Globalisierung und multijurisdiktionelle Zusammenschlussfälle – Der Ruf nach einem internationalen Fusionskontrollregime?: Zugleich eine kritische Beurteilung der extraterritorialen Reichweite der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 [1 ed.] 9783428557752, 9783428157754

Vor dem Hintergrund, dass die Anmeldung von multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhaben nicht nur mit erhöhten Transa

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 9783428557752, 9783428157754

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 313

Globalisierung und multijurisdiktionelle Zusammenschlussfälle – Der Ruf nach einem internationalen Fusionskontrollregime? Zugleich eine kritische Beurteilung der extraterritorialen Reichweite der Verordnung (EG) Nr. 139/2004

Von

Nesrin Suleiman

Duncker & Humblot · Berlin

NESRIN SULEIMAN

Globalisierung und multijurisdiktionelle Zusammenschlussfälle – Der Ruf nach einem internationalen Fusionskontrollregime?

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 313

Globalisierung und multijurisdiktionelle Zusammenschlussfälle – Der Ruf nach einem internationalen Fusionskontrollregime? Zugleich eine kritische Beurteilung der extraterritorialen Reichweite der Verordnung (EG) Nr. 139/2004

Von

Nesrin Suleiman

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D30 Alle Rechte vorbehalten © 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-15775-4 (Print) ISBN 978-3-428-55775-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-85775-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern Lubna und Nasser Suleiman

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Sie entstand größtenteils während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie am hiesigen Wilhelm Merton-Zentrum für Europäische Integration und Internationale Wirtschaftsordnung. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Ende November 2017 berücksichtigt werden. Die Erstellung dieser Arbeit war für mich eine persönlich bereichernde, aber doch zugleich eine an meine Grenzen bringende Erfahrung. Danken möchte ich an dieser Stelle den zahlreichen Personen, die mich auf diesem Weg in vielfältiger Art und Weise unterstützt haben. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater Herr Prof. Dr. Stefan Kadelbach, LL.M., für seine Betreuung, seinen Zuspruch und seine stetige Unterstützung, nicht nur während der Promotionszeit, sondern auch schon während des Studiums. Ich danke ihm für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht und mir zugleich die notwendigen Freiräume geschenkt hat. Als Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl habe ich fachlich und persönlich sehr viel lernen dürfen. Herrn Prof. Dr. Joachim Zekoll, LL.M., danke ich für die sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Beiden Gutachtern und dem Prüfungsvorsitzenden Herrn Prof. Dr. Felix Maultzsch, LL.M., danke ich für ihr Interesse an meiner Arbeit und das angenehme und freundliche Mitwirken an der Disputation. Herzlich bedanken möchte ich mich bei meinen ehemaligen Kollegen am Institut für Öffentliches Recht der Goethe-Universität, allen voran Dr. Lisa Müller, FatimaZahra Zaatan, Dr. Mohamed Assakkali, Christina Henrich und Christoph Hettinger für die interessanten Gespräche und die willkommenen Ablenkungen. Auch dem übrigen Lehrstuhlteam von Prof. Dr. Stefan Kadelbach, LL.M., sei für die angenehme Arbeitsatmosphäre und die große Hilfsbereitschaft gedankt. Nicht unerwähnt bleiben dürfen meine geschätzten Freundinnen Frau Dr. Sura Ahmad, Catharina Wolf und Tamimount El Ouali, die alle Höhen und Tiefen der letzten Jahre miterlebt und mich auch aufgebaut haben, wenn es nötig war. Ihnen danke ich für ihr offenes Ohr und ihre Ratschläge in allen Lebenslagen. Für die jeweils gewährten Druckkostenzuschüsse möchte ich mich bedanken sowohl bei der FAZIT-Stiftung (Frankfurt a.M.) als auch bei der Wilhelm Hahn und Erben-Stiftung (Bad Homburg).

8

Danksagung

Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, insbesondere meinen Eltern – Lubna und Nasser Suleiman –, denen mein unendlicher Dank gilt. Ohne deren fortwährende Unterstützung und liebevolle Fürsorge wäre ich nie so weit gekommen. Meinen Eltern schulde ich nicht nur großen Dank für die Zuwendung, die Ermunterung und die Geduld in den Jahren meines Studiums, sondern auch während der Promotion. Auf meinem langen Bildungsweg haben sie mich vorbehaltslos und unermüdlich unterstützt und mir Rückhalt gegeben. Ich kann ihnen dafür nicht genug danken. Ohne sie wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Ganz besonders danken möchte ich meinem Vater, Nasser Suleiman, für seinen Zuspruch und den Glauben an mich. Er hatte mich bereits während der Promotion liebevoll „Daktora Nesrin“ genannt. Alzenau, im März 2019

Nesrin Suleiman

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Internationaler Teil Teil 1 Globalisierung und Fusionskontrolle

29

Kapitel 1 Globalisierung der Wirtschaft 31 A. Die wettbewerbliche Problematik der Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Definition des Begriffs „Konzentration“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Ursachen von Unternehmenszusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Arten von Unternehmenszusammenschlüssen und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 B. Internationalisierung der Wettbewerbspolitik und sich daraus ergebende Probleme für grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Bestandsaufnahme der praktischen Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Unterschiedliche wettbewerbspolitische Leitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Ineffizienzen des Auswirkungsprinzips als Rechtsanwendungsgrundlage . . . 41 3. Aufgreifkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4. Anmeldefristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5. Anmeldegebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 6. Unterschiedliche Überprüfungszeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Kosten der multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Kapitel 2 Die völkerrechtlichen Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

49

A. Der räumliche Geltungsbereich staatlicher Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

10

Inhaltsverzeichnis

B. Der sachliche Anwendungsbereich staatlicher Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Die dogmatische Ausgangslage: Die Lehre der sinnvollen Anknüpfung . . . . . . 51 1. Konkretisierung sinnvoller Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Prinzipien des internationalen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Das Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Das aktive Personalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 cc) Das Schutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 dd) Die Kritik der Übertragung der völkerrechtlichen Grundsätze des internationalen Strafrechts auf wettbewerbsrechtliche Sachverhalte . . . . 54 b) Das Auswirkungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Kriterien zur Einschränkung der extraterritorialen Rechtsanwendung . . . . . . . . 56 1. Auswirkungsprinzip: Konkretisierte Anforderungen an die Auswirkungen

56

2. Das Einmischungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Das Rechtsmissbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Comity of nations und Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Teil 2 Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle: From Conflict to Coexistence, Comity, Cooperation und Convergence

62

Kapitel 1 Reaktionen auf die extraterritoriale Wirkung nationalen Rechts: Konflikte und Comity-Klauseln

63

Kapitel 2 Bilaterale Kooperationen

66

A. Bilaterale Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Kooperationsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. EU-USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Abkommen über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln . . . . . . . . . . . . 69 b) Abkommen über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Best Practices on Cooperation in Merger Investigations . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Einblick in die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Inhaltsverzeichnis

11

2. USA-Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Australien-Neuseeland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde als besondere Form der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5. Andere Kooperationsabkommen und Memorandum of Understandings . . . . . 78 II. Abkommen mit dem Ziel der Angleichung von materiellem Wettbewerbsrecht 79 B. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Kapitel 3 Internationale Koordinierungsbestrebungen

82

A. Harmonisierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Havanna Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Wettbewerbsregulierende Bestimmungen in GATT, GATS und TRIPS . . . . . 84 2. WTO-Arbeitsgruppe über das Zusammenwirken von Handels- und Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 B. Politikkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 I. OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Empfehlungen zur internationalen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Bericht über Zusammenschlüsse und Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Whish/Wood-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Bericht über die Anmeldung von transnationalen Zusammenschlüssen . . . . . 92 5. Empfehlungen des BIAC/ICC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6. Empfehlung über die Prüfung von Zusammenschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 7. Policy Roundtables . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 8. Zwischenergebnis in Bezug auf die Arbeit der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. UNCTAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. International Competition Network . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Guiding Principles and Recommendations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Recommended Practices for Merger Notification Procedures . . . . . . . . . . . . . 101 a) Eine ausreichende Verbindung mit dem Rechtssystem, in dessen Zuständigkeit die Prüfung des Zusammenschlusses erfolgt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Klare und objektive Anmeldeschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Die zeitlichen Vorgaben für die Anmeldung einer Fusion . . . . . . . . . . . . . 104 d) Überprüfungszeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Anforderungen, die bei der Erstanmeldung zu beachten sind . . . . . . . . . . . 104 f) Zusammenarbeit der Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 g) Umsetzung der MNP-Empfehlungen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Recommended Practices for Merger Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

12

Inhaltsverzeichnis 4. Bewertung der Arbeit des ICN und Ausblick über die Entwicklung des ICN 107

C. Bilanz und Grenzen der bi- und multilateralen Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Teil 3 Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime – ja oder nein?

119

Kapitel 1 Lösungsansätze 120 A. Beibehaltung des Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 B. Materiell-rechtliche Harmonisierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Supranationales Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Mindestharmonisierung: Draft International Antitrust Code . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 C. Leitjurisdiktionsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Leitjurisdiktion als eine Koordinationsstelle ohne Prüfungskompetenz . . . . . . . 126 II. Leitjurisdiktion, welche die Staaten untereinander bestimmen . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Leitjurisdiktion, welche durch eine internationale Behörde bestimmt wird . . . . 129 IV. Zusammenfassung und allgemeine Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 D. Verfahrensrechtliche Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Verfahrensrechtliche Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Speziell: die Schaffung eines gemeinsamen Anmeldeformulars für internationale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 E. Die Berücksichtigung von Wohlfahrtseffekten in anderen Staaten . . . . . . . . . . . . . . 135 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Kapitel 2 Eigener Vorschlag

136

Inhaltsverzeichnis

13

Europäischer Teil Teil 1 Die extraterritoriale Rechtsanwendung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004

143

Kapitel 1 Kontrolle durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 144 A. Die historische Entwicklung der EG-Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 B. Formelles Fusionskontrollrecht: Aufgreifkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Unternehmenszusammenschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Fusion, Kontrollerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Gemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Ausnahmetatbestände des Art. 3 Abs. 5 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Unionsweite Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Umsatzschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Generalschwellen, Art. 1 Abs. 2 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Alternative Schwellen, Art. 1 Abs. 3 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Beteiligte Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Berechnung des Umsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 C. Materielles Fusionskontrollrecht: Eingreifkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 D. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 E. Zusammenfassung und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Kapitel 2 Die extraterritoriale Rechtsanwendung im europäischen Kartellrecht 161 A. Die Praxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 B. Die Konzepte des EuGH: Das Prinzip der Unternehmenseinheit und das Durchführungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Das Prinzip der Unternehmenseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Das Durchführungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. EuG: Präzisierung des Auswirkungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 D. Würdigung und Folgerungen für den Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

14

Inhaltsverzeichnis Kapitel 3

Entscheidungspraxis der Kommission: Anwendung der FKVO auf Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse 168 A. Anwendung der FKVO auf Unternehmenszusammenschlüsse in Drittstaaten mit Auswirkungen in der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. Anwendung der FKVO auf Unternehmenszusammenschlüsse in Drittstaaten ohne Auswirkungen in der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen in Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . 172 C. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Kapitel 4 Der (extra-)territoriale Anwendungsbereich der FKVO

177

A. (Extra-)territorialer Anwendungsbereich: Ermittlung des extraterritorialen Anwendungsbereichs der FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Erwägungsgrund Nr. 10 zur FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Das Merkmal der unionsweiten Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Die kollisionsrechtliche Funktion des unionsbezogenen Umsatzerfordernisses in Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 B. Rechtsfolgen bei Erfüllung der Aufgreifkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Anmeldepflicht, Art. 4 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 II. Vollzugsverbot, Art. 7 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Ggf. Untersagung, Art. 8 Abs. 3 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Kapitel 5 Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung für die (extraterritoriale) Anwendbarkeit der FKVO?

184

A. Können anhand der bestehenden Umsatzschwellen die Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung festgestellt werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 B. Normative Anforderungen an die Aufgreifkriterien der Zusammenschlusskontrolle 186 C. Verwendung anderer Kriterien zur Bestimmung der Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Bestimmung der unionsweiten Bedeutung anhand des Kriteriums der Beeinträchtigung der Zwischenstaatlichkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Bestimmung der unionsweiten Bedeutung anhand Marktanteilsschwellen (relative Aufgreifkriterien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Differenzierte Schwellenwerte auf einer sektoralen Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 IV. Umsatzschwellenwerte mit einer Indexklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Inhaltsverzeichnis

15

V. Gesamtwert der Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 VI. Stellungnahme zu den Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 D. Explizite Verwendung des Auswirkungsprinzips als Kollisionsnorm in der FKVO 192 E. Einführung eines Gefahrforschungseingriffs zusätzlich zu den Umsatzschwellenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 F. Entkoppelung der Untersagungsbefugnis von der Anmeldepflicht und dem Vollzugsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 G. Andere Berechnung des Umsatzes bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 H. Befreiung von der Anmeldepflicht für Drittstaatenzusammenschlüsse, die keine oder geringe Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Anzeigeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 J. Zusammenfassung der Erkenntnisse, Würdigung und Perspektiven . . . . . . . . . . . . . 196

Teil 2 Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und bestimmte verfahrensrechtliche Problematiken

200

Kapitel 1 Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO 200 A. Die informellen Pränotifizierungsgespräche mit der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . 201 B. Auskunfts- und Vorlageverlangen, Art. 11 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Grenzen des Auskunftsverlangens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Auskunftsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR hinsichtlich des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung nach Art. 6 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 C. Bekanntgabe im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 D. Nachprüfungsbefugnisse, Art. 13 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 E. Festsetzung von Geldbußen, Art. 14 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Extraterritoriale Anwendung von Art. 14 FKVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Das FKVO-Bußgeldverfahren im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze, der EMRK und der GR-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes unter der Berücksichtigung, dass Geldbußen Sanktionen ohne strafrechtlichen Charakter sind . . . . . . . . . . . . . 212 2. Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes unter der Annahme, dass Geldbußen als strafrechtsähnliche Maßnahmen anzusehen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Gerichtliche Kontrolle von Kommissionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 214

16

Inhaltsverzeichnis 4. Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

F. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 G. Bewertung der verfahrensrechtlichen Problematiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die sieben Fusionswellen und „ihre“ volkswirtschaftlichen Rezessionen 36 Abbildung 2: Untersagungen von Zusammenschlüssen durch Drittlandswettbewerbsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Abbildung 3: Die Struktur des ICN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Abbildung 4: Übersicht über das Verfahren der FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Abbildung 5: Aufgreifschwellen nach Art. 1 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Abkürzungsverzeichnis ABl. Abs. AEUV a.F. Am. J. Comp. L. Am. J. Int’l L. Am. U. L. Rev. Antitrust Bull. Antitrust L. J. ANZCERTA

Amtsblatt Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung The American Journal of Comparative Law American Journal of International Law The American University Law Review The Antitrust Bulletin Antitrust Law Journal Australia New Zealand Closer Economic Relations Trade Agreement ArchVR Archiv des Völkerrechts Art. Artikel BB Betriebs-Berater Bd. Band BDGVR Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Berkeley Bus. L.J. Berkeley Business Law Journal BGBl. Bundesgesetzblatt BIAC Business and Industry Advisory Committee to the OECD BNE Bruttonationaleinkommen Brit. Y.B. Int‘l L. British Yearbook of International Law Chi. J. Int’l L. Chicago Journal of International Law CML Rev. Common Market Law Review Colum. J. Eur. L. Columbia Journal of European Law Colum L. Rev. Columbia Law Review Comp. L. Y.B. Int’l Bus. The Comparative Law Yearbook of International Business Cornell Int’l L.J Cornell International Law Journal Denv. J. Int’l L. & Pol’y Denver Journal of International Law and Policy DePaul L. Rev. DePaul Law Review DG COMP Generaldirektion Wettbewerb d. h. das heißt DIAC Draft International Antitrust Code DoJ Department of Justice DVO Durchführungsverordnung EBR European Business Review ECJ European Competition Journal ECLR European Competition Law Review ECU European Currency Unit EFTA European Free Trade Association EG Europäische Gemeinschaft

Abkürzungsverzeichnis EGKSV EGMR EGV ELRev EMRK endg. EU EuG EuGH EuR Eur. Competition J. EuZW EWGV EWR EWS FATF FIW e.V. FKVO Fn. Fordham Corp. L. Inst Fordham Int’l L.J. Fordham L. Rev. FS FTC Ga. St. U. L. Rev. GATS GATT Geo. Mason L. Rev. Geo. Wash. Int’l L. Rev. GR-Charta GRUR Int. GU Harv. Int’l L. J. Harv. L. Rev HBÜ Hdb. Hrsg. IAA IAIS IBA ICC ICJ

19

Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Law Review Emory International Law Review Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Europäische Union Gericht der Europäischen Union Gerichtshof der Europäischen Union Europarecht (Zeitschrift) European Competition Journal Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Financial Action Taskforce Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e.V. Köln Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) Fußnote Fordham Corporate Law Institute Fordham International Law Journal Fordham Law Review Festschrift Federal Trade Commission Georgia State University Law Review General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade George Mason Law Review George Washington International Law Review Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gemeinschaftsunternehmen Harvard International Law Journal Harvard Law Review Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen von 1970 Handbuch Herausgeber International Antitrust Authority Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden International Bar Association International Chamber of Commerce International Court of Justice

20 ICLQ ICN ICPAC IMCF Int’l Bus. Law. Int’l Bus. L.J. Int Trade L & Regul IOSCO IPRax i.V.m. JEPP La. L. Rev. MA-Empfehlungen Mich. L. Rev. Minn. J. Int’l L. Mio. MNP-Empfehlungen MNU Nordic J. Int’l L. Nw. J. Int’l L. & Bus. N.Y.U. Ann. Surv. Am. L. N.Y.U. J. Int’l L. & P. N.Y.U. L Rev. OECD Pac. Rim L. & Pol’y J. PCIJ PwC RabelsZ RBP Set RdC RE RIW Rn. San Diego L. Rev. Slg. SME s. o. StIGH Syracuse J. Int’l L. & Com. TRIPS Tul. J. Int’l & Comp. L. u. a. UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff. UN

Abkürzungsverzeichnis International and Comparative Law Quarterly International Competition Network International Competition Policy Advisory Committee International Framework for the regulation of transnational mergers International Business Lawyer International Business Law Journal International Trade Law & Regulation Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörde Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts in Verbindung mit Journal of European Public Policy Louisiana Law Review Recommended Practices for Mergers Analysis Michigan Law Review Minnesota Journal of International Law Million Recommended Practices for Merger Notification Procedures Multinationale Unternehmen Nordic Journal of International Law Northwestern Journal of International Law and Business New York University Annual Survey of American Law New York University Journal of International Law and Politics New York University Law Review Organisation for Economic Co-operation and Development Pacific Rim Law & Policy Journal Publications of the Permanent Court of International Justice PriceWaterhouseCoopers Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Set of Multilaterally Agreed Equitable Principles and Rules Having Adverse Effects on International Trade Recueil des Cours Rechnungseinheiten Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer San Diego Law Review Sammlung der Rechtsprechung der EuGH oder des EuG Small and Medium Enterprise siehe oben Ständiger Internationaler Gerichtshof Syracuse Journal of International Law and Commerce Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights Tulane Journal of International and Comparative Law unter anderem UCLA Journal of International Law and Foreign Affairs United Nations

Abkürzungsverzeichnis UNCTAD US USA v. a. Va. J. Int’l L. VO Vol. Vorbem. WIPO WTO WuW Yale J. Int’l L. ZaöRV z. B. ZEuS ZGR ZHR ZIP ZWeR

21

United Nations Conference on Trade and Development United States United States of America vor allem Virginia Journal of International Law Verordnung Volume Vorbemerkungen World Intellectual Property Organization World Trade Organization Wirtschaft und Wettbewerb Yale Journal of International Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Einleitung „Merger control is out of control. It is an example of regulation that is excessively burdensome in proportion to its benefits.“1

Ob Vodafone-Mannesmann, AOL-Time-Warner, Royal Dutch Petroleum/Shell Transport & Trading oder ThyssenKrupp, Fusionen stehen in vielen Branchen auf der Tagesordnung. Sowohl die Globalisierung als auch die Öffnung der Märkte sind für den sprunghaften Anstieg von internationalen Unternehmenszusammenschlüssen verantwortlich, welcher sich anhand der angemeldeten Fusionsfälle in Brüssel gut veranschaulichen lässt: Während die Zahl der angemeldeten Zusammenschlüsse in Brüssel 1990 bei elf lag, ist 2017 hingegen ein Zuwachs auf 6.794 Anmeldungen zu verzeichnen.2 Seit Anfang der 1970er Jahre haben viele Staaten Wettbewerbsgesetze, einschließlich Fusionskontrollgesetze, erlassen, mit der Folge, dass Unternehmen bei Zusammenschlussvorhaben, die einer Genehmigung in mehreren Staaten bedürfen, mit höheren Transaktionskosten, zeitlichen Verzögerungen und größerer Rechtsunsicherheit rechnen müssen. Problematisch ist, dass grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse oft Auswirkungen auf mehrere Jurisdiktionen haben und da es kein internationales Fusionskontrollrecht gibt, wenden die Staaten auf diese Vorhaben nach wie vor ihre eigenen nationalen Rechtsordnungen an. Als Anknüpfungspunkt für die Jurisdiktionsanwendung ziehen viele Staaten das Auswirkungsprinzip heran, welches besagt, dass ein Staat ein legitimes Jurisdiktionsinteresse hat, auch Markstörungen zu regeln, die zwar im Ausland veranlasst werden, sich aber im Inland auswirken. So kann es schnell passieren, dass Unternehmen ihr Zusammenschlussvorhaben, welches in mehreren Jurisdiktionen Auswirkungen hat bzw. haben könnte, bei mehreren Wettbewerbsbehörden parallel anmelden müssen. Ein Zusammenschluss, welcher bei mehreren Jurisdiktionen angemeldet werden muss, wird als „multijurisdiktionelles Vorhaben“ bezeichnet. So musste beispielsweise der Zusammenschluss zwischen Alcan, Oechinery und APA Algroup in mehr als 40 Staaten angemeldet werden.3 Diese Anmeldung bei zahlreichen Wettbewerbsbehörden und damit zugleich die parallele Zuständigkeit 1 Fox, Can We Control Merger Control? – An Experiment, in: Policy Directions for Global Merger Review 1999. A Special Report of the Global Competition Review by the Global Forum for Competition and Trade Policy 1999, 79 (79). 2 Siehe: http://ec.europa.eu/competition/mergers/statistics.pdf; Stand: 12/2017 (zuletzt aufgerufen am 27. 01. 2018). 3 Rowley/Wakil, International Mergers: The Problem of Proliferation, S. 8; abrufbar unter: http://www.mcmillan.ca/Files/JRowley_International_Mergers_Fordham%20Conference.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 08. 2016); Bougie, Reflections on the Merger Task Force at the Turn of the Millennium, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 73 (74 ff).

24

Einleitung

von verschiedenen Jurisdiktionen birgt in sich die Gefahr divergierender Entscheidungen und damit auch Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten. Deshalb stellt sich die zentrale Frage, wie mit solchen multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen umgegangen wird und zukünftig umzugehen ist. Diese Problematik wird in der vorliegenden Arbeit im internationalen Teil beantwortet und ist in drei Teile gegliedert: In Teil 1 werden sowohl die internationale Verflechtung der Weltwirtschaft und die Rolle der (multinationalen) Unternehmen hierin als auch das Ausmaß, die Struktur und die Motive der grenzüberschreitenden Fusionsaktivitäten dargestellt. Daraufhin wird die theoretisch fundierte Erklärung der extraterritorialen Rechtsanwendung nationalen Rechts dargestellt. Zurzeit zeichnet sich der internationale Rechtsrahmen des Fusionskontrollrechts durch ein Netzwerk überlappender nationalstaatlicher Regelungen mit extraterritorialer Wirkung aus, die zusätzlich durch eine Reihe von soft law Instrumenten der OECD, der UNCTAD, des ICN und bilateralen Kooperationsabkommen begleitet wird. Diese verschiedenen Kooperations- und Koordinierungsbestrebungen auf internationaler Ebene gilt es in Teil 2 zu skizzieren, um anschließend die entscheidende Frage zu beantworten, ob es eines internationalen Fusionskontrollregimes bedarf, welches Jurisdiktionskonflikte, die die extraterritoriale Rechtsanwendung verschiedener Jurisdiktionen mit sich bringt, lösen könnte. In der Literatur wurden verschiedene Ansätze entwickelt, wie mit multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen und den sich daraus ergebenden Problemen umgegangen werden kann: a) die Beibehaltung der extraterritorialen Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts, b) Kooperations- und Koordinierungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Wettbewerbsbehörden und schließlich c) Versuche, internationale Wettbewerbsregeln, gleichgültig ob verfahrens- oder materiell-rechtlicher Art, einzuführen. Diese drei Ansätze und ihre Herausforderungen werden in Teil 3 vorgestellt und diskutiert, um anschließend die gegenwärtigen Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen zu verdeutlichen. Folgende These soll hierbei vertreten werden: Die Schaffung einer einzigen globalen Wettbewerbsbehörde, die sich mit der Prüfung von internationalen Unternehmenszusammenschlüssen beschäftigt, ist weder realistisch noch wünschenswert. Stattdessen werden die hohen Transaktionskosten durch vertiefte Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden und soft law Instrumente minimiert. Diese These wird anhand eines eigenen Vorschlags veranschaulicht (Teil 3, Kapitel 2). Für die Europäische Union wurde das Problem der multijurisdiktionellen Zusammenschlussanmeldungen mit der Einführung des one stop shop-Prinzips in der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (FKVO) gelöst. Mit dieser Verordnung soll gewährleistet werden, dass der Umstrukturierungsprozess durch Unternehmenszusammenschlüsse keine dauerhafte Schädigung des Wettbewerbs verursacht.4

4

Siehe: Erwägungsgrund Nr. 5 der FKVO.

Einleitung

25

Nach Art. 1, 21 FKVO ist ausschließlich die Europäische Kommission5 für die Prüfung von Zusammenschlussvorhaben von unionsweiter Bedeutung zuständig. Das Kriterium der unionsweiten Bedeutung wird durch die Umsatzschwellen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen definiert, welches nach Art. 1 Abs. 2 FKVO gegeben ist, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd. Euro haben und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils mehr als 250 Mio. Euro erzielen; es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als zwei Drittel ihres unionsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. Demnach werden die Umsatzschwellenwerte als Aufgreifkriterien herangezogen, sodass es nicht erforderlich ist, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihren Sitz in der Union haben müssen oder dass sich der Unternehmenszusammenschluss in der EU vollzieht. So ist es nicht ungewöhnlich, dass vier japanische Unternehmen die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das Telekommunikationsdienstleistungen ausschließlich in Japan anbieten wird, bei der Kommission anmelden müssen.6 Es ist nicht nachvollziehbar, dass Unternehmenszusammenschlüsse, die keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, bei der Kommission angemeldet werden müssen. Kann dies wirklich der Fall sein? Schaut man sich die unionsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften an, stößt dies auf Widerspruch zur Praxis der Art. 101 und 102 AEUV, wonach die Kommission die (extraterritoriale) Anwendung dieser beiden Normen explizit mittels des Auswirkungsprinzips bestimmt. Vor dem Hintergrund, dass die extraterritoriale Rechtsanwendung oft als Verletzung der Souveränität anderer Staaten verstanden wird, stellt sich in diesem Zusammenhang die zentrale Frage, ob Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO eine ausreichende Grundlage für die Anwendbarkeit der FKVO auf grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse bildet, vor allem auf die, die offensichtlich keine Auswirkungen in der Union haben. Trotz einer Reihe von Monographien und zahlloser kleinerer Beiträge fehlt es an einer systematischen Gesamtdarstellung, die sich auf die Praxis der Kommission und des EuG und EuGH stützt. Deshalb liegt das Hauptaugenmerk des europäischen Teils dieser Arbeit darauf, wie die Kommission ihre Zuständigkeit, vor allem hinsichtlich außereuropäischer Unternehmenszusammenschlüsse mit und ohne Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt mit den völkerrechtlichen Prinzipien begründet, und ob die gegenwärtige Verordnung den globalen Herausforderungen gewachsen ist. Ersteres wird mithilfe einer empirischen Analyse untersucht, welche die Fusionskontrollentscheidungen der Kommission und des EuG und EuGH einem bestimmten Erklärungsmuster zuordnet. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden folgende Fragen im Vordergrund stehen: a) Wie sieht die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO aus? b) Wie soll eine extraterritoriale Rechtsanwendung in Bezug auf grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse 5

Im Folgenden nur noch als Kommission bezeichnet. Siehe: Kommission, Entscheidung v. 30. 06. 1993 (IV/M.346 – JCSAT/SAJAC), ABl. 1993 C 219/14. 6

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Einleitung

aussehen? – Etwa auf der Grundlage des Auswirkungsprinzips? und c) Sind die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO eine Ausprägung des Auswirkungsprinzips? In diesem Zusammenhang gilt es, die folgende von mir aufgestellte These zu überprüfen: Die Kommission überschreitet ihre Befugnisse, die ihr durch Art. 1, 21 Abs. 2 FKVO verliehen werden, wenn sie über Unternehmenszusammenschlüsse, die zwar die Schwellenwerte des Art. 1 FKVO überschreiten, aber tatsächlich keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, entscheidet. Im Anschluss daran werden überdies die verfahrensbezogenen Durchführungsschwierigkeiten und Problematiken, die sich mit der extraterritorialen Rechtsanwendung der FKVO ergeben, dargestellt. Den Schluss bilden zum einen die Ergebnisse dieser Arbeit und zum anderen ein Ausblick auf die künftige Entwicklung der internationalen und europäischen Fusionskontrolle.

Internationaler Teil

Teil 1

Globalisierung und Fusionskontrolle „While we live in a global economy, however, we do not live in a global state.“7

Die Komplexität der wirtschaftlichen Beziehungen und Finanzgeschäfte auf der Welt erschweren oft die Jurisdiktionsbestimmung in Bezug auf die Prüfung von internationalen Wirtschaftstätigkeiten.8 Grund hierfür ist die ökonomische Globalisierung, die wiederum auf der Seite der Unternehmen zu globalen Aktivitäten führt. Es gibt verschiedene Formen der Internationalisierung von Unternehmen, wie der Export zur Auslastung der eigenen Kapazitäten, die Lizenzierung und schließlich das Tätigen von Direktinvestition im Ausland, sei es durch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, das Errichten eigener Produktionsstätten im Ausland, die Errichtung einer Tochtergesellschaft oder die Fusion durch Aufnahme oder Neubildung eines Unternehmens. Zu beobachten ist, dass sich seit 1987 (bis 1999) die Anzahl der grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse weltweit versiebenfacht hat.9 So führt das Fusionsfieber der Unternehmen dazu, dass nur wenige von ihnen die Weltmärkte für Automobil, Mineralöl und Pharmaprodukte dominieren, mit der Folge, dass gefährliche Machtballungen entstehen. Bedenklich ist, dass einige multinationale Unternehmen10 weitaus größere Ressourcen als die einzelnen Brut7

Melamed, International Antitrust in an Age of International Deregulation. Rede im Rahmen des George Mason Law Review Symposium: Antitrust in the Global Economy, Washington, 10. Oktober 1997, abrufbar unter: https://www.justice.gov/atr/speech/internatio nal-antitrust-age-international-deregulation (zuletzt aufgerufen am 03. 04. 2016). 8 Bianchi, Kommentar zum Vortrag von Maier, Jurisdictional Rules in Customary International Law, in: Meessen (Hrsg.), Extraterritorial Jurisdiction in Theory and Practice, S. 74 (74). 9 UNCTAD, World Investment Report 2000, S. 239. 10 Neben dem Begriff „multinationales Unternehmen“ existieren noch weitere Begriffe wie transnationales, internationales oder supranationales Unternehmen. Die Bezeichnungen werden teilweise synonym, teilweise für verschiedene Formen der Internationalisierung eines Unternehmens verwendet. „Ein multinationales Unternehmen ist ein konzernartiger Verbund von Kapitalgesellschaften in mehreren Ländern, bei dem die Anteilseigner international möglichst breit gestreut sind und die Führungspositionen unter angemessener Berücksichtigung eines bodenständigen Managements aus mehreren Ländern stammen; diese Form der grenzüberschreitenden Konzentration zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass die einzelnen nationalen juristischen Einheiten über eine weitgehende Selbständigkeit gegenüber der eigentlichen Konzernspitze verfügen und ihre Mitwirkung bei Grundsatzentscheidungen des Gesamtkonzerns gesichert ist.“ Siehe: Kandlbinder, in: Sölter/Zimmerer (Hrsg.), Hdb der Unternehmenszusammenschlüsse, 547 (553 f.). So auch: Schmitt, Multinational Corporations and Merger Control in Community Antitrust Law, in: Hopt (Hrsg.), European Merger Control,

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

toinlandsprodukte vieler Staaten besitzen.11 Als Reaktion hierauf haben viele Staaten in den letzten Jahrzehnten Wettbewerbsgesetze eingeführt, um diese Aktivitäten zu kontrollieren und ggf. zu untersagen bzw. zu ahnden. Da es momentan über 90 Staaten gibt, die über Wettbewerbsordnungen verfügen, sind damit auch zweifelsohne verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Unterschiede prädestiniert. Nicht nur vertreten die Staaten unterschiedliche wettbewerbspolitische und teilweise industriepolitische Zielsetzungen in der Wettbewerbspolitik, sondern allein der Umstand der unterschiedlichen Sprachen, Anmeldevoraussetzungen, Inhalte der Anmeldungen und Dauer der Verfahren führt zu steigenden Kosten, nicht nur für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, sondern auch für die Behörden. Zumal sich letztere über mangelnde institutionelle Kapazitäten beklagen. Da für die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen nationale Grenzen keine Rolle mehr spielen und räumliche Marktbereiche mittlerweile schwer national abgrenzbar sind, eröffnen viele Jurisdiktionen den Anwendungsbereich ihrer Wettbewerbsordnungen anhand des Auswirkungsprinzips, wonach ein Staat ein legitimes Jurisdiktionsinteresse hat, auch Marktstörungen zu regeln, die zwar im Ausland veranlasst werden, sich aber im Inland auswirken. Dadurch wenden mehrere Staaten zugleich ihre Fusionskontrollregelungen an. Diese parallele Anwendung unterschiedlicher Gesetze kann ggf. nicht nur zu sich widersprechenden Entscheidungen, sondern auch zu rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Konflikten, erhöhten Transaktionskosten und größerer Rechtsunsicherheit führen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen und Fusionskontrollregelungen gilt es in Teil 1 zu erklären. Im Hinblick darauf werden zuerst die historische Entwicklung grenzüberschreitender Wirtschaftsaktivitäten und die daraus resultierenden Probleme aufgezeigt. Hierbei wird der Begriff der Unternehmenskonzentration, die sich durch Zusammenschlüsse ergeben, die unterschiedlichen Arten von Zusammenschlüssen und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb erklärt und schließlich die Frage beantwortet, warum es eine angemessene Kontrolle dieser überhaupt geben sollte (Kapitel 1). Im Anschluss daran stellt sich die Frage, inwieweit Staaten ihre Fusionskontrollregelungen begründen, sodass mithin die völkerrechtliche Ausgangslage der staatlichen Jurisdiktion und die verschiedenen Anknüpfungspunkte für die Gesetzgebungskompetenz in Kapitel 2 näher beleuchtet werden. S. 169 (172). Ein multinationales Unternehmen stellt folglich ein Verbund von einem Mutterunternehmen und einem oder mehreren Tochterunternehmen dar. Zwar sind die Tochterunternehmen rechtlich selbständig, aber sowohl wirtschaftlich als auch finanziell vom Mutterunternehmen abhängig. 11 UNCTAD ordnete im World Investment Report 2002 anhand der jährlichen Wertschöpfung einzelne Staaten und multinationale Unternehmen (MNU) ein. Unter den 100 größten wertschöpfenden Einheiten war die Wertschöpfung von 29 MNU größer als die von Staaten. Das zuerst aufgeführte Unternehmen war ExxonMobil (Platz 45), welches für das Jahr 2000 einen Mehrwert iHv. ca. 63 Billion US-Dollar schaffte und damit das BIP einiger Staaten, beispielsweise Pakistan oder die Vereinigten Arabischen Emirate, übertraf. Siehe: UNCTAD, World Investment Report 2002, S. 90.

Kap. 1: Globalisierung der Wirtschaft

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Kapitel 1

Globalisierung der Wirtschaft Unter der ökonomischen Globalisierung wird das grenzüberschreitende Zusammenwachsen räumlich getrennter Märkte verstanden. Die Tendenz zur Internationalisierung der Wirtschaft wird durch die Betrachtung der Entwicklung des Weltbruttosozialprodukts und des Welthandels deutlich: Der Handel ist in den letzten 30 Jahren weltweit viel schneller gewachsen als die Produktion. Der weltweite Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und der Welthandelsorganisation (WTO) sind wesentliche Ursachen für diese Entwicklung. Hinzu kommen Verbesserungen in der Informations- und Kommunikationstechnik sowie sinkende Transportkosten. All dies begünstigte die ökonomische Globalisierung. Diese lässt sich zudem an der Marktmacht von multinationalen Unternehmen wie beispielsweise das Marktverhalten von Microsoft, das seine Marktstellung auf dem Markt für PC-Betriebssysteme missbräuchlich ausnutzt(e), und grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen wie Daimler/Chrysler ablesen. Einzelne Aspekte der ökonomischen Globalisierung sollen im Folgenden kurz dargestellt werden, um die daraus resultierenden Implikationen für die wettbewerbliche Problematik der Unternehmenskonzentration zu skizzieren. Grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten sind kein Novum: Die florentinischen Kaufmannshäuser handelten bereits im 13. und 14. Jahrhundert mit anderen Akteuren aus ganz Europa. Im Zuge der Epoche des Merkantilismus und der beginnenden Kolonisierung weiter Teile Asiens und Afrikas dehnte sich auch der grenzüberschreitende Handel aus. Es entstanden große Handelskompanien wie beispielsweise die im 1600 gegründete East India Company. Diese Handelsgesellschaften gingen ursprünglich auf kaufmännische Kooperationen zurück und wurden mit besonderen Privilegien ausgestattet. Allerdings traten diese in den Hintergrund, als im 19. Jahrhundert die Großmächte anfingen, diese Gebiete zu kontrollieren und den außereuropäischen Teil der Welt unter sich aufzuteilen.12 Erst der Wirtschaftsliberalismus, die industrielle Revolution sowie die Erfindung neuer Transport- und Kommunikationsmittel wie die Eisenbahn, das Telefon und der Telegraph begünstigten die Entstehung großer Unternehmen.13 Dieses Bestreben konzentrierte sich vor allem in der Erdölindustrie und im Bergbau, denn ausschlaggebend war hier die Rohstoffsicherung. Anfangs beschränkten sich die Auslandsaktivitäten auf Importe und Exporte, ab dem 19. Jahrhundert begannen die Unternehmen jedoch mit der Errichtung bzw. dem Erwerb von ausländischen Produktionsstätten. Als Beispiele

12

Welge/Holtbrügge, Internationales Management, S. 2. Jones, Introduction: Transnational Corporations – A Historical Perspective, S. 1; Jones, The Evolution of International Business, S. 32 f. 13

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

seien hierfür exemplarisch Rockefellers Standard Oil Company14 und United Fruit Company15 genannt. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm die durchschnittliche Wachstumsrate des Außenhandels aufgrund des zunehmenden Nationalismus und Protektionismus sowie der Versuche zahlreicher Länder, die Exportfähigkeit der heimischen Industrie durch die wiederholte Abwertung ihrer Währungen zu Lasten anderer Länder zu verbessern (sog. beggar-my-neighbour-policy), spürbar ab.16 Verglichen mit dem Außenhandel verlangsamte sich das Wachstum ausländischer Direktinvestitionen durch den Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise von 1929 dagegen kaum. Da im Zuge des aufkommenden Nationalismus Schutzzölle und nichttarifäre Handelshemmnisse errichtet worden waren, gründeten viele amerikanische und europäische Unternehmen Tochtergesellschaften im Ausland, welche die Realisierung erheblicher Massenproduktionsvorteile ermöglichten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden durch das GATT Zölle und mengenmäßige Handelsbeschränkungen abgebaut. Schließlich wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für den weltweiten Austausch von Gütern und Dienstleistungen im Rahmen der WTO entscheidend verbessert, indem u. a. Handelshemmnisse und andere nationale Protektionismen beseitigt wurden. All diese technischen, politischen und rechtlichen Entwicklungen begünstigten sowohl die Internationalisierung der Wirtschaft als auch den enormen Anstieg der grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüsse. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: Was sind die Ursachen und Auswirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen? Warum ist wirtschaftliche Konzentration wettbewerbsrechtlich problematisch? Wie werden Unternehmenszusammenschlüsse kontrolliert? Was folgt daraus für die einzelnen Staaten und mit welchen Problemen sehen diese sich konfrontiert? Da heutzutage ein und dasselbe Zusammenschlussvorhaben in mehreren Jurisdiktionen Auswirkungen haben kann und deshalb bei mehreren Wettbewerbsbehörden angemeldet werden muss, stellt sich überdies die Frage, welchen neuen Herausforderungen sich Wettbewerbsbehörden aufgrund der steigenden Anzahl dieser multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse weltweit stellen müssen und welche Kosten sowohl für die Unternehmen als auch für die Behörden anfallen.

A. Die wettbewerbliche Problematik der Konzentration Durch Unternehmenszusammenschlüsse wird zum einen die Wettbewerbsintensität erhöht. Zum anderen können jedoch auch marktbeherrschende Stellungen entstehen, die den Wettbewerb zwischen den Unternehmen wiederum verringern.17 14 15 16 17

Exxon Mobil Corporation gilt als Nachfolger der Standard Oil Company. Heute bekannt als Chiquita Brands International. Welge/Holtbrügge, Internationales Management, S. 4. Mason, Economic Concentration and the Monopoly Problem.

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Dies führt letztlich zu einer Gefährdung des Wettbewerbs. Zu dieser Erkenntnis kam bereits 1966 die Europäische Kommission in ihrem sog. Konzentrationsmemorandum18, wonach Konzentrationsprozesse in ordnungs- und wettbewerbspolitischer Hinsicht bedenklich sein können. Wann jedoch eine Unternehmenskonzentration ein wettbewerbspolitisches Problem darstellt, hängt vom wettbewerbspolitischen Verständnis ab: So vertritt die Harvard School die Marktmachtthesen und versucht mithilfe des von ihr entwickelten Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigmas19 die erforderlichen Marktstrukturund Marktverhaltenskriterien zu formulieren, um wettbewerbspolitische Maßnahmen für einen „funktionsfähigen Wettbewerb“ zu bestimmen. Demnach gefährdet eine zu hohe Unternehmenskonzentration die Marktstrukturen des Wettbewerbs und ist daher durch eine aktive Wettbewerbspolitik in Form der Fusionskontrolle zu bekämpfen. Dagegen behauptet die Chicago School, dass unbeeinflusste Marktprozesse zu einem Wohlfahrtsoptimum führen und sich deshalb der Staat aus dem „freien Spiel der Kräfte“ größtenteils heraushalten soll, entsprechend dem laissezfaire-Gedanken. Nach dieser Ansicht können in einem freien Markt nur effiziente Unternehmensgrößen überleben. Diesem effizienzorientierten Wettbewerbskonzept nach deuten sowohl Unternehmenszusammenschlüsse als auch eine marktstarke Unternehmensstellung lediglich auf eine höhere Effizienz hin und erscheinen daher wettbewerbsrechtlich unbedenklich.20 Ob nun wettbewerbspolitischer Interventionsbedarf besteht, hängt letztlich vom Einzelfall und von der Gesetzeslage ab. Auffällig ist jedoch, dass viele Staaten über ein präventives Fusionskontrollsystem verfügen, das darauf ausgerichtet ist, den freien Wettbewerb durch hochgradige Konzentration unternehmerischer Macht zu schützen und zu erhalten. Ausgehend vom Konzentrationsbegriff sind im Folgenden zunächst die Ursachen, die verschiedenen Arten der Unternehmenszusammenschlüsse und die Auswirkungen dieser sowohl auf die Unternehmen selbst als auch auf die gesamte Volkswirtschaft zu beantworten, um das Fusionsverhalten der Unternehmen zu verstehen.

18 Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt (Konzentrationsmemorandum). Die Kommission schlug deshalb vor die Unternehmensgrößen in ein Gleichgewicht zu bringen: „Es muß faktisch die Aufrechterhaltung eines gewissen Parallelismus in der Entwicklung der Größe der Wirtschaftsmacht der Unternehmen gewährleistet werden, wenn man will, daß die unter den Vertragszielen genannte harmonische Entwicklung in die Wirklichkeit umgesetzt wird.“ Kommission, Konzentrationsmemorandum, S. 11. 19 Das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma ist auf die ehemals an der Harvard University lehrenden Bain und Mason zurückzuführen, vgl. Mason, American Economic Review 29 (1939) Part 2 Suppl., 61 (63 u. 73 f.); Bain, Barriers to new competition; Bain, Industrial Organization. 20 Maßgebend für die Betrachtungsweise „efficiency causes concentration“, hierzu vertiefend: Bork, The Antitrust Paradox: A Policy at War with Itself, und Posner, Antitrust Law: An Economic Perspective.

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I. Definition des Begriffs „Konzentration“ Aufgrund der wettbewerblichen Bedeutung des Konzentrationsbegriffs bedarf es zunächst einer näheren Erörterung des Begriffs und der Erscheinungsformen der Konzentration selbst. Konzentration ist allgemein „die Ballung ökonomischer Größen“21. Es gibt verschiedene Formen der Konzentration wie z. B. Betriebs-, Vermögens-, räumliche Konzentration und Unternehmenskonzentration, wobei letztere die wettbewerblich relevanteste Art ist. Die Unternehmenskonzentration22 wird entweder durch Marktanteile oder Umsatzanteile dargestellt.23 Diese ist gegeben, „wenn Unternehmen unverhältnismäßig anwachsen oder wenn mehrere Unternehmen fusionieren oder – bei Fortbestand ihrer rechtlichen Selbständigkeit – ökonomisch zu einer Einheit, einem Konzern oder bei Konzentration bestimmter Funktionen zu einem Kartell verbunden werden.“24 Dieser Konzentrationsprozess kann entweder intern oder extern erfolgen: Während beim internen Unternehmenswachstum das Unternehmen aus sich selbst herauswächst, indem es neue Betriebe errichtet oder bereits bestehende Betriebe ausbaut, wächst beim externen Unternehmenswachstum das Unternehmen durch Zusammenschluss mit einem anderen. Letzteres ist dauerhaft angelegt und aufgrund seines strukturellen Charakters und einem möglichen Anstieg von Marktmacht eher geeignet, den Wettbewerb zu gefährden. Jedoch ist externes Unternehmenswachstum nicht von vornherein als negativ anzusehen – wie Kartelle, die grundsätzlich verboten sind – sondern nur, wenn es den Wettbewerb erheblich behindert.25 II. Ursachen von Unternehmenszusammenschlüssen Bei der Analyse des Konzentrationsprozesses ist zu untersuchen, was die Ursachen hierfür sind und welche Faktoren diese beeinflussen. In der Literatur werden vor allem zwei Ansätze, die das Entstehen von Fusionswellen erklären, diskutiert26: Zum einen ein verhaltensorientierter Ansatz, der Fusionswellen durch Marktüberbewer21 Arndt/Ollenburg, Begriff und Arten der Konzentration, in: Arndt (Hrsg.), Die Konzentration in der Wirtschaft Bd. 1, S. 7. 22 Auf die verschiedenen Erscheinungsformen der Unternehmenskonzentration (Konzern, Trust, Syndikat, Gemeinschaftsunternehmen, Unternehmensbeteiligung von unter 50 %, sodass keine Beherrschung, aber zumindest eine Beeinflussung der Unternehmenspolitik gegeben ist, so wie bspw. bei der Besetzung der Aufsichtsratsmitglieder) kann es bei der Beurteilung der Konzentrationsvorgänge nicht ankommen. 23 Die Messung der Unternehmenskonzentration ist sehr komplex und soll hier nicht näher behandelt werden. 24 Arndt/Ollenburg, Begriff und Arten der Konzentration, in: Arndt (Hrsg.), Die Konzentration in der Wirtschaft, Bd. 1, S. 28. 25 Sog. Konzentrationsprivileg. Vgl. Schmidt/Fritz, Pro und Contra Konzentrationsprivileg, in: Kruse/Mayer (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Wettbewerbs- und Wirtschaftspolitik, S. 119 (119). 26 Vgl. Ecker, M&A Review 2008, 509 (509).

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tungen ausgelöst sieht und zum anderen ein Erklärungsansatz durch externe Industrieschocks, die durch Deregulierung oder neuen Technologien ausgelöst wurden. Die Zusammenschlussmotive sind vielfältig27: Sicherung der Marktposition, ggf. Expansion, weltweite Präsenz, Erschließen neuer Märkte, Kostenersparnisse durch Größenvorteile, Transaktionsersparnisse und Aufbau großer Industriekonglomerate. Ferner kommen Trends und persönliche Vorlieben des Managements28 als auch Reaktionen von anderen Wettbewerbern wie Nachahmungseffekte bzw. Kettenreaktionen als Auslöser für Zusammenschlüsse29 in Betracht. Momentan nutzen viele multinationale Unternehmen Zusammenschlüsse, um sich auf ihre sog. Kernkompetenzen zu konzentrieren, indem sie sich auf wenige Aufgaben spezialisieren, diese jedoch weltweit ausführen. Die erhofften Vorteile von Unternehmenszusammenschlüssen lassen sich als Skalen-, Scope- und Skill-Effekte zusammenfassen. „Skaleneffekte, Massenproduktionseffekte bzw. Größenvorteile, umfassen Kostensenkungs- und Rationalisierungseffekte und Effekte steigender Marktmacht sowohl im Beschaffungs- und Absatzbereich. (…) Scope-Effekte ergeben sich aus einem nun sachlich und/oder geographisch breiteren Angebot, durch das sich erweiterte globale Möglichkeiten ergeben und die internationale Markt- und Wettbewerbsposition verbessert werden kann. (…) Skill-Effekte ergeben sich schließlich aus dem Zuwachs von Know-how, beispielsweise durch sich möglicherweise ergänzende F&E-Ergebnisse (Patente, geplante Innovationen) oder durch neue Markterkenntnisse und der dadurch gestärkten Innovationsfähigkeit.“30 Historisch betrachtet, lassen sich Fusionsaktivitäten und damit Konzentrationsprozesse bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts verzeichnen.31 Die folgende Ab-

27 Vgl. OECD, Mergers and Competition Policy, S. 17; Kleinert/Klodt, Megafusionen, S. 22; Kleinert/Klodt, Die fünfte Fusionswelle: Ausmaße und Hintergründe, in: Oberender (Hrsg.), Megafusionen, S. 9 (S. 13 f.); Sölter, in: Sölter/Zimmerer (Hrsg.), Hdb der Unternehmenszusammenschlüsse, 521 (526); UNCTAD; World Investment Report 2000, S. 140 ff.; Möschel, Megafusionen: Besteht ordnungspolitischer Handlungsbedarf?, in: Franz/Ramser/ Stadler (Hrsg.), Fusionen, S. 271 (272). 28 Vgl. Budzinski/Kerber, Megafusionen, Wettbewerb und Globalisierung, S. 49 ff. Hierfür haben sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion zwei verhaltensorientierte Erklärungsansätze etabliert: der Prinzipal-Agenten-Ansatz und der Interessengruppenansatz. Siehe: Adam, Die internationale Kontrolle von grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen, S. 24; Monopolkommission, Dreizehntes Hauptgutachten 1998/1999, Tz. 769 u. 784. 29 Vgl. Schmidt/Fritz, Pro und Contra Konzentrationsprivileg, in: Kruse/Mayer (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Wettbewerbs- und Wirtschaftspolitik, S. 119 (123). 30 Koch, Globalisierung der Wirtschaft, S. 82 ff. 31 Hierbei kann nur auf die US-amerikanischen Daten zurückgegriffen werden, da die USA bereits 1905 die Fusionskontrolle eingeführt und somit bereits Ende des 19. Jahrhunderts Fusionsstatistiken geführt haben, während beispielsweise für die EU die Fusionskontrollverordnung erst 1989 in Kraft getreten ist. Dieser Statistik zugrundeliegend gibt es sieben Fusionswellen.

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bildung veranschaulicht, dass es über die Jahrzehnte verschiedene Fusionswellen gegeben hat.32

Quelle: Jansen, Mergers & Acquisitions, 6. Aufl., Wiesbaden 2016, S. 170

Abbildung 1: Die sieben Fusionswellen und „ihre“ volkswirtschaftlichen Rezessionen

Anhand von Abbildung 1 kann nachvollzogen werden, dass der Auslöser der ersten Fusionswelle (1882 – 1904) die industrielle Revolution um 1897 war, in der sich die Unternehmen horizontal zusammenschlossen. Da damals noch eine Monopolkontrolle fehlte, führten diese Zusammenschlüsse zu überregionalen Monopolisierungen. Die US-amerikanischen Antitrustgesetze von 1916, die eine integrationsfördernde Wirkung im vertikalen Bereich hatten, zogen die zweite Fusionswelle (1918 – 1929) nach sich. Die dritte Fusionswelle (1965 – 1972) entstand durch den Börsenboom und war durch eine Ausweitung der Produktion geprägt, sodass viele Unternehmen zu Industriekonglomeraten umgebaut wurden. Durch die Liberalisierung und Deregulierung von Finanztransaktionen wurde die vierte Fusi32

Ein guter Überblick über die historische Darstellung der M&A-Wellen lässt sich finden in: Kleinert/Klodt, Megafusionen, S. 18 ff.; Glaum/Hutzschenreuter, Mergers & Acquisitions, S. 45 f.; Müller, Fusionen und Übernahmen aus historischer Sicht, in: Siegwart/Neugebauer (Hrsg.); Mega-Fusionen, S. 63 (65 ff.); Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 63 ff. und 130; Gaughan, Mergers, Acquisitions, and Corporate Restructurings, S. 35 ff.

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onswelle (1981 – 1990) ausgelöst und führte zu einer Konzentration auf sog. Kernkompetenzen. Auslöser der fünften Welle waren verschiedene Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Beginn der Globalisierung und der New Economy. Die Unternehmenskonzentration erfolgte in diesem Fall durch die Fokussierung der einzelnen Geschäftsfelder. Die sechste Fusionswelle (2000 – 2014) wurde durch ein verstärktes Kaufverhalten von Finanzinvestoren, vor allem durch Private Equity Unternehmen, geprägt. Seit 2014 befindet sich die Wirtschaft in einer siebten Fusionswelle, die in erster Linie eine IT-basierte Integration darstellt. Während die ersten fünf Fusionswellen dadurch gekennzeichnet waren, dass die Unternehmen ihre eigenen Marktanteile ausbauten und sich global aufstellten, wurde die sechste Fusionswelle durch die vermehrten grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse und „Megafusionen“, die keine speziellen Industriezweige erfassen, charakterisiert. Auch der durchschnittliche Transaktionspreis ist mit der Zeit enorm gestiegen: So betrugen beispielsweise die Transaktionswerte der Zusammenschlüsse Vodafone Airtouch/Mannesmann 200 Milliarden US-Dollar und AOL/Time Warner 165 Milliarden US-Dollar und übertrafen damit das BIP von mittelgroßen Staaten wie Portugal (im Jahr 2000: 120 Milliarden US-Dollar).33 Anhand Abbildung 1 wird außerdem deutlich, dass am Ende einer jeden Fusionswelle eine Rezession beginnt. Darüber hinaus haben M&A-Marktanalysen ergeben, dass die Fusionswellen mit den jeweiligen Konjunkturen korrelieren.34 Allen Fusionswellen war gemein, dass sich die Unternehmen gezwungen sahen, sich an die veränderten Rahmenbedingungen, seien sie industrieller, technologischer, wettbewerbspolitischer oder konjunkturellfinanzwirtschaftlicher Art, anzupassen.35 Mithin ist festzuhalten, dass multinationale Unternehmen und ihre Aktivitäten sowohl Ursache als auch Wirkung des Globalisierungsprozesses sind. III. Arten von Unternehmenszusammenschlüssen und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb Wie der externe Vorgang der Konzentration erfolgt, hängt von den jeweiligen Konzentrationsstrategien der Unternehmen ab. Diese führen schließlich zu den unterschiedlichen Arten von Unternehmenszusammenschlüssen: horizontale, vertikale und konglomerate. 33 Siehe für die Transaktionswerte: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/218376/ umfrage/groesste-firmenuebernahmen-weltweit/ und für das BIP von Portugal: https://data.world bank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.CD?locations=PT (beides zuletzt aufgerufen am 25. 05. 2018). 34 Vgl. Jansen, Mergers & Acquisitions, S. 62 ff.; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 153 ff. 35 Vgl. Kleinert/Klodt, Megafusionen, S. 17 f.; Kleinert/Klodt, Die fünfte Fusionswelle: Ausmaße und Hintergründe, in: Oberender (Hrsg.), Megafusionen, S. 9 (11 f.); Kleinert/Klodt, Fusionswellen und ihre Ursachen, in: Franz/Ramser/Stadler (Hrsg.), Fusionen, S. 27 (28 ff.); Kantzenbach, Wettbewerbspolitik in der globalisierten Weltwirtschaft, in: Theurl/Smekal (Hrsg.), Globalisierung, S. 231 (241).

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Bei horizontalen Zusammenschlüssen fusionieren Unternehmen, die auf dem gleichen relevanten Markt tätig sind. Durch einen solchen Zusammenschluss kommt es zu einer erhöhten Konzentration auf dem jeweiligen relevanten Markt. Vertikale Zusammenschlüsse sind dadurch gekennzeichnet, dass Unternehmen fusionieren, die auf vor- bzw. nachgelagerten Produktionsstufen tätig sind und in einer KäuferVerkäufer-Beziehung stehen. Konglomerate Zusammenschlüsse werden negativ definiert, indem sie weder horizontaler noch vertikaler Natur sind. Diese sind vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass der Zusammenschluss ohne jeden marktmäßigen Zusammenhang erfolgt.36 Zwar fördert der Großteil der Zusammenschlüsse anfangs den Wettbewerb, jedoch können zugleich negative Auswirkungen auf den Wettbewerb auftreten37: Horizontale Zusammenschlüsse beeinflussen unmittelbar die strukturellen Voraussetzungen wirksamen Wettbewerbs, da die Anzahl der konkurrierenden Wettbewerber notwendigerweise verloren geht, sodass sich der Wettbewerbsdruck auf das vergrößerte Unternehmen verringert. Im schlimmsten Fall kann durch den Zusammenschluss starker Unternehmen der Wettbewerb komplett unterbunden werden.38 Bei den vertikalen Zusammenschlüssen sinkt zwar die Zahl der Wettbewerber nicht, aber die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen machen sich in Form von Behinderungen von tatsächlichen oder potentiellen Mitbewerbern bemerkbar, so werden beispielsweise Marktzutrittsschranken durch die Monopolisierung der Bezugs- oder Absatzwege errichtet. Bei konglomeraten Zusammenschlüssen besteht die Gefahr einer Übertragung einer möglichen marktbeherrschenden Stellung auf einem anderen Markt. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass sich Unternehmen in erster Linie mit anderen zusammenschließen, um durch Effizienzgewinne Kosten zu sparen. Jedoch kann eine zu hohe Unternehmens- und Machtkonzentration auf dem Markt wettbewerbsschädigend sein. Die Beherrschung von Schlüsseltechnologien durch wenige oder im schlimmsten Fall nur durch ein Unternehmen behindert den freien Wettbewerb.39

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Es gibt unterschiedliche Formen konglomerater Zusammenschlüsse: Produktausweitungs-, Gebietsausweitungs-, Marktverkettungszusammenschlüsse und schließlich reine Konglomerationen. Vgl. Bauer, Wettbewerbsbeschränkungen durch konglomerate Unternehmenszusammenschlüsse, S. 3 ff.; Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse im amerikanischen und deutschen Recht, S. 25 f. 37 Um die Frage der wettbewerblichen Auswirkungen der Unternehmenskonzentration auf den Markt beantworten zu können, ist die Konzentrationsmessung ausschlaggebend: Es gibt verschiedene Maßstäbe für die Erfassung der wirtschaftlichen Konzentration: a) absolute Konzentrationsmaße, b) Messung der Wettbewerbsintensität und c) relative Konzentrationsmaße. 38 Vgl. Jones/Sufrin, EU Competition Law, S. 859 f. 39 Drauz, Aktuelle Entwicklung in der Europäischen Fusionskontrolle, in: Baudenbacher (Hrsg.), Neueste Entwicklungen im europäischen und internationalen Kartellrecht, S. 89 (96 f.); Wolf, International Mergers, in: Zäch (Hrsg.), Towards WTO Competition Rules, S. 205 (206).

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IV. Zusammenschlusskontrolle Die wettbewerbliche Ambivalenz der Konzentrationsvorgänge wird anhand der oben genannten Gegenüberstellung der negativen und positiven Auswirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen deutlich, sodass eine pauschale Konzentrationskritik verfehlt ist. Letztlich ist der Erfolg bzw. Misserfolg eines Unternehmenszusammenschlusses ein unternehmerisches Risiko. Allerdings ist dann der Staat gefragt, wenn mit der Fusion Nachteile für die Volkswirtschaft und den Wettbewerb verbunden sind. Um sowohl die Machtkonzentration durch Unternehmenszusammenschlüsse als auch eine dadurch ggf. entstehende Verschlechterung der Marktstruktur zu verhindern, versucht die Wettbewerbspolitik durch Einführung einer Zusammenschlusskontrolle, die Wettbewerbsgefährdungen feststellt und ggf. untersagt, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Es gibt nach wie vor – bis auf das europäische Recht als supranationales Recht40 – keinen internationalen Vertrag, der die nationalen Fusionskontrollregime harmonisiert.

B. Internationalisierung der Wettbewerbspolitik und sich daraus ergebende Probleme für grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse Einhergehend mit der Globalisierung haben weltweit zunehmend mehr Staaten Wettbewerbsordnungen, einschließlich Fusionskontrollregelungen, erlassen. Während 1990 nur zwölf Staaten über Fusionskontrollregime verfügten, sind es nun über 90 Staaten. Neuerdings haben beispielsweise China (2008) und Indien (2011) Fusionskontrollregelungen erlassen; Brasilien hat 2012 seine Regelungen reformiert. Daraus folgt für die Unternehmen, dass diese bei Zusammenschlussvorhaben, die einer Genehmigung in mehreren Staaten bedürfen, mit höheren Transaktionskosten, Verzögerungen und größerer Rechtsunsicherheit rechnen müssen. Der Grund für die parallele Zuständigkeit mehrerer Wettbewerbsbehörden liegt in der Anwendung des Auswirkungsprinzips. Im Zusammenhang mit der Anmeldung von multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen stellen sich folgende Fragen: Welche Fusionskontrollregime müssen be40 Neben der EU sieht auch die COMESA Competition Commisssion (CCC) einen one stop shop-Ansatz vor. Jedoch ist nicht klar, ob die CCC die ausschließliche Zuständigkeit für Zusammenschlüsse, die eine regionale Bedeutung aufweisen, hat. Näheres hierzu: Rudman/ Wilson, Journal of European Competition Law and Practice 2013, S. 368 ff.; Steyn, Competition Law International 9(2) (2013), S. 137 ff.; Davies/Janssens/Lavoie, COMESA’s merger control regime: where are we now?, abrufbar unter http://www.freshfields.com/uploadedFiles/SiteWide/ Knowledge/COMESA.pdf (zuletzt aufgerufen am 24. 03. 2015). Andere regionale Gruppen versuchen ebenfalls regionale Wettbewerbsordnungen zu erschaffen, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Bspw. ADC, Andeam Community, APEC, ASEAN, CAFTA-DR, CARICOM, CEMCA, CIS, EAC, MERCUSOR, NAFT, SAARC, SACU, WAEMU. Ausführlich hierzu: Dabbah, International and Comparative Competition Law, Kapitel 10.

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achtet werden und wie sehen ihre Anknüpfungskriterien für die Jurisdiktionsausübung aus? Welche Arten von Transaktionen werden von den Fusionskontrollregimen erfasst? Ist die Anmeldung eines Vorhabens zwingend oder freiwillig? Welche Sanktionen werden bei fehlender Anmeldung verhängt? Welche Anmeldefristen gilt es zu beachten und wie lange dauern die Fusionskontrollverfahren? Gibt es ein Vollzugsverbot oder kann das Vorhaben bereits vor der Entscheidung durchgeführt werden? Welche Informationen und/oder Daten müssen bei der Anmeldung eingereicht werden? Wie sieht der Umfang der materiell-rechtlichen Prüfung aus? Welche Kriterien werden hierbei herangezogen? Anhand dieser Fragen wird deutlich, dass in der Praxis die Schwierigkeiten überwiegend das Resultat unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Regeln sind. Aus diesem Grund ist für die weitere Arbeit vorab eine Bestandsaufnahme der praktischen Probleme nützlich. Dabei liegt der Fokus auf Verfahrensfragen. Materiell-rechtliche Regelungen werden in diesem Zusammenhang nicht besprochen, weil sie selten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Darüber hinaus lassen sich unterschiedliche materiell-rechtliche Bewertungen nicht vermeiden, da es sich in der Regel um nationale bzw. regional abgrenzbare Märkte handelt, welche von Jurisdiktion zu Jurisdiktion unterschiedlich zu beurteilen sind.41 Ersteres führt dann zu einem Konflikt, wenn z. B. eine Jurisdiktion das Vorhaben genehmigt, aber eine andere dieses verbietet oder eine Behörde Abhilfemaßnahmen erlässt, die eine extraterritoriale Wirkung haben. Folgendes Beispiel soll diese Problematik veranschaulichen: Drei Reedereien, die dänische AP Møller Maersk, die schweizerische MSC und die französische CMA CGM wollten sich für die Routen von Asien nach Europa, von Asien nach Nordamerika und von Nordamerika nach Europa zusammenschließen (sog. Allianz P3). Grünes Licht gab es bereits von der Europäischen Kommission und den US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden. Doch das chinesische Handelsministerium untersagte das Vorhaben, weil es überzeugt war, dass es Auswirkungen auf den Wettbewerb in der Branche haben würde. Auch wenn das Vorhaben von Anfang an sehr umstritten war, illustriert es sehr gut, wie eine Behörde einen Zusammenschluss genehmigt, während eine andere Behörde es untersagt, mit der Folge, dass die Allianz letztlich nicht entstehen kann. Weitere Beispiele aus der Praxis sind die Fälle: Intel/McAffee, General Electric/Honeywell, Ciba-Geigy/Sandoz, Boeing/McDonnel Douglas und Eurotunnel/SeaFrance.

41 Montag, Konvergenz bei internationalen Fusionen, in: FIW e.V. (Hrsg.), Konvergenz der Wettbewerbsrechte, S. 39 (54).

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I. Bestandsaufnahme der praktischen Probleme Die internationale Verflechtung der Weltwirtschaft sorgte nicht nur für mehr internationale Zusammenschlüsse, sondern auch für den verstärkten Erlass von Wettbewerbsordnungen und Fusionskontrollsystemen weltweit, die sich nicht nur materiell-rechtlich, sondern auch verfahrensrechtlich unterscheiden. Problematisch ist, dass Unternehmen zwar auf globalen Märkten agieren, aber die Wettbewerbspolitik inklusive der Fusionskontrolle nach wie vor eine Kompetenz der Nationalstaaten ist. Die praktischen Probleme in Bezug auf die Anmeldung eines multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhabens beziehen sich in erster Linie auf der verfahrensrechtlichen Ebene, beispielsweise uneindeutige Aufgreifkriterien, zu kurze Anmeldefristen, umfangreiche Informationsanforderungen und teilweise hohe Anmeldegebühren.42 Diese Herausforderungen gilt es im Folgenden kurz zu skizzieren. Dieser Abschnitt hat jedoch nicht zum Ziel, einen Überblick über die „technischen“ Einzelheiten der zahlreichen Fusionskontrollregime weltweit zu geben, sondern soll sich vielmehr auf die praktischen Probleme, die sich bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen stellen, konzentrieren. 1. Unterschiedliche wettbewerbspolitische Leitbilder Die materiell-rechtlichen Untersagungskriterien in der Fusionskontrolle sind für diesen Abschnitt weniger interessant, aber kurz gefasst lassen sich die Kriterien in drei Kategorien einteilen: a) marktbeherrschende Stellung (z. B. EU und Neuseeland), b) wesentliche Verminderung des Wettbewerbs (z. B. USA, Kanada, Australien) oder c) Konflikt mit dem (nationalen) öffentlichen Interesse (z. B. Großbritannien, Frankreich und Spanien).43 Auf die unterschiedlichen materiell-rechtlichen Regelungen wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. 2. Ineffizienzen des Auswirkungsprinzips als Rechtsanwendungsgrundlage Viele Staaten ziehen das Auswirkungsprinzip als Grundlage für die Anwendung ihres Rechts heran. Dieses Prinzip besagt, dass ein Staat ein legitimes Jurisdikti42 Rowley/Wakil, International Mergers: The Problem of Proliferation, S. 2 ff; Rowley/ Baker, International Mergers, Stand Juni 2000, I.004 ff.; Böge, Fordham Corp. L. Inst. 2001, 129 (130 f.); Bischke/Wirtz, RIW 2001, 328 (328 ff.); Berg/Nachtsheim/Kronberger, RIW 2003, 15 (15 ff.); Holbrook, UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff. 7 (2002 – 2003), 345 (349 ff.); Heckenberger, Probleme der globalisierten Fusionskontrolle aus der Sicht eines Unternehmensjuristen, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 89 (90 ff.); Bär-Bouyssière, Wege zu einer einheitlichen Fusionskontrolle (?), in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung. S. 97 (99 ff.). 43 Rowley/Baker, International Mergers, Stand Juni 2000, Rn. I.003; Rowley/Campbell, Multi-Jurisdictional Review – Is It Time for a Common Form Filing Treaty?, S. 4; abrufbar unter: http://www.mcmillan.ca/Files/Multi-Jurisdictional%20Merger%20Review_with%20at tach_April%201999.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 08. 2016).

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onsinteresse hat, Markstörungen zu regeln, die zwar im Ausland veranlasst werden, sich aber im Inland auswirken. Von vielen wird das Auswirkungsprinzip als Rechtsgrundlage als ineffizient und als Einmischung in nationale Angelegenheiten wahrgenommen.44 Als Antwort hierauf haben einige Staaten sog. blocking statutes erlassen, die in der Regel die Befolgung von extraterritorialen Ermittlungsmaßnahmen eines Drittstaates verbieten. Ein Beispiel aus der Praxis für Konflikte über die extraterritoriale Ausübung ist der Fall Boeing/McDonnel Douglas. Die unterschiedlichen Ansichten der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden und der Europäischen Kommission hätten fast einen transatlantischen Handelskrieg ausgelöst. Ein anderes Beispiel ist das gescheiterte Vorhaben zwischen General Electric und Honeywell. In diesem Fall genehmigten die US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden das Vorhaben unter Auflagen, während die Europäische Kommission dieses untersagte. Abbildung 2 stellt ausgewählte internationale M&A-Transaktionen vor, die durch ein Drittland, d. h. ein Land, in welchem keiner der fusionierenden Unternehmen ansässig war, erfolgreich verhindert bzw. nur unter Auflagen genehmigt wurden.

Quelle: Budzinski/Aigner, Institutionelle Rahmenbedingungen für internationale M&ATransaktionen, in: Strohmer (Hrsg.), International Mergers and Acquisitions, S. 194.

Abbildung 2: Untersagungen von Zusammenschlüssen durch Drittlandswettbewerbsbehörden

44 Budzinski/Aigner, Institutionelle Rahmenbedingungen für internationale M&A Transaktionen, in: Strohmer (Hrsg.), International Mergers and Acquisitions, S. 191 (193 ff.).

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Die Rechtsausübung, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, löst nicht nur Konflikte aus, sondern sorgt auch dafür, dass vermehrt Parallelverfahren entstehen. Hierbei entstehen vermehrt Transaktionskosten und Rechtsunsicherheit für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Zwar wird mit der Anwendung des Auswirkungsprinzips eine Vielzahl der im Ausland veranlassten Wettbewerbsbeschränkungen erfasst, aber seine Anwendung weist trotzdem Schutzlücken auf. In bestimmten Fällen greift das Auswirkungsprinzip zu kurz. Dies ist der Fall, wenn ein Staat keine eigene Wettbewerbspolitik hat oder wenn der Wettbewerbsschutz in einem Staat nicht derart stark ausgeprägt ist, sodass sich Unternehmen nicht regelkonform verhalten. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Schwellen- und Entwicklungsländer. 3. Aufgreifkriterien Die Pflicht zur Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens besteht zwar in vielen Staaten, aber die Aufgreifkriterien, die diese Anmeldepflicht auslösen, variieren stark voneinander. Es gibt Staaten mit a) reinen Inlands- und Weltumsatzaufgreifkriterien, b) reinen Inlandsumsatzaufgreifkriterien, c) reinen Weltumsatzaufgreifkriterien, d) Marktanteilsaufgreifkriterien und e) einer Kombination aus Umsatz- und Marktanteilsaufgreifkriterien. Diese unterschiedlichen Aufgreifkriterien sind einer der Gründe für die erhöhten Transaktionskosten der Unternehmen und führen zugleich zu Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten. Staaten unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihrer wirtschaftlichen Stärke voneinander, sodass es unmöglich erscheint, Umsatzschwellenwerte für alle zu bestimmen. Zudem wird kritisiert, dass die Anknüpfungskriterien unangemessen, zu niedrig und/oder unklar seien. Die Türkei sieht beispielsweise vor, dass ein Vorhaben angemeldet werden muss, wenn ein türkischer Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen von mehr als 100 Mio. Neue Lira und ein türkischer Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils 30 Mio. Neue Lira vorliegen oder der türkische Gesamtumsatz der übertragenen Vermögenswerte 30 Mio. Neue Lira übersteigt oder wenn der türkische Gesamtumsatz einer der beteiligten Parteien 20 Mio. Neue Lira und der weltweite Gesamtumsatz von mindestens eines der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen 500 Mio. Neue Lira übersteigen.45 Damit hat die Türkei einen alternativen Umsatzschwellenwerttest. Dagegen sieht Großbritannien zwei alternative Schwellenwerte vor: Zum einen ist ein Vorhaben dann anzumelden, wenn der britische Gesamtumsatz des übernommenen Unternehmens von mehr als 70 Mio. Pfund Sterling übersteigt und zum anderen, wenn ein Vorhaben zur 45

Communiqué No: 2012/3 on the Amendments made to the Communiqué concerning the Merger and Acquisitions calling for the Authorization of the Competition Board (Communique No: 2010/4) (Communiqué No: 2012/3); abrufbar unter: http://www.rekabet.gov.tr/File/?path= ROOT%2F1%2FDocuments%2FCommuniqu%C3%A9%2F2012-3ing.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017).

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Schaffung oder Erhöhung von 25 % oder mehr der gemeinsamen Marktanteile bestimmter Waren oder Dienstleitstungen innerhalb oder in einem wesentlichen Teil Großbritanniens führt.46 Singapur knüpft an die Marktanteile der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen an und verlangt eine Anmeldung, wenn das Vorhaben den Wettbewerb wesentlich vermindert. Dies ist dann der Fall, wenn a) das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen einen Marktanteil von 40 % oder mehr oder b) das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen einen Marktanteil zwischen 20 % und 40 % und der Marktanteil der drei größten Unternehmen nach der Durchführung 70 % oder mehr beträgt. Italien hat 2013 einen kumulativen Umsatzschwellenwerttest eingeführt.47 Hier besteht die Besonderheit, dass die Schwellenwerte jährlich aktualisiert werden, um die Veränderungen im BIPDeflator-Index zu berücksichtigen.48 Die letzte Anpassung fand im August 2017 statt und seitdem ist ein Vorhaben anzumelden, wenn der italienische Gesamtumsatz aller Beteiligten höher als 492 Mio. Euro und der italienische Umsatz des Zielunternehmens höher als 30 Mio. Euro liegen.49 Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Heranziehung der unterschiedlichen Aufgreifkriterien das Potential für Jurisdiktionskonflikte erhöht. 4. Anmeldefristen Ferner kritisieren Unternehmen, dass die Anmeldefristen zu kurz und nicht eindeutig seien, z. B. hinsichtlich des Zeitpunkts, wann ein Vorhaben bei der jeweiligen Behörde anzumelden ist, und dass die Zeitangaben, obwohl einige Vorhaben schnell oder vertraulich erfolgen müssen, manchmal unrealistisch sind. Ein weiterer entscheidender Punkt sind die für die Anmeldung erforderlichen Unterlagen des Vorhabens, die sehr umfangreich ausfallen können und dann zusätzlich noch in der jeweiligen Landessprache der Behörde verfasst werden müssen. Auch dies ist ein zeitaufwändiger Vorgang. Folgende Beispiele sollen diese Problematik veranschaulichen: Polen sieht für die Anmeldung des Vorhabens keine Frist als solche vor. Vielmehr ist die Absicht des Zusammenschlusses anzumelden.50 Die Anmeldung muss demnach lediglich vor der Durchführung des Vorhabens erfolgen. Deutschland hat ebenso keine Anmeldefristen. Singapur dagegen sieht nur eine frewillige An46 Enterprise Act 2002, Part 3, Chapter 1, Para. 23; abrufbar unter: https://www.legislation. gov.uk/ukpga/2002/40/part/3/chapter/1 (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017). 47 Vor dem 1. Janaur 2013 waren die Schwellenwerte alternativ. 48 Die aktuellen Werte werden im IAAs Bulletin und auf der Website www.agcm.it veröffentlicht. 49 Section 16, Nr. 1 des Law no. 287 of October 10th, 1990. Competition and Fair Trading Act, abrufbar unter: http://www.agcm.it/en/comp/1727-law-no-287-of-october-10th-1990.html (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017). 50 „The intent to concentrate is subject to notification (…)“, s.: Art. 13 des Act of 16 February 2007 on Competition and Consumer Protection, abrufbar unter: https://uokik.gov. pl/download.php?plik=7618 (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017).

Kap. 1: Globalisierung der Wirtschaft

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meldung vor, eine Anmeldefrist entfällt somit.51 Viele andere Staaten wie Argentinien, Malta, Montenegro, die Färöer-Inseln und Uruguay sehen vor, dass das Vorhaben innerhalb von 7 bis 15 Tagen nach Vertragsabschluss oder Veröffentlichung des Übernahmeangebots bei der jeweiligen Wettbewerbsbehörde angemeldet werden muss. In vielen Staaten wird eine Nichtanmeldung mit einer Geldbuße geahndet und kann oft bis zu 10 % des von den beteiligten Unternehmen erzielten Gesamtumsatzes betragen. 5. Anmeldegebühren Einige Behörden verlangen Anmeldegebühren. Hierbei erscheint es in einigen Fällen so, als würden die Behörden aus der Anmeldung Kapital schlagen. So beträgt beispielsweise die Anmeldegebühr in Brasilien 45.000 Brasilianische Real pro Anmeldung52, in Südafrika zwischen 150.000 und 500.000 Rand53, in Polen 5.000 Zloty54. In den USA ist die Anmeldegebühr vom Vermögenswert des Unternehmens abhängig: Sie liegt zwischen 45.000 US-Dollar und 280.000 US-Dollar.55 Diese hohen Summen erwecken den Eindruck, als würden sich die Behörden durch die Anmeldegebühren finanzieren, was Zweifel an ihrer unabhängigen und souveränen Arbeit aufkommen lässt. 6. Unterschiedliche Überprüfungszeiträume Des Weiteren gibt es unterschiedliche Überprüfungszeiträume, die ein Vorhaben in die Länge und damit teilweise ins zeitlich Ungewisse ziehen können. In den USA muss ein Vorhaben innerhalb von 60 Arbeitstagen geprüft werden. Die Europäische Kommission hat maximal 135 Arbeitstage und China insgesamt 180 Arbeitstage Zeit, ein Vorhaben zu prüfen.56 Wie sich die unterschiedlichen Überprüfungszeit51 Vgl aus dem Umkehrschluss der Art. 57 und 58 des Competition Act (2004), abrufbar unter: http://statutes.agc.gov.sg/aol/search/display/view.w3p;ident=4073aede-1350-4c64-8fb7 -401616747ce3;page=0;query=Id%3A%22939df5e8-5983-4347-8e6c-41c88caa8db6%22%2 0Status%3Ainforce;rec=0#pr58-he-. (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017). 52 Art. 23 des Law N8 12.529 of November 30, 2011; abrufbar unter: http://www.oabsp.org. br/comissoes2010/regulacao-economica/legislacao/LAW%20No%2012529%202011%20-En glish%20version%20from%2018%2005%202012.pdf/download. (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017). 53 Economic Development Department, Government NO. 1005 of 15 September 2017, Amendment to the Rule 10(5) of the rules for the conduct of proceedings in the Competition Commission; abrufbar unter: https://archive.opengazettes.org.za/archive/ZA/2017/governmentgazette-ZA-vol-627-no-41124-dated-2017-09-15.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017). 54 Regulation of the Council of Ministers of 17 July 2007 concerning the notification of the intention of concentration of undertakings, Journal of Laws of 2007, No. 134, item 936 and 937. 55 Siehe: https://www.ftc.gov/enforcement/premerger-notification-program/filing-fee-infor mation (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017). 56 Die Überprüfungszeiträume beziehen sich auf die Gesamtdauer des Vorverfahrens und des Hauptverfahrens.

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

räume auf ein Vorhaben auswirken, wird durch den Fall Glencore/Xstrata veranschaulicht. Glencore wollte Xstrata erwerben, um damit der größte Rohstoffhändler und das viertgrößte Bergbauunternehmen der Welt zu werden. Dieses Vorhaben wurde in Australien, Südafrika, in den USA, in der EU und in China angemeldet. Die US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden genehmigten das Vorhaben ohne Auflagen im Juli 2012. Die EU genehmigte das Vorhaben kurz darauf mit Auflagen im August 2012. Die Wettbewerbsbehörden in Australien und Südafrika bewilligten die Übernahme ebenfalls. Die Parteien mussten aber warten bis auch das chinesische Handelsministerium den Erwerb von Xstrata unter Auflagen im April 2013 gestattete. Im Ergebnis konnte das Vorhaben erst nach einem Jahr durchgeführt werden. II. Kosten der multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse Parallelverfahren sorgen für erhöhte Transaktionskosten, nicht nur für Wettbewerbsbehörden, sondern vor allem auch für Unternehmen. Zwar stellt die Anmeldepflicht eine bloße Formalität dar, den Unternehmen jedoch entstehen bei der Erfüllung dieser Anmeldepflicht erhebliche Kosten. Die durch die multijurisdiktionellen Zusammenschlussfälle verursachten Zusatzkosten und -belastungen können in drei große Bereiche unterteilt werden: a) die Dauer des Prüfungsverfahrens, b) externe, direkte Kosten und c) interne, indirekte Kosten.57 Mit der Zeit und vor allem den Kosten, die sich im Rahmen der Anmeldung von multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen stellen, beschäftigte sich 2003 ausführlich PriceWaterhouseCoopers (PwC) in einer Studie.58 Im Folgenden werden dessen Untersuchungsergebnisse vorgestellt. 95 % der angemeldeten Zusammenschlussvorhaben werden als unproblematisch eingestuft, sodass eine Genehmigung problemlos und ohne ernsthafte Bedenken erfolgt.59 Die Anmeldung bei den jeweiligen Wettbewerbsbehörden können die Unternehmen jedoch nicht umgehen. So muss ein grenzüberschreitendes Zusammenschlussvorhaben durchschnittlich in 5,6 Jurisdiktionen angemeldet werden und noch weitere 2,2 Jurisdiktionen sind von den Unternehmen eventuell angedacht.60 Die durchschnittliche Dauer eines Prüfungsverfahrens beträgt sieben Monate.61 Die durchschnittlichen externen Kosten pro Vorhaben, die sowohl Anwaltskosten als auch Gebühren für die Anmeldung von Zusammenschlussvorhaben, andere Beratungskosten, Übersetzungskosten und Kosten sonstiger Art umfassen, betrugen 57 ICN, Report on the Costs and Burdens of Multijurisdictional Merger Review, 2004, S. 1 ff., abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc 332.pdf (zuletzt aufgerufen am 18. 02. 2016); PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, 2003, S. 18 ff.; ICPAC, Final Report 2000, S. 91 ff. 58 PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, 2003. 59 Rowley/Campbell, Multi-Jurisdictional Merger Review – Is It Time for a Common Form Filing Treaty, S. 9. 60 PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, S. 15. 61 Ebd., S. 19.

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3,282 Mio. Euro.62 Diese umfassten u. a. 65 % Anwaltskosten, 19 % Anmeldegebühren63, 14 % Honorare für Berater und 1 % für Übersetzungen und anderes.64 Je komplizierter ein Vorhaben ist, desto höher werden die Kosten. Selbst für Verfahren, die bereits im Rahmen des Vorverfahrens entschieden wurden, wurden die Kosten auf ca. 540.000 Euro geschätzt. Demnach machen externe Kosten ca. 85 % aller Gesamtkosten aus.65 Einzelne Experten behaupten die Ermittlung, welche Jurisdiktion bei internationalen Zusammenschlussvorhaben anwendbar ist, würde in einigen Fällen sogar die größte Summe ausmachen.66 Der Ermittlung der zuständigen Jurisdiktion wird von den Unternehmen eine hohe Wichtigkeit beigemessen, da die fehlende Anmeldung eines Vorhabens mit hohen Geldbußen geahndet wird. Dennoch kam die PwC-Studie interessanterweise zum Ergebnis, dass die externen Kosten nur einen relativ kleinen Anteil verglichen zu dem Wert des Vorhabens betragen und zwar lediglich 0,11 %.67 Interne Kosten dagegen schließen Kosten für die eigenen Unternehmensjuristen, die Zeit des Managements, Verwaltungskosten und die Nutzung anderer unternehmenseigenen Ressourcen, die sich vor allem auf die Zusammenstellung des Datenmaterials und der Dokumenterstellungskosten erstreckt, ein.68 Zusätzlich zu den Kosten, die im Rahmen des Anmeldeverfahrens entstehen, sind noch die schwer feststellbare Zeit des Managements und die Kosten, die aufgrund einer zeitlichen Verzögerung und/oder einem möglichen Leistungsausfalls entstehen, zu berücksichtigen.69 Dass ein Vorhaben einen erhöhten Zeit- und Kostenaufwand mit sich bringt, illustriert der Zusammenschluss zwischen Alcan, Oechinery und APA Algroup gut:70 Dieses Vorhaben musste in mehr als 40 Jurisdiktionen angemeldet werden, wovon 62

Ebd., S. 20. Die Anmeldegebühren variieren erheblich zwischen den einzelnen Jurisdiktionen. Siehe näheres: ICN, Merger Notification Filing Fees, 2005, S. 4 ff.; abrufbar unter: http://www.interna tionalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc331.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 03. 2016). 64 PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, S. 21. 65 ICN, Report on the Costs and Burdens of Multijurisdictional Merger Review, S. 7; PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, S. 22. 66 ICN, Report on the Costs and Burdens of Multijurisdictional Merger Review, S. 10 ff.; Ezrachi, ECLR 2001, 137 (139); Siragusa, Coordination of Multi-Jurisdictional Filings and Merger Control Proceedings – a Practitioner’s View, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 83 (85); ICPAC, Final Report 2000, S. 91. 67 PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, S. 39. 68 Fiebig, ECLR 1998, 323 (329); Fiebig, Colum. J. Eur. L. 5 (1998 – 1999), 79 (93); Berg/ Nachtsheim/Kronberger, RIW 2003, 15 (22). Meessen/Funke, in: LMR-Kartellrecht, IntKartR der EU Rn. 93; PriceWaterhouseCoopers, A tax on mergers?, S. 18. 69 Rowley/Wakil/Campbell, Streamlining International Merger Control, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 15 (15); Whish/Wood Report, S. 99; Wilson, Globalization and the Limits of National Merger Control Laws, S. 50; Steuer/Simala/Roberti, Competition Law International 9 (2013), 31 (34); Sokol, Berkeley Bus. L.J. 4 (2007), 37 (60). 70 Rowley/Wakil, International Mergers: The Problem of Proliferation, S. 8 f.; Bougie, Reflections on the Merger Task Force at the Turn of the Millennium, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 73 (74 ff.). 63

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

16 ein formales Verfahren eingeleitet haben. Die eingereichten Dokumente mussten in acht verschiedenen Sprachen übersetzt werden. Alleine Alcan musste nur für die US-Behörden Unterlagen im Umfang von mehr als 400 Boxen bedrucktes Papier und ca. 1 Mio. Seiten E-Mails (im Speicherumfang von 11 CD-ROMs) abgeben. Die Gebühren, die an die Wettbewerbsbehörden zu zahlen waren, beliefen sich auf mehr als 100.000 US-Dollar. Im Vergleich dazu betrugen die Transaktionskosten mehr als 10 Mio. US-Dollar. Abschließend ist zu sagen, dass sich Kosten generell nicht vermeiden lassen, aber einige stellen eine große Belastung für alle Parteien dar und könnten womöglich vermieden werden. So werden dem International Competition Network zufolge vier Kategorien von Kosten als vermeidbar angesehen71: a) Kosten in Bezug auf die Anmeldeerfordernisse, b) Kosten in Bezug auf die Einhaltung der Anmeldeerfordernisse, obwohl kein ausreichender lokaler Anknüpfungspunkt für die Jurisdiktionsausübung gegeben ist, c) Kosten aufgrund übermäßig belastender Anmeldeanforderungen und d) unnötige zeitliche Verspätungen, die sich durch das Verfahren ergeben. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird später noch zu untersuchen sein.

C. Zwischenfazit Unternehmenszusammenschlüsse werden als Instrumente zur Gestaltung der Unternehmensgröße und -struktur gesehen. Deutlich wurde, dass es unterschiedliche Gründe für die vermehrten Fusionsvorhaben gibt. Zusammenfassend sind diese: Globalisierung, Deregulierung und Konsolidierung.72 Erkennbar wurde ferner zweierlei: Die multinationalen Unternehmen sind zweifelsohne die treibende Kraft der Globalisierung. Sie verfügen zugleich über eine gewaltige wirtschaftliche Macht, die durchaus wettbewerbsschädigend sein kann. Diese Machtballung entsteht u. a. durch Unternehmenszusammenschlüsse. Als Reaktion hierauf haben viele Staaten Wettbewerbsgesetze, inklusive Fusionskontrollen, erlassen. Letztere können unterschiedlich ausgestaltet sein und bergen eine hohe Komplexität. Schon zu Beginn des Fusionsprozesses wird dies deutlich, da verschiedene Kriterien bei der Bestimmung der Jurisdiktion herangezogen werden können. Hinzu kommen die unterschiedlichen Wettbewerbsvorstellungen der einzelnen Staaten, die manchmal zu divergierenden Entscheidungen führen können. Letztlich ist die Anmeldung eines grenzüberschreitenden Zusammenschlussvorhabens, welches von zahlreichen Jurisdiktionen gleichzeitig erfasst wird, mit erhöhten Transaktionskosten verbunden. Mithin stellen sowohl die Anmeldung eines Vorhabens als auch die materiell-rechtliche Durchsetzung potentielle Konfliktbereiche bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen 71

ICN, Report on the Costs and Burdens of Multijurisdictional Merger Review, S. 9 ff. Vgl. Kleinert/Klodt, Megafusionen, S. 45 ff.; Kleinert/Klodt, Fusionswellen und ihre Ursachen, in: Franz/Ramser/Stadler (Hrsg.), Fusionen, S. 27 (30 ff.); Möschel, Megafusionen: Besteht ordnungspolitischer Handlungsbedarf?, in: Franz/Ramser/Stadler (Hrsg.), Fusionen, S. 271 (273); Monopolkommission, Dreizehntes Hauptgutachten 1998/1999, Tz. 777 ff. 72

Kap. 2: Völkerrechtliche Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

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dar.73 Problematisch ist jedoch, dass die nationalen Gesetze territorial beschränkt sind, die Aktivitäten der betroffenen Unternehmen dagegen nicht. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Staaten ihre Jurisdiktionsanwendung bestimmen und damit auch wie sie die Prüfungszuständigkeit ihrer Wettbewerbsbehörden ermitteln. Kapitel 2

Die völkerrechtlichen Grundlagen staatlicher Jurisdiktion Charakteristisch für einen souveränen Staat ist, dass er im Rahmen der Grenzen des Völkerrechts seine betreffenden Angelegenheiten selbst frei bestimmen kann.74 Dieser Gedanke bringt die Verpflichtung mit sich, sich nicht in die inneren und äußeren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. Diese könnte jedoch dann verletzt werden, wenn ein Staat seine Jurisdiktion extraterritorial anwendet. Zwar ist der Schutz der Wettbewerbsordnung im eigenen Territorium völkerrechtlich unstreitig ein anerkanntes Schutzgut, aber im Falle des Kartellrechts wenden viele Staaten ihr nationales Recht nicht nur auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die innerhalb ihres eigenen Territoriums stattfinden, an, sondern auch auf Verhaltensweisen, die außerhalb des eigenen Territoriums erfolgen, sich aber innerhalb des zu regelnden Territoriums auswirken. Dies gilt vor allem bei grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen, da diese nicht an nationalstaatlichen Grenzen haltmachen. Aus der staatlichen Souveränität ergibt sich die Zuständigkeit sowohl zur Rechtsetzung („jurisdiction to prescribe“) als auch zur Rechtsdurchsetzung („jurisdiction to enforce“).75 Soweit ein Sachverhalt wie ein Zusammenschluss in ein und demselben Staat erfolgt, fallen diese Kompetenzen zusammen. Aber wenn ein Zu73 Zu dem Ergebnis kommen auch: Jalabert-Doury, Int’l Bus. L.J. 2003, 697 (699 ff.); Schaub, Assesing International Mergers: The Commission’s Approach, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 39 (42 f.); Bougie, Reflections on the Merger Task Force at the Turn of the Millennium, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 73 (75). Siragusa stellt diese konkret am Beispiel der EU und US dar, s. Siragusa, Coordination of MultiJurisdictional Filings and Merger Control Proceedings – a Practitioner’s View, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 83 (84 ff.); Böge, Fordham Corp. L. Inst. 2001, 129 (130 f.); Becher, Globalisierung und Fusionskontrolle in der Unternehmenspraxis, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 77 (78 ff.). 74 Crawford, Brownlie’s Principle of Public International Law, S. 204 und 447 f. Eindeutiger zu lesen in der 7. Aufl., S. 299: „Jurisdiction is an aspect of sovereignty (…).“ 75 Die Unterscheidung zwischen „jurisdiction to prescribe“, „jurisdiction to enforce“ und „jurisdiction to adjudicate“ entstammt dem Restatement of Foreign Relations 2nd des American Law Institute, vgl. § 6 Restatement of the Law (Second) Foreign Relations of the Law of the United States. Ebenso § 401 des Restatement of the Law (Third) Foreign Relations of the law of the United States.

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

sammenschluss außerhalb des eigenen Territoriums durchgeführt wird, jedoch zugleich Auswirkungen auf das eigene Territorium hat, fallen diese Kompetenzen auseinander und es stellt sich das Problem der extraterritorialen Reichweite. Mithin ist aufgrund der vermehrten multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse weltweit die Frage nach der extraterritorialen Rechtsanwendung nach wie vor aktuell. Da der Begriff „Extraterritorialität“ in verschiedenen Sachgebieten eine unterschiedliche Bedeutung hat, muss zunächst näher erläutert werden, was unter diesem zu verstehen ist. Dem lateinischen Wortsprung „ex terra“ nach bedeutet Extraterritorialität „außerhalb des Landes“ bzw. „über die Grenzen hinaus“, sodass hierunter die Erstreckung inländischen (bzw. supranationalen) Rechts auf Sachverhalte, die sich im Ausland abspielen, zu verstehen ist.76 Auf dem Begriff der Hoheitsgewalt, welcher ein Ausdruck der staatlichen Souveränität ist77, basiert der Grundsatz der Extraterritorialität. Schwer definierbar ist die Hoheitsgewalt bezüglich der extraterritorialen Anwendung staatlicher Befugnisse. Da keine völkerrechtliche Norm, die die Ausweitung nationaler Normen auch auf Auslandssachverhalte festlegt, existiert, können Staaten aufgrund ihrer Souveränität ihre Angelegenheiten und somit auch Auslandssachverhalte selbständig regeln. Dieser völkerrechtliche Grundsatz der gleichwertigen Souveränität aller Staaten78 und der damit einhergehende Grundsatz der Territorialität des Geltungsbereichs der Jurisdiktionsausübung wurde bereits in dem Lotus-Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs untermauert.79 Im Sinne dieser Entscheidung erstreckt sich der Geltungsbereich einer Norm auf das jeweilige Gebiet des Staates und ist folglich territorial begrenzt. Den Staaten steht die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs ihrer Rechtsordnung jedoch weitgehend frei. Für die Frage der Zulässigkeit der extraterritorialen Sachverhaltsanknüpfung ist damit zwischen dem räumlichen Geltungsbereich und dem sachlichen Anwendungsbereich einer Norm zu unterscheiden. 76 Hermanns, Extraterritoriale Rechtsanwendung, in: FS Benisch, S. 439 (439); Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, § 2 Rn. 77. 77 Bowett, Brit. Y.B. Int‘l L. 53 (1982), 1 (1). 78 Jennings, Nordisk Tidsskrift for Int’l Ret. 32 (1962), 209 (209); Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rn. 254. Siehe auch Art. 2 Nr. 1 UN-Charta. 79 „(…) jurisdiction is (…) territorial; it cannot be exercised by a State outside its territory except by virtue of a permissive rule derived from international custom or from a convention. It does not, however, follow that international law prohibits a State from exercising jurisdiction in its own territory, in respect of any case which relates to acts which have taken place abroad, and in which it cannot rely on some permissive rule of international law. Such a view would only be tenable if international law contained a general prohibition to States to extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, and if, as exception to this general prohibition, it allowed States to do so in certain specific cases. But this is certainly not the case under international law as it stands at present. Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable.“ ICJ, The Case of the „S.S. Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Series A, No. 10, 7. September 1927, S. 18 f.

Kap. 2: Völkerrechtliche Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

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Im Folgenden gilt es, die völkerrechtliche Ausgangslage der staatlichen Jurisdiktion und die verschiedenen Anknüpfungspunkte für die extraterritoriale Gesetzgebungskompetenz näher zu beleuchten. Da die extraterritoriale Rechtsanwendung einer Jurisdiktion zwangsläufig zu der Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht führt, ist zudem zu klären, ob es völkerrechtliche Kriterien zur Einschränkung der extraterritorialen Rechtsanwendung gibt.

A. Der räumliche Geltungsbereich staatlicher Jurisdiktion Der räumliche Geltungsbereich staatlicher Jurisdiktion ist territorial begrenzt, sodass es verboten ist, auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne seine Zustimmung hoheitlich tätig zu werden.80

B. Der sachliche Anwendungsbereich staatlicher Jurisdiktion Die Rechtsetzungshoheit ist die Kompetenz des Staates, Recht zu setzen und anzuwenden.81 Diese entspricht dem Anwendungsbereich einer Norm. I. Die dogmatische Ausgangslage: Die Lehre der sinnvollen Anknüpfung Da es im Gegensatz zum internationalen Privatrecht keine Kollisionsnormen für grenzüberschreitende Sachverhalte im Kartellrecht gibt, ist die extraterritoriale Rechtsanwendung an sich nicht verboten.82 Dennoch bedarf es ausgehend von der Lehre der sinnvollen Anknüpfung von F.A Mann zur Inanspruchnahme der (extraterritorialen) Rechtsanwendung eines sinnvollen Anknüpfungspunktes.83 Wann ein solcher Anknüpfungspunkt sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von dem jeweils zu regelnden Sachgebiet ab.84 Aber grundsätzlich liegt 80 Zurkinden/Lauterburg, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Vorbemerkungen zu den Artikeln 101 bis 105 AEUV, Rn. 149. 81 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 6 f.; Higgins, The Legal Bases of Jurisdiction, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial Application of Laws and Responses Thereto, S. 3 (4 f.). 82 So bereits der Ständige Internationale Gerichtshof im Lotus-Fall, vgl. ICJ, The Case of the „S.S. Lotus“ (France v. Turkey), PCIJ Series A, No. 10, 7. September 1927, S. 18 f. 83 Mann, RdC 111 (1964 I), 1 (44 ff.). Die Lehre der sinnvollen Anknüpfung unterscheidet sich vom o. g. Souveränitätsansatz dadurch, dass letzterer die Freiheit der Staaten zur extraterritorialen Regelung voraussetzt, die durch ein völkerrechtliches Verbot beschränkt ist. Die Lehre der sinnvollen Anknüpfung dagegen erfordert eine Abgrenzung der Zuständigkeit der Staaten. Fezer/Koos, in: Staudinger, EGBGB, IntWirtschaftsrecht (2010) Rn. 133. 84 Meessen, Am. J. Int’l L. 78 (1984), 783 (800).

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

dieser dann vor, wenn zwischen dem Staat und dem Sachverhalt ein „genuine link“ besteht.85 Entscheidend ist mithin das Regelungsinteresse des Staates. Im Folgenden werden die Anknüpfungspunkte, die im Völkerrecht anerkannt sind, vorgestellt. 1. Konkretisierung sinnvoller Anknüpfungspunkte Als sinnvolle Anknüpfungspunkte staatlicher Jurisdiktionsausübung kommen in Betracht: das Territorium (Territorialitätsprinzip), die Staatsangehörigkeit (Personalitätsprinzip), der Bestand des Staates (Schutzprinzip) und das Auswirkungsprinzip. a) Prinzipien des internationalen Strafrechts Die völkerrechtliche Zulässigkeit von Anknüpfungsprinzipien auf dem Gebiet des internationalen Strafrechts ist bereits umfassend geklärt.86 Laut Dickinson gibt es fünf Anknüpfungsprinzipien im internationalen Strafrecht: „(…) first, the territorial principle, determining jurisdiction by reference to the place where the offence is committed; second, the nationality principle, determining jurisdiction by reference to the nationality or national character of the person committing the offence; third, the protective principle, determining jurisdiction by reference to the national interest injured by the offence; fourth, the universality principle, determining jurisdiction by reference to the custody of the person committing the offence; and fifth, the passive personality principle, determining jurisdiction by reference to the nationality or national character of the person injured by the offence.“87

Es wurde versucht, diese auch auf andere Rechtsgebiete wie z. B. das Kartellrecht zu übertragen. Zunächst gilt es, diese verschiedenen Anknüpfungsprinzipien darzustellen und daraufhin zu klären, ob sich diese auch auf das Kartellrecht übertragen lassen.

85 Mann, RdC 111 (1964 I), 1 (46). Als Synonyme für „genuine link“ verwendet Mann zusätzlich „reasonable relation“ und „closeness of connection“. Der Begriff des genuine connection stammt ursprünglich aus ICJ, The Nottebohm Case (Liechtenstein v. Guatemala), Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders, 6. April 1955, S. 23. Beispiele für weitere Umschreibungen des „genuine link“, s. Meng, ZaöRV Bd. 44 (1984), 675 (741 f.). Bär sieht die Theorie der sinnvollen Anknüpfung als eine Ausprägung des völkerrechtlichen Rechtsmissbrauchsverbots an. Siehe: Bär, Kartellrecht und internationales Privatrecht, S. 328. Dem ist jedoch nicht zu zustimmen, denn das Rechtsmissbrauchsverbot regelt nicht die völkerrechtliche Zulässigkeit, sondern die Ausübung der völkerrechtlichen Zuständigkeit. So Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 105 u. 108. 86 Siehe bspw. Oehler, Internationales Strafrecht. 87 The American Society of International Law (Hrsg.), Research in International Law Under the Auspices of the Harvard Law School, Part II, Jurisdiction With Respect to Crime, Am. J. Int’l L. Supp. 29 (1935), 435 (445).

Kap. 2: Völkerrechtliche Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

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aa) Das Territorialitätsprinzip Ausgehend vom Grundsatz der Gebietshoheit besagt das Territorialitätsprinzip, dass ein Staat die Kompetenz hat, Gesetze für die eigenen Staatsangehörigen, aber auch für Ressourcen und Personen, die sich im Hoheitsgebiet aufhalten, zu erlassen. Die Zuständigkeit nach dem Territorialitätsprinzip umfasst sowohl Handlungen im eigenen Hoheitsgebiet (sog. objektive Territorialität) als auch Handlungen, die ihren Ursprung im Ausland haben, aber doch zumindest teilweise im Territorium des Staates durchgeführt worden sind (sog. subjektive Territorialität). Die Bestimmung der Wettbewerbsordnung ist als Ausdruck der wirtschaftlichen Freiheit zu verstehen. Lowe spricht in diesem Zusammenhang von „economic sovereignty“ als „the right of a State to regulate the structure of its own economy.“88 Ein Eingriff in diese wirtschaftliche Freiheit ist eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates und somit in die völkerrechtliche Befugnis extraterritorialer Rechtsordnung als Ausdruck staatlicher Souveränität. Mit dem Territorialitätsprinzip ist zwar der Schutz des inländischen Wettbewerbs gewährleistet, sofern sich die Unternehmen innerhalb des Hoheitsgebiets zusammenschließen (wollen), aber die Beurteilung von Auslandszusammenschlüssen entzöge sich damit der Regelungshoheit eines Staates, sodass für letztere das Territorialitätsprinzip nur bedingt geeignet ist. bb) Das aktive Personalitätsprinzip Nach dem Personalitätsprinzip erstreckt sich die Jurisdiktion eines Staates auf begangene Handlungen von Staatsangehörigen im Ausland.89 Soweit es sich um eine natürliche Person handelt, ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt die Staatsangehörigkeit. Bei juristischen Personen muss deren „Nationalität“ ermittelt werden. Zur Bestimmung dieser gibt es unterschiedliche Kriterien, die herangezogen werden können: Ort der Gründung (Gründungstheorie), Sitz der Geschäftsleitung (Sitztheorie), Nationalität der Anteilseigner (Kontrolltheorie) oder schließlich Nationalität des Managements. Während in den angelsächsischen Staaten die Gründungstheorie überwiegt, zieht man in den kontinental-europäischen Staaten meist den Sitz der Geschäftsleitung heran.90

88

Lowe, ICLQ 34 (1985), 724 (744). Siehe auch Art. 1 der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten der UN-Generalversammlung, A/RES/3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974; abrufbar unter: http://www.un-documents.net/a29r3281.htm (zuletzt aufgerufen am 05. 04. 2016): „Every State has the sovereign and inalienable right to choose its economic system as well as it political, social and cultural systems in accordance with the will of its people, without outside interference, coercion or threat in any form whatsoever.“ Näheres zur Charta: Tomuschat, ZaöRV Bd. 36 (1976), S. 444 ff. Kritisch der Charta gegenüber ist SeidlHohenveldern, RIW 1975, S. 237 ff. 89 Staker, Jurisdiction, in: Evans (Hrsg.), International Law, S. 309 (318 ff.). 90 Rabel, The Conflict of Laws: A Comparative Study. Vol. Two, S. 31 ff.

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Diesem Prinzip zufolge wären nur diejenigen Unternehmen betroffen, die ihren Sitz in der anzuwendenden Jurisdiktion haben. Da aber die grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse sowohl „gemischte“ Zusammenschlüsse als auch ausschließlich Drittstaatenzusammenschlüsse sein können, ist bei dieser Anknüpfung damit zu rechnen, dass verschiedene Staaten gleichzeitig zuständig wären bzw. reine Drittstaatenzusammenschlüsse ausgenommen wären. Ferner ist an der Heranziehung dieses Prinzips für das Kartellrecht zu kritisieren, dass unabhängig davon, wie man die „Nationalität“ des Unternehmens bestimmt, diese frei festlegbar und damit manipulierbar ist91, sodass letztlich die Unternehmen mit der Wahl ihres Sitzes bestimmen können, welchem Recht sie sich unterordnen wollen. cc) Das Schutzprinzip Nach dem Schutzprinzip erstreckt sich die Jurisdiktion auf den Schutz inländischer Rechtsgüter, auch wenn die Handlungen im Ausland begangen werden. Dies gilt vor allem bei Handlungen gegen die innere und äußere Sicherheit eines Staates.92 Negative Auswirkungen auf den Markt können zwar durchaus ein staatliches Schutzinteresse begründen93, aber es wäre weit hergeholt, wenn jede Auswirkung einer Wettbewerbsbeschränkung als Bedrohung wesentlicher Staatsinteressen verstanden wird.94 dd) Die Kritik der Übertragung der völkerrechtlichen Grundsätze des internationalen Strafrechts auf wettbewerbsrechtliche Sachverhalte Die o. g. Anknüpfungsprinzipien wurden in erster Linie für das internationale Strafrecht entwickelt, das zum einen auf den Individualschutz abzielt und zum anderen in seinem Grundgerüst in allen Staaten gleich anwendbar ist.95 Aus diesem Grund ist es den Staaten nicht mehr so „wichtig“, nach welcher Rechtsordnung der Täter bestraft wird. Diese Interessenlage lässt sich dagegen auf das Kartellrecht, vor allem das Fusionskontroll- und Exportkontrollrecht, nicht ohne weiteres übertragen.96 Der Unterschied liegt darin, dass im Kartellrecht der Staat primär ordnungspolitische Ziele verfolgt, die sich sowohl konzeptionell als auch materiell91

Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 99 f. Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, S. 74 f.; Bowett, Brit. Y.B. Int’l L. 53 (1982), 1 (10 f.); Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S. 127. 93 Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, S. 28. 94 Homburger/Jenny, Internationalrechtliche Aspekte des EWG-Wettbewerbsrechts, S. 53 f. 95 Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, S. 78 f.; Meng, ZaöRV Bd. 41 (1981), 469 (473). 96 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 94 ff., insbes. S. 98 ff.; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, S. 78 f.; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, S. 24; Meng, ZaöRV Bd. 41 (1981), 469 (473). 92

Kap. 2: Völkerrechtliche Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

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rechtlich von Staat zu Staat immens unterscheiden können.97 Dementsprechend sind die Prinzipien aus dem internationalen Strafrecht insofern hilfreich, als ihr normativer Gehalt abstrakt betrachtet den Weg für die „genuine-link“ Theorie geebnet hat.98 Festzuhalten ist, dass die strafrechtlichen Anknüpfungsprinzipien nicht unbedingt für das Kartellrecht geeignet sind, aber insoweit als einen ersten Anhaltspunkt dienen können. b) Das Auswirkungsprinzip Das Auswirkungsprinzip wurde erstmals 1945 in einer US-amerikanischen Entscheidung des US-Supreme Court im Fall Alcoa99 angewandt. Danach konnte der Sherman Antitrust Act auch auf Vereinbarungen, die außerhalb der USA getroffen wurden, jedoch zugleich die US-Importe beeinflussten, angewandt werden. Der Richter Learned Hand begründete die extraterritoriale Anwendbarkeit des Sherman Act wie folgt: „(…), it is settled law (…) that any state may impose liabilities, even upon persons not within its allegiance, for conduct outside its borders that has consequences within its borders which the state reprehends; and these liabilities other states will ordinarily recognize.“100

Angeknüpft wird demnach an die Inlandsauswirkungen der Marktstörung101, wobei unter Auswirkung jede Veränderung der Wettbewerbssituation zu verstehen ist.102 Nach dem Auswirkungsprinzip werden mithin auch Zusammenschlüsse, welche Auswirkungen in mehreren Staaten haben könnten, erfasst. Um einen umfassenden effektiven Wettbewerbsschutz zu gewährleisten, kann der Anwendungsbereich des Kartellrechts nicht nur auf Handlungen im Inland beschränkt sein. Ein Staat hat ein legitimes Interesse daran, Marktstörungen auch dann zu erfassen, wenn sie nicht im Inland, sondern im Ausland veranlasst werden, sich aber in seinem Hoheitsgebiet auswirken.103 97

Meng, ZaöRV Bd. 41 (1981), 469 (473); Meng, ZaöRV Bd. 44 (1984), 675 (751). Nerep, Extraterritorial Control of Competition under International Law, S. 486. 99 United States v. Aluminum Co. of America, 148 F.2d 416 (2nd Circuit Court of Appeals 1945). Im Alcoa Fall ging es um ein außerhalb der USA vereinbartes Aluminiumkartell, das Auswirkungen auf den US-Markt hatte, wobei die Beteiligten alle ihren Sitz in anderen Staaten hatten. 100 United States v. Aluminum Co. of America, 148 F.2d 416, 443. Seit der Alcoa-Entscheidung ist das Auswirkungsprinzip ein fester Bestandteil der US-amerikanischen antitrust law Rechtsprechung. Vgl. hierzu vertiefend: Jennings, Brit. Y.B. Int‘l L. 33 (1957), 146 ff.; Griffin, Antitrust L. J. 67 (1999), S. 159 ff. 101 Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 526 ff. 102 MüKoBGB/Immenga, IntWettbR/IntKartellR, Rn. 16. 103 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 112 ff.; von Hahn, WuW 1983, 448 (450 f.). 98

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

2. Zwischenergebnis Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Heranziehung des Territorialitätsprinzips teilweise unbefriedigend ist, da Wettbewerbsbeschränkungen auch Auswirkungen in einem bestimmten Territorium verursachen können, ohne dass die Ursache territorial anwesend sein muss. Ferner können die Unternehmen ihre „Nationalität“ selber frei wählen und hätten damit die freie Wahl der Wettbewerbsordnung, der sie sich unterstellen wollen. Aus diesem Grund ist das Personalitätsprinzip ebenfalls kein sinnvoller Anknüpfungspunkt. Des Weiteren ist der Schutz der inländischen Wettbewerbsordnung nicht vergleichbar mit dem nationalen Schutz eines Staates, sodass das Schutzprinzip als Anknüpfungspunkt auch nicht in Betracht kommt. Letztlich bleibt das Auswirkungsprinzip als sinnvoller Anknüpfungspunkt für die extraterritoriale Rechtsanwendung im Kartellrecht, denn hierbei werden Handlungen, die zwar außerhalb des zu regelnden Staatsgebiets stattfinden, aber Auswirkungen innerhalb des Staatsgebiets haben, erfasst. Dies überzeugt, da es für den Schutz des Wettbewerbs keinen Unterschied machen kann, ob die nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb innerhalb oder außerhalb des Staatsgebiets stattfinden. II. Kriterien zur Einschränkung der extraterritorialen Rechtsanwendung Welche Kriterien zur Einschränkung der extraterritorialen Anwendung nationaler Hoheitsakte, vor allem bei der Bestimmung des Begriffs „sinnvoll“ zu beachten sind, ergeben sich aus der Anwendung allgemeiner völkerrechtlicher Grundsätze. 1. Auswirkungsprinzip: Konkretisierte Anforderungen an die Auswirkungen Nicht jede Auswirkung kann eine sinnvolle Anknüpfung vermitteln, andernfalls wäre die extraterritoriale Jurisdiktionsausübung, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, uferlos. Deshalb bedarf es einer Begrenzung nach der Art und Intensität der Auswirkungen. Es können nur solche Auswirkungen die Jurisdiktionsausübung eines Staates begründen, die geeignet sind, eine Gefährdung des Wettbewerbs herbeizuführen. Dies ist dann der Fall, wenn die nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb unmittelbar eintreten und dies für die beteiligten Unternehmen vorhersehbar und auch wesentlich ist.104 Mithin müssen die Auswirkungen „qualifiziert“ sein. Zwar sind die Kriterien „beträchtliche, unmittelbare und vorhersehbare Auswirkungen“ nicht ganz greifbar und müssen in einem nächsten Schritt inhaltlich aus104 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 152 ff. Vgl. auch Art. 5 der New Yorker ILA-Resolution, wonach die Zuständigkeit der Staaten zur Anwendung ihrer Rechtsvorschriften von einer wesentlichen, unmittelbaren und in erster Linie beabsichtigten Folge des zu regelnden Verhaltens im Inland abhängig gemacht wird.

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gefüllt werden, aber diese Qualifizierungsmerkmale sind zumindest eine Möglichkeit, einer Ausuferung entgegenzuwirken. 2. Das Einmischungsverbot105 Das (zwischenstaatliche) Einmischungsverbot, hergeleitet aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten und dem Respekt vor der Souveränität der anderen Staaten, besagt, dass es den Staaten verboten ist, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates durch jegliche Form von Zwang einzumischen.106 Zu den inneren Angelegenheiten gehört u. a. auch das Recht, die Wirtschaftsordnung inklusive der wettbewerbspolitischen Regelungsinteressen selbst zu bestimmen.107 Jedoch ist ein Verstoß gegen das Einmischungsverbot nur dann gegeben, wenn tatsächlich durch Drohung oder Gewalt die Willensbildung des Staates beeinflusst wird.108 Die Jurisdiktionsausübung, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, mag zwar auf die ordnungs- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen eines Staates wirken, stellt aber keine Einflussnahme im engeren Sinne dar.109 Durch die Heranziehung des Auswirkungsprinzips kommt es nur zu einer Reflexwirkung auf die Wirtschafts- und Wettbewerbsordnung des Drittstaates, aber es handelt sich hierbei nicht um eine aktive Einflussnahme hinsichtlich der Willensbildung der Wirtschafts- und Wett-

105 Als Synonym zum Einmischungsverbot wird oft der Begriff Interventionsverbot verwendet. Oppermann unterscheidet zwischen Intervention und Einmischung, wonach die Einmischung unterhalb der Schwelle der „massiven Gewaltanwendung“ liege. S. Oppermann, ArchVR Bd. 14/3 – 4 (1970), 321 (325 f.). 106 Berstermann, Das Einmischungsverbot im Völkerrecht, S. 35 ff. Siehe ferner ICJ, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders, 27. Juni 1986, S. 106 Rn. 202: „The principle of non-intervention involves the right of every sovereign State to conduct its affairs without outside interference; though examples of trespass against this principle are not infrequent, the Court considers that it is part and parcel of customary international law.“ 107 „A prohibited intervention must accordingly be one bearing on matters in which each State is permitted, by the principle of State sovereignty, to decide freely. One of these is the choice of a political, economic, social and cultural system, and the formulation of foreign policy. Intervention is wrongful when it uses methods of coercion in regard to such choices, which must remain free ones.“ ICJ, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders, 27. Juni 1986, S. 108 Rn. 205. 108 Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link Erfordernisses, S. 31 f.; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach geltendem Völkerrecht; S. 194 ff.; Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR, Rn. 18. 109 Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR, Rn. 18; Zurkinden/Lauterburg, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Vorbemerkungen zu den Artikeln 101 bis 105 AEUV, Rn. 128. Anderer Meinung: Kaffanke, ArchVR Bd. 27 (1989), 129 (151 ff.).

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

bewerbsordnung des Drittstaates.110 Daher begründet das Einmischungsverbot allenfalls eine einzelfallabhängige Begrenzung der extraterritorialen Rechtsanwendung im Kartellrecht.111 3. Das Rechtsmissbrauchsverbot Als einschränkendes Kriterium kommt möglicherweise das Rechtsmissbrauchsverbot in Betracht. Dieses ist dann verletzt, wenn das Interesse anderer Staaten, denen durch die Rechtsausübung schwerer Schaden zugefügt wird, schwerwiegender ist als das Interesse eines Staates an der Wahrnehmung seiner Rechte.112 Zwischen dem Erfordernis einer sinnvollen Anknüpfung zum Regelungsgegenstand und dem Grundsatz des Rechtsmissbrauchsverbots besteht indes kaum ein Unterschied. D. h. solange eine sinnvolle Anknüpfung gegeben ist, handelt der Staat in der Regel auch nicht rechtsmissbräuchlich. 4. Comity of nations und Interessenabwägung Das US-amerikanische antitrust law hatte anfangs versucht, kollisionsrechtliche Probleme mithilfe des comity Gedanken zu lösen.113 Zu unterscheiden ist zwischen positiver und negativer comity. Unter positve comity versteht man, dass eine Wettbewerbsbehörde eine andere proaktiv bitten kann, Ermittlungen gegen wettbewerbsbeschränkende Handlungen aufzunehmen und diese ggf. zu sanktionieren, die im ersuchten Staat stattgefunden haben, sich aber im ersuchenden Staat auswirken. Die negative comity dagegen sieht lediglich die Berücksichtigung der Interessen des Partners, mit dem das Abkommen geschlossen wurde, in eigenen Verfahren vor. Der comity-Grundsatz wurde Ende des 17. Jahrhunderts, maßgeblich von Ulrich Huber, entwickelt. Demnach empfiehlt die comitas gentium (lat. Gemeinsamkeit der Völker), fremdes Recht im eigenen Land durchzusetzen, sofern dies der eigenen Souveränität nicht schadet.114 Demnach wurde zu Beginn comity als Respekt bzw. Rücksicht gegenüber fremder, souveräner Staaten verstanden. Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelte sich das Verständnis von comity dahingehend, dass die Gerichte 110 Meng, ZaöRV Bd. 41 (1981), 469 (504 f.); Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EUWettbR, IntWbR, Rn. 18; Zurkinden/Lauterburg, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Vorbemerkungen zu den Artikeln 101 bis 105 AEUV, Rn. 128; Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht, S. 140. 111 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 200 ff. 112 Kevekordes, Auslandszusammenschlüsse im internationalen und materiellen Kartellrecht, S. 112; Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (764): „nur in Fällen eines eklatanten Mißverhältnisses“. 113 Siehe zur Entwicklung der Anwendung des comity-Grundsatzes im US-amerikanischen antitrust Rechts: Peck, San Diego L. Rev. 35 (1998), 1163 (1179 ff.). 114 Maier, Am. J. Int’l L.76 (1982), 280 (282 ff.); Paul, Law and Contemporary Problems 71 (2008), 19 (22). Zur Geschichte der sog. comity of nations, s. Yntema, Mich. L. Rev. 65 (1966 – 67), S. 9 ff.

Kap. 2: Völkerrechtliche Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

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ausländisches Recht nur insoweit anwenden sollten, sofern es nicht gegen die öffentliche Ordnung des Staates verstößt. Im Fall Hilton v. Guyot veröffentlichte der US-Supreme Court seine klassische Erklärung zu comity. In diesem Fall verklagte ein französisches Unternehmen in den USA ein amerikanisches Unternehmen auf Schadensersatz aus einem Vertrag, der in Frankreich durchgeführt wurde. Die Durchsetzung eines ausländischen Urteils war eine comity-Frage. Hierzu äußerte sich der Richter Gray wie folgt: „,Comity,‘ in the legal sense, is neither a matter of absolute obligation, on the one hand, nor of mere courtesy and good will, upon the other. But it is the recognition which one nation allows within its territory to the legislative, executive, or judicial acts of another nation, having due regard both to international duty and convenience, and to the rights of its own citizens, or of other persons who are under the protection of its laws.“115

Mithin war comity mehr als nur ein Akt „reiner Höflichkeit“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich jedoch, sowohl durch den Anstieg des internationalen Handels als auch durch den Kalten Krieg, das comity-Verständnis von einem allgemeinen Grundsatz des Respekts anderen Staaten gegenüber hin zu einem Ermessensspielraum der Gerichte und schließlich zu einer Verpflichtung zur Anwendung des ausländischen Rechts.116 Diese Idee änderte sich wiederum mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Beginn der Globalisierung. Dies fand u. a. in der Entscheidung des US-Supreme Court im Fall Hartford Fire Insurance Co. v. California Ausdruck: Der US-Supreme Court legte fest, dass comity-Erwägungen nur dann in Betracht gezogen werden, wenn es einen echten Konflikt zwischen nationalem und ausländischem Recht geben würde und wich damit von seiner bisherigen Ansicht ab.117 Comity, wie von den amerikanischen Gerichten angewendet, ist eine dem amerikanischen Recht geschuldete und damit einzigartige Doktrin, sodass es auch nicht verwundert, dass die kontinentaleuropäischen Staaten nach wie vor comity nicht als IPR-Grundsatz anerkennen.118 Ein Teil der Lehre versuchte durch Konkretisierung des Grundsatzes der Nichteinmischung unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme, die Interessen des handelnden Staates gegenüber denen des betroffenen Staates abzuwägen. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Abwägungskonzepte entwickelt119, gegen die 115

Hilton v. Guyot, 159 U.S. 113, 163 f. (1895). Paul, Law and Contemporary Problems 71 (2008), 19 (28). 117 Hartford Fire Insurance Co. v. California, 509 U.S. 764, 765 (1993): „The only substantial question (…) is whether ,there is in fact a true conflict between domestic and foreign law.‘“ 118 Paul, Law and Contemporary Problems 71 (2008), 19 (36 f.). 119 Lowenfeld entwickelte eine auf dem Grundsatz der „reasonableness“ beruhenden völkerrechtlichen Pflicht zur Abwägung, s. Restatement of Foreign Relations Law. Lowenfeld, Am. J. Int’l L. 75 (1981) 629 ff. Dieser Gedanke wurde in dem conflict of laws approach der US antitrust law-Rspr. aufgenommen, siehe: Timberland Lumber und Mannington-Entscheidung. Die Entwicklung der extraterritorialen Anwendung des US antitrust law lässt sich wie folgt skizzieren: Alcoa and the „effects doctrine“; Timberlane, Hartford Fire und „international 116

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Teil 1: Globalisierung und Fusionskontrolle

aber zahlreiche Einwände erhoben wurden.120 Zusammenfassend ist all diesen Abwägungskonzepten entgegenzuhalten, dass sie zum einen auf rechtspolitische Wunschvorstellungen beruhen und zum anderen eine Abwägung zwangsläufig politischer Natur sein wird. Ferner können Staatsinteressen nicht quantifiziert werden, sodass es letztlich auf einen Vergleich von „Äpfeln und Birnen“ hinausläuft.121 Darüber hinaus mag man bezweifeln, ob die Judikative bzw. Exekutive, die maßgeblich für die Beachtung und Anwendung der comity-Grundsätze zuständig sind, außenpolitische Kompetenz haben.122

C. Zusammenfassung Da multinationale Unternehmen heute das Wirtschaftsgeschehen dominieren und ihre Zusammenschlüsse nicht an nationalstaatliche Grenzen haltmachen, lassen sich diese nur sehr bedingt mit nationalem Recht fassen. Um zu verhindern, dass sich diese Zusammenschlüsse im rechtsfreien Raum bewegen, wurden verschiedene Anknüpfungspunkte für dieses staatliche Regelungsinteresse entwickelt. Zunächst comity“ und schließlich der Abwägungskatalog des § 403 Abs. 2 Restatement (Third) und „reasonableness“. Die Timberlane-Interessenabwägung wurde jedoch mehrheitlich vom USSupreme Court im Hartford Fire-Fall abgelehnt, s. Hartford Fire Insurance Co. v. California, 509 U.S. 764 (1993), wobei die Empagran Entscheidung aus dem Jahr 2004 anscheinend wieder Ansatzpunkte für eine Interessenabwägung zulässt, s. F. Hoffmann-La Roche v. Empagran, 124 S.Ct. 2359, 2366 ff. (2004). Meessen hat aus dem Einmischungsverbot und damit aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit eine Abwägungspflicht entwickelt, wonach im Gegensatz zum Restatement nur hoheitliche Interessen in die Abwägung berücksichtigt werden sollen. Meessen, Kollisionsrecht der Zusammenschlußkontrolle, S. 26 ff. insbes. S. 30; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 200 ff. Im 4. Leitsatz seiner Abhandlung über das Kollisionsrecht der Zusammenschlußkontrolle formuliert er seine Abwägungsregel wie folgt: „Wenn zu erwarten ist, daß der Erlaß eines kartellrechtlichen Hoheitsaktes die Interessen ausländischer Staaten erheblich beeinträchtigen würde, und wenn zugleich die ausländischen Interessen am Ausbleiben der Beeinträchtigung die Interessen des Inlands am Erlaß des Hoheitsaktes überwiegen, daß den inländischen Interessen im Vergleich zu den ausländischen Interessen gleiches oder größeres Gewicht zukommt. Wenn eine derartige Einschränkung nicht möglich ist, hat der Erlaß des Hoheitsaktes zu unterbleiben.“ Meessen, Kollisionsrecht der Zusammenschlußkontrolle, S. 26. Siehe auch: Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 227: „Die Einmischung durch kartellrechtliche Hoheitsakte ist (…) völkerrechtswidrig, wenn die Interessen des betroffenen Staates am Erlaß des kartellebhördlichen Hoheitsaktes überwiegen.“ 120 Ausführlich hierzu: Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht, S. 77 ff. u. 152. 121 Maier, Am. J. Comp. L. 31 (1983), 579 (592): „apples and oranges“. 122 Beck, WuW 1984, 447 (460), Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), 205 (251); Veelken, Interessenabwägung im Wirtschaftskollisionsrecht, S. 92 ff. Anderer Meinung: Kaffanke, ArchVR Bd. 27 (1989), 129 (136 ff.). Er argumentiert dahingehend, dass nicht jede „rechtliche Frage mit besonderer Bedeutung für den politischen Alltag als eine politische Angelegenheit zu qualifizieren [ist]“. Ebd., ArchVR Bd. 27 (1989), 129 (137).

Kap. 2: Völkerrechtliche Grundlagen staatlicher Jurisdiktion

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ist zwischen dem Anwendungs- und dem Geltungsbereich einer Norm zu unterscheiden. Während letzterer immer territorial beschränkt ist, kann der Anwendungsbereich auch extraterritorial begründet werden. Extraterritorialität bedeutet Erstreckung nationalen Rechts auf Sachverhalte, die sich (teilweise) außerhalb des eigenen Territoriums abspielen. Die Frage, welche Anknüpfungspunkte für die extraterritoriale Rechtsanwendung im Kartellrecht in Betracht kommen, kann wie folgt zusammengefasst werden: Nach dem Territorialitätsprinzip erstreckt sich die Jurisdiktion des Staates nur auf Handlungen und Vorgänge, die auf dem eigenen Hoheitsgebiet erfolgen. Allerdings ist das Territorialitätsprinzip als Anknüpfungspunkt nur bedingt geeignet, wenn es darum geht, dass der Staat auch Handlungen erfassen will, die zwar außerhalb seines Hoheitsgebiets erfolgen, sich aber innerhalb seines Hoheitsgebiets auswirken. Vor diesem Hintergrund erscheint das Auswirkungsprinzip als sinnvoller Anknüpfungspunkt. Demnach genügen Auswirkungen eines extraterritorialen Verhaltens im Inland, damit der innerstaatliche Hoheitsakt anwendbar ist. Damit die extraterritoriale Rechtsanwendung, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, nicht ausufert, muss es sich um „qualifizierte Auswirkungen“, sprich: beträchtliche, unmittelbare und vorhersehbare Auswirkungen, handeln. Trotzdem kann die Heranziehung des Auswirkungsprinzips Zuständigkeitskonflikte zwischen verschiedenen Rechtsordnungen und widersprüchliche Entscheidungen mit sich bringen. Auf speziell diese Konflikte wird in Teil 2, Kapitel 1 des internationalen Teils dieser Arbeit eingegangen. Eine Anknüpfung an Auswirkungen, die bestimmte Bagatellgrenzen nicht überschreiten, wäre als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates und somit als Souveränitätsverletzung zu sehen.123 Wenn überdies keine Nähebeziehung zum Sachverhalt gegeben ist, dann verbieten sowohl das Einmischungsverbot als auch das Rechtsmissbrauchsverbot eine extraterritoriale Rechtsanwendung. Mithin lassen sich aus den verschiedenen Möglichkeiten, das Auswirkungsprinzip zu beschränken, letztlich keine konkreten Anleitungen für die Lösung bestimmter Konflikte ableiten. Schließlich kann das Problem der Extraterritorialität mit folgenden Worten zusammengefasst werden: „At the heart of the extraterritoriality issue is the protection of sovereign prerogatives.“124

123 124

Meng, ZaöRV Bd. 44 (1984), 675 (748 f.). Rosenthal/Knighton, National Laws and International Commerce, S. 9 f.

Teil 2

Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle: From Conflict to Coexistence, Comity, Cooperation und Convergence125 Die unilaterale Strategie, wonach jeder Staat sein nationales Fusionskontrollrecht anwendet, um ein Zusammenschlussvorhaben zu prüfen, führt vielmehr zu Problemen als zu einem gemeinsamen Weg. Es erhöht sich nicht nur die Gefahr divergierender Entscheidungen, sondern auch die Transaktionskosten für die Unternehmen wachsen. Deshalb wurde anfangs versucht, die Schwächen dieses Ansatzes, vor allem die verfahrensrechtlichen Problematiken, durch comity-Klauseln und bilaterale Kooperationsabkommen zu lösen. Letztere sehen allgemein Kooperationsverpflichtungen und Regelungen zur Amtshilfe, aber auch zum Informationsaustausch zwischen den Behörden vor. Über diese bilaterale Kooperation hinaus, die in ihrer Wirkung doch sehr begrenzt ist, wurden gleichzeitig internationale Koordinierungsbestrebungen verschiedener Organisationen wie die UNCTAD, die OECD und das ICN unternommen, die eine Art Konvergenz im Wettbewerbsrecht anstreb(t)en. Viele Arbeiten, die sich mit Aspekten des internationalen Wettbewerbsrechts auseinandersetzen, werfen Begriffe wie Harmonisierung, Kooperation und Konvergenz in den Raum, ohne diese genau zu definieren. Aus diesem Grund sollen diese zunächst erläutert werden, um später die verschiedenen internationalen Koordinierungsbestrebungen besser auseinanderzuhalten und auch besser zu verstehen. 1. Harmonisierung ist supranationales oder multilaterales Recht und kann im Bereich des Wettbewerbsrechts drei Formen annehmen: a) Wettbewerbsregeln, b) Wettbewerbspolitik oder c) Vollstreckungsverfahren.126 2. Kooperation und Koordination dagegen beziehen sich auf bi- oder multilaterale Vereinbarungen zwischen Staaten, auf deren Basis sich die Staaten gegenseitig bei der Durchsetzung ihrer Gesetze unterstützen, wobei nicht unbedingt eine Verringerung der verfahrensrechtlichen Unterschiede zwischen den Unterzeichnerstaaten vorgesehen ist.127

125

Die Überschrift ist angelehnt an einer der Kapitelüberschriften im Aufsatz von Parisi, Cornell Int’l L.J 43 (2010), 55 (57) und dem Beitrag von Tritell/Parisi, The EC-US Cooperation Agreement, in: FS Canenbley, S. 475 (S. 476). 126 Foster, Emory Int’l L. Rev. 15 (2001), 467 (472). 127 Ebd.

Kap. 1: Reaktionen auf extraterritoriale Wirkung nationalen Rechts

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3. Konvergenz bezieht sich auf eine Entwicklung hin zur Standardisierung der Gesetze, d. h. dass sich verschiedene Wettbewerbsregime weltweit mit der Zeit angleichen und letztlich gemeinsam wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen effektiv bekämpfen.128 Konvergenz strebt jedoch keine Homogenisierung an.

Nachdem diese drei Begriffe definiert wurden, sollen im Folgenden ausgewählte bilaterale Abkommen und die Ansätze der WTO, der OECD, der UNCTAD und des ICN speziell im Bereich der Zusammenschlusskontrolle im Hinblick auf die Vermeidung und Begrenzung von Jurisdiktionskonflikten und Reduzierung von Transaktionskosten vorgestellt und diskutiert werden, um anschließend in Teil 3 die Frage beantworten zu können, ob der aktuelle Status quo auf internationaler Ebene ausreicht oder ob es eines internationalen Fusionskontrollregimes bedarf und wie dieses ggf. aussehen sollte. Folgende These soll hier vertreten werden, die es in den nachfolgenden Ausführungen zu überprüfen gilt: Zur Förderung der Zusammenarbeit und des Strebens nach Konvergenz ist das Instrument der rechtlich nicht verbindlichen Vereinbarungen als geeigneteste Maßnahme anzusehen. Harmonisierungsbestrebungen oder die Schaffung einer globalen Behörde zur Prüfung von internationalen Unternehmenszusammenschlüssen sind hingegen nicht zweckmäßig. Kapitel 1

Reaktionen auf die extraterritoriale Wirkung nationalen Rechts: Konflikte und Comity-Klauseln Zwar kann das Auswirkungsprinzip durchaus eine sinnvolle Anknüpfung für die Jurisdiktionsausübung sein, aber gerade die Anwendung dieses Prinzips sorgt dafür, dass ein Zusammenschlussvorhaben, welches Auswirkungen auf verschiedene Märkte hat bzw. haben könnte, von unterschiedlichen Jurisdiktionen erfasst wird. Dies führt zu parallelen Zuständigkeiten für ein und dasselbe Zusammenschlussvorhaben, zu einem enormen Mehraufwand für die Behörden und zu extrem steigenden Transaktionskosten. Hinzu kommen unterschiedliche Wettbewerbsvorstellungen der Staaten. Allerdings kann die Lösung nicht darin bestehen, dass einige Staaten auf die Anwendung und Durchsetzung ihres Rechts in grenzüberschreitenden Fällen verzichten. Die extraterritoriale Anwendung nationaler Wettbewerbsgesetze ist verständlich, da die Staaten ihren nationalen Wettbewerb schützen wollen. Allerdings kommt dieser Ansatz, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, als Lösung schon deshalb nicht in Betracht, weil die extraterritoriale Anwendung nationaler Wettbewerbsrechte von vielen als ein Ausdruck der gegebenen Machtposition der

128 Gerber, Global Competition, S. 282; Foster, Emory Int’l L. Rev. 15 (2001), 467 (472); Holbrook, UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff. 7 (2002 – 2003), 345 (348).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

jeweiligen Staaten und damit als staatlicher Unilateralismus verstanden wird.129 So haben einige Staaten als Reaktion auf die extraterritoriale Durchsetzung des, vor allem amerikanischen, Kartellrechts in den 1970ern sog. blocking statutes (Abwehrgesetze) und claw back clauses (Bereicherungsansprüche) erlassen. Zwar gibt es kein einheitliches Grundmuster, aber allen ist gemein, dass sie sich gegen die extraterritorialen Ermittlungsmaßnahmen des Drittstaates richten. In diesem Zusammenhang stellen sich die Fragen, was der Sinn und Zweck dieser Maßnahmen ist und ob sie eine angemessene Reaktion auf die extraterritoriale Wirkung nationalen Rechts sind. Der Erlass solcher blocking statutes war größtenteils eine Antwort auf das vom US-Department of Justice verfolgte Uran-Kartell130 und richtete sich daher oft gegen das imperial empfundene amerikanische Recht131 und den Schutz vor den exzessiven „treble damages“132. Diese Abwehrgesetze erklären ihr eigenes Staatsgebiet als nicht von der fremden Rechtsnorm erfasst, mit der Folge, dass sie inländischen Unternehmen gezielt die Befolgung bestimmter ausländischer Hoheitsakte, wie die Herausgabe von Informationen an ausländische Behörden oder Gerichten verbieten oder die Weitergabe von Informationen beschränken oder unter eine Genehmigungspflicht stellen.133 Die Anwendungsbeispiele dieser Gesetze variieren extrem. So richten sich manche allgemein gegen Ermittlungsmaßnahmen ausländischer Behörden, andere wiederum verbieten nur die Offenlegung und Herausgabe von Dokumenten und Beweismitteln. Wiederum andere verbieten oder beschränken die Anerkennung und/oder Vollstreckung ausländischer Urteile.134 Die claw back-Bestimmungen gestatten demjenigen, der in einem Drittland aufgrund der extraterritorialen Anwendung eines Gesetzes zu einer Geldzahlung verurteilt wurde, den ihm entstandenen Schaden mittels einer Schadensersatzklage

129 Park, Wettbewerbspolitik und Fusionskontrolle im Zeitalter der Globalisierung, S. 123; Immenga, Wirkungsgrenzen bilateraler Verträge für eine internationale Wettbewerbsordnung, in: Kruse/Mayer (Hrsg.), Aktuelle Probleme der Wettbewerbs- und Wirtschaftspolitik, S. 155 (160); Zimmer, Konkretisierung des Auswirkungsprinzips bei Hard-core-Kartellrechtsverstößen, S. 413. 130 Re Uranium Antitrust Litigation, 617 F.2d 1248 (7th Circuit Court of Appeals 1980). Zur Diskussion über den Uranium-Fall, siehe: Pengillex, Vanderbilt Journal of Transnational Law 16 (1983), 833, 856 und zum Problemkreis aus US-amerikanischer Sicht: Griffin, Geo. Mason L. Rev. 6 (1997 – 1998), S. 505 ff. 131 Möschel, Internationalisierung der Wettbewerbspolitik – Zielkonflikte und Lösungsmöglichkeiten, in: Ohr (Hrsg.), Internationalisierung der Wettbewerbspolitik, S. 135 (141). 132 Bei den sog. treble damages beschränkt sich die Verpflichtung nicht auf den Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens, sondern der Geschädigte kann einen Anspruch auf dreifachen Schadensersatzes geltend machen, s. § 4 Clayton Act, 15 U.S.C.A. § 15. 133 Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, S. 78. 134 Ausführlich hierzu: April, Blocking Statutes as a Response to the Extra-territorial Application of Law, in: Olmstead (Hrsg.), Extra-territorial Application of Laws and Responses Thereto, S. 223 ff.

Kap. 1: Reaktionen auf extraterritoriale Wirkung nationalen Rechts

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geltend zu machen.135 Interessant ist der Umstand, dass sich die claw back-Klauseln selbst der extraterritorialen Anwendung bedienen, indem sie die Möglichkeit vorsehen, den Schadensersatz zurückzufordern, sofern er den tatsächlichen Schaden übersteigt. Die in der Vergangenheit erlassenen Abwehrgesetze und claw back-Bestimmungen behinderten nicht nur die Wirtschaft, sondern gefährdeten die Effektivität der Verfahrensdurchführung im Allgemeinen, wodurch sich die Transaktionskosten deutlich erhöhten. Die Maßnahmen lösen im Grunde genommen keine Jurisdiktionskonflikte, sondern verschärfen vielmehr die Problematik. In diesem Sinne argumentiert auch Lowenfeld, wenn er schreibt: „To carry the ,no faith or credit‘ principle to its ultimate and provide for a clawback seems beyond the pale. An eye for an eye, a tooth for a tooth, and a clawback for a long arm? Such is hardly the stuff of international law – traditional, current, or emerging.“136

Trotz alledem kann aus dem Erlass und Vorliegen der blocking statutes nicht gefolgert werden, dass die extraterritoriale Anwendung von Normen per se völkerrechtswidrig sei.137 Wie beschrieben, ist das Auswirkungsprinzip als sinnvoller Anknüpfungspunkt völkerrechtlich anerkannt. Die blocking statutes und claw back clauses richten sich auch nicht gegen das Auswirkungsprinzip selbst, sondern lediglich gegen bestimmte Ausprägungen der extraterritorialen Rechtsanwendung und damit -durchsetzung, die das Auswirkungsprinzip erst ermöglicht. Darüber hinaus lässt sich aus den Protesten schließen, dass es den Staaten eher um den Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen ging als um die Geltendmachung der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Auswirkungsprinzips. Da sowohl die Beschränkung des Geltungsbereichs hoheitlicher Akte als auch der Erlass von blocking statutes die Ermittlungen im Ausland schwierig gestalten, (war und) ist eine Kooperation zwischen den einzelnen Behörden erforderlich. Im Folgenden sollen die bi- und multilateralen Kooperationsmöglichkeiten in Bezug auf die Problematik der multijurisdiktionellen Zusammenschlussfälle vorgestellt und diskutiert werden.

135 Die explizite Rückforderung von Zahlungen, die aufgrund ausländischer Titel geleistet wurde, sah etwa § 6 (2) des britischen Protecion of Trading Interests Act v. 20. 3. 1980 vor. Dazu: Lowe, Am. J. Int’l L. 75 (1981), S. 257 ff.; Neuhaus, Colum L. Rev. 81 (1981), S. 1097 ff.; Autenrieth, RIW 1983, 15 (17). Ebenso gibt es auf europäischer Ebene eine Clawback-Möglichkeit, so wurde beispielsweise als Reaktion auf dem US-amerikanischen HelmsBurton Act, der dir wirtschaftliche Betätigung von Ausländern in Kuba erschweren soll, Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 2271/97 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen, erlassen, s. ABl. 1996 L 309/1. Hierzu: Gebauer, IPRax 1998, 145 (152 ff.). 136 Lowenfeld, Am. J. Int’l L. 75 (1981), 629 (637). 137 Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach geltendem Völkerrecht, S. 179.

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

Kapitel 2

Bilaterale Kooperationen Die ersten wettbewerbsrechtlichen bilateralen Abkommen wurden auf Anregung durch die OECD geschlossen.138 Das erste wettbewerbsrechtliche Abkommen wurde zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland 1976139 geschlossen und zielte in erster Linie auf eine verbesserte Zusammenarbeit ab. Weitere folgten zwischen den USA und Australien140, USA und Kanada141 und Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland142. Die USA bemühte sich, bilaterale Vereinbarungen mit anderen Staaten zu treffen, um vor allem die Wogen aus der Vergangenheit zu glätten, denn die amerikanischen Gerichte versuchten mittels der extraterritorialen Ausdehnung ihres Wettbewerbsrechts auf im Ausland gelegene Beweismittel zuzugreifen und dies führte zu ernsthaften Auseinandersetzungen, die schließlich im Erlass von blocking statues mündeten. Die ersten wettbewerbsrechtlichen bilateralen Abkommen folgten dem Muster der OECD-Empfehlungen und enthielten daher Regelungen über die Benachrichtigung von wettbewerbsrechtlichen Fällen von beiderseitigem Interesse, den Informationsaustausch und die Koordinierung der Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzungsmaßnahmen. Diese Abkommen sind sehr allgemein gehalten und defensiv ausgestaltet. Im Vordergrund steht vielmehr die Konfliktvermeidung. Erst das Abkommen zwischen den USA und der EG aus dem Jahr 1991 führte zu einem Wendepunkt der bilateralen Kooperation. Dieses sieht eine aktive Kooperation und Koordination vor und sieht zum ersten Mal comity Erwägungen vor. Zugleich diente es als Musterexemplar für alle weiteren bilateralen Abkommen nach 1991.

138 Zanettin, Cooperation Between Antitrust Agencies at the International Level, S. 53 ff. Auf die verschiedenen Empfehlungen der OECD in Bezug auf die internationale Zusammenarbeit ist später en detail einzugehen. 139 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Zusammenarbeit in bezug auf restriktive Geschäftspraktiken, BGBl. II 1976, S. 1712 ff. (in Kraft getreten am 11. 09. 1976). 140 Memorandum of Understanding Between the Government of the United States of America and the Government of Canada as to Notification, Consultation and Cooperation With Respect to the Application of National Antitrust Laws v. 09. 03. 1984, abgeduckt in: International Legal Materials 23 (1984), S. 275 – 281. 141 Agreement between the Government of Australia and the Government of the United States of America relating to Cooperation on Antitrust Matters, Australian Treaty Series 1982 No. 13 (in Kraft getreten am 29. 06. 1982); abrufbar unter: http://www.accc.gov.au/system/files/ Agreement%20between%20the%20Government%20of%20Australia%201%26%20the%2 0Government%20of%20the%20United%20States%20of%20America%20relating%20to%20co operation%20on%20antitrust%20matters.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 08. 2016). 142 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die Zusammenarbeit in bezug auf wettbewerbsbeschränkende Praktiken, abgedruckt in: BGBl. 1984 II, S. 758 ff.

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Die comity-Erwägungen sind – wie bereits dargestellt – eine traditionelle Ausprägung des Comitas-Prinzips.143 Nach der negative comity sollen Staaten aufgrund einer gegenseitigen Rücksichtnahme ihre Rechtsvorschriften eingeschränkt auf Auslandssachverhalte anwenden und bei ihrer Entscheidung ausländische Interessen berücksichtigen. Dieser Grundsatz wird mehrheitlich als „rule of politeness and good manners“ verstanden und ist beispielsweise in Art. VI des EG-US Abkommens von 1991 zu finden, wonach die Parteien bei der Durchsetzung ihres Rechts(anspruchs) eine Abwägung mit wichtigen Belangen der anderen Partei vornehmen sollen. Bedeutsamer dagegen ist die positive comity, wonach eine Wettbewerbsbehörde eine andere proaktiv bitten kann, Ermittlungen gegen wettbewerbsbeschränkende Verhalten aufzunehmen, die im ersuchten Staat stattgefunden haben, sich aber im ersuchenden Staat auswirken und dieses Verhalten ggf. zu sanktionieren.144 Indes dürfen comity-Erwägungen mit Kooperation nicht gleichgesetzt werden.145 Unter Kooperation versteht man gegenseitige Maßnahmen, welche Informationsaustausche, die Koordinierung der Verfahrensabläufe und schließlich den Austausch hinsichtlich der materiell-rechtlichen Beurteilung von Zusammenschlüssen einschließen. Kooperation im Rahmen der Fusionskontrolle reicht von den bilateralen Vereinbarungen bis hin zu den multilateralen Kooperationsbestrebungen. Fraglich ist jedoch, ob es bilateralen Kooperationen gelingt, die Konflikte und Transaktionskosten zu vermeiden bzw. zu verringern. Um diese Frage zu beantworten, wird im Folgenden ein Überblick über die in den bilateralen Kooperationsabkommen enthaltenen fusionskontrollrechtlichen Verpflichtungen gegeben. Als exemplarische Beispiele für Kooperationsabkommen werden zum einen auf die EG-US-Abkommen von 1991 und 1998 und zum anderen auf das Abkommen zwischen Australien und Neuseeland näher eingegangen.

A. Bilaterale Vereinbarungen Bei den bilateralen Vereinbarungen ist zwischen Abkommen zur Zusammenarbeit und Abkommen mit dem Ziel der Angleichung von materiellem Wettbewerbsrecht mit Drittstaaten zu unterscheiden. Erstere bezwecken vor allem eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Letztere dagegen enthalten recht 143

Buchmann, Positive Comity im internationalen Kartellrecht, S. 33 ff. Janow, Transatlantic Cooperation on Competition Policy, in: Evenett/Lehmann/Steil (Hrsg.), Antitrust Goes Global, S. 29 (32 f.). Entsprechende Regeln finden sich in Art. V des Abkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln von 1991 und in Art. III des Abkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln von 1998. 145 OECD, Report on Positive Comity, 1999, DAFFE/CCLP(99)19, S. 3; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/prosecutionandlawenforcement/2752161.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 03. 2016). 144

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allgemeine Wettbewerbsklauseln, wie beispielsweise in den von der EU abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit Drittstaaten. I. Kooperationsabkommen Kooperationsabkommen können verschiedene Formen der Zusammenarbeit enthalten, angefangen beim Austausch von Informationen, den gemeinsamen Besprechungen und Beratungen bis hin zur Teilnahme an Anhörungen und der Bildung von gemeinsamen Arbeitsgruppen. Mit diesen soll primär eine Annäherung in wichtigen wettbewerbsrechtlichen Fragen erreicht werden. Zu dieser Kategorie gehören beispielsweise die Abkommen zwischen der EU und den USA und zwischen Australien und Neuseeland. Auf die Abkommen zwischen der EU und den USA und den best practices für den Bereich der Zusammenschlusskontrolle soll im Folgenden näher eingegangen werden, weil sie zum einen die bekanntesten Kooperationsabkommen darstellen, die später auch als Vorbild für weitere bilaterale Abkommen herangezogen wurden, welche die EU mit anderen Drittstaaten wie Kanada, Japan und der Schweiz abgeschlossen hat. Zum anderen muss heutzutage jedes internationale Zusammenschlussvorhaben bei der Europäischen Kommission und/oder amerikanischen Behörden angemeldet werden. 1. EU-USA Die Abkommen von 1991 und 1998 gelten als Modell für die transatlantische Zusammenarbeit schlechthin. Zunächst werden das Abkommen über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln146, das Abkommen über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln147 und schließlich die Best Practices on Cooperation in Merger Investigations148 vorgestellt, um anschließend die Frage zu beantworten, ob diese Vereinbarungen zu einer Lösung bezüglich der parallelen Zuständigkeit bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen führen. Zum Schluss wird diese Kooperation mit einem Einblick in die Praxis abgerundet.

146 Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln, ABl. 1995 L 95/47, korrigiert durch ABl. 1995 L 131/38. 147 Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln, ABl. 1998 L 173/26. 148 US-EU Merger Working Group, Best Practices on Cooperation in Merger Investigations, Stand: 14. 10. 2011, verfügbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/best_ practices_2011_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 02. 2015).

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a) Abkommen über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln149 Das Abkommen über die Anwendung der Wettbewerbsregeln zwischen der EG und den USA von 1991 soll in erster Linie einen Beitrag zur Koordinierung, Zusammenarbeit und Vermeidung von Konflikten bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union und der USA darstellen. Dieses Abkommen, welches in Anmeldung, Informationsaustausch, Kooperation und Koordination, Konfliktvermeidung und Konsultationen unterteilt ist, sieht im Wesentlichen Folgendes vor: Die Wettbewerbsbehörden sollen sich gegenseitig die Fälle, die wichtige Belange der anderen Partei berühren, mitteilen (Art. II). Spezielle Anzeigepflichten für Zusammenschlussfälle sind in Art. II Nr. 2 lit. c und Nr. 3 geregelt. Ebenso sollen Informationen über allgemeine Angelegenheiten, die die Anwendung der Wettbewerbsregeln betreffen, ausgetauscht werden (Art. III). Wie die Zusammenarbeit und die Abstimmung der Vorgehensweisen beider Behörden konkret auszusehen hat, wird in den Art. IV bis Art. VI festgelegt. So ist beispielsweise jede Behörde verpflichtet bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln die wichtigen Belange der anderen Behörde zu berücksichtigen (Art. IV, sog. negative comity-Klausel). Einen Schritt weiter als das negative comity-Prinzip geht das positive comity-Prinzip, welches erstmals in Art. V des Abkommens von 1991 kodifiziert wurde. Demnach kann jede Partei von der anderen verlangen, geeignete Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, sofern ein wettbewerbswidriges Verhalten in ihrem Gebiet durchgeführt wird, welches wichtige Belange der ersuchenden Partei beeinträchtigt. Mithin richtet sich das Abkommen von 1991 primär auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden mittels eines verbesserten Informationsaustauschs und der Möglichkeit einer Amtshilfe im Rahmen von Durchsetzungs- und/oder Ermittlungsmaßnahmen, sofern wichtige Interessen des einen Staates betroffen sind.

149 Auf eine Klage Frankreichs hin hatte der EuGH das Abkommen von 1991 am 09. 08. 1994 mangels Zuständigkeit der Kommission aufgehoben (s. EuGH, Rs. C-327/91 (Frankreich/ Kommission), ECLI:EU:C:1994:305). Der EuGH zweifelte nicht daran, dass die EG völkerrechtlich an das Abkommen im Außenverhältnis gegenüber den USA gebunden sei. Vgl. EuGH, Rs. C-327/91 (Frankreich/Kommission), ECLI:EU:C:1994:305, Rn. 23 ff. Das Abkommen wurde durch den Rat und der Kommission am 10. 04. 1995 inhaltsgleich mit Wirkung vom 23. 09. 1991 genehmigt. Siehe: Beschluss des Rates und der Kommission vom 10. 04. 1995 über den Abschluß des Abkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln, ABl. 1995 L 95/45. Eine vollumfängliche Untersuchung dieses Problemkreises, siehe: Riley, ECLR 13 (1992), S. 101 ff; Riley, ECLR 16 (1995), S. 185 ff.

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b) Abkommen über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln150 Das ergänzende Abkommen über die Anwendung der „Positive Comity“Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln von 1998 konkretisiert das positive comity-Verfahren (Art. III) und die einzelnen Voraussetzungen dieses Verfahrens. So schafft es die Vermutung, dass eine Partei, deren Belange durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen im gesamten Gebiet der anderen Partei oder in einem wesentlichen Teil desselben beeinträchtigt werden, die eigenen Untersuchungs- und Durchsetzungsmaßnahmen zugunsten der Durchsetzungsmaßnahmen der anderen ersuchten Partei aufschieben oder aussetzen kann, vgl. Art. IV. Dies soll vor allem dann der Fall sein, wenn die betreffenden wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen keine direkten, spürbaren und normalerweise voraussehbaren Auswirkungen auf die Verbraucher im Gebiet der ersuchenden Partei haben (Art. IV Abs. 2 lit. a, i). Im Vergleich hierzu sah Art. V des Abkommens von 1991 keine Verpflichtung vor, im Hinblick auf das Ersuchen eigene extraterritoriale Anwendungsmaßnahmen zu unterlassen.151 Indes wurden die positive comity-Grundsätze für den Bereich der Zusammenschlusskontrolle nach Art. II Nr. 4 lit. a des Abkommens von 1998 ausgeschlossen. Einer der Gründe für den Ausschluss sind womöglich die kurzen Fristen beider Fusionskontrollverfahren und dass es keinen Ermessensspielraum hinsichtlich des Aussetzens und Aufschiebens von Durchsetzungsmaßnahmen gibt.152 An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass es unrealistisch erscheint, dass eine Wettbewerbsbehörde bzw. ein Staat für die Belange eines anderen Staates seine eigenen Staatsangehörigen rechtlich belangen wird. Daher ist die Wirksamkeit des positive comity-Grundsatzes in Frage zu stellen. So auch Atwood, wenn er schreibt: „It is not realistic to expect one government to prosecute its citizens solely for the benefit of another. It is no accident that this has not happened in the past, and it is unlikely to happen in the future. We should not expect the principle of positive comity (…) to impact dramatically on the proposition that laws are written and enforced to protect national interests.“153

Trotz Symbolwerts dieser Vereinbarung ist zu betonen, dass es sich hierbei um das erste Abkommen handelt, welches den positive comity-Grundsatz für das Wettbewerbsrecht kodifiziert.

150 Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln, ABl. 1998 L 173/26. 151 Siehe: Art V Abs. 4 des Abkommens von 1991. 152 Parisi, ECLR 1999, 133 (136); Pallek, AVR Bd. 38 (2000), 169 (189); OECD, Report on Positive Comity, DAFFE/CLP(99)/19, S. 28 Fn. 43. 153 Atwood, Fordham Corp. L. Inst. 1992, 79 (87). So ähnlich auch: Ham, CML Rev. 30 (1993), 571 (594 f.) und Peck, San Diego L. Rev. 35 (1998), 1163 (1189 ff.).

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c) Best Practices on Cooperation in Merger Investigations154 Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU wurde speziell für den Bereich der Zusammenschlusskontrolle eine Arbeitsgruppe zur Intensivierung der transatlantischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fusionskontrolle gegründet, die sich vor allem mit den grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen, die beide prüfen, beschäftigt. Im Rahmen dieser Arbeitsgruppe wurden 2002 sog. best practices, also rechtsunverbindliche Leitfäden, als Grundlage einer guten Zusammenarbeit der Behörden bei der Prüfung von internationalen Zusammenschlussvorhaben vereinbart, die sich mit der zeitlichen Koordinierung der Verfahren und der Einheitlichkeit der auferlegten Abhilfemaßnahmen befasst.155 Im konkreten Fall bedeutet dies, dass bereits zu Beginn des Verfahrens in Zusammenschlussfällen, die sich entweder weltweit auswirken oder die die Märkte der USA und der EU betreffen, der Kontakt zu der jeweils anderen Behörde aufgesucht wird. Dies ist notwendig, zum einen um sich auf eine Marktdefinition abzustimmen und zum anderen um eine gemeinsame Ausgangslage für die Prüfung des Vorhabens zu haben. Damit gehen die best practices weit über einen bloßen Informationsaustausch zwischen den Behörden hinaus.

d) Einblick in die Praxis Als Fazit ist festzuhalten, dass weder das Abkommen von 1991 noch das Abkommen von 1998 Fragen der Jurisdiktion oder der extraterritorialen Anwendbarkeit des amerikanischen bzw. europäischen Kartellrechts regeln.156 Dennoch arbeiten die Parteien dann gemeinsam und sprechen sich ab, wenn ein Vorhaben entweder globale Auswirkungen oder Auswirkungen sowohl auf den europäischen und den US-amerikanischen Markt hat. Schaut man sich ferner die Praxis an, ist auffällig, dass die meisten Mitteilungen beider Parteien sich auf Unternehmenszusammenschlüsse beziehen. Die Anzahl dieser Mitteilungen hat sich über die Jahre hin deutlich intensiviert. Diese verstärkte Zusammenarbeit lässt sich womöglich durch den Umstand erklären, dass es gerade in diesem Bereich oft zu Parallelverfahren kommt, und dies führt letztlich zu einem gemeinsamen Verfahrensaufbau und der Schaffung paralleler Vorgehensweisen. Zudem funktioniert der Austausch von Informationen in diesem Bereich deshalb so gut, weil die beteiligten Unternehmen ihr Einverständnis durch sog. waivers erklären, die den

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US-EU Merger Working Group, Best Practices on Cooperation in Merger Investigations, Stand: 14. 10. 2011, verfügbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/best_ practices_2011_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 02. 2015). 155 Näheres hierzu: Katona/Parisi, The Threshold Vol. XII (2011), S. 27 ff. 156 Nicolaides, Journal of World Trade 30/4 (1996), 131 (136).

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Behörden erlauben, vertrauliche Informationen untereinander auszutauschen, sofern die Vertraulichkeit gegenüber Dritten gewahrt bleibt.157 Die Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA konzentriert sich im Bereich der Zusammenschlusskontrolle hauptsächlich auf drei Bereiche: 1. Abgrenzung des relevanten Produktmarktes, 2. Beurteilung der möglichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Vorhabens auf diese Märkte und 3. Geeignetheit der von den Parteien vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Behörden auszuräumen.158 Es lassen sich zahlreiche Beispiele aus der Praxis für die gute Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und den US-amerikanischen Behörden, vor allem hinsichtlich der Würdigung etwaiger Auswirkungen des Vorhabens auf die jeweiligen Märkte, aber auch für den Bereich der Abhilfemaßnahmen, anführen. Eins der ersten erfolgreichen Beispiele war das Vorhaben MCI WorldCom/Sprint159, ein Zusammenschluss zwischen zwei USamerikanischen Telekommunikationsgesellschaften, welcher Auswirkungen nicht nur auf die US-Verbraucher, sondern auch auf die Verbraucher in der EU auf den Markt für erstrangige Internet-Netzanschlussdienstleister hatte. Ebenso verlief die Zusammenarbeit reibungslos beim Vorhaben Johnson & Johnson/Guidant160, wo sich die Zusammenarbeit mit der FTC auf den Patentaspekt des US-Marktes konzentrierte und im Rahmen von Procter & Gamble/Gilette161, wo sich die Zusammenarbeit in Bezug auf die gemeinsame Bestimmung des sachlichen Marktes, die Würdigung etwaiger Auswirkungen auf diesen und schließlich die Abhilfemaßnahmen, konzentrierte. Die Liste der guten Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den amerikanischen Wettbewerbsbehörden ist lang.162 157 Friess, Die internationale Zusammenarbeit der EU und der USA – Austausch von Informationen, in: FIW e.V. (Hrsg.), Konvergenz der Wettbewerbsrechte, S. 69 (70). 158 Kommission, Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Anwendung des „Abkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln“, 10. April 1995 bis 30. Juni 1996, KOM(96) 479 endg., Tz. 4, S. 6 ff., auch abgedruckt in: Kommission, XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1996, S. 333 ff.; Kommission, XXXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2001, SEK(2002) 462 endg, Tz. 531; Pitofsky, EU and U.S. Approaches to International Mergers – Views from the U.S. Federal Trade Commission, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 47 (49 ff.); Montag, Konvergenz bei internationalen Fusionen, in: FIW e.V. (Hrsg.), Konvergenz der Wettbewerbsrechte, S. 39 (51); Weitbrecht, Die Kontrolle weltweiter Unternehmenszusammenschlüsse durch die Europäische Union und die USA, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 63 (69). 159 Siehe: Kommission, Entscheidung v. 08. 07. 1998 (IV/M.1069 – WorldCom/MCI), ABl. 1999 L 116/1. 160 Siehe: Kommission, Entscheidung v. 25. 08. 2005 (COMP/M.3687 – Johnson & Johnson/ Guidant), ABl. 2006 L 173/16. 161 Siehe: Kommission, Entscheidung v. 15. 07. 2005 (COMP/M.3732 – Procter & Gamble/ Gillette), ABl. 2005 C 239/12. 162 Weitere Beipsiele für sowohl die gute und enge Zusammenarbeit zwischen den Parteien als auch für die Heranziehung der best practices als guter und nützlicher Rahmen im Bereich der

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Die Erfahrungen der Kommission zeigen im Ergebnis, dass die Zusammenarbeit und Koordinierung bei der Prüfung von Zusammenschlussvorhaben dann am hilfreichsten ist, wenn es um Fragen im Zusammenhang mit der Konzipierung, Aushandlung und Umsetzung von Abhilfemaßnahmen geht.163 Dadurch verringert sich die Gefahr, dass unterschiedliche Herangehensweisen bei ein und demselben Vorhaben gewählt werden. So kommentierte auch die Financial Times 2003: „The growth of US-EU co-operation on antitrust policy shows different methods can coexist, provided objectives are broadly shared – or at least understood – and agencies do not retreat into territorial defensiveness.“164 Darüber hinaus hat die enge Zusammenarbeit der beiden Behörden zu einer bemerkenswerten Konvergenz in Bezug auf die Methoden im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben geführt. Dies spiegelt sich u. a. im Erlass der Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse der Kommission, aber auch in der FKVO-Reform von 2004 wieder, wonach der Marktbeherrschungstest erweitert und an den US-amerikanischen SLC-Test angenähert wurde. Trotz der eigentlichen guten Zusammenarbeit dieser Behörden können die bilateralen Kooperationsübereinkommen divergierende Entscheidungen der Parteien, wie dies die Fälle Boeing/McDonnell Douglas165 und General Electric/Honeywell166 Zusammenschlusskontrolle können folgende Fälle aufgezählt werden, in: Kommission, XXX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2000, S. 335: der Fall AOL/Time Warner (COMP/ M.1845); in Kommission, XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2003, SEK(2004) 658 endg., Tz. 682: Pfizer/Pharmacia (COMP/M.2922), Siemens/Drägerwerke (COMP/M.2861); in: Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik 2004 – Teil 1, SEK(2005) 805 endg., Tz. 642: die Fälle Oracle/Peoplesoft, Sony/BMG, Air France/KLM, Sanofi/Aventis, Sygenta/ Advanta, Air Liquide/Messer, Agfa/Lastra, Magna/NVC und Microsoft/Time Warner/Contentguard; in: Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik 2007, KOM(2008) 368 endg., Tz. 480: die Fälle Owens Corning/Saint Gobain und Schering-Plough/AkzoNobel; in: Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik 2009 – Teil 2, Tz. 522; abrufbar unter: http://ec.eu ropa.eu/competition/publications/annual_report/2009/part_2_de.pdf (zuletzt aufgerufen am 09. 09. 2017): die Fälle Pfizer/Wyeth und Panasonic/Sanyo; in: Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik 2010, KOM (2011) 328 endg. Tz. 151 und ICN, Practical Guide to International Enforcement Cooperation in Mergers, S. 7; abrufbar unter: http://www.international competitionnetwork.org/uploads/library/doc1031.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 02. 2016): die Fälle Cisco/Tandberg (COMP/M.5669) und Novartis/Alcon (COMP/M.5778); in: Kommission, Begleitunterlage zum Bericht der Kommission über die Wettbewerbspolitik 2012, SWD(2013) 159 final, S. 19, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/publications/annual_report/2 012/part2_de.pdf (zuletzt aufgerufen am 09. 09. 2017) und ICN, Practical Guide to International Enforcement Cooperation in Mergers, S. 11: UTC/Goodrich (COMP/M.6410) und Google/ Motorola (COMP/M.6381); in: ICN, Practical Guide to International Enforcement Cooperation in Mergers, S. 3 f.: Thermo Fischer Sientific/Life Technologies (COMP/M.6944). Diese Aufzählung ist nicht abschließend. 163 Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik 2004 – Teil 1, SEK(2005) 805 endg., Tz. 643. 164 „Rules for Regulators.“ Financial Times [London, England] 4 Mar. 2003: 18. 165 Kommission, Entscheidung v. 30. 07. 1997 (IV/M.877 – Boeing/McDonnel Douglas), ABl. 1997 L 336/16.

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belegen, nicht verhindern. Monti kommentierte die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Wettbewerbsbehörden im Fall General Electric/Honeywell wie folgt: „Europäische Kommission und US-Justizbehörden haben bei dieser Untersuchung eng zusammengearbeitet. Leider sind wir am Ende zu verschiedenen Ergebnissen gekommen, doch muss jede Behörde ihre eigene Analyse durchführen und ist das Risiko, zu unterschiedlichen Schlüssen zu gelangen, so bedauerlich dies auch sein mag, nie ganz auszuschließen. Das bedeutet nicht, dass die eine Behörde nach objektiven Kriterien verfährt und die andere sich von politischen Zielen leiten lässt, wie einige behaupten könnten, sondern vielmehr, dass wir Fakten unterschiedlich bewerten und die Folgen eines Zusammenschlusses unterschiedlich einschätzen. Dies ist einer der seltenen Fälle, in denen wir mit den amerikanischen Wettbewerbsbehörden nicht einer Meinung waren. Ich bin entschlossen, unsere Zusammenarbeit weiter auszubauen, um dieses Risiko künftig zu verringern.“167

Letztlich sind nicht nur die unterschiedlichen wettbewerbspolitischen Grundüberlegungen, die durchaus zwischen den Parteien bestehen168, sondern auch die Unterschiede im Fusionskontrollverfahrensrecht, aber auch die unterschiedlichen Herangehensweisen einer der Gründe, warum es manchmal zu divergierenden Entscheidungen kommen kann.169 Im Gegensatz zur Beurteilung unterschiedlicher Marktstrukturen führt die Untersuchung globaler oder zumindest ähnlich strukturierter Märkte letztlich zu konsistenten Ergebnissen.170 Da hilft auch die vertiefte Zusammenarbeit nicht weiter. Trotzdem hat dieser kurze Überblick über die Praxis bestätigt, dass die Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU durch einen Informationsaustausch zwischen der Kommission und den einzelnen US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden, die Koordinierung des zeitlichen Ablaufs des Verfahrens, die gemeinsame Bestimmung des sachlichen und räumlichen Marktes und schließlich einer engen Kooperation hinsichtlich der Verpflichtungszusagen und Abhilfemaßnahmen geprägt ist. Schließlich ist hervorzuheben, dass divergierende Entscheidungen zwischen den Parteien doch eher die Ausnahme als die Regel darstellen. So ist bei aller Kritik die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den amerikanischen Behörden positiv zu bewerten und stellt insgesamt ein Erfolgsmodell dar.

166 Kommission, Entscheidung v. 24. 04. 1996 (IV/M.619 – Gencor/Lonrho), ABl. 1997 L 11/30 und EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLI:EU:T:1999:65. 167 Pressemitteilung IP/01/939 vom 03. 07. 2001, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/ press-release_IP-01-939_de.doc (zuletzt aufgerufen am 03. 02. 2016). 168 Siehe hierzu sehr anschaulich: Hudson, ECLR 34 (2012), 526 (526 f.). 169 Fox, GE/Honeywell: The U.S. Merger that Europe Stopped, in: Fox/Crane (Hrsg.), Antitrust Stories, S. 331 (356 f.). 170 Tritell/Parisi, The EC-US Cooperation Agreement, in: FS Canenbley, S. 475 (S. 483).

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2. USA-Kanada 2014 wurde zwischen den US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden und dem kanadischen Wettbewerbsamt eine ähnliche Vereinbarung wie zwischen der EU und den USA für die Zusammenarbeit in Fusionsfällen vereinbart.171 3. Australien-Neuseeland Ein ebenso erfolgreiches Kooperationsabkommen ist das zwischen Australien und Neuseeland. Allerdings besteht hier die Besonderheit darin, dass bereits 1983 ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Staaten unterzeichnet wurde, welches im Wesentlichen den Warenverkehr, einschließlich landwirtschaftlicher Produkte, zwischen Australien und Neuseeland regelte.172 1994 wurde daraufhin ein Kooperationsabkommen zwischen den beiden Wettbewerbsbehörden beschlossen, in der Absicht, die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den beiden Behörden zu fördern und um die Möglichkeit der unterschiedlichen Anwendung ihrer Wettbewerbsgesetze zu vermindern.173 Überarbeitet wurde diese Vereinbarung 2007174 und zuletzt 2013175. In diesen ist über die gegenseitige Amtshilfe hinaus geregelt, dass auch Unternehmen mit Sitz im jeweils anderen Staat der Wettbewerbsbehörde des jeweils anderen Staates unterliegen. Zusätzlich zur gegenseitigen Amtshilfe werden Verfügungen, Anordnungen und Urteile der Wettbewerbsbehörden und Gerichte im jeweils anderen Staat anerkannt und auch vollstreckt. Allerdings ist dies im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen materiell-rechtlichen Angleichung der beiden Wettbewerbsrechtsordnungen erfolgt. 2006 folgte ferner ein Protokoll für den Be171 Siehe: http://www.competitionbureau.gc.ca/eic/site/cb-bc.nsf/vwapj/Canada-US-BestPractices-en-2014-03-25.pdf/$file/Canada-US-Best-Practices-en-2014-03-25.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 09. 2017). 172 Australia New Zealand Closer Economic Relations Trade Agreement, and Exchange of Letters, Australian Treaty Series 1983 No. 2 (in Kraft getreten am 01. 01. 1983); abrufbar unter: http://dfat.gov.au/trade/agreements/anzcerta/Documents/anzcerta1.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 08. 2016). 173 Co-operation and Co-ordination Agreement between the Australian Trade Practices Commission and New Zealand Commerce Commission, 1994; abrufbar unter: www.accc.gov. au/system/files/TPC%20%26%20NZCC%20cooperation%20%26%20coordination%20agree ment.rtf (zuletzt aufgerufen am 14. 08. 2016). 174 Cooperation Agreement Between the Australian Competition and Consumer Commission and the New Zealand Commerce Commisssion, abrufbar unter: http://www.accc.gov. au/system/files/Cooperation%20agreement%20between%20the%20ACCC%20%26%20the%2 0NZCC.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 08. 2016). 175 Co-operation Arrangement between the New Zealand Commerce Commission and the Australian Competition and Consumer Commission in relation tot he provision of compulsoryacquired informationd and investigative assistance, Stand: April 2013; abrufbar unter: http:// www.accc.gov.au/system/files/Cooperation%20arrangement%20between%20the%20New%2 0Zealand%20Commerce%20Commission%20and%20the%20Australian%20Competition%2 0and%20Consumer%20Commission.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 08. 2016).

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reich der Fusionskontrolle176, wonach beide Behörden sich gegenseitig informieren sollen, wenn sie ein und dasselbe Vorhaben prüfen und Informationen mit der jeweils anderen Behörde austauschen sollen, um diese im Rahmen ihrer Prüfung zu unterstützen. Dieses Protokoll formalisiert einige der bereits ausgeübten Praktiken und bietet zugleich die Möglichkeit der Vertiefung der bereits bestehenden Zusammenarbeit zwischen den zwei Behörden. Im Ergebnis ähnelt dieses Protokoll den best practices der EU-USA. Des Weiteren beschlossen die Premierminister der beiden Staaten im Jahr 2009, dass die Zusammenarbeit im Wettbewerbsrecht drei Ergebnisse anstreben soll: 1. Unternehmen, die in beiden Jursidktionen tätig sind, müssen dieselben Folgen für dasselbe wettbewerbsschädigende Verhalten tragen, 2. Beide Wettbewerbsbehörden sind befugt, vertrauliche Informationen untereinander auszutasuchen und 3. Die gegenseitge Abberufung (cross-appointments) von Mitgliedern an den Sitzungen der australischen Wettbewerbsbehörde und der neuseeländischen Wettbewerbsbehörde. Bei den cross-appointments liegt der Fokus auf Zusammenschlüsse, die beide Staaten betreffen. Hierbei nehmen die Kommissare der jeweils anderen Behörde an den Treffen der anderen teil und haben auch Zugang zu vertraulichen Informationen. Aber am Ende dieses koordinierten Prozesses trifft jede Behörde ihre eigene Entscheidung. Diese sind nicht immer identisch, vor allem wenn unterschiedliche Marktzusammenhänge vorliegen. Im Gegensatz zur EU folgt aus dieser Kooperation kein supranationales Recht, sondern die zwei nationalen Rechtssysteme werden miteinander gekoppelt, wobei dies nur deshalb möglich ist, weil beide Staaten eine ähnliche ökonomische, geographische und soziale Geschichte aufweisen und sich beide Rechtssysteme sehr ähnlich sind.177 4. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde als besondere Form der Kooperation Darüber hinaus gilt die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) als besondere Form der Kooperation darzustellen. Nach Art. 57 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und Anhang XIV des EWR-Abkommens178 i.V.m. den dazugehörigen Protokollen 21 und 24 sowie den Entscheidungen Nr. 78 und 79/2004 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses gilt die FKVO seit dem 01. 01. 1994

176 Australian Competition and Consumer Commission and New Zealand Commerce Commission, Cooperation Protocol for Merger Review, Stand: August 2006; abrufbar unter: http://www.accc.gov.au/system/files/Cooperation%20protocol.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 08. 2016). 177 Giannino, International cooperation and regulation of transnational mergers, S. 165. 178 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. 1994 L 1/3.

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auch in den EFTA-Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen.179 Die EFTAStaaten sind damit in Anbetracht der FKVO keine Drittstaaten, sodass es sich beim EWR um das größte Gebiet mit einem einheitlichen Fusionskontrollregime auf der ganzen Welt handelt. Nach Art. 57 Abs. 2 lit. a EWR-Abkommen ist die Kommission für alle Unternehmenszusammenschlüsse, die unter die FKVO fallen, zuständig. Die EFTAÜberwachungsbehörde ist nach lit. b nur zuständig, wenn die unionsweiten Umsatzschwellenwerte in Höhe von 250 Mio. EUR allein durch die EFTA-Umsätze erreicht werden. Geprüft wird, welche Auswirkungen der Zusammenschluss auf Märkte des EWR außerhalb der Union hat. Protokoll 24 des EWR-Abkommens regelt die Zusammenarbeit beider Behörden im Bereich der Fusionskontrolle. Nach Art. 2 Abs. 1 des Protokolls 24 EWR-Abkommens findet eine Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der EFTA-Überwachungsbehörde statt, wenn a) der gemeinsame Umsatz der beteiligten Unternehmen im Gebiet der EFTA-Staaten 25 % oder mehr ihres Gesamtumsatzes im EWR-Gebiet ausmacht oder b) mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen Umsatz von mehr als 250 Mio. EUR im Gebiet der EFTA-Staaten erzielen oder c) Zusammenschlüsse, durch die der wirksame Wettbewerb in den Gebieten der EFTA-Staaten oder in einem wesentlichen Teil derselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung. Nach Art. 2 Abs. 2 des Protokolls 24 des EWR-Abkommens findet eine Zusammenarbeit auch im Falle von Verweisungsanträgen eines EFTA-Staates nach Art. 6 des Protokolls 24 statt. Das Verfahren der Zusammenarbeit ist in Art. 3 ff. des Protokolls 24 des EWR-Abkommens geregelt. Auffällig ist, dass die EFTA-Umsatzschwellenwerte höher sind als die der Union, was dazu führt, dass es kaum EFTA-Zusammenschlussfälle gibt. Diese sind letztlich nur rein hypothetisch vorstellbar. So kommentiert dies auch die EFTA-Überwachungsbehörde: „Pure EFTA cases are viewed as unlikely to occur in parctice“ und damit kommt es zu einer „de facto one-sided allocation of jurisdiction in favour of the Commission“180.

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Zwar hat die Schweiz, ebenfalls EFTA-Staat, das Abkommen am 02. 05. 1992 unterzeichnet, aber da sich die Schweizer Bevölkerung in einer Volksabstimmung gegen die Ratifizierung des EWR-Abkommens entschieden hat, ist die Schweiz kein Teil des EWR. Vgl. Zeise, in: Schulte (Hrsg.), Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 924. Dennoch gibt es eine bilaterale Vereinbarung zwischen der EG und der Schweiz, dass die FKVO für den Bereich des Luftverkehrs gilt. Siehe Art. 11 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr, ABl. 2002 L 114/73. 180 EFTA Surveillance Authority, EFTA Surveillance Authority comments on the European Commission’s Merger Review Green Paper, 2002, S. 4; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/com petition/consultations/2002_council_regulation/eftasurveillanceauthority_public.pdf (zuletzt aufgerufen am 31. 01. 2016).

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5. Andere Kooperationsabkommen und Memorandum of Understandings Ermutigt durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden, schloss die EU vergleichbare, wenn nicht sogar identische bilaterale Vereinbarungen mit anderen Staaten wie Kanada181, Japan182, Südkorea183 und der Schweiz184, ab. Im Falle der Schweiz sieht das Abkommen über den Luftverkehr explizit vor, dass die FKVO in Bezug auf den Luftverkehr auch für die Schweiz gilt.185 Die Kommission hebt unter anderem hervor, dass ein trilaterales Treffen zwischen der EU, den USA und Kanada im Rahmen des Zusammenschlussvorhabens Alcoa/Reynolds in Washington stattfand.186 Ferner wurde die enge Zusammenarbeit mit der Japanese Fair Trade Commission im Fall Sanyo/Panasonic (2009) gelobt. Darüber hinaus schrieb die Kommission in ihrem Wettbewerbsbericht 2004, dass die Zusammenarbeit mit Korea hervorragend sei, da beide 181 Das 1999 mit Kanada abgeschlossene Abkommen entspricht weitestgehend dem Abkommen mit den USAvon 1991 und soll zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen den EG und Kanada bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln beitragen. Das Abkommen sieht im wesentlichen folgendes vor: die gegenseitge Mitteilung von Fällen, die von einer Wettbewerbsbehörde untersucht werden und die wichtigen Belange der anderen Seite berühren könnten, die Möglichkeit einer Koordinierung der Anwendungsmaßnahmen beider Behörden, die Zusammenarbeit bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen im Gebiet einer Partei, welche die Belange der anderen Partei beeinträchtigen und den Informationsaustausch zwischen beiden Seiten. Siehe: Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung von Kanada über die Anwendung ihres Wettbewerbsrechts, ABl. 1999 L 175/50. 182 Auch das im Jahr 2003 abgeschlossene bilaterale Abkommen mit Japan sieht im Wesentlichen einen gegenseitigen Informationsaustausch, die Koordination in Bezug auf Durchsetzungsmaßnahmen, die Möglichkeit der Anwendung des „Positive Comity“-Verfahrens und dem Austauschen von nicht-vertraulichen Informationen vor. Es soll zu engeren Beziehungen zwischen den beiden Behörden und einem besseren Verständnis der jeweiligen Wettbewerbspolitik beitragen. Siehe: Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung von Japan über die Zusammenarbeit bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, ABl. 2003 L 183/12. 183 Das 2009 abgeschlossene Abkommen über die Zusammenarbeit bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen enthält Bestimmungen zur Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Maßnahmen sowie im Hinblick auf Notifikationen, Konsultationen und den Austausch nicht vertraulicher Informationen und ersetzt damit die Absichtserklärung über die Zusammenarbeit zwischen der GD Wettbewerb und der koreanischen Wettbwerbsbehörde von 2004. Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung der Republik Korea über die Zusammenarbeit bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, ABl. 2009 L 202/36. 184 Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit bei der Anwendung ihres Wettbewerbsrechts, ABl. 2014 L 347/3. 185 Siehe Art. 11 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr, ABl. 2002 L 114/73. 186 Kommission, XXX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2000, SEK(2001) 694 endg., Tz. 458.

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Behörden oft dieselben Ansichten in multilateralen Wettbewerbsformen wie dem ICN und der OECD teilen.187 Des Weiteren unterzeichnete die EU Absichtserklärungen über die Zusammenarbeit in Wettbewerbsfragen mit Brasilien188, Russland189, China190 und Indien191, die in erster Linie die verstärkte Zusammenarbeit und die Möglichkeit des Informationsaustausches zwischen den einzelnen Parteien ermöglichen sollen, jedoch für die Prüfung von multijurisdiktionellen Zusammenschlussverfahren ohne Bedeutung sind, da diese erstens allgemein für das Wettbewerbsrecht gehalten sind und zweitens nicht konkrete Regelungen für das Fusionskontrollverfahren vorsehen. Mit China wurden 2015 zusätzlich noch praktische Leitlinien für die Zusammenarbeit bezüglich der Prüfung von Zusammenschlussfällen vereinbart.192 Angestrebt wird nicht nur eine zeitliche Koordinierung der Verfahren, sondern auch die gemeinsame Bestimmung des Marktes und die Auswahl der Abhilfemaßnahmen in Fällen, die sowohl die EU als auch China betreffen. Es ist abzuwarten, ob die Kooperation mit China genauso positiv verlaufen wird wie die behördliche Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA.

II. Abkommen mit dem Ziel der Angleichung von materiellem Wettbewerbsrecht Zusätzlich zu den oben genannten Kooperationsabkommen gibt es noch zahlreiche Abkommen mit dem Ziel der Angleichung des materiellen Wettbewerbsrechts. So hat beispielsweise die EU zahlreiche Handels-, Assoziations- und EuroMediterrane Abkommen geschlossen, aber die in den zahlreichen Handelsabkommen enthaltenen Wettbewerbsbestimmungen sehen indes nur Verpflichtungen zur Annäherung der Wettbewerbspolitik dieser Länder an die unionsrechtlichen Regelungen vor. So sieht beispielsweise Art. 53 des Assoziierungsabkommen mit Jor187 Kommission, Bericht über die Wettbewerbspolitik 2004 – Teil 1, SEK(2005) 805 endg., Tz. 662. 188 Memorandum of Understanding on Cooperation between DG Competition and CCI, Stand: 21. 11. 2013, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/international/bilateral/bra zil_mou_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 02. 2016). 189 Memorandum of Understanding on Cooperation between DG Competition and FAS, Stand: 10. 03. 2011, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/international/bilateral/mou_ russia_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 02. 2016). 190 Memorandum of Understanding on Cooperation between DG Competition and NDRC and SAIC, Stand: 20. 09. 2012, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/international/bila teral/mou_china_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 02. 2016). 191 Memorandum of Understanding on Cooperation between DG Competition and CADE, SDE and SEAE, Stand: 08. 10. 2009, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/internatio nal/bilateral/india_agreement.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 02. 2016). 192 Practical Guidance for Cooperation on Reviewing Merger Cases between DG Competition and MofCom, Stand: 15. 10. 2015, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/inter national/bilateral/practical_guidance_mofcom_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 03. 02. 2016).

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danien193 vor, dass ein wettbewerbsrechtlicher Schutz des Handels zwischen der EG und Jordanien, entsprechend den Art. 101, 102 AEUV, gewährt werden soll. Außerdem stellen diese Abkommen technische Unterstützungsmaßnahmen und Hilfe beim Aufbau der erforderlichen Strukturen in Aussicht, um bei der Durchführung der Wettbewerbsvorschriften zu helfen. Jedoch wird mit diesen Abkommen vielmehr ein integrationspolitisches Motiv verfolgt und zwar eine Annäherung der Staaten an die EU. Damit wird mit diesen Abkommen eher das europäische Kartellrecht i. e.S. durch bilaterale Freihandelsabkommen und der Europäischen Nachbarschaftspolitik gefördert. Festzuhalten ist, dass diese Bestimmungen zum einen sehr vage sind und zum anderen erkennen sie lediglich das Verbot von bestimmten wettbewerbsbeschränkenden Geschäftspraktiken an, die die Staaten zu unterbinden haben, ohne jedoch auszuführen wie dies konkret zu erfolgen hat. Letztlich enthalten diese Regelungen keine Mechanismen, die Jurisdiktionskonflikte im Rahmen von multijurisdiktionellen Zusammenschlussfällen vermeiden oder lösen können.

B. Fazit Bilaterale Abkommen finden lediglich unter einer begrenzten Anzahl von Jurisdiktionen statt und zwar in der Regel zwischen Staaten mit ähnlichen Wirtschaftsstrukturen und Rechtssystemen. So sind die Vertragspartner der Koordinations- und Kooperationsabkommen der EU ausnahmslos Industriestaaten, die bereits über langjährige Wettbewerbserfahrungen verfügen und eine marktwirtschaftliche Orientierung haben, sodass es nicht verwunderlich ist, wenn gerade diese Parteien ihre Zusammenarbeit vertiefen wollen. In diesem Zusammenhang werden bilaterale Abkommen als eine Form von Kooperation verstanden. Dies verdeutlicht auch folgender Kommentar des ehemaligen Deputy-Direktor der Generaldirektion Wettbewerb Jean-Francois Pons: „While we have considered going further and concluding further bilateral agreements, we are not inclined to do so where it would be a waste of scarce resources, particularly for countries with whom we would only co-operate concerning one or two cases a year.“194

Damit ist es nicht verwunderlich, dass es kaum bilaterale Vereinbarungen mit Entwicklungsländern gibt. Die Vorteile der bilateralen Zusammenarbeit liegen auf der Hand: Erstens, sie greifen nicht in die Durchsetzungsbefugnisse der einzelnen Wettbewerbsbehörden und damit in die Souveränität der Staaten ein. Zweitens, durch sie wird eine höhere 193

Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jordanien andereseits, ABl. 2002 L 129/3. 194 Pons, International co-operation in competition matters – where are we four years after the Van Miert Report?, Rede in Zürich gehalten, 9. Juli 1999; abrufbar unter: http://ec.europa. eu/competition/speeches/text/sp1999_015_en.html (zuletzt aufgerufen am 22. 11. 2016).

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Effizienz bei der Durchsetzung durch die gemeinsame Nutzung von Informationen erreicht, was wiederum zu mehr Vertrauen zwischen den einzelnen Behörden untereinander führt. Vertrauen führt bekanntlich zu mehr Kommunikation und damit zur Vermeidung von Kommunikationsmissverständnissen. Drittens, sie zielen in erster Linie auf eine Verbesserung der Beziehung zwischen den einzelnen Wettbewerbsbehörden ab, indem diese vertrauliche Informationen austauschen, sich gegenseitig in der Beweisermittlung und -aufnahme unterstützen und ggf. gemeinsame Abhilfemaßnahmen vereinbaren, sodass sie sich gegen bestimmte verfahrensrechtliche Probleme, die sich u. a. durch die extraterritoriale Anwendung der Wettbewerbsgesetze ergeben, richten. Allerdings bieten bilaterale Vereinbarungen nur eine partielle Lösung für das Gesamtproblem: Wie das Wort „bilateral“, vor allem die Vorsilbe „bi“ ausdrückt, sind die Kooperationsabkommen zunächst nur zwischen zwei Staaten anwendbar und damit bereits in ihrer Anwendbarkeit beschränkt. Aber grenzüberschreitende Zusammenschlüsse (und allgemein internationale Wettbewerbsbeschränkungen) wirken sich typischerweise in mehr als nur zwei Staaten aus, jedoch ist eine weltweite Aushandlung bilateraler Abkommen zu aufwendig. Hinzu kommt, dass bilaterale Abkommen zwar die Arbeit von zwei Wettbewerbsbehörden koordinieren, aber sie ersetzen nicht die einzelnen Prüfungen der beiden Staaten. Des Weiteren beseitigen die bilateralen Vereinbarungen nicht das unterschiedliche Wettbewerbsverständnis der einzelnen Staaten, sodass abweichende Ergebnisse durch die Abkommen nicht unbedingt verhindert und Transaktionskosten seitens der Unternehmen nicht minimiert werden. Ferner gibt es keine prozessualen Angleichungen, die u. a. zu Kosteneinsparungen seitens der Unternehmen führen könnten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die bilaterale Kooperation keine Harmonisierung des prozeduralen und materiellen Rechts primär bezweckt, mit der Folge, dass es immer Unterschiede in Bezug auf das Verfahren, die zeitlichen Fristen, die Rechte dritter Parteien als auch das materielle Recht und dessen Prüfungskriterien, geben wird. Eine weitere Beschränkung bei der Zusammenarbeit folgt meist aus den unterschiedlichen Geheimhaltungsvorschriften in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse, die die Weitergabe vertraulicher Informationen behindern. Jedoch unterscheiden hier die Wettbewerbsbehörden zwischen vertraulichen behördeninternen Informationen, die mit anderen Wettbewerbsbehörden geteilt werden können und vertraulichen Geschäftsinformationen, die nicht an andere weitergegeben werden dürfen.195 Damit aber auch vertrauliche Geschäftsinformationen weitegeleitet werden können, werden vor allem in Fusionsfällen Verzichtserklärungen abgeschlossen, die eine Weiterleitung an Dritte ermöglichen, sog. waivers. 195

Parisi, ECLR 1999, 133 (137); Parisi, N.Y.U. Ann. Surv.. Am. L. 61 (2005 – 2006), 509 (516); OECD Competition Committee, International Enforcement Co-operation. Secretariat Report on the OECD/ICN Survey on International Enforcement Co-operation, 2013, S. 119 ff., abrufbar unter: http://www.oecd.org/competition/InternEnforcementCooperation2013.pdf (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2016).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

Schließlich rücken die Staaten trotz bilateraler Abkommen nicht von der unilateralen Rechtsanwendung ab. Anfangs wurde versucht dieses Problem durch sog. comity-Klauseln zu lösen, aber diese spiel(t)en indes nur eine begrenzte Rolle, wenn es darum geht, Jurisdiktionskonflikte und erhöhte Transaktionskosten für Unternehmen bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen zu lösen.196 Denn sobald Konflikte entstehen, versucht jeder einzelne Staat seine eigenen nationalen Interessen durchzusetzen, sodass den comity-Erwägungen letztlich ein rein symbolischer Charakter zugemessen wird.197 Letztlich kooperieren Behörden in einem bestimmten Fall nur zum beiderseitigen Vorteil.198 Im Ergebnis folgt daraus, dass bilaterale Abkommen nicht primär die Lösung von Jurisdiktionskonflikten bzw. die Minimierung der anfallenden Kosten bezwecken.199 Kapitel 3

Internationale Koordinierungsbestrebungen Sowohl die OECD und die UNCTAD als auch die WTO haben sich bereits früh mit dem Thema der Verflechtung zwischen Handels- und Wettbewerbspolitik beschäftigt. Im Rahmen der OECD arbeiten die Industrieländer im Bereich der Wettbewerbspolitik eng zusammen. Dies belegen auch die zahlreichen OECDEmpfehlungen.200 Dagegen wird das besondere Interesse der Entwicklungsländer, vor allem das Recht auf Entwicklung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung, in den Arbeiten der UNCTAD berücksichtigt. Bekannt geworden ist vor allem der Set of Multilaterally Agreed Equitable Principles and Rules Having Adverse Effects on International Trade von 1980201. Wenn die Schaffung eines internationalen Kar-

196 ICPAC, Final Report 2000, S. 238. So auch: Valentine, Geo. Mason L. Rev. 6 (1997 – 1998), 525 (530). 197 So auch Fox, wenn sie schreibt: „,Comity‘ sounds good and does little work.“ Fox, Antitrust Without Borders: From Roots to Codes to Networks, in: Guzman (Hrsg.), Cooperation, Comity and Competition Policy, S. 265 (269); Stevens, Syracuse J. Int’l L. & Com. 29 (2001 – 2002), 263 (284). 198 Galloway, The Competition Law Review 5 (2009), 179 (188). 199 Fiebig, Colum. J. Eur. L. 5 (1998 – 1999), 79 (95); Ezrachi, Merger control and crossborder transactions: a pragmatic view on cooperation, convergence and what is in between, in: Marsden (Hrsg.), Handbook of Research in Trans-Atlantic Antitrust, S. 622 (633); Holloway, Denv. J. Int’l L. & Pol’y 34 (2006), 353 (370); Bär-Bouyssière, Wege zu einer einheitlichen Fusionskontrolle (?), in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung. S. 97 (102); Ezrachi, Geo. Wash. Int’l L. Rev. 36 (2004) 433 (436 f.). 200 Siehe die Empfehlungen der OECD für die Wettbewerbspolitik: http://www.oecd.org/ competition/recommendations.htm (zuletzt aufgerufen am 04. 03. 2015). 201 UNCTAD, The United Nations Set of Principles and Rules on Competition. The Set of Multilaterally Agreed Equitable Principles and Rules for the Control of Restrictive Business

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tellrechts erörtert wird, darf die WTO nicht vergessen werden, denn bereits in den 1990ern wurde diskutiert, ob die WTO als Handelsorganisation nicht das passende Forum für ein internationales Kartellrechtsabkommen sei. Weitere multilaterale Anstrengungen, jedoch rechtlich unverbindlich, gehen größtenteils von der OECD und dem ICN aus. Letzteres ist ein Verbund von Wettbewerbsbehörden, welches sowohl Leitfäden als auch beispielhafte Verfahrenshinweise zu bestimmten Themen erarbeitet. Die Arbeiten der OECD und des ICN sollen insbesondere näher beleuchtet werden, weil diese in erster Linie auf keine Harmonisierung des materiellen Rechts gerichtet sind, sondern vielmehr das Ziel haben, eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Wettbewerbsbehörden und eine Konvergenz der einzelnen Wettbewerbsordnungen mittels soft law- Instrumenten zu erreichen. Im Folgenden sollen die einzelnen multilateralen Kooperationen kurz dargestellt werden, um dann anschließend in Teil 3 die Frage zu beantworten, ob es eines Weltfusionskontrollrechts bedarf und wie dieses konkret auszusehen hat.

A. Harmonisierungsvorschläge Viele verlangen aufgrund der Globalisierung der Märkte zugleich eine Globalisierung der Wettbewerbspolitik. Die Harmonisierungsvorschläge reichen von der nie in Kraft getretenen Havanna Charta bis hin zum Vorschlag der Münchener Gruppe eines Draft International Antitrust Code (DIAC), wonach Wettbewerbsvorschriften in die WTO eingebunden werden sollten. I. Havanna Charta Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte die Wirtschaft durch drei große Institutionen verwaltet werden: die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Internationale Handelsorganisation. Letztere sollte durch die Havanna Charta202, die eine internationale Wirtschaftsordnung vorsah, erschaffen werden. Diese sah in ihrem Kapitel V kartellrechtliche Normen vor. Allerdings hatten diese Normen eher die Förderung der Globalisierung und nicht die Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen, die aus der Globalisierung folgen, zum Ziel.203 Da unter anderem der US-Kongress die Havanna Charta nicht ratifizierte, trat sie nie in Kraft.

Practices, Genf 2000, TD/RBP/Conf/10/Rev. 2, abrufbar unter: http://unctad.org/en/docs/tdrbp conf10r2.en.pdf (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016). 202 Der Text der Havanna-Charta ist abrufbar unter: https://www.wto.org/english/docs_e/le gal_e/havana_e.pdf (zuletzt aufgerufen am 04. 02. 2016). 203 Drexl, Gestaltungsansätze zu einer internationalen Wettbewerbspolitik, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 41 (43 f.).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

II. WTO Da die zentralen Aufgaben der WTO die Überwachung der Handelspolitik ihrer Mitglieder als auch der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen sowie die weitere Ausgestaltung der Welthandelsordnung und der Schlichtung von Handelsstreitigkeiten sind204, liegt es nicht fern, die gegen staatliche Beschränkungen des internationalen Handels gerichteten Regeln auch auf private Wettbewerbsbeschränkungen zu erstrecken. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im Ministerrat der WTO wurde die Frage diskutiert, ob ergänzende Wettbewerbsregelungen in das WTO-Recht mitaufgenommen werden sollen.205 Diese Diskussion soll im Folgenden in ihren Grundzügen wiedergegeben werden. 1. Wettbewerbsregulierende Bestimmungen in GATT206, GATS207 und TRIPS208 Im WTO-Recht finden sich verstreut wettbewerbsregulierende Bestimmungen wie z. B. Art. XVII GATT (Aufsichtspflicht für staatliche Handelsunternehmen), Art. VIII GATS (Aufsichtspflicht für Monopolunternehmen), Art. IX GATS, Art. IX Abs. 2 GATS (Konsultationspflicht in allen übrigen Fällen von wettbewerbswidrigen Praktiken durch Dienstleistungserbringer ohne Monopolstellung), Art. 8 Abs. 2 TRIPS (das Ergreifen von bestimmten Maßnahmen, um die miss204 Näheres über die WTO: Siehe: Narlikar/Daunton/Stern (Hrsg.), The Oxford Handbook of World Trade Organization. 205 Repräsentativ aus der Literatur mit Vorschlägen für ein GATT/WTO-Kartellrechtsabkommen sind: Fikentscher/Heinemann, Der „Draft International Antitrust Code“ – Initiative für ein Weltkartellrecht im Rahmen des GATT, in: Fikentscher/Immenga (Hrsg.), Draft International Antitrust Code, S. 19 ff.; Fikentscher/Drexl, Der Draft International Antitrust Code – Zur institutionellen Struktur eines künftigen Weltkartellrechts, in: Fikentscher/Immenga (Hrsg.), Draft International Antitrust Code, S. 35 ff.; Drexl, Perspektiven eines Weltkartellrechts; Fox, Pac. Rim L. & Pol’y J. 4 (1995), 1 (29 ff.); Scherer, Competition Policies for an Integrated World Economy, S. 92 ff.; Basedow, Weltkartellrecht; Fikentscher, Antitrust, Market Conceptualization and the World Trade Organisation – The Convention Approach, in: Zäch (Hrsg.), Towards WTO Competition Rules, S. 73 ff.; Drexl, Trade-Related Restraints of Competition: The Competition Policy Approach, in: Zäch (Hrsg.), Towards WTO Competition Rules, S. 225 ff.; Fox, Am. J. Int’l L. 91 (1997), 1 (19 ff.); Wins, Eine internationale Wettbewerbsordnung als Ergänzung zum GATT, S. 137 ff.; Kennedy, Competition Law and the World Trade Organization, Rn. 5.01 ff.; Meikeljohn, World Economy 22 (1999), 1233 (1237 ff.); Klodt, The World Economy 24 (2001), 877 (886); Fox, Va. J. Int’l L. 43 (2002 – 2003), 911 (926 ff.); Drexl, Do We Need „Courage“ for International Antitrust Law?, in: Drexl. (Hrsg.), The Future of Transnational Antitrust, S. 311 ff.; Drexl, ZWeR 2004, 191 (217 ff. und. S. 234 ff.); Drexl, World Competition 27 (2004), 419 (444 ff.); Taylor, International Competition Law, passim; Peck, San Diego L. Rev. 35 (1998), 1163 (1207 ff.). 206 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994, ABl. 1994 L 336/11. 207 Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, ABl. 1994, L 336/191. 208 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. 1994 L 336/214.

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bräuchliche Verwendung von Eigentumsschutzrechten zu verhindern) und Art. 40 TRIPS (Kontrolle wettbewerbswidriger Praktiken in vertraglichen Lizenzen). Es gilt nicht auf diese en detail einzugehen. Jedoch kann zusammengefasst werden, dass diese Vorschriften allgemein die Förderung des Wettbewerbs, ein Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen, Aufsichts-, Konsultations- und Kooperationspflichten bei bestimmten wettbewerbswidrigen Fällen und bei einer bestimmten Unternehmenspraxis den Erlass von handelspolitischen Gegenmaßnahmen vorsehen.209 In Bezug auf Art. 8 TRIPS ist zudem kritisch anzumerken, dass man sich nur auf den Monopolmissbrauch und andere Verhaltensweisen, die den Wettbewerb behindern können, geeinigt hat, ohne zu nennen, welche diese und wie sie zu behandeln sind. Zusammenfassend handelt es sich jedoch bei diesen Regelungen zum Schutz des Wettbewerbs lediglich um „embryonale und unvollständige Regelung[en] wettbewerbsrechtlicher Fragen“210. 2. WTO-Arbeitsgruppe über das Zusammenwirken von Handelsund Wettbewerbspolitik Angestoßen durch die EG211, untersuchte eine Expertengruppe den Zusammenhang zwischen Handel und Wettbewerb und schlug auf der Ministerkonferenz in Singapur 1996 den Erlass eines plurilateralen Abkommens über Wettbewerb und Handel vor. Daraufhin wurde die WTO-Arbeitsgruppe über das Zusammenwirken von Handel und Wettbewerb mit dem Auftrag gegründet, die Beziehung zwischen Handel und Wettbewerb zu analysieren.212 Diesen Vorschlag der EU kritisierten die USA als zu ehrgeizig und sie befürchteten durch ein solches Abkommen das Un209 Näheres hierzu, siehe: Pitschas, in: Prieß/Berrisch, WTO-Handbuch; B.II. Rn. 145 ff.; Stoll/Raible, in: Prieß/Berrisch, WTO-Handbuch; B.III. Rn. 119; Kennedy, Competition Law and the World Trade Organisation, Rn. 3.010 ff. und 3.042 ff.; Baetge, Globalisierung des Wettbewerbsrechts, S. 195 ff. 210 Basedow, Weltkartellrecht, S. 45. 211 Report of the Group of Experts on Competition Policy in the New Trade Order: Stregthening International Cooperation and Rules, COM(95) 359 final. Siehe ferner zu der Initiative von Sir Leon Brittan und Karel van Miert: Communication from the Commission to the Counsil, Towards an International Framework for Competition Rules, COM(96) 284 final. 212 WTO, Doha Ministerial Declaration of 13 December 1996, WT/MIN(96)/DEC, para 20; abrufbar unter: https://www.wto.org/english/thewto_e/minist_e/min96_e/wtodec_e.htm (zuletzt aufgerufen am 16. 08. 2016): „20. Having regard to the existing WTO provisions on matters related to investment and competition policy and the built-in agenda in these areas, including under the TRIMs Agreement, and on the understanding that the work undertaken shall not prejudge whether negotiations will be initiated in the future, we also agree to: establish a working group to examine the relationship between trade and investment; and establish a working group to study issues raised by Members relating to the interaction between trade and competition policy, including anti-competitive practices, in order to identify any areas that may merit further consideration in the WTO framework. (…)“. *

*

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terlaufen der bereits bestehenden Wettbewerbsnomen.213 Außerdem kamen noch die Interessensgegensätze zwischen den USA und der EU im Landwirtschaftssektor und die ablehnende Haltung der Entwicklungsländer in Bezug auf eine Erweiterung der Aufgaben der WTO hinzu, sodass die Ministerkonferenz in Seattle 1999 scheiterte. Dennoch wurde 2001 auf der Ministerkonferenz in Doha vereinbart, ein multilaterales Abkommen zu Handel und Wettbewerb auszuhandeln.214 Hierbei sollten Kernprinzipien für das Kartellrecht entwickelt werden. Im Schwerpunkt ging es um die Bekämpfung von sog. Hardcore-Kartellen; die Fusionskontrolle dagegen wurde außen vorgelassen.215 Der fehlende Konsens in vielen Bereichen ließ auch die Ministerkonferenz von Cancún 2003 scheitern, sodass mit diesem Fehlschlag das Todesurteil für die Schaffung von internationalen Wettbewerbsnormen unter dem Dach der WTO gesprochen wurde. Dies wurde in der Juli-Entscheidung aus dem Jahr 2004 erneut bestätigt.216 Weitere Initiativen zur Schaffung internationaler Wettbewerbsnormen im Rahmen der WTO blieben seither aus. Die ablehnende Haltung der USAwurde im Bericht des International Competition Policy Advisory Committee ausführlich begründet. Die Kurzfassung lautet: Zum einen wurde die WTO als ungeeignetes Forum angesehen und zum anderen wurden rechtsverbindliche Regelungen abgelehnt.217 Hingegen waren die Entwicklungsländer gegen Wettbewerbsverhandlungen in der WTO, weil ihnen einerseits die Kapazitäten fehlten und andererseits befürchteten sie, dass die Industriestaaten diese

213

Klein, A Note of Caution With Respect to a WTO Agenda on Competition Policy, presented at The Royal Institute of International Affairs, London, 18. 11. 1996; abrufbar unter: https://www.justice.gov/atr/speech/note-caution-respect-wto-agenda-competition-policy (zuletzt aufgerufen am 16. 08. 2016). 214 WTO, Doha Ministerial Declaration of 14 November 2001, WT/MIN(01)DEC/1, para 23 – 25; abrufbar unter: https://www.wto.org/english/thewto_e/minist_e/min01_e/min decl_e.htm (zuletzt aufgerufen am 04. 03. 2015): „23. Recognizing the case for a multilateral framework to enhance the contribution of competition policy to international trade and development, and the need for enhanced technical assistance and capacity-building in this area (…), we agree that negotiations will take place after the Fifth Session of the Ministerial Conference on the basis of a decision to be taken, by explicit consensus, at that session on modalities of negotiations.“ 215 WTO, Doha Ministerial Declaration of 14 November 2001, WT/MIN(01)DEC/1, para 25: „[F]urther work in the Working Group on the Interaction between Trade and Competition Policy will focus on the clarification of: core principles, including transparency, nondiscrimination and procedural fairness, and provisions on hardcore cartels; modalities for voluntary cooperation; and support for progressive reinforcement of competition institutions in developing countries through capacity building. (…)“ 216 WTO, Decision Adopted by the General Council on 1 August 2004 (July Package), WT/ L/579, para 1(g); abrufbar unter: https://www.wto.org/english/tratop_e/dda_e/draft_text_gc_ dg_31july04_e.htm (zuletzt aufgerufen am 16. 08. 2016): „[T]he Council agrees that these issues, mentioned in the Doha Ministerial Declaration in paragraphs (…) 23 – 25 (…), will not form part of the Work Programme set out in that Declaration and therefore no work towards negotiations on any of these issues will take place within the WTO during the Doha Round.“ 217 ICPAC, Final Report 2000, S. 264.

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Regeln als Instrument der Marktöffnung und des Abbaus von Monopolen benutzen würden.218

B. Politikkoordination Von der Havanna Charta bis zur Initiative der Münchener Gruppe und den Bemühungen in der WTO ist es der internationalen Gemeinschaft bisher nicht gelungen, ein verbindliches Weltkartellrecht zu schaffen. Dies rückte andere Maßnahmen in den Vordergrund. So haben neuerdings die Initiativen der OECD und des ICN dazu beigetragen, dass sich viele Staaten zusammentun, um (wenn auch freiwillige) Vereinbarungen hinsichtlich des internationalen Wettbewerbsrechts zu erarbeiten. Diese soft law-Instrumente sind zwar rechtlich nicht verbindlich und auch als solche nicht durchsetzbar, haben aber gewisse rechtliche und praktische Effekte. Thürer beschreibt soft law als „norms in the twilight between law and politics“219. Sie beschreiben nicht lediglich Umstände oder halten einen Status quo fest, sondern formulieren vielmehr Verhaltensregeln, ggf. Verhaltenspflichten oder Orientierungspunkte.220 Hinzu kommt, dass Verhandlungen über soft law anders geführt werden, mit der Folge, dass sie einfacher und schneller ausgehandelt werden können als rechtsverbindliche Regeln.221 Im Folgenden sollen die soft law-Instrumente der Arbeiten der OECD, der UNCTAD und des ICN für den Bereich der internationalen Fusionskontrolle vorgestellt werden. I. OECD Die OECD ist die erste internationale Organisation, die einen Wettbewerbsausschuss errichtet hat. Dieser hat bereits 1967 seine erste Empfehlung über die Kooperation im Wettbewerbsrecht veröffentlicht. Laut ihrer Konvention sind die Ziele der OECD, zu einer optimalen Wirtschaftsentwicklung, hoher Beschäftigung und einem steigenden Lebensstandard in den Mitgliedstaaten, zu einem wirtschaftlichen Wachstum und einer Ausweitung des 218

Näheres hierzu: Drexl, ZWeR 2004, 191 (196); Drexl, World Competition 27 (2004), 419 (419 f. und 435 ff.); Budzinski, Die Evolution des internationalen Systems der Wettbewerbspolitiken, in: FS Müller, S. 81 (88). 219 Thürer, Soft Law, in: Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Stand: März 2009. 220 Schwarze, EuR 2011, 3 (5). 221 So etwa Wood in Bezug auf den RBP-Kodex: „[The RBP Code] is nonbinding, and was understood throughout the negotiating process as a nonbinding document. It would therefore be a serious mistake to think that it represents the kind of language to which the United Staes would be willing to adhere if, at the stroke of a pen, it were to be made binding.“ Wood, DePaul L. Rev. 44 (1994 – 1995), 1289 (1297).

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Welthandels auf multilateraler Basis beizutragen, vgl. Art. 1.222 Der Rat ist das oberste Entscheidungsorgan der OECD; ihm kommen die strategische Führung und Aufsicht der Entscheidungen zu. Die Erarbeitung von Konzepten und Berichten werden von verschiedenen Ausschüssen, Arbeits- und Expertengruppen der OECD vorgenommen. Diese Arbeit wird vom Sekretariat unterstützt, welches auch die vom Rat beschlossenen Entscheidungen umsetzt. Hierbei analysiert zunächst das Sekretariat die von ihm gesammelten Daten und Informationen aus den verschiedenen Themenbereichen. Anhand dieser Informationen diskutieren dann die verschiedenen Ausschüsse über mögliche Maßnahmen. Letzlich trifft der Rat die Entscheidungen und die Regierungen der Mitglieder setzen die Empfehlungen in ihr nationales Recht um. Die von den Mitgliedern umgesetzten Empfehlungen werden im Rahmen eines freiwilligen Prüfungsprozesses inkl. Staatenanalyse gegenseitig überwacht und analysiert, sog. peer reviews. Sowohl die Beschlüsse als auch Empfehlungen der OECD werden im Konsens beschlossen, vgl. Art. 5 und 6 Abs. 1 des OECD-Übereinkommens. Während Beschlüsse rechtlich bindend sind, sind Empfehlungen dagegen rechtlich unverbindlich, da sie sich nur an die Mitglieder „richten“, vgl. Art. 5 lit. a und b des OECD-Übereinkommens. Zusätzlich verfasst die OECD auch Leitlinien, an denen sich ihre Mitglieder unverbindlich orientieren können. Die Arbeit des Wettbewerbsausschusses ist umfassend und sieht zahlreiche rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen und best practices vor.223 Dieser Ausschuss hat zwei Arbeitsgruppen: 1. Wettbewerb und Regulierung und 2. Kooperation und Durchsetzung. Darüber hinaus dient das globale Wettbewerbsforum der OECD als Dialog zwischen den OECD-Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern. Im Folgenden sollen die Arbeiten der OECD in Bezug auf die Problematik der multijurisdiktionellen Zusammenschlussfälle besprochen und anschließend bewertet werden.

222 OECD, Convention on the Organisation for Economic Co-operation and Development, 14. 12. 1960; abrufbar unter: http://www.oecd.org/general/conventionontheorganisationfor economicco-operationanddevelopment.htm (zuletzt aufgerufen am 12. 02. 2016). 223 So sind beispielhaft zu nennen: Recommendation of the Council concerning Action against Restrictive Business Practices Affecting International Trade Including those Involving Multinational Enterprises, C(78)133/Final; Recommendation of the Council on Competition Policy and Exempted or Regulated Sectors, C(79)155/Final; Recommendation of the Council for Co-operation between Member Countries in Areas of Potential Conflict between Competition and Trade Policies, C(86)65/Final; Recommendation of the Council concerning Effective Action against Hard Core Cartels, C(98)35/Final; Recommendation of the Council on Merger Review, C(2005)34; OECD, Best Practices for the Formal Exchange of Information between Competition Authorities in Hard Core Cartel Investigations, Oktober 2005; OECD, Guiding Principles for Regulatory Quality and Performance; Recommendation of the Council on Competition Assessment, C(2009)130; Recommendation of the Council Concerning International Co-operation on Competition Investigations and Proceedings, C(2014)108.

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1. Empfehlungen zur internationalen Zusammenarbeit Mit der an die Wettbewerbsbehörden gerichteten Empfehlung zur Zusammenarbeit aus dem Jahr 1967224, die über die Jahre immer wieder ergänzt und überarbeitet wurde, hat die OECD zur verstärkten Zusammenarbeit der Behörden vor allem hinsichtlich der Durchsetzung von Wettbewerbsvorschriften aufgerufen. Diese Empfehlung ermunterte die Mitgliedstaaten a) zur Mitteilung anderer Staaten über Verfahren, die die Interessen der anderen Partei berühren könnten, b) zur Koordinierung von Ermittlungen bzw. Verfahren bei ein und demselben Verfahren und c) zum gegenseitigen Informationsaustausch. Betont wurde, dass die Behörden innerhalb ihrer Rechtsordnungen handeln sollen und diese Empfehlung nicht dahingehend auszulegen sei, dass die nationale Souveränität und extraterritoriale Rechtsanwendung beeinträchtigt werde. 1973 wurde eine weitere Empfehlung verabschiedet, die im Einklang mit der früheren Empfehlung die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit betonte.225 Neu vorgeschlagen wurde ein Konsultations- und Streitbeilegungsverfahren für grenzüberschreitende Verfahren, die die Interessen mehrerer Parteien berühren. Die Empfehlung aus dem Jahr 1979226, welche die Empfehlungen aus den Jahren 1967 und 1973 ersetzte und zugleich zusammenfasste, ist in zwei Teile unterteilt: Der erste Teil befasst sich mit der Mitteilung, dem Informationsaustausch und der Koordinierung der Verfahren, sofern eine Partei Durchsetzungsmaßnahmen vornehmen möchte, die die Interessen der anderen Partei berühren könnte. Der zweite Teil sieht für diesen Fall die Einführung eines Konsultations- und Streitbeilegungsverfahrens vor. Diese Empfehlung wurde 1986227 überarbeitet und sah zusätzlich zu den bereits vorgenannten Empfehlungen in ihrem Annex eine Reihe von Leitprinzipien vor, die die einzelnen Verfahren inhaltlich in Bezug auf gegenseitige Benachrichtigung, Informationsaustausch und der Festlegung von Konsultations- und Koordinierungsmethoden klarstellten.

224 OECD, Recommendation of the Council Concerning Co-operation between Member Countries on Restrictive Business Practices Affecting International Trade, 1967, C(67)53(Final). 225 OECD, Recommendation of the Council Concerning a Consultation and Conciliation Procedure on Restrictive Business Practices Affecting International Trade, 1973, C(73)99(Final). 226 OECD, Recommendation of the Council Concerning Co-operation between Member Countires on Restrictive Business Practices Affecting International Trade, 1979, C(79)154(Final). 227 OECD, Recommendation of the Council Concerning Co-operation between Member Countries on Restrictive Business Practices Affecting International Trade, 1986, C(86)44(Final).

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1995 wurden die im Anhang genannten Leitprinzipien verfeinert, ohne eine wesentliche Änderung der Empfehlungen vorzunehmen; lediglich der Begriff „restrictive business practices“ wurde mit „anti competitive practices“ ersetzt.228 Zuletzt wurde diese 2014 überarbeitet229, wonach der OECD-Rat seine Mitglieder dazu aufrief, nationale Vorschriften zu erlassen, in denen es a) Wettbewerbsbehörden ermöglicht werden soll, vertrauliche Informationen untereinander austauschen zu können und b) Ermittlungs- und Durchsuchungsmaßnahmen im Auftrag von anderen Wettbewerbsbehörden durchführen zu können. All diese Initiativen zeigen, dass sich die OECD bereits früh für die gegenseitige Benachrichtigung und Absprachen in Bezug auf grenzüberschreitende Wettbewerbsverfahren der OECD-Mitgliedstaaten aussprach, um Jurisdiktionskonflikte im Bereich des internationalen Wettbewerbsrechts zu vermeiden. Im Mittelpunkt dieser Empfehlungen standen Mitteilungen, Konsultationen und der Meinungsaustausch zwischen den Behörden der OECD-Mitglieder, die jedoch relativ allgemein gehalten und unverbindlich sind. Zudem befassen sie sich nicht mit den speziellen Problematiken der Fusionskontrolle. Deshalb wird nun vorliegend nur auf die OECDArbeit im Rahmen der Fusionskontrolle eingegangen. Nichtsdestotrotz kann gesagt werden, dass diese Empfehlungen später als Grundlage für die bilateralen Abkommen dienten, wie beispielsweise für die Abkommen zwischen den USA und der EG. 2. Bericht über Zusammenschlüsse und Wettbewerbspolitik Der 1974 erschienene Bericht über Zusammenschlüsse und Wettbewerbspolitik230 legte den OECD-Mitgliedstaaten nahe, eine Fusionskontrolle einzuführen und nannte Kriterien, die bei der Einführung einer Fusionskontrolle zu beachten sind, wie z. B. einem Verfahren zur Anmeldung von Zusammenschlüssen, quantitative Kriterien, die die Anmeldepflicht festlegen, objektive Kriterien, die für die materiellrechtliche Prüfung herangezogen werden und angemessene zeitliche Prüfungsverfahren und auch Fristen, um ggf. gegen die Behördenentscheidung vorzugehen.231

228 OECD, Revised recommendation of the Council Concerning Co-operation between Member countries on Anticompetitive Practices affecting International Trade, 1995, C(95)130(Final). 229 OECD, Recommendation of the OECD Council concerning International Co-operation on Competition Investigations and Proceedings, 2014, C(2014)108; abrufbar unter: http://www. oecd.org/daf/competition/2014-rec-internat-coop-competition.pdf (zuletzt aufgerufen am 16. 10. 2016). 230 OECD, Mergers and Competition Policy. Report of the Committee of Experts on Restrictive Business Practices, Paris 1974. 231 OECD, Mergers and Competition Policy, Rn. 185 f.

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Ergänzt wurde dieser Bericht durch den Bericht über wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken von multinationalen Unternehmen aus dem Jahr 1977232, wonach der Wettbewerbsausschuss einräumte, dass die Beurteilung der Unternehmenskonzentration durch multinationale Unternehmen aufgrund der mangelnden Datenerhebung zwar schwierig sei, aber anhand der bereits vorhandenen Daten und Gesetzgebungen einzelner Staaten dennoch die Auswirkungen der multinationalen Unternehmen auf den Wettbewerb analysiert und beurteilt werden können. Daraufhin empfahl der Ausschuss ausdrücklich die Einführung einer Fusionskontrolle, die unterschiedslos auf multinationale und nationale Unternehmen anzuwenden sei.233 3. Whish/Wood-Bericht Da Anfang der 1990er viele Staaten Fusionskontrollregime einführten und die Anzahl der grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse weltweit zunahm, stellte sich die Frage nach der Vermeidung der Kosten und einer möglichen verfahrensrechtlichen Lösung der Probleme, die sich im Zusammenhang von multijurisdiktionellen Zusammenschlussfällen stellen. Aus diesem Grund wurde im Auftrag der OECD eine Studie über grenzüberschreitende Zusammenschlüsse und die verschiedenen Fusionskontrollverfahren durchgeführt, mit dem Ziel, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Regime zu identifizieren und zu klären, welche Erfahrungen und Probleme die Unternehmen bei der Anmeldung von multijurisdiktionellen Zusammenschlussfällen erlebten. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Whish/ Wood-Bericht veröffentlicht.234 Im Rahmen dieser Studie wurden neun grenzüberschreitende Zusammenschlussfälle als Illustration der Probleme der multijurisdiktionellen Zusammenschlussfälle analysiert, um a) die Fusionskontrollverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten zu überprüfen, b) Bereiche, in denen es verfahrensrechtliche Unterschiede gibt, die wiederum eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden erschweren oder die Transaktionskosten der Unternehmen dadurch erhöhen, zu ermitteln und c) mögliche Bereiche, in denen eine verfahrensrechtliche Konvergenz und vertiefte Kooperation möglich ist, zu identifizieren.235 Als Abschluss wurden sieben Empfehlungen ausgesprochen, welche sich im Wesentlichen auf eine Intensivierung der Kooperation im Bereich der Fusionskontrolle konzentrierten und eine Harmonierung der verfahrensrechtlichen Aspekte der Fusionskontrolle anstrebten. Die sieben Empfehlungen lauten:

232 OECD, Restrictive Business Practices of Multinational Enterprises. Report of the Committee of Experts on Restrictive Business Practices, Paris 1977. 233 OECD, Restrictive Business Practices of Multinational Enterprises, Rn. 198 und 210. 234 Whish/Wood, Merger Cases in the Real World. A Study of Merger Control Procedures, 1994 (Whish/Wood Report); abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/mergers/31 587583.pdf (zuletzt aufgerufen am 07. 02. 2016). 235 Whish/Wood Report, S. 9 u. 12 ff.

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle „1. Increased general co-operation plus a protocol specifying the permissible types of cooperation for particular cases, which would indicate in more detail how the 1986 OECD Recommendation should be implemented. 2.

Establishment of a waiver system.

3.

A commitment on the part of each Member country to draw up confidentiality guidelines under its own law, both for the use of internal agency staff and for dissemination to the public.

4.

Require the parties to notify the fact of notifications to other agencies.

5.

More efficient dissemination of information in the public domain.

6.

Create one or two model filing forms, which request common information in a single format, and which use different country annexes as appropriate.

7.

Harmonize the time periods within which decisions must be made, thus permitting greater harmonization of the filing forms themselves.“236

4. Bericht über die Anmeldung von transnationalen Zusammenschlüssen In Anlehnung an die Empfehlung Nr. 6 des Whish/Wood Berichts erarbeitete der Wettbewerbsausschuss ein gemeinsames Anmeldeformular als Mustervorlage für die Anmeldung von multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhaben.237 Mit dieser Mustervorlage sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei einem multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhaben, das in mehreren Staaten angemeldet werden muss, die Anmeldeformulare aber hinsichtlich ihres Auskunftsumfangs unterschiedlich ausfallen und somit einzeln ausgefüllt werden müssen. Dadurch entstehen den Parteien hohe Transaktionskosten und erschweren zugleich eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Deshalb soll die Nutzung eines einheitlichen Anmeldeformulars diese Nachteile beseitigen und eine Konvergenz in den verfahrensrechtlichen Bereichen der Fusionskontrolle fördern. Gleichwohl wurde eingeräumt, dass die unterschiedlichen Anmeldeformulare unterschiedliche Wettbewerbsauffassungen wiederspiegeln und eine solche Vorlage die bereits existierenden Anmeldeformulare nicht verdrängen werde. Andererseits könnte die Nutzung dieser Vorlage eine Vorbildfunktion einnehmen, sodass mit der Zeit die nationalen Wettbewerbsbehörden die Verwendung eines solchen Formulars oder Teile davon freiwillig zulassen. Letztlich wird gehofft, dass diese Standardisierung der Anmeldeformulare zur Konvergenz im verfahrensrechtlichen Bereich der Fusionskontrollverfahren führe. Mangels der Zustimmung des OECD-Rates führte die Arbeit des Ausschusses indes nicht in eine Mustervorlage, sondern in einen vereinbarten Rahmen für die Anmeldung von Zusammenschlussfällen, der die Arten von Infor236

Ebd., Report, S. 102 ff. OECD, Report on Notification of Transnational Mergers, Appendix „Framework for a Notification and Report Form for Concentrations“, 1999; DAFFE/CLP(99)2/FINAL, abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/mergers/2752153.pdf (zuletzt aufgerufen am 07. 02. 2016). 237

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mationen auflistet, die ein Anmeldeformular grundsätzlich enthalten sollte, inkl. Erläuterungen zu den einzelnen vorgeschlagenen Punkten. 5. Empfehlungen des BIAC/ICC Im Anschluss an die Arbeit eines Anmeldeformulars als Mustervorlage begann der Wettbewerbsausschuss über verschiedene verfahrensrechtliche Aspekte der Fusionskontrolle zu diskutieren. Hierzu stellte das Business and Industry Advisory Committee to the OECD (BIAC) auch zahlreiche Positionspapiere vor, die am Ende in Kooperation mit dem International Chamber Commerce (ICC) in den Erlass von best practices in Bezug auf internationale Zusammenschlussfälle endeten.238 Dieser kann in drei Teile unterteilt werden: 1. Regelungen zum verfahrensrechtlichen Bereich des Fusionskontrollverfahrens, 2. Verfahrensgarantien, wie die Beachtung des Nichtdiskriminierungsverbots, Transparenz und die Wahrung eines ordentlichen Verfahrens (vgl. Abschnitt 2.2), und 3. die Erleichterung der Zusammenarbeit im Rahmen von internationalen Zusammenschlüssen. Mithilfe der verfahrensrechtlichen Regelungen soll in erster Linie eine Beseitigung unnötiger Transaktionskosten für alle Parteien erreicht werden. So wird beispielsweise vorgeschlagen, dass die vorgesehenen Zuständigkeitsschwellen, auf klaren und objektiven Kriterien beruhend, de minimis-Schwellenwerte enthalten sollten, die die lokale Zuständigkeitsbegründung rechtfertigen, vgl. Abschnitt 2.1.2. Ferner werden als Anmeldeschwellen Umsätze und Vermögenswerte der Unternehmen, nicht aber Marktanteile empfohlen, vgl. Abschnitt 2.1.2.1. und 2.1.2.3. Das Auskunftsersuchen der Wettbewerbsbehörde sollte sich im Rahmen der Anmeldung auf die Informationen, die lediglich für die Beurteilung des Vorhabens erforderlich sind, beschränken; vor allem sollten keine extensiven Übersetzungen von begleitenden Dokumenten verlangt werden, vgl. Abschnitt 2.1.4. Das Verfahren soll entsprechend in zwei Phasen unterteilt werden: Phase I sollte innerhalb von 30 Tagen und Phase II innerhalb von vier Monaten abgeschlossen sein, vgl. Abschnitt 2.1.5.2. Um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei internationalen Zusammenschlussfällen zu vertiefen, ist es laut den best practices des BIAC/ICC sinnvoll, den Zeitpunkt der Prüfung zu koordinieren und Regelungen zum Informationsaustausch und zum Schutz von vertraulichen Informationen zu vereinbaren, vgl. Abschnitt 2.1.5.5 und 2.2.4. 6. Empfehlung über die Prüfung von Zusammenschlüssen Die Empfehlung über die Prüfung von Zusammenschlüssen aus dem Jahr 2005 sollte die bereits zahlreichen Arbeiten der OECD zur Fusionskontrolle würdigen und 238 Business and Industry Advisory Committee to the OECD (BIAC)/International Chamber of Commerce (ICC), Recommended Framework for Best Practices in International Merger Control Procedures, 2001; abrufbar unter: http://biac.org/wp-content/uploads/2014/05/BIACICCMergerPaper.pdf (zuletzt aufgerufen am 14. 02. 2016).

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auch die Arbeiten anderer Organisationen, insbesondere die des ICN, berücksichtigen.239 Das Ziel dieser Empfehlung war es, in einem einzigen Dokument die international anerkannten Empfehlungen für die Fusionskontrolle zu schaffen, damit die Zusammenarbeit der Behörden bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen effektiver und effizienter gestaltet wird. Die von der Empfehlung vorgeschlagenen best practices können in zwei Teile unterteilt werden: Teil A: Notifikations- und Prüfungsverfahren und Teil B: Koordination und Kooperation. Die Empfehlung sieht unter anderem vor: „Merger review should be effective, efficient, and timely.“240 Dafür sollen nur Zusammenschlüsse beurteilt werden, die einen ausreichenden Anknüpfungspunkt mit dem Rechtssystem vorweisen, in dessen Zuständigkeit die Prüfung des Zusammenschlusses erfolgt, vgl. Empfehlung A.1.2.1. Zudem werden die Staaten aufgefordert, klare und objektive Anmeldeschwellen für die Zuständigkeitsbegründung heranzuziehen, vgl. Empfehlung A.1.2.2. Schließlich soll die Entscheidung innerhalb eines vernünftigen und bestimmbaren Zeitrahmens erfolgen. Des Weiteren werden die Mitglieder aufgefordert, in transnationalen Zusammenschlussfällen, soweit es geht, gezielt zusammenzuarbeiten und ihre Aktivitäten aufeinander abzustimmen, vgl. Empfehlung B.1. Das Ziel hiervon ist es, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Nichtmitglieder werden eingeladen, die Empfehlungen ebenso umzusetzen, vgl. Abschnitt III. Im Jahre 2013 veröffentlichte die OECD einen Bericht über die Erfahrungen der Staaten, die die Empfehlung aus dem Jahr 2005 in ihrer Praxis berücksichtigten und umgesetzt haben.241 Der Erfahrungsbericht kam zum Ergebnis, dass die Empfehlung über die Prüfung von Zusammenschlüssen an Bedeutung nicht verloren hat und als Inspiration für andere Organisationen und Netzwerke dient. 7. Policy Roundtables Die Arbeiten der OECD im Bereich der Fusionskontrolle umfassen neben Empfehlungen, Berichten und best practices auch Ergebnisse der politischen Rundtischgespräche, die sich mit verschiedenen Aspekten der Zusammenschlüsse auseinandergesetzt haben. Besonders erwähnenswert sind: Cross-Border Merger Control242, Definition of Transaction for the Purpose of Merger Control Review243, 239 OECD, Recommendation of the Council on Merger Review, 2005, C(2005)34; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/mergers/40537528.pdf (zuletzt aufgerufen am 07. 02. 2016). 240 OECD, Recommendation of the Council on Merger Review, 2005, C(2005)34, I. A. 1. 241 OECD, Report on Country Experiences with the 2005 OECD Recommendation on Merger Review, 2013; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/ReportonExper ienceswithMergerReviewRecommendation.pdf (zuletzt aufgerufen am 07. 02. 2016). 242 OECD, Cross-Border Merger Control: Challenges for Developing and Emerging Economies, 2011, DAF/COMP/GF(2011)13; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competi tion/mergers/50114086.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016): „For an effective review of cross-border transactions, and to ensure consistent decisions, international co-operation between the competition authorities involved is essential. There are three main types of co-

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Impact Evaluation of Merger Decisions244, Enhanced Enforcement Cooperation245, Defining Geographic Markets across National Borders246, Jurisdictional Nexus in Merger Control Regimes247, Joint Ventures248, Managing Complex Mergers249, Market Definition250, Merger Remedies251, Private Remedies252, Remedies in Merger Cases253, Standard for Merger Review254 und Substantive Criteria Used for the

operation: multilateral, regional and bilateral. While all three are relevant to DEEs [Developing and Emerging Economies], bilateral contacts are a key element for effective review of crossborder mergers […]. Increased co-operation should be encouraged between competition authorities in the design of remedies in cross-border merger cases. Behavioural remedies should be considered as a viable option when remedies are required.“ 243 OECD, Definition of Transaction for the Purpose of Merger Control Review, 2013, DAF/COMP(2013)25; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/Merger-control-re view-2013.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016). 244 OECD, Impact of Evaluation of Merger Decisions, 2011, DAF/COMP(2011)24; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/Impactevaluationofmergerdecisions2011.pdf (zuletzt aufgerufen am 16. 09. 2017). 245 OECD, Summary of Discussion of the Hearing on Enhanced Enforcment Cooperation, 17 June 2014, DAF/COMP/WP3/M(2014)2/ANN2/FINAL; abrufbar unter: http://www.oecd. org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=DAF/COMP/WP3/M(2014)2/ANN2/ FINAL&doclanguage=en (zuletzt aufgerufen am 16. 09. 2017). 246 OECD, Summary of Discussions of the Roundtable on Geohraphic Market Definition across National Borders, 28 November 2016, DAF/COMP/WP3/M(2016)2/ANN2/FINAL; abrufbar unter: https://one.oecd.org/document/DAF/COMP/WP3/M(2016)2/ANN2/FINAL/en/ pdf (zuletzt aufgerufen am 16. 09. 2017). 247 OECD, Summary of Discussion of the Roundtable on Jurisdictional Nexus in Merger Control Regimes, 14 – 15 June 2016, DAF/COMP/WP3/M(2016)1/ANN2/FINAL; abrufbar unter: https://one.oecd.org/document/DAF/COMP/WP3/M(2016)1/ANN2/FINAL/en/pdf (zuletzt aufgerufen am 16. 09. 2017). 248 OECD, Competition Issues in Joint Ventures, 2000, DAFFE/CLP(2000)33; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/abuse/2379097.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016). 249 OECD, Managing Complex Mergers, 2007, DAF/COMP(2007)44; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/mergers/41651401.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016). 250 OECD, Market Definition, 2012, DAF/COMP(2012)19; abrufbar unter: http://www. oecd.org/daf/competition/Marketdefinition2012.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016). 251 OECD, Merger Remedies, 2003, DAF/COMP(2004)21; abrufbar unter: http://www. oecd.org/daf/competition/mergers/34305995.pdf (zuletzt aufgerufen am 07. 02. 2016): „Where several competition authorities consider remedies in the same transaction, co-ordination and cooperation among them is important to ensure consistency between remedial solutions. Despite differences in substantive test and procedures, such co-operation and co-ordination with respect to remedies has been successful in an increasing number of transnational mergers.“ 252 OECD, Private Remedies, 2007, DAF/COMP(2006)34; abrufbar unter: http://www. oecd.org/daf/competition/abuse/39892177.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016). 253 OECD, Remedies in Merger Cases, 2011, DAF/COMP(2011)13; abrufbar unter: http:// www.oecd.org/daf/competition/RemediesinMergerCases2011.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

Assessment of Mergers255. Auf alle einzugehen, würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Aus diesem Grund wird im Folgenden nur auf die Roundtables on Jurisdictional Nexus in Merger Control Regimes und Remedies in Merger Cases eingegangen, da diese sich mit der Thematik der Parallelverfahren in Bezug auf multijurisdiktionelle Zusammenschlüsse beschäftigen und damit für diese Arbeit von Interesse sind. Im Jahre 2016 wurde während des Rundtisches über Anknüpfungspunkte im Fusionskontrollverfahren erneut betont, dass Fusionskontrollsysteme nicht belastend für Unternehmen und Wettbewerbsbehörden sein dürfen. Die Anmeldung eines Zusammenschlusses soll sich demnach durch den Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörde wiederspiegeln. Des Weiteren wurde betont, dass vermehrt eine Einhaltung von OECD- und ICN-Empfehlungen zu beobeachten ist, aber dass es dennoch Staaten gibt, die Marktanteile und Auwirkungen auf den inländischen Markt als Anknüpfung heranziehen, was nicht im Einklang mit der internationalen Praxis steht. Letztere haben bestätigt, dass eine Kooperation in Bezug auf Abhilfemaßnahmen effizient sei, da die Unternehmen sog. waivers erteilen, damit die Behörden untereinander vertrauliche Informationen austauschen können. 8. Zwischenergebnis in Bezug auf die Arbeit der OECD Die OECD kann als „policy ,think tank‘“ verstanden werden, wobei Wettbewerbspolitik nur eines der vielen Themen ist, die auf ihrer Agenda stehen.256 Die OECD hat sich in ihren Arbeiten bisher nur auf die Förderung der vertieften Zusammenarbeit in ihren Mitgliedstaaten konzentriert. In diesem Zusammenhang wird der OECD oft vorgeworfen, ein „Club der reichen Staaten“257 zu sein, da ihre Mitglieder nur wohlhabende Staaten sind, die dieselben Wirtschaftssysteme und bereits erfahrene Wettbewerbsbehörden haben. Aber die OECD bemüht sich, in ihre Arbeiten auch Nichtmitglieder einzubinden, indem sie ihnen zum einen Beobachterstatus zuspricht und zum anderen zwei Wettbewerbsrechtsforen errichtet hat, die als Dialog zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern dienen: Global Forum on 254

OECD, Standard for Merger Review, 2009, DAF/COMP(2009)21; abrufbar unter: http:// www.oecd.org/daf/competition/mergers/45247537.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016): „Convergence on a common substantive test may benefit international co-operation, however diverging standards are generally not perceived as hampering international co-operation.“ 255 OECD, Substantive Criteria Used for Merger Assessment, 2002, DAFFE/COMP(2003) 5; abrufbar unter: http://www.oecd.org/daf/competition/mergers/2500227.pdf (zuletzt aufgerufen am 13. 02. 2016): „International co-operation among competition authorities, particularly as regards mergers affecting international markets, would be facilitated by the adoption of a common merger test.“ 256 Gerber, Global Competition, S. 112. 257 Jenny, The ICN and the OECD Competition Committee, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S. 93 (96 f.); Marsden, Acta Non Verba: Keep „Talking Shop“, Don’t Besome Another Talking Shop, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S, 135 (142); Gerber, Global Competition, S. 112.

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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Competition und Latin American Competition Forum.258 So gab es bereits 2001 eine Kooperation mit den Entwicklungsländern im Rahmen des OECD Global Competition Forum.259 Im Vordergrund steht hier, den Entwicklungsländern beim Aufbau von funktionierenden Wettbewerbsordnungen zu helfen. Zum Abschluss kann festgehalten werden, dass die unverbindlichen Empfehlungen der OECD im Wesentlichen die Kooperation zwischen den Staaten gefördert haben. Des Weiteren ging es dem Wettbewerbsausschuss der OECD primär um die Diskussion der Staatenberichte in Bezug auf ihre Wettbewerbspolitik und die anhand dieser Informationen anschließende Erarbeitung gemeinsamer Studien, mit der Absicht, Empfehlungen für diese Bereiche zu verabschieden.260 Die Empfehlungen dagegen sind sehr allgemein gehalten und bezwecken in erster Linie eine verfahrensrechtliche Harmonisierung. II. UNCTAD Die UNCTAD ist ein ständiger Ausschuss der Vereinten Nationen, dessen Hauptaufgabe darin besteht, den Entwicklungsländern bei der Formulierung und Durchsetzung ihrer Wirtschaftspolitik Hilfe zu leisten. Ihr Mandat konzentriert sich auf die besonderen Interessen und Anliegen der Entwicklungsländer, sodass auch ihre Agenda weitgehend durch diese angetrieben wird. Die UNCTAD wurde beauftragt einen Kodex zur Verhinderung internationaler Wettbewerbsbeschränkungen zu schaffen. Diesen hat die 35. Generalsversammlung der Vereinten Nationen auf ihrer fünften Sitzung am 4. Dezember 1980 als Kodex multilateral gebilligter, gerechter Grundsätze und Regeln zur Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Geschäftspraktiken (RBP-Kodex)261 verabschiedet, der jedoch nie ratifiziert wurde. Dieser Kodex stellt den ersten weltweiten Versuch zur Bekämpfung von Absprachen und Machtmissbräuchen im internationalen Wettbewerb dar. Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen freiwilligen, nicht rechtsverbindlichen Katalog, der vielmehr nur als Orientierungspunkt für nationale Gesetzgebungen dient. Er beinhaltet Verhaltensrichtlinien, die sehr allgemein gehalten sind. Teil D enthält unternehmensbezogene Vorschriften und sieht unter anderem ein 258 Jenny, The ICN and the OECD Competition Committee, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S. 93 (97 f.). 259 Idot, Restraints of Competition as an Issue of International Trade Law, in: Drexl (Hrsg.), The Future of Transnational Antitrust, S. 63 (74 f.); Winslow, Antitrust 16 (2001 – 2002), 38 (39); Drexl, ZWeR 2004, 191 (217). 260 Jenny, Antitrust Bull. 48 (2003), 973 (987). 261 UNCTAD, The United Nations Set of Principles and Rules on Competition. The Set of Multilaterally Agreed Equitable Principles and Rules for the Control of Restrictive Business Practices, Genf 2000, TD/RBP/Conf/10/Rev. 2, abrufbar unter: http://unctad.org/en/docs/tdrbp conf10r2.en.pdf (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016). Dieser wird meist kurz UN-Kodex gegen Wettbewerbsbeschränkungen im internationalen Handel genannt. Näheres hierzu: Benson, Am. U. L. Rev. 30 (1980 – 1981), S. 1031 ff.; Oesterle, Cornell Int’l L.J 14 (1981), S. 1 ff.

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen vor, sofern sie den internationalen Handel, insbesondere den Handel mit Entwicklungsländern, beeinträchtigen. In Bezug auf die Fusionskontrolle enthält der Katalog von Missbrauchstatbeständen auch das Verbot von Zusammenschlüssen, die tatsächlich zu einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung führen, vgl. Abschnitt D. Ziff. 4 Buchst. (c) des RBP-Kodex. Die Zusammenschlusskontrolle wird in diesem Kodex der Missbrauchsaufsicht zugeordnet und scheint daher keine zentrale wettbewerbspolitische Rolle zu spielen.262 Zuletzt wurde von der UNCTAD 2007 ein Kartellmodellgesetz, das speziell auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer zugeschnitten ist, vorgelegt.263 Auch in diesem wird die Zusammenschlusskontrolle der Missbrauchsaufsicht zugeordnet, vgl. Chapter IV des Model Law on Competition. Chapter VI dagegen sieht allgemeine verfahrens- und materiell-rechtliche Vorschriften für die Prüfung von Zusammenschlussvorhaben vor. Aber auch dieser sagt nichts über multijurisdiktionelle Zusammenschlussfälle und die Lösung von Jurisdiktionsproblemen in diesem Bereich aus. Im Jahr 2015 wurde ein Bericht über die internationale Kooperation in Zusammenschlussfällen als Instrument zur effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsrechts veröffentlicht.264 Er befasst sich sowohl mit den bereits bestehenden Kooperationsvereinbarungen und Kooperationsnetzwerken als auch deren Rolle für eine effektive Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und liefert am Ende einen Einblick in die zukünftige Entwicklung der bilateralen, regionalen und internationalen Kooperation. Die Arbeit der UNCTAD ähnelt in vieler Hinsicht der Arbeit der OECD: auch sie erlässt jährlich einen Bericht über die Kooperationsbemühungen im Bereich des Wettbewerbsrechts, führt peer reviews durch, veranstaltet jährliche Treffen, um bestimmte Themen zu diskutieren und bietet ihre technische Hilfe, für den Verwaltungsaufbau im Sinne von capacity building, an.265 Allerdings bezieht sich das Mandat der UNCTAD nur auf die Förderung der wirtschaftspolitischen Interessen der Entwicklungsländer. Dadurch, dass weder die USA noch die EU als die großen Mächte in der UNCTAD vertreten sind, bestimmt sie insofern nicht die Agenda des internationalen Kartellrechts. Dennoch ist es nach Auffassung von Lianos nicht ausgeschlossen, dass der RBP-Kodex als Inspiration zur Entstehung einer völker262

Beck, Die extraterritoriale Anwendung nationalen Wettbewerbsrechts unter besonderer Berücksichtigung länderübergreifender Fusionen, S. 92. 263 UNCTAD, Model Law on Competition, TD/RBP/CONF7/8, abrufbar unter: http://unc tad.org/en/Docs/tdrbpconf7d8_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016). 264 UNCTAD, International cooperation in merger cases as a tool for effective enforcement of competition law, abrufbar unter: http://unctad.org/meetings/en/SessionalDocuments/tdrbp conf8d4_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 09. 2017). 265 Näheres zur Rolle der UNCTAD bei der Förderung multilateraler Kooperation im Wettbewerbsrecht, s.: Brusick, World Competition 24 (2001), S. 23 ff.

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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gewohnheitsrechtlichen Verpflichtung zum Verbot wettbewerbsbeschränkender Geschäftspraktiken beitragen kann.266 III. International Competition Network Während sich die Entwicklung eines Weltkartellrechts im Rahmen der WTO langsam, aber sicher in Luft auflöste, kam das US International Competition Policy Advisory Committee (ICPAC), das von der US-Regierung eingesetzt wurde, um Vorschläge für das weitere Vorgehen im Bereich des internationalen Kartellrecht vorzulegen, in seinem abschließenden Bericht 2000267 zum Ergebnis, dass zwar ein internationales Kartellrechtsabkommen unrealistisch sei, aber der bisherige bilaterale Kooperationsansatz auch nicht mehr ausreiche. Deshalb wurde stattdessen ein „globales Wettbewerbsforum“, die sog. Global Competition Initiative, vorgeschlagen, was schließlich in die Gründung des International Competition Network (ICN) im Oktober 2001 mündete.268 „The ICN’s mission statement is to advocate the adoption of superior standards and procedures in competition policy around the world, formulate proposals for procedural and substantive convergence, and seek to facilitate effective international cooperation to the benefit of member agencies, consumers and economies worldwide.“269 Zum ersten Mal haben Wettbewerbsbehörden die Initiative ergriffen, um sich in einem spezialisierten, doch informellen Forum über internationale Wettbewerbsfragen auszutauschen und aus den Erfahrungen der anderen Behörden zu lernen. ICN Mitglieder Steering Group

Working Groups

Annual Conference

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 3: Die Struktur des ICN

266

Lianos, Tul. J. Int’l & Comp. L. 15 (2006 – 2007), 415 (429 ff. und 455 ff.). ICPAC, Final Report 2000; abrufbar unter: http://www.justice.gov/atr/final-report (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016). 268 ICPAC, Final Report 2000, S. 275, 281 ff., Zu diesem Ergebnis kamen bereits Whish/ Wood in ihrem Bericht 1994, s. Whish/Wood Report, S. 115. Zur Entstehung des ICPAC und der anschließenden Schaffung des ICN, s. Janow/Rill, The Origins of the ICN, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S. 21 ff.; Fox, International Lawyer 43 (2009), 151 (157 ff.). Die Gründungsmitglieder des ICN waren: Australien, BRD, die Union, Frankreich, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, Südafrika, das Vereinigte Königreich, die USA und Zambia. 269 http://www.internationalcompetitionnetwork.org/ (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016). 267

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

Die in Abbildung 3 veranschaulichte Struktur des ICN spiegelt seine Funktion wieder: Das ICN ist eine „virtuelle Organisation“270 und hat kein Sekretariat.271 Stattdessen wird es von einer, alle zwei Jahre gewählten, Steering Group geführt. Die inhaltliche Arbeit wird von Arbeitsgruppen geleistet, die sich selbst organisieren und projekt- und ergebnisbezogen arbeiten. Momentan gibt es fünf Arbeitsgruppen: 1. Advocacy, 2. Agency Effectiveness, 3. Cartel, 4. Merger und 5. Unilateral Conduct. Empfehlungen über Studien, Leitfäden und Praxishandbücher gehören ebenso zu den einzelnen Arbeitsergebnissen wie verschiedene Workshops. Im Ergebnis handelt es sich hierbei um unverbindliche Empfehlungen, an denen sich die Mitglieder orientieren können. Im Vordergrund steht nicht die Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen, sondern die praktische Tätigkeit der Wettbewerbsbehörden. Die Jahreskonferenzen finden an wechselnden Orten statt. Die Wettbewerbsbehörde, bei der die Jahreskonferenz stattfindet, übernimmt für den Zeitraum eines Jahres die mit der Organisation anfallenden Kosten. Die divergierenden Entscheidungen im Fall General Electric/Honeywell waren einer der Gründe für die Gründung des ICN. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der erste Arbeitsschwerpunkt die Fusionskontrolle, vor allem die multijurisdiktionellen, d. h. in die Zuständigkeit mehrerer Staaten fallenden Zusammenschlüsse, war: „The mission of the ICN Merger Working Group is to promote the adoption of best practices in the design and operation of merger review regimes in order to: (i) enhance the effectiveness of each jurisdiction’s merger review mechanisms; (ii) facilitate procedural and substantive convergence; and (iii) reduce the public and private time and cost of multijurisdictional merger reviews.“272

Die hierfür eingerichtete Arbeitsgruppe ,Fusionskontrolle‘ war anfangs in drei Untergruppen unterteilt: 1. ,Anmeldung und Verfahrensweisen‘, die 13 empfohlene Verfahrensweisen für die Anmeldung und Prüfung von Zusammenschlüssen erarbeitet hat. 2. ,Untersuchungsmethoden‘, die beispielhafte Verfahrensweisen für die Untersuchung von Zusammenschlüssen ausgearbeitet hat. Dazu zählen insbesondere Methoden für die Erfassung von zuverlässigem Beweismaterial, die wirksame Planung einer Fusionsuntersuchung und die Hinzuziehung von Wirtschaftsexperten. Zudem wurde ein Handbuch für Untersuchungs- und Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der Fusionskontrolle erstellt. 270

Böge, Das International Competition Network als Ansatz einer internationalen Wettbewerbspolitik, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 73 (80). 271 Die kanadische Wettbewerbsbehörde übt in einigen zentralen Koordinierungsaufgaben eine sekretariatsähnliche Funktion aus. s. Böge, Das International Competition Network als Ansatz einer internationalen Wettbewerbspolitik, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 73 (79); Budzinski, International Antitrust Institutions, in: Blair/Sokol (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Antitrust Economics Volume 1, S. 119 (131, Fn. 14). 272 http://www.internationalcompetitionnetwork.org/working-groups/current/merger.aspx (zuletzt aufgerufen am 21. 04. 2015).

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

101

3. Und schließlich ,analytischer Rahmen‘, die materielle Standards für die Prüfung von Zusammenschlüssen und die Kriterien für die Anwendung dieser Standards, wie beispielsweise Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, erarbeitet hat.

Im Folgenden werden nicht alle Arbeitsergebnisse der Arbeitsgruppe „Fusionskontrolle“ dargestellt, sondern es werden nur die speziellen Ergebnisse in Bezug auf die Problematik der multijurisdiktionellen Zusammenschlussfälle und die möglichen Lösungsansätze näher beleuchtet und anschließend bewertet. 1. Guiding Principles and Recommendations273 Für die Fusionskontrollpraxis wurden acht Prinzipien ausgearbeitet: 1. Souveränität, 2. Transparenz, 3. Nicht-Diskriminierung, 4. Prozedurale Fairness, 5. Effizientes, fristgerechtes und effektives Verfahren, 6. Koordination, 7. Konvergenz und 8. Schutz vertraulicher Informationen. Nach wie vor wird die Souveränität der einzelnen Mitglieder betont. Diese Prinzipien verlangen ein faires, transparentes, zeitlich koordiniertes und schließlich nicht diskriminierendes Fusionskontrollverfahren. Zudem werden die Staaten im Sinne der empfohlenen Praktiken angehalten, Konvergenz im Rahmen der Fusionskontrolle anzustreben. Wie diese Konvergenz zu erreichen ist, erklären die empfohlenen Praktiken, die für einzelne Schlüsselbereiche der Fusionskontrolle entwickelt wurden. Während es den einzelnen Behörden selbst überlassen ist, zu entscheiden, ob sie diese Prinzipien umsetzen wollen oder nicht, regen diese in erster Linie zur Selbstreflexion der eigenen Praxis an. 2. Recommended Practices for Merger Notification Procedures274 Die Recommended Practices for Merger Notification Procedures (MNP-Empfehlungen) beschäftigen sich mit der Kostenbelastung der Unternehmen, die durch die Mehrfachanmeldungen ihrer Vorhaben entstehen. Durch die empfohlenen Praktiken sollen diese minimiert und das Anmeldeverfahren derart gestaltet werden, dass die Verfahren letztlich einer multilateralen Verfahrensharmonisierung dienen. Die MNP-Empfehlungen werden in 13 Schlüsselbereiche unterteilt: 1.

Eine ausreichende Verbindung mit dem Rechtssystem, in dessen Zuständigkeit die Prüfung erfolgt,

2.

Klare und objektive Anmeldeschwellen,

3.

Die zeitlichen Vorgaben für die Anmeldung einer Fusion,

4.

Überprüfungszeiträume,

273

ICN, Guiding Principles for Merger Notification and Review, 2002; abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc591.pdf (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016). 274 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, 2005; abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc588.pdf (zuletzt aufgerufen am 06. 02. 2016).

102

Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

5.

Anforderungen, die bei der Anmeldung zu beachten sind,

6.

Kriterien bei der Prüfung von Zusammenschlüssen,

7.

Verfahrensgerechtigkeit,

8.

Transparenz,

9.

Vertraulichkeit,

10. Die Zusammenarbeit der Behörden, 11. Abhilfemaßnahmen bei Fusionen, 12. Durchsetzungsbefugnisse, Mittel und Unabhängigkeit der Behörden und 13. Die Überprüfung der Fusionskontrollbestimmungen.

Da der Schwerpunkt dieser Arbeit die Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten und letztlich die Gestaltung einer möglichen Verfahrensharmonisierung ist, werden im Folgenden nur die ersten fünf Schlüsselbereiche und der Punkt der Zusammenarbeit zwischen den Behörden vorgestellt.275 a) Eine ausreichende Verbindung mit dem Rechtssystem, in dessen Zuständigkeit die Prüfung des Zusammenschlusses erfolgt Die erste Voraussetzung bezieht sich auf das Leitbild der Souveränität: Damit ein Zusammenschluss in die Prüfungskompetenz einer Wettbewerbsbehörde fällt, muss eine ausreichende Verbindung zwischen ihrem Zuständigkeitsbereich und dem jeweiligen Zusammenschluss vorliegen. Dies wird dann angenommen, wenn das Vorhaben erhebliche, direkte und unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen in den jeweiligen Rechtsordnungen hervorruft.276 Nach den Leitlinien liegen erhebliche Auswirkungen vor, wenn mindestens zwei der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen eine wirtschaftliche Tätigkeit in den betreffenden Rechtsordnungen ausüben oder das erworbene Unternehmen in den betreffenden Rechtsordnungen bereits besteht.277 Diesem Ansatz zufolge sollen die Wettbewerbsbehörden von der Prüfung solcher Zusammenschlüsse ausgeschlossen werden, die keine oder kaum Auswirkungen in den jeweiligen Rechtsordnungen bewirken. Dies ist die wichtigste Empfehlung und bildet zugleich das wesentliche Element, um ein internationales Fusionskontrollregime zu schaffen, das zugleich das Problem der Überregulierung vermeidet bzw. reduziert.278 275 Näheres über die anderen Schlüsselbereiche, s.: Clarke, International Merger Policy, S. 196 – 208. 276 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation I., C., comment 1: „Notification should not be required unless the transaction is likely to have a significant, direct and immediate economic effect within the jurisdiction concerned.“ 277 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation I., C., comment 2. 278 Clarke, International Merger Policy, S. 191.

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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Es lässt sich streiten, ob diese Empfehlung das Rad neu erfunden hat, denn wie aus den Grundlagen staatlicher Jurisdiktion bekannt, verlangt die Lehre der sinnvollen Anknüpfung für die staatliche Jurisdiktionsausübung einen sinnvollen Anknüpfungspunkt. b) Klare und objektive Anmeldeschwellen Wann ein solcher Anknüpfungspunkt vorliegt, sollen Anmeldeschwellen festlegen. Die Bestimmung dieser hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise die Größe der Wirtschaft. Dies führt unweigerlich zu Differenzen in Bezug auf die Art und Größe der Anmeldeschwellen zwischen den einzelnen Staaten. Zugleich bedeutet dies, dass diese Unterschiede durch eine Konvergenz oder Harmonisierung kaum bzw. nicht erreicht werden, was jedoch nicht wünschenswert ist, da einheitliche Anmeldeschwellen entweder für kleine Staaten zu hoch oder für große Staaten zu niedrig sind. Deshalb sollen nach der Empfehlung Anmeldeschwellen in erster Linie klar und verständlich sein und anhand objektiver und quantitativer Kriterien bestimmt werden.279 Dem ICN zufolge scheinen sich ferner Umsatzschwellenwerte als Anknüpfung bewährt zu haben; auf Marktanteile und subjektive Kriterien dagegen soll nicht zurückgegriffen werden.280 Unklar ist dagegen, wann „angemessene“ Anmeldeschwellen, die zugleich einen ausreichenden lokalen Anknüpfungspunkt darstellen sollen, vorliegen.281 Dass dies nirgends definiert wird, spiegelt einerseits den Mangel an Konsens wieder, wann Umsatzschwellenwerte einen materiellen Anknüpfungspunkt begründen282, andererseits ist es absurd einheitliche Umsatzschwellenwerte weltweit zu definieren, denn die Staaten sind unterschiedlich groß; das gleiche gilt auch für die einzelnen Märkte und die unterschiedlichen Marktmachtstellungen der Unternehmen. Diesem Umstand wurde mit dem Erlass eines Berichts über die Festlegung angemessener Anmeldeschwellenwerte Rechnung getragen. Dieser Bericht war auf Umfrageergebnisse der Staaten, die ihre Umsatzschwellenwerte kürzlich reformiert oder gründlich überprüft haben, gestützt; aus diesen konnte das ICN einen angemessenen Anknüpfungspunkt ermitteln.283 Dieser Bericht ist zwar nicht Bestandteil der Empfehlung, kann aber zusätzlich für die Auslegung herangezogen werden. Letztlich werden angemessene Umsatz279

ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation II., A. und B. 280 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation II., B., comment 1: „Examples of objectively quantifiable criteria are assets and sales (or turnover).“ 281 ICN, Setting Notification Thresholds for Merger Review 2008, S. 2; abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc326.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 02. 2016). 282 ICN, Setting Notification Thresholds for Merger Review, S. 3, Fn. 4. 283 ICN, Setting Notification Thresholds for Merger Review, S. 6 ff.

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

schwellen nicht durch Erhöhung oder Senkung dieser erreicht, sondern bedürfen einer näheren Untersuchung, um zwischen problematischen und unproblematischen Vorhaben unterscheiden zu können. c) Die zeitlichen Vorgaben für die Anmeldung einer Fusion Aufgrund der unterschiedlichen Zeitvorgaben der zahlreichen Fusionskontrollregime, die sich bei der Anmeldung eines multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhabens zwingend ergeben, schlägt die Empfehlung allgemein vor, dass ein Vorhaben dann angemeldet werden soll, soweit die Parteien bescheinigen können, dass sie das Vorhaben tatsächlich vollziehen wollen.284 Allerdings soll im Fall eines Vollzugsverbots keine Deadline für die Anmeldung festgeschrieben werden.285 d) Überprüfungszeiträume Die unterschiedliche Zeitdauer der Verfahren ist eins der größten Probleme der Unternehmen bei multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhaben. Hier wird das Spannungsverhältnis zwischen einer sorgfältigen Prüfung durch die Wettbewerbsbehörden, ob das Vorhaben Auswirkungen auf den Markt hat und dem Verlangen der Unternehmen schnell und verbindlich eine Antwort zu erhalten, deutlich. Aber die sehr allgemein gehaltene Empfehlung des ICN, dass die Prüfung von Zusammenschlüssen innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen hat286, ist sehr vage und hilft nicht unbedingt weiter. Was unter einer „angemessen Frist“ zu verstehen ist, wird auch nicht näher beschrieben. Die einzige Vorgabe lautet, dass das Vorverfahren nicht länger als sechs Wochen dauern darf und das Hauptverfahren sollte innerhalb von sechs Monaten beendet sein.287 e) Anforderungen, die bei der Erstanmeldung zu beachten sind Die Anmeldung bei der Wettbewerbsbehörde sollte zunächst nur Informationen enthalten, die nachweisen, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Anmeldeschwellen überschreiten und ob das Vorhaben Wettbewerbsfragen 284

ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation III., A.: „Parties should be permitted to notify proposed mergers upon certification of a good faith intent to consummate the proposed transaction.“ 285 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation III., B. 286 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation IV., A. 287 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation IV., C., comment 2.

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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aufwirft, die einer weiteren Untersuchung bedarf.288 Zusätzlich wird empfohlen, dass Jurisdiktionen die Zusammenschlussvorhaben von geringem Wert oder trotz weniger oder kaum Auswirkungen auf den Markt dennoch prüfen und sie im Hinblick auf unangemessene Lasten von Anfang an eine besondere Sensibilität zeigen müssen.289 Da Übersetzungen kostspielig und zeitraubend sind290, soll von einer umfangreichen Übersetzung, vor allem begleitender Dokumente abgesehen werden; Zusammenfassungen sollen genügen.291 f) Zusammenarbeit der Behörden Wettbewerbsbehörden, die ein und denselben Fall prüfen, sollten der Empfehlung nach ihre Prüfungen koordinieren, sofern Wettbewerbsfragen von gemeinsamem Interesse aufgeworfen werden.292 Sinn und Zweck einer vertieften Zusammenarbeit bei ein und demselben Fall ist zum einen die Vermeidung von unnötigem Zeitverlust und zum anderen die Konfliktvermeidung im weiteren Sinne.293 Da jede Koordination freiwilliger Natur ist, kann dadurch nicht ausgeschlossen werden, dass die Wettbewerbsbehörden zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen.294 Dies ist bereits größtenteils durch die bilaterale Praxis verwirklicht, so ist ein gutes Beispiel für die vertiefte Zusammenarbeit zwischen den Behörden im Bereich der Fusionskontrolle die Best Practices on Cooperation in Merger Investigations zwischen den USA und der EU. Im Jahre 2012 hat die japanische Wettbewerbsbehörde aufgrund der steigenden Anzahl der multijurisdiktionellen Zusammenschlussfälle vorgeschlagen, das International Competition Network’s Framework for Merger Review Cooperation zu gründen.295 Dieses Framework soll eine effektive und effiziente Zusammenarbeit bei multijurisdiktionellen Zusammenschlussfällen erleichtern, indem beispielsweise die Behörden Informationen gegenseitig austauschen. Eine Kontaktliste ist bei der 288

ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation V., A. 289 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation V., A., comment 2 und B., comment 3. 290 ICN, Report on the Costs and Burdens of Multijurisdictional Merger Review, S. 14. 291 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation V., D, comment 1. 292 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation X., A., comment 1. 293 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation X., A., comment 2. 294 ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation X., A., comment 4. 295 ICN, International Competition Network’s Framework for Merger Review Cooperation, 2012, abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc803. pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 02. 2016).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

japanischen Wettbewerbsbehörde zu erhalten. Dies sieht auch der praktische Leitfaden zur internationalen Zusammenarbeit bei der Durchsetzung in Fusionsfällen296 vor, der dadurch die Gefahr divergierender Entscheidungen verringern, die Transaktionskosten für alle Parteien reduzieren und das Ziel der Konvergenz anstreben will. g) Umsetzung der MNP-Empfehlungen in der Praxis Im Jahre 2005 wurde ein Bericht über die Umsetzung der MNP-Empfehlungen seitens der ICN-Mitglieder veröffentlicht297 und ist im Ergebnis positiv ausgefallen: 46 % der ICN-Mitglieder haben sich auf die MNP-Empfehlungen bezogen, sie übernommen oder als Anlass genommen, ihre Praxis zu ändern.298 Die Verwendung der MNP-Empfehlungen kann in drei Kategorien unterteilt werden: 1. Identifikation von wesentlichen Reformbereichen, 2. Unterstützung für Reformen und 3. das Antreiben von Reformbestrebungen.299 Des Weiteren unternahmen alle befragten Jurisdiktionen Schritte im Hinblick auf die Erhöhung der Transparenz ihrer Fusionskontrollverfahren; sei es durch die Erstellung einer Webseite, den Erlass von Leitlinien oder das Veröffentlichen von Pressemitteilungen.300 Damit die Staaten sich jederzeit vergewissern können, ob sie sich konform zu den MNP-Empfehlungen verhalten, gibt es ein Selbsteinschätzungstool301, das ermöglichen soll, zu schauen, ob die Wettbewerbsbehörden alle MNP-Empfehlungen beachten oder nicht.

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ICN, Practical Guide to International Enforcement Cooperation in Mergers, abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc1031.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. 02. 2016). 297 ICN, Implementation of the ICN Recommended Practices for Merger Notification and Review Procedures, 2005; abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/up loads/library/doc324.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 02. 2016). Eine ausführliche Besprechung zur Umsetzung der MNP-Empfehlungen IV – VII, s. Rowley/Campbell, World Competition 28 (2005), S. 533 ff. Davor haben Rowley/Campbell bereits 2004 über die Umsetzung der MNP-Empfehlungen allgemein ausführlich mit statistischen Daten berichtet, s. Rowley/Campbell, Business Law International 5 (2004), S. 110 ff. 298 ICN, Implementation of the ICN Recommended Practices for Merger Notification and Review Procedures, S. 4. 299 Coppola/Lagdameo; Taking Stock and Taking Root: A Closer Look at Implementaion of the ICN Recommended Practices for Merger Notification & Review Procedures, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S. 297 (309 ff.). 300 ICN, Implementation of the ICN Recommended Practices for Merger Notification and Review Procedures, S. 12 f. 301 ICN, Evaluating Merger Notification Provisions for Conformity with ICN Recommended Practices for Merger Notification & Review Procedures, 2011; abrufbar unter: http:// www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc916.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 02. 2016).

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3. Recommended Practices for Merger Analysis302 Die Recommended Practices for Merger Analysis (MA-Empfehlungen) befassen sich mit den materiell-rechtlichen Aspekten der Fusionskontrolle und werden größtenteils vom Merger Guidelines Workbook303 und den gemeinsamen Praxen der ICN-Mitgliedern abgeleitet. Hierbei wird deutlich, dass Sinn und Zweck der Fusionskontrolle ist, in erster Linie zu erkennen und zu verhindern, dass Zusammenschlüsse den Wettbewerb erheblich gefährden.304 Betont wird ferner, dass die Fusionskontrolle nicht zur Verfolgung anderer Ziele dienen soll.305 Die empfohlenen Praktiken beschäftigten sich mit folgenden Bereichen: 1. The Legal Framework for Competition Merger Analysis, 2. Market Definition, 3. Use of Market Shares: Thresholds and Presumptions, 4. Competitive Effects Analysis in Horizontal Merger Review: Overview, 5. Unilateral Effects, 6. Coordinated Effects, 7. Entry and Expansion und 8. Failing Firm/Exiting assets. Hilfreich ist des Weiteren der vom ICN erstellte Überwachungsfragebogen306, der zentrale Fragen der wettbewerbspolitischen Beurteilung von Zusammenschlüssen wie etwa die Definition des relevanten Marktes, die Berücksichtigung von Marktzutrittsschranken, unilaterale und koordinierte Effekte im Oligopol, die Berücksichtigung von Effizienzen sowie die Behandlung von Sanierungsfusionen behandelt. Dieser Überwachungsfragebogen soll als gemeinsame Position der Wettbewerbsbehörden verstanden und zugleich als Referenz und Leitfaden für die Zusammenschlusskontrolle benutzt werden. 4. Bewertung der Arbeit des ICN und Ausblick über die Entwicklung des ICN Im Ergebnis wird die Arbeit des ICN überwiegend positiv bewertet.307 Um die Wirksamkeit der Arbeit des ICN zu bewerten, ist es zuerst notwendig, sich die Ziele des ICN anzuschauen. Das ICN war von Anfang an als informelles Netzwerk, das 302 ICN, Recommended Practices for Merger Analysis, 2010; abrufbar unter: http://www.in ternationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc316.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 02. 2016). 303 ICN, Merger Guidelines Workbook, 2006; abrufbar unter: http://www.internationalcom petitionnetwork.org/uploads/library/doc321.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 02. 2016). 304 ICN, Recommended Practices for Merger Analysis, recommendation I., A. 305 ICN, Recommended Practices for Merger Analysis, recommendation I., A., comment 1. 306 ICN, Merger Analysis Self-assessment, 2013; abrufbar unter: http://www.international competitionnetwork.org/uploads/library/doc915.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. 02. 2016). 307 Ezrachi, Merger control and cross-border transactions: a pragmatic view on cooperation, convergence and what is in between, in: Marsden (Hrsg.), Handbook of Research in TransAtlantic Antitrust, S. 622 (626 ff.); Gerber, Global Competition, S. 116; Petersen, Die Internationale Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden, S. 63; Fox, International Lawyer 43 (2009), 151 (165 ff.); Budzinski, Mehr-Ebenen-Governance, Leitjurisdiktionskonzepte und globaler Wettbewerb, in: Ohr (Hrsg.), Governance in der Wirtschaftspolitik, S. 73 (79 f.).

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keine rechtsverbindlichen Normen erlässt, vorgesehen. In diesem Zusammenhang sagt das ICN selbst: „It is important to stress that the ICN does not seek any ,top down‘ harmonisation of competition law and policies throughout the world. It not only lacks the competence to do so, but more fundamentally takes the view that any attempt at wholesale harmonisation would do injustice to the great diversity of the economic, institutional, legal and cultural settings prevalent in the home jurisdictions of its member agencies. This diversity is an important source of inspiration when comparing various solutions to competition issues developed in one or the other jurisdiction. If and when such a comparison helps to identify the most convincing approach, it is up to each individual agency to consider whether its home jurisdiction might benefit from following such benchmarks.“308

Dadurch dass es sich zudem um eine virtuelle Institution handelt, fallen die Bürokratiekosten, die meistens den Normsetzungsprozess verlangsamen, weg. Außerdem ist das ICN deshalb „besonders“, weil er als beitrittsoffener Club gestaltet ist. Schaut man sich die Arbeit des ICN an, so erfolgt die Entwicklung der Arbeitsschritte des ICN in der Regel in drei Stufen309: (1) Die Steering oder Working Group ermittelt zuerst ein Thema, welches einer näheren Untersuchung bedarf. (2) Daraufhin wird eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit diesem Thema befasst und ermittelt hierbei, welche Aspekte der Konvergenz zugänglich sind. (3) Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden am Ende dem ganzen Plenum vorgestellt. Alle ICN-Arbeitsgruppen verfahren nach diesem drei Stufen-Prinzip. Mit dieser Arbeitsweise versucht das ICN, im Wege gegenseitiger Verständigung mehr Konvergenz unter den einzelnen Staaten zu erreichen. Dieses Anstreben der Konvergenz durch das ICN stimmt mit den drei Phasen der Erreichung der Konvergenz hinsichtlich international anerkannter Wettbewerbsnormen, die Muris und Kovacic erarbeitet haben, überein310 : 1. Erfahrungsaustausch und Lernprozess: Die Erfahrungen und Praxen der einzelnen Wettbewerbsbehörden werden durch Umfragen ermittelt, 2. Konsensentwicklung über bewährte Methoden und Techniken: Nach der Auswertung der Umfragebögen werden Überschneidungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ermittelt und 3. Förderung der Übernahme der konsens-basierten Empfehlungen, sei es durch spezifische Beispiele oder generalklauselartige Vorschläge. Diesem Konzept zufolge ist nicht die verstärkte Zusammenarbeit das 308 ICN, A Statement of Mission & Achievments up Until May 2006, S. 2; abrufbar unter: http://www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc430.pdf (zuletzt aufgerufen am 26. 10. 2016). 309 Sokol, Berkeley Bus. L.J. 4 (2007), 37 (111). 310 Muris, Competition Agencies in a Market-Based Global Economy; abrufbar unter: https://www.ftc.gov/public-statements/2002/07/competition-agencies-market-based-global-eco nomy (zuletzt aufgerufen am 05. 04. 2015); Kovacic, Extraterritoriality, Institutions and Convergence in International Competition Policy, S. 5 f.; abrufbar unter: https://www.ftc.gov/ system/files/documents/public_statements/303671/031210kovacic.pdf (zuletzt aufgerufen am 04. 04. 2015); Hollman/Kovacic/Robertson, Building global antitrust standards: the ICN’s practicable approach, in: Ezrachi (Hrsg.), Research Handbook on International Competition Law, S. 89 (101 ff.); Hollman/Kovacic, Minn. J. Int’l L. 20 (2011), 274 (275 f.).

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Endergebnis, sondern Kooperation und Koordination sind notwendige Schritte für ein besseres Verständnis untereinander. Zu betonen ist, dass mit dem Erlass von sog. recommended practices das ICN keine Harmonisierung anstrebt. Deutlich wird, dass es sich hierbei um den Versuch eines bottom-up-Ansatzes handelt311, der durch den gemeinsamen Erfahrungsaustausch und der Erarbeitung von best practices, die am Ende zur einer Angleichung der verschiedenen Wettbewerbsvorstellungen führen, gekennzeichnet ist. Auffällig ist, dass das ICN einen bestimmten governance-Ansatz312 verfolgt, der durch zwei Elemente charakterisiert ist: Kognitive Konvergenz und die Verabschiedung von best practices.313 Erstens, die ständige Interaktion, der gegenseitige Informationsaustausch und Diskurs über verschiedene Themen der Fusionskontrolle sollen zur kognitiven Konvergenz führen und damit zur Entstehung einer gegenseitigen Vertrauensbasis und letztlich zur Herausbildung einer gemeinsamen Wettbewerbskultur.314 Diese netzwerkartige Interaktion zwischen den Mitgliedern soll letztlich zu einer Verfahrenskonvergenz im Rahmen der Fusionskontrolle führen. Zweitens, der Erlass von best practices soll ein Mitglied unter Konformitätsdruck (peer pressure) setzen, um den Gesamtergebnissen zu entsprechen. Mitglieder, die sich weigern, die gemeinsam verabschiedeten best practices umzusetzen, laufen Gefahr, ihr Ansehen innerhalb des Netzwerks und in der Öffentlichkeit zu verlieren.315 Diese zwei Elemente beabsichtigen, ein hohes Maß an Kohärenz zu verstärken. Selbst für Industrieländer kann Konvergenz im Rahmen des ICN aufgrund 311

Böge, Das International Competition Network als Ansatz einer internationalen Wettbewerbspolitik, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 73 (78); Möschel, WuW 2005, 599 (605). 312 In Bezug auf das internationale Wettbewerbsrecht wurden bereits mehrere Versuche der informellen governance Formen von mehreren Autoren vorgeschlagen, s. bspw.: Tarullo: regulatory-convergence approach (Tarullo, Am. J. Int’l L. 94 (2000), S. 478 – 504), Maher: regime-building competition policy networks (Maher, Journal of Law and Society 29 (2002), S. 111 – 136), O’Connor: enforcement networks and case law evolution (O’Connor, Antitrust L. J. 70 (2002), S. 413 – 441) und First: mapping of antitrust networks (First, Evolving Toward What?, in: Drexl (Hrsg.), The Future of Transnational Antitrust, S. 23 – 51). 313 Budzinski, The international competition network as an international merger control institution, in: Chen (Hrsg.), International Institutions and Multinational Enterprises, S. 64 (75); Budzinski, N.Y.U. J. Int’l L. & P. 36 (2003 – 2004), 1 (25 und 37); Budzinski, Competition & Change 8 (2004), 243 (228). 314 Böge, WuW 2005, 590 (595 f.); Budzinski, Die Evolution des internationalen Systems der Wettbewerbspolitiken, in: FS Müller, S. 81 (92); Budzinski, The international competition network as an international merger control institution, in: Chen (Hrsg.), International Institutions and Multinational Enterprises, S. 64 (75); Budzinski, International Antitrust Institutions, in: Blair/Sokol (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Antitrust Economics Volume 1, S. 119 (131); Budzinski, Competition & Change 8 (2004), 243 (228 u. 233 f.). 315 Budzinski, The international competition network as an international merger control institution, in: Chen (Hrsg.), International Institutions and Multinational Enterprises, S. 64 (75); Budzinski, N.Y.U. J. Int’l L. & P. 36 (2003 – 2004), 1 (36); Budzinski, International Antitrust Institutions, in: Blair/Sokol (Hrsg.), The Oxford Handbook of International Antitrust Economics Volume 1, S. 119 (134); Budzinski, Competition & Change 8 (2004), 243 (228).

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von bestimmten „Netzwerkeffekten“ attraktiv sein.316 Nach dieser ökonomischen Theorie hat jeder einzelne Teilnehmer mehr vom Netzwerk, wenn das Netzwerk selbst größer wird. Diese Wirkung ähnelt sehr der Entwicklung bei Telefonen oder Computern, wo der Nutzen für die Verbraucher ansteigt, je mehr Menschen diese anfangen zu benutzen.317 Die Vielfalt der Probleme, die sich die Arbeitsgruppe ,Fusionskontrolle‘ angenommen hat, ist beeindruckend: Auf der einen Seite geht es um technische Probleme im Rahmen der verschiedenen Fusionskontrollverfahren, wo versucht wird eine verfahrensrechtliche Konvergenz anzustreben, indem beispielsweise die Anmeldeformulare standardisiert werden. Auf der anderen Seite umfasst die Arbeit auch anspruchsvolle Themen wie Leitlinien zur materiell-rechtlichen Prüfung, die über administrative Probleme hinausgehen und vielmehr (wettbewerbs-)politische und soziale Differenzen betreffen. Viele verstehen die Arbeit des ICN als Katalysator für nationale Gesetzgebungsprozesse.318 So änderten einige Wettbewerbsbehörden ihre Fusionskontrollpraxis im Lichte der ICN-Empfehlungen. Beispielsweise führte Brasilien das Prinzip der sinnvollen Anknüpfung und ein vereinfachtes Verfahren für Vorhaben, die keine Wettbewerbsbedenken hervorrufen, ein.319 Ebenso bemühten sich die amerikanischen Wettbewerbsbehörden, um eine bessere Transparenz ihrer Entscheidungen, indem sie Präzedenzentscheidungen nun begründen und veröffentlichen. Die Europäische Kommission führte die Verwendung von unterschiedlichen Formblättern für die ausführliche und vereinfachte Anmeldung ein. Ferner hat Rumänien 2003 lokale Anknüpfungspunkte für die Jurisdiktionsausübung gemäß den MNP-Empfehlungen eingeführt.320 Estland und Belgien haben sogar die ICNEmpfehlungen größtenteils umgesetzt bzw. ihre Regime entsprechend den best practices angepasst.321 Diese Beispiele zeigen, dass nicht nur die kleinen, sondern auch die großen Staaten von der Arbeit des ICN profitieren. Dadurch dass die MNP-Empfehlungen konkrete Vorschläge enthalten, ist die Umsetzung dieser 316

Raustiala, Va. J. Int’l L. 43 (2002 – 2003), 1 (63 ff.). Hollman/Kovacic/Robertson, Building global antitrust standards: the ICN’s practicable approach, in: Ezrachi (Hrsg.), Research Handbook on International Competition Law, S. 89 (91); Raustiala, Va. J. Int’l L. 43 (2002 – 2003), 1 (63 f.). 318 Coppola, Concurrences 3 (2011), 222 (224 ff., insbes. 226 f.). Hinsichtlich einer Beeinflussung der Gesetzgebung durch ICN-Empfehlungen zeigt sich kritisch: Drexl, ZWeR 2004, 191 (205 f.). 319 Böge, Das International Competition Network als Ansatz einer internationalen Wettbewerbspolitik, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 73 (83 f.); Böge, WuW 2005, 590 (597); ICN, Implementation of the ICN Recommended Practices for Merger Notification and Review Procedures, S. 9. 320 ICN, Implementation of the ICN Recommended Practices for Merger Notification and Review Procedures, S. 11. 321 ICN, A Statement of Achievements, June 2006 – May 2007, S. 4; abrufbar unter: http:// www.internationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc392.pdf (zuletzt aufgerufen am 19. 08. 2016). 317

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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leichter zu kontrollieren als beispielsweise die unilateral conduct recommended practices, die hingegen nur allgemeingültige Vorschläge bieten.322 Darüber hinaus bietet das ICN Entwicklungsländern technische Hilfe an, sei es was den Aufbau funktionierender Wettbewerbsbehörden durch Hilfestellung erfahrener Wettbewerbsbehörden oder Marktreformen betrifft.323 Damit stellen die Arbeiten des ICN auch für Entwicklungsländer, die erst vor kurzem Fusionskontrollregime eingeführt haben, eine wertvolle Ressource dar, um sich mit den bereits „erfahrenen“ Wettbewerbsbehörden austauschen zu können. Bei allem berechtigten Lob für die Arbeit des ICN gibt es dennoch Kritik zu hören: So ist ein häufig angeführter Kritikpunkt an der Arbeit des ICN, dass seine best practices keine völkerrechtlich verbindlichen Normen sind. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass anfangs rechtlich unverbindliche Normen mit der Zeit, vor allem wenn sich ein gemeinsames Wettbewerbsverständnis der Staaten abzeichnet, rechtlich verbindlich werden können.324 Darüber hinaus wird dem ICN vorgeworfen, ein „talking shop“325 zu sein, weil die Arbeit des ICN zu keinem Mehrwert hinsichtlich des Schutzes des Wettbewerbs in materiell-rechtlicher Hinsicht beigetragen hat und es nicht absehbar ist, dass sich die Staaten darauf einigen werden können, wie der Wettbewerb global zu schützen sei. Auch langfristig wird es keine one stop shop-Anlaufstelle für internationale Unternehmenszusammenschlüsse geben. Allerdings ist an dieser Stelle zu sagen, dass dies auch nicht das primäre Ziel des ICN ist. Diesem geht es vielmehr um den gegenseitigen Austausch, den Aufbau von Netzwerken zwischen den ICN-Mitgliedern und letztlich um eine freiwillige schrittweise Angleichung, vor allem hinsichtlich verfahrensrechtlicher Fragen, da in diesem Bereich eher ein Konsens der Mitglieder zu erreichen ist als bei materiell-rechtlichen Fragen.326 Selbst wenn angenommen wird, dass die best practices des ICN in verbindliche OECD oder WTO-Verpflichtungen umgewandelt werden, 322 Lagdameo/Heimert, The Unilateral Conduct Working Group, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S. 287 (289). 323 Vgl. ICN, Capacity Building and Technical Assistance. Building credible competition authorities in developing and transition economies. Mexico 2003; abrufbar unter: http://www.in ternationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc364.pdf (zuletzt aufgerufen am 22. 11. 2016). 324 Dies besagt im Groben die sog. konstruktivistische theory of incremental norm formation, welche behauptet, dass soziale Interaktion, Verbreitung von Informationen und gemeinsame Beratungen innerhalb eines rechtsunverbindlichen Regimes eine Eigendynamik auslösen (self-reinforcing dynamic), die die Staaten dazu bewegt ihre Zusammenarbeit tiefer und womöglich auch formeller einzugehen, sodass sich eine internationale Zusammenarbeit schrittweise von lower to higher levels of cooperation entwickeln kann. s. vertiefend hierzu: Abbott/Snidal, Pathways to International Cooperation, in: Benvenisti/Hirsch (Hrsg.), The Impact of International Law on International Cooperation, S. 50 – 84 passim. 325 s. die Überschrift von Marsden, Acta Non Verba: Keep „Talking Shop“, Don’t Become Another Talking Shop, in: Lugard (Hrsg.), The International Competition Network at Ten, S. 135 ff. 326 Todino, World Competition 26 (2003), 283 (293).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

ist das zwar viel Arbeit, aber zugleich auch wenig Ertrag.327 Damit wäre also nichts Neues gewonnen. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass die Arbeit des ICN im Bereich der Fusionskontrolle deshalb so erfolgreich ist, weil es sich zum einen um Ziele handelt, die schnell zu erreichen sind und zum anderen die Erarbeitung dieser nicht viel Zeit und Arbeitsaufwand benötigt. Ebenso stellen sie kein Konfliktpotential dar, weil sie viel zu vage sind und andererseits wird sich niemand gegen Transparenz oder gegen ein faires Verfahren aussprechen. So stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was genau unter „Fairness“ zu verstehen ist. Hinzu kommt noch, dass es dem ICN im Bereich der Fusionskontrolle um eine Konvergenz der Anwendung und des Verfahrens von Fusionskontrollregimen geht. Im Gegensatz zu „problematischeren“ Themen wie die Monopolisierung des Marktes, einseitige Verhaltensweisen und das Zusammenspiel zwischen Wettbewerbs- und Handelsrecht kann und wird wahrscheinlich das ICN dagegen kaum Erfolge verbuchen können, da sich die Wettbewerbsbehörden bei diesen Themen nicht so schnell einig sein werden. Vergleicht man ferner die MNP-Empfehlungen des ICN mit den OECD-Empfehlungen über die Prüfung von Zusammenschlüssen, fällt auf, dass diese sehr ähnlich, wenn nicht gar identisch sind. Letzlich hat aber auch die Arbeit des ICN wenig zur Reduzierung der Kosten in Bezug auf multijurisdiktionelle Zusammenschlüsse geleistet. Auch das ICN bietet keine fallbezogene Kooperation an. Zusammenfassend hat das ICN auf dem Gebiet der Fusionskontrolle wertvolle Ergebnisse erzielt: Zwar wird durch die ICN-Arbeit die Anzahl der Verfahren in Bezug auf multijurisdiktionelle Vorhaben nicht reduziert, aber der Arbeit des ICN wird nachgesagt, dass ein Standardisierungsprozess im Anmeldungs- und Verfahrensprozedere als auch ein verbesserter Informationsaustausch zwischen den beteiligten Wettbewerbsbehörden die Transaktions- und Administrationskosten im Vergleich zum nicht-koordinierten Regime senken und sich letztlich positiv auf die Kosteneffizienz multijurisdiktioneller Verfahren auswirken werden.328 Außerdem versucht das ICN keine gigantische Weltwettbewerbsbehörde für internationale Zusammenschlüsse zu sein, sondern einen institutionellen Rahmen, ohne zugleich die Souveränität der einzelnen Staaten und damit durch den Erhalt der Vielfalt verschiedener Fusionskontrollregime zu untergraben, zu bieten.

327 Bradford, International Antitrust Cooperation and the Preference for Non-Binding Regimes, in: Guzman (Hrsg.), Cooperation, Comity and Competition Policy, S. 319 (329 ff. und 343); Marsden, ,Jaw-jaw‘ not ,law-law‘ – from treaties to meetings: the increasing informality and effectiveness of international cooperation, in: Ezrachi (Hrsg.), Research Handbook on International Competition Law, S. 110 (133 f.). 328 Budzinski/Kerber, Internationale Wettbewerbspolitik aus ökonomischer Perspektive, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 9 (20).

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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C. Bilanz und Grenzen der bi- und multilateralen Kooperation Wie dargestellt, ermöglichen die verbindlichen bilateralen Vereinbarungen zwar eine gute Zusammenarbeit, beziehen sich jedoch nur auf zwei Staaten und verfolgen nicht primär das Ziel, Jurisdiktionskonflikte zu lösen oder sich widersprechende Entscheidungen zu verhindern und sind daher kaum geeignet die Probleme, die sich im Rahmen von multijurisdiktionellen Zusammenschlussfällen stellen, zu lösen. Auffällig ist zudem, dass außerhalb des transatlantischen Bündnisses bilaterale Kooperation nur innerhalb weniger erfahrener Behörden stattfindet.329 Auf der anderen Seite existiert das multilaterale unverbindliche Rahmenwerk, das zwar zahlreiche Teilnehmer umfasst, jedoch lediglich freiwillige Regelungen vorsieht. Da es keine multilaterale verbindliche Wettbewerbsordnung gibt, haben sich zahlreiche multilaterale Mosaikstücke herauskristallisiert, die alle die Konvergenz des internationalen Wettbewerbsrechts und damit auch die des Fusionskontrollrechts anstreben: Angefangen bei einem umfassenden Versuch mittels der Havanna Charta bis hin zur Aushandlung eines multilateralen Abkommens über Handel und Wettbewerb im Rahmen der WTO und letztlich zu unverbindlichen Regeln der OECD, der UNCTAD und des ICN. All diese verschiedenen Institutionen leisten auf ihre Art und Weise einen Beitrag zur Konvergenz des Fusionskontrollrechts. Zugleich wird jedoch ein (Wett-)Kampf um das beste Wettbewerbsnetzwerk geführt.330 Maher/ Papadopoulos behaupten in diesem Zusammenhang, dass das ICN das „Netzwerk der (regionalen) Netzwerke“ sein könnte, indem es mit der Zeit alle Netzwerke unter einem Dach bringen werde.331 Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Aber schaut man sich die verschiedenen Institutionen und ihren Beitrag zur Konvergenz der Fusionskontrolle an, so fällt auf, dass die Institutionen WTO, OECD und UNCTAD keine so enge Ausrichtung auf das Wettbewerbsrecht haben, sondern für sie ist die Wettbewerbspolitik lediglich ein Annex zu ihren eigentlichen Hauptaufgaben.332 Dies kann wie folgt für die WTO, die UNCTAD und die OECD zusammengefasst werden: 329

OECD Competition Committee, International Enforcement Co-operation. Secretariat Report on the OECD/ICN Survey on International Enforcement Co-operation, 2013, S. 14, 64 und 80; abrufbar unter: http://www.oecd.org/competition/InternEnforcementCooperation2013. pdf (zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2016). 330 Hollman/Kovacic, Minn. J. Int’l L. 20 (2011), 274 (286). 331 Maher/Papadopoulos, Competition agency networks around the world, in: Ezrachi (Hrsg.), Research Handbook of International Competition Law, S. 60 (88): „a network of networks“ „the ,hub‘ for the ,spokes‘ of other networks“. 332 Todino, World Competition 26 (2003), 282 (300). Über die Unterschiede der einzelnen Organisationen, s. Jenny, The OECD Global Forum, the ICN, the WTO, UNCTAD: Who is Doing What in the Area of International Competition and Why. Rede gehalten auf der ,The 2002 Antitrust Conference: Antitrust Issues in Today’s Economy‘, New York, 7 – 8 March 2002, S. 21 ff.; abrufbar unter: http://www.jftc.go.jp/eacpf/WinslowOECD.pdf (zuletzt aufgerufen am 26. 10. 2016); Hollman/Kovacic, Minn. J. Int’l L. 20 (2011), 274 (288 ff.).

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

a) WTO: Handel und … b) UNCTAD: Entwicklung und … c) OECD: … und Wirtschaftspolitik.

Das ICN ist verglichen mit den anderen Institutionen relativ neu. Dadurch dass sich dieser ausschließlich mit dem Wettbewerbsrecht beschäftigt und dessen Mitglieder nur Wettbewerbsbehörden sind, die das Wettbewerbsrecht durchsetzen und zugleich den Wettbewerb hüten, wird verständlich, warum die Arbeit des ICN derart erfolgreich ist. Zudem betont das ICN selbst, dass es das einzige internationale Netzwerk ist, das sich ausschließlich dem Wettbewerbsrecht widmet: „It is all competition, all the time.“333 Die WTO als hard law-Institution sieht vor, dass ihre Mitglieder ihre Handelsschranken abbauen, um damit den staatlichen Protektionismus zu bekämpfen. Die Rechtsetzung erfolgt auf der Grundlage des Nichtdiskriminierungsprinzips. Warum ein multi- bzw. plurilaterales Wettbewerbsrechtsabkommen bislang ausblieb, wurde bereits oben dargestellt, aber die interessantere Frage ist jedoch, ob die WTO überhaupt das richtige Forum ist, um ein internationales Wettbewerbs- und Fusionskontrollrecht zu schaffen und wenn ja, welche Regeln sollten vereinbart werden? So schlägt beispielsweise Fiebig vor, im Rahmen der WTO ein „WTO Premerger Office“ einzurichten, das für die Prüfung von internationalen Zusammenschlüssen zuständig wäre.334 Für ein Wettbewerbsrecht im Rahmen der WTO mag der enge Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Handel sprechen. Zudem kennt die WTO bereits teilweise wettbewerbsregulierende Bestimmungen. Dazu kommt noch, dass die WTO dem Wettbewerbsrecht auch nicht komplett verschlossen ist. Dies haben sowohl der Kodak-Fuji-Fall335 (1998) als auch der Mexico-Telecommunications-Fall336 (2004) vor den WTO-Streitschlichtungsorganen gezeigt, wonach wettbewerbsbasierende Regelungen angewendet wurden. Infolgedessen wird von vielen behauptet, die WTO sei aufgrund ihrer Rolle prädestiniert. Darüber hinaus verfügt die WTO bereits über ein zuverlässiges und effektives Streitbeilegungssystem und mit der Bildung verbindlicher internationaler Regeln wird zugleich ein „level playing field“, also ein-

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ICN, ICN Factsheet and Key Messages, Stand: April 2009; abrufbar unter: http://www.in ternationalcompetitionnetwork.org/uploads/library/doc608.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2016). 334 Fiebig, Nw. J. Int’l L. & Bus. 20 (2000), 233 (234, insbes. 247 ff.). 335 WTO Panel Report, Japan – Measures Affecting Consumer Photographich Film and Paper, WTO Doc. WT/DS44/R vom 31 März 1998. 336 WTO Panel Report, Mexico – Measures Affecting Telecommunications Services, WTO Doc. WT/DS204/R vom 2 April 2004. Eine wettbewerbsrechtliche Analyse dieser Entscheidung ist zu lesen bei: Sidak/Singer, An antitrust analysis of the World Trade Organization’s decision in the US-Mexico arbitration on telecommunications services, in: Marsden (Hrsg.), Handbook of Research in Trans-Atlantic Antitrust, S. 679 ff.

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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heitliche Wettbewerbsbedingungen für alle geschaffen und es würde keine weiteren Zuständigkeitsprobleme mehr geben. Allerdings spricht dagegen, dass die WTO in erster Linie eine Handelsorganisation ist. Außerdem werden staatliche Handelsschranken, seien es Zölle oder Kontingente, mittlerweile von allen als Minderung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt gesehen, aber in Bezug auf die privaten Wettbewerbsbeschränkungen gehen die Meinungen auseinander; diese sind vielmehr von den Zielen der nationalen Wettbewerbspolitik abhängig.337 Schwer vorstellbar ist zudem, dass bei 162 WTOMitgliedern, die über unterschiedliche Wettbewerbsrechtsregime verfügen und auch verschiedenen wettbewerbspolitischen Leitbildern folgen, ein gemeinsamer Konsens möglich sein wird338 und selbst wenn, würde man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Dadurch wird aber nichts Neues gewonnen. Darüber hinaus erscheint es bereits unwahrscheinlich, dass Staaten auf ihre wettbewerbspolitische Souveränität verzichten und diese auf eine übergeordnete zentrale Instanz übertragen werden. Dazu kommt noch, dass das Welthandelsrecht auf den Freihandel, den Abbau von staatlichen Marktzutrittsschranken und handelspolitische Kompromisse ausgerichtet ist. Im Wettbewerbsrecht geht es dagegen nicht um die Suche nach einem Kompromiss oder einer Lösung wie im WTO-Streitbeilegungsverfahren („seeking a solution“), sondern um den Schutz des Wettbewerbs vor privaten Beschränkungen und daher um die Beurteilung, ob ein Verhalten seitens der Unternehmen wettbewerbsschädigend ist oder nicht. Hinzu kommt, dass die Verfahren vor den Organen der WTO-Streitbeilegung sehr langsam und sehr zeitaufwändig sind. Im Falle der Überprüfung einer Wettbewerbsrechtsverletzung würde das WTO-Panel lediglich überprüfen, ob die Wettbewerbsbehörde entsprechend den staatlichen Regelungen gehandelt habe oder nicht, denn das WTO-Streitbeilegungsverfahren ist nicht auf Beschwerden ausgerichtet, die eine faktenschwere Auseinandersetzung oder die Berücksichtigung der Entwicklung von innovativen Ansätzen erfordern.339 Infolgedessen erscheinen die WTO-Mechanismen für das Wettbewerbsrecht als eher ungeeignet. Würde letztlich eine einheitliche internationale Wettbewerbsordnung herrschen, dann würde es keinen Systemwettbewerb mehr geben, der grundsätzlich positiv zu bewerten ist, denn dieser ist vor allem, wenn man wie Hayek den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren versteht, nicht nur wichtig, sondern auch für das Lern- und Entdeckungsverfahren unerlässlich, das sich letztlich aus den verschiedenen Wettbewerbsordnungen ergibt.340 Im Ergebnis ist damit ein „Weltleviathan“ in Gestalt der WTO nicht wünschenswert.341 337

Böge/Kijewski, RIW 2001, 401 (403 f.). Sokol, Berkeley Bus. L.J. 4 (2007), 37 (91). 339 Smith, Journal of International Economic Law 2 (1999), 435 (438); Sweeney, Sydney Law Review 30 (2008), 209 (219 f.). 340 Möschel, Megafusionen: Besteht ordnungspolitischer Handlungsbedarf?, in: Franz/ Ramser/Stadler (Hrsg.), Fusionen, S. 271 (280); Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht 338

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

Der OECD-Wettbewerbsausschuss versucht, durch mehrere Instrumente, wie peer-reviews, die Erarbeitung von best practices und dem Erlass von freiwilligen Empfehlungen, eine informelle Konvergenz unter den Mitgliedern zu ermöglichen.342 Im Gegensatz zur WTO oder der UNCTAD ist die OECD eine kleine Organisation, die ausschließlich Industrieländer repräsentiert und damit bereits hinsichtlich ihrer Reichweite in ihrer Arbeit beschränkt. Aber die Arbeit des OECDWettbewerbsausschusses sieht in erster Linie die Informationseinholung und dann die anschließende Konzeptualisierung vor, sodass er tiefgreifendere Analysen und Studien einiger Themen ermöglicht.343 So beispielsweise auch im Whish/WoodBericht, der nach ausführlichen Fallstudien besonderer Zusammenschlüsse sieben Empfehlungen in Bezug auf die Verbesserung der Harmonisierung und Kooperation im Bereich der Fusionskontrolle aussprach. Des Weiteren erarbeitete der Wettbewerbsausschuss 1999 ein gemeinsames Anmeldeformular als Mustervorlage für die Anmeldung von multijurisdiktionellen Zusammenschlussvorhaben, welches dann später die theoretischen Grundlagen für die Arbeit des ICN bildete. Die UNCTAD stellt das Gegenstück zur OECD dar und ist das Forum für Entwicklungsländer. Damit bestimmen die Entwicklungsländer die Agenda der UNCTAD. Diese organisiert sowohl Konferenzen, um alle an einen Tisch zu bringen und über gemeinsame Themen zu diskutieren, als auch veröffentlicht sie wissenschaftliche Studien in Bezug auf wettbewerbsrechtliche Themen. Jedoch mangelt es der UNCTAD an Ressourcen und der politischen Unterstützung der USA und der EU im Rahmen des Wettbewerbsrechts. Letztlich steht die UNCTAD vor einem institutionellen Dilemma, weil ihre Rolle zunehmend unter Beschuss gerät, denn die Arbeiten der OECD und des ICN haben mittlerweile die Führungsrolle in den Bereichen des Wettbewerbsrechts und der Wettbewerbspolitik übernommen.344 Ziel des ICN ist, durch Koordination Konsens untereinander zu schaffen und wettbewerbsrechtliche best practices zu verabschieden. Interessanterweise stützen sie sich größtenteils auf Arbeiten der OECD.345 Die Instrumente des ICN können mit den Instrumenten der verstärkten Zusammenarbeit im Finanzdienstleistungssektor verglichen werden.346 Aufgrund der Missstände im Bereich der Finanzmärkte, im Zeichen der Globalisierung, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 11 (35); Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 200; Kerber, An International Multi-Level System of Competition Laws, in: Drexl (Hrsg.), The Future of Transnational Antitrust, S. 269 (293 f.); Ginsburg/Angstreich, Antitrust L. J. 68 (2000), 219 (224 u. 236). Monopolkommission, Sondergutachten 27: Systemwettbewerb, Tz. 11. 341 Meessen, Das Für und Wider eines Weltkartellrechts, in: Schenk/Schmidtchen/Streit/ Vanberg (Hrsg.), Globalisierung und Weltwirtschaft, S. 336 (353). 342 Winslow, Antitrust 16 (2001 – 2002), 38 (38). 343 Hollman/Kovacic, Minn. J. Int’l L. 20 (2011), 274 (287). 344 Sokol, Berkeley Bus. L.J. 4 (2007), 37 (105). 345 Ebd. 346 Giannino, International cooperation and regulation of transnational mergers, S. 232 ff.

Kap. 3: Internationale Koordinierungsbestrebungen

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welche infolge der Globalisierung entstanden sind, und großer Finanzkrisen bildeten sich mehrere internationale Gremien, die die Verbesserung der internationalen Finanzmarktaufsicht bezwecken.347 Mit der globalen Finanzmarktregulierung beschäftigen sich neben dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht auch die Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörde (IOSCO) und die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS). Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht wurde durch Beschluss der G-10348 Staaten 1974 gegründet, um die Lücken im Aufsichtsnetz durch internationale Kooperation zu schließen.349 IOSCO hat die führende Rolle bei der Aufstellung von Standards auf dem Gebiet der Wertpapieraufsicht inne. IAIS wurde als internationaler Standardsetzer für den Bereich der Versicherungsaufsicht errichtet. Alle verabschiedeten Standards durch diese Gremien sind rechtlich nicht verbindlich und damit soft law-Instrumente.350 Aber trotz ihrer Unverbindlichkeit haben sie eine faktische Wirkung, da die Mitglieder dieser Gremien deren Empfehlungen in nationales Recht umsetzen.351 So ist der Basler Ausschuss für Banken de facto die globale Bankenaufsichtsbehörde, weil seine Mitglieder seine Entscheidungen und Empfehlungen annehmen und in ihr nationales Recht umsetzen.352 Auch hier war zu Beginn der Ruf nach einer internationalen Finanzbehörde laut. Doch dieselben Argumente, die gegen ein Weltkartellrecht sprechen, sprechen gegen ein Weltfinanzrecht. Vergleichbare fachliche Gremien sind zum einen die Financial Action Taskforce (FATF), die auf einen Beschluss des G7-Gipfels 1989, als internationales Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche errichtet wurde. Die 40 Empfehlungen der FATF gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zählen zu den wichtigsten internationalen Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche. Außerdem gibt es im Rahmen der Telekommunikationsregulierung die Independent Regulators Group als Forum für den Erfahrungsund Meinungsaustausch zwischen den nationalen unabhängigen Regulierungsbehörden für Telekommunikation. Folglich ist zu beobachten, dass ein solcher Ansatz 347 Zur Übersicht der wichtigsten internationalen Gremien, s. https://www.bafin.de/DE/Inter nationales/GlobaleZusammenarbeit/globalezusammenarbeit_node.html (zuletzt aufgerufen am 12. 09. 2017). 348 Die G10 ist eine Gruppe zehn (inzwischen elf) führender Industriestaaten. Die Gründungsmitglieder sind die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande, Schweden und Japan. 1983 trat die Schweiz den G10 bei, aber der Name wurde beibehalten. 349 Zur historischen Gründung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, s. http://www. bis.org/bcbs/history.htm (zuletzt aufgerufen am 12. 09. 2017). 350 Ohler, Internationale Regulierung im Bereich der Finanzmarktaufsicht, in: Möllers/ Voßkuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, S. 259 (263 ff.); Möllers, ZaöRV 65 (2005), 351 (368 ff.). 351 Für die Umsetzung der Arbeit des Basler Ausschusses für Banken, s. van Aaken, Transnationales Kooperationsrecht nationaler Aufsichtsbehörden als Antwort auf die Herausforderung globalisierter Finanzmärkte, in: Möller/Voßkuhle/Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, S. 219 (228). 352 Dalhuisen, Dalhuisen on Transnational Comparative, Commercial, Financial and Trade Law Vol. 3, S. 536.

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Teil 2: Die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle

auch in anderen Bereichen verfolgt wird und zugleich erfolgreich ist. Ausgehend hiervon können womöglich die soft law-Instrumente des ICN mit der Zeit verbindliches Recht werden. Aber dem ICN ist entgegenzuhalten, dass bisher keine fallbezogene Zusammenarbeit stattfand und dass seine Empfehlungen zu keiner Reduzierung von Parallelverfahren geführt haben. Ein Blick auf das internationale Wettbewerbsrecht zeigt mithin ein komplexes Netz aus bilateralen, regionalen und multilateralen bzw. plurilateralen wettbewerbsrechtlichen Vereinbarungen, die sich jeweils in ihren Zielgebungen und ihrem Umfang unterscheiden: „a network of networks“. Deutlich wurde in diesem Teil der Arbeit die Entwicklung von Konflikten hin zur Kooperation bis hin zu Konvergenzbemühungen der Wettbewerbspolitik im Bereich des Fusionskontrollrechts. Wie gesehen, kann Konvergenz viele Bedeutungen haben, angefangen bei einer verfahrensrechtlichen Abstimmung bis hin zur Koordination und einer totalen Harmonisierung des materiellen Rechts. Zurzeit ist eine Verschiebung weg von rechtsverbindlichen Vereinbarungen hin zur Schaffung von Vereinbarungen in Form von soft law zu beobachten; am erfolgreichsten sind hier die Bemühungen der OECD und des ICN. Die Arbeiten der OECD und des ICN ergänzen sich und bauen aufeinander auf. Beide werben für eine verfahrensrechtliche statt einer materiellrechtlichen Konvergenz der Fusionskontrolle. Allerdings ist problematisch, dass zum einen deren Empfehlungen rechtlich unverbindlich sind und zum anderen es nach wir vor keine klaren Regeln in Bezug auf die Zuständigkeitsaufteilung bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse gibt. Damit ist die Bilanz im Hinblick auf die verschiedenen internationalen Kooperations- und Konvergenzbemühungen ernüchternd: Diese sind nicht ausreichend, um die Jurisdiktionskonflikte, ausgelöst durch multijurisdiktionelle Zusammenschlussvorhaben und der damit zusammenhängenden Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen und erhöhter Transaktionskosten, zu lösen bzw. zu verringern. Die Idee, Regeln zu entwickeln, um ein internationales effizientes Fusionskontrollregime zu schaffen, trifft auf weitgehende Akzeptanz sowohl in der Literatur als auch in der Praxis. Uneinig ist man sich jedoch, wie dieses konkret auszusehen hat. Aus diesem Grund gilt es zu ermitteln, welche nächsten Schritte möglich sind, um tatsächliche Fortschritte in Richtung einer Verbesserung der Anmeldung und Prüfung der multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse zu erzielen. Dies wird im Folgenden in Teil 3 des internationalen Teils dieser Arbeit diskutiert.

Teil 3

Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime – ja oder nein? Im Gegensatz zur Bekämpfung von Kartellen, wonach sich die Staaten einig sind, dass diese schlecht für den Wettbewerb sind und damit aufgedeckt werden müssen, sieht dies bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen anders aus. Zwar haben in den letzten Jahren immer mehr Staaten Fusionskontrollregelungen erlassen, aber dies bedeutet nicht, dass damit Einheitlichkeit einhergegangen ist. Die unterschiedlichen materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen spiegeln unterschiedliche wettbewerbspolitische Zielvorstellungen wieder. Aus der Perspektive der Unternehmen bedeutet dies nichts anderes außer, ihr Zusammenschlussvorhaben in mehreren Jurisdiktionen anzumelden. Die bisherigen Harmonisierungsansätze – Havanna-Charta und ein Wettbewerbsabkommen im Rahmen der WTO – sind bisher gescheitert und haben den unilateralen Ansatz der Staaten bestärkt. Diese wenden oft ihre Gesetze, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, extraterritorial an. Aber das Auswirkungsprinzip verhindert nicht die Konflikte, die sich im Rahmen der Durchsetzung und Sanktionierung stellen. Um das Risiko dieser Konflikte zu mindern, wurden anfangs zwar bilaterale Kooperationsabkommen geschlossen, aber diese sehen lediglich Regelungen zu Mitteilungen, Konsultationen, Meinungsaustausch zwischen den Behörden und ggf. noch zur Amtshilfe vor. Weder die comity-Klauseln noch die best practices verschiedener Organisationen hinder(te)n die Staaten daran, ihre Gesetze extraterritorial anzuwenden, sodass die Konfliktpotentiale nach wie vor bestehen. Auch die Bemühungen der UNCTAD, der OECD und des ICN sind vollkommen unverbindlich und haben de facto kaum bzw. keine Wirkungen entfaltet. Im Grunde genommen kooperieren Staaten nur, um die Symptome des unilateralen Ansatzes zu heilen. Die Frage, ob es ein internationales Kartellrecht geben soll, wurde in der Literatur bereits mehrfach und ausführlich diskutiert. Diese Diskussion soll hier nicht wiedergegeben werden. Stattdessen wird auf Basedow353 verwiesen. Allerdings wurde bisher nur sporadisch diskutiert, wie die Probleme im Rahmen der multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse, insbesondere die Zuständigkeitsfragen auf internationaler Ebene zu lösen sind. Wer prüft, genehmigt bzw. untersagt internationale Zusammenschlüsse? Wie soll konkret ein internationales Fusionskontrollrecht aussehen? Welche Rechtsordnung gilt dann? Wie sieht die Durchsetzung einer in353

Basedow, Weltkartellrecht.

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

ternationalen Fusionskontrolle aus? Es besteht keine Einigkeit darüber, wie ein internationales Fusionskontrollregime aussehen soll, vielmehr existieren unterschiedliche Vorstellungen hierüber. Diese werden im Folgenden vorgestellt und anschließend wird hierzu Stellung genommen. Im Rahmen der Stellungnahme wird darauf zu achten sein, dass die Souveränität der einzelnen Staaten nicht untergraben werden darf und die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses, die über den nationalen Markt hinausgehen, berücksichtigt werden müssen. In diesem Zusammenhang soll folgende These vertreten werden: Die Schaffung einer einzigen globalen Wettbewerbsbehörde, die sich mit der Prüfung von internationalen Unternehmenszusammenschlüssen beschäftigt, ist weder realistisch noch wünschenswert. Stattdessen werden die hohen Transaktionskosten durch die vertiefte Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden und soft law-Instrumente minimiert. Kapitel 1

Lösungsansätze Die Vorschläge, die sich speziell mit den Problemen der multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen beschäftigen, sind vielfältig und sollen im Folgenden vorgestellt werden. Im Anschluss daran soll der Frage nachgegangen werden, wie realistisch diese Vorschläge tatsächlich sind.

A. Beibehaltung des Status quo Es gibt Stimmen in der Literatur, die bereits das bisherige System der extraterritorialen Rechtsanwendung als ausreichend betrachten und ggf. eine Verbesserung hinsichtlich der Kooperation der Wettbewerbsbehörden empfehlen.354

354 So beispielsweise Franker, der der Meinung ist, dass sich die Probleme infolge der extraterritorialen Fusionskontrollanwendung durch die Anwendung des negative comityPrinzips lösen lassen, s. Franker, Geo. Wash. Int’l L. Rev. 36 (2004), 877 (905 ff.). Siehe auch: Hauser/Schoene, Aussenwirtschaft 49 (1994), 205 (216 f.); Meessen, Das Für und Wider eines Weltkartellrechts, in: Schenk/Schmidtchen/Streit/Vanberg (Hrsg.), Globalisierung und Weltwirtschaft, S. 336 ff. Möschel sieht für eine internationale Fusionskontrolle mehr Risiken als Chancen, Möschel, Megafusionen: Besteht ordnungspolitischer Handlungsbedarf?, in: Franz/ Ramser/Stadler (Hrsg.), Fusionen, S. 271 ff., insbes. S. 275 ff.; Kampouridi, World Competition Law and Economics Review Vol. 38 (2015), 107 (107 ff.; insbes. 118 ff.).

Kap. 1: Lösungsansätze

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B. Materiell-rechtliche Harmonisierungsvorschläge Einige behaupten, die Globalisierung der Märkte verlangt zugleich globalisierte Regeln, nach denen alle internationalen Zusammenschlüsse gleich zu beurteilen sind, denn die erhöhten Transaktionskosten für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen seien ein Grund für die Harmonisierung der verschiedenen nationalen Wettbewerbsrechte. Die Harmonisierungsvorschläge reichen von der Einführung einer supranationalen Organisation mit einer globalen Wettbewerbsaufsichtsbehörde bis hin zum Erlass von Regelungen, die die Prüfung anhand eines Leitjurisdiktionsmodells festlegen oder den Anruf eines supranationalen Panels bei Streitigkeiten, wobei die nationalen Vorschriften weiterhin parallel anwendbar sind. I. Supranationales Modell Die Einführung einer supranationalen Organisation, die für die Prüfung von Zusammenschlüssen, die eine internationale Dimension aufweisen, zuständig wäre, soll entweder nach dem Vorbild der europäischen Fusionskontrollverordnung erfolgen, wonach die Europäische Kommission die alleinige Zuständigkeit für die Prüfung von Zusammenschlüssen, die eine unionsweite Bedeutung aufweisen, zuständig ist, oder die nationalen Vorschriften sind weiterhin parallel anwendbar und erst bei Streitigkeiten soll es die Möglichkeit geben, ein supernationales Panel anzurufen.355 So hat beispielsweise der frühere Präsident des Deutschen Bundeskartellamts Dieter Wolf vorgeschlagen, in einer internationalen Fusionskontrollvereinbarung die Regelungen für internationale Fusionen festzuhalten, welche u. a. bei Verstoß dieser Regeln als Sanktion die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Vertrages vorsieht.356 Denkbar wäre ebenso eine Harmonisierung nur für Staaten mit einer relativ homogenen Wirtschaftspolitik.357

355 Kleinert/Klodt, Megafusionen, S. 89; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, in Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 11 (34); Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 199; Dujim/Winter, WuW 1993, 465 (470 f.); Campbell/Trebilcock, International Merger Review, in: Kantzenbach/Scharrer/Waverman (Hrsg.), Competition Policy in an Interdependent World, S. 129 (153 f.); Campbell/Trebilcock, Interjurisdictional Conflict in Merger Review, in: Waverman/Comanor/Goto (Hrsg.), Competition Policy in the Global Economy, S. 89 (112 f.); Fox, Va. J. Int’l L. 43 (2002 – 2003), 911 (926 ff.); Holbrook, UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff.7 (2002 – 2003), 345 (366 ff.); Sedemund, Zur Notwendigkeit einer einheitlichen Aufsichtsbehörde für globale Fusionen, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 107 (108 f. u. 114 f.); Hüsken, „Multilaterales Dach“ für Fusionskontrolle?, S. 134 ff. u. 163 ff. 356 Wolf, International Mergers, in: Zäch (Hrsg.), Towards WTO Competition Rules, S. 205 (209). 357 Sedemund, Zur Notwendigkeit einer einheitlichen Aufsichtsbehörde für globale Fusionen, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 107 (109).

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

II. Mindestharmonisierung: Draft International Antitrust Code Andere schlagen ein zwar begrenztes, aber dennoch verbindliches Fusionskontrollrecht vor, wonach sich die Staaten auf gemeinsame Regeln einigen, mit der Besonderheit, dass die Durchsetzung nicht global, sondern nach wie vor national erfolgt.358 Das Stichwort lautet hier „Mindestharmonisierung“. Danach einigen sich die Staaten auf einheitliche wettbewerbsrechtliche Regelungen und passen ihre nationalen Wettbewerbsnormen dementsprechend an, wobei es jedem Staat offensteht, außerhalb dieser Mindestregeln strengere Vorschriften zu erlassen. Aus der Wissenschaft gab es Anfang der neunziger Jahre vermehrt Stimmen, die ein allgemeines Wettbewerbsabkommen im Rahmen des früheren GATT forderten. Im Jahr 1993 wurde der Draft International Antitrust Code (DIAC), das ein solches Modell der Mindestharmonisierung vorsieht, von Wettbewerbsrechtsexperten unter Führung des Max-Planck Instituts für Internationales Recht in München entworfen, und dem Generaldirektor des damaligen GATT vorgelegt.359 Den Entwurfsvätern zufolge sei der GATT hierfür prädestiniert, weil nicht nur staatliche Handelsschranken, sondern auch private Wettbewerbsbeschränkungen den Handel beeinträchtigen können. Erwähnenswert ist der DIAC deshalb, weil er den ersten Versuch eines hard law-Ansatzes darstellt, der eine internationale Wettbewerbsrechtsordnung schaffen möchte, und er ferner Streitschlichtungsmechanismen für wettbewerbsrechtliche Konflikte vorsieht. Der DIAC-Entwurf ist kein Kodex im engeren Sinne, sondern als plurilaterales Abkommen ausgestaltet360, welches für grenzüberschreitende unternehmensadressierte Wettbewerbsbeschränkungen (Kartelle, Missbrauch marktbeherrschender Stellungen und Fusionskontrolle) Mindeststandards schaffen will, die dann in nationales Recht transformiert werden sollen. Die Staaten dürfen strengere Regelungen vorsehen, müssen diese aber dann auch konsequent auf internationale Sachverhalte anwenden. Im Allgemeinen wird der DIAC durch fünf Grundsätze bestimmt361: Erstens bleiben die nationalen Wettbewerbsgesetze für die materiell-rechtliche Beurteilung maßgeblich. Damit ist kein einheitliches Weltkartellrecht wie die gescheiterte Havanna-Charta das Ziel des DIAC. Zweitens gilt das Prinzip der Inländerbehandlung 358 Girardet, Internationales Fusionskontrollrecht – Konflikt und Konvergenz, S. 195 ff.; Fikentscher/Immenga (Hrsg.), Draft International Antitrust Code, S. 53 ff. 359 Abgedruckt ist der Text, in: Fikentscher/Immenga (Hrsg.), Draft International Antitrust Code, S. 53 ff. Der DIAC wird wegen seinem Entstehungsort auch „Munich Code“ genannt. 360 Siehe: International Antitrust Code Working Group, Draft International Antitrust Code, Introduction. Punkt III. des DIAC, S. 58; Fikentscher/Drexl, Der Draft International Antitrust Code – Zur institutionellen Struktur eines künftigen Weltkartellrechts, in: Fikentscher/Immenga (Hrsg.), Draft International Antitrust Code, S. 35 (35). 361 Siehe: International Antitrust Code Working Group, Draft International Antitrust Code, Introduction. Punkt VI. des DIAC, S. 64 ff.

Kap. 1: Lösungsansätze

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bzw. der Inlandsbehandlung, wonach kein Unterschied zwischen nationalen und internationalen Wettbewerbsbeschränkungen zu machen sei. Drittens müssen die nationalen Wettbewerbsgesetze einen Mindestschutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gewährleisten. Viertens soll eine internationale Kartellbehörde (IAA) die Wirksamkeit und Durchsetzung der DIAC-Regeln garantieren.362 Es wird weiterhin nationales Recht angewandt, aber die IAA hat, um die tatsächliche Durchsetzung zu gewährleisten, Verfahrens- und Initiativrechte. Zudem soll ein International Antitrust Panel Streitfälle, die zwischen den Mitgliedstaaten oder zwischen der IAA und einem Mitgliedstaat entstehen, schlichten, dessen Entscheidungen rechtlich verbindlich wären.363 Fünftens sollen vom DIAC nur Fälle mit grenzüberschreitenden Auswirkungen erfasst werden. Der Schwerpunkt des DIAC ist die Ausgestaltung des materiellen Kartellrechts, sofern es sich um internationale Sachverhalte handelt. Im dritten Teil des DIAC werden Zusammenschlüsse geregelt. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. a DIAC sind Unternehmenszusammenschlüsse, die die beherrschende Stellung eines Unternehmens oder anderer Unternehmen begründen oder verstärken und damit den wirksamen Wettbewerb in dem relevanten Markt behindern, verboten. Damit schlägt der DIAC für die materiell-rechtliche Prüfung einen Marktbeherrschungstest vor, wobei nicht das nationale Gemeinwohl, sondern das internationale maßgebend sei. Vom DIAC werden jedoch nur Zusammenschlüsse erfasst, die eine internationale Dimension aufweisen364 und Auswirkungen in mindestens zwei Staaten haben, vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 3 Abs. 1 DIAC. Ein Zusammenschluss hat nach Art. 9 Abs. 2 lit. a DIAC keine internationale Bedeutung, wenn der weltweite Umsatz der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen weniger als 0,1 % des BNE eines Mitgliedstaates, welcher vom Zusammenschlussvorhaben betroffen ist, beträgt oder mehr als 90 % des weltweiten Umsatzes der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen außerhalb des Territoriums des Mitgliedstaates, welcher vom Zusammenschluss betroffen ist, erzielt werden. Ferner ist das Verfahren präventiv ausgestaltet, d. h. Zusammenschlüsse von internationaler Bedeutung müssen nach Art. 10 Abs. 1 lit. a und b DIAC vor Vollzug sowohl bei der IAA als auch bei den nationalen Behörden, deren Märkte betroffen sind, angemeldet werden. Daraufhin gibt die IAA den nationalen Behörden Empfehlungen, wie sie zu verfahren haben und kann ggf. Unternehmen vor nationale Gerichte bringen, vgl. Art. 10 Abs. 3 DIAC. Indem der DIAC kein Weltkartellrecht erlassen, sondern verbindliche Mindeststandards einführen will, wird versucht einen Mittelweg zwischen gar keiner Harmonisierung und einer vollständigen Harmonisierung einzuschlagen. Zwar ist dieser Vorschlag souveränitätsschonend und mit ihm wird weltweit ein Mindestschutz gewährleistet, aber Leitbegriffe wie „Marktmacht“ oder „relevanter Markt“ werden 362

Siehe Art. 19 DIAC. Siehe Art. 20 DIAC. 364 Dieses Kriterium ist an das Kriterium der „unionsweiten Bedeutung“ der FKVO angelehnt. 363

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

nicht definiert, sodass bereits eine uneinheitliche Beurteilung vorprogrammiert ist.365 Was die Bestimmung des Merkmals „internationale Dimension“ anhand der Schwellenwerte betrifft, ist zu sagen, dass das Bruttonationaleinkommen der einzelnen Staaten sehr stark variieren kann: Im Jahr 2016 betrug beispielsweise das Bruttonationaleinkommen der USA als stärkstes Land ca. 19 Milliarden US-Dollar. Dagegen betrug das Bruttonationaleinkommen von Tuvalu im Jahr 2016 lediglich ca. 55 Mio. US-Dollar.366 Demnach wären auch kleine Zusammenschlüsse in Staaten mit niedrigeren Bruttonationaleinkommen, die eigentlich keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben, anzumelden. Dies resultiert daraus, dass auf die Umsätze und nicht auf die möglichen Auswirkungen auf den lokalen Markt abgestellt wird. Darüber hinaus sieht der DIAC keine verfahrensrechtlichen Vorschriften für die Koordination und Kooperation unter den Mitgliedstaaten vor. III. Kritische Bewertung Zwar erhoffen sich die meisten durch eine Harmonisierung des materiellen Rechts ein sog. level playing field, wonach für alle Staaten die Spielregeln gleich gelten, aber das kann schon gar nicht möglich sein. Dem Verständnis vom „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ zufolge ist eine Harmonisierung auch nicht wünschenswert, da diese den Wettbewerb der Wettbewerbssysteme unterbinden würde. So auch die deutsche Monopolkommission, wenn sie schreibt: „Ausstattungs- und Präferenzunterschiede und auch die institutionellen Rahmenbedingungen determinieren die komparativen Vor- und Nachteile einzelner Länder im weltweiten Wettbewerb, deren Ausnutzung Wohlfahrtsteigerungen erst ermöglicht. Ein Level Playing Field eliminiert die komparativen Vorteile und bedeutet für die betroffenen Länder einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und einen Wohlfahrtsverlust für die Weltgesellschaft durch Behinderung der internationalen Arbeitsteilung. Zu bedenken ist auch, daß nationale institutionelle Regelungen die heimischen Präferenzen reflektieren. Mit einer Harmonisierung der Vorschriften würden den betroffenen Ländern zugleich einheitliche Präferenzen oktroyiert; dies ist unvereinbar mit dem Freiheitsgedanken. Eine sinnvolle ökonomische Begründung für die Schaffung eines Level Playing Field läßt sich nicht finden.“367

Die Schaffung einer einheitlichen Aufsichtsbehörde für globale Fusionen mindert zudem nicht die Transaktionskosten, sondern wird sie vielmehr erhöhen368 : Dies liegt zum einen daran, dass die angeforderten Informationen nach wie vor an jede einzelne Jurisdiktion angepasst werden müssen, sodass man letztlich nur einen Überschuss an Informationen haben würde. Zum anderen wird aufgrund der Verschiedenheit der 365

Wins, Eine internationale Wettbewerbsordnung als Ergänzung zum GATT, S. 123. Siehe: http://www.factfish.com/de/statistik/bruttonationaleinkommen%20 (zuletzt aufgerufen am 06. 12. 2017). 367 Monopolkommission, Sondergutachten 27: Systemwettbewerb, Tz. 18. Zum Verlust des Systemwettbewerbs, s. auch: Freytag/Zimmermann, RabelsZ Bd. 62 (1998), 38 (49 f.). 368 Sokol/Blumenthal, Merger Control: key international norms and differences, in: Ezrachi (Hrsg.), Research Handbook on International Competition Law, S. 319 (340 f.). 366

Kap. 1: Lösungsansätze

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betroffenen Märkte im Ergebnis (nachdem die Daten ermittelt wurden) stehen, dass sich die Marktanteile der Unternehmen von Staat zu Staat unterscheiden, weil die relevanten Marktverhältnisse in den einzelnen Staaten unterschiedlich sind.369 Damit hätte man nichts gewonnen. Ungeachtet der Frage, wer die Kosten einer solchen internationalen Mammutbehörde finanzieren und wer diese vor der politischen Einflussnahme der jeweiligen Staaten schützen wird370, ist bereits die Rechtswirkung dieser Vereinbarung fraglich. So auch Jackson, der die Haltung der Skeptiker wie folgt zusammenfasst: „(…) only a very broad and general but brief code would be feasible. Such a code might even not be ,binding‘, since it would be phrased in such general (and arguably ambiguous) terms.“371 Demnach werden sich die Staaten nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, was letztlich nur eine Verwässerung der Prüfungsstandards mit sich bringt.372 Dies wird zudem auch dadurch bestätigt, indem man sich die Vorschläge zu einem Weltkartellrecht anschaut. Hierbei fällt auf, dass alle Vorschläge das Fusionskontrollrecht als eher nationalstaatlich orientiert und komplex wahrnehmen und daher bewusst außen vorgelassen haben. Den Stimmen, die ein supranationales Modell nach dem Vorbild der FKVO wollen, ist entgegenzuhalten, dass der europäische Einigungsprozess einzigartig ist und sich und damit auch die FKVO nicht ohne weiteres auf die globale Welt kopieren lässt.373 Die FKVO ist nicht nur in einem bestimmten politischen Rahmen eingebettet, sondern die EG hat insgesamt 16 Jahre gebraucht, um die FKVO zu erlassen und dass obwohl ihre Mitglieder relativ homogen sind. So stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: Wie lange wird es dauern, wenn sich die ganze Welt einigen muss?374

C. Leitjurisdiktionsmodell Weiterhin gibt es Vorschläge zur Prüfung eines internationalen Zusammenschlusses anhand eines Leitjurisdiktionsmodells.375 Danach sollen Regeln geschaf369 Ginsburg/Angstreich, Antitrust L. J. 68 (2000), 219 (224): „(…) facts have a nasty habit of being different in different markets (…)“. 370 Drauz, Aktuelle Entwicklung in der Europäischen Fusionskontrolle, in: Baudenbacher (Hrsg.), Neueste Entwicklungen im europäischen und internationalen Kartellrecht, S. 89 (98). 371 Jackson, Außenwirtschaft 49 (1994), 177 (196). So ähnlich auch: Griffin, Int Trade L & Regul 3 (1997), 39 (41): „(…) it is likely that any agreement reached in the WTO context would be so general as to be meaningless (…)“. 372 Möschel, WuW 2005, 599 (604); Ezrachi, Geo. Wash. Int’l L. Rev. 36 (2004) 433 (443). 373 Sweeney, The Internationalisation of Competition Rules, S. 279. 374 Meessen, Das Für und Wider eines Weltkartellrechts, in: Schenk/Schmidtchen/Streit/ Vanberg (Hrsg.), Globalisierung und Weltwirtschaft, S. 336 (349). 375 Janow, Transatlantic Cooperation on Competition Policy, in: Evenett/Lehmann/Steil (Hrsg.), Antitrust Goes Global, S. 29 (51 f.); ICPAC, Final Report 2000, S. 59, 75 ff.;

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

fen werden, die bei der parallelen Zuständigkeit mehrerer nationaler Wettbewerbsbehörden nur eine bestimme Jurisdiktion bestimmen, die anschließend für die Prüfung dieses internationalen Zusammenschlusses zuständig ist. Campbell/ Trebilcock haben drei Alternativen erarbeitet, wie die Bestimmung eines solchen Leitjurisdiktionsmodels erfolgen kann.376 Diese sollen im Folgenden vorgestellt und anschließend kritisch bewertet werden. Vorab ist zu sagen, dass alle von einem internationalen Zusammenschluss ausgehen, welcher Auswirkungen auf mehrere Märkte hat. I. Leitjurisdiktion als eine Koordinationsstelle ohne Prüfungskompetenz Die erste Möglichkeit sieht die Bestimmung der Leitjurisdiktion als eine Koordinationsstelle vor, wonach diese primär eine zentrale Informationssammlungsfunktion erfüllt. In erster Linie versucht sie, die verschiedenen Kontrollverfahren zu koordinieren und den Informationsaustausch unter den beteiligten Wettbewerbsbehörden zu organisieren. Damit wird eine internationale verfahrensrechtliche Zentrale („international procedural clearing house“) geschaffen, die als Koordinator und Moderator fungiert.377 Laut Budzinski handelt es sich bei diesem freiwilligen Leitjurisdiktionsmodell um „eine logische Weiterentwicklung des ICN“378.

Trebilcock/Iacobucci, National Treatment and Extraterritoriality,, in: Epstein/Greve (Hrsg.), Competition Laws in Conflict, S. 152 (166); Budzinski/Kerber, Internationale Wettbewerbspolitik aus ökonomischer Perspektive, in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 9 (29); Budzinski, Mehr-Ebenen-Governance, Leitjurisdiktionskonzepte und globaler Wettbewerb, in: Ohr (Hrsg.), Governance in der Wirtschaftspolitik, S. 73 (80 ff.); Budzinski, The Governance of Global Competition, S. 221 ff.; Becher, Globalisierung und Fusionskontrolle in der Unternehmenspraxis, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 77 (82). 376 Campbell/Trebilcock, International Merger Review, in: Kantzenbach/Scharrer/Waverman (Hrsg.), Competition Policy in an Interdependent World, S. 129 (147 ff.); Campbell/ Trebilcock, Interjurisdictional Conflict in Merger Review, in: Waverman/Comanor/Goto (Hrsg.), Competition Policy in the Global Economy, S. 89 (108 ff.). Trebilcock, Journal of World Trade 30/4 (1996), 71 (102). 377 Auch Fox findet die Idee des central clearing house attraktiv. Siehe: Fox, The Alternative DIAC in the Light of the Twenty First Century, in: FS Immenga, S. 149 (155); Fox, St. John’s Law Review 75 (2001), 383 (399); Fox, Can We Control Merger Control? – An Experiment, in: Policy Directions for Global Merger Review 1999. A Special Report of the Global Competition Review by the Global Forum for Competition and Trade Policy 1999, 79 (86 f.). Ebenso: Sedemund, Zur Notwendigkeit einer einheitlichen Aufsichtsbehörde für globale Fusionen, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 107 (108 f.). 378 Budzinski, Mehr-Ebenen-Governance, Leitjurisdiktionskonzepte und globaler Wettbewerb, in: Ohr (Hrsg.), Governance in der Wirtschaftspolitik, S. 73 (81).

Kap. 1: Lösungsansätze

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In diesem Zusammenhang schlägt Wilson die Einrichtung einer WTO-Wettbewerbsbehörde vor, die diese Aufgaben übernehmen soll.379 Auch Fiebig schlägt vor, dass es im Rahmen der WTO ein „Premerger Control Office“ geben soll, das befugt ist, Zusammenschlussvorhaben, die in mehreren Staaten angemeldet werden müssen, zu prüfen.380 Die Hauptaufgabe des WTO Premerger Control Office wäre demnach die Rechtsordnungen, in denen die Vorhaben keine wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen haben, zu ermitteln, ohne eine materiell-rechtliche Prüfung vorzunehmen.381 Die Unternehmen hätten dann die Wahl, ihr Vorhaben bei verschiedenen Behörden oder nur einmalig beim WTO Premerger Control Office anzumelden.382 Die Staaten, die sich für die Anmeldung bei der WTO entscheiden, müssen im Anmeldeformular angeben, bei welchen Staaten das Vorhaben anzumelden gewesen wäre, sodass die Entscheidung der WTO nur für diese Staaten dann verbindlich wäre, wobei diese Entscheidung dann ausnahmsweise zurückgewiesen werden kann, wenn materiell-rechtliche Gründe dagegen sprechen, vorausgesetzt das Unternehmen hat in diesem Staat mehr als 10 % seiner Marktanteile.383 Sedemund schlägt dagegen vor, dass diese korrdinierende Behörde nach Art. 9 FKVO entsprechend die Prüfung eines Zusammenschlusses an eine bestimmte nationale Wettbewerbsbehörde verweisen soll, wenn sich das Vorhaben schwerpunktmäßig in einem bestimmten Staat auswirkt.384 Völcker385 schlägt die Schaffung einer übergreifenden Koordination im Hinblick auf Abhilfemaßnahmen von multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen vor. Hierbei soll eine Behörde die Führung im Rahmen der Ermittlungen übernehmen und die anderen Behörden können dann diese Abhilfemaßnahme im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtigen.

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Wilson, Globalization and the Limit of National Merger Control Laws, S. 307 ff. Ebenso: Immenga, Comments on Laurence Idot: Concentration and Cooperation Cases, in: Drexl (Hrsg.), The Future of Transnational Antitrust, S. 81 (82). 380 Fiebig, Nw. J. Int’l L. & Bus. 20 (2000), 233 (234, insbes. 247 ff.). So ähnlich auch Hunt, der eine Einführung einer internationalen Fusionskontrollbehörde (außerhalb des WTORegimes) befürwortet und sogar einen Schritt weiter geht: seine Idee soll über nicht verbindliche best practices und den freiwilligen Maßnahmen hinausgehen. s. Hunt, Nw. J. Int’l L. & Bus. 28 (2007), 147 (162 ff.). 381 Fiebig, Nw. J. Int’l L. & Bus. 20 (2000), 233 (247 f.). 382 Fiebig, Nw. J. Int’l L. & Bus. 20 (2000), 233 (249). 383 Fiebig, Nw. J. Int’l L. & Bus. 20 (2000), 233 (251). 384 Sedemund, Zur Notwendigkeit einer einheitlichen Aufsichtsbehörde für globale Fusionen, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 107 (108 f.). 385 Völcker, Dare to Defer? Towards Greater Procedural Efficiency in Multijurisdictional Merger Remedies, in: Lowe/Marquis (Hrsg.), European Competition Law Annual 2010. Merger Control in European and Global Perspective, S. 133 ff.

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

II. Leitjurisdiktion, welche die Staaten untereinander bestimmen Die zweite Möglichkeit sieht vor, dass eine Leitjurisdiktion aufgrund einer Vereinbarung bestimmt wird und diese führende Jurisdiktion dann verbindlich für alle Staaten die Prüfung des internationalen Zusammenschlusses vornimmt.386 Verfahrensführend wäre die Jurisdiktion, die den größten Anteil potenziell (negativ) betroffener Konsumenten aufweist und damit die stärksten Wohlfahrtseinbußen hinnehmen muss.387 Ein anderes Kriterium wäre ebenso die am besten ausgestattete Behörde oder die Behörde, die gegebenenfalls Sanktionen am besten durchsetzen kann. Diese zweite Möglichkeit favorisieren ebenfalls Budzinski/Kerber. Ausgehend von der Annahme, dass die jetzige internationale Wettbewerbsordnung durch ein Mehr-Ebenen-System von zahlreichen wettbewerbsrechtlichen Regelungen charakterisiert ist388, entwickelt Budzinski ein Analysekonzept für die verschiedenen Formen der internationalen Kompetenzabgrenzung.389 Seiner Meinung nach müssen die Kompetenzabgrenzungskriterien folgende Zielfunktionen erfüllen: (1) Internalisierung externer Effekte, (2) Schaffung von Kosteneffizienz für Behörden und Unternehmen, (3) Berücksichtigung von Präferenzen der betroffenen Jurisdiktionen, (4) Verhindern von Beeinflussungen durch Interessengruppen und (5) die Möglichkeit, sich flexibel an geänderte Marktbedingungen oder wettbewerbspolitische Konzeptionen anzupassen. Das Auswirkungsprinzip schneidet nach diesem Analysekonzept schlecht ab, weil es weder die externen Effekte internalisiere noch sei es kosteneffizient; vielmehr sorge es dafür, dass verschiedene Wettbewerbsbehörden parallel für die Prüfung eines Zusammenschlussvorhabens zuständig seien.390 Aus diesem Grund sprechen sich Budzinski/Kerber für die Bestimmung einer verfah386

Ebenso befürwortend: Fox, Can We Control Merger Control? – An Experiment, in: Policy Directions for Global Merger Review 1999. A Special Report of the Global Competition Review by the Global Forum for Competition and Trade Policy 1999, 79 (87). 387 „[T]he choice of lead jurisdiction should reflect the concern for consumers that animates competition policy. The country that represents the largest share of consumption should presumbly be the lead jurisdiction.“ Trebilcock/Iacobucci, National Treatment and Extraterritoriality, in: Epstein/Greve (Hrsg.), Competition Laws in Conflict, S. 152 (166). 388 Kerber, Wettbewerbspolitik als nationale und internationale Aufgabe, in: Apolte/Caspers/Welfens (Hrsg.), Standortwettbewerb, wirtschaftliche Rationalität und internationale Ordnungspolitik, S. 241 (252); Budzinski/Kerber, Internationale Wettbewerbspolitik aus ökonomischer Perspektive in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 9 (25 ff. und 29). So ist beispielsweise das europäische Fusionskontrollsystem durch seine zwei Ebenen gekennzeichnet: die supranationale Ebene ist durch die FKVO geregelt, wonach die alleinige Zuständigkeit für die Prüfung von unionsweiten Zusammenschlüssen bei der Europäischen Kommission liegt und die zweite (untere) Ebene umfasst die nationalen Fusionskontrollregime der 28 EU-Mitgliedstaaten. 389 Budzinski, The international competition network as an international merger control institution, in: Chen (Hrsg.), International Institutions and Multinational Enterprises, S. 64 (80 ff.); Budzinski, The Governance of Global Competition, S. 95 ff. 390 Budzinski, The Governance of Global Competition, S. 168 ff.

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rensführenden Wettbewerbsbehörde aus, die auf Basis der Herkunftsländer der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen oder der am stärksten betroffenen Märkte zu bestimmen wäre.391 Diese Behörde wäre befugt, stellvertretend für alle anderen die wettbewerbsrechtlichen Wirkungen des Vorhabens zu prüfen. In Konfliktfällen entscheidet dann die globale Behörde zwischen Staaten und Unternehmen. III. Leitjurisdiktion, welche durch eine internationale Behörde bestimmt wird Die dritte Möglichkeit sieht vor, dass ein supranationales Gremium primär bestimmt, welche Leitjurisdiktion heranzuziehen ist, wobei es nicht selbst das Zusammenschlussvorhaben materiell-rechtlich prüft.392 Die Entscheidung, wer zuständig ist, soll innerhalb von maximal vier Wochen ergehen und ist dann für die Mitgliedstaaten dieses Gremiums bindend. Laut Budzinski soll zudem das International Competition Panel die Wettbewerbsregeln der Mitglieder überwachen und ggf. auf eine Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung prüfen und zugleich als Anlaufstelle für Beschwerden fungieren.393 IV. Zusammenfassung und allgemeine Kritik Die Ausgestaltung des prüfenden Leitjurisdiktionsmodells kann in zwei Gruppen unterteilt werden: Zum einen als freiwilliges und zum anderen als verbindliches Modell. Im ersteren Modell ist die Leitjurisdiktion Koordinator, der Beweise zusammenstellt und verteilt, dessen Entscheidung letztlich nicht verbindlich, sondern vielmehr eine Empfehlung ist. Daraus folgt, dass Parallelverfahren weiterhin bestehen, aber es erfolgt eine rationale Arbeitsweise. Letzteres Modell ist eher als one stop shop-Anlaufstelle ausgestaltet, indem die Leitjurisdiktion das Vorhaben prüft und ihre Entscheidung für alle anderen rechtsverbindlich ist. Unter den Teilnehmern dieses Modells würde es dann auch keine Parallelverfahren mehr geben. Die Auswahl der Leitjurisdiktion kann entweder durch ein globales Gremium erfolgen oder von den teilnehmenden Staaten jedes Mal neu bestimmt werden. Der Vorteil dieses Modells ist, dass keine materiell-rechtlichen Regelungen, sondern nur Verfahrensregeln zur Auswahl und Ernennung der Leitjurisdiktion geschaffen werden.

391 Budzinski/Kerber, Megafusionen, Wettbewerb und Globalisierung, S. 109; Budzinski/ Kerber, Internationale Wettbewerbspolitik aus ökonomischer Perspektive in: Oberender (Hrsg.), Internationale Wettbewerbspolitik, S. 9 (29). 392 So auch Budzinski, der damit eine Trennung zwischen Fallallokations- und Entscheidungskompetenz bezweckt. Budzinski, Mehr-Ebenen-Governance, Leitjurisdiktionskonzepte und globaler Wettbewerb, in: Ohr (Hrsg.), Governance in der Wirtschaftspolitik, S. 73 (84 ff.); Budzinski, The Governance of Global Competition, S. 224 ff. 393 Budzinski, The Governance of Global Competition, S. 225.

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

Das Leitjurisdiktionsmodell ist außerhalb des Wettbewerbsrechts bereits Praxis. So ermöglicht der Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens394 den Antragstellern eine internationale Patentanmeldung bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Daraufhin wird eine Patentbehörde als internationale Recherchebehörde bestimmt, um internationale Recherchen in Bezug auf die Patentanmeldung für alle durchzuführen. Anschließend erstellt sie einen internationalen Recherchebericht und eine schriftliche Stellungnahme zur möglichen Patentierbarkeit der Erfindung. Jedoch ist sowohl der Bericht als auch die Stellungnahme nicht rechtlich verbindlich, sodass die Erteilung eines Patents weiterhin jeder Jursidiktion selbst überlassen bleibt, wobei laut der Praxis diese Dokumente von jedem Patentamt bei der Prüfung der Gewährleistung des Patentschutzes berücksichtigt wird. Die Bestimmung eines Leitjurisdiktionsmodells, das für die Prüfung eines internationalen Zusammenschlusses zuständig wäre, würde zwar zum einen den Ideenwettbewerb und damit die Varietät der verschiedenen Wettbewerbsordnungen gewährleisten und zum anderen würde ein solches Modell weniger sich widersprechende Entscheidungen als auch eine Reduzierung der Transaktionskosten und damit im Ergebnis mehr Rechtssicherheit mit sich bringen395, aber die entscheidenden Fragen, die nicht beantwortet werden, lauten: Wie und wer identifiziert diese Leitjurisdiktion und falls Abhilfemaßnahmen notwendig sind, welche Wettbewerbsbehörde ist für die Durchsetzung dieser am besten geeignet?396 Des Weiteren stellt sich die Frage: Wie kann dieses Modell gewährleisten, dass die Leitjurisdiktion nicht nur ihre nationalen Interessen, sondern die Interessen aller Beteiligten im Rahmen ihrer Prüfung berücksichtigt? Darüber hinaus kann je nach Leitjurisdiktion ein anderes Ergebnis ausfallen, da die verfahrensführende Jurisdiktion weiterhin ihr nationales Recht anwendet. So wird beispielsweise in den USA geprüft, ob ein Zusammenschlussvorhaben eine wesentliche Verringerung des Wettbewerbs zur Folge hat. Die Europäische Kommission dagegen prüft, ob das Vorhaben zum Entstehen oder zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt führt. Letzlich kann die Wahrscheinlichkeit der divergierenden Entscheidungen nicht wegfallen, da diese den Gesetzen und Verfahren der jeweiligen Leitjurisdiktion geschuldet ist. Ferner wird das Auswirkungsprinzip als Bestimmung der Leitjurisdiktion nicht weiterhelfen. Außerdem ist es fraglich, ob die Staaten bereit sein werden, ihre Souveränitätsrechte in Bezug auf die Fusionskontrolle an eine dritte Jurisdiktion, sei es eine Leitjurisdiktion oder eine internationale Behörde, welche noch erstere bestimmen muss, abgeben werden.397 Zumal bei diesem Modell ein hoher Grad an Ähnlichkeit der materiell-rechtlichen Prüfung aller Staaten ver394

WIPO, Patent Cooperation Treaty; anrufbar unter: http://www.wipo.int/pct/en/texts/artic les/atoc.html (zuletzt aufgerufen am 16. 09. 2017). 395 Rowley/Campbell, Multi-Jurisdictional Review – Is It Time for a Common Form Filing Treaty?, S. 13 ff. 396 Sweeney, The Internationalisation of Competition Rules, S. 411 f. 397 So auch: Utton, International Competition Policy, S. 87.

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langt wird, welcher momentan nicht existiert. Darüber hinaus müssten die beteiligten Staaten auch noch die getroffene Entscheidung gegenseitig anerkennen. Hinzu kommt, dass die Bestimmung der Leitjurisdiktion eigentlich eine noch zusätzliche verfahrensrechtliche Prüfung darstellt, bevor das eigentliche Verfahren – die Prüfung des Zusammenschlussvorhabens an sich – durchgeführt wird.398 Dieselben Gründe, die gegen ein Wettbewerbsrecht im Rahmen der WTO sprechen, sprechen auch gegen die Schaffung eines WTO Premerger Control Office: Der WTO mangelt es grundsätzlich am Wissen und an Legitimation, um grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse zu prüfen. Fiebig nennt zudem keine klaren Vorgaben, wie die harmlosen Vorhaben zu identifizieren seien und dadurch, dass die Hauptaufgabe nur auf die Filtrierung der harmlosen internationalen Vorhaben beschränkt sei, wird eigentlich nur die Debatte um den Souveränitätsverlust umgangen. Damit wäre aber nichts Neues gewonnen.

D. Verfahrensrechtliche Harmonisierung Da insbesondere in der Praxis die Unterschiede in den verfahrensrechtlichen Regeln zu Schwierigkeiten führen, gibt es Stimmen, die sich für eine ausschließlich verfahrensrechtliche Harmonisierung aussprechen, mit der Folge, dass die verschiedenen Fusionskontrollregelungen nach wie vor nebeneinander bestehen können. I. Verfahrensrechtliche Vorschläge Für eine Harmonisierung in Bezug auf die Anmeldung von Zusammenschlüssen als auch den Informationserfordernissen und Verfahrensfristen spricht die damit einhergehende Reduzierung der Transaktionskosten nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Wettbewerbsbehörden. Dies kann mittels eines Abkommens über die Vereinheitlichung der Anmeldevorschriften erfolgen.399 Dieser Vorschlag wird seitens der Literatur begrüßt.400 Seine Umsetzung scheint für viele möglich zu sein, 398 Campbell/Trebilcock, International Merger Review, in: Kantzenbach/Scharrer/Waverman (Hrsg.), Competition Policy in an Interdependent World, S. 129 (149); Campbell/Trebilcock, Interjurisdictional Conflict in Merger Review, in: Waverman/Comanor/Goto (Hrsg.), Competition Policy in the Global Economy, S. 89 (111). 399 Rowley/Campbell schlagen den Erlass eines solchen Vertrages (International Merger Review Treaty) vor, der die nationalen Vorschriften unberührt lässt, s. Rowley/Campbell, MultiJurisdictional Review – Is It Time for a Common Form Filing Treaty?, S. 23 ff. 400 Basedow, La. L. Rev. 60 (1999 – 2000), 1037 (1051); Kerber, Wettbewerbspolitik als nationale und internationale Aufgabe, in: Apolte/Caspers/Welfens (Hrsg.), Standortwettbewerb, wirtschaftliche Rationalität und internationale Ordnungspolitik, S. 241 (263); Möschel, WuW 2005, 599 (602 f.); Basedow, Weltkartellrecht, S. 58; Immenga, Konzepte einer grenzüberschreitenden und international koordinierten Wettbewerbspolitik, S. 24 f.; Kerber, Wettbewerbspolitik als nationale und internationale Aufgabe, in: Apolte/Caspers/Welfens (Hrsg.), Standortwettbewerb, wirtschaftliche Rationalität und internationale Ordnungspolitik, S. 241

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

da es sich bei der Vereinheitlichung der Anmeldevorschriften, wie Fristen und Formulare, eher um „technische“ Änderungen handele, worauf sich die Staaten womöglich leichter einigen können.401 Sullivan/Fox sehen den DIAC aufgrund seiner materiell-rechtlichen Harmonisierungsbestrebungen als zu ambitioniert an und beschränken deshalb ihren Vorschlag – the Alternative DIAC – auf 15 Grundprinzipien, welche grob das internationale Kartellrechtsregime festlegen.402 Im Wesentlichen zielt dieser Vorschlag auf eine verfahrensrechtliche, statt einer materiell-rechtlichen Harmonisierung ab, denn die einzige materiell-rechtliche Norm ihres Vorschlags bezieht sich auf die Bekämpfung von internationalen hard-core-Kartellen, vgl. Ziff. 1 Alternative DIAC. In Bezug auf grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse schlägt der Alternative DIAC unter Ziff. 12 folgende Vorgehensweise vor: „Within the context of the International Antitrust Authority, the contracting nations should explore development of common merger notification and reporting forms and common premerger waiting periods. If standardization proves feasible, provision should be made for merging parties to file a master form with the International Antitrust Authority, and at the merging parties’ option (excercise of which assumes a decision by the parties to waive confidentiality) the International Antitrust Authority should be obliged to provide the document to all interested national authorities, which in turn would be obliged to accept the document in satisfaction of their notification and reporting requirements. (…)“

Liakopoulos/Marsilia dagegen schlagen ein international framework for the regulation of transnational mergers (IMCF) vor, welches sich an den Prinzipien des ICN orientieren muss und ggf. angepasst werden soll. Demnach soll das ICN mit der Aufgabe betraut werden, für einen einheitlichen Wettbewerbsstandard zu sorgen. In erster Linie soll dies durch eine verfahrensrechtliche Konvergenz erreicht werden, u. a. mit Programmen zur Unterstützung und peer reviews.403 (263); Matsushita, DePaul L. Rev. 44 (1994 – 1995), 1097 (1113); Halverson, Antitrust L. J. 60 (1992), 531 (532 ff.); Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, in Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 11 (36); Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 201; Berg/ Nachtsheim/Kronberger, RIW 2003, 15 (23); von Meibom/Geiger, EuZW 2002, 261 (265); Paul, International Company and Commercial Law Review 11 (2000), 123 (125); Günther, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse zwischen Marktmacht und Effizienz, S. 364 ff. 401 Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 11 (36); Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 201; Meessen, Das Für und Wider eines Weltkartellrechts, in: Schenk/Schmidtchen/Streit/Vanberg (Hrsg.), Globalisierung und Weltwirtschaft, S. 336 (349); Ginsburg/Angstreich, Antitrust L. J. 68 (2000), 219 (231). 402 Siehe: Fox, The Alternative DIAC in the Light of the Twenty First Century, in: FS Immenga, S. 149 ff. 403 Liakopoulos/Marsilia, The Regulation of Transnational Mergers in International and European Law, S. 177 ff. Ebenso: Giannino, International cooperation and regulation of transnational mergers, S. 239 ff.

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In dem Zusammenhang schlagen Baker/Campbell/Reynolds/Rowly ein internationales Fusionskontrollsystem für Industriestaaten vor, die bereits ein Fusionskontrollregime haben.404 Demnach erfolgt die Harmonisierung durch einen Vertrag, der die bereits bestehenden Fusionskontrollregime zwar unberührt lässt, aber für Zusammenschlüsse von internationaler Bedeutung gelten bestimmte „übergreifende“ Regeln wie Fristen, Anmeldeformulare, Informationsaustausch.405 Dieser Vertrag kann zwar anfangs bi- oder trilateral ausgestaltet sein, soll aber mit der Zeit ausgeweitet werden. Den Anfang könnten beispielsweise die EU, Japan und die USA machen, weil der Großteil der Fusionen im Rahmen dieses Triadegebietes ohnehin stattfindet und diese drei bereits über ein gut funktionierendes Fusionskontrollregime verfügen. II. Speziell: die Schaffung eines gemeinsamen Anmeldeformulars für internationale Zusammenschlüsse Andere verlangen (teilweise neben der Angleichung der Verfahrensfristen) ein einheitliches Anmeldeformular im Sinne von „one document in one place“, ohne die Kodifizierung eines formellen und/oder materiellen Rechts.406 Verglichen mit den anderen Ansätzen erfolgt damit in erster Linie keine Souveränitätsübertragung. Die einzige Hürde hierbei ist, dass sich die Staaten „nur“ auf ein Anmeldeformular einigen müssen. In diesem Zusammenhang schlägt Clarke vor, dass ein solches Formular bei den einzelnen nationalen Behörden eingereicht und keine übergeordnete Behörde geschaffen werden soll, denn die Kosten für die Errichtung einer solchen Behörde, deren alleiniger Zweck darin besteht, die Anmeldungen anzunehmen und anschließend weiterzuleiten, würde jeden potenziellen Nutzen übersteigen.407

404

Baker/Campbell/Reynolds/Rowly, The Harmonization of International Competition Law Enforcement, in: Waverman/Comanor/Goto (Hrsg.), Competition Policy in the Global Economy, S. 439 (451 f., insbes. 463 ff.). 405 Baker/Campbell/Reynolds/Rowly, The Harmonization of International Competition Law Enforcement, in: Waverman/Comanor/Goto (Hrsg.), Competition Policy in the Global Economy, S. 439 (463 ff.). 406 Whish/Wood Report, Empfehlung Nr. 6; Rowley/Campbell, Multi-Jurisdictional Merger Review – Is It Time for a Common Form Filing Treaty?, S. 3; insbes. S. 23 ff.; Baker/Campbell/ Reynolds/Rowly, The Harmonization of International Competition Law Enforcement, in: Waverman/Comanor/Goto (Hrsg.), Competition Policy in the Global Economy, S. 439 (462 ff.); Fox, Can We Control Merger Control? – An Experiment, in: Policy Directions for Global Merger Review 1999. A Special Report of the Global Competition Review by the Global Forum for Competition and Trade Policy 1999, 79 (83 f. und 86); Fox, Antitrust Without Borders: From Roots to Codes to Networks, in: Guzman (Hrsg.), Cooperation, Comity and Competition Policy, S. 265 (277); Bougie, Reflections on the Merger Task Force at the Turn of the Millennium, in: IBA (Hrsg.), EC Merger Control: Ten Years On, S. 73 (80); Montag, Konvergenz bei internationalen Fusionen, in: FIW e.V. (Hrsg.), Konvergenz der Wettbewerbsrechte, S. 39 (48 f.). 407 Clarke, International Merger Policy, S. 278.

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

Fox dagegen schlägt vor, das US state/federal Compact agreement408, welches die Mehrfachanmeldungen innerhalb der USA regelt, als Mustervorlage heranzuziehen.409 III. Zwischenfazit In dem Anmeldeformular für internationale Zusammenschlüsse können Staaten langfristig in ihre Formulare einen Teil oder alle Normen des Musterformulars übernehmen. Die Schaffung eines gemeinsamen Anmeldeformulars für internationale Zusammenschlüsse ist mit der Kooperation zwischen Deutschland, Großbritannien und Frankreich vergleichbar. Diese drei Staaten haben 1997 ein freiwilliges Anmeldeformular eingeführt410, welches dann anwendbar ist, wenn ein Vorhaben in zwei oder mehr Jurisdiktionen anzumelden ist. Innerhalb eines Monats werden die Parteien dann informiert, ob weitere Informationen für die Prüfung erforderlich sind. Jede Wettbewerbsbehörde wendet aber nach wie vor ihr eigenes Recht an. Auffällig ist, dass der Gebrauch dieses Anmeldeformulars nicht das Prüfungsverfahren beschleunigt. Im Ergebnis ist diese Initiative praktisch bedeutungslos geblieben.411 Daran ist bereits zu erkennen, dass ein einheitliches Anmeldeformular auf internationaler Ebene wenig Aussicht auf Erfolg hat. Auch wenn der Gedanke eines einheitlichen Anmeldeformulars auf internationaler Ebene sehr verlockend ist, ist diesem Vorschlag darüber hinaus entgegenzuhalten, dass dieser eher für Staaten mit föderalen Strukturen gedacht ist, welches sich dagegen nicht auf die internationale Ebene übertragen lässt. Bedenklich ist ebenso, dass die Informationserfordernisse nach diesem einheitlichen Anmeldeformular die Anforderungen einzelner Jurisdiktionen übersteigen werden. Zumal aufgrund der Verschiedenheit der Märkte jurisdiktionsspezifische Informationen für die Prüfung notwendig sind. Diese wollen die Behörden in ihrer eigenen Sprache und Währung wissen, sodass es fraglich erscheint, ob ein Formular all diesen Anforderungen gerecht wird. Da außerdem alle Staaten zuerst eine Kurzmeldung über das internationale Vorhaben erhalten werden, müssten diese aber nach wie vor prüfen, ob sie 408 The United States Department of Justice, Protocol for Coordination in Merger Investigations Between the Federal Enforcement Agencies and State Attorneys General; abrufbar unter: https://www.justice.gov/atr/protocol-coordination-merger-investigations-between-feder al-enforcement-agencies-and-state (zuletzt aufgerufen am 11. 09. 2017). 409 Fox, Can We Control Merger Control? – An Experiment, in: Policy Directions for Global Merger Review 1999. A Special Report of the Global Competition Review by the Global Forum for Competition and Trade Policy 1999, 79 (86). 410 Common form for merger in the United Kingdom, France and Germany; abgedruckt in: Verloop/Landes (Hrsg.), Merger Control in Europe, 4. Aufl., Den Haag u. a. 2003, S. 205 – 207. 411 Laut einer Anfrage an das Bundeskartellamt im Jahr 2017 hat es keine bedeutende Zahl von Anmeldungen nach dem Common Form gegeben. Eine genaue Zahl konnte nicht mitgeteilt werden, da das Bundeskartellamt nicht festhält, ob und welche Anmeldungen nach dem Common Form eingereicht werden.

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hiervon betroffen sind oder nicht. Damit folgt eher eine weitere Prüfung anstatt eine Beschleunigung des Verfahrens.

E. Die Berücksichtigung von Wohlfahrtseffekten in anderen Staaten Im Rahmen der Prüfung berücksichtigen die nationalen Wettbewerbsbehörden nur die Auswirkungen auf den nationalen Markt und prüfen damit nicht alle möglichen Auswirkungen des Vorhabens weltweit. Aus diesem Grund wollen Fox/ Ordover im Rahmen der Fusionskontrolle das nationale Gemeinwohl durch das globale Gemeinwohl ersetzen.412 Unter Weltwohlfahrt ist die Gesamtheit von Wohlfahrtsgewinnen aller Abnehmer und Hersteller weltweit zu verstehen.413 Damit sollen die weltweiten Auswirkungen im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung berücksichtigt werden. Dadurch soll der absolute Wohlfahrtsstandard gesteigert werden. Kerber ist ebenfalls der Meinung, dass die Prüfung des Vorhabens durch eine Jurisdiktion zu erfolgen hat, welche die Auswirkungen des Vorhabens auf alle Jurisdiktionen in ihre Prüfung miteinbeziehen muss.414 Diesem Vorschlag ist entgegenzuhalten, dass die einzelnen Wettbewerbsbehörden die Wettbewerbsauswirkungen im Inland besser beurteilen werden können als die im Ausland. Des Weiteren ist die Weltwohlfahrt als Leitbild ökonomisch kaum meßbar und für die Rechtsanwendung inoperational.415

F. Zusammenfassung In Stichpunkten können die Lösungsansätze wie folgt zusammengefasst werden: Die Beibehaltung des Status quo, die Einführung eines supranationalen Modells mit einer globalen Aufsichtsbehörde, die für die Prüfung internationaler Zusammenschlüsse zuständig wäre, die Harmonisierung der materiell-rechtlichen und/oder der verfahrensrechtlichen Fusionskontrollregelungen, die Prüfung multijurisdiktioneller Zusammenschlüsse anhand eines Leitjurisdiktionsmodells, die Berücksichtigung von Wohlfahrtseffekten in anderen Staaten oder schließlich die Einführung eines gemeinsamen Anmeldeformulars. Alle Lösungsansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Die Beibehaltung des Status quo ändert nichts an der Problematik der multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse. Die Befürworter der Harmonisierungsvor412

Fox/Ordover, World Competition 19/2 (1995), 5 (16 und 29). Ebenso: Gifford/Sullivan, Antitrust Bull. 45 (2000), 55 (57, 69 und insbes. 88 ff.). 413 Fox/Ordover, World Competition 19/2 (1995), 5 (16). 414 Kerber, An International Multi-Level System of Competition Laws, in: Drexl (Hrsg.), The Future of Transnational Antitrust, S. 269 (288 ff.). 415 Wins, Eine internationale Wettbewerbsordnung als Ergänzung zum GATT, S. 134.

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

schläge erhoffen sich durch ein globales Fusionskontrollrecht eine Minderung oder im besten Fall die Vermeidung der Probleme, die sich mit den internationalen Unternehmenszusammenschlüssen ergeben, aber gegen eine Vollharmonisierung und eine zentrale Durchsetzung sprechen letztlich die bereits o.g. Argumente und kann wie folgt zusammengefasst werden: „one size does not fit all“. Wenn alle Staaten gleich groß und die Unternehmen auf denselben Märkten gleich intensiv tätig wären, dann wäre ein einheitlicher Ansatz womöglich realisierbar. Die Realität sieht jedoch anders aus. Schließlich sind supranationale, globale Fusionskontrollregelungen weder realistisch noch zweckmäßig, denn sowohl die Vielfalt als auch die Dynamik der Märkte ermöglichen erst Lernprozesse und damit auch die Weiterentwicklung der Wettbewerbsnormen. Im Rahmen des Leitjurisdiktionsmodell-Vorschlags können auf der einen Seite die vom Zusammenschluss betroffenen Wettbewerbsbehörden eine Wettbewerbsbehörde wählen, die als Mediator agiert, jedoch lediglich Empfehlungen aufstellt, die die Wettbewerbsbehörden berücksichtigen können, aber nicht müssen. Hierbei muss die Auswahl der Leitjurisdiktion nicht unbedingt einzelfallabhängig sein, sondern kann nach bereits festgesetzten Kriterien erfolgen wie die relative Betroffenheit inländischen Wettbewerbs oder der regionale Wirtschaftsschwerpunkt der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Auf der anderen Seite kann mit der Bestimmung der Leitjurisdiktion eine übergeordnete Behörde, z. B. ein International Competition Panel, beauftragt werden und dieses bestimmt die Leitjurisdiktion, die dann für alle Wettbewerbsbehörden das Vorhaben verbindlich prüft. Im Rahmen einer Verfahrensharmonisierung wird versucht, nur die „technischen“ Regelungen zu vereinheitlichen, sodass die Staaten nicht befürchten müssen, ihre Souveränitätsrechte abzugeben. Kapitel 2

Eigener Vorschlag Da die bisherigen Lösungsansätze unbefriedigend sind, soll deshalb im Folgenden ein eigener Vorschlag erarbeitet und vorgestellt werden. Auf der Suche nach einer Lösung sollen Überlegungen zum formellen Verfahren, zum Auswirkungsprinzip, zum materiellen Recht und schließlich zu institutionellen Aspekten einbezogen werden. Vor dem Hintergrund der letzten Entwicklungen im internationalen Wettbewerbsrecht ist davon auszugehen, dass rechtlich verbindliche Wettbewerbsvereinbarungen nicht zustande kommen werden. Man kann die Gründung einer Weltwettbewerbsbehörde befürworten oder nicht; ob diese Institution erforderlich ist, lässt sich am besten anhand der Praxisentscheidung ableiten. Es ist erstens festzuhalten, dass bisher eine gute Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden, vor allem zwischen der EU und den USA, stattfindet. Zweitens ist die Anzahl der Konflikte bei grenzüberschreitenden und multijurisdiktionellen Zusammenschlüs-

Kap. 2: Eigener Vorschlag

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sen, die die Schaffung eines internationalen Regelwerks rechtfertigen würden, überschaubar. Aufgezählt werden können die prominenten Fälle Boeing/McDonnel Douglas und Generell Electric/Honeywell. Des Weiteren ist die Angst vor einem „race to the bottom“ wie im Arbeits- oder Steuerrecht unbegründet, denn mit dem Auswirkungsprinzip kann jede wettbewerbsrechtliche Handlung erfasst werden.416 Außerdem würde auch kein Systemwettbewerb mehr stattfinden, was aber bei einem Verständnis vom Wettbewerb als Entdeckungsverfahren erforderlich ist. Zudem würden sich die Staaten nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und die mit einer Weltwettbewerbsbehörde verbundenen Kosten würden den relativ geringen Mehrertrag übersteigen. Letztlich werden auch die Transaktionskosten nicht reduziert. Demzufolge sind materiell-rechtliche Harmonisierungsvorschläge nicht wünschenswert. Darüber hinaus kann das Auswirkungsprinzip allein nicht als Lösung zwischenstaatlicher Jurisdiktionskonflikte gesehen werden, vielmehr ist es wie oben dargestellt oft die Ursache. Bei der Suche nach einer Lösung darf die Souveränität der einzelnen Staaten nicht außer Acht gelassen werden, da diese nicht bereit sind, ihre Kompetenzen auf eine globale Ebene zu übertragen. Damit muss akzeptiert werden, dass die Wettbewerbspolitik dezentral bei den einzelnen Staaten liegt und dass damit einhergehend in unterschiedlichen Staaten verschiedene Wettbewerbsleitbilder und somit auch unterschiedliche Regelungen existieren. Aus diesem Grund soll mit dem vorliegenden Vorschlag nicht versucht werden, das derzeit existierende System im Wesentlichen zu verändern. Vielmehr ist das Auswirkungsprinzip weiterhin als Grundlage für die extraterritoriale Rechtsanwendung heranzuziehen. Der Vorschlag sieht vor, das bisherige System um eine verstärkte Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden zu ergänzen, um somit internationale Zusammenschlüsse effektiver zu bearbeiten. Langfristig könnte eine internationale Verfahrensordnung entstehen, ohne eine Harmonisierung der Wettbewerbsregeln anzustreben. Stattdessen wäre es möglich, dass die Zuständigkeiten und Verfahrensabläufe so miteinander abgestimmt und koordiniert werden, dass zukünftig widersprüchliche Entscheidungen und Mehrfachzuständigkeiten reduziert werden. Die MNP-Empfehlungen des ICN und die der OECD sind als Grundlage für eine angleichende nationale Gesetzgebung heranzuziehen. Statt einer materiell-rechtlichen Harmonisierung sollten die G7-Staaten417, die O5-Staaten418 und die EU ein Netz von Kooperationspartnern aufbauen, um sich die 416 Geradin, Chi. J. Int’l L. 10 (2009 – 2010), 189 (198); Möschel, WuW 2005, 599 (602); Basedow, La. L. Rev. 60 (1999 – 2000), 1037 (1045); Fox, N.Y.U. L Rev. 75 (2000), 1781 (1789 ff.). 417 Die G7 ist ein informeller Zusammenschluss der zu ihrem Gründungszeitpunkt bedeutendsten Industriestaaten. Seine Mitglieder sind die USA, Kanda, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und Japan. Die Europäsche Kommission hat in diesem Zusammenschluss einen Beobeachterstatus. 418 Die O5 Staaten (= Outreach-Staaten) sind diejenigen Schwellenländer, die trotz fehlender Mitgliedschaft gelegentlich an Treffen der G7 teilnehmen, da diese Staaten wirt-

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

Aufgaben aufzuteilen. Dieser Vorschlag ist an das Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN) und einer modifizierten Form des Leitjurisdiktionsmodells angelehnt. Die Mitglieder des ECN sind die nationalen Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission. Das Netzwerk ist als Diskussions- und Kooperationsforum ausgestaltet und soll sowohl eine effiziente Arbeitsteilung als auch eine wirksame und kohärente Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften (Art. 101 und 102 AEUV) sicherstellen.419 Die EU Best Practices for National Competition Authorities in Merger Review420 dienen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden für den Fall, dass ein Zusammenschluss mehrere Staaten berifft, die Kommission jedoch dennoch nicht zuständig ist. Vom Leitjurisdiktionsmodell unterscheidet sich der vorliegende Vorschlag dahingehend, dass nicht eine Behörde die vollständige Prüfung übernimmt. Jede Behörde sollte ihre eigene Prüfung vornehmen. In bestimmten Arbeitsthemen, wie der Abgrenzung des relevanten Marktes, der Prüfung unilateraler Effekte oder der Ermittlung geeigneter Abhilfemaßnahmen, sollten die Behörden jedoch miteinander kooperieren. Die Wettbewerbsbehörden können sich entweder die Arbeit untereinander aufteilen, oder eine Behörde übernimmt zu einem Arbeitspunkt die Führung und leitet daraufhin ihre Ergebnisse an die anderen Behörden weiter. Auch der Austausch von vertraulichen Informationen sollte erleichtert werden. Die Europäische Wettbewerbsbehörde (ECA) hat im Annex ihres Leitfadens zum Austausch von Informationen eine Mustervorlage zu diesem Thema erarbeitet.421 Diese kann für die internationale Ebene als Vorlage herangezogen werden. In Betracht kommt auch, dass die Behörden sich bei der Auswahl geeigneter Abhilfemaßnahmen absprechen, um somit das gewünschte Verhalten der Unternehmen herbeizuführen. Hiervon profitieren sowohl die Behörden als auch die Unternehmen: Auf der einen Seite würden die Wettbewerbsbehörden die unnötigen Kosten der Doppelarbeit vermeiden, hätten den Vorteil, untereinander Informationen, Meinungen, Erfahrungen und Fachwissen auszutauschen und würden sich bei ihren Durchsetzungsmaßnahmen in dem jeweils anderen Staat helfen. Auf der anderen Seite profitieren Unternehmen von dieser Kooperation, vor allem in Form von Zeitund Kostenersparnissen. Letztlich würden die Unternehmen dann nur mit einer Behörde kommunizieren, wodurch das Prüfungsverfahren beschleunigt werden würde. schaftlich immer bedeutender werden. Dies sind Brasilien, Indien, die Volksrepublik China, Südafrika und Mexiko. 419 Vertiefend zum ECN, s. Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Zusammearbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl. 2004 C 101/43. 420 EU Merger Working Group, Best Practices on Cooperation between EU National Competition Authorities in Merger Review, Stand: November 2011; abrufbar unter: http://ec.eu ropa.eu/competition/ecn/nca_best_practices_merger_review_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 18. 09. 2017). 421 European Competition Authorities, The Exchange of Information between Members on Multijurisdictional Mergers. Procedures Guide; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competiti on/ecn/eca_information_exchange_procedures_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 18. 09. 2017).

Kap. 2: Eigener Vorschlag

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Die guten Erfolgsaussichten dieses Vorschlags lassen sich durch Beispiele der gelungenen Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden belegen. Im Fall Rio Tinto/BHP Billiton kooperierten 2008 verschiedene Behörden miteinander, u. a. die Europäische Kommission, die australische, südafrikanische, US-amerikanische und japanische Wettbewerbsbehörde. Alle Behörden leiteten eine eingehende Untersuchung der geplanten Übernahme von Rio Tinto durch BHP Billiton ein. Rio Tinto und BHP Billiton waren die Nummer zwei und drei der Eisenerzproduzenten. Nach der geplanten Übernahme hätte BHP Billiton mit dem nächstgrößeren Mitbewerber 55 – 60 % des weltweiten Marktanteils an Eisenerz kontrolliert. Der Anteil aller anderen Produzenten wäre deutlich kleiner gewesen. Die Europäische Kommission befürchtete daher, dass sich die geplante Übernahme negativ auf das Ergebnis der Preisverhandlungen mit den Abnehmern aus der Stahlindustrie auswirken würde.422 Bevor die Entscheidung der Kommission erging, wurde das Vorhaben aufgegeben.423 2009 meldeten Rio Tinto und BHP Billition die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens hinsichtlich der Produktion von Eisenerz in Westaustralien an. Auch in diesem Fall kooperierten zahlreiche Behörden miteinander, u. a. die australische Wettbewerbsbehörde, das Deutsche Bundeskartellamt, die Europäische Kommission sowie die japanische und koreanische Wettbewerbsbehörde. Die koreanische Behörde übernahm die Führung: Sie leitete die Untersuchungen ein und teilte anschließend ihre Ergebnisse mit den anderen Behörden, sodass alle gemeinsam den Druck auf die Parteien erhöhen konnten. Durch die gemeinsame Arbeit waren die Behörden deutlich schlagkräftiger, als sie es allein gewesen wären. Diese Kooperation und Koordination sorgte dafür, dass alle Wettbewerbsbehörden ähnliche Abhilfemaßnahmen in diesem Fall beschlossen, mit der Folge, dass die Parteien ihre Anmeldung im Oktober 2010 zurückzogen. Aber auch außerhalb der Industriestaaten arbeiten Wettbewerbsbehörden miteinander. So kooperierten laut UNCTAD 1998 die sambische, simbabwische und australische Wettbewerbsbehörde im Vorhaben Coca-Cola/Schweppes.424 Der vorliegende Vorschlag beschränkt sich auf die G7-, O5-Staaten und die EU, weil sie alle über eine homogene Wettbewerbs- und Wirtschaftspolitik verfügen. Des Weiteren leben in diesen Staaten und in der EU ca. zwei Drittel der Weltbevölkerung. Die Bürger erwirtschaften über 85 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und ungefähr drei Viertel des Welthandels. Außerdem zählen die Wettbewerbsbehörden der G7-, O5-Staaten und die EU zu den erfahrensten Wettbewerbsbehörden, auch hinsichtlich der Prüfung von (multijurisdiktionellen) Zusammenschlüssen. Zudem haben die meisten von ihnen untereinander bereits Kooperationsabkommen abgeschlossen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sie sich bereits gegenseitig 422 Kommission, Entscheidung v. 04. 07. 2008 (COMP/M.4985 – BHP Billiton/Rio Tinto), ABl. 2008 C 176/1. 423 Kommission, Entscheidung v. 26. 11. 2008 (COMP/M.4985 – BHP Billiton/Rio Tinto), ABl. 2008 C 312/16. 424 UNCTAD, International cooperation in merger cases as a tool for effective enforcement of competition law, S. 9.

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Teil 3: Zeit für ein internationales Fusionskontrollregime

vertrauen und durch ihre langjährige Erfahrung wissen, wie die Prozesse des Informationsaustausches erfolgen. Außerdem finden die meisten Zusammenschlüsse im Triadegebiet zwischen der USA, der EU und Japan statt. Die o. g. Lösung ist zwar immer noch nicht ideal, da Staaten wie Australien und Sükorea fehlen, welche Mitglieder der G20 sind. Jedoch hätte ein Kooperationsnetzwerk der G20 den Nachteil, dass Staaten, die von multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse kaum betroffen sind, wie Indonesien und Saudi-Arabien, in solch einem Netzwerk sind, ohne hiervon profitieren zu können. Ein Netzwerk aller Staaten würde die Arbeit obsolet machen, da nicht alle von multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen betroffen sind, so z. B. Island und Slowenien. In einer Gesamtwürdigung aller Umstände sprechen gute Gründe dafür, dass dieser Vorschlag ein Erfolg werden kann, denn zwischen der Harmonisierung des materiellen Rechts und der Harmonisierung der Verfahrensregeln steht die Praxis der Kooperation einzelner Staaten, im Rahmen der Ermittlung, des Austauschs von Informationen oder der Rücksichtnahme auf die Interessen eines anderen Staates bei der Anwendung des eigenen Rechts. Allerdings ist an dieser Stelle gleich anzumerken, dass Kooperation nicht notwendigerweise zum gleichen Ergebnis führen muss. Letztlich soll sich die Behördenkooperation bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen auf informelle Treffen der Wettbewerbsbehörden, den Austausch von Informationen zwischen den Wettbewerbsbehörden und die Schaffung von Amtshilfeverträgen konzentrieren. In diesem Sinne ist der internationale Teil dieser Arbeit mit folgendem Zitat abzuschließen: „States can only govern effectively by actively cooperating with other states and by collectively reserving the power to intervene in other states’ affairs.“425

425

Slaughter, Stan. J. Int’l L. 40 (2004), 284 (285).

Europäischer Teil

Teil 1

Die extraterritoriale Rechtsanwendung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 Die EU hat das Problem der multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse und ihrer Parallelverfahren 1990 mit der Einführung der FKVO gelöst, indem sie das System des one stop shop-Ansatzes eingeführt hat, wonach ein Vorhaben innerhalb der EU ausschließlich bei der Europäischen Kommission anzumelden ist, wenn die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 oder Abs. 3 FKVO überschritten werden. Damit verdrängt die FKVO die nationalen Fusionskontrollregime. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die FKVO auf grenzüberschreitende Zusammenschlüsse, vor allem Drittstaatenzusammenschlüsse, anwendbar ist und wie die Kommission bzw. die europäischen Gerichte in diesen Fällen ihre Prüfungs- und Untersagungsbefugnis begründen. Diese Frage ist zwar eine politische, hat aber durchaus auch einen rechtlichen Gesichtspunkt: Es geht um den Anwendungsbereich der FKVO außerhalb der Union und somit um die Frage nach den extraterritorialen Wirkungen der FKVO. Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, ob es der EU völkerrechtlich erlaubt ist, den Anwendungsbereich ihrer Vorschriften auch auf Sachverhalte, die sich außerhalb ihres Territoriums abspielen, erstrecken darf. Wie bereits dargestellt, sind sowohl die Globalisierung als auch die Öffnung und Erweiterung der Märkte eine der Ursachen für die Zunahme an internationalen Zusammenschlüssen. Staaten können Sachverhalte mit Auslandsbezug regeln, sofern sie sich im Rahmen des völkerrechtlich Möglichen bewegen. Fraglich ist, ob dies auch für die EU gilt, da sie kein Staat ist. Als Staatenverbund kann die Union nur auf dem Gebiet ihrer Mitgliedstaaten durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung tätig werden, vgl. Art. 52 EUV, Art. 355 AEUV. Jedoch gibt es keine ausdrückliche Regelung über die Art des Bezuges, den ein Sachverhalt zum räumlichen Geltungsbereich der Verträge der EU aufweisen muss, damit die europäischen Wettbewerbsnormen anwendbar sind. Extraterritoriale Sachverhalte zu regeln, ist wie gesehen als Ausfluss des Souveränitätsprinzips zu verstehen. Die Union besitzt als Völkerrechtssubjekt nach Art. 47 EUV eigene Rechtspersönlichkeit. Zwar folgt aus der Völkerrechtsfähigkeit der EU keine generelle Kompetenz für die Außenbeziehungen, aber die Union ist von ihren Mitgliedstaaten mit gewissen souveränen Rechten ausgestattet und für die ihr übertragenen Bereiche hat die Union eine autonome Entscheidungsgewalt.426 Dieser Grundsatz gilt auch für die Wettbewerbs426 EuGH, Rs. C-22/70 (Kommission/Rat), ECLI:EU:C:1971:32, Tz. 13/14; Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 44. EL Mai 2011 Art. 47 EUV Rn. 24.

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

normen.427 Mithin hat die Union in ihrem Zuständigkeitsbereich dieselben Befugnisse wie ein Staat.428 Kapitel 1

Kontrolle durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 Die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (FKVO) stellt den dritten Pfeiler im System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt, dar429, und nimmt zugleich eine „Zwitterstellung“430 ein, da sie zum einen für alle Wirtschaftssektoren gilt und zum anderen eine präventive Steuerungswirkung bezweckt, die sektorspezifischen Regelungen ähnelt. Rechtsgrundlage der FKVO ist Art. 103 AEUV i.V.m. Art. 352 AEUV.431 Sinn und Zweck dieser Verordnung ist es zu prüfen, ob durch unionsweite Unternehmenszusammenschlüsse der wirksame Wettbewerb im Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird, um somit zu vermeiden, dass der Wettbewerb möglicherweise durch die Schaffung einer zu mächtigen (Unternehmens-)Konzentration verfälscht wird. Das Hauptanliegen der FKVO ist mithin die Strukturkontrolle. Im Folgenden wird diese in ihren Grundlagen vorgestellt.

A. Die historische Entwicklung der EG-Fusionskontrolle432 Obwohl die Schaffung einer gemeinschaftsweiten Zusammenschlusskontrolle bereits 1956 im sog. Spaak-Bericht433 erwähnt wurde, enthielt der EWG-Vertrag434 ursprünglich keine Zusammenschlusskontrolle – im Gegensatz zu den Paragraphen 1 427 EuGH, verb. Rs. C-89, 104, 114, 116, 117, 125 – 129/85 (Ahlström Osakeyhtiö u. a./ Kommission), ECLI:EU:C:1988:447, Rn. 14 u. 18. 428 GA Mayras, Schlussanträge zur Rs. C-48/69 (ICI/Kommission), ECLI:EU:C:1972:32. Zur Anwendung der völkerrechtlichen Grundsätze der extraterritorialen Rechtsanwendung auf die EU, siehe EuGH, Rs. C-366/10 (Air Transport Association of America u. a.), ECLI:EU:C:2011:864. 429 Die anderen zwei Pfeiler sind das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV und das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen nach Art. 102 AEUV. 430 Koenig/Schreiber, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 10. 431 Siehe: Erwägungsgrund Nr. 7 der FKVO. 432 Ausführlich zur Geschichte der europäischen Fusionskontrolle, siehe: Farbmann, EuR 2004, S. 478 – 487 passim; Schwartz, Yale J. Int’l L. 18 (1993), 607 – 662 passim. 433 Regierungsausschuss, eingesetzt von der Konferenz von Messina, Bericht der Delegationsleiter an die Außenminister, Brüssel v. 21. 4. 1956, MAE 120d/56 (korr.), S. 60, aus: Monopolkommission, Sondergutachten 17: Konzeption einer europäischen Fusionskontrolle, S. 31. 434 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 (BGBl. 1957 II S. 766).

Kap. 1: Kontrolle durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004

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bis 6 des Art. 66 EGKSV435, der für den Montanbereich Normen zur Zusammenschlusskontrolle vorsah436 –, was damit zu erklären ist, dass die damaligen Gründerstaaten über keine Fusionskontrollregelungen verfügten, sodass es auch keinen Grund gab, die Aufgabe der Schaffung einer gemeinschaftsweiten Zusammenschlusskontrolle der Gemeinschaft zu übertragen.437 So führten beispielsweise Deutschland erst 1973 und Frankreich 1977 die Fusionskontrolle ein, sodass erst in den 70er und 80er Jahren das Thema „europäische Fusionskontrolle“ aktuell wurde. Währenddessen wurde mangels fusionskontrollrechtlicher Normen versucht, die europäische Fusionskontrolle durch Richterrecht einzuführen438 : In der Continental Can-Entscheidung439 wurde entschieden, dass auch ein Zusammenschluss ein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 86 EWGV a.F. (heute: Art. 102 AEUV) darstellen kann.440 In der Philip Morris-Sache441 entschied der EuGH, dass auch Art. 85 EWGV a.F. (heute: Art. 101 AEUV) auf Verträge zum Erwerb der Unternehmenskontrolle anzuwenden sei, wenn der Erwerb als Instrument dient, das Geschäftsverhalten der Unternehmen im Sinne einer Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs zu beeinflussen.442 Ohne die vereinzelte Anwendung der Art. 85, 86 EWGV a.F. auf Unternehmenszusammenschlüsse443 wäre der Schutz des Wett435 Vertrag über die Gründung der Gemeinschaft der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (BGBl. 1952 II S. 447). 436 Vgl. im Einzelnen: Matthies, Die Fusionskontrolle (Art. 66 EGKS-V), in: Bernini/ Jaeger/Matthies, Kartellverbot und Fusionskontrolle in der Montanunion, S. 89 – 127. Dass es Normen zur Zusammenschlusskontrolle im EGKSV gab, ist historisch bedingt: die Verhinderung der Rekonzentration der deutschen Ruhrindustrie, sodass die EGKSV-Normen eher politischer Natur waren. Siehe: Caspari/Schwarz, Europäische Fusionskontrolle, in: FS Benisch, S. 383 (383). Diese Normen traten aber Mitte 2002 mit dem Ablauf des EGKSV außer Kraft. 437 Brittan, Competition Policy and Merger Control in the Single European Market, S. 24. 438 Vgl. von Winterfeld, RIW 1988, 958 (961). 439 EuGH, Rs. C-6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can Company/ Kommission), ECLI:EU:C:1973:22. Um dieses Urteil vor allem in Bezug auf die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nach Art. 86 EWGV a.F. besser verstehen zu können, sind folgende Beiträge sehr empfehlenswert: Mestmäcker, FS Hallstein, S. 322 ff. und Wallace, The Multinational Enterprise and Legal Control, S. 548 ff. 440 EuGH, Rs. C-6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can Company/ Kommission), ECLI:EU:C:1973:22, Tz. 26 ff. Zu diesem Ergebnis kam die Kommission bereits 1966, siehe: Kommission, Konzentrationsmemorandum, S. 26. 441 EuGH, verb Rs. 142 und 156/84 (British-American Tobacco Company Ltd und R.J. Reynolds Industries Inc./Kommission der Europäischen Gemeinschaften), ECLI:EU:C: 1987:490. 442 Ebd., Tz. 37 ff. 443 Siehe zur Anwendbarkeit von Art. 85, 86 EWGV a.F. auf Unternehmenszusammenschlüsse: Kommission, Konzentrationsmemorandum, S. 21 ff.; Schmitt, Multinational Corporations and Merger Control im Community Antitrust Law, in: Hopt (Hrsg.), European Merger Control, S. 169 (174 ff.); Blank, Europäische Fusionskontrolle im Rahmen der Art. 85, 86 des EWG-Vertrages, S. 103 ff.; Deimel, Rechtsgrundlagen einer europäischen Zusammenschlußkontrolle, S. 46 ff.; Reynolds, Int’l Bus. Law. 13 (1985) 347 (350 ff.).

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

bewerbs im Gemeinsamen Markt lückenhaft gewesen. Da aber die Art. 85, 86 EWGVa.F. keine präventive und systematische Fusionskontrolle vorsahen444, wurde nach jahrelangen Erörterungen445 erst 1989 die auf Art. 87 und 235 EWGV a.F. (heute: Art. 103, 352 AEUV) gestützte VO Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen446 erlassen. Daraufhin erfolgte 1997 eine Revision durch die Verordnung (EG) Nr. 1370/97447. Schließlich wurde 2003 neben der Novellierung des Kartellrechts auch die FKVO erneuert, mit der Folge, dass eine vollständige Neufassung erlassen wurde, wonach das Verfahrensrecht und der materielle Prüfungsmaßstab für die Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben geändert wurden.448 Die VO (EG) Nr. 139/2004449 trat am 01. 05. 2004 in Kraft und wird durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013450 ergänzt. Zudem hat die Kommission durch eine Vielzahl von Leitlinien und Bekanntmachungen einzelne Tatbestandsmerkmale näher erläutert und besondere Probleme konkretisiert.451 444

Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, Einl. FKVO, Rn. 9 ff. Die Kommission hat bereits 1973 einen Vorschlag einer Verordnung des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen erarbeitet. Siehe: ABl. 1973 C 92/1. Dieser Ur-Vorschlag wurde über die Jahre mehrmals geändert, vgl.: ABl. 1982 C 36/3, ABl. 1984 C 51/8, ABl. 1986 C 324/5, ABl. 1988 C 130/4 und ABl. 1989 C 22/14. Das Philip-MorrisUrteil des EuGH beschleunigte zusätzlich den Prozess des Erlasses einer Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Der Erlass dieser Verordnung war eine schwierige und langwierige Geburt, weil es unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung und Rechtswirkung einer europäischen Fusionskontrolle gab (Fusionskontrolle als ein industriepolitisches Instrument vs. als Mittel zur Aufrechterhaltung wettbewerblicher Marktstrukturen). Die FKVO stellt letztlich ein „fruit of a true political compromise“ dar. Broberg, ECLR 2002, 429 (433). In dem Sinne auch Julius, wenn er über die FKVO schreibt „arguably the most sweeping piece of legislation included in the 1992 Single Market program, [representing] a major extension of Community power to regulate private business activity.“Julius, Foreign Direct Investment: The Neglected Twin of Trade, Occasional Papers No. 33, S. 12. 446 Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989 L 395/1, zuletzt berechtigt in: ABl. 1990 L 257/13. 447 Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1997 L 180/1, zuletzt berichtigt durch ABl. 1998 L 40/17. 448 Siehe: die Erwägungsgründe Nr. 1 und 6 der FKVO Nr. 139/2004. 449 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl. 2004 L 24/1. 450 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013 der Kommission vom 5. Dezember 2013, ABl. 2013 L 336/1, zuletzt berechtigt durch ABl. 2014 C 270/9. 451 Diese Mitteilungen sind sog. Akte sui generis. Es besteht qualitativ betrachtet kein Unterschied zwischen Bekanntmachungen und Mitteilungen. So sind beispielsweise die Horizontalleitlinien (ABl. 2001 C 3/2) als „Bekanntmachung“ und die Vertikalleitlinien (ABl. 2000 C 291/1) als „Mitteilung“ veröffentlicht worden. Diese stellen die Rechtsauffassung der Kommission dar und entfalten keine Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten und den europäischen Gerichten, da es sich gerade nicht um verbindlich wirkende Rechtsakte i.S.d. Art. 288 AEUV handelt, aber sie führen wegen der Geltung des Gleichheitsgrundsatzes durch Erlass von Leitlinien zu einer Selbstbindung der Kommission. Vgl. Pampel, EuZW 2005, 11 (12); Walzel; Bindungswirkungen ungeregelter Vollzugsinstrumente der EU-Kommission, 445

Kap. 1: Kontrolle durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004

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Die FKVO ist gem. Art. 1 Abs. 1 FKVO nur für Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung452 anwendbar.453 Zunächst wird der Zusammenschlusstatbestand nach Art. 3 FKVO vorgestellt, bevor die unionsweite Bedeutung nach Art. 1 FKVO untersucht wird. Im Anschluss daran wird der materielle Prüfungsmaßstab des Art. 2 FKVO kurz dargestellt. Zum Schluss werden das Fusionskontrollverfahren und das Verhältnis der FKVO zu den Art. 101 und 102 AEUV erörtert.

B. Formelles Fusionskontrollrecht: Aufgreifkriterien Nach Art. 1 Abs. 1 FKVO gilt die FKVO für Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung. Für die Prüfung dieser ist die Kommission ausschließlich zuständig, Art. 21 Abs. 2 FKVO (one stop shop-Prinzip454). Damit fungiert sie für S. 335 ff.; EuG, Rs. T-214/95 (Vlaamse Gewest/Kommission), ECLI:EU:T:1998:77, Tz. 89. Der Erlass von Leitlinien ist in Erwägungsgrund Nr. 28 der FKVO vorgesehen. Im Zusammenhang mit der FKVO hat die Kommission folgende Mitteilungen erlassen: Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372/5; Beschluss des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragen in bestimmten Wettbewerbssachen, ABl. 2011 L 275/29; Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5; Mitteilung der Kommission über die Verweisung von Fusionssachen, ABl. 2005 C 56/2; Bekanntmachung der Kommission über Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind, ABl. 2005 C 56/24; Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse, ABl. 2005 C 56/32; Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen (…) der Verordnung (EG) Nr. 139/2004, ABl. 2005 C 325/7; Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2008 C 265/6; Mitteilung der Kommission über zulässige Abhilfemaßnahmen, ABl. 2008 C 267/1; Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2008 C 95/1, berichtigt durch: ABl. 2009 C 43/10. 452 Nach altem Sprachgebrauch „gemeinschaftsweite Bedeutung“, vgl. Art. 1 Abs. 1 FKVO und Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu den Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10 Tz. 124 ff. 453 Die FKVO gilt für alle Wirtschaftsbereiche, so auch für die Landwirtschaft und den Pressebereich, aber Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV ermächtigt die Mitgliedstaaten, Zusammenschlüsse von Unternehmen, die im Bereich der Erzeugung und des Handels von Waffen, Munition und Kriegsmaterial tätig sind, zur Wahrung ihrer Sicherheitsinteressen dem Anwendungsbereich der FKVO zu entziehen. 454 Es gibt drei Ausnahmefälle, wonach ein Zusammenschluss von unionsweiter Bedeutung durch eine nationale Behörde bzw. ein Zusammenschluss ohne unionsweite Bedeutung von der Europäischen Kommission überprüft werden kann: a) Verweis eines Zusammenschlusses von unionsweiter Bedeutung nach Anmeldung an einen Mitgliedstaat, Art. 9 FKVO (die sog. deutsche Klausel), b) Verweis eines Zusammenschlusses ohne unionsweite Bedeutung an die Europäische Kommission, Art. 22 FKVO (die sog. niederländische Klausel) und c) schließlich können die Mitgliedstaaten nach Art. 21 Abs. 4 FKVO geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen treffen (die sog. englische Klausel). Das Verweisungssystem soll eine Feinsteuerung der Kompetenzverteilung zwischen der Kommission und den nationalen

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

unionsweite Zusammenschlüsse als eine einheitliche Anlaufstelle455, woraus sich dann ein gewisser Vertrauensschutz456 und zugleich ein einheitlicher Kontrollstand gewährleisten lässt. Stichtag für die Feststellung der Zuständigkeit der Kommission ist „das Datum des zuerst eintretenden der folgenden Ereignisse: Abschluss des rechtsverbindlichen Vertrags, Veröffentlichung des Übernahmeangebots, Erwerb einer Kontrollbeteiligung oder erste Anmeldung.“457 Im Rahmen der Befugnisse der Kommission ist zu unterscheiden zwischen der Prüfungsbefugnis nach Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO und der Untersagungsbefugnis nach Art. 2 Abs. 3, Art. 8 Abs. 3 FKVO. I. Unternehmenszusammenschluss Ein Zusammenschluss liegt gemäß Art. 3 Abs. 1 FKVO dann vor, wenn a) zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder wenn b) eine oder mehrere Personen, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder ein oder mehrere Unternehmen durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, durch Vertrag oder in sonstiger Weise die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben. Mithin erfasst der Zusammenschlussbegriff Vorgänge, die zu einer dauerhaften Veränderung der Kontrolle an den beteiligten Unternehmen und damit an der Marktstruktur führen.458 1. Fusion, Kontrollerwerb Ein Zusammenschluss nach Art. 3 FKVO liegt dann vor, wenn es entweder zu einer dauerhaften Veränderung der Kontrolle, sei es durch die Fusion bisher voneinander unabhängiger Unternehmen oder Unternehmensteile, Art. 3 Abs. 1 lit. a FKVO459 oder der Erwerb von Kontrolle durch Rechte, Verträge oder andere Wettbewerbsbehörden ermöglichen. Allerdings wird der Grundsatz des Art. 21 Abs. 2 FKVO geringfügig durch Art. 4 Abs. 4, Art. 9 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 3 FKVO durchbrochen. Näheres zum Verweisungssystem der FKVO an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, siehe umfassend: Löwenkamp, Das neue Verweisungssystem nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004. 455 Mit diesem sog. one stop shop-Prinzip wird versucht der Problematik der Mehrfachanmeldung, sog. multiple filings, entgegenzuwirken. 456 Burnley, World Competition 25 (2002), 263 (266). 457 Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu den Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 156. 458 Siehe: Erwägungsgrund Nr. 20 der FKVO und Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu den Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 7. 459 Die Fusion ist die Verschmelzung von mindestens zwei voneinander unabhängigen Unternehmen zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Einheit, wobei mindestens einer der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen seine rechtliche Selbständigkeit verliert. Zu den

Kap. 1: Kontrolle durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004

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Mittel begründet wird, der einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewährt, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, Art. 3 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 FKVO460. 2. Gemeinschaftsunternehmen Nach Art. 3 Abs. 4 FKVO stellt die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens461 nur dann einen Zusammenschluss dar, wenn das Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt.462 Wenn jedoch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens die Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens des Gründungsunternehmens bezweckt oder bewirkt463, dann sind nach Art. 2 Abs. 4, 5 FKVO die koordinierenden Effekte nach den Kriterien des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV zu beurteilen.

Einzelheiten des Fusionsbegriffs, vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu den Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 9 f. 460 Vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu den Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 11 ff. Es gibt unterschiedliche Formen des Kontrollerwerbs: asset deal, share deal, der vertragliche (z. B. Betriebsüberlassungsverträge) und zu guter Letzt der Kontrollerwerb in sonstiger Weise. Im Grunde genommen geht es beim Kontrollerwerb um wesentliche geschäftspolitische Entscheidungen, wie die Besetzung der Unternehmensleitung und Finanzplanung, Erstellung des Geschäftsplans, Entscheidungen über Investitionen und marktspezifische Rechte, aber auch die Verhinderung von strategischen Entscheidungen mittels Vetorechten. Vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 54 und 65 ff. Selbst eine Minderheitsbeteiligung kann die alleinige Kontrolle begründen, vorausgesetzt die Beteiligung ermöglicht es dem Erwerber die Geschäftsstrategie des Zielunternehmens zu bestimmen. Vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 57. Die Unterscheidung – alleinige oder gemeinsame Kontrolle – ist indes für die Einordnung des Zusammenschlusses unbeachtlich; diese Unterscheidung spielt vielmehr eine entscheidende Rolle für die Berechnung des Umsatzes nach Art. 5 FKVO. 461 Bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens fallen zwei Zusammenschlussvorgänge zusammen: Für Mutterunternehmen stellt zunächst die Beteiligung am Tochterunternehmen ein vertikaler Zusammenschluss dar. Daraufhin erfolgt auf dem Markt des Tochterunternehmens ein horizontaler Zusammenschluss der Mutterunternehmen. Ein Gemeinschaftsunternehmen ist ein Tochterunternehmen von zwei oder mehr Mutterunternehmen, die eine neue Produktionseinheit gründen, vorhandene Produktionskapazitäten ausgliedern oder ein bereits bestehendes drittes Unternehmen gemeinsam erwerben. 462 Es handelt sich hierbei um sog. Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen. Diese sind im Verhältnis zu den Mutterunternehmen wirtschaftlich selbständig und auf Dauer angelegt. Siehe: Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 91 – 109. 463 Dies ist dann mithin ein sog. kooperatives Gemeinschaftsunternehmen im Unterschied zum sog. rein konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen.

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3. Ausnahmetatbestände des Art. 3 Abs. 5 FKVO Nach Art. 3 Abs. 5 FKVO liegt kein Zusammenschluss trotz Kontrollerwerb bei befristeten Anteilserwerben durch Kredit-, Finanzinstitute oder Versicherungsgesellschaften vor, um den Handel mit Wertpapieren nicht zu behindern (die sog. Bankenklausel464). Auch der Erwerb durch einen Träger eines bestimmten öffentlichen Mandates, wie z. B. der Insolvenzverwalter, oder durch Beteiligungsgesellschaften stellt keinen Zusammenschluss im Sinne der FKVO dar. II. Unionsweite Bedeutung Das Kriterium der unionsweiten Bedeutung ist für die Anwendbarkeit der FKVO entscheidend, weil dies hauptsächlich die Zuständigkeit der Kommission begründet. 1. Umsatzschwellen Diese wird durch die Umsatzschwellen der beteiligten Unternehmen definiert, welche entweder nach Art. 1 Abs. 2 FKVO aus einer Kombination von Weltumsatz mit einem unionsweiten Umsatz oder nach Art. 1 Abs. 3 FKVO aus Weltumsätzen mit unionsweiten Umsätzen in mindestens drei Mitgliedstaaten erfolgt. Diese beiden Absätze stehen sich alternativ zueinander. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der unionsweiten Bedeutung ist die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens.465 Die Unterscheidung zwischen Weltumsatz und unionsweiter Umsatz geht ursprünglich auf einen Vorschlag des Wirtschafts- und Sozialausschusses zurück.466 Zum unionsweiten Umsatz ist noch auszuführen, dass die Kommission bereits in ihren ersten Entwürfen versuchte, die unionsweite Bedeutung eines Zusammenschlusses durch andere Kriterien festzulegen, wie beispielsweise die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten467, der Unternehmenssitz im Gemeinsamen Markt468 und die Einführung eines Marktanteilskriteriums im Gemein464 Schröer, Europäische Zusammenschlusskontrolle, Kap. 8 Rn. 1139, in: Lange (Hrsg.), Hdb zum dt. und europ. Kartellrecht. 465 Schröer, Europäische Zusammenschlusskontrolle, Kap. 8 Rn. 1143, in: Lange (Hrsg.), Hdb zum dt. und europ. Kartellrecht. 466 „Nach Auffassung des Ausschusses sollten Zusammenschlüsse nur dann unter die Verordnung fallen, wenn die beteiligten Unternehmen in der Gemeinschaft einen bestimmten Mindestumsatz erzielen. Andernfalls besteht insbesondere bei Auslandsfusionen die Gefahr, daß Zusammenschlüsse auch in solchen Fällen der Anmeldepflicht und einem Vollzugsverbot unterliegen, in denen die Gemeinschaft von dem Zusammenschluß kaum berührt wird. Der Ausschuß schlägt daher die Einführung einer entsprechenden Bagatellklausel vor.“ Stellungnahme zu dem geänderten Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1988 C 208/11, Tz. 6.1.5. 467 ABl. 1973 C 92/2. 468 Ebd.

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samen Markt469. Letztlich hat jedoch der Rat all diese Vorschläge abgelehnt und sich für Umsatzschwellen als quantitative Umsatzkriterien entschieden. a) Generalschwellen, Art. 1 Abs. 2 FKVO Nach Art. 1 Abs. 2 FKVO hat ein Zusammenschluss unionsweite Bedeutung, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd. Euro haben und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils mehr als 250 Mio. Euro erzielen. Es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als zwei Drittel ihres unionsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. b) Alternative Schwellen, Art. 1 Abs. 3 FKVO Ein Zusammenschluss, der die in Absatz 2 vorgesehenen Schwellen nicht erreicht, hat nach Art. 1 Abs. 3 FKVO unionsweite Bedeutung, wenn a) der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 2,5 Mrd. Euro beträgt, b) der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils 100 Mio. Euro übersteigt, c) in jedem von mindestens drei von Buchstabe b) erfassten Mitgliedstaaten der Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio. Euro beträgt und d) der unionsweite Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils 100 Mio. Euro übersteigt. Jedoch gilt dies nicht, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres unionsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen. Zwar sind die in Abs. 3 genannten Umsatzschwellen niedriger als in Abs. 2, aber Abs. 3 legt weitere Voraussetzungen für die räumliche Verteilung der Umsätze innerhalb der Union fest. Die Schwellenwerte nach Art. 1 Abs. 3 FKVO wollen Zusammenschlüsse, die die Schwellenwerte nach Abs. 2 nicht erreichen, aber in mindestens drei Mitgliedstaaten erhebliche Auswirkungen hätten und mehrfach angemeldet werden müssen, erfassen. 2. Beteiligte Unternehmen Um den Umsatz bestimmen zu können, ist der Begriff der Beteiligung entscheidend. Dieser wird zwar in Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO vorausgesetzt, aber nicht näher erläutert. Die beteiligten Unternehmen sind grundsätzlich die direkten Teilnehmer an einer Fusion oder einem Kontrollerwerb. Wer dies konkret ist, richtet sich nach der Art des Unternehmenszusammenschlusses und soll hier nicht weiter vertieft

469

ABl. 1982 C 36/4 f.

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werden. Insoweit wird auf die Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen verwiesen.470 3. Berechnung des Umsatzes Die Einzelheiten zur Umsatzberechnung sind in Art. 5 FKVO geregelt.471 Nach Art. 5 Abs. 1 FKVO sind für die Berechnung des Gesamtumsatzes die Umsätze zusammenzuzählen, welche die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr mit Waren und Dienstleistungen erzielt haben und die ihrem normalen geschäftlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen sind.472 Der hier zu beachtende Umsatz ist ein „Nettoumsatz“473, da von ihm Rabatte, Steuern und Abgaben (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 FKVO) und die Konzerninnenumsätze (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 FKVO) abgezogen werden. Maßgeblich sind die Umsätze der beteiligten Unternehmen und der dazugehörigen Konzerne nach Art. 5 Abs. 4 FKVO.474 Die Zuordnung des Umsatzes richtet sich danach, wo der Wettbewerb beim Verkauf von Waren stattfindet.475 Da Jahresabschlüsse keine geographische Zuordnung der Umsätze beinhalten, muss die Kommission auf die Zahlen, die die Unternehmen ihr zur Verfügung stellen, vertrauen.476 Für den Erwerb von Unternehmensteilen stellt Art. 5 Abs. 2 FKVO fest, dass nur der Umsatz zu berücksichtigen ist, der auf die veräußerten Teile entfällt, wobei immer auf die tatsächlich erworbenen Unternehmensteile abzustellen ist. Mehrere Erwerbsvorgänge zwischen denselben Unternehmen innerhalb von zwei Jahren werden als ein einziger Zusammenschluss angesehen. Dies gilt jedoch nur für den Erwerb von Unternehmensteilen, nicht für den Anteilserwerb oder den sonstigen Möglichkeiten des Kontrollerwerbs. Was die Umsatzberechnung bei Gemeinschaftsunternehmen der Zusammenschlussbeteiligten betrifft, normiert Art. 5 Abs. 5 FKVO, dass die Umsätze zwischen

470

Siehe: Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10. 471 Zu den Einzelheiten der Umsatzberechnungsregelungen, vgl. insbesondere die Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 157 ff. Siehe zudem mit zahlreichen Beispielen: Soames, ECLR 1990, 213 (215 ff.) und Hüfner, Abgrenzung der Kontrollkompetenzen zwischen EG-Kommission und Bundeskartellamt bei Zusammenschlüssen gemäß Art. 3 FKVO, S. 111 ff., insbes. S. 115 ff. 472 Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen für bestimmte Bereiche, wie für den der Handels- und Vermittlungstätigkeit, vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 159. 473 Vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 164. 474 Wer die beteiligten Unternehmen sein können, wurde unter Teil 1 Kapitel 2 B. II. 2. dargestellt. 475 Vgl. Kommission, Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen, ABl. 2009 C 43/10, Tz. 195. 476 Ebd.

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dem Gemeinschaftsunternehmen und jedem der beteiligten Unternehmen nicht zu berücksichtigen sind. Zuletzt gibt es gesetzliche Sonderregelungen: Bei Kredit- und sonstigen Finanzinstituten werden statt der Umsätze bestimmte Ertragsposten, die in Art. 5 Abs. 3 lit. a) FKVO aufgezählt sind, ermittelt. Bei Versicherungsunternehmen ist die Summe der Bruttoprämien maßgeblich, vgl. Art. 5 Abs. 3 lit. b) FKVO.

C. Materielles Fusionskontrollrecht: Eingreifkriterien Erfüllt ein Zusammenschlussvorhaben die Aufgreifkriterien der Art. 1 und 3 FKVO, so ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob das Vorhaben nach Art. 2 FKVO mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.477 Hierbei werden die Vorhaben aufgrund ihrer Wirkung auf die Wettbewerbsverhältnisse im Binnenmarkt beurteilt. Entscheidend ist nach Art. 2 Abs. 3 FKVO, ob das Vorhaben den wirksamen Wettbewerb erheblich behindert, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt.478 Hierfür muss zunächst eine Marktabgrenzung erfolgen, die anhand einer zweistufigen Prüfung vorzunehmen ist: Zuerst einmal ist zu bestimmen, welcher Markt in sachlicher und räumlicher Hinsicht relevant ist. Daraufhin ist die Stellung der Unternehmen, die auf diesem Markt tätig sind, zu bestimmen. Im Rahmen der Fusionskontrolle werden zudem dynamische Elemente besonders berücksichtigt; denn entscheidend ist die Frage, wie nach der Fusion der Markt in naher Zukunft aussieht. Bei der materiellen Bewertung von Zusammenschlüssen ist zwischen den verschiedenen – horizontalen, vertikalen und konglomeraten – Zusammenschlüssen zu differenzieren.

477

Nach altem Sprachgebrauch: „Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt“. In den VO Nr. 4064/89 und 1310/97 galt der Marktbeherrschungstest, wonach Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird, mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar zu erklären waren. Die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben war das einzige Eingreifkriterium, mithin war die Prüfung strukturbezogen. Zwischenzeitlich entstanden Zweifel, ob mit dem Marktbeherrschungstest allein alle potenziell wettbewerbsschädlichen Zusammenschlussvorgänge erfasst werden. In der jetzigen Fassung prüft die Kommission die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs mittels des Significant Impediment to Effective Competition (SIEC)Test. Die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung im relevanten Markt ist mittlerweile nur noch ein Regelbeispiel („insbesondere“), wobei die Kommission davon ausgeht, dass das Marktbeherrschungskriterium nach wie vor in den meisten Fällen ausschlaggebend sein wird. Vgl. Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Erwägungsgrund Nr. 4. Mit dieser Neueinführung nähert sich der europäische Test dem US-amerikanischen, welcher auf ein „substantial lessening of competition“ abstellt, an. 478

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I. Marktabgrenzung Ob eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliegt, kann nur im Hinblick auf den jeweils relevanten Markt beantwortet werden. In der FKVO ist der Begriff des relevanten Marktes nicht definiert. Jedoch kann die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft479 herangezogen werden, die für das gesamte europäische Wettbewerbsrecht gilt. Dieser setzt sich aus einem sachlich und räumlich relevanten Markt zusammen. Der sachlich relevante Markt umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die vom Verbraucher hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.480 Die Bestimmung des relevanten Markts erfolgt in erster Linie anhand des Bedarfsmarktkonzepts.481 „Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.“482 Dieser kann vom regionalen über nationalen bis zum europäischen über den weltweiten Markt reichen.483 Kriterien für die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes sind u. a. die

479

Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372/5. 480 Ebd., Tz. 7. 481 Dem Bedarfsmarkt zufolge zählen zum sachlich relevanten Markt alle Produkte oder Dienstleistungen, die aufgrund ihrer Merkmale dem gleichen Bedarf zu dienen bestimmt und aus Sicht der Nachfrager mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind (Nachfragesubstituierbarkeit). Vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997 C 372/5, Tz. 13 ff. Dies wird mittels des SSNIP-Tests bestimmt, wonach ermittelt wird, wie die Kunden auf geringe, aber spürbare und dauerhafte Änderungen des geltenden Preises (um 5 % bis 10 %) reagieren und insbesondere, ob sie in diesem konkreten Fall dann auf ein gleichartiges Substitut der Konkurrenz zurückgreifen würden. Vgl. Wimmer/ Müller, Wirtschaftsrecht, S. 167. Ebenfalls wird zur Marktabgrenzung das Kriterium der Angebotssubstituierbarkeit herangezogen. Hierbei wird ermittelt, ob andere Anbieter die Möglichkeit haben, schon bei geringer Preiserhöhung ihre Produktion auf dem relevanten Markt unmittelbar und wirksam umstellen können. Vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997 C 372/5, Tz. 20 ff. Umfassend zur Marktabgrenzung: Säcker, The Concept of the Relevant Product Market; Lindsay/Berridge, The EC Merger Regulation, Kapitel 3. 482 Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes, ABl. 1997 C 372/5, Tz. 8; DVO (EU) Nr. 1269/2013, Anhang I Formblatt CO, ABl. 2013 L 336/4, Abschnitt 6.2. Dazu umfassend: Lange, Räumliche Marktabgrenzung in der europäischen Fusionskontrolle, S. 59 ff. 483 Die Kommission hat für Regionalflugzeuge durchaus einen Weltmarkt angenommen, vgl. Kommission, Entscheidung v. 02. 10. 1991 (IV/M.53 – Aerospatiale-Alenia/de Havilland), ABl. 1991 L 334/42, Tz. 20.

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Art und Eigenschaften der betroffenen Produkte oder Dienstleistungen, Existenz von Marktzutrittsschranken und Verbraucherpräferenzen.484 II. Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs Ein Zusammenschluss darf zu einer erheblichen Behinderung des wirksamen Wettbewerbs, insbesondere zu einer Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, nicht führen. Hier stellt sich die entscheidende Frage, wie ein Zusammenschluss den Wettbewerb auf dem zuvor abgegrenzten Markt beeinflusst. Eine Legaldefinition des Begriffs der marktbeherrschenden Stellung gibt es in der FKVO nicht, jedoch kann auf die wesentlichen Gedanken des Art. 102 AEUV zurückgegriffen werden485, wonach unter marktbeherrschender Stellung „die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens (…), die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten“486, verstanden wird. Ob eine solche beherrschende Stellung durch einen Zusammenschluss begründet oder verstärkt wird, folgt aus einem Vergleich der Wettbewerbsstruktur des betroffenen Marktes vor und nach dem Zusammenschluss (Prognoseentscheidung).487 Als erster Anhaltspunkt für die möglichen wettbewerblichen Auswirkungen wird die Marktmacht, die mittels des Marktanteils ermittelt bzw. die Marktkonzentration, welche mittels des Herfindahl-Hirschman Indexes488 bestimmt wird, herangezogen.489 Die Kommission prüft nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO die Notwendigkeit, im Binnenmarkt wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zu entwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Struktur aller betroffenen Märkte und den tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb der Union ansässige Unternehmen und nach 484 Kommission, XXII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 237; Lange, Räumliche Marktabgrenzung in der europäischen Fusionskontrolle, S. 141 ff. 485 Bunte, Kartellrecht, S. 205. 486 EuGH, Rs. C-27/76 (United Brands/Kommission), ECLI:EU:C:1978:22, Tz. 63/66; EuGH, Rs. C-85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission), ECLI:EU:C:1979:36, Tz. 38; EuGH, Rs. C-31/80 (L’Oréal/De Nieuwe AMCK), ECLI:EU:C:1980:289, Tz. 26. 487 Hacker, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Art. 2 FKVO Rn. 271 ff. 488 Der Herfindahl-Hirschmann Index (HHI) ist die Summe des Quadrates der jeweiligen Marktanteile sämtlicher auf dem Markt tätigen Unternehmen. Besteht ein Monopol, beträgt der HHI 10.000 (=1002). Von einer niedrigen Marktkonzentration ist gewöhnlich bei einem HHI von unter 1.000, von einer mäßigen Marktkonzentration bei einem HHI zwischen 1.000 und 2.000 und von einer hohen Marktkonzentration bei einem HHI über 2.000 auszugehen. So zur Erfassung der horizontalen Auswirkungen eines Zusammenschlusses, vgl. Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 16 und 19 ff. 489 Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 14 ff.; Kommission, Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2008 C 265/6, Tz. 23 ff.

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lit. b) die Marktstellung sowie die wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft der beteiligten Unternehmen, die Wahlmöglichkeiten der Lieferanten und Abnehmer, ihren Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, rechtliche oder tatsächliche Marktzutrittsschranken, die Entwicklung des Angebots und der Nachfrage bei den jeweiligen Erzeugnissen und Dienstleistungen, die Interessen der Zwischen- und Endverbraucher sowie die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert.490 Erfasst werden von der FKVO nicht nur Fälle der Einzelmarktbeherrschung, sondern auch Fälle der kollektiven Marktbeherrschung.491 Selbst wenn Zusammenschlüsse den Binnenmarkt erheblich behindern, können diese gerechtfertigt sein. Als Rechtfertigungsgründe kommen zum einen Sanierungsfusionen492 und zum anderen Effizienzgesichtspunkte in Betracht.493 Eine Sanierungsfusion ist dann gerechtfertigt, wenn das Zielunternehmen ohne den Zusammenschluss aus dem Markt ausscheiden, seine Marktposition den anderen Wirtschaftsteilnehmern zufallen und schließlich es keine weniger wettbewerbsschädliche Alternative geben würde.494 Ein Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung von Effizienzen findet sich sowohl in Art. 2 Abs. 1 lit. b FKVO als auch in Erwägungsgrund Nr. 29 zur FKVO, wonach bei der Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen u. a. die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen 490 Von „kartellrechtlicher Allzweckwaffe“ ist hier die Rede, s. Löffler, Art. 2 FKVO Rn. 156. Siehe für weitere Faktoren, die bei der Überprüfung stärker oder schwächer nach Art. 2 Abs. 1 lit. b KVO berücksichtigt werden: Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 25 ff., Kommission, Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2008 C 265/6, Tz. 29 ff. 491 Die KOM hat bereits 1991 im Fall Nestlé/Perrier den Marktbeherrschungsbegriff der FKVO auch auf die kollektive Marktbeherrschung angewandt. Siehe: Kommission, Entscheidung v. 25. 03. 1992, IV/M.190 (Nestlé/Perrier), ABl. 1992 L 356/1, Tz. 112 ff. Des Weiteren: Kommission, Entscheidung v. 14. 12. 1993, IV/M.308 (Kali+Salz/MdK/Treuhand), ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57; Kommission, Entscheidung v. 24. 04. 1996, IV/M.619 (Gencor/Lonrho), ABl. 1997 L 11/30, Tz. 140, bestätigt durch den EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLU:EU:T:1999:65 und Kommission, Entscheidung v. 22. 09. 1999, IV/M.1524 (Airtours/ First Choice), ABl. 2000 L 93/1, Tz. 51 ff., insbes. 54 und 150. Zur kollektiven Marktbeherrschung in der FKVO, s. Schürnbrand, Kollektive Marktbeherrschung in der Europäischen Fusionskontrolle, passim. 492 Sanierungsfusionen betreffen das vollständige Ausscheiden eines Unternehmens aus dem Markt (failing firm defense). Ferner gibt es noch failing division defense: Hier will der Anmeldende die fehlende Kausalität damit begründen, dass ohne den Zusammenschluss ein abgrenzbarer Geschäftsbereich liquidiert werden müsste. Vgl. Ristelhuber, ZIP 2003, 378 (379 f.). Für Einzelheiten von Sanierungsfusionen, die Effizienzen hervorrufen können, siehe mal anders: Monti/Rousseva, ELRev 24 (1999), 38 (48 ff.). 493 Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 76 ff. und 89 ff.; Camesasca, ECLR 1999, 14 (16 ff.); Nöel, ECLR 1997, 498 – 519. 494 Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 89 ff. Siehe auch EuGH, verb Rs. C-68/94 und C-30/95 (Französische Republik und SCPA und EMC/Kommission), ECLI:EU:C:1998:148, Tz. 112 ff. und Kommission, Entscheidung v. 11. 07. 2001 (COMP/M.2314 – BASF/Eurodiol/Pantochim), ABl. 2002 L 132/45, Tz. 140 ff., insbes. Tz. 142.

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Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert, zu beachten ist.495 Die Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten ist eine Ausprägung des more economic approach. Mit diesem Ansatz versucht die Kommission nicht nur ökonomische Methoden zur empirischen Analyse von Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden, sondern hierdurch auch dem Schutz der Konsumentenwohlfahrt besser Rechnung zu tragen.

D. Verfahren496 Das europäische Fusionskontrollverfahren ist präventives Verwaltungshandeln, welches durch die ex ante Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot497 geprägt ist.498 Bevor ein Zusammenschluss von unionsweiter Bedeutung bei der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission (DG COMP) mittels des Formblatts CO499 gem. Art. 4 Abs. 1 FKVO angemeldet wird, finden in der Regel sog. informelle Pränotifizierungsgespräche zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen und der Kommission statt.500 Nach der vollständigen Anmeldung findet das

495 Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 76 ff.; Kommission, Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2008 C 265/6, Tz. 52 ff. Effizienzvorteile müssen in erster Linie an die Verbraucher weitergegeben werden, zudem müssen sie fusionsspezifisch und nachprüfbar sein. Vgl. Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 2004 C 31/5, Tz. 79 ff. Hierzu umfassend aus der Lit.: Wapler, Die Effizienz in der EU-Fusionskontrolle, Schwalbe beschäftigt sich mit der wirtschaftstheoretischen Frage, ob die Berücksichtigung von Effizienzgewinnen geeignet ist, volkswirtschaftlich sinnvolle Fusionen zu ermöglichen, vgl. Schwalbe, Die Berücksichtigung von Effizienzgewinnen in der Fusionskontrolle – Ökonomische Aspekte, in: Oberender (Hrsg.) Effizienz und Wettbewerb, S. 63 – 94; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S. 433 ff. 496 Das Verfahren der Fusionskontrolle ist in der FKVO selbst geregelt, wobei die Einzelheiten in der gesonderten Durchführungsverordnung (EU) 1269/2013 geregelt sind. Hinzu kommen die „DG Competition Best Practices on the conduct of EC merger control proceedings“ v. 20. 01. 2004 (sog. Best Practices), in denen die Kommission weitere praktische Verfahrenshinweise geregelt hat; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislati on/proceedings.pdf (zuletzt aufgerufen am 18. 04. 2014). 497 Das Vollzugsverbot hat einen Suspensiveffekt, vgl. Art. 7 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 lit. a, b FKVO. Falls doch noch gegen das Vollzugsverbot verstoßen wurde, hat die Kommission zwei Sanktionsmöglichkeiten: entweder Geldbußen oder Zwangsgelder festzusetzen, Art. 14 und 15 FKVO. 498 In den Grundzügen so auch das Beihilfeverfahren nach Art. 108 AEUV. 499 Formblatt CO zur Anmeldung eines Zusammenschlusses gem. Verordnung (EG) Nr. 139/2004, Anhang I zur DVO (EU) Nr. 1269/13, ABl. 2013 L 336/1. Die Verwendung dieses Formblattes ist zwingend. 500 DG Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceedings, Rn. 5 ff. Interessant ist, dass sich die Fallprüfung immer stärker in das informelle Vorverfahren (pre-notification consultation) vorverlagert, welches in der FKVO nirgends vorgesehen ist.

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

Fusionskontrollverfahren statt, welches sich in zwei Abschnitte unterteilt: Phase 1, dem sog. Vorverfahren und Phase 2, dem sog. Hauptverfahren.

Quelle: Drauz/Schroeder, Praxis der Europäischen Fusionskontrolle, 3. Aufl., Köln 1995, S. 202.

Abbildung 4: Übersicht über das Verfahren der FKVO

Kap. 1: Kontrolle durch die Verordnung (EG) Nr. 139/2004

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Im Rahmen des Vorverfahrens prüft die Kommission lediglich, ob die FKVO anwendbar ist und summarisch, ob dem Zusammenschlussvorhaben ernsthafte Bedenken entgegenstehen.501 Nach dieser Prüfung kann sie entweder das Vorhaben gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO freigeben oder es folgt durch eine Entscheidung der Kommission nach Art. 6 Abs. 1 lit. c FKVO das sog. Hauptverfahren nach Art. 8 FKVO, wonach eine (Un-)Vereinbarkeitsentscheidung folgt. Hierfür hat die Kommission maximal 90 Arbeitstage Zeit. Nach dem Verfahrensabschluss502 kann die Entscheidung der Kommission wie folgt ausgehen: Genehmigung503, Genehmigung mit Bedingungen und Auflagen504 und letztlich Untersagung505 ggf. auch Entflechtung506.

E. Zusammenfassung und Untersuchungsgegenstand Wie gesehen, ist die FKVO nicht nur als Antwort auf die wachsende Konzentration von Unternehmen, sondern ebenso als wichtiges Instrument zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines Binnenmarktes mit unverfälschtem Wettbewerb zu verstehen. Entscheidendes Kriterium für die Prüfungszuständigkeit der Kommission ist die unionsweite Bedeutung des Zusammenschlusses. Diese ist in bestimmten Umsatzschwellenwerten des Art. 1 FKVO definiert. Der Anwendungsbereich der FKVO ist demnach dann eröffnet, wenn ein Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 FKVO und die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 oder Abs. 3 FKVO überschreiten. Dreh- und Angelpunkt für die Anwendung der FKVO sind daher die Umsatzschwellenwerte. Auf den ersten Blick scheint es als würde die FKVO keine Norm enthalten, die sich mit der extraterritorialen Anwendbarkeit der FKVO befasst. Vielmehr ist die FKVO auf alle Zusammenschlüsse anwendbar, die eine „unionsweite Bedeutung“ aufweisen, vgl. Art. 1 FKVO. Dies ist nach Art. 1 Abs. 2 FKVO dann der Fall, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als fünf Mrd. Euro haben und mindestens zwei der 501 Art. 6 Abs. 1 lit. a, b und c, Art. 10 Abs. 6 FKVO. Die Prüfung im Rahmen des Vorverfahrens findet innerhalb von 25 Arbeitstagen, mit Verlängerungsmöglichkeit auf 35 Arbeitstrage statt, Art. 10 Abs. 1 FKVO. 502 Vergegenwärtigt man sich die Fristen für die Einleitung des Verfahren und für Entscheidungen – Phase I: 25 Arbeitstage (Art. 10 Abs. 1 UABs. 1 Satz 1 FKVO) + ggf. zehn Tage Verlängerung, Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 FKVO und zusätzlich Phase II: 90 Arbeitstage, Art. 10 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 1 FKVO plus ggf. 15 Tage Verlängerung, Art. 10 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 FKVO = 150 Arbeitstage – wird sehr schnell deutlich, dass ein solches Verfahren bis zu fünf Monate dauern kann; vorausgesetzt die Kommission erhebt nicht die Einrede der Fristhemmung. 503 Vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 FKVO. 504 Vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 2 FKVO. 505 Vgl. Art. 8 Abs. 3 FKVO. 506 Vgl. Art. 8 Abs. 4 FKVO.

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beteiligten Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils mehr als 250 Mio. Euro erzielen; es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als zwei Drittel ihres unionsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. Demnach werden Umsatzschwellenwerte als Zuständigkeitsbegründung für die Prüfung von unionsweiten Unternehmenszusammenschlüssen seitens der Kommission herangezogen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die FKVO auf folgende Konstellationen von Unternehmenszusammenschlüssen anwendbar ist: a) Ein nicht-europäisches Unternehmen schließt sich mit einem Unternehmen zusammen, das seinen Sitz in der EU hat, b) Zwei nicht-europäische Unternehmen schließen sich zusammen und beeinträchtigen erheblich den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt bzw. in einem wesentlich Teil desselben, c) Zwei (nicht)-europäische Unternehmen gründen ein Gemeinschaftsunternehmen, das außerhalb der EU tätig wird und schließlich d) Zwei nicht-europäische Unternehmen schließen sich zusammen, die offensichtlich den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt nicht behindern. Die Prüfung der letzten zwei Fallgruppen seitens der Kommission erscheint bedenkenswert, denn diese müssen trotz fehlender Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt bei der Kommission angemeldet werden, vgl. Art. 4 FKVO, was wiederum zu absurden Fällen geführt hat und nach wie vor führt: Warum muss die Kommission über den Bau einer Pipeline in Vietnam, den Bau einer puerto-ricanischen Autobahn oder Telekommunikationsdienstleistungen in Japan entscheiden? Auch wenn die Parteien die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 FKVO überschreiten, weisen sie keinen Bezug zum europäischen Binnenmarkt auf. Die Anmeldung auch dieser letzten zwei Fallgruppen stößt auf Widerspruch einerseits zur Praxis der Art. 101, 102 AEUV, wonach die Kommission die (extraterritoriale) Anwendung dieser beiden Vorschriften explizit mittels des Auswirkungsprinzips bestimmt (s. o.) und andererseits zu den Empfehlungen des International Competition Network (ICN)507. Art. 101 AEUVerfasst nur vertragliche Wettbewerbsbeschränkungen „innerhalb des Binnenmarktes“ und Art. 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung „auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben“. Mithin sind Art. 101, 102 AEUV auf alle Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar, die sich auf den Wettbewerb im Binnenmarkt auswirken, auch wenn sie in Drittstaaten veranlasst werden. Die Empfehlungen des ICN sehen unter anderem vor, dass eine ausreichende Verbindung mit dem Rechtssystem, in dessen Zuständigkeit die Prüfung des Zusammenschlusses erfolgt, gegeben sein muss. Dies ist dann der Fall, wenn das Vorhaben erhebliche, direkte und unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen in den jeweiligen Rechtsordnungen hervorruft.508 507

Siehe hierzu vertiefend in dieser Arbeit: Teil 2, Kapitel 3, B., III., 2. ICN, Recommended Practices for Merger Notification Procedures, recommendation I., C., comment 1: „Notification should not be required unless the transaction is likely to have a significant, direct and immediate economic effect within the jurisdiction concerned.“ 508

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Wenn man diese Gedanken auf die FKVO überträgt, dann kommt man zum Schluss, dass ohne spürbare Auswirkungen auf den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt die FKVO keine Geltung beanspruchen kann. Deshalb lautet die zentrale Frage: Stellt die Überschreitung bestimmter Umsatzschwellen eine sinnvolle Anknüpfung sowohl für die Anmeldepflicht als auch für das Vollzugsverbot von Unternehmenszusammenschlüssen dar? Die Problematik der Umsatzschwellen als Aufgreifkriterien, vor allem für außereuropäische Zusammenschlussvorhaben, die keine Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben, wurde bislang nur teilweise besprochen und soll an dieser Stelle ausführlich analysiert werden. Da die Anmeldung grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse auch ohne Auswirkungen auf den Binnenmarkt bei der Kommission mittlerweile die Norm ist, ist diese Diskussion nicht nur von akademischer Natur, sondern auch für die Unternehmenspraxis relevant. Im weiteren Verlauf der Arbeit gilt es zu untersuchen, inwieweit die Kommission bzw. die europäischen Gerichte in den o.g. vier Fallkonstellationen, v. a. hinsichtlich solcher, die keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, ihre Prüfungs- und Untersagungsbefugnis vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den völkerrechtlichen Prinzipien begründen, ob das Auswirkungsprinzip eine eigenständige Bedeutung neben der „unionsweiten Bedeutung“ eines Zusammenschlusses in der FKVO hat, und schließlich ob die Entscheidungen nicht zu einem Konflikt mit anderen (Wettbewerbs-)Behörden führen. In diesem Zusammenhang soll die These vertreten werden, dass die Kommission ihre Befugnisse, die ihr durch Art. 1, 21 Abs. 2 FKVO verliehen werden, überschreitet, wenn sie über Unternehmenszusammenschlüsse, wonach die beteiligten Unternehmen zwar die Schwellenwerte des Art. 1 FKVO überschreiten, die Vorhaben dagegen tatsächlich keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, entscheidet. Zur Überprüfung dieser These ist es zunächst notwendig, die Praxis der extraterritorialen Rechtsanwendung im europäischen Wettbewerbsrecht aufzuzeigen (Kapitel 2). Daraufhin wird schließlich mit einer Fallstudie als eine Bestandsaufnahme der bisherigen rechtlichen Behandlung grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse durch die Kommission abgerundet (Kapitel 3) und letztlich der extraterritoriale Anwendungsbereich der FKVO ermittelt (Kapitel 4). Zum Schluss wird die Frage beantwortet, ob Umsatzschwellenwerte eine sinnvolle Anknüpfung für die extraterritoriale Anwendung der FKVO sind und damit ob der Anwendungsbereich der FKVO den völkerrechtlichen Prinzipien entspricht (Kapitel 5). Kapitel 2

Die extraterritoriale Rechtsanwendung im europäischen Kartellrecht Eine Diskussion über die extraterritoriale Rechtsanwendung ohne einen tatsächlichen Bezug zur wettbewerbsrechtlichen Praxis wäre sinnlos. Daher ist es entscheidend, die Erfahrung der europäischen Praxis mit der extraterritorialen

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Rechtsanwendung des europäischen Wettbewerbsrechts zu beleuchten, um so ein besseres Verständnis hierfür zu entwickeln. Sowohl die Art. 101, 102 AEUVals auch die FKVO schweigen, was ihre extraterritoriale Anwendbarkeit betrifft. Dies hat zur Folge, dass die extraterritoriale Rechtsanwendung im europäischen Wettbewerbsrecht hauptsächlich durch die Kommissionspraxis und die Entscheidungen der europäischen Gerichtsbarkeit entwickelt wurde. Die Praxis zeigt, dass bisher zwei verschiedene Ansätze verwendet werden, um Wettbewerbsbeschränkungen, die außerhalb der Union veranlasst werden bzw. stattfinden, zu erfassen: Zum einen das Auswirkungsprinzip und zum anderen die vom EuGH entwickelten Konzepte der Unternehmenseinheit und Durchführung. Letztere weisen einen stärkeren territorialen Bezug zur EU auf. Diese Ansätze sollen im Folgenden dargestellt werden, um im Anschluss zu überprüfen, welchem dieser Ansätze die FKVO folgt.

A. Die Praxis der Kommission Die Kommission war eine der ersten Behörden, die das Auswirkungsprinzip zur Begründung der extraterritorialen Anwendbarkeit der europäischen Wettbewerbsnormen (heute: Art. 101, 102 AEUV) herangezogen und somit auch auf ausländische Unternehmen angewendet hat. Bereits 1964 beabsichtigte die Kommission im Fall Grosfillex509 Art. 85 EWGV auf eine Alleinvertriebsvereinbarung für die Schweiz zwischen einem französischen und einem schweizerischen Unternehmen anzuwenden, erteilte letztlich aber ein Negativtest.510 Ähnlicher Sachverhalt und ähnliche Entscheidung auch im Fall Bendix511, wobei die Kommission explizit darauf hinwies, dass nicht der Sitz des Herstellers (der in diesem Fall außerhalb des Gemeinsamen Marktes war), sondern die Auswirkung der Vereinbarung im Gemeinsamen Markt entscheidend sei.512 Ebenfalls erließ die Kommission Bußgeldentscheidungen gegen ausländische Unternehmen wegen Handlungen im Ausland, gestützt auf das Auswirkungsprinzip.513 So wurde das Bußgeld nicht nur gegen Unternehmen innerhalb der EWG, sondern auch gegen Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EWG hatten und innerhalb der EWG nur über Tochterunternehmen tätig geworden sind, verhängt.514 Bis 1974 wurde jedoch das Auswirkungsprinzip nie in seiner Ur509 Kommission, Entscheidung v. 11. 03. 1964 (IV/A-0061 – Grosfillex – Fillistdorf), ABl. 1964 58/915. 510 Die extraterritoriale Anwendbarkeit des Art. 85 EWGV scheiterte mangels einer spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes. 511 Kommission, Entscheidung v. 01. 06. 1964 (IV-A/12.868), ABl. 1964 92/1426. 512 Kommission, Entscheidung v. 01. 06. 1964 (IV-A/12.868), ABl. 1964 92/1427: „An sich ist die Tatsache, daß der Hersteller seinen Sitz außerhalb des Gemeinsamen Marktes hat, kein Hindernis für die Anwendbarkeit von Art. 85 des EWG-Vertrages, da die Vereinbarung sich innerhalb des Gemeinsamen Marktes auswirkt.“ 513 Kommission, Entscheidung v. 07. 08. 1969 (IV/26 267 – Farbstoffe), ABl. 1969 L 195/11. 514 In diesem Zusammenhang schrieb die Kommission zur Frage des Anwendungsbereichs des Artikels 85 EWGV: „Diese Entscheidung ist für alle an den aufeinander abgestimmten

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sprungsform angewendet. Wie im Farbstoffe-Fall waren bisher immer auch Unternehmen, die ihren Sitz innerhalb der EWG hatten, an den begangenen Wettbewerbsbeschränkungen beteiligt. Die Kommission wollte aber auch Wettbewerbsbeschränkungen erfassen, an denen ausschließlich ausländische Unternehmen beteiligt sind. Dies wird aus der Bekanntmachung zu den Selbstbeschränkungsabkommen japanischer Unternehmen deutlich: „Die Tatsache, daß einzelne oder sämtliche der beteiligten Unternehmen ihren Sitz außerhalb der Gemeinschaft haben, steht der Anwendung dieser Vorschrift [Art. 85 EWGV] nicht entgegen, wenn die Wirkungen der Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen sich auf das Gebiet des Gemeinsamen Marktes erstrecken.“515

Aus diesem Grund ist die Entscheidung der Kommission im Zellstoff-Fall516 keine große Überraschung gewesen. Hierbei handelte es sich um ein Exportkartell US-amerikanischer, kanadischer, schwedischer und finnischer Exporteure von Zellstoff, die innerhalb der EWG nur durch Tochtergesellschaften und Agenten vertreten waren. Ferner führte die Kommission aus, dass Exportvereinigungen, auch wenn das jeweilige Heimatland diese Tätigkeiten als legitim erachtet517, dann gegen Art. 85 EWGV verstoßen, wenn die Preisabsprachen den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes betreffen und dort spürbare Auswirkungen haben.518

Verhaltensweisen beteiligten Unternehmen verbindlich, mögen sie ihren Sitz innerhalb oder außerhalb des Gemeinsamen Marktes haben. Nach Artikel 85 Absatz 1 EWGV sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Die Wettbewerbsregeln des Vertrages finden demnach Anwendung auf alle Wettbewerbsbeschränkungen, die die in Artikel 85 Absatz Absatz 1 bezeichneten Auswirkungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes haben. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Unternehmen, die derartige Wettbewerbsbeschränkungen verursachen, ihren Sitz innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft haben.“ Kommission, Entscheidung v. 07. 08. 1969 (IV/26 267 – Farbstoffe), ABl. 1969 L 195/16. 515 Kommission, Bekanntmachung betreffend die Einfuhr japanischer Erzeugnisse in die Gemeinschaft, auf die der Vertrag von Rom anwendbar ist, ABl. 1972 C 111/13. 516 Kommission, Entscheidung v. 19. 12. 1984 (IV/29.725 – Zellstoff), ABl. 1985 L 85/1. 517 Die Beteiligung an dieser Zellstoff-Exportvereinigung war den beteiligten US-amerikanischen nach dem US Webb Pomerene Act von 1918 erlaubt, vgl. Kommission, Entscheidung v. 19. 12. 1984 (IV/29.725 – Zellstoff), ABl. 1985 L 85/6, Rn. 29. 518 Kommission, Entscheidung v. 19. 12. 1984 (IV/29.725 – Zellstoff), ABl. 1985 L 85/22, Rn. 123.

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B. Die Konzepte des EuGH: Das Prinzip der Unternehmenseinheit und das Durchführungsprinzip Auch der EuGH sprach sich für die extraterritoriale Anwendbarkeit der europäischen Wettbewerbsnormen aus, so äußerte er sich im Béguelin-Fall519 wie folgt dazu: „Daß einer der Vertragspartner in einem dritten Land ansässig ist, steht der Anwendung dieser Vorschrift [Art. 85 EWGV] nicht entgegen, wenn die Wirkungen der Vereinbarungen sich auf das Hoheitsgebiet des Gemeinsamen Marktes erstrecken“520. Allerdings vermied er bisher, sich eindeutig auf das Auswirkungsprinzip festzulegen. Stattdessen entwickelte er zur Begründung der extraterritorialen Rechtsanwendung der heutigen Art. 101, 102 AEUV zwei Konzepte: Zum einen das Prinizip der Unternehmenseinheit und zum anderen das Prinzip der Durchführung. I. Das Prinzip der Unternehmenseinheit Im Farbstoffe-Fall521, in dem der Generalanwalt Mayras wie die Kommission die Anwendung des Auswirkungsprinzips befürwortete522, wich der EuGH dagegen auf die Zurechnung kraft Unternehmenseinheit aus, wonach ausländischen Mutterunternehmen das Verhalten ihrer Tochterunternehmen mit Sitz innerhalb der EWG zugerechnet wird, wenn diese trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit ihr Geschäftsverhalten nicht autonom bestimmen können, sondern im Wesentlichen den Weisungen der Mutterunternehmen folgen.523 Ferner müssten die Mutterunternehmen im konkreten Fall tatsächlich von ihrer Weisungsbefugnis Gebrauch gemacht haben. Hintergrund dieser Idee ist, dass in der Regel ein Tochterunternehmen nicht 519

EuGH, Rs. C-22/71 (Béguelin Import/G.L. Import Export), ECLI:EU:C:1971:113. Ebd., Rn. 10/12. Ebenso im Fall Tepea, siehe: EuGH, Rs. C-28/77 (Tepea/Kommission), ECLI:EU:C:1978:133, Leisatz Nr. 1 und Rn. 46/47). 521 EuGH, Rs. C-48/69 (ICI/Kommission), ECLI:EU:C:1972:70. 522 GA Mayras geht vom Auswirkungsprinzip aus, wonach die Auswirkungen den Wettbewerb auf den Gemeinsamen Markt unmittelbar, sofort und wesentlich einschränken müssen. Zudem müssen die im Gebiet hervorgerufenen Auswirkungen hinreichend voraussehbar sein. Siehe: Schlussanträge des GA Mayras zur Rs. C-48/69 (ICI/Kommission), ECLI:EU:C:1972:32, S. 700 f. 523 EuGH, Rs. C-48/69 (ICI/Kommission), ECLI:EU:C:1972:70, Rn. 132/135. Ob eine tatsächliche Kontrollausübung seitens des Unternehmens vorliegt, kann laut Barack mittels zweier Tests bestimmt werden: Mittels des „structural and managerial test“ wird eine Kontrollausübung widerlegbar vermutet, wenn die Muttergesellschaft das gesamte Kapital oder zumindest die Kapitalmehrheit der im europäischen Binnenmarkt ansässigen Tochtergesellschaft hält. Hingegen sind diejenigen Fälle, in denen die Muttergesellschaft über eine faktische Einflussnahme die Geschäftstätigkeiten der Tochtergesellschaft lenkt, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Finanzen der einzelnen Gesellschaften nicht eindeutig getrennt verwaltet werden, unter dem „functional und operational test“ zu fassen. Barack, The application of the competition rules (antitrust law) of the European Economic Community, S. 55 und 61. 520

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selber sein eigenes Geschäftsverhalten bestimmen kann, sondern mit dem Mutterkonzern eine „wirtschaftliche Einheit“ darstellt. Diese Rechtsprechung bestätigte der EuGH daraufhin im Continental-Fall524 und in vielen weiteren Fällen.525 II. Das Durchführungsprinzip Wenn Tochterunternehmen in der EU fehlen, dann wird die Anwendung der europäischen Wettbewerbsnormen davon abhängig gemacht, ob die Vereinbarung innerhalb der Gemeinschaft durchgeführt worden ist. Hierfür ließ der EuGH im Zellstoff-Fall526 den Verkauf zu Kartellpreisen an Abnehmer in der Gemeinschaft genügen.527 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt sei demnach der Ort der „Durchführung“ und nicht derjenige der Bildung des Kartells.528

C. EuG: Präzisierung des Auswirkungsprinzips Mit den völkerrechtlichen Grenzen der extraterritorialen Anwendung kartellrechtlicher Normen hat sich erstmals das EuG im Gencor-Fall529 befassen müssen. Anlass hierfür war das Zusammenschlussvorhaben zwischen der südafrikanischen Gencor Ltd. und der britischen Lonrho, Plc. (beide im Bereich der Platinmetalle tätig), die durch ihre südafrikanischen Tochtergesellschaften (Implats und LDP) ihre Aktivitäten zusammenführen wollten. Auf die Frage der Anwendbarkeit der FKVO auf Auslandszusammenschlüsse antwortete das EuG, dass zur Ermittlung des territorialen Anwendungsbereichs der FKVO nur das Überschreiten der Umsatzschwellenwerte in Art. 1 Abs. 2 FKVO entscheidend sei und erst im nächsten Schritt geprüft werde, ob die konkrete Rechtsanwendung völkerrechtskonform sei.530 Dem 524 EuGH, Rs. C-6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can Company/ Kommission), ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 15. 525 Dieselbe Argumentation wurde ferner in folgenden Entscheidungen herangezogen: EuGH, Rs. C-52/69 (Geigy AG/Kommission), ECLI:EU:C:1972:73, Rn. 44; EuGH, Rs. C-53/69 (Sandoz AG/Kommission), ECLI:EU:C:1972:74; EuGH, Rs. C-6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can Company/Kommission), ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 15; EuGH, verb. Rs. C-6 und 7/73 (Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission), ECLI:EU:C:1974:18, Rn. 36 f.; EuGH, Rs. C-51/75 (EMI Records/ CBS United Kingdom), ECLI:EU:C:1976:85, Rn. 25/29; EuGH, Rs. C-28/77 (Tepea/Kommission), ECLI:EU:C:1978:133, Rn. 46/47. Siehe zudem: Knebel zur Entwicklung des Prinzips der Unternehmenseinheit: EuZW 1991, 265 (268 f.); Hoffmann, in: Dauses, Hdb. EUWirtschaftsR Bd. 2 (2011), H. I. Kartellrecht § 1 Rn. 31. 526 EuGH, verb. Rs. C-89, 104, 114, 116, 117, 125 – 129/85 (Ahlström Osakeyhtiö u. a./ Kommission), ECLI:EU:C:1988:447. 527 Ebd., Rn. 12 ff. 528 Ebd., Rn. 16. 529 EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLI:EU:T:1999:65. 530 Ebd., Rn. 77.

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EuG zufolge sei die extraterritoriale Anwendung der FKVO dann gerechtfertigt, wenn unmittelbare und wesentliche Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem Gebiet der Gemeinschaft vorhersehbar seien.531 Damit hat sich das EuG nicht nur zum Auswirkungsprinzip bekannt, sondern die Anforderungen an die Auswirkungen konkretisiert. Die völkerrechtlichen Grenzen des Auswirkungsprinzips sieht das EuG in den Grundsätzen der Nichtintervention und der Verhältnismäßigkeit,532 wobei die Reichweite dieser Prinzipien offen gelassen wurde.

D. Würdigung und Folgerungen für den Gang der Untersuchung Wie dargelegt, gibt es keine einheitliche Entscheidungspraxis. Vielmehr begründen die Kommission, der EuGH und das EuG den extraterritorialen Anwendungsbereich der europäischen Wettbewerbsnormen mittels verschiedener Anknüpfungspunkte: Die Kommission ist bereits früh dem Auswirkungsprinzip gefolgt.533 Der EuGH hingegen vermeidet eine eindeutige Festlegung und hält formal am Territorialitätsprinzip – wenn auch in seiner erweiterten Form – fest. Einige behaupten, dass der EuGH mit dem Durchführungsprinzip das Auswirkungsprinzip angenommen habe.534 Jedoch ist dem nicht zuzustimmen, denn vielmehr macht er einen großen Bogen um das Auswirkungsprinzip und hat mit der Einführung des Durchführungsprinzips geschickt letzteres umgangen und somit auch eine bewusste Auseinandersetzung vermieden.535 Das EuG dagegen hat sich explizit zum Aus531 Ebd., Rn. 90. Auf die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO wird im zweiten Kapitel des dritten Teils ausführlich eingegangen. 532 Ebd., Rn. 102. 533 In vielen Fällen sprachen sich auch die Generalanwälte für das Auswirkungsprinzip als Anknüpfungspunkt aus. So GA Mayras im Farbstoffe-Fall, siehe Schlussanträge des GA Mayras, Rs. C-48/69 (ICI/Kommission), ECLI:EU:C:1972:32, S. 700 ff.; GA Darmon im Zellstoff-Fall, siehe Schlussanträge des GA Darmon, verb. Rs. C-89, 104, 114, 116, 117, 125 – 129/85 (Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission), ECLI:EU:C:1988:258, passim; GA Roemer im Continental Can-Verfahren, siehe Schlussanträge GA Roemer, Rs. C-6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can Company/Kommission), ECLI:EU:C:1972:101, S. 264 unter 4. b). Auch indirekte Ausführungen lassen sich bei GA Warner im Commercial Solvents-Fall finden, siehe Schlussanträge des GA Warner, verb. Rs. C-6 und 7/73 (Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission), ECLI:EU:C:1974:5, S. 267 f. unter 2. 534 Eine faktische Annäherung an das Auswirkungsprinzip seitens des EuGH nehmen an: Martinek, IPRax 1989, 347 (351 f.); Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach geltendem Völkerrecht, S. 91; Lange/Sandage, CML Rev. 26 (1989), 137 (157 f.); Basedow, NJW 1989, 627 (634); Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR, Rn. 9. 535 Broberg, Broberg on the European Commission’s Jurisdiction to Scrutinise Mergers, S. 243 f.; Jones/Sufrin, EU Competition Law, S. 1246. Schödermeier spricht hier vom „Taschenspieltrick“ des EuGH, s. WuW 1989, 21 (23). Möglicherweise vermied der EuGH wegen Großbrittaniens ablehnende Haltung gegenüber dem Auswirkungsprinzip eine Heranziehung dieses Prinzips und begründete deshalb die Zuständigkeit durch territoriale Anknüp-

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wirkungsprinzip bekannt und dieses auch ausgeführt. Abschließend ist zu sagen, dass sich die bereits analysierten Entscheidungen und Urteile hauptsächlich mit Verträgen, an denen Unternehmen aus Drittstaaten und in der EWG ansässigen Unternehmen beteiligt waren, aber auch nur zwischen Drittstaatenunternehmen befasst haben. Im Ergebnis ging es bisher nur um eine Verhaltenskontrolle und weniger um eine Marktstrukturkontrolle. Letztere umfasst die Prüfung von (grenzüberschreitenden) Unternehmenszusammenschlüssen. Nachdem die Problematik der extraterritorialen Reichweite nationaler Normen diskutiert, insbesondere auf den Stand der völkerrechtlichen Diskussion bezüglich der Zulässigkeit eingegangen wurde, gilt es im Anschluss die extraterritorialen Wirkungen der FKVO zu beleuchten. Folgt man den Ausführungen zur Lehre der sinnvollen Anknüpfung, insbesondere zum Auswirkungsprinzip, bedarf es für die Prüfungsbefugnis der Kommission unmittelbare, vorhersehbare und wesentliche Auswirkungen. Ob letzteres die Kommission im Rahmen ihrer Prüfungsbefugnis der FKVO heranzieht, ist im Folgenden anhand ihrer Entscheidungspraxis zu analysieren. Die Analyse des Gencor-Falls hat zumindest ergeben, dass das EuG die Zuständigkeitsbegründung à zwei teilt: Die verfahrensrechtliche Ebene, die mit dem Durchführungsprinzip im Einklang steht und dann die materiell-rechtliche Ebene, die sich am Auswirkungsprinzip orientiert.536 Demnach wird im ersten Schritt geprüft, ob das Vorhaben in den Anwendungsbereich der FKVO fällt. Dies ist dann der Fall, wenn die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 FKVO überschritten werden. Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob die konkrete Rechtsanwendung auch völkerrechtskonform sei. Für diese völkerrechtliche Rechtfertigung zieht das EuG das Auswirkungsprinzip heran: „Ist aber vorherzusehen, daß ein geplanter Zusammenschluß in der Gemeinschaft eine unmittelbare und wesentliche Auswirkung haben wird, so ist die Anwendung der Verordnung völkerrechtlich gerechtfertigt. (…) Es ist daher zu prüfen, ob die drei Kriterien der unmittelbaren, wesentlichen und vorhersehbaren Wirkung erfüllt sind.“537

Die konkretisierten Anforderungen an das Auswirkungsprinzip – unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Wirkungen – werden damit nicht als Kollisionsnorm, sondern als Begründung für die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht geprüft. Damit prüft das EuG im Rahmen der Durchsetzungskompetenz die Kriterien der Rechtsetzungskompetenz: vermittelbare, wesentliche und vorhersehbare Wirkungen.538 Zuletzt prüft das EuG, ob eine Verletzung des Grundsatzes der Nichtintervention und des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorliege. Interessant ist, dass das EuG das Auswirkungsprinzip als völkerrechtliche Schranke des Anwendungsbereichs der FKVO fungsprinzipien. Vgl.: Schödermeier, WuW 1989, 21 (24); Beck, RIW 1990, 91 (92); Kuhlmann, Drittstaatbezogene Unternehmen im EWG-Kartellrecht, S. 54; Schwarze, WuW 2001, 1190 (1195). 536 So auch Dabbah, International and Comparative Competition Law, S. 464. 537 EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLI:EU:T:1999:65, Rn. 90 und 92. 538 Slot, CML Rev. 38 (2001), 1573 (1581).

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heranzieht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Zuständigkeit der Kommission dann wieder entfallen kann, wenn der Zusammenschluss keine unmittelbaren, wesentlichen und vorhersehbaren Auswirkungen in der Gemeinschaft hat.539 Einen Schritt weiter gedacht, heißt dies, dass wenn die Kommission nicht zuständig ist, es auch keine Anmeldepflicht gebe. Ist das tatsächlich der Fall? Aus diesem Grund stehen folgende Forschungsfragen im Vordergrund dieser Arbeit, die es im dritten Kapitel zu untersuchen gilt: Wie sieht der Anwendungsbereich der FKVO aus? Gibt es eine Kollisionsnorm in der FKVO? Wenn nein, welche Anknüpfungspunkte werden herangezogen, um Auslandszusammenschlüsse prüfen zu können? Das Auswirkungsprinzip oder die Konzepte des EuGH? Ist die Kompetenz der Kommission hinsichtlich der Prüfung von grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen bestimmten Schranken unterworfen? Schließlich, welche Probleme können bei der extraterritorialen Rechtsanwendung der FKVO entstehen? Kapitel 3

Entscheidungspraxis der Kommission: Anwendung der FKVO auf Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse Das Erfordernis der unionsweiten Dimension ermöglicht es der Kommission, uneingeschränkt Unternehmenszusammenschlüsse, die die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 FKVO überschreiten, zu überprüfen. Damit fallen nicht nur Zusammenschlüsse zwischen europäischen Unternehmen, sondern auch Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse als auch solche Zusammenschlüsse, die keinerlei Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben oder einen sehr minimalen Effekt erzeugen, unter der Prüfungsbefugnis der Kommission. Derartige Sachverhalte können in vielfältigen Formen auftreten: Ein außereuropäisches Unternehmen schließt sich entweder mit einem europäischen Unternehmen zusammen oder zwei europäische Unternehmen gründen ein Gemeinschaftsunternehmen, das außerhalb des europäischen Binnenmarktes tätig sein wird. Zwar wird letzteres in der Union vollzogen, wirkt sich in der Regel aber eher auf dem Wettbewerb außerhalb der Union aus. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit die FKVO auf Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse anwendbar ist. Um diese Fragen beantworten zu können, ist zuerst eine Analyse der Entscheidungspraxis der Kommission hinsichtlich grenzüberschreitender Zusammenschlüsse, vor allem im Hinblick auf ihre Auswirkungen in bzw. außerhalb der Union, vorzunehmen.

539 Bechtold, Neuere Entwicklungen im Bereich der Fusionskontrolle der EG, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Wandel, S. 110 (114); Bechtold, The European Legal Forum 2000/01, 19 (20).

Kap. 3: Entscheidungspraxis der Kommission

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A. Anwendung der FKVO auf Unternehmenszusammenschlüsse in Drittstaaten mit Auswirkungen in der Union Zu den wichtigsten Beispielen für die Variante der (gemischten) Unternehmenszusammenschlüsse, die in Drittstaaten vollzogen werden und Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben, zählt der Fall Kimberly-Clark/Scott540, ein Zusammenschluss zweier US-Papierunternehmen, die ihre weltweiten Aktivitäten in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammenführten. Beide Unternehmen hatten im Bereich der Tissue-Produkte umfangreiche Aktivitäten einschließlich Produktionsanlagen in der Gemeinschaft. Aufzuzählen sind weiterhin: der Zusammenschluss der beiden schweizerischen Chemie-Unternehmen Ciba Geigy und Sandoz541, die in einer Reihe von Produktmärkten auch substantielle Marktanteile in der Gemeinschaft hielten; der Fall Aerospatiale-Alenia/de Havilland542 der mit der Begründung untersagt wurde, dass die Übernahme des zweitgrößten Herstellers für Nahverkehrsflugzeuge durch den weltweit größten Hersteller zum Entstehen einer mächtigen und ungreifbaren beherrschenden Stellung auf dem Weltmarkt für Nahverkehrsflugzeuge führen würde; der Fall Boeing/McDonnel Douglas543, der u. a. ohne die Zusagen wegen der Addition von Marktanteilen auf dem Weltmarkt für große Zivilflugzeuge zur Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von Boeing geführt hätte; der Fall Gencor/Lonrho544, der bereits dargestellt wurde und der Zusammenschluss General Electric/Honeywell545, an dem ausschließlich Drittstaatenunternehmen beteiligt waren, der aber letztlich aufgrund einer Verstärkung der beherrschenden Stellung auf mehreren Weltmärkten für Triebwerke und Fluggeräte seitens der Kommission untersagt wurde. Auffällig ist, dass die Kommission im Fall General Electric/Honeywell die internationale Anwendbarkeit der FKVO in ihrer Entscheidung nicht diskutiert. Neuerdings machten Oracle/Sun Microsystems und Intel/McAfee deutlich, dass die Kommission Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse genauso stark verfolgt wie europäische Unternehmenszusammenschlüsse, sofern das Vorhaben eine unionsweite Bedeutung aufweist. Zwar betreffen all diese Entscheidungen drittstaatenbezogene Zusammenschlüsse, jedoch waren an ihnen auch in der EU ansässige Unternehmen beteiligt. Dennoch ist festzuhalten, dass bei Vorliegen der Untersagungsvoraussetzungen des 540 Kommission, Entscheidung v. 16. 01. 1996 (IV/M.623 – Kimberly-Clark/Scott Paper), ABl. 1996 L 183/1. 541 Kommission, Entscheidung v. 17. 07. 1996 (IV/M.737 – Ciba-Geigy/Sandoz), ABl. 1997 L 201/1. 542 Kommission, Entscheidung v. 02. 10. 1991 (IV/M.53 – Aerospatiale-Alenia/de Havilland), ABl. 1991 L 334/42. 543 Kommission, Entscheidung v. 30. 07. 1997 (IV/M.877 – Boeing/McDonnel Douglas), ABl. 1997 L 336/16. 544 Kommission, Entscheidung v. 24. 04. 1996 (IV/M.619 – Gencor/Lonrho), ABl. 1997 L 11/30 und EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLI:EU:T:1999:65. 545 Kommission, Entscheidung v. 03. 07. 2001 (COMP/M.2220 – General Electric/Honeywell), ABl. 2004 L 48/1.

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

Art. 2 FKVO die Kommission auch gegen Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse Unvereinbarkeitsentscheidungen nach Art. 8 Abs. 3 FKVO erlässt. In den meisten Fällen werden aber wettbewerbsrechtliche Probleme, die sich nur auf bestimmte (sachliche oder geographische) Märkte beziehen, durch Zusagen der betroffenen Unternehmen gelöst. Dies gilt auch für Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse.

B. Anwendung der FKVO auf Unternehmenszusammenschlüsse in Drittstaaten ohne Auswirkungen in der Union Des Weiteren gibt es Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse, die keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben. Darunter fallen sowohl Zusammenschlüsse, die in Drittstaaten vollzogen werden und keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben als auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen außerhalb der EU. I. Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse Auch auf Zusammenschlüsse zwischen Drittstaatenunternehmen, wie der Fall Kyowa/Saita546 zeigt, wonach beide Mutterunternehmen zwar international tätig waren, aber der Zusammenschluss den japanischen Bankenmarkt betraf, ist die FKVO anwendbar. Die Kommission prüfte in diesem Fall, ob das Vorhaben potentielle Auswirkungen auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt haben könnte und ging hierbei sowohl auf die Niederlassungen der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen als auch auf die Marktanteile der Unternehmen ein.547 Eine ähnliche Prüfung der Kommission erfolgte im Fall BankAmerika/Security Pacific548, wonach sich die Tätigkeiten der Banken im asiatisch-pazifischen Raum konzentrierten. Die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen trugen vor, dass das Vorhaben den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht tangiere549 und selbst als deutlich wurde, dass die Parteien nur in geringem Umfang in der EG tätig waren550, 546 Kommission, Entscheidung v. 07. 03. 1991 (IV/M.69 – Kyowa/Saitama), ABl. 1991 C 66/13. 547 Ebd., Rn. 6 f.; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m69_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 548 Kommission, Entscheidung v. 24. 10. 1991 (IV/M.137 – Bank America/Security Pacific), ABl. 1991 C 289/14. 549 „The parties state that the logic and the commercial strategy which led to the proposed merger are not dictated or even materially influenced by the Banks’ presence in the Community.“ Kommission, Entscheidung v. 24. 10. 1991 (IV/M.137 – Bank America/Security Pacific), Rn. 5; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/m137_en. pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 550 Auf die europäischen Aktivitäten entfielen nur 5,3 % der gesamten Bilanzsummer beider Banken.

Kap. 3: Entscheidungspraxis der Kommission

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prüfte die Kommission noch mögliche Auswirkungen auf das Kreditgeschäft in einigen Mitgliedstaaten, um abschließend keine Bedenken gegen das Vorhaben zu haben. Ebenso im Fall Volvo/Henlys551, wonach die zwei europäischen Unternehmen die Kontrolle über ein kanadisches Unternehmen erwarben, das im nordamerikanischen Markt für Busse tätig war. Eine Prüfung etwaiger Rückwirkungen entfiel im Fall Aegon/Transamericana552, da es zu keinen Marktanteilsadditionen auf dem europäischen Markt für Lebensversicherungen kam. Im Fall BT/LGT Telecom553, der den koreanischen Markt für Mobiletelfonie betraf, erklärte sich die Kommission ausdrücklich für die Prüfung dieses Vorhabens für nicht zuständig: „Naturally, the Commission is not competent to make a competitive assessment of a possible creation or strengthening of a dominant position on the markets in the Republic of Korea.“554 So auch im Fall AirLiquide/BOC/Japan Air Gases555, der ein Zusammenschluss zwischen japanischen Geschäftsbereichen und europäischen Gasproduzenten ist und damit lediglich den japanischen Markt betraf. Mit Hinweis auf die auf Japan begrenzten wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses lehnte die Kommission eine ausführliche Prüfung ab.556 Eine ähnliche Entscheidung erfolgte im Fall Mitsubishi Bank/Bank of Tokyo: „However, the grat majority of the business of both banks is done outside the Community and thus the primary effects of the merger will be outside the Community.“557 Die Liste der Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse, die die Kommission prüft, ist lang.558 551

Kommission, Entscheidung v. 27. 06. 1995 (IV/M.593 – Volvo/Henlys), ABl. 1995 C 177/7. 552 Kommission, Entscheidung v. 07. 06. 1999 (IV/M.1498 – Aegon/Transamerica), ABl. 1999 C 237/4. 553 Kommission, Entscheidung v. 08. 11. 1999 (COMP/M.1677 – BT/LTG Telecom), ABl. 2000 C 4/9. 554 Ebd., Rn. 7.; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m1677_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 555 Kommission, Entscheidung v. 10. 10. 2002 (COMP/M.2871 – AirLiquide/BOC/Japan Air Gases), ABl. 2002 C 262/16. 556 Ebd., Rn. 13; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m2871_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 557 Kommission, Entscheidung v. 17. 07. 1995 (IV/M. 596 – Mitsubishi Bank/Bank of Tokyo), Rn. 12; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/m596_ en.pdf (zuletzt aufgerufen am 22. 03. 2018). 558 Ohne abschließende Aufzählung, siehe: Kommission, Entscheidung v. 29. 04. 1993 (IV/M.335 – Schweizerische Kreditanstalt/Schweizerische Volksbank), ABl. 1993 C 147/6 (Zusammenschluss schweizerischer Banken); Kommission, Entscheidung v. 26. 10. 1995 (IV/M.642 – Chase Manhattan/Chemical Banking Corporation), ABl. 1996 C 33/7 (Zusammenschluss amerikanischer Banken); Kommission, Entscheidung v. 27. 11. 1995 (IV/M.648 – McDermott/ETPM), ABl. 1995 C 330/9; Kommission, Entscheidung v. 15. 10. 1997 (IV/M.985 – Crédit Suisse/Winterthur), ABl. 1997 C 341/8 (Zusammenschluss von Banken und Versicherungen weltweit); Kommission, Entscheidung v. 02. 04. 1998 (IV/M1138 – Royal Bank of Canada/Bank of Montreal), ABl. 1998 C 144/4 (Bankenfusion in Nordamerika und Kanada); Kommission, Entscheidung v. 04. 01. 1991 (IV/M.24 – Mitsubishi/UCAR), ABl. 1991 C 5/7; Kommission, Entscheidung v. 10. 01. 1991 (IV/M.37 – Matsushita/MCA), ABl. 1991 C 12/15;

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

II. Die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen in Drittstaaten Auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen außerhalb der Union, sei es durch europäische oder nicht-europäische Unternehmen, die keinerlei oder sehr geringe Auswirkungen in der Union entfalten, fällt unter den Anwendungsbereich der FKVO. Bei der Ermittlung der Umsatzschwellenwerte wird nämlich auf die der Mutterunternehmen abgestellt. So mussten Ingersoll-Rand/Dresser die Gründung ihres Gemeinschaftsunternehmens, welches schwerpunktmäßig die nordamerikanischen Industriepumpenbranche-Märkte beliefern soll, bei der Kommission anmelden.559 Im Fall BSN-Nestlé/Chokoladovny, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens im tschechischen Markt für Süßwaren, stellte die Kommission fest, dass der Schwerpunkt des Zusammenschlusses in Tschechien und der Slowakei lag, prüfte jedoch anschließend mögliche Exporte in die Gemeinschaft. Die Produktionskapazitäten wurden jedoch als zu gering eingeschätzt, um den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beeinflussen zu können.560 Des Weiteren kam die Kommission beispielsweise im Fall Dresdner Bank/BNP561, bei der es um die gemeinsame Gründung einer Bank in Ungarn ging, zum Ergebnis: „Selbst wenn die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens [in Ungarn] auch gewisse Rückwirkungen auf das Bankgeschäft innerhalb der Europäischen Gemeinschaft haben könnte, würden diese Wirkungen nur marginaler Natur sein.“562 Ferner schrieb die Kommission im Fall JCSAT/SAJAC563, wonach es um die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für satellitengestützte Telekommunikation auf den japanischen Telekommunikationsmarkt ging: „the concentration has presently no effect in the [Union]“ und „[t]his situation is not likely to change (…)“.564 So auch im Fall Nestlé/Pillsbury/Häagen-

Kommission, Entscheidung v. 18. 01. 1991 (IV/M.50 – AT&T/NCR), ABl. 1991 C 16/20; Kommission, Entscheidung v. 13. 09. 1991 (IV/M.130 – Delta Airlines/Pan Am); ABl. 1991 C 289/14; Kommission, Entscheidung v. 14. 01. 1992 (IV/M.193 – Schweizer Rück/ELVIA), ABl. 1992 C 27/14; Kommission, Entscheidung v. 10. 03. 2006 (COMP/M.4093 – Toyota Tsusho/Tomen), ABl. 2006 C 67/34; Kommission, Entscheidung v. 10. 08. 2007 (COMP/ M.4826 – Teck Cominco/Aur Resources), ABl. 2007 C 196/8. 559 Kommission, Entscheidung v. 18. 12. 1991 (IV/M.121 – Ingersoll-Rand/Dresser), ABl. 1992 C 86/15. 560 Kommission, Entscheidung v. 17. 02. 1992 (IV/M.90 – BSN-Nestlé/Cokoladovny), Rn. 14 und 16; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/m90_fr. pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 561 Kommission, Entscheidung v. 04. 02. 1991 (IV/M.21 – BNP/Dresdner Bank), ABl. 1991 C 34/20. 562 Ebd., Rn. 8; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m21_de.pdf. (zuletzt aufgerufen am 28.102.2017). 563 Kommission, Entscheidung v. 30. 06. 1993 (IV/M.346 – JCSAT/SAJAC), ABl. 1993 C 219/14. 564 Ebd., Rn. 11 f.; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m346_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017).

Kap. 3: Entscheidungspraxis der Kommission

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Dazs US565, welches nur den amerikanischen Eiscrememarkt betraf: „[t]here are no affected markets in the EEA. (…) it appears that the notified operation will have no impact on competition in the EEA.“566 Auch die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt im Fall Hong Kong Aircraft Engineering Services Limited567, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmen durch zwei britische Unternehmen, welches für die Triebwerkswartung in Ost- und Südostasien sowie Australien zuständig sein sollte, fiel relativ kurz aus: „HAESL is not active in the same geographic market as Rolls-Royce nor is it active in the EEA. Therefore it can be concluded that the concentration is compatible with the common market and the functioning of the EEA Agreement.“568 Die Prüfung etwaiger Rückwirkungen auf den Gemeinsamen Markt durch das Vorhaben, die sonst immer angestellt wurde, wurde in diesem Fall vollkommen ausgelassen. Ebenso kurz fiel die Begründung der Kommission im Fall ESPN/Star569, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das für den Handel mit den Übertragungsrechten von Sportveranstaltungen und der Übertragungen selbst für den asiatischen Raum zuständig sein sollte, aus: „In any event, such coordination would be irrelevant for the purposes of EC competition policy since it would only arise outside EEA market.“570 In dem Fall Valeo/Robert Bosch/JV571 gründeten die Beteiligten ein Gemeinschaftsunternehmen zur Herstellung und zum Verkauf von Pkw-Klimaanlagen in Asien (EC JointCo), während sie ihre europäischen Geschäfte weiterhin getrennt betreiben würden. Daher kam die Kommission zum Ergebnis: „Therefore, the market for engine cooling systems does not constitute an affected market within the scope of the merger regulation.“572 Gleiches galt für die Gründung einer Telefongesellschaft in Russland durch verschiedene russische und norwegische Unternehmen.573 Die Liste dieser Fälle ist lang.574 Die Kommission selbst 565

Kommission, Entscheidung v. 06. 10. 1999 (IV/M.1689 – Nestlé/Pillsbury/Häagen-Dazs US), ABl. 1999 C316/9. 566 Ebd., Rn. 7 f.; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m1689_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 567 Kommission, Entscheidung v. 01. 07. 1996 (IV/M.775 – Hong Kong Aircraft Engineering Services Limited), ABl. 1996 C 226/5. 568 Ebd., Rn. 12; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m775_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 569 Kommission, Entscheidung v. 11. 11. 1996 (IV/M.826 – ESPN/Star), ABl. 1996 C 368/8. 570 Ebd., Rn. 7; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m826_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 571 Kommission, Entscheidung v. 28. 07. 2000 (COMP/M.2046 – Valeo/Robert Bosch/JV), ABl. 2001 C 270/6. 572 Ebd., Rn. 15; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/ m2046_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 573 Kommission, Entscheidung v. 21. 09. 2001 (COMP/M.2527 – Telenor East/ECO Telecom/Vimpel-Communications), ABl. 2001 C 298/11. 574 Weitere Beispiele aus der Entscheidungspraxis der Kommission (ohne abschließende Aufzählung): Kommission, Entscheidung v. 07. 03. 2000 (COMP/M. 1870 – ZF/Brembo/DFI), ABl. 2000 C 182/5 (südafrikanischer Markt für Fahrzeugteile); Kommission, Entscheidung v. 01. 06. 1995 (IV/M.583 – Inchcape plc/Gestetner Holdings PLC), ABl. 1995 C201/3 (Wartung

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ist sich darüber bewusst, dass zahlreiche Vorhaben bei ihr angemeldet werden, die keinerlei spürbare Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt mit sich bringen, insbesondere die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen außerhalb der Union.575 Anhand dieser Fälle hat sich folgendes Prüfungsmuster der Kommission herauskristallisiert: Nachdem sie den (örtlichen) Schwerpunkt des Zusammenschlusses feststellt, prüft sie, ob das Vorhaben mögliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt haben könnte. Wenn offensichtlich Märkte außerhalb der Union berührt sind, erfolgt die Bestimmung des Schwerpunkts relativ kurz. Anschließend wird geprüft, ob Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt zu befürchten seien. Handelt es sich bei den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen um Unternehmen, die ihren Sitz in der Union haben, prüft die Kommission, ob das Vorhaben „Rückwirkungen“ auf den Binnenmarkt haben könnte.576 Dieser Begriff der Rückwirkungen ist anscheinend der besonderen Struktur der Zusammenschlüsse geschuldet, wonach sich die am Zusammenschluss beteiligten europäischen Unternehmen nur für einen begrenzten Bereich zusammenschließen. Wenn es sich nicht um europäische Unternehmen handelt, geht es nicht um eine Rückwirkung in, sondern um eine Auswirkung auf den europäischen Binnenmarkt.577 Im letzteren Fall prüft die Kommission, ob das Vorhaben trotz seines Vollzugs im Ausland bzw. Schwerpunkts im Ausland nicht den Wettbewerb auf den europäischen Binnenmarkt beeinflussen könnte. Auffällig hierbei ist, dass die Kommission auch in solchen Fällen, die ausdrücklich keinerlei Wirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben, eine von Büromaschinen in Asien); Kommission, Entscheidung v. 13. 03. 2001 (COMP/M.2346 – Telefonica/Portugal Telecom/Brazilian JV), ABl. 2001 C 111/9 (Gründung eines brasilianischen Telekommunikationsunternehmens durch ein spanisches und portugiesisches Unternehmen); Kommission, Entscheidung v. 24. 10. 1997 (IV/M.994 – Du Pont/Hitachi), ABl. 1997 C 6/2; Kommission, Entscheidung v. 03. 07. 2001 (COMP/M.2493 – Norske Skog/Abitbi/ Papco, ABl. 2001 C 90/4; Kommission, Entscheidung v. 12. 08. 2003 (COMP/M.3235 – Teijin/ Zeon/JV), ABl. 2003 C 222/2; Kommission, Entscheidung v. 21. 08. 2000 (COMP/M. 2063 – SEI/Mitsubishi Electric/JV), ABl. 2000 C 303/9; Kommission, Entscheidung v. 28. 09. 2000 (COMP/M.2153 – BHP/Mitsubishi/QCT), ABl. 2000 C 138/11; Kommission, Entscheidung v. 21. 11. 2006 (COMP/M.4393 – Istithmar/Mubadala/DAE/SR Technics), ABl. 2006 C 300/26; Kommission, Entscheidung v. 24. 04. 2007 (COMP/M.4632 – Hanjin/Saudi Aramco/S-Oil), ABl. 2007 C 99/4; Kommission, Entscheidung v. 18. 12. 2007 (COMP/M.4765 – Symantec Corporation/Huawei Technologies/JV), ABl. 2007 C 21/1. 575 Kommission, Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Verordnung über Unternehmenszusammenschlüsse, KOM(93) 385 endg., Rn. 23. Ebenso der Wirtschaftsund Sozialausschuss, s. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Revision über Unternehmenszusammenschlüsse, ABl. 1996 C 18/21, Rn. 2.4.1. 576 Kommission, Entscheidung v. 04. 02. 1991 (IV/M.21 – Dresdner Bank/Banque Nationale de Paris), Rn. 8; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/m21_ de.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017); Kommission, Entscheidung v. 26. 08. 1991 (IV/M.124 – BNP/Dresdner Bank-Czecho-Slovakia), Rn. 7; abrufbar unter: http://ec.europa.eu/ competition/mergers/cases/decisions/m124_fr.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 10. 2017). 577 Schneider, Das Drittstaatenargument in den fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen der europäischen Kommission, S. 33.

Kap. 3: Entscheidungspraxis der Kommission

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Anmeldung bei ihr verlangt und die Unternehmen das Vollzugsverbot bis zur Entscheidung der Kommission beachten müssen. Diese Fälle werden zwar größtenteils im vereinfachten Verfahren entschieden, aber den Unternehmen bleibt eine kostenund zeitaufwändige Anmeldung bei der Kommission nicht erspart.

C. Würdigung Die beschriebenen Fälle lassen sich zwei Gruppen zuordnen: Die erste Fallgruppe betrifft Unternehmenszusammenschlüsse in Drittstaaten mit Auswirkungen in der Union und die zweite umfasst Vorhaben ohne Auswirkungen, sowohl Zusammenschlüsse von Drittstaatenunternehmen als auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen – sei es durch europäische oder nicht-europäische Unternehmen –, die im Ausland tätig werden. Dass letztere erfasst werden, liegt nicht an niedrigen Umsatzschwellen. Das Problem ist vielmehr, dass diese sich am Potential der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen und nicht am Umsatz des Vorhabens selbst orientieren. So lösen bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen die Mutterunternehmen mit ihren Umsätzen die Anmeldepflicht nach Art. 4 Abs. 1 FKVO aus, obwohl die Gemeinschaftsunternehmen selbst außerhalb des europäischen Binnenmarktes tätig sind und nur dort ihre wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Problematisch erscheint, dass zum einen der räumliche Schwerpunkt des Vorhabens nicht berücksichtigt und zum anderen außer Acht gelassen wird, dass die wettbewerblichen Auswirkungen dieses Vorhabens außerhalb des Binnenmarktes liegen. Wenn das Zusammenschlussvorhaben keinerlei Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat und die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen nicht überschreiten, dann ergeht grundsätzlich eine Entscheidung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a FKVO, wonach festgestellt wird, dass das Vorhaben nicht im Anwendungsbereich der FKVO liegt. Wenn das Vorhaben dagegen Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat und die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen überschreiten, dann wird entweder das Vorhaben nach Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO genehmigt oder das Verfahren aufgrund ernsthafter Bedenken nach Art. 6 Abs. 1 lit. c FKVO eingeleitet. Dies wirft jedoch folgende Frage auf: Inwiefern unterliegen Unternehmenszusammenschlüsse, die zwar die Umsatzschwellen im Sinne von Art. 1 FKVO überschreiten, aber keinerlei Auswirkungen auf den Binnenmarkt mit sich bringen, der Anmeldepflicht nach Art. 4 Abs. 1 FKVO und dem Vollzugsverbot nach Art. 7 Abs. 1 FKVO? Die Anwendbarkeit der FKVO in diesen Fällen ist zweifelhaft. Die Entscheidungspraxis der Kommission hat im Übrigen ergeben, dass diese bisher die extraterritoriale Rechtsanwendung der FKVO im Ergebnis ausschließlich auf Art. 1 FKVO stützt.578 Sie macht in ihren Ent578 So auch Schäfer, Internationaler Anwendungsbereich der präventiven Zusammenschlusskontrolle im deutschen und europäischen Recht, S. 220 und 225; Lange, EC Merger

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

scheidungen grundsätzlich keine Ausführungen dazu, ob sie den Anwendungsbereich der FKVO nach den Prinzipien des Völkerrechts untersucht. Weder greift sie auf das Auswirkungs- noch auf das Durchführungsprinzip, geschweige das Territorialitätsprinzip als Anknüpfung für ihre Prüfungsbefugnis zurück. Vielmehr lässt sie lediglich das Überschreiten der Umsatzschwellenwerte als Anknüpfungspunkt genügen. Die Prüfung von Auswirkungen findet lediglich in der materiell-rechtlichen Beurteilung des Zusammenschlussvorhabens statt. Daraus ergibt sich, dass die Prüfungsbefugnis der Kommission ohne inhaltlichen Bezug auf mögliche Auswirkungen des Vorhabens auf den europäischen Binnenmarkt beansprucht wird. Die Kommission scheint stillschweigend davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Art. 1 FKVO gleichzeitig auch die völkerrechtliche Zulässigkeit der Fusionskontrolle begründen. Dies ist jedoch bei der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (durch zwei europäische Unternehmen) in Südostasien, welches nur dort tätig sein wird, nicht zwingend. Diese Problematik verdeutlicht noch einmal die zentrale Frage, ob die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO eine hinreichende Grundlage und damit sinnvolle Anknüpfungspunkte für die Anwendung der FKVO sind. Falls dies nicht der Fall ist, ist möglicherweise die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO mit ihren Sanktionsmöglichkeiten mangels eines sinnvollen Anknüpfungspunktes völkerrechtswidrig.579 Daraus folgt, dass die Vorhaben, die bereits keine oder sehr geringe Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben, demnach nicht nach Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO, sondern nach Art. 6 Abs. 1 lit. a FKVO hätten beschieden werden müssen580, denn die Kommission hat im Rahmen ihrer Prüfungsbefugnis das Auswirkungsprinzip missachtet.581 KonseControl and Third-Country Concentrations, in: Vosgerau (Hrsg.), Institutional Arrangements for Global Economic Integration, S. 11 (12 f.). 579 Fiebig, ECLR 19 (1998), 323 (329); Wiedemann, Drittstaaten-Zsm u. EG-FKVO, in: FS Lieberknecht, S. 625 (626, 635 f., 643 f.). Drauz/Schroeder halten es dagegen für eine „offene Frage“, ob sich die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO auf Zusammenschlüsse, die zwar die Umsatzschwellenwerte überschreiten, aber keine Auswirkungen auf den europäischen Binnenmakrt haben, weil sie ihren Schwerpunkt in Drittstaaten haben, mit den Regeln des Völkerrechts vereinbaren lassen. Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, S. 11 f. 580 So auch: Wiedemann, Drittstaaten-Zsm u. EG-FKVO, in: FS Lieberknecht, S. 625 (626, 635 f., 643 f.); González-Diáz, World Competition 22(3) (1999), 3 (8); Fiebig, ECLR 1998, 323 (328 f.); Dlouhy, Extraterritoriale Anwendung des Kartellrechts im europäischen und USamerikanischen Recht, S. 133; Rosenthal/Thomas, European Merger Control, S. 12. Ferner Bechtold, der genau dies für den Fall Nestlé/Pillsbury/Häagen-Dazs US schlussfolgert: Neuere Entwicklungen im Bereich der Fusionskontrolle der EG, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Wandel, S. 109 (112); Bechtold, The European Legal Forum 2000/01, 19; Baron, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht Bd. 2, 10. Aufl., FKVO Nr. 139/2004 Vorbemerkungen zur FKVO Rn. 41; Zeise, in: Schulte (Hrsg.), Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 938; Gerven/Hoet, Legal Issues Economic Integration 28(2) (2001), 195 (204). Anderer Meinung: Levy, European Merger Control Law: A Guide to the Merger Regulation (2011), S. 6 – 11. 581 Bellamy & Child, European Community Law of Competition, 6. Aufl. 2008, Rn. 8.060, wonach „[t]he jurisdictional tests (…) do not depend on (…) whether the concentration will

Kap. 4: (Extra-)territorialer Anwendungsbereich der FKVO

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quenterweise würde dies bedeuten, dass Vorhaben bei fehlenden Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht der Anmeldepflicht gemäß Art. 4 Abs. 1 FKVO unterstehen, auch nicht mittels der Kurzform des Formblatts CO.582 Denn wendet man das Auswirkungsprinzip auf die Anwendbarkeit der FKVO an, so muss zusätzlich zum Überschreiten der Umsatzschwellen der Zusammenschluss vorhersehbare, unmittelbare und wesentliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben. Das Überschreiten der Umsatzschwellen kann ein Indiz dafür sein, dass das Vorhaben Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben könnte, jedoch muss dies nicht unbedingt der Fall sein. Nur weil die Umsatzschwellen erreicht werden, bedeutet dies nicht, dass zugleich die Kriterien des Auswirkungsprinzips erfüllt sind583 und damit hätte konsequenterweise die Kommission ihre Befugnisse überschritten.584 Diese These gilt es im Laufe der Arbeit zu prüfen. Da sich die EU explizit zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bekannt hat585, stellt sich zudem die Frage, inwieweit eine Entscheidung der Kommission in diesen Fällen noch verhältnismäßig ist. Kapitel 4

Der (extra-)territoriale Anwendungsbereich der FKVO Im Folgenden soll der Anwendungsbereich der FKVO ermittelt werden. Der sachliche Anwendungsbereich der FKVO ergibt sich aus Art. 1 FKVO, wonach die FKVO nur auf Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung anwendbar ist, welche durch die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 oder Abs. 3 FKVO bestimmt wird. Folgendes Schaubild (Abbildung 5) verdeutlicht die Feststellung der Aufgreifkriterien der FKVO.

have any effects within the [Union]“. Die vierte Auflage desselben Werkes war in dieser Hinsicht viel deutlicher, siehe: „(…) the extraterritorial effects of the notification requirements of the Merger Regulation appear to go beyond the ,effects doctrine‘ (…).“ (Rn. 6 – 047). 582 Wiedemann, Drittstaaten-Zsm u. EG-FKVO, in: FS Lieberknecht, S. 625 (636). 583 Rosenthal/Thomas, European Merger Control, S. 11 f. 584 Broberg, ICLQ 49 (2000), 172 (181). Broberg spricht in diesem Zusammenhang von einem möglichen „ultra vires-Handeln“ der Kommission, s. Broberg on the European Commission’s Jurisdiction to Scrutinise Mergers, S. 250 Fn. 54. 585 Siehe: Art. 5 Abs. 4 EUV.

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

Quelle: Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, S. 343.

Abbildung 5: Aufgreifschwellen nach Art. 1 FKVO

Abbildung 5 zeigt, dass den Schwellenwerten, die den Begriff der „unionsweiten Bedeutung“ in Art. 1 FKVO definieren – sei es aufgrund absoluter Größe (Art. 1 Abs. 2 FKVO) oder aufgrund von Auswirkungen in mehreren Mitgliedstaaten (Art. 1 Abs. 3 FKVO) – drei Funktionen zukommen: Erstens, der Zusammenschluss muss wirtschaftlich bedeutsam sein. Zweitens, er muss einen Bezug zur Union aufweisen. Drittens, er darf nicht nur von nationaler Bedeutung sein. Anhand des weltweiten Umsatzes wird die wirtschaftliche Bedeutung des Zusammenschlusses erfasst, der Bezug zur Union wird hergestellt, indem zwei oder mehr Unternehmen einen bestimmten Umsatz innerhalb der Union machen und schließlich dürfen die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht mehr als zwei Drittel ihres unions-

Kap. 4: (Extra-)territorialer Anwendungsbereich der FKVO

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weiten Umsatzes in ein und demselben Staat erzielen. Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt werden. Die Umsatzberechnung erfolgt nach Art. 5 FKVO.

A. (Extra-)territorialer Anwendungsbereich: Ermittlung des extraterritorialen Anwendungsbereichs der FKVO Wie gesehen, regelt Art. 1 den Anwendungsbereich der FKVO. Aber in der FKVO selbst gibt es keine Norm, die ihren extraterritorialen Anwendungsbereich definiert. Deshalb ist dieser anhand des Wortlautes der Sachnormen, ggf. deren Auslegung und dem Sinn und Zweck der FKVO zu ermitteln. Auch die Erwägungsgründe zur FKVO sind hierbei zu berücksichtigen, denn sie erklären die Rationes der Rechtsakte und können daher als Hilfsfunktion zugunsten einer teleologischen Auslegung herangezogen werden. I. Erwägungsgrund Nr. 10 zur FKVO Erwägungsgrund Nr. 10 zur FKVO stellt jedoch lediglich klar, dass ein Zusammenschluss von unionsweiter Bedeutung dann gegeben ist, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 FKVO überschreiten und wenn sie in erheblichem Umfang in der Union tätig sind. Dies gilt unabhängig davon, wo die beteiligten Unternehmen ihren Sitz haben. II. Das Merkmal der unionsweiten Bedeutung Das Merkmal der unionsweiten Bedeutung aus Art. 1 FKVO dient in erster Linie als Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich der FKVO und dem nationalen Fusionskontrollrecht der Mitgliedstaaten und stellt somit ein Kompetenzabgrenzungskriterium im Innenverhältnis dar.586 Damit hat es eine ähnliche Funktion wie die der Zwischenstaatlichkeitsklausel in Art. 101, 102 AEUV.

586 Bourgeois, Yearbook of European Law 10 (1990), 103 (122); Kuhlmann spricht hier von „internen Auswirkungen“, s. Kuhlmann, Drittstaatsbezogene Unternehmenszuammenschlüsse im EWG-Kartellrecht, S. 118. Davison/Fitzpatrick sprechen vom „transnationality criterion“, Davison/Fitzpatrick, EBR 98 (1998), 160 (165).

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

III. Die kollisionsrechtliche Funktion des unionsbezogenen Umsatzerfordernisses in Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO587 Einige aus der Literatur sehen in dem unionsbezogenen Umsatzerfordernis eine klare Kollisionsnorm.588 Dagegen sprechen sowohl der eindeutige Wortlaut der FKVO als auch der Umstand, dass ursprünglich Art. 1 der FKVO vorsah, dass die FKVO nur solche Zusammenschlüsse erfasse, bei denen mindestens eines der beteiligten Unternehmen seinen Sitz im Gemeinsamen Markt habe.589 Aber Sinn und Zweck der in Art. 1 Abs. 2 oder 3 FKVO festgelegten unionsbezogenen Umsatzschwellenwerte ist es, Zusammenschlüsse aus dem Anwendungsbereich der FKVO auszuschließen, die keinen hinreichenden Bezug zur Union aufweisen. Damit wird sichergestellt, dass nur Unternehmen mit einem bestimmten Mindestumsatz in der Union von der Verordnung erfasst werden.590 Aus diesem Grund werden die unionsbezogenen Umsatzschwellenwerte oft als „de minimis-Schwellen“ bezeichnet.591 Maßgeblich sind für die Anwendbarkeit der FKVO ausschließlich die Umsätze der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, unabhängig vom Ort der Niederlassung. Mit dieser Regelung sollen kleinere Zusammenschlüsse, die lediglich von nationaler Bedeutung sind, vom Anwendungsbereich der FKVO nicht erfasst werden.592 Neben dieser Bagatellfunktion enthalten aber die unionsbezogenen Umsatzerfordernisse, vor allem bei drittstaatsbezogenen Zusammenschlüsse, zugleich mittelbar kollisionsrechtliche Elemente593, denn Drittstaatenunternehmenszusam587 Bei den Schwellenwerten des Art. 1 Abs. 3 FKVO geht es vielmehr darum, solche Zusammenschlüsse, die Auswirkungen in mehreren (mindestens drei) Mitgliedstaaten zugleich haben, zu erfassen. 588 Kuhlmann, Drittstaatsbezogene Unternehmenszusammenschlüsse im EWG-Kartellrecht, S. 111; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 107; Bavasso, ECLR 19 (1998), 243 (245); Jones, The Scope of Application of the Merger Regulation, in: Fordham Corporate Law Institutte 1990, 385 (387); Tichadou, ZEuS 2000, 61 (66). 589 Dieser Passus wurde letztlich aus dem Entwurf der FKVO gestrichen, aber siehe: ABl. 1973 C 92/1, ABl. 1982 C 36/3, ABl. 1984 C 51/8. 590 Kommission, Neunzehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik, Rn. 16. 2) b). 591 Jones/González-Díaz, The EEC Merger Regulation, S. 15; Bos/Stuyck/Wytnick, Concentration Control in the European Economic Community, para. 4-009; Kommission, Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Verordnung über Unternehmenszusammenschlüsse, KOM (93) 385 endg., S. 7; Broberg, Nordic J. Int’l L. 63 (1994), 17; Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, FKVO Art. 1 Rn. 14; Hirsbrunner, in: Schröter/Jakob/ Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Art. 1 FKVO, Rn. 9; Bardong/Käseberg/Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Einl. FKVO Rn. 25; Jones, The Scope of Application of the Merger Regulation, in: Fordham Corporate Law Institutte 1990, 385 (387); Kassamali, ELRev Supp. 21 (1996), 89 (99). 592 Huber, Europäische Fusionskontrolle, S. 10; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, S. 24; Tichadou, ZEuS 2000, 61 (66). 593 Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR, Rn. 52; Montag, Comp. L. Y.B. Int’l Bus. 13 (1991), 47 (49); Tichadou, ZEuS 2000, 61 (66); Loroch, Die Europäische

Kap. 4: (Extra-)territorialer Anwendungsbereich der FKVO

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menschlüsse können genauso wie Zusammenschlüsse zwischen europäischen Unternehmen den Wettbewerb im Binnenmarkt gefährden. Aus diesem Grund sollen Unternehmenszusammenschlüsse vom Anwendungsbereich der FKVO erfasst werden, sofern sie eine unionsweite Bedeutung aufweisen. Wenn mindestens zwei der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils mehr als 250 Mio. Euro erzielt haben, so wird das unionsbezogene Umsatzerfordernis nach Art. 1 Abs. 2 lit. b FKVO erfüllt und demnach vermutet, dass die Unternehmen in der Union in erheblichem Umfang tätig sind, vgl. ebenso Erwägungsgrund Nr. 10 zur FKVO. Mit anderen Worten besteht bei Erreichen des unionsbezogenen Umsatzerfordernisses eine Quasi-Vermutung, dass der Zusammenschluss unmittelbare und erhebliche Auswirkungen in der Union hervorrufen könnte.594 Damit ist Art. 1 Abs. 2 nicht nur eine Sachnorm, sondern enthält mittelbar die kollisionsrechtliche Anknüpfung selbst.595 Hartmann-Rüppel spricht in diesem Zusammenhnag von einem „eingebauten Auswirkungsprinzip“596. Zusammenfassend lassen sich zum Anwendungsbereich der FKVO folgende Resultate anführen: Das unionsbezogene Umsatzerfordernis nach Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO hat eine doppelte Funktion, indem es zum einen der Abgrenzung der FKVO von der nationalen Fusionskontrolle dient und zum anderen den Anwendungsbereich der FKVO in kollisionsrechtlicher Hinsicht bestimmt. Im Vergleich zu den Art. 101, 102 AEUV, die an das Auswirkungsprinzip anknüpfen, ist der Anwendungsbereich der FKVO in Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO bestimmt, die eine Kombination aus kumulativen weltweiten und individuellen unionsweiten Umsatzschwellen vorsieht.

Fusionskontrolle, S. 194; Venit, Antitrust L. J. 60 (1991 – 1992), 980 (984); Schäfer, Internationaler Anwendungsbereich der präventiven Zusammenschlusskontrolle im deutschen und europäischen Recht, S. 203 ff.; Cook/Kerse, EC Merger Control, Rn. 1-013 f. Analog zu den Art. 101, 102 AEUV, wo Schwarze diese auch als „hidden rules of conflict of laws“ beschreibt. 594 Rowley/Baker, International Mergers, Stand Dezember 2002, Rn. 17.024; Feeney, Ga. St. U. L. Rev. 19 (2002 – 2003), 425 (440); Montag/Kaessner, WuW 1997, 781 (785); Jones, The Scope of Application of the Merger Regulation, in: Fordham Corporate Law Institute 1990, 385 (387); Camesasca, European Merger Control: Getting the Efficiencies Right, Rn. 296. 595 Rehbinder spricht von einer „versteckten Kollisionsnorm“, siehe: Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR, Rn. 52. So auch Schäfer, Internationaler Anwendungsbereich der präventiven Zusammenschlusskontrolle im deutschen und europäischen Recht, S. 203 ff.; Hartmann-Rüppel, Europäische Fusionskontrolle und Luftverkehr, S. 89; Bavasso, ECLR 1998, 243 (245) und Tichadou, ZEuS 2000, 61 (68). 596 Hartmann-Rüppel, Europäische Fusionskontrolle und Luftverkehr, S. 89. Ebenso Körber, der der Meinung ist, dass durch Art. 1 das kollisionsrechtliche Auswirkungsprinzip „formalisiert“ worden ist., s. Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, FKVO Art. 1 Rn. 59 und Venit, Antitrust L. J. 60 (1991 – 1992), 981 (984).

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

B. Rechtsfolgen bei Erfüllung der Aufgreifkriterien Das Erfüllen der Aufgreifkriterien und damit das Merkmal der unionsweiten Bedeutung eines Zusammenschlussvorhabens löst bestimmte Rechtsfolgen aus. I. Anmeldepflicht, Art. 4 FKVO Grundsätzlich ist ein Zusammenschlussvorhaben nach Art. 4 Abs. 1 FKVO vor seinem Vollzug bei der Kommission anzumelden. Wer dieses anmelden muss, regelt Art. 4 Abs. 2 FKVO. Die notwendigen Angaben zur Anmeldung werden durch das im Anhang der VO Nr. 1269/2013 abgedruckte Formblatt CO bestimmt, welches die Unternehmen gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 3 VO Nr. 802/2004 verwenden müssen. Diese Anmeldung ist mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Dem Formblatt nach sind umfangreiche Auskünfte zu erteilen, so werden beispielsweise Angaben zur Art des geplanten Zusammenschlusses und zu den relevanten Umsätzen der beteiligten Unternehmen verlangt. Für die materiell-rechtliche Kontrolle müssen die Parteien Auskünfte, die zur Einschätzung der wettbewerblichen Folgen des Zusammenschlusses dienen, abgeben. Dies dient der Beurteilung, ob der Zusammenschluss gem. Art. 2 FKVO mit dem europäischen Binnenmarkt vereinbar ist. Bei schuldhaftem Verstoß gegen die Anmeldepflicht sieht die FKVO in Art. 14 Abs. 1 lit. a und lit. b Sanktionen in Form von Geldbußen vor. II. Vollzugsverbot, Art. 7 FKVO Die Anmeldepflicht ist ferner nach Art. 7 Abs. 1 FKVO mit einem Vollzugsverbot verbunden. Bei Verstoß gegen das Vollzugsverbot besteht die Möglichkeit der Entflechtung des Zusammenschlusses597 und die Kommission kann nach Art. 14 Abs. 2 lit. a und b FKVO Geldbußen festsetzen. Die Kommission bezeichnet den Verstoß gegen das Vollzugsverbot als „potenziell schwerwiegenderen Verstoß“ gegen die Anmeldepflicht, weil er das europäische Fusionskontrollsystem unterläuft, „das verhindern soll, daß die in seinen Geltungsbereich fallenden strukturverändernden Transaktionen bleibenden Wettbewerbsschäden hinterlassen. Um dies zu gewährleisten, wurde der Kommission die Befugnis übertragen, Fusionen und Übernahmen vor ihrer Durchführung zu überprüfen.“598 Dies gilt auch zweifelsohne für Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse.599 597

Siehe: Art. 8 Abs. 4 FKVO. Kommission, Entscheidung v. 18. 02. 1998 (IV/M.920 – Samsung/AST), ABl. 1999 L 225/12, Rn. 15. 599 Siehe: Fall IV/M.920 – Samsung/AST. So auch im Fall Electrabel/Compagnie Nationale du Rhône, wonach die Kommission 2009 eine Geldbuße in Höhe von 20 Millionen Euro gegen Electrabel verhängte, weil es das Unternehmen Compagnie National du Rhône übernahm, ohne dieses Vorhaben bei der Kommission anzumelden. Kommission, Entscheidung v. 10. 06. 2009 (COMP/M.4994 – Electrabel/Compagnie Nationale du Rhône), C(2009) 4416. Die Entschei598

Kap. 4: (Extra-)territorialer Anwendungsbereich der FKVO

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III. Ggf. Untersagung, Art. 8 Abs. 3 FKVO Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung, die den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich behindern, werden nach Art. 2 Abs. 3 FKVO für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und damit nach Art. 8 Abs. 3 FKVO untersagt. Viele Zusammenschlüsse werden jedoch unter Bedingungen und/oder Auflagen, die die wettbewerblichen Bedenken ausräumen, genehmigt.

C. Zusammenfassung Die FKVO ist dann anwendbar, wenn die Umsatzschwellenwerte gemäß Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO überschritten werden. Zwar enthält die FKVO keine geschriebene Kollisionsnorm, aber aus ihren Sachnormen selbst ergibt sich, dass sie unabhängig davon anwendbar ist, ob die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihren Sitz in der Union haben. Dem Erfüllen des unionsweiten Umsatzerfordernisses kommt neben der Bagatellfunktion zugleich eine kollisionsrechtliche Funktion zu. Die Auswirkungen werden durch die unionsbezogenen Umsatzschwellenwerte vermutet. Daraus folgt, dass wenn die Aufgreifkriterien erfüllt sind, der Zusammenschluss bei der Kommission unter Verwendung des Formblatts CO anzumelden ist. Dieser darf gem. Art. 7 Abs. 1 FKVO erst vollzogen werden, wenn er für vereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt worden ist. Bei einer Verletzung dieser Verpflichtungen erwarten die Unternehmen hohe Geldbußen nach Art. 14 FKVO. Allerdings bleibt ungeklärt, ob eine Anmeldepflicht auch dann besteht, wenn zwar die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen überschreiten, aber keine weiteren Auswirkungen im Binnenmarkt festzustellen sind. Im nächsten Kapitel soll erörtert werden, ob das Überschreiten der Umsatzschwellenwerte allein als einen sinnvollen Anknüpfungspunkt ausreicht und ob es ein Verhältnis zwischen den Auswirkungen im Binnenmarkt und den von den Unternehmen erzielten Umsätzen gibt. Hierbei soll ein besonderes Augenmerk auf die Drittstaatenunternehmenszusammenschlüsse, die zwar die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO überschreiten, aber keine oder kaum Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, gelegt werden.

dung der Kommission wurde durch die Urteile des EuG, Rs. T-332/09 (Electrabel/Kommission), ECLU:EU:T:2012:672 und des EuGH, Rs. C-84/13 P (Electrabel/Kommission), ECLI:EU:C:2014:2040 bestätigt.

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

Kapitel 5

Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung für die (extraterritoriale) Anwendbarkeit der FKVO? Im Rahmen der bisherigen Analysen zur extraterritorialen Anwendbarkeit der FKVO wurde vernachlässigt, zu begründen, inwiefern Umsatzschwellen als sinnvolle Anknüpfung für die Anwendbarkeit in Betracht kommen. Konkret stellt sich die Frage, ob Umsatzschwellen als Anknüpfung für die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot ausreichend oder ob nicht zusätzliche Kriterien erforderlich sind. Um diese Frage beantworten zu können, sind zunächst die normativen Anforderungen an die Aufgreifkriterien in der Fusionskontrolle zu erörtern. Im Anschluss daran wird ausführlich diskutiert, ob die aktuellen Umsatzschwellenwerte als Aufgreifkriterien verhältnismäßig sind. In diesem Zusammenhang werden mögliche Alternativen zu den Umsatzschwellenwerten als absolute Aufgreifkriterien aufgezeigt. Abschließend werden alle in Betracht kommenden Alternativen gewürdigt und hierzu Stellung genommen. Den Schluss dieses Kapitels bilden zum einen die gewonnenen Ergebnisse und zum anderen ein Ausblick.

A. Können anhand der bestehenden Umsatzschwellen die Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung festgestellt werden? Wie dargestellt, sehen einige in dem Überschreiten der unionsweiten Umsatzschwellen eine ausreichende Anknüpfung für die Anmeldepflicht, da quasi vermutet wird, dass bei Erreichen des unionsbezogenen Umsatzerfordernisses der Zusammenschluss zum Hervorrufen unmittelbarer und erheblicher Auswirkungen in der Union geeignet ist.600 Auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die der Meinung sind, dass die qualifizierten Auswirkungen im Sinne des Auswwirkungsprinzips nicht zwingend durch das Überschreiten der Umsatzschwellenwerte gegeben sind.601 Damit ist fraglich, ob anhand der bestehenden Umsatzschwellen die Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung festgestellt werden können. Problematisch ist 600

Rowley/Baker, International Mergers, Stand Dezember 2002, Rn. 17.024; Feeney, Ga. St. U. L. Rev. 19 (2002 – 2003), 425 (440); Montag/Kaessner, WuW 1997, 781 (785); Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, in Schwarze (Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S. 11 (19); Mestmäcker, Wirtschaft und Verfassung in der Europäischen Union, S. 186; Bourgeois, Yearbook of European Law 10 (1990), 103 (128 f.); Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, FKVO Art. 1 Rn. 58 ff. a.A.: Bechtold, The European Legal Forum 2000/01, 19 (20): Wenn ein Zusammenschluss keine Auswirkungen auf die Marktverhältnisse im Gemeinsamen Markt habe, bestehe auch keine Anmeldepflicht und somit auch keine Prüfungsbefugnis der Kommission. 601 Draetta, Int’l Bus. L.J. 2000, 201 (207); Noonan, The Emerging Principles of International Competition Law, S. 278.

Kap. 5: Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung?

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nämlich, dass die Umsatzschwellenwerte als quantitative Kriterien versuchen, die unionsweite Bedeutung, welche ein qualitatives Element darstellt, zu ermitteln. Für das schematische Kriterium der Umsatzschwellenwerte spricht jedoch, dass es eindeutig, objektiv messbar, schnell ermittelbar und nachprüfbar ist und somit zur Rechtssicherheit beiträgt.602 Dennoch beruht die Höhe der Umsatzschwellenwerte auf einen politischen Kompromiss und ist nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Bewertungsmethoden und ökonomischer Analysen.603 Damit sind die Schwellenwerte wie Brittan schreibt „blunt and even arbitrary“604, weil sie eben nicht die tatsächliche unionsweite Bedeutung darstellen. Des Weiteren wird die Zuständigkeitsbegründung der Kommission von externen Faktoren, wie Inflation und (räumliche) Erweiterung der Union beeinflusst, die nicht berücksichtigt werden. Hier sind insbesondere die statische Zeitgebundenheit der starren Umsatzschwellenwerte und die Geldentwertung anzuführen.605 Deshalb ist es fraglich, ob die aktuellen Aufgreifkriterien einen ökonomisch geeigneten Maßstab für potentielle wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt darstellen können.606 Dies kann zumindest aus dem oben Dargestellten nicht zwingend abgeleitet werden. Hinzu kommt, dass eine Vielzahl von Gemeinschaftsunternehmen, die entweder nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sind oder Tätigkeiten außerhalb der Union ohne oder mit kaum Auswirkungen auf den europäichen Binnenmarkt entfalt(et)en, bei der Kommission angemeldet werden müssen. Problematisch ist bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen, dass in diesen Faällen bei der Berechnung des Umsatzes die Umsätze der am Zusammenschluss beteiligten Mutterunternehmen herangezogen werden, ohne sich hierbei die Frage zu stellen, welche Umsätze das in dem Drittstaat gegründete Gemeinschaftsunternehmen selbst im europäischen Binnenmarkt erzielen wird.

602 Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(2001) 745 endg., Annex I – Thresholds Related Issues, Rn. 16; Veelken, Aspekte der europäischen Fusionskontrolle, in: Veelken/Karl/Richter, Die Europäische Fusionskontrolle, S. 1 (13 f.); Davison/Fitzpatrick, EBR 98 (1998), 160 (165). 603 Hirsbrunner, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Art. 1 FKVO, Rn. 16 f.; Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(96) 19 endg., Rn. 32; Bourgeois, Yearbook of European Law 10 (1990), 103 (108); Käseberg, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, 14. Aufl., Art. 1 FKVO Rn. 3; Kassamali, ELRev Supp. 21 (1996), 89 (99). 604 Brittan, Competition Policy and Merger Control in the Single European Market, S. 53. 605 Kleinmann, FS I. Schmidt, S. 131 (139). Aufgrund einer jährlichen Inflation von ca. 2 % ist davon auszugehen, dass eine faktische Absenkung der Schwellenwerte stattfand und sich damit der Anwendungsbereich der FKVO seit 1989 erweiterte. Wallace, The Multinational Enterprise and Legal Control, S. 569; Ezrachi, ECLR 2001, 137 (139); Kogel, Zuständigkeitsabgrenzung in der Fusionskontrolle zwischen EU und Mitgliedstaaten, S. 150. 606 Bourgeois, Yearbook of European Law 10 (1990), 103 (108).

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

B. Normative Anforderungen an die Aufgreifkriterien der Zusammenschlusskontrolle Die Entstehungsgeschichte der FKVO hat gezeigt, dass es keine nachvollziehbaren Aspekte gibt, an denen sich die konkrete Schwellenwertbestimmung des Art. 1 FKVO orientiert, sodass sich die Frage stellt, wie überhaupt sinnvolle Aufgreifkriterien als „genuine link“ im Sinne der Lehre der sinnvollen Anknüpfung bestimmt werden können. Um diese Frage beantworten zu können, ist es zunächst erforderlich, sich den Sinn und Zweck der Zusammenschlusskontrolle und die normativen Anforderungen an die Aufgreifkriterien bewusst zu machen. Sinn und Zweck der Zusammenschlusskontrolle allgemein ist der Schutz des Wettbewerbs vor Konzentrationen durch externes Unternehmenswachstum und damit vor Monopolisierung und Missbräuchen. Mit den Aufgreifkriterien soll zunächst das staatliche Regelungsinteresse an einer Zusammenschlusskontrolle begründet werden. Eine wirksame Zusammenschlusskontrolle kennzeichnet sich durch ihre Vorhersehbarkeit und Transparenz. Grundsätzlich knüpfen die Aufgreifkriterien an die wirtschaftliche Bedeutung des Vorhabens an bzw. an die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen und sollen primär nur Fälle von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung erfassen, um künftige Wettbewerbsbehinderungen zu vermeiden. Für die Unternehmen bedeutet dies eine Anmeldepflicht und zugleich ein Vollzugsverbot ihres Vorhabens. Demnach erfolgt die Kontrolle, bevor der Zusammenschluss tatsächlich vollzogen wird, denn bereits vollzogene Zusammenschlüsse lassen sich im Nachhinein schwer entflechten. Jedoch dürfen die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr sind sie als vorbereitende Maßnahmen für die Genehmigung oder die Untersagung des Zusammenschlusses zu verstehen.607 Mithin handelt es sich bei der Zusammenschlusskontrolle um eine präventive Wettbewerbsstrukturkontrolle. Dieses (Zusammenschluss-)Kontrollregime steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zur Unternehmensfreiheit und ist dogmatisch betrachtet „ein abgestuftes System der Freiheitsbeschränkung (…), in das transaktionswillige Unternehmen gezwungen werden, ohne eine Kompensation zu erhalten.“608 Bereits die Anmeldung, die durch Umsatzschwellen oder Marktanteilsschwellen entweder alternativ oder kumulativ zu den Umsatzschwellen konkretisiert wird,609 stellt einen Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit dar. Dieser Eingriff muss jedoch gerechtfertigt sein, denn auch Verfahrensnormen, die eine Drittwirkung nach außen haben und damit kein bloßes Verwaltungsinternum mehr sind, müssen letztlich legitimiert sein. Diese normativen Anforderungen an die Aufgreifkriterien lassen sich in der FKVO ebenso erkennen: Der Normzweck des europäischen Kartellrechts sieht die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des europäischen Bin607 608 609

Meyer, Die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO, S. 91. Podszun, WuW 2010, 1128 (1133). Berg/Nachtsheim/Kronberger, RIW 2003, 15 (18).

Kap. 5: Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung?

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nenmarktes vor Verfälschungen schützt, vor.610 Zur Verwirklichung dieses Ziels legt die FKVO eine Anmeldepflicht und ein Vollzugsverbot als wesentliche Pfeiler des präventiven Fusionskontrollsystems fest. Hierbei gilt es die Zusammenschlüsse zu erfassen, die Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt haben können, und zu verhindern, dass diese vor der Prüfung durch die Kommission vollzogen werden, denn bereits vollzogene Zusammenschlüsse lassen sich im Nachhinein kaum entflechten. Die Aufgreifkriterien – im Fall der FKVO durch den Tatbestand des Zusammenschlusses und dem Überschreiten der Umsatzschwellen definiert – sind damit der erste Schritt im System der Zusammenschlusskontrolle.

C. Verwendung anderer Kriterien zur Bestimmung der Jurisdiktion Die bereits aufgezeigten Lücken führen zur Frage, ob es nicht alternative Aufgreifkriterien gibt, die besser geeignet sind, diese Lücken zu schließen. Die Vorschläge aus der Literatur reichen von Reformvorschlägen auf Seiten des Tatbestandes – zusätzliche Aufgreifkriterien für Drittstaatenzusammenschlüsse oder andere Aufgreifkriterien – bis hin zu den Rechtsfolgen der Aufgreifkriterien – bei Erfüllung der Aufgreifkriterien weniger einschneidende Maßnahmen wie eine „abgemilderte“ Anmeldepflicht oder einen weiteren Ermessensspielraum, mit dem die Kommission die Beteiligten unproblematisch von der Anmeldpflicht sowie dem Vollzugsverbot befreien könnte. Diese werden im Folgenden vorgestellt. I. Bestimmung der unionsweiten Bedeutung anhand des Kriteriums der Beeinträchtigung der Zwischenstaatlichkeitsklausel Da im Primärrecht das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit fest verankert ist, stellt sich die Frage, ob die Fusionskontrolle durch die Kommission nicht auch nach dem Merkmal der „Zwischenstaatlichkeit“ erfolgen sollte.611 Dadurch würde es ein einheitliches System der unternehmensadressierten Wettbewerbsregeln geben.612 Historisch gesehen, orientierte sich der Vorschlag von 1973 anfangs an der Zwischenstaatlichkeitsklausel.613 Aus diesen Gründen schlägt auch Lampert vor, die 610

Siehe: Protokoll über den Binnenmarkt und Wettbewerb, ABl. 2007 C 306/156. So bspw.: Broberg, Nordic J. Int’l L. 63 (1994), 17 (99 f.). 612 Dass die FKVO dieses Kriterium nicht aufgenommen hat, stellt nach Lampert „einen Bruch mit der Tradition des Primärrechts dar“. Lampert, Die Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung im Verhältnis zum Fusionskontrollrecht der Mitgliedstaaten, S. 170. 613 Art. 1 Abs. 2 des Verordnungs-Entwurfs v. 25. 04. 1988 (ABl. 1988 C 130/4) lautet: „(2) Ein Zusammenschluß hat gemeinschaftsweite Bedeutung, a) wenn mindestens zwei der Unternehmen, die den Zusammenschluß durchführen, ihren wesentlichen Tätigkeitsbereich innerhalb der Gemeinschaft jeweils in einem anderen Mitgliedstaat haben; oder 611

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Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, welche in Art. 101 AEUV verwendet wird, in die Fusionskontrolle zu übernehmen.614 Er will die Spürbarkeit anhand der Umsatzschwellen konkretisieren. Sowohl das Kriterium der zwischenstaatlichen Wirkung als auch der Spürbarkeit sind in dem Merkmal „unionsweite Bedeutung“ enthalten.615 Jedoch ist das Spürbarkeitskriterium letztlich durch die Umsatzschwellen konkretisiert. Die FKVO geht nämlich von der Vermutung aus, dass wenn die unionsbezogenen Umsatzschwellenwerte überschritten werden, das Vorhaben auch Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben könnte. Des Weiteren gewährleistet die 2/3-Klausel, dass ein Zusammenschluss nur dann der Prüfung nach der FKVO unterfällt, wenn dieser den Handel zwischen mindestens zwei Mitgliedstaaten „spürbar“ beeinträchtigt. Insofern wird auch in diesem Tatbestandsmerkmal die Zwischenstaatlichkeitsklausel quasi quantifiziert. Hinzu kommt, dass während Art. 101, 102 AEUV die Verhaltenskontrolle regeln, die FKVO dagegen auf die Marktstrukturkontrolle zugeschnitten ist und damit letztlich eine präventive Kontrolle von Zusammenschlüssen bezweckt. II. Bestimmung der unionsweiten Bedeutung anhand Marktanteilsschwellen (relative Aufgreifkriterien) Da die absoluten Aufgreifkriterien nicht die jeweiligen Marktverhältnisse der Unternehmen berücksichtigen, wird teilweise vorgeschlagen, die unionsweite Bedeutung anhand der Marktanteile der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen als qualitatives Element zu bestimmen. Die Einführung relativer Aufgreifkriterien wurde seitens der Literatur begrüßt.616 In den Entwürfen zur FKVO war zudem ursprünglich vorgesehen, dass die Zuständigkeitsabgrenzung nach qualitativen Merkmalen, angelehnt an die Art. 101 und 102 AEUV, erfolgen sollte.617 Demnach b) wenn die Unternehmen, die den Zusammenschluß durchführen, ihren wesentlichen Tätigkeitsbereich innerhalb der Gemeinschaft zwar in ein und demselben Mitgliedstaat haben, aber mindestens eines von ihnen insbesondere durch Tochtergesellschaften oder Direktverkäufe in erheblichem Umfang auch in anderen Mitgliedstaaten tätig ist.“ In Abs. 3 war der Ausschluss eines Zusammenschlusses mit gemeinschaftsweiter Bedeutung geregelt, sofern bestimmte Umsatzschwellen nicht überschritten wurden. 614 Lampert, Die Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung im Verhältnis zum Fusionskontrollrecht der Mitgliedstaten, S. 177 ff. und zu seinem eigenen Vorschlag, s. S. 188. Lampert verwirft später seinen eigenen Vorschlag, da laut ihm dieser nicht praktikabel sei und nicht zu den notwendigen schnellen Ergebnissen führen könne, s. Lampert, WuW 2002, 449 (451). 615 Krimphove, Europäische Fusionskontrolle, S. 223. 616 Davison/Johnson, EBR 2000, 76 (77); Broberg, ECLR 1997, 103 (107 f.); Kassamali, ELRev Supp. 21 (1996), 89 (107). Broberg diskutiert später diese Möglichkeit, lehnt sie jedoch ab, s. Broberg, Broberg on the European Commission’s Jurisdiction to Scrutinise Mergers, S. 262 ff. 617 Kleinmann, FS I. Schmidt, S. 131 (132 f.).

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sollte die FKVO nur solche Zusammenschlüsse erfassen, bei denen mindestens eines der beteiligten Unternehmen seinen Sitz im Gemeinsamen Markt habe. Selbst die Kommission sah die Marktanteilsschwellen als adäquatere Aufgreifkriterien an: Relative Aufgreifkriterien ermöglichen zwar eine höhere Einzelfallgerechtigkeit, aber schwierige Fragen wie die Bestimmung des sachlichen und räumlich relevanten Marktes werden damit in ein frühes Stadium der Prüfung verlagert.618 In diesem sollte es eigentlich nur darum gehen, schnell zu entscheiden, ob die FKVO anwendbar ist oder nicht.619 Darüber hinaus kann der Kommission nicht abverlangt werden, für die zahlreichen Produkte und Dienstleistungen jeweils im Vorfeld den Markt oder Guidelines zu ermitteln. Zudem können die Unternehmen selbst ihren Marktanteil nicht ermitteln, da sie hierfür zunächst das Gesamtmarktvolumen berechnen müssen. Dies lässt sich aber nur mit den Umsatzerlösen und Absatzmengen der anderen Wettbewerber ermitteln. Allerdings sind diese Informationen Geschäftsgeheimnisse, die man den Mitstreitern nicht preisgeben will.620 Letztlich werden die Marktanteile auch nicht vollkommen außer Betracht gelassen. Im Rahmen der materiell-rechtlichen Beurteilung spielen sie durchaus eine Rolle. Im Ergebnis wären Marktanteilsschwellen zwar geeigneter, würden aber letztlich die Rechtssicherheit vermindern.

III. Differenzierte Schwellenwerte auf einer sektoralen Basis Die aktuellen Umsatzschwellenwerte berücksichtigen nicht, dass sich die verschiedenen Wirtschaftsbereiche jeweils in ihrer Größe unterscheiden, sodass es durchaus zu Marktstrukturveränderungen in bestimmten Sektoren kommen kann, bei denen die Unternehmen als Spezialunternehmen in kleineren, aber wirtschaftlich bedeutsamen Märkten tätig sind, ohne dass die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen überschreiten.621 Aus diesem Grund könnte erwogen werden, differenzierte Schwellenwerte auf einer sektoralen Basis zu berücksichtigen. Zweifelsfrei würden branchenspezifische Umsatzschwellenwerte eine branchengerechte Zu618 Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(2001) 745 endg., Annex I – Thresholds Related Issues, Rn. 17 und 24 ff. 619 Cook/Kerse, EC Merger Control, Rn. 4-005. So auch schon Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, S. 22 f. 620 Burnley, World Competition 25 (2002), 263 (271); Broberg, Broberg on the European Commission’s Jurisdiction to Scrutinise Mergers, S. 265. 621 Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(96) 19 endg., Rn. 35 ff. So erreichte beispielsweise der Zusammenschluss zwischen Fried Krupp AG und Hoesch nicht die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO, und dabei waren beide Unternehmen die größten Stahlunternehmen weltweit. Ebenso fiel der Zusammenschluss von Reed International P.L.C. und Elsevier N.V., einer der größten im Verlagswesen, nicht unter dem Anwendungsbereich der FKVO, weil der weltweite Umsatz beider Unternehmen weniger als fünf Billion ECU betrug.

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sammenschlusskontrolle gewährleisten, aber es ist schwierig, unterschiedliche sektorale Umsatzkriterien festzulegen, da es verschiedene Märkte mit unterschiedlichen Marktvolumina gibt. Außerdem wird dies noch komplizierter bei Zusammenschlussvorhaben von Unternehmen, die in mehreren Sektoren tätig sind. Problematisch ist, dass der Umsatz nicht marktbezogen ist. Da sich dieser auf den Gesamtumsatz der Unternehmen und nicht auf den Umsatz in einem bestimmten relevanten Markt bezieht, spiegelt er nicht unbedingt die Marktpräsenz eines Unternehmens wieder. So werden sektorale Charakteristika wie der Grad der Produktspezialisierung und die Größe des Unternehmens nicht berücksichtigt, welche jedoch für bestimmte Branchen wie Textil, Verlagswesen und Maschinenbauindustrie, maßgeblich sind.622 Riesenkonglomerate, die in größeren Märkten tätig sind, fallen damit unter dem Anwendungsbereich der FKVO als kleinere spezialisierte Unternehmen, die zwar niedrige Umsätze erzielen, aber dennoch auf diesen Märkten eine enorme Marktmacht aufweisen.623 Für die Untersagung ist dagegen die beherrschende Stellung auf einem bestimmten relevanten Markt maßgeblich. So setzt sich der Konzernumsatz nach Art. 5 Abs. 1 und 4 FKVO nicht nur aus den Umsatzerlösen der Beteiligten, sondern auch aus den mit ihnen verbundenen Konzernunternehmen zusammen. Diese Umsatzberechnung spiegelt zwar die wirtschaftlichen Ressourcen des gesamten Konzerns wieder, aber nicht unbedingt die der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen selbst. Damit stellt der nach Art. 5 FKVO zu berechnende Umsatz einen ungenauen Maßstab für die wirtschaftliche Bedeutung des Zusammenschlusses dar.624 IV. Umsatzschwellenwerte mit einer Indexklausel Auch könnte erwogen werden, die Umsatzschwellenwerte zeitlich anzupassen, indem nach italienischem Vorbild625 eine an der Indexentwicklung orientierte Veränderung der Werte jedes Jahr vorgenommen wird.626 Dadurch würde man die mit der Inflation und dem Wechselkurs verbundene Verringerung des Realwerts der Umsatzschwellen entgegenwirken.

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Morgan, The Antitrust Bull. 45 (2000), 153 (164). George/Jacquemin, Competition Policy in the European Community, in: Jacquemin (Hrsg.), Competition Policy in Europe and North America, S. 206 (240). 624 Ebenso: Meyer, Die extraterritoriale Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung, S. 124. 625 Siehe: Art. 16 para. 1 of Law no. 124/2017 (Official Gazette No. 189 of 14 August 2017). Die Umsatzschwellenwerte werden jährlich um einen Berag erhöht, welcher der Erhöhung des Deflations-Indexes der Preise des Bruttosozialproduktes entspricht. 626 So auch: Kleinmann, FS I. Schmidt, S. 131 (140). 623

Kap. 5: Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung?

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V. Gesamtwert der Transaktion Des Weiteren wird bemängelt, dass die aktuellen Umsatzschwellenwerte nur auf das wirtschaftliche Potential der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen abstellen, anstatt den räumlichen Schwerpunkt des Zusammenschlusses zu berücksichtigen.627 Deshalb wird vorgeschlagen, auf den Gesamtwert der Transaktion und nicht auf die Umsatzschwellenwerte der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen abzustellen.628 Der Vorteil wäre hierbei, dass man sich an der wettbewerblichen Bedeutung der neuen Unternehmenseinheit orientiert, statt wie bisher auf die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen abzustellen. Auch Broberg will in diesem Zusammenhang zusätzlich zu den Umsatzschwellenwerten den Wert der Transaktion, gemessen am Wert des übertragenen Vermögens, berücksichtigen.629 VI. Stellungnahme zu den Alternativen Alle Alternativen zum Umsatztest – Marktanteilsschwellen, qualitative Kriterien wie die nach Art. 101, 102 AEUV erforderliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, branchenspezifische Umsatzschwellenwerte oder der Gesamtwert der Transaktion – erscheinen nicht zufriedenstellend, ungünstig, nicht praktikabel und manipulierbar.630 Sie erreichen nicht das, was das Umsatzkriterium kann: ohne weiteres verständlich zu sein, einfach anwendbar zu sein und in kurzer Zeit Klarheit über die Anwendung der FKVO zu verschaffen.631 Allerdings bleibt die Kritik an der Willkürlichkeit der Schwellenwerte. Darüber hinaus sind die Umsatzschwellenwerte als formale Kriterien zu starr und in ihrer Anwendung zu wenig flexibel, um die materiell-rechtlichen Umstände und die Marktgegebenheiten im Einzelfall zu berücksichtigen. Letztlich sind aber die Umsatzschwellen die geeignetsten und verhältnismäßigen Kriterien für die Ermittlung der Auswirkung auf den Binnenmarkt und damit für die Ermittlng der unionsweiten Bedeutung eines Zusammenschlusses.632 Darüber hinaus sind einer Umfrage zufolge die Unternehmen 627 Schneider, Das Drittstaatenargument in den fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen der Europäischen Kommission, S. 63. 628 Ebd., S. 66. 629 Broberg, Broberg on the European Commission’s Jurisdiction to Scrutinise Mergers, S. 262 u. 265 ff. 630 Meyer, Die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO, S. 153. 631 Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(2001) 745 endg., Annex I – Thresholds Related Issues, Rn. 16 u. 23. 632 So auch die Kommission, Bericht an den Rat über die Anwendung der in der Fusionskontrollverordnung vorgesehenen Schwellenwerte, KOM(2000) 399 endg., Tz. 19: „[D]ie Kriterien des Artikels 1 Absatz 2 [sind] zur Feststellung von Zusammenschlüssen von tatsächlicher gemeinschaftsweiter Bedeutung im Gegensatz zu solchen von rein nationaler Bedeutung weiterhin effizient.“ Anderer Meinung sind: Fiebig, ECLR 1998, 323 (328 ff.); Fiebig, Colum. J. Eur. L. 5 (1998 – 1999), 79 (83; 90 f.); Liakopoulos/Marsilia, The Regulation of

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der Meinung, dass die aktuellen Umsatzschwellenwerte die besten Kriterien zur Ermittlung der unionsweiten Bedeutung sind.633

D. Explizite Verwendung des Auswirkungsprinzips als Kollisionsnorm in der FKVO Des Weiteren wird vorgeschlagen, dass die Kommission in einer Bekanntmachung die Anforderungen des Auswirkungsprinzips als FKVO-Kollisionsnorm konkretisieren könnte.634 Immenga schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass die Kommission anhand ihrer bisherigen Praxis ermitteln soll, unter welchen Voraussetzungen Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt durch einen Zusammenschluss nicht angenommen werden können.635 In Betracht käme aber auch eine zusätzliche Klausel, die verlangt, dass der Zusammenschluss grenzüberschreitende Auswirkungen auf den europäischen Markt mit sich bringt.636

E. Einführung eines Gefahrforschungseingriffs zusätzlich zu den Umsatzschwellenwerten Meyer637 stuft die extraterritoriale Anwendbarkeit der FKVO, die an die Überschreitung der Umsatzschwellen anknüpft, als völkerrechtlich bedenklich ein und schlägt deshalb die Einführung eines Gefahrforschungseingriffs zusätzlich zu den Umsatzschwellenwerten der FKVO vor.638 Meyer führt aus, dass bei der Überschreitung der Umsatzschwellenwerte lediglich ein Verdacht bestehe, dass der Zusammenschluss wettbewerbsgefährdend sein könnte. Daher ist es ihrer Meinung nach notwendig, bereits bei Bestehen eines Verdachts zu ermitteln, ob eine Gefahr für den Wettbewerb tatsächlich vorliege. Hierzu diene die Anmeldung bei der Kommission. So auch das EuG zur Anmeldepflicht: „Im übrigen muß die Kommission, wenn sie diese Zuständigkeit für einen Zusammenschluß prüfen will, zunächst die Transnational Mergers in International and European Law, S. 28; Broberg, Broberg on the European Commission’s Jurisdiction to Scrutinise Mergers, S. 259; Jacquemin, Mergers and European Policy, in: Admiraal (Hrsg.), Merger and Competition Policy in the European Community, S. 3 (33); Kögel, Die Angleichung der deutschen an die europäische Fusionskontrolle, S. 303. 633 Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(2001) 745 endg., Annex I – Thresholds Related Issues, Rn. 183 ff. 634 Vgl. Ezrachi. ECLR 2001. 137 (144 ff.). 635 Immmenga, Zur extraterritorialen Anwendung der europ. Fusionskontrolle, in: FS Zäch, S. 347 (357). 636 Kögel, Die Angleichung der deutschen an die europäische Fusionskontrolle, S. 302. 637 Meyer, Die extraterritoriale Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung, S. 131 ff. 638 Ebd., S. 137 ff.

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Maßnahme untersuchen können, was auch die Pflicht der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen zur Anmeldung rechtfertigt.“639 Eine sinnvolle Anknüpfung für die Untersagung eines Zusammenschlusses setzt zumindest eine reale Gefahr wettbewerbsbeschränkender Auswirkungen voraus. Wenn man diese Anforderungen (wie bei der Untersagung) an eine sinnvolle Anknüpfung für die Anmeldepflicht oder dem Vollzugsverbot stellte, dann würde man den sinnvollen Anknüpfungspunkt hierfür oft verneinen müssen. Aus diesem Grund bedarf es abgeschwächter Anforderungen im Sinne des Auswirkungsprinzips an die Voraussetzungen der Anmeldepflicht und des Vollzugsverbots.

F. Entkoppelung der Untersagungsbefugnis von der Anmeldepflicht und dem Vollzugsverbot Einige Stimmen aus der Literatur schlagen vor, die Untersagungsbefugnis von der Anmeldepflicht und dem Vollzugsverbot zu entkoppeln.640 Damit könnte man beispielsweise die Anmeldepflicht der Drittstaatenzusammenschlüsse, die keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, beschränken, ohne in die Kompetenz der Kommission einzugreifen. Auch Ezrachi, der zwar höhere Umsatzschwellenwerte für Drittstaatenzusammenschlüsse verlangt, aber der Kommission ihre Kompetenz hinsichtlich dieser Zusammenschlüsse nicht absprechen will, spricht sich für eine nachträgliche Zusammenschlusskontrolle seitens der Kommission aus.641

G. Andere Berechnung des Umsatzes bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen Bei der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen außerhalb der Union, sei es durch europäische oder nicht-europäische Unternehmen, die keinerlei oder sehr geringe Auswirkungen in der Union entfalten, wird bei der Ermittlung der Umsatzschwellenwerte auf die der Mutterunternehmen abgestellt. Dies kritisieren viele. Denkbar wäre die Einführung eines weiteren Schwellenwertes, der sich auf die Marktanteile des Gemeinschaftsunternehmens bezieht.642

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EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLI:EU:T:1999:65, Rn. 76. Draetta, Int’l Bus. L.J. 2000, 201 (212). 641 Ezrachi, ECLR 2001, 137 (145). 642 Kommission, Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Verordnung über Unternehmenszusammenschlüsse, KOM(93) 385 endg., Rn. 23; Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(96) 19 endg., Rn. 131 ff. 640

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H. Befreiung von der Anmeldepflicht für Drittstaatenzusammenschlüsse, die keine oder geringe Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben In Bezug auf Drittstaatenzusammenschlüsse, die ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt außerhalb der Union und damit kaum Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, schlagen Fiebig, Ezrachi, Schneider und auch die Kommission vor, diese von der Anmeldepflicht zu befreien.643 Hierzu könnten bestimmte Kriterien bestimmt werden, die eine hinreichende Untersagungswahrscheinlichkeit des geplanten Zusammenschlusses indizieren. Darüber hinaus könnte für Drittstaatenzusammenschlüsse die Einführung höherer weltweiter Umsatzschwellenwerte in Betracht kommen. Fiebig empfiehlt, diejenigen Drittstaatenzusammenschlüsse von der Anmeldepflicht zu befreien, die keine betroffenen Märkte aufweisen. In diesem Zusammenhang schlägt er eine Bekanntmachung vor, die regelt, dass die FKVO nicht anwendbar ist, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen einen bestimmten Marktanteil nicht erreichen.644 Diese wären folglich auch von der Anmeldepflicht befreit. Schneider legt eine Ergänzung des Art. 1 FKVO nahe: „Zusammenschüsse mit gemeinschaftsweiter Bedeutung müssen nicht angemeldet werden, wenn die transferierten Unternehmensteile weniger als 50 Millionen Euro gemeinschaftsweiten Umsatz erzielen und/oder der Wert ihrer in der Gemeinschaft belegenen Vermögenswerte 50 Millionen Euro nicht übersteigt.“645 Darüber hinaus hat die Kommission vorgeschlagen, entweder die Anforderungen an die Anmeldung von Gemeinschaftsunternehmen, die keinerlei oder sehr geringe Auswirkungen in der Union entfalten, zu reduzieren oder solche Vorhaben in einem vereinfachten Verfahren durch die Kommission zu prüfen.646 Im Übrigen hat die Kommission 2014 in ihrem Weissbuch ,Eine wirksame Fusionskontrolle‘ ebenso eine Befreiung der Anmeldepflicht für zwei Fallgruppen vorgeschlagen:647 So könnte eine Freistellung von der Anmeldepflicht für bestimmte Gruppen von Zusammenschlüssen, die in der Regel wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind, in Betracht kommen. Als Beispiele führt die Kommission hier an: Zusammenschlüsse, bei denen zwischen den beteiligten Unternehmen keine horizontalen oder vertikalen Beziehungen bestehen. Des Weiteren schlägt die Kommission vor, die Fallgruppe der Gründung eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens, das vollständig außerhalb des EWR nieder643 Fiebig, Colum. J. Eur. L. 5 (1998 – 1999), 79 (96); Ezrachi, ECLR 2001, 137 (144 ff.); Kommission, Weissbuch. Eine wirksamere Fusionskontrolle, COM(2014) 449 final, Rn. 77. 644 Fiebig, ECLR 1998, 323 (330); Fiebig, Colum. J. Eur. L. 5 (1998 – 1999), 79 (96 ff.). 645 Schneider, Das Drittstaatenargument in den fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen der Europäischen Kommission, S. 67. 646 Kommission, Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Verordnung über Unternehmenszusammenschlüsse, KOM(93) 385 endg., Rn. 23; Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(96) 19 endg., Rn. 131 ff. 647 Kommission, Weissbuch. Eine wirksamere Fusionskontrolle, COM(2014) 449 final, Rn. 77.

Kap. 5: Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung?

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gelassen und tätig ist und keine Auswirkungen auf die Märkte im EWR hat, nicht in den Anwendungsbereich der FKVO fallen zu lassen. Der Kommission zufolge müsste ein solches Gemeinschaftsunternehmen dann auch nicht bei der Kommission angemeldet werden, selbst wenn die Umsatzschwellen des Artikels 1 überschritten sind. Beide Vorschläge ziehen eine Änderung der FKVO mit sich. Eine Befreiung der Anmeldepflicht für Gemeinschaftsunternehmen hätte den Nachteil, dass für diese nicht mehr der one stop shop-Grundsatz gelten würde, was mehrere Anmeldungen in verschiedenen Mitgliedstaaten zur Folge haben könnte.648 Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob damit den Unternehmen geholfen wäre, denn letztlich müssten sie dann ihre Vorhaben bei den einzelnen mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden anmelden.649

I. Anzeigeklausel Eine modifizierte Variante der Befreiung von der Anmeldepflicht ist die Anzeigeklausel, wonach die Unternehmen nicht verpflichtet sind, ihr Vorhaben anzumelden, sondern nur anzuzeigen, wenn das Vorhaben tatsächlich problematisch ist. Diese Idee ist dem europäischen Wettbewerbsrecht nicht ganz fremd: Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV gilt als Grundsatz das Kartellverbot. Als Legalausnahme vom Kartellverbot kommt jedoch eine Freistellung in Betracht, sei es entweder durch eine Gruppenfreistellung nach einer der Gruppenfreistellungsverordnungen650 oder durch eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV. Diesen Gedanken könnte man auch auf die FKVO anwenden, sodass die Untersagungsbefugnis für Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung, die mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar sind, letztlich unverändert bleibt, aber die Anmeldepflicht für Drittstaatenzusammenschlüsse, die keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, wäre mithin abgeschafft.651 Problematisch ist jedoch, dass dadurch keine präventive Kontrolle mehr möglich ist. Außerdem ist eine Entflechtung des bereits vollzogenen Zusammenschlusses im Nachhinein kaum möglich. Wenn das Vorhaben bei der Kommission nicht angemeldet wird, dann hat die Kommisison hiervon keine Kenntnisnahme, sodass im Ergebnis auch keine Prüfung erfolgen kann. Ob dies gewollt ist, ist fraglich. Am Rande sei hier noch anzumerken, dass im Zusammenhang von Art. 101 648 Kommission, Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates, KOM(96) 19 endg., Rn. 131. 649 Schneider, Das Drittstaatenargument in den fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen der Europäischen Kommission, S. 66 f. 650 Als Beispiel ist hier zu nennen: Verordnung (EU) Nr. 1217/2010 der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, ABl. 2010 L 335/36. 651 Draetta, Int’l Bus. L.J. 2000, 201 (213); Fiebig, ECLR 1998, 323 (331); Fiebig, Colum. J. Eur. L. 5 (1998 – 1999), 79 (98).

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Abs. 3 AEUV der Grundsatz der Selbstveranlagung gilt. Demnach muss jedes Unternehmen vorab selbst entscheiden, ob sein Verhalten kartellrechtlich freigestellt ist oder nicht, vgl. Art. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1/2003652. Die Selbstveranlagung bringt jedoch keine Rechtssicherheit mit sich. Darüber hinaus besteht für Unternehmen ein erhebliches Bußgeldrisiko, sofern die Behörden keine Anhaltspunkte für eine Freistellung sehen, vgl. Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003. Diese Bedenken gelten auch für eine Übertragung auf die FKVO. Letztlich spricht dagegen, dass am Ende die Unternehmen das Risiko tragen und implizit prüfen müssen, ob ihr Vorhaben eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs darstellt. Diese Prüfung gehört in den Aufgabenkreis der Kommission als Wettbewerbshüter und nicht der Unternehmen. Im Zweifel werden die Unternehmen, um auf der sicheren Seite zu sein, ihr Vorhaben doch bei der Kommission anmelden. Damit wäre aber nichts Neues gewonnen.

J. Zusammenfassung der Erkenntnisse, Würdigung und Perspektiven Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eigentlich die Fälle problematisch sind, in denen das durch den Zusammenschluss gebildete Unternehmen, z. B. ein Gemeinschaftsunternehmen, überhaupt nicht auf den Märkten des europäischen Binnenmarktes tätig wird oder wegen geringer Marktanteile auf den relevanten Märkten eine unionsweite Bedeutung ausgeschlossen werden kann. Dies resultiert daraus, dass sich die Aufgreifkriterien nicht auf den räumlichen Schwerpunkt des Vorhabens beziehen, sondern sich am wirtschaftlichen Potential der beteiligten Unternehmen orientieren. Da aber die Marktabgrenzung und die Bestimmung der Marktanteile sehr komplex ist und aus Gründen der Rechtssicherheit nicht der Einschätzung der Unternehmen überlassen werden kann, erscheint eine generelle Einschränkung des Vollzugsverbots kaum angemessen. Alternativen wie die Bestimmung anhand von Marktanteilsschwellen oder differenzierte Umsatzschwellenwerte auf einer sektoralen Basis oder die Zulassung später erfolgender Entflechtungen sind deutlich weniger effektiv und damit keine relativ milderen Mittel. Die Alternativen vermögen letztlich nicht das, wozu die aktuellen Aufgreifkriterien in der Lage sind: die Schaffung von Rechtssicherheit und Verfahrensklarheit als auch einer effizienten Abgrenzungsmethode zwischen der Kommission und der Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten. Des Weiteren sind die Umsatzschwellenwerte leicht verfügbar und eindeutig bestimmbar. Im Ergebnis stellen die aktuellen Umsatzschwellenwerte eine sinnvolle Anknüpfung für die Anmeldepflicht dar. Selbst wenn man der Meinung sein sollte, dass die Überschreitung der Umsatzschwellenwerte nach Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO keine sinnvolle Anknüpfung für die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot seien, stellt sich die Frage, ob die Anfor652 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1/1.

Kap. 5: Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung?

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derungen für eine sinnvolle Anknüpfung der Anmeldepflicht und des Vollzugsverbotes die gleichen sein müssen wie die für die Untersagung, vor allem im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit der Auswirkungen.653 Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Prüfungsbefugnis nach Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO und der Untersagungsbefugnis nach Art. 2 Abs. 3 FKVO. Für die Prüfungsbefugnis darf naturgemäß nur eine niedrigere Wahrscheinlichkeit wettbewerbsbeschränkender Auswirkungen verlangt werden, da die tatsächlichen Folgen des Vorhabens auf den europäischen Binnenmarkt erst bei einer Prüfung aufgrund ernsthafter Bedenken ermittelt werden.654 Dass damit auch die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei unproblematischen Zusammenschlüssen verpflichtet werden, sich anzumelden, ist im Ergebnis zumutbar, weil die Prüfung eines Vorhabens weniger belastend ist als ein Eingreifen in die Unternehmensstruktur oder eine Entflechtung des bereits vollzogenen Zusammenschlusses. Darüber hinaus werden die Vorhaben, die kaum oder keine Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben, bei der Anmeldung bevorzugt, da sie von der Pflicht zur Vorlage einzelner im Formblatt CO verlangter Angaben und Unterlagen befreit sind und oft im vereinfachten Verfahren geprüft und nach Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO freigestellt werden. Des Weiteren dauert eine Entscheidung nach Art. 6 Abs. 1 lit. b FKVO maximal einen Monat und stellt damit einen verhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit dar. Ferner sind es keine kleinen und mittelständischen Unternehmen, sondern multinationale Unternehmen, die sich in der Regel zusammenschließen, sodass diesen Unternehmen aufgrund ihrer Größe und Expertise die Anmeldung bei der Kommission zuzumuten ist. Anders sieht es beim Vollzugsverbot aus: Dieses stellt einen größeren Eingriff in die Unternehmensfreiheit dar als die Anmeldepflicht, aber die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen können eine Befreiung vom Vollzugsverbot gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 5 FKVO bereits vor der Anmeldung oder nach Abschluss des Rechtsgeschäfts beantragen, sodass bei rechtzeitiger Beantragung die Genehmigung durch die Kommission auch ohne Wartezeit erfolgen kann. Letztlich gewährleistet das Vollzugsverbot die effektive Durchsetzung der Kommissionsentscheidung. Vor diesem Hintergrund erscheint die Belastung der Unternehmen mit der Anmeldepflicht und dem Vollzugsverbot bis zur Freistellung als angemessen und akzeptabel. Geht es dagegen um Eingriffe in Zusammenschlussvorhaben in Form von Auflagen oder einer Untersagung, so müssen an die Wahrscheinlichkeit wettbewerbsbeschränkender Auswirkungen höhere Anforderungen gestellt werden, weil diese einen wesentlich belastenderen Eingriff für die Unternehmen darstellen. Mit der Formulierung „erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung“ wird eine erhebliche Auswirkung des Vorhabens auf den europäischen Binnenmarkt umschrieben. Mithin setzt Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 8 Abs. 3 FKVO für die Untersagung von Zusammenschlüssen 653

Meyer, Die extraterritoriale Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung, S. 133 ff. 654 Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR Rn. 56 f.; González-Díaz, World Competition 22/3 (1999), 3 (8); Bavasso, World Competition 22(4) (1999), 45 (51).

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Teil 1: Extraterritoriale Rechtsanwendung der VO (EG) Nr. 139/2004

qualifizierte Auswirkungen innerhalb des Binnenmarktes voraus.655 Damit sind bei der Beurteilung, ob ein Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung des wirksamen Wettbewerbs führen könnte, die Konkretisierungen des Auswirkungsprinzips enthalten.656 Im Rahmen der Anmeldpflicht müssen folglich nicht notwendig schon wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen feststellbar sein.657 Das EuG führt hierzu in seinem Gencor-Urteil aus, dass die Kommission berechtigt sein muss, zur Feststellung der Nichtanwendbarkeit der FKVO von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen eine Anmeldung zu verlangen.658 Die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot sind nämlich die grundlegenden Hilfsmaßnahmen für eine präventive und wirksame Fusionskontrolle659 und damit letztlich für den Schutz des freien unverfälschten Wettbewerbs. Eine territoriale Einschränkung auf kollisionsrechtlicher Ebene ist daher zum einen nicht notwendig und zum anderen greift die materiell-rechtliche Prüfung erst dann ein, wenn auch eine reale Gefahr für die strukturellen Wettbewerbsbedingungen in der EU besteht.660 Im Übrigen stellen die Kosten im Hinblick auf die Anmeldung bei der Kommission einen kleinen Betrag im Vergleich zu den Kosten der due diligence, die meist Millionenbeträge sind, dar. Des Weiteren wurde 2013 das Vereinfachungspaket661 verabschiedet, ohne die FKVO selbst zu ändern. Hierbei wurden mehr Vorhaben in den Anwendungsbereich des vereinfachten Verfahrens für unproblematische Zusammenschlüsse einbezogen.662 Zusätzlich werden solche Vorhaben mithilfe des vereinfachten Formblatts, das im Anhang II zur DVO (EU) Nr. 1269/2013 zu finden ist, angemeldet. Dieses sieht eine Anmeldung mit geringerem Umfang der Angaben vor. Das vereinfachte Formblatt kommt in vier Fallkonstellationen in Betracht663 : Erstens bei Gründungen 655 Kuhlmann, Drittstaatsbezogene Unternehmenszusammenschlüsse im EWG-Kartellrecht, S. 118; Bourgeois, Yearbook of European Law 10 (1990), 103 (119); Immenga, Zur extraterritorialen Anwendung der europ. Fusionskontrolle, in: FS Zäch, S. 347 (350). 656 Bourgeois, Yearbook of European Law 10 (1990), 103 (119). 657 Anderer Meinung: Bechtold, The European Legal Forum 2000/01, 19 (20); Bechtold, EuZW 1994, 653 (658); Montag, Comp. L. Y.B. Int’l Bus. 13 (1991), 47 (52 f.). Diese Autoren sind der Ansicht, dass die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot an die tatsächliche Anwendbarkeit der materiellen Fusionskontrolle anzuknüpfen ist. 658 EuG, Rs. T-102/96 (Gencor/Kommission), ECLI:EU:T:1999:65, Rn. 76. 659 Montag, Comp. L. Y..B. Int’l Bus. 13 (1991), 47 (56 f.). 660 Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, IntWbR, Rn. 63. 661 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013 der Kommission vom 5. Dezember 2013, ABl. 2013 L 336/1, zuletzt berechtigt durch ABl. 2014 C 270/9 und Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates, ABl. 2013 C 366/5. 662 Siehe: Kommission, Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates, ABl. 2013 C 366/5. 663 Anhang II zur DVO (EU) Nr. 1269/2013: Vereinfachtes Formblatt CO zur Anmeldung eines Zusammenschlusses gemäß Verordnung (EG) Nr. 139/2004, ABl. 2013 L 336/18 f., Rn. 1.1.

Kap. 5: Umsatzschwellenwerte als sinnvolle Anknüpfung?

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eines Gemeinschaftsunternehmens mit keiner oder nur geringfügiger Tätigkeit im EWR. Das ist nach Tz. 1.1 des vereinfachten Formblattes der Fall, wenn a) der EWR-Umsatz des GU und/oder der Umsatz der beigesteuerten Tätigkeiten weniger als 100 Mio. EUR beträgt und b) der Gesamtwert der in das GU eingebrachten Vermögenswerte im EWR-Gebiet weniger als 100 Mio. EUR beträgt. Zweitens bei rein konglomeraten Zusammenschlüssen ohne horizontale oder vertikale (Wettbewerbs-)Beziehungen der Beteiligten. Drittens bei einem gemeinsamen Marktanteil der Beteiligten von unter 15 % (horizontal) bzw. 25 % (vertikal). Viertens beim Erwerb der alleinigen Kontrolle über ein vom Erwerber bereits mitkontrolliertes Unternehmen. Zusammenfassend wird man die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO trotz schwächerer Indizwirkung für eine unionsweite Bedeutung in völkerrechtlicher Sicht noch als angemessen ansehen können, da wie dargestellt Erleichterungen und Dispensmöglichkeiten eingeräumt werden.664 Darüber hinaus ist eine gewisse Informationspflicht gegenüber der Kommission im Interesse der Rechtssicherheit gerechtfertigt. Dennoch ist wünschenswert die Ermittlung von Umsatzschwellenwerten, die auch realistischerweise Auswirkungen auf den Binnenmarkt und damit die tatsächliche unionsweite Bedeutung wiederspiegeln. Diese Zahlen müssen durch empirische Studien ermittelt werden. Dies entspricht ebenso der Forderung nach einem hinreichenden Nexus im Sinne des ICN.

664 So auch: Meessen/Funke, in: LMR-Kartellrecht, IntKartR der EU Rn. 95 f.; Broberg, Nordic J. Int’l L. 63 (1994), 17 (100). Ohne diese Einschränkung: Meyer, Die extraterritoriale Anwendbarkeit der EG-Fusionskontrollverordnung, S. 131 ff., insbes. 135 f.

Teil 2

Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und bestimmte verfahrensrechtliche Problematiken Nicht die Gesetzgebungs-, sondern die Durchsetzungskompetenz führt in der Regel zu Regelungskonflikten. Für die Anwendung und Durchsetzung des europäischen Fusionskontrollrechts ist ausschließlich die Kommission zuständig. Die Organkompetenz innerhalb der Kommission liegt bei der Generaldirektion Wettbewerb (DG COMP), die von ihrem Generaldirektor geleitet wird. Hierbei stellt sich die Frage, ob und mit welchen Mitteln die Regelungs- und Verfahrenszuständigkeit, vor allem gegenüber Drittstaaten und Drittstaatenunternehmen, durchgesetzt werden kann. Gerade die extraterritoriale Anwendung der FKVO und damit einhergehend die Vornahme von Ermittlungen und Nachprüfungen, Zustellung von Dokumenten und die Vollstreckung von Entscheidungen stößt auf verfahrensrechtliche Bedenken. Dieses von der extraterritorialen Anwendung der FKVO ausgehende Konfliktpotential macht sich vor allem verfahrensrechtlich bemerkbar und soll daher an wichtigen Exekutivakten der Kommission verdeutlicht werden. Hierbei gilt es die verfahrensbezogenen Durchführungsschwierigkeiten und Problematiken im Rahmen der Durchsetzung der FKVO-Vorschriften zu skizzieren. Kapitel 1

Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO Die FKVO schweigt in Bezug auf die Frage, ob die Kommission eine extraterritoriale Durchsetzungskompetenz besitzt. Grundsätzlich haben die Unternehmen sowohl Mitwirkungsobliegenheiten als auch Auskunfts- und Duldungspflichten, damit die Kommission den Sachverhalt umfassend ermitteln kann. Die Probleme bei wettbewerbsrechtlichen Verfahren mit extraterritorialer Reichweite beginnen bereits mit der extraterritorialen Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen wie die Zustellung entsprechender Dokumente an ausländische Unternehmen. Die Möglichkeit, Auskünfte zu verlangen und die Nachprüfungsbefugnisse der Kommission sind in den Art. 11 und 13 FKVO geregelt. Problematisch ist, dass hoheitliche Maßnahmen – seien es Ermittlungs- oder Durchsuchungsmaß-

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

201

nahmen – oft Zwangscharakter haben.665 Darüber hinaus ist nach dem Grundsatz des räumlichen Geltungsbereichs die Vollziehungsgewalt von Hoheitsakten grundsätzlich territorial gebunden, sodass die Ausübung von Hoheitsakten in einem anderen Hoheitsgebiet ohne die Zustimmung des betreffenden Staates aus völkerrechtlicher Sicht unzulässig ist.666 D. h. wenn sich nicht zum jeweiligen Zeitpunkt Vermögenswerte des Unternehmens in der Union befinden oder das Unternehmen seinen Sitz in der EU hat, dann sind aufgrund des Territorialitätsprinzips die Ermittlungs- und Nachprüfungsmaßnahmen der Kommission unzulässig. Im Folgenden sollen Einzelfragen des Verfahrens und ihre Durchführungsschwierigkeiten besprochen werden.

A. Die informellen Pränotifizierungsgespräche mit der Kommission Bevor das Vorhaben bei der Kommission angemeldet wird, finden in der Regel sog. informelle Pränotifizierungsgespräche zwischen der Kommission und den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen statt. Diese sind zwar in der FKVO selbst nicht vorgesehen, werden aber laut den best practices erwartet.667 Diese Gespräche bieten die Gelegenheit, bestimmte Fragen in einer „neutralen Umgebung“ und ohne Zeitdruck zu klären, bevor das Vorhaben offiziell bei der Kommission angemeldet wird. Allerdings werden von vielen diese informellen Gespräche als recht langwierig kritisiert, vor allem wenn das Vorhaben keine ernsthaften Bedenken aufweist. Grundsätzlich verlangt die Kommission, nachdem die Unternehmen informell an diese herangetreten sind, in der Regel innerhalb von einer Woche nähere Informationen zu dem Vorhaben.

B. Auskunfts- und Vorlageverlangen, Art. 11 FKVO I. Auskunftsverlangen Nach Art. 11 Abs. 2 FKVO kann die Kommission die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auffordern, Auskünfte zu erteilen (einfaches Auskunftsverlangen). Ferner besteht die Möglichkeit, auch die erforderlichen Auskünfte durch eine förmliche Auskunftsentscheidung nach Art. 11 Abs. 3 FKVO anzufordern. 665 Stoephasius, Anwendung des europäischen Kartellrechts auf Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, S. 130 ff.; Haymann, Extraterritoriale Wirkungen des EWG-Wettbewerbsrechts, S. 341 ff. 666 Zurkinden/Lauterburg, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Vorbemerkungen zu den Artikeln 101 bis 105 AEUV, Rn. 149; Meessen/Funke, in: LMR-Kartellrecht, IntKartR der EU Rn. 57 und 60. 667 DG Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceedings, Rn. 5 ff.

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

Beide stehen gleichrangig nebeneinander, unterscheiden sich jedoch in ihren Rechtsfolgen und Sanktionsmöglichkeiten.668 Diese sind abzugrenzen von schlichten Fragen der Kommission, die sie nach Art. 11 Abs. 7 FKVO im Rahmen eines Verfahrens an die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen stellen kann. Sowohl bei den Auskunftsverlangen nach Art. 11 Abs. 1 bis 3 FKVO als auch bei den schlichten Fragen nach Abs. 7 muss die Kommission die Rechtsgrundlagen und den Zweck benennen. Erstere müssen noch auf die Möglichkeit der Bußgeldandrohung gem. Art. 14 FKVO bzw. Zwangsgeldfestsetzung gem. Art. 15 FKVO hinweisen. Auskünfte sind Mitteilungen über tatsächliche Umstände, umfassen jedoch keine Werturteile oder Meinungen. Ein Auskunftsverlangen ist dann erforderlich, wenn die Kenntnis der Umstände für den Untersuchungszweck als nötig erachtet wird. Die erforderlichen Auskünfte hinsichtlich der Prüfung von Verstößen gegen die Anmeldepflicht bzw. das Vollzugsverbot müssen ferner auf einen konkret beruhenden Anfangsverdacht der Kommission begründet sein. Die Kommission übersendet Auskunftsverlangen durch einfache Post, Telefax oder E-Mail auch an Unternehmen in Drittstaaten669, kann aber in diesen Fällen auf die Möglichkeit der Bußgeldandrohung, sofern die Antworten nicht den Anforderungen nach Art. 11 Abs. 2, 3 FKVO entsprechen, nicht hinweisen. Wenn Unternehmen ihren Sitz außerhalb der EU haben, kann die Kommission ihr Auskunftsverlangen an eine Tochtergesellschaft in der EU richten. Dies ermöglicht die Verbundklausel des Art. 5 Abs. 4, 5 FKVO. II. Grenzen des Auskunftsverlangens 1. Auskunftsverweigerungsrecht Fraglich ist, ob den Unternehmen bei Auskunftsverlangen der Kommission ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. Möglicherweise verstößt das Auskunftsverlangen der Kommission gegen den nemo tenetur se ipsum accusare-Grundsatz. Ein Unternehmen belastet sich selbst, wenn es Unterlagen herausgibt, die seine rechtswidrige Zuwiderhandlung etwa die Verletzung der Anmeldepflicht bzw. des Vollzugsverbots belegen, oder entsprechende Tatsachenfragen beantwortet. Zwar haben Unternehmen grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht, alle Unterlagen vorzulegen, die die Kommission zur Prüfung des Zusammenschlussvorhabens braucht, aber sie können nicht gezwungen werden, Zuwiderhandlungen zuzugegeben, die die Kommission selbst beweisen muss. Allerdings sind sie zugleich verpflichtet, Sachfragen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen, selbst wenn diese dazu verwendet werden können, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zu beweisen, vgl.

668 Förmliche Auskunftsentscheidungen führen nach Art. 10 Abs. 4 FKVO i.V.m. Art. 9 VO Nr. 802/2004 zu einer Fristenhemmung. 669 Die Form der Übermittlung von Schriftstücken regelt Art. 21 VO 802/2004.

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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Erwägungsgrund Nr. 41 zur FKVO.670 Demnach gibt es keinen nemo tenetur se ipsum p r o d e r e -Grundsatz. Dies lässt sich damit begründen, dass das primäre Ziel der FKVO die präventive Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ist und für eine wirksame präventive Kontrolle die Erlangung von objektiven Anfangsinformationen und -unterlagen unerlässlich ist. Folglich gibt es kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht für den Fall der Selbstbelastung.671 Während des Verfahrens besteht die Möglichkeit der Wahrung von Geschäfts- und Berufsgeheimnissen nach Art. 17, 18 Abs. 3 S. 3, 20 Abs. 2 FKVO; diese sind dementsprechend kenntlich zu machen. 2. Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR hinsichtlich des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung nach Art. 6 EMRK Diese Pflicht zur wahrheitsgetreuen Beantwortung des Auskunftsverlangens der Kommission steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zur EGMR-Rechtsprechung zu Art. 6 EMRK. Im Rahmen der Auslegung und Anwendung der FKVO soll die Kommission u. a. die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta)672 beachten, siehe Erwägungsgrund Nr. 36 zur FKVO. Nach Art. 48 Abs. 2 i.V.m. Art. 52 Abs. 3 GR-Charta haben die in der GR-Charta garantierten Verteidigungsrechte, zu denen auch das Recht zu schweigen gehört, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die Verteidigungsrechte der EMRK. Des Weiteren legt Art. 53 GRCharta fest, dass das Schutzniveau der GR-Charta auf keinen Fall geringer sein darf 670 So auch: EuGH, Rs. C-374/87 (Orkem/Kommission), ECLI:EU:C:1989:387, Rn. 34 f.; EuGH, verb. Rs. 204/00 P, C-205//00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00P und C-219/00P (Aalborg Portland u. a./Kommission), ECLI:EU:C:2004:6, Rn. 61 u. 65; EuGH, verb. Rs. C-65/ 02 P und C-73/02 P (ThyssenKrupp/Kommission), ECLI:EU:C:2005:454, Rn. 49; EuGH, Rs. C-407/04 (Dalmine/Kommission), ECLI:EU:C:2007:53 Rn. 34; EuGH, Rs. C-301/04 P (Kommission/SGL Carbon AG), ECLI:EU:C:2006:432, Rn. 41 ff.; EuG, Rs. T-446/05 (Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission), ECLI:EU:T:2010:165, Rn. 325 ff.; EuG, Rs. T-112/98 (Mannesmannröhren-Werke/Kommission), ECLI:EU:T:2001:61, Rn. 65 ff.; EuG, Rs. T-34/93 (Société Générale/Kommission), ECLI:EU:T:1995:46, Rn. 74; EuG, verb. Rs. T-236/01, T-239/01, T-244 bis T-246/01, T-251/01 und 252/01 (Tokai Carbon/Kommission), ECLI:EU:T:2004:118, Rn. 403. 671 Brinker, Verfassungsgrundrechte für Unternehmen, in: Schwarze (Hrsg.) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Garantien für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, S. 177 (188 ff.). 672 ABl. 2000, C 364/1, geringfügig geändert durch ABl. 2007 C 303/1. Vor Inkrafttreten der GR-Charta gehörte die Beachtung der Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts, deren Wahrung der EuGH zu sichern hatte. EuGH, Rs. C-11/70 (Internationale Handelsgesellschaft mbH/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), ECLI:EU:C:1970:114, Rn. 4. Diese allgemeinen Rechtsgrundsätze sahen auch den allgemeinen Grundsatz der Wahrnehmung der Verteidigungsrechte und den Grundsatz, dass jedermann Anspruch auf einen fairen Prozess hat, die beispielsweise auch den nemo tenetur-Grundsatz enthalten. Die GR-Charta hat die bereits bestehenden Rechte kodifiziert und nicht neu geschaffen, sodass davon auszugehen ist, dass die bisherige Rechtsprechung unter der Charta fortgeschrieben werden dürfte.

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

als das der EMRK. Schließlich binden die Garantien der GR-Charta die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union und die Mitgliedstaaten „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union“, vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GR-Charta. Die Durchführung des Fusionskontrollverfahrens liegt gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013673 bei der Kommission. Das Selbstbelastungsverbot leitet der EGMR aus dem Recht auf ein faires Verfahren und der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK ab und versteht darunter ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht.674 D. h. niemand darf verpflichtet werden, sich selbst zu belasten, sodass dem EGMR zufolge die bloße Vorlage von Dokumenten ein Verstoß gegen das Selbstbelastungsverbot aus Art. 6 EMRK darstellt. Auch juristische Personen können sich schließlich auf den nemo tenetur-Grundsatz berufen.675 Aus der Auslegung der Art. 47 Abs. 2 und 48 Abs. 1 der GR-Charta i.V.m. den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Unschuldsvermutung folgt, dass die für die Schuldfeststellung verwendeten Beweismitteln nicht aus einer erzwungenen Mitwirkung des Beschuldigten stammen.676 Zieht man die Maßstäbe der EMRK und der GR-Charta heran, ist nun zu klären, ob die Einschränkungen beim Aussageverweigerungsrecht677 einen unerlaubten Zwang oder Druck gegenüber den betroffenen Unternehmen auslösen. Der EGMR zieht folgende Kriterien heran, um zu beurteilen, ob das Selbstbelastungsverbot ausgehöhlt wird oder nicht: „Art und Weise sowie Grad des Zwangs, Vorhandensein angemessener Garantien im jeweiligen Verfahren und etwaige Verwertung der so erlangten Beweismittel“678. Die Möglichkeit der Festsetzung eines Zwangsgeldes, falls 673

ABl. 2013 L 336/1. EGMR, Urteil v. 25. 02. 1993, Beschw.-Nr. 82/1991/334/407 (Funke v. France), Ser. A Vol. 256, Rn. 44; EGMR, Urteil v. 08. 02. 1996, Beschw.-Nr. 41/1994/488/570 (John Murray v. The United Kingdom), Reports 1996-I, Rn. 45; EGMR, Urteil v. 17. 12. 1996, Beschw.-Nr. 43/ 1994/490/572 (Saunders v. The United Kingdom), Reports 1996-VI, Rn. 68; EGMR, Urteil v. 21. 12. 2000, Beschw.-Nr. 34720/97 (Heaney and McGuiness v. Ireland), 2000-XII, Rn. 40; EGMR, Urteil vom 03. 05. 2001, Beschw.-Nr. 31827/96 (J.B. v. Switzerland), Reports 2001-III, Rn. 64; EGMR, Urteil v. 05. 11. 2002, Beschw.-Nr. 48539/99 (Allan v. The United Kingdom), Reports 2002-IX, Rn. 44; EGMR, Urteil vom 11. 07. 2006, Beschw.-Nr. 54810/00 (Jalloh v. Germany), Reports 2006-IX, Rn. 100. 675 Opinion of the European Commission of Human Rights, Beschw.-Nr. 11598/85 (Société Stenuit v. France), Vol. 232-A, Rn. 66; Weiß, NJW 1999, 2236 (2237); Peukert, in: Frowein/ Peukert, EMRK-Kommentar, Art. 6 Rn. 4; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, § 17 Rn. 5; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 6 Rn. 4. Das BVerfG leitet den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab (s. BVerfGE 38, 105 (114 f.); BVerfGE 56, 37 (42 ff.)), aber verneint die Anwendbarkeit des Selbstbelastungsverbots auf juristische Personen dagegen mit dem Hinweis auf Art. 19 Abs. 3 GG, s. BVerfGE 95, 220 (242). 676 Eser, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 48 Rn. 10a. 677 Siehe Erwägungsgrund Nr. 41 zur FKVO und die bereits angesprochene Rechtsprechung des EuGH und EuG. 678 EGMR, Urteil vom 11. 07. 2006, Beschw.-Nr. 54810/00 (Jalloh v. Germany), ECHR 2006-IX, Rn. 101. 674

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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die Unternehmen einer Auskunftspflicht der Kommission und die (mittlerweile) sehr hohen Geldbußen, die die Kommission gem. Art. 14 FKVO erlässt, zwingen die Unternehmen faktisch zu einer Kooperation mit der Kommission und zugleich ihr gegenüber eine Zuwiderhandlung zu gestehen, und dass obwohl sich die Unternehmen bei Vorwürfen der Kommission mit bloßem Schweigen vertreidigen könnten, denn die Kommission muss den Verstoß gegen die Anmelde- und Vollzugsvorschriften beweisen. Mithin liegt eine Beeinträchtigung des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK vor. Während der EGMR also von einem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht ausgeht, gesteht der EuGH den Unternehmen allenfalls ein „Geständnisverweigerungsrecht“ zu.679 Damit bleibt der Schutz der Unternehmen im europäischen Wettbewerbsrecht hinter den Anforderungen der EMRK zurück.680 Aus diesem Grund wird behauptet, dass die Grundrechte eine teleologische Reduktion des Auskunftsverlangens der Kommission nach Art. 11 FKVO verlangten.681 Dessen ungeachtet werden verschiedene Argumente gegen einen EGMR-Verstoß der EuGHRechtsprechung geltend gemacht682: Die vom EGMR behandelten Fälle bezogen sich auf natürliche Personen und in diesen Fällen handelte es sich um Ermittlungen im Rahmen eines Strafverfahrens. Des Weiteren wird angeführt, dass juristische Personen sich zwar auch auf einige EMRK-Rechte berufen können, aber diese gelten oft mit weniger weitegehendem Inhalt.683 Würde man ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht annehmen, dann würde dies die Arbeit der Kommission behindern, die letztlich für die Überwachung der Wettbewersregeln in der EU zuständig ist. Schließlich muss die Balance zwischen den Grundrechten juristischer Personen und der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts gefunden werden, d. h. es muss letztlich zwischen der Effektivitätspflicht und dem nemo tenetur-Grundsatz abgewogen werden. Ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht für Unternehmen würde über das hinausgehen, was zur Wahrung der Verteidigungsrechte für Unternehmen erforderlich sei. Aus diesen Gründen ist die Kommission laut dem EuGH berechtigt, Unternehmen zur Erteilung der Auskünfte zu verpflichten. Dies gilt auch

679 Burrichter/Hennig, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, Vorbem. zu Art. 17 – 22 der VO 1/2003, Rn. 37. 680 Willis, ECLR 2001, 313 ff. So auch Schwarze, wenn er schreibt, dass eine „unzulässige Aushöhlung der Selbstbelastungsfreiheit“ vorliege. Schwarze, EuR 2009, 171 (194). Ebenfalls kritisch: Hensmann, Die Ermittlungsrechte der Kommission im europäischen Kartellverfahren, S. 129 ff. 681 Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 2, Rn. 3297. 682 Zum Beispiel GA Geelhoed, Schlussanträge zur Rs. C-301/04 P (Kommission/SGL Carbon AG), ECLI:EU:C:2006:53, Rn. 62 ff. 683 Vgl. für Art. 8 EMRK: EGMR, Urteil v. 16. 04. 2002, Beschw.-Nr. 37971/97 (Société Colas Est and Ohers v. France), Reports 2002-III, Rn. 41. Das BVerfG verneint dagegen die Anwendbarkeit des Selbstbelastungsverbots auf juristische Personen mit dem Hinweis auf Art. 19 Abs. 3 GG, s. BVerfGE 95, 220 (242).

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

dann, wenn mit diesen Auskünften ein wettbewerbswdidriges Verhalten des Unternehmens oder eines anderen Unternehmens bewiesen werden könnte.684

C. Bekanntgabe im Ausland Auskunfts- und Vorlageverlangen sind nur möglich, wenn diese wirksam bekannt gegeben werden. Für das Verfahren der Zusammenschlusskontrolle regelt Art. 1 Nr. 10 VO 1269/2013 die Form der Übermittlung von Schriftstücken. Erlaubt sind die Übermittlungen durch Übergabe gegen Empfangsbekenntnis, Einschreiben mit Rückschein, Telefax mit Aufforderung zur Bestätigung des Eingangs, und elektronische Post mit Aufforderung zur Bestätigung des Eingangs. Hier ist zu unterscheiden zwischen der einfachen Versendung eines Briefs mit der Post und der förmlichen Zustellung im Ausland. Die Versendung eines Briefs mit der Post stellt eine einfache Bekanntgabe dar, die keinen Zwangscharakter aufweist, und damit keinen Hoheitsakt. Da die einfache Postversendung die territoriale Souveränität des ausländischen Staates nicht beeinträchtigt, ist eine Zustimmung des ausländischen Staates nicht erforderlich. Grundsätzlich kann das Schriftstück nur einem bestellten inländischen Zustellungsbevollmächtigten ausgehändigt werden. Wenn aber kein inländischer Zustellungsbevollmächtigter bestimmt worden ist, dann erfolgt die förmliche Zustellung, die eine Rechtswirkung entfaltet. Diese stellt jedoch eine hoheitliche Zwangsmaßnahme auf fremdem Territorium dar und ist völkerrechtlich unzulässig.685 In diesem Fall bittet die Kommission die Wettbewerbsbehörde im Ausland um Amtshilfe oder die Zustellung erfolgt an das Tochterunternehmen in der EU.686 Ungelöst ist die Frage, ob förmliche Auskunftsverlangen an Tochterunter684 EuGH, Rs. C-374/87 (Orkem/Kommission), ECLI:EU:C:1989:387, Rn. 34; EuG, Rs. T-34/93 (Société Générale/Kommission), ECLI:EU:T:1995:46, Rn. 74; EuGH, Rs. C-301/04 P (Kommission/SGL Carbon AG), ECLI:EU:C:2006:432, Rn. 39 ff. 685 Haymann, Extraterritoriale Wirkungen des EWG-Wettbewerbsrechts, S. 341 ff. 686 Die Rechtsprechung des EuGH lässt dies zu, wenn das Tochterunternehmen den Weisungen des Mutterunternehmens unterliegt und damit als wirtschaftliche Einheit angesehen werden können und das Mutterunternehmen durch formlose Mitteilung vom Verfahren Kenntnis erlangt. Siehe: EuGH, Rs. C-48/69 (ICI/Kommission), ECLI:EU:C:1972:32, Rn. 132/135; EuGH, Rs. C-52/69 (Geigy AG/Kommission), ECLI:EU:C:1972:73, Rn. 44; Demnach wird auch für die Zustellung das Konzept der wirtschaftlichen Einheit herangezogen. Ferner besteht aufgrund der Verbundklausel des Art. 5 Abs. 4, 5 FKVO die Möglichkeit einer Durchgriffszuständigkeit von Tochterunternehmen von Drittstaatenunternehmen. Im Fall Ciba/Geigy hatte die Kommission die Zustellung ihrer hoheitlichen Akte per Einschreiben an das Unternehmen Geigy in Basel geschickt. Allerdings ist die Zustellung hoheitlicher Akte durch die schweizerische Post verboten. Daraufhin hat die Kommission ihre Bußgeldentscheidung an das Tochterunternehmen in Frankfurt per Einschreiben gegen Rückschein geschickt. Daraufhin entbrannte die Diskussion, ob die Zustellung der Beschwerdepunkte der Kommission durch die Post wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht unzulässig sei. In der Schweiz wurde bereits Ende der 1960er boshaft gefragt, ob die Schweizer Milizarmee mobilisiert werden solle, um solche Postsendungen direkt an der Grenze abzufangen. Bourgeois/Johannes, FS Zäch, S. 227 (S. 231). Der EuGH äußerte sich hierzu wie folgt:

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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nehmen in der Union wegen im Ausland „belegener“ Unterlagen erlassen werden können.687 Dagegen spricht, dass Erwägungsgrund Nr. 38 zur FKVO lediglich vorsieht, dass sich die Befugnis, Auskünfte einzuholen auf den Bereich der Union beschränkt.688 Im internationalen Recht ist zudem eine Durchgriffshaftung der Tochterunternehmen für ihre Mutterunternehmen nur ausnahmsweise zulässig.689

D. Nachprüfungsbefugnisse, Art. 13 FKVO In der Praxis spielen die Nachprüfungsbefugnisse der Kommission aus Art. 13 FKVO eher eine untergordnete Rolle. Nach Art. 13 Abs. 2 lit. a) – e) FKVO können insbesondere Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel betreten, Bücher und sonstige Geschäftsunterlagen, egal in welcher Form geprüft, Kopien und Auszüge gemacht oder verlangt, Geschäftsräume und Bücher oder Unterlagen versiegelt sowie Erläuterungen verlangt werden, die auch aufgezeichnet werden. Diese stellen klassische Instrumente im Kartell- und Missbrauchsverfahren dar, aber in der Fusionskontrolle geht es nicht primär um die Aufdeckung von Wettbewerbsverstößen der Unternehmen, sondern um die präventive Kontrolle von Zusammenschlüssen.690 Nachprüfungen in der Fusionskontrolle können etwa bei Ermittlungen in Bußgeldsachen, der zur Überprüfung der Anmeldepflichtigkeit eines Zusammenschlussvorhabens691, der unrichtigen Angaben692, des Verstoßes gegen das Vollzugsverbot oder Zuwiderhandlung einer nach Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 FKVO er„Den Akten ist zu entnehmen, daß die Behörden des vorliegend beteiligten Drittstaates gegenwärtig keine praktikable Möglichkeit der Zustellung auf dem Hoheitsgebiet dieses Staates anerkennen, die sie nach innerstaatlichem Recht als wirksam ansehen. Der Gemeinschaft kann daher nicht unter Berufung auf das Völkerrecht die Befugnis abgesprochen werden, das Erforderliche zu tun, um die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen gegen wettbewerbsbeeinträchtigende Handlungen, die innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu Tage getreten sind, auch dann zu gewährleisten, wenn der Urheber dieser Handlungen seinen Sitz in einem Drittland hat.“ EuGH, Rs. C-52/69 (Geigy AG/Kommission), ECLI:EU:C:1972:73, Rn. 11. 687 Zwei einschlägige Klagen vor dem EuG wurden vor einer möglichen Urteilsverkündung wieder zurückgezogen, s. Rs. T-8/98 (Siderca S.A.I.C./Kommission), ABl. 1998 C 72/25 und Rs. T-140/07 (Chi Mei Optoelectronics Europe und Chi Mei Optoelectronics UK/Kommission), ABl. 2007 C155/28 f. 688 Der Wortlaut des Erwägungsgrund Nr. 38 zur FKVO lautet: „Um Zusammenschlüsse ordnungsgemäß beurteilen zu können, sollte die Kommission alle erforderlichen Auskünfte einholen und alle erforderlichen Nachprüfungen in der Gemeinschaft vornehmen können.“ (Hervorhebungen durch die Verf.). 689 Siehe IGH, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Judgment, I.C.J. Reports 1970; 3 (39 ff.), s. Rn. 56 ff.: „lifting the corporate veil“. 690 Hacker, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer (Hrsg.), Europ WettbR, Art. 11 FKVO, Rn. 1 und Art. 13 FKVO, Rn. 2; York von Wartenburg, in: LMR-KartellR, FKVO, Art. 13 Rn. 1. 691 So im Fall Skanska/Scanem (IV/M.1157). Siehe Kommission, Entscheidung v. 11. 11. 1998, ABl. 1999 L 183/1 Rn. 11. 692 So im Fall Tetra Laval/Sidel (COMP/M.3255). Siehe: Kommission, Entscheidung v. 07. 07. 2004, ABl. 2005 L 98/27 Rn. 18 ff.

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

teilten Auflage sinnvoll sein.693 Müssen Unternehmen wie nach Art. 13 Abs. 2 lit. e FKVO Antworten abgeben, die belastend sind, gilt zwar eigentlich das Verbot der Selbstbelastung, aber Sachfragen müssen beantwortet und Unterlagen vorgelegt werden, auch wenn diese Beweismittel für eine begangene Zuwiderhandlung enthalten.694 Rein ausforschende Nachprüfungen, sog. fishing expeditions, dagegen sind unzulässig.695 Grundsätzlich muss die Kommission den Gegenstand und Zweck sowie den Zeitpunkt des Beginns der angeordneten Nachprüfung festlegen und auf die Bußgelddrohung nach Art. 14 FKVO verweisen. Erforderlich ist eine solche dann, wenn ein konkreter Anfangsverdacht der Kommission gegeben ist, sei es ein Verdacht, dass im Rahmen der Anmeldung gemachte Angaben unzutreffend seien oder dass Unternehmen gegen das Vollzugsverbot verstoßen haben könnten. Unverhältnismäßig sind Nachprüfungen, wenn die Kommission ihren Verdacht nicht auf andere, weniger belastende Weise beweisen kann.696 Die Unternehmen müssen nach Art. 13 Abs. 4 FKVO die Nachprüfungen, die die Kommission durch Entscheidung anordnet, dulden. Kommen die Unternehmen der angeordneten Nachprüfung nicht nach, kann die Kommission die Durchsetzung von Nachprüfungen nicht unmittelbar erzwingen. Deshalb ist sie in diesem Fall auf die Kooperation der nationalen Organe angewiesen (Abs. 6), wobei beachtet werden muss, dass die Amtshilfe nach nationalem Recht erfolgt.

E. Festsetzung von Geldbußen, Art. 14 FKVO I. Verfahren Nach Art. 14 Abs. 1 FKVO können unrichtige Angaben bei der Anmeldung sowie Verstöße gegen Auskunfts-, Mitwirkungs- und Duldungspflichten im Verfahren mit Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des Gesamtumsatzes geahndet werden. Bei einem Verstoß gegen die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot kann die Kommission nach Art. 14 Abs. 2 FKVO Geldbußen bis zur Höhe von 10 % des Gesamtumsatzes aller am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen festsetzen.697 693

Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 39 zur FKVO. Siehe: Erwägungsgrund Nr. 41 zur FKVO. 695 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-WettbR, FKVO Art. 13 Rn. 7. 696 Grundrechtliche Positonen von Unternehmen sind im Rahmen von Art. 13 FKVO stärker als im Rahmen von Art. 11 FKVO betroffen. Hierbei sind v. a.die Grundrechte und der Schutz der Wohnung, der sich teilweise auch auf Geschäftsräume beziehen kann, zu beachten. s. EuGH, Rs. C-94/00 (Roquette Frères), ECLI:EU:C:2002:603, Rn. 29. 697 So hat die Kommission Geldbußen nach Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. b FKVO wegen verspäteter Anmeldung und rechtswidriger Durchführung eines Zusammenschlussvorhabens im Fall Samsung/AST (IV/M.920, ABl. 1999 L 225/12), A.P. Møller (IV/M.969, ABl. 1999 L 183/29) und Electrabel/Compagnie Nationale du Rhone (COMP/M.4994, ABl. 2009 C 279/9) festgesetzt. 694

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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Die in Abs. 1 und 2 aufgezählten Bußgeldtatbestände können nebeneinander zur Anwendung kommen. Dabei ordnet die Kommission jedem Verstoß einen eigenen Anteil an der Geldbuße zu. Der erhöhte Bußgeldrahmen des Abs. 2 lässt sich dadurch erklären, dass die in Abs. 2 bezeichneten Verstöße in besonderer Weise dazu geeignet sind, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu beeinträchtigen. Die Unternehmen müssen die Bußgeldtatbestände schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, verwirklicht haben. Insoweit ist zu beachten, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, die die Schwellenwerte des Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO überschreiten, ihr Vorhaben zwangsläufig bei der Kommission anmelden müssen und dieses nicht vor einer Entscheidung der Kommission vollziehen dürfen. Da diese Umstände den Unternehmen sowohl wegen ihrer Unternehmensgröße als auch ihrer geschäftlichen Vertrautheit auch bekannt sind, wird sich bei Verstößen gegen die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot nur ausnahmsweise der Vorwurf der Fahrlässigkeit entkräften lassen.698 Trotz der Komplexität einiger Vorhaben, wirken letztlich interne Kommunikationsschwierigkeiten in großen Konzernen nicht entlastend.699 Vor Erlass einer Bußgeldentscheidung, die im Entschließungs- und Auswahlermessen der Kommission liegt, müssen die Betroffenen jedoch angehört werden, vgl. Art. 18 Abs. 1 FKVO. Die Verjährung der Verstöße richtet sich nach der VO (EWG) Nr. 2988/74700. Daraus folgt, dass Verstöße gegen Informationspflichten in drei Jahren verjähren und ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot, welches die Kommission als eine Zuwiderhandlung, die wesentliche Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen beeinflussen kann, ansieht, nach fünf Jahren. In diesem Zusammenhang hat das EuG ausgeführt, dass Verstöße gegen das Vollzugsverbot fortgesetze Zuwiderhandlungen sind, sodass die Verjährungsfrist erst am Tag der Freigabeentscheidung oder der Aufgabe des Vorhabens zu laufen beginnt.701 Laut ihren Statistiken hat die Kommission inzwischen in elf Fällen Bußgelder gem. Art. 14 FKVO verhängt702 : Wegen Nichtanmeldung von Zusammenschlüssen und Verstößen gegen das Vollzugsverbot703, wegen unrichtiger oder irreführender 698

Kommission, Entscheidung v. 18. 02. 1998 (IV/M.920 – Samsung/AST), ABl. 1999 L 225/12, Rn. 12; Kommission, Entscheidung vom 28. 07. 1999 (IV/M.1543 – Sanofi/Synthélabo), ABl. 2000 L 95/34 Rn. 21; Kommission, Entscheidung v. 14. 12. 1999 (COMP/M.1608 – KLM/Martinair III), ABl. 2005 L 50/10, Rn. 36 f., 40 und 59; Kommission, Entscheidung v. 07. 07. 2004 (COMP/M.3255 – Tetra Laval/Sidel), ABl. 2005 L 98/27. 699 Kommission, Entscheidung v. 19. 06. 2002 (COMP/M.2624 – BP/Erdölchemie), ABl. 2004 L 91/40, Rn. 39. 700 Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. 1974 L 319/1. 701 EuG, Rs. T-332/09 (Electrabel/Kommission), ECLI:EU:T:2012:672, Rn. 211 f. 702 Siehe: http://ec.europa.eu/competition/mergers/statistics.pdf Stand: Dezember 2017 (zuletzt aufgerufen am 14. 01. 2018). 703 Kommission, Entscheidung v. 18. 02. 1998 (IV/M.920 – Samsung/AST), ABl. 1999 L 225/12; Kommission, Entscheidung v. 10. 02. 1999 (IV/M.969 – A.P. Møller), ABl. 1999 L 183/29; Kommission, Entscheidung v. 10. 06. 2009 (COMP/M.4994 – Electrabel/Compagnie

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

Angaben in Anmeldungen704 und wegen Nichterteilung bzw. unrichtiger Erteilung einer nach Art. 11 FKVO verlangten Auskunft705.

II. Extraterritoriale Anwendung von Art. 14 FKVO? Fraglich ist, ob Art. 14 FKVO auch extraterritorial anwendbar ist, denn die Festsetzung von Geldbußen stellt zweifelsohne einen Eingriff in das Vermögen von (Drittstaaten-)Unternehmen dar. Auch hier gilt die Lehre der sinnvollen Anknüpfung, wovon die Kommission auch Gebrauch macht, wenn sie gegen Unternehmen mit Sitz außerhalb der Union Geldbußen mittels des Auswirkungsprinzips festsetzt.706 Falls Unternehmen gegen die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot verstoßen und das Vorhaben den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt erheblich behindert, ist für die Festsetzung einer Geldbuße wegen Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 bzw. Art. 7 Abs. 1 FKVO, gestützt auf das Auswirkungsprinzip als sinnvolle Anknüpfung, unproblematisch. Sofern das Vorhaben bei der Kommission gar nicht angemeldet wird, kann die Kommission auch keine materiell-rechtliche Prüfung vornehmen. Bei einer verspäteten Anmeldung dagegen erfolgt wie üblich eine Art summarische Prüfung der materiell-rechtlichen Kriterien, weil der Kommission (wenn auch verspätet) die notwendigen Informationen vorliegen. Daraus folgt, dass bei Vorliegen einer Anmeldung die Kommission materiell-rechtlich prüfen kann, ob das Vorhaben den Wettbewerb erheblich behindert. Aber wie sieht es mit der Fallgruppe aus, die zwar gegen die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot verstößt, aber nicht den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt behindert? Eine sinnvolle Anknüpfung nach dem Auswirkungsprinzip für die Festsetzung der Geldbuße erscheint bei der Fallgruppe der formell rechtswidrigen, aber materiell rechtmäßigen Zusammenschlussvorhaben bedenklich. Dies veranschaulicht der Fall Samsung/AST707: So wurde Ende April 1997 der künftige Kontrollerwerb über AST durch Samsung bei Nationale du Rhône), ABl. 2009 C 279/9; Kommission, Entscheidung v. 23. 07. 2014, (COMP/ M.7184 – Marine Harvest/Morpol), ABl. 2014 C 455/5. 704 Kommission, Entscheidung vom 28. 07. 1999 (IV/M.1543 – Sanofi/Synthélabo), ABl. 2000 L 95/34; Kommission, Entscheidung v. 14. 12. 1999 (COMP/M.1608 – KLM/Martinair III), ABl. 2005 L50/10; Kommission, Entscheidung v. 14. 12. 1999 (IV/M.1610 – Deutsche Post/trans-o-flex), ABl. 2001 L 97/1; Kommission, Entscheidung v. 19. 06. 2002 (COMP/ M.2624 – BP/Erdölchemie), ABl. 2004 L 91/40; Kommission, Entscheidung v. 07. 07. 2004 (COMP/M.3255 – Tetra Laval/Sidel), ABl. 2005 L 98/27; Kommission, Entscheidung v. 18. 05. 2017 (COMP/M.8228 – Facebook/WhtsApp), ABl. 2017 C 286/6. 705 Kommission, Entscheidung v. 14. 12. 1999 (IV/M.1610 – Deutsche Post/trans-o-flex), ABl. 2001 L 97/1; Kommission, Entscheidung v. 12. 07. 2000 (COMP/M.1634 – Mitsubishi Heavy Industries), ABl. 2001 L 4/31. 706 So im Fall Samsung/AST (IV/M.920). Siehe Kommission, Entscheidung v. 18. 02. 1998, ABl. 1999 L 225/12. 707 Kommission, Entscheidung v. 18. 02. 1998 (IV/M.920 – Samsung/AST), ABl. 1999 L 225/12.

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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der Kommission angemeldet. Aus den Angaben ging jedoch hervor, dass Samsung bereits im Januar 1996 die Kontrolle über AST erworben hatte. Dass durch diesen Kontrollerwerb der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wurde, hat zwar die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen berücksichtigt, aber letztlich musste Samsung eine Geldbuße in Höhe von 33.000 ECU zahlen. Da die Kommission davon ausgeht, dass die Überschreitung der Umsatzschwellenwerte in Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO eine sinnvolle Anknüpfung für die Anwendbarkeit der FKVO darstellt, ist das Festsetzen einer Geldbuße auch bei materiell-rechtlicher (aber formell rechtswidriger) Konformität zulässig, denn wenn bereits die Verhaltenspflichten, sprich die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot, extraterritorial anwendbar sind, dann gilt dies entsprechend für die Sanktionen gegen diese Pflichten. Damit ist eine völkerrechtliche Pflicht zur gesonderten Prüfung der unionsweiten Wirkung im Hinblick auf das „ob“ einer Geldbuße abzulehnen. Das Vorliegen bzw. die Erwartung solcher Auswirkungen kann jedoch bei der Höhe der Geldbuße eine Rolle spielen. III. Das FKVO-Bußgeldverfahren im Lichte der allgemeinen Rechtsgrundsätze, der EMRK und der GR-Charta Betrachtet man sich die Geldbußen der Kommission an, so springen einem die schwindelerregenden Summen ins Auge: Samsung/AST: 33.000 ECU; Electrabel/ Compagnie Nationale du Rhône und Marine Harvest/Morpol jeweils 20 Mio. ECU. Aus diesem Grund soll das FKVO-Bußgeldverfahren im Lichte der allgemeinen rechtsstaalichen Grundsätze, der EMRK und der GR-Charta auf mögliche Defizite geprüft werden. Die Verpflichtung der Union zur Rechtsstaatlichkeit ergibt sich aus Art. 2 EUV. Da die Union die Grundrechte, die sich aus der EMRK ergeben, als allgemeine Grundsätze achtet, Art. 6 Abs. 3 EUV, und die Vorschriften über die GR-Charta, welche die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die Verteidigungsrechte der EMRK haben, sowohl für die Unionsorgane als auch für die Mitgliedstaaten, sofern sie Unionsrecht durchführen, bindend sind (s. o.), stellt sich die Frage, ob das FKVOBußgeldverfahren diesen Grundsätzen entspricht. Es wird die These aufgestellt, dass Art. 14 FKVO nicht hinreichend bestimmt ist und somit gegen den nulla poena sine lege certa-Grundsatz verstößt. Die Bußgeldpraxis der Kommission soll vorliegend anhand der Rechtsgrundsätze der EMRK und der GR-Charta untersucht werden. Da es strittig ist, ob Geldbußen als strafrechtliche Sanktionen anzusehen sind, erfolgt die Prüfung der Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Einordnung der Geldbußen zum einen als Sanktionen ohne strafrechtlichen Charakter und zum anderen als strafrechtsähnliche Maßnahmen.

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

1. Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes unter der Berücksichtigung, dass Geldbußen Sanktionen ohne strafrechtlichen Charakter sind Wenn man die Bußgelder als Sanktionen ohne strafrechtlichen Charakter einordnet, müssen auch Verwaltungsmaßnahmen dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen: „eine Sanktion, selbst wenn sie keinen strafrechtlichen Charakter besitzt, [darf] nur dann verhängt werden (…), wenn sie auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruht.“708 Fraglich ist, ob dies Art. 14 FKVO berücksichtigt. Art. 14 Abs. 2 FKVO legt die maximale Höhe der Geldbußen auf 10 % des Gesamtumsatzes der beteiligten Unternehmen fest. Bei den großen multinationalen Unternehmen können also die Geldbußen schnell Milliardenhöhen betragen. Ferner nennt Art. 14 Abs. 3 FKVO lediglich drei Kriterien, die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße berücksichtigt werden müssen: die Art, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung. Letztlich wird der Kommission ein weiter Ermessensspielraum bei der Bußgeldverhängung zugesprochen. All dies scheint jedoch dem Erfordernis einer „klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage“ zu widersprechen, denn auch Unionsorgane müssen im Rahmen ihres Handelns den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts beachten.709 Der Wesentlichkeitsvorbehalt ist ausdrücklich in Art. 290 Abs. 1 Satz 3 AEUV verankert, wonach die wesentlichen Aspekte eines Bereichs dem Gesetzgebungsakt vorbehalten sind und deshalb eine Befugnisübertragung für diese ausgeschlossen ist. Dieser Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dient dem Schutz des Privaten gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe der Verwaltung.710 Mit zunehmender Eingriffsintensität steigen auch die Bestimmtheitsanforderungen an den Gesetzgeber.711 Dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Fragen selbst regeln muss, ergibt sich wegen der Grundrechtsrelevanz der Bußgeldverhängung als Eingriff – in Betracht kommt ein Eingriff in die Berufsfreiheit, die unternehmerische Freiheit, den Eigentumsschutz und das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 15, 16, 17, 41 und 47 GR-Charta – auch aus Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GR-Charta. D. h. dem Bestimmtheitsgebot kann nicht durch Verwaltungsleitlinien entsprochen werden, sondern allein durch formelle Gesetzgebungsakte. Der Rat hat zwar mit den Kriterien der Art, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung sowie der Bestimmung der 10 %-Obergrenze in Art. 14 FKVO einige Orientierungspunkte genannt, aber diese sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die die Kommission ausfüllen muss, sodass der Gesetzesvorbehalt nicht ausreichend verwirklicht ist. Demnach wurden nicht alle wesentlichen Kriterien für die Festsetzung der Geldbußen festgelegt. 708

EuGH, Rs. C-117/83 (Könecke/Balm), ECLI:EU:C:1984:288, Rn. 11. „(…) Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder – natürlichen oder juristischen – Person [bedürfen] einer Rechtsgrundlage und müssen aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen gerechtfertigt sein“. EuGH, Rs. 46/867 und 227/88 (Hoechst/ Kommission), ECLI:EU:C:1989:337, Rn. 19. 710 Ebd., Rn. 19. 711 Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Art. 52 EU-GRCharta, Rn. 62. 709

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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2. Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes unter der Annahme, dass Geldbußen als strafrechtsähnliche Maßnahmen anzusehen sind Auch wenn Art. 14 Abs. 4 FKVO explizit betont, dass Bußgeldentscheidungen nicht strafrechtlicher Art sind, können diese zumindest strafrechtsähnliche Maßnahmen sein, mit der Folge, dass die Grundsätze des Strafverfahrensrechts hier Beachtung finden müssen. Außerdem lässt sich der Hinweis in Art. 14 Abs. 4 FKVO dadurch erklären, dass die Kommission aus rein kompetenzrechtlichen Erwägungen heraus die Bußgeldentscheidungen nicht als Strafmaßnahmen ansehen möchte, weil das Strafrecht und Strafprozessrecht nicht in die Zuständigkeit der Union fallen712. Bei der Beurteilung einer Maßnahme kommt es dagegen nicht auf die formale Bezeichnung, sondern vielmehr auf den materiellen Gehalt an. So auch der EGMR, wenn er ausführt, dass für die Anwendung der EMRK-Vorschriften nicht die formelle Bezeichnung maßgeblich, sondern der materielle Maßstab entscheidend ist (die sog. Engel-Kriterien713). Maßgeblich sind hierfür die Qualifikation des Delikts im nationalen Recht, der repressive Zweck dessen und schließlich die Höhe der Sanktion. Nach Art. 52 Abs. 3 GR-Charta gelten die gleichen Maßstäbe auch für die GRCharta. Allerdings ist zu beachten, dass der EGMR die EMRK-Vorschriften auf Verwaltungssanktionen außerhalb des Kernstrafrechts nicht mit gleicher Strenge anwendet.714 Die Geldbußen nach Art. 14 FKVO dienen in erster Linie dazu, ein System aufrechtzuerhalten, bei dem der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen geschützt wird. Zugleich müssen die Geldbußen durch ihre Höhe auch eine abschreckende Wirkung erzielen, wenn sie präventiv Verstöße vorbeugen sollen. Mithin erfüllen die Geldbußen durchaus strafrechtliche Zwecke und können daher als „Strafen“ (auch iSd EMRK) angesehen werden können.715 Folglich ist Art. 6 EMRK anwendbar, auf den sich auch Unternehmen berufen können.716 712 Siehe: Schlussanträge des Generalwanwalts Joseph Gand vom 10. 06. 1970 zur Rs. 41/69 (Chemiefarma/Kommission) ECLI:EU:C:1970:51, 706 (728 f.); EuGH, Rs. C-203/ 80 (Casati), ECLI:EU:C:1981:261, 2597 (2618); EuGH, Rs. C-186/87 (Cowan/Tresór Public), ECLI:EU:C:1989:47, 216 (221 f.). 713 EGMR, Urteil v. 08. 06. 1976, Engel and Others, Ser. A Vol. 22, Rn. 82. 714 EGMR, Urteil v. 27. 09. 2011, Beschw.-Nr. 43509/08 (A. Menarini Diagnostics S.R.L. c. Italie), Rn. 62: „ [L]a Cour rappelle que la nature d’une procédure administrative peut différer (…) de la nature d’une procédure pénale au sens strict du terme. Si ces différences ne sauraient exonérer les Etat contractants de leur obligation de respecter toutes les garanties offertes par le volet pénale de l’article 6, elles peuvent néanmoins influencer les modalités de leur application (…).“ So bereits auch: EGMR, Urteil v. 23. 11. 2006, Beschw.-Nr. 73053/01 (Jussila v. Finland), Reports 2006-XIV, Rn. 43. 715 Vgl. dazu die verschiedenen Schlussanträge der europäischen Generalanwälte und die EGMR-Urteile: GA Bot, Schlussanträge zur verb. Rs. C-201/09 P und C-216/09 P (ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Commission/ArcelorMittal Luxembourg u. a.), ECLI:EU:C:2010:634, Rn. 41; GA Kokott, Schlussanträge zur Rs. C-280/06 (ETI u. a.), ECLI:EU:C:2007:404, Rn. 71; GA Sharpston, Rs. C-272/09 P (KME Germany u. a./Kommission), ECLI:EU:C:2011:63, Rn. 62 ff., insbes. Rn. 64; GA Kokott, Schlussanträge zur Rs. C-109/10 P (Solvay/Kommission), ECLI:EU:C:2011:256, Rn. 329; GA Kokott, Schlussanträge zur Rs. C-17/10 (Toshiba Corporation u. a.), ECLI:EU:C:2011:552, Rn. 48; GA Kokott,

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

Aus den bereits oben genannten Gründen ist das FKVO-Bußgeldverfahren erst recht bei der Einordnung als strafrechtsähnliche Maßnahmen nicht hinreichend gesetzlich bestimmt. Auf weitere Ausführungen wird nach oben verwiesen. 3. Gerichtliche Kontrolle von Kommissionsentscheidungen Gegen dieses o.g. Ergebnis könnte eingewandt werden, dass grundsätzlich eine unbeschränkte richterliche Ermessensnachprüfung durch den EuGH möglich ist, vgl. Art. 16 FKVO i.V.m. Art. 261 AEUV. Dem ist wiederum entgegenzuhalten, dass grundsätzlich jedes Unionsorgan für sich den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit genügen muss.717 Zudem zeigt die Praxis, dass die Bußgeldentscheidungen der Kommission de facto nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterstehen. Da führt auch die rein theoretische Möglichkeit der unbeschränkten richterlichen Ermessensprüfung zu keinem gerechten Ausgleich. Indem die Kommission sowohl die Untersuchung vornimmt als auch die Bußgeldentscheidung erlässt, wird seit dem Fall van Landewyck718 kritisiert, dass sie „Ankläger und Richter in einer Person“ sei und dass obwohl Art. 6 EMRK und Art. 47 UAbs. 2 Satz 1 GR-Charta die Garantie eines „unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht[s]“ vorsehen. Dem entgegnet der EuGH, dass die Kommission kein Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK sei. Die Bindung der Kommsion an die Verfahrensgrundrechte macht sie dennoch nicht unabhängig von der Verwaltung. Für das Verfahren vor der Kommission ist Art. 41 und nicht Art. 47 GR-Charta anwendbar. Jedoch gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zulässigkeit der Verhängung einer Geldbuße als eine strafrechtähnliche Maßnahme durch die Kommission als Verwaltungsbehörde (Art. 41 GR-Charta) und der Wirksamkeit des Rechtsbehelfs vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht (Art. 47 GR-Charta). Aus Gründen der Flexibilität und Effizienz ist es dennoch zulässig, wenn zuerst eine Behörde entscheidet und ein Gericht in einem zweiten Schritt die vollumfängliche Nachprüfungsmöglichkeit hat. Anders wäre es bei dem Erlass von Kriminalstrafen im engeren Sinne. So auch der EGMR im Jussila-Fall:

Schlussanträge zur Rs. C-681/11 (Schenker & Co. u. a.), ECLI:EU:C:2013:126, Rn. 40. EGMR, Urteil v. 21. 02. 1984, Beschwerde-Nr. 8544/79 (Öztürk), Vol. 73-A, Rn. 46 ff.; Opinion of the European Commission of Human Rights, Beschw.-Nr. 11598/85 (Société Stenuit v. France), Vol. 232-A, Rn. 55 ff.; EGMR, Urteil v. 27. 09. 2011, Beschw.-Nr. 43509/08 (A. Menarini Diagnostics S.R.L. c. Italie), Rn. 38 ff. 716 Opinion of the European Commission of Human Rights, Beschw.-Nr. 11598/85 (Société Stenuit v. France), Vol. 232-A, Rn. 66. 717 Schwarze, EuR 2009, 171 (186). 718 EuGH, verb. Rs. 209 bis 215 und 218/78 (van Landewyck/Kommission), ECLI:EU:C:1980:248, Rn. 79 ff. Ebenso: EuGH, Rs. C-100 bis 103/80 (Musique Diffusion française/Kommission), ECLI:EU:C:1983:158, Rn. 6 ff.; EuGH, Rs. C-501/11 P (Schindler Holding u. a./Kommission), ECLI:EU:C:2013:522, Rn. 24 ff.

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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„There are clearly ,criminal charges‘ of different weight. What is more, the autonomous interpretation adopted by the Engel criteria have underpinned a gradual broadening of the criminal head to cases not strictly belonging to the traditional categories of the criminal law, for example (…) competition law (…) and penalties imposed by a court with jurisdiction in financial matters (…).“

Darüber hinaus musste der EGMR in dem Fall Menarini die Frage beantworten, ob das institutionelle Gefüge der italienischen Wettbewerbsbehörde, das im Wesentlichen dem europäischen System entspricht, mit Art. 6 EMRK vereinbar sei. Der EGMR entschied, dass es außerhalb des Strafrechts unproblematisch sei, wenn eine nicht unabhängige Verwaltungsbehörde eine Sanktion in erster Instanz verhänge, vorausgesetzt die Verwaltungsentscheidung unterliegt einer vollen richterlichen Kontrolle sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht.719 Darüber hinaus sei es laut dem EGMR nicht erforderlich, dass das Gericht die Ermessensentscheidungen der Verwaltungsbehörde durch eine eigene Beurteilung ersetzen kann, vielmehr muss es nur prüfen, ob die Behörde ermessensfehlerfrei entschieden hat.720 Der EGMR sah das italienische System als ausreichend an. Fraglich ist, ob dies auch für die gerichtliche Kontrolle der Kommissionsentscheidung durch die europäischen Gerichte gilt. Dagegen könnte sprechen, dass das EuG bei Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV bei „komplexen ökonomischen Beurteilungen“ einen Beurteilungsspielraum der Kommission annimmt. Dies wird durch die Praxis untermauert, wonach die Gerichte anfangs die Kommissionsentscheidungen nur eingeschränkt überprüft haben, sodass letztlich der Eindruck erweckt wurde, dass der EuGH lediglich eine Plausibilitätskontrolle durchführe. Diese Situation hat sich seit der Tetra Laval Entscheidung geändert: „Auch wenn der Gerichtshof anerkennt, dass der Kommission in Wirtschaftsfragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Gemeinschaftsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Er muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.“721

Der EuGH hat entschieden, dass diese gerichtliche Prüfungsdichte in Verbindung mit der unbeschränkten Nachprüfung von Geldbußen und Zwangsgeldern nach Art. 16 FKVO i.V.m. Art. 261 AEUV, auch nach Menarini mit Art. 47 GR-Charta

719 EGMR, Urteil v. 27. 09. 2011, Beschw.-Nr. 43509/08 (A. Menarini Diagnostics S.R.L. c. Italie), Rn. 59. 720 Ebd., Rn. 63. 721 EuGH, Rs. C-12/03 P (Kommission/Tetra Laval), ECLI:EU:C:2005:87, Rn. 39 (Hervorhebungen durch die Verf.). Ebenso: EuGH, Rs. C-525/04 P (Spanien/Lenzing), ECLI:EU:C: 2007:698, Rn. 56 f.; EuGH, Rs. C-386/10 P (Chalkor/Kommission), ECLI:EU:C:2011:815, Rn. 54; EuGH, Rs. C-199/11 (Otis u. a.), ECLI:EU:C:2012:684, Rn. 59.

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

vereinbar ist.722 Einige wenden dagegen ein, dass zwar rein theoretisch eine unbeschränkte Nachprüfungsbefugnis des EuGH besteht, sich aber die gerichtliche Kontrolle nur auf die von den Parteien vorgebrachten Klagegründe beschränkt und keine Prüfung von Amts wegen erfolgt.723 Problematisch ist ferner, dass die Gerichte keine eigenen Maßstäbe für die Bußgeldberechnung, sondern lediglich die Maßstäbe der Kommission anwenden. Dem entgegnet der EuGH, dass eine Kontrolle von Amts wegen von Art. 47 GR-Charta nicht vorgeschrieben sei.724 Problematisch ist des Weiteren, dass die europäischen Gerichte keine eigenen Maßstäbe für die Bußgeldberechnung, sondern lediglich die Maßstäbe der Kommission anwenden. 4. Selbstbelastungsfreiheit Auch unter dem Blickwinkel der Selbstbelastungsfreiheit erscheint das Bußgeldverfahren der FKVO problematisch. Was die Garantie der Selbstbelastungsfreiheit betrifft, bleibt die Rechtsprechung des EuGH hinter der EGMR-Rechtsprechung zurück (s. o.). 5. Zusammenfassung Da die von der Kommission verhängten Bußgelder strafrechtsähnliche Maßnahmen sind, ist Art. 6 EMRK auf das FKVO-Bußgeldverfahren anwendbar. Selbst wenn man die Bußgelder als Sanktionen ohne strafrechtlichen Charakter einordnet, müssen auch Verwaltungsmaßnahmen dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen. Für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen nennt Art. 14 Abs. 3 FKVO lediglich drei Kriterien: die Art, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung. Art. 14 Abs. 2 FKVO legt ferner die maximale Höhe der Geldbuße auf 10 % des von den beteiligten Unternehmen erzielten Gesamtumsatzes fest. Dies genügt jedoch den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht. Folglich ist Art. 14 FKVO nicht hinreichend bestimmt und verstößt gegen den nulla poena sine lege certa-Grundsatz. Aus diesem Grundsatz sind hinreichend bestimmte Vorschriften über die Festsetzung der Geldbußen erforderlich. Problematisch ist zudem, dass die Kommission bei der Bußgeldverhängung einen weiten Ermessensspielraum hat. Dass sich die gerichtliche Kontrolle nur auf die Anträge der Parteien beschränkt, stößt ebenso auf Bedenken. Lediglich die Funktion der „Anklagebehörde“ sollte der Kommission zu722

So für Geldbußen und Zwangsgeldern im Kartellverfahren nach Art. 31 VO Nr. 1/2003 i.V.m. Art. 261 AEUV, s. EuGH, Rs. C-386/10 P (Chalkor/Kommission), ECLI:EU:C: 2011:815, Rn. 54 ff.; EuGH, Rs. C-199/11 (Otis u. a.), ECLI:EU:C:2012:684, Rn. 55 ff.; EuGH, Rs. C-501/11 P (Schindler Holding u. a./Kommission), ECLI:EU:C:2013:522, Rn. 34 ff. Art. 16 FKVO ist stark an Art. 31 VO Nr. 1/2003 angelehnt. 723 Hackspiel, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 21 Rn. 4. 724 EuGH, Rs. C-386/10 P (Chalkor/Kommission), ECLI:EU:C:2011:815, Rn. 66. Ebenso: EGMR, Urteil v. 27. 09. 2011, Beschw.-Nr. 43509/08 (A. Menarini Diagnostics S.R.L. c. Italie), Rn. 63.

Kap. 1: Verfahrensbezogene Schwierigkeiten anhand der FKVO

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geschrieben werden und das EuG sollte letztinstazlich über den Fall entscheiden und die Geldbuße aufgrund eigener Ermittlungen festsetzen. Zusammenfassend folgt aus dem Wesentlichkeitsvorbehalt für die Bußgeldpraxis der Kommission, dass zunächst die EU die wesentlichen Grundzüge ihrer Gesetzgebung selbst bestimmen muss. Dies muss auch im Verhältnis zu Verwaltungsleitlinien der Kommission gelten. Mit den in Art. 13 Abs. 3 FKVO genannten Kriterien „die Art, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung“ und einem Höchstbetrag von 1 % bzw. 10 % des erzielten Gesamtumsatzes hat der Gesetzgeber nicht selbst alle wesentlichen Grundsätze über die Bußgeldverhängung geregelt.

F. Vollstreckung Bei der Vollstreckung ist zu unterscheiden zwischen der Vollstreckung in europäisches Vermögen des beklagten Drittstaatenunternehmens und der Vollstreckung in ausländisches Vermögen, um Unternehmen zu bestimmten Handlungen zu bewegen. Die Vollstreckung eines Bußgeldbescheides im Ausland ist unzulässig. Jedoch kann dieses Verbot umgangen werden, wenn das Unternehmen – entweder durch Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften – Vermögen in der Union besitzt. Im Fall General Electric/Honeywell konnte die Kommission die Untersagungsentscheidung nicht förmlich durchsetzen und sie hätte auch etwaige Bußgeldentscheidungen mangels Niederlassungen in der EU nicht vollstrecken können. Letztlich bleibt ihr in der Regel nichts anderes übrig, außer zu hoffen, dass sich die Unternehmen an ihre Untersagungsentscheidung oder ihre Auflagen halten.

G. Bewertung der verfahrensrechtlichen Problematiken Deutlich wurde, dass bei der Aufklärung von Sachverhalten, die mit Drittstaatenunternehmen zusammenhängen, erhebliche prozessuale Schwierigkeiten bestehen, denn die Ausübung staatlicher Gewalt endet an den Grenzen des territorialen Hoheitsgebiets. Zudem verbietet das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip die Ausübung von Hoheitsrechten eines Staates auf dem Territorium eines anderen Staates. Demnach sind formlose Übersendungen von Schriftstücken, die keinen Zwang vorsehen, völkerrechtlich zulässig. Problematischer sind dagegen die Ermittlungs- und Nachprüfungsmaßnahmen der Kommission außerhalb der Union. Deshalb sind Ermittlungsmaßnahmen und Vollzugstätigkeiten der Kommission ohne die Zustimmung oder Kooperation der Wettbewerbsbehörden im Ausland unzulässig. Aus diesem Grund richten sich die Vollzugsmaßnahmen oft nicht gegen die Unternehmen im Ausland, sondern gegen ihre Tochterunternehmen in der Union.

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Teil 2: Extraterritoriale Durchsetzungskompetenz und Problematiken

Während die Nachprüfung die Verifizierung bereits vorhandener Informationen oder die Erhärtung eines entsprechenden Verdachts bezweckt, dient das Auskunftsverlangen nach Art. 11 FKVO dagegen dem Ziel eine Erkenntnislage überhaupt erst zu bilden. Aus den weitreichenden Kooperationspflichten der Unternehmen folgt, dass sie kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht haben, mit der Folge, dass die Nichtbefolgung eines Auskunftsverlangens mit der Zahlung einer Geldbuße nach Art. 14 FKVO geahndet werden kann. Allerdings hat die o. g. Analyse des FKVO-Bußgeldverfahrens ergeben, dass dieses den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht genügt und dass der weite Ermessensspielraum der Kommission bei der Bußgeldverhängung überdacht werden muss.

Zusammenfassung und Ausblick Im Zuge der Internationalisierung der Wirtschaft wurden zahlreiche Wettbewerbsgesetze erlassen, die nicht nur sehr unterschiedlich sind, sondern auch miteinander kollidieren. Hierbei sehen die verschiedenen Fusionskontrollgesetze nicht nur unterschiedliche wettbewerbspolitische Leitbilder, sondern auch verschiedene Regelungen im Hinblick auf Aufgreifkriterien, Anmeldefristen und -gebühren und Verfahrensdauer vor. So müssen Unternehmen ihr Vorhaben, welches in mehreren Staaten Auswirkungen haben kann, bei zahlreichen Wettbewerbsbehörden gleichzeitig anmelden. Damit ist die Anmeldung eines grenzüberschreitenden Zusammenschlussvorhabens mit erhöhten Transaktionskosten verbunden. Die Anmeldung bei zahlreichen Wettbewerbsbehörden und damit die parallele Zuständigkeit von verschiedenen Jurisdiktionen birgt des Weiteren in sich die Gefahr divergierender Entscheidungen und damit auch Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten. Ausgehend hiervon wurde am Anfang des internationalen Teils dieser Arbeit die Faktoren der Internationalisierung der Wirtschaft und des Anstiegs grenzüberschreitender Zusammenschlüsse dargestellt. In diesem Zusammenhang wurde sowohl auf den Begriff der Konzentration als auch auf die verschiedenen Arten von Zusammenschlüssen, und ihre Ursachen und Motive dargestellt. Da es problematisch ist, dass die nationalen Gesetze territorial beschränkt sind, die Aktivitäten der betroffenen Unternehmen dagegen nicht, wurde im nächsten Schritt erläutert, wie die Rechtsordnungen ihre Zuständigkeiten bestimmen. Hierbei wurde auf die verschiedenen Anknüpfungspunkte für die Rechtsetzungsausübung – das Territorialitätsprinzip, das aktive Personalitätsprinzip, das Schutzprinzip und schließlich das Auswirkungsprinzip –, die sich zunächst im internationalen Strafrecht herausgebildet haben, eingegangen. Diese Anknüpfungsprinzipien haben jedoch an der Folge der Mehrfachzuständigkeiten nichts geändert. Besonders erwähnenswert ist das Auswirkungsprinzip, welches besagt, dass ein Staat ein legitimes Jurisdiktionsinteresse hat, auch Marktstörungen zu regeln, die zwar im Ausland veranlasst werden, sich aber im Inland auswirken. Vor dem Hintergrund extraterritorialer Wettbewerbshandlungen und grenzüberschreitender Zusammenschlüsse erscheint das Auswirkungsprinzip als sinnvoller Anknüpfungspunkt. Aber auch die verschiedenen Möglichkeiten, das Auswirkungsprinzip zu beschränken, damit es zu keiner Ausuferung kommt, können keine konkreten Anleitungen für die Lösung bestimmter Konflikte ableiten. Das unilaterale Handeln der Wettbewerbsbehörden, gestützt auf das Auswirkungsprinzip, führte oft zu Konflikten und als Antwort hierauf wurden dann meist Gegenmaßnahmen in Form von sog. blocking statutes erlassen. Aus diesem Grund

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Zusammenfassung und Ausblick

wurde anfangs versucht, die Konflikte durch comity-Klauseln und bilaterale Kooperationsabkommen zu lösen. Letztere werden in erster Linie in der Regel zwischen Staaten mit ähnlichen Rechtssystemen geschlossen und sehen allgemein Kooperationsverpflichtungen und Regelungen zur Amtshilfe, aber auch zum Informationsaustausch zwischen den Behörden vor. Beispielhaft wurden die Abkommen zwischen der EG und den USA und die best practices im Hinblick auf Fusionsfälle dargestellt. Anhand der Praxis und zahlreicher Fälle wurde gezeigt, dass die bilaterale Arbeit zwischen diesen Parteien gut funktioniert. Aber auch diese Zusammenarbeit kann nicht verhindern, dass vereinzelt unterschiedliche Entscheidungen erlassen werden. Allen bilateralen Abkommen ist entgegenzuhalten, dass sie zunächst nur zwischen zwei Staaten anwendbar sind und damit bereits in ihrer Anwendbarkeit beschränkt sind. Hinzu kommt, dass bilaterale Abkommen zwar die Arbeit von zwei Wettbewerbsbehörden koordinieren, aber sie ersetzen nicht die einzelnen Prüfungen der beiden Staaten. Letztlich sind bilaterale Abkommen nicht auf die Lösung von Jurisdiktionskonflikten bzw. die Minimierung der anfallenden Kosten im Hinblick auf multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen ausgerichtet. Anschließend wurden ausführlich die multilateralen Kooperations- und Koordinierungsbestrebungen besprochen, die eine Art Konvergenz im Wettbewerbsrecht anstreb(t)en. Angefangen bei den gescheiterten Versuchen, innerhalb der WTO eine vertragliche Vereinbarung herbeizuführen bis hin zur Politikkoordination in rechtlich nicht verbindlichen Formen verschiedener Organisationen wie die UNCTAD, die OECD und das ICN. Es wurde insbesondere auf die Arbeiten der OECD, der UNCTAD und des ICN im Hinblick auf die Fusionskontrolle ausführlich eingegangen. Jedoch werden die Einzelheiten der behandelten Arbeiten hier nicht wiederholt. Stattdessen ist besonders hervorzuheben, dass die Initiativen der OECD und des ICN dazu beigetragen haben, dass sich viele Staaten zusammentun, um (wenn auch freiwillige) Vereinbarungen hinsichtlich des internationalen Wettbewerbsrechts zu erarbeiten. Die OECD hat sich in ihren Arbeiten primär auf die Förderung der vertieften Zusammenarbeit in ihren Mitgliedstaaten konzentriert und damit die Basis für die bilateralen Abkommen gelegt. Das ICN als Verbund von Wettbewerbsbehörden dagegen verabschiedete im Rahmen seiner Arbeitsgruppe über Fusionskontrolle Leitprinzipien und Empfehlungen zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten. Beispielhaft sind hier genannt der Grundsatz einer ausreichenden Verbindung zwischen Zusammenschlussvorhaben und prüfendem Staat, aber auch die Kriterien zu den Anmeldeschwellen. Darüber hinaus nutzten viele Staaten die Arbeit des ICN als Katalysator für nationale Gesetzgebungsprozesse. Schließlich hat aber auch die Arbeit des ICN wenig zur Reduzierung der Kosten in Bezug auf multijurisdiktionelle Zusammenschlüsse geleistet. All diese verschiedenen Institutionen leisten auf ihre Art und Weise einen Beitrag zur Konvergenz des Fusionskontrollrechts. Deutlich wurde die Entwicklung von Konflikten hin zur Kooperation bis hin zu Konvergenzbemühungen der Wettbe-

Zusammenfassung und Ausblick

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werbspolitik im Bereich des Fusionskontrollrechts, welche in Anlehnung an die Literatur als die fünf „Cs“ der internationalen Fusionskontrolle zusammengefasst wird: „conflict“, „coexistence“, „comity“, „cooperation“ und „convergence“. Da es aber nach wie vor keine fallbezogene Kooperation gibt, stellt sich die Frage nach dem richtigen Forum. Schaut man sich die verschiedenen Institutionen und ihren Beitrag zur Konvergenz der Fusionskontrolle an, so fällt auf, dass die Institutionen WTO, OECD und UNCTAD keine so enge Ausrichtung auf das Wettbewerbsrecht haben, sondern für sie die Wettbewerbspolitik lediglich ein Annex zu ihren eigentlichen Hauptaufgaben ist. Daher erweist sich das ICN als Favorit, da es sich ausschließlich dem Wettbewerbsrecht widmet. Darüber hinaus sind die von ihm erlassenen Leitfäden und beispielhaften Verfahrenshinweisen mit den Arbeiten aus der Bankenregulierung im Rahmen der Basel-Ausschüsse vergleichbar. Letztere werden als erfolgreich wahrgenommen. Auch wenn das Problem der Jurisdiktionskonflikte als relevant empfunden wird und auch versucht wird, dieses zu lösen, gibt es weder von der OECD noch vom ICN konkrete angemessene Lösungsvorschläge in Bezug auf die Zuständigkeitsaufteilung bei multijurisdiktionellen Zusammenschlüsse hierzu. Daher beschäftigte sich die anschließende Diskussion mit der Frage, wie konkret ein internationales effizientes Fusionskontrollregime auszusehen hat, um tatsächlich Fortschritte in Richtung einer Verbesserung der Anmeldung und Prüfung der multijurisdiktionellen Zusammenschlüssen zu erzielen. Die bestehenden Ansätze hierzu können wie folgt zusammengefasst werden: Die Beibehaltung des Status quo, die Einführung eines supranationalen Modells mit einer globalen Aufsichtsbehörde, die für die Prüfung internationaler Zusammenschlüsse zuständig wäre, die Harmonisierung der materiell-rechtlichen und/oder der verfahrensrechtlichen Fusionskontrollregelungen, die Prüfung multijurisdiktioneller Zusammenschlüsse anhand eines Leitjurisdiktionsmodells, die Berücksichtigung von Wohlfahrtseffekten in anderen Staaten und schließlich die Einführung eines gemeinsamen Anmeldeformulars. Alle Lösungsansätze haben ihre Vor- und Nachteile, die es hier nicht zu wiederholen gilt. Im Ergebnis wurden alle abgelehnt, weil sie entweder zu zentralistisch aufgebaut sind oder sofern sie bereits umgesetzt wurden, ihre Ziele nicht erreicht haben. Aus diesem Grund wurde ein eigener Ansatz entwickelt, der Überlegungen zum formellen Verfahren, zum Auswirkungsprinzip, zum materiellen Recht und schließlich zu institutionellen Aspekten einbezog. Materiell-rechtliche Harmonisierungsvorschläge werden abgelehnt. Stattdessen soll das bisherige System um eine verstärkte Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden ergänzt werden, um multijurisdiktionelle Zusammenschlüsse effektiver zu bearbeiten. Langfristig könnte eine internationale Verfahrensordnung entstehen, ohne eine Harmonisierung der Wettbewerbsregeln anzustreben. Angelehnt an das Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden sollen die G7-Staaten, die O5-Staaten und die EU ein Netz von Kooperationspartnern aufbauen, um sich die Aufgaben aufzuteilen. Die guten Er-

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folgsaussichten dieses Vorschlags lassen sich durch Beispiele der gelungenen Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden belegen. Darüber hinaus bestehen bereits zwischen diesen Staaten bilaterale Abkommen. Der europäische Teil dieser Arbeit beschäftigte sich mit der extraterritorialen Rechtsanwendung der FKVO. Zunächst wurde die FKVO in ihren Grundzügen dargestellt: Maßgeblich für die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens bei der Kommission ist das Kriterium der unionsweiten Bedeutung. Dieses wird durch die Umsatzschwellen definiert und liegt nach Art. 1 Abs. 2 FKVO dann vor, wenn wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd. Euro haben und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen einen unionsweiten Umsatz von jeweils mehr als 250 Mio. Euro erzielen; es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als zwei Drittel ihres unionsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. Danach wurde die Extraterritorialität im europäischen Kartellrecht anhand der Praxis der Kommission und der Rechtsprechung des EuGH und des EuG behandelt. Auffällig ist, dass die Kommission, der EuGH und das EuG den extraterritorialen Anwendungsbereich der europäischen Wettbewerbsnormen unterschiedlich begründen: Während die Kommission bereits früh dem Auswirkungsprinzip folgt, zieht der EuGH die Kriterien der Unternehmenseinheit und der Durchführung des Zusammenschlusses heran. Das EuG dagegen verwendet das Auswirkungsprinzip bei der Untersuchung der völkerrechtlichen Schranken für den Anwendungsbereich der FKVO. Anschließend wurde die Praxis der Kommission zu Drittstaatenzusammenschlüssen aufgezeigt. Hierbei wurde deutlich, dass sehr viele Zusammenschlussvorhaben aufgrund der Umsatzschwellen bei der Kommission angemeldet werden müssen. Die untersuchten Fälle lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Die erste Fallgruppe betrifft Unternehmenszusammenschlüsse in Drittstaaten mit Auswirkungen in der Union und die zweite umfasst die Vorhaben ohne Auswirkungen, sowohl Zusammenschlüsse von Drittstaatenunternehmen als auch die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen – sei es durch europäische oder nicht-europäische Unternehmen –, die im Ausland tätig werden. Letztere müssen trotz mangelnder Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt bei der Kommission angemeldet werden und bis zur Entscheidung der Kommission das Vollzugsverbot beachten. Zwar werden diese Fälle oft im vereinfachten Verfahren entschieden, aber den Unternehmen bleibt eine kosten- und zeitaufwändige Anmeldung bei der Kommission nicht erspart. Die Anwendbarkeit der FKVO ist in diesen Fällen zweifelhaft, denn richtigerweise müsste bei der Anwendung des Auswirkungsprinzips auf die FKVO zusätzlich zum Überschreiten der Umsatzschwellen das Vorhaben vorhersehbare, unmittelbare und wesentliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben. Aus diesem Grund wurde die zentrale Frage erörtert, ob Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO eine ausreichende Grundlage für die extraterritoriale Anwendbar-

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keit der FKVO darstellt. Im Ergebnis sieht das unionsbezogene Umsatzerfordernis nach Art. 1 Abs. 2, 3 FKVO die extraterritoriale Anknüpfung für die FKVO vor. Dieses hat eine doppelte Funktion, indem es zum einen der Abgrenzung der FKVO von der nationalen Fusionskontrolle dient und zum anderen den Anwendungsbereich der FKVO in kollisionsrechtlicher Hinsicht bestimmt. Damit besteht bei Überschreiten des unionsbezogenen Umsatzerfordernisses eine Quasi-Vermutung, dass der Zusammenschluss unmittelbare und erhebliche Auswirkungen in der Union hervorrufen könnte. Vor dem Hintergrund, dass die Fusionskontrolle im Spannungsverhältnis zur Unternehmensfreiheit steht und es keine nachvollziehbaren Aspekte gibt, an denen sich die konkrete Schwellenwertbestimmung des Art. 1 FKVO orientiert, wurde abschließend die Frage diskutiert, ob das Überschreiten der Umsatzschwellenwerte allein als einen sinnvollen Anknüpfungspunkt für die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot im Sinne des „genuine link“ ausreicht. Die aufgezeigten Alternativen, die es im Einzelnen nicht zu wiederholen gilt, vermögen letztlich nicht das, wozu die aktuellen Aufgreifkriterien in der Lage sind: die Schaffung von Rechtssicherheit und Verfahrensklarheit als auch einer effizienten Abgrenzungsmethode zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten. Des Weiteren sind die Umsatzschwellenwerte leicht verfügbar und eindeutig bestimmbar. Im Ergebnis stellen die aktuellen Umsatzschwellenwerte eine sinnvolle Anknüpfung für die Anmeldepflicht dar. Als Abschluss des europäischen Teils dieser Arbeit wurden Verfahrens- und Durchsetzungsfragen, die sich im Zusammenhang mit der extraterritorialen Anwendbarkeit der FKVO ergeben, erörtert. Auf die einzelnen Ermittlungs- und Durchsetzungmaßnahmen im Rahmen der FKVO wurde ausführlich eingegangen. Festzuhalten ist, dass die Ausübung von Hoheitsakten in einem anderen Hoheitsgebiet ohne die Zustimmung des betreffenden Staates unzulässig ist. Im Rahmen der Festsetzung von Geldbußen nach Art. 14 FKVO wurden außerdem auch Fragen des Grundrechtsschutzes behandelt. In diesem Zusammenhang wurde zunächst die Frage geklärt, ob das Wettbewerbsverfahren und die darin vorgesehene Möglichkeit der Festsetzung der Bußgelder strafrechtlichen Charakter haben, welches bejaht wird. Aus den weitreichenden Kooperationspflichten der Unternehmen folgt, dass sie kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht haben, mit der Folge, dass die Nichtbefolgung eines Auskunftsverlangens mit der Zahlung einer Geldbuße nach Art. 14 FKVO geahndet werden kann. Dies steht jedoch zum Widerspruch der EGMR-Rechtsprechung. Schließlich hat die Analyse des FKVO-Bußgeldverfahrens ergeben, dass dieses den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht genügt, weil für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen Art. 14 Abs. 3 FKVO lediglich drei Kriterien nennt: die Art, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung. Art. 14 Abs. 2 FKVO legt ferner die maximale Höhe der Geldbuße auf 10 % des von den beteiligten Unternehmen erzielten Gesamtumsatzes fest. Daraus folgt, dass der weite Ermessensspielraum der Kommission bei der Bußgeldverhängung überdacht werden muss.

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63 ff., 66, 219 f.

58 ff., 67, 69 f., 82, 220

DIAC 122 ff., 132 Drittstaatenzusammenschlüsse 175 ff., 180 f.

168 ff.,

Extraterritorialität 24 f., 40, 50, 56 ff., 60 f., 63 ff., 143 ff., 161 ff., 175 ff., 177 ff., 184 ff., 200 ff. FKVO – Allgemein 144 ff. – Anmeldepflicht 157, 161, 175 ff., 182, 186 f., 192 f., 194 ff., 196 ff., 202, 205, 207 f., 208 ff. – Aufgreifkriterien 147 ff., 182 f. – Bußgeldverfahren 162, 184, 202, 204 f., 208 ff., 211 ff., 216 f., 218 – Eingreifkriterien 153 ff. – Extraterritoriale Anwendbarkeit 143, 159 ff., 164 ff., 175 ff., 177 ff., insb. 180 f., 184 ff., 196 ff., 210 f. – Extraterritoriale Durchsetzbarkeit 200 ff. – Verfahren 157 ff. – Vollzugsverbot 157, 161, 175 f., 182, 186 f., 193, 196 ff., 202, 205, 207 f., 208 ff. Globalisierung 29, 31 f., 37, 48, 83, 121 Gründung von Gemeinschaftsunternehmen 149, 152 f., 172 ff., insbes. 174 ff., 185, 193, 194 f., 198 f.

Harmonisierung 131 ff., 135 f.

62, 83 ff., 118, 121 ff.,

ICN 83, 99 ff., 107 ff., 113 f., 116, 118, 126, 160, 220 f. Jurisdiktion

49 ff.

Konvergenz 62 f., 83, 91 f., 101, 108 ff., 113, 116, 118, 132, 220 f. Koordinierung 62, 69, 82 ff., 87 ff., 220 Lehre der sinnvollen Anknüpfung 51 ff., 103, 161, 167, 175 f., 183, 184 ff., 196 f. Leitjurisdiktionsmodell 125 ff., 129 ff., 135 f., 137 f. Multijurisdiktionelle Zusammenschlüsse 23 f., 39 ff., 46 ff., 91 f., 93 f., 100 ff., 105 f., 113 ff., 118, 119 f., 135 f., 143, 221 OECD 66, 82 f., 87 ff., 96 f., 113 f., 116, 118, 220 Personalitätsprinzip

53 f.

Schutzprinzip 54 Selbstbelastungsfreiheit Territorialitätsprinzip

202 ff., 216 53, 61

UNCTAD 97 ff., 113 f., 116 Unionsweite Bedeutung 150 ff., 159 ff., 168, 179 ff., 184 f., 187 ff., 196, 199, 223 Unternehmenskonzentration 32 ff. Unternehmenszusammenschlüsse 34 ff. WTO

84 ff., 113 f., 127

Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden 24, 63, 66 ff., 80 f., 89 f., 105 f., 113 ff., 120, 136 ff., 220 ff.