abschluss des Vergleichs vor einer Schiedskommission, mit dem der Schaden „mit Gewissheit eingetreten“

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Für die Versicherungsvertreterhaftung heißt das: Verlangt ein Kunde Ersatz des negativen Interesses wegen des Abschlusses einer unerwünschten Versiche‑ rung, ist zu prüfen, ob bereits im Vertragsschluss ein hinreichend konkreter Erstschaden gesehen werden kann. Bei zu risikoreichen Lebensversicherungs‑ produkten ist das meist der Fall.267 Macht ein Kunde gezahlte Prämien als Scha‑ den geltend, stellt bereits die Zahlungspflicht einen bezifferbaren Nachteil dar. Der Schadenseintrittsort ist daher der Ort, an dem die Zahlungspflicht begrün‑ det, d. h. der Versicherungsvertrag geschlossen wurde. Bei Distanzgeschäften ist das entweder der Staat, in dem der Versicherungsnehmer sein Vertragsange‑ bot abgibt, oder der Staat, in dem der Versicherer die Annahme erklärt bzw. diese dem Versicherungsnehmer zugeht.268 Unabhängig davon, für welchen Ort man sich entscheidet, führt eine derartige Betrachtung zu zufälligen Er‑ gebnissen,269 da bei Beginn einer Geschäftsbeziehung oder sogar eines einzel‑ nen Beratungsgesprächs noch nicht feststehen muss, wo diese Orte später lie‑ gen. Für Versicherungsvertreter ist das höchst problematisch, da sie erst nach ihren Beratungsleistungen und Vermittlungsbemühungen erkennen könnten, welchem Recht ihr Verhältnis zum Kunden unterliegt. Sie wüssten also erst im Nachhinein, welche Pflichten sie erfüllen mussten. Das ließe sich nur vermei‑ den, indem man etwaige Wohlverhaltenspflichten als „Verhaltensregeln“ i. S. d. Art. 17 Rom II‑VO ansähe.270 Es müssten dann die Wohlverhaltensregeln am Handlungsort des Vermittlers berücksichtigt werden. Hierdurch würden sich die Verhaltensmaßstäbe des Herkunftsstaats eines Vermittlers durchsetzen, wenn er von seinem Sitz aus berät. Auf die Schutzbedürftigkeit der Parteien würde über‑ haupt keine Rücksicht genommen. Dasselbe Problem ergibt sich, wenn Kunden Ersatz des positiven Interesses verlangen. Rät ein Vertreter pflichtwidrig vom Abschluss eines Versiche‑ rungsvertrags ab oder vermittelt er unzureichenden Versicherungsschutz, stel‑ len der unterlassene Vertragsschluss oder der Abschluss eines unzureichenden Versicherungsvertrags regelmäßig noch keine messbaren Schäden dar, weil Kunden lediglich weiterhin nicht gedeckte Risiken tragen. Allenfalls könnten sei, als Primärschaden anzusehen ist (EuGH, Urt. v. 16.6.2016, Rs. C-12/15, NJW 2016, 2167 [2168] Rn. 30 f.). Für den Vertragsschluss Huber/Geier-Thieme, IPRax 2018, 155 (157). 266  Vgl. EuGH, Urt. v. 16.6.2016, Rs. C-12/15, NJW 2016, 2167 (2168) Rn. 30. 267  Vgl. im deutschen Sachrecht BGH, Urt. v. 16.5.2017, XI ZR 430/16, ZIP 2017, 1152 (1154) Rn. 18; Urt. v. 11.7.2012, IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 (57) Rn. 64. Generell die „Belastung mit einem unerwünschten Vertrag“ als relevanten Schaden ansehend Freitag, WM 2015, 1165 (1168); Gomille, JZ 2017, 289 (293); Lehmann, JPIL 7 (2011), 527 (546 ff.). 268 Allg. hierzu nur Bach, in: Huber, Rome II Regulation, Art. 4 Rn. 40; Kurt, Culpa in contrahendo, S. 199. 269  Andere Vorschläge für den Schadenseintrittsort bei unerwünschten Verbindlichkeiten daher bei Gomille, JZ 2017, 289 (294) und Huber/Geier-Thieme, IPRax 2018, 155 (157) (ge‑ wöhnlicher Aufenthalt des Geschädigten) sowie Lehmann, JPIL 7 (2011), 527 (548 f.) (Erfül‑ lungsort der unerwünschten Verbindlichkeit). 270 Dafür Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 277.



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bei Gesellschaften drohende Schäden bilanziell berücksichtigt werden oder könnte der Wert der Unternehmensanteile beeinträchtigt sein, weil unterneh‑ merische Risiken nicht adäquat gedeckt sind. Konkrete Vermögensnachteile für die Gesellschaft entstehen hingegen erst bei der Realisierung der Risiken, z. B., wenn Dritte Ansprüche geltend machen, die nicht von einer Haftpflicht‑ versicherung gedeckt sind. Der Schadenseintrittsort i. S. d. Art. 12 Abs. 2 lit. a Rom II‑VO wäre daher grundsätzlich der Ort, an dem sich die Risiken reali‑ sieren. Bei nicht gedeckten Haftpflichtrisiken wäre beispielsweise maßgeb‑ lich, wo die nicht versicherte Schadensersatzverpflichtung entsteht. Auch dies würde zu zufälligen Ergebnissen führen. Da Versicherungsnehmer weltweit Schadensersatzansprüche auslösen können, wäre potenziell jede Rechtsord‑ nung der Welt anwendbar und könnte Vertretern Verhaltenspflichten auferle‑ gen. Sie würden wieder erst im Nachhinein bei Schadenseintritt vom anwend‑ baren Recht erfahren. Der Vertragsschlussort und der Ort der Risikorealisierung sind demnach als Anknüpfungspunkte ungeeignet, da sie erhebliche Rechtsunsicherheit erzeu‑ gen, was nach ErwG 6 Rom II‑VO gerade vermieden werden soll. Alternativ könnte man den Schadenseintrittsort daher über den Ort der Belegenheit eines (nicht) versicherten Risikos bestimmen. Macht ein Kunde geltend, er hätte – wäre er ordnungsgemäß beraten worden – bestimmte Risiken (nicht) ver‑ sichert, könnte man annehmen, dass Schäden durch den (unterlassenen) Ab‑ schluss eines Versicherungsvertrags an dem Ort eintreten, an dem die Risiken belegen sind. Diese Orte werden relativ rechtssicher durch die Art. 7 Abs. 6 Rom I‑VO i. V. m. Art. 13 Nr. 13 und 14 Solvency II‑RL bestimmt. Im Fall nicht versicherter Haftpflichtrisiken oder bei Abschluss eines unerwünschten Lebensversicherungsvertrags wäre das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts‑ orts des Versicherungsnehmers anwendbar (Art. 13 Nr. 13 lit. d und Nr. 14 Sol‑ vency II‑RL), bei Schäden an nicht bzw. unzureichend versicherten Gebäuden das Recht des Staates, in dem die Immobilie belegen ist (Art. 13 Nr. 13 lit. a Solvency II‑RL). Auch diese Lösung ist allerdings nicht interessengerecht, da Vertreter in grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Vielzahl potenziell anwendbarer Rechtsordnungen beachten müssten, wenn sie Kunden zu Risiken, die in ver‑ schiedenen Mitgliedstaaten belegen sind, beraten. Die berechtigte Erwartung der Parteien, dass ihr Rechtsverhältnis einem einheitlichen Recht unterliegt, würde nicht erfüllt. Probleme ergäben sich auch, wenn ein Vermittler wegen eines bestimmten Risikos kontaktiert wird und er den Kunden deshalb nicht mehr zu anderen Risiken befragt. Macht der Kunde später geltend, der Vertreter hätte ihm auch Versicherungsschutz für andere Risiken vermitteln müssen und sind diese in verschiedenen Staaten belegen, würden unterschiedliche Rechts‑ ordnungen entscheiden, ob der Vermittler ungefragt zu diesen Risiken beraten muss.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Die Regelanknüpfung des Art. 12 Abs. 2 Rom II‑VO wird den Interessen der Parteien somit nicht gerecht.271 Will man nicht generell den Schädiger oder Ge‑ schädigten bevorzugen, führt die Lokalisierung von Vermögensschäden über‑ wiegend zu zufälligen Ergebnissen. Problematisch ist vor allem, dass das Ergeb‑ nis nicht auf die kollisionsrechtliche Schutzbedürftigkeit der Parteien Rücksicht nimmt. Eine Abwägung, ob in bestimmten Fällen der Kunde oder der Vertreter durch die Anwendung des ihm vertrauten Rechts geschützt werden sollte, lässt sich bei Art. 12 Abs. 2 lit. a und b Rom II‑VO nicht durchführen.

(bb)  Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts (Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. c Rom II‑VO)? Da diese Anknüpfungspunkte somit keine interessengerechte Lösung bieten, könnte man auf die Idee kommen, das Rechtsverhältnis eines Versicherungsver‑ treters zum Kunden demselben Recht zu unterstellen, das den vermittelten Ver‑ sicherungsvertrag beherrscht bzw. zu vermittelnde Versicherungsverträge be‑ herrschen würde. Das wäre über die Ausweichklausel des Art. 12 Abs. 2 lit. c272 oder über Art. 12 Abs. 1 Rom II‑VO möglich. Für eine solche Lösung, die die Haftung eines Verhandlungsgehilfen dem Recht des vermittelten Hauptvertrags zuordnet, wurde früher zum Teil bereits die enge Verbindung der beiden Rechts‑ verhältnisse angeführt.273 Inwieweit eine derartige akzessorische Anknüpfung interessengerecht ist, soll später ausführlich untersucht werden.274 Hier genügt es festzuhalten, dass die Lösung denselben Bedenken ausgesetzt ist, die auch gegen die Konkretisierung des Schadenseintrittsorts durch den Ort der Risiko‑ belegenheit vorgebracht wurden. Unterliegen Versicherungsverträge nach Art. 7 Abs. 3 UAbs. 3 Rom I‑VO dem Recht der Risikobelegenheit bzw. würden Ver‑ sicherungsverträge, die Versicherungsvertreter pflichtwidrig nicht vermitteln, diesem Recht unterliegen, könnten sie häufig bei Aufnahme eines Beratungs‑ gesprächs nicht vorhersehen, welches Recht sie beachten müssen. Im Übrigen würde jedenfalls die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Rom II‑VO, der das Rechtsverhältnis des Vertreters zum Kunden generell dem Recht des abzuschließenden oder abgeschlossenen Versicherungsvertrags unterstellt, die Interessen des Verhandlungsgehilfen unberücksichtigt lassen. Die Anknüpfung 271  Das sieht allg. zur Sachwalterhaftung auch Kurt, Culpa in contrahendo, S. 200. Er will über Art. 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO an einen hypothetischen Vertrag zwischen dem Dritten und Geschädigten anknüpfen (S. 200 ff.); ähnlich über eine analoge Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Rom II‑VO Schinkels, JZ 2008, 272 (279). Das ist nicht nötig, wenn die Haftung ohne‑ hin vertraglich zu qualifizieren ist. 272 Dafür Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47). 273  LG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2000, 9 O 267/95, WM 2000, 1191 (1194); Ahrens, IPRax 1986, 355 (360); i. E. ohne Begründung auch BGH, Urt. v. 9.10.1986, II ZR 241/85, JR 1987, 198 (später offengelassen in BGH, Urt. v. 12.11.2003, VIII ZR 268/02, NJW‑RR 2004, 308 [309]). 274  Siehe S. 234 ff.



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des Vermittlungsrechtsverhältnisses zwischen Kunde und Vermittler sollte vor‑ rangig von den Interessen dieser Parteien abhängig gemacht werden. Jenseits der Grenzen einer akzessorischen Anknüpfung sollte der Grundsatz der Relati‑ vität der Schuldverhältnisse auch im Kollisionsrecht beachtet werden. Die Ei‑ genständigkeit des Haftungsvorwurfs gegen den Vermittler spricht somit gegen eine generelle Anknüpfung an die Kollisionsnorm des vermittelten Hauptver‑ trags.275 Das zeigt sich deutlich, wenn Versicherungsvertreter und Kunden ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben und nur der Versicherer sei‑ nen Sitz im Ausland. Unterliegen vermittelte Versicherungsverträge auslän‑ dischem Recht, müssen die Interessen der Parteien nicht darauf gerichtet sein, dass in ihrem Verhältnis dasselbe Recht Anwendung findet. Sie rechnen viel‑ mehr eher mit der Anwendung des ihnen gemeinsam vertrauten Rechts.

(cc)  Zwischenergebnis: Interessenwidrigkeit des Art. 12 Rom II‑VO Die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch Art. 12 Rom II‑VO wird den Interessen von Versicherungsvertretern und Kunden in grenzüberschreitenden Fällen somit häufig nicht gerecht. Sie könnten zum Teil nicht vorhersehen, wel‑ ches Privatrecht sie beachten müssen. Gleiches gilt wegen der insoweit ähn‑ lichen Anknüpfungspunkte für die in Frankreich vorgeschlagene Anknüpfung an Art. 4 Rom II‑VO.

(b)  Art. 12 Abs. 2 Rom II‑VO als Spezialregelung der Sachwalterhaftung? Angesichts der Probleme, die eine außervertraglichen Qualifikation der Vermitt‑ lerhaftung mit sich bringt, verwundert es nicht, dass früher häufiger vorgeschla‑ gen wurde, die Sachwalterhaftung vertraglich zu qualifizieren.276 Dem soll nunmehr nach überwiegender Auffassung entgegenstehen, dass sie in Art. 12 Abs. 2 Rom II‑VO eine Sonderregelung erfahren habe.277 Das ist vom Wort‑ 275 Allg. zur Sachwalterhaftung früher bereits OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.9.2002, 17 U 222/01, BeckRS 2005, 06865; Dörner, JR 1987, 201 (202); Kreuzer, IPRax 1988, 16 (19 f.); Mankowski, RIW 1994, 421 (424); Mansel, in: FS Schlosser, S. 545 (554 f.); zum neuen Recht Budziekiewicz, in: NK‑BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 42 m. w. N.; Fischer, in: FS Kühne, S. 689 (698); Kurt, Culpa in contrahendo, S. 196 ff.; Martiny, in: FS Magnus, S. 483 (493). Schinkels, JZ 2008, 272 (279) will Art. 12 Abs. 1 analog anwenden und an einen hypothetischen Vertrag zwischen Drittem und Geschädigten anknüpfen. Eine dafür erforderliche Regelungslücke be‑ stünde nur, wenn das Verhältnis nicht ohnehin vertraglich qualifiziert werden könnte. 276  Mansel, in: FS Schlosser, S. 545 (556 ff.); Stoll, in: FS Hay, S. 403 (409 f.); ähnlich (analoge Anwendung des Art. 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EGBGB a. F.) Dörner, JR 1987, 201 (202); Fischer, JZ 1991, 168 (174). A. A. (deliktische Qualifikation) OLG Frankfurt, Urt. v. 11.7.1985, 1 U 134/84, IPRax 1986, 373 (377 f.); v. Bar, IPR II, Rn. 559; Kreuzer, IPRax 1988, 16 (20); Mankowski, VuR 1999, 219 (223 f.). 277 Explizit Fischer, in: FS Kühne, S. 689 (699); Kurt, Culpa in contrahendo, S. 194 f., 244 f.; für Reisevermittler wohl auch Staudinger, IPRax 2016, 107 (110 f.); ders., RRa 2014, 10 (11). Implizit die ganz überwiegende Auffassung, die eine vertragliche Qualifikation gar nicht

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

laut her in der Tat nicht unvertretbar. Vermittler bzw. Verhandlungsgehilfen und Kunden verbindet ein Schuldverhältnis, das aus Verhandlungen vor Abschluss eines Hauptvertrags entsteht und vermögensschützende Pflichten i. S. d. ErwG 30 Rom II‑VO begründet. Kurt278 verweist zusätzlich auf eine historische Aus‑ legung: Im Entwurf des Rates vom 16.3.2006 wurde in einer Fußnote zu der Art. 12 Abs. 2 lit. b Rom II‑VO entsprechenden Vorschrift erläutert, dass mit dem Begriff der „Parteien“ der Haftende und der Geschädigte gemeint seien.279 Kurt schließt daraus, der Entwurf wolle klarstellen, dass Art. 12 Rom II‑VO nicht nur die Parteien des anvisierten Vertrags erfasse, sondern auch Dritte, die den Vertrag vermitteln. Dem kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil dieselben FußnotenErläuterungen sich auch bei anderen Entwurfsvorschriften, z. B. zur Ungerecht‑ fertigten Bereicherung oder zur Geschäftsführung ohne Auftrag, finden.280 Das beruht darauf, dass der Begriff der Partei in älteren Entwürfen verwendet wor‑ den war, wenn es um ein zwischen zwei Personen bereits bestehendes Rechts‑ verhältnis wie einen Vertrag ging.281 Darüber hinaus wollte man den Begriff nun auch als Kurzfassung für die sonst üblichen Formulierungen „Person, deren Haftung geltend gemacht wird,“ und „Person, die geschädigt wurde,“ verwen‑ den. Das lässt sich bei Art. 12 Rom II‑VO schon daran erkennen, dass die heu‑ tigen Absätze 1 und 2 in dem Entwurf noch als alternative Optionen dargestellt wurden. Während Option 1 explizit bestimmte, dass seine Anwendung keinen erfolgreichen Vertragsschluss voraussetzt, sollte dies beim Begriff der Partei in Option 2 durch die Fußnotenerläuterung klargestellt werden.

(c)  Zwischenergebnis: keine Spezialregelung der Vermittlerhaftung in Art. 12 Rom II‑VO Es spricht somit nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit Art. 12 Rom II‑VO eine generelle Sonderregelung für die Haftung selbständiger Verhandlungsgehilfen oder am Vertragsschluss beteiligter Vermittler schaffen wollte. Folglich lassen sich aus der Norm auch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob zwischen Kunden und Vermittlern ein eigenständiges und vorgelagertes vertragliches Schuldver‑ hältnis i. S. d. Rom I‑VO besteht. Im Übrigen erscheint die pauschale Diskus‑ sion um die kollisionsrechtliche Qualifikation „der Sachwalterhaftung“ wenig sinnvoll, da im deutschen Recht viele Sachverhalte unter diesem Stichwort zu‑ mehr diskutiert, sondern lediglich die Abgrenzung von Art. 4 und 12 Abs. 1 und 2 Rom II‑VO, vgl. nur Martiny, in: FS Magnus, S. 483 (493) m. w. N. 278  Culpa in contrahendo, S. 194. 279  Rat, Ratsdokument Nr. 7432/06 v. 16.3.2006, S. 11 (Abs. 2 der Option 2 zu Art. 9c). 280  Rat, Ratsdokument Nr. 7432/06 v. 16.3.2006, S. 9 f. (Art. 9a und b, jeweils Abs. 2). 281  Vgl. bspw. Art. 3 Abs. 3 S. 2, Art. 9a Abs. 1, Art. 9b Abs. 1 und Art. 3a (Rechtswahlver‑ einbarung) im Ratsdokument Nr. 7432/06 v. 16.3.2006, S. 6, 9, 10, 12.



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sammengefasst werden.282 Weil nicht in allen dieselben Interessenlagen beste‑ hen müssen, unterliegen sie im europäischen Kollisionsrecht nicht zwangsläufig derselben Anknüpfung. Daher sollte gerade bei selbständigen Mittelspersonen stärker auf die Abgrenzung von Vertrag und Delikt eingegangen werden.

bb)  Alternative Vorschläge zur Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung Für Versicherungsvermittler findet man dazu allerdings wenige Vorschläge. Aus common law-Jurisdiktionen, die eine Haftung überwiegend auch aus einem Vermittlungsvertrag herleiten, sind schon keine Diskussionen zum Kollisions‑ recht ersichtlich. Man käme dort vermutlich generell zu einer vertraglichen Qualifikation der Vermittlerhaftung, wie sie auch Rokas283 ohne Begründung vertritt. In einem anderen Beitrag will derselbe Autor jedoch deliktische Haf‑ tungsansprüche gegen Versicherungsvermittler über Art. 4 Abs. 1 Rom II‑VO berufen,284 was ebenfalls nicht abwegig erscheint, da in einigen Rechtsordnun‑ gen selbst bei Versicherungsmaklern kein Vertrag zur Haftungsbegründung er‑ forderlich ist. Rokas gelangt so ohne weitere Erläuterungen zur Anwendung des Rechts des Staates, in dem Kunden Vermittlungsleistungen empfangen. Das steht mit der oben erläuterten EuGH‑Rechtsprechung zum Schadenseintrittsort nicht im Einklang. Dem außervertraglichen Bereich ordnete auch der irische High Court die Haftung eines Versicherungsmaklers wegen Pflichtverletzungen nach Ab‑ schluss eines Versicherungsvertrags zu.285 Ein britischer Makler hatte in dem Fall den zunächst in England und später in Irland wohnhaften Klägern unter anderem eine Police zur Deckung von Haftpflichtrisiken aus dem Umbau ihres Hauses in Dublin vermittelt. Als vier Jahre nach Abschluss der Bauarbeiten ein Nachbar Ansprüche gegen die Kläger geltend machte, informierten diese den Makler, um den Versicherungsfall beim Versicherer anzeigen zu lassen. Da der Makler das vergaß und die Kläger ihren Anspruch auf die Versicherungsleis‑ tung verloren, verklagten sie ihn in Irland auf Schadensersatz. Der High Court ging davon aus, dass der Maklervertrag den broker allein zur Vermittlung der Police verpflichtet habe und nicht zur weiteren Kundenbetreuung. Allenfalls habe er durch voluntary assumption of responsibility eine deliktische Pflicht übernommen, den Versicherungsfall anzuzeigen. Diese Pflicht habe aber kei‑ nen Bezug zum Maklervertrag, sodass die Klage als eine solche aus unerlaubter Handlung i. S. d. Art. 5 Nr. 3 Brüssel I‑VO anzusehen sei. Dabei war das Gericht 282  Vgl. nur Emmerich, in: MüKo-BGB, § 311 Rn. 193 f.; Herresthal, in: BeckOGK, § 311 BGB (1.6.2019) Rn. 514 ff. 283  In: ders., Insurance intermediaries, S. 145 (149 f.). 284  Rokas, in: Marano, „Dematerialized“ Insurance, S. 3 (32). 285  Coleman v. Offley Insurance Services [2012] IEHC 303 = unalex IE-90.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

stark vom irischen Sachrecht beeinflusst, nach dem Versicherungsmaklerverträ‑ ge keinen Dauerschuldcharakter haben. Dass Vermittlungsrechtsverhältnisse meist entsprechend der nationalen Sys‑ tematisierung qualifiziert werden, zeigt sich auch bei Anlage- und Reisever‑ mittlern. Bei beiden gehen sowohl die deutsche als auch die österreichische Rechtsprechung und Literatur im Verhältnis zum Kunden – unabhängig vom handelsrechtlichen Status des Vermittlers – kollisionsrechtlich von einem ver‑ traglichen Rechtsverhältnis aus.286 Die Anerkennung eines Vermittlungsver‑ trags im Sachrecht schlägt somit auf das Kollisionsrecht durch.

cc)  Eigener Vorschlag: Abgrenzung der Rom I- und Rom II‑VO nach autonomen Kriterien Dieser Befund scheint dem Gebot autonomer Interpretation europäischen Kol‑ lisionsrechts zu widersprechen. Es soll daher im Folgenden untersucht werden, inwieweit die Systembegriffe der vertraglichen und außervertraglichen Schuld‑ verhältnisse europäisch-autonom ausgelegt werden können, wie mit konkludent begründeten Verträgen umzugehen ist und wie man Anspruchskonkurrenzen kollisionsrechtlich behandelt. Ausgehend davon soll eine interessengerechte Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung vorgenommen werden. Dabei sollen auch Rechtsprechung und Literatur zum Internationalen Zivilverfahrens‑ rechts (IZVR) berücksichtigt werden, da sich dort ähnliche Abgrenzungspro‑ bleme stellen: Art. 7 Nr. 1 und 2 Brüssel Ia-VO bzw. Art. 5 Nr. 1 und 3 Brüssel I‑VO begründe(te)n unterschiedliche Gerichtsstände für Klagen aus Verträgen und solche, die eine unerlaubte Handlung zum Gegenstand haben. Da der Ge‑ setzgeber eine rechtsaktübergreifende Auslegung der Rom-Verordnungen mit der Brüssel Ia-VO anstrebt,287 sollen die Konkretisierungsversuche aus dem IZVR – soweit interessengerecht – auf das IPR übertragen werden.288 Die Tatbestandsmerkmale „Ansprüche aus einem Vertrag“ (Art. 7 Nr. 1 Brüs‑ sel Ia-VO) und „vertragliche Schuldverhältnisse“ (Art. 1 Abs. 1 Rom I‑VO) 286 

Vgl. zum Anlageberatungsvertrag OLG Stuttgart, Urt. v. 14.9.2018, 5 U 98/17, BeckRS 2018, 21723 Rn. 95, 108, 133 ff.; OLG München, Urt. v. 22.1.2015, 23 U 3121/14, BeckRS 2015, 02430; KG, Urt. v. 5.6.2014, 22 U 90/13, BKR 2014, 390 (394); OLG München, Urt. v. 22.5.2012, 5 U 1725/11, VuR 2012, 360 (361); Bischof/Jung, in: Schulze/Zuleeg/Kadel‑ bach, Europarecht, § 20 Rn. 212; Schütze, in: Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagerecht, § 7 Rn. 11 ff.; a. A.  Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 12 Rom II Rn. 2, der eine Anwendung von Art. 12 Rom II‑VO erwägt. Zum Reisevermittlungsvertrag vgl. OGH, Urt. v. 22.2.1984, 1 Ob 688/83, JBl. 1986, 49 (50); Staudinger, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 651a–651m Rn. 148, der aber auch ein gesetzliches Rechtsverhältnis in Erwägung zieht. 287  Vgl. ErwG 7 Rom I- und Rom II‑VO. 288  Ebenso jetzt auch EuGH, Urt. v. 28.7.2016, Rs. C-191/15, NJW 2016, 2727 (2728) Rn. 36; Urt. v. 21.1.2016, verb. Rs. C-359/14 und C-475/14, NJW 2016, 1005 (1006) Rn. 43. Krit. wegen unterschiedlicher Ziele noch Reiher, Vertragsbegriff, S. 80 ff.; Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1032).



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zwingen dazu, bei dieser Diskussion zwei Problemkreise zu trennen: In einem ersten Schritt muss der Vertragsbegriff im europäischen Zivilprozess- und Kol‑ lisionsrecht definiert werden, bevor in einem zweiten festzulegen ist, wann ein konkreter Anspruch aus einem solchen Vertrag resultiert, d. h. „vertraglich“ ist.289

(1) Vertragsbegriff Nach den ErwG 7 Rom I‑VO und 11 Rom II‑VO sowie nach ständiger Recht‑ sprechung des EuGH sind die Begriffe des Vertrags und der unerlaubten Hand‑ lung nicht als Verweisung auf das nationale Recht zu verstehen, sondern als autonome Begriffe, die einheitlich auszulegen sind.290 Die nationale Systema‑ tisierung eines Rechtsverhältnisses ist demnach für das europäische Recht ir‑ relevant.

(a)  Definitionselemente: die Formel der freiwillig eingegangenen rechtlichen Verpflichtung Als Vertrag sieht der EuGH jede „von einer Person gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene rechtliche Verpflichtung“ an.291 Diese kann bei der Rom I‑VO vor allem in der Erbringung einer Leistung bestehen.292 Gegensei‑ tige Verpflichtungen setzt die Rom I‑VO nach überwiegender Auffassung nicht voraus, sodass auch einseitig verpflichtende Rechtsverhältnisse vertragliche Schuldverhältnisse darstellen können.293 Eine Verpflichtung ist nach Ansicht des EuGH nicht freiwillig eingegangen, wenn sie sich nur aus einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften ergibt.294 Im Gegensatz dazu setze ein Vertrag eine „Willenseinigung“295 voraus. Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, hat der EuGH selten näher erläutert. Jedenfalls muss eine Willensübereinstimmung vorliegen, die zur Annahme berechtigt, die Parteien hätten einen Vertrag „ge‑ 289  Ebenso zum EuGVÜ bereits Schlosser, IPRax 1984, 65. Vgl. auch GA Saugmands‑ gaard, Schlussanträge v. 24.1.2019, Rs. C-603/17 Rn. 24. 290  St. Rspr. im IZVR seit EuGH, Urt. v. 27.9.1968, Rs. 34/82, Slg. 1983, 987 Rn. 9 f. und Urt. v. 27.9.1988, Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565 Rn. 15 f.; vgl. nur EuGH, Urt. v. 27.10.1998, Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511 Rn. 15. 291 EuGH, Urt. v. 7.3.2018, verb. Rs. C-274/16, C-447/16 und C-448/16, NJW 2018, 2105 (2107) Rn. 60; Urt. v. 15.6.2017, Rs. C-249/16, ZIP 2017, 1734 (1735) Rn. 28; Urt. v. 21.1.2016, verb. Rs. C-359/14 und C-475/14, NJW 2016, 1005 (1006) Rn. 44; ähnlich (negativ formuliert) bereits in EuGH, Urt. v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 15. 292  Vgl. nur Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO. Im IZVR ergibt sich das Erfor‑ dernis einer Verpflichtung aus dem Verweis auf den Erfüllungsort in Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO (vgl. zum EuGVÜ EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 Rn. 22). 293 Siehe Giuliano/Lagarde, Bericht, ABl. C 282 v. 31.10.1980, S. 1 (20) sowie aus der Lit. nur Junker, in: MüKo-BGB, Art. 1 Rom II‑VO Rn. 15; Reiher, Vertragsbegriff, S. 89 f. 294  EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 Rn. 25. 295  EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-96/00, Slg. 2002, I-6367 Rn. 49.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

schlossen“ (Art. 28 Rom I‑VO). Das ist nach einer neueren EuGH‑Entschei‑ dung der Fall, wenn sich zwischen ihnen ein „gegenseitiges Einvernehmen […] manifestiert hat“296. Dabei stellt der EuGH nicht allein auf den wahren Willen der Parteien ab, sondern auch darauf, wie ein objektiver Empfänger Verhaltens‑ weisen verstehen darf.297 Nach diesen Kriterien könnte man davon ausgehen, dass sich sowohl Ver‑ sicherungsmakler als auch -vertreter freiwillig gegenüber ihren Kunden ver‑ pflichten, um die Vermittlung von Versicherungsschutz zu bemühen. Entspre‑ chendes nehmen jedenfalls common law-Jurisdiktionen, bei Mehrfachagenten die österreichische und zum Teil auch die französische Rechtsprechung an. In Deutschland lehnt man hingegen eine eigene freiwillige Verpflichtung des Ver‑ sicherungsvertreters ab.

(b)  Konkludent begründete Verträge und vertragsähnliche Vertrauensbeziehungen im europäischen Recht Angesichts dessen stellt sich die Frage, wer im europäischen Kollisionsrecht entscheidet, ob eine Partei sich vertraglich zur Leistung „verpflichtet“ hat oder ob sie bloß faktisch Leistungen erbracht hat, die ein außervertragliches, ver‑ tragsähnliches Vertrauensverhältnis begründen. Entscheiden die nationalen Rechtsordnungen, wann Parteien einen hinreichenden Rechtsbindungswillen zum Vertragsschluss haben oder gelten hierfür autonome Kriterien?

(aa)  Autonomes Vertragsschlussrecht im IZVR Im IZVR hat der EuGH die Frage in der Rechtssache Granarolo298 eindeu‑ tig zugunsten einer autonomen Auslegung beantwortet. In dem Fall hatte das französische Unternehmen Ambrosi für die italienische Granarolo seit 25 Jah‑ ren Lebensmittel vermarktet, ohne dass ein Rahmenvertrag geschlossen wor‑ 296  EuGH, Urt. v. 16.10.2016, Rs. C-135/15, NJW 2017, 141 (142) Rn. 31. Bei der Brüssel I‑VO wollte der EuGH daraus, dass ein Verbrauchervertrag „geschlossen“ werden muss, stren‑ gere Anforderungen an den Rechtsbindungswillen herleiten (vgl. EuGH, Urt. v. 14.5.2009, Rs. C-180/06, Slg. 2009, I-3961 Rn. 52 ff.). Der Vertragsbegriff des Art. 15 Brüssel I‑VO war so enger als der allgemeine des Art. 5 Nr. 1. Diese Differenzierung hat der EuGH auf die Rom I‑VO nicht übertragen, obwohl Verträge nach Art. 28 Rom I‑VO ebenfalls „geschlossen“ werden müssen. Er stellt in rechtsaktübergreifender Auslegung auf den Vertragsbegriff des Art. 5 Nr. 1 Brüssel I‑VO ab (EuGH, Urt. v. 28.7.2016, Rs. C-191/15, NJW 2016, 2727 [2728] Rn. 36; Urt. v. 21.1.2016, verb. Rs. C-359/14 und C-475/14, NJW 2016, 1005 [1006] Rn. 44). Man kann nur hoffen, dass damit die Differenzierung, die schon bei der Brüssel I‑VO wenig überzeugend war, nicht auf die Rom I‑VO übertragen wird. Die Festlegung eines autonomen Vertragsbegriffs ist schwierig genug, sodass ein engeres Verständnis im Verbraucherbereich (auch im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes) wenig nützlich ist. 297  Vgl. EuGH, Urt. v. 20.1.2005, Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481 Rn. 53 ff. Ausf. zur Erfas‑ sung vertrauenstheoretisch basierter Haftung auch Reiher, Vertragsbegriff, S. 97 ff. 298  EuGH, Urt. v. 14.7.2016, Rs. C-196/15, NJW 2016, 3087.



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den war (Rn. 6). Granarolo brach die Zusammenarbeit im Jahr 2012 ab, wes‑ halb Ambrosi Schadensersatz nach französischem Recht wegen plötzlichen Abbruchs einer Geschäftsbeziehung forderte. Da der Anspruch nach französi‑ schem Recht nur eine faktische Geschäftsbeziehung und keinen Rahmenvertrag voraussetzt, qualifizierten das vorlegende Gericht und die Generalanwältin299 den Sachverhalt als unerlaubte Handlung. Der EuGH zweifelte indes schon an der Ablehnung eines Rahmenvertrags. Bei autonomer Auslegung sei nämlich die Einordnung der Klage im nationalen Recht irrelevant (Rn. 22). Es genüge, wenn nach europäischem Verständnis ein Vertrag vorliegt und das Verhalten als Verstoß gegen vertragliche Pflichten angesehen werden kann (Rn. 21). Da in vielen Mitgliedstaaten auch der stillschweigende Abschluss eines Rahmenver‑ trags möglich sei, müsse dies auch im IZVR beachtet werden. Von einem still‑ schweigenden Vertragsschluss sei insbesondere auszugehen, wenn eindeutige Handlungen der Parteien einen entsprechenden Willen zum Ausdruck bringen (Rn. 24). Obwohl der EuGH keine Vermutung für einen Rahmenvertrag aufstel‑ len wollte, führte er im Folgenden ein „Bündel übereinstimmender Indizien“ (Rn. 26) an, die auf einen solchen hindeuteten: die Langjährigkeit der Bezie‑ hung, Treu und Glauben, die Regelmäßigkeit der Transaktionen und etwaige Absprachen zu Preisen oder Rabatten. Wenngleich der EuGH damit deutlicher als je zuvor eine „europäische Rechtsgeschäftslehre für stillschweigende Verträge“300 geschaffen haben mag, hat er in der Entscheidung letztlich nur die international-zivilverfahrensrecht‑ lichen Grundsätze des Unionsrechts konsequent angewendet.301 Natürliche Folge der autonomen Interpretation ist nämlich, dass im IZVR unter Umstän‑ den Verträge anerkannt werden, die dem nationalen Recht unbekannt sind oder dort abgelehnt werden. Gerade der Rahmenvertrag, der im französischen Recht nicht zur Haftungsbegründung herangezogen wird und bei dem es im Zweifel keine echten Leistungspflichten gibt, ist ein Beispiel dafür. Freilich stellt das hohe Anforderungen an den Rechtsanwender, der nun nicht mehr nur auf sein nationales Vertragsschlussrecht und die dort bekannten Vertragsarten abstellen kann. Auch mag die Gefahr bestehen, bei der Anerkennung stillschweigend ge‑ schlossener Verträge setzten sich letztlich doch „national geprägte Vorverständ‑ nisse der Gerichte“302 durch. Diese Gefahr besteht hingegen bei jeder auto‑ nomen Interpretation. Könnten die Mitgliedstaaten selbst festlegen, in welchen 299 

GA Kokott, Schlussanträge v. 23.12.2015, Rs. C-196/15. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1 (14). Vgl. auch McParland, LMCLQ 2016, 500: „new concept“. 301 Zutreffend Huber, IPRax 2017, 356 (358). 302  Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1 (14) unter Verweis darauf, dass die mitglied‑ staatlichen Rechtsordnungen Fragen zum konkludenten Vertragsschluss oft sehr unterschied‑ lich beantworten. Als Beispiel mag die Entscheidung des OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.2.2011, 1 U 574/09, IPRax 2013, 74 (77) Rn. 62 dienen, in der hinsichtlich konkludenter Beratungs‑ verträge auf die BGH‑Rechtsprechung abgestellt wird. 300 So

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Situationen Verträge konkludent begründet werden, würden dieselben Lebens‑ sachverhalte bei Anwendung der Brüssel Ia-VO von Mitgliedstaat zu Mitglied‑ staat unterschiedlichen Gerichtsständen zugeordnet, weil einige einen konklu‑ denten Vertragsschluss in stärkerem Maße ermöglichen als andere.

(bb)  Art. 10 Rom I‑VO und der Rechtsbindungswille im nationalen Vertragsschlussrecht Fraglich ist allerdings, ob diese Überlegungen auf die Rom I‑VO und deren Be‑ griff des vertraglichen Schuldverhältnisses übertragen werden können. Ob Ver‑ träge konkludent geschlossen werden, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Anforderungen man an den Rechtsbindungswillen der Parteien stellt. Einer au‑ tonomen Auslegung des Vertragsbegriffs im Grenzbereich zu vertragsähnlichen Vertrauensbeziehungen könnte daher Art. 10 Abs. 1 Rom I‑VO entgegenstehen. Danach entscheidet das Vertragsstatut, ob ein Vertrag zustande kommt, d. h. grundsätzlich auch, ob eine Partei eine Willenserklärung mit hinreichendem Rechtsbindungswillen abgegeben hat.303 Dementsprechend meint Bigot, das Vertragsstatut entscheide über das Bestehen eines Versicherungsvermittlungs‑ vertrags.304 Es ließe sich daher vertreten, im Kollisionsrecht sei eine autonome Qualifikation konkludent begründeter Verträge gar nicht nötig. Man überließe es vielmehr dem Vertragsstatut zu entscheiden, ob ein hinreichender Rechtsbin‑ dungswille für eine freiwillige „Verpflichtung“ vorliegt. Dieses Vorgehen entspricht der überwiegenden Auffassung, jedenfalls vor Erlass der Rom II‑VO. In grenzüberschreitenden Fällen von Bankauskünften, unentgeltlicher Beratung und auch im Bereich der Versicherungsvermittlung wurde üblicherweise in einem ersten Schritt geprüft, ob das Vertragsstatut eine Haftung aus einem (konkludent begründeten) Auskunfts- oder Beratungsver‑ trag herleitet, bevor in einem zweiten Schritt vertragsähnliche bzw. deliktische Ansprüche angeknüpft wurden.305 Nahm das Vertragsstatut einen Vertrags‑ schluss an, wurde zum Teil eine vertragsakzessorische Anknüpfung deliktischer Ansprüche befürwortet.306 Übertragen auf die Rom-Verordnungen würde das bedeuten, dass das Vertragsstatut über das Bestehen eines Vermittlungs- oder 303  Für Auskunftsverträge Nickl, Qualifikation, S. 221; allg. Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 10 Rom I‑VO Rn. 6; Spellenberg, in: MüKo-BGB, Art. 10 Rom I‑VO Rn. 44, 48. 304  Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 262. 305  OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.9.2002, I-17 U 222/01, BeckRS 2005, 06865; Dörner/Meyer-Sparenberg, JA 1991, 5 ff.; Nickl, Qualifikation, S. 220-223; Reder, Eigenhaftung, S. 149, 152; Spindler, in: Hoeren/Spindler, Versicherungen im Internet, S. 97 (207 f.), der aber die sachrechtlich außervertragliche Sachwalterhaftung kollisionsrechtlich vertraglich qualifizier‑ te. Anders bereits Stoll, in: FS Hay, S. 403 (410): „Die Anknüpfung sollte nicht durch die Vor‑ frage belastet werden, ob tatsächlich ein solcher Vertrag stillschweigend zustande gekommen ist oder nicht“; für eine generell deliktische Qualifikation der Dritthaftung auch Leicht, Qua‑ lifikation, S. 187. 306  Reder, Eigenhaftung, S. 152.



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Beratungsvertrags entscheiden würde und deliktische Ansprüche nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 oder Art. 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO derselben Rechtsordnung ent‑ nommen werden könnten. Gegen diese Lösung spricht, dass die sachlichen Anwendungsbereiche der Rom-Verordnungen in einem Alternativverhältnis stehen.307 Würde man die Entscheidung über die Anerkennung konkludent begründeter Verträge im Grenzbereich von Vertrag und Delikt dem Vertragsstatut, d. h. dem nationa‑ len Recht, überlassen, würde die autonome Auslegung der sachlichen Anwen‑ dungsbereiche ad absurdum geführt. Das zeigt sich vor allem beim Versiche‑ rungsvertreter: Das englische, französische und österreichische Recht würden deutlich häufiger von einem Vermittlungsvertrag oder Auftrag ausgehen und zur Anwendung der Rom I‑VO führen. Würde ein eigenes Vertragsverhältnis im nationalen Recht hingegen wie in Deutschland abgelehnt, müssten Haftungs‑ ansprüche nach der Rom II‑VO angeknüpft werden. Das aber führt zu einer ein‑ seitigen Bevorzugung des Geschädigten:308 Er könnte zunächst versuchen, eine Haftung auf Basis der Rom I‑VO zu begründen, soweit das Vertragsstatut einen Vermittlungsvertrag anerkennt. Ist das nicht der Fall, bliebe ihm noch die au‑ ßervertragliche Qualifikation. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts hinge also nur vom Zufall ab, ob das Vertragsstatut konkludente Vermittlungsverträge zulässt. Eine europaweit einheitliche Qualifikation desselben Lebenssachver‑ halts würde nicht erreicht. Ließe man dann auch noch Anspruchskonkurrenz zu und machte bei Art. 4 Abs. 3 S. 2 oder Art. 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO die ver‑ tragsakzessorische Anknüpfung vom Vorliegen eines Vertrags i. S. d. Vertrags‑ statuts abhängig, wäre die einheitliche Anwendung der Rom-Verordnungen vollständig konterkariert. Im Übrigen orientieren sich die nationalen Kriterien für Vermittlungsverträge nicht an den kollisionsrechtlichen Interessen der Par‑ teien, sondern führen zu zufälligen Ergebnissen. Ihnen sollte daher auch mittel‑ bar keine Bedeutung im Rahmen der Rom-Verordnungen zukommen.309 Art. 10 Abs. 1 Rom I‑VO hat folglich hinsichtlich des Rechtsbindungswil‑ lens nur eine beschränkte Bedeutung: Er betrifft die Frage, ob zwischen Partei‑ en aufgrund konkludenter Handlungen einklagbare Erfüllungsansprüche entste‑ hen. Würde ein Kunde einen Vermittler auf Vornahme der Vermittlungsleistung verklagen, müsste das Vertragsstatut entscheiden, ob bereits durch die Kontakt‑ aufnahme eine Vermittlungspflicht besteht. Wird eine Leistung hingegen „frei‑ willig“ und tatsächlich erbracht, kann es keinen Unterschied machen, ob das Vertragsstatut dies als Erfüllung einer Vertragspflicht oder als vertragsähnliche 307  Ausf. dazu noch S. 215 ff. 308  Ähnlich die Argumentation

für eine einheitliche Qualifikation der Gutachterhaftung bei Schinkels, JZ 2008, 272 (279). 309  Bedenklich daher für das IZVR OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.2.2011, 1 U 574/09, IPRax 2013, 74 (77), das die BGH‑Kriterien zum Rechtsbindungswillen bei konkludenten Be‑ ratungsverträgen auf die Brüssel I‑VO überträgt.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Handlung auffasst. Dafür spricht schon, dass sich Grund und Inhalt der Haf‑ tung unabhängig von der dogmatischen Herleitung funktional nicht unterschei‑ den.310

(cc)  Zwischenergebnis: autonome Kriterien für konkludent begründete vertragliche Schuldverhältnisse Die Frage, wann Parteien konkludent ein „vertragliches Schuldverhältnis“ i. S. d. Rom I‑VO begründen, ist alles in allem wie im IZVR nach autonomen Kriterien zu beantworten.

(c)  Präzisierung des Vertragsbegriffs für Vermittlungsrechtsverhältnisse Daraus folgt, dass für Rechtsverhältnisse im Grenzbereich von Vertrag und De‑ likt einfache Abgrenzungskriterien entwickelt werden müssen, die in allen Mit‑ gliedstaaten einheitlich angewendet werden können. Die Vorgabe des EuGH, dass Verträge insbesondere stillschweigend geschlossen werden, „wenn dies aus eindeutigen Handlungen folgt, die den Willen der Parteien zum Ausdruck bringen“311, hilft nicht weiter. Ob die freiwillige Erbringung von Leistungen zur Begründung von Verträgen führt, beantworten Rechtsordnungen gerade un‑ terschiedlich, wie nicht zuletzt die rechtsvergleichende Untersuchung zur Ver‑ sicherungsvertreterhaftung zeigt.

(aa)  Teleologisch-funktionaler Ansatz: Rückgriff auf die Prinzipien der Rom I- und Rom II‑VO Richtigerweise kann es in derartigen Grenzfällen keine klare Definition geben, die jeden Fall eindeutig dem vertraglichen oder außervertraglichen Bereich zu‑ ordnet. Vielmehr sollte man die Abgrenzung der Rom I- und Rom II‑VO unter Rückgriff auf ihre jeweiligen Ziele und Prinzipien vornehmen, mit denen die kollisionsrechtlichen Interessen der Parteien in gerechten Ausgleich gebracht werden sollen.312 Zu den Kernelementen der Rom I‑VO gehören dabei 1. der Grundsatz der Parteiautonomie, 2. der Schutz der schwächeren Partei, 3. die hilfsweise Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristi‑ sche Leistung erbringenden Partei und 4. das „Prinzip der grundsätzlichen Ein‑ heit des Vertragsstatuts“.313 Die Rom I‑VO versucht nicht, einen Vertrag lokal 310  Zu diesem Ergebnis der Rechtsvergleichung siehe S. 193. 311  EuGH, Urt. v. 14.7.2016, Rs. C-196/15, NJW 2016, 3087 (3088)

Rn. 24. bereits Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht, S. 17 (28 ff.). Ihm folgend Wendelstein, Telemedizin, S. 155 ff. 313  Magnus, in: Staudinger, BGB, Einl. zur Rom I‑VO Rn. 67, der noch „die Beachtung zwingender Vorschriften […] neben dem Vertragsstatut“ hinzufügt. Ähnlich Lehmann, in: Fer‑ rari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht, S. 17 (28 f.), der lediglich die Parteiauto‑ nomie und die charakteristische Leistung anführt. 312 Dafür



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zu verorten, sondern will Parteien privatautonome Entscheidungen ermöglichen und stellt subsidiär auf Schutzwürdigkeits- und Vorhersehbarkeitserwägungen ab: Im Zweifel soll die Partei geschützt werden, die die vertragscharakteristi‑ sche Leistung erbringt (Art. 4 Abs. 1 und 2), weil Staaten an deren Erfüllung un‑ terschiedlichste Anforderungen stellen können.314 Verkäufer und Dienstleister sollen grundsätzlich die ihnen bekannte Rechtsordnung beachten. Schwächere Parteien wie Verbraucher und Versicherungsnehmer hingegen sollen vorrangig durch die Anwendung des ihnen vertrauten Rechts geschützt werden. Beides lässt sich damit rechtfertigen, dass die Wahl des Vertragspartners auf einer pri‑ vatautonomen Entscheidung beruht. Eine Sonderbeziehung soll dann einheit‑ lich und vorhersehbar einem Recht unterliegen, soweit Parteien nicht anderes vereinbaren. Auf ähnlichen Vorhersehbarkeitserwägungen beruht der Vertragsgerichts‑ stand der Brüssel Ia-VO:315 Gehen Parteien freiwillig Verpflichtungen ein und begründen sie so ein Näheverhältnis, entspricht es ihrem Interesse, bereits bei Vertragsschluss vorhersehen zu können, wo möglicherweise entstehende Strei‑ tigkeiten zu lösen sind. Um eine Häufung von Gerichtsständen zu vermeiden, sollte ferner möglichst ein Gericht alle aus dem Vertragsverhältnis resultieren‑ den Streitfragen lösen können.316 Die Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Gerichtsstände und des anwendbaren Rechts sind im Übrigen auch für die Ver‑ sicherbarkeit grenzüberschreitender Tätigkeiten von großer Bedeutung. Rechts‑ risiken aus freiwilligen Geschäftstätigkeiten können nur dann kalkuliert wer‑ den, wenn Versicherer Gerichtsstände und Haftungsrisiken einschätzen können. Im Gegensatz dazu geht es bei der Rom II‑VO um einen „angemessene[n] Interessenausgleich zwischen Täter und Opfer sowie die Voraussehbarkeit der anwendbaren Sicherheits- und Verhaltensregeln“317. Anders als die Rom I‑VO, die bestimmte Parteien aus Schutzwürdigkeitserwägungen bevorzugt, will die Rom II‑VO nicht einseitig den Interessen eines Schädigers oder Geschädigten den Vorzug geben. Sie muss Rechtsverhältnisse daher stärker objektiv lokali‑ sieren und greift auf den Schadenseintrittsort zurück. Damit Täter ihr Verhalten trotz einer größeren Zahl potenzieller Opfer nicht nach mehreren Rechtsord‑ nungen ausrichten müssen, verpflichtet Art. 17 Rom II‑VO sie, die Verhaltens‑ regeln am Ort des haftungsbegründenden Ereignisses zu beachten. 314  Zentrale Rechtfertigung für den Anknüpfungspunkt ist somit die höhere Regelungs‑ intensität dieser Leistungsverpflichtung, siehe nur Kegel/Schurig, IPR, § 18 I, S. 660 ff. sowie ausf. Wendelstein, Telemedizin, S. 242 ff. Weniger überzeugend Giuliano/Lagarde, Bericht, ABl. C 282 v. 31.10.1980, S. 1 (20), wonach der Vertrag „an das sozio-ökonomische Milieu anzuknüpfen [sei], in das er gehört“. 315 Vgl. ErwG 15 Brüssel Ia-VO; EuGH, Urt. v. 23.4.2009, Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327 Rn. 21 f.; Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (579). 316  Vgl. auch EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-96/00, Slg. 2002, I-6367 Rn. 57 f.; Urt. v. 4.3.1982, Rs. 38/81, Slg. 1982, 825 Rn. 6. 317  Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht, S. 17 (29 f.).

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In Grenzfällen sollte nun geprüft werden, inwiefern ein Sachverhalt und die Parteiinteressen eher der einen oder der anderen Verordnung zuzuordnen sind.318 Dabei können durchaus Erwägungen eines ökonomischen Vertrags‑ begriffs einfließen.319 Die eben dargestellten Wertungen ergeben sich näm‑ lich daraus, dass außervertragliche Schuldverhältnisse eher auf „Zufälligkeit der Begegnung“ beruhen, während Verträge „Risikenverteilung durch Verein‑ barung“ ermöglichen bzw. „Ausdruck sozialer Kooperation“ sind.320 Dadurch kann bei Verträgen bereits vor Eintritt eines Schadens eine Abwägung anhand von Schutzwürdigkeitserwägungen erfolgen. In dem Sinne lässt sich das ver‑ tragliche Anknüpfungssystem damit rechtfertigen, dass eine Person freiwillig eine Leistung erbringt, die eine andere akzeptiert. So ergibt die Möglichkeit der Rechtswahl jedenfalls da Sinn und sollte respektiert werden, wo „Partei‑ en miteinander in gezieltem Kontakt [stehen] und […] sie die betroffenen In‑ teressen und Risiken durch eine vorangegangene Vereinbarung [hätten] regeln können“321.

(bb)  Anwendung bei Versicherungsvermittlern Dass außervertragliche Kollisionsnormen, die in erster Linie an den Schadens‑ eintrittsort anknüpfen, den Interessen der Versicherungsvermittler – vor allem auch der Vertreter – nicht gerecht werden, hat sich oben bereits gezeigt.322 Das liegt daran, dass die Rom II‑VO vor allem Fälle erfasst, in denen eine Interes‑ senabwägung vor Eintritt eines Schadens nicht möglich ist, weil eine unmittel‑ bare Sonderbeziehung erst durch das Schadensereignis begründet wird (z. B. bei Verkehrsunfällen). Wenn sich jemand demgegenüber im geschäftlichen Be‑ reich für eine freiwillige Leistungserbringung entscheidet, die für den anderen Teil von wirtschaftlicher Bedeutung ist, besteht für beide Seiten ein Bedürf‑ nis, vorhersehen zu können, welches Recht ihr Verhältnis beherrschen wird und Anforderungen an die Leistungserbringung stellt. Diesbezüglich erweist sich auch die Anwendung des Art. 17 Rom II‑VO als nicht interessengerecht, weil er hinsichtlich der Verhaltensregeln nicht auf die Schutzbedürftigkeit der Par‑ teien Rücksicht nimmt. Indem er Schädigern aufgibt, ihr Verhalten an lokalen Standards auszurichten, ist er Ausdruck eines Interessenausgleichs bei zufällig begründeten Beziehungen.

318 

Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht, S. 17 (30). Mankowski, IPRax 2003, 127 (131), der damit allerdings wohl kein alternatives Modell vorschlägt, sondern allein Aspekte anführt, die berücksichtigt werden können. 320  Mankowski, IPRax 2003, 127 (131). Ausf. auch Reiher, Vertragsbegriff, S. 137 ff. 321  Mankowski, IPRax 2003, 127 (131) zum ökonomischen Vertragsbegriff; vgl. auch Lehmann, in: Ferrari/Leible, Ein neues Internationales Vertragsrecht, S. 17 (28). 322 S. 201. 319 Dazu



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Für eine außervertragliche Qualifikation der Sachwalter- und Gehilfenhaf‑ tung wird gleichwohl der äußere Entscheidungseinklang angeführt,323 d. h. das Verkehrsinteresse, Rechtsverhältnisse im internationalen Vergleich möglichst einheitlich anzuknüpfen.324 Verhandlungsgehilfen unterlägen in den meisten Staaten nämlich einer deliktischen Haftung. Die Konstruktion konkludenter Be‑ ratungs- oder Vermittlungsverträge sei eine deutsche Besonderheit und letztlich nur eine Fiktion.325 Dieses Argument erweist sich bei Versicherungsvertretern schon aus sachrechtlicher Sicht als falsch, wie die Rechtsvergleichung gezeigt hat. Im Übrigen sollte die Bedeutung des äußeren Entscheidungseinklangs im Grenzbereich von Vertrag und Delikt nicht überschätzt werden.326 Er kann je‑ denfalls nicht generell Parteiinteressen verdrängen. Da die Anknüpfungspunkte der Rom II‑VO den Interessen der Vermitt‑ ler und Kunden nicht gerecht werden, bleibt zu untersuchen, inwieweit 1. der Grundsatz der Parteiautonomie, 2. der Schutz der schwächeren Partei, 3. die hilfsweise Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristi‑ sche Leistung erbringenden Partei und 4. die Einheit des Vertragsstatuts geeig‑ nete Leitbilder für die Anknüpfung der Vermittlerhaftung sind.327 Das Interesse der Parteien, das anwendbare Recht vorhersehen zu können, spricht zunächst für eine Förderung der Parteiautonomie. Da die Geschäftsbeziehung eines Kunden zum Vermittler keine zufällige Begegnung darstellt, sondern regel‑ mäßig eine umfangreichere Leistungserbringung beinhaltet, auf die sich beide Seiten freiwillig einlassen, sollte auch Vertretern in den Grenzen der Rom I‑VO eine Rechtswahl ermöglicht werden. Die freiwillige Entscheidung für den Ver‑ tragspartner bringt jedoch mit sich, dass Vertreter sich der kollisionsrechtlichen Schutzbedürftigkeit ihrer Kunden bewusst sein müssen. In grenzüberschreiten‑ den Verbrauchergeschäften sprechen daher die Kundeninteressen dafür, dass Vertreter sich auf deren Recht einlassen müssen, wenn sie ihre Geschäftstätig‑ keit i. S. d. Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO auf einen anderen Staat ausrichten. Sie kön‑ nen in diesen Fällen nicht automatisch mit der Anwendung des ihnen vertrauten Rechts rechnen.

323 Vgl. nur die Argumentation bei Kreuzer, IPRax 1988, 16 (19 f.); Mankowski, VuR 1999, 219 (223); ders., RIW 1994, 421 (424); Reder, Eigenhaftung, S. 157, 162. Wohl auch OLG Frankfurt, Urt. v. 11.7.1985, 1 U 134/84, IPRax 1986, 373 (378), das die Anknüpfung der Vertreter- und Sachwalterhaftung nur nach Verkehrsinteressen vornehmen möchte. Welche gemeint sind, wird nicht erläutert. 324  Dazu nur Kegel, in: FS Lewald, S. 259 (277); Kropholler, IPR, § 6. 325  Vgl. auch Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 2, der eine Anwendung des Art. 12 in Situationen erwägt, in denen eine Haftung „bislang über die Konstruktion eines Be‑ ratungsvertr[ags]“ begründet wird. 326  Kegel/Schurig, IPR, § 2 II, S. 140; Sprenger, Internationale Expertenhaftung, S. 145 ff. 327  Siehe zu diesem Vorgehen S. 210.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Ist der Kunde hingegen kein Verbraucher, ist es angemessen, das Interesse eines Vermittlers an der Anwendung des ihm vertrauten Rechts zu schützen.328 Schließlich können Staaten abweichende Anforderungen an die Leistungs‑ erbringung stellen, z. B. durch unterschiedliche Informations-, Beratungs- oder Betreuungspflichten nach Abschluss des Versicherungsvertrags. Dieser grund‑ sätzliche Schutz des Dienstleisters sollte nicht davon abhängen, ob die Partei‑ en schriftlich einen Vertrag schließen, der explizit zu Vermittlungsbemühungen verpflichtet, oder ob eine Tätigkeit einvernehmlich ohne weitere Vereinbarung durchgeführt wird. In beiden Fällen unterscheiden sich die kollisionsrechtlichen Interessen der Parteien nicht. Schließlich spricht die Einheit des Vertragsstatuts für die Annahme eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Es entspricht der berechtigten Erwartung der Parteien, dass ihre unter Umständen langfristige Geschäftsbeziehung einem einheitlichen Recht untersteht. Es wäre auch einem Vertreter schwer vermittel‑ bar, wenn er innerhalb dieser Rechtsbeziehung unterschiedliche Pflichten er‑ füllen müsste, je nachdem, wo Kunden später Schäden erleiden. Beide Parteien haben ein Interesse daran vorherzusehen, aus welcher Rechtsordnung sich Haf‑ tungsansprüche ergeben können und welche Wohlverhaltensregeln zu beachten sind. Die Annahme eines Vertragsverhältnisses erlaubt in diesem Sinne weit‑ gehend Planungssicherheit für Versicherungsvermittler und Kunden. Hierbei weichen die kollisionsrechtlichen Interessen der Versicherungsver‑ treter und ihrer Kunden nicht von denen der Makler und ihrer Kunden ab. Darü‑ ber hinaus beruhen Vertreter- und Maklerhaftung, wie die Rechtsvergleichung gezeigt hat, funktional auf denselben Überlegungen: Mit der Gewährung eines Haftungsanspruchs soll das berechtigte Vertrauen der Kunden auf die ordnungs‑ gemäße Leistungserbringung der Vermittler geschützt werden.329 Angesichts dessen ist kein Grund ersichtlich, Versicherungsmakler und -vertreter kollisi‑ onsrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Bei beiden gleicht die Rom I‑VO die Interessen im Vermittlungsrechtsverhältnis zum Kunden am gerechtesten aus. Angesichts der Notwendigkeit, die sachlichen Anwendungsbereiche der Rom I- und Rom II‑VO unter Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Interessen abzugrenzen, kann auch Art. 18 lit. a sublit. v IDD kein abweichendes Ergeb‑ nis rechtfertigen.330 Die Norm unterscheidet zwar in einem autonomen Sinne 328  Vgl.

allg. für die Sachwalterhaftung auch Kurt, Culpa in contrahendo, S. 201 (aller‑ dings im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO); ebenso früher Dörner, JR 1987, 201 (202 f.); Mansel, in: FS Schlosser, S. 545 (558 f.); leicht abweichend Fischer, JZ 1991, 168 (174) für den Ort, an dem der Vertreter die Tätigkeit ausübt. Anders OLG Frankfurt, Urt. v. 11.7.1985, 1 U 134/84, IPRax 1986, 373 (378), das nicht die Parteiinteressen, sondern ohne nähere Erläuterung Verkehrsinteressen berücksichtigen will, sowie Reder, Eigenhaftung, S. 158 ff., der generell den Geschädigten schützen will. 329  Siehe insoweit das Ergebnis der Rechtsvergleichung auf S. 193. 330  Siehe zu dieser Überlegung S. 194.



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danach, ob Vermittler den Kunden vertreten oder für Rechnung und im Namen eines Versicherers handeln, der Gesetzgeber orientiert sich hierbei aber nicht an kollisionsrechtlichen Interessen oder Zielen. Vielmehr geht es ihm darum, dass Versicherungsnehmer erkennen können, für welche Partei der Vermittler Er‑ klärungen abgibt und annimmt. Rückschlüsse für das Kollisionsrecht kann man aus der Bestimmung daher nicht ziehen. Allgemein folgt aus dem hier gefundenen Ergebnis, dass die freiwillige Leis‑ tungserbringung eines Selbständigen im geschäftlichen Bereich auf Anfrage bzw. mit Zustimmung einer anderen Partei in der Regel zur Begründung eines Vertrags i. S. d. Rom I‑VO führt. Ob sie auf einer rechtlich durchsetzbaren Ver‑ tragspflicht beruht, ist irrelevant. Fälle fehlerhafter Beratung oder Auskunft, bei der die Parteien in unmittelbarem Kontakt zueinander stehen,331 können somit als Vertrag im autonomen Sinne aufgefasst werden. Erbringt eine Partei im Einvernehmen mit einer anderen eine rechtlich oder wirtschaftlich bedeut‑ same Leistung, muss danach nicht abgegrenzt werden, ob die Tätigkeit auf einer vertraglichen Verpflichtung beruhte oder lediglich faktisch erbracht wurde.332 Daraus folgt eine weitgehende Anerkennung (konkludent begründeter) Vermitt‑ lungsverträge im Kollisionsrecht. Für dieses Ergebnis kann der EuGH auf seine Entscheidung in der Rechtssache Maletic verweisen. Dort ging er ohne nähere Begründung von einem Vertragsverhältnis zwischen einem Kunden und einem Reisevermittler aus,333 was freilich daran lag, dass das vorlegende österreichi‑ sche Gericht aus nationaler Sicht von einem Reisevermittlungsvertrag sprach. Mit autonomen Kriterien lässt sich das Ergebnis ebenso gut begründen.

(d)  Zwischenergebnis: Vermittlungsverträge zwischen allen Versicherungsvermittlern und Kunden Bei autonomer Qualifikation stehen somit sowohl Versicherungsmakler als auch -vertreter in einem Vertragsverhältnis mit ihren Kunden.

(2)  Verhältnis von Vertrag und Delikt bei Anspruchskonkurrenz im nationalen Recht Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder zwischen ihnen geltend gemachte An‑ spruch „aus einem Vertrag“ resultiert (Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO) oder „ver‑ traglich“ ist (Art. 1 Abs. 1 Rom I‑VO). Trotz des Bestehens eines Vermittlungs‑ 331  Bei Schäden von Personen, denen gegenüber keine Leistung erbracht wurde, besteht schon keine Möglichkeit, eine parteiautonome Regelung zu treffen. Diese Fälle sind daher in der Regel dem außervertraglichen Bereich zuzuordnen, auch wenn das nationale Recht Ver‑ tragsverhältnisse konstruiert, vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967. 332  Ähnlich früher Stoll, in: FS Hay, S. 403 (410 oben, 411). 333  EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-478/12, NJW 2014, 530 (531) Rn. 29. Krit. dazu im Hinblick auf Art. 12 Rom II‑VO Staudinger, RRa 2014, 10 (11) (vgl. auch ders., IPRax 2016, 107 [110 f.]); hiergegen oben auf S. 201.

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vertrags gewährt beispielsweise das common law Kunden auch deliktische Ansprüche. Zwischen ihnen und den Vermittlern könnten also auch kollisions‑ rechtlich zugleich außervertragliche Schuldverhältnisse bestehen, die nach der Rom II‑VO anzuknüpfen wären. Ob ein solches Nebeneinander von Vertrag und Delikt im europäischen Recht möglich ist, wurde jedenfalls im IZVR be‑ reits ausführlich diskutiert.

(a)  Das Alternativverhältnis von Vertrag und Delikt im Zivilverfahrensrecht In der Rechtssache Kalfelis334 ging der EuGH wohl noch davon aus, eine Klage könne sowohl vertraglich als auch deliktisch sein, je nachdem, auf welchen „Gesichtspunkt“, d. h. auf welche Anspruchsgrundlage sie gestützt wird. Ein Kunde hatte dort eine deutsche Bank und ihre luxemburgische Tochtergesell‑ schaft wegen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten und deliktischer Pflichten verklagt. Da das deutsche Recht Anspruchskonkurrenz zuließ, frag‑ te der BGH, ob im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch „nichtdelik‑ tische Klageansprüche“ geltend gemacht werden könnten (Rn. 4). Der EuGH entschied, Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ beziehe sich auf alle Klagen, „mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen ‚Vertrag‘ im Sinne von Artikel 5 Nr. 1 anknüpfen“ (Rn. 17). Nach Art. 5 Nr. 3 sei ein Gericht nur dafür zuständig, die „Klage unter einem auf deliktischer Grundlage beruhenden Gesichtspunkt“ zu entscheiden, und nicht auch unter „nichtdeliktischen Gesichtspunkten“ (Rn. 19). Eine Schadenshaftung hätte da‑ nach wohl vertraglich und zugleich außervertraglich sein können.335 Damit wollte der EuGH es den Mitgliedstaaten aber nicht überlassen, selbst zu entscheiden, welche Klagen vertraglich oder deliktisch sind. Schon 1992 ent‑ schied er, dass die Warenherstellerhaftung gegenüber Endkunden europäischautonom als deliktisch anzusehen ist, obwohl sie in Frankreich vertraglich be‑ gründet wurde.336 In der Folge hat er sich dann auch von seiner These, dass 334 

EuGH, Urt. v. 27.9.1988, Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565. So versteht auch GA Saugmandsgaard die Entscheidung (siehe seine Schlussanträge v. 24.1.2019, Rs. C-603/17 Rn. 74). Anders hingegen die Interpretation in England (Source Ltd. v. T. U. V. Rheinland Holding A. G. [1998] Q. B. 54 [63]; Briggs, LMCLQ 2003, 12 [25]) und bei Wendelstein (Telemedizin, S. 185 ff.), nach dem der EuGH sich nicht auf Anspruchskon‑ kurrenz beziehe: „Insoweit […] stellt [der EuGH] lediglich klar, was er hinsichtlich Schadens‑ ersatzansprüchen bereits durch seine Negativabgrenzung zum Ausdruck bringt. Das Gericht, welches nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO […] zuständig ist, darf nicht über konkurrierende vertragli‑ che Schadensersatzansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten entscheiden, weil solche Ansprüche aus EU-autonomer Sicht nicht bestehen“ (S. 187). Freilich hätte der EuGH dann direkt sagen können, dass er die Ansprüche für vertraglich und Art. 5 Nr. 3 EuGVO nicht für einschlägig hält. 336  EuGH, Urt. v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967. Anders noch Schlosser, RIW 1988, 987 (988), wonach autonome Interpretation nicht bedeute, „daß die materielle Lösung bestimmter typischer Lebenskonflikte europäisch einheitlich […] bestimmten Rechtskatego‑ rien zuzuweisen sei“. 335 



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derselbe Schaden sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsgerichtsstand gel‑ tend gemacht werden kann, immer mehr verabschiedet.337 Das zeigte sich vor allem in der Rechtssache Brogsitter.338 Dort hatte sich ein in Frankreich leben‑ der Uhrmachermeister (Fräßdorf) verpflichtet, für und auf Kosten von Brogsitter Uhrwerke zu entwickeln. Fräßdorf soll die Gelegenheit genutzt haben, ent‑ wickelte Uhrwerke für eigene Rechnung zu verkaufen, weshalb Brogsitter ihn vor deutschen Gerichten auf Basis des Vertrags- und Deliktsrechts auf Scha‑ densersatz in Anspruch nahm. Das OLG Düsseldorf hielt sich an die Grund‑ sätze aus Kalfelis und stellte für deliktische Ansprüche auf Art. 5 Nr. 3 und für vertragliche auf Art. 5 Nr. 1 Brüssel I‑VO ab. Der EuGH folgte dem nicht: Zu‑ nächst bedeute der Umstand, dass zwischen zwei Parteien ein Vertrag besteht, noch nicht, dass eine Klage des einen Vertragspartners gegen den anderen stets eine solche „aus einem Vertrag“ sei (Rn. 23). Vielmehr sei das nur dann der Fall, „wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Ver‑ pflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegen‑ stands ermitteln lassen“ (Rn. 24). Sei das der Fall, knüpften die Klageanträge an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag an. Andernfalls beträfen sie eine unerlaubte Handlung (Rn. 27). Danach kann ein Schadensersatzanspruch im IZVR bei europäisch-auto‑ nomer Betrachtung nicht mehr zugleich vertraglich und deliktisch sein.339 Be‑ steht ein Vertrag und bringt ein Vertragspartner Klageanträge vor, mit denen er ein Verhalten vorwirft, das als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, ist die Klage einheitlich vertraglich. Knüpft das Ver‑ halten nicht an freiwillige Verpflichtungen an, ist sie deliktisch. Die Folge von Brogsitter ist daher nicht, dass das Gericht des Vertragsgerichtsstands im Sinne einer Annexkompetenz neben dem des Deliktsgerichtsstands entscheidet, son‑ dern anstelle des letzteren; es kommt zu einem Vorrang des Vertragsgerichts‑ 337  Zur Entwicklung nunmehr auch GA Saugmandsgaard, Schlussanträge v. 24.1.2019, Rs. C-603/17 Rn. 75 ff. Anders wohl noch EuGH, Urt. v. 16.5.2013, Rs. C-228/11, NJW 2013, 2099 (2100 f.) Rn. 21, 37, wo er Aussagen zum Deliktsgerichtsstand macht, weil „nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die Klage des Ausgangsverfahrens trotz des vertragli‑ chen Charakters des Verhältnisses […] allein auf das Recht der Deliktshaftung gestützt ist“. Demgegenüber kann aus der Rechtssache Kronhofer (EuGH, Urt. v. 10.6.2004, Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009) keine Anerkennung der Zuständigkeitskonkurrenz hergeleitet werden, weil dort die Beklagten als Geschäftsführer und Angestellte nicht Vertragspartner des Klägers waren; anders Spickhoff, IPRax 2017, 72 (74). 338  EuGH, Urt. v. 13.3.2014, Rs. C-548/12, NJW 2014, 1648. Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1028) sieht die Aufgabe der Kalfelis-Rechtsprechung sogar schon in der Tacconi-Ent‑ scheidung (EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357). 339  Stürner/Wendelstein, JZ 2018, 1083 (1085). Anders Spickhoff, IPRax 2017, 72 (74). Gegen eine derartige autonome Betrachtung und für eine Rückkehr zu den Grundsätzen aus Kalfelis nunmehr auch GA Saugmandsgaard, Schlussanträge v. 24.1.2019, Rs. C-603/17 Rn. 83 ff. Seiner Ansicht nach ist es deutlich einfacher, darauf abzustellen, ob Ansprüche nach nationalem Recht dem Vertrags- oder Deliktsrecht zugeordnet würden. Mit dieser Argumenta‑ tion lässt sich freilich jede autonome Interpretation ad absurdum führen.

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stands vor dem Deliktsgerichtsstand, sofern das „deliktische“ Verhalten als Ver‑ stoß gegen Vertragspflichten angesehen werden kann.340 Das bestätigen auch die Formulierungen neuerer EuGH‑Entscheidungen.341 Gegen diese Verdrängung des Delikts- durch den Vertragsgerichtsstand wurde vor allem der Opferschutzgedanke angeführt.342 Selbst wenn ein solcher Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zugrunde liegen sollte, ist nicht ersichtlich, warum ein Ver‑ tragspartner, der im Zusammenhang mit einem freiwillig begründeten Nähever‑ hältnis geschädigt wird, über die Art. 7 Nr. 1; 10 ff. Brüssel Ia-VO hinaus eines besonderen Gerichtsstands bedarf. Lässt sich jemand darauf ein, dass ein auslän‑ discher Vertragspartner eine Leistung erbringt, sollten die Ziele, vorhersehbare Gerichtsstände bereitzustellen und die Schutzbedürftigkeit bestimmter Parteien zu achten, dadurch erreicht werden, dass schon bei Vertragsschluss festgelegt wird, welches Gericht über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag entscheidet, und dabei die Parteiinteressen anhand der Art. 7 Nr. 1; 10 ff. Brüssel Ia-VO berücksichtigt werden. Es ist weder zwingend noch naheliegend, einem Vertragspartner im Schadensfall einen zusätzlichen Gerichtsstand einzuräumen, wenn der Handlungs- oder Erfolgsort einer Schadenshandlung zufälligerweise nicht am Vertragsgerichtsstand liegt.343 Im IZVR ist eine Klage somit entweder dem Vertrags- oder dem Deliktsgerichtsstand zuzuordnen.

(b)  Übertragbarkeit auf das Kollisionsrecht und Anwendung auf Versicherungsvermittler Diese Alternativität von Vertrag und Delikt auf die Rom-Verordnungen zu über‑ tragen, scheint angesichts des Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II‑VO nicht möglich. Da‑ 340  Ebenso, aber z. T. krit. Baumert, EWiR 2014, 435 (436); Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (907); Pfeiffer, IPRax 2016, 111 (114). Früher schon Coleman v. Offley Insurance Ser‑ vices [2012] IEHC 303 = unalex IE-90; Source Ltd. v. T. U. V. Rheinland Holding A. G. [1998] Q. B. 54 (63); Briggs, LMCLQ 2003, 12 (30); Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019 (1028). 341  Vgl. EuGH, Urt. v. 10.9.2015, Rs. C-47/14, EuZW 2015, 922 (923) Rn. 32, wonach der Umstand, dass ein Kläger sich auf verschiedene Anspruchsgrundlagen stützt, nicht bedeute, „dass diese Klage unter jede der angeführten Bestimmungen [Art. 5 Nr. 1 und 3 Brüssel I‑VO] fallen kann“. Das sei „nur dann so, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die diesen Bestimmungen zu entnehmenden Verpflichtungen angesehen werden kann“. Rn. 70 f. macht deutlich, dass damit ein Alternativverhältnis gemeint ist: „Kann […] das […] Verhalten als Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden, ist daher das in Art. 5 Nr. 1 […] bezeichnete Gericht […] zuständig. Im umgekehrten Fall kommt die Zuständig‑ keitsregel in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung zur Anwendung“. Ähnlich EuGH, Urt. v. 28.1.2015, Rs. C-375/13, NJW 2015, 1581 (1583) Rn. 44, wonach für Prospekthaftungsklagen gegen Emittenten der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gelte, sofern (und nicht „soweit“) sie nicht vom Vertragsgerichtsstand erfasst werden. 342  Vgl. nur Spickhoff, IPRax 2017, 72 (76). Zur Diskussion über Opferschutz als Ziel des Deliktsgerichtsstands siehe nur Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (471). 343  Das zeigt sich z. B., wenn ein deutscher Patient bei einem österreichischen Arzt fal‑ sche Medikamente verschrieben bekommt, die er im Urlaub in Polen einnimmt. Die Eröffnung eines Gerichtsstands in Polen für deliktische Ansprüche überzeugt hier nicht.



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nach kann auf außervertragliche Schuldverhältnisse dasselbe Recht anzuwenden sein wie auf Verträge, mit denen sie in enger Verbindung stehen (sog. vertrags‑ akzessorische Anknüpfung). Eine Pflichtverletzung kann also scheinbar sowohl vertragliche als auch außervertragliche Schuldverhältnisse begründen. Das ent‑ spräche der überwiegenden Ansicht vor Geltung der Rom-Verordnungen, die aus der Anspruchskonkurrenz im materiellen Recht und den unterschiedlichen Kollisionsnormen für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse Statutenkonkurrenz hergeleitet hat.344 Betrachtet man die Gesetzesmaterialien, kann von einer solchen Inten­tion des Gesetzgebers keine Rede sein. Die Kommission345 führte zur vertrags‑ akzessorischen Anknüpfung aus: „In rechtstechnischer Hinsicht lassen sich damit – bis zu einer eigenständigen Begriffs‑ bestimmung des Gerichtshofs – die Folgen relativieren, die sich aus dem Umstand er‑ geben, dass ein und dasselbe Rechtsverhältnis dem Vertragsrecht eines Mitgliedstaats und dem zivilen Haftungsrecht eines anderen unterliegen kann.“

Es handelt sich daher um nichts anderes als ein Provisorium, das nicht den Schluss darauf zulässt, der Gesetzgeber habe die Anspruchskonkurrenz auch kollisionsrechtlich anerkannt.346 Vielmehr macht er mit der Koordinierung ver‑ traglicher und außervertraglicher Ansprüche deutlich, dass er ein dem Zivilver‑ fahrensrecht ähnliches Ziel verfolgt. Wie der Vorrang des Vertragsgerichtsstands für einheitliche und vorhersehbare Gerichtsstände sorgt, soll im Kollisionsrecht ein einheitliches und kohärentes Statut für freiwillig begründete Rechtsverhält‑ nisse bestimmt werden. Da bei „Verträgen“ eine Sonderbeziehung schon vor einem Schadensereignis freiwillig begründet wird, haben die Parteien ein In‑ teresse daran, eine Regelung für alle aus ihrer Beziehung resultierenden Strei‑ tigkeiten zu treffen und frühzeitig absehen zu können, nach welchem Recht diese entschieden werden. Wenn sich nun die unterschiedlichen Regelungen der Art. 7 Brüssel Ia-VO und Art. 1 Abs. 1 Rom I- und Rom II‑VO auf ähnliche Grundgedanken zurückfahren lassen, sollte die Abgrenzung von Vertrag und Delikt bei allen Rechtsakten entsprechend ErwG 7 Rom I/II‑VO einheitlich vorgenommen werden. Überzeugend ist daher die Auffassung, dass auch im Kollisionsrecht ein Rechtsverhältnis bzw. eine aus diesem resultierende Rechts‑ frage vertraglich oder außervertraglich zu qualifizieren ist.347 344 Hierzu

Stoll, in: FS Hay, S. 403 (407) sowie Wendelstein, Telemedizin, S. 135 m. w. N.

345  KOM(2003) 427 endg., S. 14. 346 Ebenso Wendelstein, Telemedizin,

S. 193. Rühl, in: BeckOGK, Art. 4 Rom II‑VO (1.12.2017) Rn. 26; Wendelstein, Telemedizin, S. 192 ff.; ders., ZEuP 2015, 624 (634 f.); im Grundsatz auch Lehmann, in: NK‑BGB, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 51, der aber deliktische Ansprüche nicht über die Rom I‑VO berufen will, was dem Grundsatz der Kongruenz von Anknüpfungsgegenstand und Verweisungsziel wider‑ spricht (dazu sogleich). Früher bereits Briggs, LMCLQ 2003, 12 (25 ff.); Stoll, in: FS Hay, S. 405 (407). Zur wohl überwiegenden Gegenauffassung siehe Dickinson, Rome II Regulati‑ 347 

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Die Gegenauffassung macht schon nicht deutlich, welchen Vorteil es haben soll, Anspruchsgrundlagen entsprechend der nationalen Systematisierung der Rom I- oder Rom II‑VO zuzuordnen. Als „vertraglich“ müsste man solche An‑ sprüche ansehen, die einen Vertrag voraussetzen, als „außervertraglich“ sol‑ che, die unabhängig von einem Vertrag entstehen können. Diese Fragen hän‑ gen notwendigerweise von der lex causae ab. Zu Brüchen käme das solange nicht, wie das Vertragsstatut vertragliche Ansprüche vorsieht und man delik‑ tische Ansprüche im Rahmen der Rom II‑VO vertragsakzessorisch anknüpft. Dies wäre beispielsweise bei der Versicherungsmaklerhaftung möglich, die in allen Rechtsordnungen jedenfalls auch aus Vertrag hergeleitet wird. Während maklervertragliche Ansprüche unmittelbar über die Rom I‑VO berufen würden, würden etwaige deliktische Forderungen (wie im englischen Recht wegen voluntary assumption of responsibility) über die vertragsakzessorische Anknüp‑ fung der Rom II‑VO demselben Recht unterliegen. Lehnt das Vertragsstatut hingegen ein Vertragsverhältnis ab, könnten vom Vertrag unabhängige Anspruchsgrundlagen nur über die Rom II‑VO berufen werden. Beruft die Regelanknüpfung der Rom II‑VO nun eine andere Rechts‑ ordnung als die Rom I‑VO und würde man den Vertragsbegriff in Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II‑VO entsprechend dem Vertragsstatut auslegen, käme keine ver‑ tragsakzessorische Anknüpfung in Betracht. Nähme hingegen ein anderes Ver‑ tragsstatut einen Vertragsschluss an, wäre die Ausweichklausel anwendbar. Die Rom-Verordnungen würden also nicht einheitlich angewendet. Schon deswe‑ gen müsste man spätestens den Vertragsbegriff der Ausweichklauseln autonom interpretieren und letztlich doch entscheiden, ob zwischen den Parteien ein „Vertrag“ im autonomen Sinne besteht. Warum aber soll man diesen „Umweg“ gehen, wenn man von vornherein die sachlichen Anwendungsbereiche kohärent zur Brüssel Ia-VO autonom interpretieren und den Sachverhalt entweder der Rom I- oder der Rom II‑VO zuweisen kann? Die Auswirkungen der unterschiedlichen Ansätze für den Rechtsanwender zeigen sich deutlich bei der Haftung eines Mehrfachagenten im deutsch-öster‑ reichischen Rechtsverkehr: Beriefe die Rom I‑VO für Schadensersatzansprü‑ che österreichisches Recht, käme das österreichische Vertragsstatut zu einem Vermittlungsvertrag und zu vertraglichen Ansprüchen. Selbst wenn ein Scha‑ den in Deutschland eingetreten wäre, würden mögliche deliktische Ansprü‑ che wegen der vertragsakzessorischen Anknüpfung i. R. d. Rom II‑VO auch nach österreichischem Recht beurteilt. Problematischer wäre die Qualifika‑ tion bei deutschem Vertragsstatut: Während man das Verhältnis nach obigen Ausführungen autonom als Vertrag ansehen kann, hielte das deutsche Recht on, Rn. 3.128 f.; Junker, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom II‑VO Rn. 51; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 1 Rom I‑VO Rn. 11; Plender/Wilderspin, Private International Law, Rn. 2–054 ff.; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 4 Rom II Rn. 11.



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keine Anspruchsgrundlage bereit, die einen Vertragsschluss voraussetzt. Dem‑ entsprechend könnten die aus nationaler Sicht außervertraglichen Anspruchs‑ grundlagen der §§ 63 VVG; 823 Abs. 2 BGB nur über die Rom II‑VO berufen werden. Würde man die vertragsakzessorische Anknüpfung bei Art. 4 Abs. 3 S. 2 oder Art. 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO nun davon abhängig machen, dass ein Vertrag i. S. d. (deutschen) Vertragsstatuts vorliegt, wäre eine solche nicht mög‑ lich. Um eine einheitliche Anwendung der Rom-Verordnungen sicherzustellen, müsste nun also doch darauf abgestellt werden, dass das Verhältnis aller Ver‑ mittler zu ihren Kunden aus europäischer Sicht vertraglich ist. Um diese Mi‑ schung aus autonomer und nationaler Interpretation zu vermeiden, sollten von vornherein die Anwendungsbereiche der Rom-Verordnungen im Sinne eines Alternativverhältnisses voneinander abgegrenzt werden. Für die Versicherungs‑ vermittlung bedeutet das: Macht ein Kunde Schadensersatz wegen Fehlbera‑ tung geltend, ist zu entscheiden, ob eine solche Rechtsfrage vertraglich oder außervertraglich ist. Eine weitere Folge der autonomen Qualifikation ergibt sich aus der Kon‑ gruenz von Anknüpfungsgegenstand und Verweisungsziel348: Danach sind auch die Normen der lex causae autonom zu qualifizieren. Für die Qualifikation einer Haftungsnorm ist es also irrelevant, ob sie nach nationalem Rechtsverständnis einen Vertragsschluss voraussetzt. Es werden daher von der Rom I‑VO unter Umständen nach nationalem Recht deliktische oder vertragsähnliche Haftungs‑ normen berufen und von der Rom II‑VO unter Umständen nach nationalem Recht vertragliche. Neu ist das nicht,349 auch wenn manche Autoren Vorbehalte gegen ein solches Vorgehen zu haben scheinen.350 Entscheidet man sich bei der Versicherungsvermittlung für eine vertragliche Qualifikation, werden alle An‑ spruchsgrundlagen des nationalen Rechts, die im Fall einer Fehlberatung grei‑ fen, von der Rom I‑VO berufen, auch wenn sie national dem Deliktsrecht zu‑ geordnet werden.

348  Vgl. nur Dörner, StAZ 1988, 345 (347) sowie Kropholler, IPR, § 17 II, S. 129, nach dem „der dem Sammelbegriff [einer] Kollisionsnorm kongruente Ausschnitt der bezeichneten Rechtsordnung berufen ist“. 349 Allg. Briggs, LMCLQ 2003, 12 (31); Kropholler, IPR, § 17 II sowie mit Bezug zu den Rom-Verordnungen Gebauer, in: FS Martiny, S. 325 (341 f.); Rühl, in: BeckOGK, Art. 4 Rom II‑VO (1.12.2017) Rn. 26.1; Wendelstein, Telemedizin, S. 141. Deutlich wurde das auch schon im IZVR in der Rs. Handte (EuGH, Urt. v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967); als „absurd“ hingegen noch bezeichnet von Schlosser, RIW 1988, 987 (989). 350 Vgl. die Kritik zur EuGH‑Entscheidung in Granarolo bei Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2017, 1 (14); McParland, LMCLQ 2016, 500 (514). Dagegen zu Recht Huber, IPRax 2017, 356 (358).

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

(c)  Hinreichender Vertragsbezug von Pflichtverletzungen Zentral ist daher die Frage, wann die Vermittlerhaftung vertraglich im auto‑ nomen Sinne ist, d. h. wann der Vorrang des Vertragsgerichtsstands bzw. der Rom I‑VO greift.

(aa)  Allgemeiner Vertragsbezug oder Äquivalenzinteresse? Der EuGH ging in der Rechtssache Brogsitter davon aus, ein vertraglicher An‑ spruch bzw. vertragliches Schuldverhältnis liege vor, wenn ein Vertragspartner ein Verhalten vorwirft, das „als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen“351. Das sei, so der EuGH, jedenfalls „der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags […] unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“ (Rn. 25), oder der Grund der Klageanträge „bei vernünftiger Betrachtungswei‑ se in einem Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem […] Vertrag ge‑ sehen werden kann, sodass dessen Berücksichtigung für die Entscheidung über die Klage zwingend erforderlich wäre“ (Rn. 26). Diese letzten beiden Voraus‑ setzungen hat der EuGH in späteren Urteilen nicht mehr als notwendige Bedin‑ gung aufgestellt.352 Es ist daher unerheblich, ob die den Schadensersatzanspruch begründende Pflicht explizit im Vertrag festgehalten ist oder sich aus gesetzlichen Vorschrif‑ ten ergibt.353 Würde man auf Zuständigkeits- oder Kollisionsrechtsebene prü‑ fen, ob das streitige „Pflichtenprogramm“ eher aus vertraglichen Vereinbarun‑ gen oder aus gesetzlichen Vorgaben resultiert,354 wären die Ergebnisse weder bei Vertragsschluss noch später vorhersehbar. Eine derartige Betrachtung hat der EuGH auch in der Rechtssache Granarolo nicht vorgenommen.355 Sie wäre 351  EuGH, Urt. v. 13.3.2014, Rs. C-548/12, NJW 2014, 1648 (1649) Rn. 24. 352  Vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.2016, Rs. C-196/15, NJW 2016, 3087 (3088) Rn. 21;

Urt. v. 10.9.2015, Rs. C-47/14, EuZW 2015, 922 (926) Rn. 71. Das spricht dafür, dass die Konkreti‑ sierung in Brogsitter zeigen sollte, wann jedenfalls das Verhalten als Verstoß gegen Vertrags‑ pflichten angesehen werden kann. Ebenso das Verständnis der jüngeren EuGH‑Entscheidun‑ gen bei GA Saugmandsgaard, Schlussanträge v. 24.1.2019, Rs. C-603/17 Rn. 81 (krit. dazu allerdings Rn. 79). Anders OLG München, Urt. v. 23.11.2017, 29 U 142/17 Kart, ZVertriebsR 2018, 123 (124 f.). 353 Vgl. zu Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 KWG auch BGH, Urt. v. 5.10.2010, VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 (166 ff.) sowie für Schutzpflichten Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (587); zur MiFID II auch Lehmann, NIPR 2018, 3 (15 f.). A. A. Lüttringhaus, EuZW 2015, 904 (907); Spickhoff, IPRax 2017, 72 (75); Stürner/Wendelstein, JZ 2018, 1083 (1085 f.). 354 So Spickhoff, IPRax 2017, 72 (76). Vgl. auch OLG München, Urt. v. 23.11.2017, 29 U 142/17 Kart, ZVertriebsR 2018, 123 (124 f.); Stürner/Wendelstein, JZ 2018, 1083 (1085 f.). 355  EuGH, Urt. v. 14.7.2016, Rs. C-196/15, NJW 2016, 3087 (3088) Rn. 21 ff. Anders noch GA Kokott, Schlussanträge v. 23.12.2015, Rs. C-196/15 Rn. 17 f., die den vertraglichen Ge‑ richtsstand ablehnte, weil die Anspruchsgrundlage im französischen Recht kein Vertragsver‑



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ohnehin nicht interessengerecht, weil das Interesse der Parteien, Rechtsfragen aus ihrer Sonderbeziehung in einem vorhersehbaren Gerichtsstand unter An‑ wendung eines einheitlichen Rechts zu klären, nicht davon abhängt, ob expli‑ zite Bestimmungen eines Vertrags ausgelegt werden müssen. Ein Haftungs‑ anspruch ist nach der EuGH‑Rechtsprechung daher bereits dann vertraglich, wenn er einen Bezug zur Erfüllung der freiwillig eingegangenen Verpflich‑ tung hat. Dafür spricht im Rahmen der Rom I‑VO auch der weite Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 lit. b und c, der nicht zwischen Leistungs- und Nebenpflichten unterscheidet.356 Demgegenüber wollen Teile der Literatur darauf abstellen, ob ein Geschä‑ digter die Verletzung eines Äquivalenz- oder Integritätsinteresses geltend mache.357 Ein Haftungsanspruch sei nur dann vertraglich, wenn das verletz‑ te Rechtsgut ohne den Vertrag nicht geschützt sei, der Vertrag also haftungs‑ begründend wirke. Bei einer Vertragshaftung gehe es nämlich um enttäusch‑ te Leistungserwartungen, während das Deliktsrecht Rechtsgüter unabhängig davon schütze, ob Parteien in einer Sonderbeziehung stehen.358 Eine Haftung sei daher nur vertraglich, wenn „bei gleicher Faktizität der Ereignisse ohne ver‑ tragliche Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem keine Haftung bestünde“359. Demnach sei beispielsweise die Anlageberatungshaftung nur ver‑ traglich, soweit ein Kunde entgangenen Gewinn geltend mache, weil sich sein Leistungsinteresse auf die Generierung von Gewinn beziehe; eingesetztes Ka‑ pital sei hingegen unabhängig vom Vertragsschluss geschützt, sodass Haftungs‑ ansprüche wegen Ersatz verlorenen Kapitals außervertraglich zu qualifizieren seien.360 Hiergegen spricht, dass die Frage, ob Rechtsgüter unabhängig vom Vertrag geschützt werden oder ob ein Vertrag haftungsbegründend wirkt, vom materiel‑ len Recht beantwortet wird, sodass Vertreter dieser Ansicht stets auf sachrecht‑ hältnis voraussetze und demnach die Würdigung von Parteivereinbarungen nicht erforderlich sei. Zur Geltendmachung gesetzlicher Rücksichtnahmepflichten im Vertragsgerichtsstand vgl. auch bereits EuGH, Urt. v. 8.3.1988, Rs. 9/87, Slg. 1988, 1539 Rn. 13 f. 356  Vgl. auch Leible, in: NK‑BGB, Art. 12 Rom I‑VO Rn. 14; Staudinger, in: Hk-BGB, Art. 12 Rom I‑VO Rn. 4; Weller, in: BeckOGK, Art. 12 Rom I‑VO (1.3.2019) Rn. 23. 357  v. Bar, IPR II, Rn. 556; Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (475 ff.); Leicht, Qualifikation, S. 152 ff.; Wendelstein, Telemedizin, S. 142 ff. Speziell zur Sachwalterhaftung auch v. Bar, IPR II, Rn. 559; Mankowski, VuR 1999, 219 (223): „Die Aufklärungspflicht des Dritten schützt je‑ doch das Integritätsinteresse des Geschädigten“. 358 Ausf. Wendelstein, Telemedizin, S. 146, 149 f. Vgl. auch Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (478), wonach „eine Haftung auf das Leistungsinteresse grundsätzlich von der Wirksam‑ keit des Vertrages abhängt, während die Haftung für das Integritätsinteresse unabhängig von der Vertragswirksamkeit ist“; beim Leistungsinteresse gehe es daher um „eine Verletzung der vertraglichen Aufstockungspflicht“. 359  Schlosser, IPRax 1984, 65 (67); ähnlich Leicht, Qualifikation, S. 154; Stürner/Wendelstein, JZ 2018, 1083 (1085); Wendelstein, Telemedizin, S. 157; ders., ZEuP 2015, 624 (629). 360  Entsprechend zum IZVR Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (484, 487).

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lich vorgefärbte Kriterien zurückgreifen müssen.361 Auch bei der Vermittlerhaf‑ tung beantworten Rechtsordnungen die Frage unterschiedlich.362 Ferner besteht die Gefahr, dass zusammenhängende Rechtsfragen in unterschiedlichen, bei Vertragsschluss nicht vorhersehbaren Gerichtsständen geklärt werden bzw. kei‑ ner einheitlichen Rechtsordnung unterliegen.363 So ist nicht ersichtlich, warum Kunden Ansprüche wegen entgangenen Gewinns im Vertragsgerichtsstand auf Basis des Vertragsstatuts einklagen sollen, während sie Ersatz verlorenen Kapi‑ tals am Deliktsgerichtsstand auf Basis des Rechts am Schadenseintrittsort gel‑ tend machen müssen. Zu Recht nimmt der EuGH daher keine Abgrenzung auf Basis des Äquivalenz- und Integritätsinteresses vor.364 Eine Haftung ist somit vertraglich, wenn eine Partei ihrem Vertragspart‑ ner eine Pflichtverletzung vorwirft, die Bezug zur Erfüllung der freiwillig ein‑ gegangenen Verbindlichkeit hat und daher als Verstoß gegen Rechte und Pflich‑ ten aus dem Vertrag angesehen werden kann.

(bb)  Anwendung auf die Versicherungsvermittlerhaftung Hiernach sind weit überwiegend auch Haftungsansprüche eines Kunden gegen seinen Versicherungsvermittler ausschließlich vertraglich i. S. d. Rom I‑VO. Die freiwillig eingegangene Verpflichtung des Vermittlers besteht zunächst darin, sich zu bemühen, dem Kunden Versicherungsschutz zu vermitteln. Wirft dieser jenem vor, ihm keinen, unzureichenden oder unerwünschten Versiche‑ rungsschutz vermittelt zu haben, haben Haftungsansprüche stets einen Bezug 361 Vgl. Wendelstein, Telemedizin, S. 175, wonach die von ihm untersuchten Rechtsord‑ nungen eine Arzthaftung auch ohne Vertrag begründen würden; ähnlich Leicht, Qualifikation, S. 174 f., wonach sich die Pflicht der Freiberufler zur Anwendung ihres Fachwissens erst aus Vertrag ergebe (das ist bei entsprechend weitem deliktischen Vermögensschutz wie im common law zumindest fraglich). Anders und explizit für autonome Kriterien hingegen Hoffmann, ZZP 128 (2015), 465 (481), ohne nähere Erläuterung. Schlosser, IPRax 1984, 65 (67) will auf die Rechtslage in der „überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten“ abstellen; mit zuständig‑ keits- und kollisionsrechtlichen Parteiinteressen hat das alles wenig zu tun. 362 Ausf. S. 168 ff. Wegen § 63 VVG ist selbst in Deutschland nicht zwingend ein Ver‑ tragsschluss zur Haftungsbegründung erforderlich, weshalb man überwiegend zu einer außer‑ vertraglichen Qualifikation der Vermittlerhaftung kommen könnte. Zwar meint Wendelstein (Telemedizin, S. 160), auch gesetzliche Haftungsansprüche könnten vertraglich qualifiziert werden, wenn sie erst durch einen Vertragsschluss „aktiviert“ werden. Selbst das dürfte bei § 63 VVG jedoch nicht der Fall sein, da nichts dafür ersichtlich ist, dass er eine Vermittlerhaf‑ tung nicht auch bei unwirksamen Vermittlungsverträgen begründet. 363  Krit. daher auch Spickhoff, RabelsZ 77 (2013), 854 (855); Stoll, in: FS Hay, S. 403 (410). Vgl. auch GA Jacobs, Schlussanträge v. 8.4.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 33. 364 Explizit ablehnend GA Jacobs, Schlussanträge v. 8.4.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967 Rn. 33. Die Brogsitter-Entscheidung hätte man mit ihrem Kriterium, ob die Auslegung eines Vertrags zwingend erforderlich ist, noch als Bestätigung dieser Ansicht auslegen können (vgl. Hoffmann, ZZP 128 [2015], 465 [480 f.]; Wendelstein, ZEuP 2015, 624 [626 ff.]). In Granarolo setzt der EuGH indes gerade keine Verletzung vertraglicher Leistungspflichten voraus (krit. deswegen Klöpfer/Wendelstein, JZ 2017, 99 f.).



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zur freiwilligen Leistungserbringung. Dementsprechend hat vor allem ein Ver‑ mittler ein Interesse daran, bereits bei Durchführung der Beratung vorhersehen zu können, die Anforderungen welcher Rechtsordnung er beachten muss. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein möglicher Verstoß sich aus expliziten vertrag‑ lichen Vereinbarungen ergibt oder ob gesetzliche Wohlverhaltensregeln verletzt wurden. Gleiches sollte beim Vorwurf einer Pflichtverletzung nach Abschluss des Versicherungsvertrags gelten. In derartigen Fällen besteht eine erhebliche Ge‑ fahr, dass nationale Ansichten zum Dauerschuldcharakter des Vermittlungs‑ vertrags auf die autonome Interpretation durchschlagen. Das zeigt sich deut‑ lich in der oben bereits dargestellten Coleman-Entscheidung des irischen High Court.365 Dort vergaß der Makler, dem Versicherer den Eintritt eines Versiche‑ rungsfalls anzuzeigen. Das Gericht nahm an, der Maklervertrag verpflichte nur zur Vermittlung, nicht aber zur weiteren Betreuung der Kunden. Das vorgewor‑ fene Unterlassen habe daher keinen Vertragsbezug, sodass der Makler am De‑ liktsgerichtsstand zu verklagen sei. Das überzeugt nicht, weil die freiwillig vom Makler übernommene Verpflichtung im europäischen Sinne sämtliche Dienst‑ leistungen umfasst, die für den Versicherungsnehmer von wirtschaftlicher Be‑ deutung sind. Verspricht der Makler, Versicherungsfälle anzuzeigen, geht er freiwillig eine Verpflichtung ein, unabhängig davon, ob die Handlung im na‑ tionalen Recht bloß als außervertragliche Übernahme von Verantwortung ein‑ geordnet wird. Im Kollisionsrecht ist eine vertragliche Qualifikation derartiger Ansprüche schon deshalb interessengerecht, weil das Vertragsstatut entscheiden sollte, ob aus der Vermittlungstätigkeit auch eine Pflicht zur weiteren Betreuung resultiert. Denn nur so kann ein Vermittler bei Abschluss des Vermittlungsver‑ trags vorhersehen, ob ihm eine solche Pflicht auferlegt wird. Besteht sie nach dem Vertragsstatut nicht, widerspräche es den berechtigten Parteierwartungen, sie später über außervertragliche Kollisionsnormen zu begründen.

dd)  Zwischenergebnis: einheitlich vertragliche Qualifikation der Versicherungsvermittlerhaftung Aus alledem folgt: Ansprüche, die ein Kunde gegen seinen Versicherungsver‑ mittler wegen vermeintlicher Pflichtverletzung bei der Vermittlungsleistung oder laufenden Betreuung geltend macht, werden einheitlich von der Rom I‑VO berufen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kunde ein positives oder ne‑ gatives Interesse geltend macht oder ob er dem Vermittler die Verletzung einer Pflicht vor oder nach Abschluss des Versicherungsvertrags vorwirft. Unerheb‑ lich ist auch, ob Ansprüche im nationalen Recht dem Vertrags- oder Delikts‑ recht zugeordnet werden. Die Rom I‑VO beruft daher uneingeschränkt auch 365  Coleman v. Offley Insurance Services [2012] IEHC 303 = unalex IE-90. Siehe dazu S. 203.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Ansprüche aus § 63 VVG oder negligence wegen freiwilliger Übernahme von Verantwortung (voluntary assumption of responsibility)366.

ee)  Übertragung des Ergebnisses auf die Anscheinsmaklerund Anscheinsagentenhaftung Hierauf aufbauend lassen sich auch Fälle der Anscheinsmakler- oder An‑ scheinsagentenhaftung kollisionsrechtlich einfach lösen. Nach § 59 Abs. 3 S. 2 VVG haftet ein Versicherungsvertreter wie ein Makler, wenn er als unabhän‑ giger Vermittler im Rechtsverkehr auftritt (Anscheinsmakler). Da ein objek‑ tiver Empfänger in der Lage des Kunden davon ausgehen darf, er wende sich an einen Makler, schließen die Parteien in derartigen Fällen konkludent einen Maklervertrag.367 Demgegenüber müsste die Haftung eines Maklers, der als gebundener Vertreter auftritt (Anscheinsagent), in Deutschland außervertrag‑ lich begründet werden. Die überwiegende Auffassung, die ein Vertragsverhält‑ nis zum Versicherungsvertreter ablehnt, müsste sich hier unter Auslegung des Verhaltens aus Sicht eines objektiven Empfängers gegen einen Maklervertrag entscheiden. Beide Fragen müssen nicht vertieft werden. Nach hier vertretener Auffas‑ sung genügt die freiwillige Leistungserbringung als selbständiger Vermittler für eine vertragliche Qualifikation des Rechtsverhältnisses. Da auch eine etwaige Rechtsscheinhaftung starken Bezug zur Vertragserfüllung im autonomen Sinne hat, kommt es auf die Kategorisierung dieser Grenzfälle im nationalen Recht nicht an.368 Damit zeigt sich ein weiterer Vorteil der hier vertretenen Auffas‑ sung: Auf kollisionsrechtlicher Ebene muss nicht geklärt werden, welche un‑ terschiedlichen Vermittlerkategorien es im nationalen Recht gibt. So mag ein Vermittler, der in dem einen Staat noch als Mehrfachvertreter angesehen wird, in einem anderen bereits als Makler behandelt werden, weil er zu viele Ver‑ sicherer vertritt. Eine derartige Diskussion über nationale Besonderheiten und die Frage, ob Vermittler deswegen mit ihren Kunden nach nationalem Recht Vermittlungsverträge schließen, lässt sich durch die hier vorgeschlagene auto‑ nome Abgrenzung vermeiden. Dasselbe gilt, wenn ein Vermittler in einem Mit‑ gliedstaat sowohl als Vertreter als auch als Makler tätig werden darf.369 Berät er einen Kunden beispielsweise im Sachversicherungsbereich als unabhängiger 366 

Für eine vertragliche Qualifikation dieser Fälle allg. auch McParland, Rome I Regula‑ tion, Rn. 6.52. A. A. Base Metal Trading Ltd v. Shamurin [2004] 2 C. L. C. 916 (917); Plender/ Wilderspin, Private International Law, Rn. 2–038–043 (allerdings „with no great confidence“). 367  Vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1987, IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60 (61); OLG Hamm, Urt. v. 8.10.2009, 18 U 26/08, VersR 2010, 388 (389 f.); OLG Oldenburg, Urt. v. 13.1.1999, 2 U 246/98, VersR 1999, 757. 368  Allg. für eine Zuordnung der Rechtsscheinhaftung zum Vertragsgerichtsstand Stadler, in: FS Musielak, S. 569 (582). 369  Zu den nationalen Unterschieden siehe ausf. S. 15 ff.



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Vermittler und im Lebensversicherungsbereich als Vertreter einer Gesellschaft, entspricht es weder den Parteierwartungen noch sonstigen kollisionsrechtlichen Interessen, dass für die Haftung ein jeweils unterschiedliches kollisionsrecht‑ liches Regime greift. In beiden Fällen ist die Erwartungshaltung des Kunden vergleichbar.

b)  Anknüpfung des Vermittlungsvertrags nach der Rom I‑VO Welches Privatrecht Versicherungsvermittler gegenüber ihren Kunden zu be‑ achten haben, bestimmen folglich die Art. 3, 4 und 6 Rom I‑VO.

aa) Regelanknüpfung Bei der Regelanknüpfung der Vermittlungsverträge ist vor allem zwischen Ver‑ braucher- und Unternehmergeschäften zu unterscheiden.

(1)  Grundsatz: kollisionsrechtlicher Schutz der Vermittler, insbesondere bei Unternehmergeschäften Soweit Verbraucherkollisionsnormen nicht eingreifen und die Parteien keine Rechtswahl treffen, unterliegen die Verträge nach Art. 4 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 Rom I‑VO dem Recht des Staates, in dem Vermittler ihren gewöhnlichen Auf‑ enthalt haben. Bei natürlichen Personen ist das der Ort ihrer beruflichen Haupt‑ niederlassung (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 Rom I‑VO), bei Gesellschaften und ju‑ ristischen Personen der Ort der Hauptverwaltung oder einer Niederlassung (Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 2 Rom I‑VO). Ob sich diese objektive Anknüp‑ fung aus Art. 4 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 ergibt, ist häufig unerheblich. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO trifft eine Sonderregelung für „Dienstleistungsverträge“, d. h. Verträge, bei denen eine Partei eine Tätigkeit gegen Entgelt durchführt.370 Versicherungsvermittler sind zu Vermittlungsbemühungen verpflichtet, erhal‑ ten hierfür aber häufig keine unmittelbare Gegenleistung vom Kunden, sondern werden vielmehr vom Versicherer vergütet.371 Das steht der Einordnung der Vermittlungsverträge als Dienstleistungsverträge jedoch nicht entgegen, da der EuGH mit der Entgeltlichkeit keine unmittelbare Gegenleistungspflicht in Form einer Geldzahlung meint. Vielmehr soll es im Sinne einer wirtschaftlichen Be‑ trachtung genügen, wenn ein Vertragspartner Vorteile mit wirtschaftlichem Wert 370  Vgl. entsprechend zum IZVR, auf das ErwG 17 Rom I‑VO verweist, EuGH, Urt. v. 8.3.2018, Rs. C-64/17, ZVertriebsR 2018, 190 (194) Rn. 38; Urt. v. 19.12.2013, Rs. C-9/12, EuZW 2014, 181 (183) Rn. 37; Urt. v. 23.4.2009, Rs. C-533/07, Slg. 2009, I-3327 Rn. 29. Ob bei der Rom I‑VO Entgeltlichkeit erforderlich ist, wird unterschiedlich beurteilt: dafür Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 79; Leible, in: NK‑BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 29; dagegen Ferrari, in: ders., Art. 4 Rom I‑VO Rn. 27; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 42; Staudinger, in: Hk-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 4. 371  Siehe einleitend hierzu S. 20.

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gewähre.372 Hiernach ist in der Prämienzahlung des Versicherungsnehmers, die die Provision für den Vermittler enthält, ein hinreichender Vorteil zu sehen. Im englischen Recht begründet man hiermit sogar das Vorliegen eines gegensei‑ tigen Leistungsaustausches (consideration).373 Auch bei der Rom I‑VO sollte diese mittelbare Vergütung genügen, da die kollisionsrechtlichen Interessen der Parteien nicht davon abhängen, ob der Kunde die Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar bezahlt.374 Dementsprechend fällt auch der Versicherungsvermitt‑ lungsvertrag unter Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO.375 Wollte man dem nicht fol‑ gen, fände nach Art. 4 Abs. 2 Rom I‑VO ebenfalls das Recht des Staates An‑ wendung, in dem Vermittler ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, da sie die vertragscharakteristische Leistung erbringen.376 Vorrangig zu dieser objektiven Anknüpfung unterliegt der Vermittlungs‑ vertrag nach Art. 3 Abs. 1 Rom I‑VO dem von den Parteien gewählten Recht. Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I‑VO setzt der Parteiautonomie jedoch Grenzen. Nach Absatz 3 berührt eine Rechtswahl nicht die Anwendung national zwingender Vorschriften eines Staates, in dem alle anderen Elemente zum Zeitpunkt der Rechtswahl belegen sind. Wurde das Recht eines Drittstaats gewählt, berührt die Rechtswahl nach Absatz 4 ferner nicht die Anwendung der EU‑Vorschrif‑ ten, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann, wenn alle anderen Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen sind. Bedeutsam ist das vor allem für die zwingenden Mindestvorgaben der IDD,377 die auch Versicherungsnehmer schützen, die keine Verbraucher sind.378 Zu beachten ist jedoch, dass die IDD in Fällen mit Drittstaatenbezug nach Art. 1 Abs. 6 häufig nicht anwendbar ist. 372  Vgl. EuGH, Urt. v. 8.3.2018, Rs. C-64/17, ZVertriebsR 2018, 190 (194) Rn. 40; Urt. v. 19.12.2013, Rs. C-9/12, EuZW 2014, 181 (183) Rn. 39 f. 373  Siehe S. 170. 374  Vgl. auch ErwG 18 ECRL, wonach die Entgeltlichkeit nicht davon abhängt, ob ein Dienst unmittelbar von demjenigen vergütet wird, der ihn empfängt. 375  Für Versicherungsmaklerverträge ebenso Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (51 f.) Rn. 27; dies., in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (710 f.); Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 2; Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (51); Looschelders, in: Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 9 Rn. 137; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 78; Sabido Rodriguez, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 717 (741). Allg. für Maklerverträge siehe nur Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 317 sowie BGH, Urt. v. 15.1.2015, I ZR 88/14, NJW 2015, 2339. 376 So Koban/Funk-Leisch, in: Koban/Funk-Leisch/Aichinger, Rechte und Pflichten, S. 39; Rokas, in: ders., Insurance intermediaries, S. 145 (150). Allg. zum Maklervertrag auch OGH, Beschl. v. 31.3.2011, 1 Ob 19/11t, ÖJZ 2011, 683. 377 Ausf. zur Notwendigkeit und Reichweite eines solchen Schutzes Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (57) Rn. 36 sowie zur VermRL dies., in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (700 ff.). Entsprechend für die VermRL auch Dörner, in: Bruck/Möl‑ ler, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 1. 378 Siehe S. 24 f. Nur bei Großrisiken und gegenüber professionellen Kunden sind die Vorgaben (zum Teil) nicht zwingend (Art. 22 Abs. 1 IDD).



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Soweit sich ein entsprechender Bezug durch die Risikobelegenheit oder den gewöhnlichen Aufenthalt des Vermittlers ergibt, wäre freilich ohnehin die Vo‑ raussetzung des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO nicht erfüllt, wonach alle Elemente außer der Rechtswahl in Mitgliedstaaten belegen sein müssen. Diese Vorausset‑ zung ist auch dann nicht erfüllt, wenn ein Drittstaatenbezug über den vermittel‑ ten Versicherungsvertrag hergestellt wird, z. B. durch den Sitz des Versicherers im Drittstaat oder die Risikobelegenheit. Zwingende Mindestvorgaben der IDD könnten in derartigen Fällen allenfalls als Eingriffsnormen durchgesetzt wer‑ den,379 soweit sie nicht bereits auf Basis der Kollisionsnorm für Verbraucher‑ verträge Anwendung finden.

(2)  Kollisionsrechtlicher Schutz von Verbrauchern i. e. S. über Art. 6 Rom I‑VO Verbraucher erfahren nämlich einen weiten kollisionsrechtlichen Schutz über Art. 6 Rom I‑VO. Wenngleich diese Kollisionsnorm nach ErwG 32 Rom I‑VO „nicht im Zusammenhang mit“ Versicherungsverträgen gilt, ist sie im Verhält‑ nis zum Versicherungsvermittler anwendbar.380 Die abweichende Ansicht, dass Versicherungsvermittlungsverträge ausschließlich den Art. 3 und 4 Rom I‑VO unterliegen,381 ließe sich nur damit begründen, dass Vermittlungsverträge der‑ art eng mit dem Versicherungsvertrag verbunden sind, dass Art. 7 auch insoweit Art. 6 Rom I‑VO verdrängt. Hierfür gibt der Wortlaut der Normen indes schon nichts her. Soweit Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO „unbeschadet“ des Art. 7 Anwen‑ dung findet, kann der Vorrang nur so weit reichen, wie auch der Anknüpfungs‑ gegenstand des Art. 7 reicht. Da Vermittlungsverträge nicht unter diese Kollisi‑ onsnorm zu subsumieren sind,382 wird Art. 6 auch nicht von ihr verdrängt. Soweit Vermittler ihre Tätigkeit in dem Staat ausüben, in dem Verbraucher ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder sie auf diesen Staat ausrichten, un‑ terliegen Vermittlungsverträge nach objektiver Anknüpfung dem Recht dieses Staates (Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO). Obwohl Vermittler grundsätzlich nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Rom I‑VO ein anderes Recht mit ihren Kunden wählen können, ver‑ 379 Hierfür Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (57 f.) Rn. 36 sowie zur VermRL dies., in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (705 ff.). Sie geht dabei nicht da‑ rauf ein, dass die IDD in Drittstaatensachverhalten zum Teil nach Art. 1 Abs. 6 nicht gilt. Prä‑ ziser zur VermRL noch dies., in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (707). Auf die Frage soll wegen des beschränkten Untersuchungsgegenstands (siehe S. 4) nicht weiter eingegangen werden. 380  Ebenso Art. 6 Rom I‑VO anwendend Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 3. 381 Vgl. unklar Aguilar Grieder, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (693): „Los contratos de intermediación de seguros no han sido objeto de tratamiento dentro del régimen especial de ley aplicable elaborado, por el legislador europeo, para ciertos contra‑ tos en los que existe una parte contractual más débil: contratos de consumo (Art. 6) […] y con‑ tratos de seguro (Art. 7)“; krit. de lege ferenda auch S. 695 f. Mit rechtspolitischer Kritik und ohne Erwähnung des Art. 6 auch dies., in: CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (51 f.) Rn. 27. 382  Siehe ausf. S. 160 ff.

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hindert eine solche Rechtswahl nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO nicht die An‑ wendung zwingender Bestimmungen des nach Absatz 1 maßgeblichen Rechts. Dieses findet also zusätzlich zum gewählten Recht Anwendung („law mix“).383 Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat sind daher auch privatrechtlich durch zwingende Vorschriften des nationalen Rechts geschützt, die über die Mindestvorgaben der IDD hinausgehen. Dieser Schutz gilt jedoch nur für Verbraucher i. e. S., d. h. natürliche Per‑ sonen, die einen Vertrag zu einem Zweck schließen, der nicht ihrer berufli‑ chen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO). Damit ist der Verbraucherbegriff im IPR enger als der Kundenbzw. Verbraucherbegriff der IDD, der auch Unternehmer erfasst und schützt, soweit es nicht um die Deckung von Großrisiken geht.384 Ferner greift der kolli‑ sionsrechtliche Verbraucherschutz nur, wenn der situative Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 eröffnet ist und keine Ausnahme des Absatzes 4 greift.

(a)  Situativer Anwendungsbereich (Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO) Ein Versicherungsvermittler übt seine Tätigkeit im Verbraucherstaat aus (lit. a), wenn er sich dort aktiv – im Regelfall durch physischen Aufenthalt – am Wirt‑ schaftsleben beteiligt.385 Beispielhaft seien Kundenbesuche und Beratungs‑ gespräche des Vermittlers im Verbraucherstaat genannt. Darüber hinaus erfasst das Ausrichten i. S. d. lit. b absatzfördernde Handlungen aller Art mit Bezug auf den Verbraucherstaat wie insbesondere Kundenwerbung.386 Wann die Web‑ site eines Versicherungsvermittlers oder ein Vergleichsportal auf einen anderen Staat ausgerichtet ist, wurde oben387 bereits erläutert. Da eine Abwägung der dort genannten Kriterien unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls vorzu‑ nehmen ist, soll eine weitere Auseinandersetzung unterbleiben. Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO erfordert ausdrücklich ein Ausrichten der Tätig‑ keit auf den Verbraucherstaat. Daher genügt es nach richtiger Auffassung nicht, wenn der Unternehmer gezielt nur bestimmte Einzelpersonen anspricht.388 Frei‑ lich ist schwer zu bestimmen, wann aus dem Geschäft mit mehreren Einzelper‑ 383  384 

Dazu nur Rühl, in: BeckOGK, Art. 6 Rom I‑VO (1.8.2017) Rn. 252. Dazu S. 24 f. 385  Martiny, in: MüKo-BGB, Art.  6 Rom I‑VO Rn. 37; Rühl, in: BeckOGK, Art. 6 Rom I‑VO (1.8.2017) Rn. 178. 386  BGH, Urt. v. 9.2.2017, IX ZR 67/16, WM 2017, 565 (569) Rn. 26; OGH, Beschl. v. 8.9.2009, 1 Ob 158/09f, ZIP 2010, 1154 (1155); Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 39. 387  Vgl. die Ausführungen zum Dienstleistungsverkehr i. S. d. IDD ab S. 72. 388  OGH, Beschl. v. 8.9.2009, 1 Ob 158/09f, ZIP 2010, 1154 (1155); Staudinger, in: Rau‑ scher, EuZPR/EuIPR, Art. 17 Brüssel Ia-VO Rn. 13. Der BGH (Urt. v. 9.2.2017, IX ZR 67/16, WM 2017, 565 [571] Rn. 44) scheint das, wenn überhaupt, nur in engen Grenzen zu akzeptie‑ ren. So folge im Regelfall aus dem Ansprechen bestimmter Einzelpersonen auch der Wille des Unternehmers, Geschäftsbeziehungen zu anderen Verbrauchern herzustellen.



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sonen ein Ausrichten der Tätigkeit auf den Staat als solches resultiert.389 Bei einem sehr engen Kundenkreis, der durch persönliche Empfehlungen aufgebaut wurde, fehlt es jedoch grundsätzlich an einem finalen Bezug zum Verbraucher‑ staat. Jedenfalls genügt das Ausrichten der Tätigkeit auf ausländische Verbrau‑ cher als solche, die sich beispielsweise nur vorübergehend im Herkunftsstaat des Vermittlers aufhalten, nicht.390 Insoweit sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO enger als diejenigen zum Dienstleistungsverkehr i. S. d. IDD, da es dort genügt, dass ein Vermittler auf eigene Initiative für einen Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland tätig wird.391 Sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO nicht erfüllt, greift nach Absatz 3 die Regelanknüp‑ fung der Art. 3 und 4.

(b)  Ausnahme des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO Gleiches gilt nach Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO, wenn Dienstleistungen aus‑ schließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.392 Verbraucher werden also nicht durch die Anwendung des ihnen vertrauten Rechts geschützt, wenn Vermittler Leistungen tatsächlich393 ausschließlich in ihrem Herkunftsstaat er‑ bringen. Fraglich ist, ob es dabei nur darauf ankommt, wo Dienstleister die Leis‑ tungshandlung vornehmen, oder auch darauf, wo Kunden sie empfangen. Der Wortlaut der deutschen Fassung legt Ersteres nahe. Ein Versicherungsvermitt‑ ler, der Beratung und Vermittlung ausschließlich aus seinem Staat heraus durch‑ führt (z. B. ein Online-Vergleichsportal), müsste sich dann nicht auf das Recht des Verbraucherstaats einstellen. Demgegenüber hält die überwiegende Auf‑ fassung Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO zu Recht nur dann für anwendbar, wenn der Verbraucher die Leistung auch in einem anderen Staat empfängt.394 Andere 389  Exemplarisch BGH, Urt. v. 9.2.2017, IX ZR 67/16, WM 2017, 565 (571) Rn. 43–45: Dort wandte sich eine schweizerische Kanzlei an ca. 60–100 deutsche Mandanten, wobei ihnen Identität und konkrete Anzahl nicht bekannt waren. 390  Vgl. entsprechend für die sog. Gran Canaria-Fälle Heiderhoff, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 36; Rühl, in: BeckOGK, Art. 6 Rom I‑VO (1.8.2017) Rn. 186 m. w. N. 391  Siehe S. 73 f. 392  Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich beim Vermittlungsvertrag um einen Dienstleistungsvertrag (S. 227), sodass die Ausnahme anwendbar ist. 393  Dem Wortlaut nach („erbracht werden müssen“) könnte es darauf ankommen, wo nach dem Vertragsstatut der Erfüllungsort der Vermittlungsleistung liegt (vgl. Martiny, in: MüKoBGB, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 25; Spickhoff, in: BeckOK‑BGB, Art. 6 Rom I‑VO [1.2.2019] Rn. 14). Dagegen spricht, dass der Norm kollisionsrechtliche Interessen zugrunde liegen, auf denen die sachrechtliche Festlegung des Erfüllungsorts nicht beruht. Vorzugswürdig ist daher, auf den faktischen Ort der Leistungserbringung abzustellen. 394  OGH, Urt. v. 13.12.2012, 1 Ob 48/12h, BeckRS 2016, 81215; Heiderhoff, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 45; Rühl, in: BeckOGK, Art. 6 Rom I‑VO (1.8.2017)

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Sprachfassungen zeigen bereits, dass mit der Leistungserbringung die gesamte Vertragsdurchführung gemeint ist („supplied“ und „fournis“). Die Ausnahme sollte daher angesichts des beabsichtigten Verbraucherschutzes eng ausgelegt werden.395 Dafür sprechen auch teleologische Erwägungen: Die Regelung lässt sich damit rechtfertigen, dass Verbraucher keinen Schutz erwarten kön‑ nen, wenn die Vertragsdurchführung keinen Bezug zu ihrer „Heimatrechtsord‑ nung“ hat.396 Empfangen Kunden Leistungen jedoch im Staat ihres gewöhnli‑ chen Aufenthalts, besteht ein derartiger Bezug noch. Empfangen sie Leistungen über Internetseiten, wird ihnen häufig gar nicht bewusst sein, dass sie sich auf einen ausländischen Anbieter einlassen. Daher „verlassen“ sie auch nicht ihren Markt. Auch bei übrigen Distanzgeschäften begeben sich Verbraucher nicht aus ihrer Rechtsordnung heraus, wenn sie wesentliche Informationen und Empfeh‑ lungen eines Dienstleisters in ihrem vertrauten Umfeld empfangen. Die Ausnahme greift somit nicht, wenn Verbraucher Empfehlungen eines Versicherungsvermittlers oder Informationen zu Versicherungsprodukten im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts entgegennehmen bzw. online abrufen. Gleiches gilt, wenn ein Vermittler seinen Kunden an seinem gewöhnlichen Auf‑ enthaltsort kontaktiert und (z. B. telefonisch) über Versicherungsschutz berät. Vor allem Online-Vermittler profitieren daher häufig nicht von der Ausnahme, sodass sie nach Art. 6 Abs. 1 oder 2 Rom I‑VO auch privatrechtlich an stren‑ gere Vorgaben des Aufnahmemitgliedstaats gebunden sind. Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO kommt nur in seltenen Fällen zur Anwendung, z. B., wenn sich ein Verbraucher im Urlaub an einen Vermittler zur Deckung von Urlaubsrisiken wendet.397

(3)  Zwischenergebnis: unterschiedlicher kollisionsrechtlicher Schutz von Unternehmern und Verbrauchern Bei der Betreuung von Verbrauchern i. e. S. müssen Versicherungsvermittler somit überwiegend auch das strengere Privatrecht des Aufnahmemitgliedstaats beachten, in dem Kunden ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Zwingendes nationales Recht des Verbrauchervertragsstatuts bleibt sogar von einer Rechts‑ wahl unberührt (Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO). Greift Art. 6 Rom I‑VO nicht, findet ohne eine Rechtswahl nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO das Recht Rn. 115, jeweils m. w. N. Für Leistungen im Internet i. E. auch Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 25; Spickhoff, in: BeckOK‑BGB, Art. 6 Rom I‑VO (1.2.2019) Rn. 14. 395  Rühl, in: BeckOGK, Art. 6 Rom I‑VO (1.8.2017) Rn. 115, zusätzlich mit rechtsakt‑ übergreifender Auslegung zum Erfüllungsort i. S. d. Brüssel Ia-VO. 396 Vgl. Giuliano/Lagarde, Bericht, ABl. C 282 v. 31.10.1980, S. 1 (25). Noch weiter‑ gehend meinen einige, der Verbraucher begebe sich bewusst auf einen fremden Markt (Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 6 Rom I‑VO Rn. 24 m. w. N.). 397  Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 3. Entsprechende Anbieter finden sich gelegentlich an Bahnhöfen und Flughäfen.



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des Staates Anwendung, in dem Vermittler ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dass sich hiernach der kollisionsrechtliche Versicherungsnehmerschutz von dem durch Art. 7 im Versicherungsvertragsverhältnis gewährten unterscheidet, ist de lege ferenda nicht grundsätzlich zu kritisieren. Gegen eine Einbeziehung von Vermittlungsverträgen in Art. 7 Rom I‑VO spricht vor allem, dass der dort immer noch verwendete Anknüpfungspunkt der Risikobelegenheit im Vermitt‑ lungsverhältnis keine derart besondere Bedeutung hat. Nur weil Risiken, die Gegenstand der Vermittlungstätigkeit sind, in anderen Staaten belegen sind, haben weder die Parteien noch der Staat der Risikobelegenheit ein schutzwür‑ diges Interesse daran, dass auch das Vermittlerprivatrecht dieses Staates An‑ wendung findet. Während im Versicherungsverhältnis immerhin noch durch die Risikotragung eine Verbindung zu diesem Ort besteht, stehen sich in der vo‑ rangehenden Vermittlungsphase vor allem die widerstreitenden Interessen der Parteien an der Anwendung des ihnen vertrauten Rechts gegenüber. Dass der Vermittler hierbei nach der Regelanknüpfung des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO grundsätzlich bevorzugt wird, beruht darauf, dass seine Leistung die rechtlich komplexere und stärker regulierte ist. Die hiergegen geäußerte Kritik, dass Ver‑ mittlungsverträge mit Versicherungsnehmern im Ergebnis denselben Kollisi‑ onsnormen wie Rückversicherungsverträge unterliegen, obwohl Erstversiche‑ rungsnehmer schutzwürdiger als Versicherer sind,398 lässt schon den Schutz des Art. 6 Rom I‑VO außer Betracht und übersieht, dass sich unter Umständen einzelne Pflichten des Aufnahmemitgliedstaats, in dem ein Versicherungsneh‑ mer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, auch international zwingend durch‑ setzen.399

(4)  Reichweite des Vermittlungsvertragsstatuts Das über die Art. 3, 4 und 6 Rom I‑VO bestimmte Vermittlungsvertragsstatut umfasst sämtliche Informations- und Beratungspflichten der Vermittler. Auch solche vor Abschluss des Versicherungsvertrags werden überwiegend nicht von Art. 12 Rom II‑VO berufen,400 obwohl sie in Bezug auf den Versicherungsver‑ trag „vorvertraglich“ sind. Das eigenständige vertragliche Schuldverhältnis zum Vermittler besteht nämlich bereits vor Abschluss des Versicherungsver‑ trags, da es auf die Vermittlung desselben gerichtet ist. Lediglich Informations‑ pflichten vor Abschluss des Makler- bzw. Vermittlungsvertrags wären aus Sicht der Vermittler und Kunden vorvertraglich. Sie unterstehen über Art. 12 Abs. 1 398  Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (51 f.) Rn. 27. Sie plädiert für die Anwen‑ dung des Rechts des betroffenen Marktes, d. h. des Staates, in dem der Vermittler seine Tätig‑ keit ausübt. 399  Hierzu ausf. S. 260 ff. 400  A. A. Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 1; Reiner, in: E/B/ J/S, HGB, § 93 Rn. 86. Wie hier Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47).

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Rom II‑VO demselben Recht wie der Vermittlungsvertrag. Dessen Statut ent‑ scheidet schließlich, ob der Vertrag Dauerschuldcharakter hat und den Vermitt‑ ler zur weiteren Betreuung seiner Kunden nach Abschluss des Versicherungs‑ vertrags verpflichtet.401

bb)  Akzessorische Anknüpfung Die Regelanknüpfung des Vermittlungsvertrags führt meist dazu, dass das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Vermittlers oder Kunden anwendbar ist. Vor allem im ersten Fall kann es vorkommen, dass vermittelte Versicherungs‑ verträge wegen des Versicherungsnehmerschutzes des Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO einem anderen Recht unterliegen. Bei Großrisiken können die Parteien des Ver‑ sicherungsvertrags ferner ein vom Vermittlungsvertragsstatut abweichendes Recht wählen (Art. 7 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I‑VO). Da beide Rechtsverhältnisse eng miteinander verbunden sind, stellt sich die Frage, ob sie auch einem ein‑ heitlichen Recht unterliegen sollten. Das ließe sich durch eine akzessorische Anknüpfung erreichen. Damit bezeichnet man die Wahl einer identischen An‑ knüpfung zur Wahrung des Zusammenhangs von Rechtsfragen, die grundsätz‑ lich unterschiedlich anzuknüpfen sind.402 Die Rom-Verordnungen lassen ein solches Vorgehen in mehreren Kollisi‑ onsnormen zu, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass ein Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Recht als dem durch die Regelanknüpfung bestimmten hat.403 Nur bei Art. 3, 6 und 7 Abs. 3 Rom I‑VO ist eine akzessorische Anknüpfung nicht möglich. Im Bereich der im EWR belegenen Massenrisiken kann daher schon nur das auf den Vermittlungs‑ vertrag anwendbare Recht dem Versicherungsvertragsstatut folgen und nicht umgekehrt. Darüber hinaus ist weder das von den Parteien gewählte noch das aufgrund kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes berufene Recht Koordinie‑ rungsbestrebungen im Rahmen einer akzessorischen Anknüpfung zugänglich. Es bleibt also regelmäßig nur die Möglichkeit, den Vermittlungsvertrag über Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO akzessorisch an das den Versicherungsvertrag beherr‑ schende Recht anzuknüpfen. Für das Rechtsverhältnis des Versicherungsvertreters zum Kunden wurde dies bereits mit dem Argument erwogen, dass sonst unterschiedliche Rechtsord‑ nungen Vertretern und Versicherern abweichende (Beratungs-) Pflichten auf‑ erlegen könnten.404 Beim Versicherungsmakler scheint eine derartige Rechts‑ 401 

Siehe dazu bereits S. 203 und S. 225. Kropholler, IPR, § 20 V, S. 146. Ausf. v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 51. Vgl. nur Art. 4 Abs. 3 i. V. m. ErwG 20 S. 2 Rom I‑VO und Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II‑VO. 404  Zu Art. 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47). Ohne Normbezug und i. E. offenlassend Rokas, in: ders., Insurance intermediaries, S. 145 (151 f.). Vgl. früher auch Spindler, in: Hoeren/Spindler, Versicherungen im Internet, S. 97 (208) i. V. m. ders., IPRax 2001, 400 (407). 402  403 



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spaltung weniger Sorge zu bereiten. Dort wird eine akzessorische Anknüpfung überwiegend abgelehnt.405 Wieder hat die Vermittlerkategorie im nationa‑ len Recht also erhebliche Auswirkungen auf die kollisionsrechtliche Beurtei‑ lung. Um die Frage ausführlicher zu untersuchen, ist zunächst zu klären, ob die Ausweichklauseln der Rom-Verordnungen eine derartige „fallgruppenori‑ entierte“ Betrachtung überhaupt zulassen. Sodann ist erforderlich, dass ein Ver‑ trag akzessorisch an ein „fremdes“, d. h. nicht zwischen denselben Parteien be‑ stehendes Rechtsverhältnis angeknüpft werden kann. Schließlich sind die zu berücksichtigenden Interessen herauszuarbeiten und auf den Bereich der Ver‑ sicherungsvermittlung anzuwenden.

(1)  Anwendbarkeit der Ausweichklausel Ausweichklauseln verfolgen das Ziel, im Einzelfall von der Regelanknüpfung abzuweichen, wenn eine andere Rechtsordnung wesentlich enger mit dem Sach‑ verhalt verbunden ist. Damit stellt sich die Frage, ob für Rechtsgebiete wie die Versicherungsvermittlung überhaupt abstrakt eine akzessorische Anknüpfung in Erwägung gezogen werden darf. Es käme nämlich zu einer Art „Fallgruppen‑ bildung“. Eine solche wird zum Teil mit dem Hinweis abgelehnt, der Gesetz‑ geber wolle mit der Ausweichklausel reine Einzelfallentscheidungen ermög‑ lichen.406 Dafür ließe sich auch der Wortlaut („offensichtlich“) anführen, der die Berücksichtigung abstrakter rechtlicher Wertungen auszuschließen scheint. Mit diesem Tatbestandsmerkmal wollte der Gesetzgeber indes nur deutlich machen, dass der Rechtsanwender sich nur ausnahmsweise auf die Ausweich‑ klausel berufen soll.407 Mit der „offensichtlich“ engeren Verbindung ist daher eine wesentliche gemeint. Im Übrigen lässt sich durch die Ausarbeitung von typischen Konstellationen, in denen – vorbehaltlich einer konkreten Einzelfall‑ prüfung – die Anwendung der Ausweichklausel aufgrund regelmäßig vergleich‑ barer Interessen gerechtfertigt erscheint, ein höheres Maß an Rechtssicherheit erreichen.408 In den Fallgruppen muss lediglich typischerweise eine bestimmte 405 

Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 2; Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47, 51); Looschelders, in: Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 9 Rn. 137. Allg. für Maklerverträge auch OGH, Beschl. v. 31.3.2011, 1 Ob 19/11t, ÖJZ 2011, 683; OLG Frankfurt, Urt. v. 4.4.1973, 7 U 122/67, IPRspr. 1973 Nr. 6, S. 17; Magnus, in: Stau‑ dinger, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 318 m. w. N.; stärker auf die enge Verbindung zum vermit‑ telten Vertrag abstellend noch BGH, Urt. v. 17.4.1956, I ZR 184/54, IPRspr. 1956–57 Nr. 55. 406  Freitag, WM 2015, 1165 (1166) unter Verweis auf KOM(2003) 427 endg., S. 13; Hirse, Ausweichklausel, S. 273 ff. (mit einem engen Verständnis von Fallgruppen); skeptisch auch Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 45. 407  Hintergrund war die häufige Praxis mitgliedstaatlicher Gerichte, nicht die Regel‑ anknüpfung zu prüfen, sondern direkt auf eine angeblich engere Verbindung – meist zu ihrem Heimatrecht – abzustellen, vgl. Kommission, KOM(2003) 427 endg., S. 13; KOM(2002) 654 endg., S. 30. 408 Ebenso Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 4 Rom I Rn. 29.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Rechtsordnung eine wesentlich engere Verbindung zum Rechtsverhältnis auf‑ weisen. Die Regelanknüpfung muss dabei weder völlig unzureichend noch be‑ deutungslos sein.409 Es genügt, dass relativ gesehen eine andere Rechtsordnung wesentlich stärker mit dem Rechtsverhältnis in Verbindung steht.410

(2)  Akzessorische Anknüpfung und Parteiidentität Nach ErwG 20 S. 2 Rom I‑VO ist bei Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO die Verbindung eines Vertrags zu einem oder mehreren anderen Verträgen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber eröffnet so die Möglichkeit, auf einen Ver‑ trag das Recht anzuwenden, das einen anderen Vertrag beherrscht. Dass die beiden Verträge zwischen denselben Parteien bestehen, wird nicht explizit ge‑ fordert. Allerdings verweist Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II‑VO nur auf ein zwischen den, d. h. denselben Parteien bestehendes Rechtsverhältnis.411 Auch bei Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO hält die deutsche Literatur ganz überwiegend eine akzesso‑ rische Anknüpfung grundsätzlich nur für möglich, wenn der einem anderen Recht unterliegende Vertrag zwischen denselben Parteien besteht.412 Ohne Par‑ teiidentität müsse sich die vertragsfremde Partei der Geltung des Hauptvertrags „unterwerfen“.413 Andernfalls verstieße die akzessorische Anknüpfung gegen das auch im Kollisionsrecht geltende Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter.414 Da sich Versicherungsvermittler selten den Bedingungen eines Versicherungs‑ vertrags unterwerfen, könnten Vermittlungsverträge danach nicht akzessorisch an Versicherungsverträge angeknüpft werden. Gegen das Erfordernis der Parteiidentität spricht jedoch, dass sich die Be‑ gründung für ein Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter nicht pauschal auf die Diskussion zur akzessorischen Anknüpfung übertragen lässt. Das Verbot, Dritte den Vereinbarungen anderer Parteien zu unterwerfen, beruht auf dem verfas‑ 409  So noch Kommission, KOM(2002) 654 endg., S. 31. Man hat später aber davon abge‑ sehen, diese negative Voraussetzung einzuführen. 410 EuGH, Urt. v. 12.9.2013, Rs. C-64/12, EuZW 2013, 825 (827) Rn. 35 ff.; Urt. v. 6.10.2009, Rs. C-133/08, Slg. 2009, I-9687 Rn. 61–64. 411  Da Satz 2 nur ein Regelbeispiel darstellt („insbesondere“), können jedoch bei Satz 1 auch fremde Rechtsverhältnisse berücksichtigt werden. 412  Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 186; Leible, in: NK‑BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 76; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 150; ders., in: Palandt, BGB, Art. 4 Rom I Rn. 29. Früher bereits v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116. Einschränkend Magnus, in: Staudinger, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 136 („Viel‑ fach“); Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 297 („in der Regel“). 413  Selbst dagegen Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 187. 414  v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116; Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 186; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 150. Darüber hinaus meint Köhler, für eine akzessorische Anknüpfung könnten nur Ordnungsinte‑ ressen vorgebracht werden, die nicht geeignet seien, Parteiinteressen zu verdrängen. Ob das zutrifft, wird gleich eine Abwägung aller kollisionsrechtlichen Interessen zeigen.



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sungsrechtlichen Schutz der Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).415 Ein Vertrag ist unzulässig, „wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten – ohne seine Autorisierung – entstehen soll“416. Dieser Gedanke ist auf die akzessorische Anknüpfung nicht übertragbar. Zwar trifft es zu, dass ohne Parteiidentität einem Dritten die Anwendung des ihm vertrauten Rechts durch einen fremden Vertrag entzogen werden kann – unter Umständen sogar nur deshalb, weil die anderen Parteien eine Rechtswahl getroffen haben, die sich mittelbar zu Lasten des Dritten auswirkt. Der verfassungsrechtliche Schutz der Vertragsfreiheit, der bei unmittelbarer Begründung einer Pflicht zu Lasten eines Dritten erheblich beeinträchtigt wird, lässt sich allerdings nicht mit dem kollisionsrechtlichen Interesse einer Partei an der Anwendung des ihr vertrauten Rechts vergleichen. Während die Vertragsfreiheit Bedingung für die Verwirklichung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit ist, wird der Wunsch einer Partei nach einer Anwendung des ihr vertrauten Rechts im IPR gerade nicht als ein a priori bestehendes Recht geschützt, sondern ist nur Teil einer Interessenabwägung auf kollisionsrechtlicher Ebene. Zu dieser Abwägung ge‑ hört im Rahmen des Art. 4 Rom I‑VO nun einmal auch die Ausweichklausel und damit die Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung. Dadurch schützt Art. 4 den Erbringer der charakteristischen Leistung gerade nicht absolut und gewährt ihm kein unentziehbares Recht. Freilich ist bei der Entscheidung für eine akzessorische Anknüpfung das Interesse der Partei, der „ihr“ Recht ent‑ zogen wird, zu berücksichtigen.417 Hieraus folgt allerdings nicht, dass Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO generell eine Identität der Vertragsparteien voraussetzt.418 Davon scheinen ohne nähere Begründung auch der EuGH und andere mitglied‑ staatliche Gerichte auszugehen.419

(3)  Kollisionsrechtliche Interessen Bei der Konkretisierung der Ausweichklausel sind neben tatsächlichen Umstän‑ den vor allem kollisionsrechtliche Interessen – insbesondere der Parteien – zu berücksichtigen.420

415  BVerfG, Beschl. v. 23.4.1986, 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, 261 (270 f.); Gottwald, in: MüKo-BGB, § 328 Rn. 261; Janoschek, in: BeckOK‑BGB, § 328 (1.5.2019) Rn. 5. 416  BGH, Urt. v. 29.6.2004, VI ZR 211/03, NJW 2004, 3326 (3327). 417  Es bleibt also nicht unbeachtet. So aber v. Hoffmann, in: Soergel, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116; Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 186; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 150. 418  Ebenso ohne Begründung Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 136. 419  Vgl. EuGH, Urt. v. 23.10.2014, Rs. C-305/13, IPRax 2015, 559 (562) Rn. 49; Gard Ma‑ rine and Energy Ltd v. Glacier Reinsurance AG [2010] EWCA Civ 1052 Rn. 41 f., 47. 420  Hirse, Ausweichklausel, S. 266, 288. Zum Maklerrecht ausf. auch Klingmann, Mak‑ lerverträge, S. 55 ff.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

(a) Konsistenzinteresse bzw. innerer Entscheidungseinklang In Mehrpersonenverhältnissen wird für eine akzessorische Anknüpfung regel‑ mäßig das Interesse am inneren Entscheidungseinklang angeführt.421 Darun‑ ter versteht man allgemein das Ziel, „Normenmangel, Normenhäufung, Nor‑ menwiderspruch als Folge der Anwendung von Ausschnitten verschiedener materieller Privatrechte auf denselben Sachverhalt [zu verhindern]“422. Im Zu‑ sammenhang mit akzessorischer Anknüpfung wird auch der Begriff des Kon‑ sistenzinteresses verwendet.423 Er beschreibt das Ziel, „daß die zur Lösung eines Falls berufenen Rechte widerspruchslos miteinander harmonieren“424. Mit dem Begriff löst man sich vor allem von der Vorstellung, es handele sich beim inneren Entscheidungseinklang nur um ein Ordnungsinteresse.425 Viel‑ mehr kann unterstellt werden, dass eine Partei nicht nur ein Interesse an der Anwendung des ihr vertrauten Rechts hat, sondern auch daran, dass in komple‑ xen wirtschaftlichen Vertragsbeziehungen die zur Leistungsabwicklung berufe‑ nen Rechte miteinander harmonieren.426 Eine durch Widersprüche auftretende Rechtsunsicherheit ist in der Regel auch den Parteien unerwünscht. Bei Rechtsverhältnissen, die aus rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht zu‑ sammenhängen, bietet die akzessorische Anknüpfung eine Möglichkeit, Normwidersprüche oder Disharmonien, die aus der Berufung verschiedener Rechtsordnungen entstehen können, bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene zu vermeiden. Hilfsweise bleibt die Möglichkeit, Widersprüche auf materiellrechtlicher Ebene (notfalls im Wege der Anpassung427) zu lösen. Zuvor muss jedoch jeweils festgestellt werden, inwieweit aus der Berufung verschiedener Rechtsordnungen überhaupt Brüche entstehen können.

421 Ausf. v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 55 ff., 163 ff.; aus der neueren Lit. allg. Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 182; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 151 sowie zu Maklerverträgen Klingmann, Maklerver‑ träge, S. 75; vgl. i. Ü. nur die Argumentation in Fällen der Dritthaftung bei Ahrens, IPRax 1986, 355 (360). Deutlich auch Bank of Baroda v. Vysya Bank Ltd [1994] C. L. C. 41 (48): „wholly undesirable multiplicity of potentially conflicting laws“. 422  Kegel, in: FS Lewald, S. 259 (276). 423  Zuerst wohl durch v. Hoffmann (Tagungsbericht bei Jayme, IPRax 1987, 63 [64]); spä‑ ter auch v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163. 424  v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163. 425  So noch allg. Kegel, in: FS Lewald, S. 259 (276) sowie in diesem Zusammenhang Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 182, 186; Thorn, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 151. 426  Für eine Berücksichtigung als Parteiinteresse auch Klingmann, Maklerverträge, S. 75; v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163. 427 Dazu Kegel/Schurig, IPR, § 8. Zur Anwendung im europäischen Kollisionsrecht siehe jüngst GA Szpunar, Schlussanträge v. 13.12.2017, Rs. C-558/16 Rn. 62 f. sowie ausf. Gössl, RabelsZ 82 (2018), 618 ff.



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(aa)  Allgemeine Normwidersprüche Am schwerwiegendsten sind zunächst echte Normwidersprüche in Form von Pflichtenkollisionen.428 Wirkt sich eine (Leistungs-)Handlung in verschiedenen Rechtsbeziehungen aus, wäre es unerwünscht, wenn dem Handelnden von un‑ terschiedlichen Rechtsordnungen widersprechende Pflichten auferlegt würden, d. h. wenn die eine Rechtsordnung ihm eine Handlung gebietet, die die andere ihm verbietet. Diese Gefahr ist im Verhältnis von Versicherungs- und Vermitt‑ lungsvertragsstatut als gering einzuschätzen. Aus dem Versicherungsvertrags‑ statut ergeben sich für den Vermittler unmittelbar keine Pflichten. Problema‑ tisch wäre nur, wenn er als Erfüllungsgehilfe des Versicherers Pflichten erfüllen müsste, die im Widerspruch zu denen des Vermittlungsvertragsstatuts stehen. Dafür ist indes kein praxisnahes Beispiel ersichtlich. Allenfalls mag der Ver‑ mittler gegenüber dem Versicherer zu etwas verpflichtet sein, was ihm gegen‑ über dem Kunden verboten ist. Das aber ist ein Problem der Koordinierung des Vermittlungsvertrags mit dem Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Vermittler.429 Allein der Versicherungsnehmer ist sowohl im Versicherungs- als auch im Vermittlungsvertragsverhältnis eingebunden. Dass er bei einer Rechts‑ spaltung widersprechende Pflichten gegenüber dem Vermittler und dem Ver‑ sicherer erfüllen müsste, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus könnte allerdings bereits ein abweichendes Pflichtenpro‑ gramm in eng zusammenhängenden Rechtsverhältnissen zu Disharmonien füh‑ ren. In dem Sinne hält man es wohl für unerwünscht, wenn die vorvertraglichen Beratungspflichten eines Versicherungsvertreters einer anderen Rechtsord‑ nung als dem Versicherungsvertragsstatut entnommen werden und sie von den Pflichten des Versicherers abweichen.430 So könnte man es für widersprüch‑ lich halten, wenn der Vertreter persönlich weitergehende Pflichten gegenüber dem Kunden erfüllen muss als sein Geschäftsherr.431 Das ist indes bereits sach‑ rechtlich kein unhaltbares Ergebnis. Aus der Eigenständigkeit des Haftungsvor‑ wurfs, der der Mittelsperson gemacht wird, folgt eine gewisse Unabhängigkeit vom Pflichtenprogramm des vermittelten Vertrags.432 Beim Versicherungsmak‑ ler ist das offensichtlich: Er muss weitergehende Pflichten erfüllen, weil er, an‑ ders als der Versicherer, einen Marktvergleich schuldet. Dass das beim Ver‑ sicherungsvertreter, der auch als selbständige Mittelsperson auftritt, anders sein 428 Vgl.

Klingmann, Maklerverträge, S. 75, 103; v. der Seipen, Akzessorische Anknüp‑ fung, S. 170 f. 429  Siehe hierzu noch S. 319 ff. 430  Katschthaler/Leichsenring, r+s 2010, 45 (47). 431  Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2000, 9 O 267/95, WM 2000, 1191 (1194): „Insbeson‑ dere in dem Fall, in dem der Sachwalter in dem Recht des Staates X strengeren Aufklärungs‑ pflichten unterworfen wäre als der Vertragspartner nach dem Recht des Staates Y, wäre das Er‑ gebnis offenbar unbillig“. 432  Allg. für die Sachwalterhaftung bereits Mansel, in: FS Schlosser, S. 545 (556).

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

muss, leuchtet nicht ein. Schon sachrechtlich ist es denkbar, dass er gegenüber dem Kunden Pflichten übernimmt, die den Versicherer nicht treffen, so z. B., wenn er neben Versicherungen andere Finanzprodukte vertreibt und Kunden berät, welche Produkte für sie günstiger sind. Eine Rechtsordnung könnte ihm auch weitergehende Pflichten als dem Versicherer auferlegen wie z. B. eine Pro‑ visionsoffenlegungspflicht. Wenn nun schon sachrechtlich kein Gleichlauf der beiden Rechtsverhältnisse erforderlich ist, bedarf es erst recht kollisionsrecht‑ lich keiner zwingenden Korrektur. Problematisch ist jedoch, wenn eine Rechtsordnung das Pflichtenpro‑ gramm einer Partei im Hinblick auf Schutzmechanismen in anderen Rechts‑ verhältnissen modifiziert. Greifen diese Mechanismen wegen der Anwendung ausländischen Rechts nicht, könnte ein Schutzdefizit eintreten. In den hier zu untersuchenden Rechtsverhältnissen könnte ein solcher Normenmangel bei‑ spielsweise bei § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG eintreten. Danach muss der Versicherer den Kunden nicht beraten, wenn der Vertrag von einem Makler vermittelt wird. Diese Ausnahme beruht darauf, dass der Makler den Kunden nach deutschem Recht sowohl vor als auch nach Vertragsschluss umfassend beraten muss.433 Unterliegt der Maklervertrag nun ausländischem Recht, ist das – vor allem nach Abschluss des Versicherungsvertrags – nicht zwingend. Der Versicherungsneh‑ mer würde unter Umständen gar nicht beraten. Dieser Normenmangel lässt sich jedoch auf materiell-rechtlicher Ebene durch eine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG beheben. Es entspricht bereits der überwiegenden Auf‑ fassung, dass die Ausnahme teleologisch zu reduzieren ist, wenn der Makler den Kunden nicht mehr betreut und der Versicherer das weiß.434 Entsprechen‑ des muss gelten, wenn der Makler nach ausländischem Recht lediglich die Ver‑ mittlung des Vertrags und keine weitere Beratung schuldet. Disharmonien zwischen Vermittlungs- und Versicherungsvertragsstatut könnten sich ferner aus der Unabgestimmtheit von Rechtsfolgenregelungen er‑ geben. Derartige Widersprüche wurden früher bereits für eine akzessorische An‑ knüpfung der Sachwalterhaftung an das Recht des Hauptvertrags angeführt.435 Im Bereich der Versicherungsvermittlung sind beispielsweise unterschiedliche Rechtsfolgen denkbar, wenn der Vermittler vergisst, Erklärungen des Versiche‑ rungsnehmers rechtzeitig an den Versicherer weiterzuleiten, die für den Ver‑ sicherungsschutz relevant sind: Rechtsordnung A könnte dem Versicherer das Wissen des Vermittlers – insbesondere eines Versicherungsvertreters – zurech‑ 433 Durch die Ausnahme soll also eine Doppelberatung vermieden werden, vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 16/3945, S. 58; Beschlussempfehlung und Bericht Wirtschaftsausschuss BT‑Drs. 18/13009, S. 52. 434  Armbrüster, in: MüKo-VVG, § 6 Rn. 351; Rudy, in: Prölss/Martin, VVG, § 6 Rn. 70 m. w. N. 435  LG Düsseldorf, Urt. v. 23.2.2000, 9 O 267/95, WM 2000, 1191 (1194); Ahrens, IPRax 1986, 355 (360).



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nen. Der Kunde behielte dann häufig seinen Primäranspruch auf die Versiche‑ rungsleistung, sodass ihm nach Rechtsordnung A kein Schadensersatzanspruch gegen den Vermittler zustünde. Umgekehrt könnte Rechtsordnung B eine Wis‑ senszurechnung ablehnen und einen Schadensersatzanspruch gegen den Ver‑ mittler vorsehen. Würde nun Rechtsordnung A den Versicherungsvertrag be‑ herrschen und Rechtsordnung B den Vermittlungsvertrag, könnte es zu einer Doppelkompensation kommen (Normenhäufung). Diese Gefahr ist indes schon bei üblicher sachrechtlicher Prüfung nicht gegeben: Hat der Kunde noch einen Primäranspruch auf die Versicherungsleistung, entsteht ihm kein Schaden, so‑ dass auch nach Rechtsordnung B kein Schadensersatzanspruch gegen den Ver‑ mittler besteht.436 Problematischer wäre allein der umgekehrte Fall des Normenmangels, wenn also Rechtsordnung B den Versicherungsvertrag beherrscht und Rechtsordnung A das Vermittlungsverhältnis. Bei isolierter Anwendung beider Rechtsordnungen und Außerachtlassen des Auslandsbezugs stünde dem Kunden weder ein Anspruch auf die Versicherungsleistung noch ein Schadens‑ ersatzanspruch zu. Auch hier ist jedoch aus Sicht von Rechtsordnung A zu prü‑ fen, warum in reinen Inlandsfällen ein Schadensersatzanspruch gegen den Ver‑ mittler ausgeschlossen ist. Wird das mit einem fehlenden Schaden begründet, weil eine Wissenszurechnung möglich ist, ist in einem Fall mit Auslandsbezug unproblematisch die Annahme eines Schadens möglich. Lehnt das Vermitt‑ lungsvertragsstatut hingegen generell eine persönliche Pflicht des Vermittlers gegenüber dem Kunden ab, wäre zu erwägen, ob nicht im Wege der Anpassung eine entsprechende Pflicht angenommen werden sollte, um den Kunden nicht schutzlos zu stellen. Schließlich können Disharmonien im Rahmen von Regressansprüchen auf‑ treten.437 Aus Sicht der Praxis ist das vor allem bei einer gesamtschuldnerischen Haftung von Versicherungsvertreter und Versicherer denkbar. Richtet sich die Haftung des Vertreters nach einem anderen Recht als die des Versicherers und will dieser bei jenem Regress nehmen, stellt sich die Frage, welches Recht über den Regress entscheidet. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein unlös‑ bares Problem. Art. 16 Rom I‑VO erklärt auf den Regressanspruch das Recht für anwendbar, aus dem die Haftung des Versicherers hergeleitet wurde. Abwei‑ chend davon entspricht es der ganz überwiegenden Auffassung, dass in Fällen, in denen zwischen den Gesamtschuldnern bereits ein Rechtsverhältnis bestand, aus dem die gemeinsame Haftung resultierte, akzessorisch an dieses Rechts‑ verhältnis anzuknüpfen ist.438 Das ist vor allem beim Regress des Versicherers beim Vertreter sinnvoll: Zwischen beiden besteht ein Handelsvertretervertrag, 436 

Ähnlich zur Sachwalterhaftung Mansel, in: FS Schlosser, S. 545 (555 f.).

437 Allg. v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 181 ff. 438  Vgl. m. w. N. – auch zur Gegenauffassung – Huber, in: BeckOGK, Art. 16

Rom I‑VO (1.3.2019) Rn. 49 ff.; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 16 Rom I‑VO Rn. 9; Staudinger, in: HkBGB, Art. 16 Rom I‑VO Rn. 2.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

aus dem sich ein Regressanspruch in Form eines Schadensersatzanspruchs er‑ geben kann. Unter Umständen trifft der Vertrag sogar eine explizite Regelung. Einige Rechtsordnungen wie Österreich begrenzen zudem für bestimmte Han‑ delsvertreter die Möglichkeit des Regresses, so auch beim arbeitnehmerähn‑ lichen Versicherungsagenten.439 Dieses, das Gesamtschuldverhältnis dominie‑ rende Rechtsverhältnis muss sich gegen Art. 16 Rom I‑VO durchsetzen, um den Erwartungen der Parteien gerecht zu werden. Auch eine mögliche gesamt‑ schuldnerische Haftung von Vermittler und Versicherer rechtfertigt somit nicht zwingend eine kollisionsrechtliche Koordinierung der beiden Vermittlungs‑ rechtsverhältnisse. Es zeigt sich: Bei einem Auseinanderfallen von Vermittlungs- und Versiche‑ rungsvertragsstatut entstehen keine allgemeinen Normwidersprüche, die nicht in einfacher Weise auf materiell-rechtlicher Ebene gelöst werden könnten. We‑ sentliche Unterschiede zwischen Maklern und Vertretern sind nicht ersichtlich. Nur in seltenen Fällen lässt sich daher das Konsistenzinteresse für eine akzes‑ sorische Anknüpfung anführen.

(bb)  Abhängigkeit des Provisionsanspruchs vom Hauptvertrag bei Nettopolicen Ein solcher Ausnahmefall könnte bei der Vermittlung von Nettopolicen vor‑ liegen, d. h. wenn Vermittler mit ihren Kunden eigene Vergütungsvereinbarun‑ gen schließen. In diesen Fällen hängt der Honorar- bzw. Provisionsanspruch des Vermittlers gegen den Kunden häufig von der Vermittlung eines wirksamen Versicherungsvertrags ab. Damit könnte das Versicherungsvertragsstatut Aus‑ wirkungen auf die rechtliche Zulässigkeit und Gestaltung von Vergütungsver‑ einbarungen haben. Dieses Problem scheint auch der BGH gesehen zu haben, als er in einem Fall, in dem ein deutscher Makler einem deutschen Kunden eine Nettopolice eines liechtensteinischen Lebensversicherers vermittelte, betonte, dass auch die Auswirkungen des Versicherungsvertrags auf das Vermittlungs‑ verhältnis nach deutschem Recht zu beurteilen seien.440 Eine Koordinierung der beiden Verhältnisse war dort nicht erforderlich, weil auch der Versicherungs‑ vertrag deutschem Recht unterlag. Bei zwei abweichenden Rechtsordnungen hätte sich hingegen die Frage gestellt, welche der beiden über das Entstehen des Provisionsanspruchs und die Auswirkungen von Störungen im Versicherungs‑ vertrag entscheidet. Knüpft man beide Rechtsverhältnisse getrennt an, muss für das Entstehen des Provisionsanspruchs Folgendes gelten: Das Vermittlungsvertragsstatut ent‑ scheidet, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der Vermittler die 439  Vgl. Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 2, § 2 und 4 des Bundesgesetzes vom 31. März 1965 über die Beschränkung der Schadenersatzpflicht der Dienstnehmer (Dienstnehmerhaftpflichtgesetz). 440  BGH, Urt. v. 20.1.2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 (71).



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Provision verdient. Üblicherweise wird ein wirksamer Vertragsschluss und die Kausalität der Vermittlungsleistung verlangt.441 Ob der Versicherungsvertrag wirksam abgeschlossen wurde, ist hingegen nicht vom Vermittlungsvertrags‑ statut, sondern vom Versicherungsvertragsstatut zu entscheiden.442 Es kommt also innerhalb der Prüfung des Provisionsanspruchs zu einer Vorfrage, d. h. der Frage nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses, das nicht mehr vom Haupt‑ fragenstatut erfasst wird.443 Die überwiegende Auffassung knüpft eine solche Vorfrage selbständig, d. h. nach den Kollisionsnormen der lex fori an.444 Um herauszufinden, welchem Recht vermittelte Versicherungsverträge unterliegen, würde ein deutscher Richter also selbst dann Art. 7 Rom I‑VO anwenden, wenn der Vermittlungsvertrag von einem ausländischen Recht beherrscht wird. Die Frage, ob der Versicherungsvertrag wirksam abgeschlossen wurde, könnte so eine vom Vermittlungsvertragsstatut abweichende Rechtsordnung beantworten. Dass das besondere Widersprüche erzeugt, ist jedoch nicht ersichtlich.445 Selbst wenn das Vermittlungsvertragsstatut weitere Voraussetzungen für die Entste‑ hung des Provisionsanspruchs aufstellt, die sich am Versicherungsvertragsrecht derselben Rechtsordnung orientieren (z. B. an einer Regelung zur Fälligkeit der Prämie446), können solche im Regelfall durch äquivalente Regelungen des aus‑ ländischen Versicherungsvertragsstatuts ersetzt werden (Substitution).447 Pro‑ blematisch wäre allein, wenn zwar die nach dem Kollisionsrecht der lex fori bestimmte Rechtsordnung den Versicherungsvertrag für wirksam hält, aber die von dem Staat, dessen Gerichte für Streitigkeiten aus dem Versicherungsvertrag zuständig sind, berufene Rechtsordnung nicht. In dem Fall könnten die Partei‑ en des Versicherungsvertrags keine Ansprüche gegeneinander geltend machen. 441  Darüber hinaus setzt § 30 Abs. 2 S. 1 MaklerG in Österreich voraus, dass „der Versiche‑ rungskunde die geschuldete Prämie bezahlt hat oder zahlen hätte müssen, hätte der Versicherer seine Verpflichtungen erfüllt“. 442  Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 2; Looschelders, in: Lüer/ Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 9 Rn. 136. Allg. für Maklerverträge auch Klingmann, Maklerverträge, S. 76; Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 80. 443  Klingmann, Maklerverträge, S. 77; Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.666. 444  Ausf. m. w. N. v. Hein, in: MüKo-BGB, Einl. IPR Rn. 169 ff.; Kegel/Schurig, IPR, § 9 II 1. Die Gegenauffassung will das auf die Vorfrage anwendbare Recht mit den Kolli‑ sionsnormen der Rechtsordnung bestimmen, die zur Beantwortung der Hauptfrage berufen ist (unselbständige Anknüpfung lege causae), d. h. hier mit den Kollisionsnormen des Ver‑ mittlungsvertragsstatuts. Die Frage soll hier nicht vertieft werden. Bei einer unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage könnte jedenfalls auch eine akzessorische Anknüpfung des Ver‑ mittlungsvertrags keine Widersprüche vermeiden. Weichen die versicherungsvertraglichen Kollisionsnormen der lex causae nämlich von denen der lex fori ab, könnten sie ohnehin eine vom Vermittlungsvertragsstatut abweichende Rechtsordnung berufen. 445  Ausf. zum allgemeinen Maklerrecht Klingmann, Maklerverträge, S. 77 ff. 446  So könnte das Vermittlungsvertragsstatut bestimmen, dass der Provisionsanspruch erst fällig wird, wenn die Versicherungsprämie fällig wird. 447 Allg. hierzu Kropholler, IPR, § 33. Vgl. entsprechend für die unterschiedliche Bin‑ dungswirkung von Verträgen Klingmann, Maklerverträge, S. 84 ff.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Dann wird man dem Vermittler aber auch keinen Provisionsanspruch gewähren. Bei entsprechender ergänzender Vertragsauslegung soll der Anspruch nämlich nur verdient sein, wenn ein Vertrag vermittelt wurde, aus dem der Kunde An‑ sprüche geltend machen kann. Widersprüche lassen sich also auch hier auf ma‑ teriell-rechtlicher Ebene lösen. In gleicher Weise lässt sich bei Störungen im Versicherungsvertrag wie einer Kündigung verfahren. Welche Auswirkungen diese auf den Provisions‑ anspruch haben, entscheidet das Vermittlungsvertragsstatut. Ist danach der Pro‑ visionsanspruch mit erfolgreicher Vermittlung verdient, entfällt er auch nicht durch eine spätere Kündigung. Diesbezüglich war in Deutschland vor allem umstritten, ob ein Vermittler die Möglichkeit des Kunden, eine Vergütungs‑ vereinbarung zu kündigen, ausschließen darf, sodass eine Kündigung des Ver‑ sicherungsvertrags den Provisionsanspruch unberührt lässt. Der BGH hält einen derartigen Ausschluss sowohl beim Versicherungsmakler als auch beim Vertre‑ ter für zulässig.448 Zwar beeinträchtige eine solche Gestaltung die zwingende Kündigungsfreiheit der §§ 165 Abs. 1; 168 Abs. 1; 171 VVG. Die Normen be‑ träfen allerdings allein das Versicherungsvertragsverhältnis.449 Der Provisions‑ anspruch des Vermittlers gegen den Kunden kann also bei Kündigung einer Nettopolice bestehen bleiben, während der vergleichbare Anspruch gegen den Versicherer bei Kündigung einer Bruttopolice nach deutschem Recht im Re‑ gelfall (anteilig) entfällt.450 Demgegenüber sieht das österreichische Versiche‑ rungsvertragsrecht in § 176 Abs. 6 S. 1 und 4 VersVG vor, dass der Vermitt‑ ler bei Kündigung des Versicherungsvertrags selbst dann nur anteilig Provision vom Kunden verlangen kann, wenn er eine Vergütungsvereinbarung unmit‑ telbar mit diesem getroffen hat.451 Bei deutschem Vermittlungsvertragsstatut wäre die Norm im Verhältnis zwischen Vermittler und Kunde nicht anwendbar, selbst wenn österreichisches Recht den Versicherungsvertrag beherrscht. Das 448  Grundlegend BGH, Urt. v. 20.1.2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 für den Makler und BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 für den Vertreter. Anders als beim Makler (BGH, Urt. v. 14.6.2007, III ZR 269/06, VersR 2007, 1127 [1128 f.]) fordert er aber von einem Vertreter eine Belehrung über derartige Nachteile der Nettopolice (BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 [226]). Diese Differenzierung lässt sich unter § 61 Abs. 1 S. 1 VVG nicht rechtfertigen. Die Nachteile der Vergütung sind unabhängig von der Vermittlerkategorie für die Entscheidung zwischen Brutto- und Nettopolice relevant. Ebenso gegen die Differenzierung Stöbener, Beratungspflichten, S. 209 ff.; Werber, VersR 2019, 321 (324). 449  BGH, Urt. v. 20.1.2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 (76). Unwirksam ist daher ein Kündigungsausschluss in Kostenausgleichsvereinbarungen unmittelbar zwischen Versiche‑ rungsnehmer und Versicherer (BGH, Urt. v. 12.3.2014, IV ZR 295/13, BGHZ 200, 293). 450  Grund dafür ist der sog. Schicksalsteilungsgrundsatz, wonach die Provision bzw. Cour‑ tage das Schicksal der Versicherungsprämie „im Guten wie im Schlechten“ teilt, BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 162, 67 (72). 451  Satz 4 soll die Vermittlung von Nettopolicen erfassen, vgl. ErlRV 1632 BlgNR 24. GP, S. 15; anders für § 176 VersVG a. F. nämlich noch OGH, Urt. v. 17.3.2010, 7 Ob 13/10b, VersR 2011, 948 (952).



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führt allerdings zu keinen Widersprüchen. Es ist schlicht eine andere Wertent‑ scheidung, die sich im Vermittlungsrechtsverhältnis durchsetzt. Dass die Kün‑ digung in einem solchen Fall bei der Bruttopolice andere Auswirkungen hat als bei der Nettopolice, ist ein Ergebnis, das nicht nur bei Anwendung unter‑ schiedlicher Rechtsordnungen eintritt, sondern auch bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Ein Normwiderspruch besteht daher nicht. Selbst bei der Vermittlung von Nettopolicen erfordert das Konsistenzinteres‑ se also keine akzessorische Anknüpfung des Vermittlungsvertrags an den Ver‑ sicherungsvertrag. Das gilt unabhängig davon, ob die Höhe der Provision klar‑ stellend auch im Versicherungsvertrag festgehalten wird.452

(b) Kontinuitätsinteresse und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts Für eine akzessorische Anknüpfung könnte allerdings das Kontinuitätsinteres‑ se sprechen, d. h. das Parteiinteresse, dass langfristige Rechtsverhältnisse und Geschäftsbeziehungen mit ähnlichem sachlichem Inhalt möglichst einem Recht unterstellt werden.453 Während es insbesondere bei Rahmenverträgen mit un‑ terschiedlichen Einzelverträgen für eine akzessorische Anknüpfung spricht, kann es in Vermittlungsverhältnissen auch gegen eine solche angeführt werden. Beim Versicherungsmaklervertrag handelt es sich nämlich regelmäßig um ein Dauerschuldverhältnis. Auch die Geschäftsbeziehung zu einem Versicherungs‑ vertreter ist häufig auf längere Dauer angelegt. Sowohl der Vermittler als auch der Kunde haben daher die berechtigte Erwartung, dass ihr Rechtsverhältnis einem Recht untersteht. Das wäre gefährdet, wenn das anwendbare Recht davon abhinge, welches Versicherungsprodukt vermittelt wird. So könnte bei einer ak‑ zessorischen Anknüpfung bereits dadurch eine andere Rechtsordnung berufen werden, dass der Vermittler für den Kunden ein anderes Risiko versichern lässt. Ändert sich dadurch das Versicherungsvertragsstatut, müsste auch der Vermitt‑ ler unter Umständen andere Pflichten erfüllen. Die langfristige Geschäftsbezie‑ hung zwischen Kunde und Vermittler würde so „zerstückelt“ und das Kontinui‑ tätsinteresse beeinträchtigt. Selbst bei einem einmaligen Vermittlungsauftrag könnte es zu einer un‑ erwünschten Vielzahl anwendbarer Rechtsordnungen kommen. Deckt ein ver‑ mittelter Vertrag in verschiedenen Staaten belegene Risiken oder muss der Vermittler ein Risiko bei mehreren Versicherern platzieren, können im Ver‑ sicherungsvertragsverhältnis jeweils unterschiedliche Rechtsordnungen an‑ wendbar sein.454 An welche sollte nun akzessorisch angeknüpft werden? Eine Vertragsspaltung, mit der ein Vermittlungsvertrag jeweils dem Recht unterstellt würde, dem vermittelte Verträge unterliegen, lässt Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO nicht 452  453 

Überzeugend allg. Klingmann, Maklerverträge, S. 88 ff. v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 185. 454  Vgl. Art. 7 Abs. 5 und ErwG 33 Rom I‑VO.

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zu.455 Würde man daher von einzelnen Vermittlungsaufträgen ausgehen und diese jeweils einer bestimmten Rechtsordnung zuweisen, wäre das Konsistenz‑ interesse des Vermittlers gefährdet. Jedenfalls müsste er sich mit unterschied‑ lichen Sorgfaltsanforderungen befassen. Das ist vor allem deshalb interessen‑ widrig, weil er schon vor der endgültigen Vermittlung eines Produkts, d. h. bei Beginn der Vermittlungstätigkeit, wissen muss, welches Recht für ihn maßgeb‑ lich ist. Zu diesem Zeitpunkt steht aber gerade in grenzüberschreitenden Fällen häufig noch gar nicht fest, bei welchem Versicherer und nach welchem Recht das Risiko gedeckt wird. Dieses Problem ergibt sich insbesondere bei der Vermittlung von Versiche‑ rungen zur Deckung von Großrisiken, da die Parteien des Versicherungsver‑ trags dort nach Art. 7 Abs. 2 UAbs. 1 Rom I‑VO das anwendbare Recht weit‑ gehend frei wählen können. Welches Recht letztlich gewählt wird, weiß ein Vermittler bei Aufnahme von Vermittlungsbemühungen unter Umständen noch gar nicht. Vor allem in multinationalen Sachverhalten spricht also gegen eine akzessorische Anknüpfung, dass vermittelte Versicherungsverträge keinem ein‑ heitlichen Recht unterliegen müssen. Diese Rechtszersplitterung auf das im Wesentlichen konstante Vermittlungsverhältnis zu übertragen, würde das Kon‑ sistenz- und Kontinuitätsinteresse beeinträchtigen und die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts einschränken.

(c)  Allgemeine Parteiinteressen Die Vorhersehbarkeit als allgemeines Parteiinteresse spricht auch dann gegen eine akzessorische Anknüpfung, wenn die tatsächlichen Umstände, die den Ver‑ mittlungsvertrag prägen, überwiegend keinen Bezug zu dem Staat haben, des‑ sen Recht den Versicherungsvertrag beherrscht. Das ist z. B. der Fall, wenn der Vermittler und der Kunde ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben und nur der Versicherer seinen Sitz im Ausland. Die Parteien rechnen hier, vor allem bei Aufnahme des Vermittlungsgesprächs, nicht damit, dass aus‑ ländisches Recht Anwendung findet.456 Diese Erwartung wird beispielsweise in Art. 4 Abs. 2 Rom II‑VO geschützt. Gewichtige Interessen, die ein abweichen‑ des Ergebnis rechtfertigen, sind im Regelfall nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich. Das gilt unabhängig davon, ob Verträge über einen Makler oder Vertreter vermittelt werden. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob bereits der Bezug tatsächlicher Umstän‑ de zu einer anderen Rechtsordnung eine akzessorische Anknüpfung rechtfer‑ tigt. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass ein deutscher Vermittler 455 Siehe

Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 129; Martiny, in: MüKoBGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 9, 290. 456  Allg. dazu auch v. der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 220. Zur Sachwalterhaf‑ tung Kreuzer, IPRax 1988, 16 (19).



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einem österreichischen Kunden das Produkt eines österreichischen Versiche‑ rers vermittelt. Soll hier allein das Überwiegen österreichischer Parteien zur akzessorischen Anknüpfung führen? Daran ist vor allem problematisch, dass bei Durchführung der Beratung und ersten Vermittlungsleistungen noch gar nicht feststehen muss, ob ein österreichischer Versicherer ausgewählt wird. Zu diesem Zeitpunkt muss der Vermittler hingegen bereits seine Pflichten bestim‑ men können. Das gilt beispielsweise für den Umfang der erforderlichen Risiko‑ analyse. Hier zeigt sich die Eigenständigkeit des Haftungsvorwurfs, der nicht erst in der Vermittlung des Vertrags mit einem ausländischen Versicherer liegen muss. Der Sitz des Versicherers im Ausland ist insoweit nur ein schwaches Ar‑ gument. Es kann vor allem beim Einfirmenvertreter Bedeutung erlangen, wenn er bereits bei Aufnahme des Beratungsgesprächs weiß, dass er ausländischen Kunden einen Vertrag mit seinem ausländischen Geschäftsherrn vermitteln wird, so z. B. bei einem deutschen Versicherungsvertreter, der ausschließlich für einen österreichischen Versicherer tätig wird und Produkte an Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich vertreibt. Beim Makler genügt es je‑ denfalls nicht, dass der Kunde und der Versicherer ihren gewöhnlichen Auf‑ enthalt in demselben Staat haben, um dessen Recht gegen das von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO bestimmte durchzusetzen. Die in dieser Norm verankerte Bevorzugung des Erbringers der charakteris‑ tischen Leistung457 kann nur dann verdrängt werden, wenn das allgemeine Par‑ teiinteresse des Kunden an der Anwendung des ihm vertrauten Rechts wesent‑ lich stärker zu gewichten ist als das des Vermittlers. Bei dieser Abwägung ließe sich vertreten, dass das Interesse eines Einfirmenvertreters deutlich geringer zu bewerten ist. Er ist schließlich an einen Versicherer gebunden und will für diesen einen Vertrag vermitteln. Da die Interessen des Versicherers in Art. 7 Rom I‑VO zurückstehen müssen, könnte man diese Wertentscheidung auf den Vertreter übertragen. Zugleich kann man – auch beim Makler – das Interesse des Versicherungsnehmers stärker gewichten, weil er kollisionsrechtlich beson‑ ders schutzbedürftig ist. So sind die Überlegungen, die Art. 7 Rom I‑VO zu‑ grunde liegen, auf das Verhältnis zum Vermittler übertragbar: Wenn der Kunde in Versicherungsangelegenheiten typischerweise unerfahren ist, macht es kei‑ nen Unterschied, ob er das Produkt direkt vom Versicherer erwirbt oder über eine Mittelsperson. Dieser gegenüber erscheint er nicht weniger schutzwürdig. Eine weitgehende Gleichbehandlung der Vertriebskanäle, die auch von der IDD bezweckt wird (vgl. ErwG 5), ließe sich daher möglicherweise durch eine ak‑ zessorische Anknüpfung erreichen. Für diese Lösung ließe sich auch anführen, dass sich der Vermittler ohnehin mit dem Versicherungsvertragsstatut beschäf‑ tigen muss, um zu beurteilen, ob der nach diesem Recht zustande kommende Vertrag den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden entspricht. Dann wäre es 457 

Dazu einleitend S. 156 sowie S. 211.

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ihm auch möglich, sich mit Sorgfaltsanforderungen zu beschäftigen, die diese Rechtsordnung an ihn persönlich stellt. Damit lässt sich jedoch nicht generell eine akzessorische Anknüpfung des Vermittlungsvertrags an den Versicherungsvertrag rechtfertigen. Zwar lässt sich aus Art. 7 Rom I‑VO eine Wertentscheidung herleiten, die das kollisions‑ rechtliche Interesse des Versicherungsnehmers auch im Verhältnis zum Ver‑ mittler erheblich stärkt. Diesem Interesse muss eine akzessorische Anknüp‑ fung allerdings schon nicht zwangsläufig dienen. Sie führt gerade nicht immer zur Anwendung der Rechtsordnung, die dem Versicherungsnehmer vertraut ist, so z. B., wenn Risiken in einem anderen Staat belegen sind (Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO). Darüber hinaus hat sich oben gezeigt, dass die Anwendung des Versicherungsvertragsstatuts auf das Vermittlungsverhältnis häufig Konsistenzund Kontinuitätsinteressen widerspricht und die Vorhersehbarkeit des anwend‑ baren Rechts einschränkt. Die Gefahr, dass in verschiedenen zu vermittelnden Versicherungsverträgen unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar sind, bestünde nur dann nicht, wenn bereits bei Aufnahme eines Beratungsgesprächs ersichtlich wäre, dass alle möglicherweise zu vermittelnden Versicherungsverträge demselben Recht un‑ terliegen werden. Das ist nur dann der Fall, wenn Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO das Versicherungsvertragsstatut bestimmen wird und alle dort genannten Anknüp‑ fungspunkte in demselben Staat belegen sind: der gewöhnliche Aufenthalt des Kunden (inklusive seiner Niederlassungen i. S. d. Art. 19 Abs. 2 Rom I‑VO), seine Staatsangehörigkeit und alle Risiken, die er trägt. Nur dann ist abseh‑ bar, dass stets das für den Versicherungsnehmer vertraute Recht spätere Ver‑ sicherungsverträge beherrschen wird. In diesen Fällen wird auch dem Vermitt‑ ler deutlich, dass der Kunde keinen Bezug zu einer anderen Rechtsordnung hat. Entschließt er sich dann nicht dazu, die Anwendung seines Rechts durch Rechts‑ wahl sicherzustellen, wird man von ihm verlangen können, sich auch mit auslän‑ dischen privatrechtlichen Vorgaben zu beschäftigen. Der so bestimmte Bereich, in dem eine akzessorische Anknüpfung überhaupt in Betracht gezogen werden kann,458 ist in der Praxis äußerst eng: In Fällen, in denen die in Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO relevanten Kriterien ausschließlich im Staat des Kunden liegen, han‑ delt es sich meist um Verbraucher, bei denen Art. 6 ohnehin Art. 4 Rom I‑VO verdrängt. Übrig bleiben vor allem kleinere Unternehmen ohne Niederlassungen in anderen Staaten, deren Risiken ausschließlich in ihrem Sitzstaat belegen sind. Davon abgesehen zeigt die schwierige Abwägung, dass in gleicher Weise Gründe für und gegen eine akzessorische Anknüpfung vorgebracht werden kön‑ nen. In einem solchen Fall kann keine Rede von einer „offensichtlich“ oder „wesentlich“ engeren Verbindung sein, die den Schutz des Vermittlers als Par‑ 458  Die hier herausgearbeiteten Wertungen können lediglich den Rahmen für eine Einzel‑ fallabwägung bieten.



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tei, die die charakteristische Leistung erbringt, verdrängen könnte. Bei Durch‑ führung einer Interessenabwägung bleibt somit nur selten Raum für eine akzes‑ sorische Anknüpfung.

(d)  Enge Beziehung in Vermittlungsverhältnissen als ausreichendes Kriterium? Gleichwohl begründet man eine solche in Vermittlerkonstellationen häufig nur mit der engen Beziehung der Mittelsperson zum Hauptvertrag. So wird eine akzessorische Anknüpfung der Sachwalterhaftung befürwortet, wenn der Dritte aktiv am Abschluss des Hauptvertrags beteiligt war und ihm das dort geltende Recht zurechenbar ist.459 Auch der BGH hat beim Maklervertrag schon recht früh über den hypothetischen Parteiwillen einen Gleichlauf von Makler- und Hauptvertragsstatut angestrebt, indem er auf die enge Verbindung der beiden Verträge abgestellt hat.460 Es stellt sich daher die Frage, ob allein die enge Ver‑ bindung zweier Verträge i. S. d. ErwG 20 S. 2 Rom I‑VO genügt, um eine ak‑ zessorische Anknüpfung trotz der eben durchgeführten Interessenabwägung zu rechtfertigen. Dafür ließe sich im europäischen Kollisionsrecht unter Umständen eine rechtsaktübergreifende Auslegung mit der Brüssel I‑VO anführen, bei der der EuGH den engen Bezug von Vermittlungs- und vermitteltem Vertrag zuletzt in der Rechtssache Maletic betont hat.461 Ein Reisender durfte den im selben Mitgliedstaat ansässigen Reiseveranstalter an dem Gerichtsstand verklagen, an dem der Vermittler aufgrund der Art. 15, 16 Brüssel I‑VO gerichtspflichtig war. Der Verbrauchervertragsgerichtsstand des Vermittlungsvertrags wurde somit auf Klagen gegen den Vertragspartner des vermittelten Vertrags ausgeweitet. Ansatzpunkt dafür war der Begriff des „anderen Vertragspartner[s]“ in Art. 16 Abs. 1 Brüssel I‑VO (Rn. 32). Dieser umfasse „auch den im Wohnsitzmitglied‑ staat des Verbrauchers ansässigen Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers […], mit dem der Verbraucher den betreffenden [Verbraucher-]Vertrag ge‑ schlossen hat“ (Rn. 32). Als Argument dafür wurde eine untrennbare Verbin‑ dung von Vermittlungs- und vermitteltem Vertrag angeführt (Rn. 29). Unabhängig von der zuständigkeitsrechtlichen Kritik an der Entscheidung462 lassen sich diese Gedanken nicht auf das Kollisionsrecht im Bereich der Ver‑ 459 

Junker, in: MüKo-BGB, Art. 12 Rom II‑VO Rn. 28; Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 12 Rom II Rn. 5. Dieser Einfluss des Sachwalters auf den Hauptvertrag sollte nach früher über‑ wiegend vertretener Auffassung gerade nicht für eine akzessorische Anknüpfung genügen; be‑ tont wurde vielmehr die Eigenständigkeit des Haftungsvorwurfs, vgl. Fn. 275. 460  BGH, Urt. v. 17.4.1956, I ZR 184/54, IPRspr. 1956–57 Nr. 55. Dagegen Klingmann, Maklerverträge, S. 74. 461  EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-478/12, NJW 2014, 530. Zum Sachverhalt bereits oben auf S. 162. 462 Ausf. Staudinger, RRa 2014, 10 ff.; siehe auch ders., IPRax 2016, 107 (108).

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

sicherungsvermittlung übertragen. Zum einen folgte in der Rechtssache Maletic der vermittelte „Hauptvertrag“ dem Vermittlungsvertrag. Eine entsprechende akzessorische Anknüpfung des Versicherungsvertrags an den Vermittlungsver‑ trag ist schon im Regelfall aufgrund der speziellen Kollisionsnorm des Art. 7 Rom I‑VO nicht möglich. Zum anderen begründet der EuGH die Ausweitung des Gerichtsstands des Vermittlungsvertrags im Wesentlichen mit dem zustän‑ digkeitsrechtlichen Ziel, Parallelverfahren zu vermeiden und die schwächere Partei zu schützen.463 Wenngleich diese Überlegungen ihre kollisionsrechtliche Entsprechung im Konsistenzinteresse und dem allgemeinen Parteiinteresse fin‑ den, hat die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, die nach den obigen Ausführungen bei akzessorischer Anknüpfung erheblich beeinträchtigt werden kann, im Kollisionsrecht einen stärkeren Stellenwert als die Vorhersehbarkeit von Gerichtsständen. So mag es aus prozessökonomischen Gesichtspunkten ge‑ rechtfertigt sein, in Ausnahmefällen weitere Gerichtsstände zur Verfügung zu stellen. Eine Vervielfältigung anwendbarer Rechtsordnungen hat für eine Partei hingegen deutlich schwerwiegendere Folgen. So müssen gerade für den Ver‑ sicherungsvermittler die Wohlverhaltensregeln vorhersehbar sein. Inwieweit die Maletic-Entscheidung im IZVR der Versicherungsvermittlung Bedeutung hat, bedarf hier also keiner Entscheidung. Es genügt festzustellen, dass der enge Bezug zweier Verträge zueinander keine akzessorische Anknüpfung rechtfer‑ tigt, wenn nicht zugleich auch Ordnungs- und Parteiinteressen für eine solche sprechen. Würde man das anders sehen, bestünde gerade in einem arbeitstei‑ ligen Wirtschaftssystem, in dem immer häufiger Vertragsverhältnisse eine sehr enge Verbindung haben, die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit.

(4)  Zwischenergebnis: begrenzte Möglichkeiten einer akzessorischen Anknüpfung Demnach kommt eine akzessorische Anknüpfung des Vermittlungsvertrags an die Kollisionsnormen der Versicherungsverträge aus Gründen des Versiche‑ rungsnehmerschutzes über Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO allenfalls dann in Betracht, wenn alle möglicherweise zu vermittelnden Versicherungsverträge mit Sicher‑ heit dem Recht des Staats unterliegen, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ist in der Regel nur der Fall, wenn sämtliche in Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO genannten Kriterien ausschließlich in diesem Staat „liegen“. Darüber hinaus lässt sich eine akzessorische Anknüpfung beim Einfir‑ menvertreter in Erwägung ziehen, wenn der von ihm vertretene Versicherer und der betreute Kunde ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Bei Unternehmergeschäften bleibt hingegen selten Raum für eine akzessorische Anknüpfung. 463 

EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-478/12, NJW 2014, 530 (531) Rn. 30 f.



B.  Internationales Privatrecht

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c)  Zwischenergebnis: über die Rom I‑VO anwendbares Privatrecht und Vergleich zum Aufsichtsrecht Für das auf Versicherungsvermittlungsverträge anwendbare Recht lässt sich damit festhalten: Werden Versicherungsvermittler im Niederlassungsverkehr in anderen Staaten tätig und treffen sie mit dortigen Kunden keine Rechtswahl, fin‑ det bereits nach Art. 4 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 19 Abs. 2 Rom I‑VO das Privat‑ recht des Aufnahmemitgliedstaats Anwendung. Wählen sie das Herkunftsland‑ recht des Vermittlers, wären nur Verbraucher über Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO davor geschützt, dass ihnen zwingende Bestimmungen ihres Aufnahmestaats entzogen werden. Die Anwendbarkeit versicherungsnehmerschützender Wohl‑ verhaltensregeln hinge folglich stark davon ab, ob die Versicherungsnehmer Verbraucher i. e. S. sind, d. h. Personen, die Verträge zu einem Zweck schließen, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Glei‑ ches zeigt sich im Dienstleistungsverkehr: Strengeres nationales Privatrecht des Aufnahmemitgliedstaats ist nach objektiver Regelanknüpfung nur dann an‑ wendbar, wenn Vermittler 1. Verbraucher i. e. S. betreuen, sie 2. ihre Tätigkeit in deren Staat ausüben oder sie auf diesen Staat ausrichten und sie ihre Leis‑ tung 3. nicht ausschließlich in einem anderen Staat erbringen (Art. 6 Abs. 1 und 4 lit. a). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, findet  – ohne abweichende Rechtswahl – nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO das Privatrecht des Herkunfts‑ mitgliedstaats der Vermittler Anwendung. Damit sind privatrechtlich nicht immer dieselben Wohlverhaltensregeln wie im Aufsichtsrecht anwendbar. Dort hat sich gezeigt, dass strengeres nationales Recht des Aufnahmemitgliedstaats bereits dann Anwendung findet, wenn ein Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr i. S. d. IDD aktiv ist.464 Dazu genügt es, dass er beabsichtigt, Versicherungsnehmern mit gewöhn‑ lichem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat Versicherungsverträge zu ver‑ mitteln, deren Risiken nicht in seinem Herkunftsstaat belegen sind. Strengere Wohlverhaltensregeln des Aufnahmemitgliedstaats finden daher auch dann An‑ wendung und werden behördlich durchgesetzt, wenn Vermittler 1. Unternehmer betreuen, wenn sie sich 2. auf eigene Initiative nur an Einzelpersonen wenden und/oder wenn 3. die Leistungserbringung vollständig im Herkunftsmitglied‑ staat erfolgt. Das bestätigen die Flexibilitätsklauseln, nach denen strengere na‑ tionale Vorschriften auch von denjenigen Vermittlern eingehalten werden müs‑ sen, die „im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit tätig werden, wenn sie Versicherungsverträge mit Kunden [d. h. auch Unterneh‑ mern465] schließen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat haben oder dort niedergelassen sind“466. Versicherungsnehmer sind daher inso‑ 464  465 

Siehe hierzu und zum Folgenden zusammenfassend S. 143. Zum weiten Kundenbegriff der IDD siehe S. 24. 466  Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 und Art. 29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD. Dazu bereits S. 34.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

weit nach der aufsichtsrechtlichen Kompetenzverteilung weitergehend als nach der Rom I‑VO durch das ihnen vertraute Vermittlerrecht geschützt. Vergleichsweise selten sind demgegenüber Fälle, in denen nach der Rom I‑VO strengeres Aufnahmestaatenprivatrecht anwendbar ist, Vermittler aber weiterhin dem (strengeren) Aufsichtsrecht ihres Herkunftsmitgliedstaats unterliegen, weil die Voraussetzungen des sekundärrechtlichen Dienstleistungs‑ begriffs nicht erfüllt sind. Das wäre beispielsweise bei einem deutschen Ver‑ mittler der Fall, der sich bewusst an französische Kunden wendet, um ihnen Gebäudeversicherungspolicen für in Deutschland belegene Immobilien zu ver‑ mitteln.467 Bei einer Anknüpfung des Vermittlungsvertrags nach der Rom I‑VO wür‑ den Aufsichts- und Privatrecht alles in allem nicht synchron verlaufen, weil die Rechtsgebiete unterschiedliche Anknüpfungskriterien für die Bestimmung des anwendbaren Rechts benutzen. Welche Auswirkungen das haben kann, zeigt sich deutlich in dem oben468 geschilderten Beispielsfall: Die deutsche Versicherungsmakler-KG muss bei ihrer Dienstleistungstätigkeit in Frankreich aufsichtsrechtlich Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. einhalten und ihren Kun‑ den mitteilen, dass sie eine enge Geschäftsbeziehung mit dem Versicherer V unter‑ hält, weil sie mehr als 33 % ihres Vorjahresumsatzes mit ihm erwirtschaftet hat. Ver‑ stöße gegen diese Bestimmung ermächtigen französische Behörden unmittelbar zum Erlass aufsichtsrechtlicher Maßnahmen, weil Frankreich diese Vorschrift zum Schutz des Allgemeininteresses einseitig auf ausländische Vermittler anwenden kann.469 Pri‑ vatrechtlich hingegen ist auf das Rechtsverhältnis der Makler-KG zu französischen Unternehmern nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO deutsches Recht anwendbar. Sie könnten daher aus Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. unmittelbar keinen Schadensersatz‑ anspruch herleiten.

d)  Koordinierung von Aufsichts- und Privatrecht? Es drängt sich damit die Frage auf, ob nicht das Internationale Vermittlerprivat‑ recht mit dem Aufsichtsrecht koordiniert werden kann und sollte.

aa)  Das Verhältnis von Internationalem Verwaltungs- und Privatrecht im Allgemeinen Das Verhältnis des Internationalen Verwaltungs- zum Privatrecht wurde zuletzt ausführlich für den Bereich des Finanzmarktrechts von Lehmann470 untersucht. Er hat vier mögliche methodische Grundmodelle zum Verhältnis der beiden Rechtsgebiete herausgearbeitet. Erstens ist es möglich, dass man sich schlicht 467  In diesem Fall bezieht sich die Vermittlungstätigkeit auf in Deutschland belegene Risi‑ ken, sodass der Vermittler nicht im Dienstleistungsverkehr aktiv ist (siehe S. 70). 468 S. 47. 469  Dazu S. 145. 470  in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1.



B.  Internationales Privatrecht

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mit dem eben festgestellten Zwischenergebnis begnügt und akzeptiert, dass das Internationale Aufsichtsrecht und das IPR unterschiedliche Anknüpfungskrite‑ rien verwenden und so aufsichts- und privatrechtliche Wohlverhaltensregeln auseinanderfallen können. Das ließe sich damit rechtfertigen, dass der Europäi‑ sche Gesetzgeber gerade nicht für jeden Sektor Kollisionsnormen geschaffen hat, die sich an aufsichtsrechtlichen Regelungskompetenzen orientieren, son‑ dern dass er das allgemeine Kollisionsrechtsregime der Rom-Verordnungen für alle grenzüberschreitenden Sachverhalte bereitgestellt hat, um „eine Aufspal‑ tung des Kollisionsrechts in immer mehr Spezialgebiete“ zu vermeiden.471 In‑ ternationales Verwaltungsrecht und IPR stünden unkoordiniert nebeneinander; im Zivilrechtsstreit käme es zu einem „Vorrang der international-privatrecht‑ lichen vor den aufsichtsrechtlichen Anknüpfungen“472. Im Gegensatz dazu könnte man zweitens einen „Vorrang der aufsichtsrecht‑ lichen vor den international-privatrechtlichen Anknüpfungen“473 dadurch errei‑ chen, dass man im Privatrecht ausschließlich die Rechtsordnung anwendet, die auch verwaltungsrechtlich regulierend in eine Tätigkeit eingreift. Sollen sich Zivilgerichte dabei nicht nur daran orientieren, wann die Behörden des eigenen Staates einseitig ihr Recht durchsetzen,474 wäre es in Binnenmarktsachverhalten denkbar, mehrseitige Kollisionsnormen dadurch zu entwickeln, dass man im Pri‑ vatrechtsstreit nur die Verhaltensregeln des Staates anwendet, dem im europäi‑ schen Primär- oder Sekundärrecht eine aufsichtsrechtliche Regelungskompetenz zugewiesen wird.475 Eine derartige Dominanz des Internationalen Aufsichts‑ rechts gegenüber dem privaten Kollisionsrecht wäre letztlich nur eine Kon‑ sequenz aus der materiell-rechtlichen Entwicklung, Privatrecht zusätzlich zur Durchsetzung regulatorischer Vorgaben einzusetzen (private enforcement).476 Abgeschwächt dazu wäre es drittens möglich, das anwendbare Privatrecht grundsätzlich weiterhin auf Basis der allgemeinen Rom-Verordnungen zu er‑ mitteln, bestimmten Wohlverhaltensregeln aber (zusätzlich) durch eine Sonder‑ anknüpfung in Zivilrechtsstreitigkeiten Geltung zu verschaffen. Lehmann dis‑ kutiert diese Lösung vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob man (ggf. auch privatrechtliche) Verhaltensanforderungen als international zwingende Ein‑ griffsnormen durchsetzen sollte.477 In ähnlicher Weise wäre es schließlich 471  Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 35. Siehe zu die‑ sem Anliegen auch ErwG 40 Rom I‑VO. 472  Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 34. 473  Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 29. 474 Zur „Einseitigkeit“ des Internationalen Verwaltungsrechts siehe S.  49. Brächten in einem Sachverhalt mehrere Staaten ihr Verwaltungsrecht zur Anwendung, wäre für Zivil‑ gerichte problematisch, wessen Recht sie anwenden müssten. 475  Ausf. allg. Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 30 ff. Hierzu sogleich auf S. 255 ff. 476 Vgl. Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 33. 477  Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 36 ff. Vgl. auch

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

viertens denkbar, verwaltungsrechtliche Wohlverhaltensregeln, die zugleich privatrechtlich durchgesetzt werden, ohne abweichende kollisionsrechtliche Anordnung zwar nicht anzuwenden, aber auf sachrechtlicher Ebene zu berück‑ sichtigen.478 Während der zweite Lösungsansatz erhebliche Auswirkungen auf die Grundlagen des privaten Kollisionsrechts hätte, akzeptieren der erste und die letzten beiden Vorschläge im Wesentlichen die methodischen Unterschiede der beiden Rechtsgebiete. Da das Verhältnis des Internationalen Verwaltungsrechts zum IPR stets auf Basis des jeweils einschlägigen europäischen oder nationa‑ len Rechts ermittelt werden muss, soll im Folgenden nicht diskutiert werden, welcher der vier Lösungsansätze allgemein bzw. de lege ferenda der überzeu‑ gendste ist. Vielmehr soll untersucht werden, ob sich im Bereich der Versiche‑ rungsvermittlung eine Lösung findet, die methodisch vertretbar und interessen‑ gerecht ist.

bb)  Einfluss europarechtlicher Regelungskompetenzen auf das IPR: Vorrang des Aufsichtsrechts? Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, die in Teil 2 herausgearbeiteten (aufsichtsrechtlichen) Regelungskompetenzen im Bereich der grenzüberschrei‑ tenden Versicherungsvermittlung in die privatkollisionsrechtliche Anknüpfung einzubeziehen, um einen Gleichlauf von Aufsichts- und Privatrecht zu errei‑ chen. Es könnte so im Extremfall zu dem eben beschriebenen „Vorrang der auf‑ sichtsrechtlichen vor den international-privatrechtlichen Anknüpfungen“ kom‑ men.

(1)  „Primärrechtliches Herkunftslandprinzip“ Ein derartiger Einfluss allgemeiner europarechtlicher Wertungen auf das IPR wurde vor längerer Zeit bereits im Hinblick auf die primärrechtlichen Grundfrei‑ heiten diskutiert. Teile der Literatur versuchten, ihr „Herkunftslandprinzip“ für das Kollisionsrecht fruchtbar zu machen. Der Grundsatz der gegenseitigen An‑ erkennung sollte Aufnahmestaaten nach Ansicht einiger Autoren dazu zwingen, auf die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung allein das Herkunfts‑ landrecht eines Dienstleisters anzuwenden. Abweichend vom allgemeinen IPR sollte in Binnenmarktsachverhalten grundsätzlich das Privatrecht des Herkunfts‑ mitgliedstaats angewendet werden, während Bestimmungslandrecht nur bei für den Leistungserbringer günstigeren Rechtsfolgen berufen werden sollte.479 nur v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 ff. Siehe dazu für den Bereich der Versicherungsvermittlung S. 261 ff. 478  Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 40 ff. 479  Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (15 ff.). Weitere Nachweise bei v. Wilmowsky, Kredit‑ sicherungsrecht, S. 52.



B.  Internationales Privatrecht

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Dieser Ansatz konnte schon deshalb nicht überzeugen, weil den Grundfrei‑ heiten jedenfalls keine generelle kollisionsrechtliche Aussage zu entnehmen ist, ihnen sogar eher ein modifiziertes Bestimmungslandprinzip zugrunde liegt.480 Mit den vorrangigen sekundärrechtlichen Kollisionsnormen der Rom-Verord‑ nungen ist der Vorschlag ohnehin überholt.

(2)  Sekundärrechtliches Herkunfts- oder Bestimmungslandprinzip In jüngerer Zeit wurde daher immer häufiger versucht, die Verteilung von Re‑ gelungs- und Durchsetzungskompetenzen im Sekundärrecht auf das IPR zu übertragen.481 Das betraf vor allem Richtlinien, denen ein Herkunftslandprin‑ zip zugrunde lag. Soweit sie Herkunftsmitgliedstaaten eine Kompetenz zur Re‑ gulierung bestimmter Tätigkeiten zuwiesen, wollte man aus ihnen zum Teil unmittelbare Auswirkungen für das Privatrecht herleiten. Beispielsweise ge‑ währte Art. 18 Abs. 1 der RL 89/646/EWG482 Kreditinstituten das Recht, nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in anderen Staaten tätig zu wer‑ den. Hieraus und aus dem Erfordernis, strengere nationale Vorschriften mit einem Allgemeininteresse zu rechtfertigen, folgerte Wolf, dass ein Kreditinstitut grundsätzlich auch sein Privatrecht in den Aufnahmestaat „mitnehme“.483 Es komme zu einem „direkten Import von Rechtsinstituten anderer Mitgliedstaa‑ ten ohne den Umweg über die Vorschriften des Internationalen Privatrechts“484. Diese Auffassung wurde überwiegend mit dem Argument abgelehnt, das Her‑ kunftslandprinzip der Richtlinie beziehe sich allein auf das Bankenaufsichts‑ recht; das auf Darlehensverträge und andere Rechtsinstitute anwendbare Recht werde immer noch durch das IPR bestimmt.485 Besonders umstritten waren die Auswirkungen eines sekundärrechtlichen Herkunftslandprinzips auf das IPR bei der E‑Commerce-RL. Diese sieht vor, dass Dienste der Informationsgesellschaft in anderen Mitgliedstaaten keinen strengeren Anforderungen als denen ihres Herkunftslands unterliegen (Art. 3 Abs. 2). Damit sollen jedoch, wie Art. 1 Abs. 4 ECRL explizit klarstellt, nicht 480  Vgl.

nur Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 309; Roth, in: Baur/Mansel, Systemwech‑ sel, S. 47 (53 f.); Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3 (10 ff.); Thünken, Herkunftslandprin‑ zip, S. 99 f.; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 57 ff. Ausf. auch oben S. 53. 481  Allg. dazu m. w. N. Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 32; ders., NIPR 2018, 3 (20 f.); Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (667 ff.). 482  Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl. L 386 v. 30.12.1989, S. 1. 483 Ausf. Wolf, WM 1990, 1941 (1943 ff.). 484  Wolf, WM 1990, 1941 (1952). 485  Drasch, Herkunftslandprinzip, S.  224  ff.; Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 294  f.; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (669 f.); Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3 (10). Allen‑ falls sollte (inter)national zwingendes Sachrecht mit einem Allgemeininteresse gerechtfertigt werden.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

die allgemeinen Kollisionsnormen des IPR verdrängt werden.486 Der EuGH hat dementsprechend festgestellt, dass die E‑Commerce-RL keine Umsetzung in Form einer Kollisionsnorm erfordert, die generell auf das Recht des Herkunfts‑ lands verweist.487 Soweit nach allgemeinem IPR ein Privatrecht anwendbar ist, das strengere Anforderungen an den Diensteanbieter stellt, kann es auch sach‑ rechtlich auf die Vorgaben des Herkunftsstaats begrenzt werden.488 Enthalten Richtlinien, anders als die E‑Commerce-RL, keine Aussage über ihre kollisionsrechtliche Neutralität, wird in jüngerer Zeit wieder versucht, einen Gleichlauf aufsichtsrechtlicher Regelungskompetenzen mit dem priva‑ ten Kollisionsrecht zu erreichen. Zuletzt hat Einsele das für das Finanzmarkt‑ recht der MiFID vorgeschlagen, die Regelungen für die grenzüberschreiten‑ de Tätigkeit von Wertpapierdienstleistern enthielt.489 Für ihre Zulassung und den Erlass von Wohlverhaltensregeln waren nach der MiFID ausschließlich die jeweiligen Herkunftsmitgliedstaaten zuständig. Auf dieser Basis gestatte‑ te Art. 31 Abs. 1 MiFID Wertpapierfirmen, in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden, ohne dass ihnen zusätzliche Beschränkungen auferlegt werden durf‑ ten.490 Hieraus schloss Einsele, dass der Anwendungsbereich nationaler Wohl‑ verhaltensregeln richtlinienkonform mit den sekundärrechtlichen Regelungs‑ kompetenzen im Einklang stehen müsse. Soweit die Regelungskompetenz bei einem bestimmten Mitgliedstaat liege, müssten andere Mitgliedstaaten das res‑ pektieren und dessen Recht anwenden. Die maßgeblichen Wohlverhaltens‑ regeln seien also der Rechtsordnung des Staates zu entnehmen, dem im Sekun‑ därrecht eine Regelungskompetenz zugewiesen werde. Dabei sei unerheblich, ob es um privat- oder aufsichtsrechtliche Sachverhalte gehe. Die „europäische Regelungsarchitektur [enthalte] Rechtsanwendungs- bzw. Rechtsberücksichti‑ gungsvorschriften, die auch für vertragliche Schuldverhältnisse von Bedeutung sein können“491. Dogmatisch stufte Einsele die „Regelungsarchitektur“ als be‑ reichsspezifische Kollisionsnorm i. S. d. Art. 23 Rom I‑VO ein.492 Über diese 486 Vgl. entsprechend Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Par‑ laments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (hierzu Ackermann, ZEuP 2009, 230 [253 f.]; Kampf, IPRax 2008, 101 [102 f.]). 487  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, verb. Rs. C-509/09 und C-161/10, NJW 2012, 137 (140 f.) Rn. 60 ff. 488  So nunmehr für § 3 Abs. 2 TMG BGH, Urt. v. 8.5.2012, VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 (2199) Rn. 30: „sachrechtliches Beschränkungsverbot“. Die Richtlinie hat daher allen‑ falls einen „mittelbaren kollisionsrechtlichen Bezug“ (so zu Art. 3 Abs. 2 RL 2006/123/EG Kampf, IPRax 2008, 101 [103]; vgl. auch Ackermann, ZEuP 2009, 230 [253 f.]). 489  Zum Folgenden Einsele, IPRax 2012, 481 (488 ff.). Vgl. auch dies., Bank- und Kapital‑ marktrecht, § 8 Rn. 67, 75 ff. Allg. zu diesem Ansatz Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenz‑ überschreitende FDL, § 1 Rn. 32, 61. 490  Eine Ausnahme galt für Zweigniederlassungen, vgl. Art. 32 Abs. 7 MiFID. Vgl. im deutschen Recht § 31 Abs. 10 WpHG für Drittstaaten und § 36a WpHG für Binnenmarktsach‑ verhalte. 491  Einsele, IPRax 2012, 481 (490). 492  Einsele, IPRax 2012, 481 (490). Ebenso wohl auch Grundmann, in: E/B/J/S, HGB,



B.  Internationales Privatrecht

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würden jedoch ausschließlich die maßgeblichen Verhaltensanforderungen an Wertpapierdienstleister berufen; die privatrechtliche Haftungsgrundlage (z. B. § 280 Abs. 1 BGB) oder allgemeine zivilrechtliche Regelungen würden weiter‑ hin von den allgemeinen Kollisionsnormen erfasst.493 Eine Übertragung dieses Ansatzes auf die IDD ist bereits mit Schwierigkei‑ ten verbunden, da ihr im Bereich der laufenden Aufsicht bzw. Berufsausübung kein striktes Herkunfts- oder Bestimmungslandprinzip zugrunde liegt.494 Wäh‑ rend ihre Mindestvorgaben in Kooperationsverfahren sowohl vom Herkunftsals auch vom Aufnahmemitgliedstaat durchgesetzt werden, sind Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr überwiegend an Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses des Aufnahmemitgliedstaats gebunden. Diesem weisen auch die Flexibilitätsklauseln eine Regelungskompetenz zu. Insofern ließe sich vertreten, dass Vermittler im Dienstleistungs- und Niederlassungs‑ verkehr ausschließlich strengere privatrechtliche Verhaltensanforderungen des Aufnahmemitgliedstaats erfüllen sollten. Während eine Vermittlerhaftung also grundsätzlich weiterhin auf Basis des Vermittlungsvertragsstatuts begründet würde, würde man allein strengere Wohlverhaltensregeln des Aufnahmemit‑ gliedstaats anwenden. Wäre beispielsweise ein deutscher Vermittler im Dienst‑ leistungsverkehr in Frankreich aktiv und fände auf seine Rechtsbeziehungen zu Kunden nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO deutsches Recht Anwendung, würde sich seine Haftung zwar aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 63 VVG ergeben, die maßgeblichen Beratungs- und Informationspflichten wären aber dem französi‑ schen Recht zu entnehmen. Der Ansatz scheint zunächst einleuchtend: Angenommen, ein niederlän‑ discher Vermittler wird im Dienstleistungsverkehr in Frankreich tätig und beide Staaten haben strengere Wohlverhaltensregeln erlassen, die sie mit pri‑ vat- und aufsichtsrechtlichen Mitteln durchsetzen: die Niederlande eine voll‑ ständige Provisionsoffenlegungspflicht und Frankreich eine Aufklärungspflicht, ob Makler im letzten Jahr mehr als 33 % ihres Umsatzes mit demselben Ver‑ sicherer erwirtschaftet haben. Aufsichtsrechtlich müsste der Vermittler allein das strengere französische Recht einhalten. Soll es nun möglich sein, dass nach der Rom I‑VO niederländisches Recht inklusive seiner strengeren Wohlverhal‑ tensregeln berufen wird? Das würde dazu führen, dass die französische Auf‑ klärungspflicht zwar aufsichts-, aber nicht privatrechtlich durchgesetzt wird, während der niederländischen Offenlegungspflicht zwar nicht behördlich, aber über Schadensersatzansprüche Wirkung verliehen wird. Ein Gleichlauf von Aufsichts- und Privatrecht hätte gerade für den Vermittler den Vorteil, dass das strengere Recht des Aufnahmestaats einheitlich gelten würde. Andernfalls Bank- und Börsenrecht Rn. VI 272 ff. Freilich stellt Einsele selbst fest, dass in der Regelungs‑ architektur keine ausdrückliche Kollisionsnorm liegt. 493  Einsele, IPRax 2012, 481 (487 f.). 494  Hierzu und zum Folgenden siehe zusammenfassend S. 143 ff.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

würde der Kunde doppelten Schutz genießen: durch strengeres Aufsichtsrecht seines Aufnahmestaats sowie durch strengeres Privatrecht des Herkunftsstaats. Gegebenenfalls könnte es vom Zufall abhängen, ob ein Staat Wohlverhaltens‑ regeln mit behördlichen oder privaten Sanktionen durchsetzt. Trotz dieses scheinbar sinnvollen Gleichlaufs kann der Ansatz jedenfalls bei der IDD nicht überzeugen,495 da ihrer aufsichtsrechtlichen Kompetenzvertei‑ lung schon keine generelle kollisionsrechtliche Aussage zur Anwendung des Herkunfts- oder des Aufnahmestaatenprivatrechts entnommen werden kann. Dass Vermittler bei der Berufsausübung überwiegend an strengeres Aufsichts‑ recht des Aufnahmemitgliedstaats gebunden sind, beruht vor allem darauf, dass der Herkunftsmitgliedstaat eines Vermittlers dessen Grundfreiheiten mit zwin‑ gendem Öffentlichem Recht nur zum Schutz eigener Interessen beschränken darf.496 Damit er seine politischen Wertvorstellungen über hinreichenden Ver‑ sicherungsnehmerschutz nicht dem Aufnahmemitgliedstaat aufdrängt, soll die‑ ser selbst über ein über die IDD hinausgehendes zwingend behördlich durch‑ setzbares Schutzniveau für Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in seinem Staat entscheiden. Die Gefahr, dass der Herkunftsstaat seine politischen Wert‑ vorstellungen anderen Staaten „aufdrängt“, besteht demgegenüber bei privat‑ rechtlichen Regelungen, die international oder national nicht zwingend sind, nicht. Soweit privatrechtlich das dem Vermittler vertraute Recht von der Rom I‑VO berufen wird, mag es in seinem Interesse liegen, dass es Anwendung findet, selbst wenn es strengere Vorgaben als die IDD enthält. Will er einheitlich öffentlich- wie auch privatrechtliche Verhaltensanforderungen des Aufnahme‑ staats beachten, ist es ihm unbenommen, dieses Recht zu wählen. Wählen die Parteien hingegen das Herkunftslandrecht des Vermittlers, ist nicht einzusehen, warum diese parteiautonome Entscheidung im Hinblick auf aufsichtsrechtliche Regelungskompetenzen der IDD verdrängt werden sollte.497

495 Für den Bereich des Finanzmarktrechts ebenfalls mit überzeugenden Argumenten gegen Einseles Vorschlag Lehmann, in: MüKo-BGB, IntFinMarktR Rn. 509 f.: Danach bein‑ halte die Verpflichtung, die aufsichtsrechtliche Regelungskompetenz eines anderen Mitglied‑ staats zu respektieren, keine Pflicht, dessen Recht anzuwenden. Es fehle an einem Rechts‑ anwendungsbefehl (dazu freilich bereits Einsele, IPRax 2012, 481 [490]). Selbst wenn die Wohlverhaltensregeln eines Mitgliedstaats räumlich auf solche Sachverhalte beschränkt wären, in denen der Staat eine Regelungskompetenz besitzt, ließe sich dieser räumlichen Be‑ schränkung kein Rechtsanwendungsbefehl zur Anwendung ausländischen Rechts entnehmen. Allg. gegen einen generellen Vorrang des Aufsichtsrechts jüngst Lehmann, in: Zetzsche/Leh‑ mann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 33 (vgl. allerdings Rn. 61 f. zur MiFID II). Skep‑ tisch auch bereits allg. Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (668). 496  Siehe S. 52 und S. 99. 497  Vgl. zum Finanzmarktrecht Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 62, 97 sowie allg. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 588. Eine andere Frage ist, ob sich zusätzlich zum gewählten Herkunftslandrecht privatrechtliche Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses des Aufnahmestaats durchsetzen; dazu sogleich.



B.  Internationales Privatrecht

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Dass kein Gleichlauf zwischen aufsichtsrechtlicher Regelungskompetenz und IPR bestehen muss, haben ferner bereits die Versicherungs-Richtlinien ge‑ zeigt. Diese enthielten zum Teil neben einer aufsichtsrechtlichen Kompetenz‑ verteilung privatrechtliche Kollisionsnormen.498 Zu Recht hat der BGH es daher abgelehnt, aus einer Richtlinienbestimmung, die die Mitgliedstaaten ver‑ pflichtete, strengeres nationales Recht mit einem Allgemeininteresse zu recht‑ fertigen, Folgen für das IPR herzuleiten.499 Sie sei, so der BGH, allein darauf gerichtet, „das nationale Aufsichts-, Eingriffs- und zwingende Privatrecht einer Kontrolle nach den Maßstäben der primärrechtlich gewährleisteten Dienstleis‑ tungsfreiheit zu unterziehen“500. Am Kollisionsrecht der Versicherungs-Richt‑ linien zeigt sich ferner, dass das IPR häufig deutlich ausdifferenzierter ist als die Verteilung von Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen im Öffent‑ lichen Recht. Das beruht vor allem darauf, dass im europäischen IPR die Par‑ teiautonomie so weit wie möglich geschützt werden soll. Damit verfolgt es je‑ denfalls derzeit noch andere Ziele als das Internationale Aufsichtsrecht, in dem es um die klare Abgrenzung von Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen geht.501 Unmittelbare Auswirkungen sekundärrechtlicher Regelungskompetenzen auf das IPR kommen allenfalls in Betracht, wenn der europäische Gesetzgeber ein striktes Herkunftslandprinzip in dem Sinne einführt, dass Leistungserbringer keinen strengeren Vorgaben als denen ihres Herkunftslands unterliegen. In die‑ sem Fall mag es naheliegen, dass der Schutz nicht dadurch unterlaufen werden soll, dass strengeres Privatrecht anderer Staaten ihre Tätigkeit beschränkt.502 Im Gegensatz dazu übernimmt die IDD im Bereich der Berufsausübung mit ihrem modifizierten Bestimmungslandprinzip im Wesentlichen die grundfreiheitliche 498  Vgl. nur Art. 7 der RL 88/357/EWG sowie Art. 32 der RL 2002/83/EG. Hierzu bzw. zu Vorgängervorschriften Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (669). Zuvor bereits allg. zur „Rollen‑ verteilung zwischen Versicherungsaufsicht und internationalem Versicherungsvertragsrecht“ ders., Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 173-204. 499  BGH, Urt. v. 1.6.2016, IV ZR 80/15, BGHZ 210, 277 (286 ff.) Rn. 37 ff.: Es ging um die Frage, ob Art. 33 der RL 2002/83/EG (Vierte Richtlinie Leben) den Mitgliedstaaten gebie‑ tet, eine Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Rechts des Herkunftsmitgliedstaats eines Ver‑ sicherers vorzusehen, wenn ein Vertrag über einen Makler vermittelt wurde. Der BGH hielt die in der Richtlinie enthaltenen Kollisionsnormen für abschließend. Zum Einfluss des „Her‑ kunftslandprinzips“ der versicherungsaufsichtsrechtlichen Richtlinien auf das (Internationale) Privatrecht auch Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 212 ff.; Sala, Internationales Versicherungs‑ vertragsrecht, S. 126 f. 500  BGH, Urt. v. 1.6.2016, IV ZR 80/15, BGHZ 210, 277 (288 f.) Rn. 41. 501 Vgl. krit. zu einer „vorschnellen Parallelisierung von Internationalem Verwaltungs‑ recht und IPR“ wegen unterschiedlicher Ziele der Rechtsgebiete und der Bedeutung der Par‑ teiinteressen im IPR bereits Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (668). 502  Zur Vereinbarkeit mit den Maximen des traditionellen IPR Thünken, Herkunftsland‑ prinzip, S. 101 ff. Das gilt erst recht, wenn Richtlinien eine zivil- und aufsichtsrechtliche Har‑ monisierung vornehmen (vgl. zur MiFID II auch Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüber‑ schreitende FDL, § 1 Rn. 61 f.).

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Kompetenzverteilung.503 Wenn sich aber aus den Grundfreiheiten keine gene‑ relle kollisionsrechtliche Aussage für das IPR herleiten lässt, muss das auch für Sekundärrecht gelten, das die grundfreiheitliche Kompetenzordnung lediglich aufgreift bzw. präzisiert. Mit anderen Worten: Die Entscheidung der IDD gegen ein generelles Herkunftslandprinzip im Bereich der Berufsausübung beinhaltet nicht zugleich eine privatkollisionsrechtliche Entscheidung dafür, abweichend von der Rom I‑VO ausschließlich privatrechtliche Wohlverhaltensregeln eines Aufnahmemitgliedstaats anzuwenden.

(3)  Zwischenergebnis: kein genereller Gleichlauf aufsichts- und privatrechtlicher Wohlverhaltensregeln Eine Übertragung der im Aufsichtsrecht geltenden grundfreiheitlichen oder se‑ kundärrechtlichen Kompetenzordnung auf das IPR der Versicherungsvermitt‑ lung ist folglich abzulehnen. Ein vollständiger Gleichlauf öffentlichen und pri‑ vaten Kollisionsrechts in Binnenmarktsachverhalten scheidet damit aus.

cc)  Die kollisionsrechtliche Bedeutung der IDD‑Flexibilitätsklauseln im IPR Eine kollisionsrechtliche Aussage lässt sich aber unter Umständen den Flexi‑ bilitätsklauseln der Art. 22 Abs. 2, 3 und 29 Abs. 3 IDD entnehmen, die den Mitgliedstaaten erlauben, strengere Wohlverhaltensregeln einzuführen. Macht ein Aufnahmemitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch, bestimmen die Klauseln: „In diesem Fall müssen diese strengeren nationalen Vorschriften von Versicherungsvertreibern eingehalten werden, einschließlich von denjenigen, die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit tätig werden, wenn sie Versicherungsverträge mit Kunden schließen, die ihren ge‑ wöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat haben oder dort niedergelassen sind“504. In ähnlicher Weise soll Art. 30 Abs. 3 UAbs. 2 IDD die Anwendung des IDD‑Umsetzungsrechts eines Aufnahmemitgliedstaats sicherstellen. Art. 30 Abs. 3 UAbs. 1 IDD erlaubt Mitgliedstaaten nämlich, beim Vertrieb gewisser Versicherungsanlageprodukte ohne Beratung Erleichterungen von den Mindest‑ standards der IDD vorzusehen (execution only-Vertrieb). Macht ein Herkunfts‑ 503 

Siehe S. 144.

504  Art. 22 Abs. 2

UAbs. 3 S. 2 IDD, der wie ein UAbs. 4 zu lesen ist und sich auf den ge‑ samten Abs. 2 bezieht, da mit den „strengeren nationalen Vorschriften“ nicht nur die Bera‑ tungspflicht gemeint sein kann. Bloß sprachlich abweichend Art. 29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD, wo‑ nach die strengeren Vorschriften i. S. d. Art. 29 Abs. 3 IDD von allen Vermittlern einzuhalten sind. Art. 22 Abs. 3 IDD enthält zwar nicht explizit eine derartige Regelung, es ist aber nicht ersichtlich, warum dort nicht dasselbe gelten sollte. Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 IDD betrifft im Übrigen auch Versicherungsvermittler, da sie nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 IDD Versicherungs‑ vertreiber sind. Sie schließen zwar keine Versicherungsverträge mit Kunden. Hierbei handelt es sich allerdings – wie Art. 29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD zeigt – lediglich um eine terminologische Ungenauigkeit.



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mitgliedstaat hiervon wie Deutschland in § 7c Abs. 3 VVG Gebrauch und wer‑ den Vermittler dieses Staates im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr in anderen Staaten tätig, bestimmt Art. 30 Abs. 3 UAbs. 2 IDD, dass die Ver‑ mittler beim Abschluss von Versicherungsverträgen mit Kunden, die ihren ge‑ wöhnlichen Aufenthalt oder ihre Niederlassung in einem Mitgliedstaat haben, der nicht von der Ausnahmeregelung Gebrauch macht, die in diesem Mitglied‑ staat geltenden Vorschriften einhalten müssen. Im Aufsichtsrecht handelt es sich hierbei jeweils um eine „Selbstverständ‑ lichkeit“, da der Aufnahmestaat sein Recht einseitig behördlich durchsetzen kann.505 Auch privatrechtlich ist jedenfalls gegenüber Verbrauchern i. e. S. häu‑ fig das strengere Recht des Aufnahmestaats anwendbar und bleibt sogar von einer Rechtswahl unberührt.506 Insoweit führt bereits die allgemeine Anknüp‑ fung der Rom I‑VO zu dem Ergebnis, das die Flexibilitätsklauseln vorsehen. Gegenüber Unternehmern findet hingegen häufig das Privatrecht des Her‑ kunftsstaats eines Vermittlers Anwendung. Zudem ist es möglich, dass zwar die Kriterien des Dienstleistungsverkehrs i. S. d. IDD erfüllt sind und damit die Flexibilitätsklauseln greifen, der situative Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO aber nicht eröffnet ist.507 Auch in diesem Fall werden Ver‑ sicherungsnehmer nicht durch strengeres Vermittlerprivatrecht des Aufnahme‑ mitgliedstaats geschützt. Soll die Anwendbarkeit bestimmter Verhaltensanforderungen aber nun davon abhängen, ob sie mit öffentlich- oder privatrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden? Wäre das der Fall, würde das Interesse eines Aufnahmemitgliedstaats, Wohlverhaltensregeln effektiv auch mit Mitteln des Privatrechts durchzusetzen, erheblich beeinträchtigt. Das Problem zeigt sich deutlich bei Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass., der Makler dazu verpflichtet, über enge Geschäftsbeziehungen mit Versicherern aufzuklären. Verstößt ein deutscher Makler im Dienstleistungsver‑ kehr gegen diese Pflicht, sollen dann etwa französische Behörden einschreiten können, Versicherungsnehmern aber Schadensersatzansprüche verwehrt wer‑ den, weil die Rom I‑VO das Herkunftslandrecht des Vermittlers beruft? Dieser Widerspruch würde vermieden, könnten die aufgrund der Flexibilitätsklauseln erlassenen Wohlverhaltensregeln eines Aufnahmemitgliedstaats international zwingend auch im Privatrecht durchgesetzt werden.

(1)  Strengere Wohlverhaltensregeln als Eingriffsnormen? Das wäre unter Umständen dadurch möglich, dass man sie als Eingriffsnormen i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO qualifiziert. Dabei handelt es sich um Normen, 505 

Siehe S. 97 f.

506  Hierzu und zum Folgenden siehe 507  Das betrifft bspw. den Fall, dass

zusammenfassend ab S. 251. die Tätigkeit des Vermittlers nur auf einzelne Kun‑ den ausgerichtet ist, nicht aber auf den Aufnahmestaat des Verbrauchers. Gleiches gilt, soweit Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO greift.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

deren Einhaltung ein Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffent‑ lichen Interesses ansieht, dass sie ungeachtet der allgemeinen Kollisionsnormen auf den Vertrag Anwendung finden sollen. Sie setzen sich gegen eine abwei‑ chende objektive oder subjektive Anknüpfung der Rom I‑VO zwingend durch. Ob versicherungsnehmerschützende Verhaltensanforderungen an Versiche‑ rungsvermittler wie Informations- oder Beratungspflichten, die über die Richt‑ linienvorgaben hinausgehen, Eingriffsnormen in diesem Sinne sind, ist bereits zweifelhaft. Wenngleich es zutreffen mag, dass ein Staat individualschützen‑ de Bestimmungen für derart wichtig erachtet, dass er sie (international) zwin‑ gend durchsetzen will, setzt der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO voraus, dass dieser Individualschutz mit einem öffentlichen Interesse in Verbindung steht (z. B. dem Schutz eines Marktes als solchem).508 Informations- und Be‑ ratungspflichten sowie Wohlverhaltensregeln zur Vergütung von Vermittlern bezwecken vorrangig einen individuellen Versicherungsnehmerschutz. Ein öf‑ fentliches Interesse ließe sich allenfalls unter Verweis auf die besondere volks‑ wirtschaftliche Bedeutung von Versicherungsschutz begründen. So besteht ein sozialpolitisches Interesse an hinreichender privater Altersversorgung, die den Bedürfnissen der Kunden gerecht wird. Allgemeine wirtschaftspolitische Be‑ deutung hat auch die effiziente und adäquate Deckung unternehmerischer Ri‑ siken. Versicherungsvermittler spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Das Ziel, Versicherungsnehmer ausreichend zu beraten und Interessenkonflikte zu vermeiden, könnte somit auch im öffentlichen Interesse liegen. Ob gesamtstaat‑ liche Überlegungen strengeren Wohlverhaltensregeln hingegen stets zugrunde liegen, darf bezweifelt werden.509 Ohnehin hat der EuGH in der Rechtssache Unamar klargestellt, dass die international zwingende Durchsetzung einer lex fori, die über einen mindest‑ harmonisierenden Richtlinienstandard hinausgeht, im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten nur ausnahmsweise zulässig ist. Sie setze unter anderem vo‑ raus, dass ein „Gericht substantiiert feststellt, dass der Gesetzgeber des Staates dieses Gerichts es im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie für unerläss‑ lich erachtet hat, […] in der betreffenden Rechtsordnung einen Schutz zu ge‑ währen, der über den in der […] Richtlinie vorgesehenen hinausgeht“510. Die bloße Feststellung, dass Vorschriften dem Schutz eines nationalen Allgemein‑ interesses dienen und daher eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfer‑ 508 Vgl.

nur BGH, Urt. v. 13.12.2005, XI ZR 82/05, BGHZ 165, 248 (257). Ausf. m. w. N. Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 13 ff. Möglicherweise weitergehend EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956 (958) Rn. 50 (hierzu Lüttringhaus, IPRax 2014, 146 [148]). Zur Diskussion siehe nunmehr auch v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 (34 ff.). 509 Vgl. zur Diskussion, inwieweit versicherungsnehmerschützendes Vertragsrecht Ein‑ griffsnormcharakter hat, ausf. m.  w.  N. Sala, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 367 ff. 510  EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956 (959) Rn. 52.



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tigen, genügt hierfür nicht.511 Da der europäische Gesetzgeber auch mit min‑ destharmonisierenden Richtlinien ein in der Regel akzeptables Schutzniveau festlegt, kommt die international zwingende Durchsetzung einer Schutzverstär‑ kung in Binnenmarktsachverhalten „nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen in Betracht“512. Hierbei entscheiden die Mitgliedstaaten grundsätzlich selbst, ob sie einer Schutzverstärkung Eingriffsnormcharakter zuweisen.513 Vor diesem Hintergrund ist es fernliegend, dass der europäische Gesetzgeber den Staaten diese Entscheidung in den Flexibilitätsklauseln der IDD abnimmt und vorgibt bzw. unterstellt, dass sie ihr strengeres nationales Recht als „unerlässlich“ für den Schutz der Versicherungsnehmer ansehen. Schließlich ermöglicht Art. 9 Abs. 2 Rom I‑VO mitgliedstaatlichen Gerich‑ ten ohnehin nur, das Eingriffsrecht ihres eigenen Staates anzuwenden. For‑ umfremde Eingriffsnormen dürfen Gerichte nach Art. 9 Abs. 3 Rom I‑VO nur durchsetzen, wenn es sich um Vorschriften des Erfüllungsorts handelt, die die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen. Diese Voraussetzungen er‑ füllen Wohlverhaltensregeln im Bereich der Versicherungsvermittlung in der Regel nicht, da die Verletzung von Beratungs- oder Informationspflichten meist nur (sekundäre) Schadensersatzansprüche begründet, nicht aber die Erfüllung des Vermittlungsvertrags unrechtmäßig macht.514 Die Anwendung strengerer Wohlverhaltensregeln eines Aufnahmemitgliedstaats über Art. 9 Rom I‑VO wäre also ohnehin nur möglich, soweit ein Rechtsstreit in diesem Staat geführt wird. Würde eine Klage hingegen im Herkunftsstaat des Vermittlers anhängig, wäre die Vorgabe der Flexibilitätsklauseln, dass strengeres Aufnahmestaaten‑ recht auf Vermittler Anwendung findet, durch Art. 9 Rom I‑VO nicht immer zu erreichen. Die engen Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 3 Rom I‑VO können auch nicht dadurch umgangen werden, dass man mitgliedstaatliche Gerichte nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) für verpflich‑ tet hält, Eingriffsnormen anderer Mitgliedstaaten anzuwenden.515 Demnach könnten Gerichte des Herkunftsmitgliedstaats eines Vermittlers ausländische 511 Ebenso Mankowski, EWiR 2014, 11 (12), wonach die Kontrolle an den Grundfreihei‑ ten „nur ein Ausschnitt aus der nötigen Eingrenzung“ sei. 512  Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 43. Siehe auch Staudinger, in: Fer‑ rari, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 16. 513  Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956 (958) Rn. 47, 50; Schacherreiter/Thiede, ÖJZ 2015, 598 (603); Schilling, ZEuP 2014, 845 (847). 514  Ebenso im Finanzmarktrecht Einsele, IPRax 2012, 481 (485 f.); Lehmann, in: Zetz‑ sche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 37, 59. Vgl. zur Diskussion m. w. N. auch Maultzsch, in: BeckOGK, Art. 9 Rom I‑VO (1.3.2019) Rn. 124, 128 sowie allg. bereits Roth, in: FS Kühne, S. 859 (875 f.). 515  EuGH, Urt. v. 18.10.2016, Rs. C-135/15, NJW 2017, 141 (143 f.) Rn. 54. Zur vorhe‑ rigen Diskussion m. w. N. Sala, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 394 f. Allg. zur Problematik der Anwendung forumfremder Eingriffsnormen v. Bar/Mankowski, IPR I, § 4 Rn. 104 ff.; v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 (45 ff.).

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Wohlverhaltensregeln nicht anwenden. Ob den auf Basis der Flexibilitätsklau‑ seln erlassenen Wohlverhaltensregeln Wirkung verliehen wird, sollte aber nicht vom Gerichtsstand abhängen. Es käme sonst zu forum shopping, das durch die Koordinierung auf europäischer Ebene gerade vermieden werden soll. Somit bedeuten die Flexibilitätsklauseln der IDD nicht, dass schutzverstärkendes na‑ tionales Recht eines Aufnahmemitgliedstaats als Eingriffsnorm durchgesetzt werden soll.

(2)  Flexibilitätsklauseln als Sonderkollisionsrecht zur Berufung strengeren Aufnahmestaatenrechts Es könnte sich bei den erwähnten Klauseln vielmehr um privates Sonderkol‑ lisionsrecht i. S. d. Art. 23 Rom I‑VO handeln, das von Gerichten aller Mit‑ gliedstaaten zu beachten ist. Diese Bestimmung geht Art. 9 Rom I‑VO ohnehin vor516 und findet lediglich im Anwendungsbereich des Art. 7 Rom I‑VO keine Anwendung.517 Nach ihr berührt die Rom I‑VO nicht die Anwendung von Vor‑ schriften des Gemeinschaftsrechts, d. h. auch europäischer Richtlinien, die für besondere Bereiche Kollisionsnormen enthalten.

(a)  Rechtsanwendungsbefehl für das Privatrecht? Über Art. 23 Rom I‑VO finden also ergänzend bzw. vorrangig diejenigen Richt‑ linienbestimmungen bzw. deren Umsetzungsvorschriften Berücksichtigung, die für bestimmte grenzüberschreitende Sachverhalte einen Rechtsanwendungs‑ befehl für das Privatrecht aussprechen. Einen solchen kann man den Flexibi‑ litätsklauseln der IDD entnehmen. Sie sehen vor, dass Versicherungsvermitt‑ ler im grenzüberschreitenden Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr bestimmte Vorschriften „einhalten“ müssen, dass diese also anwendbar sind. Dieser Rechtsanwendungsbefehl beschränkt sich dem Wortlaut nach auch nicht auf das Aufsichtsrecht. Zwar ermächtigen die Klauseln die Mitgliedstaaten zum Teil, Pflichten „verbindlich vor[zu]schreiben“, d. h. einseitig durchzusetzen.518 Sie erklären zudem keine (Privat-)Rechtsordnung explizit für „anwendbar“, sondern verpflichten Vermittler lediglich zur „Einhaltung“ der Wohlverhaltens‑ regeln des Aufnahmemitgliedstaats. Daraus zu folgern, dass die Flexibilitäts‑ klauseln sich allein auf behördlich durchsetzbare Vorschriften beziehen, über‑ zeugt jedoch nicht.519 516  Siehe nur Roth, IPRax 2018, 177 (181). 517  Da lediglich das Versicherungsvertragsverhältnis

unter Art. 7 Rom I‑VO fällt (siehe S. 160 ff.), ist Art. 23 Rom I‑VO in den übrigen Vermittlungsrechtsverhältnissen zu beachten. 518  Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 IDD; ähnlich Art. 29 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 und 3 IDD. 519 Unklar Gruber, ZFR 2016, 211 (216) Fn. 54, der lediglich meint, dass die Flexibilitäts‑ klauseln eine „Selbstverständlichkeit des Binnenmarktes“ darstellen. Das kann jedenfalls nur für das Aufsichtsrecht gelten (S. 97 f.). Eine mögliche Bedeutung für das IPR scheint Gruber nicht in Erwägung zu ziehen.



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Dagegen spricht zum einen schon, dass die IDD die Mindestharmonisierung nicht nur aus öffentlich-rechtlicher Sicht vornimmt, sondern auch eine Umset‑ zung im Privatrecht erfordert.520 Es handelt sich also nicht nur um eine auf‑ sichtsrechtliche Richtlinie. Dementsprechend müssen sich auch etwaige Kol‑ lisionsnormen nicht nur auf das Verwaltungsrecht beziehen. Deutlich wird das unter anderem bei Art. 29 Abs. 3 UAbs. 2 IDD, der Mitgliedstaaten ermächtigt, ein Provisionsverbot einzuführen und Vermittler zu verpflichten, verbotswidrig erhaltene Provisionen an Kunden zurückzugeben. Führt ein Aufnahmemitglied‑ staat eine solche Regelung ein, gelten die „strengeren Anforderungen“ nach Unterabsatz 5 auch für Vermittler im Dienstleistungs- und Niederlassungsver‑ kehr. Wenngleich sich die Herausgabe verbotswidrig erhaltener Provisionen mit behördlichen Mitteln durchsetzen ließe, ist es doch wahrscheinlicher, dass Mit‑ gliedstaaten Kunden Herausgabeansprüche gewähren. Dann ist aber kein Grund ersichtlich, warum diese nicht auch nach Art. 29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD gegenüber ausländischen Vermittlern im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr An‑ wendung finden sollen. Zum anderen differenziert der EuGH beispielsweise im Datenschutzrecht nicht zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Kollisionsnormen.521 So muss‑ te er in einem Verbandsklageverfahren das zur Beurteilung von AGB‑Klauseln maßgebliche private Datenschutzrecht bestimmen und hielt wie das vorlegende Gericht Art. 4 Abs. 1 der RL 95/46/EG522 für anwendbar.523 Diese Vorschrift bestimmt, welcher Mitgliedstaat seine zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen Vorschriften anwendet. Hieraus wurde in der deutschen Literatur zum Teil ge‑ schlossen, die Anwendungsbestimmung beziehe sich allein auf das Öffentliche Recht; soweit es um das auf private Rechtsbeziehungen anwendbare Daten‑ schutzrecht gehe, seien die allgemeinen Regeln der Rom-Verordnungen ein‑ schlägig.524 Dem ist schon der Generalanwalt entgegengetreten und hat Art. 4 der RL 95/46/EG als Sonderkollisionsrecht i. S. v. Art. 27 Rom II- bzw. Art. 23 Rom I‑VO angesehen.525 Auch bei den Flexibilitätsklauseln der IDD ist kein Grund ersichtlich, warum sie nicht auch für die Rechtsbeziehungen zwischen Vermittlern und Kunden gelten sollen. Allerdings bedürfen die Klauseln zweier Präzisierungen, um als Kollisionsnormen angewendet zu werden: Erstens führen sie analog Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO nur dann zwingend zur Anwendung des strengeren 520 

Siehe ausf. S. 148 ff.

521  Hierzu ausf. Müller, EuCML 2016, 215 522 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen

(217 f.). Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. 523  EuGH, Urt. v. 28.7.2016, Rs. C-191/15, NJW 2016, 2727 (2730 f.) Rn. 72 ff. 524  Steinrötter, EWS 2015, 83 ff. m. w. N. in Fn. 70. 525 GA Saugmandsgaard, Schlussanträge v. 2.6.2016, Rs.  C-191/15 Rn. 108. Ebenso Maultzsch, in: BeckOGK, Art. 9 Rom I‑VO (1.3.2019) Rn. 271.

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Rechts des Aufnahmemitgliedstaats, wenn von diesem nach nationalem Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Zum Teil (wie bei Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 IDD) ergibt sich das bereits daraus, dass der Staat die Vor‑ gaben „verbindlich vorschreiben“ muss. Zweitens kann man der Wertung des Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 IDD sowie Art. 7 Abs. 2 Rom I‑VO entnehmen, dass die international zwingende Anwendung strengeren Aufnahmestaatenrechts nicht bei der Vermittlung von Versicherungen zur Deckung von Großrisiken gilt. Meist ergibt sich das freilich bereits daraus, dass die Schutzvorschriften in die‑ sem Bereich schon national nicht zwingend sind. Klarzustellen ist schließlich, dass die Klauseln im Verhältnis zwischen Vermittlern und Kunden nicht gene‑ rell zur Anwendung des Aufnahmestaatenprivatrechts führen. Vielmehr werden lediglich die auf Basis der Flexibilitätsklauseln erlassenen strengeren Wohl‑ verhaltensregeln zwingend gegen eine abweichende objektive oder subjekti‑ ve Anknüpfung der Rom I‑VO durchgesetzt. Das betrifft vor allem strengere Informations- und Beratungspflichten sowie Wohlverhaltensregeln im Zusam‑ menhang mit der Vergütung der Vermittler. Berufen werden auch die dazuge‑ hörigen Rechtsfolgenregelungen des Aufnahmestaats. Dieser entscheidet also, ob aus der Verletzung einer Wohlverhaltenspflicht ein Schadensersatzanspruch resultiert oder ob dem Kunden andere Rechte zustehen.526

(b)  Verdrängung des Herkunftslandrechts? Werden über die IDD hinausgehende Vermittlerpflichten eines Aufnahmemit‑ gliedstaats rechtswahlfest durch die Flexibilitätsklauseln der IDD zur Anwen‑ dung gebracht, stellt sich die Frage, ob dadurch zugleich diejenigen strengeren Wohlverhaltensregeln des Herkunftsstaats verdrängt werden, die nach der Re‑ gelanknüpfung der Art. 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO für anwendbar er‑ klärt werden. Wäre das der Fall, ließe sich letztlich doch in weitem Maße die aufsichtsrechtliche Kompetenzverteilung auch im Privatrecht realisieren. An‑ dernfalls käme es zu einer Art Günstigkeitsprinzip: Kunden wären durch stren‑ geres Privatrecht ihres Aufnahmestaats und gegebenenfalls durch Herkunfts‑ landrecht geschützt („law mix“)527. Für ein Günstigkeitsprinzip spricht, dass sich den Flexibilitätsklauseln kein Befehl entnehmen lässt, strengeres Privatrecht des Herkunftsstaats nicht an‑ zuwenden. Vor allem bei entsprechender Rechtswahl ist kein Grund ersichtlich, diese parteiautonome Entscheidung nicht zu respektieren.528 Der Herkunfts‑ 526  Andernfalls würden Gerichte Verhaltensregeln in einer Weise anwenden, die weder der Herkunfts- noch der Aufnahmemitgliedstaat vorsieht, bspw. wenn man bei § 280 Abs. 1 BGB ausländische Wohlverhaltensregeln anwenden würde, obwohl deren Verletzung nach auslän‑ dischem Recht nur Unterlassungsansprüche begründet. 527  Zu diesem Effekt bei Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO siehe S. 230. 528  Ähnlich wohl allg. Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 62.



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staat drängt dem Aufnahmestaat seine politischen Vorstellungen schon nicht auf, sondern stellt lediglich ein Privatrecht zur Verfügung, das er für gerecht hält. Da die Parteien unproblematisch das Recht des Aufnahmestaats wählen könnten, würde das Herkunftslandprivatrecht Grundfreiheiten auch nicht be‑ schränken.529 Soweit beide Rechtsordnungen sich widersprechen, kann man den strengeren Wohlverhaltensregeln des Aufnahmestaats Vorrang einräumen. Verbietet dieser beispielsweise die Annahme von Provisionen, während der Herkunftsstaat derartige Zuwendungen erlaubt, verdrängt das Provisionsverbot insoweit abweichendes Privatrecht des Herkunftsstaats. Mit der Berufung strengerer Wohlverhaltensregeln des Aufnahmemitglied‑ staats erklärt die IDD somit nicht solche des Herkunftsmitgliedstaats für un‑ anwendbar. Diesbezüglich gelten die allgemeinen Regeln der Rom I‑VO. Da‑ durch führen die Flexibilitätsklauseln zu einem dem Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO vergleichbaren Schutz. Wollen Vermittler die Anwendung mehrerer Rechtsord‑ nungen vermeiden, sollten sie mit ihren Kunden deren Recht wählen.

(c)  Umkehrschluss für andere Sachverhalte? Bislang wurde lediglich der Fall erörtert, dass die IDD dem Aufnahmemitglied‑ staat eine Regelungskompetenz zuweist, weil die Tätigkeit des Vermittlers die Kriterien des Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehrs erfüllt, aber die Rom I‑VO das Privatrecht des Herkunftsmitgliedstaats beruft. Umgekehrt kann es vorkommen, dass Verbraucher nach Art. 6 Rom I‑VO durch die Anwendung des ihnen vertrauten Rechts geschützt sind, während die Kriterien des Dienst‑ leistungsverkehrs i. S. d. IDD nicht erfüllt sind, so z. B., wenn ein deutscher Vermittler sich bewusst an Verbraucher in Frankreich wendet, um ihnen Ge‑ bäudeversicherungspolicen für Ferienhäuser in Deutschland zu vermitteln. Hier müsste der Vermittler weder das Notifikationsverfahren noch französisches Aufsichtsrecht einhalten.530 Empfängt ein Verbraucher aber derartige Leistun‑ gen in Frankreich, wären nach Art. 6 Abs. 1 und 2 Rom I‑VO gleichwohl je‑ denfalls zwingende französische Wohlverhaltensregeln anwendbar. Das könnte man als Widerspruch ansehen, da die IDD in diesen Fällen den Aufnahmemit‑ gliedstaaten keine Regelungskompetenz zuweist und die Flexibilitätsklauseln keine Anwendbarkeit des Rechts dieses Staats vorsehen. Gleichwohl kann man der IDD keinen Rechtsanwendungsbefehl entnehmen, der Art. 6 Rom I‑VO insoweit verdrängt. Dass die IDD dem Aufnahmemitglied‑ 529  Vgl. EuGH, Urt. v. 24.1.1991, Rs. C-339/89, Slg. 1991, I-107 Rn. 15 sowie ausf. unten S. 276. Etwas anderes würde lediglich gelten, wenn Herkunftslandrecht nicht aufgrund der Regelanknüpfung der Art. 3 ff. Rom I‑VO, sondern zwingend als Eingriffsrecht (Art. 9 Rom I‑VO) durchgesetzt würde. In diesem Fall müsste der Herkunftsstaat die Anwendung seines strengeren Privatrechts mit dem Schutz eigener Interessen (d. h. nicht generell mit dem Schutz ausländischer Kunden) rechtfertigen. 530  Das Risiko ist nämlich im Herkunftsstaat belegen (dazu S. 70 ff.).

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

staat in diesen Fällen keine Regelungskompetenz gewährt, beruht im Wesentli‑ chen darauf, dass nicht jeder grenzüberschreitende Bezug Vermittler verpflich‑ ten soll, das Notifikationsverfahren einzuleiten. Bei hinreichendem Bezug zu seinem Herkunftsstaat soll der Vermittler weiterhin von diesen Behörden be‑ aufsichtigt werden. Es ging somit um die Verhinderung bürokratischer Hür‑ den.531 Dieser aufsichtsrechtliche Zweck kann im IPR nicht herangezogen wer‑ den. Mit anderen Worten: Die Freistellung vom Notifikationsverfahren und einer ausländischen Aufsicht beinhaltet nicht automatisch die Freistellung von ausländischem Privatrecht. Hier sollte es bei Art. 6 Rom I‑VO bleiben. Frei‑ lich beinhalten derartige Fälle ein besonderes Haftungsrisiko, weil Vermittler dem Aufsichtsrecht ihres Herkunftsstaats unterliegen, während ihre privatrecht‑ lichen Verhaltensanforderungen der Rechtsordnung eines anderen Staates ent‑ nommen werden.

(d)  Sonderkollisionsrechtliche Aussagen der Flexibilitätsklauseln und ihre Primärrechtskonformität Den Flexibilitätsklauseln lässt sich damit folgender Rechtsanwendungsbefehl entnehmen: Ist ein Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsver‑ kehr i. S. d. IDD tätig, ist zwingendem strengerem Privatrecht des Aufnahme‑ mitgliedstaats, das auf Basis der Flexibilitätsklauseln erlassen wurde, in allen Mitgliedstaaten unabhängig von der objektiven oder subjektiven Anknüpfung der Rom I‑VO Geltung zu verschaffen, soweit sich eine Vermittlungstätigkeit nicht auf Großrisiken bezieht.532 Die Flexibilitätsklauseln beinhalten rechts‑ wahlfeste mehrseitige Kollisionsnormen, die Versicherungsnehmer (und nicht nur Verbraucher i. e. S.) in einer den Art. 3 Abs. 3; 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO ver‑ gleichbaren Weise schützen. Dieser Befund lässt sich systematisch ohne Proble‑ me in die allgemeinen Wertungen des Internationalen Versicherungsvertrags‑ rechts einfügen. Auch Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO schützt Unternehmer jenseits der Versicherung von Großrisiken im Verhältnis zum Versicherer. Die Flexibi‑ litätsklauseln erstrecken diesen Schutz lediglich auf das Rechtsverhältnis zum Vermittler. Ferner werden die Einschränkungen des allgemeinen Verbraucher‑ schutzes in Art. 6 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 lit. a Rom I‑VO dadurch beseitigt, dass nach der IDD die Initiative des Vermittlers zur Betreuung eines Versicherungs‑ nehmers mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Staat genügt, soweit keine Risiken versichert werden sollen, die im Herkunftsstaat des Vermittlers belegen sind. Angesichts der rechtswahlfesten Berufung strengeren nationalen Rechts eines Aufnahmemitgliedstaats könnte man annehmen, die Sonderkollisions‑ 531  532 

Vgl. CEIOPS, CEIOPS‑DOC-15/07, S. 3, 5. In ähnlicher Weise setzt sich bei Art. 30 Abs. 3 UAbs. 2 IDD das Umsetzungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats gegen milderes Herkunftslandrecht durch (hierzu S. 260).



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normen beschränkten bereits aus sich heraus – ohne Berücksichtigung der von ihnen berufenen Wohlverhaltensregeln – die Grundfreiheiten der Versiche‑ rungsvermittler.533 Ob Kollisionsnormen des IPR die Wahrnehmung der Grund‑ freiheiten tatsächlich weniger attraktiv machen können und daher mit zwingen‑ den Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden müssen, ist höchst umstritten.534 Die Frage bedarf keiner allgemeinen Erörterung, wenn sich die Sonderkollisionsnormen der IDD mit einem Allgemeininteresse rechtfertigen lassen. Als solches hat der EuGH den Versicherungsnehmerschutz und damit auch den Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen anerkannt.535 Zur Verwirk‑ lichung dieses Schutzes sind die rechtswahlfesten Kollisionsnormen auch erfor‑ derlich. So wie Versicherungsnehmer gegenüber Versicherern kollisionsrecht‑ lich besonders schutzbedürftig sind, weil sie in Versicherungsangelegenheiten typischerweise unerfahren sind, haben sie auch vor Abschluss eines Versiche‑ rungsvertrags ein Interesse daran, dass ein ihnen vertrautes Vermittlerprivat‑ recht Anwendung findet. Da Vermittler rechtlich erfahrener sind, ist ihnen zu‑ zumuten, ihr Verhalten an ausländisches Privatrecht anzupassen. Hieran hat schließlich auch ein Aufnahmemitgliedstaat ein erhebliches Interesse: Er will in der Regel gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle in seinem Staat tätigen Vermittler etablieren. Dadurch sollen „seine“ Versicherungsnehmer zugleich einen zwingenden Schutz nicht nur gegenüber inländischen, sondern auch ge‑ genüber ausländischen Vermittlern genießen. Diese zwingende Anwendung des Aufnahmestaatenprivatrechts behindert als solche grenzüberschreitende Tätig‑ keiten zudem nicht in besonderem Maße: Zum einen sind Vermittler ohnehin an strengeres Vermittleraufsichtsrecht eines Aufnahmemitgliedstaats gebunden; dass Wohlverhaltensregeln gegebenenfalls zusätzlich mit privatrechtlichen Mit‑ 533  Dass die Kollisionsnormen selbst europarechtlichen Ursprungs sind, hindert eine Prü‑ fung am Maßstab der Grundfreiheiten nicht, da Sekundärrecht wie die IDD am höherrangigen Primärrecht zu messen ist (vgl. nur EuGH, Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-51/93, Slg. 1994, I-3879 Rn. 11; Urt. v. 17.5.1984, Rs. 15/83, Slg. 1984, 2171 Rn. 15). 534  Einige sehen Rechtswahlbegrenzungen stets als Beschränkung von Grundfreiheiten an: Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 244 ff.; Freitag, Produkthaftungsrecht, S. 369 f.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht, S. 191, 212 f.; Richters, Dienstleistungsfreiheit, S. 79; Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (652); v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 43 ff.; bereichsspe‑ zifisch auch Körber, Grundfreiheiten, S. 442 ff., 485 ff. Andere sehen ausschließlich die sach‑ rechtliche Regelung (ggf. i. V. m. Kollisionsrecht) als Gegenstand der Grundfreiheitenprüfung an: Fetsch, Eingriffsnormen, S. 127; Kropholler, IPR, § 10 I 2; Sonnenberger, ZVglRWiss 95 (1996), 3 (22 f.); Steindorff, EG‑Vertrag, S. 83. Gegen eine beschränkende Wirkung der Fle‑ xibilitätsklauseln der IDD spricht schon, dass strengeres nationales Recht nach Art. 11 Abs. 1 IDD veröffentlicht werden muss. Beschränkend wirkt also nicht die Anwendbarkeit auslän‑ dischen Rechts als solche, sondern die sachrechtlich zur Anwendung berufene Wohlverhal‑ tensregel. 535  EuGH, Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755 Rn. 30, 39. Krit. Drasch, Her‑ kunftslandprinzip, S. 277 ff. Hiergegen wieder Körber, Grundfreiheiten, S. 507; Richters, Dienstleistungsfreiheit, S. 100 ff.; Sala, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S. 429 f.

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teln durchgesetzt werden, stellt keine erhebliche Mehrbelastung dar. Zum ande‑ ren können sich Vermittler über die Vorschriften zum Schutz des Allgemeininte‑ resses informieren, weil sie nach Art. 11 IDD veröffentlicht werden müssen. Es ist daher in erster Linie die sachrechtliche Regelung des Vermittlerprivatrechts, die die Grundfreiheiten beschränkt.536 Selbst wenn die Sonderkollisionsnormen der IDD eine beschränkende Wir‑ kung hätten, würden sie nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Zum einen verbieten sie Vermittlern schon nicht generell eine Rechtswahl, son‑ dern setzen nur bestimmte Schutzvorschriften eines Aufnahmestaats zwingend durch.537 Zum anderen schützen sie keine „aktiven Versicherungsnehmer“, die sich auf eigene Initiative an ausländische Vermittler wenden, die ihre Absicht zur Dienstleistungstätigkeit i. S. d. IDD nicht angezeigt haben.538 In den übri‑ gen Fällen erscheint es geboten, das Vertrauen der Versicherungsnehmer an der Anwendung des ihnen bekannten Vermittlerrechts zu schützen und den Auf‑ nahmestaaten zu ermöglichen, nationale Besonderheiten ihrer Versicherungs‑ märkte zu berücksichtigen. Schließlich ist zu beachten, dass der EuGH dem Sekundärrechtsgeber bislang ein weites Ermessen bei der Ausgestaltung des Binnenmarkts zugestanden hat.539 Hier mag die zwingende Anwendung des den Versicherungsnehmern vertrauten Rechts ihre Bereitschaft erhöhen, die Dienste ausländischer Vermittler in Anspruch zu nehmen, und so grenzüberschreitende Geschäfte sogar noch fördern. Die rechtswahlfeste Berufung strengerer Wohl‑ verhaltensregeln des Aufnahmemitgliedstaats durch die Flexibilitätsklauseln der IDD hat somit auch vor dem Primärrecht Bestand.

(e)  Anwendung oder Berücksichtigung strengeren Vermittlerprivatrechts bei fehlender Umsetzung der Flexibilitätsklauseln Problematisch ist jedoch, dass die Rechtsanwendungsregeln der Flexibili‑ tätsklauseln in Deutschland nicht umgesetzt wurden. Vermutlich hielt man ihre Aussagen aus aufsichtsrechtlicher Perspektive für selbstverständlich. Es ist daher fraglich, ob deutsche Richter Wohlverhaltensregeln ausländischen Rechts, die auf Basis der Flexibilitätsklauseln erlassen wurden, entgegen dem Verweisungsbefehl der Rom I‑VO anwenden dürfen. Verbietet beispielsweise 536  Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit strengeren Vermittlerprivatrechts siehe S. 276. 537  Anders Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO. Aufgrund dessen hielt Drasch, Herkunftslandprinzip,

S. 275 f. die entsprechenden Vorgängerregelungen für unverhältnismäßig; vgl. auch Roth, Ra‑ belsZ 55 (1991), 623 (657). Anders Richters, Dienstleistungsfreiheit, S. 103 f.; Sala, Interna‑ tionales Versicherungsvertragsrecht, S. 433 f. 538 In diesen Fällen sind Vermittler nämlich nicht im Dienstleistungsverkehr aktiv (S. 73). Anders Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO, der auch aktiven Kunden kollisionsrechtlichen Schutz „aufdrängt“, weshalb Drasch, Herkunftslandprinzip, S. 268 ff.; Richters, Dienstleis‑ tungsfreiheit, S. 104 f.; Roth, VersR 1993, 129 (137) und Sala, Internationales Versicherungs‑ vertragsrecht, S. 434 ff. die Rechtswahlbeschränkungen für unverhältnismäßig halten. 539 Ausf. Teichmann, in: FS Scheuing, S. 735 ff.



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ein Aufnahmemitgliedstaat die Annahme von Provisionen, aber findet auf den Vermittlungsvertrag deutsches Recht Anwendung, müsste ein deutscher Richter entscheiden, ob Makler angesichts des ausländischen Rechts zur Herausgabe erhaltener Zuwendungen verpflichtet sind. Das hängt zunächst davon ab, ob das Richtlinienkollisionsrecht der IDD im Privatrechtsstreit unmittelbar anwendbar ist. Gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV gilt grundsätzlich auch bei kollisionsrechtlichen Richtlinienvorgaben, dass sie an die Mitgliedstaaten gerichtet sind und damit zwischen Privatrechtssub‑ jekten keine unmittelbare horizontale Direktwirkung haben.540 Es entspricht daher der ganz überwiegenden Auffassung, dass nicht das Richtlinienkollisi‑ onsrecht als solches den Regelungen der Rom I‑VO vorgeht, sondern das na‑ tionale Umsetzungsrecht.541 Ein anderes Ergebnis ließe sich nur mit dem Argu‑ ment vertreten, Art. 23 Rom I‑VO „inkorporiere“ die Kollisionsnormen anderer Gemeinschaftsrechtsakte und mache sie damit zu unmittelbar anwendbarem Verordnungsrecht. Das allerdings war nicht die Intention des Gesetzgebers. Man verwies vielmehr auf Art. 20 EVÜ542, der klarstellend auf das nationa‑ le Umsetzungsrecht hinwies.543 Schon der Bericht von Giuliano und Lagarde über das EVÜ erklärte, dass damit „[d]ie von einem Staat zur Umsetzung einer Gemeinschaftsrichtlinie erlassene Rechts- oder Verwaltungsvorschrift […] ge‑ wissermaßen Gemeinschaftscharakter [hat], was ihren Vorrang über das vorlie‑ gende Übereinkommen begründet“544. Hätte der Gesetzgeber von diesem pri‑ märrechtlichen Grundsatz bei der Rom I‑VO abweichen wollen, hätte er das deutlich machen müssen. Inwieweit deutsche Gerichte gleichwohl strengere Wohlverhaltensregeln eines Aufnahmemitgliedstaats anwenden bzw. berücksichtigen dürfen, um dem Regelungsgehalt der IDD‑Flexibilitätsklauseln in richtlinienkonformer Weise gerecht zu werden, hängt davon ab, ob Kunden ihren gewöhnlichen Aufent‑ halt in Deutschland haben oder im Ausland: Ist Deutschland der Aufnahmemit‑ gliedstaat, geht es darum, ob deutsche Gerichte strengere Wohlverhaltensregeln der lex fori anwenden dürfen. Dies wäre zum einen durch eine großzügige An‑ 540 

BGH, Urt. v. 19.3.1997, VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 (138 f.); Drasch, Herkunfts‑ landprinzip, S. 225; v. Hein, in: MüKo-BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 75; Kegel/Schurig, IPR, § 1 IV, S. 14. Allg. zur Direktwirkung von Richtlinien zwischen Privaten nur Heiderhoff, Euro‑ päisches Privatrecht, Rn. 88 ff. 541  v. Hein, in: MüKo-BGB, Art. 3 EGBGB Rn. 75; Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 (314 f.); Schulze, in: BeckOGK, Art. 3 EGBGB (1.9.2018) Rn. 90 sowie Art. 23 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 17; Staudinger, in: Hk-BGB, Art. 23 Rom I‑VO Rn. 1; ebenso Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 23 Rom I‑VO Rn. 21, wenngleich er davon spricht, es komme nicht darauf an, ob die Kollisionsnorm einer Richtlinie angehöre und erst noch umgesetzt werden müsse (Rn. 15). 542  Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 (konsolidierte Fassung), ABl. C 27 v. 26.1.1998, S. 34. 543  Kommission, KOM(2005) 650 endg., S. 10. 544  Giuliano/Lagarde, Bericht, ABl. C 282 v. 31.10.1980, S. 1 (39).

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wendung des Art. 9 Abs. 2 Rom I‑VO möglich. Zum anderen könnte man in das strengere Vermittlerprivatrecht eine versteckte vorgeschaltete Kollisionsnorm hineinlesen, mit der der Regelungsgehalt der Flexibilitätsklauseln übernommen wird. Die Frage hat praktisch keine Bedeutung, da das deutsche Vermittlerpri‑ vatrecht nur in begrenztem Maße über die IDD hinausgeht.545 Soweit Kunden hingegen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und sich vor deut‑ schen Gerichten auf die Anwendbarkeit ausländischer Wohlverhaltensregeln berufen, fehlt eine in Deutschland anwendbare Kollisionsnorm, die Richtern die Anwendung dieser Bestimmungen erlaubt. Um den Richtlinienvorgaben gleichwohl gerecht zu werden, sollten deutsche Gerichte ausländische Wohl‑ verhaltensregeln daher – soweit methodisch vertretbar – auf materiell-recht‑ licher Ebene berücksichtigen.546 Verbietet ein Aufnahmestaat deutschen Vermittlern beispielsweise die An‑ nahme von Provisionen und gewährt er Kunden einen Anspruch auf Heraus‑ gabe verbotswidrig erlangter Zuwendungen, lässt sich dieses Ergebnis im deut‑ schen Recht durch Anwendung des § 667 BGB verwirklichen. Danach hat der Vermittler alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, an den Kunden he‑ rauszugeben. Nach deutschem Recht muss ein Vermittler Provisionen von Ver‑ sicherern zwar nicht herausgeben, weil die Parteien üblicherweise (konkludent) Abweichendes vereinbaren. Hiervon kann man allerdings nicht automatisch ausgehen, wenn auf dem ausländischen Markt, in dem der Vermittler tätig wird, die Annahme von Zuwendungen durch Versicherer verboten ist. Treffen Ver‑ mittler gleichwohl abweichende Vereinbarungen, können diese in Deutschland nach § 138 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung des ausländischen Rechts als unwirksam angesehen werden.547 So würde auch in Deutschland der Vorgabe des Art. 29 Abs. 3 UAbs. 2 und 5 IDD entsprochen, wonach ein Provisionsver‑ bot des Aufnahmemitgliedstaats auch gegenüber deutschen Vermittlern durch‑ zusetzen ist.

545 

Zu § 61 VVG und zum Sondervergütungsverbot siehe S. 277 ff. Abs. 3 Rom I‑VO steht einer materiell-rechtlichen Berücksichtigung von Be‑ stimmungen eines forumfremden Staats als „tatsächliche Umstände“ nicht entgegen (EuGH, Urt. v. 18.10.2016, Rs. C-135/15, NJW 2017, 141 [143] Rn. 50–52). Allg. zur Pflicht der mit‑ gliedstaatlichen Gerichte, Richtlinienvorgaben zu berücksichtigen, Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 123 ff. 547  Ausländisches Recht kann nach überwiegender Auffassung ohne kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehl nicht über § 134, sondern nur über § 138 Abs. 1 BGB berücksichtigt wer‑ den, BGH, Urt. v. 29.9.1977, III ZR 164/75, BGHZ 69, 295 (296); Urt. v. 22.6.1972, II ZR 113/70, BGHZ 59, 82 (85); Armbrüster, in: MüKo-BGB, § 134 Rn. 40. Krit. mit Blick auf eine mögliche Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 3 Rom I‑VO Roth, IPRax 2018, 177 (184), jedenfalls, soweit die Berücksichtigung mit dem Regelungsinteresse des Erlassstaates begründet wird (überzeugend dagegen v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirt‑ schaftsrecht, S. 23 [54 f.]). 546 Art. 9



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In ähnlicher Weise könnte man Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. Geltung ver‑ schaffen, wenn deutsche Versicherungsmakler wie im Beispielsfall548 französi‑ sche Unternehmer beraten. Nach der Bestimmung müssen Makler ihre Kunden aufklären, wenn sie eine besonders enge Geschäftsbeziehung mit einem Ver‑ sicherer unterhalten, d. h. 33 % ihres Vorjahresumsatzes mit diesem erwirtschaf‑ tet haben. Weisen deutsche Makler ihre Kunden hierauf nicht hin und findet nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO deutsches Privatrecht Anwendung, kann die Rege‑ lung zwar nicht unmittelbar angewendet und ein Schadensersatzanspruch nach französischem Recht zugesprochen werden, sie kann aber im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden.549 Danach ist eine Partei zur Aufklärung verpflichtet, „wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichti‑ gung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen er‑ warten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggeben‑ der Bedeutung sind“550. Bei dieser Abwägung lässt sich berücksichtigen, dass französische Kunden eine Information i. S. d. Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. erwar‑ ten dürfen, da dieser sogar aufsichtsrechtlich Anwendung findet. Über die Be‑ rücksichtigung im deutschen Recht würde Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 IDD Ge‑ nüge getan, der eine Bindung der Vermittler an dieses strengere Recht vorsieht. Sollte eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts nach die‑ sen Maßstäben methodisch nicht möglich sein, bliebe schließlich die Möglich‑ keit, die restriktiven Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 Rom I‑VO teleologisch zu re‑ duzieren551, um strengeres Privatrecht des Aufnahmestaats, wie von der IDD vorgesehen, international zwingend durchzusetzen.

dd)  Zwischenergebnis: aufsichts- und privatrechtliche Verhaltensanforderungen an Versicherungsvermittler (1)  Die sonderkollisionsrechtliche Annäherung von Internationalem Aufsichts- und Privatrecht im Bereich der Versicherungsvermittlung Die Verteilung aufsichtsrechtlicher Regelungskompetenzen in der IDD hat alles in allem keine unmittelbare Auswirkung auf das IPR, sodass es zu kei‑ nem generellen „Vorrang der aufsichtsrechtlichen vor den international-privat‑ rechtlichen Anknüpfungen“552 kommt. Im privaten Rechtsverhältnis zwischen 548 S. 47. 549 Art. 9

Abs. 3 Rom I‑VO steht einer bloßen Berücksichtigung ausländischen Rechts i. R. d. § 241 Abs. 2 BGB nicht entgegen, vgl. allg. EuGH, Urt. v. 18.10.2016, Rs. C-135/15, NJW 2017, 141 [143] Rn. 50–52 sowie speziell zu § 241 Abs. 2 BGB v. Hein, in: Jung, Die pri‑ vate Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 (55 f.). 550 BGH, Urt. v. 14.9.2017, VII ZR 307/16, NJW 2017, 3586 (3587) Rn. 14; Urt. v. 2.6.2016, VII ZR 107/15, NJW‑RR 2016, 859 (860) Rn. 12. Ausf. Bachmann, in: MüKo-BGB, § 241 Rn. 121 ff. 551  Zur teleologischen Reduktion im Unionsrecht siehe die Nachweise in Fn. 97. 552  Hierzu S. 253.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Versicherungsvermittlern und Kunden berufen grundsätzlich die Kollisions‑ normen der Rom I‑VO das anwendbare Recht. Zu seiner Bestimmung nutzt das IPR andere Anknüpfungsgegenstände und -punkte als das Internationa‑ le Aufsichtsrecht. Während dieses Regelungskompetenzen danach verteilt, ob eine grenzüberschreitende Tätigkeit die sekundärrechtlichen Kriterien des Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehrs erfüllt, differenziert jenes im Wesentlichen zwischen Verbraucher- und Unternehmergeschäften. Bei Ver‑ brauchern i. e. S. stellt Art. 6 Rom I‑VO sicher, dass sie durch strengeres Pri‑ vatrecht ihres Aufnahmestaats geschützt werden, wenn der Vermittler seine Tätigkeit auf den Verbraucherstaat ausgerichtet hat und Dienstleistungen nicht ausschließlich in seinem Herkunftsstaat erbringt. Unternehmer erfahren keinen vergleichbaren Schutz. Soweit die Rom I‑VO danach das Herkunftslandrecht beruft, der Vermittler aber im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr i. S. d. IDD aktiv ist, sollen die Flexibilitätsklauseln der IDD als Sonderkol‑ lisionsnormen i. S. d. Art. 23 Rom I‑VO auch die Anwendung strengerer pri‑ vatrechtlicher Wohlverhaltensregeln des Aufnahmemitgliedstaats sicherstellen. Sie schützen Versicherungsnehmer – abgesehen von Vermittlungstätigkeiten in Bezug auf Großrisiken – in einer den Art. 3 Abs. 3; 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO vergleichbaren Weise. In diesen Fällen kann es zur Anwendung von Privat‑ recht des Herkunfts- und des Aufnahmestaats kommen. Weitere Abweichungen zwischen Aufsichts- und Privatrecht kommen in den Fällen vor, in denen eine grenzüberschreitende Tätigkeit zwar nicht die Kriterien des Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehrs i. S. d. IDD erfüllt, nach der Rom I‑VO aber strengeres Privatrecht des Aufnahmestaats anwend‑ bar ist. Derartige Fälle sind äußerst selten. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass durch abweichende Anknüpfungskriterien Wohlverhaltensregeln unter‑ schiedlicher Rechtsordnungen zur Anwendung berufen werden können. Das beruht auf den unterschiedlichen Zielen des Internationalen Aufsichts- und Privatrechts: Während im Aufsichtsrecht Regelungskompetenzen zum Erlass zwingend behördlich durchsetzbarer Wohlverhaltensregeln klar abgegrenzt werden sollen, will das IPR die Parteiautonomie so weit wie möglich schüt‑ zen. Eine Anpassung der Anknüpfungskriterien – etwa in dem Sinne, dass Ver‑ mittler aufsichtsrechtlich nur dann im Dienstleistungs- oder Niederlassungs‑ verkehr i. S. d. IDD aktiv sind, wenn sie sich i. S. d. Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO an Verbraucher i. e. S. wenden – erscheint wenig sinnvoll: Die Aufnahmestaaten‑ behörden haben durchaus ein Interesse daran, durch das Notifikationsverfah‑ ren zu erfahren, ob Vermittler Unternehmen in ihrem Staat betreuen. Zugleich haben sie in diesen Fällen eher als der Herkunftsstaat ein Interesse daran, ihr zwingendes Recht behördlich durchzusetzen. Es erscheint daher sinnvoller, aufsichts- und privatrechtliche Wohlverhaltensregeln lediglich in gewissem Maße durch die Flexibilitätsklauseln „anzunähern“ (sonderkollisionsrechtliche Annäherungslösung).



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(2)  Folgerungen für die allgemeine Diskussion zum Verhältnis des Internationalen Verwaltungsrechts zum IPR Hiermit bietet die IDD eine Lösung, die einem generellen Vorrang des Interna‑ tionalen Verwaltungs- oder Privatrechts vor dem jeweils anderen Rechtsgebiet, einer ausufernden Charakterisierung von Rechtsnormen als Eingriffsnormen oder einer in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellten Berücksichtigung von Wohlverhaltensregeln auf sachrechtlicher Ebene553 vorzuziehen ist. Durch be‑ reichsspezifische Sonderkollisionsnormen i. S. d. Art. 23 Rom I‑VO kann Ver‑ haltenspflichten, die ein Mitgliedstaat mit behördlichen Mitteln und mit Me‑ chanismen des private enforcement durchsetzen möchte, in der gesamten Union Geltung verschafft werden. In aufsichtsrechtlichen Sachverhalten können die Staaten so einseitig ihre Interessen durchsetzen und Marktteilnehmer schützen. Zugleich erfolgt die grundsätzliche Anknüpfung der privaten Rechtsverhältnis‑ se weiterhin über allgemeine Kollisionsnormen, bei denen Parteiinteressen wie die Parteiautonomie besondere Berücksichtigung finden. Soweit Wohlverhaltensregeln eines im Aufsichtsrecht regelungskompeten‑ ten Staates keine Anwendung finden, stellen die Sonderkollisionsnormen si‑ cher, dass Verhaltensanforderungen, die ein Mitgliedstaat (auch) mit Mitteln des Privatrechts durchsetzen möchte, unionsweit in Zivilrechtsstreitigkeiten angewendet werden. Freilich birgt die Schaffung von Sonderkollisionsnormen die Gefahr einer „Aufspaltung des Kollisionsrechts in immer mehr Spezial‑ gebiete“554. Im Sinne der Rechtssicherheit ist eine derartige Ergänzung des all‑ gemeinen Kollisionsrechtsregimes aber hinzunehmen. In zukünftigen Rechtsakten sollte der Gesetzgeber allerdings deutlicher he‑ rausstellen, dass Aussagen zum anwendbaren Recht auch Auswirkungen auf Privatrechtsverhältnisse haben sollen. Der wesentliche Vorteil der Einführung solcher Sonderkollisionsnormen besteht jedenfalls darin, dass Parteien rechts‑ sicher die Anwendung bestimmter regulatorischer Vorgaben vorhersehen kön‑ nen und Zivilrechtsstreitigkeiten nicht von der Diskussion über die Einordnung von Vorschriften als Eingriffsnormen oder einer unsicheren „Berücksichti‑ gung“ von Verhaltensanforderungen auf sachrechtlicher Ebene abhängen. Die hier im Bereich des Internationalen Versicherungsvermittlerrechts erarbeitete Lösung stärkt so im Ergebnis das Bestreben der Mitgliedstaaten, Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses effektiv auch mit Mitteln des private en-

553  Zu diesen vier Möglichkeiten zum Verhältnis von Internationalem Verwaltungs- und Privatrecht siehe einleitend S. 252 ff. 554 So Lehmann, in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 35 zu dem Anliegen der EU, nicht für jeden Sektor eine – auf das Aufsichtsrecht abgestimmte – Sonder‑ regelung des IPR einzuführen, sondern grenzüberschreitende Sachverhalte grundsätzlich mit dem allgemeinen Regime der Rom-Verordnungen zu bewältigen.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

forcement durchzusetzen, ohne allgemeine Prinzipien des IPR wie die Partei‑ autonomie über Bord zu werfen.555

e)  Privatrechtliche Wohlverhaltensregeln und Allgemeininteresse Da Versicherungsvermittler nach alledem über Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO bzw. die Sonderkollisionsnormen der IDD‑Flexibilitätsklauseln häufig auch strengerem Vermittlerprivatrecht eines Aufnahmemitgliedstaats unterliegen, stellt sich die Frage, ob es ebenso wie Aufsichtsrecht mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden muss. Inwieweit materielles Pri‑ vatrecht Grundfreiheiten beschränken kann und daher rechtfertigungsbedürftig ist, ist höchst umstritten.556 Überzeugend erscheint, dass es grenzüberschreiten‑ de Tätigkeiten in gleicher Weise wie Öffentliches Recht behindern kann, wenn seine Anwendung nicht auf dem Willen der Parteien beruht.557 Ob zwingende Vorgaben durch staatliche Behörden oder Privatrechtsteilnehmer durchgesetzt werden, macht keinen Unterschied. Auch der BGH hat angenommen, dass Be‑ stimmungen der Versicherungs-Richtlinien, die von „Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses“ sprechen, „darauf gerichtet [seien], das nationale Auf‑ sichts-, Eingriffs- und zwingende Privatrecht einer Kontrolle nach den Maß‑ stäben der primärrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit zu unterzie‑ hen“558. Soweit Vermittler privatrechtliche Wohlverhaltensregeln also weder kollisi‑ ons- noch sachrechtlich abbedingen können, müssen diese zwingenden Grün‑ den des Allgemeininteresses dienen und erforderlich sein.559 Sie unterliegen ebenso wie über die IDD hinausgehendes Aufsichtsrecht einer Verhältnismäßig‑ keitskontrolle. Hieraus folgt zugleich, dass sie nach Art. 11 IDD als Vorschriften zum Schutz des nationalen Allgemeininteresses veröffentlicht werden müssen. 555  Dies befürwortet letztlich auch Lehmann in: Zetzsche/Lehmann, Grenzüberschreitende FDL, § 1 Rn. 97. 556 Grundlegend Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 ff. Aus jüngerer Zeit einführend Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 51 ff. sowie ausf. Körber, Grundfreiheiten, S. 378 ff., 435 ff.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht, S. 178 ff. 557 Prägnant Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (641): „Zwingendes Privatrecht, gestützt von Kollisionsrecht, kann hier ähnliche den Dienstleistungsverkehr beschränkende Folgen zeitigen wie das öffentliche Recht“. Vgl. auch nur Kampf, IPRax 2008, 101 (102) sowie zu zivilrecht‑ lichen Nichtigkeitssanktionen Roth, VersR 1993, 129 (133). 558  BGH, Urt. v. 1.6.2016, IV ZR 80/15, BGHZ 210, 277 (288 f.) Rn. 41. 559  Ohne weitere Diskussion auch EFTA‑Gerichtshof, Urt. v. 25.11.2005, E-1/05, BeckRS 2005, 32187 Rn. 27, 36. Von einer Beschränkung der Grundfreiheiten ist hingegen grund‑ sätzlich nicht auszugehen, soweit Privatrecht kollisionsrechtlich (dazu auch EuGH, Urt. v. 24.1.1991, Rs. C-339/89, Slg. 1991, I-107 Rn. 15) oder sachrechtlich abdingbar ist (ebenso Fetsch, Eingriffsnormen, S. 127 ff.; Körber, Grundfreiheiten, S. 411 ff.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht, S. 212 f.; Roth, VersR 1993, 129 [133]). Für eine zusätzliche Kontrolle dispositi‑ ven Rechts Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 58; Steindorff, EG‑Vertrag, S. 79; v. Wilmowsky, Kreditsicherungsrecht, S. 41 f.



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Die Einschränkung der kollisionsrechtlichen Interessen der Versicherungsver‑ mittler durch Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO bzw. die Sonderkollisionsnormen der Flexibilitätsklauseln wird somit durch die Rechtfertigungsbedürftigkeit der auf diesem Wege zwingend durchgesetzten Verhaltensanforderungen ausgeglichen, mit denen protektionistische Maßnahmen und eine unverhältnismäßige Regu‑ lierung verhindert wird.

f)  Anwendbarkeit des deutschen Vermittlerprivatrechts Die bisherigen Ergebnisse sollen nun auf das deutsche Vermittlerprivatrecht angewendet werden. Exemplarisch sollen dabei die §§ 61, 63 VVG sowie das Sondervergütungsverbot des § 34d Abs. 1 S. 6, 7 GewO i. V. m. § 48b VAG be‑ trachtet werden.

aa)  § 61 VVG als Kernbereich des Vermittlerprivatrechts (1)  Pflichtenkreise des § 61 VVG und ihre Abdingbarkeit § 61 VVG setzt zum Teil die europäischen Mindeststandards des Art. 20 IDD um und geht zum Teil über sie hinaus.560 Bei richtlinienkonformer Auslegung verpflichtet er Vermittler stets, wie von Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 IDD vor‑ gegeben, die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu ermitteln und passende Produkte zu vermitteln. Darüber hinaus verpflichtet § 61 Abs. 1 S. 1 VVG Ver‑ mittler zur Beratung, d. h. zur Abgabe einer persönlichen Empfehlung (Art. 2 Abs. 1 Nr. 15 IDD). Soweit sie in Aussicht stellen, eine individuell auf einzelne Kundenwünsche zugeschnittene Empfehlung abzugeben, und so eine Beratung „erfolgt“ i. S. d. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD,561 setzt § 61 VVG damit nur Min‑ destvorgaben des europäischen Rechts um. Über die IDD hinaus verpflichtet die Norm Vermittler aber auch dann zur Abgabe einer persönlichen Empfehlung, wenn sie eine solche nicht versprechen, sondern nur grundlegende Wünsche und Bedürfnisse ermitteln wollen. Insoweit geht § 61 VVG über Art. 20 IDD hinaus und etabliert – im Einklang mit Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 IDD – eine weitergehende Beratungspflicht. Hiervon können die Parteien jedoch abweichende Vereinbarungen treffen: Ein Kunde kann auf die Beratung, d. h. die Abgabe einer persönlichen Empfeh‑ lung, nach § 61 Abs. 2 VVG verzichten. Das bedarf einer gesonderten schriftlichen Erklärung, in der der Vermittler darauf hinweist, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit auswirken kann, Schadensersatzansprüche gel‑ tend zu machen. Im Fernabsatz ist eine entsprechende Erklärung auch in Textform möglich. Der Verzicht bezieht sich, wie der Wortlaut des § 61 Abs. 2 S. 1 VVG bereits zeigt, nur auf die Beratung und nicht auf die Ermittlung der Wün‑ 560  561 

Dazu bereits einleitend S. 35. Hierzu S. 29.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

sche und Bedürfnisse.562 Eine andere Auslegung stünde mit Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 IDD nicht im Einklang.

(2)  Anwendbarkeit im grenzüberschreitenden Verkehr In grenzüberschreitenden Sachverhalten findet § 61 VVG zunächst Anwendung, wenn Vermittler mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland ausländische Kunden betreuen, die Parteien keine Rechtswahl treffen und Art. 6 Rom I‑VO nicht einschlägig ist (Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO). Gegenüber ausländischen Verbrauchern findet nach Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO hingegen grundsätzlich deren Recht Anwendung. § 61 VVG würde nur berufen, wenn Vermittler deutsches Recht wählen (Art. 6 Abs. 2 S. 1 Rom I‑VO). Vermittler mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland müssen § 61 VVG vor allem bei der Betreuung von Verbrauchern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland beachten. Wählen die Parteien ausländisches Recht, findet es nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Rom I‑VO zwar Anwendung. Nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 wären jedoch zusätzlich deutsche Bestimmungen anwendbar, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Inwieweit § 61 VVG hierunter fällt, ist fraglich: Soweit es um die Ermittlung der Wünsche und Bedürfnisse und – falls eine Beratung „erfolgt“ – die Abgabe einer persönlichen Empfehlung geht, ist § 61 Abs. 1 S. 1 VVG zwingend, sodass er unter Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO fällt. Insoweit sind seine Vorgaben trotz einer Rechtswahl anwendbar, soweit das gewählte Recht entsprechende Pflichten nicht enthält.563 Von der generellen Beratungspflicht des § 61 Abs. 1 S. 1 VVG kann dem‑ gegenüber durch Vereinbarung abgewichen werden (§ 61 Abs. 2 VVG). Dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO nach könnte § 61 Abs. 1 VVG daher in‑ soweit nicht zwingend durchgesetzt werden. Hiergegen spricht, dass § 61 Abs. 2 VVG zwar eine abweichende Vereinbarung zulässt, diese aber an die Erfül‑ lung zwingender, verbraucherschützender Voraussetzungen knüpft. Ein Warn‑ hinweis und die Schrift- bzw. Textform sollen Kunden verdeutlichen, dass sie keine individuelle Empfehlung erhalten. Hiervon kann nicht durch Vereinbarung abgewichen werden. Knüpft das Verbrauchervertragsstatut des Art. 6 Abs. 1 Rom I‑VO eine „Vereinbarung“ i. S. d. Art. 6 Abs. 2 S. 2 nun an die Erfüllung verbraucherschützender Vorgaben, sollten die Normen auch insoweit zwingend durchgesetzt werden. Dafür spricht auch Art. 11 Abs. 4 Rom I‑VO, der die Form von Vereinbarungen in Verbraucherverträgen zwingend dem Recht des Staates unterstellt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.564 Die 562 

Siehe Teil 1 Fn. 148. der Privatrechtsharmonisierung der IDD ist davon auszugehen, dass Art. 20 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 IDD überwiegend auch privatrechtlich umgesetzt wurde, sodass Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO in Binnenmarktsachverhalten wenig Bedeutung hat. 564  Art. 11 Abs. 4 Rom I‑VO kann unmittelbar nur § 61 Abs. 2 VVG berufen. Das hilft Ver‑ 563  Aufgrund



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Beratungspflicht des § 61 VVG sollte daher über Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO Anwendung finden. Abweichende Vereinbarungen müssen nach Art. 11 Abs. 4 Rom I‑VO die Form des § 61 Abs. 2 VVG erfüllen. Dieses Ergebnis hat vor allem für ausländische Online-Vermittler Bedeutung: Wollen sie keine individuelle, persönliche Empfehlung an deutsche Verbraucher richten, genügt die Wahl ihres gegebenenfalls milderen Herkunftslandrechts nicht. Sie müssen wegen Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO die Vorgaben des § 61 VVG einhalten.565 Beraten ausländische Vermittler hingegen Unternehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, fände § 61 VVG nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO keine Anwendung. Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 IDD sieht jedoch als Sonder‑ kollisionsnorm auch privatrechtlich eine Anwendung der generellen Beratungs‑ pflicht vor. Wie oben allgemein erläutert,566 könnten deutsche Gerichte § 61 VVG entweder über Art. 9 Abs. 1 und 2 Rom I‑VO als Eingriffsnorm durch‑ setzen oder der Norm einen versteckten vorgeschalteten Rechtsanwendungs‑ befehl entnehmen. In der Praxis hat die Frage keine Bedeutung: Werden Unter‑ nehmern Versicherungsprodukte vermittelt, versprechen Vermittler fast immer, eine persönliche Empfehlung an den Kunden zu richten, sodass eine Beratung i. S. d. Art. 20 Abs. 1 UAbs. 3 IDD „erfolgt“. Auch nach ausländischem Vermitt‑ lungsvertragsstatut besteht daher bei richtlinienkonformer Rechtsanwendung eine Pflicht zur Abgabe einer individuellen Empfehlung.

(3)  Rechtfertigung des § 61 VVG mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses Soweit § 61 VVG rechtswahlfest berufen wird und über die IDD hinausgeht, muss er in grenzüberschreitenden Binnenmarktsachverhalten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dienen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 1 IDD explizit zur Einführung einer generellen Bera‑ tungspflicht ermächtigt und damit ein Allgemeininteresse an ihrer Einführung anerkennt. § 61 VVG geht auch nicht über das erforderliche Maß hinaus: Zu‑ nächst fordert er die Abgabe einer persönlich auf den Kunden zugeschnittenen Empfehlung nur, soweit für eine Beratung ein Anlass besteht. Er erlaubt den Parteien ferner, unter Beachtung der Schrift- bzw. im Fernabsatz der Textform die Beratungspflicht abzubedingen. Die Einhaltung der Formvorschriften recht‑ fertigt sich damit, dass Kunden vor Augen geführt werden soll, dass sie keine Empfehlung erhalten, die individuell auf sie zugeschnitten ist, und sie so selbst‑ bestimmt entscheiden können, ob sie die Risiken eines beratungsfreien Ver‑ sicherungsvertriebs eingehen möchten. Vermittlern werden so keine Beschrän‑ brauchern erst weiter, wenn auch die zwingende Beratungspflicht des § 61 Abs. 1 VVG zur An‑ wendung berufen ist. Diesbezüglich kommt es auf Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO an. 565  Zum Einfluss der E‑Commerce-RL sogleich (S. 281). 566  S. 271 f.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

kungen auferlegt, die im Missverhältnis zum dadurch erreichten Kundenschutz stünden. Angesichts dessen steht § 61 VVG mit europäischem Primär- und Se‑ kundärrecht im Einklang.

bb)  Privatrechtliche Reichweite des Sondervergütungsverbots Neben § 61 VVG spielt im deutschen Privatrecht mittlerweile auch das Son‑ dervergütungsverbot des § 34d Abs. 1 S. 6, 7 GewO i. V. m. § 48b VAG eine Rolle.567 Es verbietet Vermittlern beispielsweise, mit einem Kunden zu verein‑ baren, dass er für den Abschluss einer Versicherung 100 € der Abschlussprovisi‑ on zurückerhält. Derartige Vereinbarungen, die nach Ansicht des Gesetzgebers einen Fehlanreiz für Kunden darstellen, sind nach § 48b Abs. 1 S. 3 VAG i. V. m. § 134 BGB unwirksam. In grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich die Frage, ob diese Rechtsfolge bereits greift, wenn deutsches Recht Vermittlungs‑ vertragsstatut ist. Richtigerweise ist zu differenzieren: Sind deutsche Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr im Ausland aktiv, findet § 48b VAG bereits sachrechtlich nach seinem durch Aus‑ legung ermittelten internationalen Anwendungsbereich keine Anwendung, da er nur Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland schützen soll.568 Ist die Verbotsnorm bereits räumlich in diesem Sinne beschränkt, sind Sonder‑ vergütungsvereinbarungen auch dann nicht unwirksam, wenn § 134 BGB kolli‑ sionsrechtlich anwendbar ist. Im Beispielsfall569 erlangt das Sondervergütungs‑ verbot daher auch nicht dadurch Geltung, dass der Maklervertrag deutschem Recht unterliegt. Betreuen ausländische Vermittler hingegen Verbraucher mit gewöhnli‑ chem Aufenthalt in Deutschland, sind sie privatrechtlich über Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO zwingend an strengere Wohlverhaltensregeln des deutschen Rechts gebunden. Da § 48b VAG nach seinem internationalen Anwendungsbereich anwendbar wäre, wären Sondervergütungsvereinbarungen nach § 134 BGB i. V. m. § 48b Abs. 1 S. 3 VAG nichtig. Da das Sondervergütungsverbot insoweit allerdings weder kollisions- noch sachrechtlich abdingbar ist, muss es zwin‑ genden Gründen des Allgemeininteresses dienen. Das ist, wie oben ausführlich dargelegt,570 nicht der Fall. Das Verbot findet daher in grenzüberschreitenden Binnenmarktsachverhalten auch privatrechtlich keine Anwendung.571 567  568 

Zum Aufsichtsrecht siehe S. 105 ff. Siehe S. 116. 569 S. 47. 570 S. 109 ff. 571  Aus demselben Grund lässt es sich weder über Art. 9 Abs. 2 Rom I‑VO noch über die Sonderkollisionsnorm des Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 IDD zwingend durchsetzen. Es wäre i. Ü. bereits fraglich, ob das Sondervergütungsverbot unter die Flexibilitätsklausel des Art. 22 Abs. 2 IDD fällt, da sie sich nicht auf zu erteilende Auskünfte des Vermittlers bezieht. Als Mar‑



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g)  E‑Commerce-Richtlinie, Verbraucherschutz und Rechtswahl Alle bisherigen Ergebnisse zum auf Vermittlungsverträge anwendbaren Recht müssen infrage gestellt werden, wenn die Vermittlung über Dienste der Infor‑ mationsgesellschaft i. S. d. E‑Commerce-RL wie Online-Vergleichsportale er‑ folgt. Richten sie ihre Tätigkeit auf andere Staaten als ihren Herkunftsmitglied‑ staat aus und empfangen Verbraucher die Leistungen dort, fände nach Art. 6 Rom I‑VO grundsätzlich das – jedenfalls zwingende – Recht der Aufnahmemit‑ gliedstaaten Anwendung.572 Demgegenüber sieht Art. 3 Abs. 2 ECRL vor, dass Online-Anbieter grundsätzlich nur den Anforderungen ihres Herkunftslands unterliegen. Die E‑Commerce-RL könnte daher die Regelanknüpfung des IPR verdrängen. Der EuGH hat jedoch bereits klargestellt, dass die Richtlinie wegen ihres Art. 1 Abs. 4 keinen Einfluss auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts nehmen muss.573 Vielmehr genügt es, wie der BGH nunmehr für das deutsche Recht annimmt, wenn das über das IPR bestimmte Statut auf die Vorgaben des Herkunftslands beschränkt wird.574 Wird also ein ausländischer Online-Ver‑ mittler in Deutschland tätig, kann deutsches Privatrecht über die Rom I‑VO berufen werden. Es müsste allerdings nach § 3 Abs. 2 TMG auf diejenigen Vor‑ gaben beschränkt werden, denen der Vermittler im Herkunftsland unterliegt. Hiervon macht § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG im Einklang mit der E‑CommerceRL575 eine erhebliche Ausnahme. Danach finden Vorschriften für vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge uneingeschränkt auch auf Dienste der Informationsgesellschaft Anwendung.576 Verbraucher i. e. S., d. h. Personen, die zu Zwecken handeln, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäft‑ lichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören (Art. 2 lit. e ECRL), werden daher über Art. 6 Rom I‑VO auch im Verhältnis zu Online-Vermittlern durch die An‑ wendung des Rechts ihres Aufnahmemitgliedstaats geschützt. Insoweit findet auch § 61 VVG zum Schutz von Verbrauchern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland Anwendung. Das Herkunftslandprinzip der E‑Commerce-RL ver‑ liert damit im Massengeschäft erheblich an Bedeutung. Da bei autonomer Interpretation auch Versicherungsvertreter mit ihren Kun‑ den in einer vertraglichen Rechtsbeziehung stehen,577 findet die Ausnahme un‑ abhängig davon Anwendung, ob es sich beim Dienst der Informationsgesell‑ keting-Mitteilung i. S. d. Art. 17 Abs. 2 S. 2 IDD könnte man sie aber noch als Wohlverhaltens‑ regel i. S. d. Art. 22 Abs. 2 IDD einordnen. 572  Zur Unanwendbarkeit des Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I‑VO siehe S. 231. 573  EuGH, Urt. v. 25.10.2011, verb. Rs. C-509/09 und C-161/10, NJW 2012, 137 (141) Rn. 62 f. 574  BGH, Urt. v. 8.5.2012, VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 (2199) m. w. N. 575  Art. 3 Abs. 3 i. V. m. dem 6. Spiegelstrich des Anhangs. 576  Eine Ausnahme gilt ferner nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 TMG, wenn der Online-Vermittler und der Kunde das Recht des Aufnahmestaats wählen. 577  Siehe zusammenfassend S. 215.

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schaft um einen Versicherungsvertreter oder -makler handelt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Vertragsbegriff bei § 3 Abs. 3 Nr. 2 TMG nicht autonom ausgelegt werden sollte. Es würde nicht überzeugen, wenn die mitgliedstaatli‑ che Systematisierung der Vermittlerhaftung die Reichweite des Herkunftsland‑ prinzips der E‑Commerce-RL bestimmen könnte. Verbraucher sind gegenüber Online-Angeboten von Versicherungsvertretern ebenso schutzwürdig wie ge‑ genüber solchen von Maklern. Vor allem bei Mehrfachvertretern unterscheidet sich der gebotene Service nicht besonders stark. Im wesentlichen Bereich der Verbrauchergeschäfte bleibt es somit dabei, dass auch Online-Vermittler strengere Wohlverhaltensregeln der Aufnahme‑ mitgliedstaaten einhalten müssen. Das Herkunftslandprinzip findet schließlich ebenfalls keine Anwendung, wenn die Parteien eine bestimmte Privatrechts‑ ordnung wählen (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 TMG bzw. Art. 3 Abs. 3 i. V. m. dem 5. Spie‑ gelstrich des Anhangs ECRL). Wählen ausländische Vermittler mit deutschen Kunden beispielsweise deutsches Recht, findet das deutsche Vermittlerprivat‑ recht uneingeschränkt Anwendung.

3.  Zwischenergebnis: das auf den Vermittlungsvertrag anwendbare Recht Es zeigt sich, dass die Anknüpfung des Rechtsverhältnisses der Vermittler zu ihren Kunden vor allem von ihrem Interesse, das anwendbare Recht vorher‑ sehen zu können,578 beeinflusst wird. Unabhängig davon, welcher Kategorie sie im nationalen Recht angehören, übernehmen Vermittler bei autonomer Be‑ trachtung freiwillig die Vermittlung von Versicherungsschutz für ihre Kun‑ den. Ansprüche, die Bezug zu dieser Tätigkeit haben, werden einheitlich von der Rom I‑VO berufen. Hiernach können die Parteien das anwendbare Recht grundsätzlich frei wählen. Ohne eine Rechtswahl findet gem. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO das Recht des Staates Anwendung, in dem der Vermittler seinen ge‑ wöhnlichen Aufenthalt hat. Eine akzessorische Anknüpfung des Vermittlungs‑ vertrags an die Kollisionsnormen für Versicherungsverträge über Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO kann in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden, zum einen, wenn ein Einfirmenvertreter für einen Versicherer und für Kunden mit gewöhn‑ lichem Aufenthalt in demselben Staat tätig wird, und zum anderen, wenn alle möglicherweise zu vermittelnden Versicherungsverträge mit Sicherheit dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhn‑ lichen Aufenthalt hat. Einen besonderen Schutz erfahren im privaten Kollisionsrecht lediglich Ver‑ braucher i. e. S., wenn Vermittler ihre Tätigkeit im Verbraucherstaat ausüben oder sie auf diesen ausrichten und die Vermittlungsleistung nicht ausschließlich in einem anderen Staat erbracht wird (Art. 6 Abs. 1 und 4 lit. a Rom I‑VO). Im Gegensatz dazu sind strengere Wohlverhaltensregeln eines Aufnahmemitglied‑ 578 

Siehe hierzu nur ErwG 16 Rom I‑VO sowie ErwG 6 und 14 Rom II‑VO.



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staats im Aufsichtsrecht bereits dann anwendbar, wenn Vermittler im Dienstleis‑ tungs- oder Niederlassungsverkehr i. S. d. IDD aktiv sind. Damit auf Basis der Flexibilitätsklauseln erlassenes zwingendes nationales Recht Kunden auch pri‑ vatrechtlich nützt, sieht die IDD eine Sonderanknüpfung dieser Bestimmungen im privaten Rechtsverhältnis vor (Art. 23 Rom I‑VO), soweit sich eine Vermitt‑ lungstätigkeit nicht auf Großrisiken bezieht. Die Flexibilitätsklauseln enthalten rechtswahlfeste mehrseitige Kollisionsnormen, die Versicherungsnehmer und nicht nur Verbraucher i. e. S. wie die Art. 3 Abs. 3 und 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO schützen. Da Kunden hierüber weitgehend in einer dem Art. 7 Rom I‑VO ver‑ gleichbaren Weise geschützt werden, entfällt häufig auch das Bedürfnis für eine akzessorische Anknüpfung. Trotz einer Annäherung der Anknüpfungskriterien im Internationalen Auf‑ sichts- und Privatrecht zeigt sich, dass unterschiedliche Wohlverhaltensregeln beider Gebiete anwendbar sein können. Im Gegensatz zur klaren Zuweisung von Regelungskompetenzen zum Erlass zwingend behördlich durchsetzbarer Bestimmungen versucht das IPR, die Parteiautonomie möglichst weitgehend zu fördern. Je mehr freilich privatrechtliche Sanktionsmechanismen zur Durchset‑ zung verhaltenssteuernder Wohlverhaltensregeln eingesetzt werden, umso mehr führt auch das IPR rechtswahlfeste Kollisionsnormen ein und nähert sich dem Internationalen Aufsichtsrecht an. Sonderkollisionsnormen wie solche in den Flexibilitätsklauseln der IDD sind ein Mittel, Aufsichts- und Privatrecht „an‑ zunähern“ und Kunden bestimmter Mitgliedstaaten zwingend den Schutz des ihnen bekannten Rechts zu gewähren. Im Beispielsfall579 gilt damit Folgendes: Trifft die Versicherungsmakler-KG mit ihren französischen Kunden keine Rechts‑ wahl, findet auf ihren Maklervertrag gem. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO deutsches Recht inklusive der §§ 61, 63 VVG Anwendung. Ermittelt die KG die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden nicht ausreichend, haftet sie hiernach auf Schadensersatz. Die (auch) privatrechtlichen Informationspflichten des Code des assurances, insbesonde‑ re Art. R. 521-1, II, al. 2, würden hingegen durch die Rom I‑VO nicht berufen. Da es sich um strengeres nationales Recht handelt, das auf Basis des Art. 22 Abs. 2 IDD er‑ lassen wurde, findet es nach dessen Unterabsatz 3 Satz 2 zwingend auch im Privat‑ rechtsverhältnis Anwendung. Da Deutschland die Sonderkollisionsnorm nicht umge‑ setzt hat, bliebe deutschen Gerichten nur die Möglichkeit, Art. R. 521-1, II, al. 2 C. ass. auf materiell-rechtlicher Ebene, z. B. bei § 241 Abs. 2 BGB, zu berücksichtigen. Der unterlassene Hinweis der Makler-KG auf ihre enge Geschäftsbeziehung mit Ver‑ sicherer V kann daher Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB begründen.

V. Rechtsverhältnis der Vermittler zu Versicherern Während das Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden, das bislang im Zentrum der Untersuchung stand, stark reguliert ist, werden Rechte und Pflich‑ 579 S. 47.

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ten der Vermittler gegenüber Versicherern häufig noch dispositiv privatrecht‑ lich bestimmt. Umso bedeutsamer ist das IPR für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Parteien. Wie oben festgestellt,580 kann sich der Auslands‑ bezug dieses Rechtsverhältnisses sowohl daraus ergeben, dass Vermittler und Versicherer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben, als auch daraus, dass Verträge an Kunden vermittelt werden, die ihren gewöhnli‑ chen Aufenthalt in einem anderen Staat haben. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob Kollisionsnormen der Rom I- oder der Rom II‑VO das anwendbare Recht bestimmen, d. h. ob Vermittler und Versicherer ein vertragliches Schuld‑ verhältnis verbindet. Um eine autonome Qualifikation vornehmen zu können und sich vom deutschen Rechtsverständnis zu lösen, soll im Folgenden zu‑ nächst wieder verglichen werden, wie verschiedene Mitgliedstaaten das Rechts‑ verhältnis systematisch einordnen. Ausgehend davon werden die einschlägigen Kollisionsnormen ermittelt und angewendet.

1.  Nationales Rechtsverständnis a) Versicherungsvertreter Verpflichten sich Vermittler gegenüber (einem) Versicherer(n), seine oder ihre Produkte zu vertreiben, schließen sie Agenturverträge, d. h. Geschäftsbesor‑ gungsverträge i. S. d. § 675 BGB.581 Die Zuordnung eines derartigen Rechts‑ verhältnisses zum Vertragsrecht wird auch in anderen Mitgliedstaaten, soweit ersichtlich, nicht angezweifelt.

b)  Versicherungsmakler, broker, courtier Deutlich schwieriger ist hingegen die Frage zu beantworten, ob auch unabhän‑ gige Vermittler in einer vertraglichen Beziehung zu Versicherern stehen. Sie sind nicht verpflichtet, Produkte bestimmter Anbieter zu vertreiben, werden von Versicherungsnehmern beauftragt und haben vorrangig deren Interessen wahrzunehmen. Nichtsdestotrotz verbindet sie in den meisten Rechtsordnun‑ gen auch mit Versicherern, die von ihrer Leistung ebenfalls profitieren, eine eigene Rechtsbeziehung. Das zeigt sich schon daran, dass in den meisten Län‑ dern nicht die Versicherungsnehmer, sondern die Versicherer eine Provision für die erfolgreiche Vertragsvermittlung schulden.582 Diese Courtage ist also kein unmittelbares Entgelt für Betreuungsleistungen gegenüber Kunden, sondern ein Erfolgslohn, der von Versicherern gezahlt wird.583 Ferner bestehen häufig 580 S. 157 f. 581  Statt aller

Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 13, 20. Zur historischen Entwicklung siehe nur Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 47 f. Ein‑ führend bereits S. 20. Ausf. rechtsvergleichend sogleich. 583  LG Hamburg, Urt. v. 23.6.1961, 62 S 1/61, MDR 1961, 945; Norreys v. Hodgson [1897] 13 T. L. R. 421; Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. (1961), Vor §§ 43–48 Anm. 38. 582 



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gewisse Rücksichtnahmepflichten zwischen beiden Parteien. Woraus sich die Rechte und Pflichten ergeben, wenn Makler und Versicherer nicht ausdrücklich einen Rahmenvertrag über ihre Zusammenarbeit schließen, soll im Folgenden näher betrachtet werden.

aa)  Deutsches Recht im Grenzbereich von Vertrag und Delikt In Deutschland vermeiden Rechtsprechung und Literatur häufig, das Verhält‑ nis eindeutig dem vertraglichen oder außervertraglichen Bereich zuzuordnen.

(1)  Der Makler im „Doppelrechtsverhältnis“ Die §§ 93 ff. HGB zeigen jedenfalls, dass Versicherungsmakler und Versicherer eine eigene Rechtsbeziehung verbindet. Versicherer schulden nach § 99 HGB für erfolgreiche Vermittlungsleistungen eine Provision bzw. Courtage, abwei‑ chend von der dort genannten Auffangregelung sogar nicht nur zur Hälfte, son‑ dern vollständig. Makler haften ferner nicht nur ihren Kunden, sondern auch Versicherern für Schäden, die sie schuldhaft verursachen, soweit sie entspre‑ chende Leistungs- oder Rücksichtnahmepflichten treffen (§ 98 HGB). Hieraus schließt man üblicherweise, Makler befänden sich in einem „Doppelrechtsver‑ hältnis“584. So berühmt der Begriff auch geworden ist, so wenig nützlich ist er.585 Dass Makler in ihrer Mittlerrolle Rechte und Pflichten zu beiden Par‑ teien des Versicherungsvertrags begründen, ist keine Besonderheit des Ver‑ sicherungsmaklerrechts, sondern ließ sich bereits beim Versicherungsvertreter feststellen.586 Der Begriff verschleiert häufig nur, dass die dogmatische Herlei‑ tung der Rechte und Pflichten höchst problematisch ist: Während einige von einer vertragsähnlichen Rechtsbeziehung sprechen587 und (Courtage-)Ansprü‑ che aus Handelsbräuchen588 oder Gewohnheitsrecht589 herleiten, gehen ande‑ Das schließt es freilich nicht aus, dass laufende Courtagen ein „Betreuungsentgelt“ (BGH, Urt. v. 13.1.2005, III ZR 238/04, VersR 2005, 550 [551]) enthalten und mit der Courtage Dienstleis‑ tungen gegenüber Kunden vergütet werden. 584  Vgl. nur BGH, Urt. v. 1.6.2016, IV ZR 80/15, BGHZ 210, 277 (285) Rn. 30; Beschl. v. 19.10.1994, IV ZR 39/94, BeckRS 1994, 12811; Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 159; Werber, VR 7–8/2003, 143 (146); ders., VW 1988, 1159 (1160). 585  Ebenso krit. Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 111; Odendahl, ZfV 1993, 390; Schlömer, Prämieninkasso, S. 21, 34. 586  Siehe S. 193. 587  Baumann, Versicherungsmakler, S. 181; Matusche, Pflichten und Haftung, S. 37; Matusche-Beckmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 5 Rn. 369; Reiff, in: MüKo-VVG, § 59 Rn. 43; Schwintowski, in: Bruck/Möller, VVG, § 59 Rn. 115; Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 133; Zinnert, Recht und Praxis, S. 628. 588  Rhein/Stahl, in: Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 10 Rn. 124; Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 133. 589  OLG München, Urt. v. 19.11.1974, 9 U 1643/74, VersR 1975, 150 f.; LG Hamburg, Urt. v. 23.6.1961, 62 S 1/61, MDR 1961, 945; Odendahl, ZfV 1993, 390 (391); Schroeder, Vergütung, S. 48 (m. w. N. auf S. 42); Werber, VR 7–8/2003, 143 (146); hinsichtlich der Fest‑

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

re von einem konkludent begründeten Vertragsverhältnis590 aus. Vor allem die Idee eines Kooperationsvertrags591, den Makler Versicherern konkludent durch Kontaktaufnahme anbieten und den Versicherer durch ihr Einverständnis zur Zusammenarbeit annehmen, hat in letzter Zeit vermehrt Zustimmung gefun‑ den.592 Nicht selten wurde jedoch auch versucht, den Rechtsgrund der Pflichten in anderen Vermittlungsrechtsverhältnissen zu suchen: So wurde der Courta‑ geanspruch zum Teil aus dem Versicherungsvertrag als Vertrag zugunsten des Maklers hergeleitet593 oder der Maklervertrag zu Versicherungsnehmern als „Entstehungsgrund“594 für Ansprüche angesehen. Der BGH hat sich zu der Frage selten geäußert. Zuletzt ließ er offen, ob Ver‑ sicherer und Makler eine vertragsähnliche Beziehung i. S. d. § 311 Abs. 2 BGB verbindet.595 Auch die Courtagezahlung bezeichnet er meist nur als „Übung“ des Versicherungsrechts.596 Lediglich der XI. Zivilsenat präzisierte, sie beru‑ he auf einem „überkommenen, allgemein bekannten Handelsbrauch, der nach überwiegend vertretener Auffassung auf Grund einer vom Willen aller Betei‑ ligten getragenen gleichförmigen Übung […] sogar als Gewohnheitsrecht an‑

legung des Courtageschuldners auch Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. (1961), Vor §§ 43–48 Anm. 73, der aber den Rechtsgrund in einem Vertragsverhältnis zwischen Versiche‑ rer und Makler sieht. 590  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.2000, Verg 3/00, VersR 2001, 1043 (1048); Dreher, VersR 2000, 666 (672); Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. (1961), Vor §§ 43–48 Anm. 37 (auch ohne erfolgreiche Vermittlung); Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 56 sowie die in den folgenden beiden Fn. Genannten. Dagegen OLG München, Urt. v. 20.2.2014, 29 U 2652/13, BeckRS 2016, 10624. 591  Grundlegend und ausf. Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 113, 117 f. 592  LG Bonn, Urt. v. 17.10.2013, 14 O 44/13, NJOZ 2014, 14 (15); Armbrüster, ZIP 2017, 1 (3); ders., Privatversicherungsrecht, Rn. 753 (jedoch nur bzgl. des Provisionsanspruchs, vgl. Rn. 770, wo von einem gesetzlichen Schuldverhältnis die Rede ist); Schlömer, Prämieninkas‑ so, S. 46. 593 OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1993, 10 U 29/91, VersR 1995, 92 (93); vgl. auch Schroeder, Vergütung, S. 48 (i. V. m. Gewohnheitsrecht). Unklar OLG Hamm, Urt. v. 8.12.1994, 18 U 279/93, VersR 1995, 658, das den „Rechtsgrund“ im „Versicherungsvertrag […] und dessen Vermittlung“ sieht; gemeint sind wohl die Voraussetzungen für die Courtage‑ schuld. 594  Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 203. Unklar OLG Hamm, Urt. v. 24.11.2004, 35 U 17/04, NJOZ 2005, 4621 (4623), das auf S. 4624 nach einer Vereinbarung zwischen Versiche‑ rer und Makler fragt. Unklar auch BGH, Urt. v. 13.1.2005, III ZR 238/04, VersR 2005, 550 (551); Urt. v. 27.11.1985, IVa ZR 68/84, VersR 1986, 236 (237), der ausführt, die Frage, ob ein Makler für Folgeverträge Provision verlangen kann, wenn er an ihrem Zustandekommen nicht mehr aktiv mitgewirkt hat, hänge von einer „Auslegung des Maklervertrags“ ab. 595  BGH, Urt. v. 21.4.2016, I ZR 151/15, VersR 2016, 1497 (1501) Rn. 57 ff. 596 BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1057) Rn. 20; Urt. v. 13.1.2005, III ZR 238/04, VersR 2005, 550 (551); Urt. v. 20.1.2005, III ZR 251/04, BGHZ 162, 67 (72); Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359). Ebenso Schwintowski, in: Bruck/Möller, VVG, § 59 Rn. 115, 125, der jedoch in Rn. 121 noch von einer Willenserklärung des Versicherers gegenüber dem Makler spricht.



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zusehen ist“597. Freilich ist auch das nichts anderes als eine bunte Mischung der bislang vertretenen Auffassungen. In der Praxis hat die Diskussion seltener Bedeutung, da Versicherer und Makler ihre Zusammenarbeit häufig in Rahmenabkommen regeln, die Bestim‑ mungen zur Courtagezahlung enthalten.598 Auch ohne explizite Vereinbarung sind Courtageansprüche und gewisse Sorgfaltspflichten aber als Handelsbräu‑ che der Versicherungswirtschaft anerkannt.599 Freilich genügt das nicht, um Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis herzuleiten. Ein Handelsbrauch stellt schließlich keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage dar, sondern dient der Auslegung von Willenserklärungen oder der Konkretisierung gesetzlicher Regelungen im Hinblick auf die Bedeutung tatsächlicher Handlungen im Han‑ delsverkehr.600

(2)  Das allgemeine Handelsmaklerrecht als Grundlage für das Rechtsverhältnis Die Untersuchung muss daher beim Bestand der – wenn auch rudimentären – gesetzlichen Regelungen ansetzen. Da die §§ 93 ff. HGB nach den §§ 93 Abs. 1; 104 S. 2 HGB grundsätzlich auch auf Versicherungsmakler anwendbar sind, muss zunächst das allgemeine Handelsmaklerrecht betrachtet werden. Der his‑ torische Gesetzgeber sah Handelsmakler aufgrund der besonderen Gegenstän‑ de, die sie vermitteln, als neutrale Vermittler an, die beiden Parteien des Haupt‑ vertrags ihre Dienste leisten.601 Aus der Vermittlungstätigkeit sollten daher Rechtsbeziehungen zu beiden Seiten des vermittelten Vertrags entstehen, un‑ abhängig davon, wer den Makler beauftragt hat. Inwieweit das aber zur Begrün‑ dung eines Vertragsverhältnisses mit der Gegenpartei des Auftraggebers führt, ist immer noch lebhaft umstritten: Teile der Literatur nehmen an, ein Handelsmakler stehe im Regelfall auch ohne expliziten Vertragsschluss mit beiden Parteien in einem Vertragsverhält‑ 597  BGH, Urt. v. 1.7.2014, XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 (3362) Rn. 30. Die dabei zitier‑ te Fundstelle BGHZ 94, 356 bezieht sich jedoch nicht auf Gewohnheitsrecht. 598  Vgl. OLG München, Urt. v. 14.7.2011, 23 U 5191/10, r+s 2012, 364; OLG Hamm, Urt. v. 24.11.2004, 35 U 17/04, NJOZ 2005, 4621 (4624); Matusche-Beckmann, in: Beckmann/ Matusche-Beckmann, VersR‑Hdb., § 5 Rn. 367. Auch wenn diese als „Courtage-Zusage“ be‑ zeichnet sind, handelt es sich nicht nur um eine „einseitige Zusage“ (so aber LG Köln, Urt. v. 19.2.2016, 89 O 50/15, BeckRS 2016, 03781; Zinnert, Recht und Praxis, S. 60), sondern um Verträge (Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 117). 599 Ausf. Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 8 ff. sowie zu Sorgfaltspflichten Gauer, Der Versicherungsmakler, S. 41 f. 600  BGH, Urt. v. 3.12.1992, III ZR 30/91, NJW 1993, 1798; Joost, in: E/B/J/S, HGB, § 346 Rn. 21 ff.; Schmidt, in: MüKo-HGB, § 346 Rn. 2. Zum Versicherungsmakler auch Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 118. 601  Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 253, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, II/2, S. 1013 unter Verweis auf die dem „amtlichen Mäkler“ ähnliche Stellung.

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nis.602 An den Rechtsbindungswillen seien keine erhöhten Anforderungen zu stellen, da unter Kaufleuten auch im Gewährenlassen des Maklers eine Willens‑ erklärung auf Abschluss eines Maklervertrags liegen könne.603 Hierfür spreche die Begründung zum Entwurf des HGB,604 in der ausgeführt wird:605 „Bei dem Mäklervertrage des bürgerlichen Rechts steht der Mäkler nur zu seinem Auf‑ traggeber in einem Vertragsverhältnisse; nur diesem haftet er auf Grund des Vertrags für Verschulden und nur von ihm kann er den Mäklerlohn fordern […]. Dem Dritten […] haftet der Mäkler nach dem bürgerlichen Recht im Allgemeinen nur nach den Regeln über die unerlaubten Handlungen. Für den amtlichen Handelsmäkler gilt dagegen […] in allen diesen Beziehungen des Gegentheil, und die […] herrschende Ansicht stellt hierin den Privathandelsmäkler dem amtlichen Mäkler gleich. Bei dieser Auffassung bleibt der Entwurf stehen.“

Die §§ 93 ff. HGB seien daher anwendbar, wenn Handelsmakler wie im Re‑ gelfall mit beiden Parteien des Hauptvertrags vertraglich verbunden seien, was zum Teil als „Doppelauftrag“ bezeichnet wird.606 Hiervon sei nur ausnahms‑ weise dann nicht auszugehen, wenn der Makler erkennbar als alleiniger Interes‑ senvertreter seines Auftraggebers auftrete oder wenn die Gegenpartei den Mak‑ ler ablehne („Einzelauftrag“607).608 Mit abweichender dogmatischer Begründung kommen andere Autoren zu ähnlichen Ergebnissen. Ihnen genügt der bloße Kontakt eines Maklers zur 602  Gauer, Der Versicherungsmakler, S. 32; Klingmann, Maklerverträge, S. 100; KotzianMarggraf, in: Oetker, HGB, § 93 Rn. 8, § 98 Rn. 1; Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 38 ff.; Schröder, in: Schlegelberger, HGB, § 93 Rn. 13a, § 98 Rn. 1. Thiessen (in: Staub, HGB, § 93 Rn. 18 Fn. 25) spricht nur von überzeugenden Argumenten für einen vertraglichen Ansatz. 603  Kotzian-Marggraf, in: Oetker, HGB, § 99 Rn. 2; ähnlich Thiessen, in: Staub, HGB, § 93 Rn. 17; Schröder, in: Schlegelberger, HGB, § 99 Rn. 9. Beim Zivilmakler genügt das bloße Ge‑ währenlassen durch die Gegenpartei gerade nicht generell, vgl. BGH, Urt. v. 21.5.1971, IV ZR 52/70, DB 1971, 2058; Urt. v. 12.12.1957, II ZR 244/56, DB 1958, 77. 604 Dazu Thiessen, in: Staub, HGB, § 93 Rn. 16 f., Vor §§ 93 ff. Rn. 14. 605 Begründung zum Entwurf eines HGB, S. 65, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, II/1, S. 65; ähnlich die Zusammenfassung in der Denkschrift zum Entwurf eines HGB, S. 253, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, II/2, S. 1013. Vgl. in der Entwurfsbegründung auch S. 65, wo zur Vorgängernorm des § 99 HGB ausgeführt wird, ein Handelsmakler könne „von jeder Par‑ tei die Hälfte des Maklerlohns verlangen. Im Uebrigen kommen dagegen bezüglich des An‑ spruchs auf den Mäklerlohn die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Mäk‑ lervertrag zur Anwendung. […] Daß er außerdem der […] Verpflichtung zur Aufstellung von Schlußnoten nachgekommen sein muß, folgt aus den Grundsätzen der Vertragserfüllung“. Auch mit Blick auf die Gegenpartei scheint der Gesetzgeber somit von einem Maklervertrag auszugehen. 606  Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 40, 44. Thiessen hingegen versteht unter einer „Doppelbeauftragung“ nur Fälle, in denen Makler explizit Vereinbarungen mit beiden Par‑ teien schließen (Thiessen, in: Staub, HGB, § 93 Rn. 14; ähnlich zum Zivilmakler BGH, Urt. v. 18.5.1973, IV ZR 21/72, BGHZ 61, 18 [21]; Urt. v. 25.10.1967, VIII ZR 215/66, BGHZ 48, 344 ff.). 607  Thiessen, in: Staub, HGB, § 99 Rn. 12. 608  Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 46. Ebenso Kotzian-Marggraf, in: Oetker, HGB, § 98 Rn. 2; Schröder, in: Schlegelberger, HGB, § 98 Rn. 2.



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Gegenpartei seines Auftraggebers nicht für einen Vertragsschluss. Durch die §§ 93 ff. HGB werde daher nur ein gesetzliches (vertragsähnliches) Rechts‑ verhältnis begründet,609 das zum Teil als Sonderfall des in § 311 Abs. 3 BGB kodifizierten vorvertraglichen Schuldverhältnisses610, als „kraft Gesetzes“ be‑ gründetes „vertragliches Schutz- und Nebenpflichtenverhältnis“611 oder als ge‑ setzliche Anordnung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter612 angesehen wird. Bei Einzelaufträgen, d. h. wenn der Makler erkennbar als allei‑ niger Interessenvertreter seines Auftraggebers auftritt oder wenn die Gegenpar‑ tei den Makler ablehnt, entstehe das gesetzliche Rechtsverhältnis der §§ 93 ff. HGB nicht.613

(3)  Anwendung auf den Versicherungsmakler und Stellungnahme Die Übertragung dieser Diskussion auf den Versicherungsmakler bereitet Schwierigkeiten, weil er weder idealtypisch neutraler Vermittler zwischen Ver‑ sicherungsnehmer und Versicherer ist614 noch alleiniger Interessenvertreter sei‑ nes Auftraggebers. Schulz will ihn daher einer Zwischenkategorie zuordnen: Da er nach § 59 Abs. 3 S. 1 VVG nicht vom Versicherer mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut werden dürfe, könne er nicht wie beim „Dop‑ pelauftrag“ mit beiden Parteien des Versicherungsvertrags in Vertragsbezie‑ hungen stehen.615 Zugleich sei er kein ausschließlicher Interessenvertreter des Versicherungsnehmers wie beim „Einzelauftrag“, bei dem das „Doppelrechts‑ verhältnis“ der §§ 93 ff. HGB keine Anwendung finde.616 Es müsse sich daher um einen Einzelauftrag handeln, bei dem das „Doppelrechtsverhältnis“ gleich‑ wohl Anwendung finde. Insofern könne das Rechtsverhältnis zum Versicherer nur ein gesetzliches sein.617 Diese reine Begriffsdiskussion kann wenig überzeugen. Da schon Unklar‑ heit besteht, was überhaupt ein „Doppel-“ oder „Einzelauftrag“ ist,618 geht die 609  OLG Hamburg, Urt. v. 14.2.1907, OLGRspr. 14, 348 (349); Heymann, in: Ehrenberg, Hdb. HandelsR V/1/1, S. 387. Siehe ferner die folgenden Fn. 610  Canaris, Handelsrecht, § 19 Rn. 26; Lehmann, in: BeckOK‑HGB, § 93 (15.4.2019) Rn. 9. 611  Herrmann, in: Heymann, HGB, § 93 Rn. 12; v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 93 Rn. 61 unter Berufung auf OLG München, Urt. v. 8.8.1970, 12 U 2560/65, NJW 1970, 1924, wo es heißt: „Durch § 98 HGB wird also eine […] Vertragshaftung […] begründet“. 612  Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 186 m. w. N. auf S. 176 Fn. 842. 613  Lehmann, in: BeckOK‑HGB, § 93 (15.4.2019) Rn. 10. 614  So nun auch BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1059) Rn. 35. 615  Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 171. 616  Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 172 ff. 617  Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 175 ff. 618  Vgl. einerseits Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 164 und 168 sowie Roth, in: Baum‑ bach/Hopt, HGB, § 93 Rn. 33, § 98 Rn. 1 f., die jeweils ähnliche Kriterien für die Ablehnung eines „Doppelauftrags“ und für eine „Ausnahme vom Doppelrechtsverhältnis“ beim „Einzel‑ auftrag“ anwenden. Andererseits Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 40, 44, der den Begriff

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Diskussion am Kern der Problematik vorbei. Auch aus § 59 Abs. 3 S. 1 VVG lässt sich für die Frage, ob Makler mit Versicherern konkludent Verträge schlie‑ ßen, nichts gewinnen. Die Norm verbietet Maklern, sich gegenüber Versiche‑ rern zum Vertrieb ihrer Produkte zu verpflichten oder vorrangig in ihrem In‑ teresse tätig zu werden. Ob ihre Zusammenarbeit durch einen Rahmen- bzw. Kooperationsvertrag ausgestaltet wird, lässt der Gesetzgeber offen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Annahme eines Vertragsverhältnisses an sich die Un‑ abhängigkeit des Maklers gefährden könnte.619 Entscheidend ist, welchen In‑ halt das Rechtsverhältnis hat. Insofern ist die zentrale Frage, ob man das Ver‑ halten eines Maklers, der einem Versicherer einen Versicherungsantrag eines Kunden übermittelt, als Angebot auf Abschluss eines Rahmen-, Kooperationsoder Maklervertrags ansehen kann, den der Versicherer durch sein Einverständ‑ nis zur Zusammenarbeit annimmt. Dazu muss das Verhalten der Parteien da‑ raufhin untersucht werden, ob sie einen hinreichenden Rechtsbindungswillen haben. Die §§ 93 ff. HGB stellen dabei, anders als Schulz meint,620 keine erhöh‑ ten Anforderungen an einen Vertragsschluss:

(a)  § 98 HGB und Rücksichtnahmepflichten § 98 HGB begründet eine Haftung des Handelsmaklers sowohl gegenüber sei‑ nem Auftraggeber als auch gegenüber dessen Vertragspartner. Wenngleich es der Norm aus heutiger Sicht nicht bedürfte, wenn Makler mit beiden Parteien in Vertragsverhältnissen stünden,621 lässt sich daraus für die Zuordnung der Haf‑ tung zum (außer)vertraglichen Bereich nichts herleiten. Zum einen galt § 280 Abs. 1 BGB bei Erlass des § 98 HGB noch nicht. Zum anderen erfasst § 98 HGB auch die Haftung des Maklers gegenüber seinem Auftraggeber, die unzweifel‑ haft eine vertragliche ist.622 § 98 HGB lässt sich daher nur entnehmen, dass Handelsmakler mit beiden Hauptvertragsparteien in einer Sonderbeziehung stehen. Für die Praxis folgt daraus bereits, dass zwischen Versicherern und Maklern ein Schuldverhältnis i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB besteht.623 Rücksichtnahmepflichten  – sowohl der Makler zu Versicherern als auch umgekehrt – können also unproblematisch aus § 241 Abs. 2 BGB hergeleitet werden.624 Da § 98 HGB keine Auskunft über die „Doppelauftrag“ weit versteht und kein Problem hat, ein Vertragsverhältnis zwischen Maklern und Versicherern anzunehmen (§ 98 Rn. 30). 619  Vgl. aber Baumann, Versicherungsmakler, S. 180; Matusche, Pflichten und Haftung, S. 36, 38. 620  Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 177 f. 621  Daher gegen ein Vertragsverhältnis Schulz, Doppelrechtsverhältnis, S. 167 f., 177 f. 622  Darauf verweisend auch Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 98 Rn. 1. 623 Daher müssen die Voraussetzungen des §  311 Abs. 3 S. 1 BGB nicht erfüllt sein (a. A.  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 112). Gleiches gilt für § 311 Abs. 2 BGB (of‑ fenlassend BGH, Urt. v. 21.4.2016, I ZR 151/15, VersR 2016, 1497 [1501] Rn. 57 ff.). 624  Damit müssten Korrespondenzpflichten der Versicherer nicht mehr nur als versiche‑



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Reichweite der Pflichten gibt, ermöglicht er es ferner, bestimmten Handels‑ maklern gegenüber der Gegenpartei ihres Auftraggebers nicht dieselben Pflich‑ ten aufzuerlegen wie diesem gegenüber.625 Eine derartige Einschränkung des Pflichtenumfangs ist gerade auch bei Versicherungsmaklern erforderlich, da sie als „Sachwalter“ der Versicherungsnehmer vorrangig deren Interessen zu wahren haben.626 Überzeugend erscheint es vor diesem Hintergrund, ihnen eine „Ausgleichsfunktion“627 zuzusprechen: Sie sollen den häufig unerfahreneren Kunden durch Beratung und Interessenvertretung in eine zu den Versicherern gleichwertige Verhandlungsposition verhelfen.628 Dabei dürfen sie gleichwohl die Interessen der Versicherer nicht völlig außer Acht lassen. Sie wurden in der Geschichte trotz ihrer Sachwalterstellung nie als „einseitige Interessenvertre‑ ter“ angesehen.629 Freilich ist problematisch, ob hieraus eine generelle Interes‑ senwahrungspflicht gegenüber Versicherern folgt630 und inwieweit Makler Ver‑ sicherer über risikorelevante Umstände aufklären müssen.631 Pflichten können jedenfalls nur bestehen, soweit der Versicherer ein anerkennenswertes Interesse an einem Handeln bzw. Unterlassen des Maklers hat632 und vorrangig zu beach‑ rungsvertragliche Nebenpflicht hergeleitet werden (dazu BGH, Urt. v. 21.1.2016, I ZR 274/14, VersR 2016, 919 [920] Rn. 17; Urt. v. 29.5.2013, IV ZR 165/12, VersR 2013, 841 [842] Rn. 10 ff.). Auch die Pflicht, irreführende Angaben ggü. Versicherungsnehmern zu unterlassen (dazu BGH, Urt. v. 21.4.2016, I ZR 151/15, VersR 2016, 1497 ff.), kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. 625  Vgl. nur Kotzian-Marggraf, in: Oetker, HGB, § 98 Rn. 1; Lehmann, in: BeckOK‑HGB, § 98 (15.4.2019) Rn. 2; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 98 Rn. 1. Anders Schlömer, Prä‑ mieninkasso, S. 41, wonach Makler deutlich weniger Pflichten gegenüber dem Versicherer treffen müssten und das Rechtsverhältnis daher erheblich von § 98 HGB abweiche. Da die Norm über die Reichweite der Pflichten schweigt, muss eine solche „Abweichung“ indes gar nicht begründet werden. 626 BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 107/14, NJW‑RR 2016, 1056 (1059) Rn. 35; Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359). 627  Für Handelsmakler allg. Heymann, in: Ehrenberg, Hdb. HandelsR V/1/1, S. 393; spä‑ ter für Versicherungsmakler Gauer, Der Versicherungsmakler, S. 43; Matusche, Pflichten und Haftung, S. 35; Werber, VW 1988, 1159 (1160). 628  Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 55; ähnlich Gauer, Der Versicherungsmakler, S. 17, 42 f. 629  Gauer, Der Versicherungsmakler, S. 41 f.; vgl. auch Baumann, Versicherungsmakler, S. 164 f.; Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 154; Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 55 f.; Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 16 f. Prägnant auch Matusche, Pflichten und Haftung, S. 35. Leicht abweichend nunmehr Schlömer, Prämieninkasso, S. 48 f. 630  Dafür OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.11.1993, 10 U 29/91, VersR 1995, 92 (93); Matusche, Pflichten und Haftung, S. 134; Reiff, in: MüKo-VVG, § 59 Rn. 43; Schulz, Doppelrechts‑ verhältnis, S. 189 (aber „deutlich herabgesetzt“); Zinnert, Recht und Praxis, S. 58. Dagegen Baumann, Versicherungsmakler, S. 167; Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 112; Schlömer, Prämieninkasso, S. 48 ff. 631  Für Aufklärungspflichten Gauer, Der Versicherungsmakler, S. 43; Schulz, Doppel‑ rechtsverhältnis, S. 190; Zinnert, Recht und Praxis, S. 55, 59; zurückhaltender Baumann, Ver‑ sicherungsmakler, S. 169 ff.; Matusche, Pflichten und Haftung, S. 135 ff. Generell dagegen Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 112 sowie Schlömer, Prämieninkasso, S. 49 ff., der lediglich eine Unterlassungspflicht annimmt (S. 54). 632 So auch Schlömer, Prämieninkasso, S. 55 mit der Ergänzung, dass dieses Interesse

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tende Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht entgegenstehen633. Ob man das aus einer Konkretisierung des § 98 HGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB oder aus ergänzender Vertragsauslegung herleitet, ist meist irrelevant. Für die dogmatische Einordnung des Rechtsverhältnisses lässt sich § 98 HGB jeden‑ falls nichts entnehmen.

(b)  § 99 HGB und Courtageansprüche Auch § 99 HGB trifft unmittelbar keine Aussage über eine vertragliche Be‑ ziehung. Er gewährt einem Handelsmakler im Zweifel zur Hälfte Provisions‑ ansprüche gegen beide Hauptvertragsparteien, unabhängig davon, welche ihn beauftragt hat. Vorrangig stellt die Norm jedoch auf eine Vereinbarung zwi‑ schen „den Parteien“, d. h. zwischen Maklern und Hauptvertragsparteien,634 ab oder auf „abweichenden Ortsgebrauch“. Wenn Versicherer also abwei‑ chend von der Zweifelsfallregelung alleinige Courtageschuldner sind, muss das entweder auf einer „Vereinbarung“ beruhen oder auf abweichendem Orts‑ gebrauch. Ob sich aus der üblichen Zusammenarbeit eines Versicherers mit Maklern eine entsprechende Vereinbarung entnehmen lässt, ist im Wesentlichen eine Frage des Rechtsbindungswillens. Nutzt man die Handelsbräuche der Versiche‑ rungswirtschaft, um das Verhalten der Parteien auszulegen, wäre die Annahme eines derartigen Vertrags unproblematisch möglich:635 In der Einreichung eines Versicherungsantrags durch Makler an Versicherer kann man ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung i. S. d. § 99 HGB sehen, mit der sich Versicherer zur vollständigen Courtagezahlung verpflichten. Da sie vom Provisionsmodell Kenntnis haben, müssen sie das Maklerverhalten auch so verstehen (§§ 133, 157 BGB). Sie wissen ferner, dass ihre Annahme des Versicherungsantrags als Zustimmung zur Zusammenarbeit und zur üblichen Vergütung gewertet wird, sodass sie zugleich das Angebot des Maklers auf Abschluss einer Courtagever‑ einbarung annehmen. Freilich setzt die Lösung voraus, dass man an den Rechts‑ bindungswillen nicht allzu hohe Anforderungen stellt, was sich durchaus mit Handelsbräuchen und den Besonderheiten des kaufmännischen Rechtsverkehrs rechtfertigen lässt.636 nicht bereits durch Obliegenheiten bzw. Pflichten des Versicherungsnehmers ausreichend ge‑ schützt sein darf. 633  Vgl. nur Werber, VR 7–8/2003, 143 (146). 634  Mit „Parteien“ sind bei den §§ 93 ff. HGB zwar überwiegend die Parteien des vermit‑ telten Vertrags gemeint; dass diese aber (ggf. zu Lasten des Maklers) entscheiden sollen, wer Provisionsschuldner ist, lässt sich § 99 HGB nicht entnehmen. Ebenso v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 99 Rn. 8 m. w. N. 635  Zum Folgenden Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 117. Ihm folgend Armbrüster, ZIP 2017, 1 (3); ders., Privatversicherungsrecht, Rn. 753; Schlömer, Prämieninkasso, S. 44. 636  Vgl. §§ 362, 354 HGB sowie Kotzian-Marggraf, in: Oetker, HGB, § 99 Rn. 3; Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 98 Rn. 30. Vgl. aber BGH, Urt. v. 23.11.2016, VIII ZR 269/15, ZIP 2017,



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Verlangt man hingegen eine stärkere Manifestation des Parteiwillens für einen Vertragsschluss, kann der Courtageanspruch auch aus „abweichendem Ortsgebrauch“ i. S. d. § 99 HGB hergeleitet werden.637 Steht danach fest, dass der Versicherer die Provision alleine schuldet, ergibt sich auch, dass eine Ver‑ gütung durch den Versicherungsnehmer i. S. d. §§ 653 Abs. 1; 612 Abs. 1; 675 Abs. 1 BGB „den Umständen nach“ nicht geschuldet ist.638 § 99 HGB lässt somit genügend Raum, Courtageansprüche gegen Versiche‑ rer herzuleiten. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, warum es sich dabei um Gewohnheitsrecht handeln sollte. Voraussetzung dafür wäre eine länge‑ re tatsächliche Übung, die von den Rechtsgenossen als verbindliche Rechts‑ norm anerkannt wird (opinio necessitatis).639 Einen derartigen Rechtsgeltungs‑ willen konnten Versicherungsmakler und Versicherer schon nicht entwickeln, wenn § 99 HGB ihnen explizit die Verwirklichung des Courtagemodells er‑ möglicht.640 Mit der Möglichkeit von Parteivereinbarungen und abweichen‑ dem Ortsgebrauch ist er für Gestaltungen offen, die sich aus besonderen Han‑ delsbräuchen ergeben. Da § 99 HGB so den Übungen des Versicherungsrechts gerecht wird, musste und konnte nie ein davon abweichender Gewohnheits‑ rechtssatz begründet werden. Stellt ein geschriebener Rechtssatz auf einen Han‑ delsbrauch ab und verfestigt sich ein solcher, wird die Norm lediglich ausgestal‑ tet, nicht aber gewohnheitsrechtlich verdrängt.

(c)  §§ 98, 99 HGB als handelsrechtliche Sonderbeziehung Überwiegend genügen die §§ 98 und 99 HGB somit – modifiziert durch Bestim‑ mungen des VVG und der GewO sowie entsprechende Handelsbräuche – als Rechtsgrundlage für das Versicherungsmaklerrecht.641 Sieht man die §§ 93 ff. HGB mit guten Gründen als Ausprägung eines Vertrags zwischen Handels‑ maklern und Gegenpartei an, ist die Beschreibung des Rechtsverhältnisses zwi‑ 378; Urt. v. 28.1.1993, I ZR 292/90, VersR 1993, 878, wonach § 354 Abs. 1 HGB nicht den Ab‑ schluss eines Vertrags voraussetze. 637  So bereits Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 47 f., der gleichwohl von einem Ver‑ tragsverhältnis ausgeht (S. 56); vgl. auch Schlömer, Prämieninkasso, S. 39 f. Auch nach An‑ sicht des historischen Gesetzgebers sollte der Anspruch in dem Fall wohl auf einem konklu‑ dent geschlossenen Maklervertrag beruhen (vgl. Fn. 605). 638  Eines „Verzichts“ des Maklers bedarf es also nicht; a. A. Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 83, 90 f. 639 BVerfG, Beschl. v. 18.2.1970, 1 BvR 226/69, BVerfGE 28, 21 (28 f.); Beschl. v. 28.6.1967, 2 BvR 143/61, BVerfGE 22, 114 (121); Beschl. v. 8.1.1959, 1 BvR 296/57, BVerf‑ GE 9, 109 (117). 640 Ähnlich Schlömer, Prämieninkasso, S. 40. Mit anderen Begründungen i. E. ebenso gegen eine Herleitung des Courtageanspruchs aus Gewohnheitsrecht OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.2000, Verg 3/00, VersR 2001, 1043 (1048); Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 118; Dreher, VersR 2000, 666 (672). 641 Anders Schlömer, Prämieninkasso, S. 41, wonach das Rechtsverhältnis so stark von den §§ 93 ff. HGB abweiche, dass es auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen müsse.

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schen Versicherern und Maklern als „Kooperationsvertrag“ durchaus treffend. Rechtsdogmatisch würde es sich um einen Maklervertrag ohne Tätigkeitspflicht handeln.642 Er lässt sich im Bereich der Versicherungsvermittlung häufig als Rahmenvertrag ansehen, der für jede erfolgreiche Vermittlungsleistung einen Courtageanspruch des Maklers begründet.643 Die aus dem Vertragsverhältnis resultierenden Rücksichtnahmepflichten sind dann unter Berücksichtigung der Sachwalterstellung des Maklers zu bestimmen. Selbst wenn man die §§ 93 ff. HGB nicht generell als Ausprägung eines ver‑ traglichen Rechtsverhältnisses ansehen will, kann man mit guten Argumenten und im Einklang mit der Rechtsgeschäftslehre der §§ 133, 157 BGB und des § 346 HGB davon ausgehen, dass Makler und Versicherer durch ihre Zusam‑ menarbeit konkludent Verträge schließen. Zwingend ist das freilich nicht. Es scheint mehr eine „Frage des juristischen Geschmacks“644 zu sein, welche An‑ forderungen man an die Manifestation des Rechtsbindungswillens stellen will.

(4)  Wesen und Funktion der Rechte und Pflichten Dementsprechend erscheint es für die spätere funktionale Qualifikation deut‑ lich bedeutsamer, auf die Funktion und den Sinn der §§ 98, 99 HGB einzuge‑ hen. Den Normen liegt der Gedanke zugrunde, dass einem Handelsmakler, der zum Vorteil beider Parteien tätig wird, von beiden Seiten besonderes Vertrauen entgegengebracht wird.645 Auch zur Gegenpartei soll durch „tatsächliches in Verkehrtreten“646 ein Vertragsverhältnis oder jedenfalls ein dem gleichgestell‑ tes Rechtsverhältnis begründet werden. In diesem Sinne vertrauen auch Ver‑ sicherer auf die Integrität der Vermittler. Für sie ist entscheidend, dass Makler die Risikokalkulation nicht durch bewusstes Verschweigen gefahrerheblicher Umstände oder treuwidriges Zusammenwirken mit Versicherungsnehmern stö‑ 642  Für eine „Courtagezusage“ ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011, 16 U 133/10, IHR 2013, 36 (40). § 59 Abs. 3 S. 1 VVG, wonach Makler nicht vom Versicherer mit der Ver‑ mittlung „betraut“ sind, steht dem nicht entgegen (anders wohl Schlömer, Prämieninkasso, S. 34, der mit „Versicherungsmaklervertrag“ aber wohl einen Vertrag mit Tätigkeits- und ge‑ nereller Interessenwahrungspflicht wie ggü. dem Versicherungsnehmer meint). Eine „Betrau‑ ung“ liegt erst vor, wenn der Vertrag einen Vermittler verpflichtet, vorrangig im Interesse des Versicherers zu handeln, was insbesondere der Fall ist, wenn den Vermittler ggü. dem Ver‑ sicherer eine Tätigkeits- oder Bemühenspflicht trifft (im Einzelnen str., siehe OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.2011, 16 U 133/10, IHR 2013, 36 [40]; Münkel, in: Hk-VVG, § 59 Rn. 4 und 10 einerseits und Reiff, in: MüKo-VVG, § 59 Rn. 3, 27 andererseits). 643 Zusätzlich Maklerverträge bei jeder einzelnen Vermittlung annehmend Möller, in: Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl. (1961), Vor §§ 43–48 Anm. 38. 644 Treffend Kotzian-Marggraf, in: Oetker, HGB, § 99 Rn. 3. 645  v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 93 Rn. 61 sowie prägnant § 99 Rn. 3: „Durch die widerspruchslose Entgegennahme […] durch den Geschäftspartner wird auch diesem ge‑ genüber ein im Ergebnis provisionspflichtiges Vertrauensverhältnis begründet“; vgl. auch Canaris, Handelsrecht, § 19 Rn. 26. 646  Heymann, in: Ehrenberg, Hdb. HandelsR V/1/1, S. 388.



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ren.647 Wenngleich sie wissen, dass Makler entsprechend ihrer oben beschriebe‑ nen Ausgleichsfunktion in erster Linie die Interessen der Versicherungsnehmer berücksichtigen müssen, wird ihr Vertrauen nicht gänzlich beseitigt. Unabhän‑ gig von der dogmatischen Einordnung des § 98 HGB ist es daher zutreffend, den Grund der Haftung in einem „Geschäftsverkehr, welcher Vertrauen erfor‑ dert“648, zu sehen. Ein ähnlicher Gedanke liegt § 99 HGB zugrunde: Wer die Leistungen einer selbständigen Mittelsperson annimmt und von ihnen in Kenntnis der Entgelt‑ erwartung des Vermittlers profitiert, soll eine Vergütung schulden. Ob man sie als oder wie ein Vertragspartner schuldet, ist für die Funktion des Anspruchs un‑ erheblich. Die Übung des Versicherungsrechts, nach der Versicherer alleinige Courtageschuldner sind, beruht sogar noch stärker auf den „privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten“649 der Parteien. Letztlich handelt es sich um eine privatautonome Entscheidung der Versicherer, ob sie Bruttopolicen anbieten und durch Zusammenarbeit mit Maklern Courtagezahlungspflichten auf sich nehmen. Überzeugend stellt der BGH daher fest, dass die Übung „vom Willen aller Beteiligten getragen“650 ist.

bb)  Maklervertragliche Beziehungen in Österreich Ähnlich wie in Deutschland war die dogmatische Einordnung des Rechtsver‑ hältnisses auch in Österreich lange Zeit umstritten.651 Der Gesetzgeber hat dort jedoch mit dem Erlass des Maklergesetzes Klarheit geschaffen. Nach § 27 Abs. 1 MaklerG sind Versicherungsmakler zwar für beide Parteien tätig, haben aber überwiegend die Interessen der Versicherungskunden zu wahren. Ein‑ geschränkte Interessenwahrungspflichten bestehen nach § 29 MaklerG auch ge‑ genüber Versicherern. Wie international üblich steht Maklern nach § 30 Abs. 1 MaklerG in der Regel ein Provisionsanspruch nur gegen Versicherer zu. Die‑ ser ergibt sich nach Satz 2 „aus dem mit dem Versicherer geschlossenen Mak‑ lervertrag“. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird ausgeführt, dass hiermit der überwiegenden Lehre gefolgt wird, die schon vorher von einem Maklervertragsverhältnis zum Versicherer ausgegangen sei.652 Die Literatur be‑ zeichnet das Rechtsverhältnis dementsprechend als „schlichten Maklervertrag, der gemäß § 4 Abs 1 keine Tätigkeitspflicht für den Makler begründet“653. Er 647 

Ähnlich unter Verweis auf die Gefahrengemeinschaft der Versicherten Gauer, Der Ver‑ sicherungsmakler, S. 43 f.; Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 133. 648  OLG Hamburg, Urt. v. 14.2.1907, OLGRspr. 14, 348 (349). 649  Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 118. 650  BGH, Urt. v. 1.7.2014, XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 (3362) Rn. 30. 651 Dazu Migsch, VersR 1989, 321 ff. 652  ErlRV 2 BlgNR 20. GP, S. 32. 653  Bydlinski, Maklergesetz, § 26 Anm. 5. Ähnlich Koban/Funk-Leisch, in: Koban/FunkLeisch/Aichinger, Rechte und Pflichten, S. 35.

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werde konkludent geschlossen (spätestens, wenn der Versicherer das Angebot des Kunden annimmt, bzw. mit Übermittlung der Police)654 und habe Dauer‑ schuldcharakter655. Neben Leistungspflichten begründet er in beschränktem Maße auch Interes‑ senwahrungspflichten: Gem. § 29 MaklerG haben Makler im Verhältnis zum Versicherer „vorwiegend jene Interessen zu wahren, die auch der Versiche‑ rungskunde selbst vor und nach Abschluß des Versicherungsvertrags dem Ver‑ sicherer gegenüber zu beachten hat. Im besonderen ist der Versicherungsmak‑ ler verpflichtet, den Versicherer bei der Vertragsanbahnung über ihm bekannte oder erkennbare Risiken zu informieren“. Da der Maklervertrag Dauerschuld‑ charakter hat, geht die Literatur ferner davon aus, dass Makler Versicherer über später bekannt werdende erhebliche Risikoerhöhungen informieren müssen.656 Rücksichtnahmepflichten nach Abschluss des Versicherungsvertrags verbieten es Maklern zudem, Kunden „bei der Durchsetzung offenbar unbegründeter An‑ sprüche […] [zu] unterstützen“657. Verletzen Makler diese Pflichten, haften sie Versicherern nach § 3 Abs. 4 MaklerG auf Schadensersatz. Entsprechend der Annahme eines Vertragsverhältnisses zum Versicherer geht man in der Literatur insoweit von einer vertraglichen Haftung aus.658

cc)  Frankreich: Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Deliktsrecht? Anders als in Österreich ist die Rechtsbeziehung zwischen Maklern und Ver‑ sicherern in Frankreich nicht umfassend gesetzlich geregelt. Lediglich beim Vertrieb von Lebensversicherungen verpflichtet Art. L. 132-28 C. ass. die Par‑ teien, ihre Zusammenarbeit vertraglich auszugestalten. Derartige Rahmenver‑ einbarungen sind auch im Übrigen nicht unüblich.659

(1)  Bedeutung und Inhalt der Usages Selbst wenn die Parteien keinen schriftlichen Rahmenvertrag schließen oder dieser nur rudimentäre Regelungen enthält, haben Versicherer und Makler um‑ fangreiche Rechte und Pflichten, die bereits 1935 vom Verband der Versiche‑ rungsmakler in sog. Usages festgehalten wurden.660 Obwohl es sich hierbei nicht um verbindliche Rechtsnormen, sondern nur um Handelsbräuche handelt, 654  655 

Gartner/Karandi, MaklerG, § 26 Rn. 13. ErlRV 2 BlgNR 20. GP, S. 32. 656  Gartner/Karandi, MaklerG, § 29 Rn. 2. 657  ErlRV 2 BlgNR 20. GP, S. 32, wonach dieser Grundsatz allgemein anerkannt sei. 658  Aichinger, in: Koban/Funk-Leisch/Aichinger, Rechte und Pflichten, S. 63. 659 Vgl. Lafin/Coutin/Dupont, L’intermédiation, S. 65; Pardessus u. a., L’intermédiation, S. 75 unter Verweis auf einen „code ‚courtier‘“, den Versicherer gewähren würden. 660 Dazu Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 786. Es gibt die „Usages Parisiens du Courtage“ und die „Usages Lyonnais du Courtage“ (abgedruckt in Bigot/ Langé, L’intermédiation d’assurance, S. 891 ff.), die sich nur minimal unterscheiden.



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haben sie in der Praxis enorme Bedeutung, weil die Rechtsprechung aus ihnen unmittelbar Pflichten herleitet.661 Nach n° 2 der Usages dürfen Versicherer die Zusammenarbeit mit einem Makler stets ablehnen. Sie dürfen angebotene Risiken dann jedoch nicht zu gleichen Bedingungen von anderen Maklern akzeptieren. Kommt es zum Ab‑ schluss eines Versicherungsvertrags, steht Maklern nach n° 3 der Usages ein Anspruch auf Courtage zu, der grundsätzlich so lange bestehen bleibt, bis der Versicherungsvertrag gekündigt wird (al. 1 und 2). Wechselt der Versicherungs‑ nehmer den Makler, hängt das Fortbestehen des Courtageanspruchs davon ab, ob zugleich der Versicherungsvertrag gekündigt wird: Bei einer wirksamen or‑ dentlichen Kündigung verliert der Erst-Makler den Courtageanspruch zu dem Zeitpunkt, zu dem die Police endet (n° 3, al. 3). Wird der Versicherungsver‑ trag nicht ordentlich bzw. ordnungsgemäß gekündigt, behält er den Courtagean‑ spruch bis zur Höhe der von ihm eingebrachten Prämien (n° 3, al. 4). Die Usages legen Versicherern ferner umfangreiche Rücksichtnahmepflich‑ ten auf: Nach n° 4 dürfen sie Versicherungsnehmer nicht direkt zur Änderung oder Erneuerung eines Versicherungsvertrags beraten.662 Bei entsprechenden Kundenanfragen müssen sie zunächst die Makler benachrichtigen (n° 4 und 6). Gleiches gilt, wenn Versicherungsnehmer Verträge kündigen und Makler ihren Courtageanspruch zu verlieren drohen (n° 10). Versicherer müssen Makler fer‑ ner mindestens sechs Monate vorher auf den Ablauf einer Police hinweisen (n° 9). Da die Usages Maklern umgekehrt keine Rücksichtnahmepflichten auf‑ erlegen, wurden solche später im „Code Morale du Courtage“663 in den Num‑ mern 10–19 („Loyauté envers les entreprises d’assurances“) festgehalten. Mak‑ ler sollen insbesondere ehrlich auf Nachfragen der Versicherer antworten, um sie über Risiken aufzuklären. N° 18 des Code Morale sieht Makler folglich als „conciliateur“ an, d. h. als Schlichter oder Mittler.

(2)  Tendenz zur deliktischen Haftung Ob diese Rechte und Pflichten Gegenstand eines vertraglichen Rechtsverhält‑ nisses sind, wird unterschiedlich beurteilt. Teile der Literatur nehmen an, Mak‑ ler stünden auch zum Versicherer in einer Vertragsbeziehung, weil ihre Zu‑ 661  Vgl. Cass. civ. 1re v. 15.5.2015, n° 14-11.894, RGDA 2015, 318 (sogar unter Verweis auf Art. 1134 C. civ. a. F.); v. 30.1.2001, n° 98-16.477; v. 7.7.1987, JCP 1988.II.20914; CA Lyon v. 3.11.1955, RGAT 1956, 350 ff. Auch Langé, RGDA 2014, 399 meint, Versicherer hät‑ ten den Usages nie explizit zugestimmt, sich aber stets an sie gehalten. Da es keine anderen ge‑ setzlichen Regelungen gebe, greife die Rechtsprechung unmittelbar hierauf zurück. Vgl. auch Groutel, RCA 2015, 76, wonach die Rechtsprechung die Usages anerkannt habe. 662  Dazu Cass. civ. 1re v. 30.1.2001, n° 98-16.477. Anders in Deutschland, wo Versicherer nach § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG zwar nicht zur Beratung verpflichtet sind, sie ihnen aber auch nicht untersagt ist (Beschlussempfehlung und Bericht Wirtschaftsausschuss, BT‑Drs. 18/13009, S. 59). 663  Abgedruckt bei Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, S. 897 ff.

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sammenarbeit gegenseitige Zustimmung voraussetze.664 Dabei wird vor allem darauf abgestellt, dass Versicherer Makler üblicherweise damit beauftragen, Prämien einzuziehen oder Schäden zu regulieren.665 Da hierin die Übertragung eines mandat zu sehen ist,666 dürfte die Annahme eines Vertragsverhältnisses in solchen Fällen unstreitig sein. Werden derartige Aufgaben hingegen nicht über‑ tragen, sind Autoren eher zurückhaltend, einen konkludent begründeten Rah‑ menvertrag anzunehmen.667 Auch die Cour de cassation ordnet das Rechtsverhältnis im Grundsatz dem außervertraglichen Bereich zu. Dass sie 1967 den Abbruch von Geschäfts‑ beziehungen durch einen Versicherer als „rupture abusive du contrat“ ansah,668 wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beziehungen zum Makler über die gewöhnlich bestehenden hinausgegangen seien. Dem Sachverhalt lässt sich ferner entnehmen, dass es explizite Vereinbarungen zwischen den Partei‑ en gab. Fehlt es an einem solchen Rahmenvertrag, lehnt die Cour de cassation einen Vertragsschluss eher ab. Das zeigt beispielsweise eine Entscheidung aus dem Jahr 2015, in der sie die Haftung eines Versicherers aus der deliktischen Anspruchsgrundlage des Art. 1382 C. civ. a. F. herleitete.669 In dem Fall hatte der Makler M. X. einer Organisation zwei Versicherungsverträge vermittelt, die sich automatisch ver‑ längern sollten, wenn sie nicht zwei Monate vor Ablauf eines Jahres per Einschreiben gekündigt werden. Um den Makler zu wechseln, kündigte die Ver‑ sicherungsnehmerin die Verträge mit einfachem Brief vom 28.10.2009. Der Versicherer teilte M. X. daraufhin am 3.11.2009 mit, dass die Verträge zum 31.12.2009 aus seinem Bestand herausgenommen würden, und sandte ihm am 6.11.2009 das Kündigungsschreiben zu. Erst am 16.4.2010 erklärte der Ver‑ sicherer, dass die Kündigung auf einem Maklerwechsel beruhe und dass der Versicherungsnehmerin zum 1.1.2010 zwei neue Verträge vermittelt worden seien. M. X. verlangte vom Versicherer daraufhin weitere Courtagezahlungen und Schadensersatz, weil er zu spät über den Maklerwechsel informiert worden sei. Die Cour de cassation hielt die Kündigung der ursprünglichen Versiche‑ 664 

Pardessus u. a., L’intermédiation en assurance, S. 74 ff. (insb. S. 78: „Il existe aussi une relation contractuelle entre le courtier et les entreprises d’assurances avec lesquelles il travail‑ le“; einschränkend ggf. S. 77: „le courtier peut aussi avoir des relations contractuelles avec un ou plusieurs assureurs“). 665  Pardessus u. a., L’intermédiation en assurance, S. 78 unter Verweis auf Art. L. 512-7, R. 512-15 und A. 512-5 C. ass. 666  Lafin/Coutin/Dupont, L’intermédiation, S. 269. Vgl. auch Cass. civ. 1re v. 22.10.1996, n° 94-15.613: „un courtier d’assurances, s’il est en principe le mandataire conseil de l’assuré, peut aussi avoir […] la qualité de mandataire de l’assureur“. 667 Vgl. Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 1004, 1166, 1185; Lafin/Coutin/Dupont, L’intermédiation, S. 269. 668  Cass. civ. 1re v. 10.5.1967, RGAT 1968, 41. 669  Cass. civ. 1re v. 15.5.2015, n° 14-11.894, RGDA 2015, 318. Zustimmend Noguéro, in: Bacache u. a., D. 2016, 1161 (1165): „logiquement en responsabilité extracontractuelle“.



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rungsverträge für formunwirksam und sprach M. X. – mangels ordentlicher bzw. ordnungsgemäßer Kündigung der Policen – weitere Courtageansprüche zu (n° 3, al. 4 der Usages). Zugleich nahm sie an, der Versicherer habe eine de‑ liktische Pflicht verletzt, weil er M. X. nicht, wie von n° 7, al. 2 der Usages ge‑ fordert, über den Maklerwechsel „ohne Verzögerung“ bzw. jedenfalls vor Ab‑ schluss der neuen Versicherungsverträge informiert habe.670 M. X. habe daher keine Möglichkeit gehabt, mit seinen Kunden über eine Fortsetzung der Ge‑ schäftsbeziehung zu verhandeln. Das zeigt, wie weitgehend die Usages Ver‑ sicherer zur Rücksichtnahme verpflichten. Auch jenseits der Usages und des Code Morale erkennt die Cour de cassa‑ tion Rücksichtnahmepflichten an. Beispielhaft dafür ist eine Entscheidung aus dem Jahr 1992, in der ein Makler zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde.671 Dort wollte ein Versicherungsnehmer seine Bootsversicherung vor‑ zeitig auflösen. In einem Brief vom 7. Juli unterbreitete der Versicherer ein An‑ gebot zur Aufhebung des Vertrags zum 11. Juli, das der Makler an den Kunden weiterleiten sollte. Da der Makler das Schreiben erst am 18. Juli an den Ver‑ sicherungsnehmer schickte und sich am 17. Juli bereits ein Versicherungsfall ereignet hatte, musste der Versicherer den Schaden noch regulieren. Die Cour de cassation nahm an, der Makler sei gegenüber dem Versicherer zur zügigen Übermittlung des Schreibens an den Versicherungsnehmer verpflichtet gewe‑ sen, ohne einen Rechtsgrund für diese Pflicht anzugeben.672 Im Lichte der Ent‑ scheidung aus dem Jahr 2015 dürfte sich die Haftung aus dem Deliktsrecht er‑ geben. Die Cour de cassation könnte allerdings auch angenommen haben, der Versicherer habe dem Makler mit dessen Einverständnis ein mandat erteilt, das ihn zur rechtzeitigen Übermittlung des Schreibens verpflichtete.673 Unklar bleibt nach alledem, aus welchem Rechtsgrund die Cour de cassa‑ tion den Courtageanspruch der courtiers herleitet. In dem oben beschriebenen Urteil aus dem Jahr 2015 verweist sie lediglich auf n° 3 der Usages und führt schließlich aus, indem das Berufungsgericht dem Makler Courtageansprüche 670  Cass. civ.

1re v. 15.5.2015, n° 14-11.894, RGDA 2015, 318 m. Anm. Langé, RGDA 2015, 315 ff. N° 7 der Usages lautet: „La Compagnie ne peut accepter de remplacer une police en cours qu’à la demande de l’assuré ou sur la proposition d’un courtier muni d’un ordre ex‑ clusif l’habilitant à cet effet. Quand l’ordre de remplacement contient dénonciation de la police pour son échéance, la Compagnie en prévient le courtier créateur sans délai et en tout cas avant la délivrance de la police nouvelle“ (abgedruckt bei Bigot/Langé, L’intermédiation d’assuran‑ ce, S. 892). Demgegenüber ist es einem Versicherer nicht verwehrt, mit dem Versicherungs‑ nehmer stillschweigend die ordentliche Kündigungsfrist zu verkürzen, um einen Maklerwech‑ sel zu ermöglichen (Cass. civ. 2e v. 30.4.2014, n° 13-17.067, RGDA 2014, 401). 671 Cass. civ. 1re v. 24.3.1992, n° 90-17.745, RGAT 1992, 413; ausf. zum Sachverhalt Langé, RGAT 1992, 413. 672  Cass. civ. 1re v. 24.3.1992, n° 90-17.745, RGAT 1992, 413. Krit. zur Annahme einer Pflichtverletzung und zu ihrer Kausalität für den Schaden Langé, RGAT 1992, 413 (414). 673  Als möglichen Rechtsgrund anführend Langé, RGAT 1992, 413.

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abgesprochen habe, habe es Art. 1134 C. civ. a. F. verletzt.674 Dieser bestimm‑ te: „Les conventions légalement formées tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites“. Wenngleich die Norm unter anderem die Verbindlichkeit von Verträgen regelt, verweist die Cour de cassation damit nicht auf ein Vertragsverhältnis, sondern lediglich auf die übereinstimmende Geltung von Handelsbräuchen. Da‑ nach liegt der Rechtsgrund letztlich in einer (eventuell vertragsähnlichen) Ge‑ schäftsbeziehung, in der nach übereinstimmendem Willen bestimmte Handels‑ bräuche gelten. In diesem Sinne kommentiert auch Langé675 die Entscheidung: „Entre le courtier d’assurance et l’entreprise d’assurance […] il n’y a pas de contrat. Seulement un rapport d’affaires. […] Mais l’apport d’affaires à l’entreprise d’assurance qui les recherche, mérite rémunération de la part de l’entreprise d’assurance parce qu’il lui procure un avantage qu’elle n’avait pas. L’apport d’une affaire devient la cause de la commission du courtier que l’assureur accepte de lui verser sur les primes reçues de l’assuré. C’est […] une obligation acceptée, comme convenue implicitement sans qu’un contrat préalable ait lié assureur et courtier. Cette pratique renouvelée est devenue usage conventionnel.“

Wenngleich sich Formulierungen nicht näher am Vertragsrecht bewegen kön‑ nen, lehnen die französische Rechtsprechung und Literatur (konkludent begrün‑ dete) Rahmenverträge im Versicherungsmaklerrecht überwiegend ab. Sie müs‑ sen Rücksichtnahmepflichten daher unter Beachtung von Handelsbräuchen aus dem Deliktsrecht herleiten.

dd) England Auch in England versuchen Rechtsprechung und Literatur nicht, das Rechts‑ verhältnis generell dem Vertrags- oder Deliktsrecht zuzuordnen. Sie betonen le‑ diglich, dass Makler im Grundsatz agents der Versicherungsnehmer sind.676 Ob und woraus sich gleichwohl Rechte und Pflichten gegenüber Versicherern er‑ geben können, wird häufig nur in konkreten Einzelfällen diskutiert. Meist geht es dabei um die Courtage- bzw. Prämienschuldnerschaft sowie um Rücksicht‑ nahme- und Kooperationspflichten.

(1)  Courtage- und Prämienanspruch (a)  Versicherer als (vertragliche) Courtageschuldner Seit langer Zeit werden Versicherungsmakler auch in England für erfolgrei‑ che Vermittlungsleistungen grundsätzlich nicht von ihren Kunden, sondern von 674 

Cass. civ. 1re v. 15.5.2015, n° 14-11.894, RGDA 2015, 318. RGDA 2015, 315. Searle v. A R Hales [1995] C. L. C. 738; Arif v. Excess [1987] S. L. T. 473 (474); Roza‑ nes v. Bowen [1928] 32 Lloyd’s Law Rep. 98 (101); Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-032 sowie zur Ausnahme beim Prämieninkasso Rn. 16-016. 675  676 



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Versicherern vergütet.677 In der Praxis werden sie häufig mit dem Prämienein‑ zug beauftragt und es wird ihnen erlaubt, vor der Weiterleitung der Prämie ihre Courtage (commission) „abzuziehen“.678 Für den Fall, dass die Parteien keine explizite Vereinbarung über die Vergütung treffen, leitet Merkin679 den Courta‑ geanspruch ohne nähere Begründung aus custom oder implied terms her. Be‑ trachtet man die Rechtsprechung näher, wird deutlich, dass Gerichte sich vor allem auf (konkludent geschlossene) Verträge berufen. Der Court of Appeal führte in Wilson v. Avec Audio-Visual Ltd.680 beispielsweise aus, dass ein Ver‑ sicherungsmakler im Regelfall mit beiden Parteien des Versicherungsvertrags vertraglich verbunden sei: „There are really two contracts in existence in such cases as the present. An insurance broker has a contract (one would expect it to be in writing, though no written contract was here produced) between him and the insurance company, securing for him the payment of commission on such business as was procured to the advantage of the insurance com‑ pany through the broker’s instrumentality. There is also the contract between the plaintiff broker and the defendants whereby the plaintiff is authorized to act as the agent of the defendants in arranging insurance cover for them.“

In Pryke v. Gibbs Hartley Cooper681 beschrieb Waller, J. das Verhältnis zum Versicherer in ähnlicher Weise als „contract […] of paying the broker for the introduction of the business“. In dieser Formulierung spiegelt sich zugleich die überwiegende Ansicht wider, dass die Courtage im Regelfall eine Leistung für die Vermittlung der Police ist und somit nicht von der weiteren Betreuung durch den Makler abhängt.682 Die Courtageschuldnerschaft wird danach jeden‑ falls überwiegend aus einer (konkludenten) Vereinbarung mit dem Versicherer hergeleitet. Das gilt selbst dann, wenn die Höhe der Courtage im Versicherungs‑ vertrag festgehalten wird.683 677  Absalom v. TCRU [2006] 1 C. L. C. 648 (651); McNeil v. Law Union & Rock Insuran‑ ce Company [1925] 23 Lloyd’s List Law Rep. 314; Norreys v. Hodgson [1897] 13 T. L. R. 421; Merkin/Hjalmarsson, Compendium of Insurance Law, Rn. 8.5. Vgl. zum Rückversicherungs‑ markt aber die Diskussion in Carvill America Inc & Anor v. Camperdown UK Ltd & Ors [2005] EWCA Civ 645 = [2005] 1 C. L. C. 845 (858 f.). 678  Absalom v. TCRU [2006] 1 C. L. C. 648 (651); Allanfield Property v. Aviva Insurance [2015] EWHC 3721 (Ch); Power v. Butcher [1829] 10 B. & C. 329; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-045. 679  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-045. 680  [1974] 1 Lloyd’s Law Rep. 81 (82) (Davies L. J.). 681  [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602 (615). Dazu noch ausf. auf S. 307. 682  Der Makler verliert daher im Regelfall bei einem Maklerwechsel oder einer Kündi‑ gung während der Versicherungsperiode nicht den Anspruch auf die Courtage, vgl. Velos v. Harbour Insurance Services [1997] 2 Lloyd’s Law Rep. 461 (463): „the broker earns the enti‑ rety of his commission when the risk is successfully placed“. Zu möglichen Ausnahmen ARB International v. Baillie [2013] EWHC 2060 (Comm). 683  Vgl. Absalom v. TCRU [2006] 1 C. L. C. 648 (651). Vgl. in den USA auch die Ent‑ scheidung des Connecticut Superior Court v. 31.5.2007 in XL Specialty Ins. v. Carvill Ame‑ rica, No. X04 CV 04 4000148 S (abrufbar unter ), CT Page 2921, wonach auch eine vertragliche Beziehung zwi‑ schen dem Rückversicherungsmakler und den Rückversicherern bestehe und die Frage, in wel‑ chem Umfang eine Courtage geschuldet sei, in den jeweiligen Versicherungsverträgen (slips) festgehalten sei. 684  Section 53 (1) lautet: „Unless otherwise agreed, where a marine policy is effected on behalf of the assured by a broker, the broker is directly responsible to the insurer for the premi‑ um, and the insurer is directly responsible to the assured for the amount which may be payable in respect of losses, or in respect of returnable premium“. 685 Universo Insurance Company of Milan v. Merchants Marine Insurance Company [1897] 2 Q. B. 93 (99); Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 73. 686 Vgl. auch Gloster, LMCLQ 2007, 302 (307); Henley/Kemp, Insurance Broking, Rn. 8-004, wonach Versicherer die Prämie ferner nur stundeten, wenn sie sich an den Makler halten konnten. 687  Ausf. Law Commissions, Reforming Insurance Contract Law, Issues Paper 8: The Bro‑ ker’s Liability for Premiums (July 2010); abrufbar unter . 688  Vgl. Pacific and General Insurance Co v. Hazell [1997] B. C. C. 400 (413 ff.); Wilson v. Avec Audio-Visual Ltd. [1974] 1 Lloyd’s Law Rep. 81 (82 ff.); Law Commissions, Issues Paper 8 (Fn. 687), S. 10 ff.; Gloster, LMCLQ 2007, 302 (313 f.). Anders für non-marine insurance business bei Lloyd’s Henley/Kemp, Insurance Broking, Rn. 8-008–015. 689  Vgl. nur Heath Lambert v. Sociedad de Corretaje de Seguros [2004] EWCA Civ 792 Rn. 26; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 25-084; Waldstein, Der Versicherungsmak‑ ler, S. 74.



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sem als Darlehen zurückerhalten.690 Da der Versicherungsnehmer so behandelt wurde, als habe er die Pflicht zur Prämienzahlung bereits erfüllt, konnte der Versicherer sich nicht mehr an ihn halten, sondern nur an den Makler, welcher beim Versicherungsnehmer „Regress“ nehmen sollte.691 Inwieweit die Fiktion noch heute Grundlage der section 53 MIA ist, wurde in der Vergangenheit unterschiedlich beurteilt.692 Der Court of Appeal zog in jün‑ geren Entscheidungen zwei alternative Begründungsmöglichkeiten in Betracht: Zunächst könnten Makler als dual agents Prämien für Versicherer entgegenneh‑ men und aus der agency relationship die Herausgabe der Prämie schulden.693 Mit dieser Konstruktion würden Makler jedoch nicht, wie die überwiegende Auffassung annimmt, zum alleinigen und primären Prämienschuldner. Sie wür‑ den die Herausgabe vielmehr nur schulden, wenn Versicherungsnehmer die Prämie bereits an sie gezahlt hätten, was section 53 (1) MIA und die Rechtspre‑ chung nicht voraussetzen.694 Überzeugender erscheint daher ein zweiter Vor‑ schlag, nach dem Makler sich gegenüber Versicherern im eigenen Namen ver‑ traglich zur Prämienzahlung verpflichten.695 Unabhängig davon, ob man einer dieser alternativen Begründungsmöglichkeiten folgt oder ob man weiterhin auf die Fiktion abstellt, bleibt es nach überwiegender Auffassung dabei, dass Mak‑ ler alleinige Prämienschuldner sind und nur sie die Prämie vom Versicherungs‑ nehmer verlangen können,696 wenn die Parteien nicht explizit section 53 (1) MIA abbedingen.697 690 Universo Insurance Company of Milan v. Merchants Marine Insurance Company [1897] 2 Q. B. 93 (98 ff.). Ausf. zur Entwicklung Law Commissions, Issues Paper 8 (Fn. 687), S. 4 ff.; Henley/Kemp, Insurance Broking, Rn. 8-004. 691 Universo Insurance Company of Milan v. Merchants Marine Insurance Company [1897] 2 Q. B. 93 (96 f.); vgl. bereits Power v. Butcher [1829] 10 B. & C. 329 (339 ff.). 692 Gegen die Fiktion Allianz Insurance Co Egypt v. Aigaion Insurance Co [2008] 2 C. L. C. 211 (222); Heath Lambert v. Sociedad de Corretaje de Seguros [2004] EWCA Civ 792 Rn. 22 f.; J A Chapman v. Kadirga [1998] C. L. C. 860 (865). Dafür noch Charman v. New Cap Reinsurance [2003] EWCA Civ 1372 Rn. 10; Prentis Donegan v. Leeds [1998] 2 Lloyd’s Law Rep. 326 (334 f.); wohl auch Black King Shipping v. Mark Ranald Massie („The Litsion Pride“) [1985] 1 Lloyd’s Law Rep. 437 (510, 512). Dazu Law Commissions, Issues Paper 8 (Fn. 687), S. 19 f. 693  Heath Lambert v. Sociedad de Corretaje de Seguros [2004] EWCA Civ 792 Rn. 22 f.; J A Chapman v. Kadirga [1998] C. L. C. 860 (865). 694  Gloster, LMCLQ 2007, 302 (309); Law Commissions, Issues Paper 8 (Fn. 687), S. 5 f. 695  Heath Lambert v. Sociedad de Corretaje de Seguros [2004] EWCA Civ 792 Rn. 22 f. 696 Vgl. Heath Lambert v. Sociedad de Corretaje de Seguros [2004] EWCA Civ 792 Rn. 26, 36. Nach J A Chapman v. Kadirga [1998] C. L. C. 860 besteht der „Regressanspruch“ gegen den Versicherungsnehmer sogar, wenn der Makler die Prämie noch nicht an den Ver‑ sicherer gezahlt hat und wegen Insolvenz auch nicht mehr bezahlen wird. 697 J A Chapman v. Kadirga [1998] C. L. C. 860 (865 f.): „the usual rule, which has achieved statutory recognition in S. 53 (1) of the 1906 Act, is not to be displaced unless a court is satisfied that the parties clearly intended otherwise“. Soweit eine Pflicht des Versicherungs‑ nehmers zur Prämienzahlung im Versicherungsvertrag vereinbart wurde, wird sie im Lichte der section 53 (1) MIA ausgelegt.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Gegen die im common law entwickelte Fiktion wird nunmehr auch section 54 MIA angeführt. Danach wirkt die Bestätigung der Prämienzahlung in der Versicherungspolice im Verhältnis zum Versicherer nur zugunsten des Versiche‑ rungsnehmers und nicht zugunsten des Maklers. Eine solche Regelung wäre überflüssig, würde fingiert, dass der Versicherungsnehmer die Prämie bereits gezahlt hat.698 Noch weitergehend legt der Wortlaut der section 54 MIA sogar nahe, dass Makler nicht anstelle der Versicherungsnehmer Prämienschuldner sind, sondern nur mit diesen gemeinsam als Gesamtschuldner oder Bürgen.699 Auch der Court of Appeal begründet in seinen jüngeren Entscheidungen nicht, auf welcher Grundlage Versicherungsnehmer von der Prämienzahlungspflicht befreit werden, wenn eine entsprechende Zahlung nicht wie früher fingiert wird. Schließt man sich der Auffassung an, dass Makler sich vertraglich gegenüber dem Versicherer zur Prämienzahlung verpflichten, könnte man diese Verein‑ barung allenfalls als Vertrag zugunsten Dritter ansehen, der Versicherungsneh‑ mer von ihrer Leistungspflicht befreit. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Um den Makler im Seeversiche‑ rungsrecht zum Prämienschuldner zu machen, fingierte das englische Recht früher einen Darlehensvertrag. Nunmehr nimmt die Rechtsprechung zum Teil an, dass Makler Prämien als agents der Versicherer empfangen oder sich im ei‑ genen Namen zur Prämienzahlung verpflichten. Letzteres ließe sich in ein Sys‑ tem bringen mit der Entscheidung in Wilson v. Avec Audio-Visual Ltd., in der der Courtageanspruch aus einem eigenen Vertrag zwischen Versicherern und Mak‑ lern hergeleitet wurde. In diesem könnten sich Makler entsprechend den Ge‑ pflogenheiten des Seeversicherungsmarktes zur Prämienzahlung verpflichten.

(2)  Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten aus implied contracts und voluntary assumption of responsibility Anders als bei den bislang dargestellten Leistungspflichten besteht im eng‑ lischen Recht Unklarheit, inwieweit Makler und Versicherer gegenseitig zur Rücksichtnahme verpflichtet sind. Section 19 MIA a. F. verpflichtete Makler früher, Versicherer vor Abschluss eines Versicherungsvertrags über bekannte risikorelevante Umstände aufzuklären. Obwohl die Norm ihrem Wortlaut nach eigene (Rücksichtnahme-)Pflichten statuierte, leitete die Rechtsprechung aus ihr nie Schadensersatzansprüche gegen Vermittler her. Vielmehr sollten Ver‑ stöße Versicherer allein zur Anfechtung des Versicherungsvertrags berechti‑ gen.700 Dieser Ansicht entsprechend wurde section 19 MIA aufgehoben und in 698  Law Commissions, Issues Paper 8 (Fn. 687), S. 27; Henley/Kemp, Insurance Broking, Rn. 8-006. Im Umkehrschluss müsste der Versicherungsnehmer bei Fehlen einer solchen Be‑ stätigung sogar primärer Prämienschuldner sein, vgl. Gloster, LMCLQ 2007, 302 (309). 699  Vgl. auch Gloster, LMCLQ 2007, 302 (309). 700  HIH v. Chase Manhattan Bank [2003] 2 Lloyd’s Law Rep. 61 (79). Nur wenn das Ver‑ halten des Maklers die Voraussetzungen eines torts erfüllte, sollte (auch) er haftbar gemacht



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section 4 (2)–(4) Insurance Act 2015 geregelt, dass Versicherungsnehmern das Wissen ihrer Makler zuzurechnen ist.701 Kodifizierte Rücksichtnahmepflichten bestehen somit nicht. Auch dem Vertrag, aus dem Gerichte überwiegend Courtageansprüche der Makler herleiten, will die Rechtsprechung zum Teil keine Neben- bzw. Schutz‑ pflichten entnehmen. Er beschränke sich auf die Vergütung; weitergehende Rücksichtnahmepflichten als implied terms aus ihm herzuleiten, widerspreche der Stellung der Makler als agents der Versicherungsnehmer.702 Merkin nennt lediglich zwei Ausnahmefälle, in denen sich Rücksichtnahmepflichten er‑ geben könnten: zum einen, wenn ein Makler bestimmte Funktionen (auch) als agent des Versicherers wahrnehme, d. h. er als dual agent handele; zum ande‑ ren, wenn er durch eine freiwillige Tätigkeit für den Versicherer Verantwortung übernehme (voluntary assumption of responsibility).703 Den ersten Fall scheint Merkin dem Vertragsrecht zuzuordnen, während die freiwillige Übernahme von Verantwortung nach Hedley Byrne v. Heller & Partners deliktische Pflichten begründet, bei deren Verletzung Ansprüche aus negligence entstehen.704 Diese Kategorisierung ist durchaus geeignet, das unübersichtliche Fallrecht zu die‑ ser Frage zu ordnen. Es sollte gleichwohl nicht der Eindruck entstehen, dass englische Gerichte Rücksichtnahmepflichten in systematischer Weise nur dann dem Vertragsrecht zuschreiben, wenn Versicherer Maklern explizit Aufgaben übertragen. Die Entwicklung der Rechtsprechung zeigt vielmehr, dass sich die Zusammenarbeit von Maklern und Versicherern stets im Grenzbereich von Ver‑ trag und Delikt bewegt hat:

werden können; vgl. auch Elkington, in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16018; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-059. 701  Section 4 (2) Insurance Act 2015 lautet: „An insured […] knows […] what is known to one or more of the individuals who are responsible for the insured’s insurance“. Nach section 2 (1) Insurance Act 2015 gilt die Regel nicht für Verbraucherverträge. Auch dort findet aber eine Wissenszurechnung statt, soweit der Makler als agent des Verbrauchers i. S. d. section 9 Con‑ sumer Insurance (Disclosure and Representations) Act 2012 handelt, vgl. Explanatory Notes Consumer Insurance (Disclosure and Representations) Bill [HL] Rn. 56. 702  Pryke v. GHC [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602 (615); Elkington, in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16-017. Gegen einen implied contract ebenfalls bereits Glasgow Assurance v. William Symondson [1911] 16 Com. Cas. 109 (121 f.); Empress Assurance v. C. T. Bowring [1906] 11 Com. Cas. 107 (112 f.). 703  Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 16-033. Vgl. auch Walton, in: Charles‑ worth & Percy on Negligence, Rn. 10-185–187 und Rn. 10-192. 704  Siehe bereits S. 170. Durch die Ausweitung des Deliktsrecht in Hedley Byrne wur‑ den ältere Entscheidungen gegenstandslos, die deliktische Pflichten der Makler gegenüber Versicherern generell ablehnten (Glasgow Assurance v. William Symondson [1911] 16 Com. Cas. 109; Empress Assurance v. C. T. Bowring [1906] 11 Com. Cas. 107), vgl. General Ac‑ cident Fire and Life Assurance Corporation v. Peter William Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58 (84) sowie später Pryke v. GHC [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602 (618); Elkington, in: Jackson & Powell on Professional Liability, Rn. 16-019 Fn. 48.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Zunächst nahmen Gerichte Vertragsverhältnisse in der Tat vor allem dann an, wenn Maklern bestimmte Aufgaben übertragen wurden, z. B., wenn ihnen Abschlussvollmachten erteilt wurden.705 Gleiches galt, wenn Makler bei der Vermittlung von Erstversicherungsschutz zugleich für den Erstversicherer Rückversicherungsschutz besorgen sollten. In solchen Fällen beauftragen die Erstversicherer Makler nämlich im Rahmen eines eigenen Maklervertrags mit der Vermittlung von Rückversicherungen.706 Jenseits dieser Fälle ist die Rechtsprechung zum Teil zurückhaltend gewe‑ sen, Pflichten aus dem Vertragsrecht herzuleiten. Beispielhaft dafür ist die Ent‑ scheidung der Queen’s Bench Division in The Zephyr707. In dem Fall wurde ein Makler bei Lloyd’s von Erstversicherern beauftragt, Rückversicherungsschutz (für ein Schiffsrisiko) zu besorgen. Das geschieht in der Regel dadurch, dass mehrere Rück-„Versicherer“ – bei Lloyd’s sog. Syndicates (underwriter) – den Risikoanteil, den sie zu tragen bereit sind, auf einem slip notieren. Überschrei‑ ten die notierten Werte die 100 %-Grenze, verringern sie sich anteilig (signing down). Überzeugt ein Makler beispielsweise zehn Rückversicherer, je 20 % rückzuversichern, ist ein slip um 100 % „überzeichnet“, sodass jeder Rückver‑ sicherer im Ergebnis nur 10 % des Risikos trägt. In dem Fall war der Mak‑ ler nun dafür bekannt, dass seine slips extrem überzeichnet sind. Gegenüber zwei Syndikaten, dem Tanter und Moller Syndicate, gab der Makler sogar an, er gehe davon aus, dass sie durch das signing down letztlich nur ein Drittel des angegebenen Anteils zu tragen hätten (signing indication). Im Vertrauen darauf schrieben beide einen relativ hohen Anteil auf den slip. Gegenüber einer dritten Gruppe von Syndikaten, den Postgate Syndicates, gab der Makler keine signing indication ab. Vielmehr vertrauten diese darauf, dass er es wie üblich schaffen werde, viele Rückversicherer vom Geschäft zu überzeugen. Da ihm das wegen Arbeitsüberlastung nicht gelang, war der slip nur leicht überzeichnet und alle Rückversicherer hatten 88,48 % (und nicht nur ein Drittel) ihres auf dem slip notierten Anteils zu tragen. Als sie nach einem Schiffsunglück Rückversiche‑ rungsschutz bieten mussten, verlangten sie vom Makler aus Vertrags- und De‑ liktsrecht Schadensersatz. Die Queen’s Bench Division nahm an, die signing indication stelle kein ver‑ tragliches Versprechen des Maklers dar,708 sodass er den Rückversicherern nur aus negligence wegen voluntary assumption of responsibility haften könne. 705 

Woolcott v. Excess [1979] 1 Lloyd’s Law Rep. 231. HIH v. JLT Risk Solutions [2007] 2 C. L. C. 62 (83); Youell v. Bland Welch (The „Su‑ perhulls Cover“ Case) (No. 2) [1990] 2 Lloyd’s Law Rep. 431 (445 f.), wo konkurrierende Pflichten auch aus dem tort law hergeleitet wurden (S. 459); General Accident Fire and Life Assurance Corporation v. Peter William Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58 (80). 707  General Accident Fire and Life Assurance Corporation v. Peter William Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58. 708  General Accident v. Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58 (81). Hob‑ 706 



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Diesbezüglich stellte Hobhouse, J. fest, dass die signing indication eine freiwil‑ lige Handlung sei, die berechtigtes Vertrauen bei dem Tanter und Moller Syndicate hervorgerufen habe.709 Der Makler sei daher verpflichtet gewesen, sich um die Gewinnung weiterer Rückversicherer zu bemühen. Da er dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, hafte er deliktisch auf Schadensersatz.710 Demgegenüber hatte der Court of Appeal in nächster Instanz kein Problem, in der signing indication einen Vertrag zu sehen, der den Makler verpflichtete, sich um die Gewinnung weiterer Rückversicherer zu bemühen. Knapp stellte Mustill, L. J. fest:711 „Juristic labels aside, it seems to me clear that this was a promise to do something […]. I can for my part see no reason why the indication should not form part of a contractual bargain.“

Zugleich entschied der Court of Appeal, dass zwischen Maklern und Versiche‑ rern nicht generell Rücksichtnahmepflichten bestehen. So lehnte er Ansprü‑ che der Postgate Syndicates ab, weil ihnen gegenüber keine signing indication abgegeben worden sei, die ein schutzwürdiges Vertrauen hätte erzeugen kön‑ nen.712 In der Folge war es wieder die Queen’s Bench Division, die sich skeptisch gegenüber dem Vertragsrecht zeigte. In Pryke v. GHC713 hatten Versicherer einem amerikanischen Unternehmen (Atlas) unter Vermittlung des beklagten Maklers (GHC) Abschlussvollmachten erteilt. Atlas überschritt seine Befugnis‑ se und zeichnete unerlaubt Versicherungsgeschäft. Als das auffiel, verlangten die Versicherer und GHC die Einstellung der Geschäftspraxis. GHC beteiligte sich bei Ermittlungen in den USA, um den Sachverhalt aufzuklären. Atlas ver‑ sprach, das Geschäft einzustellen und alte Verträge zu kündigen. Weil das nicht geschah, wurden die Versicherer in den USA in Anspruch genommen und ver‑ langten von GHC Schadensersatz. Sie argumentierten, GHC habe sich vertrag‑ lich zur Verwaltung und Überwachung der Abschlussvollmachten verpflichtet. house, J. macht jedoch auf S. 82 deutlich, dass ein Vertrag zwischen Maklern und Versicherern nicht generell ausgeschlossen ist. 709  General Accident v. Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58 (85): „The duty in tort can include duties which could be described as assumpsit duties, […] which are recognized by the law only because a party has voluntarily assumed them or voluntarily en‑ tered into a relationship to which they attach. […] In the present case the giving of a signing indication by a broker to an underwriter is a voluntary act by the broker as a result of which the underwriter to the knowledge of the broker is placed in a situation of reliance […]. It is this element of reliance by one person on another arising out of the voluntary assumption by the latter of a relationship to the former, that is the essence of the duties of care which have been held to exist“. 710  General Accident v. Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58 (86). 711  General Accident v. Tanter (The „Zephyr“) [1985] 2 Lloyd’s Law Rep. 529 (537). 712  General Accident v. Tanter (The „Zephyr“) [1985] 2 Lloyd’s Law Rep. 529 (540). 713  [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Diese Ansicht teilte die Queen’s Bench Division nicht.714 Sie nahm an, dass der Vertrag, der GHC einen Courtageanspruch gewähre, keine generellen Rück‑ sichtnahmepflichten begründe.715 GHC sei daher nicht verpflichtet gewesen, die Versicherer bei den Untersuchungen in den USA zu unterstützen. Da das Unternehmen sich aber freiwillig hierfür entschieden und Vertrauen bei den Versicherern erzeugt habe, sei es auch zur sorgfältigen Durchführung der Un‑ tersuchung verpflichtet gewesen. Zur Begründung verwies die Queen’s Bench Division auf deliktische Pflichten, die sich aus voluntary assumption of responsibility ergeben können.716 Im Gegensatz dazu war der Court of Appeal zuletzt in Goshawk v. Tyser & Co.717 wieder eher dem Vertragsrecht zugeneigt. In dem Fall wollten Syndikate bei Lloyd’s das Geschäft in einer bestimmten Sparte einstellen. Um verbleiben‑ de Risiken zu kalkulieren, benötigten sie Informationen über laufende Verträ‑ ge. Da es bei Lloyd’s üblich war, dass nur die Makler bestimmte Dokumen‑ te wie Antragsunterlagen und Schadensmeldungen aufbewahrten, mussten die Versicherer Einsicht in die Vertragsunterlagen nehmen. Hierauf nahmen sie die Makler in Anspruch, die eine Einsichtnahme verweigerten. Für den Zeitraum, in dem die Parteien noch keine expliziten Vereinbarungen geschlossen hatten, stützten die Versicherer den Anspruch auf implied contracts, die Makler zur Ko‑ operation verpflichten sollten. Der Court of Appeal folgte dem im Wesentlichen. Rix, L. J. nahm an, dass ein Einsichtsrecht bei Lloyd’s üblich und zum ordnungsgemäßen Geschäfts‑ ablauf erforderlich sei.718 Da die Makler sich in Kenntnis dieser Geschäftspra‑ xis auf eine Zusammenarbeit mit den Versicherern eingelassen hätten, hätten sie einen implied contract geschlossen, der sie zur Kooperation verpflichte.719 Aus‑ drücklich verweist er darauf, dass die Queen’s Bench Division Pflichten zwar zum Teil nur aus dem Deliktsrecht hergeleitet habe, die Formulierung der Ur‑ teile aber sehr nah am Vertragsrecht sei.720 Während die Queen’s Bench Division also eher vertragsfeindlich ist, zeigt sich der Court of Appeal offener für implied contracts. Die These Merkins, dass vertragliche Rücksichtnahmepflichten nur entstehen können, wenn Makler als dual agents auftreten, und sie im Übrigen allenfalls deliktisch haften,721 be‑ stätigt eine Analyse der Rechtsprechung jedenfalls nicht generell. Ob ein Ge‑ 714  Pryke v. GHC [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602 (614): „The mere carrying out of func‑ tions does not in itself establish any contract to carry out those functions“. 715  Pryke v. GHC [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602 (615). 716  Pryke v. GHC [1991] 1 Lloyd’s Law Rep. 602 (616). 717  [2006] EWCA Civ 54 = [2006] 1 Lloyd’s Law Rep. 566. 718  Goshawk v. Tyser & Co. [2006] 1 Lloyd’s Law Rep. 566 (570, 577). 719  Goshawk v. Tyser & Co. [2006] 1 Lloyd’s Law Rep. 566 (577). 720  Goshawk v. Tyser & Co. [2006] 1 Lloyd’s Law Rep. 566 (577): „Although that case was brought in tort, the language is as close to contract as it is possible“. 721  Siehe einleitend S. 305.



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richt einen konkludenten Vertragsschluss annimmt bzw. Pflichten vertraglich herleitet, hängt auch im common law eher vom Zufall ab. Unabhängig von der dogmatischen Grundlage lehnt die englische Rechtsprechung Rücksichtnahme‑ pflichten zwischen Versicherern und Maklern jedoch eher ab. Allenfalls leitet sie aus der freiwilligen Zusammenarbeit im Einzelfall Kooperationspflichten her. Dabei ist zu beachten, dass sich die meisten Entscheidungen auf die Han‑ delsbräuche bei Lloyd’s beziehen und somit nicht verallgemeinert werden kön‑ nen.

ee)  Ergebnis der Rechtsvergleichung Im Ergebnis bestehen in allen untersuchten Rechtsordnungen eigene Rechts‑ beziehungen zwischen Maklern und Versicherern. Treffen die Parteien keine expliziten (Rahmen-)Vereinbarungen über ihre Zusammenarbeit, sind die meis‑ ten Rechtsordnungen mit Ausnahme Österreichs jedoch eher zurückhaltend in der Annahme eines Vertragsverhältnisses. Vor allem Rechtsordnungen mit einem weiten Deliktsrecht wie Frankreich und England wollen Makler mög‑ lichst ausschließlich dem „Lager“ der Versicherungsnehmer zuordnen, indem sie vertragliche Bindungen soweit wie möglich ablehnen. Sie leiten Rücksicht‑ nahmepflichten überwiegend deliktisch her. Wenn sie allerdings Leistungs‑ pflichten wie die zur Courtagezahlung begründen müssen, bleibt auch ihnen nichts anderes übrig, als auf (konkludent geschlossene) Verträge zurückzugrei‑ fen. Gemeinsam ist allen Rechtsordnungen, dass eine große Ungewissheit darü‑ ber besteht, wie weit die Pflichten der Parteien im Einzelfall gehen. Selbst das MaklerG in Österreich gibt nur einen groben Rahmen vor, der durch Handels‑ bräuche präzisiert werden muss. Wenngleich es nicht überall unter diesem Aspekt diskutiert wird, stellt sich auch in diesem Rechtsverhältnis vor allem die Frage, ob sich der Zusammen‑ arbeit von Maklern und Versicherern ein Rechtsbindungswille zum Abschluss von Makler-, Rahmen- oder Kooperationsverträgen entnehmen lässt. Unabhän‑ gig davon, welche Antwort Rechtsordnungen auf diese Frage geben, erkennen sie an, dass aus der freiwilligen Zusammenarbeit gewisse Rechte und Pflichten resultieren. Für deren Reichweite sowie den Umfang einer etwaigen Haftung ist die dogmatische Herleitung wegen der besonderen Bedeutung der Handels‑ bräuche häufig irrelevant. Die Diskussion ist überwiegend geprägt von zwei wi‑ derstreitenden Zielen: zum einen, die klare Trennung von Vertretern und Mak‑ lern dadurch zu stützen, dass man vertragliche Beziehungen zum Versicherer beim Makler möglichst ablehnt; zum anderen, den Gegebenheiten der Praxis und den Handelsbräuchen gerecht zu werden. Die Skepsis gegenüber dem Ver‑ tragsrecht ist unbegründet, wenn man begreift, dass die kohärente Zuweisung der Pflichten zu diesem Rechtsgebiet keinen Einfluss auf die Unabhängigkeit der Makler hat.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

2.  Kollisionsrechtliche Anknüpfung Angesichts der unklaren Einordnung des Rechtsverhältnisses im nationa‑ len Recht verwundert es nicht, dass seine kollisionsrechtliche Qualifikation bislang nicht ausführlich untersucht wurde. Dabei handelt es sich nicht nur um ein akademisches Problem, wie eine Rechtsstreitigkeit zwischen Mak‑ lern der Carvill-Gruppe, Versicherern der XL‑Gruppe und diversen europäi‑ schen Rückversicherern gezeigt hat:722 Ein amerikanischer Versicherer (XL) hatte ein amerikanisches Maklerunternehmen (Carvill) beauftragt, Rückver‑ sicherungsverträge zu vermitteln. Im Maklervertrag war eine Gegenleistung XL’s im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass Carvill eine Vergütung von den Rückversicherern erhalten sollte, an die auch die Prämien gezahlt werden mussten. Während Carvill amerikanische Rückversicherer gewann, vermittel‑ te ihre britische Tochtergesellschaft (Carvill UK) Verträge mit europäischen Rückversicherern. In der Praxis zahlte XL die Rückversicherungsprämien an Carvill, welche ihre Courtage abzog und die übrigen Prämien an die Rückver‑ sicherer weiterleitete. Nach einem Streit über die Höhe der Courtage im euro‑ päischen Markt beendete XL die Zusammenarbeit mit Carvill und zahlte die Prämien nunmehr direkt (abzüglich der Courtagen) an die europäischen Rück‑ versicherer. Weil diese sich weigerten, weitere Courtagen zu zahlen, verklag‑ ten Carvill und Carvill UK sie und XL in England auf Zahlung der restlichen Vergütung für die laufende Versicherungsperiode. Hiergegen wandte unter an‑ derem die Hannover Rück ein, nach dem für sie geltenden deutschen Recht schulde sie keine Courtage.723 Welches Recht in derartigen Fällen das Verhältnis der Vermittler zu Ver‑ sicherern beherrscht, hängt auch hier wieder von der Qualifikation der Bezie‑ hung als vertraglich i. S. d. Rom I‑VO oder außervertraglich i. S. d. Rom II‑VO ab. Darüber hinaus ist nach einer Ermittlung der Regelanknüpfung zu unter‑ suchen, inwieweit eine akzessorische Anknüpfung an das Vermittlungsver‑ trags- bzw. Versicherungsvertragsstatut vorzunehmen ist. Schließlich ist auf die Anwendbarkeit von Handelsbräuchen in grenzüberschreitenden Sachver‑ halten einzugehen.

722  Vgl. hierzu die britischen Entscheidungen des High Court (Carvill America v. Cam‑ perdown UK [2004] EWHC 2221 [Comm]) sowie des Court of Appeal (Carvill America v. Camperdown UK [2005] EWCA Civ 645 = [2005] 1 C. L. C. 845) und die Entscheidung des Connecticut Superior Court v. 31.5.2007 in XL Specialty Ins. v. Carvill America, No. X04 CV 04 4000148 S (abrufbar unter ). 723  Vgl. Carvill America v. Camperdown UK [2005] EWCA Civ 645 = [2005] 1 C. L. C. 845 (856); Carvill America v. Camperdown UK [2004] EWHC 2221 (Comm) Rn. 24. HavelockAllan, J. ließe die Frage im High Court offen und verwies allein darauf, dass jedenfalls Ansprü‑ che von Carvill UK gegen britische Rückversicherer englischem Recht unterlägen (Rn. 48).



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a)  Anwendbarkeit vertraglicher oder außervertraglicher Kollisionsnormen? aa)  Bisheriger Diskussionsstand Soweit ersichtlich, wurde in Deutschland bislang weder das Rechtsverhältnis der Versicherungsvertreter noch das der Versicherungsmakler zu Versicherern kollisionsrechtlich qualifiziert.724 Angesichts der meist explizit vertraglichen Absprachen ist davon auszugehen, dass Agenturverträge der Rom I‑VO zu‑ geordnet würden.725 Für die eigentümliche Beziehung der Makler zu Versiche‑ rern erscheint das hingegen höchst fraglich, da die deutsche Literatur einem Vertragsverhältnis eher ablehnend gegenübersteht. Nur soweit Autoren im all‑ gemeinen Handelsmaklerrecht ein Vertragsverhältnis des Maklers zur Gegen‑ partei des Auftraggebers annehmen, vertreten sie auch im Kollisionsrecht eine vertragliche Qualifikation. So führt beispielsweise Thiessen726 aus: „Da der Makler nach der Intention der Verfasser des HGB zu beiden Parteien des ver‑ mittelten Geschäfts in einem Vertragsverhältnis steht, […] ist für die Rechte und Pflich‑ ten des Maklers gegenüber beiden Parteien das Statut des Maklerauftrags anzuwenden.“

Unklar bleibt hierbei, ob das Verhältnis des Maklers zur Gegenpartei eigenstän‑ dig anzuknüpfen ist oder ob beide Rechtsverhältnisse als einheitliches vertrag‑ liches Schuldverhältnis demselben Recht unterstehen sollen. Das gilt auch für die Ausführungen Reiners, wonach das Vertragsstatut gegenüber beiden Par‑ teien des vermittelten Vertrags gelten müsse.727 Er ist darüber hinaus der An‑ sicht, dass Autoren die Rom II‑VO für anwendbar halten müssen, wenn sie die Beziehung im deutschen Recht als gesetzliches Rechtsverhältnis einordnen.728 Eine ähnlich starke Orientierung an der nationalen Systematisierung zeigt sich in anderen Rechtsordnungen. So knüpfen Autoren in Österreich das Ver‑ hältnis ohne Diskussion nach der Rom I‑VO an, weil Versicherungsmakler nach österreichischem Rechtsverständnis (konkludent) auch mit Versicherern einen Maklervertrag schließen.729 In ähnlicher Weise wendet Sabido Rodríguez in Spanien generell und ohne weitere Diskussion die Rom I‑VO auf das Verhält‑ nis zwischen Rückversicherungsmaklern und Rückversicherern an, weil Art. 36 des Ley 26/2006, de 17 de julio, de mediación de seguros y reaseguros pri‑ vados bestimmt, dass die Beziehungen zwischen den Parteien von einem frei vereinbarten Vertrag beherrscht werden, der subsidiär den Bestimmungen über 724  725 

Für Makler offenlassend Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 4. Ebenso in Spanien Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (51) Rn. 27. 726  In: Staub, HGB, Vor §§ 93 ff. Rn. 14. 727  Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 76. 728  Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 76. Sie stünden vor dem Qualifikationsproblem, ob Art. 4 Abs. 1 oder 3 oder Art. 12 Rom II‑VO (analog) anwendbar ist. 729  Koban/Funk-Leisch, in: Koban/Funk-Leisch/Aichinger, Rechte und Pflichten, S. 39. Zur maklervertraglichen Einordnung des Rechtsverhältnisses in Österreich siehe S. 295.

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die comisíon mercantil des Handelsgesetzbuchs unterliegt.730 Demgegenüber hält Bigot in Streitigkeiten zwischen Versicherern und Maklern überwiegend die Rom II‑VO für sachlich anwendbar,731 weil Pflichten der Parteien in Frank‑ reich überwiegend aus dem Deliktsrecht hergeleitet werden.

bb)  Kritische Würdigung Wieder zeigt sich damit, dass die sachlichen Anwendungsbereiche der RomVerordnungen häufig nicht nach autonomen Kriterien abgegrenzt werden, son‑ dern im Wesentlichen auf Basis der nationalen Rechtsauffassung. Dabei hat sich oben bereits ergeben, dass die Annahme oder Ablehnung eines Vertragsverhält‑ nisses im nationalen Recht für die kollisionsrechtliche Qualifikation irrelevant ist.732 Die Ergebnisse, die dort für das Rechtsverhältnis der Vermittler zu ihren Kunden gefunden wurden, lassen sich im Wesentlichen auch auf das vorliegen‑ de Qualifikationsproblem übertragen: Danach ist zunächst daran zu erinnern, dass Art. 10 Abs. 1 Rom I‑VO einer autonomen Interpretation des Art. 1 Abs. 1 Rom I‑VO nicht entgegensteht.733 Die Anwendbarkeit der Rom I‑VO hängt daher nicht davon ab, ob das natio‑ nale Sachrecht in der Zusammenarbeit eines Versicherers mit einem Makler einen hinreichenden Rechtsbindungswillen für den Abschluss eines Rahmen-, Kooperations- oder Maklervertrags sieht. Eine andere Ansicht würde dazu füh‑ ren, dass die kollisionsrechtliche Qualifikation desselben Lebenssachverhalts letztlich allein von nationalen Maßstäben abhinge. Ob die Parteien durch die Zusammenarbeit (konkludent) einen Kooperationsvertrag schließen oder ob die §§ 93 ff. HGB Ausdruck eines vertraglichen Rechtsverhältnisses sind, ist folg‑ lich für die Qualifikationsfrage irrelevant. Auch als gesetzliches, vertragsähn‑ liches Rechtsverhältnis kann es vertraglich i. S. d. Rom I‑VO zu qualifizieren sein. Entscheidend hierfür ist allein, ob zwischen Vermittlern und Versicherern eine Rechtsbeziehung besteht, die auf freiwillig eingegangenen rechtlichen Ver‑ pflichtungen beruht.734 Bei Versicherungsvertretern ist das unproblematisch zu bejahen, da sie sich freiwillig zu entsprechenden Absatzbemühungen für Ver‑ sicherer verpflichten und hierfür eine freiwillig versprochene Vergütung erwar‑ 730  Sabido Rodríguez, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 717 (730, 738 f.). Demgegenüber hält Aguilar Grieder es nur für möglich, dass Makler und Versicherer erst nach Abschluss eines Versicherungsvertrags Handelsverträge schließen, in denen sich der Makler z. B. zum Prämieneinzug oder zur Schadensregulierung verpflichtet (Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 [52] Rn. 27; dies., in: Bataller Grau u. a., La Reforma, S. 695 [705 f.]; dies., in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 [689]). Für eine derartige Ein‑ schränkung gibt auch im Erstversicherungsmarkt Art. 29 Abs. 1 des Ley 26/2006 nichts her. 731  Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 250, 272 (S. 185). 732  Siehe ausf. S. 206 ff. 733  Siehe S. 208. 734  Hierzu S. 205.



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ten. Bei Versicherungsmaklern hingegen besteht schon keine Tätigkeits- bzw. Bemühenspflicht zugunsten bestimmter Versicherer. Das steht einer vertragli‑ chen Qualifikation des Rechtsverhältnisses jedoch nicht entgegen, da jedenfalls Versicherer im Regelfall eine Vergütungspflicht trifft. Sie gehen diese auch, wie insbesondere die Analyse des Wesens und der Funktion der §§ 93 ff. HGB ge‑ zeigt hat, nicht unfreiwillig ein.735 Es handelt sich gerade nicht um eine rein gesetzliche Pflicht, mit der sie belastet werden. Sie beruht vielmehr auf der freiwilligen Entscheidung eines Versicherers, Bruttopolicen anzubieten, mit Maklern zusammenzuarbeiten und Kunden so die Möglichkeit zu bieten, einen unabhängigen Vermittler einzuschalten, der kein Honorar für seine Beratungs‑ tätigkeit verlangt. Mit ihr honoriert der Versicherer eine Tätigkeit des Maklers, die ihn weitgehend von Vertriebsaufgaben befreit.736 Da die vertragliche Qualifikation gleichwohl angesichts der stark delikti‑ schen Prägung in den Rechten unterschiedlicher Mitgliedstaaten fraglich ist, sollte auch hier geprüft werden, inwieweit die Ziele und Prinzipien der Rom Iund Rom II‑VO geeignet sind, die kollisionsrechtlichen Interessen der Makler und Versicherer in gerechten Ausgleich zu bringen.737 Die Rom I‑VO beruht dabei 1. auf dem Grundsatz der Parteiautonomie, 2. dem Schutz der schwäche‑ ren Partei, 3. der hilfsweisen Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristische Leistung erbringenden Partei und 4. der Einheit des Ver‑ tragsstatuts.738 Macht man sich bewusst, dass nicht nur Handelsvertreter, sondern auch Versicherungsmakler aus wirtschaftlicher Sicht Leistungen für Versicherer er‑ bringen, die diese nutzen, und erkennt man hierin eine kooperative Geschäfts‑ beziehung, wird bereits das kollisionsrechtliche Interesse beider Parteien an der möglichst weitgehenden Förderung der Parteiautonomie (1.) ersichtlich. Ihr materiell-rechtliches Interesse, ihre Beziehungen angesichts unzureichender gesetzlicher Regelungen privatautonom zu gestalten, findet in grenzüberschrei‑ tenden Sachverhalten seine Entsprechung in dem Bestreben, auch den privat‑ rechtlichen Rahmen grundsätzlich selbst festzulegen. Machen sie hiervon kei‑ nen Gebrauch, stellen Rechtsordnungen vor allem an die Leistungserbringung des Versicherungsmaklers besondere Anforderungen. Wenngleich Versicherer diverse Rücksichtnahmepflichten treffen, können vor allem Offenbarungs- und Informationspflichten der Makler gegenüber Versicherern im Hinblick auf an‑ getragene Risiken in den einzelnen Rechtsordnungen erheblich voneinander abweichen. Hieraus resultiert ein anerkennenswertes Interesse der Makler als Erbringer der charakteristischen Leistung, dass ohne abweichende Rechtswahl das ihnen vertraute Recht Anwendung findet (3.). Schließlich haben beide Par‑ 735  736 

Siehe im deutschen Recht S. 294. LG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005, 312 O 592/05, BeckRS 2008, 25129. 737  Zu diesem teleologisch-funktionalen Ansatz siehe S. 210. 738  Siehe S. 210.

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teien ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihre gesamte Zusammenarbeit einer einheitlichen Privatrechtsordnung unterliegt (4.). In dem letzten Punkt zeigt sich vor allem die Interessenwidrigkeit einer au‑ ßervertraglichen Qualifikation. Durch sie würde die einheitliche Geschäfts‑ beziehung nämlich privatrechtlich zerstückelt, je nachdem, welche Aspekte der Zusammenarbeit in Streit stünden. Geht es um den Courtageanspruch, müss‑ te mangels anderer sinnvoller Kollisionsnormen das anwendbare Recht nach Art. 10 oder 11 Rom II‑VO bestimmt werden.739 Da zwischen den Parteien kein vertragliches Rechtsverhältnis bestünde (vgl. jeweils Abs. 1) und wenn sie kei‑ nen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hätten (vgl. jeweils Abs. 2), wäre das Recht des Staates anwendbar, in dem der Versicherer den Vorteil der Ver‑ mittlungstätigkeit erlangt (Art. 10 Abs. 3 Rom II‑VO) oder in dem der Makler die Vermittlung vornimmt (Art. 11 Abs. 3 Rom II‑VO). Bei der Verletzung von Rücksichtnahmepflichten hingegen wäre nach Art. 4 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 2 lit. a Rom II‑VO740 das Recht des Staates anwendbar, in dem Schäden eintreten. Abhängig vom Schadenseintrittsort müssten die Parteien also unter Umständen Sorgfaltspflichten unterschiedlicher Rechtsordnungen während ihrer Zusam‑ menarbeit beachten. Wollte man das vermeiden und die Verhaltensregeln des Ortes anwenden, an dem eine Partei das haftungsbegründende Ereignis auslöst (Art. 17 Rom II‑VO), wäre auch dies bei Beginn der Zusammenarbeit weder vorhersehbar noch würde es auf die Schutzbedürftigkeit einer Partei Rücksicht nehmen. Gerade in grenzüberschreitenden Fällen müssten sich die Parteien unter Umständen stets über geänderte Rücksichtnahmepflichten informieren, wenn sie von einem anderen Ort aus tätig werden. Die Interessenwidrigkeit der außervertraglichen Qualifikation beruht freilich wie beim Rechtsverhältnis der Vermittler zu den Kunden im Wesentlichen darauf, dass die Kollisionsnormen der Rom II‑VO für längerfristige kooperative Geschäftsbeziehungen, bei denen bereits vor Schadenseintritt eine Sonderbeziehung begründet wird, ungeeignet sind. Um gleichwohl auf Basis der Rom II‑VO zu einer interessengerechten Lö‑ sung zu kommen, wäre man letztlich gezwungen, das Rechtsverhältnis akzes‑ sorisch nach Art. 4 Abs. 3; 10 Abs. 4; 11 Abs. 4 oder 12 Abs. 2 lit. c Rom II‑VO an das Recht anzuknüpfen, das den Maklervertrag zum Versicherungsnehmer oder den Versicherungsvertrag beherrscht. Im Vergleich zu dieser „Notlösung“ ist eine konsequent vertragliche Qualifikation überzeugender. Hierfür spricht auch, dass das bloße Fehlen einer Tätigkeitspflicht keine we‑ sentlich abweichende kollisionsrechtliche Behandlung als bei Handelsvertre‑ 739  Art. 11 Rom II‑VO wäre nur anwendbar, wenn man von einem hinreichenden Fremd‑ geschäftsführungswillen des Maklers ausgeht, obwohl er zugleich im eigenen Interesse und in dem seiner Kunden tätig wird (hierzu allg. m. w. N. Junker, in: MüKo-BGB, Art. 11 Rom II‑VO Rn. 9 einerseits und Limbach, in: NK‑BGB, Art. 11 Rom II‑VO Rn. 6 andererseits). 740  Zur Unsicherheit über die Abgrenzung des Art. 4 und 12 Rom II‑VO bei außervertrag‑ licher Qualifikation auch Reiner, in: E/B/J/S, HGB, § 93 Rn. 76.



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tern rechtfertigt. Wenn beide Vermittlertypen in gewisser Weise mit Versiche‑ rern zusammenarbeiten und zum Vertrieb der Produkte eingesetzt werden und wenn bei beiden die Geschäftsbeziehung auf freiwilliger Kooperation beruht, die gegenseitiges Vertrauen voraussetzt,741 sollten auch die Rechtsverhältnis‑ se beider Vermittlertypen nach demselben Kollisionsrechtsregime angeknüpft werden. Lediglich bei Mittelspersonen, die in keiner Weise mit Versicherern zu‑ sammenarbeiten oder von ihnen vergütet werden können (wie Versicherungs‑ beratern in Deutschland), liegt eine vertragliche Qualifikation fern, da sie in der Regel keine engere freiwillige Geschäftsbeziehung mit Versicherern aufbauen.

cc)  Zwischenergebnis: überwiegend vertragliche Qualifikation Im Übrigen ist sowohl das Rechtsverhältnis von Versicherungsvertretern als auch das von Versicherungsmaklern zu Versicherern im Regelfall vertrag‑ lich i. S. d. Rom I‑VO zu qualifizieren. Damit unterliegen sämtliche Ansprü‑ che, die Bezug zur Durchführung der freiwillig eingegangenen Geschäftsbezie‑ hung haben bzw. hieraus resultieren, der Rom I‑VO. Unerheblich ist, ob es sich nach nationalem Recht um deliktische Rücksichtnahmepflichten handelt und ob sie Gegenstand expliziter vertraglicher Absprachen sind.742 Dass im natio‑ nalen Recht Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Rücksichtnahme‑ pflichten bzw. von Usages meist auf das Deliktsrecht gestützt werden, ändert hieran nichts. Das kollisionsrechtliche Interesse der Parteien, die jeweils maß‑ geblichen Rücksichtnahme- und Kooperationspflichten bereits mit Beginn der Zusammenarbeit vorhersehen zu können, rechtfertigt es, möglichst alle aus der freiwilligen Beziehung folgenden Verpflichtungen dem Vertragsstatut zu ent‑ nehmen. Das wiederum ist mit dem weiten Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 lit. b und c Rom I‑VO vereinbar.

b)  Anknüpfung des Handelsvertretervertrags und des Kooperations-, Rahmen- bzw. Maklervertrags Welchem Recht die Beziehungen unterliegen, bestimmen folglich die Art. 3 und 4 Rom I‑VO.

aa) Regelanknüpfung (1)  Subjektive Anknüpfung und die Reichweite einer Rechtswahl im Versicherungsvertrag Art. 3 Rom I‑VO eröffnet den Parteien die Möglichkeit, ihre Zusammenarbeit einem gewählten Recht zu unterstellen. Da hierfür eine Einigung zwischen dem 741  742 

Hierzu aus Sicht des deutschen Rechts S. 294. Vgl. hierzu bereits S. 225.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Vermittler und dem Versicherer selbst erforderlich ist, stellt sich vor allem die Frage, welche Auswirkungen Rechtswahlklauseln in vermittelten Versiche‑ rungsverträgen haben. Nach dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhält‑ nisse können Vereinbarungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über das anwendbare Recht Vermittler grundsätzlich nicht bin‑ den. Vor allem bei einer Vermittlung durch Handelsvertreter trifft der Versiche‑ rungsvertrag meist schon keine Regelungen über das Agenturverhältnis zum Versicherer, sodass dort eine Rechtswahl regelmäßig nur zwischen Versiche‑ rern und Versicherungsnehmern wirkt. Über Makler vermittelte Verträge kön‑ nen demgegenüber – vor allem im Rückversicherungsmarkt – durchaus Be‑ stimmungen zur Courtagehöhe enthalten. Wenngleich Makler nicht explizit als Vertragspartei des Versicherungsvertrags aufgeführt sind, könnten Rechtswahl‑ klauseln, die sich beispielsweise auf „Streitigkeiten aus diesem Vertrag“ bezie‑ hen, dann auch Wirkung zwischen dem Makler und dem Versicherer entfalten. Da zwischen diesen Parteien in derartigen Fällen jedenfalls keine ausdrück‑ liche Rechtswahl erfolgt, muss sie sich „eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben“ (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I‑VO). Konkludente Vereinbarungen sind hiernach nur möglich, wenn ein realer Parteiwille festgestellt werden kann, der zweifelsfrei darauf schließen lässt, dass die Parteien eine bestimmte Rechtsordnung für anwendbar erklären wollen.743 Nach diesen Maßstäben entfalten allgemeine Klauseln im Versiche‑ rungsvertrag, die das anwendbare Recht für „diesen Vertrag“ bestimmen, in der Regel keine Wirkung im Verhältnis zum Makler.744 Bezieht sich eine Klausel auf ein bestimmtes Vertragsverhältnis, ist im Regelfall davon auszugehen, dass nur die Vertragsparteien selbst eine Einigung über das anwendbare Recht tref‑ fen. Da der Versicherungsmakler selbst nicht Partei des Versicherungsvertrags wird, sondern seine Geschäftsbeziehungen zum Versicherungsnehmer und zum Versicherer eigenständige Rechtsverhältnisse begründen,745 liegt es nahe, dass Vereinbarungen, die sich speziell auf „diesen“ (Versicherungs-)Vertrag bezie‑ hen, nicht sämtliche mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängende Rechts‑ verhältnisse erfassen. Soweit im Versicherungsvertrag auch Regelungen zur 743 Vgl. nur Kommission, KOM(2002) 654 endg., S. 28; Giuliano/Lagarde, Bericht, ABl. C 282 v. 31.10.1980, S. 1 (17); Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 3 Rom I‑VO Rn. 46 f.; Spickhoff, in: BeckOK‑BGB, Art. 3 Rom I‑VO (1.2.2019) Rn. 20. 744 Vgl. entsprechend zu den Auswirkungen einer Schiedsgerichtsklausel im Versiche‑ rungsvertrag auf eine Klage des Maklers gegen den Versicherungsnehmer und die Versicherer die Ausführungen von Clarke, L. J. in Carvill America v. Camperdown UK [2005] EWCA Civ 645 = [2005] 1 C. L. C. 845 (863 f.): „The existence of the arbitration agreements between XL and the reinsurers may have some relevance to that question but I would give them little, if any, weight. Carvill [the brokers] are not parties to the contracts containing the arbitration clauses. […] In all the circumstances, I am not persuaded that the joinder of XL as a party to this action, in which Carvill claims brokerage from the reinsurers, is a breach of or interference with XL’s right, including its arbitration rights, under the treaties“. 745  Siehe S. 168 und S. 284 ff. sowie die vorige Fn.



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Courtage aufgenommen werden, geht es den Hauptvertragsparteien vor allem darum klarzustellen, wer bestimmte Nebenkosten für den Vertragsschluss bzw. die Vertragsdurchführung tragen soll. Auch diese Bestimmung betrifft daher in erster Linie das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer. Selbst wenn der Makler im Hinblick auf die in der Police dokumentierte Courtage‑ regelung auf eine gesonderte schriftliche Vereinbarung verzichtet, heißt das nicht, dass er hiermit Partei des Versicherungsvertrags werden möchte. Soweit das LG Hamburg746 hiervon abweichend in einer älteren Entschei‑ dung annahm, ein Schiffsmakler sei vermittelten Frachtverträgen dadurch „konkludent […] beigetreten“, dass diese auch Regelungen zu seinem Kom‑ missionsanspruch enthielten, erklärt das Gericht nicht, welchem Verhalten des Maklers man eine derartige Willenserklärung entnehmen kann. Da seine An‑ sprüche gegenüber den Hauptvertragsparteien stets (jedenfalls auch) aus eige‑ nen Rechtsverhältnissen resultieren, liegt es fern, dass er sich der im Haupt‑ vertrag vereinbarten Rechtsordnung „unterwirft“. Über die Rechtswahl im vermittelten Vertrag entscheiden vielmehr ausschließlich die Hauptvertragspar‑ teien.747 In etwaigen Verhandlungen, welchem Recht der Vertrag unterliegen soll, geben sie dem Vermittler regelmäßig schon nicht die Möglichkeit, seine In‑ teressen geltend zu machen. Angesichts dessen lässt sich beispielsweise aus der Tatsache, dass die Parteien im Versicherungsvertrag wegen der Verhandlungs‑ stärke des Versicherungsnehmers das diesem bekannte Recht wählen, nichts dafür herleiten, ob Versicherer und Makler ihr Rechtsverhältnis, an dem der Versicherungsnehmer nicht beteiligt ist, demselben Recht unterstellen wollen. Das gilt erst recht, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Die Rechtswahl im Hauptvertrag ist allein das Ergebnis einer Verhand‑ lung zwischen den Hauptvertragsparteien. Die Annahme, der Makler erkläre sich konkludent damit einverstanden, dass sein Rechtsverhältnis zum Versiche‑ rer demselben Recht untersteht wie der Versicherungsvertrag, muss folglich mit besonderen Umständen des Einzelfalls begründet werden. So ist es mög‑ lich, dass Versicherer und Makler vor Abschluss des Versicherungsvertrags eine bestimmte Rechtsordnung zugrunde legen bzw. deutlich machen, dass sie für Rechtsfragen zur Courtagehöhe dieselbe Rechtsordnung für maßgeblich halten wie die, die den Versicherungsvertrag beherrscht. Ferner ist es bei der Vermitt‑ lung von Mitversicherungsprogrammen, an denen Versicherer unterschiedli‑ cher Jurisdiktionen beteiligt sind, denkbar, dass sich im Schriftverkehr Hinwei‑ se darauf finden, dass alle Parteien davon ausgehen, dass ihr Verhältnis zum Makler einem einzigen Recht unterstehen soll. Jenseits derartiger Einzelfall‑ umstände lässt sich Rechtswahlklauseln im Versicherungsvertrag regelmäßig keine konkludente Rechtswahl zwischen Versicherern und Maklern entnehmen. 746  747 

Urt. v. 3.7.1973, 63 O 217/70, IPRspr. 1973, Nr. 9, S. 25. Hierauf verweisend auch Klingmann, Maklerverträge, S. 10.

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(2)  Objektive Anknüpfung In derartigen Fällen richtet sich die objektive Anknüpfung des Rechtsverhältnis‑ ses zwischen Vermittlern und Versicherern nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO. Bei Agenturverträgen zwischen Versicherungsvertretern und Versicherern han‑ delt es sich um Verträge, bei denen Vermittler für Versicherer eine Tätigkeit gegen Entgelt durchführen, d. h. um Dienstleistungsverträge i. S. d. eben ge‑ nannten Norm.748 Wenngleich die Handelsvertreterverträge den Vertrieb von Versicherungsprodukten zum Gegenstand haben, sollten sie nicht unter die Son‑ derkollisionsnorm für Vertriebsverträge in Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I‑VO sub‑ sumiert werden.749 Dieser, schon in Abgrenzung zu Franchiseverträgen (lit. e) eng auszulegende Anknüpfungsgegenstand bezieht sich allein auf (Rahmen-) Verträge, die einen dauerhaften Bezug von Waren durch Händler vorsehen, die diese wiederum im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertreiben.750 Nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO unterliegt der Handelsvertretervertrag so im Ergebnis ohne abweichende Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Ver‑ sicherungsvertreter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ungleich schwieriger zu ermitteln ist der Anknüpfungsgegenstand, dem die nach autonomen Maßstäben in der Regel vertraglichen Beziehungen zwischen Maklern und Versicherern zuzuordnen sind. Führt man sich vor Augen, dass Versicherer Makler für eine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit vergüten, spricht nichts dagegen, das Verhältnis als Dienstleistungsvertrag i. S. d. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO einzustufen.751 Dass Makler den Versicherern gegenüber nicht zur Tätigkeit verpflichtet sind, steht dem nicht entgegen, da es lediglich da‑ rauf ankommt, dass eine Tätigkeit gegen Entgelt durchgeführt wird, und nicht, dass hierzu auch eine rechtliche Verpflichtung bestand.752 Aus eben dargelegten Gründen scheidet auch hier eine Anknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 lit. f Rom I‑VO aus. Sollten die Parteien in Einzelfällen bloße Rahmenvereinbarungen schlie‑ ßen, die Versicherer nicht zur Zahlung einer Vergütung verpflichten, ist jeden‑ falls die Vermittlungsleistung des Maklers die das Rechtsverhältnis prägende, 748  Zur Definition siehe die Nachweise in 749 Ebenso Aguilar Grieder, CDT Vol. 9,

Fn. 370. N° 2 2017, 39 (51 f.); dies., in: Quintáns Eiras,

Estudios sobre Médiacion, S. 677 (709 f.). 750  Vgl. zum IZVR EuGH, Urt. v. 8.3.2018, Rs. C-64/17, ZVertriebsR 2018, 190 (194) Rn. 39; Urt. v. 14.7.2016, Rs. C-196/15, NJW 2016, 3087 (3089) Rn. 35; Urt. v. 19.12.2013, Rs. C-9/12, ZVertriebsR 2014, 118 (119 f.) Rn. 27 f., 36. Auf die Rom I‑VO übertragend Magnus, IHR 2018, 49 (50 f., 57); ebenso Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 140; Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 (310). A. A. Thorn, in: Palandt, BGB, Art. 4 Rom I Rn. 19; Staudinger, in: Hk-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 7. 751  Ebenso für Rückversicherungsmakler Sabido Rodríguez, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediacíon, S. 717 (740 f.). 752 Zum IZVR ebenso OGH, Beschl. v. 17.2.2005, 6 Ob 148/04i, IPRax 2006, 608 (610) sowie ausf. Kienle, IPRax 2006, 614 ff. I. E. Maklerverträge generell Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO zuordnend auch Martiny, in: MüKo-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 78; Staudinger, in: Hk-BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 4, jeweils m. w. N.



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sodass nach Art. 4 Abs. 2 Rom I‑VO ebenfalls das Recht des Staates anwendbar wäre, in dem der Makler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da seine Tätig‑ keit in der Vermittlungsphase die rechtliche komplexere ist, überzeugt das auch rechtspolitisch im Grundsatz.

bb)  Akzessorische Anknüpfung bei objektiver Anknüpfung Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass so bei objektiver Anknüpfung die Beziehungen der Versicherungsvertreter oder -makler zu Versicherern nicht zwingend demselben Recht unterliegen wie vermittelte Versicherungs- oder die mit den Kunden geschlossenen Vermittlungsverträge. In unterschiedlicher Aus‑ prägung hat das in der Literatur bereits zu Versuchen geführt, die Rechtsverhält‑ nisse zu koordinieren und einem einheitlichen Recht zu unterstellen. Während die Frage für Agenturverträge bislang, soweit ersichtlich, nicht untersucht ist, wurde vor allem das eigentümliche Verhältnis der Makler zu Versicherern häufi‑ ger nicht als eigenständiges Rechtsverhältnis angeknüpft, sondern akzessorisch an das Versicherungsvertrags- oder das Maklervertragsstatut. So entsprach es zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer starken Literatur‑ meinung, dass die Beziehungen von Maklern zu Versicherern nach demsel‑ ben Recht zu beurteilen seien wie die vermittelten Versicherungsverträge.753 Begründet wurde das mit der „natürlichen Zusammengehörigkeit“754 beider Rechtsverhältnisse sowie mit der Prämien- und Courtageschuldnerschaft: Unter Verweis darauf, dass nach einigen Rechtsordnungen nicht die Versicherungs‑ nehmer, sondern die Makler die Prämie schulden,755 wurde angeführt, ein und dieselbe Rechtsordnung müsse entscheiden, ob sich die Prämienschuld aus dem Versicherungsvertrag oder aus dem Maklerrechtsverhältnis zum Versicherer er‑ gibt.756 Ferner stehe „die Höhe der Courtage in sachlichem Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag“757. Dörner hingegen hält es nunmehr für „sinnvoll, die Rechtsbeziehung des Maklers zum Versicherer dem Recht des zwischen Makler und Versicherungs‑ nehmer geschlossenen Maklervertrages zu unterstellen, weil bei einer sol‑ chen Anknüpfung die in materieller Hinsicht aufeinander bezogenen Rechte und Pflichten des Maklers aus dem ‚Doppelrechtsverhältnis‘ ein und dersel‑ 753  Bruck, Privatversicherungsrecht, S. 152 f.; Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 28; Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 19 f. 754  Pfeiffer, Der Versicherungsmakler, S. 28. Ähnlich zuvor bereits Bruck, Privatversiche‑ rungsrecht, S. 153; Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 19, die von sachlicher/m Zugehö‑ rigkeit bzw. Zusammenhang sprechen. 755 Rechtsvergleichend Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 65  ff. Siehe zum eng‑ lischen Seeversicherungsrecht oben S. 302. 756  Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 20. Andeutungsweise auch Bruck, Privatver‑ sicherungsrecht, S. 153. 757  Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 20.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

ben Rechtsordnung unterstehen und damit schwierige Qualifikations- und ggf. Anpassungsfragen vermieden werden“758. Das entspricht der im allgemeinen Maklerrecht von Klingmann vertretenen Auffassung, wonach „die Verbindung des Maklers zu beiden Seiten des Hauptvertrags eine Identität der innerhalb verschiedener Rechtsverhältnisse zu erbringenden Vertragsleistungen begrün‑ det“ und der Makler daher ein schutzwürdiges Interesse daran habe, dass „seine Rechtsbeziehungen zu beiden Hauptvertragsparteien durch dieselbe Rechtsord‑ nung geregelt werden“.759 Sämtliche Vorschläge lassen sich unter Geltung der Rom I‑VO über deren Art. 4 Abs. 3 verwirklichen. Wie oben ausführlich dargelegt,760 können hierüber vertragliche Schuldverhältnisse, die eng mit einem anderen Vertrag verbunden sind, demselben Recht unterstellt werden, sofern sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass zu dieser Rechtsordnung eine offensichtlich engere Ver‑ bindung besteht. Da hierfür der bloße Verweis auf die „enge Verbindung“ der Rechtsverhältnisse nicht ausreichend ist, sind bei der Konkretisierung der Aus‑ weichklausel die kollisionsrechtlichen Interessen – insbesondere der Parteien – zu analysieren.761

(1) Konsistenzinteresse bzw. innerer Entscheidungseinklang Zentrales Argument für eine akzessorische Anknüpfung des Rechtsverhältnis‑ ses zwischen Vermittlern und Versicherern ist die Gefahr eines Widerspruchs zum Versicherungs- oder Vermittlungsvertragsstatut. Verwiesen wird damit auf das Ordnungs- und Parteiinteresse, dass die zur Beantwortung unterschiedlicher Rechtsfragen berufenen Statute miteinander harmonieren (Konsistenzinteres‑ se bzw. innerer Entscheidungseinklang).762 Inwieweit das eine akzessorische Anknüpfung rechtfertigt, hängt davon ab, in welchem Ausmaße Widersprüche durch die Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen auftreten können.

(a)  Koordinierung mit dem Versicherungsvertragsstatut? (aa)  Zusammenhang des Provisions- bzw. Courtageanspruchs mit dem Versicherungsvertrag Das Agenturvertragsverhältnis bei Versicherungsvertretern weist Berührungs‑ punkte zum Versicherungsvertrag vor allem beim Provisionsanspruch auf, da dieser eine erfolgreiche Vermittlungsleistung, d. h. den Abschluss des Versiche‑ rungsvertrags, voraussetzt. Die Hauptfrage, ob ein Provisionsanspruch besteht, 758 

Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 4. Klingmann, Maklerverträge, S. 103. 760  Siehe S. 234 ff. Dort auch zum Erfordernis der Parteiidentität. 761  Siehe S. 237 und S. 249. 762  Siehe hierzu einleitend S. 238. 759 



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hängt daher von der Vorfrage des wirksamen Vertragsschlusses ab. Das recht‑ fertigt eine akzessorische Anknüpfung jedoch nicht, wie oben bereits ausführ‑ lich im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zum Kunden bei der Vermittlung von Nettopolicen dargelegt wurde.763 Die Frage, ob ein wirksamer Versiche‑ rungsvertrag geschlossen wurde, kann vielmehr auch von einer abweichenden Rechtsordnung entschieden werden. Hieraus folgt auch beim Versicherungsmakler, dass aus der Abhängigkeit des Courtageanspruchs vom vermittelten Versicherungsvertrag keine Wider‑ sprüche resultieren, die für sich genommen eine akzessorische Anknüpfung er‑ fordern. Allenfalls bei einem grenzüberschreitenden Maklerwechsel könnten Widersprüche auftreten, wenn zwei unterschiedliche Rechtsordnungen die Be‑ ziehungen des Versicherers zum Erst- und Zweitmakler beherrschen. Versiche‑ rer könnten so eventuell gegenüber beiden Maklern zur vollen Courtagezahlung verpflichtet oder vollständig von einer Vergütungspflicht befreit sein (Normen‑ häufung bzw. -mangel). Bei der Lösung dieses Problems muss man sich zu‑ nächst bewusst machen, dass die Frage, wie lange der Erstmakler und ab wann der Zweitmakler in welcher Höhe Courtage verlangen kann, in den meisten Rechtsordnungen ohnehin nicht eindeutig im materiellen Recht festgelegt, son‑ dern stark von Handelsbräuchen geprägt ist. Während es in Frankreich eine Re‑ gelung in den Usages gibt,764 stellt die englische Rechtsprechung darauf ab, ob dem Makler – wie regelmäßig jedenfalls bei Verträgen mit kürzerer Laufzeit – ein reines Vermittlungsentgelt versprochen wird.765 Auch in Deutschland wer‑ den Vermittlungsentgelte zunächst grundsätzlich dem Erstmakler zugewiesen, sodass dem Zweitmakler bei Weiterbetreuung eines Vertrags nur die in Folge‑ courtagen enthaltenen Betreuungsentgelte zustehen.766 In welchem Anteil Fol‑ gecourtagen Vermittlungs- und Betreuungsentgelte enthalten, richtet sich bei fehlenden ausdrücklichen Absprachen nach Handelsbräuchen.767 Die Gefahr, dass ein Versicherer in grenzüberschreitenden Sachverhalten unter diesen Um‑ ständen beiden Maklern die volle Courtage schuldet, ließe sich nun am überzeu‑ gendsten dadurch verhindern, dass man unabhängig davon, welches Recht im Verhältnis der Parteien anwendbar ist,768 die Courtagehöhe und Zahlungsmoda‑ litäten grundsätzlich den Handelsbräuchen des Staates entnimmt, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. So ist sichergestellt, dass bei fehlenden vertraglichen Vereinbarungen eine widerspruchsfreie Entscheidung 763 

Siehe S. 242.

764  Siehe S. 297. 765 Vgl. Velos Group

v. Harbour Insurance Services [1997] 2 Lloyd’s Law Rep. 461 (463 f.). 766  Ausf. m. w. N. sowie zu Ausnahmen Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 135 ff. 767  BGH, Urt. v. 13.1.2005, III ZR 238/04, VersR 2005, 550 (551); Dörner, in: Prölss/ Martin, VVG, § 59 Rn. 134. 768  Zur Anwendbarkeit von Handelsbräuchen unabhängig vom berufenen Vertragsstatut ausf. S. 333 ff.

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darüber besteht, inwieweit der Erst- und der Zweitmakler Courtage verlangen können. Zugleich orientieren sich so die Modalitäten der Courtagezahlung in der Regel an den Handelsbräuchen der Rechtsordnung, dessen Aufsichtsrecht die Aufteilung der Courtage in Abschluss- und Betreuungsentgelte erheblich beeinflusst.769 Setzt das Aufsichtsrecht Versicherern sogar Grenzen bei der Aus‑ gestaltung von Courtagevereinbarungen, könnte auch dies bei fehlenden Re‑ gelungen berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, dass Versicherer im internationalen Rechtsverkehr Courtage in der Regel nach den Bräuchen und aufsichtsrechtlichen Regelungen versprechen wollen, die ihnen bekannt sind. Im Übrigen ist ihnen im grenzüberschreitenden Verkehr zu‑ zumuten, für Maklerwechsel explizite Vereinbarungen zu treffen. Soweit einem Erstmakler darin Vermittlungsentgelte in Folgecourtagen versprochen wurden, muss der Versicherer eine Zusammenarbeit mit dem Zweitmakler nur akzeptie‑ ren, wenn dieser mit der Zahlung von ggf. geringeren Bestandsentgelten ein‑ verstanden ist. Allenfalls bei der Vermittlung von Mitversicherungsprogrammen an Ver‑ sicherer unterschiedlicher Jurisdiktionen bietet es sich unter Umständen nicht an, gegenüber jedem einzelnen Versicherer auf dessen Handelsbräuche ab‑ zustellen, da die Courtageansprüche des Maklers aus einem Versicherungspro‑ gramm sonst unterschiedlichen Bräuchen unterliegen würden. Vielmehr ist je nach Police und Versicherungsmärkten zu untersuchen, ob es einvernehmliche Praktiken gibt, nach denen sich die Courtagezahlung in derartigen Geschäftsfel‑ dern üblicherweise richtet. Wird die Mitversicherung in einer Police festgehal‑ ten und wird dort auch der Courtageanspruch erwähnt, erscheint es jedenfalls nicht dem Willen der Parteien zu entsprechen, dass jeder Versicherer sich hin‑ sichtlich der Courtagezahlung auf die Handelsbräuche seines Staates berufen kann. Das zeigt sich deutlich in der eingangs erwähnten Entscheidung Carvill America v. Camperdown UK770: Der Makler hatte dort Rückversicherungsver‑ träge mit 13 Rückversicherern aus England, der Schweiz und Deutschland ver‑ mittelt. Nach einem Maklerwechsel forderte er die restliche Courtage für die laufende Versicherungsperiode. Die Rückversicherer beriefen sich darauf, dass der Rückversicherungsnehmer die Courtage schulde bzw. sie jedenfalls nur zur Zahlung verpflichtet seien, wenn sie die Courtage vom Versicherungsnehmer erhalten hätten. Würde man jedem Rückversicherer in einem derartigen Fall 769  In Deutschland ansässige Lebensversicherer dürfen z. B. in den ersten fünf Jahren der Vertragslaufzeit Abschlusskosten nicht mehr mit bis zu 40 Promille, sondern nur i. H. v. maxi‑ mal 25 Promille der Beitragssumme bilanziell anrechnen (§ 4 Abs. 1 S. 2 DeckRV). Die Sen‑ kung führte zur einer Senkung der Abschlusscourtagen und einer Erhöhung der Folgecour‑ tagen, in die unter Umständen auch Vermittlungsentgelte eingerechnet werden (Dörner, in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 131, 136). 770  [2004] EWHC 2221 (Comm) sowie [2005] EWCA Civ 645. Zum Sachverhalt siehe S. 310.



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erlauben, sich auf die Handelsbräuche zu berufen, die auf seinem heimischen Versicherungsmarkt gelten, würde der Zahlungsverkehr unnötig kompliziert. Je nach den Umständen des Einzelfalls sollte man eine bestimmte Rechtsordnung bzw. einen bestimmten Markt suchen, mit dem die Verträge schwerpunktmäßig in Verbindung stehen. In Carvill America v. Camperdown UK waren die meis‑ ten Rückversicherer beispielsweise Syndikate bei Lloyd’s in England, die Po‑ licen unterlagen englischem Recht und wurden auf dem englischen Markt von einem britischen Unternehmen vermittelt. Es liegt daher nahe, gegenüber allen Rückversicherern die in England für derartige Policen maßgeblichen Handels‑ bräuche zu berücksichtigen. Vermeiden könnte man das Problem auch dadurch, dass der führende Mitversicherer die gesamte Kooperation und den Zahlungs‑ verkehr mit dem Makler übernimmt. Jedenfalls erfordert der Zusammenhang des Courtage- oder Provisions‑ anspruchs mit dem Versicherungsvertrag nicht generell eine Koordinierung mit dem Versicherungsvertragsstatut.

(bb)  Prämienschuldnerschaft des Maklers Allerdings könnten in der Tat Probleme daraus resultieren, dass einige Rechts‑ ordnungen wie England zum Teil ausschließlich den Makler als Prämienschuld‑ ner ansehen (vgl. im Seeversicherungsrecht section 53 [1] MIA771). Unterliegen das Maklerrechtsverhältnis zum Versicherer und vermittelte Versicherungsver‑ träge unterschiedlichen Rechtsordnungen, könnte sich hieraus auf den ersten Blick die „eigenartige Folge ergeben, daß der Versicherer sich weder an den Makler noch an den Versicherungsnehmer wegen der Prämie halten kann“772 oder unter Umständen beide Prämienschuldner sind. Letzteres könnte beispielsweise der Fall sein, wenn deutsches Recht Ver‑ sicherungsvertragsstatut wäre und englisches Recht das Maklerrechtsverhältnis zum Versicherer beherrschen würde, da nach deutschem Recht der Versiche‑ rungsnehmer und nach section 53 (1) MIA der Makler die Prämie schulden würde.773 Eine derartige gesamtschuldnerische Haftung für die Prämie wäre jedoch schon materiell-rechtlich kein unhaltbares Ergebnis, sondern sogar bei alleiniger Anwendung englischen Rechts höchst überzeugend.774 Dass der Ver‑ sicherungsnehmer im Ergebnis wirtschaftlich die Prämie tragen muss, würde dadurch erreicht, dass der Makler im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs 771  772 

Siehe hierzu S. 302. Waldstein, Der Versicherungsmakler, S. 20. 773 Die Prämienschuldnerschaft des Versicherungsnehmers ergibt sich im Seeversiche‑ rungsmarkt wegen § 209 VVG nicht aus § 1 S. 2 VVG, sondern lediglich aus vertraglichen Ver‑ einbarungen. Allenfalls könnte man in Betracht ziehen, dass Versicherer und Versicherungs‑ nehmer mit Blick auf section 53 (1) MIA keine Prämienzahlungspflicht vereinbaren bzw. die Haftung des Maklers als Vertrag zugunsten des Versicherungsnehmers wirkt (siehe S. 304). 774  Siehe S. 304.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Regress nehmen würde, wie er es auch bei alleiniger Prämienschuldnerschaft machen müsste. Im Übrigen ist im englischen Recht schon höchst unklar, ob section 53 (1) MIA überhaupt sachrechtlich anwendbar ist, wenn eine andere Rechtsordnung Versicherungsvertragsstatut ist. Die Law Commissions stellten das bei der Reform des englischen Versicherungsvertragsrechts jedenfalls noch infrage.775 Die Queen’s Bench Division und Merkin neigen hingegen zu der Auffassung, dass section 53 (1) MIA auch dann greift, wenn vermittelte Ver‑ sicherungsverträge nicht dem englischen Recht unterstehen, weil die Regelung allein an die Geschäftsbeziehung und Marktgegebenheiten zwischen Makler und Versicherer anknüpfe.776 Wenn allerdings der Grund für die Anwendung der section 53 (1) MIA ohnehin allein in den Beziehungen zwischen dem Mak‑ ler und dem Versicherer liegt und unabhängig vom Versicherungsvertragsstatut ist, ist nicht ersichtlich, warum man die Rechtsverhältnisse zwingend demsel‑ ben Recht unterstellen muss. Selbst die Gefahr, dass weder der Makler noch der Versicherungsnehmer die Prämie schulden, besteht bei genauerem Hinsehen nicht. Sie könnte im deutsch-britischen Rechtsverkehr allenfalls drohen, wenn das Maklerrechts‑ verhältnis zum Versicherer deutschem Recht unterstünde (wonach der Makler ohne entsprechende Vereinbarung keine Prämie schuldet) und wenn britisches Recht Versicherungsvertragsstatut wäre (wonach der Versicherungsnehmer im Seeversicherungsmarkt gegenüber dem Versicherer grundsätzlich keine Prä‑ mie schuldet). Bei einer derartigen isolierten Betrachtung der Rechtsverhältnis‑ se würde jedoch übersehen, dass das britische Versicherungsvertragsstatut den Versicherungsnehmer allenfalls deshalb von der Prämienschuld befreit, weil der Makler nach section 53 (1) MIA zur Prämienzahlung verpflichtet ist. Greift diese Norm nicht ein, ist es höchst unwahrscheinlich, dass das englische Recht den Versicherungsnehmer nicht als Prämienschuldner ansieht. Es gibt schon keinen Rechtsgrund für eine derartige Befreiung, sofern nicht die Parteien ex‑ plizit etwas anderes vereinbaren. Selbst wenn es in Einzelfällen zu Koordinie‑ rungsproblemen kommen könnte, die nicht wie eben vorgeschlagen in einfacher Weise einer materiell-rechtlichen Lösung zugeführt werden können, rechtfertigt die sachrechtlich eng begrenzte Ausnahmeregelung im englischen Recht keine generelle akzessorische Anknüpfung des Maklerrechtsverhältnisses zum Ver‑ sicherer an den Versicherungsvertrag. Dass keine gravierenden Widersprüche zwischen dem Vermittlungsrechts‑ verhältnis zum Versicherer und dem Versicherungsvertragsstatut drohen, be‑ ruht freilich wie beim Rechtsverhältnis zum Kunden darauf, dass die Vermittler zwar beim Zustandekommen und der Durchführung des Hauptvertrags mitwir‑ 775  Law Commissions, Issues Paper 8 (Fn. 687), S. 18. 776 Heath Lambert v. Sociedad de Corretaje de Seguros

[2003] EWHC 2269 (Comm) Rn. 20; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 25-084 Fn. 351.



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ken, ihre Leistungen sich aber von den Leistungspflichten der Hauptvertrags‑ parteien trennen lassen.

(b)  Koordinierung mit dem Vermittlungsvertragsstatut? Im Gegensatz dazu prägen dieselben Leistungshandlungen des Vermittlers so‑ wohl sein Rechtsverhältnis zum Kunden als auch das zum Versicherer.777

(aa)  Konsistente Rücksichtnahme- und Interessenwahrungspflichten im Doppelrechtsverhältnis Beherrschen nun unterschiedliche Rechtsordnungen die beiden Vertragsbezie‑ hungen, droht in der Tat ein echter Normwiderspruch in dem Sinne, dass die eine Rechtsordnung dem Vermittler gebietet, was die andere ihm verbietet. So könnte ein Makler nach dem im Verhältnis zum Versicherer anwendbaren Recht verpflichtet sein, diesem bestimmte Risiken zu offenbaren, während das Mak‑ lervertragsstatut hierin einen Verstoß gegen die Interessenwahrungspflicht ge‑ genüber dem Versicherungsnehmer sieht. Inwieweit derartige Widersprüche auf sachrechtlicher Ebene tatsächlich auftreten können, soll im Folgenden auf Basis der hier verglichenen Rechtsordnungen untersucht werden. Im deutschen Recht hat sich gezeigt, dass Rücksichtnahmepflichten des Maklers gegenüber dem Versicherer bestehen können, unabhängig davon, ob man das Rechtsverhältnis dem vertraglichen oder außervertraglichen Bereich zuordnet.778 Zugleich wurde jedoch deutlich, dass hieraus keine starren Pflich‑ ten resultieren, solange Versicherer und Makler nicht explizit solche verein‑ baren. Vielmehr richtet sich der Pflichtenkanon des Maklers gegenüber dem Versicherer maßgeblich nach seiner Stellung und seinen Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer.779 Die aus § 98 HGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB oder aus ergänzender Vertragsauslegung hergeleiteten Rücksichtnahmepflichten werden maßgeblich durch die gegenüber Versicherungsnehmern zu erfüllenden Pflichten konkretisiert. Ohne abweichende Vereinbarung ist in der Regel davon auszugehen, dass sich Makler gegenüber Versicherern nur zu etwas verpflich‑ ten, was ihnen auch gegenüber den Versicherungsnehmern nach dem Makler‑ vertragsstatut erlaubt ist. Sieht die Vereinbarung mit dem Versicherer dies nicht explizit vor, ließe sich eine derartige Regelung jedenfalls auf Basis einer ergän‑ zenden Vertragsauslegung in den Vertrag hineinlesen. Bei dieser Konkretisie‑ rung des Pflichtenkanons gegenüber dem Versicherer können unproblematisch 777 Treffend Klingmann, Maklerverträge, S. 103, der von der „Identität der innerhalb ver‑ schiedener Rechtsverhältnisse zu erbringenden Vertragsleistungen“ spricht. Ähnlich Dörner, in: Bruck/Möller, VVG, Art. 1 Rom I‑VO Anh. Rn. 4: „in materieller Hinsicht aufeinander be‑ zogene[n] Rechte und Pflichten des Maklers aus dem ‚Doppelrechtsverhältnis‘“. 778  Siehe S. 290. 779  Siehe S. 291 f.

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auch Regelungen eines ausländischen Versicherungsmaklervertragsstatuts Be‑ rücksichtigung finden. Erst wenn Makler und Versicherer explizit abweichen‑ de Pflichten vereinbaren, könnte es zu Widersprüchen kommen. Das ist jedoch auch möglich, wenn beide Rechtsverhältnisse deutschem Recht unterliegen, und führt schlicht zu einer Haftung des Maklers gegenüber dem Versicherungs‑ nehmer. Dieselben Überlegungen lassen sich auf das Agenturvertragsverhältnis zwi‑ schen Versicherungsvertretern und Versicherern übertragen. Trifft dieses keine besondere Regelung für den Fall, dass den Vertreter gegenüber ausländischen Kunden unvorhergesehene Pflichten treffen, entspricht es dem Parteiwillen, dass er gegenüber dem Versicherer nur solche Pflichten zu erfüllen hat, die mit dem ausländischen Recht im Einklang stehen. Im Übrigen kann auf sachrecht‑ licher Ebene auch im Verhältnis zum Versicherungsnehmer berücksichtigt wer‑ den, dass den Vertreter gegenüber dem von ihm vertretenen Versicherer eine Interessenwahrungspflicht trifft. Hieraus folgt regelmäßig, dass Versicherungs‑ vertreter keinen Marktvergleich schulden. Auch hier bietet das Instrument der (ergänzenden) Vertragsauslegung somit eine ausreichende materiell-rechtliche Lösung. Da auch in England wenige gesetzliche Regelungen für das Verhältnis zwi‑ schen Versicherungsvermittlern und Versicherern bestehen, wird es ebenfalls vorrangig von den privatautonomen Vereinbarungen der Parteien ausgestaltet. Sind diese wie regelmäßig lückenhaft, ergeben sich Kooperations- und Rück‑ sichtnahmepflichten, wie oben beim Versicherungsmakler herausgearbeitet,780 als implied terms aus dem Vertragsrecht oder aus dem Deliktsrecht (negligence, insbesondere bei voluntary assumption of responsibility). Besondere Berück‑ sichtigung finden hierbei Handelsbräuche (custom bzw. usage). Damit sie im Vertragsrecht als implied terms anerkannt werden, müssen sie unter anderem vernünftig (reasonable) und nicht rechtswidrig sein.781 Auch deliktische Pflich‑ ten erkennen Gerichte im common law nur an, wenn sie fair, just und reasonable sind.782 Im Bereich der Versicherungsvermittlung berücksichtigen Ge‑ richte hierbei, inwieweit Vermittler zur vorrangigen Interessenvertretung einer Partei verpflichtet sind. So wurde insbesondere bei Versicherungsmaklern deut‑ lich gemacht, dass Pflichten gegenüber dem Versicherer rechtlich nur anerkannt werden können, soweit nicht solche gegenüber dem Versicherungsnehmer als vorrangigem Auftraggeber entgegenstehen.783 Auch hier lässt sich also auf ma‑ 780 S. 304 ff. 781  Dashwood

v. Magniac [1891] 3 Ch. D. 306 (370 f.); Nelson v. Dahl [1879] 12 Ch. D. 568 (575). 782  Caparo Industries v. Dickman [1989] Q. B. 653 (658). 783  North and South Trust Co. v. Berkeley [1971] 1 W. L. R. 470 (482 ff.); Anglo-African Merchants v. Bayley [1970] 1 Q. B. 311 (322 f.), jeweils unter Verweis auf Scrutton, L. J. in Fullwood v. Hurley [1928] 1 K. B. 498 (502): „No agent who has accepted an employment from one principal can in law accept an engagement inconsistent with his duty to the first prin‑



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teriell-rechtlicher Ebene sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsrecht berück‑ sichtigen, inwieweit der Vermittler nach ausländischem Recht Pflichten gegen‑ über dem Versicherungsnehmer zu erfüllen hat. Allein nach österreichischem Recht erscheint eine derartige relative Bestim‑ mung des Pflichtenumfangs jedenfalls bei Versicherungsmaklern zweifelhaft. § 29 MaklerG erlegt ihnen explizit eingeschränkte Interessenwahrungspflich‑ ten gegenüber Versicherern auf, die eine Pflicht zur Information über bekannte oder erkennbare Risiken beinhalten. Nichtsdestotrotz kann hierbei im Einzelfall berücksichtigt werden, ob derartige Pflichten mit dem im Verhältnis zum Ver‑ sicherungsnehmer anwendbaren Recht vereinbar sind. Die Pflichten aus § 29 MaklerG können nämlich, wie § 27 Abs. 1 MaklerG klarstellt, nur so weit rei‑ chen, wie das Versicherungsmaklervertragsstatut es zulässt. Soweit § 29 Mak‑ lerG konkretere Interessenwahrungspflichten begründet, geht die Norm davon aus, dass die Erfüllung dieser Pflichten nach österreichischem Recht gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht pflichtwidrig ist. Sie muss daher entsprechend eng ausgelegt bzw. teleologisch reduziert werden, wenn das Rechtsverhältnis zum Versicherungsnehmer ausländischem Recht unterliegt und eine derartige Zusammenarbeit nicht erlaubt. Wenn der Gesetzgeber dies auch nicht explizit in § 29 MaklerG klargestellt hat, lässt sich § 27 Abs. 1 MaklerG ein entsprechender Wille zur vorrangigen Berücksichtigung des Versicherungsmaklervertrags mit dem Kunden entnehmen. Die unterschiedliche Reichweite von Rücksichtnahme-, Offenbarungs- und Kooperationspflichten im Doppelrechtsverhältnis lässt sich alles in allem in grenzüberschreitenden Sachverhalten meist auf materiell-rechtlicher Ebene ausreichend berücksichtigen.

(bb)  Abgestimmte Regelungen zur Provisions- und Courtageschuldnerschaft Widersprüche aus der Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen können allerdings nicht nur in Bezug auf Rücksichtnahmepflichten bestehen, sondern auch im Bereich der Provisions- bzw. Courtage- und Prämienschuldnerschaft. So ist bei Einschaltung eines Maklers zunächst eine konsistente Entscheidung erforderlich, ob der Versicherungsnehmer oder der Versicherer die Courtage schuldet. Das gilt vor allem in Fällen des Maklerwechsels oder, wenn Versiche‑ rungsnehmer wie in Carvill America v. Camperdown UK nur noch eine um die Courtage verminderte Prämie zahlen und Versicherer sich darauf berufen, dass in derartigen Fällen subsidiär der Versicherungsnehmer die Courtage schuldet. cipal from a second principal, unless he makes the fullest disclosure to each principal of his interest, and obtains the consent of each principal to the double employment“. Vgl. auch Ge‑ neral Accident Fire and Life Assurance Corporation v. Peter William Tanter (The „Zephyr“) [1984] 1 Lloyd’s Law Rep. 58 (83 f.), wo Hobhouse, J. untersucht, ob die deliktische Pflicht des Maklers gegenüber den Versicherern Interessen des Versicherungsnehmers widerspricht.

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In Deutschland wird eine widerspruchsfreie Entscheidung durch eine Abstim‑ mung des § 99 HGB mit den §§ 653 Abs. 1; 612 Abs. 1; 675 Abs. 1 BGB er‑ reicht.784 Da Versicherer regelmäßig aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder abweichenden Ortsgebrauchs vollständig die Courtage schulden, trifft den Ver‑ sicherungsnehmer „den Umständen nach“ keine Vergütungspflicht. Sind nun unterschiedliche Rechtsordnungen im Verhältnis zum Kunden und zum Ver‑ sicherer anwendbar, könnte es zu einem Normenmangel kommen. Beispiels‑ weise könnte die im Maklerrechtsverhältnis zum Versicherer anwendbare Rechtsordnung davon ausgehen, dass Versicherer die Courtage nicht schulden, solange diese nicht über die Prämie an sie gezahlt wird. Würde nun das Ver‑ sicherungsmaklervertragsstatut eine Provisionsschuldnerschaft des Versiche‑ rungsnehmers generell ausschließen, könnte sich der Makler im Ergebnis an keine der Hauptvertragsparteien halten. Zur Lösung dieser Problematik lässt sich wiederum auf materiell-recht‑ licher Ebene stärker das in anderen Rechtsverhältnissen anwendbare Recht berücksichtigen. Zum einen könnte man davon ausgehen, dass der Versiche‑ rer die Courtage jedenfalls dann unabhängig von der vollständigen Prämien‑ zahlung schuldet, wenn der Makler nach ausländischem Recht keinerlei Pro‑ visionsansprüche gegen den Versicherungsnehmer geltend machen kann. Lässt sich der Versicherer auf eine Courtagepflicht ein, ist es nämlich sein Risiko, die zur Erfüllung dieser Pflicht erforderlichen Prämien beim Versicherungs‑ nehmer einzuziehen. Zum anderen kann der Makler über eine entsprechende Berücksichtigung des grenzüberschreitenden Sachverhalts im Versicherungs‑ maklervertragsstatut geschützt werden. Zunächst kann man annehmen, dass der Versicherungsnehmer gegenüber dem Makler jedenfalls verpflichtet ist, die Versicherungsprämie vollständig an den Versicherer zu zahlen und das Recht des Maklers auf die Courtage nicht dadurch zu vereiteln, dass er eine gekürzte Prämie zahlt.785 Dann ist es gar nicht erforderlich, ihn ausnahmsweise selbst zur Zahlung einer Provision für verpflichtet zu halten. Vor dem Hintergrund dieser materiell-rechtlichen Lösungen ist es richtig, dass die Queen’s Bench Division es in Carvill America v. Camperdown UK erst gar nicht in Betracht zog, das Rechtsverhältnis der amerikanischen und britischen Maklergesellschaft zu den

784 

Siehe dazu S. 293. So auch der Superior Court of Connecticut in seiner Entscheidung v. 31.5.2007 in XL Specialty Ins. v. Carvill America, No. X04 CV 04 4000148 S (abrufbar unter ), CT Page 7930: „I hold, then, that XL [the reinsured] tortiously interfered with Carvill’s [the broker’s] business relation‑ ships with the reinsurers“. Wegen der bestehenden deliktischen Ansprüche ging das Gericht auf vertragliche Ansprüche bzw. eine etwaige vertragliche Pflicht, die Prämie vollständig an die Rückversicherer zu zahlen, nicht ein. Zum Sachverhalt und dem Verfahren vor britischen Gerichten siehe S. 310. 785 



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britischen Rückversicherern dem Recht von Connecticut zu unterstellen, dem die in Amerika abgeschlossenen Maklerverträge unterlagen.786 Ein ähnliches Problem wie bei der Courtageschuldnerschaft ergibt sich, wenn Makler ausnahmsweise nach section 53 (1) MIA Prämienschuldner sind. Schuldet ein Makler im Verhältnis zum Versicherer die Prämie, kann er sich nach englischem Recht an den Versicherungsnehmer halten, damit dieser wirt‑ schaftlich die Prämie trägt.787 Eine derartige Regressforderung mag nun nach ausländischem Maklervertragsstatut nicht bestehen. Wenngleich es hierzu bei‑ spielsweise auch im deutschen Recht keine explizite Regelung gibt, bietet das allgemeine Bürgerliche Recht eine hinreichende Basis zur Lösung derartiger Regressproblematiken. Musste ein Makler gegenüber dem britischen Versiche‑ rer die Prämie zahlen, kann er vom Versicherungsnehmer nach den §§ 670, 675 Abs. 1 BGB Aufwendungsersatz verlangen.788 Aufgrund der entsprechenden Regelung im englischen Recht darf er die Prämienzahlung „den Umständen nach für erforderlich halten“. Selbst beim Versicherungsmakler, bei dem Cour‑ tage- und Prämienzahlungen vielseitige Auswirkungen im Doppelrechtsver‑ hältnis haben, können somit auch unterschiedliche Rechtsordnungen in Ein‑ klang gebracht werden. Dementsprechend bestehen erst recht beim Versicherungsvertreter keine unlösbaren Koordinierungsprobleme zwischen dem Vermittlungsvertragsver‑ hältnis zum Kunden und dem Agenturvertragsverhältnis zum Versicherer. Im Regelfall schuldet allein der Versicherer eine Provision für erfolgreiche Ver‑ mittlungsleistungen. Diese in wohl allen Rechtsordnungen übliche Regelung wird vor allem dann verdrängt, wenn Vertreter Nettopolicen vermitteln und unmittelbare Vergütungsvereinbarungen mit betreuten Kunden schließen dür‑ fen.789 Ist ein derartiges Vorgehen in einer Rechtsordnung gegenüber dem Kunden unzulässig, könnte dem Vertreter in derselben Rechtsordnung zwin‑ gend ein Provisionsanspruch gegen den Versicherer zustehen. Dieser zwin‑ gende handelsvertreterrechtliche Provisionsanspruch würde nun zu einer Nor‑ menhäufung führen, wenn dem Vertreter nach dem im Verhältnis zum Kunden anwendbaren Recht der Abschluss einer gesonderten Vergütungsvereinbarung erlaubt ist. Soweit ein derartiger Fall in der Praxis tatsächlich auftreten kann, weil der Staat, dessen Recht den Handelsvertretervertrag beherrscht, keine 786 

Carvill America v. Camperdown UK [2004] EWHC 2221 (Comm) Rn. 48. J A Chapman v. Kadirga [1998] C. L. C. 860 (862), wonach der Makler die Prämie nicht einmal an den Versicherer gezahlt haben muss. Siehe zu allem bereits S. 302. 788  Hat der Makler die Prämie noch nicht an den Versicherer gezahlt, steht ihm, anders als nach englischem Recht (siehe vorige Fn.), lediglich ein Anspruch auf Freistellung von der Prämienzahlungspflicht zu (§ 257 S. 1 BGB). Diese Abweichung ist im Ergebnis nicht proble‑ matisch. 789 Zur Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen in Deutschland siehe BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 124/13, BGHZ 199, 216 ff.; Urt. v. 6.11.2013, I ZR 104/12, VersR 2014, 64 ff. sowie bereits oben S. 21. 787 

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Honorarvermittlung zulässt, wäre das Agenturvertragsstatut sachrechtlich an‑ zupassen. Der zwingende Provisionsanspruch rechtfertigt sich nämlich nur, wenn dem Vertreter andere Vergütungsquellen verschlossen sind. Soweit ein Versicherer und sein Vertreter umgekehrt Provisionsansprüche wirksam für den Fall der Honorarvermittlung abbedungen haben,790 eine solche aber nach dem im Verhältnis zum Kunden anwendbaren Recht unzulässig ist und der Vertre‑ ter daher keine Honoraransprüche durchsetzen kann, sollte die Lösung vorran‑ gig im Rechtsverhältnis des Vertreters zum Kunden gesucht werden. Vertreter müssten versuchen, Aufwendungsersatz oder Ansprüche aus ungerechtfertig‑ ter Bereicherung geltend zu machen. Eine aus ergänzender Vertragsauslegung hergeleitete subsidiäre Provisionszahlungspflicht des Versicherers widerspricht nämlich in der Regel dem Willen der Parteien, da der Versicherer keine Provisi‑ on in die Prämie einrechnet. In Einzelfällen mag allerdings auch der Versicherer schadensersatzpflichtig sein, weil er die Rechtslage nicht hinreichend geprüft oder dem Vertreter versichert hat, er dürfe Honorarvereinbarungen mit auslän‑ dischen Kunden schließen.

(c) Zwischenergebnis Insgesamt begründen weder die Tatsache, dass den Vermittler im „Doppel‑ rechtsverhältnis“ gegenüber beiden Parteien gewisse Pflichten treffen, noch die engen Beziehungen der Provisions- und Prämienzahlung mit dem Vermitt‑ lungs- und Versicherungsvertragsstatut ein besonders hohes Konsistenzinteres‑ se an einer akzessorischen Anknüpfung. Das gilt unabhängig davon, ob die Ver‑ mittlung durch Vertreter oder Makler erfolgt.

(2) Kontinuitätsinteresse, Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts und allgemeine Parteiinteressen Die Koordinierung des Rechtsverhältnisses zum Versicherer mit dem Versiche‑ rungsvertrags- oder dem Vermittlungsvertragsstatut widerspricht vielmehr sogar häufig dem Kontinuitätsinteresse791 der Parteien. Das leuchtet beim Agenturver‑ trag unmittelbar ein, wenn ein Versicherer einen Vertreter beauftragt, Verträge zu vermitteln, die unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen können, oder Kunden zu betreuen, denen gegenüber der Vertreter selbst nicht stets dieselbe Rechtsordnung einhalten muss. Trotz des in anderen Vermittlungsrechtsverhält‑ nissen abweichenden anwendbaren Rechts entspricht es grundsätzlich dem In‑ teresse der Parteien, dass ihr Handelsvertretervertrag einem einheitlichen Recht 790  Nach deutschem Recht sind die §§ 92 Abs. 3 S. 1; 87 Abs. 1 S. 1 HGB individualver‑ traglich abdingbar (ausf. m. w. N. Icha, Nettopolice, S. 380 ff.; siehe auch Busche, in: Oetker, HGB, § 92 Rn. 11; Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 92 Rn. 16). Zur möglichen Unwirksamkeit eines Ausschlusses in AGB ausf. Icha, Nettopolice, S. 384 ff. 791  Siehe hierzu einleitend S. 245.



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untersteht. Da Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO keine Vertragsspaltung erlaubt,792 wäre es ohnehin schwierig, eine Rechtsordnung für maßgeblich zu halten. Wenngleich die Beziehungen zwischen einem Makler und einem Versiche‑ rer nicht derart eng sind, stellen sie doch häufig ebenfalls eine langfristige Ge‑ schäftsbeziehung dar, bei denen die Parteien im Regelfall nicht davon ausgehen, dass ihre Zusammenarbeit unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegt, je nachdem, welche Versicherungsverträge der Makler vermittelt oder welche Kunden er betreut. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ihre Zusammenarbeit materiell-rechtlich nicht durch einen (Rahmen-)Vertrag, sondern durch einzel‑ ne Maklerverträge bestimmt wird, und so im Einzelfall eine akzessorische An‑ knüpfung ohne Vertragsspaltung möglich wäre, wollen sie nicht stets überprü‑ fen, ob nun wieder eine andere Rechtsordnung anwendbar ist. Widersprüche lediglich in Einzelfällen auf materiell-rechtlicher Ebene aufzulösen, stellt im Gegensatz dazu einen deutlich milderen Eingriff in die langfristige Geschäfts‑ beziehung dar. Eine Koordinierung mit dem Versicherungsvertragsstatut widerspricht fer‑ ner dem Interesse der Parteien, das anwendbare Recht vorherzusehen. Makler müssen bereits vor Abschluss eines Versicherungsvertrags und vor einer Ent‑ scheidung, welchem Recht vermittelte Verträge unterliegen werden, erkennen, ob sie z. B. zur Offenlegung bestimmter Umstände verpflichtet sind und inwie‑ weit sie mit Versicherern kooperieren müssen. In ähnlicher Weise kann eine ak‑ zessorische Anknüpfung an das Versicherungsmaklervertragsstatut für den Ver‑ sicherer interessenwidrig sein, weil er unter Umständen gar nicht weiß, ob der Makler und der Versicherungsnehmer eine Rechtswahl getroffen haben. Betreut der Makler Kunden unterschiedlicher Staaten, wird schließlich das Konsistenz‑ interesse beeinträchtigt, wenn die Maklerverträge unterschiedlichen Rechtsord‑ nungen unterliegen. Nach alledem ist eine akzessorische Anknüpfung denkbar, wenn bereits bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung zwischen Vermittler und Versicherer fest‑ steht, dass vermittelte Versicherungsverträge und die mit Kunden abgeschlos‑ senen Vermittlungsverträge dem Recht eines anderen Staates unterliegen als dem, in dem der Vermittler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.793 Das wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Vermittler mit Sitz im Staat A für Versicherer mit Sitz im Staat B Produkte lediglich an Verbraucher mit gewöhnlichem Auf‑ enthalt im Staat B vertreiben soll. Hier ist auch für Vermittler die mögliche An‑ wendbarkeit des Rechts des Staates B vorhersehbar, da die meisten objektiven 792 Siehe Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 129; Martiny, in: MüKoBGB, Art. 4 Rom I‑VO Rn. 9, 290. 793 Haben der Vermittler und die betreuten Kunden ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, gibt es in der Regel kein Problem, da Vermittlungsverträge dem Recht des Staates unterliegen, dessen Recht nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO auch im Verhältnis zum Versicherer gilt.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Umstände auf diesen Staat hindeuten. Treffen sie dann keine Rechtswahl, ist ihnen zuzumuten, dass man das Drei-Personen-Verhältnis konsistent derselben Rechtsordnung unterstellt. Selbst wenn sie Unternehmer betreuen und die Ver‑ mittlungsverträge unter Umständen dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Vermittler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist es im Einzelfall nicht ausgeschlossen, wegen der starken Verbindung zu dem Staat, in dem die Haupt‑ vertragsparteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und in dem der Vermitt‑ ler seine Marktaktivität entfaltet, dieses Recht anzuwenden.794 Auch gegen‑ über Unternehmern setzt sich nämlich unter Umständen das strengere nationale Recht des Staates durch, in dem diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.795 Sieht hingegen der Vertrag zwischen dem Vermittler und dem Versicherer vor, dass ersterer auch Kunden aus seinem eigenen oder einem dritten Staat betreut, begründen weder das in den Vermittlungsvertragsverhältnissen anwendbare Recht noch die objektiven Umstände eine derart starke Verbindung, dass eine Abweichung von der Regelanknüpfung angezeigt ist. Eine von Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO abweichende akzessorische Anknüp‑ fung muss nach alledem auch dann in der Regel ausscheiden, wenn weder der Versicherer noch der Vermittler seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hat, dessen Recht den Vermittlungsvertrag zum Kunden oder vermittelte Ver‑ sicherungsverträge beherrscht. Das gilt vor allem dann, wenn der Versicherer und der Vermittler ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Das gewichtige Interesse der Parteien, dass ihr Verhältnis dem ihnen bekannten Vertriebsrecht untersteht,796 wird in einem derartigen Fall nicht dadurch ver‑ drängt, dass die mit ausländischen Kunden geschlossenen Makler- oder Ver‑ sicherungsverträge einem anderen Recht unterliegen.

(3)  Zwischenergebnis: enge Grenzen für eine akzessorische Anknüpfung Dass im Rechtsverhältnis des Kunden zum Vermittler oder zum Versicherer das Recht eines Staates anwendbar ist, in dem der Vermittler keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, begründet somit insgesamt keine „offensichtlich engere Ver‑ bindung“ i. S. d. Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO, die eine abweichende akzessorische 794 Ähnlich Aguilar Grieder, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (711 f.), die die Anwendung der Ausweichklausel in Fällen, in denen der Vermittler seine Tätigkeit im Sitzstaat des Versicherers ausüben soll, jedenfalls nicht ausschließt, sowie Sabido Rodríguez, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediacíon, S. 717 (741 f.). Allg. für Handelsvertreter auch v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 84 Rn. 113; Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 (311 f.); Wauschkuhn/Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 92c HGB Rn. 10 Fn. 17: Tätigkeits‑ gebiet des Handelsvertreters und Sitz des beauftragenden Unternehmens in demselben Staat. 795  Siehe zum Sonderkollisionsrecht S. 260 ff. 796  Vgl. Art. 4 Abs. 2 Rom II‑VO. Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt dürfte auch in Carvill America v. Camperdown UK [2004] EWHC 2221 (Comm) Rn. 48 der Grund gewesen sein, warum das Gericht keine akzessorische Anknüpfung an das abweichende Maklerver‑ tragsstatut in Betracht zog.



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Anknüpfung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Vermittler und dem Ver‑ sicherer an das Recht des Vermittlungsvertrags zum Kunden oder an das Ver‑ sicherungsvertragsstatut rechtfertigt. Vor allem, wenn der Vermittler Kunden unterschiedlicher Staaten betreut und wenn vermittelte Versicherungsverträge unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen können, untersteht die Bezie‑ hung des Vermittlers zum Versicherer dem konstanten Recht des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO. Widersprüche und Unstimmigkeiten im Doppelrechtsverhält‑ nis sind auf materiell-rechtlicher Ebene zu lösen. Eine offensichtlich engere Verbindung kann allerdings bestehen, wenn der Vermittler ausschließlich Kun‑ den mit gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat betreuen soll, in dem auch der Versicherer seinen Sitz hat. Dann ist es im Einzelfall möglich, das Recht dieses Staates auch im Verhältnis des Vermittlers zum Versicherer anzuwenden. Frei‑ lich sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, vor allem in in‑ ternationalen Versicherungsmärkten.

c)  Die Anwendung von Handelsbräuchen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr Wenngleich die bislang angewendeten Kollisionsnormen der Rom I‑VO einige Rechtssicherheit bieten, bleibt die Lösung grenzüberschreitender Streitigkeiten zwischen Vermittlern und Versicherern häufig problematisch, weil das berufene materielle Recht selten explizite Vorgaben für die Zusammenarbeit der Parteien enthält. Vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, dass vor allem die Kooperation zwischen Maklern und Versicherern maßgeblich durch Handelsbräuche geprägt ist. Es stellt sich daher die Frage, ob mit der Bestimmung des anwendbaren Rechts zugleich auch die Handelsbräuche derselben Rechtsordnung berufen werden. Wäre das der Fall, wären Versicherer bei der Anwendbarkeit deutschen Rechts in der Regel automatisch Courtageschuldner. Ferner würde aus der An‑ wendbarkeit französischen Rechts die Geltung umfangreicher Rücksichtnah‑ mepflichten der Usages und des Code Morale du Courtage folgen,797 sodass ein deutscher Versicherer bei der Zusammenarbeit mit einem französischen Mak‑ ler beispielsweise Versicherungsnehmer nicht ohne vorherige Abstimmung mit dem Makler beraten und kontaktieren dürfte. Einen ersten Anhaltspunkt zur Lösung des Problems gibt Art. 20 Rom I‑VO, wonach die Verordnung lediglich „Rechtsnormen“ zur Anwendung beruft, d. h. die in einem Staat geltenden verbindlichen Regelungen. Im Gegensatz hierzu stellen Handelsbräuche lediglich Tatsachen dar, die zur Auslegung und Bedeu‑ tungsbestimmung von Verhaltensweisen im Handelsverkehr benutzt werden.798 797 

Zur territorialen Reichweite der Usages auch Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 793. Zum Inhalt der Usages siehe S. 296. 798  Siehe die Nachweise in Fn. 600 sowie in Abgrenzung zu kollisionsrechtlich berufenen Rechtssätzen BGH, Urt. v. 29.11.1961, VIII ZR 146/60, JZ 1963, 167 (169); ROHG, Urt. v.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Inwieweit sie rechtlich erheblich und berücksichtigungsfähig sind, muss das materielle Recht bestimmen. Hieraus folgt, dass Art. 12 Rom I‑VO lediglich die materiell-rechtlichen Normen beruft, die vorgeben, welche und inwieweit Han‑ delsbräuche Bedeutung erlangen.799 Mit der Anwendbarkeit eines bestimmten Sachrechts muss daher nicht zwingend die Anwendung der Handelsbräuche des‑ selben Staates einhergehen.800 Ist auf ein Rechtsverhältnis deutsches Recht an‑ wendbar, wird beispielsweise lediglich § 346 HGB berufen, welcher bestimmt, dass, nicht aber welche Gebräuche zwischen Kaufleuten zu berücksichtigen sind. Angesichts der unvollständigen Regelung verwundert es nicht, dass die Frage, welche Handelsbräuche in grenzüberschreitenden Sachverhalten berücksichti‑ gungsfähig sind, im deutschen Handelsrecht seit langer Zeit umstritten ist. Weitgehend erkennen Rechtsprechung und Literatur zunächst einen Vorrang internationaler Handelsbräuche an. Hierunter versteht man Gewohnheiten, die sich gerade für bestimmte grenzüberschreitende Handelsgeschäfte ausgebildet haben oder gleichförmig in den Staaten bestehen, in denen die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.801 In der Regel ist davon auszugehen, dass die Parteien nach den gleichförmigen Bräuchen ihrer Aufenthaltsorte zusammen‑ arbeiten wollen. Es ist allerdings auch möglich, dass die internationalen Han‑ delsbräuche am Vertragsschlussort bzw. Haupthandelsplatz das Rechtsverhält‑ nis prägen und daher Berücksichtigung finden.802 Wurde ein entsprechender internationaler Handelsbrauch festgestellt, gilt er wie in reinen Inlandsfällen unabhängig von der Kenntnis der Parteien und vorrangig vor abweichenden na‑ tionalen Bräuchen.803 23.4.1872, Rep. 67/72, ROHGE 6, 76 (78). Vgl. zu den französischen Usages auch Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 793. Krit. zur strikten Trennung Lüderitz, JZ 1963, 169 (170); vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 4.4.1973, 7 U 122/67, IPRspr. 1973 Nr. 6, S. 16. 799  Ebenso i. E. Ferrari, in: ders., Art. 12 Rom I‑VO Rn. 13; Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 12 Rom I‑VO Rn. 40. Ungenau Spickhoff, in: BeckOK‑BGB, Art. 12 Rom I‑VO (1.2.2019) Rn. 5, wonach die „Handelsbräuche des Vertragsstatuts zu berücksichtigen“ seien, bzw. Leible, in: NK‑BGB, Art. 12 Rom I‑VO Rn. 14, wonach „etwaige Handelsbräuche aus dem Vertragsstatut zu entnehmen“ seien. Allg. früher bereits Lüderitz, JZ 1963, 169 (171), der zu Recht kritisiert, dass der BGH bei der Frage, inwieweit ausländische Handelsbräuche be‑ rücksichtigt werden dürfen, nicht auf das Vertragsstatut, sondern auf deutsches Recht als lex fori abstellt (BGH, Urt. v. 29.11.1961, VIII ZR 146/60, JZ 1963, 167 [169]). 800  Vgl. bereits BGH, Urt. v. 29.11.1961, VIII ZR 146/60, JZ 1963, 167 (169); Urt. v. 20.5.1952, I ZR 140/51, BGHZ 6, 127 (134); ROHG, Urt. v. 23.4.1872, Rep. 67/72, ROHGE 6, 76 (78); siehe auch nur Martiny, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.101. Enger OLG Frankfurt, Urt. v. 4.4.1973, 7 U 122/67, IPRspr. 1973 Nr. 6, S. 16, wo‑ nach „eine Trennung von Recht und Handelsbrauch [häufig] zu einem unnatürlichen und un‑ angemessenen Ergebnis führen würde“. Zweifelnd auch OLG Hamburg, Urt. v. 2.9.1974, 8 U 189/73, MDR 1975, 845. 801 Vgl. Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB, § 346 Rn. 36; Joost, in: E/B/J/S, HGB, § 346 Rn. 33; Koller, in: Staub, HGB, § 346 Rn. 38. 802 Siehe Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 11, 14. 803  BGH, Urt. v. 2.5.1984, VIII ZR 38/83, WM 1984, 1000 (1003); Koller, in: Staub,



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Kann ein internationaler Handelsbrauch nicht festgestellt werden, liegt es auf der Hand, dass die Berücksichtigung nationaler Bräuche gewissen Be‑ schränkungen unterliegen muss, da sich die Parteien im grenzüberschreitenden Verkehr selten über alle möglichen lokalen Bräuche erkundigen möchten. Wel‑ che Kriterien hierbei maßgeblich sind, ist noch weitgehend ungeklärt. Über‑ wiegend wird zunächst wie bei einem Konflikt regionaler Handelsbräuche in Inlandsfällen ermittelt, welcher Ort dem Vertrag bzw. den Leistungen der Par‑ teien (objektiv) eine besondere Prägung gibt.804 Lässt sich ein Vertrag ins‑ gesamt schwerpunktmäßig an einem Ort lokalisieren, sollen die dort geltenden Bräuche Berücksichtigung finden. Ein solcher Schwerpunkt soll sich beispiels‑ weise aus dem Haupthandelsplatz oder einem besonderen Vertragsschlussort ergeben können.805 Gegebenenfalls kann auch eine Leistungserbringung, die dem Vertrag eine besondere Prägung gibt, maßgeblich sein.806 Das Reichs‑ gericht hat sogar die vertragscharakteristische Leistung des Maklers ausreichen lassen, um allein den Ort der Leistungserbringung des Maklers zu berücksich‑ tigen.807 Lässt sich für das gesamte Vertragsverhältnis kein Schwerpunkt er‑ mitteln, sollen grundsätzlich die am Erfüllungsort der jeweiligen Leistungs‑ verpflichtung maßgeblichen Bräuche berücksichtigt werden.808 Soweit ein so ermittelter Handelsbrauch zu Lasten einer Partei geht, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Staat hat, soll die Berücksichtigung eines derarti‑ gen „ausländischen“ Handelsbrauchs weiteren objektiven oder subjektiven Be‑ schränkungen unterliegen.809 Während einige die Kenntnis vom ausländischen HGB, § 346 Rn. 38; Joost, in: E/B/J/S, HGB, § 346 Rn. 33. Zum „Konkurrenz“-Verhältnis überzeugend auch Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 14. 804  Koller, in: Staub, HGB, § 346 Rn. 36a, 33; Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 11, 13, 18. Zum entsprechenden Vorgehen in Inlandsfällen siehe BGH, Urt. v. 7.3.1973, VIII ZR 214/71, WM 1973, 382 (383). Anders wohl Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB, § 346 Rn. 33 f., der primär auf einen Unterwerfungswillen abstellt und den Vertrags‑ schwerpunkt als Indiz für einen solchen sieht. 805  BGH, Urt. v. 7.3.1973, VIII ZR 214/71, WM 1973, 382 (383); Hefermehl, in: Schlegel‑ berger, HGB, § 346 Rn. 33; Koller, in: Staub, HGB, § 346 Rn. 34; Lehmann-Richter, in: Beck‑ OK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 11, jeweils mit Verweis auf Börsen, Märkte und Messen. Stark auf den Abschlussort abstellend Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 40. 806  Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 11. 807  RG, Urt. v. 29.11.1919, I 191/19, RGZ 97, 215 (218 f.). 808  Zu Inlandsfällen BGH, Urt. v. 2.7.1980, VIII ZR 178/79, WM 1980, 1122 (1124); allg. Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 42; Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 12. Bei sonstigen Handlungen und Unterlassungen soll es auf den Ort ankommen, an dem gehandelt wurde bzw. hätte gehandelt werden müssen oder an dem eine Erklärung abgegeben wurde (BGH, Urt. v. 7.3.1973, VIII ZR 214/71, WM 1973, 382 f.; Urt. v. 20.5.1952, I ZR 140/51, BGHZ 6, 127 [134]; Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 [15.4.2019] Rn. 12). 809  Deutlich BGH, Urt. v. 2.5.1984, VIII ZR 38/83, WM 1984, 1000 (1003): „Der […] Grundsatz, daß für Vertragsleistungen die Handelsbräuche am Erfüllungsort maßgebend seien […], klärt nur den Vorgang bei verschiedenen Handelsbräuchen für mehrere im Zusammen‑ hang mit einem Vertrag maßgeblichen Orte. Er gilt uneingeschränkt nur innerhalb des deutschen Rechtsgebietes, weil man nur insoweit von dem grundsätzlichen Einverständnis der be‑

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Brauch810 bzw. generell eine „Unterwerfung“ unter denselben verlangen,811 lassen andere es genügen, dass die Partei gewöhnlich und regelmäßig an der‑ artigen Geschäften mit ausländischen Kaufleuten beteiligt ist und daher den Brauch zur Kenntnis nehmen kann.812 Für das Rechtsverhältnis zwischen einem Makler und einem Versicherer sind folglich zunächst internationale Handelsbräuche zu ermitteln. Am auffälligsten ist dabei, dass jedenfalls die hier untersuchten Rechtsordnungen gleichförmig davon ausgehen, dass Versicherer durch ihr Einverständnis mit der Vermitt‑ lungstätigkeit des Maklers die Zahlung einer Courtage versprechen.813 Auch in grenzüberschreitenden Fällen wird man Versicherer daher regelmäßig als Courtageschuldner ansehen können. Davon abgesehen weichen die Handels‑ bräuche – vor allem in Bezug auf Kooperations- bzw. Rücksichtnahmepflich‑ ten – erheblich voneinander ab. Wenngleich in allen hier untersuchten Rechts‑ ordnungen eine gewisse Zusammenarbeit zwischen Maklern und Versicherern stattfindet, ist nicht ersichtlich, dass die Kooperation nach gleichförmigen Übungen geschieht. Allenfalls können sich daher an bestimmten „Handelsplät‑ zen“ bzw. Vertragsschlussorten internationale Handelsbräuche ausbilden. Zum einen ist es beispielsweise im Rückversicherungsmarkt möglich, dass sich bei den regelmäßigen Branchentreffen in Baden-Baden und Monte Carlo gewisse Bräuche zum Vertragsabschluss unter Einschaltung von Versicherungsmaklern ausbilden. Zum anderen ist es vor allem bei Geschäften auf dem Versicherungs‑ markt Lloyd’s of London denkbar, dass sich alle Parteien den dort für interna‑ tionale Geschäfte geltenden Gewohnheiten unterwerfen. teiligten Handelskreise ausgehen […] kann. Für ausländische Handelsbräuche dagegen fehlt es an dieser Voraussetzung“ (Hervorhebung durch den Verf.). Vgl. auch Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 13, 18, der vom „persönlichen Anwendungsbereich“ spricht. 810  Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 44. Vgl. auch ROHG, Urt. v. 25.2.1874, Rep. 71/74, ROHGE 12, 283 (287); Urt. v. 23.4.1872, Rep. 67/72, ROHGE 6, 76 (78). Nach RG, Urt. v. 26.6.1928, 64/28 II., JW 1928, 3109 kann von der Kenntnis i. d. R. auf eine stillschweigende Unterwerfung geschlossen werden. 811  Vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1961, VIII ZR 146/60, JZ 1963, 167 (169), der allerdings auf die falsche Partei abstellt (krit. auch Lüderitz, JZ 1963, 169 [171]); RG, Urt. v. 26.6.1928, 64/28 II., JW 1928, 3109; ROHG, Urt. v. 23.4.1872, Rep. 67/72, ROHGE 6, 76 (78); OLG Hamburg, Urt. v. 2.9.1974, 8 U 189/73, MDR 1975, 845 (846). Im Ansatz jedenfalls auch Hefermehl, in: Schlegelberger, HGB, § 346 Rn. 35, der allerdings von Ausländern, die im Inland nicht nur vorübergehend Geschäfte machen, verlangt, sich Kenntnis der inländischen Bräuche zu verschaffen. 812  Joost, in: E/B/J/S, HGB, § 346 Rn. 31; Koller, in: Staub, HGB, § 346 Rn. 36a; Lehmann-Richter, in: BeckOK‑HGB, § 346 (15.4.2019) Rn. 18. I. E. offenlassend wohl BGH, Urt. v. 2.5.1984, VIII ZR 38/83, WM 1984, 1000 (1003). 813  Vgl. auch BGH, Urt. v. 22.5.1985, IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356 (359), wonach es sich um eine „in vielen Ländern gleichförmig bestehende[n] Übung“ handele, sowie Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 250 Fn. 19, der allerdings unglücklicherweise von inter‑ nationalem Gewohnheitsrecht spricht.



B.  Internationales Privatrecht

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Lassen sich keine derartigen internationalen Handelsbräuche feststellen, werden die Parteien ihrer Zusammenarbeit in der Regel jedenfalls dann ihre na‑ tionalen Handelsbräuche zugrunde legen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufent‑ halt in demselben Staat haben. Auf materiell-rechtlicher Ebene kann allerdings eine Anpassung erforderlich sein, wenn die Handelsbräuche mit Bestimmungen des Versicherungsvertragsstatuts nicht im Einklang stehen. Beispielsweise dür‑ fen französische Versicherer im Verhältnis zu französischen Maklern nach n° 4 der Usages nicht mit dem Versicherungsnehmer Kontakt aufnehmen, um über Vertragsänderungen oder -verlängerungen zu verhandeln. Bei entsprechenden Kundenanfragen müssen sie zunächst den Makler kontaktieren. Das ist unpro‑ blematisch, solange das Versicherungsvertragsstatut wie das deutsche Recht keine direkte Beratung durch den Versicherer vorschreibt.814 Andernfalls müss‑ te auch im Maklerrechtsverhältnis zum Versicherer ausnahmsweise eine direkte Beratung durch den Versicherer erlaubt sein. Haben der Makler und der Versicherer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ver‑ schiedenen Staaten und findet kein internationaler Handelsbrauch Berücksichti‑ gung, müsste nach oben Dargelegtem in einem ersten Schritt ermittelt werden, welcher Ort den gesamten Vertrag prägt oder welche Orte einzelne Leistungen prägen. Soweit der Vertragsschlussort wie regelmäßig bei Distanzgeschäften keine besondere Relevanz hat, käme es darauf an, ob man das Rechtsverhält‑ nis insgesamt schwerpunktmäßig einem Staat zuordnen kann. Das könnte z. B. der Staat sein, dessen Recht die Parteien für anwendbar erklären. Lassen sich einzelnen Vertragsbestimmungen oder der Korrespondenz der Parteien Hinwei‑ se darauf entnehmen, dass sie auch von der Geltung der Handelsbräuche dieses Staates ausgehen, sollte diese privatautonome Entscheidung respektiert wer‑ den. Das gilt ebenso, wenn die Parteien jedenfalls faktisch nach entsprechenden Bräuchen verfahren. Lässt sich ein Wille zur Anwendung bestimmter Handelsbräuche nicht er‑ mitteln, könnte man auf die Idee kommen, den Vertragsschwerpunkt in dem Staat zu verorten, in dem der Makler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, weil er die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Für beide Parteien würde man dann – vorbehaltlich der Einschränkungen zur Berücksichtigung „aus‑ ländischer“ Handelsbräuche – ausschließlich die dem Makler vertrauten Ge‑ wohnheiten berücksichtigen. So würde jedenfalls bei objektiver Anknüpfung ein Gleichlauf zu Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO erreicht, der das dem Makler vertraute Recht beruft. Ein derartiger genereller Gleichlauf zum IPR kann je‑ doch bei der hier relevanten Frage der Handelsbräuche nicht überzeugen. Wäh‑ rend dort ein einheitliches Vertragsstatut bestimmt werden soll, um den Ver‑ trag nicht unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu unterwerfen, geht es hier um die Frage, welche Gewohnheiten man benutzt, um Erklärungen 814 

Vgl. § 6 Abs. 6 2. Alt. VVG.

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auszulegen und zu bestimmen, welches Verhalten die Parteien voneinander im Handelsverkehr redlicherweise erwarten dürfen. Dass hierbei Bräuche unter‑ schiedlicher Staaten Berücksichtigung finden – je nachdem, um welche Leis‑ tung es geht – ist keinesfalls derart problematisch wie eine Vertragsspaltung im IPR. Es überzeugt daher nicht, ein Vertragsverhältnis zur Ermittlung der be‑ rücksichtigungsfähigen Handelsbräuche generell schwerpunktmäßig dem Staat zuzuordnen, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es sollte vielmehr subsidiär dabei bleiben, dass für die Erfüllung jeder Leistungsverpflichtung die am jeweiligen Erfüllungs‑ ort maßgeblichen Handelsbräuche berücksichtigt werden. Für die Courtagezah‑ lung des Versicherers sind daher grundsätzlich nach §§ 270 Abs. 4; 269 Abs. 1 BGB die an seinem Sitz üblichen Gewohnheiten maßgeblich.815 Dies ist, wie oben bereits dargelegt,816 auch vor dem Hintergrund möglicher Maklerwech‑ sel überzeugend. Die Frage, inwieweit die Courtage Vermittlungs- und Betreu‑ ungsentgelte enthält und im Fall eines Maklerwechsels aufzuteilen ist, kann so nach einheitlichen Bräuchen entschieden werden. Lässt sich ein Makler auf eine Vergütung durch einen ausländischen Versicherer ein, muss jenem ferner bewusst sein, dass dieser eine Courtagezahlung auch nur nach den in diesem Staat geltenden aufsichtsrechtlichen und branchenüblichen Rahmenbedingun‑ gen verspricht. Ausnahmen mögen bei Mitversicherungsprogrammen unter Be‑ teiligung von Versicherern unterschiedlicher Jurisdiktionen angebracht sein.817 Umgekehrt kann so auch der Makler wegen § 269 Abs. 1 BGB Vermittlung und Betreuung des Kunden nach den in seinem Staat üblichen Gewohnheiten durch‑ führen, soweit nicht das Versicherungsmaklervertragsstatut abweichende Vor‑ gaben macht. So sind z. B. für die Frage, ob und welche Aufzeichnungen der Makler für den Versicherer zu erstellen hat, die dem Makler bekannten Ge‑ wohnheiten relevant. Eine derartige Berücksichtigung nationaler Handelsbräuche sollte allerdings nur für die Leistungserbringung selbst gelten, d. h. für die Frage, welche Leis‑ tungen eine Partei verspricht und wie sie zu erfüllen sind. Insoweit kann man wie Koller von „interpretierenden Handelsbräuchen“818 sprechen. Hiervon ab‑ gesehen gibt es in einigen Staaten weitergehende Bräuche, die die Zusammen‑ arbeit zwischen Maklern und Versicherern bestimmen. Beispielsweise treffen die Versicherer nach den französischen Usages weitgehende Rücksichtnahme‑ pflichten. Würde man sie ebenfalls für anwendbar halten, weil der Erfüllungs‑ 815  Vgl. zur Bestimmung des Erfüllungsorts entsprechend in einem Inlandsfall BGH, Urt. v. 2.7.1980, VIII ZR 178/79, WM 1980, 1122 (1124). Geldschulden sind weiterhin qualifizier‑ te Schickschulden, sodass der Erfüllungsort grundsätzlich am Sitz des Schuldners liegt, vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2016, VIII ZR 222/15, NJW 2017, 1596 (1597 f.) Rn. 23 ff. Ausf. m. w. N. zum Streitstand Krüger, in: MüKo-BGB, § 270 Rn. 1 f., 17. 816  Ab S. 321. 817  Siehe dazu S. 322. 818  Koller, in: Staub, HGB, § 346 Rn. 34.



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ort der Courtagezahlung in Frankreich liegt, würden deutsche Makler bei einer Zusammenarbeit mit französischen Versicherern von ihnen profitieren, obwohl ihnen selbst solche Vorteile im deutschen Geschäftsverkehr nicht bekannt sind. Vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, derartige „ergänzende Handels‑ bräuche“819 in gleicher Weise zu berücksichtigen wie interpretierende. Ergän‑ zende Handelsbräuche werden berücksichtigt, weil die Parteien im Handelsver‑ kehr bestimmte Verhaltensweisen erwarten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Parteien berechtigterweise darauf vertrauen, dass alle im betreffenden Geschäftsverkehr Beteiligten gleichförmig nach den Usancen verfahren. Wenn es nun im französischen Markt üblich ist, dass die Versicherer nicht nur eine Courtage zahlen, sondern in weitgehendem Maße auf die Interessen der Makler Rücksicht nehmen, rechnen in erster Linie französische Makler mit einem der‑ artigen Verhalten. Dass deutsche in gleicher Weise hiervon profitieren sollen, obwohl ein solches Verhalten weder im innerdeutschen noch im deutsch-franzö‑ sischen Geschäftsverkehr üblich ist, überzeugt nicht. Wie in der französischen Literatur bereits vorgeschlagen, sollte man hier vielmehr eine Vereinbarung der Parteien verlangen.820 Wollen sie ihrer Zusammenarbeit Gewohnheiten zugrun‑ de legen, die über die Art der Leistungserbringung hinausgehen, können sie sich hierauf einigen. Machen sie das nicht, schadet es nicht, dass unter Umständen keine ergänzenden Handelsbräuche gelten. Es bleibt dann insoweit beim mate‑ riellen Recht, wonach gegebenenfalls keine weitergehenden Rücksichtnahme‑ pflichten bestehen. Es lässt sich damit festhalten: Soweit keine internationalen Handelsbräuche greifen, finden häufig lediglich die interpretierenden Handelsbräuche am Erfül‑ lungsort der jeweiligen Leistungserbringung Anwendung, sodass Versicherer und Makler schon nach objektiven Kriterien selten „ausländischen“ Handels‑ bräuchen unterliegen. Sollte das ausnahmsweise nicht der Fall sein, ist eine ge‑ wisse Unterwerfung der Partei unter die ihr fremden Gewohnheiten zu fordern, die auch aus dem regelmäßigen Geschäftsverkehr geschlossen werden kann. Sie kann sich auch aus einer Rechtswahl und einer entsprechenden konkluden‑ ten Vereinbarung zur Berücksichtigung „fremder“ Handelsbräuche ergeben. Maßgeblich sind hierbei die Umstände des Einzelfalls bei Vertragsschluss und -durchführung. Schließlich ist zu beachten, dass die Partei, der der Handels‑ brauch zu Vorteil gereicht, im Fall des Bestreitens durch die Gegenpartei be‑ 819 

So die treffende Terminologie bei Koller, in: Staub, HGB, § 346 Rn. 35. Bigot, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 793: „L’usage serait suscep‑ tible d’être traité comme une règle interne dont l’extension territoriale pourrait dépendre de l’accord exprès ou implicite des parties. Dans ces conditions, les usages du courtage d’as‑ surance, apparaissant comme des règles de droit interne, pourraient ne pas régir les relations entre un courtier national et une société d’assurance établie à l’étranger, sauf si les parties dé‑ cidaient expressément ou implicitement d’en faire application“. Im letzteren Fall wäre der Ver‑ sicherer freilich nach hier vertretener Auffassung meist bereits aus objektiven Gesichtspunkten nicht an die französischen Bräuche gebunden. 820 

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weisbelastet ist.821 Internationale und ausländische Handelsbräuche können insbesondere durch Sachverständigengutachten nachgewiesen werden.822 Da die Feststellung der Handelsbräuche insoweit Tatfrage ist, sollen mögliche Ge‑ wohnheiten des internationalen Geschäftsverkehrs hier nicht weiter untersucht werden.

d)  International zwingendes Handelsvertreterrecht? Während Makler frei entscheiden können, mit welchen Versicherern sie zu‑ sammenarbeiten, sind Vermittler, die sich verpflichtet haben, ausschließlich für (einen) bestimmte(n) Versicherer tätig zu werden, wirtschaftlich deutlich abhängiger. Das Handelsvertreterrecht gewährt ihnen daher einen besonderen Schutz. Bei Beendigung des Agenturvertrags steht Versicherungsvertretern in Deutschland insbesondere gem. § 89b Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 1 HGB ein An‑ spruch auf einen angemessenen Ausgleich zu, der im Voraus nicht abbedungen werden kann (Abs. 4 S. 1). Nur wenn der Vertreter seine Tätigkeit nicht inner‑ halb des EWR, sondern in einem Drittstaat auszuüben hat, können die Parteien nach § 92c Abs. 1 HGB abweichende Vereinbarungen treffen. In allen übrigen Fällen will der Gesetzgeber den Handelsvertreter als typischerweise schwäche‑ re Partei schützen. Dieser Schutz könnte in grenzüberschreitenden Sachverhal‑ ten dadurch ausgehebelt werden, dass Versicherungsvertreter und Versicherer nach Art. 3 Abs. 1 Rom I‑VO das Recht eines Staates wählen, der einen ent‑ sprechenden Ausgleichsanspruch nicht kennt.823 In derartigen Fällen stellt sich die Frage, ob § 89b Abs. 5 S. 1 i. V. m. Abs. 1 HGB auch international zwingend durchgesetzt werden kann.

aa) Ausgleichsanspruch der Handelsvertreter im deutschen Recht Handelsvertreter können bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nach § 89b Abs. 1 S. 1 HGB einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch erhebliche Vorteile hat und die Zah‑ lung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht, wobei insbesondere die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen zu berücksichtigen sind. Die Norm setzt Art. 17 der Handelsvertreter-RL824 um, die europaweit das Handelsver‑ 821  BGH,

Urt. v. 29.11.1961, VIII ZR 146/60, JZ 1963, 167 (169); Schmidt, in: MüKoHGB, § 346 Rn. 25 m. w. N. 822  OLG Köln, Urt. v. 17.3.1998, 4 U 14/97, VersR 1998, 1575. 823  Hat ein in Deutschland tätiger Versicherungsvertreter seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist es auch nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO möglich, dass ausländisches Recht Anwendung findet. 824 Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.  Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl. L 382 v. 31.12.1986, S. 17.



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treterrecht für sog. Warenhandelsvertreter vereinheitlicht, d. h. solche Vertre‑ ter, die den Ver- oder Ankauf von Waren vermitteln (Art. 1 Abs. 2 Handelsver‑ treter-RL). Mit der Regelung soll der Vertreter eine Vergütung dafür erhalten, dass er dem Unternehmer Geschäftsverbindungen zuführt, aus denen auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Nachbestellungen bzw. Folgegeschäf‑ te erwachsen. Da der Vertreter für diese keine Provisionen mehr erhält, sollen seine entgangenen Verdienstchancen und die Vorteile, die der Unternehmer aus dem geworbenen Kundenstamm erlangt, ausgeglichen werden.825 Provisions‑ verluste sind dabei nach § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB n. F. lediglich Teil der Bil‑ ligkeitsprüfung und keine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung mehr. Der bis zum Jahr 2009 abweichende Wortlaut der Norm, der den Ausgleich auf die Provisionsverluste begrenzte, muss jedenfalls im Anwendungsbereich der Han‑ delsvertreter-Richtlinie europarechtskonform ausgelegt werden, da Art. 17 sol‑ che nicht zwingend voraussetzt.826 Da der Anwendungsbereich der Richtlinie nur Warenhandelsvertreter er‑ fasst, müssen die Mitgliedstaaten keinen vergleichbaren Schutz für Versiche‑ rungsvertreter vorsehen.827 In Deutschland stand diesen jedoch bereits seit 1953 ebenfalls ein Ausgleichsanspruch zu, wenn auch mit wichtigen Modifikationen: Zum einen passte man § 89b HGB in Absatz 5 „den besonderen Verhältnis‑ sen der Versicherungswirtschaft an“828. Nach dessen Satz 1 erhält ein Versiche‑ rungsvertreter keinen Ausgleich für die Herstellung einer Geschäftsverbindung als solche, sondern lediglich für die Vorteile aus neu vermittelten oder wesent‑ lich erweiterten Versicherungsverträgen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Versicherungsvertreter in der Regel langfristige Einmalverträge vermitteln, die nicht automatisch zu Folgegeschäften führen, da der Abschluss weiterer Ver‑ sicherungsverträge erneute Vermittlungsbemühungen erfordert.829 Versiche‑ rungsvertreter sollten daher keinen Ausgleich dafür erhalten, dass Kunden nach 825  Vgl. Begr. RegE BT‑Drs. 1/3856, S. 34 f. sowie ausf. BGH, Urt. v. 13.5.1957, II ZR 318/56, BGHZ 24, 214 (221 f.); siehe auch v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 89b Rn. 3. 826  EuGH, Urt. v. 26.3.2009, Rs. C-348/07, Slg. 2009, I-2341 Rn. 25. Ausf. zur richtlini‑ enkonformen Auslegung des § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB a. F. Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 89b Rn. 2. Für Versicherungsvertreter lehnte der BGH eine richtlinienkonforme Auslegung für Altfälle vor der Gesetzesänderung ab (BGH, Beschl. v. 21.3.2013, VII ZA 14/12, BeckRS 2013, 04616; Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10, VersR 2012, 483 [484 f.] Rn. 24 ff.); hierzu sogleich. 827 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.5.2017, Rs. C-48/16, ZVertriebsR 2017, 235 (237) Rn. 28; Urt. v. 3.12.2015, Rs. C-338/14, EuZW 2016, 221 Rn. 16; Beschl. v. 6.3.2003, Rs. C-449/01, ABl. C 146 v. 21.6.2003, S. 13. Anders wohl Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (45); dies., in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Mediación, S. 677 (701). 828  Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Sten. Ber. 1953, S. 14206 (14208). Zum Beschluss siehe BT‑Drs. 1/4604, S. 10. Anders noch RegE BT‑Drs. 1/3856, S. 5. Zur Entstehungsgeschichte Gessler, Ausgleichsanspruch, S. 57 ff. 829  Gessler, Ausgleichsanspruch, S. 53 sowie später Emde, VersR 2013, 1333 f.; v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 89b Rn. 251; Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 89b Rn. 183; Sperling, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 350.

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Beendigung des Agenturvertrags unter Umständen weitere Versicherungsver‑ träge abschließen, aus denen jene neue Provisionseinnahmen hätten generie‑ ren können. Dadurch gewannen zum anderen die Provisionsverluste als Tat‑ bestandsvoraussetzung des § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB a. F. eine besondere Bedeutung. Da der Ausgleich sich nicht auf zukünftige Verdienst‑ chancen aus Folgegeschäften bezog, sollte er nur an die Stelle bereits ver‑ dienter, infolge der Vertragsbeendigung aber entfallender Ansprüche auf Ab‑ schlussprovisionen treten.830 Zu einem solchen Wegfall kommt es in einigen Versicherungssparten, wenn Abschlussprovisionen auf Folgeprovisionen ver‑ teilt werden. Während vor allem im Lebensversicherungsbereich hohe Ein‑ malprovisionen für den Abschluss des Versicherungsvertrags gezahlt wurden und spätere laufende Provisionen überwiegend für die Verwaltung bestimmt waren („Verwaltungsprovision“), war und ist es in der Sachversicherung üblich, gleichbleibende Provisionen auch für den Vertragsschluss zu zahlen.831 Soweit Folgeprovisionen nun ein Vermittlungsentgelt enthalten („Abschlussprovisi‑ on“), ist dieses zwar bereits mit der Vermittlung verdient, entsteht aber erst spä‑ ter in voller Höhe bzw. wird ratenweise fällig.832 Damit Versicherer bei Beendi‑ gung des Agenturvertrags und Fortbestehen vermittelter Versicherungsverträge nicht noch lange Zeit Abschlussprovisionen zahlen müssen, enthalten Agentur‑ verträge üblicherweise Provisionsverzichtsklauseln.833 § 89b HGB schaffte nun einen Ausgleich für diese entfallenden Abschlussprovisionen, nicht aber für be‑ reits vollständig ausgezahlte Einmal- oder zukünftig wegfallende Verwaltungs‑ provisionen.834 Die Norm glich daher beim Versicherungsvertreter nicht „den 830 BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10, VersR 2012, 483 (485) Rn. 27; Urt. v. 1.6.2005, VIII ZR 335/04, VersR 2005, 1283 (1285); v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 89b Rn. 252; Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 89b Rn. 183; Sperling, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 351; Thume, VertrR II, Kap. IX Rn. 188; vgl. auch Begr. RegE BT‑Drs. 11/3077, S. 9 f. sowie Gessler, Ausgleichsanspruch, S. 60 ff. 831  Thume, VertrR II, Kap. IX Rn. 177 f., 191; siehe auch Wauschkuhn, in: Flohr/Wausch‑ kuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 362 f. sowie ausf. bereits Gessler, Ausgleichsanspruch, S. 54 ff.; Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 250 ff. 832  Zum dogmatischen Ansatz siehe v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 89b Rn. 259 („aufschiebend bedingte[r] Provisionsanspruch“); Thume, VertrR II, Kap. IX Rn. 178 („ra‑ tenweises Fälligwerden eines verdienten Anspruchs“); Wauschkuhn, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 361 (Erstarken einer Provisionsanwartschaft zum Vollrecht); offenlas‑ send Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 89b Rn. 183. 833  Zum Streit über ihre Wirksamkeit ausf. m. w. N. Emde, VersR 2013, 1333 (1345 f.); Thume, VertrR II, Kap. IX Rn. 196 ff.; Wauschkuhn, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 361. 834 BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10, VersR 2012, 483 (485) Rn. 30; Urt. v. 22.12.2003, VIII ZR 117/03, VersR 2004, 376 (377); Urt. v. 4.5.1959, II ZR 81/57, BGHZ 30, 98 (100 ff.); Gessler, Ausgleichsanspruch, S. 93, 57 ff.; v. Hoyningen-Huene, in: MüKoHGB, § 89b Rn. 259 f.; Wauschkuhn, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 363. Ausf. bereits Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 394 ff. Nunmehr krit. im Hinblick auf eine richtlinienkonforme Auslegung Thume, VersR 2012, 665 (669 f.) m. w. N.



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Wegfall einer Verdienstchance [aus], sondern den Verlust bereits entstandener Ansprüche“835. Inwieweit dieser ursprüngliche Zweck § 89b Abs. 5 HGB weiterhin zugrun‑ de liegt, ist fraglich. Als die Bundesregierung bei Umsetzung der Handelsver‑ treter-RL § 89b Abs. 1 HGB richtlinienkonform dahingehend ändern wollte, dass Provisionsverluste bei Warenhandelsvertretern nicht mehr als zwingen‑ de Voraussetzung berücksichtigt werden, wollte sie diese Änderung nicht auf Versicherungsvertreter übertragen.836 Es gehe bei ihnen nämlich „grundsätz‑ lich darum, die Provisionsverluste aus den […] vermittelten in der Regel län‑ gerfristigen Versicherungsverträgen auszugleichen“837. Nur weil der Rechts‑ ausschuss es für richtlinienkonform hielt, Provisionsverluste als eigenständige Tatbestandsvoraussetzung in Absatz 1 auch bei Warenhandelsvertretern bei‑ zubehalten, sah man von einer entsprechenden Sonderregelung für Versiche‑ rungsvertreter ab.838 Als der EuGH eine derartige Auslegung des § 89b Abs. 1 HGB für richtlinienwidrig hielt,839 änderte der Gesetzgeber die Norm im Jahr 2009 dahingehend, dass Provisionsverluste nur im Rahmen der Billigkeit Be‑ rücksichtigung finden, ohne eine Sonderregelung für Versicherungsvertreter in Absatz 5 zu schaffen.840 Nach dem Verweis auf den neu gefassten Absatz 1 setzt der Ausgleichsanspruch daher auch bei Versicherungsvertretern nicht mehr zwingend Provisionsverluste voraus.841 Ob damit eine Erweiterung des Ausgleichsanspruchs bzw. eine gewisse Annäherung an Warenhandelsvertre‑ ter beabsichtigt war, ist unklar.842 Unabhängig hiervon bleibt es dabei, dass nach § 89b Abs. 5 S. 1 HGB nur Vorteile aus vermittelten Versicherungsverträ‑ gen, nicht aber generell aus der Geschäftsverbindung mit „Stammkunden“ aus‑ gleichspflichtig sind.

bb)  International zwingende Durchsetzung des Warenhandelsvertreterrechts In grenzüberschreitenden Sachverhalten findet § 89b HGB grundsätzlich nur Anwendung, wenn er von Art. 3 oder 4 Rom I‑VO berufen wird. Bei Waren‑ handelsvertretern würde der durch Art. 17 der Handelsvertreter-RL vorgegebe‑ ne Schutz der Vermittler daher entfallen, wenn der Agenturvertrag nach Art. 4 835 

v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 89b Rn. 252. Begr. RegE BT‑Drs. 11/3077, S. 4. 837  Begr. RegE BT‑Drs. 11/3077, S. 9 f. 838  Begr. RegE BT‑Drs. 11/4559, S. 6, 10. 839  EuGH, Urt. v. 26.3.2009, Rs. C-348/07, Slg. 2009, I-2341 Rn. 25. 840  Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT‑Drs. 16/13672, S. 22. Krit. Sperling, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 349. 841  Emde, VersR 2013, 1333 (1344); Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, § 89b Rn. 185; Thume, VersR 2012, 665 (668). 842 Ausf. zum Zweck des § 89b Abs. 5 HGB n. F. sowie zu der Frage, inwieweit Provi‑ sionsverluste über die Billigkeitsprüfung Berücksichtigung finden, Emde, VersR 2013, 1333 (1334 ff., 1344); Sperling, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 349, 351. 836 

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Abs. 1 lit. b oder Art. 3 Abs. 1 Rom I‑VO dem Recht eines Drittstaates unterfie‑ le, das keinen vergleichbaren Ausgleich kennt. Es wäre so möglich, dass dritt‑ staatliche Unternehmer mit im EWR tätigen Vertretern das vereinheitlichte Handelsvertreterrecht abwählen. Um derartige Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu verhindern, hat der EuGH die Umsetzungsnormen des Art. 17 Handelsvertreter-RL in der Rechtssache Ingmar843 als international zwingendes Recht eingestuft. Der Zweck der Richtlinie erfordere, dass die Vorschriften „unabhängig davon, wel‑ chem Recht der Vertrag nach dem Willen der Parteien unterliegen soll, anwend‑ bar sind, wenn der Sachverhalt einen starken Gemeinschaftsbezug aufweist, etwa weil der Handelsvertreter seine Tätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt“ (Rn. 25). Neben dem Schutz der Handelsvertreter (Rn. 20 ff.) führte der EuGH vor allem die binnenmarktrelevanten Ziele der Richtlinie als Argument für den international zwingenden Charakter an: Sie wolle Beschränkungen der Grundfreiheiten beseitigen und die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Ge‑ meinschaft vereinheitlichen (Rn. 23 f.). Diese Rechtsprechung gilt nach überwiegender Auffassung unter der Rom I‑VO fort. Sofern die Rechtswahlfreiheit nicht ohnehin nach Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO beschränkt ist, weil der Sachverhalt keinen Bezug zu einem Dritt‑ staat hat, sind die Umsetzungsnormen der Art. 17 und 18 HandelsvertreterRL bei einem starken Unionsbezug als Eingriffsnormen i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO durchzusetzen.844 Dass das zwingende Handelsvertreterrecht ent‑ scheidend für die Wahrung des öffentlichen Interesses bzw. der sozialen oder wirtschaftlichen Organisation der Mitgliedstaaten ist, lässt sich vor allem mit dem Schutz des Binnenmarkts begründen.

cc)  § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 HGB als Eingriffsnorm? Vor diesem Hintergrund ist die Ingmar-Entscheidung für den Ausgleichs‑ anspruch der Versicherungsvertreter nur begrenzt aussagekräftig. Da sie nicht in den Anwendungsbereich der Handelsvertreter-RL fallen, ist das Agenturver‑ tragsrecht im Binnenmarkt insoweit nicht vereinheitlicht. Soweit Mitgliedstaa‑ ten gleichwohl einen Ausgleichsanspruch für Versicherungsvertreter vorsehen, 843 

EuGH, Urt. v. 9.11.2000, Rs. C-381/98, Slg. 2000, I-9305. nur Kindler, in: E/B/J/S, HGB, Anh. § 84–§ 92c Rn. 13 f.; Köhler, in: BeckOGK, Art. 4 Rom I‑VO (1.8.2018) Rn. 442; Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 40. Etwas anderes deutet der EuGH auch in seinem Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956 (958) Rn. 41 (zu Art. 7 EVÜ) sowie Rn. 48 (zu Art. 9 Rom I‑VO) nicht an (siehe auch Fabig, IHR 2019, 1 [2] mit Kritik auf S. 3; Lüttringhaus, IPRax 2014, 146 [148]). A. A. aller‑ dings unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 (39 ff.); Schilling, ZEuP 2014, 845 (855 ff.) (hiergegen überzeugend Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 [320 f.]; Valdini, Schutz der schwächeren Vertragspartei, S. 330 f., die der Richtlinie allerdings einen „ver‑ steckten“ Rechtsanwendungsbefehl i. S. d. Art. 23 Rom I‑VO entnehmen). 844  Vgl.



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verfolgen sie jedenfalls nicht das Ziel, einheitliche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu schaffen und Beschränkungen der Grundfreiheiten ab‑ zubauen.845 Da die Mitgliedstaaten der EU keinen Ausgleichsanspruch für Ver‑ sicherungsvertreter vorsehen müssen, wäre es sogar möglich, dass ein EU-aus‑ ländischer Versicherer mit einem in Deutschland tätigen Vertreter das Recht eines Mitgliedstaats wählt, das keinen vergleichbaren Schutz kennt. In derarti‑ gen Fällen stellt sich die Frage, ob der Ausgleichsanspruch des § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 S. 1 HGB nach Art. 9 Abs. 2 Rom I‑VO international zwingend vor deutschen Gerichten durchgesetzt werden kann.846 Eine derartige Ausweitung der Ingmar-Rechtsprechung auf Vertriebsper‑ sonen, die zwar nach deutschem Recht ebenfalls von § 89b HGB geschützt werden, aber nicht in den Anwendungsbereich der Handelsvertreter-RL fallen, wurde zunächst überwiegend abgelehnt.847 Der BGH hatte den Ausgleichs‑ anspruch nämlich bereits 1961 nicht zwingend gegen ausländisches Recht durchgesetzt.848 Ferner greift das zentrale Argument der vereinheitlichten Wett‑ bewerbsbedingungen im Binnenmarkt außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie nicht. Der EuGH stellte jedoch mittlerweile in der Rechtssache Unamar849 klar, dass nationale Bestimmungen zum Schutz von Handelsvertretern auch dann als Eingriffsnormen qualifiziert werden können, wenn sie über die Richtlinienvor‑ gaben hinausgehen. Konkret ging es in dem Verfahren um belgisches Recht, das die Vorgaben der Richtlinie über ihren Anwendungsbereich hinaus auf Dienst‑ leistungsvertreter erstreckte („überschießende Umsetzung“) und zugleich über das Mindestschutzniveau des Art. 17 hinausging („schutzverstärkende Umset‑ zung“850).851 Ein bulgarischer Unternehmer schloss mit der belgischen Gesell‑ schaft Unamar einen Handelsvertretervertrag, der diese zur Vermittlung von 845 

Vgl. auch Roth, in: FS Lorenz, S. 421 (431); ders., in: FS Spellenberg, S. 309 (327). Durchsetzung über Art. 3 Abs. 4 Rom I‑VO scheidet von vornherein aus, da der Anspruch nicht richtliniendeterminiert ist (ebenso Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 [324]). Wird ein Vertreter im Ausland tätig, fehlt es regelmäßig schon an einer hinreichenden Inlands‑ verbindung für eine zwingende Durchsetzung (vgl. nur EuGH, Urt. v. 16.2.2017, Rs. C-507/15, ZVertriebsR 2017, 182 [184] Rn. 33; Peschke, ZVertriebsR 2016, 144 [152]; Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 26). 847  Emde, in: Staub, HGB, § 92c Rn. 56; v. Hoyningen-Huene, in: MüKo-HGB, § 92c Rn. 16a; Kindler, in: E/B/J/S, HGB, Anh. § 84–§ 92c Rn. 48; Valdini, Schutz der schwächeren Vertragspartei, S. 332 ff.; Wauschkuhn/Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 92c HGB Rn. 43. A. A. unter Verweis auf den Sozialschutz der Handelsvertreter Roth, in: FS Spellen‑ berg, S. 309 (327 f.). 848  BGH, Urt. v. 30.1.1961, VII ZR 180/60, NJW 1961, 1061 (1062). 849  EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956. 850 Zur Unterscheidung von überschießender und schutzverstärkender Umsetzung vgl. ebenso Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 (324) Fn. 68 sowie Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 44. Zum Teil wird der Terminus „überschießende Umsetzung“ auch als Oberbegriff für beide Phänomene verwendet (vgl. z. B. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn. 98 ff.). 851  Vgl. GA Wahl, Schlussanträge v. 15.5.2013, Rs. C-184/12 Rn. 25. 846  Eine

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

Dienstleistungen in Belgien verpflichtete und in dem die Parteien bulgarisches Recht wählten. Da auch der bulgarische Gesetzgeber die Handelsvertreter-RL überschießend auf Dienstleistungsvertreter umgesetzt hatte,852 stand Unamar jedenfalls ein den Warenhandelsvertretern vergleichbarer Mindestschutz zu. Das belgische Recht schien seine Schutzverstärkung jedoch international durch‑ setzen zu wollen. Der EuGH sprach sich für eine enge Auslegung des Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO aus (Rn. 49). Um festzustellen, ob ein Staat eine Vorschrift als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses ansieht, dass er sie ungeachtet der allgemeinen Kollisionsnormen durchsetzen möchte, müsse ein Gericht den Wortlaut, die allgemeine Systematik sowie die Entstehungs‑ geschichte der Vorschrift berücksichtigen (Rn. 50). Dass ein Mitgliedstaat Han‑ delsvertretern durch Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie oder durch weitergehende Rechte einen stärkeren Schutz biete, könne darauf hin‑ deuten, dass er ihnen eine besondere Bedeutung beimisst und dass er diesen Schutz daher international zwingend durchsetzen will (Rn. 50). Soweit aller‑ dings das Recht eines Mitgliedstaats berufen ist, das jedenfalls den Mindest‑ schutz der Richtlinie bietet, müsse dies bei der Prüfung berücksichtigt werden, um weder die Harmonisierungswirkung der Richtlinie noch die einheitliche An‑ wendung des europäischen Kollisionsrechts zu beeinträchtigen (Rn. 51).853 Das gewählte Recht eines Mitgliedstaats, das den Mindestschutz der Richtlinie ge‑ währt, könne daher nur dann von der lex fori verdrängt werden, wenn das Ge‑ richt „substantiiert feststellt, dass der Gesetzgeber des Staates dieses Gerichts es im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie für unerlässlich erachtet hat, dem Handelsvertreter […] einen Schutz zu gewähren, der über den in der genannten Richtlinie vorgesehenen hinausgeht“ (Rn. 52). Hiernach steht dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich ein Ermessen zu, ob er Vorschriften international zwingend ausgestaltet.854 Dabei ist der EuGH weitergehend als die bislang in Deutschland überwiegende Meinung bereit, den Eingriffsnormcharakter aus einem besonderen Individualschutzinteresse herzu‑ leiten.855 Ob § 89b HGB unter diesen neuen Vorzeichen als Eingriffsnorm zu 852 So

jedenfalls EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, ZVertriebsR 2014, 55 (56) Rn. 24, 30. Zweifelnd wohl die Kommission (siehe GA Wahl, Schlussanträge v. 15.5.2013, Rs. C-184/12 Rn. 47). 853  Der EuGH spricht davon, dass das gewählte bulgarische Recht die Richtlinie „korrekt umgesetzt“ habe. Dies und der Verweis auf die Harmonisierungswirkung der Richtlinie ist un‑ präzise, da der Sachverhalt gerade außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie liegt und diese daher insoweit gar nicht umzusetzen war (krit. auch Roth, in: FS Lorenz, S. 421 [432]). Der EuGH meint, dass das gewählte Recht einen Mindestschutz bietet, den der europäische Gesetzgeber für akzeptabel hält, und daher ein unerlässliches Interesse daran bestehen muss, über diesen hinauszugehen. 854  Schacherreiter/Thiede, ÖJZ 2015, 598 (603); Schilling, ZEuP 2014, 845 (847). Krit. zur Reichweite des Ermessens Mankowski, EWiR 2014, 11 (12). 855  Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956 (957) Rn. 30. Hierzu auch GA Wahl, Schlussanträge v. 15.5.2013, Rs. C-184/12 Rn. 60; Lüttringhaus, IPRax 2014,



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qualifizieren ist, soweit er überschießend Vertriebspersonen schützt, die nicht in den Anwendungsbereich der Handelsvertreter-RL fallen, ist höchst umstrit‑ ten.856 Die Diskussion ist häufig unpräzise, weil der Prüfung unterschiedliche Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Während einige eine substantiierte Feststel‑ lung verlangen, dass der deutsche Gesetzgeber es für „unerlässlich“ gehalten hat, andere Vertriebspersonen in gleicher Weise zu schützen (Rn. 52 der Unamar-Entscheidung),857 meinen andere, es genüge die Feststellung eines we‑ sentlichen Allgemeininteresses, das auch im Individualschutz liegen könne (Rn. 50 der Unamar-Entscheidung).858 Noch weitergehend will der OGH aus Rn. 50 der Unamar-Entscheidung sogar herleiten, dass die Ingmar-Rechtspre‑ chung generell „selbst dann gelte, wenn die HandelsvertreterRL überschießend umgesetzt worden sei“859. Die Unklarheit resultiert vor allem daraus, dass der EuGH in Unamar nicht hinreichend deutlich zwischen überschießender und schutzverstärkender Um‑ setzung differenziert hat. Das Verhältnis der Randnummern 50–52 erschließt sich erst dann, wenn man bedenkt, dass in dem Ausgangssachverhalt sowohl das gewählte bulgarische als auch das belgische Recht die Richtlinie überschie‑ ßend umgesetzt haben und der Streit sich daher vor allem an der Schutzver‑ stärkung des belgischen Rechts entzündete. Vor diesem Hintergrund legt der EuGH in Rn. 50 zunächst die allgemeinen Voraussetzungen dafür dar, nationa‑ les Recht, das nicht richtliniendeterminiert ist, als Eingriffsnorm zu qualifizie‑ ren. Aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte soll danach ermittelt 146 (148); Roth, in: FS Lorenz, S. 421 (435); Schilling, ZEuP 2014, 843 (848). Krit. v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 (43 ff.). 856  Allg. ablehnend Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 43; Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 28; befürwortend Roth, in: FS Spellen‑ berg, S. 309 (327 f.) (vor Unamar) sowie für den entsprechenden Anspruch im österreichischen Recht OGH, Beschl. v. 1.3.2017, 5 Ob 72/16y, ZVertriebsR 2017, 397 (401); Moritz, wbl. 2018, 1 (8 ff.); ders., ZVertriebsR 2017, 402 (403); mit einer international zwingenden Durch‑ setzung durch die Gerichte rechnend Fabig, IHR 2019, 1 (4, 8 ff.). Für Vertragshändler ableh‑ nend Mankowski, RIW 2016, 457 (458 f.); zweifelnd Gräfe/Giesa, ZVertriebsR 2014, 29 (34); befürwortend Peschke, ZVertriebsR 2016, 144 (151 f.). Der BGH scheint bei Vertragshänd‑ lern jedenfalls nicht von einer international zwingenden Geltung auszugehen. In einem Fall, in dem die Parteien deutsches Recht gewählt hatten, sah er in der sachrechtlichen Unabding‑ barkeit des § 89b HGB keine Beschränkung der Grundfreiheiten, weil die Parteien ein anderes Recht hätten wählen können (BGH, Urt. v. 25.2.2016, VII ZR 102/15, ZVertriebsR 2016, 120 [122] Rn. 35). Da die Parteien deutsches Recht gewählt hatten, ging es nicht um die Frage, ob die Ingmar-Rechtsprechung auch auf den Vertragshändler zu übertragen ist (so aber v. Hein, in: Jung, Die private Durchsetzung von öffentlichem Wirtschaftsrecht, S. 23 [42]). 857  Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 43; Moritz, wbl. 2018, 1 (6); ders., ZVertriebsR 2017, 402 f.; Schilling, ZEuP 2014, 845 (850); Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 28. 858 Vgl. Peschke, ZVertriebsR 2016, 144 (151) sowie dies. unter neuem Namen Fabig, IHR 2019, 1 (8). 859  OGH, Beschl. v. 1.3.2017, 5 Ob 72/16y, ZVertriebsR 2017, 397 (401). Krit. Moritz, ZVertriebsR 2017, 402 f.

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werden, ob der nationale Gesetzgeber geschützte Interessen als wesentlich an‑ gesehen hat. Dies gilt vor allem auch für die explizit in Rn. 50 angesprochene überschießende Umsetzung, in der der EuGH jedenfalls ein Indiz dafür sieht, dass dem Gesetzgeber der Schutz weiterer Vertriebspersonen besonders wich‑ tig ist. Hinsichtlich der gleichsam in Rn. 50 erwähnten schutzverstärkenden Umsetzung macht der EuGH in Rn. 51 und 52 dann weitere Einschränkungen. Danach muss bei der Subsumtion unter Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO berücksich‑ tigt werden, dass der europäische Gesetzgeber mit dem Mindestniveau einer Richtlinie bereits einen akzeptablen Schutz festgelegt hat, mit dem Mitglied‑ staaten in der Regel auch in grenzüberschreitenden Binnenmarktsachverhalten leben können.860 Dementsprechend bezieht sich die nach Rn. 52 erforderliche substantiierte Feststellung, dass der weitergehende Schutz vom nationalen Ge‑ setzgeber als „unerlässlich“ angesehen wurde, allein auf die schutzverstärken‑ de Umsetzung.861 Will ein Mitgliedstaat lediglich die überschießende Umset‑ zung gegen ein mitgliedstaatliches Recht durchsetzen, das den Schutz nicht auf weitere Vertriebspersonen erstreckt, bleibt es bei der in Rn. 50 vorgegebenen allgemeinen Prüfung. Das ergibt auch Sinn, weil außerhalb des Anwendungs‑ bereichs der Richtlinie nicht die in Rn. 51 angesprochene Gefahr besteht, dass die „Harmonisierungswirkung“ der Richtlinie beeinträchtigt wird.862 Nach alle‑ dem ist hier zu untersuchen, ob sich aus dem Wortlaut, der Systematik und Ent‑ stehungsgeschichte sowie dem telos des § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 HGB ent‑ nehmen lässt, dass der Gesetzgeber den Schutz der Versicherungsvertreter als so wesentliches öffentliches Interesse angesehen hat, dass er ihn ungeachtet des allgemeinen Vertragsstatuts durchsetzen möchte. Explizite Äußerungen des Gesetzgebers hierzu sind weder in die eine noch in die andere Richtung erkennbar. Dass Rechtsprechung und Literatur sich vor der Ingmar-Entscheidung weit überwiegend gegen eine international zwingen‑ de Durchsetzung des § 89b HGB ausgesprochen haben und der Gesetzgeber dies nicht revidiert hat, lässt sich nicht als beredtes Schweigen deuten.863 Glei‑ ches gilt dafür, dass der Gesetzgeber es nach der Ingmar-Entscheidung unter‑ 860 Vgl.

auch Schacherreiter/Thiede, ÖJZ 2015, 598 (603); Schilling, ZEuP 2014, 845 (849 f.). 861  Ebenso i. E. Peschke, ZVertriebsR 2016, 144 (151). Rn. 52 betrifft explizit den Fall, „dass das von den Parteien […] gewählte Recht […] den durch die Richtlinie 86/653 vor‑ geschriebenen Mindestschutz gewährt“. Die Formulierung ist unglücklich, weil das gewählte Recht den Mindestschutz der Richtlinie auch gewährt, wenn es die Richtlinie nicht überschie‑ ßend umsetzt. Dem EuGH geht es hier aber nicht um den Anwendungsbereich, sondern um das qualitative Schutzniveau. Wird dieses in beiden Rechtsordnungen weiteren Vertriebsper‑ sonen gewährt (wie den Dienstleistungsvertretern im Ausgangsverfahren), muss die lex fori es für „unerlässlich“ halten, hierüber hinauszugehen. A. A. Schilling, ZEuP 2014, 845 (849 ff.), der annimmt, die Voraussetzungen der Rn. 52 könnten nur bei überschießender, nicht aber im Bereich der schutzverstärkenden Umsetzung erfüllt sein. 862 Ähnlich Peschke, ZVertriebsR 2016, 144 (151). 863  Tendenziell anders Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 27.



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lassen hat, die Grundsätze explizit auf andere Vertriebspersonen zu erstrecken. Er hat nämlich ebenfalls davon abgesehen, im Anwendungsbereich der Richt‑ linie den Eingriffsnormcharakter in § 89b HGB klarzustellen. Im Übrigen ist die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1961 nicht auf die Diskussion zu Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO übertragbar. Der BGH verlangte für eine international zwin‑ gende Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs, dass bei der „Anwendung des ausländischen Rechts die Grundlagen des deutschen staatlichen oder gesell‑ schaftlichen Lebens angegriffen würden“864. Derart strenge Maßstäbe fordert der EuGH nicht, sondern lässt den Sozialschutz der Handelsvertreter als All‑ gemeininteresse genügen. Der Gesetzgeber hat sich mit seiner Zurückhaltung somit nicht explizit gegen den Eingriffsnormcharakter gestellt. Umgekehrt lässt sich aus der Gesetzesänderung im Jahr 2009, nach der der Ausgleichsanspruch der Versicherungsvertreter nicht mehr zwingend Provisionsverluste voraus‑ setzt, nicht auf einen gesetzgeberischen Willen schließen, Warenhandels- und Versicherungsvertreter auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten vollstän‑ dig gleichzubehandeln. Wenngleich man die Berechnungsweise den Richtlini‑ enanforderungen annäherte, handelte es sich hierbei eher um ein Versehen.865 Selbst wenn die Änderung sachrechtlich in Kauf genommen wurde, fehlt es je‑ denfalls an einer Äußerung zur vollständigen Gleichbehandlung. Eine solche wäre jedoch auch nicht nötig, wenn man bereits aus dem all‑ gemeinen Grundsatz der Einheitlichkeit des Vertriebsrechts den Eingriffsnorm‑ charakter herleiten könnte.866 So hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, Waren- und Nichtwaren-Handelsvertreter weitgehend gleich‑ zubehandeln. Um eine einheitliche Anwendung der §§ 84 ff. HGB zu errei‑ chen, werden die Bestimmungen dementsprechend auch außerhalb des An‑ wendungsbereichs der Handelsvertreter-RL grundsätzlich „richtlinienkonform“ ausgelegt.867 Dieser Gedanke einer „richtlinienorientierte[n] Auslegung“868, mit der eine gespaltene Auslegung überschießender Umsetzungsvorschriften Der Verweis auf BT‑Drs. 11/4559, S. 10 trägt nicht, da sich die Diskussion auf die sachrechtliche Abdingbarkeit von Schutzvorschriften für Vertreter bezieht, die in Drittstaaten tätig sind. 864  BGH, Urt. v. 30.1.1961, VII ZR 180/60, NJW 1961, 1061 (1062). Hierauf eingehend auch Fabig, IHR 2019, 1 (3). 865 Vgl. auch Sperling, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, § 89b HGB Rn. 349, 351 sowie BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10, VersR 2012, 483 (485) Rn. 29. 866 Dafür Fabig, IHR 2019, 1 (8 ff.); Peschke, ZVertriebsR 2016, 144 (151 f.) sowie zum österreichischen Recht Moritz, wbl. 2018, 1 (9 f.); ders., ZVertriebsR 2017, 402 (403); zwei‑ felnd Gräfe/Giesa, ZVertriebsR 2014, 29 (34). Dagegen Magnus, in: Staudinger, BGB, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 43; Teichmann, in: Flohr/Wauschkuhn, VertrR, Art. 9 Rom I‑VO Rn. 28. 867  Vgl. nur BGH, Urt. v. 25.10.2012, VII ZR 56/11, NJW 2013, 2027 (2030 f.) Rn. 38; Urt. v. 16.2.2011, VIII ZR 226/07, NJW‑RR 2011, 614 (616) Rn. 19; Löwisch, in: E/B/J/S, HGB, Vor § 84 Rn. 8. 868  Lorenz, in: MüKo-BGB, Vor § 474 Rn. 4 mit Verweis auf andere in der Lit. gewählte Bezeichnungen wie „quasi-richtlinienkonforme Auslegung“ oder „Ausstrahlungswirkung der RL auf das richtlinienfreie Recht“.

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verhindert werden soll, kann allerdings nicht pauschal auf die hier diskutierte Frage übertragen werden. Soweit überschießende Umsetzungsnormen einheit‑ lich ausgelegt werden, soll verhindert werden, dass Normen materiell-rechtlich gespalten werden, obwohl der Gesetzgeber innerhalb und außerhalb des An‑ wendungsbereichs der Richtlinie dieselbe Norm schaffen wollte.869 Von die‑ ser sachrechtlichen Frage ist die vorgeschaltete Frage zu trennen, wie sehr sich eine Bestimmung im grenzüberschreitenden Verkehr durchsetzt. Dass es hier‑ bei innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs einer Richtlinie zu unter‑ schiedlichen Ergebnissen kommt, kann unproblematisch darauf beruhen, dass nur im Anwendungsbereich der Richtlinie einheitliche Wettbewerbsbedingun‑ gen im Binnenmarkt geschaffen werden, an deren Durchsetzung ein besonde‑ res Interesse besteht. Von einer materiell-rechtlichen Gleichbehandlung kann daher nicht automatisch auf eine Gleichstellung im Rahmen des Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO geschlossen werden. Im Übrigen fehlt es im Bereich des Versicherungsvertreterrechts sogar schon an einer sachrechtlichen Gleichbehandlung. Wie oben dargelegt,870 wollte der Gesetzgeber bei Umsetzung der Handelsvertreter-RL verhindern, dass die Pro‑ visionsverluste als Tatbestandsvoraussetzung des Ausgleichsanspruchs der Ver‑ sicherungsvertreter entfallen. Der BGH hat es daher für Altfälle vor dem Jahr 2009 zu Recht abgelehnt, § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 HGB „richtlinienkonform“ auszulegen.871 Wenngleich seit der Gesetzesänderung im Jahr 2009 Provisi‑ onsverluste keine strikte Tatbestandsvoraussetzung mehr sind, bleibt es dabei, dass Versicherungsvertreter weiterhin keinen Ausgleich für Verdienstchancen aus dem von ihnen geworbenen Kundenstamm erhalten, sondern nur für Vor‑ teile aus vermittelten Versicherungsverträgen. Wie der BGH zu Recht feststellt, lässt daher die Tatsache, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Provisionsver‑ luste keine Spezialregelung für Versicherungsvertreter geschaffen hat, „nicht auf einen gesetzgeberischen Willen zur – erstmaligen – Gleichbehandlung mit 89b Abs.  5 dem Handelsvertreterausgleichsanspruch schließen“872. Dass §  HGB nunmehr aus Gründen der Einfachheit weitergehend als früher auf Absatz 1 verweist, genügt nicht, um Schlussfolgerungen für die Maßstäbe des Art. 9 869  Siehe allg. nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 44. Eine Pflicht zur richtlini‑ enkonformen Auslegung besteht außerhalb des Anwendungsbereichs einer Richtlinie ge‑ rade nicht (EuGH, Urt. v. 17.7.1997, Rs. C-28/95, Slg. 1997, I-4161 Rn. 33; Schroeder, in: Streinz, Art. 288 AEUV Rn. 116, jeweils m. w. N.). Der EuGH lässt lediglich Vorlageverfahren zu, um eine einheitliche Anwendung im nationalen Recht nicht zu gefährden (EuGH, Urt. v. 17.5.2017, Rs. C-48/16, ZVertriebsR 2017, 235 [237] Rn. 29; Urt. v. 16.3.2006, Rs. C-3/04, Slg. 2006, I-2518 Rn. 16). 870 S. 343. 871  BGH, Beschl. v. 21.2.2013, VII ZA 14/12, BeckRS 2013, 04616; Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10, VersR 2012, 483 (484 f.). 872  BGH, Urt. v. 23.11.2011, VIII ZR 203/10, VersR 2012, 483 (485) Rn. 29. Krit. Emde, VersR 2013, 1333 (1336).



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Abs. 1 Rom I‑VO herzuleiten.873 Die Systematik des § 89b HGB ist somit eben‑ falls ungeeignet, den Eingriffsnormcharakter zu begründen. Der EuGH deutet allerdings in der Unamar-Entscheidung an, dass sich aus einer überschießenden Richtlinienumsetzung ergeben kann, dass der Gesetz‑ geber anderen Vertriebspersonen eine vergleichbare besondere Bedeutung bei‑ misst wie Warenhandelsvertretern.874 Selbst wenn man diese Ausführungen als Vermutung für einen generell international zwingenden Charakter des Umset‑ zungsrechts deuten wollte, wären sie ungeeignet, § 89b Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 HGB als Eingriffsnorm zu qualifizieren. Denn der deutsche Gesetzgeber hat die Handelsvertreter-RL mit dieser Norm schon nicht überschießend umgesetzt. Er hat sich gerade dagegen entschieden, den Schutz des Art. 17 der Richtlinie, der einen Ausgleich für die Zuführung eines Kundenstamms darstellt, auf Ver‑ sicherungsvertreter zu übertragen.875 Vielmehr orientierte er sich mit der Son‑ derregelung in Absatz 5 an den ursprünglichen Regelungszielen aus dem Jahr 1953. Danach handelt es sich vor allem um einen Ausgleich für „verdiente“ und infolge der Vertragsbeendigung wegfallende Abschlussprovisionen. Es ließe sich allenfalls argumentieren, dass der Schutz einer Vergütung für bereits erbrachte Leistungen erst recht ein elementares staatliches Interesse dar‑ stellen müsse, wenn schon der Ausgleich einer zukünftigen Verdienstchance ein grundlegendes Unionsinteresse ist. Hierbei würde aber übersehen, dass die Legitimation für die Sonderregelung in § 89b Abs. 5 HGB vor allem auf dem besonderen und keinesfalls zwingenden Verständnis von Folgeprovisionen in der deutschen Versicherungswirtschaft beruht. Unproblematisch wäre es mög‑ lich, dass andere Rechtsordnungen nur Provisionen im ersten Vertragsjahr als Vergütung für den Vertragsschluss begreifen, während weitere Provisionen in Folgejahren nur eine Honorierung für das Bemühen um die (stillschweigen‑ de) Verlängerung vermittelter Versicherungsverträge darstellen. Da die Verein‑ barung von Leistung und Gegenleistung in einer Marktwirtschaft in erster Linie den Parteien überlassen werden sollte, bedürfte es einer besonderen Rechtfer‑ tigung, die Vorstellungen des deutschen Provisionssystems international zwin‑ gend gegen ausländische Gerechtigkeitsvorstellungen durchzusetzen.876 Vor diesem Hintergrund sind schließlich auch höchst unterschiedliche Mechanis‑ men denkbar, Versicherungsvertreter bei Beendigung des Agenturvertrags zu 873  Vgl. allg. auch Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 (327). Siehe allerdings Thume, VersR 2012, 665 (667), der annimmt, § 89b Abs. 5 HGB enthalte lediglich „marginale Änderungsund Ergänzungsvorschriften“ und letztendlich bestehe „in Wirklichkeit gar kein Unterschied zwischen den einzelnen Sparten“ (S. 668); ähnlich Emde, VersR 2013, 1333 (1334). 874  EuGH, Urt. v. 17.10.2013, Rs. C-184/12, EuZW 2013, 956 (958) Rn. 50. 875  Siehe zum Folgenden S. 341 und 343. 876 Vgl. auch Mankowski, RIW 2016, 457 (458), wonach der Ausgleichsanspruch nur einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien verfolge und damit „nicht mehr gesellschaftsgestaltende Ambitionen als jede im weitesten Sinne wirtschaftsrechtlich bedeut‑ same Norm“.

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Teil 3: Grenzüberschreitende Versicherungsvermittlung und Privatrecht

schützen:877 Werden Abschlussprovisionen wie in Deutschland auf mehrere Vertragsjahre verteilt, kommt ein Verbot von Provisionsverzichtsklauseln in Betracht. In Frankreich steht Versicherungsvertretern alternativ zu einem Aus‑ gleichsanspruch das Recht zu, einen Nachfolger zu benennen, der für die Über‑ nahme des Bestands einen frei ausgehandelten Betrag zu zahlen hat.878 Dass Vertreter hiernach unter Umständen im Ergebnis einen geringeren Ausgleichs‑ betrag erhalten, rechtfertigt für sich genommen noch nicht, die Parteiautonomie als wesentliches Prinzip der Rom I‑VO zu verdrängen. Allenfalls könnte man den Ausgleichsanspruch als Ausprägung eines verfas‑ sungsrechtlich gebotenen Sozialschutzes für Handelsvertreter begreifen, womit über Art. 12 Abs. 1 GG ein besonderes öffentliches Interesse begründet wer‑ den könnte.879 Der BGH hat allerdings bereits 1959 klargestellt, dass § 89b Abs. 5 HGB „nicht die soziale Sicherstellung des [Versicherungs-]Vertreters [bezweckt]“880. Der Ausgleich stelle vielmehr die Vergütung für eine Leistung dar, die der Vertreter „noch nicht in vollem Umfang erhalten hat“. Mit einem verfassungsrechtlich gebotenen Sozialschutz wäre es auch schwer zu verein‑ baren, dass der Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlos‑ sen ist, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis kündigt. Auch diese Regelung hielt das Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform, weil dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des maßgeblich auf Billigkeitserwä‑ gungen beruhenden Ausgleichsanspruchs „ein weiter Gestaltungsspielraum er‑ öffnet“ sei.881 Wenngleich mit dem Ausgleich daher typischerweise ein sozialer Schutz der Handelsvertreter einhergeht,882 wurde er in Deutschland jedenfalls nicht als derart grundlegend angesehen, dass er in grenzüberschreitenden Sach‑ verhalten unbedingt Anwendung finden müsste. Da es verfassungsrechtlich schließlich nicht zwingend geboten ist, dass Folgeprovisionen Vermittlungsent‑ gelte enthalten, lässt sich auch mit den Grundrechten kein Eingriffsnormcha‑ rakter herleiten. Da somit weder der Wortlaut noch die Systematik und die Entstehungs‑ geschichte des § 89b Abs. 5 HGB darauf hindeuten, dass die Norm ein wesent‑ liches öffentliches Interesse schützt, ist sie nicht als Eingriffsnorm i. S. d. Art. 9 877  Ausf. rechtsvergleichend bereits Trinkhaus, Versicherungsvermittlung I, S. 295 ff. (zu‑ sammenfassend S. 312 f.). Bei einem vergleichbaren Schutz im ausländischen Recht kommt eine Verdrängung des gewählten Rechts ohnehin nicht in Betracht (Roth, in: FS Lorenz, S. 421 [433]; ders., in: FS Spellenberg, S. 309 [328]). 878 Hierzu Langé, in: Bigot/Langé, L’intermédiation d’assurance, Rn. 640 ff. 879  In diese Richtung Roth, in: FS Spellenberg, S. 309 (327 f.) sowie allg. für Handels‑ vertreter vor Ingmar Reich, NJW 1994, 2128 (2130) unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990, 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 ff. 880  BGH, Urt. v. 4.5.1959, II ZR 81/57, BGHZ 30, 98 (105). Zuvor bereits Trinkhaus, Ver‑ sicherungsvermittlung I, S. 375. 881  BVerfG, Beschl. v. 22.8.1995, 1 BvR 1624/92, NJW 1996, 381. 882  Vgl. auch Begr. RegE BT‑Drs. 7/3918, S. 7 f.; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, Sten.Ber. 1953, S. 14206 (14207).



B.  Internationales Privatrecht

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Abs. 1 Rom I‑VO zu qualifizieren. Selbst nach den geringeren Anforderungen aus Unamar bleibt kein Raum für eine international zwingende Durchsetzung der Bestimmung. Deutsche Versicherer, die mit Vertretern in anderen Mitglied‑ staaten Agenturverträge schließen, müssen allerdings beachten, dass diese Staa‑ ten ihren Ausgleichsanspruch unter Umständen als Eingriffsnorm qualifizieren und gegen § 89b Abs. 5 HGB durchsetzen.883 Das ist jedenfalls nicht abwegig, weil der Ausgleichsanspruch der Versicherungsvertreter im deutschen Recht häufig weit hinter den Ansprüchen der Warenhandelsvertreter zurückbleibt884 und damit nicht denselben Schutz wie die Handelsvertreter-RL bietet.

3. Zwischenergebnis Im Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsvermittlern und Versicherern do‑ miniert alles in allem die Parteiautonomie. Sie zu beschränken, ist im Regelfall nicht angebracht, da beide als Experten der Versicherungswirtschaft weniger schutzbedürftig sind als Versicherungsnehmer, erst recht im grenzüberschrei‑ tenden Verkehr. Eine Einbeziehung des Rechtsverhältnisses in Art. 7 Rom I‑VO ist vor diesem Hintergrund de lege ferenda nicht angezeigt. Da die Abgrenzung der Rom I- und Rom II‑VO und die Geltung von Handelsbräuchen allerdings durchaus Probleme bereitet, kann Versicherern in der Praxis bei einer Zusam‑ menarbeit mit ausländischen Vermittlern nur geraten werden, die Kooperation möglichst umfassend vertraglich zu regeln. Hierbei müssen die Parteien freilich berücksichtigen, welches Recht der Vermittler im Verhältnis zu seinen Kunden einhalten muss. Um Normwidersprüche zu vermeiden, sollte jeder Vertrag vor‑ sehen, dass Pflichten des Vermittlers gegenüber dem Versicherer nur so weit reichen, wie das Vermittlungsvertragsstatut es zulässt.

883  Vgl. für das spanische Recht Aguilar Grieder, in: Quintáns Eiras, Estudios sobre Me‑ diación, S. 677 (706 ff.), die jedenfalls gegenüber Drittstaaten den Schutz der Versicherungs‑ vertreter über Art. 9 Rom I‑VO durchsetzen will (freilich wohl unter der Annahme, Versiche‑ rungsvertreter fielen unter die Handelsvertreter-RL). 884 Siehe Emde, in: Staub, HGB, § 89b Rn. 369; ders., VersR 2013, 1333.

Ergebnisse der Arbeit 1. Die Untersuchung hat am Beispiel der Versicherungsvermittlung gezeigt, wie komplex das Zusammenspiel von Internationalem Aufsichts- und Privatrecht, europäischem Primär- und Sekundärrecht sowie nationalem Recht im modernen Wirtschaftsrecht ist. Die grenzüberschreitende Vermittlung von Versicherungs‑ produkten im Binnenmarkt ist maßgeblich von der IDD geprägt, die öffentlichund privatrechtlich einheitliche Mindestvorgaben für Versicherungsvermittler schafft. Setzen alle Mitgliedstaaten die Wohlverhaltensregeln der Richtlinie europarechtskonform im nationalen Aufsichts- und Privatrecht um, kann es in grenzüberschreitenden Binnenmarktsachverhalten zu keinem Normenman‑ gel kommen. Der Mindestschutzstandard der Richtlinie wird in dem Fall so‑ wohl behördlich als auch in Zivilrechtsstreitigkeiten in allen Mitgliedstaaten durchgesetzt. Soweit Mitgliedstaaten wie Deutschland versuchen, die Pflichten überwiegend nur dem Aufsichts- oder Privatrecht zuzuordnen, müssen sie, so‑ weit methodisch möglich, richtlinienkonform im jeweils anderen Rechtsgebiet durchgesetzt werden. In grenzüberschreitenden Sachverhalten hängt die Durchsetzung des Umset‑ zungsrechts sowie strengeren nationalen Rechts davon ab, ob sie mit aufsichtsoder privatrechtlichen Mitteln erfolgt. 2. Im Aufsichtsrecht liegt der IDD kein striktes Herkunfts- oder Bestimmungs‑ landprinzip zugrunde. Während die Zulassungsaufsicht noch vom Ideal der Herkunftslandkontrolle geprägt ist, kombiniert die Richtlinie im Bereich der laufenden Aufsicht Elemente beider Prinzipien. a) Die Zulassungsaufsicht der IDD verwirklicht ein Herkunftslandprinzip. Unter welchen Voraussetzungen und in welcher Kategorie ein Vermittler den Beruf aufnehmen und in anderen Mitgliedstaaten tätig werden darf, entscheidet sein Herkunftsmitgliedstaat. Das ist bei natürlichen Personen der Staat, in dem der Vermittler seinen Wohn- bzw. (bei Grenzpendlern) Geschäftssitz hat. Ju‑ ristische Personen im autonomen Sinne, d. h. sowohl Körperschaften als auch rechtsfähige Personengesellschaften i. S. d. deutschen Rechts, müssen sich im Staat ihres Satzungs- bzw. Hauptverwaltungssitzes eintragen lassen. Eine Re‑ gistrierung in einem anderen Mitgliedstaat ist ausgeschlossen. Das gilt trotz des missverständlichen Wortlauts des § 34d Abs. 7 S. 1 Nr. 2 GewO auch in Deutschland.

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Zur Aufnahme einer grenzüberschreitenden Tätigkeit genügt eine Mitteilung des Vermittlers an seine Herkunftslandbehörde. Diese informiert den Aufnah‑ memitgliedstaat in einem Notifikationsverfahren über die beabsichtigte Dienst‑ leistungs- oder Niederlassungstätigkeit. Während sich das Verfahren bei der Dienstleistungsfreiheit auf die Mitteilung und Übermittlung gewisser Anga‑ ben beschränkt, prüft die Herkunftslandbehörde vor der Errichtung einer Nie‑ derlassung die rechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Diese Zulässigkeitsprü‑ fung und der genaue Ablauf des Verfahrens sind in § 11a Abs. 4 und 6 S. 1 Nr. 3 S. 1 GewO nicht bzw. unvollständig umgesetzt. Über § 8d Abs. 1 S. 1 LandesVwVfG sind ergänzend bzw. korrigierend die Vorgaben der Art. 4 und 6 IDD anzuwenden. b) Soweit Aufsichtsbehörden im Rahmen der laufenden Aufsicht Verstöße gegen europäische Mindestvorgaben feststellen, sind die Herkunftslandbehör‑ den beim grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr eines Vermittlers pri‑ mär zum Erlass von Verwaltungssanktionen und anderen Maßnahmen zustän‑ dig (Art. 5 IDD). Behörden des Aufnahmemitgliedstaats sind lediglich in ein Kooperationsverfahren eingebunden und können subsidiär bzw. vorläufig Maß‑ nahmen ergreifen. Dieser Grundsatz der Herkunftslandkontrolle wird im Nie‑ derlassungsverkehr durch eine weitergehende primäre Zuständigkeit des Auf‑ nahmemitgliedstaats zur Kontrolle der Wohlverhaltensregeln eingeschränkt (Art. 7 und 8 IDD: „modifiziertes Herkunftslandprinzip“). Da die Behörden in der Regel ihr eigenes nationales Umsetzungsrecht anwenden, können Vermitt‑ ler an die einheitlich auszulegenden Vorgaben des Herkunfts- und des Aufnah‑ memitgliedstaats gebunden sein. Ersuchen ausländische Behörden deutsche um Hilfe, weil deutsche Vermittler im Ausland Mindestvorgaben der IDD verlet‑ zen, ist keine effektive Aufsicht deutscher Behörden zu erwarten. Zum einen besteht schon in Inlandssachverhalten Unsicherheit über die sachliche Zustän‑ digkeit der IHKs oder der Ordnungsbehörden der Länder. Nach hier vertrete‑ ner Auffassung nehmen die IHKs lediglich Meldungen über mögliche Verstöße entgegen und prüfen diese, während belastende präventive und repressive Maß‑ nahmen von den landesrechtlich zuständigen Behörden ergriffen werden. Diese müssen zum anderen ausschließlich privatrechtlich umgesetzte Wohlverhal‑ tensregeln mit behördlichen Mitteln durchsetzen. Für eine effektive Vermittler‑ aufsicht sollte der Gesetzgeber klare Ermächtigungsgrundlagen und Zuständig‑ keitszuweisungen in die Gewerbeordnung integrieren und über eine mögliche Beteiligung der BaFin – jedenfalls im grenzüberschreitenden Verkehr – nach‑ denken. EIOPA sollte die schwache Vermittleraufsicht in ihrem Bericht über die Effektivität der Richtliniendurchsetzung in den Mitgliedstaaten kritisieren (Art. 41 Abs. 4 und 6 IDD). Ob Vermittler an das strengere nationale Recht ihres Herkunftsstaats oder eines Aufnahmemitgliedstaats, in dem Kunden ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, gebunden sind, hängt davon ab, ob sie im Dienstleistungs- oder Nieder‑



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lassungsverkehr i. S. d. IDD tätig sind. Ist das der Fall, müssen Vermittler die zwingend behördlich durchsetzbaren Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats einhalten, soweit diese zwingenden Gründen des Allgemeininteresses in ver‑ hältnismäßiger Weise dienen („modifiziertes Bestimmungslandprinzip“). Die IDD übernimmt insoweit im Bereich der laufenden Aufsicht im Wesentlichen die Kompetenzverteilung, die den primärrechtlichen Grundfreiheiten zugrun‑ de liegt. Allerdings weicht der sekundärrechtliche Dienstleistungs- und Nieder‑ lassungsbegriff zum Teil vom Primärrecht ab. Unter einer Niederlassung ver‑ steht die IDD jede Zweigniederlassung oder ständige Präsenz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsstaat. Im Dienstleistungsverkehr sind Vermitt‑ ler tätig, wenn sie beabsichtigen, Versicherungsnehmern (d. h. auch Unterneh‑ mern) mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsmitgliedstaat Versicherungsverträge zu vermitteln, die ebenfalls in anderen Mitgliedstaaten belegene Risiken decken. Sind diese Kriterien nicht erfüllt, muss ein Vermittler nur das strengere Aufsichtsrecht seines Herkunfts‑ mitgliedstaats beachten. c) Der internationale Anwendungsbereich des deutschen Gewerberechts ist in Binnenmarktsachverhalten durch Auslegung zu ermitteln und wird maßgeb‑ lich durch den eben dargestellten europarechtlichen Rahmen begrenzt. Im Ein‑ zelnen gilt dabei für ausländische Vermittler, die in Deutschland Dienstleistun‑ gen anbieten oder eine Niederlassung unterhalten, Folgendes: yy Sie müssen weder nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV unter einer Berufs‑ bezeichnung des deutschen Vermittlerrechts auftreten noch i. S. d. § 15 Abs. 1 VersVermV status- und produktbezogene Informationen bereits „beim ersten Geschäftskontakt“ erteilen. Stattdessen sind sie lediglich an die Mindestvor‑ gaben der Art. 18 und 19 IDD gebunden. yy Das Sondervergütungsverbot des § 34d Abs. 1 S. 6 und 7 GewO i. V. m. § 48b VAG findet auf sie keine Anwendung, da es nicht in verhältnismäßiger Weise zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient. yy Sie dürfen Rechtsdienstleistungen grundsätzlich nur erbringen, wenn sie mit der Vermittlung oder Betreuung konkreter Versicherungsverträge in sachli‑ chem Zusammenhang stehen. Ist das der Fall, dürfen sie eine Honorarbera‑ tung mit Rechtsdienstleistungen nur anbieten, soweit dies ihrem Berufs- oder Tätigkeitsbild im Herkunftsstaat entspricht. Von diesen Beschränkungen können sie nach § 3 RDG i. V. m. § 34d Abs. 2 GewO befreit werden, wenn sie bei ihrer Tätigkeit in Deutschland das Provisionsannahmeverbot einhal‑ ten und damit im Rechtsverkehr wie ein deutscher Versicherungsberater auf‑ treten. yy Sie dürfen als Makler eine Schadensregulierung für Versicherer nur durch‑ führen, soweit sie als Nebenleistung zu ihrem Berufs- oder Tätigkeitsbild im Herkunftsmitgliedstaat gehört und keine Interessenkonflikte drohen. Dazu ist erforderlich, dass eine Tätigkeit für den Versicherer nur für den Fall vor‑

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gesehen ist, dass die Interessen des Versicherungsnehmers im Einzelfall nicht mit denen des Versicherers kollidieren können. Umgekehrt gilt für deutsche Vermittler im Dienstleistungs- oder Niederlas‑ sungsverkehr in anderen Mitgliedstaaten: yy Sie sind nicht an § 15 Abs. 1 VersVermV gebunden, soweit er über die Vor‑ gaben der IDD hinausgeht. Ihre deutsche Berufsbezeichnung sollten sie i. S. d. Art. 18 lit. a sublit. v IDD erläutern. yy An das Sondervergütungsverbot sind sie bereits nach einer Auslegung seines internationalen Anwendungsbereichs nicht gebunden. yy Die Zulässigkeit von Rechtsdienstleistungen, die zur Versicherungsvertriebs­ tätigkeit gehören, ergibt sich nicht aus dem RDG, sondern aus dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats. d) Alles in allem schafft das System der Internationalen Vermittleraufsicht er‑ hebliche Erleichterungen für Versicherungsvermittler. Da Vorschriften zum Schutz des nationalen Allgemeininteresses eines Aufnahmemitgliedstaats nach Art. 11 IDD veröffentlicht werden müssen, ist das anwendbare Aufsichtsrecht für sie vorhersehbar, sobald sie wissen, dass sie im Dienstleistungs- oder Nie‑ derlassungsverkehr aktiv sind. 3. Die privatrechtlichen Beziehungen der Vermittler zu ihren Kunden unter‑ stehen dem von der Rom I‑VO bestimmten Recht. Wenngleich im nationa‑ len Recht vor allem das Rechtsverhältnis der Versicherungsvertreter zu ihren Kunden zum Teil dem außervertraglichen bzw. vertragsähnlichen Bereich zu‑ geordnet wird, sind die Beziehungen bei autonomer Qualifikation einheitlich vertraglich. Unabhängig davon, ob Haftungsansprüche gegen Vermittler im na‑ tionalen Recht auf das Vertrags- oder das Deliktsrecht gestützt werden, werden sie von der Rom I‑VO berufen. Da sich der Anknüpfungsgegenstand des Art. 7 Rom I‑VO auf Versicherungsverträge beschränkt, bestimmen die Art. 3, 4 und 6 Rom I‑VO das auf Vermittlungsverträge anwendbare Recht. a) Ohne eine Rechtswahl unterliegen Vermittlungsverträge gem. Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO dem Recht des Staates, in dem der Vermittler seinen gewöhn‑ lichen Aufenthalt hat. Wird ein Einfirmenvertreter für einen Versicherer und einen Kunden tätig, die beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als der Vermittler haben, kann der Sachverhalt wesentlich enger mit dem Recht dieses Staates verbunden sein, dem auch vermittelte Versicherungsver‑ träge unterliegen werden. Eine so über Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO mögliche akzes‑ sorische Anknüpfung an das Recht, das den Versicherungsvertrag beherrscht, kommt im Übrigen aus Gründen des Versicherungsnehmerschutzes nur unter engen Voraussetzungen in Betracht: Alle möglicherweise zu vermittelnden Ver‑ sicherungsverträge müssen mit Sicherheit dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ist



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in der Regel nur der Fall, wenn sämtliche in Art. 7 Abs. 3 Rom I‑VO genannten Kriterien ausschließlich in diesem Staat „liegen“. Bei Unternehmern sind diese Voraussetzungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten häufig nicht erfüllt. Gegenüber Verbrauchern sind derartige Fragen häufig irrelevant, weil sie über Art. 6 Rom I‑VO einen besonderen kollisionsrechtlichen Schutz erfahren. Nach dieser Norm findet das Recht des Staates Anwendung, in dem der Kunde seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er 1. Verbraucher i. e. S. ist, der Ver‑ mittler 2. seine Tätigkeit in diesem Staat ausübt oder sie auf diesen Staat aus‑ richtet und die Dienstleistung 3. nicht ausschließlich in einem anderen Staat erbracht wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bleiben national zwingende Vorschriften selbst von einer Rechtswahl unberührt. b) Der privatkollisionsrechtliche Versicherungsnehmerschutz weicht damit von dem des Internationalen Aufsichtsrechts ab. Dort findet strengeres Auf‑ sichtsrecht eines Aufnahmemitgliedstaats bereits dann Anwendung, wenn Ver‑ mittler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr aktiv sind. Dazu genügt es, dass sie beabsichtigen, Versicherungsnehmern mit gewöhnlichem Aufent‑ halt im Aufnahmemitgliedstaat Versicherungsverträge zu vermitteln, deren Ri‑ siken nicht in ihrem Herkunftsstaat belegen sind. Strengere Wohlverhaltens‑ regeln des Aufnahmemitgliedstaats finden daher auch dann Anwendung, wenn Vermittler 1. Unternehmer betreuen, wenn sie sich 2. auf eigene Initiative nur an Einzelpersonen wenden und/oder wenn sie 3. die Leistung vollständig im Herkunftsmitgliedstaat erbringen. Hiernach findet häufiger strengeres natio‑ nales Aufsichtsrecht eines Aufnahmemitgliedstaats Anwendung. Umgekehrt kommt es allerdings auch vor, dass Vermittler ausschließlich dem Aufsichts‑ recht ihres Herkunftsmitgliedstaats unterliegen, während privatrechtlich stren‑ geres nationales Recht des Aufnahmemitgliedstaats berufen ist, so z. B., wenn Vermittler sich an ausländische Verbraucher richten, um Risiken zu versichern, die im Herkunftsstaat der Vermittler belegen sind. Trotz dieser Abweichungen verdrängt die Verteilung der aufsichtsrecht‑ lichen Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen in der IDD nicht gene‑ rell die Kollisionsnormen der Rom I‑VO. Vielmehr sorgen lediglich die Fle‑ xibilitätsklauseln des Art. 22 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2, Abs. 3 und des Art. 29 Abs. 3 UAbs. 5 IDD für eine gewisse Annäherung des anwendbaren Privatrechts an das Aufsichtsrecht. Sie enthalten rechtswahlfeste mehrseitige Sonderkollisi‑ onsnormen i. S. d. Art. 23 Rom I‑VO, die Versicherungsnehmer in einer dem Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I‑VO vergleichbaren Weise schützen: Ist ein Vermitt‑ ler im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr i. S. d. IDD tätig, ist zwin‑ gendem strengerem Privatrecht des Aufnahmemitgliedstaats, das auf Basis der Flexibilitätsklauseln erlassen wurde, in allen Mitgliedstaaten unabhängig von der objektiven oder subjektiven Anknüpfung der Rom I‑VO Geltung zu ver‑ schaffen, soweit sich eine Vermittlungstätigkeit nicht auf Großrisiken bezieht. In ähnlicher Weise sind die im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Mindestvor‑

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gaben des Art. 30 Abs. 2 IDD beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr auch von den Vermittlern zu beachten, die ihren Sitz in einem Herkunftsmitgliedstaat haben, der von den Vorgaben beim execution only-Vertrieb Erleichterungen vorsieht (Art. 30 Abs. 3 UAbs. 2 IDD). Die IDD gleicht so Internationales Aufsichts- und Privatrecht in gewisser Weise an und ermöglicht, dass strengeres nationales Recht eines Aufnahmemitgliedstaats effektiv zum Schutz der Versicherungsnehmer durch‑ gesetzt werden kann. Soweit Mitgliedstaaten wie Deutschland die Sonderkolli‑ sionsnormen nicht im nationalen Recht umgesetzt haben, müssen die Gerichte strengeres Aufnahmestaatenprivatrecht, soweit methodisch möglich, auf sach‑ rechtlicher Ebene berücksichtigen. c) De lege ferenda könnte hierauf in Art. 7 Rom I‑VO hingewiesen wer‑ den, damit Vermittler bzw. ihre Rechtsberater einfacher erkennen können, wel‑ ches Privatrecht Anwendung findet. Durch einen Verweis auf die Art. 3, 4 und 6 Rom I‑VO könnte klargestellt werden, dass das Vermittlungsrechtsverhält‑ nis im Grundsatz unter die allgemeinen Kollisionsnormen der Verordnung fällt, dass aber zwingendem Recht eines Aufnahmemitgliedstaats im Rahmen der IDD Geltung zu verschaffen ist. 4. Für elektronisch, insbesondere online erbrachte Vermittlungsleistungen, die für einen grenzüberschreitenden Verkehr besonders geeignet sind, gelten im Grundsatz ebenfalls die bisherigen Ergebnisse. Richten Diensteanbieter im elektronischen Geschäftsverkehr ihr Geschäft auf Verbraucher in einem an‑ deren Staat aus und empfangen diese die Vermittlungsleistungen dort, findet sogar privatrechtlich nach Art. 6 Rom I‑VO meist das Recht des Aufnahmemit‑ gliedstaats Anwendung. Das Herkunftslandprinzip der E‑Commerce-Richtlinie bzw. das entsprechende nationale Umsetzungsrecht beschränkt jedoch die An‑ forderungen an den Dienst der Informationsgesellschaft grundsätzlich auf die Vorgaben des Herkunftsmitgliedstaats. Hiervon gelten allerdings weitgehende Ausnahmen. Insbesondere werden Vorschriften für vertragliche Schuldverhält‑ nisse in Bezug auf Verbraucherverträge nicht vom Herkunftslandprinzip ver‑ drängt. Die Online-Vermittler sind daher regelmäßig an strengeres Vermitt‑ lerprivatrecht eines Aufnahmemitgliedstaats gebunden, soweit es zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient. Hinsichtlich bestimmter ausschließlich aufsichtsrechtlicher Anforderungen sorgt die E‑Commerce-Richtlinie hingegen durchaus für Erleichterungen. Beispielsweise müssen ausländische Dienstean‑ bieter weder die strengeren Informationspflichten der VersVermV noch das Sondervergütungsverbot einhalten. 5. Die privatrechtlichen Beziehungen der Vermittler zu den Versicherern un‑ terstehen ebenfalls dem von der Rom I‑VO bestimmten Recht, wenngleich vor allem das Rechtsverhältnis der Makler zu Versicherern im nationalen Recht häufig eher dem außervertraglichen Bereich zugeordnet wird. Agenturverträ‑



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ge sowie die Maklerrechtsverhältnisse mit einem Versicherer unterliegen nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I‑VO ohne abweichende Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Vermittler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine hier‑ von abweichende akzessorische Anknüpfung an das Vermittlungsvertragsstatut oder an das Versicherungsvertragsstatut kommt nur in engen Ausnahmefällen in Betracht (Art. 4 Abs. 3 Rom I‑VO). Eine offensichtlich engere Verbindung kann beispielsweise bestehen, wenn der Vermittler ausschließlich Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in dem Staat betreuen soll, in dem auch der Versiche‑ rer seinen Sitz hat. Das so ermittelte Statut bestimmt, in welchem Umfang internationale und na‑ tionale Handelsbräuche Berücksichtigung finden. Vor allem im internationalen Maklergeschäft sind jedenfalls nach deutschem Recht vorrangig internationale Handelsbräuche zu ermitteln. Demgegenüber stellt sich bei Agenturverträgen vor allem die Frage, inwieweit Versicherungsvertreter in grenzüberschreiten‑ den Fällen durch national zwingendes Handelsvertreterrecht auch internatio‑ nal zwingend geschützt werden sollten. Der Ausgleichsanspruch der Versiche‑ rungsvertreter im deutschen Recht ist jedenfalls nicht als Eingriffsnorm i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Rom I‑VO zu qualifizieren. 6. Eine nähere Betrachtung des Internationalen Aufsichts- und Privatrechts im Bereich der Versicherungsvermittlung zeigt im Ergebnis, dass der derzeitige Rechtsrahmen grenzüberschreitende Vermittlungsaktivitäten zwar fördert, aber noch kein zufriedenstellendes Maß an Rechtssicherheit schafft. Das System der Internationalen Vermittleraufsicht, das Vermittlern nach einer Registrierung im Herkunftsmitgliedstaat in einfacher Weise die Aufnahme einer Geschäfts‑ tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten ermöglicht, schafft durchaus Anreize, Kun‑ den in anderen Mitgliedstaaten Dienstleistungen anzubieten. Das bestätigt ein jüngst veröffentlichter Bericht von EIOPA zur Struktur der Versicherungsver‑ mittlungsmärkte in Europa:1 Danach sei die Zahl der Vermittler, die eine be‑ absichtigte Tätigkeit im Dienstleistungs- oder Niederlassungsverkehr notifiziert haben, von 2013 bis 2017 schrittweise gestiegen. Insbesondere sei die Absicht zur Berufsausübung in Nachbarstaaten angezeigt worden. EIOPA weist jedoch darauf hin, dass die von den nationalen Behörden mitgeteilten Daten zum Teil unzureichend und teilweise widersprüchlich seien. Der Bericht kann darüber hinaus keine Angaben zum Umfang grenzüber‑ schreitender Vermittlungsaktivitäten machen, da keine Daten vorliegen, wie viele Versicherungsverträge von Vermittlern im Dienstleistungs- oder Nieder‑ lassungsverkehr vertrieben worden sind. Eine Analyse des aufsichts- und privat‑ rechtlichen Rechtsrahmens grenzüberschreitender Vermittlungstätigkeiten zeigt jedoch, dass die Ermittlung des anwendbaren Rechts durchaus mit Schwierig‑ 1  EIOPA, Insurance Distribution Directive – Evaluation of the Structure of Insurance In‑ termediaries Markets in Europe, S. 6, 28 ff., 39 f.

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keiten verbunden ist. Während die IDD relativ klar vorgibt, welches Aufsichts‑ recht Vermittler beachten müssen, bleibt problematisch, wie das im Privat‑ rechtsverhältnis zum Kunden anwendbare Recht zu bestimmen ist. Nicht nur ist unklar, ob die allgemeinen Kollisionsnormen der Rom I- oder der Rom II‑VO anwendbar sind, sondern auch, inwieweit das Internationale Aufsichtsrecht Einfluss auf das IPR nimmt. Der europäische Gesetzgeber scheint nach Erlass der Rom-Verordnungen keinen Bedarf nach expliziten privatrechtlichen Kol‑ lisionsnormen mehr zu sehen. Er widmet sich daher wie in der IDD materiellrechtlichen Verhaltensanforderungen für Marktteilnehmer und dem Internatio‑ nalen Aufsichtsrecht. Ein derartiges Nebeneinander sektorieller Rechtssetzung mit dem allgemeinen Kollisionsrecht schafft Rechtsunsicherheit, sobald das In‑ ternationale Aufsichtsrecht andere Anknüpfungspunkte verwendet als das IPR der Rom-Verordnungen. Favorisiert der Gesetzgeber, wie hier vorgeschlagen, eine Annäherung beider Rechtsgebiete, sollte er dies in der IDD oder in Art. 7 Rom I‑VO deutlicher herausstellen. 7. Da diese Untersuchung sich auf Binnenmarktsachverhalte beschränkt, be‑ steht im internationalen Versicherungsvermittlerrecht weiterhin Forschungs‑ bedarf. Vor allem stellt sich die Frage, inwieweit die Mindestvorgaben der IDD im Privatrecht gegen drittstaatliches Recht durchgesetzt werden können bzw. müssen, wenn Anbieter aus Drittstaaten Dienstleistungen im Binnenmarkt an‑ bieten.2 Darüber hinaus stellt sich auch im Aufsichtsrecht die Frage, wann eine Tätigkeit drittstaatlicher Anbieter mit Bezug zur BRD überhaupt eine gewerbe‑ rechtliche Erlaubnispflicht auslöst.3 Im Hinblick auf das hier analysierte Verhältnis des Internationalen Ver‑ waltungsrechts zum IPR bietet es sich ferner an, auch in anderen Branchen zu untersuchen, inwieweit Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen durch Richt‑ linien und die Rom-Verordnungen aufeinander abgestimmt sind. Langfristig ist es erstrebenswert, in Branchen-Richtlinien klare Regelungen zur internationa‑ len Verwaltungszusammenarbeit und zum anwendbaren Privatrecht zu schaf‑ fen. Wenngleich das Verhältnis des Richtlinienrechts zu den Rom-Verordnun‑ gen stark davon abhängt, in welchem Maße Richtlinien ein Herkunfts- oder Bestimmungslandprinzip zugrunde liegt, ist eine transparentere Koordinierung und Annäherung von Aufsichts- und Privatrecht de lege ferenda erstrebenswert. Hiervon würden auch Versicherungsvermittler im Binnenmarkt profitieren.

2  Siehe hierzu einleitend (zu Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I‑VO) S. 228. Ausf. Aguilar Grieder, CDT Vol. 9, N° 2 2017, 39 (57 f.) Rn. 36 sowie zur VermRL dies., in: Quintáns Eiras, Estu‑ dios sobre Mediación, S. 677 (705 ff.), die sich für eine Durchsetzung der vereinheitlichten Wohlverhaltensregeln als Eingriffsnormen ausspricht. 3  Vgl. zu Online-Vermittlern Rokas, in: Marano, „Dematerialized“ Insurance, S. 3 (30 f.).

Hinweis zu online abrufbaren Dokumenten Gerichtsurteile bzw. offizielle Behördendokumente, die nicht mit einer gedruckten Fund‑ stelle zitiert werden, sind auf den folgenden Internetseiten abrufbar: BaFin (Journal)

Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors, CEIOPS CEIOPS‑DOC-19/09

CEIOPS‑DOC-15/07

CEIOPS‑DOC-09/07 – Annex 3

CEIOPS‑DOC-02/06 Rev 1 (Luxemburger Protokoll)

Cour de cassation/Cour d’appel

EFTA‑Gerichtshof

Europäische Kommission/Europäisches Parlament

European Insurance and Occupational Pensions Authority, EIOPA EIOPA‑BoS/18–340 (IDD‑Kooperationsbeschluss)

Financial Conduct Authority, FCA (Handbook: SUP, COBS, ICOBS)

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Hinweis zu online abrufbaren Dokumenten

Nationalrat (Österreich, insbesondere BlgNR)

Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union (Ratsdokumente)

Sämtliche zitierten Internetquellen wurden zuletzt abgerufen am 31.8.2018.

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Sachverzeichnis Fett gedruckte Seitenzahlen kennzeichnen die zentralen Fundstellen. agent général 18, 81, 183 Alternativverhältnis 209, 216, 218, 221 Anerkennungsgrundsatz 53, 63, 82, 254 Anknüpfung, akzessorische 164, 167, 200, 219, 234, 319 Anlageberatung 29 f., 172, 175, 179, 183, 204, 223 Anpassung 238, 240–242, 244, 320, 327 f., 337 Anscheinsmakler siehe Versicherungs‑ makler Anspruchskonkurrenz 169, 187, 191 f., 215, 219 Anwendungsbereich, internationaler 49, 101, 108, 116, 129, 357 Aufsicht –– ~sbefugnisse 38, 42, 79, 92 f., 95 –– ~srecht und Privatrecht 37, 44, 50, 251 f., 254, 273, 359 –– Zuständigkeit 38, 77, 92, 96 Ausgleichsanspruch 340 Auslandsbezug 3, 64, 157 f., 284 Ausschließlichkeitsvertreter siehe Ver‑ sicherungsvertreter Beratung –– ~spflicht 25, 29, 35, 89, 136, 277 –– ~svertrag 175, 177, 179, 191, 193, 208 Bestimmungslandprinzip 53, 88, 97, 122, 143, 255, 257, 259, 357 Brogsitter 217, 222, 224 broker 20, 170, 188, 300 Brüssel Ia-VO 72, 161, 206, 211, 216, 249 Bruttopolice 21, 35, 105, 128, 244

Carvill America v. Camperdown UK 310, 316, 322, 327 f. Coleman v. Offley Insurance Services 163, 170, 203, 225 Courtage 21, 169, 284, 292, 300, 321, 327 siehe auch Provision courtier 18, 22, 81, 169, 296 culpa in contrahendo 171, 176, 194 f. Dienstleistungsfreiheit 65, 67, 74, 78, 89 Doppelrechtsverhältnis 193, 285, 309, 325 Durchsetzungskompetenz 54, 89, 92, 132 E-Commerce-RL –– Herkunftslandprinzip 134, 255, 281 –– Schutzklauselverfahren 139, 142 –– Verbraucherschutz 137, 141, 281 Effektivitätsgrundsatz 59, 148, 151 Einfirmenvertreter siehe Versicherungs‑ vertreter Eingriffsnorm 261, 272, 344, 361 Entscheidungseinklang –– äußerer ~ 213 –– innerer ~ 238, 320 Erstinformation 12, 29, 35, 41, 102, 136, 140, 357 execution only-Vertrieb 33, 35, 134, 260, 360 Flexibilitätsklauseln siehe IDD Granarolo 206, 210, 221 f., 224 Grundfreiheiten –– ~ als Beschränkungsverbote 9, 52, 98, 153

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–– ~ als Diskriminierungsverbote 9, 153 –– ~ und Privatrecht 267, 269, 276 –– Kompetenzverteilung 53, 144, 254, 260 –– Wirkung 8 Günstigkeitsprinzip 230, 266 Handelsbrauch 287, 293, 321, 333 Hedley Byrne v. Heller & Partners 170, 188, 192, 305 Herkunftslandprinzip –– ~ der E-Commerce-RL 134, 255, 281 –– ~ der IDD 3, 54, 64, 88, 122, 143, 257, 355 –– ~ der Solvency II-RL 54, 144 –– primärrechtliches ~ 53, 254 Honorarvertrieb 21, 118 IDD siehe auch Herkunftslandprinzip, Bestimmungslandprinzip –– Anwendungsbereich 14, 23 –– Flexibilitätsklauseln 27, 33 f., 69, 89, 98, 139, 251, 257, 260, 270, 283, 359 –– Kompetenzgrundlage 151 –– Kompetenzverteilung 54, 89, 97, 122, 132, 143, 355 –– Kooperationsbeschluss 13, 55, 66, 68, 74 –– Kooperationsverfahren 89, 144, 356 –– Notifikationsverfahren 64, 70, 74, 77, 86, 356 –– Umsetzung im Aufsichtsrecht 36, 38, 44, 89 –– Umsetzung im Privatrecht 41, 44, 148 –– Wohlverhaltensregeln 25, 37, 42 Informationspflichten 25, 32, 35, 101, 136, 138, 140 Ingmar 344 insurance agent 20, 187 Kalfelis 216 f. Kategorienbindung 14, 17, 81, 84, 102, 120, 133 siehe auch Polarisations‑ prinzip Konsistenzinteresse 238, 320 siehe auch Anknüpfung, akzessorische Kontinuitätsinteresse 245, 330 siehe auch Anknüpfung, akzessorische

Kooperationsbeschluss siehe IDD Kronhofer 197, 217 Luxemburger Protokoll 12, 68, 70, 72, 77 Maklervertrag siehe Versicherungsmakler Maletic 158, 162 f., 215, 249 Mehrfachvertreter siehe Versicherungs‑ vertreter MiFID (II) 29, 148, 151, 222, 256 Nettopolice 22, 242, 329 Niederlassungsfreiheit 64 f., 74, 78, 91 Normenhäufung 241, 321, 329 Normenmangel 46, 145, 147, 238, 240 f., 321, 328, 355 Normwiderspruch 239, 245, 325, 353 Online-Vermittler 28, 30 f., 66, 135, 141, 231, 279, 281, 360 Polarisationsprinzip 15, 17, 19, 84 Privatrechtsharmonisierung 148 f., 151, 155 Provision –– ~sabgabeverbot siehe Sonderver‑ gütungsverbot –– ~soffenlegungspflicht 21 f., 25, 33, 113, 137 f. –– ~sschuldner 21, 292, 300, 327 –– ~sverbot 21 f., 33, 35, 126, 128, 137 f., 265, 272 Pryke v. Gibbs Hartley Cooper 301, 307 Qualifikation, autonome/funktionale 156 f., 168, 193, 204, 207, 221, 312 Rechtsdienstleistung 117, 125, 128, 357 Regelungskompetenzen siehe auch ­Herkunftslandprinzip, Bestimmungs‑ landprinzip –– Einfluss auf das IPR 253 f., 267, 273 –– Grundfreiheiten 53 –– IDD 54, 88, 97, 100, 143 Reisevermittlung 158, 162, 174, 177, 182, 201, 204, 215, 249 Richtlinienumsetzung 36, 148

Sachverzeichnis

Sachwalterhaftung 172, 200–202, 213 f., 239 f., 249 Schadenseintrittsort 196 Schadensregulierungsverbot 128, 357 Schuldverhältnisse siehe auch Alternativ‑ verhältnis –– außervertragliche ~ (Rom II-VO) 168, 204, 209, 211 –– vertragliche ~ (Rom I-VO) 168, 204, 209 f., 215, 312 Sonderkollisionsrecht 256, 264, 268, 273, 279, 283, 359 Sondervergütungsverbot 36, 105, 133, 137, 141, 280, 357 Unamar 262, 345, 347, 351 Verbraucher –– ~begriff 24, 230 –– ~kollisionsrecht 137, 229, 278 Vergleichsportal siehe Online-Vermittler Vermittlerempfehlung 11, 14 Vermittlungsvertrag –– ~sstatut 162, 204, 209 f., 215, 227, 233, 242, 282, 325 –– sachrechtlich 174, 177, 191 Versicherungsagent 18, 44, 180, 242 Versicherungsanlageprodukt 26, 32 f., 37 f., 41 siehe auch execution only-­ Vertrieb Versicherungsberater 21, 35, 117, 120, 125, 128, 169, 315 Versicherungsbinnenmarkt 1, 8 Versicherungsmakler siehe auch broker, courtier –– Anscheinsmakler 16, 226 –– Definition 16 –– Rechtsverhältnis zum Kunden 168, 193 –– Rechtsverhältnis zum Versicherer 285, 295, 310

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–– Sachwalter 16, 128, 291 Versicherungsvermittler –– ~aufsicht siehe Aufsicht –– Definition 3, 7, 14 f. –– digitale ~ siehe Online-Vermittler –– funktionaler Vermittlerbegriff 14, 17 –– Kategorien 15, 18, 32, 102 siehe auch Kategorienbindung –– Personengesellschaften 56, 145 –– Rechtsverhältnis zum Kunden 168, 358 siehe auch Vermittlungsvertrag –– Rechtsverhältnis zum Versicherer 283, 360 Versicherungsvertragsstatut 10, 160, 164, 166, 200, 229, 233, 243, 248, 259, 320 Versicherungsvertreter siehe auch agent général, insurance agent –– Ausgleichsanspruch 340 –– Definition 15 –– Einfirmenvertreter 16, 87, 180, 247, 250 –– Mehrfachvertreter 16, 20, 32, 87, 172, 180, 220 –– Notifikationsverfahren 86 –– Rechtsverhältnis zum Kunden 171, 192 f. –– Rechtsverhältnis zum Versicherer 284, 310 Vertragsbegriff 205, 210, 212, 215, 220, 282, 312 Verwaltungsrecht, Internationales 49, 155, 252, 275 siehe auch Aufsicht, ­Regelungskompetenzen Verwaltungszusammenarbeit 74, 77, 89, 92, 356 siehe auch Kooperationsver‑ fahren, Notifikationsverfahren Vollmachtsstatut 159, 165 Wohlverhaltensregeln siehe IDD Wunsch- und Bedürfnistest 25, 27, 35, 277