116 4 8MB
German Pages 134 [146] Year 1980
Gottlob Freges Briefwechsel
Gottlob Freges Briefwechsel mit D. Hilbert, E. Busserl, B. Russell, sowie ausgewählte Einzelbriefe Freges mit Einleitungen, Anmerkungen und Register herausgegeben von GOTTFRIED GABRIEL FRIEDRICH KAMBARTEL CHRISTIAN THIEL
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 321 Ausgewählte Studientexte auf der grundlage der Ausgabe »Gottlob Frege, Wissenschaftlicher Briefwechsel«, die im gleichen Verlag erschienen ist.
Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0482-0 ISBN eBook: 978-3-7873-2295-4
© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1980. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck papier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.
INHALTSVERZEICHNIS Editorisches Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Verwendete Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Gottlob Freges BriefwechseP XV.
DAVID HILBERT
XV/1 XV/2 XV/3 XV/4 XV/5 XV/6 XV/7 XV/8 XV/9
Frege an Hilbert l. 10. 1895 Hilbert an Frege 4. IO. 1895 Frege an Hilbert 27. I2. 1899 Hilbert an Frege 29. I2. 1899 Frege an Hilbert 6. l. 1900 Hilbert an Frege I5. l. I900 Frege an Hilbert 16. 9. 1900 Hilbert an Frege 22. 9. I900 Hilbert an Frege 7. I l. I903
XXVII.
HEINRICH LIEBMANN .......................
25
XXVII/I XXVII/2
Frege an Liebmann Frege an Liebmann
25 27
XIX.
EoMUND HussERL
XIX/I XIX/2 XIX/3 XIX/4 XIX/5 XIX/6 XIX/7
Frege an Husserl 24. 5. I891 .............. 33 '38 Husserl an Frege I8. 7. I891 Frege an Husserl 30. 10. - l. 11. 1906 ...... 40 Husserl an Frege 10. 11. 1906* 44 Husserl an Frege 16. 11. 1906* ............ 44 Frege an Husserl 9. 12. 1906 44 Husserl an Frege 21. 12. 1906- 13. l. 1907* . 46
XXXVI.
BERTRAND RussELL
XXXVI/I
Russell an Frege
•••••••••
0
•••••••••••••
0
•
••••
0.
•
0
••
0
0
••
0
0
0
••
••
0
••
0
0
••••••
0
0.
•••••
•••
0
0
0
0
0
••
•••
0
16. 6. 1902
••••••
0
0
••••
••••••••
•••
0
0
0
••
0
0
••
•••••••
•••••••••••
0
••••
••••••
0
•••
••
0
0
••••••••••
•••
•
••
••••
0
0
0.
••
0
•••
0
0
••••••
•
0.
•••
••
0
••
•••••••
••••••••••
•••
0
••••••
29. 7. 1900 25. 8. I900 0
•••••
0
••
0.
0
0
0.
0
0
33
0.
•••••
•••
0
0.
4 5 6 1I 14 20 2I 23 23
0
•••
•••••
••••••••
0
0
0
0
47 59
Ein • zeigt an, daß der Wortlaut des jeweiligen Schreibens nicht überliefert ist. Zur Numerierung cf. das editorische Vorwort. 1
VI
Inhaltsverzeichnis
Frege an Russell XXXVI/2 XXXVI/3 Russell an Frege Frege an Russell XXXVI/4 Russell an Frege XXXVI/5 Russell an Frege XXXVI/6 Frege an Russell XXXVI/7 XXXVI/8 Frege an Russell Russell an Frege XXXVI/9 XXXVI/10 Frege an Russell XXXVI/li Russell an Frege XXXVI/12 Frege an Russell XXXVIjl3 Russell an Frege XXXVI/14 Frege an Russell XXXVI/15 Russell an Frege XXXVI/16 Frege an Russell XXXVI/17 Russell an Frege XXXVI/18 Frege an Russell XXXVI/19 Russell an Frege XXXVI/20 Russell an Frege XXXVI/21 Frege an Russell
22. 6. 1902 .............. 60 24. 6. 1902 63 29. 6. 1902 65 10. 7. 1902 67 24. 7. 1902 .............. 69 28. 7. 1902 70 3. 8. 1902 ............... 73 74 8. 8. 1902 23. 9. 1902 75 78 29. 9. 1902 20. 10. 1902 ............. 79 12. 12. 1902 ............. 81 82 28. 12. 1902 85 20. 2. 1903 87 21. 5. 1903 89 24. 5. 1903 13. 11. 1904 91 96 12. 12. 1904 16. 3. [1912]* 99 100 9. 6. 1912 •••••••
•••
0
0
••••
••••••••••
•••••••••••
•
0.
0.
0
•••
0
•••••••
0
••
0
0
0.
••••
0
••
0.
0
0.
••
0
•••••••
•••
•
0
0.
0.
••••••••••
0
•••••••••
•••••••
0
•••
0
••
0
0
•••••••••••
0.
0
•••
0
••
0
•••
••••••••••
•
0
0
0
0.
0.
••••••••••
•••••••
••
0
0
0
0
0
•••
••••••
0.
Anhang: Ausgewählte Einzelbriefe IX/4 XVII/5 XXI/12 XXVIII/2 XXX/I XXXIV/li
Frege Frege Frege Frege Frege Frege
an Dingler 6. 2. 1917 ............... an Hönigswald 26. 4.- 4. 5. 1925 .... an Jourdain [Januar 1914] ......... an Linke 24. 8. 1919 ............... an Marty 29. 8. 1882 . . . . . . . . . . . . . . . an Peano [1896/97] . . . . . . . . . . . . . . . .
103 107 110 113 117 120
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
EDITORISCHES VORWORT Mit der vorliegenden Auswahl soll der Edition von Freges Wissenschaftlichem Briefwechsel (Hamburg 1976) eine Studienausgabe zur Seite gestellt werden. Den Kern der Ausgabe bilden Freges Briefwechsel mit Hilbert, Husserl und Russell, die sich folgenden Themen zuordnen lassen: Grundlagen der Geometrie (Hilbert), Sprachphilosophie (Husserl) und Logik (Russell). Um diese Themen gruppieren sich auch die im Anhang gedruckten Einzelbriefe Freges an Dingler, Hönigswald, Jourdain, Linke, Marty und Peano. Zwei Briefe an Liebmann wurden als unmittelbar zum Briefwechsel mit Hilbert gehörig diesem nachgestellt. Als Herstellungsverfahren wurde eine photomechanische Verkleinerung des Textes der "großen" Ausgabe gewählt. Druckfehler wurden berichtigt, Einleitungen und Anmerkungen teilweise ergänzt. Die zusätzlich aufgenommene Bibliographie soll das Aufschlüsseln der Literaturhinweise erleichtern: Ziffern in Winkelklammern metrie. 4
David Hilber!
13
meiner Ansicht nach etwas durchaus Unerlaubtes und Unlogisches - ein Fehler, der sehr häufig, besonders von Physikern gemacht wird. Dadurch dass sie im Laufe der Untersuchung immer neue und neue Axiome machen, die mit den früher gemachten Annahmen gar nicht confrontiert werden und von denen gar nicht gezeigt wird, ob sie auch keiner aus den früher gemachten Axiomen folgenden Thatsache widersprechen, kommt in physikalischen theoretischen Untersuchungen oft heller Unsinn zum Vorschein. Gerade das Verfahren ein Axiom zu machen, sich auf die Wahrheit (?) desselben zu berufen und daraus zu schliessen, dass dasselbe mit den definirten Begriffen sich verträgt, ist in den modernen physikalischen Untersuchungen eine Hauptquelle von Irrthümern und Missverständnissen. Ein Hauptzweck meiner Festschrift sollte es sein, diesen Fehler zu vermeiden. Ich habe nur noch einen Einwand zu berühren. Sie sagen meine Begriffe z.B. "Punkt", "zwischen" seien nicht eindeutig festgelegt; z.B. S. 20 sei "zwischen" anders gefasst und dort ~ei der Punkt ein Zahlenpaar. -Ja, es ist doch selbstverständlich eine jede Theorie nur ein Fachwerk oder Schema von Begriffen nebst ihren nothwendigen Beziehungen zu einander, und die Grundelemente können in beliebiger Weise gedacht werden. Wenn ich unter meinen Punkten irgendwelche Systeme von Dingen, z.B. das System: Liebe, Gesetz, Schornsteinfeger ... , denke und dann nur meine sämmtlichen Axiome als Beziehungen zwischen diesen Dingen annehme, so gelten meine Sätze, z.B. der Pythagoras auch von diesen Dingen. Mit andern Worten: eine jede Theorie kann stets auf unendliche viele Systeme von Grundelementen angewandt werden. Man braucht ja nur eine umkehrbar eindeutige Transformation anzuwenden und festzusetzen, dass die Axiome für die transformirten Dinge die entsprechend gleichen sein sollen. Thaisächlich wendet man auch diesen Umstand häufig an, z.B. Dualitätsprinzip etc. und ich in meinen Unabhängigkeitsbeweisen. Die sämmtlichen Aussagen einer Electricitätstheorie gelten natürlich auch von jedem andern System von Dingen, welches man an Stelle der Begriffe Magnetismus, Electricität ... substituirt, wenn nur die geforderten Axiome erfüllt sind. Der genannte Umstand kann aber nie ein Mangel*) einer Theorie sein und ist jedenfalls unvermeidlich. Allerdings ist zur Anwendung der Theorie auf die Welt der Erscheinungen meines Erachtens immer ein gewisses Maass von gutem Willen und Takt erforderlich: dass man für Punkte möglichst kleine Körper, für Gerade möglichst lange etwa Liehstrahlen etc. substituirt. Auch wird man bei der Prüfung der Sätze nicht allzu gcnau sein dürfen; denn das sind ja nur Sätze der Theorie. Ucbrigens je weiter eine Theorie ausgeführt ist und je feiner verzweigt ihr Bau ist, desto selbstverständlicher wird die Art ihrer Anwendung auf die Welt der Erscheinungen und es gehört schon ein sehr grosses Maass vom bösem Willen dazu, wollte man die feineren Sätze der Flächentheorie oder der Maxwell'schcn Elcctricitätstheorie auf andere Erscheinungen anwenden, als sie gemeint sind ... * Vielmehr ein gewaltiger Vorteil.
David Hilbert
14
XV/5
FREGE
an
HILBERT
6. I. 19001)
Hochgeehrter Herr Kollege!
Jena, d. 6.Januar 1900.
Besten Dank für Ihren ausführlichen und interessanten Brief"), über den ich mich sehr gefreut habe. Ich sehe, dass wir vielfach über dieselben Fragen nachgedacht haben, aber nicht immer zu denselben Ergebnissen gelangt sind. Umso ergiebiger (wenigstens für mich) verspricht ein Gedankenaustausch zu werden, und es ist mir lieb, dass Ihnen eine Gegenäusserung von mir erwünscht ist. Aus Ihrem Münchener Vortrage•), für dessen freundliche Zusendung ich bestens danke, glaube ich Ihren Plan noch etwas deutlicher4 ) erkannt zu haben. Es scheint mir, dass Sie die Geometrie von der Raumanschauung ganz loslösen und zu einer rein logischen Wissenschaft gleich der Arithmetik machen wollen. Die Axiome, die sonst wohl als durch die Raumanschauung verbürgt, dem gan7.en Baue zu Grunde gelegt werden, sollen, wenn ich Sie recht verstehe als Bedingungen in jedem Lehrsatz mitgeführt werden, zwar nicht im vollen Wortlaute ausgesprochen, aber als in den Wörtern "Punkt", "Gerade", u.s.w. eingeschlossen. Sie wollen die gegenseitige Unabhängigkeit und die Widerspruchslosigkeit gewisser Voraussetzungen (Axiome), die Unbeweisbarkeit von Sätzen aus gewissen Voraussetzungen (Axiomen) beweisen. Allgemein logisch angesehen ist dies immer derselbe Fall: es soll die Widerspruchslosigkeit gewisser Bestimmungen gezeigt werden. "D ist keine Folge von A, B und C" besagt dasselbe wie "das Stattfinden von A, B und C steht nicht im Widerspruche mit dem Nichtstattfinden von D". "A, B und C sind von einander unabhängig" heisst "C ist keine Folge von A und B; B ist keine Folge von A und C; A ist keine Folge von B und C". Nachdem so alles auf dasselbe Schema zurückgeführt ist, müssen wir fragen: welches Mittel haben wir, um nachzuweisen, dass gewisse Eigenschaften, Forderungen (oder wie man sonst
' Dem Text des Briefes liegt eine Maschinenabschrift aus demSchAreil zugrunde. Eine bis auf die Einleitungs- und Schlußsätze vollständige Abschrift von Frcgcs Hand hat M. Steck bereits 1941 (42), pp. 19-26, veröffentlicht. Stecks Brieftext ist hier mit Steck abgekürzt. - Abweichungen der beiden Abschriften sind in den Anmerkungen notiert, soweit sie nicht aus der altertümlichen Orthographie bei Steck oder durch offenbare Abschreibfehler resultieren oder für den Sinn unerhebliche Abschreibvarianten darstellen.
Über den Verbleib des Brieforiginals, das Scholz nach den Unterlagen im SchArch 1936 über G. Gentzen an Hilber! zurückgehen ließ, ist nichts bekannt. Das Original von Steck befand sich im Nachlaß von H. Liebmann (cf. den Briefwechsel XXVII Frcge-Licbmann weiter unten) und ist nach Auskunft von Prof. Steck seinerzeit an die Witwe Liebmann; zurückgegangen. Sein weiterer Verbleib konnte nicht geklärt werden.
•Hilberts Briefvom 29. 12. 1899 (XV/4). Cl. p. 12, Anm. 8. 4 Steck: besser.
3
David Hilbert
15
sagen will) nicht mit einander im Widerspruch stehen? Das einzige mir bekannte ist dies: einen Gegenstand aufzuweisen, der jene Eigenschaften sämtlich hat, einen Fall anzugeben, wo jene Forderungen sämtlich erfü1lt sind. Auf anderem Wege die Widerspruchslosigkeit nachzuweisen, dürfte nicht möglich sein. Wenn es sich nur darum handelt, die gegenseitige Unabhängigkeit von Axiomen nachzuweisen, so wird zu zeigen sein, dass das Nichtstattfinden eines dieser Axiome mit dem Stattfinden der übrigen nicht im Widerspruch stehe (ich bequeme mich hier Ihrer Gebrauchsweise des Wortes "Axiom" an). Nun wird es im Gebiete der elementaren, euklidischen') Geometrie unmöglich sein, ein solches Beispiel zu geben, weil eben hier sämtliche Axiome wahr sind. Dadurch nun, dass Sie sich auf einen höheren Standpunkt stellen, von dem aus die euklidische Geometrie als besonderer Fall eines umfassenderen Lehrgebäudes erscheint, öffnet sich die Aussicht auf Beispiele, diejene gegenseitige Unabhängigkeit der Axiome einleuchtend machen. Hier stösst mir allerdings ein Bedenken auf, das ich aber hier nicht weiter verfolgen will. Eine Hauptsache scheint mir zu sein, dass Sie die euklidische Geometrie unter einen höhern Gesichtspunkt rücken wollen. Und in der Tat, die gegenseitige Unabhängigkeit der Axiome zu beweisen, wird auf diesem Wege oder gar nicht möglich sein. Ein solches Unternehmen scheint mir auch von höchstem wissenschaftlichen Interesse zu sein, wenn es sich bezieht auf die Axiome im althergebrachten Sinne der elementaren euklidischen Geometrie. Weit geringer dürfte im Allgemeinen die wissenschaftliche Bedeutsamkeit einer solchen Untersuchung sein, welche sich erstreckt auf ein System von willkürlich aufgestellten Sätzen. Ob es möglich ist, so die gegenseitige Unabhängigkeit der Axiome der euklidischen Geometrie zu beweisen, wage ich nicht zu entscheiden wegen jenes angedeuteten Bedenkens. Jedenfalls ist Ihre Idee, die euklidische Geometrie als besonderen Fall einer umfassenderen Lehre anzusehen, auch ohne diesen Erfolg wertvoll. Darin stimme ich Ihnen ganz bei, dass die genetische Methode die volle logische Sicherheit vermissen lässt•). Dass die Entwickelung der Wissenschaft diesen Weg eingeschlagen hat, liegt in der Natur der Sache; darüber darf nicht vergessen werden, dass als Ziel, dem diese Entwickelung zustrebt, doch immer das logisch vollkommene System im Auge behalten werden muss. Sie schreiben: "Nach vollständiger und eindeutiger Festlegung des Begriffes ist die Hinzufügung irgendeines Axioms meiner Ansicht nach etwas durchaus Unerlaubtes und Unlogisches."') Wenn ich Ihre Meinung hier richtig verstehe, kann ich nur mit Freuden zustimmen, umso mehr, als ich geglaubt habe, • Steck: elementaren euklidischen. 8 Hilbert hatte in seinem Münchencr Vortrag die Methode, das System der reellen Zahlen durch ,,sukzessive Erweiterung'', ,,genetisch'', aus den natürlichen Zahlen zu gewinnen, kritisiert und demgegenüber der "axiomatischen Methode" auch für die Arithmetik, "zur endgültigen Darstellung und völligen logischen Sicherung des Inhaltes unserer Erkenntnis", den Vorzug gegeben (Grundlagen der Geometrie, 7 1930, pp. 24lsq.). 7 Cl. p. 13.
16
David Hilber!
mit dieser Ansicht fast allein 8) zu stehen. In der Tat liegt darin wohl eben der Mangel der genetischen Methode, dass die Begriffe nicht fertig sind und doch in diesem unfertigen, also eigentlich unbrauchbaren Zustande gebraucht werden, dass man nie weiss, ob ein Begriff nun endgültig fertig sei. So kommt es, dass man Sätze beweisen kann, die dann durch die fortschreitende Entwickelung wieder falsch gemacht werden, weil die darin enthaltenen Gedanken andere werden. Grade solche Wandlungen, deren man sich bei dem gleichbleibenden Wortlaute gar nicht einmal recht bewusst wird, sind das Gefahrliehe. Auch in der Geringschätzung der Definitionen von "Punkt" durch Umschreibungen mit "ausdehnungslos" 8) stimme ich Ihnen zu; nur würde ich das Eingeständnis, dass man "Punkt" überhaupt nicht eigentlich definieren kann, nicht scheuen. Solange wir uns so ganz im Allgemeinen bewegen, scheinen wir uns demnach in befriedigender Übereinstimmung zu befinden. Anders wird es bei der wirklichen Ausführung. Ich hatte wohl schon vorher die Möglichkeit ins Auge gefasst, Ihre Axiome als Bestandteile Ihrer Erklärungen aufzufassen, und doch war es mir erstaunlich zu erfahren, dass sämtliche Axiome der Gruppen 1-V zur Ergänzung der Erklärung im§ I hinzuzunehmen sind 10). Danach füllt ja eigentlich diese Erklärung mit dem, was dazugehört, Ihr ganzes Kapitel I aus, und darin sind zahlreiche andere Erklärungen und Lehrsätze eingeschachtelt. Ich gestehe, dass mir dieser logische Bau rätselhaft und im höchsten Grade undurchsichtig vorkommt. Ich bin beim Nachdenken über das Definieren immer strenger in meinen Anforderungen daran geworden und habe mich wohl so weit von der Meinung der meisten Mathematiker entfernt, dass eine Verständigung sehr erschwert ist. Woran ich Anstoss nehme, wird vielleicht am deutlichsten bei der Betrachtung Ihrer Erklärung im§ 311 ). Ich ziehe zur Vergleichung heran die Gaussische Definition der Zahlenkongruenz. Wenn man weiss, was die Differenz ist, und was es heisst "eine Zahl geht in einer Zahl auf", so hat man durch diese Erklärung die Kongruenz der Zahlen ganz in seiner Gewalt und kann sofort entscheiden, ob z.B. 2=8 (mod 3) ist.n) Ganz anders läge die Sache, wenn das Wort "kongruent" nicht nur durch Bekanntes, sondern auch durch sich selbst erklärt würde, wenn man etwa nach Ihrer Weise sagte: "Erklärung. Die ganzen Zahlen stehen in gewissen Beziehungen zueinander, zu deren Beschreibung uns insbesondere das Wort "kongruent" dient.
• St.ck: mit dieser Ansicht allein. • Cf. p. 12. '" Cf. ibid. 11 Die Abschrift von Scholz hat: § 5. Daß Frege weiter unten auf die Axiome der Anordnung abstellt, spricht für die Lesart bei Steck; wenn nicht sogar, wie der Vergleich mit der Zahlenkongruenz nahelegt, der § 6 ( = § 5 der 9. Auflage) gemeint ist, der die geometrischen Kongruenzaxiome enthält. u" ==Y (mod m), gelesen:" kongruent y modulo m, gilt definitionsgemäß genau dann, wenn m x-y teilt ("in x-y aufgeht").
David Hilbert
17
Axiom I. Jede Zahl ist sich selbst kongruent nach einem beliebigen Modul. Axiom 2. Wenn eine Zahl einer zweiten und diese einer dritten nach demselben Modul kongruent ist, so ist auch die erste der dritten nach diesem Modul kongruent." usw. Würde man einer solchen Definition entnehmen können, dass 2 = 8 (mod 3)? Schwerlich! Bei Ihrer Erklärung des Zwischen liegt die Sache noch ungünstiger; denn Ihre Axiome der Anordnung enthalten auch noch die Wörter "Punkt" und "Gerade", deren Bedeutungen ebenfalls unbekannt sind. Ihr System von Definitionen gleicht einem System von Gleichungen mit mehreren Unbekannten, bei dem die Auflösbarkeit und besonders die Eindeutigkeit der Bestimmung der Unbekannten zweifelhaft bleibt. Wenn diese bestände, wäre es besser, diese Lösungen zu geben, d.h. jeden der Ausdrücke "Punkt", "Gerade", "zwischen" einzeln durch schon Bekanntes zu erklären. Ich weiss nicht, wie ich mit Ihren Definitionen die Frage entscheiden soll, ob meine Taschenuhr ein Punkt sei. Gleich das erste Axiom handelt von zwei Punkten13); wenn ich also wissen wollte, ob es von meiner Uhr gälte, müsste ich zunächst von einem anderen Gegenstande wissen, dass er ein Punkt wäre. Aber selbst wenn ich das z.B. von meinem Federhalter wüsste, so könnte ich noch immer nicht entscheiden, ob meine Uhr und mein Federhalter eine Gerade bestimmten, weil ich nicht wüsste, was eine Gerade wäre. Dann würde noch das Wort "bestimmen" Schwierigkeiten machen. Aber auch wenn ich die Wörter "Punkt" und "Gerade" wie in der elementaren Geometrie verstände, und es wären mir drei Punkte auf einer Geraden gegeben, so könnte ich nach Ihrer Erklärung und den dazugehörigen Axiomen doch nicht entscheiden, welcher dieser Punkte zwischen den beiden anderen läge, und wüsste auch nicht, welche Untersuchungen ich zu diesem Zwecke etwa anstellen müsste. Dazu kommt noch folgendes. Nach I 714) gibt es auf jeder Geraden wenigstens zwei Punkte. Was würden Sie nun zu folgendem sagen16): "Erklärung. Wir denken uns Gegenstände, die wir Götter nennen. Axiom I. Jeder Gott ist allmächtig. Axiom 2. Jeder Gott ist allgc;:genwärtig. Axiom 3. Es gibt wenigstens einen Gott"? Hier kommt meine Unterscheidung von Begriffen erster und zweiter Stufe in Betracht. Ich sage "meine", weil mir nicht bekannt ist, dass sie vor mir in hinreichender Schärfe gemacht ist. In dem "es gibt" haben wir einen Begriff zweiter Stufe, der nicht mit allmät:htig und allgegenwärtig, welche erster Stufe sind, zusammen als Merkmal eines Begriffes erster Stufe genommen werden darf. (Meine Grundlagen der Arithmetik § 53, wo ich statt "Stufe" "Ord11 Hilberts Axiom I !lautet: "Zwei von einander verschiedene Punkte A, B bestimmen stets eine Gerade a; wir setzen AB = a oder BA = a. ,. Gemeint ist Hilberts Axiom I 7: "Auf jetkT Geraden giebt es wenigstens zwei Punkte, in jeder Ebene wenigstens drei nicht auf einer Geraden gelegene Punkte und im Raum giebt es
wenigstens vier nü:ht in einer Ebene gelegene Punkte."
u Cf. im folgenden auch Freges Brief an Liebmann vom 29. 7. 1900.
18
David Hilbert
nung" sagte; meine Grundgesetze der Arithmetik §§ 21 und 22). Die Merkmale, die Sie in ihren Axiomen angeben, sind wohl sämtlich höherer als erster Stufe; d.h. sie antworten nicht auf die Frage "Welche Eigenschaften muss ein Gegenstand haben, um ein Punkt (eine Gerade, Ebene usw.) zu sein?", sondern sie enthalten z.B. Beziehungen zweiter Stufe, etwa des Begriffes Punkt zum Begriffe Gerade. Es scheint mir, dass Sie eigentlich Begriffe zweiter Stufe definieren wollen, aber diese von denen erster Stufe nicht deutlich unterscheiden. Aus derselben Quelle fliesst wohl die Anfechtbarkeil der Definition der Grösse, die z.B. Stolz in der Einleitung seiner Vorlesungen über allgemeine Arithmetik gibt11). Es ist dabei immer das Auftreten des Wortes "gleichartig" mit gänzlich verschwimmender Bedeutung charakteristisch. Nur durch ganz veränderte Frijlgestellung kann das vermieden werden. Und in ähnlicher Weise würde auch wohl die Heilung der Schäden, die ich an Ihren Definitionen zu finden glaube, geschehen müssen; nur dass sie hier viel schwerer sein wird, weil statt eines Systems hier drei Systeme (der Punkte, Geraden und Ebenen) und mannigfache Beziehungen in Betracht kommen. Übrigens, was nennen Sie hier System? Ich glaube dasselbe, was man sonst auch wohl Menge oder Klasse nennt, und was am zutreffendsten Umfang eines Begriffes genannt wird. Am schroffsten stehen sich wohl unsere Ansichten gegenüber hinsichtlich Ihres Kriteriums der Existenz und der Wahrheit. Aber vielleicht verstehe ich Ihre Meinung nicht vollkommen. Um darüber "ins Reine zu kommen, lege ich folgendes Beispiel vor.
" Frege bezieht sich wohl vor allem auf die folgenden Formulierungen von Stolz: "Die Bezeichnung ,Grösse (!Ltrt&o~)' kommt in Euclid's Elementen vor, doch ihren Begriff erklärt er nirgends. Nach ihm sind als Grössen zu betrachten die begrenzten geometrischen Gebilde: Linien, Winkel, Flächen, Körper; jedoch wohl auch die natürlichen Zahlen. Allen gemeinsam sind die folgenden Merkmale, auf denen das Rechnen mit ihnen beruht: man kann die gleichartigen unter ihnen vergleichen, addiren, subtrahiren und im Allgemeinen jede Grösse in mit ihr gleichartige Theile zerlegen. Den Grössen stellt die Geometrie der Alten die geometrischen Verhältnisse gegenüber, obwol sie selbst auch ihnen das erste der obigen Merkmale beilegt, wozu, wie wir sehen werden, die übrigen treten können. Indem wir von den geometrischen Grössen; der natürlichen Zahl und dem ELlclid'schen Verhältnisse zur nächst höheren Gattung aufsteigen, gelangen wir zur absoluten Grösse im engern Sinne[ ... ] Nichts hindert, noch allgemeinere Begriffe aufzustellen. Wenn wir nur das erste aus der obigen Gruppe von Merkmalen festhalten, so ergiebt sich der weiteste Begriff, von welchem auch H. Grassmann ausgeht. Geben wir ihm den Namen ,Grösse', so wird ein Grössenbegriff ein Begriff von der Art sein, dass je zwei der darunter enthaltenen Dinge entweder als gleich oder als ungleich erklärt sind. Mit andern Worten: ,Grösse heisst ein jedes Ding, welches einem anderen gleich oder ungleich gesetzt werden soll.' Alle Dinge, die mit einem Dinge verglichen sind, heissen gleichartige (homogene) Grössen und bilden ein Grössensystem." (Cf. Otto Stolz: Vorlesungen über allgemeine Arithmetik I, Leipzig 1885, pp. I sq.; Stolz zitiert mit dem in Anführungsstrichen gesetzten Satz H. Grassmanns: Lehrbuch der Arithmetik, Berlin 1861, p. !.)
David Hilber!
19
Nehmen wir an, wir wüssten, dass die Sätze "I. A ist ein intelligentes Wesen; 2. A ist allgegenwärtig; 3. A ist allmächtig" mit ihren sämtlichen Folgen einander nicht widersprächen; könnten wir daraus schliessen, dass es ein allmächtiges, allgegenwärtiges, intelligentes Wesen gäbe? Mir will das nicht einleuchten. Das Prinzip würde etwa so lauten: Wenn die Sätze "A hat die Eigenschaft i/1" "A hat die Eigenschaft 'l'" .,A hat die Eigenschaft X" mit sämtlichen Folgen einander nicht allgemein, (was auch A sei) 17 ) widersprechen, so gibt es einen Gegenstand, der diese Eigenschaften i/1, 'l', X sämtlich hat. Dies Prinzip ist mir nicht einleuchtend und würde wahrscheinlich auch nutzlos sein, wenn es wahr wäre. Gibt es hierbei ein anderes Mittel, die Widerspruchslosigkeit nachzuweisen, als dass man einen Gegenstand aufweist, der die Eigenschaften sämtlich hat? Hat man aber einen solchen Gegenstand, so braucht man nicht erst auf dem Umwege der Widerspruchslosigkeit nachzuweisen, dass es einen gibt. Wenn ein allgemeiner Satz einen Widerspruch enthält, so auch jeder unter ihm begriffene besondere Satz. Man kann also aus der Widerspruchslosigkeit des letzteren auf die des allgemeinen Satzes schliessen, aber nicht umgekehrt.17&) Setzen wir den Fall, wir hätten bewiesen, dass in einem gleichschenkligen rechtwinkligen Dreiecke das Quadrat über der Hypothenuse doppelt so gross ist wie das über einer Kathete, was leichter ist, als den allgemeinen Pythagoras zu beweisen. Wir können nun von hier aus schliessen, dass der Satz keinen Widerspruch enthält, weder zu sich noch zu den geometrischen Axiomen.17b) Aber können wir nun weiter schliessen: also ist der Pythagoras wahr? Ich kann eine solche Schlussweise von der Widerspruchslosigkeit auf die Wahrheit nicht anerkennen. So meinen Sie es wahrscheinlich auch nicht. Jedenfalls scheint eine genauere Formulierung notwendig. Eine logische Gefahr schien mir noch darin zu liegen, dass Sie z.B. "das Parallelenaxiom" sagen, als ob es in jeder besonderen Geometrie18) dasselbe wäre. Nur der Wortlaut ist derselbe; der Gedankeninhalt ist in jeder anderen Geometrie18) ein anderer. Es wäre nicht richtig, den vorhin erwähnten be-
17 Steck: (allgemein, was auch A sei).
Cl. Anm. 6, p. 27, insbes. dort den letzten Satz. Steck: Wir können nun von hier aus schliessen, dass der Satz keinen Widerspruch enthält*), dass das Hypotenusenquadrat bei einem gleichschenkligen rechtwinkligen Dreieck gleich der Summe der Kathetenquadrate ist. Daraus können wir weiter folgern, dass der allgemeine Pythagoras keinen Widerspruch •) enthält. [Anm. Freges:] *weder in sich noch zu den geometrischen Axiomen. 18 Steck: in jeder andern Geometrie. 10 Steck: in jeder besondern Geometrie. 1'18 17 b
David Hilbert
20
sonderen Fall des Pythagoras den Pythagoras zu nennen; denn wenn man jenen besonderen Fall bewiesen hat, hat man damit noch nicht den Pythagoras bewiesen. Gesetzt nun, auch die Axiome20) in den besonderen Geometrien seien sämtlich besondere Fälle allgemeiner Axiome, so kann man aus der Widerspruchslosigkeit in einer besonderen Geometrie zwar auf die Widerspruchslosigkeit im allgemeinen Falle, aber nicht auf die Widerspruchslosigkeit in einem anderen besonderen Falle schliessen. Über das, was Sie von der Anwendbarkeit einer Theorie und den umkehrbar eindeutigen Transformationen sagen21 ), behalte ich mir eine Gegenäusserung noch vor. Schliesslich möchte ich Ihnen im Hinblick auf die grosse Wichtigkeit der von uns behandelten Fragen für die ganze Mathematik vorschlagen, eine spätere Veröffentlichung unseres Briefwechsels ins Auge zu fassen. 22) Indem ich Ihre Grüsse und Glückwünsche zum neuen Jahrhundert bestens erwidere, bleibe ich hochachtungsvoll Ihr ergebener G. Frege.
XV/6
HILBERT an FREGE
15. 1. 19001)
Sehr geehrter Herr College! Leider ist es mir bei der augenblicklichen Überbürdung mit Arbeiten aller Art, nicht möglich Ihren BriefS) eingehend zu beantworten. Ihre Ausführungen sind mir von vielem Interesse und großem Werth. Sie werden michjedenfalls zu einem genaueren Nachdenken und zu einer sorgfältigen Formulirung meiner Gedanken anregen. Göttingen 15ten J an.
Mit bestem Gruß Ihr ergebenster Hilbert.
•• Steck: Gesetzt nun auch, diese Axiome. 11 Cf. p. 13. •• Cf. zu Hilberts Reaktion p. 3. 6 1 Das Original, eine Postkarte, befindet sich in der SlgDtJrmsl unter der Signatur H 1889. 1 Freges Brief vom 6. I. 1900 (XV/5).
David Hilbert XV/7
FREGE
an HILDERT
21
16. 9. 19001)
Jena, den 16. September 1900. Hochgeehrter Herr Kollege! Besten Dank für die mir gütigst zugesandten beiden Drucksachen•)! Die mathematischen Probleme3) habe ich mit grossem, durch einzelne Meinungsverschiedenheiten nicht vermindertem Interesse gelesen. Doch ist die Reibungsfläche unserer Meinungen schon hinreichend gross,_sodass eine Erweiterung fürs erste wohl besser unterbleibt. Ich will mir daher nur einige Bemerkungen erlauben, die mit den in unserem Briefwechsel behandelten Fragen zusammenhängen. AufS. 12') ist mir der Satz aufgefallen, in dem von den Axiomen gesagt wird, dass sie eine genaue und vollständige Beschreibung deijenigen Beziehungen enthalten, die zwischen den elementaren Begriffen einer Wissenschaft stattfinden. Das kann ich mit dem nicht in Einklang bringen, was Sie in Ihrem Briefe5) über die Axiome schreiben, wonach diese als Bestandteile der Definitionen jener elementaren Begriffe anzusehen seien1). Von Beziehungen zwischen Begriffen- z.B. der der Unterordnung des ersten unter den zweitenkann doch erst die Rede sein, nachdem diese Begriffe als scharf begrenzte gefasst sind, nicht aber während sie definiert werden.
'Dem Text des Briefes liegt eine Maschinenabschrift aus dem SchArch zugrunde. Über den Verbleib des Originals, das Scholz nach den Unterlagen im SchArch von Hilbert entliehen hatte und diesem 1936 über G. Gentzen wieder zustellen ließ, ist nichts bekannt. • Neben dem in Anm. 3 genannten Titel kommt zeitlich und inhaltlich besonders in Frage Hilberts Abhandlung Ober den .(ahlbegrijf. Daß Hilbert Frege einen Sonderdruck dieser Veröffentlichung geschickt hat, wird auch dadurch nahegelegt, daß der zugrunde liegende Münchener Vortrag Hilberts vorher Gegenstand des Briefwechsels war (cf. pp. 12, 14). 3 Es handelt sich um Hilberts berühmten Vortrag Mathematische Probleme, gehalten auf dem internationalen Mathematiker-Kongreß in Paris 1900. Dem an Frege gesandten Sonderdruck dürfte die Veröffentlichung des Vortrages in den Nachrichten von der König!. Ges. der Wiss. zu Göttingen, Mathem.-physik. Klasse, Jg. 1900, pp. 253-297, zugrunde liegen. Die im Arch. f. Math. u. Phys., 3. Reihe, Bd. I (1901), pp. 44-63, 213-237, erschienene Fassung des Vortrages ist in: David Hilhert, Gesammelte Abhandlungen II/ (Berlin 1935, Nachdruck New York 1965), pp. 290-329, wieder herausgegeben worden. _ • Frege bezieht sich offenbar auf eine gesonderte Paginierung des Sonderdrucks,so daß die von ihm angegebene p. 12 der p. 264 in der genannten Fassung der Göttinger Nachrichten entspricht. Dort heißt es: "Wenn es sich darum handelt, die Grundlagen einer Wissenschaft zu untersuchen, so hat man ein System von Axiomen aufzustellen, welche eine genaue und vollständige Beschreibung derjenigen Beziehungen enthalten, die zwischen den elementaren Begriffen jener Wissenschaft stattfinden." • Hilberts Briefvom 29. 12. 1899. 1 Cf. PP· 65 sq.
22
David Hilber!
Aus manchen Stellen in Ihren Vorträgen glaube ich entnehmen zu dürfen, dass meine Gründe Sie nicht überzeugt haben, um so gespannter bin ich darauf, Ihre Gegengründe zu erfahren. Es scheint mir, dass Sie im Besitze eines Prinzips zum Beweise der Widerspruchslosigkeit zu sein glauben, wesentlich verschieden von dem in meinem letzten Briefe') formulierten 8), das Sie, wenn ich mich recht erinnere, in Ihren Grundlagen der Geometrie allein anwenden 9 ). vVenn Sie hierin Recht hätten, so könnte das von ungeheuerer Bedeutung sein; ich glaube allerdings zunächst noch nicht daran, sondern vermute, dass sich ein solches Prinzip auf das von mir formulierte wird zurückführen lassen, und also von keiner grösseren Tragweite als dieses sein kann. Wenn Sie mir in Ihrer Antwort auf meinen letzten Brief, auf die ich immer noch hoffe, ein solches Prinzip genau formulieren und vielleicht an einem Beispiele der Anwendung erläutern könnten, so würde das zur Klärung viel beitragen. Da ich mich gerade viel mit dem Problem des Irrationalen beschäftige, ist mir die Andeutung interessant, die Sie unten aufS. 13 geben10). Aber zunächst halte ich diese Art der Begründung nicht für durchführbar aus zwei Gründen, von denen der eine durch Angabe des oben gedachten Prinzips vielleicht entkräftet werden könnte. Ich habe unseren Briefwechsel Herrn Dr. Liebmann in Leipzig mitgeteilt11), der über die Grundlagen der Geometrie im Winter lesen will. Damit werden Sie hoffentlich einverstanden sein. Herr Dr. L. will mir seine Ansicht schreiben, sobald er ein selbständiges Urteil gewonnen hat. Mit besten Grüssen hochachtungsvoll G. Frege. ' Freges Brief vom 6. I. 1900. • Cf. p. 19. • Cf. Grundlagen der Geometrie§§ 9sqq. '" Frege bezieht sich wohl auf folgende Ausführungen in Hilberts Vortrag Mathematische Probleme (p. 265 l.c.): "Ich bin nun überzeugt, daß es gelingen muß, einen direkten Beweis für die Widerspruchslosigkeit der arithmetischen Axiome zu finden, wenn man die bekannten Schlußmethoden in der Theorie der Irrationalzahlen im Hinblick auf das bezeichnete Ziel genau durcharbeitet und in geeigneter Weise modificirt. Um die Bedeutung des Problems noch nach einer anderen Rücksicht hin zu charakterisiren, möchte ich folgende Bemerkungen hinzufügen. Wenn man einem Begriffe Merkmale erteilt, die einander widersprechen, so sage ich: der Begriff existirt mathematisch nicht. So existirt z.B. mathematisch nicht eine reelle Zahl, deren Quadrat gleich -1 ist. Gelingt es jedoch zu beweisen, daß die dem Begriffe erteilten Merkmale bei Anwendung einer endlichen Anzahl von logischen Schlüssen niemals zu einem Widerspruche führen können, so sage ich, daß damit d;~ mathematische Existenz des Begriffes z.B. einer Zahl oder einer Function, die gewisse Forderungen erfüllt, bewiesen worden ist. In dem vorliegenden Falle, wo es sich um die Axiome der reellen Zahlen in der Arithmetik handelt, ist der Nachweis für die Widerspruchslosigkeit der Axiome zugleich der Beweis für die mathematische Existenz des Inbegriffs der reellen Zahlen oder des Continuums." 11 Cf. den Brief Freges an Liebmann vom 25. 8. 1900 und in der Einleitung des Hrsgs. hier die Ausführungen p. I.
David Hilbert
XV/8
HILBERT
an
FREGE
23
22. 9. 19001)
Sehr geehrter Herr College.
Göttingen d. 22. 9. 00
Besten Dank für Ihren Brief2), den ich, von Aachen zurückgekehrt, vorfinde und wie Ihre früheren Briefe mit grossem Interesse gelesen habe. Ich weiss sehr wohl, dass ich Ihnen noch die ausführliche Antwort auf Ihren letzten BriefS) schuldig bin und nunmehr mein Schuldconto noch grösser wird. Aber da ichjetzt erst wieder eine neue Vorlesung über partielle Differentialg1[eichungen] der Physik vorzubereiten habe, so sende ich vorläufig lieber diese Karte als garnichts. Meine Meinung ist eben die, dass ein Begriff nur durch seine Beziehungen zu anderen Begriffen logisch festgelegt werden kann. Diese Beziehungen, in bestimmten Aussagen formulirt, nenne ich Axiome und komme so dazu, dass die Axiome (ev[tl]. mit Hinzunahme der Namengebungen für die Begriffe) die Definitionen der Begriffe sind. Diese Auffassung habe ich mir nicht etwa zur Kurzweil ausgedacht, sondern ich sah mich zu derselben gedrängt durch die Forderung der Strenge beim logischen Schliessen und beim logischen Aufbau einer Theorie. Ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, dass man in der Mathematik und den Naturwissenschaften subtilere Dinge nur so mit Sicherheit behandeln kann, anderenfalls sich bloss im Kreise dreht. Mit den besten Grüssen und der Hoffnung, Sie doch noch zu überzeugen ~nd vielleicht auch von Ihnen trotz meiner vorläufig flüchtigen Antwort zu hören Ihr ergebenster Hilbert.
XV/9
HILBERT
an
FREGE
7. 11. 19031) Göttingen d. 7. II. 03
Sehr geehrter Herr College. Besten Dank für den 2ten Band Ihrer "Grundgesetze"2), der mich sehr interessirt. Ihr Beispiel am Schlusse des Buches
8 1 Das Original, eine Postkarte, befindet sich in der SlgDarmst unter der Signatur H 1889. • Freges Briefvom 16. 9. 1900 (XV/7). 3 Freges Briefvom 6. I. 1900 (XV/5). 9 1 Das Original, eine Postkarte, befindet sich in der SlgDarmst unter der Signatur H 1889. • GGA /I erschien 1903.
24
David Hilbert
S. 253 3 ) ist uns hier bekannt*); andere noch überzeugendere Widersprüche fand ich bereits vor 4-5 Jahren 6); sie führten mich zu der Ueberzeugung, da10s die traditionelle Logik ummreichend ist, die Lehre von der Begriffsbildung vielmehr einer Verschärfung und Verfeinerung bedarf, wobei ich als die wesentlichste Lücke im herköm[m]lichen Aufbau der Logik die Annahme ansehe, wonach - das nehmen alle Logiker u. Mathem[atiker] bisher an ein Begriff bereits da sei, wenn man von jedem Gegenstande angeben könne, ob er unter ihn falle oder nicht. Dies ist wie mir scheint nicht hinreichend. Vielmehr ist die Erkenntnis der Widerspruchslosigkeit der Axiome, die den Begriff definiren, das Entscheidende. - Ihren Kritiken kann ich im Allgemeinen zustimmen; nur dass Sie Dedekind 6 ) u. vor Allem Cantor7 ) nicht voll gerecht werden. Schade, dass Sie weder in CasselB) noch in Göttingen9) waren - vielleicht entschliessen Sie sich doch einmal ausser der Zeit zu einem Besuch in G[öttingen]. Bei den heutigen bequemen Eisenbahnfahrten ist doch der mündliche Verkehr dem schriftlichen vorzuziehen. Mir wenigstens fehlt es zu letzterem leider an Zeit. Es sind hier eine Reihe junger Gelehrter, die sich fiir die "Axiomatisirung der Logik" interessiren. Hochachtungsvoll Hilber!.
* Ich glaube vor 3-4 Jahren fand es Dr. Zermelo auf die Mitteilung meiner Beispiele hin 4 ).
3 Es handelt sich um die in einem Nachwort zu GGA /I von Frege mitgeteilte und eingehend behandelte Russellscht: Antinomie. Cf. auch den Briefwechsel XXXVI Frege-Russell. • E. Zmnelo, der damals Dozent in Göttingen war, hatte die Russellsche Antinomie nach den vorliegenden Berichten (cf. z.B. C. Reid: Hilbert, Berlin u.a. 1970, p. 98) unabhängig von Russell entdeckt. • 0. Blumenthai erwähnt in seiner Lebensgeschichte Hilberts, daß dieser sich von der Fragwürdigkeit des seinerzeitigen mathematischen Umgangs mit dem Unendlichen "endgültig durch das von ihm selbst aufgestellte, nirgends aus dem Gebiete d,·r rein mathematischen Operationen heraustretende Beispiel der widerspruchsvollen Menge aller durch Vereinigung und Sclbstbelegung entstehenden Mengen" überzeugte (D. Hilbert, Ges.Abh. 1/l, Berlin 1935, Nachdruck New York 1965, pp. 42lsq.). 6 Cf. GGA ll, §§ 138sqq. 7 Cf. GGA ll, §§ 68sqq. 8 In Kassel hatte vom 20. bis 25. 9. 1903 die 75. Versammlung Deutscher Nalt I, so a2 > 1). Der ganze Satz erhält dadurch den Charakter eines Gesetzes, nämlich Allgemeinheit des Inhalts. Aber nehmen wir erst einmal an, dass die Buchstaben »A« und »B« eigentliche Sätze vertreten. Dann gibt es nicht Fälle, in denen A wahr ist, und andere, in denen A falsch ist; son-
3 Diese Seitenangabe bezieht sich auf die in Anm. 2 genannte Schrift Husserls. Husserl kritisiert dort die Auffassung Martys, daß sich bei durch "und" und "wedernoch" verbundenen Aussagen die Bejahung bzw. Verneinung (cf. Marty, l.c., p. 300) nicht einheitlich auf die Gesamtaussage erstreckt, sondern jeweils auf die beiden Teilaussagen verteilt. 'Husserl kritisiert l.c., pp. 12lsq. Marty, der die beiden Sätze für "dem Sinne nach identisch" hält (cf. Marty, l.c., p. 304, Anm.). Husserl spricht ihnen neben der "Kongruenz" auch die "Äquivalenz (Äquipollenz)" ab. Diese liegt für Husserl dann vor, wenn die Negation beider Sätze wieder "gleichwertiges" liefert. Nach Husserl ergibt nun die Negation von "wenn Aso B": "Es kannAgelten ohne daß B gilt" und die Negation von "Es ist (gilt) nicht A ohne B" (so unter Bezug auf Marty bei Husserl): "Es gilt A ohne daß B gilt". Deshalb sind die Sätze für Husserl nicht äquipollent. Der Unterschied zur folgenden Analyse Freges besteht im Sinne heutiger Unterscheidungen darin, daß Frege die materiale Implikation oder Subjunktion als Explikans des wenn-so betrachtet, während Husserl die strikte Implikation zu meinen scheint. Die strikte (strenge) Implikation expliziert das wenn-so als "es ist nicht möglich, daß A gilt ohne daß B gilt". Die Negation hiervon ergibt "es ist möglich, daß A gilt ohne daß B gilt". Ersetzt man dies durch "es kann sein, daß A gilt ohne daß B gilt", so läßt sich hierfür auch die obige Husserlsche Formulierung verwenden: "Es kann A gelten ohne daß B gilt".
Edmund Husserl
43
dem: entweder A ist wahr oder A ist falsch; tertium non datur. Dasselbe gilt von B. Wir haben dann vier Kombinationen A ist wahr und B ist wahr, A ist wahr und B ist falsch, A ist falsch und B ist wahr, A ist falsch und B ist falsch. Von diesen sind die erste, dritte und vierte mit dem Satze "Wenn A so B" verträglich, die zweite nicht. Die Verneinung6) ergibt also: A ist wahr und B ist falsch oder: Es gilt A, ohne dass B gilt, ganz wie rechts 1). Nehmen wir zweitens an, dass die Buchstaben tA« und tB« uneigentliche Sätze vertreten, so schreiben wir besser für tAc und tB« tfP (a)« und »'P (a)«, wo ta« der andeutende Bestandteil ist. Der Satz "Wenn tP (a) so 'P (a)" hat nun Allgemeinheit des Inhalts, und die Verneinung hebt diese Allgemeinheit auf und besagt nun, dass es einen Gegenstand {etwa LI) gebe, sodass tP (LI) wahr und 'P (LI) falsch sei. Das ist wohl, was Sie meinen mit den Worten "Es kannAgelten ohne dass B gilt". 7) Der Satz "Es gilt nicht tP (a) ohne 'P (a)" ist nun so zu verstehen: "Allgemein, was auch a sei, gilt nicht tP (a) ohne 'P (a)". Und die Verneinung ergibt: "Nicht allgemein, was auch a sei, gilt nicht tP (a) ohne 'P (a)". Mit anderen Worten: "Es gibt mindestens einen Gegenstand (etwa LI), sodass tP (LI) wahr ist, während 'P (LI) falsch ist". Wir erhalten dasselbe wie links1). In jedem Falle also haben wir Äquipollenz. Wenn man meine nun schon 28Jahre alte Begriffsschrift zu Rate zieht, findet man die Antwort auf eine solche Frage ohne weiteres. Sind die Sätze nun auch
• "Die Verneinung" bezieht sich auf "Wenn Aso B". Frege wendet also hier das von Husserl genannte Verfahren an, die Negationen der beiden Sätze zu vergleichen. 1 Man muß sich die beiden Sätze "Wenn Aso B" und "Es ist nicht A ohne B" in einer Gleichung verbunden denken, deren linke Seite (zunächst) der Satz "Wenn A so B" und deren rechte Seite (zunächst) der Satz "Es ist nicht A ohne B" ist. Dies entspricht der von Husserll.c., p. 121 verwendeten Gleichung. Interpretiert man wie Frege die linke Seite als materiale Implikation, so stimmen nach der Vemeinung die beiden Seiten entsprechend der Fregeschen Analyse überein. In der dem Text zugrunde liegenden Abschrift ist die Angabe "ganz wie rechts" gestrichen worden. Aus der weiteren Textveränderung von "links'~ (cf...(;)" gegebenen Begriffs durch den entsprechenden Wertverlaufsnamen "M>(e)" zu bezeichnen. Wenig später, im Nachwort zu GGA Il (pp. 253265), hat Frege seine in der Sekundärliteratur als "Frege's Way Out" erörterte (inzwischen freilich als undurchführbar erkannte) Lösung der Antinomie vorgeschlagen und dabei das Grundgesetz V insofern etwas anders eingeschätzt, als er schreibt: "Der Umwandlung der Allgemeinheit einer Gleichheit in eine Werthverlaufsgleich-
50
Bertrand Russen
heit steht nichts im Wege; nur die umgekehrte Umwandlung ist als nicht immer erlaubt nachgewiesen" (l.c., p. 257b). Freges zweite Folgerung aus der Herleitbarkeit der Russensehen Antinomie ist, daß die Ausführungen im§ 31 der GGA offenbar ihren Zweck nicht erfüllen, allen nach den Regeln des Systems korrekt gebildeten Zeichenverbindungen eine Bedeutung zu sichern. Es empfiehlt sich, zur Erläuterung dieser Folgerung die von Frege im gleichen Brief für die Formulierung der Antinomie vorgeschlagene Präzisierung heranzuziehen. Da ein Prädikat in der Regel eine Funktion erster Stufe sei, könne man nicht sagen (wie Russell dies tut), "Ein Praedicat wird von sich selbst praedicirt". Nach Freges Einführung von "Ll Af (t) = d 'l'(a)" erkennt Russen ausdrücklich als berechtigt an. DieFregescheErörterung des Problems der Funktionsnamen durch Unterscheidung von Zeichen und Bezeichnetem erscheint Russell noch nicht als befriedigend, weil sich der Satz "eine Funktion nimmt niemals die Stelle des Subjekts ein" widerspreche und dieser \Viderspruch aufkeiner Verwechslung des Namens mit dem beruhe, was er bedeutet. Russell bedauert schließlich mitteilen zu müssen, daß sein Buch (sc. die Principlts) schon im Druck sei und er das Werk Fregesjetzt nur noch in einem Anhang behandeln könne, da es für eine ausführlichere Erörterung im Haupttext bereits zu spät sei. Zu Beginn von XXXVI/6 trägt Russell Frege eine Schwierigkeit vor, für die er in Freges Theorie der Wertverläufe keine Lösung gefunden habe. Sind u und v Wertverläufe, so könne man von V an u = a nv auf u = v schließen; sind dagegen u und t• keine \Vertverläufe, so gelte zwar~ anu= anv, weil ,,a""'u'' und ,,a,...,v''beide immer das Falsche bedeuteten, doch dürfe man von da aus nicht auf "u = v" weiterschließen, da ja sonst je zwei Gegenstände, die nicht Wertverläufe sind, identisch wären. Somit sei tt nur dann der Wertverlauf der Funktion anu, wenn u ein \Vertverlauf sei. Russell hat darauf auch im Anhang der Principles (§ 485, pp. 512sq.) hingewiesen. Dieses Problem gibt Russell Gelegenheit zu der Bemerkung, daß ihm das Verhältnis von Begriff und \Vertverlauf bei Frege unklar sei. Er könne sich schwer vorstellen, was eine Klasse sei, wenn sie nicht aus Gegenständen bestehe "und doch dieselbe sein soll für zwei Begriffe, die denselben Umfang haben"- obwohl er Frege zugesteht, in (22) die extensive Deutung der Klassen widerlegt zu haben (cf. hierzu Priru:iples, § 70 und § 74). Er stellt fest: "Was überhaupt 'Umfang eines Begriffes' bedeute, verstehe ich jeden Tag weniger", und bittet Frege um Aufklärung über dessen Ansicht, um in seiner Besprechung (sc. im Anhang der Priru;iples) keine ungerechtfertigten Einwände vorzutragen. Der Schlußabsatz des Briefes klärt den Zusammenhang des von Russell eingangs vorgetragenen Problems mit der Antinomienfrage. Es sei leicht zu beweisen, daß es keine eindeutige Abbildung von allen Gegenständen auf alle Funktionen gebe. Wäre nämlich 'fx die einem Gegenstand x durch eine solche Abbildung zugeordnete Funktion, so wäre -r'Px(x) mit variablem x eine Funktion, die bei der betrachteten Abbildung nicht als Bild auftritt (dies wird detailliert ausgeführt in Priru;iples, § 102). Aus diesem Grunde könne man nicht alle Funktionen in der Form xnu ausdrücken. XXXVI/7 ist Freges Antwort auf Russells Brief XXXVI/5 vom 10. 7. 02; Frege bestätigt am Schluß, daß Russells Brief XXXVI/6 vom 24. 7. 02 am Vortage ein-
54
Bertrand Russell
getroffen sei. Er bittet um Verständnis dafür, daß er diesen nicht ebenfalls sofort beantworten könne, dankt aber Russell für dessen eingehende Bcfassung mit seinen Schriften und ermuntert ihn zur weiteren Darlegung aller seiner Bedenken. Der Brief behandelt zwei Themen. In Anknüpfung an Russells Vorschlag, nur gewisse Klassennamen zuzulassen und andere zu verbieten, analysiert Frege sehr ausführlich die Rede von Klassen im Unterschied zu "Systemen" oder "Ganzen". Während Russell nur die "Systeme", nicht aber die Klassen gelten lassen wolle, habe er, Frege, keine andere Möglichkeit zur logischen Begründung der Arithmetik gesehen als den Weg, die Zahlen als logische Gegenstände, und zwar als Umfange von Begriffen und damit als Wertverläufe von Funktionen zu fassen; trotzder durch Russells Entdeckung der Antinomie vermehrten Schwierigkeiten sehe er auch jetzt noch keinen anderen Weg. Unbeeindruckt von Russells vermeintlichem Gegenbeispiel "Eine Funktion nimmt niemals die Stelle eines Subjekts ein" hält Frege auch an seiner Auffassung der Funktionsnamen fest. Die scheinbaren Schwierigkeiten des Beispiels gingen auf die Ungenauigkeit des sprachlichen Ausdrucks zurück, da die Wörter "Begriff" und "Funktion" Namen von Funktionen zweiter Stufe sein sollten, sich aber sprachlich als Namen von Funktionen erster Stufe darstellen. Frege führt dies aus und entwickelt dabei in aller Kürze seine (später aufgegebene) Auffassung, daß der Unterscheidung von abgeschlossenen und ergänzungsbedürftigen Ausdrücken im Bereich der Zeichen (in dem allein man Genauigkeit des Ausdrucks erreichen könne) entsprechende Unterscheidungen sowohl in der Sinn- als auch in der Bedeutungssphäre parallel gingen: "Der Zerlegung des Satzes entspricht eine Zerlegung des Gedankens und dieser wieder etwas im Gebiete der Bedeutungen, und dies möchte ich eine logische Orthatsache nennen 5 ' . XXXVI/8 enthält Freges Antwort aufXXXVI/6. Frcgc bestätigt, daß der Wert der Funktion ~ ~Ll immer derselbe sei, wenn II kein Wertverlauf ist, und man nicht von ~a~u= a~u auf u= u schließen könne; allerdings sei der Wert von ;~Ll, falls 11 kein Wertverlauf sei, nicht das Falsche (wie Russell in XXXVI/6 schreibt), sondern der Umfang eines leeren Begriffs. Es folgt eine genauere Erörterung der Wertverläufe, wobei sich für Frege das Russellsche Problem, ob Begriffe gleichen Umfangs immer denselben Wertverlauf hätten, trotz der von Russell aufgewiesenen Notwendigkeit einer Änderung der Sätze (I und (2 der GGA auch weiterhin nicht stellt, weil für ihn der Umfang eines Begriffs gerade als dessen Wertverlauf einzuführen ist. Daß man nicht alle Funktionen in der Form "~r.u" bezeichnen könne, sei richtig. Der Russellschc Beweis, daß es keine eindeutige Beziehung zwischen allen Gegenständen und allen Funktionen geben könne, erscheint Frcge jedoch nicht als einwandfrei, da die eindeutige Zuordnung von Gegenständen und Funktionen den Begriff der Gleichheit von Funktionen voraussetze, die Gleichheit abrr eine Beziehung erster Stufe sei, in der nur Gegenstände, nicht Funktionen stehen künntcn. "\Vcnn man von der Identität von Functionen spricht, kann man nur die Identität ihrer \\'crthverläufc meinen oder die Identität von etwas, was mit den Wcrthverläufen eindeutig verknüpft ist". In XXXVI/9 dankt Russell für die Erklärungen über \Vcrtvcrläufe und versichert, die Unmöglichkeit ihrer Behandlung als Systeme von Gegenständen jetzt einzusehen, obwohl ihm immer noch die "dirccte Einsicht" fehle, was \Vcrtvcrläufe bei Fregc eigentlich seien. Er führt seinen Lösungsversuch für die Antinomie fort, wonach Wertverläufe nicht als Gegenstände der gewöhnlichen Art aufzufassen sind, sondern zu jeder Funktion P • p" kann sich Frege auch jetzt noch nicht mit Russells Ausführungen zufrieden geben; er erörtert die Frage weiter und stellt fest, daß offenbar bereits über gewisse Grundfragen erst noch eine Verständigung mit Russell erforderlich sei. Mit einem Versuch hierzu schließt der Brief. Der Brief XXXVI/17 enthält eine neuerliche Überraschung, denn Russell schreibt: "Ich glaube entdeckt zu haben, dass die Klassen gänzlich überflüssig sind". Es folgt eine nicht in jeder Hinsicht klare Skizze der Einführung von Kardinalzahlen ohne Bezugnahme auf Klassen. Russell glaubt damit den Widerspruch vermieden. Er antwortet aufFreges letzte Bemerkungen über Sinn und Bedeutung und geht dann nochmals auf "psm."=>p·P" ein. Die Schwierigkeiten seien ihm aus der Funktion -
:wew. =
.w~ew. 3 )
Ich habe darüber an Pcano geschrieben, aber er bleibt mir eine Antwort schuldig. XXXVI/2
FREGE an RussELL
22. 6. 19021 )
Sehr geehrter Herr College!
Jena, den 22. Juni 1902.
Besten Dank für Ihren interessanten Brief vom 16. Juni! Ich freue mich dass Sie in Vielem mit mir einverstanden sind, und dass Sie die Absicht haben, mein Werk ausführlich zu besprechen. Auf Ihren Wunsch sende ich Ihnen die folgenden Drucksachen I. Kritische Beleuchtung etc. 2. Ueber die Begriffsschrift des Herrn Peano etc. 3. Ueber Begriffund Gegenstand, 4. Ueber Sinn und Bedeutung, 5. Ueber formale Theorien der Arithmetik.") 3 Diese Formel drückt aus, daß, wenn w die Klasse der X mit X '"X ist, w E w - w e w gilt. Russell übernimmt die Notation im wesentlichen unverändert aus G. Peano, Formulaire de Mathematiques, Tome II, § 2 (Arithmetique), Turin 9. VIII. 1898, cf. Formel450 auf p. VII: u e Cis . :::> • Cis u = Cis n x 3 (x :::> a) = "classe de u" Df. Dabei ist das ,,a" in "u" zu berichtigen, cf. op. cit., § 1 (Logique MathCmatiquc), Turin II. VIII. 1897, p. 15, Formel450, deren Schreibung dort von der in§ 2 gewählten durch die Verwendung des Buchstabens "K" statt "Cis" und der Kotation "Xe" statt "x 3" abweicht. 2 1 Das Original des Briefes befand sieb nach SchLI im SchArch und ist vcrlorcngegangcn. Fotokopien befind~n sich im Frege-Archiv und im Russeli-Archiv in Hamilton,
Ontario. 3
Das sind, in der angegebenen Reihenfolge: (22), (24), (17), (16) und (13).
Bertrand Russell
61
Ich habe einen leeren Umschlag erhalten, dessen Aufschrift von Ihrer Hand zu sein scheint. Ich vermuthe, dass Sie die Absicht gehabt haben, mir etwas zu schicken, was durch einen Zufall verloren gegangen ist. Ist dies der Fall, so danke ich Ihnen für die liebenswürdige Absicht. Die Vorderseite des Umschlags lege ich bei. Wenn ich meine Begriffsschriftjetzt wieder lese, finde ich, dass ich in manchen Punkten anderer Ansicht geworden bin, wie Sie aus einer Vergleichung mit meinen Grundgesetzen d. A. ersehen werden. Den mit "Nicht minder erkennt man" anfangenden Absatz aufS. 7 meiner Begriffsschrift bitte ich zu streichen, da er fehlerhaft ist, was übrigens ohne nachtheilige Folge"n für den übrigen Inhalt des Büchleins geblieben ist. 3 ) Ihre Entdeckung des Widerspruchs hat mich auf's Höchste überrascht und, fast möchte ich sagen, bestürzt, weil dadurch der Grund, auf .dem ich die Arithmetik sich aufzubauen dachte, in's Wanken geräth. Es scheint danach, dass die Umwandlung der Allgemeinheit einer Gleichheit in eine Werthverlaufsgleichheit (§ 9 meiner Grundgesetze) nicht immer erlaubt ist, dass mein Gesetz V (§ 20. S. 36) falsch ist und dass meine Ausführungen im§ 31 nicht genügen, in allen Fällen meinen Zeichenverbindungen eine Bedeutung zu sichern. Ich muss noch weiter über die Sache nachdenken. Sie ist um so ernster, als mit dem Wegfall meines Gesetzes V nicht nur die Grundlage meiner Arithmetik, sondern die einzig mögliche Grundlage der Arithmetik überhaupt zu versinken scheint. Und doch, sollte ich denken, muss es möglich sein, solche Bedingungen für die Umwandlung der Allgemeinheit einer Gleichheit in eine Werthverlaufsgleichheit aufzustellen, dass das Wesentliche meiner Beweise erhalten bleibt. Jedenfalls ist Ihre Entdeckung sehr merkwürdig und wird vielleicht einen grossen Fortschritt in der Logik zur Folge haben, so unerwünscht sie auf den ersten Blick auch scheint. Uebrigens scheint mir der Ausdruck "Ein Praedicat wird von sich selbst praedicirt" nicht genau zu sein. Ein Praedicat ist in der Regel eine Function erster Stufe, die als Argument einen Gegenstand verlangt und also nicht sich selbst als Argument (Subject) haben kann. Ich möchte also lieber sagen: "Ein Begriff wird von seinem eigenen Umfange praedicirt". Wenn die Function 1/J(~) ein Begriff ist, so bezeichne ich desseri Umfang (oder die zugehörige 3 Fehlerhaft ist in dem genannten Absatz der erste Satz, in dem Frege erklärt, daß die Formel " ~ ~" "den Fall leugnet, wo B bejaht wird, A und r aber verneint
werden" (BS, p. 7). Der Fehler wurde bereits von Ernst SchrödFr auf p. 88 seiner Rezension von BS (Zeitschrift für Mathematik und Physik 25, 1880, pp. 81-94) berichtigt, mit der plausiblen Vermutung, Frege habe bei der Umformung des Begriffsschriftausdrucks, die korrekterweise zu "non(non(B et non A)) et non F" führt, das zweite Negationszeichen versehentlich übersprungen. Weniger deutlich sind Husserls Bemerkungen zu der Stelle, die I. A11gelelli mitgeteilt hat, cf. Anhang li: Husserls Anmerkungen zur "Begriffsschrift" in Gottlob Frege, Begriffsschrift und andere Azifsät::e, Zweite Auflage. Mit E. Husserls und H. Scholz;' Anmerkungen herausgegeben von lgnacio Angelclli, Hildesheim 1964.
62
Bertrand Russell
L
~.n'... .){ -~ ~·- /17~;~/ ..~~-._
.--..-....
~~~~-....... /.,/. -~4~-· ~.
4.-.-.. .,..... ;~-
"' +r--.-/h~~~/;(r~·~ ~· A
""11'V .....-./-..~ J...- ..~. •.,.::.•.•• ..,.r-~,._.
r#J,k1f -h·trz "~
..w..
Jh/~ ." ~
H'
fi!....-.l..fl- ,j0 ~ :: H-~)•--t ~- ?...a/4r•t·;-- ~ ~ ~._.. ,:!?.,.·~ ./:441- ~~; /1.:4. ~·--~
,.u'vt--. .•,./-,
ifk L/)._",r._" ,_..•.( -.1: ;t,'4vr"1:..
~~ /t/,')W'f/~--rM f{J-.:~4-r ~ ~/
~~~ ,',1. ~~" ~1-'h;·".zr; _ ..:·( '),J~ .
~tf--'
"-/ ~
,'4..
~·.. .4-.~~~~
_,,'""' ~ ...u4.4" ~~ #"'~ ?n'"A0/(, {, -1L,'...~ .1'~,.. d~~t-11 ,t,~ ~....._~t_., ~ ~~·-1..-.'1- ~~~/4-'4'-~ ~ ft!_".!/.vr-...l~f4-·~"- ..J~(,.) """""'M ,.~ N'-~·# ,rsr, ');C-11 __.'...., ~ E (fU."'.'Ji) f4t71. ,')( ............> )"-# ~·~ ~f:,!;;-r§:11 ,__,·..v-1 ~rJ ~~ J-
,·. . .
a, __.._r-'·
._
~ / ..'~ ~·~ Z..·~ ...... ~~~r--
-e-~ IJJ~ loh ..'/.-
.:t-. ') .....
•---' J"
1•~. ;0t ~ ~ ~ ....... ,.~..u...rv--. ,jfL......
. ;(.. .
~/r-r,~ ~
..,.__..-? ..t._,
1
M~
Faksimile aus dem Brief an Russcll vom 22.] uni 1902
Bertrand Russell
63
Klasse) durch &etP(e)« (die Berechtigung hierzu ist mir nun freilich zweifelhaft geworden). In &tP (etP (e))« oder &etP (e) "etP (~>)« haben wir dann die Praedicirung des Begriffes tP( ~) von seinem eigenen Umfange. Der zweite Band meiner Grundgesetze soll demnächst erscheinen. Ich werde ihm wohl einen Anhang geben müssen, in dem Ihre Entdeckung gewürdigt wird. Wenn ich nur erst den richtigen Gesichtspunkt dafür hätte! Mit hochachtungsvollem Grusse Ihr ergebenster G. Frege. XXXVI/3
RussELL an FREGE
24. 6. 19021)
Friday's Hili, Haslemere, den 24. Juni 1902. Sehr geehrter Herr College! Besten Dank für Ihren Brief, und für die Sendungen Ihrer Werke. Ich schicke Ihnen nochmals die Sachen die in der Post verloren gegangen sind. Den Fehler aufS. 7 Ihrer Begriffsschrift hatte ich schon corrigirt: er ist aber, wie Sie sagen, gänzlich ohne schädliche Folgen geblieben. Ich bin der Meinung dass man im allgemeinen Begriffe varieiren kann, und dass der Widerspruch nur entsteht wenn das Argument selber Funktion der Funktion ist, d. h. wenn Funktion und Argument nicht unabhängig varieiren können. In der Funktion tp{etp(e)} ist 9' die einzige Variable, und das Argument etp(e) ist selber (nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise) Funktion von 9'· Es scheint als seien Funktionen von der Form tp{F(tp)}, wo F constant und 9' variabel, gewiss für jeden Werth von 9' erlaubt, jedoch gefährlich wo der Umfang in Frage kommt. Ich nenne sie quadratische Formen: man könnte fast geneigt sein ein logisch Imaginäres dem algebraischen nachzubilden•). Bei solchen Funktionen erlangt man sogleich eine gesättigte Funktion wenn man den Werth von 9' angiebt; doch sind sie nicht Funktionen erster Stufe, noch haben sie constante Argumente. Die Funktion -,- tp(tp) führt zu einem ähnlichen Widerspruch wie-,- tp{etp(e)}. Ich bin auffolgender Weise zum Widerspruch geführt worden. Cantor hat, wie Sie natürlich wissen, einen Beweis aufgestellt dass es keine grösste Anzahl giebt. Dieser Beweis ist folgender: Rd-+1. ij ::::> Cls'e.w=enxa(x-e 1(jx). :::>R.w- E e :::::>. Ne' Cis'!!>- Ne' e*). (Dies ist bloss das wesentlichste des *Die Symbole finden sich erklärt in Revue de Mathematiques, VII, 2. 0 &) 1 Das Original des Briefes befindet sich in der SlgDarmst unter der Signatur H 1897. • Cf. B. Russell, The Principles oJ Mathematics, Garnbridge 1903,2. Auf!. London 1937, pp. 104, 107, 512 u. 514. 2& Dieser Hinweis bezieht sich vermutlich auf B. Russell, Sur Ia logique des relations auec des applications a Ia theorie des series, Rivista di Matematica (Turin, = Revue de Matbematiques) 7 (1900-1901) pp. 115-148. Dort sind jedoch die hier verwendeten Symbole keineswegs alle erklärt. Cf. im übrigen Anm. 3 des Hrsg. Im Original des Briefes ist nicht deutlich erkennbar, ob das in "I-+ I" zwischen den beiden Ziffern stehende Zeichen ein Pfeil sein soll; dieser ist hier entsprechend Russells Gebrauch in den Principia verwendet.
64
Bertrand Russen
Beweises.) Nun giebt es aber Begriffe deren Umfang Alles umfasst; diese sollten also die grösste Anzahl haben. Ich habe probiert, eine ein-eindeutige Beziehung zwischen allen Objekten und allen Klassen aufzustellen; als ich mit meiner besonderen Beziehung den Cantor'schen Beweis angewendet habe, ist mir die Klasse Cis nx..uffassung der Klassen (als "Summe von Gegenständen") vertritt und einem Begriff, unter den kein Gegenstand fallt, statt der Xullklasse (die es bei der extensionalen Auffassung nicht geben kann) die Klasse der Begriffe zuordnet, die zu dem gegebenen leeren Begriff "gleich" sind in dem Sinne, claß die darstellenden Aussageformen aller dieser Begriffe logisch äquivalent sind. 3 Cf. .u- LX E 0)", zu berichtigen, weil in ihr die durch ":;~u" ausgedrückte Existenzforderung fehlt, was zur Folge hat, daß die definierendeAussageform "x tu.::::>. u - I X t 0", gleichwertig mit (in heutiger Schreibweise) "1\,..x tu-+ u C {x}.", nicht nur wie beabsichtigt von den Eincrklassen, sondern auch von der Nullklasse erfüllt wird. 14 1 Das Original des ßric:fc:s befand sich nach SchLI im SchArch und ist verlorengegangcn. Fotokopim hdinden sich im Frc:ge-Archiv und im Russeli-Archiv in Hamilton, Ontario.
Bertrand Russen
83
wir eine Verschiedenheit des Sinnes. So ist auch der Sinn von &2 3 +1« verschieden von dem Sinne von &32 «, obwohl wir dieselbe Bedeutung haben, weil eine besondere That des Erkennens erforderlich ist, um dies einzusehen. So sind auch die Gleichungen »3 2 = 32 « und &2 3 + I = 32« für die Erkenntnis nicht gleichwerthig, obwohl der Wahrheitswerth derselbe ist. Der Unterschied ist der des Sinnes: die ausgedrückten Gedanken sind verschieden. Wenn der Gedanke die Bedeutung des Satzes wäre, so änderte er sich nicht, wenn einer seinet Theile ersetzt würde durch einen anderen Ausdruck von derselben Bedeutung. Nun frage ich: hat der ganze Satz nur einen Sinn, oder hat er auch eine Bedeutung? Das, wovon wir sprechen, sind die Bedeutungen der Wörter. Wir sagen etwas aus von der Bedeutung des Wortes "Sirius", wenn wir sagen: "Sirius ist grösser als die Sonne". Darum ist es uns in der Wissenschaft von Werth zu wissen, dass die gebrauchten Wörter eine Bedeutung haben. In der Dichtung und Sage freilich ist es uns gleichgültig. Ob z.B. der Name "Odysseus" eine Bedeutung habe (oder, wie man gewöhnlich sagt, ob Odysseus eine geschichtliche Person sei) kümmert uns nicht, wenn wirblos die Dichtung geniessen wollen. Erst wenn wir uns wissenschaftlich verhalten, gewinnt die Frage für uns Interesse in demselben Augenblicke, wenn wir fragen: "ist die Geschichte wahr?" d.h., wenn uns der Wahrheitswerth interessirt. Gedanken haben wir auch in der Dichtung; aber nur Scheinbehauptungen. Daher kann man auch einen Dichter nicht der Lüge zeihen, wenn er in seiner Dichtung wissentlich etwas Falsches sagt. Nun wäre es nicht einzusehen, warum es uns von Werth wäre zu wissen, ob ein Wort eine Bedeutung hätte, wenn der ganze Satz keine Bedeutung hätte und wenn diese Bedeutung nicht von Werth für uns wäre; denn auf den Gedanken hat das keinen Einfluss. Und diese Bedeutung wird etwas sein, was grade dann Werth für uns hat, wenn es uns interessirt, ob die Worte bedeutungsvoll sind; also wenn wir nach der Wahrheit fragen. Die Bedeutung des Satzes muss etwas sein, was sich nicht ändert, wenn wir ein Zeichen durch ein anderes ersetzen, das dieselbe Bedeutung; aber verschiedenen Sinn hat. Was sich dabei nicht ändert, ist der Wahrheitswerth. Wenn man das Gleichheitszeichen zwischen Sätzen gebraucht, so muss man als Bedeutung eines Satzes seinen Wahrheitswerth anerkennen (die Oratio obliqua erfordert eine besondere Betrachtung). Die Sätze "der Morgenstern ist ein Planet" und "der Abendstern ist ein Planet" haben nicht denselben Sinn; aber der zweite entsteht aus dem ersten dadurch, dass der Eigenname "Morgenstern" durch den gleichbedeutenden "Abendstern" ersetzt wird. Daraus folgt, dass die Bedeutungen übereinstimmen müssen: (Der Morgenstern ist ein Planet)= (Der Abendstern ist ein Planet) nach dem Gesetze "1-r-F(a) = F(b)". Hieraus ist zu sehen, dass der Gedanke, den der
La=b Satz ausdrückt, nicht das sein kann, was als dasselbe anerkannt wird, ebensowenig wie der Sinn von "Morgenstern" als zusammenfallend mit dem Sinne von "Abendstern" hingestellt wird, wenn wir schreiben "Morgenstern = Abendstern", oder wie in der Gleichung &2 3 + I = 32 « gesagt werden soll, dass der Sinn von &2 3 +1« mit dem Sinne von &32 « zusammenfalle.
84
Bcrtrand Russell
Sie gebrauchen nun das Wort "Sat;« bei Peano? Es kommen verschiedene Erklärungen vor. Was ist bei ihmproposition? Wenn man aufdiese Fragen klare und auf alle Fälle passende Antworten giebt, wird man unausweichlich zu meiner Auffassung gedrängt. Peano hat, wenn ich mich recht erinnere, einen Satz »a, b e p . a :::> b • b :::> a: :::> : a = b« oder ähnlich, entsprechend meinem Satze (IV a), und hieraus folgt, dass alle Sätze, die einen wahren Gedanken ausdrücken, dasselbe bedeuten, ebenso alle Sätze, die einen falschen Gedanken ausdrücken. Wir haben z. B. 3 > 2. :::> •22 = 4 und 22 = 4. :::> •3 > 2; folglich: 3>2.=.22 =4. Mit hochachtungsvollem Grusse Ihr ergebener G. Frege. XXXVI/17
RussELL an FREGE
24. 5. 19031)
Churt, Farnham, d. 24 Mai 1903. Sehr geehrter Herr College! Ich habe heute morgen Ihren Brief erhalten; ich antworte sogleich darauf, denn ich glaube entdeckt zu haben dass die Klassen gänzlich überflüssig sind. Ihre Bezeichnung e
. (r). r Df (Mit "(x). P. p" betrifft, so schreibe ichjetzt dafür "rp(p) ::>pp"; d.h. "die Eigenschaft t:p gehört keinen Gegenständen die nicht wahr sind". Wenn man bei "p q" keine Identität verlangt, so besteht .darin, wie mir scheint, keine Schwierigkeit. Die Funktion aus der für mich Schwierigkeiten wuchsen ist - t:p { q:(p) ::>pp}. Jetzt aber sind diese Schwierigkeiten überwunden, durch Ihr Theorem in Ihrem Anhange, nach dem3 ) f- : '3: {t:p, 't'). ((rp(p) ::>pP) I' ('t' (p) ::>pp). - t:p { rp(p) ::>pp}. 't' { 't' (p) ::>pp}) In den ersten zwei Theilen meines Buches giebt es viele Sachen die nicht gründlich behandelt sind, und viele Meinungen die mir nicht mehr richtig scheinen. Doch in den späteren Theilen, wenn man Funktionen überall an die Stelle von Klassen setzt, scheint mir das Meiste richtig zu sein. Im zweiten Bande') hoffe ich das Ganze symbolisch auszuführen. Mit hochachtungsvollem Grusse Ihr ergebener Bertrand Russell.
=
=
Im Original "nachdem". Russell bezieht sich offenbar auf GGA II, p. 261. Frege leitet dort zunächst einen Satz ( w ab und erhält dann aus diesem auf dem 'Wege der Ersetzung von "a" durch die (mit einer dazu eingeführten Abkürzung "'I'(;)" gebildete) Zeichenverbindung "Mp('l'(ß))" den von ihm nicht begriffsschriftlich ausgedrückten Satz über die Existenz zweierBegriffe "der Art, dass sie, als Argumente der Function zweiter Stufe genommen, denselben Werth ergeben, der nun unter den zweiten dieserBegriffe fallt, nicht aber unter den ersten" (op. cit., p. 261 b). Um eine Verwechslung mit Russells an dieser Stelle benutztem "rp" zu vermeiden, ersetzen wir Freges in GGA I, p. 42 verwendete Standardnotation "Mp(rp(ß))" durch "Mp(x(ß))". Für Mp(x(ß)) setztRussell die Funktion x(P) ::>l'P ein; sein "rp" entspricht dann Fregcs "'I'", sein "y/' der in Freges Folgerung aus :Satz (w als existent behaupteten, durch "Q" angedeuteten Funktion. • Der hier angekündigte zweite Band der Prineiples of Mathematics, zu welchem Russell den ersten laut Vorwort nur als "Kommentar oder Einführung" aufgefaßt 3
91
Bertrand Russell XXXVI/18
FREGE
an RussELL
13. II. 19041)
Jena, den 13. XI. 04 Sehr geehrter Herr College! Entschuldigen Sie, dass ich durch vielerlei Ablenkungen verhindert erst jetzt dazu komme, Ihren Brief vom 24. Mai vorigen Jahres zu beantworten. Ihren Versuch, die Klassen ganz entbehrlich zu machen, kann ich doch nicht als gelungen ansehen, und zwar wegen des isolirenden Gebrauchs der Functionsbuchstaben. Ich habe mich darüber in der 2. Anm. aufS. 148, Bd. II meiner Grundgesetze geäussert. Die Isolirung des Functionszeichens widerspricht dem Wesen der Function, die [sie] in ihrer Ungesättigtheil besteht. Dadurch eben unterscheidet sich die Fi.mction vom Gegenstande. Darum müssen sich auch die Functionsnamen von den Eigennamen wesentlich unterscheiden, und zwar dadurch, dass sie mindestens eine leere Stelle - Argumentstelle-mit sich führen. Und diese Argumentstellen müssen bei einem Functionsnamen immer erhalten und als solche kenntlich bleiben; sonst wird der Functionsname zu einem bedeutungslosen Eigennamen. Dasselbe muss von den Functionsbuchstaben wenigstens überall da gelten, wo sie durch Functionsnamen ersetzbar sein sollen. Ich lasse daher auf den lateinischen Functionsbuchstaben immer eine Klammer folgen, deren Innenraum die Argumentstelle enthält. Nur die deutschen Functionsbuchstaben kommen bei mir auch isolirt vor, aber nur da, wo sie über der Höhlung stehen, weil sie in dieser Stellung nie durch Functionsnamen ersetzt werden sollen. Dies ist aber auch der einzige Fall, wo diese Ersetzbarkeil nicht statt hat. Mit Ihren Bezeichnungen &rp C VJ« und &!p IIIVJ« kommen wir sofort in Verlegenheit, wenn wir zu besonderen Functionen übergehen. Wir haben z.B. nach der in Ihrem Briefe benutzten Bezeichnung &x• = I . ? . x (x- I) (x + I) = 0«
x ? 1p x«; aber wir haben nichts, was Ihrem &!p C VJ« analog wäre. Dazu müssten wir erst alle Functionsnamen*) so umgestalten, dass wir nur eine Argumentstelle hätten und dass diese sich rechts befande. \Vir müss-
analog Ihrem
&!p
* Namen von Functionen erster Stufe mit einem Argumente. wissen wollte, ist als solcher niemals erschienen. Von vo~nherein als Gemeinschaftsarbeit von Alfred North IVhitehead und Bertrand Russe// konzipiert, wurde er im Jahre 1900 begonnen und zu den Principia Mathematica (Cambridge 1910-1913, 1-III) ausgebaut. Cf. B. Russell, The Princ:-iples of Afathematics, Cambridge 1903, p. VI, 2. Auf!. London 1937, p. XVI, und A. N. Whitehead u. B. Russell, Principia Afathematica, I, Cambridge 1910,p. V. 18 1 Das Original des Briefes befand sich nach SchLI im SchArch und ist verlorengegangen. Fotokopien befinden sich im Frege-Archiv und im Russeli-Archiv in Hamilton, Ontario. Ein Entwurf zu diesem Brief befindet sich in der SlgDarmst unter der Signatur H 1884. Er umfaßt 17 Seiten von Freges Hand und weicht mit Ausnahme von zwei Stellen, die in Anm. 4 und 5 berücksichtigt sind, von der Ausführung des Briefes nur unwesentlich ab.
92
Bertrand Russell
ten also z.B. »x2 =I« umgestalten etwa in »i(e2 = !)x« und »x(x-1) (x+l) = 0>l(e(e-1) (e+l) = O)x«, sodass wir schreiben könnten »l(e2 = !)x -::: l(e(e-1) (e+l)= O)x"« und daflir nach Ihrer Definition »l(e2 = 1) C
i(e(e- I) (e+ I)= 0)«. Aber diese Schreibung 2) ergäbe dieselben Schwierigkeiten wie meine Werthverlaufsbezeichnung, dazu aber noch eine neue. Denn der Werthverlauf soll ein Gegenstand und sein Name ein Eigenname sein; aber »e(e2 = I)« sollte ein Functionsname sein, der eine Ergänzung durch das folgende Zeichen forderte. »e(e2 = I) I« wäre gleichbedeutend mit »1 2 = I : - • lJ' lJ' und - lJ' lJ'. ::> . e (- . e e) lJ', endlich i (- • e e) i (- • e e): ::>: - i (- • e e) i (- • e e) und - i (-. e e) i (- • e e): ::> : i (- • e e) i (- • ee) und damit den Widerspruch.') Zur Unterscheidung von seiner Wertverlaufsnotation "i!ll(e)" verwendet Frege hier in "i2• •3+4>2• •4'-31 >2• haben dieselbe Bedeutung weil »2 3-1« dieselbe Bedeutung hat wie »3+4• und wie »4'-3"•· Da nun die Sätze in den Bedeutungen ihrer Bestandthcile vollkommen übereinstimmen, müssen auch sie dieselbe Bedeutung haben. [Dieser Satz ist anschließend gestrichen.] Die in diesen Sätzen enthaltenen Gedanken sind aber verschieden, folglich können diese nicht die Bedeutungen sein. Entweder muss man den Sätzen alk
94
Bcrtrand Russen
Briefes schreiben Sie: "Mit »(x).tp(x)« bezeichne ich den Gedanken dass tp(x) für alle Werthe von x wahr sei". Ich würde hier wohl statt "bezeichnen" "ausdrücken" gesagt haben. Man kann nach meiner Redeweise einen Gedanken bezeichnen und man kann ihn ausdrücken. Jenes geschieht in der ungeraden Rede. "Copernicus meinte, dass die Planetenbahnen Kreise seien" ist ein Beispiel dazu. Durch den mit "dass" eingeleiteten Nebensatz wird ein Gedanke bezeichnet, während durch den ganzen Satz (Hauptsatz und Nebensatz) ein Gedanke ausgedrückt wird. Copernicus selbst konnte den Gedanken, dass die Planetenbahnen Kreise seien, ausdrücken. In unserm ganzen Satze bezeichnet der Eigenname "Copernicus" ebenso einen Mann, wie der Nebensatz "dass die Planetenbahnen Kreise seien" einen Gedanken bezeichnet; und es wird gesagt, dass zwischen diesem Manne und diesem Gedanken eine Beziehung bestehe, nämlich dass der Mann den Gedanken für wahr hielt. Hier stehen also so zu sagen der Mann und der Gedanke auf derselben Bühne. Dagegen stehen der Mann und der Gedanke des ganzen Satzes "Copernicus meinte, dass die Planetenbahnen Kreise seien" nicht aufderselben Bühne. Wenn man sagt, dass hierin der Name "Copernicus" einen Mann bezeichne, so kann man nicht sagen, dass der ganze Satz einen Gedanken bezeichne; denn die Verbindung des Namens mit dem Manne ist ganz verschieden von der des ganzen Satzes mit dem Gedanken. Der Mann wird bezeichnet, der Gedanke wird ausgedrückt. Auch wird der Mann zu dem Gedanken nicht in Beziehung gesetzt. Vergleichen Sie damit folgendes Beispiel! &7-1 «bezeichnet eine Zahl; ebenso bezeichnen »7« und &I« Zahlen. Diese Zahlen stehen so zu sagen auf derselben Bühne. Die Art der Verbindung des Zeichens »7-1 « mit derZahl 7-1 oder 6 ist dieselbe wie die des Zeichens »7« mit der Zahl 7. Nun können wir statt des Zeichens »7« auch das Zeichen »4+3« nehmen, und »4+3-1« bezeichnet nun dieselbe Zahl wie »7-1 «,weil »4 + 3« dieselbe Zahl bezeichnet wie &7«. Wir können 7-1 als Werth der Function E-1 für das Argument 7 ansehen. Und es ist für den Werth einerlei, welches der gleichbedeutenden Zeichen »7« »4 + 3« »42-3 2« wir gebrauchen. In dieser Weise können wir nicht den Gedanken, dass 7 grösser als 6 ist, als Werth der Function E > 6 ansehen flir das Argument 7; denn wir erhalten einen andern Gedanken, wenn wir statt t7« setzen »4+3« und noch einen andern, wenn wir »42-32 « dafür setzen. Wir finden also den Gedanken abhängig von etwas, was nicht das von dem Zeichen Bezeichnete ist; denn dieses ist dasselbe flir »7« wie für »4 + 3«. Es muss also das Zeichen ausser mit seiner Bedeutung noch mit etwas verbunden sein, was verschieden sein kann bei Zeichen, die dasselbe bezeichnen. Die ["alle" gestrichen] jede Bedeutung absprechen oder man muss den \Vahrheitswerth als ihre Bedeutung anerkennen. [Dieser Satz ist anschließend gestrichen.] Haben vielleicht die Sätze überhaupt keine Bedeutung? Dann müsste es einerlei sein, ob die Bestandtheile der Sätze Bedeutungen hätten oder nicht. Aber darauf kommt es doch sehr an. Wenn also ein Satz eine Bedeutung hat und diese nicht der in ihm ausgedrückte Gedanke ist, so bleibt nur übrig, den Wahrheitswerth als Bedeutung des Satzes anzuerkennen.'' Der ganze Abschnitt ist von Frege, z. T. mehrfach, durchgestrichen.
Bertrand Russen
95
Zeichen bezeichnen nicht nur etwas, sondern sie drücken auch etwas aus. Dies ist der Sinn. In der That haben die beiden Sätze •7 = 7« und 58 • 211 - 4 7« 753 für unsere Erkenntnis nicht denselben Werth, obwohl das Zeichen •58 • 211 - 4 « dasselbe bezeichnet wie •7«. Der Erkenntniswerth hängt also 753 nicht nur von der Bedeutung ab; der Sinn ist ebenso wesentlich. Ohne diesen hätten wir überhaupt keine Erkenntnis. Wenn ich sage t7-l =6«, so steht dabei die Zahl 7 mit dem Sinne von •7-h ebensowenig auf derselben Bühne wie mit dem Gedanken, dass 7-1 =6 ist. Dagegen steht der Sinn des Zeichens •7 « mit diesem Gedanken auf derselben Bühne; man kann sagen: er ist Theil dieses Gedankens und auch Theil des Sinnes von t 7-1«. Wir müssen also diesen Gedanken als Sinn des Satzes auffassen und sagen demgemäss: der Satz drückt den Gedanken aus. Können wir uns nun nicht mit dem Sinne des Satzes begnügen und auf eine Bedeutung verzichten? Es kommt ja auch sonst vor, dass ein Zeichen wohl einen Sinn, aber keine Bedeutung hat, und zwar in Sage und Dichtung. Der Sinn ist also unabhängig davon, ob eine Bedeutung vorhanden ist. Wenn es uns demnach nur auf den Sinn des Satzes, auf den Gedanken ankommt, brauchen wir uns auch nur um den Sinn der den Satz bildenden Zeichen zu kümmern; ob sie auch eine Bedeutung haben oder nicht, ist ohne Einfluss auf den Gedanken. Und dies ist in der That der Fall in Sage und Dichtung. Umgekehrt: wenn es uns nicht gleichgültig ist, ob die einen Satz bildenden Zeichen bedeutungsvoll sind, so kommt es uns auch nicht nur auf den Gedanken an, sondern auch auf die Bedeutung des Satzes. Und das ist immer dann und nur dann der Fall, wenn wir nach der Wahrheit fragen. Dann und nur dann also kommt die Bedeutung des Satzes für uns in Betracht; sie muss also aufs Engste mit der Wahrheit verknüpft sein. Von der ungeraden Rede muss hier abgesehen werden; denn wir haben gesehen, dass diese die Gedanken bezeichnet, nicht ausdrückt. Von dieser also abgesehen gilt, dass jeder wahre Satz durch jeden wahren Satz unbeschadet der Wahrheit ersetzt werden kann, und ebenso jeder falsche durch jeden falschen. Und damit ist gesagt, dass alle wahren Sätze dasselbe bedeuten oder bezeichnen und ebenso alle falschen Sätze in Uebereinstimmung mit Ihrer Definition »x I' y = rp x :::> rp y«. Ich möchte hieran einige Bemerkungen knüpfen. Sie 'P
haben das Identitätszeichen »I'« und das Gleichheitszeichen, das Sie so erklären: »u = v. = .·. Indiv(u) :::> u I' v: - Indiv(u) :::>. - Indiv(v). u 111 v Def«. Hierbei setzen Sie es jedoch als bekannt voraus wie in jeder Definition, so auch in der Erklärung der Identität •x I' y . = . rp x :;> rp y Df«. Ich kann dies nicht statthaft finden. Doch das nur nebenbei. Sie unterscheiden dabei die Fälle lndiv(u) und -Indiv(u). In Ihrer Erklärung der Identität haben wir nun wohl den Fall Indiv(x I' y). Und so werden Sie die Bedeutung jedes Satzes als Gegenstand auffassen, sodass das Gleichheitszeichen, wenn es zwischen Sätzen steht durch »I'« ersetzt werden kann. Nun fragt es sich: wann bedeutet ein Satz den-
96
Bertrand Russell
selben Gegenstand wie ein anderer Satz? Jedenfalls muss »42-3 2 = 7« denselben Gegenstand bedeuten wie »7 = 7«, weil »42-32 « dasselbe bedeutet wie »7«. Welches ist nun dieser Gegenstand, wenn es nicht der Wahrheitswerth ist? Uebrigens ist mir die Unterscheidung des Gleichheitszeichens von »I':wischen isolirten Functionszeichen stände, so ginge, wie mir scheint der Vortheil verloren, weswegen diese Isolirung wünschenswerth erscheint. Wenn man überhaupt isolirte Functionszeichen zulässt, muss man sie auch zu beiden Seiten des Identitätszeichens zulassen. Ihre Definition »- p. = : p. :::>. (r) . r« hat mich interessirt. In meinen Zeichen sähe sie so aus:
•11-(TP) = -y&-a« L-p.
Dadurch wird ein Urzeichen erspart; man wird aber wohl einige neue Urgesetze brauchen z. B.
~~
oder
p :::> (r) . r : :::> (r) . r .·. :::> p
Es ist eigentlich für ein Urgesetz zu verwickelt, und ich weiss nicht, ob es sich auf Einfacheres zurückführen lässt. Mit hochachtungsvollem Grusse Ihr ergebener G. Frege. XXXVI/19
RussELL an FREGE
12. 12. 19041)
Ivy Lodgc, Tilford, Farnham. 12. Dez. 1904. , Sehr geehrter Herr College! Besten Dank für Ihren sehr wichtigen Brief. Den Versuch, die Klassen ganz entbehrlich zu machen, habe ich schon seit ungefähr ein Jahr als verfehlt anerkannt, aus wesentlich denselben Gründen die Sie angeben. Doch bin ich noch nicht darüber klar, dass der isolirende Gebrauch der Funktionsbuchstaben niemals gestattet ist. In diesem Punkte bin ich nicht ganz Ihrer An1
Das Original des Briefes befindet sich in der S/gDarmst unter der Signatur H 1897.
97
Bertrand Russell
sieht, aus Gründen die Sie in meinem Buche finden werden, § 480ff., besonders § 483. Hierüber glaube ich jetzt ungefähr das Folgende: Im Fall einer besonderen Funktion, z.B. (~-!)·(~+!),kann man gewiss nicht das als Gegenstand betrachten, was dadurch entsteht dass man ~ bloss fortlässt. Ich glaube aber dass, wenn man die Schreibweise fi!X gebraucht, der Buchstabe (/! irgend etwas bezeichnen muss, was dasselbe bleibt wenn man y an die Stelle von x stellt. Dies Etwas ist, wie ich glaube, eben das was man durch (/J~ bezeichnet. Das heisst, ein besonderer Werth von (/! wäre eben (~-!)· ( ~ + I). Denn sonst ist es schwer das herauszufinden, was eigentlich dasselbe ist bei qJX und fi!Y· Doch habe ich bisjetzt darüber keine bestimmte Meinung. Ich glaube dass der Widerspruch nicht aus der Natur der Klasse entsteht, sondern daraus, dass gewisse Ausdrücke von der Form
(fl!). F (x, fPX, (/!~) (hier sollte (/!ein deutscher Buchstabe sein) nicht Funktionen von x darstellen. Das heisst, man hat
1-:: (3 F):: -'(af) :. (x) :fx. Dies ist leicht zu beweisen im Fall von
x
=
i
i (f/J~) • ::::>.. • -
=. (f/J). F (x, cpx, f/J~). px .
Denn dieser Satz negiert f{ (f~)} für jedes f; daher wird keinf7J immer behauptet. Wenn man die Funktionen als Gegenstände zulässt, so ist x = (/!~ 'fi!X ein noch einfacheres Beispiel desselben. 2 )
. i' . -
Wenn ich darin Recht habe, so muss man sich über das Wesen der Funktion verständigen. In einem Satze von der Form x=f(fl!~).
.
::::>. fi!X
• Russells Gedankengang an dieser Stelle wird selbst dann nicht völlig durchsichtig, wenn man die Ausdrucksweise, eine Funktion werde "immer behauptet", in Anlehnung an Principles § 103 als Ausdruck für das Erfülltsein einer Aussageform (propositional function) durch alle zulässigen Argumente interpretiert. Eine durch den Kontext nahegelegte Herleitung der Russellschen Antinomie mittels des angegebenen speziellen Ausdrucks scheint nicht möglich. Man nehme nämlich den nach Russells Vorschlag als (q.>) .F(x, q.>x, q>~) zu wählenden Ausdruck x = ~(q.>~). ::::>.- tpx,der ja eine Abkürzungfür ( q>): x = ~ ( q.>~). ::::>.- q.>x ist (und in dem"~ ( q.>~)" Fregcs Wertverlaufsbezeichnung entspricht). Ist dies überhaupt ein zulässiger Ausdruck, so ist er, wie der Allquantor am Beginn anzeigt, eine Aussageformfx. Bei Einsetzung von .. ~(f~)" für "x" ergibt sich also die (wahre oder falsche) Aussage ( q.>): ~(jl;) = ~ ( q>~). ::::>.- q>(~ (fl;)). Wäre diese Aussage wahr, so müßte speziell für f gelten: ~(ft;) = ~(f~). ::::>. -f(~(f~)), also, da ~ (f~) = ~ (f~) wahr ist, - f( ~ (f~)). Dies widerspräche jedoch der unter unserer Annahme ebenfalls wahren Aussagef(~(f~)). Also mußj(~(fl;)) bzw. (q>):~(f~)= ~(q>~). ::::>.-q>{t(f~)) falsch sein. Daraus folgt jedoch kein Widerspruch; es folgt nur, daß der angegebene Ausdruck eine Aussageform ist, die von ihrem eigenen Wertverlauf nicht erfüllt wird. Den Ausdruck "x = '1'~· ::::>. -'q.>x" betrachtet Russell nurwegen der darin verwendeten (von Fregc abgelehnten) Notation "pi" statt der \'V~rtverlaufs notation "~ ( q>~)" als "ein noch einfacheres Beispiel"; die eben angestellte Uberlegung gilt ganz entsprechend.
98
Bertrand Russen
werden für jedes x diejenigen Funktionen behauptet für die x =f (tp~) be· steht. Diese Funktionen sind gewöhnlich für verschiedene Werthe von x verschieden; deshalb ist es nichts Selbstverständliches dass es eine Funktion gebe die immer behauptet wird. Wenn wir hier den richtigen Weg zur Beseitigung des Widerspruchs anerkennen, so besteht das Urgesetz
1- :. (x) .Jx
= gx. """ • e(JE) = i (g~).
aber man bedarf mehrerer sehr verwickelter Urgesetze über die Fälle wo die Funktionalität eines Ausdrucks besteht welches von der Form ( tp) • F (x, tpx, tp~) ist. Es ist aber fast sicher dass man, um den Widerspruch zu vermeiden, Ur· gesetze annehmen muss die gar nicht einleuchtend sind. Für die Negation gebrauche ich als Urgesetz 1- :. p ::J q • ::J . p : ::J . p welches kaum einleuchtend ist. 3) Es ist aber von derselben Form wie die anderen Urgesetze über die Deduktion. Diese sind nach mir
1--P::JP 1-:p .::J .q ::JP 1- :. p . ::J . q ::J r : ::J : q . ::J . p ::J r 1- :. P ::J q • ::J : q ::J T • ::J . P ::J T •
und das obige. Ich habe diese anstatt andere gewählt, weil es mir schien dass ihre Anzahl die kleinste war die ausreichen würde. Ich stelle ferner p. q. = :. (r) :. p. ::J . q ::J r: ::J . r ·Df p v q. = : p ::J q. ::J • q Df (Disjunktion) - p. = : p. ::J . (r) . r Df. Ueber Sinn und Bedeutung sehe ich lauter Schwierigkeiten, die ich nicht zu überwinden vermag. Ueber die Gründe die mich verhindern, Ihre Ansicht im Ganzen anzunehmen, habe ich mich im Anhang meines Buches geäussert, und ich stimme noch immer dem zu, was ich da geschrieben habe. Ich glaube dass der Mont Blanc selbst, trotz aller seiner Schneefelder, Bestandtheil desses ist was eigentlich behauptet wird im Satze "Der Mont Blanc ist mehr als 4000 Meter hoch". Man behauptet nicht den Gedanken, der ja psychologische 3 Dieses Gesetz wird von Russen in The Principlesof Mathematics, London 1903,2. Auf!. 1937, § 18 {pp. 16--17) unter der Bezeichnung "the principle ofreduction" als Axiom (10)
aufgeführt. Heute bezeichnet man es als "Peircesche Aussage" oder "Pcirce's law" nach Charle.< S. Peirce, On the algebra of logic. A contribution· to the philosophy of notation, American Journal of Mathematics 7 (1885), pp. 180-202. Zu dem von Russen intendierten Zusammenhang mit der Negation cf. B. Russell, The Throry of lmplication. American Journal of Mathematics 28 (1906), pp. 159-202, insbes. die Note auf pp. 200sq. Da bei diesem Aufbau mit einer durch -,p ~ P-+ /Aqq definierten Negation die Aussage tA q q eigens als falsch festgesetzt werden muß, kann man statt dieser Allaussage auch gleich eine Aussagenkonstante .A. {"falsum") wählen und die Negation entsprechend durch -, p ~ p-+ .A. definieren. Über weitere einschlägige Eigenschaften der Peirceschen Aussage cf. den Artikel Aussage, Peircesche in ]oachim Ritter (ed)., Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. I, Basel/Stuttgart 1971, col. 672, und die dort genannte Litc-ralur.
Bertrand Russell
99
Privatsache ist: man behauptet das Objekt des Gedankens, und dies ist meines Erachtens ein gewisser Complex (ein objektiver Satz, könnte man sagen) worin der Mont Blanc selber ein Bestandtheil ist. Wenn man dies nicht zugesteht, so bekommt man zum Schluss dass wir über den Mont Blanc selbst überhaupt nichts wissen. Deshalb ist mir die Bedeutung des Satzes nicht das Wahre, sondern ein gewisser Complex der (im gegebenen Falle) wahr ist. Im Falle eines einfachen Eigennamens wie "Sokrates" kann ich zwischen Sinn und Bedeutung nicht unterscheiden; ich sehe nur die Idee, die psychologisch ist, und das Objekt. Besser gesagt: Ich gestehe den Sinn garnicht zu, sondern nur die Idee und die Bedeutung. Den Unterschied zwischen Sinn und Bedeutung erblicke ich nur im Falle vom Complexen die ein Objekt bedeuten, z.B. den Wertben der gewöhnlichen mathematischen Funktionen wie;+ l, EZ etc. Doch gestehe ich zu dass in dieser Ansicht gewisse Schwierigkeiten liegen. Von dem was ich über den Mont Blanc gesagt habe, werden Sie einsehen, dass ich die Identität aller wahren Sätze nicht einräumen kann. Denn der Mont Blanc ist m.E. Bestandtheil des schon besprochenen Satzes, nicht aber des Satzes dass alle Menschen sterblich sind. Dadurch schon sind diese beiden Sätze als von einander verschieden bewiesen. Die Definition des Gleichheitszeichens die Sie kritisieren ist natürlich mit der ganzen Ansicht der sie zugehört gefallen. Ich stelle jetzt x = y . = . q;x -:; rpy Df. (Dem Einwand, dass hier das Gleichheitszeichen, welches zu definiren ist, schon als bekannt vorkommt, antworte ich, mit Peano, dass "= ... Df" für mich als ein· Symbol gilt, welches nicht dasselbe ausdrückt wie "= ". Die Definitionen sind eigentlich kein Theil der Lehre, sondern typographische Festsetzungen. "= ... Df" ist nicht eine der primitiven Ideen der Mathematik, sondern drückt bloss meinen Willen aus.[)] Ich glaube dass (41-32 = 7). =. (7-7) falsch ist. Denn m.E. muss') man in einem Complex kein Bestandtheil durch ein anderes von derselben Bedeutung aber von verschiedenem Sinne ersetzen, wenn man die Identität beibehalten will. Denn ich glaube dass der Sinn von "42-3 2" dem Satze wesentlich ist, d.h. Bedeutung der Bestandtheile bestimmt allein den Satz nicht. Mit hochachtungsvollem Grusse Ihr ergebener Bertrand Russell.
XXXVI/20
RuSSELL
an FREGE
16. 3. [1912)1 )
Hrsg: Russell fordert Frege auf, mit einem Vortrag am Mathematiker-Kongreß in Cambridge teilzunehmen.
• Im Sinne von ,darf[man kein]'. 20 1 Der Nachweis dieses Schreibens, über dessen Verbleib nichts bekannt ist, und Andeutungen zu seinem Inhalt finden sich in XXXVI/21.
100
Bertrand Russell
XXXVI/21
FREGE
an
Rt:SSELL
9. 6. 19121) Jena, den 9. VI. 12.
Sehr geehrter Herr Kollege! Schon lange liegt es mir schwer auf der Seele, dass ich Ihr freundliches Schreiben vom 16. III. noch nicht beantwortet habe. Ich weiss die Ehre ganz zu schätzen, die Sie mir durch die Aufforderung erwiesen haben, am Mathematiker-Kongresse teilzunehmen und dort einen Vortrag zu halten, und doch kann ich mich nicht entschliessen, ihr Folge zu leisten. Ich sehe ein, dass ich gewichtige Gründe habe, nach Garnbridge zu gehen, und doch fühle ich etwas wie ein unüberwindliches Hindernis. Und das macht es mir so schwer, Ihren liebenswürdigen Brief zu beantworten. Bitte, zürnen Sie mir deswegen nicht! Und nun habe ich Ihnen noch meinen herzlichen Dank zu sagen, das Sie und Ihr Herr Mitverfasser mir mit dem zweiten Bande Ihrer Principia Mathematica gemacht haben [sie]•). Weil ich verreist war, hat das Paket hier einige Wochen auf dem Steueramte gelegen, ohne dass ich seinen Inhalt kannte. Andere Beschäftigungen und Mangel an Kraft haben mich bis jetzt nur einige flüchtige Blicke in das Buch tun lassen; aber ich hoffe Zeit für ein gründlicheres Studium zu finden. Also nochmals herzlichen Dank! Mit hochachtungsvollem Grusse Ihr ergebener G. Frege.
Das Original des Briefes befindet sich im Russeli-Archiv in Hamilton, Ontario. In diesem syntaktisch mißglückten Satz scheint Frege zwei verschiedene von ihm erwogene Formulierungen vermengt zu haben. Ob er seine, ,Freude über das Geschenk" zum Ausdruck bringen wollte, das ihm Russell und Whitehead mit dem zweiten Band der Prin&ipia gemacht hatten, oder ob er einfach dafür danken wollte, daß sie ihm diesen Band "zum Geschenk gemacht haben", dürfte kaum noch rekonstruierbar sein. 1
2
ANHANG Ausgewählte Einzelbriefe
103 Dieser Anhang enthält sechs Briefe Freges, die eine Ergänzung zu den Kernbriefwechseln darstellen. Im folgenden Schreiben an H. Ding/er nimmt Frege zu dessen Auffassung Stellung, "dass die 'Wahrheit' der Prämissen für die Gültigkeit des Schlusses völlig irrelevant ist". Im Hintergrund stehen dabei Hilberts axiomatische Methode und dessen Vorschlag, "wahr" als "widerspruchsfrei" zu verstehen (cf. Hilberts Brief XV/4). Der Brief an R. Hönigswa/d handelt noch einmal von der Russellschen Antinomie. Die Unentbehrlichkeit des Urteilsstrichs und des Sinns von Eigennamen für die Logik verteidigt Frege im Schreiben an P. E. B. Jourdain. Die Briefe an P. F. Linke und G. Peano greifen mit Überlegungen zum Gleichheitszeichen die Unterscheidung von Sinn und Bedeutung auf. Ein sehr frühes Dokument stellt der Brief an A. Marty dar, in dem Frege einige grundlegende Ideen seiner Begriffsschrift erläutert; u.a. vertritt er mit einer Wendung gegen "ein selbständiges Bestehen des Begriffes" das Kontextprinzip für Begriffsausdrücke.
IX/4
FREGE
an
DINGLER
6. 2. 1917 1)
Jena, den 6.11. 1917
Sehr geehrter Herr Doctor! Besten Dank für Ihren ausfUhrliehen Brief! Ich wollte, es wäre mir gelungen, die Grundlagenprobleme den Mathematikern näher zu bringen. Bis jetzt freilich sehe ich noch wenig Erfolg. Im Hinblick auf den Inhalt Ihres Briefes glaube ich, dass wir uns zunächst über die Ausdrücke "Satz" und "Voraussetzung" verständigen müssen. Wenn ich nicht irre, unterscheiden die Logiker den Satz als das Aeussere, Hörbare oder Sichtbare von dem Urteile, dem im Satze ausgedrückten Inhalte. Den Satz halten die Logiker wohl für das Unwesentlichere, das für sie nur des ausgedrückten Inhalts wegen in Betracht kommt. Die Mathematiker unterscheiden im Ganzen weniger scharf. Der Satz und sein Inhalt verschwimmen für sie wohl manchmal, und sich um den Sinn zu kümmern, mag vielen als eines Mathematikers unwürdig erscheinen; wiewohl auch ihnen, wenn auch nur ganz unklar bewusst, im tiefsten Grunde der Si~n, der Inhalt die Hauptsache sein muss. Ich schliesse mich mehr der Redeweise der Logiker an, indem ich unter "Satz", von dem ich als dessen Sinn oder Inhalt den Gedanken unterscheide. 2) Ich sage: indem man einen Gedanken fasst, denkt man; indem man einen Gedanken als wahr anerkennt, urteilt man, indem man ein Urteil kund gibt, behauptet man. Es ist zweierlei, einen Gedanken nur auszudrücken und ihn zugleich zu behaupten. Was von beiden geschieht, ist oft nur aus den äussern Umständen zu erkennen. Was der Schauspieler auf der Bühne sagt, hat meist die Form von Behauptungssätzen und würde ausserhalb der Bühne gesprochen auch als Behauptung meist verstanden werden; aber man weiss ja: auf der Bühne ist es nicht Ernst, nur Spiel. Der Schauspieler tut nur so, als be4' Das Brieforiginal ist im Besitz von Frau Martha Ding/er (Aschaffenburg). • Der voranstehende Satz ist auch im Original unvollständig.
Hugo Dingler
104
haupte er etwas, wie er nur so tut, als wolle er einen Andern erstechen, und man kann ihn ebensowenig der Lüge wie des Mordversuchs zeihen. Was auf der Bühne gesprochen wird, wird ohne behauptende Kraft gesagt. Aber auch in der Sprache der Wissenschaft wird ein Gedanke manchmal nur ausgedrückt ohne als wahr hingestellt zu werden, z.B. in Fragesätzen oder in Bedingungssätzen. Darum unterscheide ich Gedanken und Urteile, Gedankenausdrücke und Behauptungen. Ich gehe zu den Satzgefügen über. Der für die Mathematik wichtigste Fall ist wohl der eines Satzgefüges, das aus Bedingungssätzen und einem Folgesatz besteht. Betrachten wir den einfachsten Fall, wo nur ein Bedingungssatz vorkommt. Es ist da zunächst denkbar, dass der Bedingungssatz einen Gedanken ausdrückt, dass der Folgesatz einen Gedanken ausdrückt und dass auch das ganze Satzgefüge einen Gedanken ausdrückt. Die Sachlage ist dann die, dass man die Wahrheit des letzten Gedankens anerkennen kann, ohne darum schon die Wahrheit eines der beiden ersten Sätze anzuerkennen. So kann man den Satz "Wenn 13 13 > 23" ist, so ist 1313 + I > 23 11 +1" anerkennen, ohne zu wissen, ob 13 13 > 23" ist und ob 13 13 + 1 > 23"+1 ist. Ausdem Satze "13 13 > 23"" oder besser aus seinem Gedankeninhalte kann man nichts schliessen, solange man nicht weiss, dass er wahr ist. Ich kann nicht verschiedene Bedeutungen des Wortes wahr anerkennen. Freilich kann man den Satz beweisen "Wenn eine erste Zahl grösser, als eine zweite ist, so ist die um 1 vermehrte erste Zahl grösser, als die um 1 vermehrte zweite Zahl" oder "Wenn a > b, so ist
a+ 1 >
b + 1" oder in meinen Begriffsschriftzeichen
"t:~};
b + 1". Die-
ser Satz scheint ganz derselben Art zu sein wie der oben ausgesprochene oder wie der einfachere "Wenn 3 > 2 so ist 3 + 1 > 2 + 1" oder in meinen Zeichen "'[
~ ~l 2>
2 + 1" und doch
hab~n wir einen ganz verschiedenen Fall. Wir
können mit dem Satze "3 > 2", nachdem er als wahr anerkannt ist den Satz "3 + 1 > 2 + 1" beweisen; aber wir können nicht aus dem Satze "a > b" den Satz "a+l > b+l" beweisen; denn "a > b" istkein eigentlicher Satz, weil er keinen Gedanken ausdrückt und folglich auch nicht als wahr anerkannt werden kann. Wir haben in • '[ =~l b>
b+ 1«
nicht drei Gedanken, sondern
nur einen einzigen ausgedrückt. Die Buchstaben "a" und "b" bezeichnen nichts, sondern dienen nur dazu einen allgemeinen Gedanken auszudrücken. Ich nenne »a > b« deswegen einen undgentliehen Satz, weil er zwar die Form eines Satzes hat, aber keinen Gedanken ausdrückt. Nachdem man die Sätze ~a+l>b+I · . t La> b « und »3 > 2« als wahr anerkannt hat, kann man s1e als Praemissen in einem Schlussverfahren benutzen und so den Satz »3 + 1 > 2 + 1« beweisen. Nur dadurch kommt ein Sinn des Satzes
•t:~\>
b+l«, dass
das »a« oben auf das ta« unten hinweist und umgekehrt. Aus einem uneigentlichen Satze gewinnt man einen eigentlichen, indem man die nur andeutenden
Hugo Dingler
105
Buchstaben oder sprachlich solche Wörter wie "etwas" und "es" durch bezeichnende Zeichen ersetzt. Wahrscheinlich ist mir, dass, wenn man meint aus einem Satze etwas schliessen zu können, der nicht wahr ist, weil er keinen Gedanken ausdrückt, diese scheinbare Praemisse ein uneigentlicher Satz ist, der sprachlich als Bedingungssatz erscheint in einem Satzgefüge, das auch noch aus einem Folgesatze besteht, der ebenfalls ein uneigentlicher Satz ist, und vielleicht noch aus andern undgentliehen Bedingungssätzen. Das ganze Satzgefüge mag ein eigentlicher Satz sein, der einen wahren Gedanken ausdrückt. Aber die einzelnen undgentliehen Sätze, aus denen das Satzgefüge besteht, sind, aus dem Zusammenhange des Ganzen herausgerissen, unbrauchbar und haben keinen Sinn, wiewohl sie Teile haben mögen, die sinnvoll sind. Von einem allgemeinen in einem Satzgefüge ausgedrückten wahren Gedanken geht man zu einem darin enthaltenen besondern Falle über, indem man einen darin vorkommenden Buchstaben z.B. ta« überall, wo er in dem Satzgefüge vorkommt, durch dasselbe bezeichnende Zeichen ersetzt. Der Kürze wegen sage ich hier "dasselbe Zeichen". Natürlich haben wir an den verschiedenen Stellen verschiedene Dinge. Wenn diese Dinge dieselbe Gestalt haben sollen, damit sie dasselbe bezeichnen, und wenn diese Absicht auch erkennbar ist, so nenne ich diese verschiedenen Dinge der Kürze und Bequemlichkeit des Ausdrucks halber da~selbe Zeichen. Das Satzgefüge bildet so ein geschlossenes Ganzes der Art, dass innerhalb dieses Satzgefüges überall, wo ein ta« vorkommt, dasselbe bezeichnende Zeichen zu setzen ist, wohingegen es einerlei ist, ob ausserhalb des Satzgefüges dasselbe geschieht. Wenn wir nun den Inhalt des ursprünglichen Satzgefüges in einem Urteile als wahr anerkannt haben, können wir auch den Inhalt des durch die Ersetzung entstandenen Satzgefüges als wahr anerkennen. Wir haben eine Folgerung gezogen, indem wir vom Allgemeinen zu einem darin enthaltenen Besondern übergegangen [sind] 3). Denn darin besteht eben die durch den Buchstaben ~a« bewirkte Allgemeinheit, dass ein solcher Uebergang gestattet ist. Nun kann es vorkommen, dass hierbei einer der ursprünglichen uneigentlichen Bedingungssätze in einen eigentlichen Satz übergeführt worden ist, und dass dieser Satz einen wahren Gedanken ausdrückt. Wir können nun die durch die Folgerung gewonnene Wahrheit als erste Praemisse und die durch ein Urteil anerkannte Wahrheit des in dem durch die Ersetzung gewonnenen eigentlichen Satze ausgedrückten Gedankens als zweite Praemisse eines Schlusses annehmen. Der Schlusssatz entsteht dann aus dem Satze der ersten Praemisse durch Unterdrückung des Teils, der den Inhalt der zweiten Praemisse ausmacht. Beispiel: fr a +I > 2 Ursprüngliches Satzgefüge. Der senkrechte Strich am linken La> I Ende des oberen Wagerechten ist der Urteilsstrich, durch den die Wahrheit des Inhalts anerkannt wird. fr 2 +I > 2 Satz, der aus dem ursprünglichen Satzgefüge dadurch gewonL2> I nen ist, dass der Buchstabe ~a« durch das bezeichnende Zeichen • Original: ist.
Hugo Dingler
106
ersetzt ist. Dieser Uebergang entspricht einer Folgerung. Uebergang vom Allgemeinen zu einem darin enthaltenen Besondern. Dieser Satz enthält die erste Praemisse. Aus dem uneigentlichen Satze ~a > l I« erhalten. Dieser als wahr anerkannt 1-- 2 > I ist die zweite Praemisse. I-- 2 +I > 2 Schlusssatz, Satz der ersten Praemisse nach Unterdrückung des Teils, der den Gedanken der zweiten Praemisse enthält. Im Schlussurteile ist die zweite Praemisse ganz, die erste wenigstens z[um] Th[ei]l verschwunden. Und dies ganze oder teilweise Verschwinden der Praemissen ist das für den eigentlichen Schluss Kennzeichnende. Der Zusammenhang wird oft verdeckt durch die Weise des Vorgehens. Man sagt z.B.: "Es sei a > !". Dann nach einigen Ueberlegungen: "Also ist a +I > 2". In diesem Falle ist der Weg freilich nur kurz, in andern Fällen kann er aber auch recht lang sein. Und nun glaubt man, man habe aus dem - sagen wir einmal Axiome "a > I" den Satz "a +I > 2" bewiesen. Ganz falsch! Was man bewiesen hat, [ist] der Inhalt des Satzes "Wenn etwas grösser als I ist, so ist das, was man aus ihm durch Addition der I erhält, grösser als 2" oder in Zeichen und genauer ty- a +I > 2 »La> I «. Dadurch, dass man sagt "Es sei a > I", macht dies den Eindruck eines selbständigen Satzes, während es doch eigentlich nur ein uneigentlicher Bedingungssatz ist, der vereinzelt noch gar keinen Sinn hat, vielmehr erst zusammen mit dem uneigentlichen Folgesatze "so ist a -LI > 2" ein sinnvolles Ganzes ergibt. Wenn man das Ergebnis des Beweises hinschreiben will, darf man nicht schreiben "a+ I > 2"; denn das besagt garnichts, sondern man muss hinschreiben · 1st · d"1e sc h em · b are P raemtsse, · " aa+ >1 > 2 " und h"1enn od er, wenn man ~2«
t
1
will, das scheinbare Axiom "a > I" nicht verschwunden, sondern noch mit Haut und Haar enthalten, woraus zu ersehen ist, dass es eben nur eine scheinbare Praemisse gewesen ist. Mit Hochachtung Ihr ganz ergebener G. Frege.
Richard Hönigswald
XVII/5
FREGE an HöNIGSWALD
107
26. 4.-4. 5. 1925 1)
Bad Kleinen i. Meckl., 26. 4. 1925. Hochgeehrter Herr Kollege! Eigentlich habe ich Ihnen mehr zu danken als Sie mir; denn es muss mir sehr daran liegen, dass etwas aus meiner Feder in Ihren wissenschaftlichen Grundfragen erscheint, zumal, da wir in den Hauptpunkten so gut übereinstimmen. Natürlich finde ich es ganz in der Ordnung, dass Sie einige Bemerkungen dazu machen und Wünsche äussern in Ihrem vorgestrigen Briefe. Es wird mir leid tun, wenn ich infolge meines Gesundheitszustandes und Gedächtnisschwäche nicht ganz Ihren Anforderungen, die ich für ganz berechtigt halte, genügen kann. 28.IV. Ich wende mich zuerst den Paradoxien der Mengenlehre zu. Sie entstehen dadurch, dass man einen Begriff, z.B. Fixstern, mit etwas verbindet, was man die Menge der Fixsterne nennt, was durch den Begriff bestimmt erscheint und zwar als ein Gegenstand. Ich denke mir also die unter den Begriff Fixstern fallenden Gegenstände zu einem Ganzen vereinigt, das ich als Gegenstand auffasse und mit einem Eigennamen "die Menge der Fixsterne'' bezeichne. Diese Verwandlung eines Begriffes in einen Gegenstand ist unzulässig; denn nur scheinbar ist die Menge der Fixsterne ein Gegenstand; in Wahrheit gibt es einen solchen Gegenstand gar nicht. Bei einem Gegenstand und einem Begriffe (erster Stufe) sind immer nur zwei Fälle möglich: entweder der Gegenstand fällt unter den Begriff oder er fällt nicht unter den Begriff. Auf diesen Fall angewendet heisst dies: entweder fällt die Menge der Fixsterne unter den Begriff Fixstern oder sie fällt nicht darunter, mit anderen Worten: entweder ist die Menge der Fixsterne ein Fixstern oder sie ist kein Fixstern.
1 Das Original des Briefes befand sich nach SchLl im SchArch und ist verlorengegangen. Dem Text liegt eine Maschinenabschrift aus dem SchNaehl zugrunde. Der Brief bezieht sich auf eine geplante Veröffentlichung von Freges Erkenntnisquellen der Matherrw.tik und der mathematischen Naturwissenschaften (erstmals gedruckt in NSchr WB 1, pp. 286-294) in den Wissenschaftlichen Grundfragen, einer von R. Hönigswald herausgegebenen Reihe philosophischer Abhandlungen, die seit 1924 in loser Folge erschienen. Hönigswald hatte Frege gebeten, seinen Artikel "in einigen besonders wichtigen Punkten" zu erweitern, wobei er u.a. die "Paradoxien der Mengenlehre" nannte. In seinem Brief geht Frege darauf ein, indem er eine Darstellung der Russellschen Antinomie gibt; die Einarbeitung seiner Ausführungen in die Erkenntnisquellen konnte er nicht mehr vornehmen. In eindringlicher Weise dokumentiert dieses letzte überlieferte Schriftstück von Freges Hand die persönliche Erschütterung, die für Frege von der Entdeckung der Antinomie ausging.
108
Richard Hönigswald
2.V. Was ein Fixstern ist, gehört der Menge der Fixsterne an. Wenn also die Menge der Fixsterne ein Fixstern ist, so gehört die Menge der Fixsterne sich selber an. Was kein Fixstern ist, gehört der Menge der Fixsterne nicht an. Wenn also die Menge der Fixsterne kein Fixstern ist, so gehört die Menge der Fixsterne sich nicht selber an. Wir unterscheiden so Mengen, die sich selber angehören, von Mengen, die sich nicht selber angehören. 3.V. Die Menge der sich selbst nicht angehörenden Mengen heisse M. Gehört M sich selber an? Nehmen wir zuerst an, sie tue es! Wenn etwas einer Menge angehört, so fallt es unter den Begriff, durch den die Menge bestimmt ist. Wenn demnach M sich selber angehört, so istMeine Menge, die sich selber nicht angehört. Unsere Annahme, M gehöre sich selber an, führt also auf einen Widerspruch. Nehmen wir zweitens an, M gehöre sich selber nicht an ! Dann fallt Munter den die Menge M bestimmenden Begriff, gehört also dieser an. Wenn demnach M sich selber nicht angehört, gehört M sich selber an. Die Annahme, M gehöre sich selber nicht an, führt also ebenfalls auf einen Widerspruch. Das sind die Paradoxien der Mengenlehre, die diese unmöglich machen. Statt "Menge der F", wobei "F" ein Begriffswort vertritt, könnte man ebenso gut sagen "Begriffsumfang von F" oder "Klasse der F" oder "System der F". Das Wesentliche dieses in ein Gestrüpp von Widersprüchen führenden Verfahrens ist in folgendem zusammenzufassen. Man sieht die unter F fallenden Gegenstände als ein Ganzes, einen Gegenstand an und bezeichnet es mit dem Namen "Menge der F" ("Begriffsumfang von F", "Klasse der F", "System der F" usw.). Man verwandelt hiermit ein Begriffswort "F" in einen Gegenstandsnamen (Eigennamen) "Menge der F". Dieses ist unzulässig wegen der wesentlichen Verschiedenheit von Begriffund Gegenstand, die freilich in unseren Wortsprachen sehr verdeckt ist. Begriffswörter und Eigennamen sind aufeinander abgepasst*). Entsprechend der Ergänzungsbedürftigkeit (Ungesättigtheit, prädikativem Wesen) ist auch das Begriffswort ungesättigt, d.h. es enthält eine Lücke, die zur Aufnahme eines Eigennamens bestimmt ist. Durch diese Sättigung oder Ergänzung entsteht ein Satz, dessen Subjekt der Eigenname und dessen Prädikat das Begriffswort ist, und in dem das Fallen des durch den Eigennamen bezeichneten Gegenstandes unter den Begriff ausgedrückt wird. 4.V. In einem solchen Satze nehmen Begriffswort und Eigenname wesentlich verschiedene Stellen ein, und es ist erklärlich, dass ein Eigenname nicht in die für ein Begriffswort bestimmte Stelle passt. Es muss Verwirrung entstehen, wenn ein Begriffswort infolge seiner Verwandlung in einen Eigennamen an eine Stelle gerät, für die es nicht geeignet ist. Es ist kaum möglich, alle Ausdrücke, die von der Sprache zur Verfügung gestellt werden, auf ihre Zulässigkeit nachzuprüfen. Der Ausdruck "der Umfang des Begriffes F"
* Von \Vendungen, in denen die Wörter "einige", "alle" und Zahlwörter vorkommen, möge hier abgesehen werden.
Richard Hönigswald
109
scheint durch seine vielfache Verwendung so eingebürgert und durch die Wissenschaft beglaubigt zu sein, dass man es nicht für nötig hält, ihn genauer zu prüfen; aber die Erfahrung hat gelehrt, wie leicht man dadurch in einen Sumpf geraten kann. Auch ich gehöre zu den Leidtragenden. Als ich die Zahlenlehre wissenschaftlich begründen wollte, war mir ein solcher Ausdruck sehr gelegen. Zwar kamen mir zuweilen bei der Ausarbeitung leise Zweifel, aber ich beachtete sie nicht. So geschah es, dass nach Vollendung der Grundgesetze der Arithmetik mir der ganze Bau zusammenstürzte. Durch ein solches Ereignis muss man nicht nur sich selbst warnen lassen, sondern man muss auch andere warnen. Eine weithin sichtbare Warnungstafel muss aufgerichtet werden: niemand lasse sich einfallen, einen Begriff in einen Gegenstand zu verwandeln! Hiermit mögen die Paradoxien der Mengenlehre zunächst abgetan sein! Diese Darlegung ist ziemlich umfangreich geworden. Ich habe zunächst die Erkenntnisquellen ohne weitere Begründung aufgewiesen. In der knappen Gedrängtheit sollte es wuchtig wirken; aber Sie haben ganz recht: es wird doch eine Begründung vermisst; aber sie wird umfangreich, wie dieser Anfang zeigt. Würde eine Fortsetzung in dieser Weise nicht manchen abschrecken? Leider ist mein Gesundheitszustand mir sehr hinderlich. Verzeihen Sie damit bitte die Mängel dieses Briefes. Wenn Sie meinen, dass dieser Brief für Ihre wissenschaftlichen Grundfragen irgendeine Verwendung finden könnte, dazu aber von mir umgearbeitet werden müsste, schicken Sie mir ihn bitte zurück2 ). Mit grösster Hochachtung Ihr ergebenster G. Frege.
2 Aus einer Notiz von Scholz und seinen Mitarbeitern auf der dem Text zugrunde liegenden Maschinenabschrift geht hervor, daß sich dieser Brief (oder eine Abschrift) bereits im Nachlaß :Freges befunden hat. Hönigswald hat also, entsprechend dem hier von Frcge geäußerten Wunsch, diesen Brief (oder eine Abschrift) zurückgeschickt.
110 XXI/li
Philip E. B.Jourdain JouRDAIN an FREGE
15. I. 1914 [Auszug]
Also, will you tell me if, in your opinion, (I) your theory of functions "erster bzw. zweiter Stufe" is not the same as Russell's theory of orders (cf. Principia Math.l. 54ff); (2) whether you now regard assertion ( 1-) as merely psychological; (3) whether, in view of what seems tobe a fact, namely, that Russell has shown that propositions can be analyzed into a form which only assumes that a name has a 'Bedeutung', & not a 'Sinn', you would hold that 'Sinn' was merely a psychological property of a name. Yours sincerely Philip E. B.Jourdain. XXI/12
FREGE an JouRDAIN [Januar 1914]
S. g. H.Jourdain. Sehr gerne gebe i"h Ihnen die Erlaubnis Teile meiner Grundges. für den Monist zu übersetzen. Es scheint mir nach Ihrem Briefe dass Herr Wittgenstein wieder in Garnbridge ist. Ich habe mit ihm vor Weihnachten längere Unterhaltungen gehabt und wollte ihm darüber einen Brief schreiben, um den Faden etwas weiter zu spinnen, wusste aber nicht, wo er war. Leider verstehe ich die Englische Sprache nicht genug, um mit Bestimmtheit sagen zu können, dass Russells Theorie (Principia Math. I, 54ff.) mit meiner Theorie der Funktionen erster, zweiter u. s. w. Stufe übereinstimme. Allerdings scheint es so. Aber ich verstehe nicht alles. Was Russell mit seiner Bezeichnung fP!x will, ist mir nicht recht klar. Ich weiss immer nicht recht, ob er vom Zeichen spricht oder von seinem Inhalte. Bedeutet "function" ein Zeichen? Ich habe Ihnen früher schon einmal geschrieben, weshalb ich den Ausdruck "variable" verbannt wissen möchte.") Man weiss nie genau, ob es ein Zeichen oder ein Inhalt eines Zeichens sein solle. Russell schreibt S. 54 in Beziehung auf den Satz "rJ> !x implies rJ> !a with all possible values of fP" [ :] "This makes a statement about x[,] but does not attribute to x a predicate in the specialsense just defined". In meiner Begriffsschrift würde ich jenen Satz, wenn ich ihn recht verstehe so schreiben "--!..rrf(a)" und meiner Meinung Lj(x) nach könnte man dafür auch schreiben "x = a". Warum sollte hier nicht ein Praedicat wie sonst von x ausgesagt werden? Haben wir hier nicht auch eine first-order function? Hinsichtlich Ihrer zweiten Frage will ich' Folgendes sagen. Gewiss ist das Urteilen (das als wahr Anerkennen) ein innerer seelischer Vorgang; aber dass etwas wahr ist, ist unabhängig vom Erkennenden, ist objektiv. Wenn ich etwas als wahr behaupte, will ich nicht von mir sprechen, von einem Vorgange in meiner Seele. Und um es zu verstehen, braucht man nicht zu wissen, wer es behauptet. Wer den Satz, der mit behauptender Kraft ausDas Original dieses fragmentarischen Entwurfs, der offenbar eine Antwort auf XXI/11 formuliert, befindet sich in der SlgDarmst unter der Signatur H 1910. • Cf. in (50) XXI/9, Text [1]. 1
Philip E. B.Jourdain
II!
gesprochen wird, versteht, der fügt seine Anerkennung der Wahrheit hinzu. Wenn ein Satz, der mit behauptender Kraft ausgesprochen wird, einen falschen Gedanken ausdrückt, so ist er logisch unbrauchbar und, genau genommen, unverständlich. Ein Satz, der ohne behauptende Kraft ausgesprochen wird, kann logisch brauchbar sein, obwohl er einen falschen Gedanken ausdrückt, z.B. als Teil (Bedingungssatz) eines andern Satzes. Was als Praemisse eines Schlusses dienen soll, muss wahr sein. Wenn man demnach einen Schluss darstellt, muss man die Praemissensätze mit behauptender Kraft aussprechen; denn die Wahrheit der Praemissen ist wesentlich für die Richtigkeit des Schlusses. Wenn man bei der Darstellung eines Schlusses in meiner Begriffsschrift die Urteilsstriche bei den Praemissensätzen wegliesse, fehlte etwas Wesentliches. Und es ist gut, dass dies Wesentliche auch i[n] einem Zeichen verkörpert sichtbar sei, nicht nur nach einer unausgesprochenen Uebereinkunft hinzuverstanden werde; denn eine Uebereinkunft, der zufolge unter gewissen Umständen etwas hinzuverstanden werden solle, gerät leicht in Vergessenheit, selbst dann, wenn sie einmal ausgesprochen worden ist. Und dadurch geschieht es dann, dass man etwas Wesentliches ganz übersieht, weil es keine Verkörperung gefunden hat. Was aber für das Schliessen wesentIich ist, muss der Logik zugerechnet werden. Was Ihre dritte Frage betrifft, so glaube ich nicht, dass wir den Sinn des Namens in der Logik entbehren können; denn ein Satz muss einen Sinn haben, wenn er brauchbar sein soll. Der Satz aber besteht aus Teilen, die zum Ausdrucke des Sinnes des Satzes irgendwie beitragen müssen, selbst also irgendwie sinnvoll sein müssen. Nehmen wir den Satz "Der Aetna ist höher als der Vesuv". Wir haben hierin den Namen "Aetna", der auch in andern Sätzen vorkommt, z.B. in dem Satze "Der Aetna ist in Sicilien". Die Möglichkeit für uns, Sätze zu verstehen, die wir noch nie gehört haben, beruht ~ffenbar darauf, dass wir den Sinn eines Satzes aufbauen aus Teilen, die den Wörtern entsprechen. Wenn wir in zwei Sätzen dasselbe Wort, z.B. "Aetna" finden, so erkennen wir auch in den entsprechenden Gedanken etwas Gemeinsames, das diesem Worte entspricht. Ohnedies [sie] wäre eine Sprache im eigentlichen Sinne unmöglich[.] Wir könnten zwar übereinkommen, dass gewisse Zeichen gewisse Gedanken ausdrücken sollten; wie die Signale bei der Eisenbahn (Strecke frei)[;] aber auf diese Weise wären wir immer auf ein sehr enges Gebiet beschränkt und wir könnten nicht einen ganz neuen Satz bilden, der von einem Andern verstanden wird, obwohl ein besonderes Uebereinkommen für diesen Fall nicht vorhergegangen ist. Nun, dieser Teil des Gedankens, der dem Namen "Aetna" entspricht, kann nicht der Berg Aetna selbst sein, kann nicht die Bedeutung dieses Namens sein. Dann wäre ja auch jedes einzelne Stück erstarrter Lava, das ein Teil des Aetna ist, auch Teil des Gedankens, dass der Aetna höher ist als der Vesuv. Es scheint mir aber ungereimt, dass Stücke Lava und zwar auch solche, von denen ich keine Kenntnis habe, Teile eines Gedankens sein sollen. Beides scheint mir also nötig zu sein 1.) die Bedeutung des Namens als dasjenige, von dem etwas ausgesagt wird und [2.)] der Sinn des Namens als der Teil des Gedankens. Ohne die Be-
112
Philip E. B.Jourdain
deutung könnten wir zwar einen Gedanken haben, aber einen Gedanken der Sage oder Dichtung, nicht einen Gedanken, durch den sich das wissenschaftliche Erkennen vollziehen könnte. Ohne einen Sinn hätten wir keinen Gedanken also auch nichts, was wir als wahr erkennen könnten. Dazu kommt noch Folgendes. Nehmen wir an ein Forschungsreisender sähe in einem unerforschten Lande am nördlichen Horizonte einen hohen Schneeberg. Durch Nachfrage bei den Eingeborenen erfährt er den Namen "Afla". Er bestimmt durch Anvisieren von verschiedenen Punkten möglichst genau seinen Ort, trägt ihn in eine Karte ein und schreibt in sein Tagebuch: "der Afla ist mindestens 5000 Meter hoch.["]. Ein andrer Forscher sieht am südlichen Horizonte einen hohen Schneeberg und erfährt, dass er Ateb heisse. Er trägt ihn in seine Karte mit diesem Namen ein. Später ergiebt sich durch Vergleichung, dass beide Forscher denselben Berg gesehen haben. Nun ist der Inhalt des Satzes "Der Ateb ist der Afla" keines wegs [sie] ein blosser Ausfluss des Identitätsprinzips, sondern enthält eine wertvolle geographische Erkenntnis[.] Was in dem Satze "Der Ateb ist der Afla" ausgesprochen wird ist durchaus nicht dasselbe wie der Inhalt des Satzes "Der Ateb ist der Ateb". Wenn nun das, was dem Namen "Afla" als Teil des Gedankens entspricht, die Bedeutung dieses Namens, also der Berg selbst wäre, so wäre dies in beiden Gedanken dasselbe. Der in dem Satze "Der Ateb ist der Afla" ausgedrückte Gedanke müsste mit dem des Satzes "Der Ateb ist der Ateb" zusammenfallen, was keineswegs der Fall ist. Es muss also das, was dem Namen "Ateb" als Teil des Gedankens entspricht, verschieden sein von dem was dem Namen "Afla" als Teil des Gedankens entspricht. Dies kann also nicht die Bedeutung sein, die in beiden Namen dieselbe ist, sondern muss etwas sein, was in beiden Fällen verschieden ist und ich sage demgernäss der Sinn des Namens "Ateb" ist verschieden von dem Sinne des Namens "Afla". Demgernäss ist auch der Sinn des Satzes "Der Ateb ist mindestens 5000 Meter hoch" verschieden von dem Sinne des Satzes "Der Afla ist mindestens 5000 Meter hoch". Wer dieses für wahr hält, braucht keineswegs auch jenes für wahr zu halten. Ein Gegenstand kann in verschiedener Weise bestimmt werden und jede dieser Bestimmungsweisen kann zu einem besonderen Namen Veranlassung geben und diese verschiedenen Namen haben dann verschiedenen Sinn; denn dass es derselbe Gegenstand ist, der aufverschiedene Weise bestimmt wird, ist nicht selbstverständlich. Solche Fälle haben wir in der Astronomie bei Planetoiden Wld Kometen. Wäre nun der Sinn eines Namens etwas Subjektives, so wäre auch der Sinn eines Satzes, in dem der Name vorkommt, also der Gedanke etwas Subjektives und der Gedanke den dieser Mensch mit dem Satze verbindet wäre verschieden von dem Gedanken, den jener damit verbindet[;] ein gemeinsamer Schatz von Gedanken, eine gemeinsame Wissenschaft wäre unmöglich. Ein Widerspruch zwischen dem, was dieser sagte und dem, was jener sagte wäre unmöglich, weil sie gar nicht denselben Gedanken, sondern jeder seinen eigenen ausdrückte. Aus diesen Gründen glaube ich, dass der Sinn eines Namens nichts Subjectives [hier durchstrichen: dem Seelenleben] ist, also nicht der Psychologie angehört, und dass er unentbehrlich ist.
Paul F. Linke
XXVIII/2
FREGE an LINKE
113
24. 8. 1919 1 ) Bad Kleinen in Mecklenburg, den 24. VIII. 19
Sehr geehrter Herr Kollege! l\{einen besten Dank für die Sendung Ihres Aufsatzes und die Weise, wie Sie meiner darin gedenken! 2 ) Mit dem, was Sie über Literaten und Relativismus sagen, bin ich ganz einverstanden. "Formal" ist eins von den Wörtern, die sich gerne da einstellen, wo Begriffe fehlen. Ob Ihnen die so sehr wünschenswerte Grundlegung der Ethik gelungen sei, ist mir freilich zweifelhaft. Diese Frage, scheint mir, muss noch weiterem Nachdenken vorbehalten werden. Ich habe einen Brief von Ihnen vom 2. VIII. 16 gefunden, der als Einleitung zu einer mündlichen Besprechung dienen sollte. Sie haben mich.dann auch, wenn ich nicht irre, mit dem Kollegen Koebe 3) besucht; aber von dem Inhalt Ihres Briefes ist meiner Erinnerung nach kaum die Rede gewesen. Er behandelt die Frage, ob das mathematische Gleichheitszeichen Gleichheit oder Identität bedeute. Sie schrieben damals: "Gleichheit ist ein Spezialfall von Verschiedenheit und bedeutet Identität mehrerer verschiedener Gegenstände in einer bestimmten Hinsicht oder in Bezug auf ein (ideelles) Merkmal". Ich würde hier statt "Identität" "Übereinstimmung"') sagen; denn eigentlich sind verschiedene Gegenstände überhaupt nicht identisch, aber. sie können übereinstimmen in einer Hinsicht, z.B. in der Farbe. Wenn Gleichheit nicht Identität ist, sondern Übereinstimmung in einer Hinsicht, so ist das
2 1 Obwohl in SchLI nicht verzeichnet, befindet sich von diesem Brief im Frege·Archiv ein Typoskript. Der obere Rand des Typoskripts trägt links die handschriftliche Notiz von H. Scho/;; "Gott/ob Frege. Brief an P. F. Linke, jetzt Prof. d. Philos. an der Universität Jena" und rechts die handschriftliche Grußformel "Mit bestem Dank! Der Adressat.". Außerdem ist das Typoskript mit Anmerkungen in der Handschrift des Adressaten versehen. Diese .-\nmerkungen sind jeweils durch ein "L." einzeln abgezeichnet. Linkes Anmerkungen werden in der Zählung wie diejenigen des Hrsg. behandelt, aber als Anmerkungen Linkes gekennzeichnet. Linke hat seine Anmerkungen (bis auf zwei Ausnahmen) nicht bestimmten Textstellen durch Ziffem o.ä. zugeordnet. Die Zuordnung erfolgte in diesen Fällen sinngemäß durch den Hrsg. 2 Bei dem genannten Aufsatz handelt es sich um Linkes König Literat und die Ethik (Die Tat. :\1onatsschrift für die Zukunft deutscher Kultur.Jena, II (1919/20) pp. 359381), worin dieser sich pp. 362 sq. unter Berufung auf Freges GGA I gegen die schöpferischen Definitionen und einen damit verbundenen Konventionalismus wendet. 1 Paul Koebe kam 1914 als Professor der l\fathematik von Leipzig nach Jena. • Anm. Linkes: ">In einem Teil oder speziell in einer "Beschaffenheit" ( = unselbständigem Teil) übereinstimmen< heißt: diesen Teil oder diese Beschaffenheit (dies. "Merkmal") gemeinsam haben: 2 Häuser haben eine gewisse Mauer, den Besitzer, ihre Höhe, ihren Kaufpreis gemeinsam = sie haben dieselbe Mauer, denselben Besitzer, dieselbe Höhe, denselben Kaufpreis. L."
114
Paul F. Linke
Wort "gleich" fast inhaltlos, wenn nicht hinzugefügt wird, in welcher Hinsicht die Übereinstimmung gemeint ist; denn wenn zwei Gegenstände gegeben sind, wird sich fast immer eine Hinsicht angeben lassen, in der sie übereinstimmen. Die Mathematiker werden wohl meist meinen, das Gleichheitszeichen bedeute nicht Identität. Aber gefragt, was es bedeute, in welcher Hinsicht das links und rechts bezeichnete übereinstimme, würden sie•) wohl sehr verschiedene Antworten geben. Im Gebrauche der Wörter "Merkmal" und "Eigenschaft", "Begriff" und "Gegenstand" stimmen wir wohl nicht ganz überein. Ich unterscheide die ersten beiden so: von dem Begriffe blaues seidenes Band sind Blau, Seiden und Band Merkmale, nicht Eigenschaften, weil der Begriff weder blau, noch seiden, noch ein Band ist. Aber ein einzelnes Ding, das ich in der Hand halte, kann unter den Begriff blaues seidenes Band fallen und ist dann blau. 1) Blau ist eine seiner Eigenschaften. Ein Merkmal eines Begriffes ist Eigenschaft eines unter ihn fallenden Gegenstandes. Für das, was einen Begriff bedeutet, ist der praedikative Gebrauch kennzeichnend. Die Kopula muss eigentlich zum Zeichen des Begriffes gerechnet werden. Ausser der Kopula kann ein solches Zeichen bestehen aus einem Adjektiv oder einem Nomen appellativum, das noch von Attributen begleitet sein kann und das ohne Artikel oder mit dem unbestimmten Artikel erscheint. Statt der Kopula in Verbindung mit einem Adjektiv, oder einem Nomen appellativum kann auch die dritte Permn eines Verbum stehen. Ein Gegenstand kann bezeichnet werden durch einen Eigennamen oder durch ein Zeichen - z.B. "der Sieger von Austerlitz" -, das einen Eigennamen vertreten kann (Einzelname). Durch Hinzufügung des bestimmten Artikels oder eines Demonstrativpronomens wird aus einem Nomen appellativum ein Einzelname gebildet. Dies ist jedoch eigentlich nur erlaubt, wenn der Begriff des Nomen appellativum nicht leer ist, und wenn nur ein Gegenstand unter ihn fällt. Der durch den so gebildeten Einzelnamen bezeichnete Gegenstand fällt dann unter den Begriff des Nomen appellativum und ha~ die Merkmale dieses BegriiT.~ als Eigenschaften*). AlsBeispiel fiir die Identität führtel1 Sie in IhremBriefe an: "Der durch die Begriffe Besiegter von Waterloo und Sieger von Austerlitz, gleichwinkliges und gleichseitiges Dreieck gemeinte Gegenstand". Sie werfen hier wohl Ver* Ein solcher Einzelname ist nicht mehr Bcgriffl.wort, kann nicht mehr mit dem unbestimmten Artikel oder ohne Artikel gebraucht werden.
• Im Typoskript steht "Sie". 6 Anm. Linkes, im Typoskripi durch Ziffer "l" eindeutig zugeordnet: "Freges "Begriff" (Aussap;cfunktion) scheint mir zu übersehen, daß im Prädikat noch das Problem des Allgemeinen steckt. Es gibt ein Nicht-Individuelles ( = Nicht-hic & nunc), das z.B. mit "Klasse" noch garnichts zu tun hat. Von ihm würde im obigen Beispiel nicht gelten, da!J es nicht blau u.s.w. ist. L."
Paul F. Linke
115
schiedenes zusammen.') "Besiegter von Waterloo" ist Nomen appellativum, ebenso "Sieger von Austerlitz". Sie bezeichnen Begriffe, aber keine Gegenstände. Aber aus ihnen kann man Einzelnamen bilden; "der Besiegte von Waterloo", "der Sieger von Austerlit;,". "Gleichwinkliges Dreieck" bezeichnet keinen Gegenstand und es kann auch kein Einzelname mit dem bestimmten Artikel daraus gebildet werden. Darum würde ich den Ausdruck "der mit dem Begriffe gleichwinkliges Dreieck gemeinte Gegenstand" nicht gebrauchen. Hier ist nicht ein Gegenstand identisch mit einem Gegenstande, sondern ein Begriff ist umfangsgleich mit einem Begriffe. Von Identität kann man bei Begriffen eigentlich nicht reden. Sie schrieben: "Das Merkmal Produkt passt durchaus nicht auf 7 plus 5." 7 plus 5 stellt sich als Eigenname dar. Falls es seinen Zweck erreicht, bedeutet es einen· Gegenstand. Nach meiner Gebrauchsweise der Wörter "Merkmal" und "Eigenschaft" kann hier von einem Merkmale nicht die Rede sein, sondern nur von Eigenschaften .. Nun ist die Eigenschaft ein Produkt zu sein, freilich nicht unmittelbar aus der Bezeichnung "7 plus 5" erkennbar; aber auch die Eigenschaft, Sieger von Austerlitz zu sein, kann aus der Bezeichnung "der Besiegte von Waterloo" nicht ohne weiteres entnommen werden. Wohl kann aus einem Einzelnamen diese oder jene Eigenschaft des bezeichneten Gegenstande::s erkannt werden; aber dass alle Eigenschaften des Bezeichneten so erkennbar sein müssten, dafür besteht kein Grund. Warum sollte der Besiegte von Waterloo nicht Eigenschaften haben können, die nicht Merkmale des Begriffes Besiegter von Waterloo sind. Vergleichen wir den Sat;, "7+5=12" oder in Worten "die Summe von 7 & 5 ist 12" 8) mit dem Satz "7+5 ist eine gerade Zahl"! Rein sprachlich betrachtet scheint es ein gleicher Fall ;,u sein; aber die Sprache verhüllt hier wie oft den Sachverhalt. In dem zweiten Satze haben wir den gewöhnlichen Gebrauch des "ist" als Kopula. Als solche ist es am deutlichsten erkennbar, wenn das sprachliche Prädikat aus dem "ist" und einem Adjektiv oder einem Begriffsworte ohne Artikel oder mit dem unbestimmten .Artikel besteht ("ist eine gerade Zahl"), während das grammatische Subjekt Name eines Gegenstandes ist ("7 -~-5" oder "die Summe von 7 und 5"). Wir haben dann Subsumtion eines Gegenstandes unter einen Begriff. Ganz verschieden davon ist der Fall, wo das grammatische Priidikat aus dem "ist" und dem Namen eines Gegenstandes (" 12") besteht. Die beiden Gl'genstandsnamen, • Anm. Linkes: "? Heute würde ich sagen: Begriffe u. eben damit zugleich (abgegrenzte) Gegenstände; "Begriffe" nur, wenn man sich wie Fr. der nominalistischen Tradition anschließt. Sonst bezeichnet "Sieg. v. W." einen Gegenstand, genauereine nicht-individuelle Beschaffenheit (Merkmal würde auch ich heute nicht mehr sagen), ähnlich etwa der Kugelbeschaffenheit dieser "Kugel" hier, wenn alles IndividuellEinmalige an ihr als gleichgültig betrachtet wird (besser: soweit innerhalb eines gewissen "objektiven" Ganzen dieses Ind.-E. unwesentlich ist). Das Kur,dhafte an diesem (früher vielleicht eckigen) Ding entspricht durchaus dem "Besiegten von Waterloo". L." • Anm. Linkes: "Das Prädikat lautet aber nicht: "12", sondern "gleich 12"."
116
Paul F. Linke
zwischen denen das "ist" dann steht, sind vertausch bar, wie man "7 +5= 12" umsetzen kann in "12=7+5". Wir haben dann eine Gleichung. In diesem Falle hat das "ist" den Sinn des Gleichheitszeichens und enthält einen wesentlichen Teil des Sinnes des Prädikates, während es als Kopula keinen eigenen Sinn hat und nur das Prädikat als solches kenntlich macht. In dem Satze "Napoleon ist Besiegter von Waterloo" 1) haben wir als Sinn eine Subsumtion; in dem Satze "Napoleon ist der Besiegte von Waterloo" haben wir eine Gleichung. Das links Bezeichnete ist dasselbe wie das rechts Bezeichnete, ebenso wie in dem Satze "der Besiegte von Waterloo ist der Sieger von Austerlitz", oder wie in dem Satze "7+5 ist 6 · 2". Aber diese Gegenstandsnamen haben, obwohl sie dasselbe bedeuten doch verschiedenen Sinn, und daher sind die in den Sätzen "7+5 ist 7+5", "7+5 ist 12", "7+5 ist 6·2" ausgedrückten Gedanken verschieden; denn der Sinn eines Satzteils ist Teil des Sinnes des Satzes, d.h. des in dem Satze ausgedrückten Gedankens. Dass ein Gedanke eine Gleichung ist, schliesst nicht aus, dass er eine Subsumtion ist. Den Satz "Napoleon ist der Besiegte von Waterloo" können wir umsetzen in "Napoleon ist identisch mit dem Besiegten von Waterloo"; und hier wird Napoleon zwar nicht unter den Besiegten von Waterloo, aber unter den Begriff "identisch mit dem Besiegten von Waterloo" subsumirt. Sie fahren nun fort :"Erst wenn ich 7 + 5 und 2 · 6 in Hinsicht auf ein ganz bestimmtes Merkmal, nämlich den beiden zukommenden Zahlenwert betrachte, erst dann kann ich von Identität beider reden". Nach meiner Auffassung ist nun der Zahlenwert nicht ein Merkmal oder eine Eigenschaft von 7+5, sondern dieser Zahlenwert ist 7+5 selbst. 10) Es gibt nur eine Summe von 7 +5, und diese bezeichne ich durch "die Summe von 7 und 5", oder durch "7 ...,-5", oder auch durch "6 · 2": Freilich kann ich sagen: dem , , 7 +5' ', nämlich dieser Zeichenverbindung, kommt ein Zahlenwert zu, aber nicht als Merkmal, sondern als Bedeutung. Hoffentlich habe ich Sie durch diese etwas lehrhaft geratenen Ausführungen nicht gelangweilt. Mir ist es ein Bedürfnis gewesen, mich über diese Frage einmal gründlich auszusprechen. Seien Sie bestens gegrüsst von Ihrem ergebenen G. Frege
Anm. Linkes: "Das, was durch das \Vort ":S:apol." bezeichntl wird, & das, was die Beschaffenheit "Besiegter von Waterl." hat, ist dasselbe; oder auch: das dort aus Namen und (von ihm bezeichneten) Gegenstand und das hier aus Beschaffenheit und (dem sie habenden) Gegenstand gebildete Ganze hat etwas gemeinsam: nämlich eben den Gegenstand. L." •• Anm. Linkes, der im Typoskript die Passage "sondern dieser Zahlenwert ist 7 +5 selbst" handschriftlich unterstrichen hat: "?Wäre es so, so würde ich nicht mehr wissen, nicht mehr erfahren, wenn ich erfahre, daß der Summe von 7&5 die Gleichheit mit der Anzahl 12 zukommt (d.h. daß diese Summe & die 12t• Zahl der Zahlenreihe die An~ahl gemeinsam ( = dieselbe Anzahl) haben). L." 1
Anton Marty XXX/I
FREGE an MARTY[?]
117
29. 8. 1882 1)
Jena, den 29. VIII. 1882 Sehr geehrter Herr College! Sie haben mich durch Ihre freundliche Karte umsomehr erfreut, als ich bis jetzt nur sehr wenig Zustimmung erfahren habe. Ich erlaube mir Ihnen über meine Begriffsschrift noch einige Mitteilungen zu machen in der Hoffnung, dass Sie vielleicht Veranlassung nehmen, in einer Zeitschrift darauf aufmerksam zu machen; es würde mir die Veröffentlichung weiterer Arbeiten erleichtern. Ich habe jetzt ein Buch2 ) nahezu vollendet, in welchem ich den Begriff der Anzahl behandle und nachweise, dass die ersten Sätze über das Zählen der Zahl, die man bisher als unbeweisbare Axiome anzusehen geneigt war, sich nur mittels der logischen Gesetze aus Definitionen beweisen lassen, sodass sie im Kantischen Sinne wohl als analytische Urteile zu betrachten sind. Ich sehe voraus und wundere mich nicht, dass Sie dem einige Zweifel entgegensetzen und vermuten werden, in den Definitionen liege der Fehler, indem diese etwa, um möglich zu sein, Urteile voraussetzen, die ich nicht beachtet habe oder dass sich sonst ein wesentlicher Inhalt aus anderen Erkenntnisquellen unbemerkt eingeschlichen habe. Die Zuversicht, dass dies nicht geschehen sei, schöpfe ich aus der Anwendung meiner Begriffsschrift, die nichts von dem durchlässt, was nicht ausdrücklich vorausgesetzt war, wenn es auch so selbstverständlich scheint, dass man im gewöhnlichen Denken garnicht einmal merkt, dass man sich darauf stützt. Es scheint mir hierdurch der Wert und die Kraft des discursiven Denkens in das richtige Licht gesetzt zu werden. Denn, während Leibniz es wohl überschätzt hat, indem er alles aus Begriffen beweisen möchte, scheint mir Kant umgekehrt die Bedeutung der analytischen Urteile zu gering zu achten, indem er sich an zu einfache Beispiele hält. Ich sehe ein grossesVerdienst Kants darin, dass er die Sätze der Geometrie als synthetische Urteile erkannt hat, aber ich kann ihm für die Arithmetik das Gleiche nicht zugeben. Die Fälle sind auch ganz verschieden. Das Gebiet der Geometrie ist das des räumlich Anschaulichen, die Arithmetik kennt keine solche Begrenzung. Zählbar ist alles, nicht nur was im Raume nebeneinander ist, nicht nur das zeitlich auf einander Folgende, nicht nur das Aeussere, sondern auch innere Vorgänge und Ereignisse der Seele, Begriffe, die weder in zeitlichen noch in räumlichen, sondern nur in logischen Beziehungen zu einander stehen. Eine Schranke für die Zählbarkeit kann man nur in der Unvollkommenheit der Begriffe finden. Die Kahlköpfigen sind z.B. solange nicht zählbar, als nicht der Begriff der Kahlköpfigkeil so genau bestimmt ist, dass bei keinem Einzelnen ein Zweifel sein kann, ob er darunter falle. So ist denn also das Gebiet des Zählbaren soweit wie das des begrifflichen Denkens, und es l ' Möglicherweise ist C. St!. Zur Überlieferung cf. die Einleitung des Herausgebers in NSchrWB II, p. 162. • Eine Vorfassung von GLA.
118
Anton Marty
würde eine Erkenntnisquelle von beschränkterem Umfange, etwa räumliche Anschauung, sinnliche Wahrnehmung, nicht genügen, die allgemeine Geltung der arithmetischen Sätze zu verbürgen. Es hilft auch nichts, um sich auf die Anschauung stützen zu können, Unräumliches durch Räumliches beim Zählen vertreten zu lassen; denn es würde die Zulässigkeil einer solchen Vertretung zu begründen sein. Doch ich wollte Ihnen über meine Begriffsschrift Einiges sagen. Sie heben die Trennung der Urteilsfunktion von der beurteilten Materie hervor. Noch wichtiger scheint mir die Unterscheidung von Einzelnem und Begriff. In der Sprache fliesst das ineinander. Der Eigenname "Sonne" wird zum Begriffsnamen, wenn man von Sonnen spricht und ein Begriffsname mit dem Demonstrativ dient zur Bezeichnung eines Einzelnen. Auch in der Logik ist dieser Unterschied wohl nicht immer beachtet worden (bei Boole 3 ) gibt es eigentlich nur Begriffe). Das Verhältnis der Unterordnung eines Begriffes unter einen Begriff ist ganz verschieden von dem des Fallens eines Einzelnen unter einen Begriff. Man hat sich, wie es scheint, zu sehr an das sprachliche Schema von Subjekt und Prädikat gehalten, und doch sind darin logisch ganz verschiedene Verhältnisse enthalten. Als das Wesentliche für den Begriffsehe ich an, dass die Frage, ob etwas unter ihn falle, einen Sinn hat. "Christentum" z.B. würde ich nur in dem Sinne einen Begriff nennen, wie es in dem Satze "diese Handlungsweise ist Christentum" gebraucht wird, nicht aber in dem Satze "das Christentum verbreitet sich weiter". Der Begriff ist ungesättigt, indem er etwas fordert, was unter ihn falle; daher kann er nicht für sich allein bestehen. Dass nun ein Einzelnes unter ihn falle, ist ein beurteilbarer Inhalt, und der Begriff [er]scheint dabei als Prädikat und ist immer prädikativ. In diesem Falle, wo das Subjekt eil) Einzelnes ist, ist die Beziehung von Subjekt und Prädikat nicht ein Drittes, das zu beiden hinzukommt, sondern sie gehört zum Inhalte des Prädikates, wodurch dieses eben ungesättigt ist. Ich glaube nun nicht, dass das Bilden der Begriffe dem Urteilen vorausgehen könne, weil das ein selbständiges Bestehen des Begriffes voraussetzte, sondern .ich denke den Begriff entstanden durch Zerfallen eines beurteilbaren Inhaltes. Ich glaube nicht, dass es für jeden beurteilbaren Inhalt nur eine Weise gebe, wie er zerfallen könne, oder dass eine der möglichen Weisen immer einen sachlichen Vorrang beanspruchen dürfe. In der Unßleichung 3>2 kann man ebensowohl 2 als Subjekt ansehen wie 3. In dem ersteren Falle hat man den Begriff "kleiner als 3", in dem letzteren "grösser als 2". Man kann auch wohl "3 und 2" als ein complexes Subjekt ansehen. Als Prädikat hat man dann den Beziehungsbegriff des Grösseren zum Kleine(rc]n. Allgemein stelle ich das Fallen eines Einzelnen unter einen Begriff so dar: F(x), wo x Subjekt (Argument), F( ) Prädikat (Funktion) ist, die leere Stelle in der Klammer nach F deutet das Ungesättigtsein an. Die Unterordnung eines Begriffes 'f' ( ) unter einen Begriff r:P ( ) wird nun so ausgedrückt:
3 Die Logik Ceorge Bootes (1815-1864) wird von Frcge awführlich in NSchrWB I, PP· 9-59, kritisiert.
Anton Marty
119
-0rtP(a)\ . L 'P(a)J wobet der Unterschied von dem Fallen eines Einzelnen unter einen Begriff in die Augen fällt. Ohne die strenge Unterscheidung von Einzelnem und Begriff ist es unmöglich, die particulären und Existentialurteile sachgemäss und so auszudrücken, dass ihre nahe Verwandtschaft ins Auge fällt. Jedes particuläre Urteil ist nämlich ein ExistentialurteiL ~ a2 = 4 bedeutet: "es gibt mindestens eine Quadratwurzel aus 4". 2 =4}') IT0va La•=8
bedeutet: "einige (mindestens eine) Kubikwurzeln aus 8 sind Quadratwurzeln aus 4". l'vfan kann hier zwei sich aufhebende Ver2 . · h e em · fi··ugen: (t.&rrrra nemungsstnc La• = 84 ) un d d'tes zusammengesetzt d en ken aus I,
~
und
-rr:::: :.
Dies letztere nimmt die Stelle von a 2 = 4 in
~a2 = 4 ein, sodass man übersetzen kann: "es gibt mindestens eine Zahl, die zugleich Kubikwurzel aus 8 und Quadratwurzel aus 4 ist". So erhalten die Existentialurteile ihre Stelle unter den anderen Urteilen. Ich würde Ihnen gerne noch zeigen, wie die Kantische Widerlegung des ontologischen Beweises') sehr anschaulich aus meiner Darstellungsweise einleuchtet, und welchen Wert meine Allgemeinheitshöhlung hat, aber ich fürchte Sie schon zu sehr durch meinen langen Brief belästigt zu haben. Es wird mir schwer in philosophischen Zeitschriften Eingang zu finden. Entschuldigen Sie mein Schreiben mit dem unbefriedigten Bedürfnisse mich mitzuteilen. Ich befinde mich in einem unglücklichen Cirkel: bevor man der Begriffsschrift Beachtung schenkt, verlangt man deren Leistungen zu sehen und diese kann ich wieder nicht zeigen, ohne die Bekanntschaft mit ihr vorauszusetzen. So scheint mein im Anfange erwähntes Buch kaum auf Leser rechnen zu dürfen. Wenn Sie die Güte haben wollten, mir zu antworten, so bitte ich um Mitteilung Ihrer Bedenken. Es wäre mir lieb zu erfahren, was Sie über den wissenschaftlichen Wert des von mir geplanten Nachweises denken, falls er gelänge und mit der peinlichsten Genauigkeit geführt würde.
Ihr ergebener G. Frege.
• In der Maschinenabschrift, die der Edition zugrunde liegt, fehlt der Verneinungsstrich vor der "Höhlung". • Gemeint ist der ontologische Gottesbeweis. In Freges begriffsschriftlicher Darstellungsweise wird deutlich, daß die Existenz nur Eigenschaft eines Begriffs (erster Stufe) sein kann und damit selbst ein Begriffzweiter .stufe ist, wie sich Frege ausdrüc~t. Existenz kann deshalb nicht Merkmal emes Begnffs erster Stufe, z.B. des Begnffs Gott' sein und also auch nicht durch eine Analyse des Begriffs ,Gott' als dessen Merk;",., a:Ugewiesen werden. Cf. GLA, §53.
Giuseppe Peano
120
XXXIV/li
FREGE
an
PEANO
[1896/97)1)
Die Wichtigkeit der Sache veranlasst mich, noch einige Worte über die Vielfachheit und Bedingtheit der Definitionen zu sagen. Sie stimmen mir zu bei den Definitionen von Eigennamen; nicht aber bei denen von Funktionszeichen. Sie widerlegen jedoch meine Gründe nicht, sondern machen geschichtliche und praktische Gesichtspunkte geltend. Es ist wahr: geschichtlich hat es sich so gemacht, dass man die Bedeutung eines Zeichens, z.B. des :\dditionszeichens, schrittweise erweitert hat; aber es ist bedenklich, dies Verfahren in einer systematischen Darstellung beizubehalten. Die Logik fordert, wie ich ausgeführt habe, durchaus feste und bestimmte Grenzen. Das Fliessende der Abgrenzungen und das Unfertige der Begriffe und Beziehungen, das durch jene Erweiterungen eingeführt wird, kann die Sicherheit der Schlüsse nur gefährden. Sie geben das wohl eigentlich zu; denn Sie sagen nichts dawider; aber praktische Gründe verhindern Sie, meine Forderung anzuerkennen, weil Sie nicht wissen, wie ihr genügt werden könne. Das ist freilich eine Aufgabe, die nicht ganz leicht zu lösen ist, die aber gelöst werden muss; denn die logischen Anforderungen dürfen durch praktische Schwierigkeiten nicht zurückgedrängt werden. Was nun die Rechnungszeichen der Addition, Multiplikation usw. betrifft, so glaube ich, wird man dabei das Gebiet der gemeinen komplexen Zahlen zu Grunde legen müssen; denn mit der Einbeziehung dieser komplexen Zahlen ist ein natürlicher Abschluss des Zahlengebietes erreicht. Ich halte es demnach für richtig, in einer einzigen Definition zu sagen, welche Bedeutung die Zeichenverbindung ,a+b' enthalten solle, wenn für a und für b irgendwelche Eigennamen eintreten. Diese Bedeutung muss natürlich mit der allgemein angenommenen übereinstimmen, wenn für a und für b Zeichen gemeiner komplexer Zahlen eingesetzt werden (worunter ich die reellen Zahlen mitbegreife). Was sich dabei als Bedeutung ergibt, wenn für a oder für b oder für beide Namen von Gegenständen eintreten, die nicht gemeine komplexe Zahlen sind, ist verhältnismässig gleichgültig, wenn nur immer eine Bedeutung da ist. Damit wäre dann die Bedeutung des Additionszeichens ein für allemal festgesetzt, ein Abschluss erreicht und ein fester Boden gewonnen, auf dem nun Schlussfolgerungen mit Sicherheit aufgebaut werden können. Freilich begäbe man sich damit der Möglichkeit, nachträglich für höhere komplexe Zahlen, Vektoren usw. passende Bestimmungen zu treffen, und man würde vielleicht genötigt sein, für diese Fälle eigene Zeichen einzuführen. Aber durch solche kleine Unbequemlichkeiten sollte man sich nie abhalten lassen, unabweisbaren Anforderungen
1 Dieser Entwurf eines Briefes von Frege liegt nur als maschinenschriftliche Abschrift aus dem SchArch vor. Er setzt die in der Rivista di matematica geführte Auseinandersetzung zwischen Frege und Peano fort. Cf. in (50) Freges Brief XXXIV/7 (=(23)) und Peanos Risposta XXXIV/8. Die im vorliegenden Schreiben geäußerte Kritik an Peano hat Eingang gefunden in GGA ll, pp. 70sq., Anm. I.
Giuseppc Peano
121
der Logik zu genügen. Was das Gleichheitszeichen betrifft, so gibt Ihre Bemerkung, dass die Schrifisteller ü her dessen Bedeutung verschiedener Meinung seien, Anlass zu überraschenden und für die Mathematik nicht sehr günstigen Betrachtungen. Wenn man erwägt, dass sehr viele mathematische Sätze sich als Gleichungen darstellen, andere wenigstens Gleichungen enthalten, und wenn man damit Ihre Bemerkung zusammenhält, so ergibt sich, dass die Mathematiker zwar in der äusseren Form ihrer Sätze übereinstimmen, nicht aber in den Gedanken, die sie damit verbinden, und diese sind doch das Wesentliche. Was dieser Mathematiker beweist, und was jener unter demselben Zeichen versteht, ist nicht dasselbe. Nur scheinbar haben wir einen grossen gemeinsamen Schatz mathematischer Wahrheiten. Dies ist doch ein unerträglicher Zustand, dem so schnell wie möglich ein Ende gemacht werden muss. Was mich betrifft, so nehme ich als Bedeutung des Gleichheitszeichens die Identität, das völlige Zusammenfallen, und in Definitionen wenigstens scheint mir keine andere Bedeutung möglich zu sein. Die allgemeine Annahme dieser Auffassung wird wohl vielfach durch folgendes Bedenken gehindert. Man meint, dass sich dann der ganze Inhalt der Arithmetik auf das Identitätsprinzip a=a beschränken würde, und dass man nichts hätte als langweilige Beispiele für dieses langweilige Prinzip. Wenn das wahr wäre, so hätte die Arithmetik allerdings einen sehr mageren Inhalt. Die Sache liegt aber doch etwas anders. Wenn man in den Anfängen der Astronomie erkannte, dass der Abendstern (Espero) derselbe ist wie der Morgenstern (Lucifero), und wenn jetzt ein Astronom durch Rechnung herausbringt, dass ein von ihm beobachteter Komet derselbe ist, von. dem alte Nachrichten melden, so sind das Erkenntnisse, die unvergleichlich viel wertvoller sind als blosse Beispiele für das Identitätsprinzip: jeder Gegenstand ist mit sich selbst identisch, obwohl es eben auch nur Erkenntnisse von Identitäten sind. \Venn demnach der Satz, dass 233+ 798 dieselbe Zahl sei wie 1031, grösscren Erkenntniswert hat als ein Beispiel des Identitätsprinzips, so hindert das nicht, das Gleichheitszeichen in "233-j-798=1031" als Identitätszeichen zu fassen. Welches Chaos von Zahlen hätten wir sonst! Es gäbe nicht eine einzige auf 5 näch>tfolgende Primzahl, sondern unendlich viele: 7, 8-1, (8+6):2 usw. \Vir dürften nicht sagen: "die Summe von 7 und 5" mit dem bestimmten Artikel, sondern ,eine Summe' oder ,alle Summen', ,einige Summen' usw.; also nicht "die Summe von 7 und 5 ist teilbar durch 3", sondern "alle Summen von 7 und 5 sind teilbar durch 3". Wodurch unterscheiden sich denn 3 · 4 und 9+3? In nichts als in dem Zeichen. Es gibt keine Eigenschaft, die dem (3 · 4) zukäme, dem (9·1-3) aber fehlte und umgekehrt. Freilich darf man dann das Gleichheitszeichen nicht zwischen Zeichen gleich langer Strecken oder gleich grosser Flächen setzen. Dennoch kann man auch in diesen Fällen das Gleichheitszeichen benutzen. Man wird dann nur zu beiden Seiten statt der Zeichen der Strecken die Zeichen der Zahlen setzen, die man durch Messung dieser Strecken mit derselben Einheit erhält. Oder man kann so verfahren: durch jede Strecke ist eine Klasse von gleich langen Strecken bestimmt. Wenn zwei Strecken gleich lang sind, so fallen diese Klassen -.usammcn. Und damit haben wir wieder
122
Giuscppc Peano
eine Identität. Es mögen A und B Strecken sein, und es besage "A ~ B" die Kongruenz dieser Strecken. Dann ist in meiner Bezeichnung i(e~.l) die Klasse der mit A gleich-langen Strecken und i(e~A) = i(e~B)
ist der wesl;ntliche Inhalt ,-on ,A ~B' in Form einer Gleichung. So kann man auch in ähnlichen Fällen die Übereinstimmung in einer gewissen Hinsicht in der Form einer Gleichung ausdrücken, ohne die vorhin angegebene Bedeutung des Gleichheitszeichens zu verleugnen. Es ist hierdurch freilich noch nicht aufgeklärt, wie es möglich sei, dass eine Identität höheren Erkenntniswert habe als ein blosses Beispiel zum Identitätsprinzip. In dem Satze "der Abendstern ist dasselbe wie der Abendstern" haben wir nur das letztere; aber in dem Satze "der .-\bendstern ist dasselbe wie der ;\lorgenstern", haben wir mehr. \\'ie kann die Ersetzung eines Eigennamens durch einen anderen, der genau denselben Himmelskörper bezeichnet, solche Veränderungen bewirken? Man sollte denken, dass hierdurch nur die Form, nicht aber der Inhalt getroffen werden könnte. Und doch sieht jeder, dass der Gedanke des zweiten Satzes ein anderer und zwar wesentlich inhaltreicher ist als der des ersten. Das wäre nicht möglich, wenn der Unterschied der beiden Sätze nur in den Namen "Abendstern" und "11orgenstern" bestände, ohne dass irgendwie auch inhaltlich ein Unterschied damit verbunden wäre. Xun bezeichnen beide Namen denselben Himmelskörper; sie haben, wie ich sage, dieselbe Bedeutung; darin kann also der Unterschied nicht liegen. Hier tritt nun meine Unterscheidung von Sinn und Bedeutung aufklärend ein. Ich sage: die beiden Xamen haben zwar dieselbe Bedeutung, aber nicht denselben Sinn, und das zeigt sich darin, dass der Sprechende von der Übereinstimmung der Bedeutung nichts zu wissen braucht, wie denn der in der Astronomie L'nkundige es in der Tat meistens nicht wissen wird; aber einen Sinn wird der Sprechende doch mit den Xamen verbinden müssen, wenn er nicht sinnlos schwatzt. Und der Sinn des Xamens "Morgenstern" ist allerdings verschieden von dem des Wortes "Abendstern". So kommt es, dass der Gedanke unseres ersten Satzes von dem des zweiten verschieden ist; denn der Gedanke, den wir mit einem Satze ausdrücken, ist der Sinn dieses Satzes. Dies ist wohl einer der Fälle, von denen Sie in Ihrer Anzeige meiner Grundgesetze der Arithmetik (Riv. di Mat. vol. V, p. 127) 2) sagen, dass zwei deutschen \Vörtern, die ich verschieden gebrauche, dasselbe italienische nach den Wörterbüchern entspreche. Am nächsten scheint mir dem Worte ,Sinn' das italienische ,senso' und dem \V orte ,Bedeutung' das italienische ,significazione' zu kommen. Die Wörterbücher werfen meist beides durcheinander, indem sie als entsprechende Wörter nicht nur solche anführen, die denselben Sinn haben, sondern auch solche, die nur dieselbe Bedeutung haben. Aber nur im ersten Falle haben wir ein genaues Ent• Rivista di matematica 5 (1895), pp. 122-128.
Giuseppe Peano
123
sprechen. So finde ich z.B. für ,Abendstern': ,Venere' und ,Espero' und für ,Morgenstern' ,Venere' und ,Lucifero'. Wenn wir danach den Satz ,Der Morgenstern -ist identisch mit dem Abendstern' übersetzen wollten mit ,Ia Vencre i: identica colla Venere', so würde der Sinn (der Gedanke) verfehlt sein. Dagegen ist gegen die Übersetzung ,illucifero e identico col' Espero' wohl nichts einzuwenden. ,Venere' hat zwar dieselbe signijicazione wie ,Morgenstern', aber nicht denselben senso. So ist denn auch der Sinn von ,5+2' verschieden von dem Sinne der Ausdrucksverbindung ,4+3', und folglich ist auch der Gedanke, den wir in der Formel ,2 2 + 3 >2 +3'2&) ausdrücken, verschieden von dem Sinne der Formel ,5+2 > 5'. Das, wovon wir sprechen, wenn wir einen Namen in einem Satze gebrauchen, ist nicht der Sinn des Namens, sondern seine Bedeutung. Wenn wir in einem Satze den Ausdruck "die Sonne" gebrauchen, so meinen wir damit einen Himmelskörper, der sich im Raume ausser uns befindet, von dem wir wissen, dass er Masse habe*). Der Sinn des Wortes ,Sonne' ist aber weder irgendwo im Raume, noch hat er eine l\1asse. Wenn ich also schreibe: ,5+2=4+3', so meine ich damit nicht, dass ,5+2' und ,4+3' denselben Sinn haben, sondern dass sie dieselbe Bedeutung haben, dass sie dieselbe Zahl bezeichnen.**) So steht also gar nichts im Wege, das Gleichheitszeichen als Identitätszeichen zu gebrauchen. Ist dies aber einmal festgestellt, so ist es nicht mehr möglich, Definitionen für die Fälle zu geben, wo dies Zeichen zwischen rationalen, irrationalen, imaginären Zahlen steht, wie Sie es wollen, sondern aus der feststehenden Bedeutung des Gleichheitszeichens und aus den Erklärungen der Zeichen, zwischen denen es steht, muss dann von selbst folgen, ob die Gleichung wahr sei. Jenes Verfahren hat auch sonst grosse logische Bedenken gegen sich. Denn so kommt es, dass man weder die Bedeutung des Gleichheitszeichens für sich, noch auch beispielsweise die Irrationalzahl für sich definiert, sondern einen Ausdruck erklärt, in dem beide zugleich vorkommen, indem man angibt, wann Irrationalzahlen einander gleich sein sollen. Man bildet sich dann ein, beides erklärt zu haben, während man in Wahrheit keins von beiden erklärt hat; denn aus der Bedeutung einer Zeichenverbindung folgen noch nicht die Bedeutungen von deren einzelnen Bestandteilen, selbst dann nicht, wenn einige dieser Zeichen schon bekannt sein sollten. Es ist bedauerlich, dass über die Grundsätze, die beim Definieren zu befolgen sind, kein Übereinkommen unter den l\lathematikern besteht. Eine solche[!] herbeizuführen, wäre eine dankbare Aufgabe für eine allgemeine Mathematikerversammlung. Jetzt herrscht in diesem Gebiete
* Wenn
ich von den \Vörtern oder Zeichen selbst sprechen will, nicht von deren Bedeutung, so setze ich sie in Anführungszeichen. ** Ich habe über Sinn und Bedeutung ausführlich gehandelt im 100. Bd. der Zeitschrift für Philos. und philos. Kritik.") 2a
Die maschinenschriftliche Abschrift, die der Edition zugrunde liegt, hat '2•'
statt '2 2 ' • • = (16).
124
Giuseppe Pcano
völlige Gesetzlosigkeit, was zwar bequem für die mathematischen Schriftsteller, aber für die Wissenschaft schädlich ist. Nicht einmal darüber, was Definieren eigentlich sei, herrscht Übereinstimmung. Einige glauben, durch Definitionen etwas schaffen zu können; aber sie sprechen sich nicht über die Schranken dieser Schöpfermacht aus noch über die Grundsätze, die dabei zu befolgen seien. Und doch müssen solche Schranken da sein; denn niemand hält sich für fähig, einen Gegenstand mit Eigenschaften zu schaffen, die einander widersprechen. Niemand beweist aber auch, bevor er schöpferisch definiert, dass kein Widerspruch bestehe, wahrscheinlich in der Meinung, dass jeder Widerspruch sofort in die Augen springen müsse. Wie leicht würden alle Beweise zu führen sein, wenn das wahr wäre! Ich habe im § 33 des ersten Bandes meiner Grundgesetze der Arithmetik solche Grundsätze aufgestellt, denen theoretisch, wie ich denke, jeder zustimmen wird, und die doch praktisch fast immer verleugnet werden.
BIBLIOGRAPHIE I) Ueber eine geometrische Dar"tellung der imaginären Gebilde in der Ebene. Jena, 1873. Neudruck in (46). 2) Rechnungsmethoden, die sich auf eine Erweiterung des Grössenbegriffes gründen. Jena, 1874. Neudruck in (46). 3) Ueber eine Weise, die Gestalt eines Dreiecks als complexe Grösse aufzufassen. Jenaische Zeitschrift für :"llaturwissenschaft, XII (1878) Supplement, p. XVIII. Neudruck in (46). 4) Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens. Halle a.S., 1879. Reprographischer Nachdruck in (44). 5) Anwendungen der Begriffsschrift. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, XIII (1879) Supplement II, pp. 29-33. Reprographischer Nachdruck in (44). 6) Ueber den Briefwechsel Leibnizens und Huygens mit Papin. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, XV ( 1882) Supplement, pp. 29-32. Reprographischer Nachdruck in (44). 7) Ueber die wissenschaftliche Berechtigung einer Begriffsschrift. Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, LXXXI (1882) pp. 48-56. Neudruck in (44). 8) Ueber den Zweck der Begriffsschrift. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, XVI (1883) Supplement, pp. 1-10. Reprographischer Nachdruck in (44). 9) Die Grundlagen der Arithmetik. "Eine logisch mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. Breslau, 1884. Unveränderter Neudruck: Breslau, 1934. Unveränderter photomechanischer Nachdruck des Neudrucks: Darmstadt und Hildesheim, 1961. 10) Geometrie der Punktpaare in der Ebene. Jenaische Zeitschrift für :'liaturwissenschaft, XVII (1884) Supplement, pp. 98-102. Neudruck in (46). II) Re