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German Pages 404 [406] Year 2019
Barbara Dimde
Gladiatur und Militär im römischen Germanien
Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Band 7 Alte Geschichte Franz Steiner Verlag
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Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Herausgegeben von Alessandro Bausi (Äthiopistik), Christian Brockmann (Klassische Philologie, Gräzistik), Christine Büchner (Katholische Theologie), Christoph Dartmann (Mittelalterliche Geschichte), Philippe Depreux (Mittelalterliche Geschichte), Stephan Faust (Klassische Archäologie), Helmut Halfmann (Alte Geschichte), Kaja Harter-Uibopuu (Alte Geschichte), Stefan Heidemann (Islamwissenschaft), Ulrich Moennig (Byzantinistik und Neugriechische Philologie), Barbara Müller (Kirchengeschichte), Sabine Panzram (Alte Geschichte), Werner Riess (Alte Geschichte), Jürgen Sarnowsky (Mittelalterliche Geschichte), Claudia Schindler (Klassische Philologie, Latinistik), Martina Seifert (Klassische Archäologie), Giuseppe Veltri ( Jüdische Philosophie und Religion)
Band 7 Verantwortlicher Herausgeber für diesen Band: Werner Riess
Gladiatur und Militär im römischen Germanien
Barbara Dimde
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT
Umschlagabbildung: Krempe eines Gladiatorenhelms mit Besitzerinschrift der legio XV Primigenia, 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr., National Museum of Antiquities in Leiden, The Netherlands, Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12490-4 (Print) ISBN 978-3-515-12499-7 (E-Book)
Editorial In der Reihe Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne haben sich geisteswissenschaftliche Fächer, die u. a. die vormodernen Gesellschaften erforschen (Äthiopistik, Alte Geschichte, Byzantinistik, Islamwissenschaft, Judaistik, Theologie- und Kirchengeschichte, Klassische Archäologie, Klassische und Neulateinische Philologie, Mittelalterliche Geschichte) in ihrer gesamten Breite zu einer gemeinsamen Publikationsplattform zusammengeschlossen. Chronologisch wird die Zeit von der griechisch-römischen Antike bis unmittelbar vor der Reformation abgedeckt. Thematisch hebt die Reihe zwei Postulate hervor: Zum einen betonen wir die Kontinuitäten zwischen Antike und Mittelalter bzw. beginnender Früher Neuzeit, und zwar vom Atlantik bis zum Hindukusch, die wir gemeinsam als „Vormoderne“ verstehen, zum anderen verfolgen wir einen dezidiert kulturgeschichtlichen Ansatz mit dem Rahmenthema „Sinnstiftende Elemente der Vormoderne“, das als Klammer zwischen den Disziplinen dienen soll. Es geht im weitesten Sinne um die Eruierung sinnstiftender Konstituenten in den von unseren Fächern behandelten Kulturen. Während Kontinuitäten für die Übergangszeit von der Spätantike ins Frühmittelalter und dann wieder vom ausgehenden Mittelalter in die Frühe Neuzeit als zumindest für das lateinische Europa relativ gut erforscht gelten können, soll eingehender der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Kulturen des Mittelalters im Allgemeinen auf die antiken Kulturen rekurrierten, sie fortgesetzt und weiterentwickelt haben. Diesen großen Bogen zu schließen, soll die neue Hamburger Reihe helfen. Es ist lohnenswert, diese längeren Linien nachzuzeichnen, gerade auch in größeren Räumen. Vielfältige Kohärenzen werden in einer geographisch weit verstandenen mediterranen Koine sichtbar werden, wobei sich die Perspektive vom Mittelmeerraum bis nach Zentralasien erstreckt, ein Raum, der für die prägende hellenistische Kultur durch Alexander den Großen erschlossen wurde; auch der Norden Europas steht wirtschaftlich und kulturell in Verbindung mit dem Mittelmeerraum und Zentralasien – sowohl aufgrund der Expansion der lateinischen Christenheit als auch über die Handelswege entlang des Dnepr und der Wolga. Der gemeinsame Impetus der zur Reihe beitragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besteht darin aufzuzeigen, dass soziale Praktiken, Texte aller Art und Artefakte/Bauwerke der Vormoderne im jeweiligen zeithistorischen und kulturellen Kontext ganz spezifische sinn- und identitätsstiftende Funktionen erfüllten. Die Gemeinsamkeiten und Alteritäten von Phänomenen – die unten Erwähnten stehen ledig-
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Editorial
lich exempli gratia – zwischen Vormoderne und Moderne unter dieser Fragestellung herauszuarbeiten, stellt das Profil der Hamburger Reihe dar. Sinnstiftende Elemente von Strategien der Rechtsfindung und Rechtsprechung als Bestandteil der Verwaltung von Großreichen und des Entstehens von Staatlichkeit, gerade auch in Parallelität mit Strukturen in weiterhin kleinräumigen Gemeinschaften, werden genauso untersucht wie Gewaltausübung, die Perzeption und Repräsentation von Gewalt, Krieg und Konfliktlösungsmechanismen. Bei der Genese von Staatlichkeit spielen die Strukturierung und Archivierung von Wissen eine besondere Rolle, bedingt durch ganz bestimmte Weltvorstellungen, die sich z. T. auch in der Kartographie konkret niederschlugen. Das Entstehen von Staatlichkeit ist selbstverständlich nicht nur als politischer Prozess zu verstehen, sondern als Gliederung des geistigen Kosmos zu bestimmten Epochen durch spezifische philosophische Ansätze, religiöse Bewegungen sowie Staats- und Gesellschaftstheorien. Diese Prozesse der longue durée beruhen auf einer Vielzahl symbolischer Kommunikation, die sich in unterschiedlichen Kulturen der Schriftlichkeit, der Kommunikation und des Verkehrs niedergeschlagen hat. Zentrum der Schriftlichkeit sind natürlich Texte verschiedenster Provenienz und Gattungen, deren Gehalt sich nicht nur auf der Inhaltsebene erschließen lässt, sondern unter Berücksichtigung der spezifischen kulturellen und epochalen Prägung auch die rhetorische Diktion, die Topik, Motive und auktoriale Intentionen, wie die aemulatio, in Anschlag bringen muss. Damit wird die semantische Tiefendimension zeitlich weit entfernter Texte in ihrem auch symbolischen Gehalt erschlossen. Auch die für uns teilweise noch fremdartigen Wirtschaftssysteme der Vormoderne harren einer umfassenden Analyse. Sinnstiftende Elemente finden sich auch und v. a. in Bauwerken, Artefakten, Grabmonumenten und Strukturen der jeweiligen Urbanistik, die jeweils einen ganz bestimmten Sitz im Leben erfüllten. Techniken der Selbstdarstellung dienten dem Wettbewerb mit Nachbarn und anderen Städten. Glaubenssysteme und Kultpraktiken inklusive der „Magie“ sind gerade in ihrem Verhältnis zur Entstehung und Ausbreitung des Christentums, der islamischen Kultur und der Theologie dieser jeweiligen Religionen in ihrem Bedeutungsgehalt weiter zu erschließen. Eng verbunden mit der Religiosität sind Kulturen der Ritualisierung, der Performanz und des Theaters, Phänomenen, die viele soziale Praktiken auch jenseits der Kultausübung erklären helfen können. Und im intimsten Bereich der Menschen, der Sexualität, den Gender-Strukturen und dem Familienleben gilt es ebenfalls, sinnund identitätsstiftenden Elementen nachzuspüren. Medizinische Methoden im Wandel der Zeiten sowie die Geschichte der Kindheit und Jugend sind weitere Themengebiete, deren Bedeutungsgehalt weiter erschlossen werden muss. Gemeinsamer Nenner bleibt das Herausarbeiten von symbolträchtigen Elementen und Strukturen der Sinnhaftigkeit in den zu untersuchenden Kulturen gerade im kulturhistorischen Vergleich zu heute. Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien? . . . . . . 2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Arnsburg (Kat. 1.3.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Augusta Raurica/Augst (CH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Augusta Raurica / Augst-Neun Türme (Kat. 1.4.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.2 Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.2) . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Aventicum/Avenches (CH, Kat. 1.5.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Brenodurum/Bern-Enge (CH, Kat. 1.6.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Colonia Iulia Equestris (Noviodunum)/Nyon (CH, Kat. 1.7.1) . . . . . . . . . . 2.1.6 Vesontio/Besançon (Frankreich, Kat. 1.15.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7 Vindonissa/Windisch (CH, Kat. 1.16.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.8 Zugmantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.8.1 Zugmantel: Hühnerstraße (Kat. 1.18.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.8.2 Zugmantel: Am Galgenköppel (Kat. 1.18.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Ulpia Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Der Kaiser und die Errichtung von Militäramphitheatern: Vergnügen der Soldaten oder Sicherung seiner Macht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 33 33 37 42 47 51 63 65 72 77 91 96 97 101 101 118 128 136 139 171
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Inhaltsverzeichnis
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2.4.1 Anmerkungen zu den Standortfaktoren militärischer und ziviler Amphitheater in Germania Superior und Inferior . . . . . . . . . . . . 188 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum (Mainz/Köln) . . . . . . . . . . . . . 197 2.4.2.1 Mogontiacum (Kat. 1.11.1–1.11.2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2.4.2.2 Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln (Kat. 2.2.1–2.2.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior . . . . . . 3.1 Munera gladiatoria und die Involvierung des römischen Militärs . . . . . . . . . . . . . 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germania Superior und Inferior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen . . 3.3.1 Literarische, epigraphische und papyrologische Quellen zu Gladiatoren in der römischen Armee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia . . . . . . . . . . . .
223 223 231 257 257 285
4
Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
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Römische Gladiatur in Germanien: Funde und Befunde (Katalog ausgewählter Stücke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
6 6.1 6.2 6.3
Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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357 358 359 372
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Digitale Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 8 Indices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 8.1 Sach- und Ortsindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 8.2 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner im Juni 2018 an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg, Arbeitsbereich Alte Geschichte zur Erlangung des akademischen Grades der Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) abgeschlossenen Dissertation „Die Gladiatur in Germania Superior & Inferior und ihr Konnex zum römischen Militär“. Die Entstehung dieser Arbeit hätte ohne die vielfältige Hilfe und Unterstützung, die mir während meiner Studien zuteil geworden ist, nicht zum Abschluss gelangen können. Besonderer Dank gilt daher meinem Lehrer und Mentor Prof. Dr. Werner Rieß, dessen unvoreingenommene und kritische Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand meinem Arbeiten stets konstruktive Impulse gab. Eine fruchtbare Diskussion des relevanten Quellenmaterials und seiner Aussagemöglichkeiten in einem frühen Stadium meiner Forschungsarbeit verdanke ich zudem Prof. Dr. Christian Mann, der dankenswerterweise auch das Koreferat meiner Dissertation übernommen hat. Meinem ersten akademischen Lehrer, Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Decker (DSHS Köln), gebührt mein herzlichster Dank für eine jahrelange Ermutigung und Unterstützung beim Forschen auf dem Gebiet des antiken Sports, die auch in diese Arbeit in bedeutender Weise eingeflossen ist. Prof. Dr. Eckhard Deschler-Erb (Archäologisches Institut der Universität Köln) danke ich für die Gelegenheit, meine Forschungsthesen zum Gladiatorenhelm von Vetera/Nijmegen einem größeren fachwissenschaftlichen Publikum präsentieren zu dürfen. Prof. Dr. Frank Bernstein übernahm dankenswerterweise eine weitere Begutachtung meiner eingereichten Dissertation, die mir viele hilfreiche Anmerkungen bot. Darüber hinaus gewann meine Forschungsarbeit durch die fallspezifische Erörterung verschiedener Funde und Befunde mit den entsprechenden Fachleuten deutlich an Tiefenschärfe. Zu diesen zählten Dr. Norbert Hanel (Archäologisches Institut der Universität Köln), Dr. Martin Müller (LVR-Archäologischer Park Xanten), Dr. Dirk Schmitz (Bodendenkmalpflege Köln), Dr. Susanne Willer (LVR-LandesMuseum Bonn), Dr. Annelies Koster und Ronny Meijers (Museum Het Valkhof Nijmegen, NL) sowie Prof. Dr. Ruurd Halbertsma (Rijksmuseum Van Oudheden Leiden, NL). Eine kritische Lesung von Teilen der vorliegenden Arbeit und daraus resultierende hilfreiche Anmerkungen verdanke ich zudem meiner Kollegin und Freundin Dr. Catharina Flämig (Konstanz). Schließlich möchte ich den Herausgebern der Hamburger Studien
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Vorwort
zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe meinen herzlichsten Dank aussprechen. Auch meiner Familie gebührt Dank für eine fortwährende und wohlwollende Unterstützung, nicht zuletzt durch geduldiges Zuhören und interessiertes Nachfragen. In tiefer Verbundenheit danke ich an dieser Stelle aber vor allem meinem Mann Dr. Moritz Dimde, ohne dessen uneingeschränkten Einsatz und fortwährenden Zuspruch ich diese Arbeit nicht so unbeschwert, freudvoll und zügig hätte zu Ende führen können. Düsseldorf, im Mai 2019
1 Einleitung Trotz der schier unüberschaubaren Menge an Publikationen zur römischen Gladiatur bilden die Provinzen Germania Superior und Inferior einen bislang blinden Fleck auf der Landkarte der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Das mag zum einen an dem gänzlichen Fehlen literarischer Quellen sowie einer sehr dünnen epigraphischen Materialbasis liegen, zum anderen aber auch mit dem insgesamt sehr disparaten Material der materiellen Hinterlassenschaft zusammenhängen. So umfasst das in den beiden Germanien gefundene Quellenmaterial, das auf einen Zusammenhang mit der römischen Gladiatur hinweist, dreizehn Weih- und Grabinschriften und einige wenige, stark fragmentierte Bauinschriften.1 Darüber hinaus konnten bislang dreizehn Amphitheater archäologisch nachgewiesen werden.2 Auch haben sich vereinzelt Ausrüstungsgegenstände von Gladiatoren gefunden, darunter Helmteile (Visier, Krempe, Appliken) und der Schulterschutz (galerus) eines retiarius.3 Vor allem aber Alltagsgegenstände und Luxusgüter (Glasobjekte, Reliefgeschirr, Kleinplastik, Öllampen, Mosaike, Wandmalereien etc.), die Darstellungen von Gladiatorenkämpfen oder venationes tragen, legen Zeugnis für das Interesse der in Germanien lebenden
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Mit ‚Germanien‘ sind im Folgenden die beiden römischen Provinzen Germania Superior und Inferior gemeint. Die Germania libera, die dem Wortsinn nach ebenfalls unter ‚Germanien‘ verstanden werden könnte, ist zur Vermeidung von Missverständnissen stets mit eben dieser Bezeichnung versehen. Die durch die Verwendung der Begriffe Germania Superior und Inferior angedeutete zeitliche Beschränkung von der Einrichtung der Provinzen unter Domitian (81–96 n. Chr.) bis zur Teilung der Provinzen in Germania I, Germania II und Maxima Sequanorum im Zuge der Reichsreform unter Diokletian (284–305 n. Chr.) umspannt grob den Rahmen, in dem sich Spuren römischer Gladiatur in Germanien fassen lassen und wird daher der Einfachheit halber durchgängig verwendet. Weihinschriften: Kat. 1.1.2, 1.11.3, 1.14.1, 2.2.3–2.2.5, 2.3.2, 2.7.3, 2.8.3; Grabinschriften: Kat. 2.2.6– 2.2.9; fragmentierte Bauinschriften: Kat. 1.7.2, 1.15.2, 1.16.2. Amphitheater: Kat. 1.3.1, 1.4.1–1.4.2, 1.5.1, 1.6.1, 1.7.1, 1.15.1, 1.16.1, 1.18.1–1.18.2, 2.3.1, 2.7.1, 2.8.1. Helmteile: Kat. 1.13.1, 1.18.3, 2.7.2, 2.8.2; Schulterschutz: Kat. 2.6.1.
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1 Einleitung
Menschen an der römischen Gladiatur ab.4 Chronologisch reicht das Quellenmaterial vom 1. Jh. n. Chr. bis ins frühe 4. Jh. n. Chr. Ziel der Untersuchung war es, durch eine Analyse des relevanten Materials Informationen zu destillieren, die Rückschlüsse darüber erlauben, wo und in welcher Form munera in Germanien stattfanden und welche Organisationsstrukturen sichtbar gemacht werden können. Eine besondere Schwierigkeit bei der Behandlung dieses Themas bestand dabei in dem bereits erwähnten disparaten Quellenmaterial, dessen Gattungsumfang weit gespreizt ist und oft nur indirekte Hinweise auf die gestellten Fragen preisgab. Das Quellenmaterial zur römischen Gladiatur in den Provinzen Germania Superior und Inferior gab daher nicht nur chronologisch den Rahmen der vorliegenden Arbeit vor, sondern auch die Fragestellungen selbst: Es diktierte gleichsam den Ausgangspunkt für Fragen, die sich anfangs gar nicht gestellt oder zumindest nicht im Mittelpunkt gestanden hatten, und präsentierte sich umgekehrt bei der Klärung von wissenschaftlich drängenden Anliegen als weithin sprachlos. Dass sich trotzdem ein zwar nicht umfassendes, doch aber aufschlussreiches Bild der Gladiatur in den beiden germanischen Provinzen gewinnen ließ, hängt zu einem nicht unerheblichen Teil mit der starken Normierung der römischen Gladiatur einerseits und der des römischen Militärs andererseits zusammen, zwei Bereiche, die in den beiden germanischen Provinzen auf besonders enge Weise miteinander verwoben sind. Diese normativen Elemente erlaubten es, auch Quellen aus anderen Teilen des Imperium Romanum heranzuziehen, die teils ergänzend, teils kontrastierend das allzu oft spärliche ‚germanische‘ Material optimal auszuleuchten halfen. Wie zu zeigen sein wird, finden sich in den Provinzen Germania Superior und Inferior in ungewöhnlich verdichteter Form Hinweise darauf, dass die römische Gladiatur grundsätzlich in einen kaiserlich-militärischen und einen städtisch-zivilen Sektor untergliedert werden muss. Neu ist dabei, dass dem kaiserlichen Sektor der Gladiatur nicht nur die vom Kaiser selbst edierten munera – vornehmlich die stadtrömischen Veranstaltungen – zuzurechnen sind, sondern auch der gesamte Bereich der Militärgladiatur. Letztgenannter Teilbereich ist bislang in der Forschung nur punktuell beleuchtet, nie aber in seiner administrativen und logistischen Organisationsstruktur als solcher klassifiziert oder analysiert worden. Das weitgehende Fehlen von strukturellen Überschneidungen im militärischen und städtisch-zivilen Sektor der römischen Gladiatur legt nahe, dass sie unterschiedlichen Ziel- und Wirkmechanismen unterworfen waren. Dass die ‚Entdeckung‘ der Militärgladiatur ausgerechnet in Germanien gelingen konnte, hängt dabei 4
Glasbecher mit Beischriften: Kat. 1.4.5–1.4.7, 1.5.3–1.5.5, 1.6.2–1.6.3, 1.10.2, 1.11.4, 1.16.3–1.16.9, 1.17.1–1.17.7, 2.2.17–2.2.18, 2.8.4; gutturnia: Kat. 2.2.15–2.2.16; Reliefgeschirr: Kat. 1.4.8, 1.11.5, 1.18.4–1.18.6, 2.3.5, Tongefäße mit Gladiatoren-Darstellungen: Kat. 1.9.1, 2.1.1, 2.7.4; Tonstatuetten: Kat. 1.16.10, 2.2.13, 2.3.3–2.3.4; Lampen in Form eines Gladiatorenhelms: Kat. 1.11.6, 2.2.29– 2.2.30; Mosaike und Wandmalereien mit Darstellungen von munera-Szenen: Kat. 1.4.3, 1.8.1, 2.2.10 bzw. 1.8.2, 2.2.11–2.2.12, 2.4.1; Bronzeobjekte: Kat. 2.2.26–2.2.28; sog. ‚Kölner Jagdbecher‘: Kat. 2.1.2, 2.2.19–2.2.25; Klappmesser: Kat. 1.5.2, 2.2.14; Applikenkeramik: 2.7.5.
1 Einleitung
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vor allem mit der massiven Präsenz römischer Militärverbände sowie den Spezifika siedlungsgeographischer und urbanistischer Strukturen in diesen beiden Provinzen zusammen: Sie bildeten den Nährboden und Motor der Militärgladiatur, deren Strahlkraft eine Gladiatur im zivilen Bereich überhaupt erst ermöglichte. Historisch fallen in den Zeitraum, den das Quellenmaterial der Germania Superior und Inferior zur römischen Gladiatur umspannt, wechselvolle Ereignisse, denen die Eroberung Galliens bis zum Rhein durch C. Iulius Caesar vorausgegangen war.5 Die anschließenden innenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Caesar, Marcus Antonius und Octavian hatten diesen Teil des Imperium Romanum zunächst für einige Jahrzehnte weitgehend unbehelligt gelassen.6 Als sich Octavian schließlich durchgesetzt hatte und als Augustus die weiteren Geschicke des Reiches lenkte, begannen unter Drusus im 2. Jahrzehnt v. Chr. mehrere weitreichende Militäroperationen, die unter einem Großaufgebot an römischen Streitkräften die Unterwerfung rechtsrheinischer Gebiete Germaniens zum Ziel hatten.7 Nachdem jedoch die verheerende Niederlage des P. Quinctilius Varus im Jahr 9 n. Chr. alle Hoffnungen der römischen Expansoren auf eine Germania magna, deren Grenze im Osten bis zur Elbe reichen sollte, zerschlagen hatte, zog man sich allmählich auf die linke Seite des Rheinufers zurück.8 Im Jahr 14 n. Chr., dem Todesjahr des Augustus und dem Beginn der Herrschaft seines Adoptivsohnes Tiberius, richtete man am Rhein zwei Heeresbezirke ein, die zunächst provisorischer Natur waren.9 So ganz hatte man den Plan zur Unterwerfung der rechtsrheinischen Gebiete bis zur Elbe offenbar noch nicht aufgegeben.10 Ausdruck dieses provisorischen Zustandes war nicht zuletzt die Bezeichnung der höchsten Repräsentanten Roms in diesem Gebiet, die den Titel legatus Augusti exercitus Germanici inferioris bzw. superioris trugen.11 Verwaltet wurde der Heeresbezirk Ober- und Niedergermaniens von der Provinz Gallia Belgica aus.12 Domitian (81–96 n. Chr.) setzte schließlich allen Hoffnungen auf eine großgermanische Provinz ein Ende: Er hob den provisorischen Zustand der beiden germanischen Heeresbezirke auf und etablierte – wohl um 85 n. Chr. – Germania Superior und Inferior als reguläre kaiserliche Provinzen.13 Eine exakte Datierung der Geburts5 6 7 8 9 10 11 12 13
Wesch-Klein 2016, 125–127. Eck 2004, 1031–45. Raepsaet-Charlier 1999, 273–275. Ziethen 1998, 39. Vgl. Petrikovits 1980, 48–51. Ausbüttel 2012, 56. Hanel 1989, 59–60. Petrikovits 1980, 51. Ausbüttel 2012, 56–57. Petrikovits 1980, 53–55, Abb. 10. Jung 2017, 105. Wesch-Klein 2013, 125–126. Ausbüttel 2012, 58. Schumacher 2012, 29. Eck 2004, 63– 126. Petrikovits 1980, 57, 63–67. Decker/Selzer 1976, 465–466. Gegen eine Einrichtung von Heeresbezirken spricht sich Ausbüttel 2012, 58–59. Wesch-Klein 2016, 126. Klee 2013, 40–41. Eck 2004, 217. Ziethen 1998, 44. Bechert 2007, 34, 39. Eck 2004, 217. Fischer/Trier 2014, 118. Ausbüttel 2012, 57. Klee 2013, 60. Fischer/Trier 2014, 115. Schumacher 2012, 30. Eck 2004, 217. Schumacher 2003, 1. Raepsaet-Charlier 1999, 277. Ziethen 1998, 40–43. Schumacher 1982, 55. Vgl. dagegen Ausbüttel 2012, 58–59.
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1 Einleitung
stunde dieser beiden neuen Provinzen ist bislang nicht geglückt; der früheste Beleg für ihre Existenz stammt aus dem Jahr 90 n. Chr.14 Die genauen geographischen Grenzen der beiden germanischen Provinzen sind ebenfalls nicht letztgültig geklärt.15 Die Germania Inferior reichte im Norden von der Mündung des Rheins bei Lugdunum/ Katwijk-Brittenburg (NL) bis vielleicht zur Scheldemündung in den heutigen Niederlanden.16 Im Osten bildete der Flusslauf des Rheins eine natürliche Grenze, während die Südgrenze der Provinz durch den Vinxtbach gekennzeichnet war.17 Der Verlauf der Westgrenze ist nicht gesichert, hat aber höchstwahrscheinlich Hauptort und Territorium der civitas Atuatuca Tungrorum/Tongeren (B) eingeschlossen.18 Die Germania Superior, die deutlich größer war als die Germania Inferior, umfasste einen schmalen Sektor südlich des Vinxtbaches, während im Osten nicht mehr der Rhein die Grenze bildete, sondern der obergermanische limes unter Einschluss der sog. agri decumates.19 Im Süden verlief die Provinzgrenze grob entlang des Alpenkammes bis zum Genfer See, während ihre Westgrenze die Stammesgebiete großer gallischer Stämme, etwa der Lingonen und Sequaner, einschloss.20 Nach der offiziellen Einrichtung der beiden Provinzen wurden die ehemaligen Kommandeure der germanischen Heeresbezirke von Domitian zu Statthaltern mit dem Titel des legatus Augusti pro praetore provinciae Germaniae inferioris bzw. superioris ernannt.21 Der Statthalter der neu geschaffenen Provinz Niedergermanien residierte in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln, der der Provinz Obergermanien in Mogontiacum/Mainz.22 Beide Statthalter stellten nicht nur im administrativen und juristischen Bereich die höchste Instanz in ihrer Provinz dar, sondern führten auch über die in der Provinz stehenden Militärverbände den Oberbefehl.23 Allein die Finanzverwaltung der beiden neuen Provinzen verblieb bei einem Finanzprocurator (procurator Belgicae et duarum Germaniarum), dessen Sitz beim Statthalter der Gallia Belgica angesiedelt war.24 In der hohen Kaiserzeit waren in beiden germanischen Provinzen jeweils mehrere Legionen und entsprechende Auxiliarverbände garnisoniert.25 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
CIL 16, 36. Wesch-Klein 2016, 126. Klee 2013, 44. Schumacher 2012, 30. Eck 2004, 217–218, mit Anm. 16, plädiert aufgrund des numismatischen Befundes für das Jahr 85 n. Chr. Schumacher 2003, 1. Dagegen Ausbüttel 2012, 58–59. Fischer/Trier 2014, 116. Fischer/Trier 2014, 116. Bechert 2007, 28, Abb. 18. Eck 2004, 217. Galsterer 2001, 1. Zum Rhein als Flussgrenze s. Ziethen 1998, 40. Vgl. Ausbüttel 2012, 58. Fischer/Trier 2014, 116. Bechert 2007, 28. Eck 2004, 263. Raepsaet-Charlier 1999, 275–278. Wesch-Klein 2016, 126–127. Klee 2013, 75. Schumacher 2012, 30. Ausbüttel 2012, 58. Eck 2004, 217. Petrikovits 1980, 103–104. Klee 2013, 75. Galsterer 2001, 1. Klee 2013, 75. Jung 2009, 40. Eck 2004, 217. Schumacher 2003, 1. Haensch 1999. Wesch-Klein 2016, 127. Ausbüttel 2012, 60. Bechert 2007, 35. Eck 2004, 242–264. Haensch 1997, 66–68, 149–153. Fischer/Trier 2014, 119. Bechert 2007, 35. Haensch 1999, 642. Fischer/Trier 2014, 118. Ausbüttel 2012, 59. Eck 2004, 265–266. Haensch 1997, 74–76. Wesch-Klein 2016, 127. Ausbüttel 2012, 59. Bechert 2007, 39–42. Galsterer 2001, 1.
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Neben der ständigen Bedrohung durch germanische Stammesverbände rechts des Rheins führte auch die durch die Grenzlage bedingte Massierung römischer Truppenverbände in Germania Superior und Inferior immer wieder zu politisch brisanten Situationen. So standen etwa die Legionen am Rhein im Jahr 68/69 n. Chr. im Zentrum des römischen Weltgeschehens, als sich die Mainzer Legionen IV Macedonica und XXII Primigenia weigerten, den Eid auf Servius Sulpicius Galba abzulegen, den ehemaligen Statthalter der Provinz Hispania Tarraconensis und Nachfolger Neros.26 Stattdessen trugen sie dem Oberbefehlshaber der niedergermanischen Truppen, Aulus Vitellius, ihre Gefolgschaft an, der Anfang Januar des Jahres 69 n. Chr. von allen Truppen in Germania Superior und Inferior zum Kaiser akklamiert wurde.27 Lange währte seine Amtszeit bekanntlich nicht, denn Titus Flavius Vespasianus, Oberbefehlshaber der römischen Truppen im Osten des Reiches, wurde von seinen Soldaten zum Kaiser akklamiert und konnte sich gegen Vitellius durchsetzen.28 Die unruhigen Zeiten der Jahre 69/70 n. Chr. hatten auch eine Revolte der ursprünglich aus dem rechtsrheinischen Gebiet stammenden germanischen Bataver begünstigt, die aber im Jahre 71 n. Chr. unter Vespasian erfolgreich niedergerungen werden konnte.29 Kurze Zeit nach der Provinzgründung kam es erneut zu politischen Turbulenzen. L. Antonius Saturninus, Kommandeur des obergermanischen Heeresbezirks, hatte im Jahre 88/89 n. Chr. einen gegen Domitian gerichteten Aufstand der in Mainz revoltierenden legiones XIII Gemina und XXI Rapax angeführt.30 Zwar gelangten die Umsturzpläne nicht zur Umsetzung, da der Amtskollege des Saturninus in der benachbarten Provinz Germania Inferior beherzt eingeschritten und die mit Saturninus verbündeten Chatten wegen Tauwetter nicht über den Rhein gelangt waren, doch sah sich Domitian zu einschneidenden Konsequenzen gezwungen:31 Er ließ alle Doppellegionslager auflösen, darunter auch das von Mogontiacum, von dem der Putschversuch seinen Ausgang genommen hatte.32 Die dort stationierten Einheiten wurden aufgelöst oder strafversetzt.33 Die niedergermanischen Truppen, die für die Unterdrückung des Aufstandes verantwortlich gezeichnet hatten, wurden von Domitian mit dem Ehrentitel Pia Fidelis Domitiana bedacht.34 26 27 28 29 30 31 32 33 34
Eck 2004, 185–189. Eck 2004, 189–191. Suet. Vit. 15. Heuß 2016, 388. Schumacher 2012, 30. Büsing 1982, 54. Ausführlicher zum Bataveraufstand unten im Kap. 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia. Suet. Dom. 6,2. Dio 67,11,1–2. Schumacher 2012, 31. Schumacher 2003, 8–9. Ziethen 1998, 56. Schumacher 1982, 48–55. Decker/Selzer 1976, 484–485. Schumacher 2012, 31. Schumacher 2003, 8–9. Ziethen 1998, 56. Schumacher 1982, 50–51. Suet. Dom. 7,3. Schumacher 2012, 32. Schumacher 2003, 10. Die leg. XXI Rapax wurde 90 n. Chr. an die Donaufront strafversetzt, wo sie wohl bald darauf im Kampf gegen die Sarmaten vernichtet wurde, Und auch die legio XIIII wurde 97 n. Chr. nach Carnuntum in Pannonien versetzt. Schumacher 2003, 8–10. Schumacher 2012, 31–32. Schumacher 2003, 9. Schumacher 1982, 52.
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Ein kurzes Zwischenspiel in der römischen Verwaltung der germanischen Provinzen stellte darüber hinaus das sog. Gallische Sonderreich unter dem Usurpator Cassianus Latinius Postumus dar.35 Bestand hatte es von 259/260 n. Chr. bis unter Kaiser Aurelian (270–275 n. Chr.), der es im Jahre 274 n. Chr. in den Einflussbereich des Imperium Romanum zurückführte.36 Postumus und seine Nachfolger kontrollierten in dieser Zeit die beiden germanischen Provinzen, ganz Gallien – allerdings ohne die Narbonensis –, Spanien und auch Britannien.37 Die Hauptstadt des Gallischen Sonderreiches war die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln in der Germania Inferior, in Mogontiacum/Mainz befand sich eine Münzstätte des Postumus.38 Auswirkungen des Gallischen Sonderreiches und auch der tiefgreifenden Verwaltungs- und Militärreformen unter Diokletian (284–305 n. Chr.) einige Jahre später lassen sich am Quellenmaterial zur römischen Gladiatur in Germanien nicht direkt ablesen.39 Denn das Fund- und Befundmaterial aus der Sphäre der römischen Gladiatur reißt in Germania Superior und Inferior spätestens zu Beginn des 4. Jhs. n. Chr. ab. Nicht nur die große Bandbreite der Quellengattungen stellen an ihre Auswertung im Hinblick auf die Gladiatur in Germanien hohe Anforderungen, sondern auch die wissenschaftliche Diversität, mit der dieses Quellenmaterial aufgearbeitet und publiziert wurde. „Eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Publikation, die den Kenntnisstand zum Amphitheater von Vindonissa zusammenfasst und in den Kontext der internationalen Amphitheaterforschung setzt, steht noch aus und wird in absehbarer Zeit wohl auch nicht realisiert werden.“40 Dieser Satz könnte stellvertretend für die Mehrzahl der in den Provinzen Germania Superior und Inferior nachgewiesenen Amphitheater stehen: Von den insgesamt sechs militärischen und sieben zivilen Amphitheatern auf dem Gebiet der beiden germanischen Provinzen sind monographisch allein die von Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.2) und Aventicum/ Avenches (Kat. 1.5.1) – beide in der heutigen Schweiz – in vorbildlicher Weise vorgelegt worden.41 Der Beitrag von C. Sommer aus dem Jahr 2009, der die Amphitheater von Auxiliarkastellen entlang der Grenze des Imperium Romanum in den Blick nimmt, bietet ebenfalls wertvolle Ansätze, kann aber eine Gesamtschau, wie sie etwa in der Publikation von T. Willmott zu den Amphitheatern Britanniens angestrebt ist, 35 36 37 38 39 40 41
Eck 2012, 63–64, 75–78. Bechert 2007, 109–110. Petrikovits 1980, 174–176. Bengston 1970, 384. Vgl. Demandt 2007, 48–51. Zur literarischen Überlieferung s. Manuwald 2012. Heinen 1985, 90–95. Bechert 2007, 109–110. Eck 2004, 565–585. Schumacher 2003, 13–15. Haensch 1997, 72–73. Schumacher 2003, 10. Auch Rätien gehörte zumindest zeitweise zum sog. Gallischen Sonderreich. Eck 2004, 565. Colonia Claudia Agrippina wie die CCAA auf einem Antonian des Postumus genannt wird. Bechert 2007, 110. Schumacher 2003, 15. Die Germania Inferior, die in ihrern Grenzen bestehen blieb, wurde fortan unter dem Namen Germania Secunda geführt. Die Germania Superior wurde hingegen geteilt und in Germania Prima und Maxima Sequanorum umbenannt. Klee 2013, 210–216. Bechert 2007, 111. Ziethen 1998, 57. Matter/Auf der Maur 2012, 26, mit Anm. 24. Bridel 2004 (Avenches). Hufschmid 2009 (Augst-Sichelengraben).
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nicht ersetzen.42 Alle übrigen Amphitheater harren einer wissenschaftlich fundierten Aufnahme und anschließenden Publikation – vielfach mit wenig Hoffnung auf Erfolg. Darüber hinaus ist eine systematische Klassifizierung von Amphitheaterbauten in militärische und zivile bislang nicht erarbeitet worden. Aber nicht nur die Monumente selbst, sondern auch der urbanistische Kontext, in den diese als öffentliche Großbauten mit sowohl kultischen als auch politischen Funktionen eingebunden waren, steckt in seiner Erforschung vielfach noch in den Anfängen. Dabei spielt eine nicht unwesentliche Rolle, dass einer solchen Untersuchung aufgrund von Siedlungskontinuitäten und der damit verbundenen modernen Überbauung trotz fortgeschrittener Grabungstechnik enge Grenzen gesetzt sind. Darüber hinaus ist es der Erhaltungszustand dieser Monumentalbauten, der einem tiefgreifenden Erkenntisgewinn allzu früh einen Riegel vorschiebt: Insbesondere die frühen militärischen Amphitheater in Holz-Erde-Technik sind den Witterungsbedingungen unserer Breitengrade schnell zum Opfer gefallen. Mittelalterlicher Steinraub oder Zweckentfremdung der Bauten haben dagegen vor allem zivilen Amphitheatern zugesetzt, so dass aufgehende Strukturen nur ausgesprochen selten erhalten sind. Andere Fundgattungen der materiellen Hinterlassenschaft sind ebenfalls nur punktuell bearbeitet worden, so dass für Germanien Überblickswerke etwa zu Tonlampen, kleinplastischen Darstellungen oder den Wandmalereien und Fußbodenmosaiken mit Motiven aus der Sphäre der römischen Gladiatur nach wie vor ein Desiderat der Forschung darstellen.43 Der Aufsatz von J. Wahl zu Gladiatorenhelm-Beschlägen vom Limes aus dem Jahr 1977 macht diesbezüglich einen Anfang, bedarf aber aufgrund neuerer Forschungsergebnisse der Revision.44 Trotz der eingangs erwähnten schier unüberschaubaren Flut an Publikationen zum römischen Gladiatorenwesen spielen die beiden Provinzen Germania Superior und Inferior in dieser fast keine Rolle. Selbst wenn auf die Nordwestprovinzen des Imperium Romanum rekurriert wird, finden zwar Britannien und Gallien Erwähnung, die beiden germanischen Provinzen aber bleiben fast immer ausgespart – vielleicht gerade weil sich das Quellenmaterial so disparat präsentiert und nach interdisziplinärer Methodik verlangt.45 Eine Ausnahme hierin bildet die Aufarbeitung des epigraphischen Materials zur römischen Gladiatur, das C. Vismara und M. Caldelli im Rahmen
42 43 44 45
Sommer 2009. Wilmott 2008. Rühmliche Ausnahme bilden die gläsernen Zirkus- und Gladiatorenbecher mit Beischriften, die von Rüti et al. 1988 vorgelegt wurden, sowie die sog. Kölner Jagdbecher, von denen einige Darstellungen von Gladiatoren tragen: Oenbrink 1998. Wahl 1977. So etwa bei der Arbeit von A. Futrell mit dem vielversprechenden Titel ‚Circles across the Land: the Amphitheater in the Roman West‘, Berkeley 1991, wo im zweiten Kapitel die Überreste von Amphitheatern auf der Iberischen Halbinsel, Britannien, Gallien und an der nordöstlichen Grenze des Imperium behandelt werden. Germanien wird bei der Betrachtung des Westens des Imperium Romanum ausgespart.
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der Reihe ‚Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente Romano‘ in einem Corpus vorgelegt haben.46 Diesem fehlen allerdings die Bauinschriften, die für die Amphitheater von Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1), Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1) und Vesontio/ Besançon (Kat. 1.15.1) wahrscheinlich gemacht werden können, ebenso wie die Besitzerinschrift der legio XV Primigenia auf einem Gladiatorenhelm (Kat. 2.7.2) oder die Beischriften auf ‚Fanartikeln‘ wie etwa die mit Gladiatorenszenen verzierten Glasbecher (Kat. 1.4.5–1.4.7, 1.5.3–1.5.5, 1.6.2–1.6.3, 1.10.2, 1.11.4, 1.16.3–1.16.9, 1.17.1–1.17.7, 2.2.17–2.2.18, 2.8.4). Die Arbeit von G. Ville, La gladiature en Occident des origines à la mort de Domitien, Rom 1981, ist nach wie vor ein wichtiges Grundlagenwerk, für die germanischen Provinzen jedoch nur bedingt vonnutzen, da der zivile Bereich der römischen Gladiatur in Germanien erst nach dem Tod Domitians in Erscheinung tritt. Darüber hinaus zieht G. Ville, der nicht zwischen Militär- und Zivilagladiatur unterscheidet, hauptsächlich epigraphische und literarische Quellen heran, was bei der kargen Überlieferungssituation dieser Quellengattung den beiden germanischen Provinzen notgedrungen eine marginale Rolle zuweist. Es hätte den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt, alle aufgeführten Desiderate der Forschung zufriedenstallend zu bearbeiten. Dafür ist das Quellenmaterial dann doch zu umfangreich. Da bislang keine übergreifende Darstellung zur Gladiatur in den beiden germanischen Provinzen des Imperium Romanum vorgelegt wurde, stand zunächst die Erfassung des aussagekräftigsten Quellenmaterials im Sinne einer Grundlagenforschung im Fokus. Darüber hinaus galt es, die für Germania Superior und Inferior besonderen Bedingungsfaktoren herauszuarbeiten, unter denen römische Gladiatur in diesen Provinzen organisiert, umgesetzt und bisweilen auch instrumentalisiert wurde. Der Ablauf eines munus legitimum in Germanien, eine detaillierte Analyse der Veranstaltungspraxis ‚germanischer‘ munera oder auch der Zuschauer und Gladiatoren traten bei dieser Herangehensweise in den Hintergrund. Sie müssen weiterhin als Desiderate der Forschung gelten, für die die vorliegende Arbeit einen fundierten Ausgangspunkt ermöglichen soll.
46
Vismara/Caldelli 2000.
2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien? Innerhalb des Quellenmaterials zur römischen Gladiatur in Germanien nimmt die materielle Hinterlassenschaft der Amphitheater eine prominente Stellung ein. In Ermangelung insbesondere historiographischer Quellen stellen die Amphitheater der Germania Superior und Inferior die einzigen zuverlässigen Zeugen für tatsächlich abgehaltene Gladiatorenkämpfe (munera gladiatoria) und Tierhetzen (venationes) dar. Zwar sind auch eine Reihe bildlicher Darstellungen von Gladiatorenkämpfen aus dem Gebiet der beiden Germanien auf uns gekommen, doch könnten diese als rein künstlerische Reflexe auf römische Gepflogenheit interpretiert werden, so dass sie keine zwingende Beweiskraft für Gladiatorenkämpfe in Germanien entfalten. Auch die geringe Anzahl von überlieferten Grab- und Weihinschriften offeriert diesbezüglich keine aussagekräftige Materialbasis. Die architektonischen Manifestationen der Amphitheater sprechen hingegen eine weitaus deutlichere Sprache. Durch sie lassen sich zumindest grob Beginn sowie Ende der Amphitheater-Architektur in Germanien umreißen und somit ein chronologischer Hinweis darauf gewinnen, ab wann und wie lange Gladiatorenkämpfe in Germanien veranstaltet wurden. Zudem erhellen aus den Erbauungsdaten der Amphitheater sowie ihren eigentlichen Baumeistern die Bedingungsfaktoren, die für die zeitliche und geographische Verbreitung der römischen Gladiatur in Germanien verantwortlich zeichneten.47 Daraus lassen sich nicht zuletzt Einblicke in das Verhältnis der römischen Gladiatur der beiden germanischen Grenzprovinzen zu ihrem Mutterland destillieren. Der Vergleich mit anderen Provinzen des Imperium Romanum wirft aber auch ein allgemeineres Licht auf das Verhältnis von peripherer provinzialrömischer Gladiatur zu zentraler italischer bzw. stadtrömischer Gladiatur. Das urbanistische Konzept, in das Amphitheater als öffentliche Großbauten in Germanien eingebunden waren, erlaubt darüber hinaus, Aussagen zu den strategischen
47
Ausführlicher dazu unten im Kap. 2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior und 2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
und siedlungsgeographischen Aspekten zu formulieren, denen die Errichtung von Amphitheatern in Germanien unterworfen war.48 Dabei hat sich gezeigt, dass diese im Hinblick auf militärische und zivile Kontexte differenziert zu betrachten und zu evaluieren sind. Zudem ermöglicht das Herausarbeiten von Standortfaktoren vor allem für den Bau von zivilen Amphitheatern Einblicke in die soziokulturelle Gewichtung der provinzialrömischen Gladiatur in Germanien – etwa im Zusammenhang mit dem provinzialen Kaiserkult. Darüber hinaus eröffnet das Wissen um mögliche Standortfaktoren wichtige Rückschlüsse auf die Prospektion der Amphitheater in den capita provinciarum Köln und Mainz, die bislang nicht lokalisiert werden konnten. Doch auch für die Veranstaltungspraxis von munera in Germanien liefern die jeweiligen architektonischen Finessen der Amphitheater die zuverlässigsten Hinweise. Welche Möglichkeiten für die Inszenierung standen den Veranstaltern zur Verfügung? Welche ‚geheimen‘ Zugänge zur Arena gab es, aus denen Bühnendekor oder plötzlich auftauchende Raubtiere erscheinen konnten? Wer sah sich die Veranstaltungen in einem Amphitheater der Germania Superior oder Inferior an und wer bemühte sich um die kostspielige Instandhaltung der Monumente? Diese und ähnliche Fragen lassen sich für Germanien zu einem großen Teil allein über die archäologische Hinterlassenschaft der Amphitheater beantworten. Darüber hinaus lässt die Zugangssituation zu einem Amphitheater erkennen, dass vielfach schon beim Betreten des Bauwerkes die soziale Hierarchie der provinzialen Gesellschaft erkennbar wurde: Höher gestellten Persönlichkeiten waren separate und zum Teil prächtig ausgestaltete vomitoria vorbehalten, während das Gros der Zuschauer nicht selten über beschwerlich hohe Anstiege von der Peripherie her das Zuschauerrund (cavea) betreten musste. Bevor diesen Aspekten der Amphitheaterarchitektur in Germania Superior und Inferior im Detail nachgegangen wird, sei zunächst eine kurze Zusammenfassung einiger Ergebnisse vorangestellt in der Hoffnung, das nachfolgende Lesen der einzelnen Amphitheater-Kapitel zu erleichtern. In den römischen Provinzen Germania Superior und Inferior sind insgesamt 13 Amphitheater archäologisch nachgewiesen. Zehn davon entfallen auf die Provinz Germania Superior (GS), wo in Arnsburg (D, Kat. 1.3.1), Augusta Raurica/Augst (CH, Kat. 1.4.1–1.4.2), Aventicum/Avenches (CH, Kat. 1.5.1), Brenodurum/Bern (CH, Kat. 1.6.1), Colonia Iulia Equestris/Nyon (CH, Kat. 1.7.1), Vesontio/Besançon (F, Kat. 1.15.1), Vindonissa/Windisch (CH, Kat. 1.16.1) und auf dem Zugmantel (D, Kat. 1.18.1–1.18.2) Überreste dieser römischen Großbauten zu Tage getreten sind.49 In der Provinz Germania Inferior (GI) sind hingegen nur drei Vertreter dieses Bautyps fassbar: in Colonia Ulpia Traiana (CUT)/Xanten (D, Kat. 2.3.1), in Noviomagus/ Nijmegen (NL, Kat. 2.7.1) und in Vetera Castra/Birten (D, Kat. 2.8.1). Die quantitativ ungleichmäßige Verteilung der Monumente könnte dabei zum einen in der unter-
48 49
S. dazu unten Kap. 2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept. In Zugmantel und Augusta Raurica/Augst sind jeweils zwei Amphitheater überliefert.
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schiedlichen Flächenausdehnung beider Provinzen eine Erklärung finden – Germania Superior war mindestens doppelt so groß wie Germania Inferior –, zum anderen aber muss auch der Überlieferungssituation der Amphitheater in Germanien Rechnung getragen werden.50 Wie die Amphitheater von Vetera (Kat. 2.8.1) und Vindonissa (Kat. 1.16.1) zeigen, wurden die frühen Amphitheater aus Holz errichtet, ein Baustoff, der bei den klimatischen Verhältnissen in Germanien eine verhältnismäßig geringe Lebensdauer versprach und entsprechend wenige Spuren hinterließ.51 Wo immer es die topographischen Verhältnisse erlaubten, wurden Amphitheater überdies – zumindest teilweise – in den gewachsenen Boden eingetieft, aller Wahrscheinlichkeit nach um Erdbewegungen und damit Baukosten auf ein Minimum zu reduzieren. Nach der Aufgabe eines Amphitheaters leistete aber diese Eintiefung großflächigen Erosionsbewegungen Vorschub, was die Konturen der Bauwerke verschliff und der Erkennung mit bloßem Auge enge Grenzen setzt.52 Hinzu kommt, dass auch Amphitheater mit ehemals hoch aufgehendem Mauerwerk durch Plünderungen spät- und nachantiker Steinräuber unkenntlich gemacht wurden.53 Wie insbesondere die Provinzhauptstädte der Germania Inferior, Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln, bzw. der Germania Superior, Mogontiacum/Mainz, vor Augen führen, stellt auch die moderne Überbauung antiker Siedlungsflächen ein Problem dar: Sowohl in Köln als auch in Mainz ist die Existenz eines römischen Amphitheaters allein aufgrund der überregionalen Bedeutung dieser Städte in der Antike nahezu zwingend zu vermuten, eine Lokalisierung derselben ist aber bis heute nicht gelungen.54 Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Boden der beiden Germanien weitere Amphitheater verborgen liegen, die die Überlieferungsdaten für römische Amphitheater in Germanien beinflussen könnten. Bei den Amphitheatern auf dem Gebiet der Germania Superior und Inferior lassen sich grundsätzlich zwei Typen unterscheiden: zivile und militärische Amphitheater (Abb. 1–3, vgl. Tab. 1).55 Dabei basiert diese Typisierung nicht auf funktionalen Gesichtspunkten, denn sowohl zivile als auch militärische Amphitheater wurden in Germanien hauptsächlich für Gladiatorenkämpfe (munera gladiatoria) und Tierhetzen (venationes) genutzt.56 Vielmehr zielt sie auf die geographische Nähe eines Amphithe-
50 51 52 53 54 55 56
Galsterer 2001, 1. Vgl. Wittke et al. 2012, 177. Vgl. Wahl 1977, 123. Hier kommt der Luftbildarchäologie eine wichtige Rolle zu, mit deren Methoden die Erkennung von antiken Baustrukturen im Gelände deutlich erleichtert wird. Vgl. Christie 2009, 222–223. Ausführlich dazu s. Kap. 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum. Im Osten des Imperium Romanum wurden dagegen viele spätantike Stätten verlassen, so dass sie heute unüberbaut und damit zugänglich sind. Christie 2009, 222. Vgl. unten Kap. 2.4.1 Anmerkungen zu den Standortfaktoren militärischer und ziviler Amphitheater in Germania Superior und Inferior. Golvin 1988, 155.
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aters zu seiner zugehörigen Bau- bzw. Siedlungsstruktur ab, d. h. seine Zugehörigkeit entweder zu einem römischen Militärlager (militärische Amphitheater) oder aber zu einer zivilen Siedlung (zivile Amphitheater). Für die Provinz Germania Superior sind insgesamt vier militärische (Arnsburg, Vindonissa, Zugmantel ‚Hühnerstraße‘, Zugmantel ‚Galgenköppel‘) und sechs zivile Amphitheater (Augusta Raurica / Augst Neun-Türme und Augst-Sichelengraben, Aventicum, Brenodurum, Colonia Iulia Equestris, Vesontio) überliefert, für die Provinz Germania Inferior zwei militärische (Noviomagus, Vetera Castra) und ein ziviles (Colonia Ulpia Traiana) Amphitheater.57 Militärische Amphitheater in Germanien wurden immer außerhalb der Lagerumwehrung im Bereich der jeweiligen Legionslagervorstadt/Marketendersiedlung (canabae legionis) bzw. des jeweiligen Kastelldorfes (vicus) erbaut (Abb. 2).58 Sie befanden sich damit in einem strategischen Sonderbereich, der direkt den Legions- oder Kastelllagerbehörden unterstellt war.59 Bei den insgesamt fünf Militärstandpunkten mit zugehörigem Amphitheater in Germanien handelt es sich um drei Standlager von Legionen (Noviomagus: Kat. 2.7.1, Vetera: Kat. 2.8.1, Vindonissa: Kat. 1.16.1) und um zwei Standlager einer römischen Hilfstruppeneinheit (Arnsburg: Kat. 1.3.1, Zugmantel: Kat. 1.18.1–1.18.2). Ein Vergleich ihrer Größenverhältnisse zeigt, dass in Germanien Amphitheater neben einem Legionsstützpunkt deutlich größer waren als solche neben einer Hilfstruppeneinheit (Tab. 1).60 Wie die Holzbauphasen der militärischen Amphitheater von Vindonissa (Kat. 1.16.1) und Vetera (Kat. 2.8.1) jedoch beweisen, ist ein Amphitheater eines Zweilegionenlagers (Vetera Castra I) nur unwesentlich größer als das eines Einlegionenlagers (Vindonissa). Folglich kann von der Größe und damit vom Fassungsvermögen eines militärischen Amphitheaters nur generell auf ein Legions- oder ein Hilfstruppenlager geschlossen werden, nicht aber auf weitere Spezifizierungen innerhalb dieser Größeneinheiten.61 Darüber hinaus weisen die militärischen Amphitheater der Hilfstruppenstützpunkte in Germanien eine weitere Besonderheit auf, was die Form ihrer Arenen anbelangt: Die Arenen dieser Amphitheater sind nicht wie die aller übrigen Amphitheater oval oder elliptisch, sondern kreisrund (Tab. 1).62 Runde Arenen außerhalb eines römi57 58 59 60 61 62
Militärische Amphitheater: Germania Superior: Kat. 1.3.1, 1.16.1, 1.18.1–1.18.2; Germania Inferior: Kat. 2.7.1, 2.8.1. Zivile Amphitheater: Germania Superior: Kat. 1.4.1–1.4.2, 1.5.1, 1.6.1, 1.7.1, 1.15.1; Germania Inferior: Kat. 2.3.1. Ausführlich dazu s. Kap. 2.4.1 Anmerkungen zu den Standortfaktoren militärischer und ziviler Amphitheater in Germania Superior und Inferior. Jung 2009, 40–41. Piso 2003, 12. Fischer 2001, 15. Piso 1991, 139–141. Wahl 1977, 123Vgl. Sommer 2009, 58. Vgl. Le Roux 1990, 203–204. Zu kreisrunden gyri innerhalb von römischen Militärlagern s. Sommer 2009, 55–60, Abb. 5.1. Zu den rätischen Hilfstruppenkastellen von Dambach und Künzing, die Amphitheater mit ovaler Arena aufweisen, s. Sommer 2009, 48, 50–51. Interessanterweise wird für das Kohortenkastell von Dambach – wie für Arnsburg – eine Belegung mit der Cohors II Aquitanorum Equitata vermutet (Sommer a. a. O., 48).
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schen Militärlagers sind im Imperium Romanum bislang nicht bezeugt.63 Eine etwaige Parallele für diese auffällige Konstellation bietet allein das Militär-Amphitheater von Micia in der Provinz Dacia, das 180 m nordöstlich der Umwehrung des Auxiliarlagers und in der südwestlichen Peripherie des Kastellvicus zu Tage trat.64 Mit Arenamaßen von 31,6 × 29,5 m ist der Kampfplatz des Amphitheaters von Micia ebenfalls annähernd rund gestaltet.65 Für die Germania Superior könnte man demnach auf Grundlage dieser – wenn auch sehr dünnen – Materialbasis die These formulieren, dass Amphitheater von Hilfstruppeneinheiten nicht nur deutlich kleiner waren als die von Legionsverbänden, sondern auch anstelle einer ovalen/elliptischen Arena über eine runde Arena verfügten. Welche Ursache diesem Phänomen zugrunde liegt, ist indes nicht erkennbar. T. Hufschmid arbeitete heraus, dass im Hinblick auf optimale Sichtverhältnisse und spezifische Veranstaltungsprinzipien eine runde Arena für Gladiatorenkämpfe völlig ausreichend wäre. Sobald aber die Arena multifunktionalen Aufgaben wie etwa der Veranstaltung von Jagden oder Tierhetzen (venationes) genügen müsse, bedürfe es zur Generierung von Spannung und Strukturierung der Darbietungen der Schaffung einer klaren Aktionsachse, d. h. einer Streckung des Kreises zur Ellipse.66 Auf die runden Arenen von Arnsburg und Zugmantel bezogen, müsste man daraus folgern, dass man in Germanien in Amphitheatern von Hilfstruppeneinheiten nur munera gladiatoria und keine venationes veranstaltete.67 Bedenkt man den hohen logistischen und finanziellen Aufwand, den die Beschaffung geeigneter Tiere für eine venatio darstellte, gewinnt diese These meines Erachtens durchaus an Plausibilität.68 Denkbar wäre auch, dass man einer runden Arena gegenüber einer elliptischen den Vorzug gab, weil diese deutlich leichter einzumessen war. Dagegen liegen die bislang bekannt gewordenen zivilen Amphitheater in Germanien immer innerhalb eines – oftmals befestigten – Siedlungsareals (Abb. 3).69 Unter den Amphitheatern in Holz-Steinbauweise stellt das Amphitheater von Aventicum/ Avenches (Kat. 1.5.1) mit Außenmaßen von 106 × 91 m das größte unter den zivilen Amphitheatern sowohl der Germania Superior als auch der Germania Inferior dar (vgl. Tab. 1). Ein Vergleich mit dem Amphitheater von Augusta Treverorum/Trier in der Nachbarprovinz Gallia Belgica zeigt, dass das Trierer Amphitheater mit ca. 210 × 150 m Außenmaßen deutlich größer bemessen war – Indiz der wirtschaftlich-politischen
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Vgl. die Übersicht bei Sommer 2009, Abb. 5.1. Sommer 2009, 52–53. Alicu/Opreanu 2000, 42–57, Abb. 12–20. Alicu/Opreanu 2000, 44, Abb. 13. Hufschmid 2009, 198–200. Dem würden die militärischen Amphitheater von Hilfstruppeneinheiten in Rätien (Dambach, Künzing) gegenüberstehen, die über ovale Arenen verfügten und demnach für venationes geeignet gewesen sein müssten. Sommer 2009, 48, 50–51. Zu Nutzungsdispositiven und Tiertransporten im Zusammenhang mit venationes s. Hufschmid 2009, 239–251. Ausführlich dazu s. Kap. 2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept.
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Prominenz der spätantiken Kaiserresidenz.70 Das zweitgrößte zivile Amphitheater in Germanien ist das von Augusta Raurica / Augst-Neun Türme (GS, Kat. 1.4.1), an dritter Stelle rangiert das der Colonia Ulpia Traiana/Xanten in der Germania Inferior (Kat. 2.3.1). Die Vorrangstellung der Amphitheater von Aventicum und Augusta Raurica erscheinen in der darauffolgenden Steinbauphase von Amphitheatern konsolidiert, wobei das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (GI, Kat. 2.3.1) vielleicht von dem in Vesontio/Besançon (GS, Kat. 1.15.1) verdrängt wird.71 Für die zivilen Amphitheater gilt demnach, dass die beiden größten Amphitheater in der Germania Superior beheimatet waren. Größer als jedes zivile Amphitheater der Germania Superior und Inferior war allerdings das militärische Amphitheater von Vindonissa/Windisch (GS, Kat. 1.16.1) mit Außenmaßen von 111 × 99 m, das zugleich auch das älteste in Holz-Steinbauweise errichtete Amphitheater in Germanien war (um 50 n. Chr.; vgl. Tab. 1). Das zivile Amphitheater von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1) erreichte zwar ähnliche Außenmaße (ca. 110 × 99 m) wie das Militäramphitheater von Vindonissa, doch erst über 100 Jahre später (terminus post quem 165 n. Chr.). Die Germania Inferior hingegen kann für sich in Anspruch nehmen, mit dem Militäramphitheater von Vetera Castra das größte Holzamphitheater in Germanien besessen zu haben (Tab. 1).72 Deuten diese Größenverhältnisse eine Vorrangstellung der militärischen gegenüber den zivilen Amphitheatern an? Wurde Militäramphitheatern also möglicherweise ein größerer Stellenwert beigemessen als denen im zivilen Bereich? Waren die Erbauer von Militäramphitheatern mit anderen finanziellen Mitteln ausgestattet als die der zivilen Anlagen? Und wurden mit Militäramphitheatern vielleicht andere Ziele verfolgt als mit Amphitheatern im zivilen Bereich? Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass sowohl bei den zivilen als auch bei den militärischen Amphitheatern größere Umbaumaßnahmen dort, wo sie im Baubefund attestiert sind (Aventicum: Kat. 1.5.1, Vindonissa: Kat. 1.16.1, Zugmantel: Kat. 1.18.1– 1.18.2, Colonia Ulpia Traiana: Kat. 2.3.1, Noviomagus: Kat. 2.7.1), meist mit einer Ver-
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Die Arena des Trierer Amphitheater maß 64 × 50 m und war damit nicht viel größer dimensioniert als etwa die des zivilen Amphitheaters von Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.1) bzw. sogar etwas kleiner als die des Militäramphitheaters von Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1). Das Fassungsvermögen des Trierer Amphitheaters wird auf 15.000–18.000 Zuschauer geschätzt. Kuhnen 2009, 98. Kuhnen 2006, 165–166, 172. Die Außenmaße der Amphitheaters von Vesontio (100 × 84,6 m) entsprechen zwar fast denen der Colonia Ulpia Traiana (99 × 87,5 m), doch ist die Arena in Vesontio (62 × 36,6 m) etwas größer als die der Colonia Ulpia Traiana (60 × 48 m), was Einfluss auf die Größe der jeweiligen cavea genommen haben dürfte. Für das Amphitheater von Vesontio (Kat. 1.15.1) liegen keine Berechnungen hinsichtlich des Fassungsvermögens vor. Für die Steinbauphase des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana hat man ein Fassungsvermögen von 8.000–10.000 Zuschauern berechnet. Heidenreich 1940, 51–54. In claudisch-neronischer Zeit, dem wahrscheinlichen Erbauungsdatum des Amphitheaters von Vetera Castra, lag es neben einem der größten Legionslager des Imperium Romanum, dessen Umfang den damals größten Städten in der Rheinzone ebenbürtig war. Petrikovits 1980, 76.
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größerung der cavea einhergingen. Durch den Ausbau gab man also dem jeweiligen Amphitheater nicht nur ein prunkvolleres Aussehen, sondern reagierte offenbar auch auf eine größere Nachfrage seitens der Zuschauer. Die Eingrenzung des zeitlichen Rahmens, in dem Amphitheater in Germanien errichtet, genutzt und wieder aufgegeben wurden, ist nur mit aller Vorsicht und in vielen Fällen nur äußerst ungenau zu beziffern. Das hängt zum einen mit der sehr unterschiedlichen Erforschungs- und Publikationslage der einzelnen Monumente zusammen, zum anderen aber auch mit einer generellen Schwierigkeit bei der Datierung von Amphitheatern. Für die militärischen Amphitheater bieten zwar die Bauphasen des zugehörigen Militärlagers und/oder die Gelenkstellen in der Belegungsgeschichte der Lager zusätzliche Anhaltspunkte. Doch können diese nicht als zwingend beweiskräftig für die Datierung des zugehörigen Amphitheaters ins Feld geführt werden und kommen daher oft über den Status einer hypothetischen Wahrscheinlichkeit nicht hinaus. Von den insgesamt 13 Amphitheatern in Germanien konnten allein die zwei Amphitheater von Augusta Raurica (Kat. 1.4.1–1.4.2) und das von Vindonissa (Kat. 1.16.1) mit einiger Genauigkeit absolut chronologisch eingeordnet werden. Bei allen anderen konnte weder über den epigraphischen oder numismatischen, noch über den archäologischen Befund eine sichere Datierung gewonnen werden. In der Regel kann daher statt mit absoluten Daten lediglich mit termini ante quos bzw. post quos gearbeitet werden. Dennoch lässt sich sagen, dass sowohl in Germania Superior als auch in Germania Inferior die ersten Amphitheater nach derzeitigem Kenntnisstand militärische Amphitheater waren:73 Das Erbauungsdatum des hölzernen Amphitheaters von Vindonissa (GS, Kat. 1.16.1) wird in den Zeitraum zwischen 30 und 40 n. Chr. gesetzt,74 das von Vetera Castra (GI, Kat. 2.8.1) könnte vielleicht schon in (früh-)claudischer Zeit errichtet worden sein.75 Für die frühesten zivilen Amphitheater liegen keine gesicherten Daten vor, Vermutungen reichen in frühflavische Zeit (Aventicum?, GS, Kat. 1.5.1), meist allgemeiner jedoch in die zweite Hälfte des 1. bzw. die erste Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.76 Es hat demnach den Anschein, dass zivile Amphitheater in den beiden Germanien generell später erbaut wurden als militärische Amphitheater.
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Für den Osten des Imperium Romanum bemerkt Mann 2011, 80, diesbezüglich: „Ein Faktor bei der Ausbreitung der Gladiatorenkämpfe scheint in manchen Regionen die römische Armee gewesen zu sein.“ Trumm/Flück 2013, 228. Matter/Auf der Maur 2012, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 10, 26–28. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 73. Hanel 2008, 105. M. E. könnte die Erbauung des Amphitheaters von Vetera Castra mit dem Belegungswechsel des Lagers in Verbindung gestanden haben, der möglicherweise um die Mitte der 40er-Jahre des 1. Jhs. n. Chr. stattgefunden hat. Ausführlicher dazu unten im Kap. 2.2.3 Vetera Castra/Birten. Germania Superior: Brenodurum: Kat. 1.6.1, Vesontio: Kat. 1.15.1; Germania Inferior: Colonia Ulpia Traiana: Kat. 2.1). Vgl. Dodge 2009, 36–37, die – ohne allerdings zwischen militärischen und
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Diese These wird gestützt durch Beobachtungen in der Konstruktionsweise der militärischen bzw. zivilen Amphitheater. Überall dort, wo Amphitheater mit mehreren Bauphasen überliefert sind, wird deutlich, dass Amphitheater in Holzbauweise relativ chronologisch älter sind als solche in Holz-Steinbauweise und Letztgenannte wiederum älter als die in reiner Steinbauweise.77 Diese allmählich fortschreitende Petrifizierung ist dabei keineswegs ein isoliertes Phänomen innerhalb der Amphitheaterarchitektur, sondern verläuft in Germanien synchron zu einer allgemeinen Bautendenz im militärischen und zivilen Bereich – sowohl im privaten wie im öffentlichen Raum.78 Bislang ist kein ziviles Amphitheater in Germanien bezeugt, das in reiner Holzbauweise errichtet wurde. Diese Bauweise ist allein bei militärischen Amphitheatern anzutreffen und entspricht in vielen Fällen der zeitgleichen Bauweise des zugehörigen Militärlagers. Die frühesten zivilen Amphitheater sind hingegen in Holz-Steinbauweise gefertigt, d. h. die Sitzstufen der Zuschauerränge wurden aus Holz, alles Übrige wie etwa die Begrenzung der Arena, Bedienungsgänge, carceres oder vomitoria wurden in Stein ausgeführt. Ein vollständiger Ausbau der Amphitheater in Stein ist dagegen eine Entwicklungsstufe, die nur noch knapp die Hälfte aller Amphitheater in Germanien erreicht.79 Weder in Germania Superior noch in Germania Inferior ist allerdings ein militärisches oder ziviles Amphitheater überliefert, bei dem alle drei Entwicklungsstufen nachgewiesen werden konnten. Relativ chronologisch betrachtet lässt sich im Hinblick auf die Entstehung von Amphitheatern auf dem Gebiet der Germania Superior und Inferior ein weiteres Phänomen beobachten: Erst kommen die Römer, dann die Amphitheater. Mit dieser stark vereinfachten Formel ist für den militärischen Bereich gemeint, dass Amphitheater nach der Errichtung eines Standlagers einer römischen Truppeneinheit entstehen. Für den zivilen Bereich bedeutet die vereinfachte Formel, dass eine Siedlung erst ein gewisses urbanistisches Gepräge annehmen musste, bevor der Boden für die Errichtung eines Amphitheaters bereitet war.80 Dieses urbanistische Gepräge ist in Germa-
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zivilen Amphitheatern zu unterscheiden – für die Amphitheater in den östlichen Provinzen des Imperium konstatiert: „(…) none can be dated to a period earlier than the later 1st century AD.“ Petrikovits 1991, 177. Vgl. Kuhnen 2006, 163–165. Hufschmid 2009a, 105. Zum Übergang von Holzamphitheatern zu Steinamphitheatern in Italien vgl. Welch 2007, 91–94. Schmidts 2014, 46. Bechert 2007, 103–104. Vgl. Kuhnen 2006, 163–165. Hufschmid 2009a, 105. Böcking 1974, 110–111. Germania Superior: Arnsburg (?) (Kat. 1.3.1), Augusta Raurica (Kat. 1.4.2), Aventicum (Kat. 1.5.1), Colonia Iulia Equestris (Kat. 1.7.1) und Vesontio (?) (Kat. 1.15.1); Germania Inferior: Colonia Ulpia Traiana (Kat. 2.3.1) und Ulpia Noviomagus (Kat. 2.7.1). Coulston 1998, 1: „It is precisely this model of town, laid out by surveyors over a new site with regular streets, drainage, temples, forum, baths and domestic zones, that was emulated when Augustan armies required military ‚towns‘ in areas without indigenous urban traditions.“ Zu den Verhältnissen im Osten des Imperium Romanum s. Mann 2011, 54–57. Vgl. auch Hufschmid 2009, 168–169, der den Bau von Amphitheatern in Germanien als eine direkte Reaktion auf den zweiten Sieg Trajans in Dakien verstanden wissen will.
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nien stets römischer Natur, d. h. innerhalb indigener – germanischer, keltischer oder gallischer – Besiedlungsstrukturen wurden Amphitheater in Germanien bislang nicht nachgewiesen.81 Sowohl für zivile als auch für militärische Amphitheater in Germanien ist es äußerst diffizil, das Ende ihres jeweiligen Benutzungszeitraums exakt zu bestimmen. Ein Hauptgrund dafür liegt nicht nur – wie bereits angedeutet – in der Schwierigkeit der Festlegung des jeweiligen Erbauungsdatums eines Amphitheaters, sondern auch in dem zumeist nur allmählichen Verfall bzw. der allmählichen Schleifung dieser Monumente. Zerstörungshorizonte als Indikatoren für die definitive Aufgabe eines Amphitheaters sind in Germanien sehr selten nachgewiesen. Auch die nur temporäre Nutzung der Bauwerke sowie der Umstand, dass einige Bereiche der Amphitheater vor und nach munera-Veranstaltungen von Abfällen, Tierfäkalien etc. gesäubert wurden,82 verursachte eine Fundleere, die allgemein in Amphitheatern zu beobachten ist und wichtiges datierendes Material dem Zugriff der Wissenschaft entzogen hat. Hinzu kommt, dass die Grenze zwischen Funden, die eindeutig einer arenaspezifischen Aktivität (munera gladiatoria, venationes) zuzurechnen sind, und solchen, die eine zweckentfremdete Nutzung offenbaren, nicht immer klar gezogen werden kann. Auch eine nicht spectatcula-spezifische spät- und nachantike Nutzung einiger Amphitheater zum Beispiel als Wohnbehausungen lässt die Grenzlinien der Nutzungshorizonte dieser Monumente verschwimmen. Wichtige Hinweise liefern in diesem Zusammenhang die chronologisch fassbaren jüngsten Umbauphasen einiger Amphitheater. Diese datieren laut Aussage des jeweiligen Baubefundes im Amphitheater von Augusta Raurica (Kat. 1.4.2) um 170 n. Chr., von Aventicum (Kat. 1.5.1) nach 165 n. Chr., von Vesontio (Kat. 1.15.1) vielleicht nach 175 n. Chr. und von der Colonia Ulpia Traiana (Kat. 2.3.1) vielleicht später als die Mitte des 2. Jhs. n. Chr.83 Die Blüte der zivilen Amphitheaterarchitektur in den beiden Germanien scheint demnach etwa in das letzte Drittel des 2. Jhs. n. Chr. zu fallen. Obgleich die Aufgabe eines Amphitheaters nur sehr schwer chronologisch fassbar ist, hat es nach Sichtung der Funde und Befunde den Anschein, dass dieser Prozess in Germanien nicht nur für die zivilen und militärischen Amphitheater differenziert be81
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S. auch Fischer 2001, 14–15, der für die Städte Aquincum/Budapest, Brigetio, Carnuntum/ Deutsch-Alteburg/Petronell, Vindobona/Wien, Lauriacum/Lorch, Reginum/Regensburg, Mogontiacum/Mainz, Bonna/Bonn und Colonia Claudia Ara Agrippinensium/Köln zum selben Ergebnis kommt. Für Palästina lassen sich laut Weiss 2014, 63–64, ähnliche Tendenzen erkennen: „Oval buildings were now constructed in only a few cities, apparently those boasting a marked Roman presence. (…) The renewed organization of Provincia Palaestina, the presence of Roman officials and military veterans in the large cities, and the permanent settlement of two Roman legions and many auxiliary forces in the province after the suppression of the Bar-Kokhba revolt perhaps better explain the sweep of building activity of amphitheaters in our region.“ Vgl. Hufschmid 2009, 200–202. Zu den einzelnen Amphitheatern s. unten in Kap. 2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
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trachtet werden muss, sondern auch für die beiden Provinzgebiete Germania Superior und Inferior. So scheint die Benutzung der militärischen Amphitheater auf das Engste mit der Stationierung der jeweiligen Militäreinheit im zugehörigen Lager verbunden gewesen zu sein. Wird dieses Lager aufgelassen oder gewaltsam zerstört, erfährt auch das ‚truppeneigene‘ Amphitheater das Ende seiner Benutzungszeit.84 Dies trifft – mit der gebotenen Vorsicht – auf die Amphitheater von Arnsburg (Kat. 1.3.1), Vindonissa (Kat. 1.16.1) und Zugmantel (Kat. 1.18.1–1.18.2) in der Germania Superior sowie auf das von Noviomagus (Kat. 2.7.1) und Vetera Castra (Kat. 2.8.1) in der Germania Inferior zu. Eine zivile Weiternutzung eines ehemals militärischen Amphitheaters als Veranstaltungsstätte für ‚zivile‘ munera hat es in Germanien demnach wahrscheinlich nicht gegeben, zumindest nicht in den bislang nachgewiesenen militärischen Amphitheatern. Dabei lassen die militärischen Amphitheater von Germanien für ihre Aufgabe bzw. Zerstörung zwei historische Gelenkstellen erkennen. Die erste dieser Gelenkstellen betrifft Truppenverschiebungen am Anfang des 2. Jh. n. Chr., die durch die Dakerfeldzüge Trajans (101–106 n. Chr.) bedingt waren.85 Trajan, der unter Nerva Statthalter der Provinz Germania Superior war und in den Jahren 97–99 n. Chr. die Rhein- und Donaugrenzen persönlich inspiziert hatte, zog für seine Feldzüge gegen die Daker zwei Legionen aus der Germania Inferior sowie eine Legion aus der Germania Superior ab.86 Von dieser strategischen Truppenverschiebung waren die Legionsstützpunkte in Vindonissa (GS) und Ulpia Noviomagus (GI) betroffen, deren Besatzungen um 101 n. Chr. (Vindonissa) bzw. um 103/104 n. Chr. (Ulpia Noviomagus) an die Donau abkommandiert wurden.87 Kurz nach ihrem Abzug und der Auflassung ihrer Lager scheint auch das jeweilige Amphitheater aufgegeben worden zu sein. Die zweite wichtige Gelenkstelle kann knapp 150 Jahre später ausgemacht werden und betrifft zunächst vornehmlich das Gebiet der Germania Superior. Um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. überwinden alamannische Völkerschaften endgültig den Obergermanisch-Rätischen limes und weihen die noch existierenden militärischen Amphitheater – aber auch einige zivile wie die von Brenodurum/Bern (Kat. 1.6.1) und Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1) – in der Germania Superior dem Untergang.88 Dies betrifft die limesnahen Auxiliarkastelle Arnsburg (Kat. 1.3.1) und Zugmantel
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Zum Amphitheater von Vetera Castra, das einen Sonderfall darstellt, s. ausführlicher unten Kap. 2.2.3 Vetera Castra/Birten. Vgl. Heuß 2016, 396–397. Bengston 1970, 328–332. Petrikovits 1980, 104. Bellen 2010, 116–118. Bengston 1970, 328. Petrikovits 1980, 104. Willems/van Enckevort 2009, 74, 76 (Ulpia Noviomagus). Vindonissa: Frei-Stolba et al. 2011, 7; Trumm 2011, 50; vgl. auch J. Trumm, Der Weg der 11. Legion von Vindonissa an die untere Donau – eine archäologische Spurensuche, in: JBer Pro Vindon 2008, 2009, 15–20. Petrikovits 1980, 172. Bellen 2010, 223–224. Demandt 2007, 49–51. Zu Brenodurum s. Müller-Beck 1957, 64; zu Noviodunum/Nyon s. Walser 2000, 1031. Drack/Fellmann 1988, 456.
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(Kat. 1.18.1–1.18.2), deren Amphitheater nach der gewaltsamen Zerstörung ihrer Kastelle aufgegeben wurden.89 Das Nutzungsende der militärischen Amphitheater in der Provinz Germania Superior kann daher nach derzeitigem Kenntnisstand grob in das letzte Drittel des 3. Jhs. n. Chr. datiert werden. Das Ende der zivilen Amphitheater in der Germania Superior kann dagegen nur sehr vage und mit großer Vorsicht bestimmt werden, da lediglich termini post quos für ihre Aufgabe zu ermitteln sind: So wurde das Amphitheater von Vesontio nach 175 n. Chr. aufgegeben, das von Aventicum nach 193 n. Chr. und das von Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben wahrscheinlich um 270/280 n. Chr. Insgesamt scheint demnach mit dem Ende des 3. Jhs. n. Chr. die Nutzungsaufgabe der zivilen Amphitheater in der Germania Superior erreicht zu sein. In Germania Inferior war es im Verlaufe des 3. Jhs. n. Chr. ebenfalls immer wieder zu Einfällen feindlicher Germanengruppen gekommen.90 Die Schwächung der Defensivlage am Niederrhein durch den Abzug niedergermanischer Truppeneinheiten unter Kaiser Gallienus ermutigte fränkische Gruppen, den Rhein erneut zu überschreiten und weite Teile der Germania Inferior zu verheeren.91 Die außen- und innenpolitischen Bedrohungen, die das Imperium Romanum in den Jahren ab 259/260 n. Chr. zu gewärtigen hatte, sowie eine veränderte sozio-politische Topographie innerhalb der westgermanischen Stämme begünstigten in der Folge die Entstehung des sog. Gallischen Sonderreiches.92 Seinen Beginn markiert die Kaisererhebung des Cassianus Latinius Postumus, die im Jahre 260 n. Chr. in der CCAA/Köln stattfand.93 Das Herrschaftsgebiet des Postumus erstreckte sich auf die beiden Germanien, die drei gallischen und zwei britannischen Provinzen und – zumindest zeitweise – auf die Provinzen der Iberischen Halbinsel sowie auf Rätien.94 Kaiser Aurelian bereitete dem imperium Galliarum unter seinem letzten Gegenkaiser Tetricus im Jahr 274 n. Chr. ein – wenngleich schmerzloses – Ende und gliederte es wieder in das Imperium Romanum ein.95 Am Rhein hatte das Gallische Sonderreich für eine gewisse Stabilität der römischen Ordnung gesorgt, da die Grenzverteidigung militärisch besser organisiert war und auf die fortwährenden Angriffe fränkischer Verbände schneller reagiert werden konnte.96 Nach der Eingliederung des Gallischen Sonderreiches blieben die Franken weiterhin 89 90 91 92 93 94 95 96
Zu Arnsburg s. Von Kaenel et al. 2010, 14. Becker 2009, 24; zum Zugmantel s. Sommer 1988, 526– 527. Demandt 2007, 48–49. Bechert 2007, 108. Bellen 2010, 223–224. Demandt 2007, 50–53. Bengston 1970, 378–383. Zur Gefährdung der Rheingrenze seit den 40er Jahren des 3. Jhs. n. Chr. s. Petrikovits 1980, 168 ff. Eck 2012, 63–64, 75–78. Bechert 2007, 109–110. Petrikovits 1980, 174–176. Bengston 1970, 384. Vgl. Demandt 2007, 48–51. Zur literarischen Überlieferung s. Manuwald 2012. Heinen 1985, 90–95. Bechert 2007, 109–110. Demandt 2007, 51. Eck 2004, 565, 572–574, 578–479, Anm. 1 mit weiterführender Literatur. Petrikovits 1980, 172–173. Bellen 2010, 229–230, 234–235. Eck 2012, 65–69. Eck 2012, 81. Eck 2004, 581–582. Bechert 2007, 110. Petrikovits 1980, 175–176. Bengston 1970, 383– 384. Bellen 2010, 240–241. Vgl. Demandt 2007, 51. Otten 2012, 214. Bechert 2007, 109–110. Demandt 2007, 51. Eck 2004, 565, 572–574, 578–479.
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eine Bedrohung für die Rheingrenze und unter Kaiser Probus (276–282 n. Chr.) wurde Germania Inferior schließlich von den bis dahin schwersten Einfällen fränkischer Verbände in Mitleidenschaft gezogen, die auch die Städte Xanten und Agrippina – wie die CCAA nun genannt wurde – schwer getroffen haben.97 Wann hier das Ende der Benutzungszeit militärischer Amphitheater anzusetzen ist, kann aufgrund der mangelnden Befundsituation nicht sicher bestimmt werden. Da das Militäramphitheater von Nijmegen zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben worden war (s. oben), kann von den Frankeneinfällen allein das Amphitheater von Vetera Castra betroffen gewesen sein. Zwar war das Zweilegionenlager von Vetera Castra I im Zuge des Bataveraufstandes 70 n. Chr. vollständig zerstört worden, nicht aber sein zugehöriges Amphitheater.98 Es ist durchaus vorstellbar, dass das Amphitheater von den Soldaten der nachrückenden Legionen XXII Primigenia, VI Victrix oder XXX Ulpia Victrix, die im neu errichteten Lager Vetera Castra II stationiert waren, weiterhin genutzt wurde.99 Das Lager von Vetera Castra II, dessen genaue Lage auf der Bislicher Insel bislang nicht gesichert ist, wurde in der Zeit nach 260 n. Chr. aufgegeben und zerstört, „vermutlich im Zusammenhang mit den fränkischen Einfällen nach Aufhebung des Gallischen Sonderreiches (…) um 276“ n. Chr.100 Für das Nutzungsende der militärischen Amphitheater in Germania Inferior ergeben sich nun zwei Denkszenarien: Entweder man nimmt an, dass das Amphitheater von Vetera Castra bis mindestens zum Bau des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana in Benutzung war, das nach neuesten Erkenntnissen möglicherweise nicht vor den 20er Jahren des 2. Jhs. n. Chr. errichtet wurde.101 Dann wären Militäramphitheater in der Germania Inferior allerdings über 100 Jahre früher aufgegeben worden als in der Germania Superior.102 Oder man würde annehmen, dass das Amphitheater von Vetera Castra I erst mit der Zerstörung des Lagers von Vetera Castra II endgültig aufgegeben wurde. In diesem Fall würde das Ende der militärischen Amphitheater in Germania Inferior in das letzte Drittel des 3. Jhs. n. Chr. fallen und wäre etwa zeitgleich mit dem der militärischen Amphitheater in Germania Superior anzusetzen. Da das Amphitheater von Vetera Castra aber nie vollständig ausgegraben und wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen wurde, lässt sich derzeit weder das eine noch das andere Denkszenario wahrscheinlicher machen. Auch für das Ende der zivilen Amphitheater in der Germania Inferior sieht man sich Spekulationen gegenüber. Das einzige, heute überlieferte zivile Amphitheater in Nie97
Eck 2012, 81–82. Eck 2004, 581–582. Bechert 2007, 110. Petrikovits 1980, 175–176. Bengston 1970, 383–384. Bellen 2010, 240–241. Vgl. Demandt 2007, 51. 98 Tac. hist. 4,60. Obladen-Kauder 2013, 109. Mainberger/Obladen-Kauder 2011, 125. Song/Hanel 2011, 88. Hanel 1995, 6–7. Detten 1995, 59. Urban 1985, 61–67. Petrikovits 1980, 70–76. 99 Ausführlicher zu dieser These der Autorin unten im Kap. 2.2.3 Vetera Castra/Birten. 100 Otten 2012, 200. 101 S. unten im Kap. 2.2.1 Colonia Ulpia Traiana/Xanten. 102 Otten 2012, 200.
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dergermanien stellt das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) dar. Ob – und wenn ja, in welchem Ausmaß – es von den Frankeneinfällen in der zweiten Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. in Mitleidenschaft gezogen wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da man bei seiner Entdeckung allein auf seine Fundamente stieß.103 Sein Nutzungszeitraum könnte allerdings bis in konstantinische Zeit gereicht haben, denn die Verfüllung des Arena-hypogaeums mit Bauschutt suggeriert die Aufgabe des Amphitheaters bis spätestens zu eben diesem Zeitraum.104 Es wäre demnach möglich, dass die Nutzungsaufgabe ziviler Amphitheater in der Germania Inferior etwas später als die der zivilen Amphitheater in der Germania Superior angenommen werden darf. Erst unter Diokletian (284–305 n. Chr.), der im gesamten Imperium eine umfassende Verwaltungs-, Wirtschafts- und Militärreform durchführte, stellte sich eine gewisse Beruhigung in Germanien ein und die Rheingrenze konnte gesichert werden.105 Die ehemalige Provinz Germania Inferior wurde nun in Germania secunda (II) umbenannt und dem Verwaltungsbereich der praefectura Galliarum mit Amtssitz in Augusta Treverorum/Trier zugeschlagen.106 Die ehemalige Provinz Germania Superior wurde in die neu gegründeteten Provinzen Maxima Sequanorum und Germania prima (I) aufgeteilt.107 Welche Auswirkungen diese administrativen und politischen Neuordnungen auf die Amphitheaterarchitektur im Gebiet der ehemaligen Provinzen Germania Superior und Inferior gehabt haben, lässt sich heute nicht mehr erfassen, da uns aus dieser Zeit so gut wie keine sicheren Zeugnisse mehr vorliegen. Die Überschreitung des obergermanischen limes sowie wenig später des niedergermanischen Rheins durch alamannische bzw. fränkische Völkergruppen bedeutete in Germanien zwar nicht das sofortige Aus der römischen Amphitheater, doch markierte sie für Germanien das Ende der militärischen Amphitheater und läutete das der zivilen Amphitheater ein: in der ehemaligen Germania Superior verliert sich die Spur der aktiv genutzten Amphitheater gegen Ende des 3. Jhs., in der ehemaligen Germania Inferior kurz darauf in spätestens konstantinischer Zeit. Ein Vergleich mit Amphitheatern anderer Provinzen des Imperium Romanum bzw. mit solchen in Italien muss aufgrund der bereits für Germanien konstatierten Schwierigkeit in der exakten Bestimmung der Nutzungszeiträume generell mit Vorsicht angestellt werden.108 In Gallien scheinen Amphitheater bis zur Mitte bzw. zum Ende des 4. Jhs. n. Chr. genutzt worden zu sein, während für Nordafrika und Italien Benutzungs103 Otten 2012, 202. Müller 2008, 361, Abb. 215. Hinz 1976, 31, Abb. 17. Heidenreich 1940, 33–34. 104 Müller 2008, 366, 371. Otten 2012, 205. Zu dieser Zeit befand sich das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana bereits außerhalb der spätantiken Großfestung, die zwischen 276 und spätestens 310 n. Chr. errichtet worden war und nur noch das Gebiet der 9 zentralen insulae der Colonia Ulpia Traiana umfasste. Otten a. a. O., 203–205. 105 Eck 2012, 82. Bechert 2007, 111–113. Demandt 2007, 50, 67–69. Bellen 2010, 245. 106 Bechert 2007, 111. Demandt 2007, 67. Vgl. Heuß 2016, 498. Heinen 1985, 219–223. 107 Bechert 2007, 111. Demandt 2007, 67. 108 Puk 2014, 251.
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zeiträume vereinzelt bis ins 5. Jh. n. Chr. gereicht zu haben scheinen.109 In Hispanien dagegen wird die Wende vom 3. zum 4. Jh. n. Chr. als das Ende der Amphitheaternutzung postuliert.110 In der Provinz Britannia werden Amphitheater nicht länger als bis zur Mitte des 4. Jhs. n. Chr. für spectacula genutzt.111 Bezogen auf das gesamte Imperium Romanum ist zudem festzuhalten, dass Neubauten von Amphitheatern ab der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. nicht mehr zu verzeichnen sind.112 Auch wenn der Nutzungszeitraum eines Amphitheaters nicht generell mit dem Veranstaltungszeitraum von munera gladiatoria gleichgesetzt werden kann, so liefert das Verstummen literarischer und epigraphischer Quellen zur Veranstaltung von Gladiatorenkämpfen aufschlussreiche chronologische Hinweise. Nach einer neueren Untersuchung von A. Puk legen der literarische und epigraphische Befund nahe, dass in Nordafrika und im Osten des Imperium Romanum Gladiatorenkämpfe am Ende des 4. Jhs. n. Chr. nicht mehr veranstaltet wurden,113 während sie im Kernland der Gladiatur, in Italien bzw. Rom, wohl zwischen ihrer letzten Erwähnung durch Prudentius im Jahr 402/403 n. Chr. und dem Tod des Honorius 423 n. Chr. ebenfalls zum Erliegen kamen.114 Das Ende der munera gladiatoria war allerdings kein abruptes Erlöschen, sondern das Ergebnis eines allmählichen Prozesses, der bereits um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. eingesetzt hatte.115 Vor diesem Hintergrund und dem Ansatz der Blütezeit von Amphitheatern in Germanien in das letzte Drittel des 2. Jhs. n. Chr. könnte man vermuten, dass in Germanien eher früher als später in dem genannten Zeitraum mit der Aufgabe von Amphitheatern und einem damit initiierten Rückgang der munera gladiatoria zu rechnen ist. Verlockend an dieser These wäre, sich den Rückgang der munera-Veranstaltungen als ein gleichsam geographisches ‚Zurückziehen‘ von der Peripherie des Imperium Romanum zu seinem Zentrum in Rom vorzustellen. Für Germanien würde das bedeuten, dass der Prozess des Niedergangs der Gladiatur retrograd zu dem ihrer Entstehung abgelaufen wäre: Die römische Gladiatur kam relativ spät von Rom aus nach Germa109 Puk 2014, 251, Anm. 128 mit weiterführender Literatur. Bomgardner 2000, 197–201. Zu den Erbauungsdaten von nordafrikanischen Amphitheatern s. die Tabelle bei Bomgardner a. a. O., 184–187. Das Amphitheater von Augusta Treverorum/Trier (Gallia Belgica) wurde bis mindestens in die 2. Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. genutzt. Kuhnen 2006, 166. Im heutigen Ägypten sind keine Überreste von Amphitheatern auf uns gekommen. Dodge 2009, 37. 110 Puk 2014, 252, Anm. 130 mit weiterführender Literatur. 111 Wilmott 2008, 183. 112 Puk 2014, 250. Bomgardner 2000, 197–201. So auch Golvin 1988, 268, dessen Materialbasis heute jedoch als z. T. veraltet betrachtet werden muss. 113 Puk 2014, 245. Vgl. Demandt 2007, 459. 114 Puk 2014, 245–247. „Ein endgültiges Einstellen der Gladiatorenspiele dürfte daher bald nach dem Jahr 403, jedoch spätestens vor dem Tod des Honorius 423 nach Christus erfolgt sein, möglicherweise im Zusammenhang mit der Plünderung Roms durch die Westgoten.“ Puk a. a. O., 247. Bomgardner 2000, 201, setzt das Ende der Gladiatorenkämpfe auch für Rom in die Mitte des 5. Jhs. n. Chr. 115 Puk 2014, 253. Zu den verschiedenen Erklärungsversuchen und Ursachenforschung bezüglich des Niedergangs des Gladiatorenwesens s. Puk a. a. O., 232–233, 253–263.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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nien und zog sich relativ früh von Germanien wieder nach Rom zurück. Wie genau sich diese Ausdehnung und ihr anschließendes Zurückziehen an den einzelnen Orten in Germanien, an denen Amphitheater nachgewiesen werden konnten, vollzogen, soll die nachfolgende Detailanalyse der Monumente und ihres jeweiligen Kontextes veranschaulichen. 2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior 2.1.1 Arnsburg (Kat. 1.3.1) Das zur hessischen Kleinstadt Lich gehörende Arnsburg liegt ca. 15 km südöstlich der heutigen Universitätsstadt Gießen.116 Hier entdeckte man ein Amphitheater, das sich in einer Entfernung von 250 m im Südosten eines römischen Kastells befand.117 Dieses Kastell galt in der Antike als das nördlichste Kohortenkastell der Wetteraulinie, das aufgrund seiner Nähe zum Limesdurchgang, der hier zu Land und zu Wasser erfolgen konnte, an einer wichtigen Schnittstelle zur Germania libera lag.118 Die nördliche Wetteraulinie riegelte das Imperium Romanum zur sog. Hessischen Senke hin ab, in der die Siedlungsgebiete der germanischen Chatten lagen.119 Sie galt daher als eine der stärker gefährdeten Grenzregionen, was schon früh zur Stationierung römischer Militärverbände in diesem Gebiet geführt hatte.120 Luftbilder, Lesefunde und geomagnetische Messungen haben gezeigt, dass es hier bereits in der frühen Kaiserzeit mindestens zwei römische Marschlager gegeben hat.121 Das Kastell Arnsburg lag auf einem Geländesporn, der den Mündungsbereich des Welsbaches in die Wetter überragte und Sicherheit vor Hochwasser sowie vor Angriffen aus Norden und Osten bot.122 Im Westen und Süden dagegen war das Lagerareal verkehrstechnisch gut an die zentrale Wetterau angebunden.123 Der Limesabschnitt, an dem das Kastell Arnsburg liegt, ist wohl als Folge des Chattenkrieges Domitians (83–84 n. Chr.) bereits um das Jahr 85 n. Chr. angelegt worden.124 Das Amphitheater von Arnsburg befand sich auf dem Gebiet des vicus des Kohortenkastells, das in geschützter Lage ca. 1200 m vom Limes entfernt lag und diesem mit
Von Kaenel et al. 2010, 14. Sommer 2009, 47. Becker 2009, 18, 20. Von Kaenel et al. 2010, 17. Becker 2009, 8–12. Heute befindet es sich nahe einer Landstraße, die von der B 488 abgehend nach Muschenheim führt, sowie der Eisenbahntrasse, die das runde Steinfundament an einer Stelle schneidet. Bender 2005, 101. Baatz/Herrmann 1982, 228–229, Abb. 153. 119 Baatz 2000, 159. 120 Baatz 2000, 159. Becker 2009, 13, 23. 121 Von Kaenel et al. 2010, 14. Becker 2009, 13–17, 23. 122 Becker 2009, 8, topographische Karte auf S. 3. Baatz/Herrmann 1982, 229, Abb. 153. 123 Becker 2009, 8. Baatz/Herrmann 1982, 229, Abb. 153. 124 Baatz 2000, 159. 116 117 118
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
seiner Ostseite zugewandt war.125 Wahrscheinlich unmittelbar nördlich der Stelle, wo die Wetter den Verlauf des Limes schnitt, befand sich der eigentliche Limesdurchgang, d. h. ca. 1,8 km vom Lager entfernt.126 Das Kastell wurde vermutlich in der Zeit zwischen 90 und 100 n. Chr. in Holz-Erde-Konstruktion errichtet und in Analogie zu anderen Kastellen am Wetteraulimes im zweiten Drittel des 2. Jhs. n. Chr. in Stein ausgebaut.127 Seine strategisch prominente Lage macht es plausibel, dass sich an dieser Stelle bereits in augusteischer/tiberischer Zeit ein Militärlager befand, das vielleicht zusammen mit anderen, im Norden nachgewiesenen Lagern als Operationsbasis während der Germanenkriege des Augustus und Tiberius fungierte.128 Kastellgröße und verschiedene Funde liefern Indizien für die Belegung des Kastells Arnsburg.129 Während seiner Holz-Erde Phase war es in flavischer Zeit zunächst mit der cohors II Aquitanorum Equitata Civium Romanorum belegt, eine keltische Hilfstruppeneinheit, die ursprünglich in Aquitanien ausgehoben worden war und zwischen 107 und 116 n. Chr. von Arnsburg in die Provinz Raetia versetzt wurde.130 Abgelöst wurde sie in der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. von der cohors I Aquitanorum (Veterana Equitata), die vom Lager Friedberg nach Arnsburg verlegt worden war und wohl kurz nach der Mitte desselben Jahrhunderts in Richtung des Kastells Stockstadt abkommandiert wurde.131 Danach diente das Kastell Arnsburg möglicherweise der cohors V Delmatorum als Standlager.132 Umschlossen wurde das Kohortenkastell im Westen, Süden und Osten von einem zugehörigen Lagerdorf (vicus), in dessen südlicher Peripherie das Amphitheater entdeckt wurde (vgl. Abb. 2e). Kastell und vicus wurden in der Zeit zwischen 2004 und 2010 umfangreichen geophysikalischen Untersuchungen unterzogen.133 Dabei fand man Besiedlungsspuren des vicus hauptsächlich im Süden des Lagers, während im Osten und Westen diese nur in spärlicherem Ausmaß nachweisbar waren.134 Der Kern des
125 126 127 128 129 130 131 132 133 134
Baatz/Herrmann 1982, 229–230. Kofler 1914, 2. Baatz/Herrmann 1982, 229, Abb. 153. Becker 2009, 23–24. Baatz 2000, 159. Vgl. Kofler 1914, 19. Das spätere Steinkastell hatte eine Größe von ca. 185 m x ca. 161 m (2,9 ha). http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=57&L=0 (7.4.2016). Von Kaenel et al. 2010, 15. Von Kaenel et al. 2010, 14. http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=57&L=0 (7.4.2016). Dagegen Becker 2009, 23, der davon ausgeht, dass es wahrscheinlich kein früheres Lager an der Stelle des späteren Limeskastells Arnsburg gab. Becker 2009, 24. Baatz/Herrmann 1982, 230. Sommer 2009, 47. Becker 2009, 24–26. Baatz/Herrmann 1982, 230. Bei der Besatzung des Kastells geht man von einer gemischten Einheit von mind. 500 Mann aus, die Reiter- und Fußsoldaten umfasste. Von Kaenel et al. 2010, 15. Becker 2009, 25–26. http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=57&L=0 (7.4.2016). Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden von Von Kaenel et al. 2010 vorgelegt. Becker 2009, 20. Kofler 1914, 15. http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=57&L=0 (7.4.2016). Die Bebauung des Lagerdorfs im Osten des Kastells folgt einer Straße, die das Wettertal und das Zentrum des Dorfes miteinander verbindet, während sich im Westen die Bauten entlang der aus dem Lager kommenden porta decuamana befinden. Von Kaenel et al. 2010, 15.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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Lagervicus erstreckte sich zu beiden Seiten einer vom Kastell aus nach Süden in die Wetterau führenden Straße, wo sich Bebauungsspuren noch 300 m weiter in Richtung Süden nachweisen ließen.135 Das Lagerdorf mit Forum und typischen Streifenhäusern war demnach im direkten Vorfeld des Militärlagers errichtet worden und von diesem durch eine das Lager umgebende Ringstraße getrennt.136 Im 3. Jh. n. Chr. war der Lagervicus mit einer Umwehrung in Form eines Grabens versehen worden, der ca. ¾ des Siedlungsbereichs umgab und es zu einer trapezoiden Grundfläche zusammenschloss.137 An der südwestlichen Lagerecke band die vicus-Umwehrung in den Umwehrungsgraben des Kohortenkastells ein, was für den Obergermanisch-Rätischen Limes ungewöhnlich ist138 und für eine enge Beziehung zwischen Militärlager und vicus spricht. Aufgegeben wurden Lagerdorf und Kastell um 260/270 n. Chr., was zugleich das Ende der Benutzungszeit des Amphitheaters bedeutet haben wird.139 Unmittelbar außerhalb der vicus-Umwehrung aus dem 3. Jh. n. Chr. und an einer Straße Richtung Wetterniederung im Osten stieß man bereits 1911 auf ein 62–64 cm starkes Steinfundament von runder Form, das schnell als Teil eines römischen Bauwerkes erkannt wurde.140 Mit Hilfe eines Fotos des Luftbildarchäologen K. Leidorf aus dem Jahre 1992 konnte es schließlich als Amphitheater identifiziert werden, was jüngst durch geophysikalische Untersuchungen bestätigt wurde.141 Da der Lagervicus bislang lediglich mit nicht-invasiven Methoden untersucht wurde (vgl. Abb. 2e), kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob das Amphitheater von Arnsburg vor dem Bau der vicus-Umwehrung innerhalb des Siedlungsbereiches lag. Für diese These spricht, dass mit der Umwehrung nur ca. ¾ des vicus-Gebietes umgeben wurden, während sich entlang der nach Süden führenden antiken Straße weitere Siedlungsspuren fanden.142 Über die Bewohner des Kastelldorfes bzw. die Zusammensetzung seiner Bevölkerung liegen bislang keine gesicherten Erkenntnisse vor, da die Funde und Befunde diesbezüglich noch nicht ausgewertet wurden.143 Da auch das chronologische Verhältnis der Siedlungsspuren zur vicus-Umwehrung bzw. dem Amphitheater bislang ungeklärt ist, muss offen bleiben, ob das Amphitheater zum eigentlichen Siedlungsge-
http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=57&L=0 (7.4.2016). Von Kaenel et al. 2010, 15. Becker 2009, 20. Vgl. Kofler 1914, 15. 136 Von Kaenel et al. 2010, 15. 137 http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=57&L=0 (7.4.2016). Dieses Trapez war im Süden nur etwa 100 m breit, im Norden, wo es an das Lagerareal anstieß, ca. 300 m. Von Kaenel et al. 2010, 16, Nr. 12 auf S. 19. Vgl. auch Sommer 2004 zur Begrenzung von Kastellvici und Sommer 1988, 567–568. 138 Von Kaenel et al. 2010, 16, 18, 19. 139 Von Kaenel et al. 2010, 14. Vgl. Becker 2009, 24. 140 Bender 2005, 101, Abb. 121. Bender 2005a, 30. Von Kaenel et al. 2010, 17, Nr. 29 auf S. 19. Ausführlich zur Geschichte der Wiederentdeckung des Amphitheaters Bender op. cit., 100–101. 141 Von Kaenel et al. 2010, 17, Nr. 29 auf S. 19. Becker 2009, 20. Bender 2005a, 30. 142 Von Kaenel et al. 2010, 16, 19. 143 Zu den Einzelfunden des Kastellareals s. Kofler 1914, 20–35. 135
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biet des vicus gehörte oder diesem vorgelagert war. Seine offensichtliche Zugehörigkeit zu einem römischen Kastell und dessen vicus klassifiziert das Amphitheater von Arnsberg in jedem Fall als militärisches Amphitheater. Die von seinen Entdeckern als Steinfundament angesprochene Struktur beschreibt einen annähernd runden Kreis von 31–32 m Durchmesser, der an einer Stelle durch die moderne Bahntrasse geschnitten und damit auf einem kleinen Stück zerstört wurde.144 Zur ursprünglichen Ausstattung der antiken Struktur scheinen zwei gegenüberliegende Unterbrechungen jenes Kreises im Norden und Süden zu gehören.145 Es liegt nahe, in der runden Struktur mit seinen gegenüberliegenden Öffnungen das Fundament einer Podiumsmauer oder – weniger wahrscheinlich146 – eines hölzernen Palisadenzaunes des Arnsburger Amphitheaters zu vermuten. Für eine Podiumsmauer als Arenabegrenzung sprechen die Form und Größe des Durchmessers der beobachteten Struktur, die anderen Arenenabmessungen germanischer Amphitheater (Brenodurum/Bern: Kat. 1.6.1, Zugmantel Hühnerstraße: Kat. 1.18.1, Zugmantel Galgenköppel: Kat. 1.18.2) ähnlich sind.147 Die beiden gegenüberliegenden Öffnungen müssten dann als die Hauptzugänge zur Arena angesprochen werden, also als porta libitensis und porta sanavivaria, die vor allem den Gladiatoren, wilden Tieren und sonstigem Arenapersonal vorbehalten waren. Möglicherweise dienten sie auch einem Teil der Zuschauer als vomitoria, also als Zugänge zum Zuschauerrund (cavea). Ob die Sitzstufen des Arnsburger Amphitheaters aus Holz waren, die mittels eines Gerüstes auf Erdanschüttungen angebracht waren, oder gar aus Stein gefertigt waren, lässt sich ohne archäologischen Befund oder stratifizierte Funde nicht entscheiden.148 Unmittelbar südlich des Amphitheaters befanden sich Holzbauten, die aufgrund ihrer geophysikalisch erkennbaren Strukturen als Magazinbauten oder Ställe angesprochen werden können.149 Sie könnten vielleicht als Annexbauten des Amphitheaters mit der Logistik der verschiedenen Arenaveranstaltungen in Zusammenhang gestanden haben. Über die Datierung des Amphitheaters von Arnsburg können nur allgemeine Aussagen getroffen werden. Die unmittelbare Nähe sowohl zum Kohortenkastell als auch zum Lagervicus charakterisiert das Amphitheater von Arnsburg als militärische Anlage, die aller Wahrscheinlichkeit nach von den dort stationierten Soldaten erbaut wurde. Würde die Erbauung des Amphitheaters mit der des Kohortenkastells korrespondieren, müsste man von einer Erbauung des Amphitheaters gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr. ausgehen. Möglich wäre, dass das Amphitheater parallel zum Kastell in 144 Becker 2009, 20. Bender 2005, 101. Bender 2005a, 30, Abb. 2. 145 Bender 2005, 101, Abb. 121. Bender 2005a, 30. 146 So Becker 2009, 20. Vgl. das Amphitheater von Zugmantel-Galgenköppel, dessen Arena mit einer in einem Pfostengraben verkeilten Holzschranke umgeben war. Ein rundes Fundament hat es hier nicht gegeben. Wahl 1977, 126. 147 Vgl. Wahl 1977, 125. Golvin 1988, 155, sowie unten die entsprechenden Kapitel. 148 Becker 2009, 20, vermutet eine hölzerne Tribüne. 149 Von Kaenel et al. 2010, 17, Abb. auf S. 19.
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der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. teilweise in Stein ausgebaut, d. h. mit steinernen Sitzstufen versehen wurde, bevor Kastell, vicus und wahrscheinlich auch das Amphitheater um 260/270 n. Chr. aufgegeben wurden.150 2.1.2 Augusta Raurica/Augst (CH) Die moderne Stadt Augst befindet sich heute ca. 10 km östlich von Basel am linken Rheinufer und teilt sich in die sog. Oberstadt/Augst und die Unterstadt/Kaiseraugst.151 Die Oberstadt geht auf eine Gründung durch L. Munatius Plancus zurück, einen Freund Caesars und von diesem zum Statthalter der Provinz Gallien ernannt, die für den Sommer des Jahres 44 v. Chr. überliefert ist.152 Die Grabinschrift des Stadtgründers nennt als Namen der Siedlung Colonia Raurica, der offensichtlich dem Namen des hier ansässigen kleinen gallischen Stammes der Rauriker entlehnt ist. Die ältesten Fundschichten der Stadt datieren allerdings erst in augusteische Zeit (15–10 v. Chr.), so dass man entweder einen wenig folgenreichen Gründungsakt oder aber eine andere Lokalisierung der Colonia Raurica in Erwägung gezogen hat.153 Unter Augustus und nach der Eroberung des Alpenvorlandes im Jahre 15 v. Chr. war diese Colonia Raurica in Colonia Paterna (?) Munatia (?) Felix (? oder Copia?) Apollinaris Augusta Emerita Raurica umbenannt und reorganisiert worden, was einer eigentlichen Neugründung gleichkam.154 Dabei wurde der Stadtplan offenbar auf dem Reißbrett entworfen und ohne Schwierigkeiten umgesetzt, denn vorrömische Besiedlungsstrukturen, auf die man hätte Rücksicht nehmen müssen, konnten im archäologischen Befund nicht nachgewiesen werden (vgl. Abb. 3e).155 Der Namensbestandteil Emerita lässt vermuten, dass es sich um eine Veteranenkolonie gehandelt hat.156 Der Zusatz Apollinaris geht hingegen auf den römischen Gott Apoll zurück, für dessen gallisches Pendant in der sog. Grienmatt am westlichen Rand des antiken Stadtgebietes und knapp 150 m nördlich des Amphitheaters eine große Kultstätte existierte.157 Anfangs gehörte die Stadt zur Provinz Gallia Belgica, wurde aber unter Domitian (81–96 n. Chr.) der neu 150 151 152
153 154 155 156 157
Von Kaenel et al. 2010, 14. Becker 2009, 24. Hufschmid 2009a, 105. Drack/Fellmann 1988, 323–326. Deschler-Erb 2001, 204. Berger 1998, 11, 24, mit Text und deutscher Übersetzung der Grabinschrift des L. Munatius Plancus, in der neben der Stadtgründung Rauricas auch die von Lugdunum genannt ist. Zu den Motiven der frühen Koloniegründung s. Berger 1968, 15–16. Ausführlich zur Geschichte der Stadt s. Berger op. cit., 11–23. Deschler-Erb 2001, 204 mit Anm. 10. Berger 1998, 12. Deschler-Erb 2001, 204–205. Berger 1998, 12–13, Abb. 2. Drack/Fellmann 1988, 323. Berger 1998, 35. Vgl. auch Fischer 2001, 14–15. Deschler-Erb 2001, 205. Der Beiname Augusta ist bislang durch keinerlei epigraphischen Zeugnisse belegt, kann jedoch aufgrund des modernen Namens Augst als nahezu gesichert angesehen werden. Berger 1998, 13. Berger 1998, 13. Drack/Fellmann 1988, 323–325.
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geschaffenen Provinz Germania Superior zugeteilt, deren Statthalter in der Provinzhauptstadt Mogontiacum/Mainz residierte.158 Die Steuergelder flossen allerdings nach wie vor an den kaiserlichen Prokurator in Trier.159 Die Reichsreform Kaiser Diokletians (284–305 n. Chr.) brachte Augusta Raurica die Zugehörigkeit zur neuen Provinz Sequania, der späteren Maxima Sequanorum, mit Hauptstadt in Vesontio/Besançon.160 Die jüngere Unterstadt, das heutige Kaiseraugst, entstand erst um das Jahr 100 n. Chr. und war vor allem durch den Flusshafen und die sich um diesen gruppierenden Handwerkereinrichtungen und deren Quartiere geprägt.161 Verkehrsgeographisch lag Augusta Raurica äußerst günstig, denn hier verliefen in der Antike zwei wichtige Verkehrsadern, die eine über den Großen St. Bernhard im Süden und dem Rheintal im Norden, die andere in Ost-West-Richtung zwischen Gallien und der oberen Donau bzw. Rätien.162 Darüber hinaus bot das an dieser Stelle breite und nicht sehr tiefe Bett des Rheins mit der natürlichen Insel Gwerd einen idealen Ort für den Bau einer Brücke.163 Auch die Anlegestellen des Flusshafens im flacheren Gebiet einer Geländeterrasse, die sich in südnördlicher Richtung erstreckte und im Osten durch den Violenbach, im Westen durch den Bach Ergolz begrenzt wurde, boten einen Zugang zur wichtigen Handelsverbindung über den Rhein.164 Die Geländeterrasse zwischen Violenbach und Ergolz, die durchschnittlich 300 m ü. NN liegt, hatte Augustus mit einem rechtwinkligen Straßennetz und insulae-System überziehen lassen, das etwa 665 × 560 m maß und dessen Hauptachse, der decumanus maximus, senkrecht zum Rheinübergang eingemessen worden war.165 Vorrömische Siedlungsspuren konnten auf dem Areal von Augusta Raurica bislang nicht zu Tage gefördert werden, so dass man von einer künstlichen Neugründung auf vorher weitgehend unbebautem Areal ausgehen muss.166 Im Schnittpunkt von decumanus maximus und cardo maximus entstand das Forum von Augusta Raurica, um das sich im Norden und Süden die insulae der Wohnquartiere gruppierten.167 Unter diesen waren etwa ab der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. die wohlhabenderen Wohn- und Gewerbehäuser durch Steinbauten charakterisiert, die mit zunehmender Prosperität die leichteren Lehmfachwerkbauten ersetzt hatten.168 Hier, in einer vornehmen zweistöckigen Peristylvilla, die die gesamte Fläche der insula 30 158 Berger 1998, 24. 159 Berger 1998, 24. 160 Berger 1998, 26. Heinen 1985, Abb. 80. Zum Amphitheater von Vesontio s. unten Kap. 2.1.6 Vesontio/Besançon. 161 Berger 1998, 191–193. Deschler-Erb 1991, 10–11. 162 Deschler-Erb 2001, 203–204. Drack/Fellman 1988, 326. Berger 1968, 16, 17 ff., 27. 163 Berger 1998, 27. Drack/Fellmann 1988, 326. 164 Drack/Fellmann 1988, 326. 165 Berger 1998, 27, 35. Drack/Fellmann 1988, 327. 166 Berger 1998, 35, Abb. 22. 167 Drack/Fellmann 1998, 328. 168 Berger 1998, 16.
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einnahm und rund 300 m nord-östlich des Amphitheaters lag, war man im Jahre 1961 auf ein polychromes Gladiatorenmosaik (Kat. 1.4.3) gestoßen.169 Die Entstehungszeit des Mosaikfußbodens, der den Sommeroecus der Villa schmückte, wird in das späte 2. bis frühe 3. Jh. n. Chr. datiert.170 Im 3. Jh. n. Chr. wurde es nach Zerstörungen durch Brände zweimal stellenweise repariert, war aber offenbar bis um 270 n. Chr. als Raumschmuck in Verwendung.171 Die Funktion des Hauses ist nicht abschließend geklärt: L. Berger hält es für möglich, dass es sich um das Privathaus eines reichen Magistraten gehandelt haben könnte, der Kraft seines Amtes zur Veranstaltung von munera verpflichtet gewesen war; oder aber, dass das Haus einer Korporation als Versammlungsstätte diente, die besondere Verbindungen zum Gladiatorenwesen pflegte.172 Im selben Fundkomplex trat eine Statuette des besonders unter Gladiatoren verehrten Kriegsgottes Mars zu Tage, die auf dem Gladiatorenmosaik liegend aufgefunden worden war, sowie ein mit 74,5 cm ungewöhnlich langes Schwert aus Eisen mit geknickter Klinge (Kat. 1.4.4).173 Das Eisenschwert wird in das späte 2./frühe 3. Jh. n. Chr. datiert und weist entfernte Ähnlichkeit zum Schwert eines thraex auf.174 Der sehr geringe Durchmesser des Schwertes spricht jedoch dagegen, es als Kampf- oder Übungswaffe eines Gladiators anzusprechen. Unter Umständen könnte man an ein symbolisches Schwert denken, wie etwa das Holzschwert, das Gladiatoren als Zeichen ihrer ehrenhaften Entlassung aus dem Arenadienst verliehen wurde. Zwei insulae-Blöcke weiter westlich und damit rund 200 m vom Amphitheater entfernt fand man in der wohl vorwiegend als Wohnquartier dienenden insula 28 zudem das Randfragment eines Bechers aus blaugrünem Glas (Kat. 1.4.5), das über Beifunde in claudisch/neronische bis trajanische Zeit datiert wird und in geformtem Dekor (sigillata) kämpfende Gladiatorenpaare zeigt.175 In der Randzone des Bechers sind Reste zweier Namensinschriften erhalten, die sich in Analogie zu anderen Bechern dieser Art sicher zu Calamus und Columbus ergänzen lassen, Kampfnamen berühmter Gladiatoren.176 169 Schmid 1993, 90, Abb. 43. 170 Schmid 1993, 96, 102. 171 Schmid 1993, 102. Schmid 1993, 103: „Die Verbreitung der Gladiatorenmosaiken beschränkt sich auf den Westteil des Imperiums; Böden mit Darstellungen von Gladiatoren in Bildfeldern – zu denen auch das Augster Gladiatorenmosaik gehört – treten vor allem in Ostgallien und im Rheinland auf. Vom ornamentalen und vegetabilen Musterschatz her scheint es aber eher von Mittel- und Südgallien beeinflusst zu sein und weist zudem einzelne Elemente auf, die singulär und vielleicht charakteristisch für die Augster Künstler sind.“ 172 Berger 1998, 157. Vgl. Berger/Joos 1971, 71. 173 Berger 1998, 157. Es ist nicht ganz klar, ob der Knick in der Klinge intendiert war oder nicht. Berger/ Joos 1971, 71, Abb. 23. 174 Berger/Joos 1971, 71, Abb. 23: „Eine militärische Waffe kann das Stilett nicht gewesen sein; mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Gladiatoren- oder Bestiarierwaffe, wenn auch analoge Stücke dem Augster Fund bislang nicht zur Seite gestellt werden können.“ 175 Rütti 1991, 2. Bd.: 48, Taf. 44, 210. Rütti et al. 1988, 89, Nr. 33 Cl. Vgl. auch Kat. 1.4.6–1.4.7. 176 Rütti 1991, 2. Bd.: 48, Taf. 44, 210. Rütti et al. 1988, 89, Taf. 5.
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Über die Bewohner der Colonia Raurica weiß man nicht sehr viel, da frühe Inschriften rar gesät sind.177 Jüngste Schätzungen gehen für die Zeit um 200 n. Chr. – der größten Ausdehnung des Siedlungsgebietes – von einer Einwohnerzahl zwischen 9.000 und ca. 15.000 Menschen aus.178 Man nimmt jedoch an, dass es sich meistenteils um Zuzügler aus dem Süden und vornehme Rauriker gehandelt hat, die teilweise im römischen Heer gedient hatten und über das römische Bürgerrecht verfügten.179 Aber auch Rauriker mit peregrinem personenrechtlichen Status, die als Handwerker und Dienstleister am wirtschaftlichen Aufblühen der Stadt teilhaben wollten, werden wohl zur Bevölkerung gezählt haben.180 Ein starkes indigenes Element scheint dabei sowohl in Eigennamen als auch im Kultbau auf, wie die gallo-römischen Tempelbezirke Sichelen-Nord und Sichelen-Süd belegen.181 Daneben wird man auch die Ansiedlung von Militärs vermuten dürfen, denn im späteren Gebiet der Unterstadt von Augusta Raurica und in unmittelbarer Nachbarschaft zum südlichen Ufer des Rheins befand sich seit tiberisch-claudischer Zeit ein Militärlager mit einer Auxiliareinheit, das für die Zeit um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. auf den Grenzverlauf des Imperium Romanum in dieser Region verweist.182 Inschriftlich belegt sind Angehörige zweier frühkaiserzeitlicher Reiterregimenter, der ala Moesica Felix Torquata und der ala Hispana sowie einer ala Gemelliana; vielleicht auch einer weiteren, namentlich unbekannten cohors I [---], die wohl vor der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. in Kaiseraugst anwesend waren.183 Auch Überreste eines Kastells konnten auf dem Gebiet von Kaiseraugst nachgewiesen werden, das in tiberisch-claudische Zeit datiert wird und wohl vom Legionslager in Vindonissa/Windisch abhängig war.184 Dieses Kastell scheint jedoch um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. aufgelassen und bald darauf mit ziviler Wohnbebaung überbaut worden zu sein.185 Auch in der Oberstadt von Augusta Raurica war man auf eine Vielzahl von Militaria gestoßen, die vermuten lassen, dass sich hier Veteranen, durchreisende Militärs und Soldaten aus dem Kastell in Kaiseraugst aufgehalten haben.186 Zu Anfang der 70-er Jahre des 1. Jhs. n. Chr. könnten in Kaiseraugst möglicherweise Vexillationen der legio I Adiutrix sowie 177 178
Berger 1998, 13. Bossart et al. 2006, 96, 103–104. Berger 1998, 16, mit der älteren Forschungsmeinung, derzufolge ca. 20.000 Menschen in Augusta Raurica lebten. 179 Berger 1998, 13. 180 Zur These der Umsiedlung vom Oppidum des Baseler Münsterhügels nach Augst s. Berger 1998, 13. 181 Berger 1998, 13, Abb. 12. Drack/Fellmann 1988, 323–325. 182 Beger 1998, 13–16, 193. Die frühesten römischen Funde datieren in das Jahr um 15 v. Chr. Hufschmid 2009a, 105. Berger 1998, 12. Eine früher angenommene Militärpräsenz in augusteischer Zeit wird heute angezweifelt. Deschler-Erb 1991, 10, 52. Die Hauptaufgabe der Auxiliare lag wahrscheinlich in der Überwachung des Rheinübergangs an dieser Stelle. Hartmann/Speidel 1992, 23. 183 Deschler-Erb 2001, 204–207. Berger 1998, 14, Abb. 3–4, 188. Hartmann/Speidel 1992, 6, 12–14, 20, 26. Deschler-Erb 1991, 10, 38, Abb. 36. 184 Deschler-Erb 2001, 207–209. Berger 1998, 14, Abb. 3–4, 188. Hartmann/Speidel 1992, 6, 12–14, 20, 26. Deschler-Erb 1991, 10, 38, Abb. 36. 185 Deschler-Erb 2001, 209. 186 Deschler-Erb 2001, 211–216. Deschler-Erb 1991, 80.
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der legio VII Gemina Felix gestanden haben, die zu Bauarbeiten in Augst eingesetzt worden waren.187 Noch unter Vespasian wurde die Imperiums-Grenze gen Norden verschoben und der Obergermanisch-Rätische Limes eingerichtet, was nicht nur mit einer Verlegung der ursprünglich in Augusta Raurica stationierten Verbände einherging, sondern auch die Entwicklung der Stadt zu einem florierenden Nachschub- und Handelszentrum im Binnnenland der nahegelegenen Grenzregion beförderte.188 Die Aufgabe des Obergermanisch-Rätischen Limes um etwa 260 n. Chr. bringt Augusta Raurica vom ruhigen Binnenland zurück ins unmittelbare und mit Gefahren behaftete Grenzgebiet.189 Die Anlage von Depots zur Sicherung von privatem Eigentum im Stadtgebiet von Augst lassen vermuten, dass schon vor diesem wichtigen grenzpolitischen Einschnitt unruhige Zeiten ihre Schatten vorauswarfen.190 Um das Jahr 275 n. Chr. manifestieren sich diese schließlich im archäologischen Befund in Form von Zerstörungshorizonten, Waffen- und Skelettfunden, alles Spuren, die auf kämpferische Auseinandersetzungen schließen lassen.191 Ob diese mit dem sog. Gallischen Sonderreich oder aber mit Germaneneinfällen nach dem Tod Aurelians in Zusammenhang stehen, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden.192 Sicher scheint indes, dass nach 275 n. Chr. große Areale des antiken Siedlungsgebietes der Oberstadt verwaist und nur der nördlichste Bereich teilweise befestigt war, dessen ca. 3 ha große Fläche für einige Jahrzehnte mit Militärs und Zivilisten bewohnt war.193 In der Unterstadt Kaiseraugst legten die Römer zur Sicherung des Rheinüberganges wahrscheinlich in den Jahren 290 bis 300 n. Chr. das 3,5 ha große castrum Rauracense – und diesem gegenüber ein kleines Brückenkopfkastell194 – an, das zumindest zeitweise (Vexillationen) der legio I Martia als Standlager diente und fester Bestandteil der Grenzsicherungspolitik Diokletians und seines Mitkaisers Maximinianus war.195 Unter den Bewohnern des Kastells waren neben den dort stationierten Soldaten auch Zivilisten, die teils dauerhaft, teils nur in Notzeiten vom Schutz der Kastellmauern zu profitieren hofften.196 Wahrscheinlich wurde das Castrum um die Mitte des 4. Jhs. n. Chr. im Rahmen des Machtkampfes zwischen Constantius II. und Magnentius verwüstet.197 Etwa zeitgleich wurde die Befestigung im nördlichen Teil der Oberstadt 187 188 189 190 191 192 193 194 195
Berger 1998, 14–15. Deschler-Erb 1991, 10. Golvin 1988, 85. Hufschmid 2009a, 105. Berger 1998, 16. Berger 1998, 17. Vgl. Demandt 1989, 39–40. Berger 1998, 17. Berger 1998, 17. Vgl. Demandt 1989, 39–40. Berger 1998, 17. Berger 1998, 17–18. Berger 1998, 29–30. Berger 1998, 18, 202, Abb. 8, 199. Zur Möglichkeit einer militärischen Befestigung Kaiseraugsts noch vor dem Bau des Kastells s. Berger a. a. O. 196 Berger 1998, 202. 197 Berger 1998, 18–19.
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geschleift, die in dieser Zeit wahrscheinlich schon nicht mehr bewohnt war. Das so gewonnene Baumaterial wurde für Reparaturen am Castrum genutzt.198 Erst zu Beginn des 5. Jhs. n. Chr. wurden die römischen Truppenverbände abgezogen, das Kastell allerdings wurde weiterhin zivil genutzt.199 2.1.2.1 Augusta Raurica / Augst-Neun Türme (Kat. 1.4.1) In Augusta Raurica / Augst-Neun Türme treffen wir im Hinblick auf germanische Amphitheater auf eine Sondersituation: An keinem anderen Ort der Germania Inferior oder Superior ist bislang ein Amphitheater belegt, das durch die Transformation eines bereits bestehenden szenischen Theaters entstanden ist. Von diesem ersten Theaterbau von Augusta Raurica sind aufgrund der späteren Baumaßnahmen nur spärliche Reste erhalten. Diese lassen jedoch erkennen, dass das szenische Theater bereits in flavischer Zeit errichtet worden war.200 Die cavea des Theaters umgab eine kreisrunde Orchestra von ca. 31 m Durchmesser, so dass von einem Mehrzweck-Arena-Theater gesprochen werden kann.201 In diese Bausubstanz setzte man nun – mit Hilfe der entsprechenden baulichen Modifikationen – ein Amphitheater hinein, das allerdings nur in einer Hälfte über eine vollständig ausgebildete cavea verfügte (Semi-Amphitheater). Einige Dekaden später wurde dieses Semi-Amphitheater in einen reinen Theaterbau zurückverwandelt und ein neues Amphitheater an anderer Stelle errichtet. Betrachtet man die gesamte Baugeschichte des Monumentes, lässt sich demnach sagen, dass es sich um ein Gebäude von polyvalenter Nutzung handelte.202 Das Spektrum der spectacula-Darbietungen wurde dabei stetig erweitert, wobei zu vermuten steht, dass im Semi-Amphitheater auch weiterhin szenische Darbietungen aufgeführt wurden.203 Das Amphitheater von Augst-Neun Türme, das zum Teil auf den Ruinen des geschleiften Theaters von Augusta Raurica aufruhte, befand sich im Zentrum des antiken Stadtgebietes, der sog. Oberstadt (vgl. Abb. 3e).204 Es wurde im Osten von der Platzanlage des gallo-römischen Forums mit römischem Podiumstempel und im Süden vom Süd-Forum flankiert, während es im Westen an einer Tempelanlage des Komplexes 198 Berger 1998, 19. 199 Berger 1998, 21–23. Zur Erforschung der frühmittelalterlichen Besiedlung des Kastellareals s. Berger op. cit., 23. 200 Die cavea dieses Theaters war durch drei Umgänge (praecinctiones) in vier Zuschauerbereiche (maeniana) gegliedert, von denen der unterste (prohedria) den Honoratioren der Stadt vorbehalten war. Berger 2012, 106–107, Abb. 98b. Hufschmid 2009a, 107–109. 201 Noch in flavischer Zeit wurde diese kreisrunde Arena jedoch zu Gunsten einer vierstufigen Prohedrie beschnitten und in ein reines szenisches Theater umgewandelt. Über die Architektur der Bühne dieses Theaters ist so gut wie nichts bekannt. Berger 2012, 108, Abb. 98a-b. 202 Berger 2012, 114. 203 Ein anderer Theaterbau als der in Neun Türme ist für Augusta Raurica nicht nachgewiesen. 204 Berger 2012, Beil. F/G 8–9. Hufschmid 2009, 157–159.
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Augst-Schönbühl axial ausgerichtet worden war.205 Da die wissenschaftlichen Untersuchungen am Theater von Augusta Raurica bislang nicht abschließend ausgewertet sind, liegen auch für das in diesen Bau integrierte erste Amphitheater von Augusta Raurica noch keine endgültigen Ergebnisse vor.206 Gebäudetypologisch kann das älteste Amphitheater von Augusta Raurica in jedem Fall als ziviles Semi-Amphitheater bezeichnet werden, da es innerhalb einer zivilen Siedlung liegt und keine vollständige cavea aufweist. Diese war im Westen trunkiert und verfügte lediglich über ein podium, also den untersten Rang, der den höher gestellten Zuschauern Platz bot; ein zweites und drittes maenianum, wie es in der östlichen Hälfte der cavea erhalten ist, fehlten im Westen gänzlich.207 Die sich daraus ergebenden Außenabmessungen des Semi-Amphitheaters belaufen sich auf ca. 101 × 70 m.208 Unter den Amphitheatern in Holz-Steinbauweise stellt es nach dem Amphitheater von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1) das zweitgrößte Monument dieses Bautyps sowohl in Germania Superior als auch in Germania Inferior dar – und das, obwohl es im Westen nur über ein reduzierte cavea verfügte. Die Reduzierung der cavea im Westen bewirkte, dass eine schon vorher bestehende Sichtachse zum nahegelegenen römischen Podiumstempel auf dem Hügel Schönbühl, der auf den Ruinen eines älteren gallo-römischen Heiligtums errichtet worden war, aufrechterhalten werden konnte.209 Dass dies tatsächlich in der Absicht der antiken Baumeister gelegen hatte, zeigt die Anlage einer fast 20 m breiten monumentalen Treppe, mit der Tempel und Theater/Semi-Amphitheater architektonisch klar aufeinander bezogen sind.210 Auch der Grundriss des Amphitheaters ist an der Mittelachse des Podiumstempels orientiert, so „dass die Querachse des Bauwerks [i. e. des Semi-Amphitheaters] in die Verlängerung der Mittelachse des Tempels und der Monumentaltreppe zu liegen kam.“211 Bemerkenswert ist, dass sich auf dieser Querachse des Semi-Amphitheaters die Ehrenlogen befanden (s. unten).212 Da das Theater von Augusta Raurica und jener Podiumstempel auf dem Schönbühl zeitgleich in vermutlich vespasianischer Zeit entstanden sind, griff das Semi-Amphitheater diesen architektonischen Bezug auf und setzte ihn fort.213 Auch der nachfolgende Umbau, der aus dem Semi-Amphitheater wieder einen reinen Theaterbau machte, respektierte diese
205 206 207 208 209 210 211 212 213
Berger 2012, Beil. F/G 8–9. Hufschmid 2009, 157–159. Hufschmid 2009a, 106, Abb. 10.1. Hufschmid 2009, 157. Hufschmid 2009, 157, Beil. 43–44. Hufschmid 157, Beil. 44. Hufschmid 2009a, 105. Vgl. den „Exkurs: Interpretation und Bedeutung des Architekturkomplexes ‚Theater-Schönbühl‘ bei Hufschmid 2009, 175–196. Berger 2012, 112, Abb. 103–104. Hufschmid 2009a, 105–107, Abb. 10.2c, 10.7. Hufschmid 2009, Abb. 168–170. Hufschmid 2009, 177, Abb. 169. Hufschmid 2009, Abb. 169. Auch das nachfolgende zweite Theater, für dessen Bau das Semi-Amphitheater zerstört wurde, greift auf diese Achse als Orientierungslinie zurück. Hufschmid 2009, 175–177.
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Orientierungslinien.214 Aufgrund bautypologischer Parallelen in anderen Provinzen des Imperium Romanum nimmt T. Hufschmid an, dass es sich bei dem Podiumstempel auf dem Schönbühl um den Tempel des provinzialen Kaiserkultes und vielleicht um einen Versammlungsort der civitas Rauricorum handelte.215 Ein sakraler Bezug zum Kaiserkult muss demnach für das Semi-Amphitheater und damit für die in diesem veranstalteten munera in Augusta Raurica eine wichtige Rolle gespielt haben.216 Dabei ist es nicht unwahrscheinlich, dass die pompa, die jede munera-Veranstaltung feierlich eröffnete, von jenem Podiumstempel ihren Ausgang nahm und über die monumentale Treppe Richtung Semi-Amphitheater zog.217 Für die Erbauung des Semi-Amphitheaters hatte man den älteren Theaterbau teilweise zerstört und seine Mauern in das neue Gebäude inkorporiert oder in veränderter Form wiederverwendet.218 So hatte man die seitlichen Zugänge zum Theater zugemauert und durch neue überwölbte Eingänge ersetzt, die nun von Norden und Süden aus nicht mehr zur Orchestra, sondern direkt zur ovalen Arena führten.219 Die sichtbaren Außenseiten dieser Zugänge waren nach Westen hin mit repräsentativen Fassaden ausgestattet, die man sah, wenn man über die monumentale Treppe vom Podiumstempel aus auf das Semi-Amphitheater zuschritt.220 Die Arena des Semi-Amphitheaters, die die aufwändigsten Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Transformation des Theaters in ein Semi-Amphitheater erkennen lässt, maß 49 × 36 m.221 Auf ihrer Querachse besaß sie je einen carcer im Osten und Westen, die in ihrer ältesten Phase über je drei portae posticae direkt mit der Arena in Verbindung standen.222 Sie dienten wohl – wie in anderen Amphitheatern auch – der Unterbringung von wartenden Gladiatoren oder wilden, in Käfigen befindlichen Tieren.223 Auch im Südwesten stieß man auf einen als carcer anzusprechenden Raum, der sowohl eine türartige Verbindung zum östlichen Arenazugang als auch aller Wahrscheinlichkeit nach einen direkten Zugang zur Arena aufwies.224 Der Fund von Putzresten mit Spuren qualitätvoller Malereien lässt 214 Hufschmid 2009, Abb. 1168–170. 215 Berger 2012, 136–137. Hufschmid 2009a, 107. Zur Reorganisation des Kaiserkultes unter Vespasian, der besonders im Westen des Imperium Romanum Auswirkungen zeigte, s. Hufschmid 2009, 177–185. 216 Zu einer weiterführenden Interpretation dieses Befundes s. Hufschmid 2009, 175–191. 217 Hufschmid 2009, 172. Hufschmid 2009a, 105–107. 218 Hufschmid 2009a, 109, Abb. 10.2c, 10.3. Hufschmid 2009, 158–159. 219 Hufschmid 2009, 157–158. 220 Ihnen kamen zugleich wichtige statische Funktionen zu. Hufschmid 2009, 157–158, Abb. 169, Beil. 44. 221 Hufschmid 2009, 157. 222 Beide carceres verfügten über einen ungewöhnlichen Grundriss, der an der der Podiumsmauer zugewandten Seite jeweils zwei annexartige Ausbuchtungen aufwies. Die Funktion dieser Annexe konnte nicht geklärt werden. Hufschmid 2009a, 110, Abb. 10.3, 10.5. Hufschmid 2009a, 158, Beil. 43. 223 Hufschmid 2009a, 110. Golvin 1988, 328–330. 224 Die Osthälfte des Raumes ist beim Bau des zweiten Theaters von Augusta Raurica zerstört worden, so dass die Zugangssituation zu diesem carcer hypothetisch ist. Hufschmid 2009, 158, Beil. 43.
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auf eine Funktion des Raumes als sacellum schließen.225 Die Interpretation des Raumes als Arena-Heiligtum hat dazu geführt, den südlich auf der Längsachse liegenden Eingang zur Arena als porta sanavivaria anzusprechen und entsprechend den nördlichen als porta libitinensis.226 Umgeben war die Arena des Semi-Amphitheaters von einer steinernen Podiumsmauer, die eine Höhe von 4,00 m erreichte und mit einem polychromen Verputz verziert war.227 Dieser konnte in Teilen wiedergewonnen werden und zeigte ein „teppichartige[s] Muster auf weissem Grund, das aus einer gelb und grau gerahmten kassettenartigen Einteilung mit roten und grünen floralen Motiven bestand.“228 Die Sockelzone der Podiumsmauer hatte man mit einem Dekor versehen, der Steinplatten aus verschiedenen, im Original sehr teuren Marmorplatten imitierte.229 Eine Besonderheit unter den Amphitheatern in Germanien stellt zudem der Umstand dar, dass es in Augst-Neun Türme gelang, den originalen Arenaboden zu identifizieren und diesen mit Hilfe von mikromorphologischen Blockproben einer geoarchäologischen Untersuchung zu unterziehen.230 Die genommenen Proben zeigen einen 25 cm starken Sandboden, dessen mehrschichtiger Aufbau auf wiederkehrende Auflockerungen und Planierungen schließen lässt.231 Man hat vermutet, dass diese mit Reinigungs- oder Unterhaltsarbeiten im Rahmen der munera-Vorbereitungen in Zusammenhang standen.232 Darüber hinaus belegen Fäkalienreste mit z. T. angedauten Knochensplittern sowie Rückstände von eingesickertem Urin und Fäkalien die Anwesenheit von wilden, fleischfressenden Tieren.233 Dieser Befund deutet mit einiger Gewissheit darauf hin, dass im Semi-Amphitheater von Augusta Raurica auch venationes stattgefunden haben. Dabei dürfte der erwähnte Fund von angedauten Knochensplittern lediglich für die Präsenz fleischfressender Tiere in der Arena sprechen und nicht etwa zwingend den Schluss fordern, dass Tiere – oder gar Menschen – in der Arena auch gefressen wurden. Ebenso gut könnten die erwähnten Knochensplitter von der Fütterung jener fleischfressenden Tiere stammen. Da im Semi-Amphitheater von Augusta Raurica das Gros der Leute in der östlichen Hälfte der cavea Platz nahm, erfolgte der Zugang zu den Sitzstufen auch von Osten
225 226 227 228 229 230 231 232 233
Hufschmid 2009, 158. Zur Rekonstruktion der Bamalung im Amphitheater von Augst-Neun Türme s. ausführlich Frésard/Fuchs 2009. Hufschmid 2009, 158, Anm. 724. Hufschmid 2009, 68, 158, Beil. 5. Frésard/Fuchs 2009, 541 ff., Abb. 312 mit einem Rekonstruktionsvorschlag. Hufschmid 2009, 158. Frésard/Fuchs 2009, 540–545, Abb. 296, 299–300. Hufschmid 2009, 158. Frésard/Fuchs 2009, 546–553, Abb. 296, 312. Rentzel 2009. Rentzel 2009, 574, Abb. 316–319. Rentzel 2009, 547, Anm. 13. Rentzel 2009, 572, 574. Eine Differenzierung der Knochensplitter in animalischen oder humanen Ursprung ist nicht gelungen.
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her, d. h. von der Stadtseite aus.234 Hier führte der Zugang zunächst zu einem überwölbten Umgang, der über acht vomitoria auf den oberen Umgang der cavea mündete und so einen Zutritt zur media und summa cavea ermöglichte.235 Das Podium, also der Bereich für die Höherrangigen der provinzialen Gesellschaft, war indes durch gesonderte vomitoria erreichbar: Auf der Westseite der cavea, wo es nur ein Podium und keine weiteren maeniana gab, wurde dieser Zugang über einfache Treppen geregelt, im Osten dagegen setzte sich der erwähnte stadtseitige Zugang nach Abzweigen des überwölbten Umganges in einem Gangteil fort, der allein der Befüllung des Podiumbereiches diente.236 Beim Betreten des Amphitheaters von der Stadt her trennte sich demnach nach einem kurzen Stück die Spreu vom Weizem, indem das gemeine Volk rechts und links in den überwölbten Umgang abbog, während die Honoratioren der Stadt geradeaus weitergingen, um zum podium zu gelangen. Die Datierung des Semi-Amphitheaters von Augst-Neun Türme gestaltet sich aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Analyse des Baubefundes problematisch und kann bislang nur näherungsweise angegeben werden.237 Der keramische und numismatische Befund sowie die Datierung der Wandmalereien an der Podiumsmauer legen einen Zeitraum für seine Errichtung in die Jahre zwischen 107 und 130/140 n. Chr. nahe, wobei die eigentliche Errichtung wahrscheinlich um das Jahr 110 n. Chr. geschah.238 Zwar lassen sich am Mauerwerk des Semi-Amphitheaters deutliche Spuren einer zweiten Bauphase ausmachen, doch gelang ihre sichere Datierung bislang nicht.239 Möglicherweise steht mit dieser zweiten Bauphase die Ersetzung der ursprünglich hölzernen Sitzstufen durch steinerne in Zusammenhang, ebenso wie eine Dekoration der Podiumsmauer mit polychromer Malerei, deren Verputzfragmente stratigraphisch in die Zeit um 130–140 n. Chr. datiert werden konnten.240 Da das Semi-Amphitheater von Augst-Neun Türme durch den Bau des Amphitheaters Augst-Sichelengraben ersetzt wurde, gibt das Erbauungsdatum des jüngeren szenischen Theaters zugleich das Zerstörungsdatum des Semi-Amphitheaters an, das in den Zeitraum um 180/190 n. Chr. gesetzt wird.241
234 235 236 237 238
Hufschmid 2009, 158. Drack/Fellmann 1988, 224–225. Hufschmid 2009, 158, Beil. 44. Hufschmid 2009, 158, Beil. 43. Hufschmid 2009, 165. Berger 2012, 116. Hufschmid 2009, 165–166, geht von einer Errichtung um 110 n. Chr. aus. Hufschmid 2009a, 110. 239 Hufschmid 2009a, 110. Vgl. Frésard/Fuchs 2009, 545. 240 Hufschmid 2009, 158 mit Anm. 728. Hufschmid 2009a, 110, Taf. 34. Beobachtungen am Mauerwerk des jüngeren Theaters geben Anlass zu der Vermutung, dass es während der Bauzeit eine Unterbrechung der Arbeiten gab, möglicherweise aufgrund finanzieller Schwierigkeiten. Hufschmid op. cit., 113–114. 241 Berger 2012, 116. Hufschmid 2009, 166–167. Hufschmid 2009a, 105. Die Aufgabe des Theaters ist chronologisch nicht sicher zu datieren. Münzfunde belegen eine Aktivität auf dem Areal des Theaters noch in der Zeit um 300–340 n. Chr., Keramikfunde gehen allerdings nicht über den Zeitraum von 230–250 n. Chr. hinaus. Berger op. cit., 117.
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Gegen Ende des 2. Jhs. n. Chr. wird demnach in Augusta Raurica das Bedürfnis erkennbar, jedem Genre der antiken Unterhaltungsbranche einen eigenen Veranstaltungsort zu errichten. Offensichtlich hatte der alte Mehrzweckbau des Semi-Amphitheaters, in dem wohl auch Theateraufführungen stattfanden, den Anforderungen der verschiedenen spectacula-Veranstaltungen nicht mehr genügt. Hatten Gladiatorenkämpfe – und auch Theateraufführungen – also eine solche Popularität erlangt, dass man ihnen jeweils ein eigenes und auf dieses Genre perfekt abgestimmtes Bauwerk errichten wollte? Dass es zwischen der Zerstörung des Semi-Amphitheaters und dem Bau des neuen Amphitheaters in Augst-Sichelengraben zudem keinen „Hiatus“ gegeben zu haben scheint, lässt vermuten, dass man in Augusta Raurica auf eine möglichst ungebrochene Kontinuität des Veranstaltungsspektrums erpicht war.242 2.1.2.2 Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.2) Das Amphitheater von Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben befindet sich am südwestlichen Rand des antiken Stadtgebietes der sog. Oberstadt, in unmittelbarer Nachbarschaft zu mehreren Tempelbezirken (vgl. Abb. 3e).243 Topographisch haben es seine Baumeister perfekt in die Landschaft eingepasst, denn sie nutzten eine bis dahin unbebaute Talsenke aus, den sog. Sichelengraben, der die notwendigen Erdarbeiten reduzieren half.244 Substruktionen bzw. Gewölbebauten waren lediglich in der Längsachse notwendig, wo sie die cavea unterfütterten und die Hauptzugänge im Osten und Westen überdeckten. Vom Südforum aus gelangte man über den Platz vor dem Heiligtum in der Grienmatt und dem Sakralbezirk von Sichelen 1 zum nordwestlichen Eingang des Amphitheaters.245 Von Südwesten gelangte man durch das Westtor der antiken Stadt über eine Straße, die kurz hinter der Tordurchfahrt in eine breite Straße abbog, direkt zum Südosteingang des Amphitheaters.246 Sowohl für den Zustrom aus der Stadt als auch für auswärtige Zuschauer, die zu den spectatcula im Amphitheater strömten, war die Zuwegung zum Veranstaltungsort demnach verkehrsgünstig gestaltet und für große Menschenmengen ausgelegt. Der südöstliche Eingang des Amphitheaters, dessen Fassadenkonstruktion auf die topographischen Verhältnisse Rücksicht nehmen musste, war eher funktional als repräsentativ gestaltet.247 Im Nordwesten dagegen erlaubte 242 Hufschmid 2009, 167, hält es für möglich, dass das Amphitheater von Augst-Sichelengraben 5–10 Jahre vor dem Abriss des Semi-Amphitheaters erfolgte, um eine Kontinuität in der Veranstaltungskultur zu gewährleisten. 243 Hufschmid 2009, 61, Abb. 8. Hufschmid 2009a, 105. Berger 1998, 91. Grundlegend zum Amphitheater von Augst-Sichelengraben ist die Publikation von Hufschmid 2009. 244 Hufschmid 2009a, 114–115. 245 Berger 2012, Beil. E/F: 9–11. 246 Berger 2012, Beil. F/G: 11–12. Vgl. Hufschmid 2009, 93–95, Beil. 8–11, 16. Hufschmid 2009a, 114. 247 Hufschmid 2009, 89–96. Hufschmid 2009a, 114.
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das Gelände die Anlage einer 17 m hohen Eingangsfassade mit breitem vorgelagertem Platz, was die Repräsentationsfunktion des Bauwerkes maßgeblich unterstrich.248 Mit ihren vier massiven Pfeilern, die die drei bogenförmigen Eingangskorridore des Westzugangs flankierten, erinnerte die Architektur der Westfassade des Amphitheaters an römische Stadttore oder Triumphbögen.249 Sicherlich wird die pompa bei der Eröffnung der spectacula über dieses Tor in das Amphitheater eingezogen sein, was zugleich die enge Bindung der spectacula an den offiziellen Staatskult augenfällig macht.250 Die Repräsentationselemente der propylonartigen Westfassade waren aber zugleich auf eine Fernwirkung ausgerichtet: „Sowohl vom Grienmattheiligtum als auch von den westlichen Ausfallstrassen der Stadt her muss die Westfassade des Amphitheaters von Augst-Sichelengraben, zusammen mit dem nördlich davon gelegenen Tempelbezirk Sichelen 1 gut sichtbar gewesen sein und so einen wesentlichen architektonischen Akzent innerhalb des Stadtbildes gesetzt haben.“251 Es bleibt jedoch festzuhalten, dass funktional der Osteingang aufwändiger gestaltet war, denn er verfügte über zwei Vomitorien, zwei Bedienungsgänge, einen direkten Zugangsweg zur Arena sowie einen direkten Anschluss an die aus der Stadt kommende Straße. Die ovale Arena des Amphitheaters maß 50,60 m × 33,38 m und war damit nur unwesentlich größer als die Arena des Semi-Amphitheaters in Augst-Neun Türme.252 Sie wurde in den gewachsenen Boden eingetieft und zum Schutz vor Staunässe mit einer drainagefähigen Schicht unterfüttert und bombiert, d. h. ihr Bodenniveau fiel von der Mitte zu den Rändern hin ab.253 Umgeben wurde die ovale Arena mit einer Podiumsmauer, die hangseitig mit Aushubmaterial von der Arena hinterfüllt und zur Arena hin mit einem bunten und z. T. aus teuren Farbpigmenten bestehenden Putz versehen worden war.254 Die erhaltenen Reste des Verputzes lassen darauf schließen, dass es sich um eine polychrome und Marmorverkleidung imitierende Bemalung handelte, die über einer weiß getünchten Sockelzone verlief. Diese ursprüngliche Bemalung wurde zu einem nicht näher spezifizierbaren Zeitpunkt teilweise übermalt und schließlich in einer dritten Phase gänzlich ersetzt, wahrscheinlich wieder durch Marmor imitieren-
248 Berger 2012, Beil. E/F: 10–11. Hufschmid 2009, 104–109, Beil. 12–15, 17. Hufschmid 2009a, 114, Abb. 10.1, Nr. 4. 249 Hufschmid 2009a, 114, Taf. 36. 250 Hufschmid 2009a, 105–107. 251 Hufschmid 2009, 145, Abb. 8, 142. Vgl. Hufschmid 2009a, 114. 252 Hufschmid 2009, 66, Beil. 4, mit der rekonstruierten Aufsicht. 253 Hufschmid 2009, 66. Ausführlich zur Drainage der Arena op. cit., 67, Beil. 4, 7. Der eigentliche Arenaboden bestand aus einer 10 cm starken Sandschicht, die an einigen Stellen im Laufe ihrer Nutzungszeit repariert worden war und eine Fläche von rund 1.350 m2 bedeckte. Hufschmid op. cit., 62–63, 66, Abb. 13; vgl. Beil. 21, 22. 254 Der Putz lässt sich chronologisch in zwei unterschiedliche Phasen trennen, was für eine Renovierung der Podiumsmauer spricht. Für eine Rekonstruktion der gesamten Bemalung reichen die erhaltenen Reste allerdings nicht aus. Hufschmid 2009, 65, Abb. 17, 18, 23.
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de Malerei.255 Da die Mauerkrone der Podiumsmauer nicht erhalten ist, kann auf die Gesamthöhe der Mauer von 4,00 m nur in Analogie zu der erhaltenen Podiumsmauer des Semi-Amphitheaters von Augst-Neun Türme (s. oben) geschlossen werden.256 Wahrscheinlich war die (rekonstruierte) halbrunde Mauerkrone der Podiumsmauer von Augst-Sichelengraben wie in Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1) von einem Geländer bekrönt und nicht von einem Fangnetz zum Schutz der Zuschauer vor wilden Tieren. Dafür spricht vor allem die recht beträchtliche Höhe der rekonstruierten Podiumsmauer.257 Auf der Querachse der Arena befanden sich im Norden und Süden zwei verdeckte Räume, der sog. Nord- bzw. Südcarcer, die beide über Türen (portae posticae) direkt mit der Arena in Verbindung standen.258 Der Nordcarcer war rund 20 m2 groß und trug ein pulpitum, also eine (Ehren-)Tribüne, die ca. 5 m breit war und sich mit ihrem flachen Bodenniveau deutlich von den getreppten Sitzstufen des untersten Ranges abhob.259 Über dem carcer trat in einer abgerutschten Hangschicht eine Wandscherbe einer Reliefschüssel aus Terra Sigillata (Kat. 1.4.8) mit der Darstellung eines schwerbewaffneten Gladiators (murmillo) zu Tage, die in die 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr. datiert, wahrscheinlich aber nicht mit der Benutzungszeit des Amphitheaters in Verbindung zu bringen ist.260 Der Südcarcer, der nur teilweise ergraben wurde, war höchstwahrscheinlich etwas größer als sein nördliches Pendant und verfügte über eine Binnengliederung in zwei Räume, von denen einer offenbar über eine umbiegende Treppe eine direkte Kommunikation mit der darüber befindlichen (Ehren-)Tribüne erlaubte.261 Diese Disposition spricht dafür, in dieser Ehrentribüne das pulpitum editoris zu vermuten, also den Platz, den der Spielgeber während der Veranstaltungen im Amphitheater einnahm.262 Beide carceres weisen keinerlei Verbindung zur Peripherie des Gebäudes auf und dienten wahrscheinlich der Unterbringung von Gladiatoren und wilden Tieren, die dort vor Beginn der Veranstaltungen postiert werden konnten, um ihren Auftritt in der Arena spektakulär in Szene zu setzen.263 Die Hauptzugänge zur Arena lagen auf der Längsachse des Amphitheaters, also im Westen und Osten des Gebäudes.264 Dabei diente jeweils ein breiter, mit einer zweiflügeligen Tür zur Arena hin verschließbarer Mittelgang Gladiatoren, wilden Tieren und
255 256 257 258 259 260 261 262 263 264
Diese letzte Phase könnte mit Umbaumaßnahmen am sog. Nordcarcer des Amphitheaters in Verbindung stehen. Hufschmid 2009, 68. Hufschmid 2009, 68, Beil. 5. Hufschmid 2009, 68, Beil. 5. Hufschmid 2009, 110–115 (Nordcarcer), 116–119 (Südcarcer). Hufschmid 2009a, 114. Hufschmid 2009, 113–114, Abb. 113–114. Hufschmid 2009a, 114. Furger 1987, 104–105, Abb. 97: 148. Hufschmid 2009, 118–119, Abb. 120–123. Hufschmid 2009, 119, Abb. 123. Hufschmid 2009, 154–155. Hufschmid 2009, 82–109.
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Arenapersonal als direkter Zugang zur Arena, während ein Teil des Zuschauerstromes durch die diesen flankierenden Vomitorien zur cavea kanalisiert wurde.265 Am östlichen Eingang befand sich darüber hinaus zwischen Vomitorien und Mittelgang je ein Bedienungsgang, der ebenfalls über eine Tür direkt in die Arena mündete.266 Im Westen dagegen führte der breite Mittelgang nicht nur direkt zur Arena, sondern erlaubte an seinem östlichen Ende über eine schmale Tür auch den Zutritt zu einem Raum, der wahrscheinlich seinerseits über eine weitere Türe mit der Arena verbunden war.267 Der annähernd 20 m2 messende Raum wurde aufgrund einer Apsis in seiner nördlichen Rückwand als Arenaheiligtum (sacellum) angesprochen und dürfte somit der Verehrung der üblicherweise mit der Arena in Verbindung stehenden Gottheiten – allen voran Nemesis – gedient haben.268 Die cavea, also der Zuschauerraum des Amphitheaters, ist aufgrund starker Erosionsprozesse nur mehr als ‚Abdruck‘ im Boden erkennbar und zeigt einen treppenförmig abgegrabenen Untergrund, der – an einigen Stellen im Hang noch nachweisbar – mit Kalkmörtel befestigt worden war, um die Sitzstufenkonstruktion aufzunehmen. Dabei wurden etwa ¾ der cavea in den gewachsenen Boden eingetieft, ¼ aber wurde aus den aus der Eintiefung der Arena gewonnenen Kiesschichten angeschüttet.269 Der hohe Neigungswinkel der Böschungen sowie ihre daraus resultierende Erosionsanfälligkeit sprechen in jedem Fall gegen eine Holz-Erde-Konstruktion, die bislang nur bei Amphitheatern mit sehr flach ansteigender cavea nachgewiesen werden konnte.270 Auch eine reine Holzkonstruktion kann mit einiger Gewissheit für das Amphitheater von Augst-Sichelengraben ausgeschlossen werden, da Spuren sowohl der dafür notwendigen Ankerpfähle als auch entsprechende Auflager im archäologischen Befund fehlen.271 Dass die cavea über steinerne Sitzstufen verfügte, ist daher wahrscheinlich, durch den Baubefund jedoch nicht mehr sicher nachweisbar.272 Aller Wahrscheinlichkeit nach war der gesamte Zuschauerbereich durch zwei Umgänge (praecinctiones) in die übliche Dreiteilung ima cavea/podium, media cavea und summa cavea unterteilt, der eine soziale Gliederung in der Sitzordnung entsprach.273 Den oberen Abschluss
265 Hufschmid 2009, Beil. 2. 266 Hufschmid 2009, 90–92, Beil. 9. 267 Der Zugang zur Arena kann im Baubefund nicht sicher nachgewiesen, wird aber in Analogie zu typgleichen Anlagen vermutet. Hufschmid 2009, 119–123, Beil. 9. 268 Hufschmid 2009a, 114. Hufschmid 2009, 121–122 und Anm. 560 mit Beispielen für parallele Anlagen; zu sacella in Amphitheatern allgemein s. auch Hufschmid op. cit., 233–236. Golvin 1988, 337– 341. Le Roux 1990, 209. 269 Hufschmid 2009, 75, Beil. 5. 270 Hufschmid 2009, 79 mit Anm. 363. 271 Hufschmid 2009, 79–80 mit Anm. 364, wo Nachweise für eine solche Bauweise bei Amphitheatern geliefert werden. 272 Hufschmid 2009, 71. Zu den unterschiedlichen Neigungswinkeln der Abtreppungen des Bodens s. ebd. 273 Hufschmid 2009, 72 f.
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des Zuschauerbereiches bildete ein 1,00 m breiter Umgang, der von einer Umfassungsmauer umgeben war.274 Wahrscheinlich von hier aus, also hauptsächlich von oben her, gelangten die Zuschauer zu ihren Sitzplätzen, wobei man zusätzlich einen außen um das Amphitheater herumlaufenden Umgang vermuten muss, um eine möglichst effiziente Befüllung des Amphitheaters zu garantieren. Die Datierung des Amphitheaters von Augst-Sichelengraben, das Berechnungen zufolge etwa 12.900 Zuschauer fasste,275 lässt sich trotz einiger gut stratifizierter Funde nicht genau bestimmen, doch scheint eine Errichtung um 170 n. Chr. oder wenig später wahrscheinlich.276 Das Gebäude lässt abgesehen von kleineren Reparaturmaßnahmen am östlichen Zugang sowie an den beiden carceres keine weiteren großflächigen Baumaßnahmen erkennen.277 Wann genau es aufgegeben bzw. zerstört wurde, lässt sich aufgrund der erwähnten starken Erosionsprozesse aus dem archäologischen Befund nur näherungsweise ablesen. Ein Antoninian des Gallienus, der zwar 265 n. Chr. geprägt wurde, dessen Umlaufzeit aber ungewiss ist, liefert einen – wenn auch dehnbaren – terminus post quem für die systematische Schleifung des Amphitheaters im Sichelengraben.278 2.1.3 Aventicum/Avenches (CH, Kat. 1.5.1) Aventicum, das heutige Avenches, liegt im Schweizer Mittelland im Kanton Waadt am südlichen Ufer des Murtensees und bildete schon in vorrömischer Zeit ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg vom Rhein in die Alpen.279 Auf den von den Römern erbauten viae publicae konnte man von Lugdunum Batavorum an der Nordsee entlang des linken Rheinufers über die Colonia Claudia Ara Agrippinensium/Köln, Mogontiacum/Mainz, Argentorate/Straßburg und Augusta Raurica/Augst nach Aventicum gelangen, von wo aus wichtige Handelsrouten in den Osten der italienischen Halbinsel bzw. des Imperium Romanum führten.280 Unter Augustus wurde das Gebiet zwischen
274 Hufschmid 2009, 78, Beil. 5. Hufschmid 2009a, 114. 275 Hufschmid 2009, 150. 276 Eine Datierung wird auch durch den Einbau einer Tanksperre im 2. Weltkrieg erschwert, die quer durch die Westhälfte des Monumentes verläuft, wobei sie z. T. auf antiken Mauerresten aufruht. Hufschmid 2009, 161–165, 168, der die Datierung von A. Furger 1987, 98–106, in das Jahr um 200 n. Chr. ablehnt, da ein Großteil der Fundkomplexe durch Erosionsprozesse, nachrömische anthropogene Eingriffe oder Fundleere unbrauchbar seien. Hufschmid op. cit., 162. 277 Hufschmid 2009, 139. 278 Hufschmid 2009, 165. 279 Bridel 2004, 13. Vgl. Drack/Fellmann 1988, 337. 280 Wittke et al. 2012, 199: Karte B, 203. Richtung Südwesten konnte man von Aventicum aus zwar auch über Lousonna/Lausanne und Genava/Genf an die Rhone und von dort zum Mittelmeer gelangen, doch wird dies sicher der weniger häufig frequentierte Weg gewesen sein, da es bequemere und kürzere Alternativverbindungen gab. Vgl. Bridel 2004, 13.
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dem Jura und den Alpen beziehungsweise dem Genfer- und dem Bodensee zur civitas Helvetiorum ernannt, zu deren administrativem und kulturellem Hauptort Aventicum/ Avenches bestimmt wurde.281 Die Helvetier, ein Volk keltischen Ursprungs, waren bereits 58 v. Chr. bei Bibracte von den Römern geschlagen und auf das schweizerische Plateau zurückgedrängt worden, wo sie unter römische Kontrolle gerieten (deductio).282 Im Jahre 15 v. Chr. wurden die Helvetier schließlich vollständig ins Imperium Romanum integriert; der Umstand, dass sie auf dem Tropaeum Alpium in La Tourbie unter den unterworfenen Völkern nicht erwähnt werden, deutet möglicherweise darauf hin, dass ihre Integration ins Imperium bereits abgeschlossen war. Das Siedlungsgebiet der Helvetier gehörte zunächst zur Gallia Lugdunensis, dann zur Gallia Belgica und wurde unter Domitian der Germania Superior zugeteilt.283 Die materielle Hinterlassenschaft im Siedlungsgebiet der Helvetier aus der ersten Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. umfasst eine Vielzahl römischer Importwaren, sicheres Indiz für rege Handelsbeziehungen und deren Einfluss auf die indigene Lebensweise.284 Auf dem Bois-de-Châlet direkt südlich von Avenches waren im Rahmen einer mehrjährigen Rettungsgrabung Besiedlungsspuren eines keltischen oppidum zu Tage gefördert worden. In Avenches Sur Fourches war man zudem auf La Tène-zeitliche Besiedlungsspuren gestoßen; ob auch unter den römischen Horizonten Spuren dieser Zeitstellung existieren und somit eine Siedlungskontinuität belegen, konnte bislang aufgrund fehlender Grabungstätigkeit noch nicht geklärt werden.285 Für das Gründungsdatum von Aventicum liegen keine historischen Quellen vor.286 Man vermutet jedoch, dass die Wahl des Siedlungsplatzes mit der Errichtung des Legionslagers in Vindonissa im frühen 1. Jh. n. Chr. zusammenhängt, denn das verteilt die beiden militärischen und administrativen Zentren Aventicum und Vindonissa gleichmäßig auf dem Gebiet der Helvetier.287 Unter Vespasian wurde Aventicum in den Jahren 71/72 n. Chr. zur colonia erhoben.288 Dabei sind verschiedene Namen der antiken Stadt überliefert – Aventicum, Forum Tiberii, Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Foederata –, von denen Aventicum in der Forschung der gebräuchlichste ist.289 Als Schutzgottheit der Stadt firmierte Dea Aventica, deren Name ab dem 2. Jh. 281 282 283 284 285 286 287
Drack/Fellmann 1988, 340. Pury-Gysel 2011, 8–11. Pury-Gysel 2011, 9. Pury-Gysel 2011, 9–10. Pury-Gysel 2011, 9–12, Abb. 3. Pury-Gysel 2011, 12. Pury-Gysel 2011, 12. Zur Überlegung, dass in diese Entscheidung auch die lokalen Eliten involviert waren, s. Pury-Gysel op. cit. 288 Pury-Gysel 2011, 13. 289 Forum Tiberii ist nur einmal bei Ptolemaeus (2,9,21) erwähnt, wobei umstritten ist, ob Aventicum mit diesem Namen überhaupt gleichzusetzen ist. Über den Namen Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Foederata ist nur wenig bekannt und er ist immer noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion, da es nur einen inschriftlichen Beleg von einem Tempel außerhalb der
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n. Chr. in Inschriften fassbar ist.290 Die urbanistische Entwicklung der Stadt lässt drei Phasen erkennen, deren Gelenkstellen durch zwei wichtige Ereignisse gekennzeichnet sind: die Erhebung Aventicums zur colonia (71/72 n. Chr.) und der Einfall der Alamannen im späten 3. Jh., der ab 275 n. Chr. jeder städtebaulichen Entwicklung ein Ende setzte.291 Trotz einer offenbar gesunkenen Bevölkerungszahl nach dem Einfall der Alamannen scheint Aventicum jedoch bis nach 400 n. Chr. und vielleicht sogar noch weit darüber hinaus bewohnt gewesen zu sein.292 Über die Anwesenheit von römischem Militär in Aventicum lässt sich nach derzeitigem Kenntnisstand nichts Genaues sagen. Der Fund von Militaria, die zeitlich vom 1. bis ins 4. Jh. n. Chr. datieren, unterscheidet sich in Anzahl und Bandbreite nicht markant von Befundlagen in anderen zivilen Siedlungen.293 Unklar ist bislang auch, in welchem Ausmaß Veteranen der römischen Armee nach der Koloniegründung in Aventicum angesiedelt worden waren.294 Der Namenszusatz Emerita würde eine solche Ansiedlung in jedem Fall andeuten.295 Auch die genaue Beziehung zwischen Aventicum und dem in Vindonissa stationierten militärischen Verbänden wurde bislang keiner systematischen Untersuchung unterzogen, ebensowenig wie die Militärpräsenz in der Zeit um 300 n. Chr., als das Theater in einen Festungskomplex integriert wurde.296 Die erste Anlage des orthogonalen Straßennetzes von Aventicum, das in seiner jüngsten Entwicklungsphase ein Areal von ca. 900 × 700 m nordöstlich des heutigen Stadthügels überzog, scheint nicht der Gründungsphase anzugehören, sondern aus augusteischer Zeit zu stammen (vgl. Abb. 3d).297 In julisch-claudische Zeit datieren eine erste Expansion der Wohnbebauung sowie die Anlage erster öffentlicher Bauten.298 Die Erhebung zur colonia unter Vespasian (69–79 n. Chr.) hatte ein groß angelegtes Bauprogramm in römischem Stil zur Folge, in dessen Zuge u. a. eine Stadtmauer mit 73 Türmen ein nun vergrößertes Stadtgebiet umgab.299 Das Straßennetz wurde den neuen Bedürfnissen angepasst, indem Straßenzüge verlegt oder neu ausgerichtet
290 291 292 293 294 295 296 297 298 299
Stadtmauern gibt (CIL 13, 5089). In anderen Inschriften wird die abgekürzte Form Colonia Helvetiorum gebraucht. Aventicum findet bei Tac. hist. 1,68 sowie bei Ptolemaeus 2,9,21 Erwähnung und wird auch in späteren Quellen noch genannt. Pury-Gysel 2011, 16–17, mit weiterführender Literatur. Pury-Gysel 2011, 16. Pury-Gysel 2012, 275–276. Pury-Gysel 2011, 17–38, Abb. 10. Pury-Gysel 2012, 276. Pury-Gysel 2012, 278–279. Pury-Gysel 2012, 278. Pury-Gysel 2012, 279. Pury-Gysel 2012, 276, 279. Pury-Gysel 2011, 13, 25, Abb. 10. Drack/Fellmann 1988, 340. Pury-Gysel 2011, 38. Pury-Gysel 2011, 38–42, Abb. 10. Pury-Gysel 2012, 259. Drack/Fellmann 1988, 340–341, 346, Abb. 324–325. Pury-Gysel 2011, 40, überlegt, ob die Stadtmauer von römischen Soldaten erbaut wurde, vielleicht von denen der legio XI aus Vindonissa.
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wurden.300 Die Wasserversorgung des Siedlungsgebietes war über sechs Aquädukte sichergestellt, die Entsorgung des Schmutz- und Brauchwassers über ein System aus Abwasserkanälen, die größtenteils unterhalb der größeren Straßenzüge verliefen.301 Am Südwestufer des Murtensees legten die Römer zudem einen Hafen an, der von der Stadtgrenze ca. 1300 m entfernt lag und mit dieser über eine Straße verbunden war.302 Funktional war das Stadtgebiet von Aventicum in verschiedene Nutzungsareale aufgeteilt: Im Zentrum befand sich vornehmlich Wohnbebauung (insulae), die sich um das zentrale Forum am Schnittpunkt von decumanus und cardo maximus herum gruppierte.303 Im Norden und Nordosten – vielleicht auch im Südosten – entwickelten sich verschiedene gewerbliche Zonen, während im Nordwesten des insulae-Areals ab dem späten 1. Jh. n. Chr. luxuriöse Stadtvillen entstanden.304 Im Südwesten schließlich befanden sich die öffentlichen Großbauten der colonia, zu denen neben Tempeln verschiedener Gottheiten auch ein Theater sowie ein Amphitheater zählten.305 Neben dem Amphitheater weisen auch Funde, die im Siedlungsgebiet von Aventicum gemacht wurden, in die Sphäre der munera gladiatoria. Zu diesen zählt ein kleinplastisch ausgestalteter Griff eines römischen Klappmessers (Kat. 1.5.2). Dargestellt ist der Kampf eines retiarius gegen einen secutor, wobei hier die Endphase der Kampfhandlungen, also der spannendste Moment, vom Künstler eingefangen wurde: Der retiarius fasst mit der Rechten die crista des secutor-Helmes sowie die rechte Waffenhand seines Angreifers, der im Begriff ist, einen gefährlichen Dolchstoß gegen die linke Brust des retiarius zu führen. Sowohl das Reißen am Helm mit der unweigerlichen Folge des Sichtverlustes, als auch das Zustechen mit dem Dolch würden wahrscheinlich sehr bald das Kampfende herbeiführen, so dass der Betrachter zum Zeugen des dramatischsten Momentes eines Gladiatorenkampfes gemacht wird. Der in Aventicum gefundene Messergriff gehört in seiner handwerklich hochwertigen Ausführung zu den sicher wertvolleren Artefakten dieser Art.306 Ähnlich wie in anderen Ansiedlungen in den beiden Germanien mit nachgewiesenem Amphitheater hat man auch in Aventicum/Avenches Fragmente von Glasbechern mit Reliefs von Gladiatorenpaaren und beigeschriebenen Namen berühmter römischer Gladiatoren gefunden (Kat. 1.5.3–1.5.5).307
300 301 302 303 304 305 306 307
Pury-Gysel 2011,40–41. Pury-Gysel 2011, Abb. 21. Drack/Fellmann 1988, 340. Drack/Fellmann 1988, 340, 347, Abb. 326. Drack/Fellmann 1988, 341, Abb. 318. Drack/Fellmann 1988, 341. Drack/Fellmann 1988, 341, Abb. 318. Vgl. Degen 1984, 170–172. Augusta Raurica/Augst: Kat. 1.4.5–1.4.7, Brenodurum/Bern: Kat. 1.6.2–1.6.3, Lousonna/Lausanne: Kat. 1.10.1–1.10.2, Vindonissa Kat. 1.16.3–1.16.9, Vitudurum/Oberwinterthur: Kat. 1.17.1– 1.17.7 und Vetera Castra/Birten: Kat. 2.8.3. Vgl. auch Mogontiacum/Mainz: Kat. 1.11.4 und CCAA/Köln: Kat. 2.2.17–2.2.18.
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Das Amphitheater von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1), das innerhalb seiner Benutzungszeit zwei Bauphasen aufweist, befand sich an der westlichen Grenze des bebauten antiken Stadtareals, lag aber noch innerhalb der flavischen Umfassungsmauer (vgl. Abb. 3d).308 Mit seiner nordwestlichen Hälfte lehnte es sich an den nordöstlichen Abhang eines natürlichen Hügels an, der heute durch die mittelalterliche Stadt überbaut ist.309 Diese Anhöhe war durch eine Gletschermoräne entstanden und bot einen idealen Platz für die Anlage eines Amphitheaters. Die fast vollständige Eintiefung des Monumentes in den Hang erlaubte zum einen die Nutzung der natürlichen Hanglage für die Anlage von Zuschauervorrichtungen, ermöglichte zum anderen aber auch die Gewinnung von Erdreich, das für die teilweise notwendigen Anschüttungen im Zuschauerbereich genutzt werden konnte.310 Somit konnte der Arbeits- und damit auch der Kostenaufwand auf ein Minimum reduziert werden – ein Phänomen, das sich bei vielen anderen Bauvorhaben dieser Größenordnung im gesamten Imperium Romanum beobachten lässt. Aufgrund seiner hoch gelegenen Position bildete das Amphitheater den westlichsten und zugleich höchsten Bezugspunkt innerhalb der urbanen Landschaft und dominierte damit das bebaute Siedlungsareal, das sich vor allem nördlich, östlich und südöstlich anschloss.311 Zugleich aber bildete es architektonisch mit seiner nach Osten orientierten Hauptfassade – ähnlich wie beim Amphitheater von Augst-Sichelenegraben (Kat. 1.4.2) – den westlichen Abschluss des Sakralbezirkes, der sich am Fuße desselben Hügels erstreckte und sowohl indigene als auch römische Kultbezirke beherbergte.312 Seine topographisch herausgehobene Lage offerierte Reisenden eine imposante Ansicht, sowohl solchen, die das Stadtgebiet durch das Osttor betraten, als auch denen, die sich von Westen her näherten.313 Zwar konnte in der unmittelbaren Umgebung des Amphitheaters die antike Zuwegung nicht sicher rekonstruiert werden, da das Amphitheater außerhalb des insula-Netzes der Stadt lag, doch scheint es wahrscheinlich, dass das Amphitheater von Aventicum über Verlängerungen eines decumanus oder über Abzweigungen von der Hauptstraße zum Westtor verkehrsmäßig an das Wegenetz des Siedlungsgebietes angeschlossen war.314
308 Bridel 2004, 9, 39, Pl. 40. Golvin 1988, 127, Taf. XVI: 4. Drack/Fellmann 1988, 345. Zur Geschichte der Entdeckung des Amphitheaters sowie erster Grabungen s. Bridel op. cit. 13–32, Abb. 5–33. Zu den Auswirkungen der mittelalterlichen Bebauung auf die Bausubstanz des Amphitheaters s. Briedel op.cit., 207–208. 309 Bridel 2004, 9, 39, Pl. 40. Golvin 1988, 127, Taf. XVI: 4. 310 Pury-Gysel 2012, 267. Es wird geschätzt, dass ein Erdvolumen von 26.000 m3 für den Bau des Amphitheaters bewegt werden mussten. Bridel 2004, 39–40. Golvin 1988, 127. 311 Bridel 2004, 218, Pl. 40. 312 Bridel 2004, 39, 218, Pl. 40–41. Drack/Fellmann 1988, 342–344. 313 Bridel 2004, 218, Pl. 40. 314 Bridel 2004, 39, 218–219, Pl. 40. Vgl. Drack/Fellmann 1988, Abb. 318.
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In seiner ersten Bauphase beliefen sich die Außenmaße des Amphitheaters von Aventicum auf rund 106 × 91 m.315 Das Amphitheater von Aventicum war damit das größte Amphitheater in Holz-Steinbauweise in den Provinzen Germania Superior und Inferior. Die Arena des Amphitheaters, die in der zweiten Bauphase unverändert blieb, maß 51 × 39 m und war auf ihrer Längsachse mit einem unterirdischen Drainagekanal versehen, der in West-Ost-Richtung bis zum Vorplatz des Amphitheaters führte, wo er abknickte, um aller Wahrscheinlichkeit nach in das städtische Netz des Brauchwasserabflusses eingespeist zu werden.316 Ein Untergeschoss oder kellerartige Vertiefungen zur Unterbringung von Bühnenmaschinen konnten in Aventicum nicht freigelegt werden.317 Ebenfalls auf der Längsachse des Amphitheaters lagen die beiden Hauptzugänge zur Arena: Der Zugang im Westen, der vom Ausgräber P. Bridel als porta libitinensis angesprochen wird und einen Höhenunterschied von der Peripherie des Monumentes zum Niveau der Arena von ca. 8 m überwand, war insgesamt 5,85 m breit und zur Arena hin mit einer großen Tür verschließbar.318 Flankiert wurde diese Tür wahrscheinlich von zwei kleineren portae posticae,319 die während eines munus eine wichtige inszenatorische Rolle spielen konnten. Einen direkten Zugang zu den Sitzstufen der cavea gab es vom westlichen Zugang aus allein über einen verdeckten Umgang (s. unten), der unterhalb des Podiums verlief und zu drei Treppenhäusern führte, über die man zum Podiumsbereich gelangte.320 Ob diese Möglichkeit allerdings tatsächlich in Anspruch genommen wurde, bleibt zu bezweifeln, denn der westliche Zugang war – anders als der östliche – weder mit einer repräsentativen Fassade noch mit einem bequemen Anschluss an das städtische Wegenetz versehen. Da der Westzugang zudem stark geneigt und von der Peripherie aus über eine Rampe und nicht über Treppenstufen zugänglich war, liegt die Vermutung nahe, dass er hauptsächlich logistischen Zwecken diente, etwa als Passage für Karren, die entweder Tierkäfige oder auch verletzte Gladiatoren sowie Tierkadaver transportieren konnten.321 Ähnlich den Verhältnissen im Osten war der westliche Zugang zur Peripherie hin mit Gewölbe überdeckt, während auf einer Strecke von ca. 10 m zur Arena hin der Zugang oben offen war.322 Wer oder was auch
315
Vgl. Bridel 2004, Pl. 10.1. Bei diesen Angaben sind die rampenartigen Anschüttungen an der Außenseite des Amphitheaters nicht eingerechnet. 316 Dass dieser Drainagekanal trotz vieler Reparatur- und Modifikationsmaßnahmen, die sich im archäologischen Befund ablesen lassen, zur frühesten Ausstattung des Amphitheaters gehörte, legt die Undurchlässigkeit des durch die Gletschermoräne gebildeten Untergrundes nahe. Bridel 2004, 40, Abb. 39–40. 317 Pury-Gysel 2012, 267. 318 Bridel 2004, 44–45, Abb. 47, Pl. 3a. 319 Bridel 2004, 44–45, Pl. 3a. 320 Bridel 2004, 212. 321 Bridel 2004, 212, denkt auch an die Möglichkeit, dass es hier weitere Annexräume wie etwa ein spoliarium oder Aufenthaltsräume für wilde Tiere gegeben haben könnte. 322 Die topographischen Beschränkungen im Westen führten im Bereich des Einganges dazu, dass der überdeckte Teil des Zuganges kürzer war, als dies im Osten der Fall war, was Einfluss auf die An-
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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immer also aus dem Gang Richtung Arena kam, war auf den letzten Metern für die Zuschauer sichtbar. Der Zugang im Osten, der mit 5,87 m fast genauso breit war wie sein westliches Pendant und von P. Bridel als porta sanavivaria angesprochen wird, war deutlich aufwändiger gestaltet.323 Über einen imposanten Vorhof, der einer riesigen Exedra ähnelte und von einer zweischenkeligen halbkreisförmigen Mauer monumental gefasst war, gelangte man von Osten her ins Innere des Monumentes.324 Der Ostzugang verfügte über einen breiteren Mittelgang, der von zwei lateralen Korridoren flankiert wurde.325 Auch der Ostzugang war zur Peripherie hin mit Gewölbe überdeckt, das die Sitzstufen der Zuschauertribünen trug, während das letzte Stück bis zur Arena ungedeckt war.326 Am Westende beider Seitenkorridore befanden sich zudem Treppenhäuser, die in den Bereich des Podiums der cavea führten, also vornehmlich von höher gestellten Persönlichkeiten genutzt wurden.327 Dies offenbart ein Kuriosum in der römischen Amphitheater-Architektur, denn auf diese Wiese wurde die soziale Hierarchie der provinzialen Gesellschaft, die üblicherweise über die kanonische Dreiteilung in ima, media und summa cavea ersichtlich wurde, in Aventicum schon beim Betreten des Amphitheaters für jeden erkennbar: Nur wer im Podiumsbereich Platz nehmen durfte, ging über den monumental gefassten Vorhof und durch die Seitenportale des Ostzuganges in das Amphitheater hinein, während sich alle anderen Zuschauer über außen befindliche Treppen zunächst bis zur summa cavea begeben mussten, von wo aus sie die cavea gleichsam von oben her ‚befüllten‘.328 Der breitere Mittelgang des Ostzuganges führte hingegen direkt zur Arena, von der er durch eine zweiflügelige Tür von 2,80 m Breite und zwei seitlichen portae posticae getrennt wurde.329 Doch bevor der Mittelgang auf die Podiumsmauer als eigentliche Arenabegrenzung traf, öffnete er sich nach Süden hin auf einen verdeckten Umgang.330 Dieser ca. 1,18 m breite verdeckte Umgang, der unterhalb des unteren Ambulatoriums der südlichen cavea verlief, wurde arenaseitig durch ca. 2,00 m hohe Orthostaten gebildet und cavea-seitig durch eine Stützmauer, die die Anschüttungen der südlichen cavea-Hälfte stabilisierte.331 Überdeckt war er mit großen Steinplatten, die für den darüber befindlichen unteren Umgang der südlichen cavea-Hälfte zugleich die Fußboden-
323 324 325 326 327 328 329 330 331
zahl der Sitzstufen an dieser Stelle hatte, die sich über dem gewölbegedeckten Teil des Zuganges befanden. Bridel 2004, 46, Pl. 3a-b. Bridel 2004, 41–44, Pl. 3b, 4. Bridel 2004, 68–74, Pl. 3b. Bridel 2004, Pl. 4. Bridel 2004, 44. Bridel 2004, 44, Pl. 3b, 4, 212–213. Bridel 2004, 213. Die zweiflügelige Mitteltür öffnete sich in den Mittelgang, die beiden portae posticae (0,85 m breit) zur Arena hin. Bridel 2004, 44–45, Abb. 47, Pl. 3a. Bridel 2004, 46, 50–52, 75–77, Pl. 3a-b, 18. Bridel 2004, 50, Abb. 53.
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platten bildeten.332 Dieser Umgang erfüllte zweierlei Funktionen:333 Zum einen führte er zu drei Treppenhäusern, die den Zugang zu den Sitzstufen des Podiumsbereiches ermöglichten und somit höher gestellten Persönlichkeiten der civitas Helvetiorum vorbehalten waren. Zum anderen aber zeugen eine Exedra-artige Nische (carcer) direkt westlich des mittleren Treppenhauses und damit fast exakt auf der Querachse der Arena334 davon, dass der verdeckte Umgang auch während der Veranstaltung eines munus Raum für die temporäre Unterbringung von Gladiatoren und/oder wilden Tieren in Käfigen gewährte. Gleichzeitig ermöglichten oculi in den Orthostaten ein Beobachten des Geschehens durch kleine Gucklöcher in der Arenamauer, um etwaige Überraschungseffekte optimal auf die Dramaturgie der Arenaaktivitäten abstimmen zu können.335 Zugänglich war der verdeckte Umgang allein von seinen beiden Enden aus, d. h. vom westlichen und östlichen Arenazugang. Die in situ erhaltene Fundamentlage der Orthostaten der Podiumsmauer legt allerdings die Vermutung nahe, dass auch eine direkte Kommunikation zwischen verdecktem Umgang und Arena über insgesamt vier kleinere portae posticae möglich war, die P. Bridel in der Nähe der drei Treppenhäuser bzw. des südlichen carcers rekonstruiert.336 Einen solchen verdeckten Umgang gab es in der nördlichen Hälfte der cavea nicht.337 Hier wurde die Arena zwar ebenfalls von Orthostaten begrenzt, doch befand sich dahinter kein umlaufender ‚Servicegang‘, sondern lediglich die Stützmauer der cavea – ein Umstand, der für das einheitliche Erscheinungsbild der Arenabegrenzung allerdings unerheblich war.338 Am südöstlichen Fuß der Nordhälfte der cavea wurde indes ein Raum entdeckt, der gleichsam als verkürzte Fortsetzung des verdeckten Umganges verstanden werden kann und allein vom breiteren Mittelgang des östlichen Zuganges aus erreichbar war.339 Hier fanden sich zwei halbrunde, in die östliche Wand des Raumes eingelassene Nischen mit Brandspuren, was für eine Interpretation des Raumes als sacellum spricht.340 Würde diese Interpretation das Richtige treffen, läge das sacellum außerhalb der für die Zuschauer zugänglichen Bereiche und wäre somit den Gladiatoren und dem Arenapersonal vorbehalten gewesen. Auf der Querachse der Arena befand sich darüber hinaus auch in der Nordhälfte der cavea ein nicht sehr großer carcer, der lediglich über die Arena betreten werden konnte und
332 333 334 335 336 337
Bridel 2004, 50. Bridel 2004, 50–52, 77, Pl. 18, Abb. 55–57. Bridel 2004, 83, Abb. 100, 101–102, Pl. 20.4. Bridel 2004, 83, Abb. 100, 101–102, Pl. 20.4. Bridel 2004, 75–77, Pl. 18. Zu Vermutungen bezüglich des Grundes für die unterschiedliche bauliche Gestaltung der Nordund Südhälfte der cavea s. Bridel 2004, 46. 338 Bridel 2004, 47–48, 50, 79. 339 Bridel 2004, 52, Pl. 18. 340 Bridel 2004, 52, Abb. 54, Pl. 18.
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somit stets vor Beginn einer Veranstaltung mit Gladiatoren oder Tierkäfigen ‚befüllt‘ worden sein muss.341 Die gesamte cavea verfügte über einen unteren Umgang, der zwischen der Brüstung der Podiumsmauer und den untersten Sitzstufen des Podiums verlief und der nur im Bereich des westlichen bzw. östlichen Arenazugangs unterbrochen war.342 Darüber hinaus wurde die summa cavea von einem oberen Umgang abgeschlossen.343 Eine architektonische Gliederung des Zuschauerbereichs in Form einer praecinctio, die die media cavea von den Bereichen der ima bzw. summa cavea abgeteilt hätte, gab es in Aventicum nicht.344 Dieses ‚Manko‘ wurde möglicherweise durch Sitzinschriften kompensiert, die die Verteilung der Zuschauer in der cavea gemäß der sozialen Hierarchie regeln halfen.345 Wahrscheinlich bestanden die Sitzstufen in der ersten Bauphase des Amphitheaters vornehmlich aus Holz und waren entweder auf den Anschüttungen der cavea oder einem hölzernen Untergerüst angebracht.346 Aus baulichen Gründen müssen allerdings die ersten Sitzstufenreihen des Podiums in der Südhälfte der cavea aus Stein gewesen sein,347 so dass man von einer zunächst nur teilweisen Errichtung des Amphitheaters von Aventicum in Stein ausgehen darf. Die cavea des Amphitheaters von Aventicum war mit mehreren Ehrentribünen ausgestattet. Unmittelbar über dem Nordcarcer legt der archäologische Befund die Existenz einer Plattform nahe, die möglicherweise die des Spielgebers war.348 Denkbar wäre allerdings auch, dass sie der Bedienung des Nordcarcers diente, der vielleicht über eine eiserne Falltür und ein Aufzugsystem mit wilden Tieren beschickt werden konnte.349 Neben dieser Tribüne und der in der Südhälfte der cavea befindlichen Ehrentribüne werden auch beidseits des nördlichen carcers bzw. am Fuß von zwei Treppenläufen zwei kleinere Tribünen rekonstruiert, die wahrscheinlich hochgestellten Persönlichkeiten vorbehalten waren.350 Eine größere (ca. 7,05 m × 3,12 m) und durch zwei breite Stufen abgetrennte Plattform wird dagegen direkt über dem östlichen Arenazugang lokalisiert.351 Da diese Plattform vom breiteren Mittelgang des Ostzuganges her betretbar war und zudem über einen zusätzlichen verdeckten Trep-
341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351
Zu den Spuren einer verriegelbaren Tür, die etwa 1,00 m breit war und sich zur Arena hin öffnete, s. Bridel 2004, 48–50, 83, Abb. 50–53, Pl. 10.1, 18, 20.1. Bridel 2004, 79–80. Bridel 2004, 79–80, Bridel 2004, 213. Bridel 2004, 213. Die Identifikation der Sitzstufen und ihre Zuweisung zu einer bestimmten Bauphase ist äußerst diffizil und erlaubt keine sicheren Aussagen. Bridel 2004, 78–79. Bridel 2004, 78–79. Bridel 2004, 50, 65, der allerdings einschränkend einräumt, dass es keine direkte Verbindung von der Arena zur Loge über dem Nordcarcer gab. Bridel 2004, 83. Bridel 2004, 57, Pl. 10.1, 10.2. Bridel 2004, 60–61, Abb. 15, 65–66.
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penlauf verfügte, liegt die Vermutung nahe, in dieser Plattform das Pendant zum pulvinar eines römischen Circus zu sehen, d. h. den Ort, an dem die in der pompa mitgeführten Götterbildnisse während der spectacula aufgestellt wurden.352 Diese mehr als 20 m2 große Plattform dominierte den östlichen Arenazugang und stellt ein Element dar, das in der Amphitheater-Architektur bislang einzigartig ist und somit als lokale Eigenheit verstanden werden muss.353 Die zweite Bauphase des Amphitheaters von Aventicum zielte offenbar vor allem auf eine erhöhte Außenwirkung und eine Vergrößerung seines Fassungsvermögens ab. Das architektonische System der cavea, der Arena sowie ihrer jeweiligen Umgänge blieb hingegen im Großen und Ganzen in der zweiten Bauphase des Amphitheaters von Aventicum unverändert: Die Arena blieb mit ihren Maßen von 51 × 39 m genauso groß wie die der vorangegangenen Bauphase, lediglich die Außenmaße des Monumentes wurden durch eine Neugestaltung der Umfassungsmauer auf rund 110 × 99 m etwas vergrößert.354 Für die Besucher des Amphitheaters zeigte sich die gesteigerte Außenwirkung des Amphitheaters bereits von der Ferne, denn die ursprünglich halbkreisförmige Mauer des Vorhofes, der fast wie ein Trichter auf den östlichen Arenazugang zuführte und in der Amphitheater-Architektur als Unikum zu bezeichnen ist, wurde nun durch eine geradlinige monumentale Fassade mit vorspringenden Säulen, Architraven und Giebeln völlig neu gestaltet.355 Vorgeblendet war diese Fassade dem östlichen Arenazugang – von P. Bridel als porta sanavivaria identifiziert – dessen Laufachsen beibehalten wurden.356 Zusammen mit dem Vorhof, der im Norden und Süden weiterhin von der halbkreisförmigen Mauer aus der ersten Bauphase eingefasst war, erhielt der östliche Eingang somit eine monumentale Repräsentationsarchitektur, die der in das Amphitheater einziehenden pompa sowie den Honoratioren der colonia Aventicum einen prunkvollen Rahmen bot. Diesem Prunk entsprach im Innern die Vergrößerung des Fassungsvermögens des Amphitheaters, das man vor allem durch eine veränderte Neigung der Sitzstufen sowie eine Vergrößerung der Sitzstufenanzahl erwirkte.357 Von diesen Sitzstufen haben sich zwar aufgrund nachantiker Plünderungen nur einige wenige in situ erhalten, doch nimmt man an, dass sie nun mit großer Wahrscheinlichkeit vollständig aus Stein gefertigt waren.358 Drei der erhaltenen Sitzstufen tragen die Sitzinschrift in Form des Buchstabens Q mit daneben eingeritzten vertikalen Strichen, deren Bedeutung allerdings
352 353 354 355
Bridel 2004, 68, 214–215. Bridel 2004, 214–215. Bridel 2004, 188, 193 ff., Pl. 10.1, 28. Bridel 2004, 91–98, 212, Pl. 15–17, 21.1–5, 22.1–9, 23–27.1–2. Zu einem vermuteten Zusammenhang zum Kaiserkult und dem Cigonier-Heiligtum s. Pury-Gysel 2012, 267–268. 356 Bridel 2004, 41–44, 91. 357 Bridel 2004, 166. 358 Bridel 2004, 180–190, Abb. 217–218b, Pl. 28–3.1–2.
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bislang nicht schlüssig geklärt werden konnte.359 Insgesamt werden 36 Sitzstufenreihen rekonstruiert, die ca. 14.000 Zuschauern Platz geboten haben dürften.360 Eine weitere Maßnahme, die der Außenwirkung des Amphitheaters eine prunkvolle Betonung und bautypologische Einzigartigkeit verlieh, war die Errichtung einer neuen Außenmauer.361 Da das Amphitheater fast vollständig in das anstehende Gestein eingetieft war, umgab diese neue Mauer lediglich den oberen Teil des Amphitheaters und war am westlichen bzw. östlichen Zugang durch diese unterbrochen.362 Für ihre Errichtung hatte man die ältere Umfassungsmauer des Amphitheaters fast vollständig geschleift, so dass der neuen Außenmauer neben der repräsentativen Funktion auch ein rein praktischer Zweck in der Abstützung der cavea-Aufschüttungen in diesem Bereich zukam. Gegliedert war die Mauer durch halbkreisförmige Nischen mit einem Halbkugelgewölbe, die im Übergang zur jeweiligen Nachbarnische mit einem vorgeblendeten Pfeiler abgetrennt waren.363 Darüber hinaus verlieh die Behandlung der Mauerfassade dem Amphitheater einen prachtvollen Anblick, denn man spielte nicht nur mit den Farben verschiedener Gesteine, sondern auch mit zum Teil bemaltem Putz, der die Polychromie des Bauwerkes abrundete.364 In der Rückwand jeder dritten Nische befand sich darüber hinaus ein tonnengewölbter Durchgang (vomitorium), der im Innern in Höhe der 21. Sitzstufe der cavea mündete und über radial verlaufende Treppen eine Befüllung der summa cavea bzw. von Teilen der media cavea erlaubte.365 Mit dieser veränderten Disposition hatte man vor allem dem Komfort der Zuschauer Rechnung getragen, denn diese mussten nun nicht mehr wie bisher über Außentreppen bis hoch zur summa cavea steigen, sondern nur noch bis etwa zur Hälfte. Da die Vomitorien den Zugang zu Teilen der media cavea, insbesondere aber zur summa cavea bequemer gestalteten, wird deutlich, dass die zweite Bauphase des Amphitheaters von Aventicum die Zuschauer in den Mittelpunkt rückte: Für die provinziale Elite wurde der Gang ins Amphitheater pompöser ausgestaltet, während die übrigen Zuschauer über komfortablere Zuwege ins Innere des Bauwerkes gelenkt wurden. Für die Akteure der Arena, also Gladiatoren, Akrobaten, Gaukler, Arenapersonal etc. blieb allerdings alles beim Alten und an ihren Arbeitsbedingungen änderte sich – zumindest vordergründig – nichts. Darüber hinaus wurde
359 Bridel op. cit., 183–184, 190–192, Abb. 219 a–b, Kat. 87–89. 360 Bridel 2004, 188, 191. Pury-Gysel 2012, 267, spricht von 20 Sitzreihen der cavea, die auf 31 Reihen erhöht wurden, so dass nun statt 12.000 Zuschauern ca. 16.000 Schaulustige die römischen spectacula im Amphitheater von Aventicum verfolgen konnten. 361 Bridel 2004, 193–199, Pl. 36–37. 362 Die Mauer erreichte eine Höhe von 25 römischen Fuß; am östlichen Zugang maß sie 17,77 m. Bridel 2004, 193. 363 Bridel 2004, 192–193, 216, Pl. 6–7.2. 364 Bridel 2004, 196–199. 365 Bridel 2004, Pl. 28–29, 31, 42.1–2.
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die Zahl derer, die einem provinzialen munus beiwohnen durften, erhöht, deutliches Zeichen für eine gestiegene Nachfrage. Für das exakte Erbauungsdatum des Amphitheaters von Aventicum konnten bislang keine sicheren Indizien eruiert werden, doch scheint Vieles darauf hinzudeuten, dass es unter den öffentlichen Gebäuden, die man im Zuge der Erhebung der Stadt zur colonia unter Vespasian (69–79 n. Chr.) erbaute oder zu erbauen vorsah, das letzte war, das errichtet wurde.366 A. de Pury-Gysel gibt ein Erbauungsdatum um 120 n. Chr. an,367 was sich gut in den allgemeinen chronologischen Rahmen ziviler Amphitheater in Germania Superior und Inferior einfügen würde. Sicheren Boden betritt man hingegen mit der Datierung der zweiten Bauphase, die eine deutliche Vergrößerung des Fassungsvermögens des Amphitheaters mit sich brachte.368 Mit Hilfe dendrochronologischer Daten, die aus dem Bereich des monumental gefassten Vorhofes stammen, lassen sich der Beginn der umfangreichen Baumaßnahmen der zweiten Phase in die Zeit nach 165 n. Chr. setzen.369 Das einzige Element, das in seiner baulichen Struktur keinerlei Veränderung erfuhr, war die Arena mit ihrer umlaufenden Mauer aus Orthostaten sowie der Bereich des Podiums, der zur Arena hin durch eine – die Arenamauer gleichsam vertikal verlängernde – Brüstung abgegrenzt war. Wann genau das Amphitheater von Aventicum aufgegeben wurde, kann aus dem archäologischen Befund ebenfalls nicht eindeutig herausgeschält werden. Zwar lassen sich verschiedene Schuttschichten in der stratigraphischen Abfolge erkennen, doch ist deren chronologische Einordnung aufgrund nachantiker Plünderungen nur relativ und nicht absolut benennbar.370 Sicher ist in jedem Fall, dass das Steinmaterial des Amphitheaters gründlich ausgeraubt und zum Teil noch an Ort und Stelle zu Kalk verbrannt wurde. Dafür sprechen Architekturblöcke, die man verstreut im Bereich der Arena fand, sowie ein Kalkofen, der sich offenbar im Bereich des östlichen Arenazuganges etablieren konnte.371 Am Fuß der Podiumsmauer372 hatte man darüber hinaus eine Lederbörse bergen können, deren Inhalt aus sechs römischen Münzen bestand. Die jüngste dieser Münzen, ein Sesterz aus der Zeit des Didius Julianus, der von März bis Juni 193 n. Chr. römischer Kaiser war, könnte mit aller Vorsicht einen terminus post quem für die Benutzungszeit des Amphitheaters liefern.373 Unstrittig ist in jedem Fall, 366 Zum Teil fußt diese These auf der Überlegung, dass das Amphitheater wahrscheinlich nicht vor den für den öffentlichen Kult der civitas bestimmten Bauten wie das Cigognier-Monument oder das Theater entstanden sein dürfte. Bridel 2004, 218. 367 Pury-Gysel 2012, 267. 368 Pury-Gysel 2012, 267. 369 Bridel 2004, 92–93, 199. Vgl. Hufschmid 2009, 168. 370 Bridel 2004, 199–200. 371 Bridel 2004, 202–203, 205, Pl. 38. Zu einer verlorenen Geldbörse, die mit dieser Plünderungsphase des Amphitheaters in Verbindung gebracht wird, s. Bridel op. cit., 203–204. 372 Der Fundort der Börse ist nicht gesichert und könnte auch in einem der Durchgänge gefunden worden sein. Bridel 2004, 204. 373 Bridel 2004, 204–205.
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dass das Amphitheater im Mittelalter nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion in Verwendung war, wovon insbesondere der mittelalterliche Bischofsturm zeugt, den man über dem östlichen Arenazugang errichtet hatte.374 2.1.4 Brenodurum/Bern-Enge (CH, Kat. 1.6.1) In der Antike lag Brenodurum, das heutige Bern-Enge, am Eingang eines fruchtbaren Tales, das weit in die Alpen hineinreichte und von einem Fluss, der Aare, durchzogen wurde.375 Das Amphitheater von Brenodurum liegt zusammen mit anderen öffentlichen Bauten im Süden des antiken Siedlungsgebietes, das auf einer Halbinsel, die durch den gewundenen Flusslauf der Aare gebildet wird, lokalisiert wurde und heute die nördliche Vorstadt von Bern darstellt (vgl. Abb. 3f).376 Hier befand sich in keltischer wie römischer Zeit einer der Zentralorte der civitas Helvetiorum.377 Die zivile Ansiedlung war entlang einer etwa in der Mitte der Halbinsel verlaufenden Hauptstraße als wahrscheinlich mehrzeiliges Straßendorf angelegt.378 Spuren militärischer Aktivitäten konnten auf der Engehalbinsel nicht nachgewiesen werden.379 Die Bewohner der Siedlung scheinen im Wesentlichen keltischen Ursprungs, wenngleich eine starke kulturelle Beeinflussung durch die Römer erkennbar ist.380 Die Münzen, die man im Siedlungsgebiet gefunden hat, setzen in augusteischer Zeit ein und brechen zwischen 165 und 211 n. Chr. ab.381 Scherben von Glasbechern (Kat. 1.6.2–1.6.3) mit Reliefdarstellungen von Gladiatorenpaaren, die mit Namen berühmter römischer Gladiatoren überschrieben sind, wurden auf der Engehalbinsel gefunden. Ein Becher war in einem Grab zu Tage getreten, dessen Bestattung über Beifunde in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden konnte.382 Die Arena des Amphitheaters, die 1956 freigelegt und restauriert wurde,383 hatte man in den Boden eingetieft und den so gewonnenen Aushub – zumindest zum Teil – für die Anschüttung eines rundherum verlaufenden Erdwalles genutzt.384 Die Arena war mit 27,55 × 23,50 m recht klein bemessen und auch die rekonstruierten Außenmaße des Gebäudes von 42,55 × 38,5 m lassen auf einen eher bescheidenen Vertreter dieses Bau374 Bridel 2004, 207–208. 375 Drack/Fellmann 1988, 363. 376 Golvin 1988, 90. Zur Entdeckungs- und Grabungsgeschichte des Amphitheaters s. Müller-Beck 1957, 59–60. Müller-Beck 1957a, 29–30. Drack/Fellmann 1988, 363. 377 Martin-Kilcher 2005, 59. Müller-Beck 1957a, 32. 378 Drack/Fellmann 1988, 363, Abb. 341. 379 Müller-Beck 1957, 65. 380 Müller-Beck 1957, 65. 381 Drack/Fellmann 1988, 366. 382 Rütti et al. 1988, 90. 383 Drack/Fellmann 1988, 363. Müller-Beck 1957a, 29. 384 Golvin 1988, 90, Taf. X: 4. Müller-Beck 1957, 60, 65. Müller-Beck 1957a, 32, Abb. 28, 30–31.
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typs schließen.385 Auf dem Gebiet der Germania Superior und Inferior stellt das zivile Amphitheater von Brenodurm das kleinste seiner Art dar. An der Westseite der Arena und am Fuße der Podiumsmauer traf man auf eine kleine, mit Kies gefüllte Abflussrinne, die an ihrem tiefsten Punkt in ein Sickerloch mündete, das sich unter der Podiumsmauer fortsetzte.386 Vom Zugang im Nordwesten fiel der Arenaboden auf der Westseite um etwa 27 cm, auf der Ostseite um etwa 15 cm ab, ebenfalls eine Maßnahme, um die Drainage des gesamten Gebäudes sicherzustellen.387 Die Podiumsmauer, die mit großen Kieselsteinen aus der benachbarten Aare errichtet und mit einer Mauerkrone aus Tuffstein versehen war, ist stellenweise bis zu 1,50 m hoch erhalten, nirgendwo allerdings in ihrer originalen Höhe.388 Nach innen hin war sie ursprünglich mit einem in Fischgrätmuster verziertem Fugenputz versehen, einer zweiten und vielleicht dritten Bauphase entstammt ein Verputz in weißer Farbe.389 Ungewöhnlicherweise war die Arena nur über einen einzigen, rampenförmigen Zugang im Nordwesten zugänglich.390 Teile der Flankenmauern dieses 4,10 m breiten Zuganges sind im Westen auf 12,00 m, im Osten auf 7,50 m erhalten.391 Spuren hölzerner Türgewände lassen auf eine zweiflügelige Toranlage schließen, die sich nach innen zum Nordwestzugang hin öffnen ließ.392 Auf der gegenüberliegenden Seite des Nordwestzuganges, wo man üblicherweise einen zweiten Zugang erwarten würde, traf man – leicht aus der Flucht nach Südost verschoben – auf einen kleinen Raum mit trapezoidem Grundriss, der wahrscheinlich als carcer diente und ebenfalls mit einer Holztür verschließbar war.393 Da dieser carcer keinerlerlei Verbindung zur Peripherie aufwies, muss er jeweils vor der Veranstaltung eines munus gladiatorium oder einer venatio mit Gladiatoren bzw. wilden Tieren befüllt worden sein. Von der cavea des Amphitheaters sind nur sehr geringe Reste erhalten geblieben. Aufschüttungen und natürliche Erhebungen im Gelände, die den Standort des Bauplatzes maßgeblich bestimmt haben dürften, haben wahrscheinlich eine Holzkonstruktion für die Sitzstufen der Zuschauer getragen, von denen im Süden und Norden einige wenige Pfostenlöcher
385
386 387 388 389 390 391 392 393
Golvin 1988, 30, Taf. X: 4. Die nähere Umgebung des Amphitheaters, also der Bereich außerhalb der eigentlichen Arena, wurde aus Kostengründen nicht großflächig untersucht. Müller-Beck 1957, 59: „Die Grabungen blieben auf den engeren Bereich des Rundbaus [i. e. des Amphitheaters] selbst beschränkt.“ Müller-Beck 1957, 60, Abb. oben auf S. 63. Müller-Beck 1957a, 33. Müller-Beck 1957, 62. Müller-Beck 1957a, 33–34. Golvin 1988, 90, Taf. X: 4. Müller-Beck 1957a, 32–33. Die Podiumsmauer war im Durchschnitt 50–60 cm stark und mit einem leicht in die Arena vorspringenden Fundament versehen. Im carcer erreicht die erhaltene Mauer eine Höhe von 2,30 m. Müller-Beck 1957, 60, 62, Abb. unten S. 66. Müller-Beck 1957a, 33. Müller-Beck 1957, 60–62, Foto zwischen Seite 66 und 67. Zu einem kleinen rotgefärbten Wandteil, der wahrscheinlich das Ergebnis einer Verfärbung ist. s. Müller-Beck a. a. O. Müller-Beck 1957, 60, Abb. unten auf S. 63. Golvin 1988, 90, Taf. X: 4. Müller-Beck 1957, 60, Abb. unten auf S. 63. Müller-Beck 1957, 64. Müller-Beck 1957a, 34. Golvin 1988, 90. Müller-Beck 1957, 64. Müller-Beck 1957a, 34.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
65
erhalten sind.394 Zugänglich war das Amphitheater aller Wahrscheinlichkeit nach über eine Straße, die von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hauptstraße nach Osten abknickte und direkt zum nordöstlichen Zugang des Amphitheaters geführt hat.395 Mit der Zeit verfüllte sich die Arena von Südwesten und Westen her. In dieser Füllschicht fanden sich Kleinfunde, unter denen Gefäßscherben und Nägel den überwiegenden Teil ausmachten.396 Nicht in dieser Füllschicht, aber dennoch innerhalb der Arena fand man einen Hauer eines Wildschweines.397 Die wenigen Münzen, die zu Tage traten, datieren von der Mitte des 1. Jhs. bis in die Mitte des 2. Jhs. n. Chr., der keramische Befund verweist von der Mitte des 1. Jhs. bis in die Mitte des 3. Jhs. n. Chr.398 Eine sichere Datierung im Hinblick auf die Errichtung des Amphitheaters von Brenodurum lässt sich daraus zwar nicht gewinnen, doch scheint ein Datum von der zweiten Hälfte des 1. Jhs. bis in die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. als Erbauungszeitraum wahrscheinlich.399 Bautypologisch datiert J.-C. Golvin das Amphitheater von Bern-Enge in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. oder die erste Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.,400 T. Hufschmid schlug in seiner Tabelle zu den römischen Amphitheatern der Schweiz vorsichtig einen Ansatz von 100–150 n. Chr. vor.401 Seine Benutzungszeit reichte bei ein- bis zweimaliger Erneuerung des Verputzes der Podiumsmauer bis zum Einfall der Alamannen, der das Ende des Amphitheaters von Brenodurum bedeutete.402 In nachantiker Zeit diente das Amphitheater ähnlich wie andere Steinbauten der zivilen Siedlung als willkommene Quelle für die Gewinnung von wertvollem Steinmaterial.403 2.1.5 Colonia Iulia Equestris (Noviodunum)/Nyon (CH, Kat. 1.7.1) Noviodunum, das heutige Nyon, war ein keltisches oppidum auf einem natürlichen Kiesplateau am Nordwestufer des Genfer Sees ca. 30 m über dem Wasserspiegel und wurde von Caesar, der hier gezielt Veteranen aus Italien – möglicherweise aus der legio X Equestris – angesiedelt hatte, um das Jahr 45 v. Chr. zur Colonia Iulia Equestris erhoben.404 Strategisch lag die Ansiedlung an einer wichtigen Straße (Genava – Louson394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404
Müller-Beck 1957, 65, Abb. oben auf S. 66 mit einer Rekonstruktionszeichnung. Müller-Beck 1957a, 35. Drack/Fellmann 1988, Abb. 341. Müller-Beck 1957, 64. Müller-Beck 1957a, 34. Müller-Beck 1957, 65. Müller-Beck 1957a, 35. Müller-Beck 1957, 64. Müller-Beck 1957a, 34. Müller-Beck 1957, 64. Golvin 1988, 90. Hufschmid 2009, Abb. 163. Müller-Beck 1957, 64. Drack/Fellmann 1988, 363. Walser 2000, 1031. Hauser/Rossi 1999, 135, Anm. 1, Abb. 1. Drack/Fellmann 1988, 452. Frei-Stolba 1974, 442–443, 461. Zur Annahme, dass es sich bei den Veteranen um Soldaten der leg. X handelte, s. J. Best, Colonia Iulia Equestris and Legio Decima Equestris, in: Talanta 3, 1971, 3–10.
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na – Aventicum), die vom Großen St. Bernhard nach Genf und weiter in die Gallia Narbonensis führte und sich innerhalb der Siedlung gleichsam als cardo maximus in Nord-Süd-Richtung fortsetzte.405 Zerstört wurde die Colonia Iulia Equestris nach der Mitte des 3. Jhs. n. Chr., wohl durch die Alamannen, die sich den Fall des Limes um 260 n. Chr. zu Nutze machten.406 Das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris, das während Bauarbeiten zufällig entdeckt wurde, trat in einer Parzelle von ungewöhnlichen Abmessungen im Norden des antiken Stadtgebietes zu Tage (vgl. Abb. 3f).407 Die Parzelle, die das Amphitheater vollständig einnahm, lag unweit einer antiken Straße, die direkt zum vicus von Lousonna/Lausanne-Vidy führte.408 Bevor hier das Amphitheater errichtet worden war, war dieser Teil des Stadtareals größtenteils unbebaut,409 was für eine planvolle Anlage des Amphitheaters spricht. Angelehnt an den Abhang eines Hügels, nutzten die antiken Baumeister das natürlich ansteigende Terrain im Westen der Arena und behalfen sich im Osten mit Anschüttungen, deren Material sie wahrscheinlich aus dem Aushub der eingetieften Arena gewannen.410 Trotz mehrfacher Sondagen in der unmittelbaren Umgebung des Amphitheaters konnten seine Außengrenzen bislang nicht nachgewiesen werden.411 Die Arena dagegen, die man vollständig freilegen konnte, misst 50 × 36 m, und ist damit nur unwesentlich kleiner als die von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1), des größten zivilen Amphitheaters der Germania Superior und Inferior.412 Die daraus abzuleitende ungefähre Größe des Nyoner Amphitheaters weist auf die politische und administrative Bedeutung der Colonia Iulia Equestris in dieser Region der Germania Superior hin.413 Die Arena des Amphitheaters war über zwei Zugänge mit der Peripherie verbunden, einen im Westen und einen im Osten.414 Der westliche Zugang war zum Stadtgebiet hin ausgerichtet, während der östliche vom See (lacus Lemanus) aus sichtbar war.415 Beide Zugänge waren identisch gestaltet und verfügten zur Arena hin über ein zweiflügeliges Tor von 3 m Breite, das von zwei kleineren Seitentoren (portae posti-
405 Walser 2000, 1031. Drack/Fellmann 1988, 454. 406 Walser 2000, 1031. Drack/Fellman 1988, 456. 407 Die moderne rue de la Porcelaine folgt in ihrem Verlauf der südwestlichen Kurvatur des antiken Amphitheaters. Hauser/Rossi 1999, 136, Abb. 1. Zur Auffindung des Amphitheaters s. Frei-Stolba et al. 1998, 183. 408 Hauser/Rossi 1999, 135. 409 Interessanterweise war auch im modernen Nyon diese Parzelle allein mit einem einzigen Haus bebaut. Hauser/Rossi 1999, 136, Abb. 3. 410 Hauser/Rossi 1999, 136, Abb. 4. 411 Hauser/Rossi 1999, 136–137. 412 Hauser/Rossi 1999, 137, Abb. 6. 413 Hauser/Rossi 1999, 137. 414 Hauser/Rossi 1999, 137, Abb. 1, 6. 415 Hauser/Rossi 1999, 137.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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cae) flankiert wurde.416 Im Norden und Süden stieß man in der Querachse der Arena darüber hinaus auf zwei als carceres anzusprechende Räume, also ‚Warteräume‘ für Gladiatoren und wilde Tiere.417 Unterhalb der Arena trat ein Abwasserkanal zu Tage, der – bedingt durch die Hanglage des Gebäudes – das auftretende Oberflächen- und Sickerwasser abführen sollte – wahrscheinlich in den nahegelegenen lacus Lemanus.418 Gespeist wurde dieser Drainagekanal auch durch eine am Fuße der Podiumsmauer umlaufende Leitung aus tegulae und imbrices.419 Die beiden Hauptkanäle unterhalb der Arena waren mit Kalksteinplatten abgedeckt, unter denen sich wiederverwendete und z. T. mit Inschriften versehene (s. u.) Blöcke fanden – sicheres Indiz für mindestens eine Reparaturmaßnahme.420 Eingefasst war die Arena der Colonia Iulia Equestris mit einer Podiumsmauer, die mit einer Gesamthöhe von ca. 2,65 m Höhe rekonstruiert wird.421 Die von den Ausgräbern entdeckten Einkerbungen auf der Bekrönung der Podiumsmauer legen die Einlassung eines Holzzaunes nahe.422 Im Norden des westlichen Einganges war ein Stück der Podiumsmauer in seiner baulichen Substanz – vielleicht durch eine Überschwemmung oder den Druck der Erdmassen – in Mitleidenschaft gezogen worden und musste zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt repariert werden.423 Innerhalb der eigentlichen Kampffläche traf man darüber hinaus auf verschiedene, z. T. recht erstaunliche Funde und Befunde. Bei einer Sondage nahe des Zentrums der Arena fand man eine Vielzahl von Pfostenlöchern mit unterschiedlichen Durchmessern, deren Zweckbestimmung bislang ungeklärt ist.424 Eine ganz ähnliche Befundsituation traf man in der Arena des Amphitheaters von Augusta Treverorum/Trier (Gallia Belgica) an.425 Eine Möglichkeit wäre, darin die Spuren von langen senkrechten Rundhölzern zu sehen, an denen vor allem in spätantiker Zeit bewegliche Körbe (cochlea) befestigt waren, in denen Arenaakrobaten wilde Tiere zum Narren hielten, indem sie sich durch Ziehen
416 Diese kleineren Tore variierten in ihrer Breite zwischen 0,70 m bis 1,00 m. Hauser/Rossi 1999, 137, Abb. 8. 417 Die carceres waren 3,10 m breit, 2,4 m tief und wahrscheinlich von einer Tür oder einem Gitter verschlossen. Ihre Höhe wird auf 1,80 m rekonstruiert. Hauser/Rossi 1999, 137–138, Abb. 6, 8, 14. 418 Der Kanal verlief quer durch die Arena, annähernd parallel der Verbindungslinie zwischen den nördlichen Enden der beiden Arenazugänge. Ein weiterer Zulauf zu diesem Hauptkanal kam vom nördlichen carcer aus. Das Hauptproblem scheint demnach vom Hang her eindringendes Oberflächen- und Sickerwasser gewesen zu sein. Hauser/Rossi 1999, 138, 140, Abb. 4, 6, 12–14. Frei-Stolba et al. 1998, 184, Abb. 1–3. 419 Hauser/Rossi 1999, 140, Abb. 12. 420 Hauser/Rossi 1999, 140, Abb. 14–15. Ausführlich zur Inschrift Frei-Stolba et al. 1998. 421 Hauser/Rossi 1999, 138, Abb. 9. 422 Hauser/Rossi 1999, 138, Abb. 9–10. 423 Frei-Stolba et al. 1998, 188, Anm. 12. 424 Hauser/Rossi 1999, 141. 425 In der Arena des Amphitheaters von Trier war man auf runde und rechteckige Pfostenlöcher sowie auf einen Block mit einem Eisenring gestoßen. Hufschmid 2009, 202.
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an einem Seil in jenen Körben kurzerhand in die Höhe begeben konnten.426 Auch kam ein Kalksteinblock in Sturzlage, der – so die Ausgräber – als Sockel oder Basis anzusprechen sein könnte, fast exakt in der Mitte der Arena zu Tage.427 Einzelne Blöcke im Zentrum der Arena sind auch aus anderen Amphitheatern in Germanien (Vindonissa: Kat. 1.16.1, Zugmantel: Kat. 1.18.2, Deva/Britannia) bekannt, die möglicherweise bei einer Art der venatio mit der Befestigung von wilden Tieren in Verbindung standen, sicher ein probates Mittel, das Kampfgeschehen nicht im sichteingeschränkten Bereich nahe der Podiumsmauer, sondern im Zentrum der Arena zu halten.428 Mehr als einen Meter unterhalb des Arenabodens trafen die Ausgräber überraschenderweise auf eine quadratische, an den Innenwänden mit Fichten- und Tannenholz ausgekleidete Grube (Seitenlänge: 1,50 m), die keine sichtbare durchgehende Verkleidung am Boden zeigte, sondern lediglich durch einige Traverse aus Tannen- und Fichtenholz abgestützt wurde.429 Dendrochronologisch gelang eine Datierung der quadratischen Grube aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustandes nur näherungsweise in die Zeit nicht vor 107 n. Chr.430 Vertiefungen innerhalb der Arena sind aus anderen Amphitheatern hinlänglich bekannt – in Germanien aus Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1) und Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) – und standen in der Regel mit dem Bühnendekor, Tieraufzügen oder der Veranstaltung von friedlichen Wasserspielen in Verbindung.431 Es wäre demnach durchaus denkbar, dass die quadratische Grube nahe des Zentrums der Arena für das plötzliche Erscheinen von wilden Tieren genutzt wurde, die allerdings, da ein Verbindungsgang zwischen Arenaperipherie und Grube offenbar nicht existiert hat, vor der Veranstaltung dort hätten platziert werden müssen. In einiger Entfernung zu dieser quadratischen Grube legte man darüber hinaus ein Fass aus Tannenholz frei, in dessen Mitte sich eine kleine quadratische Holzkonstruktion (Seitenlänge: 20 cm) befand.432 Die Seitenwände des Fasses reichten mehr als 3 m in den Arenaboden hinab und konnten aufgrund des erreichten Grundwasserspiegels nicht bis zu ihrem unteren Ende verfolgt werden.433 Das Rodungsdatum des Bauholzes für das Fass, für dessen Deutung man an eine Pumpe oder einen Brunnen gedacht hat, konnte dendrochronologisch in die Zeit zwischen Ende 39 n. Chr. und Anfang 40 n. Chr. festgesetzt werden.434 Nicht weit von jenem Fass entfernt und nahe
426 Puk 2014, 280–281, mit Quellen und weiterführender Literatur. 427 Hauser/Rossi 1999, 141, Anm. 6. 428 Wilmott 2008, 143, Abb. 81. Zu einem Mosaik aus der römischen Villa von Bignor in West Sussex, das einen solchen Block mit Eisenring in der Mitte im Zentrum der Aren zeigt, s. Wilmott op. cit., (farbige) Abb. 22. 429 Hauser/Rossi 1999, 141, Abb. 16–17. 430 Hauser/Rossi 1999, 141. 431 Hufschmid 2009, 219–221. 432 Hauser/Rossi 1999, 141, Abb. 18. 433 Hauser/Rossi 1999, 141. 434 Hauser/Rossi 1999, 141, Anm. 9.
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des Tores, das im Südwesten den Zugang zur Arena ermöglichte, hatte man unterhalb des Nutzungsniveaus des Amphitheaters weitere Holzstrukturen (Drainageröhren, Kanalisation, Bretterfragmente) angetroffen.435 Da sich auch diese Holzstrukturen unterhalb des Zirkulationsniveaus der Arena befanden und dendrochronologisch – allerdings unter Vorbehalt – in die Zeit um 45 n. Chr. datiert werden, gehen ihre Ausgräber davon aus, dass sowohl das Fass als auch die erwähnten Holzstrukturen zu älteren Wohn- und Werkstatthäusern gehören, die durch den Bau des Amphitheaters zerstört wurden.436 So wenig viereckige Eintiefungen oder mit Wasser in Verbindung stehende Konstruktionen innerhalb der Arena eines Amphitheaters überraschen können, umso mehr verwundert der Fund von über 400 Münzen, die verstreut in der Arena des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris angetroffen wurden.437 Chronologisch reichen diese vom Ende der römischen Republik bis zum Ende des 4. Jhs. n. Chr.438 Das Erstaunliche an diesem numismatischen Befund ist nun, dass es sich bei einer Amphitheater-Arena um einen Kampf- bzw. Jagdplatz handelte, an dem mit Sicherheit keine Waren erstanden werden konnten. Warum also sollte jemand Geld mit in die Arena nehmen? Hinzu kommt, dass zur Arena nur Gladiatoren oder bestiarii/venatores Zugang hatten, deren armaturae in der Regel keine Möglichkeit und vor allem keine Notwendigkeit für das Mitführen von Münzen erlaubten. Dass das Arena-Personal jene 400 Münzen im Laufe der Zeit verloren haben sollte, scheint ebenfalls wenig wahrscheinlich. Auch die Möglichkeit, dass die verlorenen Münzen den an die Gladiatoren gezahlten Preisgeldern entstammen könnten, gewinnt wenig Wahrscheinlichkeit, da zum einen hart erkämpftes Geld wohl besonders gut gehütet und zum anderen meist in ledernen Beuteln überreicht wurde.439 Die einzige Personengruppe, die aller Wahrscheinlichkeit nach Geld in Geldbörsen im Amphitheater mit sich geführt haben dürfte, sind die Zuschauer, denn im Laufe eines langen spectacula-Tages wurden sicherlich dort angebotene Speisen konsumiert oder ‚Fanartikel‘ erstanden. Zugang zur Arena dürften die Zuschauer hingegen nicht gehabt haben. Das hätte nicht nur den Ablauf bzw. die Vorbereitungen der Darbietungen gestört, sondern verbot wohl auch eine gewisse Todes- und Unterweltskonnotation des Ortes: Hier agierten hauptsächlich infames, die sich im sacellum eines Amphitheaters speziellen Ritualen unterzogen, um sich vom Ruch des Chthonischen zu reinigen.440 Dass Zuschauer also sogar die Arena betraten, um vielleicht den von 435 436 437 438
Hauser/Rossi 1999, 141, Abb. 18. Hauser/Rossi 1999, 141. Martin 1951. Hauser/Rossi 1999, 141. Frei-Stolba et al. 1998, 184. Einige wenige Münzen, die vor der Verfüllung der Arena dorthin gelangten, datieren sogar ins Mittelalter. Es wird vermutet, dass sie von mittelalterlichen Steinräubern beim Plündern des Monumentes verloren wurden. Hauser/Rossi 1999, 141. 439 Zu den Preisgeldern von freien und unfreien Gladiatoren s. Mann 2011, 71. 440 Vgl. Hufschmid 2009, 272–274.
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ihnen verehrten Stars so nah wie möglich zu sein – ein Phänomen, das man bei modernen Sportveranstaltungen durchaus beobachten kann –, scheint demnach wenig wahrscheinlich. So bleibt die Vermutung, dass im Amphitheater der Iulia Equestris die Zuschauer Münzen in die Arena geworfen haben, was die Verteilung der Münzen im gesamten Bereich der Arena erklären könnte. Welchen Zweck genau das Werfen von Münzen in die Arena gehabt haben könnte, bleibt indes unklar. Wollte man sie den (Star-)Gladiatoren zu Gute kommen lassen? Waren sie ein Mittel der Meinungsäußerung? Sollten sie dem Werfer Glück bringen? Offen bleiben muss auch, warum die Münzen in der Arena nicht aufgesammelt oder im Rahmen der Reinigungsmaßnahmen nach den Veranstaltungen ausgeräumt wurden? Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass das Vorkommen einer solch großen Anzahl von Münzen auf dem Boden einer Arena ein Unicum darstellt und möglicherweise auf eine lokale Besonderheit zurückzuführen ist, für die ein schlüssiger Erklärungsansatz noch aussteht. Nach der Aufgabe des Amphitheaters wurde offensichtlich ein Großteil der Kalksteinplatten der Podiumsmauer ausgeraubt, zu Kalk verbrannt oder über den lacus Lemanus zu anderen Baustellen abtransportiert.441 Dieser großflächigen Plünderung sind auch die steinernen Sitzstufen des Amphitheaters zum Opfer gefallen, die sich heute nur mehr in ihrem Fundamentnegativ erkennen lassen.442 Auf der östlichen Seite der cavea lassen diese eine Anomalie erkennen, denn hier waren die ersten Reihen der Sitze offenbar deutlich schmaler als an anderen Stellen. Es wird vermutet, dass diese schmaleren Reihen hochgestellten Persönlichkeiten vorbehalten waren, die jeweils eine Reihe zum Sitzen und eine Reihe zum Aufstellen der Füße zur Verfügung hatten. Das wiederum ermöglichte ein deutlich komfortableres Sitzen, da man nicht – wie bei den Sitzstufen im Amphitheater sonst üblich – die Füße derjenigen im Rücken hatte, die in der Reihe oberhalb der eigenen saßen.443 Da die Außengrenzen des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris bislang unbekannt sind, kann über sein Fassungsvermögen keine gesicherte Aussage getroffen werden, man geht jedoch von einer maximalen Anzahl von 17 Sitzstufenreihen in der cavea aus.444 Die Datierung der Erbauung des Amphitheaters kann nicht mit Präzision aus den archäologischen Daten herausgeschält werden, scheint jedoch nicht vor der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. anzusetzen zu sein.445 Dafür sprechen Holzreste innerhalb der Arena, die vermutlich zur älteren Bebauung des Areals gehört haben.446 Der (provisorische) numismatische Befund lässt eher an den Beginn des 2. Jhs. n. Chr. als mög-
441 Hauser/Rossi 1999,138. 442 Hauser/Rossi 1999, 138–140, Abb. 11. Zur Rekonstruktion der Sitzstufenhöhen sowie der Hangneigung s. Hauser/Rossi op. cit., 140. 443 Hauser/Rossi 1999, 140. 444 Hauser/Rossi 1999, 140. 445 Hauser/Rossi 1999, 141. 446 Hauser/Rossi 1999, 141.
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liches Erbauungsdatum für das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris denken.447 Mit der Zerstörung der Colonia Iulia Equestris nach der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. dürfte in jedem Fall auch das Amphitheater aufgegeben worden sein.448 Einen chronologischen Anhaltspunkt im Zusammenhang mit dem Amphitheater liefert zudem eine Inschriftenplatte, die man in fragmentiertem Zustand als Abdeckplatte des Drainagekanals unterhalb der Arena wiederverwendet angetroffen hatte und die man aufgrund der Kaisertitulatur in das Ende des Jahres 111 n. Chr. datieren konnte (Kat. 1.7.2).449 Der erhaltene Text der Inschrift lautet: [---]NO AVG GERMANI[---] | [---]MAXIM TRIB POT XV | [---]DESIGNAT VI P P | [---]PUBLICE
Der Inschriftentext verrät die Ehrung Kaiser Traians und war aller Wahrscheinlichkeit nach über einem der beiden Zugänge zum Amphitheater angebracht – möglicherweise über dem Westzugang, wo ihr die Einwohner von Iulia Equestris einen prominenten Platz eingeräumt hatten.450 Für eine Provenienz der Platte vom Amphitheater sprechen dabei nicht nur die Spuren der Befestigungsvorrichtungen an der erhaltenen Inschriftentafel, sondern auch der Umstand, dass der Großteil der über der Drainage wiederverwendeten Kalksteinblöcke aus dem Amphitheater stammt.451 Ein Vergleich mit anderen kaiserlichen Bauinschriften an zivilen und militärischen Amphitheatern legt meines Erachtens den Schluss nahe, dass besagte Bauinschrift anlässlich der erstmaligen Errichtung des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris entstanden ist und somit das Erbauungsdatum des Amphitheaters in das Jahr 111 n. Chr. setzt.452 In ähnlicher Fundsituation traf man auf eine zweite Inschrift, die ebenfalls als Abdeckung des Drainagekanals wiederverwendet worden war.453 Eine sorgfältig gearbeitete, umlaufende Anathyrose sowie Spuren eines Kopfankers beweisen, dass die Tafel in eine Mauer oder Nische eingelassen war.454 Da die Provenienz anderer Abdeckplatten des Drainagekanals sicher dem Amphitheater der Colonia Iulia Equestris zugewiesen werden konnte, darf man auch für die in Rede stehende Inschrift eine ursprüngliche Anbringung im Bereich des Amphitheaters vermuten.455 Datiert wird die Inschrift 447 Hauser/Rossi 1999, 141. 448 Walser 2000, 1031. Drack/Fellman 1988, 456. 449 Text, Transkription, Textkritischer Apparat, Übersetzung und Kommentar bei Frei-Stolba et al. 1998, 186–188, Abb. 3–6. Hauser/Rossi 1999, 140–142, Abb. 15, 19–20. Vgl. auch Bérard 2000, 60–67, und unten Kap. 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül. 450 Frei-Stolba et al. 1998, 183, 188. 451 Frei-Stolba et al. 1998, 186, 188. 452 Ausführlich dazu unten Kap. 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül. 453 Die polierte Kalksteinplatte misst 63 cm in der Höhe und 126,5 cm in der Breite. Frei-Stolba et al. 1998, 188–193, Abb. 3, 7–8. 454 Frei-Stolba et al. 1998, 188. 455 Frei-Stolba et al. 1998, 188.
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über die Karriereangaben der genannten Personen in die Zeit zwischen der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. und dem Anfang des 2. Jhs. n. Chr.456 Der vollständig erhaltene Text der Inschrift lautet in transkribierter Form:457 P(ublio) Annio Teret(ina) Montano optioni et quaestori equit(um) interregi leg(ionis) XXI decurioni col(oniae) Eq(uestris) Annia Sabina flaminica Augustae patri
Es handelt sich demnach um eine Ehreninschrift458 für Publius Annius Montanus aus der Tribus Teretina, die ihm seine Tochter Annia Sabina, Kaiserpriesterin der Colonia Iulia Equestris, gesetzt hatte. Der genaue Anlass der Ehrung geht aus dem Inschriftentext nicht hervor. Der wahrscheinliche Anbringungsort im Bereich des Amphitheaters lässt jedoch den Schluss zu, dass P. Annius Montanus in seiner Funktion als decurio der Colonia Iulia Equestris ein munus veranstaltet oder Verschönerungs- und/oder Reparaturmaßnahmen am Amphitheater finanziert hat. Interessanterweise ergab die onomastische Analyse des Inschriftentextes, dass Annius Montanus zwar aufgrund der tria nomina und der Angabe der Tribus das römische Bürgerrecht besessen haben muss; die fehlende Filiation allerdings erscheint ungewöhnlich und deutet möglicherweise auf einen Freigelassenen oder Peregrinen hin, der sich erst durch den Dienst beim Militär das römische Bürgerrecht erwarb.459 2.1.6 Vesontio/Besançon (Frankreich, Kat. 1.15.1) Vesontio, das heutige Besançon, wird von Caesar als oppidum maximum Sequanorum bezeichnet, das natura loci sic muniebatur ut magnam ducendum bellum daret facultatem, propterea quod flumen Dubis ut circino circumductum paene totum oppidum cingit.460 Diese taktisch günstige Lage verdankte Vesontio dem Umstand, dass es sich auf einer Halbinsel befand, die durch eine Schlinge des Flusses Dubis, der heutige Doubs, gebildet
456 Frei-Stolba et al. 1998, 189–190. 457 Frei-Stolba et al. 1998, 188, vgl. Abb. 7–8. 458 Gegen eine Interpretation als Grabinschrift wenden sich m. E. die Autoren bei Frei-Stolba et al. 1998, 189, Anm. 14, überzeugend. 459 Zur Schwierigkeit der Deutung der Begriffe interrex und quaestor equitum sowie zu Überlegungen bezüglich des Herkunftsortes des Annius Montanus s. Frei-Stolba et al. 1998, 190–193. Das Gentiliz Annius ist im Westen des Imperium Romanum weit verbreitet, in der Schweiz allerdings nicht belegt. Auch das Cognomen Montanus ist nur einmal inschriftlich bezeugt. Frei-Stolba et al. op. cit., 190. 460 Caes. Gal. 38, 1–4.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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wird und das antike Siedlungsgebiet auf seiner südlichen, westlichen, nördlichen und nordöstlichen Seite fast vollständig umschloss.461 Nur im Südosten gab es eine ‚Landverbindung‘, die allerdings durch einen natürlichen Hügel, den heutigen Colline de la Citadelle, ebenfalls geschützt war.462 An den westlichen und nördlichen Ufern des Doubs konnten Siedlungsspuren aus der Spätlatènezeit aufgedeckt werden, die Halbinsel selbst scheint erst ab der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. besiedelt gewesen zu sein.463 Caesar, der von den Sequanern um Hilfe gegen Ariovist gebeten worden war, hatte sich in der Hauptfestung der civitas der Sequaner sogar einige Tage selbst aufgehalten.464 Hatte sich das gallische oppidum nicht vollständig auf der Halbinsel ausgebreitet, so änderte sich dies nach Neros Tod entscheidend, denn Vesontio wurde nun zu einer römischen Stadt umgebaut (vgl. Abb. 3c).465 Doch schon zu Beginn der Regierungszeit des Augustus lässt sich im stratigraphischen Befund eine künstlich aufgebrachte Planierungsschicht aus Kies und Sand nachweisen, die der Aufhöhung und Nivellierung des gesamten Siedlungsgebietes gedient und somit den hochwassersicheren urbanen Raum deutlich vergrößert hatte.466 Auf dieser Schicht entstanden neue Häuserblöcke von gleicher Orientierung, die eine zumindest teilweise Rationalisierung des Siedlungsgebietes in dieser Zeit erkennen lassen.467 Gegen Ende der augusteischen Zeit entsteht eine erste quadratische Rasterung des urbanen Raumes, die fundamentale Strukturen wie einen cardo maximus oder das Forum herausbildete.468 Einen drastischen Einschnitt erlebt Vesontio schließlich in claudisch-neronischer Zeit, als ein zweites Raster dem aus augusteischer Zeit hinzugefügt und in eigenwilliger Weise mit diesem verwoben wird.469 Neben reguläre quadratische insulae treten – besonders an den Schnittstellen der beiden Raster – solche mit trapezoider Grundfläche.470 Der große Kaiserkult-Tempel, dessen Erbauung in die Jahre zwischen 20–60 n. Chr. fällt, ist noch am ersten, augusteischen Raster orientiert.471 Spätestens im Zuge dieser städtebaulichen Entwicklung griff die römische Bebauung auch auf das gegenüberliegende Flussufer über, wobei sich der cardo maximus über eine Brücke auf das andere Ufer fortsetzte und sich in mehrere Fernstraßen verzweigte.472 Auf der rechten Seite des Doubs wurden dabei neben luxuriösen Privatbauten auch verschiedene öffentliche 461 Lerat 1958, 1696. Chouquer/Guilhot 1992, Abb. 47. 462 Schwarz 2003, 122. Lerat 1958, 1696. 463 Schwarz 2003, 122. Dagegen spricht Schmidts 2014, 44, ohne Angabe von Belegen von einem kontinuierlichen Übergang vom keltischen oppidum zum civitas-Vorort. 464 Caes. Gall. 1,38–39. Vgl. Cass. Dio 38,34. 465 Schwarz 2003, 122. Lerat 1958, 1697. 466 Chouquer/Guilhot 1992, 89. 467 Chouquer/Guilhot 1992, 89. 468 Chouquer/Guilhot 1992, 90. Schwarz 2003, 122. 469 Chouquer/Guilhot 1992, 90–91, Abb. 47. 470 Chouquer/Guilhot 1992, 91–92. 471 Chouquer/Guilhot 1992, 91–92. 472 Schwarz 2003, 122–123. Lerat 1958, 1697, 1699–1700.
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Gebäude errichtet – darunter das Amphitheater.473 Die Existenz einer Hauptachse in Nordwest-Südost-Ausrichtung (cardo) sowie einer in Nordost-Südwest-Ausrichtung (decumanus)474 – die heutige Rue des Arènes – zeigen, dass auch das rechte Ufer des Doubs systematisch von den römischen Stadtplanern erschlossen wurde. Seine Blütezeit erlebte Vesontio von der flavischen bis zum Ende der antoninischen Zeit, während es seit Beginn des 3. Jhs. n. Chr. an Bedeutung zu verlieren begann.475 Durch die Reichsreform Diokletians wurde die Stadt zur Metropole der neuen provincia maxima Sequanorum, in der sich mindestens bis zum 4./5. Jh. n. Chr. Rauraker, Helvetier und Sequaner aufhielten.476 Schon früher hatte sich eine Durchmischung verschiedener Bevölkerungsgruppen in der Sakralarchitektur Vesontios gezeigt, die sowohl römischen als auch keltischen Bautraditionen verhaftet ist.477 Das Amphitheater von Vesontio lag am westlichen Rand des antiken Stadtgebietes jenseits des Flusses und befand sich mit seiner südlichen Peripherie gut 100 Meter vom rechten Ufer des Doubs entfernt (vgl. Abb. 3c).478 Die Lage der Nekropolen, die sich auf dem rechten Doubs-Ufer entlang der großen Ausfallstraßen finden, zeigen, dass das Amphitheater noch innerhalb des Stadtareals platziert worden war479 und somit als zivile Anlage angesprochen werden muss. Der Standort des Amphitheaters war indes perfekt gewählt, denn im Norden lehnte es sich an einen natürlichen Hang an, während im Süden die Nähe des Flusses sowie der Verlauf des decumanus eine optimale logistische Anbindung des Amphitheaters gewährleisteten.480 Nach Westen setzte sich der decumanus zum heutigen Châlon sur Saône fort, nach Osten Richtung Epamonduodurum/Mandeure mit einer Abzweigung nach Andemantunnum/Langres.481 Das Areal, das das Amphitheater einnimmt, ist teilweise modern überbaut, so dass die Freilegung und Untersuchung des Monumentes bislang nur stückweise erfolgen konnte.482 So sind etwa im Westen und Osten Teile der Arena durch den Bau eines Grabens der Festung Vauban und die moderne Straße zerstört worden, doch könnten sich darunter noch Reste des Amphitheaters verbergen.483 Unumstritten ist, dass die
473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483
Lerat 1958, 1697. Chouquer/Guilhot 1992, 90, Abb. 47. Schwarz 2003, 123. Lerat 1958, 1698. Schwarz 2003, 124. Lerat 1958, 1698. Schwarz 2003, 123. Lerat 1958, 1703. Chouquer/Guilhot 1992, Abb. 47. Auch heute noch trägt dieses Viertel von Besançon den sprechenden Namen ‚Faubourg des Arènes‘. Grenier 1958, 692. Lerat op. cit. Lerat 1958, 1704. Schwarz 2003, 124. Golvin 1988, 191. Lerat 1943, 133, Abb. 4–5. Lerat 1958, 1703. Chouquer/Guilhot 1992, 91, Abb. 47. Auch das Theater von Vesontio hatten die römischen Baumeister an einen Hang, den Colline de la Citadelle, angelehnt. Schwarz 2003, 123. Lerat 1958, 1699–1700. Zu den Grabungsergebnissen s. Castan 1886. Cornillot/Lerat 1943. Cornillot/Lerat 1943, 129. Lerat 1948. Lerat 1960. Grenier 1958, 694.
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südliche Hälfte des Amphitheaters auf flachem Gelände errichtet worden war, wofür die Anlage steinerner Substruktionen in Form von Radialmauern notwendig war.484 Die Außenmaße des Amphitheaters betragen 100,00 × 84,60 m, während die Arena selbst ca. 62,00 × 36,60 m maß.485 Das Amphitheater von Vesontio ist damit das zweitgrößte Steinamphitheater sowohl der Germania Superior als auch beider Germanien zusammen (Tab. 1). Die Arena wurde in ihren Abmessungen von einer steinernen Podiumsmauer definiert, die nach außen hin von einem Bedienungsgang gesäumt wurde.486 Dieser verlief unterhalb des Podiums und war möglicherweise von carceres unterbrochen.487 In der Schuttschicht vor einem Durchgang, der mit diesem Umgang in Verbindung stand, hatte man 1885 einen mit Silberblech und Kupfer verzierten Soldatenhelm entdeckt.488 In derselben Schuttschicht war zudem eine Vielzahl römischer Ziegel zu Tage getreten, deren Stempel auf eine private Ziegelei hindeuten.489 Die beiden Hauptzugänge zur Arena lagen im Norden und Süden des Amphitheaters, also auf der Längsachse der Arena.490 Ob es weitere Zugänge zur Arena gab, etwa von eventuellen carceres aus, konnte bislang nicht nachgewiesen werden, da die Podiumsmauer in ihrem vollständigen Verlauf nicht untersucht werden konnte. Die Sitzstufen der cavea waren in der südlichen und in der nördlichen Hälfte des Amphitheaters, die einen natürlichen Hang ausnutzte, auf steinernen Substruktionen angebracht, die aus radial angeordneten Mauern mit darüber befindlichen Tonnengewölben gebildet wurden.491 Im Norden des Amphitheaters stieß man darüber hinaus auf einen Meter hoch erhaltene Mauern, die aller Wahrscheinlichkeit nach das Fundament der Nordfassade gebildet haben.492 Diese Fassadenmauer scheint so durch Vorsprünge und Einzüge gegliedert gewesen zu sein, dass nach außen hin Strebepfeiler von 1,30–1,40 m Breite entstanden.493 Die im Süden durchgeführten Grabungen ergaben, dass innerhalb des untersuchten Stückes hier die Fassade ebenfalls durch Pilaster gegliedert war, die jedoch von Treppenstufen 484 Golvin 1988, 191, Taf. XVIII: 5. Grenier 1958, 692. Die Radialmauern, auf die man im Zuge der Ausgrabungen unter einem Hangar stieß, waren geschliffen und nur noch in einer oder zwei Steinlagen erhalten. Ihre Fundamente reichten 2 m in den Boden hinein. Lerat 1960, 248, Abb. 3. 485 Golvin 1988, 191. Schwarz 2003, 123, gibt die Außenmaße des Amphitheaters von Vesontio mit 138,00 × 106,50 m an. 486 Grenier 1958, 693. Golvin 1988, Taf. XVIII: 5. 487 Grenier 1958, 693. Golvin 1988, Taf. XVIII: 5. 488 Der Helm war bei seiner Auffindung gebrochen, wurde aber vollständig restauriert. Castan 1886, 23. Musée Archéologique de Lattes 1987, 125–126, Abb. auf S. 126. 489 Rekonstruieren ließen sich zwei verschiedene Stempel: GLINDICTAMARTI, der von Castan zu Figlina Dicta Marti aufgelöst wurde; der andere, dessen Lesung unsicherer ist, wurde von Castan mit CELTAR oder CELATOR aufgelöst. Castan 1886, 23, Anm. 1. 490 Chouquet/Gilhot 1992, Abb. 47. Golvin 1988, Taf. XVIII: 5. Cornillot/Lerat1943, 135. 491 Grenier 1958, 693. Castan 1886, 22. 492 Grenier 1958, 693. 493 Golvin 1988, 191. Grenier 1958, 693, der sich gegen eine Gliederung der Fassade durch Arkaden ausspricht.
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(2,35 m breit) unterbrochen waren, die wiederum über Öffnungen in der Fassade erreicht werden konnten.494 Einen Umgang, den man durch die Öffnungen der Fassade betrat, hat es in Vesontio allerdings nicht gegeben.495 Der Fund von drei Säulenbasen belegt zudem, dass es über der Pilaster-Treppen-Etage eine zweite Fassadenetage gab, die mit einer Säulenarchitektur gegliedert war.496 Für die Datierung der Errichtung des Amphitheaters von Vesontio liefert der archäologische Befund bislang keine belastbaren Daten.497 Aus bautypologischen Überlegungen heraus wird ein Erbauungsdatum in die Zeit zwischen dem Ende der flavischen Dynastie und der Regierungszeit Trajans favorisiert.498 Nimmt man zudem die urbanistische Entwicklung Vesontios in den Blick, scheinen die drastischen Einschnitte in claudisch-neronischer Zeit eher für einen frühen Ansatz in dem vorgeschlagenen zeitlichen Rahmen zu sprechen. Da der decumanus, der sich auf der rechten Seite des Doubs befindet, direkt zum Südeingang des Amphitheaters führt,499 könnte man überlegen, ob das Amphitheater im Zusammenhang mit der urbanistischen Erschließung des rechten Flussufers entstanden ist und somit zum städtebaulichen Konzept der Stadterweiterung in claudisch-neronischer Zeit gehörte. Eine stark fragmentierte Inschrift, die man in unmittelbarer Nähe des Amphitheaters in wiederverwendetem Zustand gefunden hat und deren Provenienz aufgrund der Buchstabengröße und des Fundortes für die Außenfassade des Amphitheaters vorgeschlagen wurde, könnte ebenfalls Hinweise zur Datierung des Amphitheaters liefern.500 A. Castan hat den Text aus den wenigen erhaltenen Resten so rekonstruiert, dass er die Nennung des Kaisers Lucius Aelius Aurelius Commodus für wahrscheinlich hält.501 Da Marc Aurel Unruhen, die von der civitas Sequanorum in den Jahren 173–175 n. Chr. ausgegangen waren, niederschlagen und im Andenken an diese Ereignisse ein neues Stadttor (heutige Porte Noire) in Vesontio errichten ließ,502 wären Restaurierungsoder Verschönerungsmaßnahmen am Amphitheater ab 177 n. Chr. gut vorstellbar, als Commodus seinem Vater bereits als Mitregent zur Seite stand. Dass es sich bei der Inschrift um die Dedikationsinschrift anlässlich der Erbauung des Amphitheaters han-
494 Lerat 1960, 248, Abb. 2. 495 Lerat 1960, 248. Der Plan von Golvin 1988, Taf. XVIII: 5, zeigt hingegen einen solchen Umgang in der Peripherie des Monumentes. 496 Lerat 1960, 248. 497 Golvin 1988, 191. Grenier 1958, 694–695. 498 Golvin 1988, 191. Grenier 1958, 695. 499 Chouquet/Gilhot 1992, 90, Abb. 47. 500 Die Inschriftentafel war offenbar bei ihrer Auffindung in drei Teile zerbrochen, von denen mindestens einer verloren ging und einer Spuren einer Verbauung in eine Mauer zeigte. Castan vermutete, dass die mindestens zweizeilige Inschrift ursprünglich zu einem Fries gehörte. Castan 1886, 12–14. Vgl. ausführlich unten Kap. 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül. 501 Castan 1886, 13. 502 Schwarz 2003, 124.
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deln könnte, wie A. Castan vermutete,503 scheint indes aufgrund der bautypologischen Einordnung des Monumentes wenig wahrscheinlich. Da allerdings weder die vollständige Inschrift noch ihre ursprüngliche Anbringung sicher wiedergewonnen werden können, kann allenfalls festgehalten werden, dass hypothetisch die Möglichkeit einer zweiten Bauphase des Amphitheaters von Vesontio unter Marc Aurel in Erwägung zu ziehen ist. Auch die genaue Benutzungszeit des Amphitheaters von Vesontio ist nicht bekannt, da kein definitives Zerstörungsdatum aus dem archäologischen Befund zu gewinnen ist. Sicher ist, dass der Verfall des Gebäudes allmählich vonstatten ging.504 Seit Ende der römischen Zeit war es immer wieder Opfer zum Teil systematischer Plünderungen und sein wertvolles Steinmaterial wurde nicht selten zum Bau anderer Gebäude abtransportiert – etwa für die Festung von Vauban.505 2.1.7 Vindonissa/Windisch (CH, Kat. 1.16.1) Das antike Siedlungsgebiet von Vindonissa, das heute die modernen Ortschaften Windisch, Brugg, Gebenstorf und Hausen im Kanton Aargau umfasst, liegt im Norden der deutschsprachigen Schweiz und im Einzugsgebiet der Metropolregion Zürich.506 In der Antike siedelten hier auf einem Geländesporn am Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat keltische Helvetier, auf deren Siedlungsbezeichnung der Name Vindonissa zurückgeführt werden kann.507 In Vindonissa kreuzten sich zudem zwei schon seit vorrömischer Zeit bestehende Fernverkehrswege, von denen der eine von der Rhône an die obere Donau und der andere vom Oberrhein zu den Bündner Pässen führte.508 Möglicherweise hatten die hier siedelnden Helvetier diesen strategisch und verkehrsgeographisch wichtigen Ort gewählt, nachdem Caesar, der den Helvetiern auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten den Durchzug durch die Provinz Narbonensis verwehrt hatte, sie nach der Schlacht von Bibracte im Jahr 58 v. Chr. zu Föderierten (?) Roms gemacht und in ihr ursprüngliches Stammesgebiet zurückgesandt hatte.509 Besonders die Existenz des sog. Keltengrabens, eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende Befestigungsanlage im Westen des Windischer Sporns, lässt die Existenz einer
503 Castan 1886, 13, erwägt die Möglichkeit, dass der Bau des Amphitheaters unter Marc Aurel begonnen und unter Commodus beendet wurde. 504 Cornillot/Lerat 1943, 129. Castan 1886, 12. 505 Grenier 1958, 692. 506 Frei-Stolba et al. 2011, 7. 507 Frei-Stolba et al. 2011, 7. Hartmann 1986, 26. 508 Drack/Fellmann 1988, 537. Vgl. Trumm 2012, 11. 509 Hartmann 1986, 24–25. Caes. Gall. 1,3 ff. Zur Diskussion eines Föderiertenverhältnisses der Helvetier sowie der möglichen römischen Kontrolle ihres Siedlungsgebietes nach der Schlacht ei Bibracte s. Trumm 2011, 40, Anm. 22 mit weiterführender Literatur. Zu spätbronzezeitlichen Funden in der westlichen Peripherie von Vindonissa s. Trumm 2011, 38–39.
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befestigten keltischen Vorgängersiedlung (oppidum) mit mehrphasiger Bebauung erkennen.510 Möglicherweise schon im Zuge des Alpenfeldzuges des Augustus scheint es zu einer friedlichen Umsiedlung der Helvetier – wahrscheinlich ins nahegelegene Umland – gekommen zu sein.511 Das Einschneiden früher römischer Baubefunde in eine spätkeltische Nekropole im Westen des sog. Keltengrabens zeigt, „dass mit der Ankunft römischer Truppen eine grundlegende Neuordnung der bestehenden Siedlungstopographie einherging.“512 Funde von Amphorenscherben sowie verlorene Münzen deuten nicht nur eine rege Handelstätigkeit der dort ansässigen Helvetier mit den Römern an, sondern auch eine gewisse finanzielle Prosperität der Einwohner.513 Nachdem sich dann nach der Varusschlacht die Pläne der römischen Expansionspolitik geändert hatten, wurden zur Konsolidierung der neuen Reichsgrenze am Rhein nicht nur verschiedene Truppeneinheiten umgruppiert, sondern Vindonissa wurde auch als südlichstes Lager der Rheingrenze in defensiver Lage zum Legionslager ausgebaut.514 Bei der Standortwahl dürfte eine Rolle gespielt haben, dass Vindonissa verkehrsgeographisch ausgesprochen günstig gelegen war, denn von hier führten Fernstraßen nach Augusta Raurica/Augst im Nordwesten, nach Aventicum/Avenches im Südwesten, nach Turicum/Zürich im Südosten und über eine der östlichen Ausfallstraßen nach Aquae Helveticae/Baden.515 Im ersten großen Militärlager, das in Vindonissa spätestens 20 n. Chr. entstand,516 war zunächst die legio XIII Gemina, anschließend die legio XXI Rapax (etwa um 43/44–70 n. Chr.) und schließlich die legio XI Claudia Pia Fidelis (spätestens 2. Hälfte 70–101 n. Chr.) stationiert.517 Wann genau allerdings die legio XIII Gemina in Vindonissa eintraf und hier ihr Legionslager errichtete, ist nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion.518 Spuren erster militärischer Bauaktivität in Vindonissa sind bisher nur in Form einer nordwestlichen Umwehrung bekannt, die exakte Ausdehnung dieses Lagers konnte nicht nachgewiesen werden.519 Stratifizierte Münz- und Keramikfunde sowie dendro510 511 512 513 514 515 516 517
518 519
Trumm 2011, 39–40, Abb. 2. Hartmann 1986, 26–28, Abb. 11–15. Darauf deuten der systematische Abriss des sog. Keltengrabens, die Verfüllung der keltischen Spitzgräben sowie eine fehlende flächige Brand- oder Zerstörungsschicht im archäologischen Befund hin. Trumm 2011, 40–42. Hartmann 1986,30–32, Abb. 16, 19–20. Drack/Fellmann 1988, 538. Trumm 2011, 40. Hartmann 1986, 28. Hartmann/Speidel 1992, 3. Trumm 2012, 9–11, Abb. 3–4. Trumm 2011, 39–40, Abb. 3. Trumm/Flück 2013, 20. Trumm 2011, Abb. 6. Hartmann/Speidel 1992, 4–5. Drack/Fellmann 1988, 540–543. Hartmann 1986, 35. Wolff 2000, 203, gibt als Aufenthalt der 13. Legion die Jahre 16/17 n. Chr. bis 43–45 n. Chr. an. Zu den Hilfstruppen der Legionen von Vindonissa s. Hartmann/Speidel 1992. Trumm 2011, 43. Unklar ist, ob es in mittel- und spätaugusteischer Zeit tatsächlich ein Truppenlager oder einen Militärposten in Vindonissa gab und welche strategische Bedeutung einem solchen zugekommen sein könnte. Trumm a. a. O., 42. Trumm 2011, 44–45.
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chronologische Daten weisen für seine Erbauung in das Jahr um 14 n. Chr.520 Es folgten mehrere Um- und Ausbauphasen, bis es zwischen 22 und 30 n. Chr. schließlich zu einer Verschiebung des Lagerareals nach Nordwesten kam; die für dieses Lager nachgewiesenen Umwehrungslinien wurden in der Folge von allen anderen in Vindonissa stationierten Legionen beibehalten.521 Als Besatzung für dieses ‚verschobene‘ Legionslager kommt nach derzeitigem Kenntnisstand allein die legio XIII Gemina in Betracht, „wahrscheinlich verstärkt durch Hilfstruppenkontingente der 7. und 26. Kohorte.“522 Bis zum Ende des 1. Jhs. n. Chr. war Vindonissa dann der Mittelpunkt eines Heeresverbandes, der zum exercitus Germanicus superior gehörte und dem kaiserlichen Legaten in Mogontiacum/Mainz unterstand.523 Die systematische Auflassung des jüngsten Lagers von Vindonissa, das der legio XI Claudia Pia Fidelis, fällt in das Jahr 101 n. Chr., als die 11. Legion zu militärischen Operationen in das Gebiet an der unteren Donau abkommandiert wurde.524 Im Prinzip bedeutete dies für das Lager von Vindonissa wegen seiner geschwundenen strategischen Bedeutung das Aus.525 Erst ab der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. bewirkte die veränderte militärpolitische Situation wieder militärische Aktivität in Vindonissa: eine spätrömische Befestigung auf dem Windischer Sporn sowie ein kleines Flusskastell in Brugg-Altenburg legen dafür Zeugnis ab.526 Im Vorfeld der verschiedenen Legionslager von Vindonissa entwickelten sich zivile Siedlungen (canabae legionis), die abhängig von ihrer jeweiligen Zeitstellung und somit von der An- oder Abwesenheit römischen Militärs verschiedene Siedlungssituationen widerspiegeln.527 Ihre größte Ausdehnung erreichten die canabae legionis in der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr., als sie sich auf einer Fläche von maximal ca. 45 ha erstreckten – abzüglich der nicht dauerhaft bewohnten Areale wie das Amphitheater, der große Rechteckbau und der westliche Tempelbezirk (vgl. Abb. 2c).528 Eine umlaufende Befestigung des Siedlungsgebietes konnte in Vindonissa noch nicht sicher nachgewiesen werden, so dass die exakte Ausdehnung sowie die damit in Zusammenhang stehende rechtliche Stellung der canabae legionis als nicht letztgültig geklärt zu betrachten sind.529 Schätzungen bezüglich der in der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. in Vindo-
520 521 522 523 524 525 526 527 528 529
Trumm 2011, 44–45. Trumm 2011, 44–45, Abb. 6. Trumm 2011, 45. Hartmann/Speidel 1992, 3. Frei-Stolba et al. 2011, 7. Trumm 2011, 50. Hartmann/Speidel 1992, 5. Drack/Fellmann 1988, 542. Ritterling 1925, 1679. Vgl. auch J. Trumm, Der Weg der 11. Legion von Vindonissa an die untere Donau – eine archäologische Spurensuche, in: JBer Pro Vindon 2008, 2009, 15–20. Trumm/Flück 2013, 24–25. Trumm 2011, 50. Hartmann 1986, 85. Zu militärischen Aktivitäten im spätantiken Castrum Vindonissense auf dem Plateausporn von Vindonissa s. Drack/Fellmann 1988, 548 und Hartmann 1986, 117–129. Trumm 2011, 50–52. Trumm 2012, 16, Abb. 3–5. Trumm 2012, 18–19, Anm. 75. Zu möglichen Spuren einer umlaufenden Befestigung s. Trumm 2012, 19, Abb. 3.
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nissa siedelnden Bevölkerung gehen von knapp 7.000 Zivilisten und rund 5.500 römischen Soldaten aus.530 Ein kleinerer Teil der canabae war dabei möglicherweise von vicus-ähnlicher Struktur, d. h. der zivilen einheimischen Bevölkerung vorbehalten, deren Abhängigkeit vom Legionslager in wirtschaftlicher Sicht zwar ebenso groß war wie die der canabae legionis, in rechtlicher Sicht jedoch in einer weitaus lockereren Beziehung zum Legionslager stand.531 Die canabae legionis, auf deren Gebiet das Amphitheater von Vindonissa lokalisiert wurde, befanden sich im Osten, Süden und Westen des Legionslagers. Direkt vor der Ostumwehrung und beidseits der aus dem Osttor des Lagers führenden Straße, also entlang der Fortsetzung der via principalis, konnten Spuren ziviler Besiedlung nachgewiesen werden, inklusive einer öffentlichen Badeanlage bzw. Mietbades.532 Weiter östlich, auf der 25 m tiefer gelegenen Niederterrasse zwischen Aare und Reuss, dem heutigen Unterwindisch, geben dort aufgedeckte Baureste zudem Anlass zu der Vermutung, dass sich hier im 1. Jh. n. Chr. Wohnquartiere von gehobener Ausstattung befanden.533 Dieses Areal scheint nach einem Hiatus im 2./3. Jh. n. Chr. erst in spätantiker Zeit wieder genutzt worden zu sein.534 Eine verdichtete Bebauung konnte man indes beidseits der aus dem Lager nach Süden führenden Straße, der Verlängerung der via praetoria, nachweisen; die südliche Grenze der Besiedlung wird dabei durch das Auftreten eines frührömischen Grabplatzes markiert.535 Ein Sakralbezirk mit Umgangstempel konnte darüber hinaus vor der südöstlichen Ecke der Lagerumwehrung lokalisiert werden.536 Zur Südfront des Legionslagers führten zudem zwei Stränge einer unterirdischen Wasserleitung, von der einer noch intakt ist und bis heute einen um 1870 erbauten Springbrunnen in Windisch speist.537 Der andere, nicht mehr intakte Strang, stand vermutlich mit einer römischen Aquäduktbrücke in Verbindung, von der einige Fundamentreste erhalten sind.538 Im Westen des Legionslagers konnte durch großflächige geophysikalische Untersuchungen nachgewiesen werden, dass hier canabae wohl erst kurz vor der Mitte des 530 Trumm 2012, 19–20. Dass diese Zahl mit dem Fassungsvermögen des Amphitheaters von Vindonissa korrespondiert – so Trumm a. a. O. –, scheint m. E. eher zufällig, denn es ist nicht davon auszugehen, dass alle Zivilisten (Frauen, Kinder, Sklaven etc.) die spectacula im Amphitheater besuchten. 531 Hartmann 1986, 101. Ähnliches hat man im Kastellvicus am Zugmantel nachweisen können (s. unten). Ein vicus extra leugam wurde in Vindonissa bislang nicht nachgewiesen. Trumm 2012, 21. 532 Die chronologische Einordnung des Bades ist noch nicht gelungen. Trumm 2012, 4–6,18, Abb. 3. 533 Trumm 2012, 5. 534 Trumm 2012, 5. 535 Trumm 2012, 6, 19, Abb. 3. 536 Trumm 2012, 19. 537 Trumm 2012, 13, Abb. 3. 538 Weder das bauliche Verbindungsstück zwischen Wasserleitungen und südlicher Lagerumwehrung noch eine genaue Datierung der Leitungen konnten bislang geklärt werden. Trumm 2012, 13–15. Abzweigungen Richtung Amphitheater, das sich westlich beider Leitungen befindet, sind bislang nicht zu Tage getreten.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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1. Jhs. n. Chr. entstanden sind, diese demnach frühestens zum Lager der legio XXI Rapax gehört haben können.539 Während der Belegung des Lagers durch die 13. Legion war dieses Areal noch als Grabplatz genutzt worden.540 Der in den frühen Gräbern aus spätaugusteisch-tiberischer Zeit bezeugte Bestattungsritus dieser Nekropole (Grabgärten, Totenbetten, wenige Grabbeigaben) lässt dabei auf eine stark romanisierte Bevölkerung schließen.541 Kurz nach Ankunft der 21. Legion scheint das Areal im Westen des Lagers dann neu geordnet und an beiden Seiten der Straße nach Augusta Raurica parzellenartig und in mehreren Phasen überbaut worden zu sein.542 Brandschichten der jüngsten hier entstandenen Holz- und Lehmfachwerkbauten deuten auf ein Feuer hin, das in die Zeit des Legionswechsels der 21. und 11. Legion datiert wird.543 Während der Stationierungszeit der 11. Legion werden die westlichen canabae weiter ausgebaut, z. T. mit Steinbauten.544 An der westlichen Peripherie der canabae stieß man überdies auf einen Sakralbezirk des Merkur mit kleinem Umgangstempel (um 50 n. Chr. erbaut) und Kapelle.545 Als die legio XI Claudia Pia Fidelis im Jahre 101 n. Chr. für den Feldzug gegen die Daker schließlich an die untere Donau abkommandiert wurde, zog ein Großteil der canabae-Bewohner zusammen mit den römischen Truppen ab.546 Zurück blieben Veteranen sowie die indigene Bevölkerung, die sich nach einer wohl schon vorher bestehenden Bezeichnung Vicani Vindonissenses nannte.547 „Legionslager und Zivilsiedlung waren während knapp hundert Jahren so etwas wie der ‚Motor‘ der Romanisierung, also der friedlichen Durchdringung der einheimischen, keltisch geprägten Kultur mit den Errungenschaften der römischen Zivilisation.“548 Trotz eines nachweislichen Rückgangs der Nutzungsintensität sowie der Siedlungsfläche westlich des Legionslagers lassen sich nach dem Abzug der 11. Legion in diesem Gebiet noch einige Siedlungsaktivitäten fassen.549 Diese kommen jedoch – nach einem Brand gegen Ende des 2./Anfang des 3. Jhs. n. Chr. – spätestens im 4. Jh. n. Chr. fast vollständig zum Erliegen.550 Unmittelbar vor der südwestlichen Ecke der jüngsten Lagerumwehrung und nordöstlich des Amphitheaters traf man auf ein ca. 160 × 140 m messendes Steingebäude, das aus umlaufenden Hallen rund um einen 10.000 m2 großen, gekiesten In-
539 540 541 542 543 544 545 546 547 548 549 550
Trumm 2012, 7. Trumm 2012, 12. Trumm 2012, 12. Schucany 2012, 77, Abb. 35. Schucany 2012, 77, Abb. 35. Trumm 2012, 7. Schucany 2012, 77. Schucany 2012, 78. Trumm 2012, 7. Hartmann 1986, 110. Hartmann 1986, 109–110. Trumm 2012, 8, Anm. 35. Vgl. Trumm/Flück 2013, 203–226. Frei-Stolba et al. 2011, 8. Schucany 2012, 78. Trumm 2012, 8. Schucany 2012, 78.
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nenhof (ca. 120 × 105 m) bestand (vgl. Abb. 2c).551 Erste Datierungshinweise deuten auf eine Erbauungszeit des großen Rechteckbaus um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr.552 Aufgegeben wurde er anscheinend im 2. Jh. n. Chr.553 Da es nur rund 100 m nordöstlich des Amphitheaters lokalisiert wurde, hat man es zunächst als Gladiatorenkaserne angesprochen, später dann – aufgrund seiner Größe und Binnenstruktur – als forum interpretiert.554 Seine Zweckbestimmung ist bis heute nicht abschließend entschlüsselt, doch wird eine Funktion als Parade- und Exerzierplatz (campus castrorum legionis) in Erwägung gezogen.555 Gestützt würde die These eines Gebäudeensembles aus Militärlager, campus und Amphitheater durch die Befundsituation im Auxiliarkastell von Trimontium/Newstead (Roxburghshire) in der Provinz Britannia.556 Auch hier liegen Dienst- (campus) und ‚Vergnügungsgebäude‘ (amphitheatrum) einer römischen Militäreinheit unmittelbar nebeneinander. Sowohl in den canabae legionis als auch im unmittelbaren Areal des Legionslagers traten Artefakte zu Tage, die Bezüge zur römischen Gladiatur am Legionsstandort Vindonissa aufweisen. Besonders auffällig ist darunter eine Vielzahl von Fragmenten gläserner Gladiatorenbecher, deren Reliefs die Darstellung von Gladiatorenpaaren mit jeweils beigeschriebenen Kampfnamen zeigen (Kat. 1.16.3–1.16.9).557 Der Produktionszeitraum der Gladiatorengläser wird in das dritte Viertel des 1. Jhs. n. Chr. datiert.558 Die große Anzahl der gefundenen Überreste dieses wahrscheinlich besseren Trinkgeschirrs lässt vermuten, dass der Militärstützpunkt Vindonissa innerhalb der Germania Superior und Inferior einen herausragenden Absatzmarkt für Gladiatorenbecher aus Glas bot. In einem Grab innerhalb des Brandgräberfeldes an der Aarauerstraße fand man zudem die Statuette eines Gladiators (Kat. 1.16.10), der sich mit seinen zwei sehr hohen Beinschienen, seinem kleinen gewölbtem Schild (parmula) und seinem Krem-
551
Trumm 2014, 50–54, Abb. 5–6. Die Ergrabung des mehr als 10.000 m2 messenden Innenhofes ergab, dass der Rechteckbau offenbar ältere Großbauten aus Holz und Fachwerk von ebenfalls noch ungeklärter Zweckbestimmung überdeckt. Trumm 2012, 8. 552 Trumm 2014, 54: „Das bislang nicht im Detail ausgewertete Fundmaterial deutet an, dass der rechteckige Grossbau um die Mitte des 1. Jh. und somit – wohl wie das benachbarte steinerne Amphitheater (hierzu Anm. 21: Matter 2011, bes. 42–44) – von der 21. Legion errichtet wurde.“ 553 Trumm 2014, 55. 554 Trumm 2014, 49–50. Trumm 2012, 8. 555 Trumm 2014, 56–61. Trumm 2012, 8–9. Vgl. auch Petrikovits 1991, 177. Die von Trumm a. a. O. angeführte Parallele in Nijmegen (Germania Inferior), wo sich im Osten des großen Lagers auf dem Hunerberg ebenfalls ein steinerner Rechteckbau (166 × 137 m) befindet, ist m. E. wenig überzeugend, da zum einen besagtes Monument als forum angesprochen wird und es zum anderen mit dem Amphitheater auf der Westseite des großen Lagers in keinerlei baulicher Nähe steht. Vgl. Driessen 2007, 144. 556 Wilmott 2008, 151, (farbige) Abb. 18. Weitere, in einer vereinfachten Skizze dargestellten Parallelen bei Trumm 2014, Abb. 14. 557 Grundlegend zu den sog. Zirkusbechern Rütti et al. 1988. 558 Rütti et al. 1988, 31–32.
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penhelm mit aufwändigem crista-Schmuck als thraex zu erkennen gibt.559 Die armatura des thraex, dessen übliches parium der murmillo war, gehörte in der späten Republik und frühen Kaiserzeit zu den beliebtesten schwerbewaffneten Gattungen in römischen Arenen.560 Datiert wird die thraex-Statuette aus Vindonissa in claudische Zeit.561 Das Amphitheater von Vindonissa, für das eine ältere Holz- und eine jüngere Holz-Steinbauphase belegt ist, wurde in den Jahren 2006 bis 2011 aufwändig saniert und punktuell neuerlichen Untersuchungen unterzogen.562 Dabei konnten einige wichtige Ergebnisse sowohl für die frühere Holzbauphase als auch für die spätere Holz-Steinbauphase gewonnen werden.563 Das jüngste Amphitheater von Vindonissa stellt mit seinen Außenmaßen von ca. 111 × 99 m564 den größten Vertreter, sein hölzerner Vorgängerbau dagegen den bislang ältesten Vertreter unter den römischen Amphitheatern auf dem Gebiet der beiden germanischen Provinzen dar. Das Amphitheater von Vindonissa lag rund 330 m südwestlich der Südwestecke der Umwehrung des jüngsten Legionslagers der 11. Legion im Bereich der canabae legionis (vgl. Abb. 2c).565 Da sich das Areal südwestlich des Amphitheaters als weitgehend frei von römischen Baubefunden erwies, liegt die Vermutung nahe, dass das Amphitheater in der südwestlichsten Peripherie der Lagervorstadt intra leugam errichtet worden war.566 Es ist somit als militärisches Amphitheater anzusprechen. Zwischen Amphitheater und Südwestecke der Lagerumwehrung befand sich jener bereits erwähnte, als campus angesprochene große Rechteckbau, so dass es den Anschein hat, dass der südwestlichste Teil der canabae legionis in Vindonissa das bevorzugte Gebiet für militärische Großbauten darstellte. Bei der Standortwahl für das Amphitheater haben aber offensichtlich auch die topographischen Verhältnisse eine Rolle gespielt, denn ein nach Süden hin ansteigendes Terrain an dieser Stelle ermöglichte die ‚Anlehnung‘ des Amphitheaters an diesen Hanganstieg.567 Notwendige Erdbewegungen und die damit verbundenen Bau- und Materialkosten konnten auf diese Weise reduziert werden. Aufgrund der modernen Überbauungen, die heute ca. 2/3 der römischen Siedlungsfläche überdecken, sind der Analyse der Anbindung des Amphitheaters an das antike Wegenetz von Vindonissa Grenzen gesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass 559 560 561 562 563 564
Von Gonzenbach 1991, 201–202, 207: Abb. 3. Flecker 2015, 50. Von Gonzenbach 1991, 202. Trumm 2012, 8. Matter/Auf der Maur 2012. Matter/Auf der Maur 2012, 23. Frei-Stolba et al. 2011, 2. Trumm 2012, 8. Hartmann 1986, 86, gibt als Außenmaß 98 × 112 m an. Hartmann 1986, 11–23. Laur-Belart 1935, 68–70. Hauser 1904, 5–9. 565 Trumm 2012, 8, Abb. 6. Matter/Auf der Maur 2012, 23, Abb. 1. Hartmann 1986, 86, Abb. 73–74, Pl. 5. Drack/Fellmann 1988, 543. Zur Forschungsgeschichte des Amphitheaters von Vindonissa s. Matter/Auf der Maur op. cit., 23–26, und Frei-Stolba et al. 2011, 2–6, 19–32. 566 Trumm 2012, 8, 21, Abb. 3, 6. 567 Frei-Stolba et al. 2011, 9, vgl. Abb. auf S. 10. Trumm 2012, Abb. 6. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 71.
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die Tore des frühesten Militärlagers von Vindonissa und damit die frühesten Ausfallstraßen aus dem Lager bisher nicht bekannt sind.568 Für das jüngere Amphitheater von Vindonissa lässt sich jedoch dem vereinfachten Übersichtsplan aus der Zeit der 11. Legion bei J. Trumm und M. Flück entnehmen,569 dass vom Westtor des Legionslagers eine von den Principia des Lagers kommende, gut ausgebaute Kiesstraße zunächst Richtung sog. campus abzweigte, an dessen Ostflanke sie weiter nach Süden führte.570 Ca. 100 m südlich des sog. campus knickte sie dann nach Südwesten ab, wo sie in ihrem weiteren Verlauf an der Südostseite des Amphitheaters vorbeiführte.571 Von dieser Straße aus könnten Verbindungswege zu den beiden Eingängen im Nordosten und Südwesten des Amphitheaters in Holz-Steinbauweise bestanden haben, die allerdings im archäologischen Befund bislang nicht nachgewiesen werden konnten.572 Wie aber insbesondere der prunkvoll ausgestaltete Nordeingang des Amphitheaters (s. unten) an das Wegenetz rund um das Legionslager bzw. die canabae angeschlossen war, ist nicht bekannt. Das hölzerne Amphitheater von Vindonissa lässt sich in Form von drei elliptischen Reihen aus Pfostennegativen (0,20–0,30 m Ø) im Boden nachweisen, die konzentrisch um eine ca. 74,5 × 56,6 m große Arena angeordnet waren.573 Die innere Pfostenreihe scheint zudem arenaseits mit einer ca. 3 m hohen Podiumswand aus horizontalen Brettern verkleidet gewesen zu sein.574 In der nördlichen cavea stieß man darüber hinaus auf einen 1,00–1,20 m breiten Graben, dessen Sohle 0,50 m unterhalb des rekonstruierten Arenabodens lag.575 Einen solchen Graben konnte man im Bereich der südlichen cavea nicht nachweisen.576 Als mögliche Interpretation des Grabens wurden ein Bedienungsgang oder ein Drainagekanal vorgeschlagen.577 Da sich eine Parallele im Amphitheater von Aventicum/Avenches (Holz-Steinbauphase, Kat. 1.5.1) findet, das ebenfalls nur in einer Hälfte – hier der südlichen – über einen Bedienungsgang verfügte und dieser eine ähnliche Breite (ca. 1,18 m, s. oben) wie der von Vindonissa aufweist, ist m. E. trotz der zeitlichen Differenz der beiden Monumente der Interpretation eines umlaufenden 568 Trumm 2012, 10. 569 Trumm/Flück 2013, 35, Abb. 3. Vgl. Trumm 2012, Abb. 6. Hartmann 1986, Pl. 5. 570 Diese Kiesstrasse scheint seit spättiberisch-frühclaudischer Zeit bestanden zu haben. Trumm 2014, 55. Zum Forum, das in der neueren Forschung als campus angesprochen wird, s. Hartmann 1986, 104–105, Pl. 6.22–23. 571 Trumm/Flück 2013, 35, Abb. 3. Trumm 2008, 10, Abb. 6. 572 Über den Ost- bzw- Westeingang des ältesten, hölzernen Amphitheaters konnten bislang keine gesicherten Erkenntnisse gewonnen werden, da durch den nachfolgenden Steinbau ein Großteil der Befunde der Holzbauphase zerstört wurden (s. unten). Matter/Auf der Maur 2012, 34. 573 Matter/Auf der Maur 2012, 30–31, 34, Abb. 15–16. Frei-Stolba et al. 2011, 8, Abb. auf S. 9. Die Pfosten scheinen mind. 0,60 m in den gewachsenen Boden gerammt und nicht in einem Fundamentgraben oder mit Keilsteinen befestigt worden zu sein. Matter/Auf der Maur a. a. O., 30, Abb. 9–10. 574 Matter/Auf der Maur 2012, 30, 35, Abb. 16. Frei-Stolba et al. 2011, 9. 575 Matter/Auf der Maur 2012, 31, Abb. 12–13. 576 Matter/Auf der Maur 2012, 35, Abb. 16. 577 Matter/Auf der Maur 2012, 32.
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Bedienungsganges im Bereich der nördlichen cavea der Vorzug zu geben.578 Darüber hinaus konnte man im Bereich der südlichen cavea einen nischenartigen, mit Brettern verschalten Raum nachweisen, der von der Podiumswand aus in die natürlich anstehenden Kiesschichten eingelassen war.579 Die Lage dieses Raumes auf der Querachse der Arena spricht dafür, ihn als carcer, also ‚Warteraum‘, anzusprechen, der vor dem Beginn der spectacula mit Tieren oder Gladiatoren bestückt werden konnte.580 Für die Veranstaltungspraxis bedeutet dies, dass das Geschehen in der Arena von Norden her über den Bedienungsgang und von Süden her mit Hilfe eines carcers für die Zuschauer abwechslungsreich inszeniert werden konnte. Auch in der Gesamtkonstruktion unterscheidet sich die nördliche von der südlichen cavea in der Holzbauphase deutlich, da das Amphitheater mit seiner südlichen Seite in einen nach Süden ansteigenden Hang eingetieft worden war. Während im Norden die Sitzstufen für die Zuschauer auf einer Holzkonstruktion aufruhten, die in mehr oder minder ebenem Gelände frei emporragte, nutzte man im Süden das ansteigende Terrain des Hangs aus: Hier konnte man in der Mitte der südlichen cavea eine künstliche Abtreppung des natürlich anstehenden Bodens nachweisen, die als direktes Auflager der hölzernen Sitzstufen gedient zu haben scheint.581 Diese Abtreppung ließ zudem eine Binnengliederung der cavea in einen etwas größeren oberen (sechs rekonstruierte Sitzstufenreihen) und einen etwas kleineren (vier rekonstruierte Sitzstufenreihen) unteren Bereich erkennen, die durch einen Umgang unterteilt waren.582 Bei einem angenommenen Neigungswinkel der südlichen cavea von 27° schätzt man, dass etwa 6.200 Zuschauer im Holzamphitheater von Vindonissa Platz fanden.583 Die Eingangssituation zum Amphitheater und zur Arena selbst konnten für das hölzerne Amphitheater bislang nicht abschließend geklärt werden. Der Hauptgrund dafür liegt in dem Umstand, dass die älteren Zugänge offenbar durch die Errichtung des jüngeren Amphitheaters zerstört wurden.584 Aufgrund der topographischen Verhältnisse werden die Eingänge im Westen und Osten allerdings wahrscheinlich als freistehen-
578 Bei einer Interpretation als Drainagekanal ließe sich ein Fehlen in der in den Hang eingetieften Südhälfte zudem schwer erklären. Zudem sind Vorrichtungen für die Drainage in germanischen Amphitheatern (Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben, Aventicum/Avenches, Brenodurum/ Bern, Colonia Iulia Equestris/Nyon, Colonia Ulpia Traiana/Xanten, bislang nur im Bereich der Arena nachgewiesen. Der Bedienungsgang von Aventicum wird um 120 n. Chr. datiert. Bridel 2004, 46, 50–52, 75–77, Pl. 3a-b, 18. 579 Größe der entdeckten Struktur: 9,5 m lang und ca. 2 m breit. Matter/Auf der Maur 2012, 32. 580 Matter/Auf der Maur 2012, 32. Die bei Matter/Auf der Maur op. cit., 32, Anm. 44, vorgeschlagene Interpretation als sacellum, das in einem Amphitheater üblicherweise von der Peripherie her und für die Zuschauer unbemerkt betretbar war, scheint m. E. weniger wahrscheinlich. 581 Matter/Auf der Maur 2012, 35, Abb. 16. Frei-Stolba et al. 2011, 9, vgl. Abb. auf S. 10. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 71. 582 Matter/Auf der Maur 2012, 35. 583 Matter/Auf der Maur 2012, 35. Frei-Stolba et al. 2011, 9, spricht von rund 9.000 Zuschauern. 584 Matter/Auf der Maur 2012, 34–35.
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de Holzkonstruktionen ausgeführt worden sein.585 Das äußere Erscheinungsbild des Amphitheaters war hingegen geprägt von einer rund 1,5 m hohen Erdanschüttung, die rampenförmig ausgestaltet war und über die die Zuschauer möglicherweise Zutritt zum Amphitheater hatten.586 Auf verschiedene Reparaturphasen an der Podiumsmauer bzw. auf eine Mehrphasigkeit des Holzamphitheaters von Vindonissa deuten unterschiedliche Querschnitte und scheinbar willkürlich platzierte Pfosten in den elliptischen Reihen der Pfostennegative hin, die offenbar in Folge zweier zeitlich versetzter Brandereignisse zu sehen sind.587 Ein Brandschutthorizont sowohl im Bereich des Amphitheaters als auch nördlich und östlich seiner Umfassung zeigt zudem, dass für die endgültige Zerstörung des Holzbaus ebenfalls ein Feuer verantwortlich zeichnete.588 Das Fundspektrum, das im Zusammenhang mit dem Holzamphitheater von Vindonissa untersucht wurde, verweist die Errichtung des Baus in tiberische Zeit (14–37 n. Chr.), also in den Zeitraum, in dem die legio XIII Gemina ihr Standlager in Vindonissa hatte.589 Da eine Bauaktivität im Amphitheater mit der im zugehörigen Legionslager in Zusammenhang gesehen wird, nimmt man an, dass das Holzamphitheater nicht vor 30 n. Chr. errichtet wurde.590 Der erwähnte Brandschutthorizont datiert die Zerstörung des hölzernen Amphitheaters hingegen in die 40-er Jahre des 1. Jhs. n. Chr., also in die Zeit der Ablösung der legio XIII Gemina durch die legio XXI Rapax.591 Ob das Abbrennen des Holzamphitheaters mit dem Besatzungswechsel des Legionslagers in Zusammenhang stand, und wenn ja, in welchem, konnte noch nicht abschließend geklärt werden.592 Aus dem stratigraphischen Befund geht hervor, dass unmittelbar oder nur kurze Zeit nach der Zerstörung des hölzernen Amphitheaters sein Nachfolgebau in Angriff genommen worden war.593 Es hat sogar den Anschein, dass zumindest Teile des Holzbaus noch aufrecht standen, als man mit dem Neubau begann, denn einige Bauhorizonte der Steinfundamente scheinen Baustrukturen des Vorgängerbaus respektiert zu haben.594 Beim Neubau des Amphitheaters in Holz-Steinbauweise tiefte man zunächst die Arena rund 1 m weiter in den gewachsenen Boden ein und reduzierte ihre Fläche auf 64 × 52 m.595 Dadurch wurde die Längsachse des neuen Amphitheaters im Vergleich zu seinem Vorgängerbau leicht gestaucht. Zugleich verschob man die Außen585 586 587 588 589 590 591 592 593 594 595
Matter/Auf der Maur 2012, 35, Anm. 50. Matter/Auf der Maur 2012, 34, Anm. 49. Matter/Auf der Maur 2012, 33. Matter/Auf der Maur 2012, 33, Abb. 14. Frei-Stolba et al. 2011, 10. Vgl. Hufschmid 2009, 167–168. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 72–73. Matter/Auf der Maur 2012, 42. Trumm/Flück 2013, 228. Matter/Auf der Maur 2012, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 10, 26–28. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 73. Heuberger 1909, 77, Taf. XIV. Frei-Stolba et al. 2011, 10. Matter/Auf der Maur 2012, 33, 36, Abb. 10, 14. Frei-Stolba et al. 2011, 12. Matter/Auf der Maur 2012, 33, vgl. Abb. 10. Matter/Auf der Maur 2012, 34, Abb. 15–16. Frei-Stolba et al. 2011, 9, 11. Hartmann 1986, 87.
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begrenzung des Amphitheaters um einige Meter nach außen, so dass insgesamt eine Vergrößerung des Zuschauerbereichs erwirkt wurde.596 Dieser verfügte nun über ein Fassungsvermögen von ca. 11.000 Zuschauern, also rund 4.800 Plätze mehr als noch der hölzerne Vorgängerbau.597 Das ‚Grundgerüst‘ des Amphitheaters bildeten dabei drei elliptische Mauerringe, von denen der innerste die Arena einfasste.598 In einem Abstand von nur zwei Metern zu diesem verlief der mittlere elliptische Mauerring, der zusammen mit dem innersten einen um die Arena umlaufenden Bedienungsgang bildete.599 Der äußere elliptische Mauerring, der sich in einem Abstand von ca. 20 m zum mittleren Mauerring befand, fasste das Amphitheater architektonisch ein.600 Dieser äußerste Ring war jedoch nicht als hoch aufragende Fassade konzipiert, sondern stützte lediglich eine umlaufende Anschüttung, auf deren Scheitel eine weitere elliptische Mauer aufruhte, die als eigentliche cavea-Begrenzung zu verstehen ist und die obersten Ränge über eingelassene Türöffnungen zugänglich machte; von dieser Mauer haben sich aufgrund ihrer exponierten Lage allerdings keinerlei Reste erhalten.601 Da man zwischen dem mittleren und dem äußeren Mauerring auf keine weiteren Fundamentreste stieß, nimmt man an, dass die Sitzstufen zumindest teilweise aus Holz bestanden und vielleicht sogar direkt auf den Erdanschüttungen aufgeruht haben.602 In die Anschüttung zwischen cavea-Begrenzung und äußerstem Mauerring waren in regelmäßigen Abständen Treppenaufgänge eingelassen, über die man von außen zu den Sitzstufen der summa cavea gelangen konnte.603 Auf der Längsachse des Amphitheaters befanden sich zudem zwei Arenazugänge – die porta libitinensis und die porta sanavivaria – in deren lateralen Korridoren Treppenhäuser einen Zugang zur cavea gewährten.604 Im Bereich des Osteinganges war man bei den Grabungsarbeiten im Jahre 1900 darüber hinaus auf das Fragment einer Bauinschrift gestoßen, deren wenige erhaltene Buchstaben auf eine Kaisertitulatur verweisen, möglicherweise die des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.).605 596 Matter/Auf der Maur 2012, Abb. 15. 597 Matter/Auf der Maur 2012, 35. Dagegen Frei-Stolba et al. 2011, 9: rund 9.000 Zuschauer. 598 Matter/Auf der Maur 2012, 36. Frei-Stolba et al. 2011, 10. Hartmann 1986, 86–87. Laur-Belart 1935, 70–71. 599 Hartmann 1986, 86. 600 Frei-Stolba et al. 2011, 11, Abb. auf S. 11 mit Rekonstruktionsmodell. Hartmann 1986, 86. 601 Grundlage für diese These bilden die Untersuchungen an der nördlichen cavea-Aufschüttung sowie konstruktiv-statische Überlegungen. Frei-Stolba et al. 2011, 11, Abb. auf S. 11 mit Rekonstruktionsmodell. Vgl. Matter/Auf der Maur 2012, 38 mit Abb. 21–22. 602 Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 71. Heuberger 1909, 79. 603 Matter/Auf der Maur 2012, 38, Abb. 20. Frei-Stolba et al. 2011, 11–12, Abb. auf S. 11 mit Rekonstruktionsmodell. 604 Matter/Auf der Maur 2012, 36, Beil. 1. Frei-Stolba et al. 2011, 12. Vgl. Laur-Belart 1935, 71. 605 Nesselhauf/Lieb 1960, Nr. 64. Erhalten sind zwei anpassende Stücke einer Steintafel von 36 × 62 × 15 cm Größe mit 12 cm großen Buchstaben. Lesbar sind die Buchstaben RIS AV C. Von dem Buchstaben neben dem C ist lediglich eine senkrechte Haste erkennbar, so dass ein I oder ein
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Auch der auf der Querachse befindliche Nordeingang, der repräsentativ ausgestaltet und als regelrechtes Prunktor angelegt war, bot einen Zugang zur media cavea.606 Sein breiterer Mittelgang diente darüber hinaus Militärs bzw. höher gestellten Persönlichkeiten als Zugangsweg zum Bereich des Podiums und der Ehrenloge607 und ließ somit – ähnlich wie in Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1) – schon beim Betreten des Amphitheaters die soziale Hierarchie der Zuschauer erkennbar werden. Alle Zugänge von der Peripherie direkt ins Innere des Amphitheaters waren in Form von halbkreisförmigen Nischen gestaltet, der im prunkvollen Nordeingang zusätzlich eine viereckige Nischenarchitektur vorgeschaltet war.608 Darüber hinaus befanden sich in der äußeren Umfassungsmauer in regelmäßigen Abständen rechteckige Treppenhäuser, über die man ebenfalls in den Bereich der cavea gelangen konnte.609 Zur Arena hin waren der westliche und östliche Zugang über je ein zweiflügeliges Tor verschließbar und beidseits von zwei kleineren portae posticae flankiert.610 Auch der um die Arena umlaufende Bedienungsgang war in Höhe der Querachse mit je zwei portae posticae ausgestattet, so dass das Geschehen in der Arena über insgesamt acht kleine Türen effektvoll inszeniert und choreografiert werden konnte.611 Uneinsehbar für die Zuschauer waren alle portae posticae vom Bedienungsgang aus zugänglich, der nun die gesamte Arena umgab und nur im Bereich der Eingänge im Westen, Norden und Osten unterbrochen war.612 Im Vergleich zum hölzernen Amphitheater von Vindonissa, das lediglich in der nördlichen cavea über einen Bedienungsgang und in der südlichen cavea über einen carcer verfügte, bedeutete dies einen deutlichen Zuwachs an Möglichkeiten für die inszenatorische Steuerung des Arenageschehens. Zusätzliche Spezialeffekte, die mit Hilfe von Apparaturen in einem hypogaeum unterhalb des Arenabodens hätten erwirkt werden können, hat es in Vindonissa nicht gegeben. Lediglich ein großer Steinblock wurde – ähnlich wie im Amphitheater von Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1) und Zugmantel-Am Galgenköppel (Kat. 1.18.2) – in der Mitte der Arena angetroffen,613 der möglicherweise dem Anbin-
606 607 608 609 610 611 612 613
L ergänzt werden könnte. Frei-Stolba et al. 2011, 12 mit einer Abb. des Fragmentes oben auf der Seite. Vgl. auch EDCS 10900296. Matter/Auf der Maur 2012, 42. Vgl. auch unten Kap. 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül. Matter/Auf der Maur 2012, 36. Frei-Stolba et al. 2011, 12. Hartmann 1986, 71. Matter/Auf der Maur 2012, 36, Abb. 15. Das zweiflügelige Tor öffnete sich jeweils in den Eingangskorridor hinein, also von der Arena weg, die portae posticae hingegen öffneten sich in die Arena hinein. Matter/Auf der Maur 2012, 37, Beil. 1. Frei-Stolba et al. 2011, 12. Laur-Belart 1935, 71. Matter/Auf der Maur 2012, Abb. 15. Frei-Stolba et al. 2011, 12, Abb. auf S. 9. Matter/Auf der Maur 2012, Beil. 1. Laur-Belart 1935, 71. Vgl. Hauser 1904, 9. Auch im Amphitheater von Chester traf man auf einen viereckigen Steinblock im Zentrum der Arena. Wilmott 2008, 143, Abb. 81. Eine bildliche Darstellung eines solchen Steins liefert das Gladiatorenmosaik aus der Villa von Bignor in West Sussex. Wilmott op. cit., (farbige) Abb. 22.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
89
den wilder Tiere im Rahmen einer venatio gedient hat. Der umlaufende Bedienungsgang war mit Steinplatten abgedeckt, die zugleich die Fußbodenplatten der untersten, mit einer Brüstung versehenen ambulatio des Podiumsbereiches bildeten.614 Carceres unterhalb des Podiumsbereiches und mit direktem Arenazugang – wie im hölzernen Vorgängerbau von Vindonissa – konnten im jüngeren Amphitheater von Vindonissa nicht nachgewiesen werden; solche ‚Warte-‘ oder ‚Aufenthaltsräume‘ für Mensch und Tier hat es im steinernen Amphitheater von Vindonissa möglicherweise nur im Bereich der Zugänge im Westen, Norden oder Osten gegeben.615 Der Fund von Steinblöcken aus Kalksinter mit halbrundem Profil lässt vermuten, dass die Podiumsmauer mit diesen Steinen bekrönt und – wie Abarbeitungen am Scheitel der Rundungen zu erkennen geben – zusätzlich mit einem Holzzaun versehen war.616 Steine mit ähnlichem Profil, aber kleineren Abmessungen lassen zudem vermuten, dass vielleicht auch der Zuschauerbereich mit einer kleineren Steinbrüstung unterteilt war.617 Auf einem dieser mutmaßlichen Zuschauerbrüstungssteine entdeckte man die Inschrift TIRONES.618 Interessanterweise ist der Begriff tiro, der Rekrut, sowohl im Umfeld des römischen Militärs belegt, als auch im Bereich der römischen Gladiatur, wo er mit ‚(Arena-)Neuling‘ zu übersetzen ist. Handelt es sich bei der Inschrift also demnach um eine Sitzplatzmarkierung für neu angeworbene Rekruten der legio XXI rapax? Oder um die der Gladiatoren-Anfänger, die dem Geschehen in der Arena von den Zuschauerrängen beiwohnen sollten, um daraus zu lernen? Da die Inschrift nicht in situ, sondern in den Verfüllschichten des Bedienungsganges gefunden wurde,619 ist jegliche Information über ihren ursprünglichen Anbringungsort verloren und damit auch die Antwort auf die Frage, ob es sich bei jenen tirones um Soldaten oder Gladiatoren handelte. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt wurde das Holz-Steinamphitheater von Vindonissa einer baulichen Modifikation unterworfen, die im Baubefund an einer Verengung des westlichen und östlichen Arenazugangs um 2,5 m erkennbar wird.620 Eine absolute Datierung dieses Befundes ist bislang nicht gelungen,621 eben so wenig wie eine Erklärung dieser Baumaßnahme auf Grundlage der Veranstaltungspraxis. Größere Gewissheit hat man dagegen im Hinblick auf das Erbauungsdatum des
614 Hartmann 1986, 86. 615 Matter/Auf der Maur 2012, Beil. 1. Vgl. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 71, der die Möglichkeit externer Annexbauten für Tierkäfige und Stallungen in Erwägung zieht. 616 Matter/Auf der Maur 2012, 40, Abb. 23a. 617 Matter/Auf der Maur 2012, 40, Abb. 23b. Alle Bekrönungssteine, die größeren und die kleinen, wurden in den Verfüllschichten des Bedienungsganges entdeckt. Matter/Auf der Maur op. cit., 39. 618 Matter/Auf der Maur 2012, 40, Anm. 69. 619 Matter/Auf der Maur 2012, 39. 620 Frei-Stolba et al. 2011, 12. 621 Matter/Auf der Maur 2012, 37.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
jüngeren Amphitheaters von Vindonissa. Der keramische und stratigraphische Befund legen ein Datum um 50 n. Chr. nahe, also während der Besatzungszeit der legio XXI Rapax in Vindonissa.622 Über das Aufgabedatum und damit über den Benutzungszeitraum des jüngeren Amphitheaters von Vindonissa wissen wir dagegen wenig Konkretes.623 Die Münzfunde aus den Grabungen der Jahre 1898–1925 datieren fast ausnahmslos in das 1. Jh. n. Chr., während nur eine einzige Münze in den Zeitraum zwischen 100–240 n. Chr. fällt.624 In der zweiten Hälfte des 3. Jhs. sowie im 4. Jh. n. Chr. häufen sich die Münzfunde dann wieder, deuten jedoch zusammen mit Brand- und Feuerstellen/-horizonten eher auf eine sekundäre, nicht-arenaspezifische Nutzung des Amphitheaters hin.625 Diese Vermutung könnte durch die zeitgleiche Entwicklung im Areal des Legionslagers gestützt werden. Als die legio XI Claudia Pia Fidelis zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. an die untere Donau abkommandiert wird, wurde das Legionslager von Vindonissa systematisch aufgelassen.626 Wie jüngste Untersuchungen zeigen konnten, fiel das aufgelassene Lager jedoch noch mehrere Jahrzehnte unter die Kontrolle der römischen Militärverwaltung, bevor es im 2. und 3. Jh. n. Chr. zunehmend in den Einflussbereich der zivilen Besiedlung integriert wurde.627 Die Einfälle der Alamannen im 3. Jh. n. Chr. scheinen an Vindonissa spurlos vorüber gegangen zu sein.628 Eine Inschrift aus dem Jahr 260 n. Chr. sowie der Baubefund des Lagers zeugen von dem Versuch, die alte Lagerbefestigung wieder instand zu setzen, ohne jedoch zu einer längerfristigen Belegung des Lagers geführt zu haben.629 Erst in konstantinischer Zeit lassen sich dann im östlichen Teil des Lagerareals der 11. Legion wieder militärische Baumaßnahmen nachweisen, die dem Castrum Vindonissense zuzurechnen sind.630 Auch spärliche Besiedlungsspuren sind im 4. Jh. n. Chr. innerhalb und außerhalb dieses Castrums fassbar.631 In der Spätantike diente die ehemalige Befestigung des Lagers der 11. Legion schließlich als Steinbruch, was ihre endgültige Zerstörung zur Folge hatte.632
622 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632
Matter/Auf der Maur 2012, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 11. Trumm 2012, 9. Matter/Auf der Maur 2012, 42. Matter/Auf der Maur 2012, 41. Frei-Stolba et al. 2011, 13. Trumm 2012, 9, 41–42. Trumm/Flück 2013, 24. Frei-Stolba et al. 2011, 7. Ritterling 1925, 1679. Trumm/Flück 2013, 22, 24. Hartmann 1986, 117. Hartmann 1986, 117–119, Abb. 107. CIL 13, 5203. Hartmann 1986, 122–125, Pl. 7. Hartmann 1986, 123. Vgl. Trumm/Flücker 2013, 224–226. Trumm/Flück 2013, 26.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
91
2.1.8 Zugmantel In Zugmantel, das ca. einen Kilometer nordöstlich der Ortschaft Taunusstein-Orlen und rund 13 km nördlich von Aquae Mattiacorum/Wiesbaden liegt,633 haben sich zwei Amphitheater mit annähernd runder Arena erhalten (Kat. 1.18.1–1.18.2). Das größere der beiden Amphitheater befindet sich ca. 175 m im Norden, das etwas kleinere ca. 360 m im Osten eines kleinen römischen Kastells (vgl. Abb. 2d).634 Die Errichtung dieses Kastells am Zugmantel, das zunächst als Numeruskastell konzipiert war und auf einer flachen, bewaldeten Anhöhe rund 300 m südlich des Limes lag, wird in die Zeit um 90 n. Chr. datiert.635 Seine Errichtung dürfte demnach mit der Entstehung des Limes in Zusammenhang stehen, der hier vielleicht schon gegen Ende des Chattenkrieges 85 n. Chr. entstanden ist.636 Wenige Jahrzehnte später wurde das Kastell Zugmantel von 0,7 ha auf 1,1 ha vergrößert.637 Um die Mitte des 2. Jhs. wurde das Erdkastell dann niedergerissen und in Stein neu errichtet, was mit einer abermaligen Vergrößerung auf 1,7 ha einherging.638 Zwei Pedaturasteine aus der Wehrmauer dieses ersten Steinkastells liefern Hinweise auf die Anwesenheit damaliger römischer Militäreinheiten: Unter der Aufsicht des Zenturios Crescentinius Respectus von der legio VIII hatte die Zenturie des Leubaccus sowie eine weitere Treverereinheit hier einen Bauabschnitt der Kastellmauer fertiggestellt.639 Wahrscheinlich war das erste Steinkastell vom Zugmantel durch Brand zerstört worden, was die Errichtung eines neuen Steinkastells an gleicher Stelle notwendig gemacht hatte.640 Aufgrund einiger Schatz- und Hortfunde vermutet man für die Regierungszeit des Kaisers Commodus (180–192 n. Chr.) darüber hinaus einen lokal begrenzten Einfall germanischer Stämme am Zugmantel, dem einige Reparaturmaßnahmen am Kastell zugewiesen werden können.641 Ein letztes Mal ausgebaut und auf 2,1 ha vergrößert wurde das Kastell Zugmantel schließlich im Jahr 223 n. Chr., als es in seiner Belegung wahrscheinlich aufgewertet und der cohors
633 Sommer 1988, 465–467, Abb. 1. 634 Sommer 2009, 53, Abb. 5.6. Bender 2005a, 30, Abb. 1. Wahl 1977, 126–127. Fabricius 1936, 73, bemerkte zudem Spuren einer dritten Anlage dieser Art, die sich 400 m nordöstlich des Kastells befinden soll, die aber aufgrund der unsicheren Befundlage nicht weiter untersucht wurde. 635 Reuter 2008, 83 mit Anm. 2. Baatz 2000, 120. Sommer 1988, 471–472. Baatz/Herrmann 1982, 501– 502, Abb. 479. Jacobi 1937, 6–8. Vgl. Gechter 1987, 110–111. 636 Baatz 2000, 116. 637 Reuter 2008, 83. Sommer 1988, 472, 474–475. Baatz/Herrmann 1982, 502. Vgl. Jacobi 1937, 38–39. http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=47 (13.10.2016). 638 http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=47 (13.10.2016). Reuter 2008, 83. Sommer 1988, 472, 474–475. Baatz/Herrmann 1982, 502. Vgl. Jacobi 1937, 38–39. 639 Reuter 2008, 85, Abb. 4. Baatz/Herrmann 1982, 502, Abb. 480. Sommer 1988, 475, 477, 479–482. Jacobi 1937, 36–37. 640 Sommer 1988, 478–480, 524–525. 641 Sommer 1988, 477–478.
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(?) I Treverorum Equitata als Standlager diente, die aus jenem numerus Treverorum der Frühzeit des Kastells hervorgegangen war.642 Die vornehmliche Aufgabe des Kastells Zugmantel, das nur wenige hundert Meter von einem der ältesten Abschnitte des Obergermanisch-Rätischen Limes entfernt lag, bestand im Schutz vor germanischen Übergriffen sowohl des Rheingaus als auch des civitas-Haupt- und Badeortes Aquae Mattiacorum/Wiesbaden.643 Besondere Bedeutung kam dem Ort aber auch deshalb zu, weil hier die Straße den Limes überquerte, die von der Provinzhauptstadt der Germania Superior Mogontiacum/Mainz über Aquae Mattiacorum/Wiesbaden auf kürzestem Weg in die Germania libera führte.644 Bis in die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. lassen sich im Kastell Zugmantel über den numismatischen und epigraphischen Befund militärische Aktivitäten nachweisen, die allerdings wohl im Zusammnehang mit der Zerstörung der Saalburg um 259/260 n. Chr. ein jähes Ende fanden.645 Der zugehörige vicus des Kastells erstreckte sich zu allen vier Seiten der Lagerumwehrung, wobei der ca. 8 ha große Kern der Siedlung beidseits der Straße lokalisiert wurde, die aus dem Lagerhaupttor im Osten des Kastells nach Südosten führte.646 Vor- oder nachrömische Besiedlungsspuren konnten im Bereich des Kastells oder seines zugehörigen vicus nicht nachgewiesen werden.647 Von der ältesten Bebauung des Kastellvicus, die in etwa zeitgleich mit der Errichtung des Kastells um 90 n. Chr. erfolgt sein dürfte, haben sich im archäologischen Befund keine Spuren nachweisen lassen.648 Man geht jedoch davon aus, dass sich die erste Bebauungsphase des Kastellvicus entlang der aus der porta praetoria nach Süden führenden Straße entwickelt und vielleicht sogar bis zum ältesten Gräberfeld am Ende dieser Straße erstreckt hat.649 In die 2. Hälfte der Regierungszeit Trajans fällt der Bau einer Thermenanlage im Südosten des Kastells, die über eine Straße mit der porta principalis sinistra verbunden war.650 Mit der Erweiterung des Kastellareals nach Norden ging die Ausdehnung des Kastellvicus im Westen einher, obgleich die Hauptachse der Besiedlung nach Süden und Südosten ausgerichtet blieb.651
642 Baatz/Herrmann 1982, 502. Reuter 2008, 91, der darauf hinweist, dass das derzeit zur Verfügung stehende Inschriftenmaterial nicht erkennen lässt, ob die Treverer am Zugmantel hier in einer Kohorte oder möglicherweise in anderen Organisationsformen gelegen haben. 643 Baatz 2000, 116. Sommer 1988, 481. Baatz/Herrmann 1982, 501. 644 http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=47 (13.10.2016). Baatz/Herrmann 1982, 502. 645 Sommer 1988, 482, 527. Baatz/Herrmann 1982, 502. Jacobi 1937, 36–37. 646 http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=47 (13.10.2016). Sommer 1988, 500–501, 503–504, 527, Abb. 5. Vgl. Baatz/Herrmann 1982, 502, Abb. 479, 523. Jacobi 1937, 35. 647 Jacobi 1937, 43. 648 Sommer 1988, 523, 528. 649 Sommer 1988, 523, Abb. 5. Baatz/Herrmann 1982, 503, Abb. 479. 650 Sommer 1988, 474, 523. 651 Sommer 1988, 523.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
93
Spätestens um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. war vor dem Haupttor des Kastells die nach Südosten führende Straße zu einem dreieckigen Platz verbreitert worden, der wahrscheinlich der Abhaltung von Märkten diente und in dessen Zentrum sich ein Heiligtum einer unbekannten Gottheit befand.652 Neben diesem Heiligtum gehörten noch ein Tempel für Juppiter Dolichenus vor der Nordostecke des Kastells sowie ein Mithräum zu den Sakralbezirken des Kastellvicus.653 Um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. wurden Teile des Kastellvicus aufgegeben, hauptsächlich südlich des Westtores sowie westlich der Südstraße.654 Da im gleichen Zeitraum auch am Kastellbad bauliche Veränderungen sowie ein Ausbau der Bebauung an der östlichen Ostweststraße erkennbar werden, scheint ein Zusammenhang mit dem Abriss des Erdkastells und dem Neubau des ersten Steinkastells in eben dieser Zeitspanne wahrscheinlich.655 Darüber hinaus verlor der Limesdurchgang im Norden des Kastells zunehmend an Bedeutung und wurde schließlich durch die Errichtung eines Walles und eines Grabens gänzlich unpassierbar gemacht.656 Gegen Ende der 80er Jahre des 2. Jhs. n. Chr. zerstörte ein Brand – wahrscheinlich durch ein Schadensfeuer beim Bau des zweiten Steinkastells ausgelöst – weite Bereiche des Kastellvicus, die teilweise wieder aufgebaut wurden.657 Nach nur wenigen Jahren (um 200 n. Chr.) wurde das Lagerdorf erneut von einem Brand verheert.658 Verschiedene Zerstörungshorizonte sowie die Demontage des Dolichenums nach 211/212 n. Chr. deuten möglicherweise auf kriegerische Auseinandersetzungen hin, vielleicht einen Alamanneneinfall unter Elagabal (218–222 n. Chr.) oder Severus Alexander (222–235 n. Chr.).659 Nach der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. lässt der archäologische Befund schließlich eine umfassende und gewaltsame Vernichtung des Kastellvicus mit einem deutlichen Bevölkerungsverlust erkennen, der auf die Überrennung des Limes zurückzuführen ist.660 Sowohl im Kastell als auch in seinem zugehörigen vicus wurde eine hohe Anzahl von lokal produzierter germanischer Keramik gefunden.661 Machart und Fundort lassen die Anwesenheit einer größeren Germanengruppe vermuten, die – vielleicht vor der Südseite der Kastellumwehrung – von der Mitte des zweiten Jhs. bis in die Regie-
652 http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=47 (13.10.2016). Sommer 1988, 523. 653 http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=47 (13.10.2016). Sommer 1988, 511. Baatz/ Herrmann 1982, 502, Abb. 481. 654 Sommer 1988, 523, Abb. 4. 655 Sommer 1988, 523. 656 Sommer 1988, 524: „Schlusspunkt dieser Entwicklung könnte die Schließung des Limesüberganges an der postulierten Stelle östlich WP 3/15 mit der Errichtung von Wall und Graben gewesen sein. Möglich ist auch eine Verschiebung des Überganges unter die heutige Hühnerstraße.“ 657 Sommer 1988, 525. 658 Sommer 1988, 525–526. 659 Sommer 1988, 526. 660 Sommer 1988, 526–527. 661 Einen Import der Keramik aus anderen Gebieten schließen die Bearbeiter aus. Sommer 1988, 606– 607, mit weiterführender Literatur.
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rungszeit des Commodus (180–192 n. Chr.) im Kastellvicus gelebt zu haben scheint.662 Die Keramik lässt sich dabei einem größeren westgermanischen Formenkreis jenseits des Limes zuordnen und könnte zur Gebrauchsware der Chatten gehört haben.663 C. Sommer vermutet daher, dass der Bau des ersten Steinkastells durch die Ankunft einer neuen germanischen Militäreinheit motiviert war, in deren Gefolge auch germanische Frauen und Kinder im Kastellvicus Quartier bezogen.664 Neben der Keramik zeugen germanische Gewandnadeln, die verschiedenen Herkunftsgebieten und Zeitstellungen entstammen, von der Anwesenheit vereinzelter Germanen am Zugmantel.665 Fiebeln aus Britannien und den östlichen Donauprovinzen scheinen aufgrund ihrer geringen Funddichte ebenfalls Einzelpersonen und/oder einzelnen Familien zuzuordnen zu sein; Belege für die zu erwartende Anwesenheit von Treverern fehlen bislang gänzlich.666 Germanische Baustrukturen konnten im Bereich des vicus-Areals ebenfalls nicht nachgewiesen werden.667 Funde, die in die Sphäre der römischen Gladiatur verweisen, traten sowohl im Bereich des Kastells als auch dem des Kastellvicus zu Tage. In einem Keller vor der nordöstlichen Ecke des Erdkastells und innerhalb der Umwehrung des ersten bzw. zweiten Steinkastells fand man eine aus Trierer Werkstatt stammemde Bilderschüssel aus Terra Sigillata (Kat. 1.10.4), die in ihrer Randzone die Besitzerinschrift vesstigiatorum [sic], „aus dem Besitz der Spurensucher“, trägt.668 Ihre Herstellung wird über den Töpferstempel in die Zeit zwischen 150–180 n. Chr. datiert.669 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es sich bei diesen vestigiatores um (germanische?) Auxiliare handelte, die als kundige Jagdhelfer im Dienst des römischen Militärs am Zugmantel standen und je nach Spezies Tiere zur Nahrung oder aber auch zur Schaustellung bzw. Jagd im Amphitheater aufspürten.670 Ob sie allerdings der von C. Sommer vermuteten Einheit Sommer 1988, 607. Vgl. Sommer op. cit., 586, 606–609. Baatz/Herrmann 1982, 504. Jacobi 1937, 43. Sommer 1988, 607. Sommer 1988, 607–608. Sommer 1988, 609. Sommer 1988, 609. Sommer 1988, 607–609, Abb. 2. Walter 2004, 131, die zudem auf die Nicht-Existenz zeitgleicher einheimischer Siedlungen in der Nähe des Kastells verweist. Vgl. Sommer op. cit., 586, 606–609. Baatz/Herrmann 1982, 504. Jacobi 1937, 43. 668 Jacobi 1937, 156, Taf. 27, Nr. 18. Wahl 1977, 128, mit der Nennung des wohl fehlerhaften Fundortes im Keller 182 der Praetentura des 2. Steinkastells. Ausführlicher zu diesem Fund unten in Kap. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. Die Schüssel wird aufgrund des Töpferstempels in die Schaffenszeit des Künstlers Dexter (150–180 n. Chr.) datiert. Epplett 2001, 218. Egger 1967, 20. Jacobi 1937, 129, 154, Nr. 470. Zu vestigator vgl. Varro ling. 5,94. 669 Jacobi 1937, 129, 156. Epplett 2001, 218. Egger 1967, 20. Der Fundort der Schüssel ist bei Jacobi a. a. O. mit Keller 182 angegeben. Da eine feinchronologische Datierung über Beifunde nicht publiziert ist, muss hier offen bleiben, ob sich der Keller auf dem Areal des Lagervicus der beiden Holzphasen oder aber im Lagerareal des 1. bzw. 2. Steinkastells befand. Vgl. Sommer 1988, Abb. 4. 670 Zu Zivilisten im Dienst des römischen Militärs s. Wesch-Klein 1998, 43–44, zu vestigiatores unter den milites immunes s. Wesch-Klein op. cit., 38–39. 662 663 664 665 666 667
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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germanischer Auxiliare zuzurechnen ist, für deren Ankunft das Kastell um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. in Stein neu errichtet worden sein könnte, ist denkbar, aber rein hypothetisch. Ein weiteres Zeugnis aus der Sphäre der römischen Gladiatur stellt die Scherbe einer gallischen Bilderschüssel aus Terra Sigillata (Kat. 1.18.5) dar, die man ebenfalls im vicus des Kastells zu Tage förderte. Sie zeigt die Darstellung eines Gladiatorenpaares im Kampfgeschehen, wobei einer der beiden Kontrahenten als thraex identifizierbar ist. Zwischen den beiden Kämpfenden ist noch der eingedrückte Töpferstempel des Mammilianus zu lesen.671 Auch drei Bilderschüsseln (Kat. 1.18.6), die damnatus-ad-bestias-Szenen tragen, gehören zum Fundbestand des Lagerdorfes und verweisen damit in die Sphäre des Amphitheaters.672 Der wohl Aufsehen erregendste Fund aus dem Bereich des Lagervicus stellt jedoch eine Greifenkopf-Applike dar, die ca. 40 m südwestlich der porta principalis dextra des Kohortenkastells zu Tage trat.673 Aufgrund stilistischer Vergleiche wird sie in die 1. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr., also in die Spätzeit des Kohortenkastells, datiert.674 Greifenkopf-Appliken gehören als charakteristisches Ausstattungsmerkmal zum crista-Schmuck eines Gladiatorenhelmes, genauer zu dem eines thraex-Helmes, dessen geschwungener Kamm üblicherweise in der Form eines Greifen über der vorderen Helmkrempe ausläuft.675 Die Grube, in der dieses Teilstück eines Gladiatorenhelms geborgen wurde, wies keine weiteren Funde oder Befunde auf, so dass unklar bleiben muss, aus welchem Grund und unter welchen Umständen die Applike in die Grube gelangt ist.676 Gehörte der zugehörige Helm einem im vicus des Kastells lebenden Gladiator oder Ex-Gladiator? Gehörte sie zum Altmetall eines Waffenschmiedes und wurde beim Verlassen des vicus verloren? Oder wurde es als wertvolles Stück absichtlich in einer Grube deponiert, um es vor feindlichen Übergriffen – etwa den vermuteten Alamanneneinfällen unter Elagabal (218–222 n. Chr.) oder Severus Alexander (222–235 n. Chr.) – zu schützen?
671 Jacobi 1937, 118, Taf. XXIII 26. http://www.amphi-theatrum.de/1798.html (23.9.2016). Vgl. Ludowici 1908, 244, Nr. 6912. 672 Jacobi 1937, 115, 124 f., Taf. XXV: 7, Taf. XXIII: 35, Taf. XXII: 18. 673 Wahl 1977, 110, Taf. 20,1, Beilage 1: ‚D‘. Zu einer Greifenkopf-Applik aus Osterburken s. Kat. 1.13.1. 674 Wahl 1977, 110. Wahl op. cit., 110, verweist zudem auf den Umstand, dass besonders Metallfunde den Auflassungshorizont eines Kastells dokumentieren, da Altmetall in der Regel eingeschmolzen und dann weiterverwendet wurde. Im Fall des 2. Steinkastells vom Zugmantel würde dies tatsächlich zutreffen. Zur Greifenkopf-Applike aus Osterburken s. Wahl 1977, 108–132, hier: 109 ff., Abb. 1 im Maßstab etwa 1:1 (nach der Zeichnung aus ORL B Nr. 40 Taf.6,51 im Maßstab 1:2). 675 Zur Stilanalyse s. Wahl 1977, 109–122. Eine Identifizierung als militärischer Paradehelm schließen nicht nur die Machart des Helms, sondern auch die Wahl des Tieres aus: Paradehelme sind mit Adlerprotomen geschmückt, nicht mit Greifen. Zur armatura des thraex s. Wahl op. cit., 109–122, und Junkelmann 2008, 119–120, Abb. 180–185. Allgemein zur Entwicklung des Gladiatorenhelms Junkelmann op. cit., 53–70. 676 Wahl 1977, 110, Anm. 12.
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2.1.8.1 Zugmantel: Hühnerstraße (Kat. 1.18.1) Von den beiden Amphitheatern vom Kastell Zugmantel liegt das eine in unmittelbarer Umgebung des heute mit ‚Hühnerstraße‘ bezeichneten Weges – die Bundesstraße B 417 –, der schon in der Antike eine wichtige Verbindungsroute zwischen dem Limburger Becken und dem Rheingau bzw. der Provinzhauptstadt der Germania Superior, Mogontiacum/Mainz, darstellte (vgl. Abb. 2d).677 Unweit des Ortes, wo die Hühnerstraße einen in Ost-West-Richtung verlaufenden Höhenweg kreuzt, erbaute man auf einem flachen Plateau ein Amphitheater, das somit zwischen dem ca. 100 m nördlich verlaufenden Limes und dem ca. 175 m im Süden befindlichen Kastell am Zugmantel platziert worden war.678 Der Bau eines Amphitheaters auf der höchsten Stelle eines Plateaus ist dabei für die Germania Superior – und auch Inferior – äußerst ungewöhnlich, suchte man doch in der Regel einen Standort, bei dem man die topographischen Vorzüge zur Erleichterung der Erdbewegungsarbeiten zumindest teilweise ausnutzen konnte. Die annähernd kreisrunde Arena des Amphitheaters an der Hühnerstraße maß innen ca. 26 m679 und war offenbar – wie für Amphitheater üblich – teilweise in den Boden eingetieft.680 Die Fläche der Arena scheint zudem bombiert gewesen zu sein, d. h. sie stieg zur Mitte hin leicht an, was der besseren Drainage dienen sollte.681 Umschlossen war die Arena von einem durchschnittlich 13 m breiten Erdwall, der bei seiner Auffindung noch 1,00–1,50 m hoch anstand und im Norden etwas höher war als im Süden.682 Höchstwahrscheinlich waren Teile der Wallanschüttungen aus dem Aushub der eingetieften Arena gewonnen worden, ein Verfahren, das für (germanische) Amphitheater typisch ist. Die Außengrenze der Umwallung war – bislang nur im Osten archäologisch nachgewiesen – durch einen umlaufenden Graben von ca. 50 m Durchmesser gekennzeichnet, der eine Vielzahl von Funden zu Tage förderte.683 Wahrscheinlich diente eine Holzwand als Abtrennung von Arena- und cavea-Bereich.684 Der Wall zwischen innerem und äußerem Graben hat aller Wahrscheinlichkeit nach eine
677 Sommer 1988, 465–467, 501. Zum Verhältnis der modernen Hühnerstraße und einer antiken Straße in dieser Gegend s. Sommer op. cit., 501–503. 678 Sommer 2009, Abb. 5.6. Sommer 1988, 465, Abb. 1. Fabricius 1936, 71, Taf. 5, Abb. 4. 679 Bender 2005a, 30, gibt einen Durchmesser von 24 m an, ebenso Fabricius 1936, 72. 680 Fabricius 1936, 72, spricht von einer Eintiefung der Arena besonders im Westen von ca. 0,50 m. 681 Fabricius 1936, 72. 682 Fabricius 1936, 72. 683 Fabricius 1936, 71. Zu den Funden zählten Gefäßscherben, Eisennägel, Ziegelfragmente sowie Fragmente von Glasscheiben. Bender 2005a, 30. http://www.amphi-theatrum.de/1800.html (11.4.2016). Sommer 2009, 54, erwähnt Ziegel und Glas, woraufhin er vermutet, dass diese Funde von einer ehemaligen Fassade des Amphitheaters stammen könnten – so wie schon Bender op. cit., 30. Meines Erachtens ist bei einem Amphitheater in Holz-Erde-Konstruktion in einer römischen Provinz eher nicht mit aufwändigen Fassaden zu rechnen. 684 Wahl 1977, 126.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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Holzkonstruktion für die Sitzstufen der Zuschauer getragen.685 Damit zählt das Amphitheater Zugmantel-Hühnerstraße zu einem von nur drei Amphitheatern in Holzbauweise, die in der Germania Inferior und Superior nachgewiesen werden konnten, und stellt unter diesen mit einem Erbauungsdatum nicht vor 90 n. Chr. das jüngste dar.686 Als Amphitheater eines ursprünglichen Numerus-Kastells ist es zudem das kleinste der erhaltenen Holzamphitheater in Germanien. Im Norden und Süden besaß die Arena zwei Zugänge, die über Straßen erreichbar waren: Die eine Straße zweigte direkt von der aus dem Nordtor des Kastells zum Limesdurchgang führenden Straße in nordwestlicher Richtung zum Südeingang des Amphitheaters ab, die andere zweigte unmittelbar vor dem Limesdurchgang nach Südwesten zum Nordeingang des Amphitheaters ab.687 Für den Zuschauerstrom bedeutet dies, dass offenbar zum einen für die Soldaten aus dem Kastell Zugmantel ein direkter Weg zum Amphitheater erbaut worden war, und zum anderen auch für diejenigen, die jenseits des Limes, also aus der Germania libera, zum Amphitheater kamen.688 Handelte es sich bei Letztgenannten vielleicht um Germanen, die mit denen jener größeren Bevölkerungsgruppe in Verbindung standen, die von der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. bis zur Zeit des Commodus (180–192 n. Chr.) im vicus über den keramischen Befund in Erscheinung getreten waren? Sicher ist in jedem Fall, dass beide Wege allein dem Zweck der Zuwegung zum Amphitheater gedient haben, denn an beiden Wegen wurden bislang keinerlei anderen Gebäudestrukturen nachgewiesen. 2.1.8.2 Zugmantel: Am Galgenköppel (Kat. 1.18.2) Bei der Konstruktion des zweiten Amphitheaters vom Zugmantel, das am sog. Galgenköppel ca. 360 m östlich der Ostumwehrung des jüngsten Kastells und rund 265 m südlich des Limes lag (vgl. Abb. 2d), hatten sich seine Baumeister die topographischen Gegebenheiten zunutze gemacht und die Arena teilweise in einen Abhang eingetieft.689 Hangseitig konnte dadurch die natürliche Böschung genutzt werden, während man talwärts einen Erdwall aufschütten musste.690 Der Erdwall, der die ebenfalls kreisrunde Arena des Amphitheaters am Galgenköppel mit einer steinernen Stützmauer umgibt, misst außen ca. 50 m im Durchmesser und wurde höchstwahrscheinlich mit dem Aushub der in den Boden eingetieften Arena aufgeschüttet.691 Die Außenmaße 685 Wahl 1977, 127. 686 Holzamphitheater in der Germania Inferior: Vetera Castra I (claudisch (?)/neronisch, Kat. 2.8.1), in der Germania Superior: Vindonissa (um 30 n. Chr., Kat. 1.16.1). 687 Sommer 2009, 53, Abb. 5.6. Sommer 1988, 504–505. Fabricius 1936, 72. 688 Sommer 2009, Abb. 5.6. 689 Sommer 2009, 53. Sommer 1988, 466, Abb. 1. Bender 2005a, 30. Fabricius 1936, 72, Taf. 5, Abb. 3. 690 Fabricius 1936, 72–73. 691 http://www.amphi-theatrum.de/1799.html (11.4.2016). Fabricius 1936, 72.
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des Amphitheaters am Galgenköppel entsprechen somit denen des Amphitheaters an der Hühnerstraße. Bei seiner Untersuchung in der Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stand der Zuschauerwall der Bergseite noch über 3,00 m hoch an, während der talwärts angelegte Wall aufgrund der stärkeren Erosion kaum mehr eine Höhe von 1,50 m erreichte.692 Innen wurde das Rund des Amphitheaters am Galgenköppel von einer 25 m im Durchmesser messenden Mauer begrenzt, die in leicht unregelmäßger Form als Stützmauer der umlaufenden künstlichen und natürlichen Böschungen fungierte.693 Diese Stützmauer ruhte auf dem gewachsenen Boden auf und war im Westen noch 34 cm, im Osten in drei Steinlagen bis zu 74 cm hoch angetroffen worden.694 Zugleich stellte die Mauer offensichtlich die Rückwand eines um die Arena umlaufenden Bedienungsganges dar, denn im Abstand von 1,25–2,25 m stieß man auf die Überreste eines 0,40–0,75 m tiefen Grabens, der zur Sohle hin spitz zulief und – so sein Ausgräber E. Fabricius – „nach seiner Form dem Limesgräbchen sehr ähnlich ist.“695 Graben und Umfassungsmauer der Arena nehmen in ihrer Kreisform aufeinander Bezug, sind jedoch nicht gleichmäßig konzentrisch zueinander angeordnet.696 Form und Fundort sprechen dafür, in diesem Gräbchen den Fundamentgraben einer Holzkonstruktion zu erkennen, die wahrscheinlich in Form einer Holzwand die Arena umgab und möglicherweise mit Holzbrettern überdeckt war.697 Mit diesem ca. 1,30–2,20 m (rekonstruierten) breiten Umgang wurde die Größe der eigentlichen Arena auf knapp 22 m im Durchmesser festgelegt.698 Das Innenmaß der Arena am Galgenköppel liegt damit um ca. 4,00 m unter dem der Hühnerstraße.699 Die Verkleinerung der Arenafläche bei gleichbleibenden Außenmaßen lässt darauf schließen, dass dies zu Gunsten der Flächenvergrößerung der cavea geschah und somit das Amphitheater am Galgenköppel ein größeres Fassungsvermögen besaß als das Amphitheater an der Hühnerstraße. Umlaufende Bedienungsgänge sind auch aus anderen Amphitheatern in Germanien bekannt (Aventicum: Kat. 1.5.1, Colonia Ulpia Traiana: Kat. 2.3.1, Vindonissa: Kat. 1.16.1, Vetera (?): Kat. 2.8.1), wo sie in der Regel dem Arenapersonal als Servicegang dienten und ihm eine hohe (verdeckte) Mobilität rund um das Kampfgeschehen
692 693 694 695 696 697 698 699
Fabricius 1936, 72, Profile A-B, C-D. Fabricius 1936, 72. Fabricius 1936, 72. Sommer 2009, 54. Bender 2005a, 30. http://www.amphi-theatrum.de/1799.html (11.4.2016). Fabricius 1936, 72. Fabricius 1936, 72. Fabricius 1936, 73. Da offenbar keine Pfostenlöcher entdeckt wurden, scheint der Graben eher nicht das Fundament einer Pfosten-Netz-Konstruktion zur Sicherung des Zuschauerbereichs gebildet zu haben. Sommer 2009, 54. Bender 2005a, 30. http://www.amphi-theatrum.de/1799.html (11.4.2016). Wahl 1977, 127, rekonstruiert eine Arenafläche von insgesamt 450 m2. Wahl 1977, 127, gibt eine Arenafläche von 370 m2 an.
2.1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior
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ermöglichten.700 Falls es sich bei dem erwähnten Fundamentgraben rund um die Arena also tatsächlich um die Überreste eines hölzernen Bedienungsganges handelt, dürfte man mit einiger Sicherheit eine Bemalung der Podiumsmauer, wie sie etwa für die Amphitheater von Augusta Raurica und der Colonia Ulpia Traiana bezeugt ist, ausschließen, da diese sonst von dem hölzernen Bedienungsgang verdeckt worden wäre. Unterbrechungen der kreisförmigen Struktur, die als Arenazugänge interpretiert werden könnten, wurden bislang nicht erkannt.701 Da das Amphitheater am Galgenköppel jedoch nur in einzelnen Schnitten, nicht aber vollständig untersucht wurde, könnten diese Zugänge noch unter Verschüttungsschichten verborgen liegen.702 Fast in der Mitte der Arena stieß man zudem auf einen flachen, aufrecht stehenden Schieferblock.703 Zwar konnte das antike Laufniveau der Arena nicht mehr sicher rekonstruiert werden, doch aufgrund der Höhe des Steins von 34 cm kann man schließen, dass er aus dem Arenaboden herausgeguckt haben muss.704 Auch wenn E. Fabricius den Stein als unbearbeitet und nicht künstlich gesetzt angesprochen hat, spricht Einiges dafür, dass er absichtlich im Zentrum der Arena platziert wurde.705 Zum einen hat man auch in den Arenen der Amphitheater von Vindonissa (Kat. 1.16.1), Colonia Iulia Equestris (Kat. 1.7.1) und Deva/Chester (Britannia) einen einzelnen Steinblock im Zentrum der Arena gefunden, der aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Inszenierungspraxis von Tierkämpfen in Verbindung stand.706 Zum anderen lassen die Amphitheater Ober- und Niedergermaniens erkennen, dass man die Arena generell frei von jeglichen potentiellen Hindernissen hielt und eher über verdeckte Aktivitäten besondere Überraschungseffekte für die Zuschauer zu erzielen beabsichtigte. Meines Erachtens dürfte demnach der in der Arena des Amphitheaters am Galgenköppel angetroffene Stein entweder absichtlich dort platziert worden sein oder aber er gehörte tatsächlich zum hier anstehenden gewachsenen Felsuntergrund und wurde absichtlich im Zentrum der Arena belassen, um ihn für die Inszenierung von Tierkämpfen o. ä. einzusetzen. Keines der beiden Amphitheater am Zugmantel konnte bisher über den archäologischen Befund chronologisch eingeordnet werden, und auch ihr chronologisches Verhältnis untereinander ist bislang ungeklärt.707 Darüber hinaus ist es nicht gelungen, eine Zuwegung zum Amphitheater am Galgenköppel nachzuweisen, so dass auch über
700 701 702 703 704 705
Hufschmid 2009, 210–212. Sommer 2009, 54. Fabricius 1936, 72–73. Fabricius 1936, 73, Taf. 5: 3. Der Stein ist 34 cm hoch, 22 cm breit und 9 cm dick. Fabricius 1936, 73. Fabricius 1936, 73. Fabricius 1936, 73: „Er saß in reinem Geschiebe auf dem Felsboden auf, der hier aus natürlichen, aufrecht gerichteten Schieferrippen besteht, und war augenscheinlich nicht künstlich gesetzt, sondern gehörte zum gewachsenen Boden.“ 706 Zu Deva/Chester s. Wilmott 2008, 143, Abb. 81 und (farbige) Abb. 22. 707 Bender 2005a, 30. Wahl 1977, 127.
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die verkehrsgeographische Situation der beiden Monumente keine Erkenntnisse zum Verhältnis zwischen Kastell und Amphitheatern bzw. Lagervicus und Amphitheatern gewonnen werden konnten.708 Einen direkten Verbindungsweg zwischen porta principalis sinistra, also dem Haupttor des Kastells, und dem Amphitheater am Galgenköppel scheint es in jedem Fall nicht gegeben zu haben.709 Eine auffällige Bebauungslücke auf der Ostseite des dreieckigen Platzes, der spätestens um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. vor dem Osttor des Kastells entstand, könnte indes möglicherweise auf eine Abzweigung von der Nordweststraße des Kastellvicus zum Amphitheater hindeuten.710 Diese müsste in ihrem Verlauf dann allerdings einen Bogen oder Knick nach Osten aufweisen, um tatsächlich zum Amphitheater geführt haben zu können. Aus bautypologischer Sicht scheint es wahrscheinlich, dass das Amphitheater am Galgenköppel jünger ist als das an der Hühnerstraße, da Holzamphitheater relativ chronologisch älter sind als solche aus Holz und Stein, die wiederum älter sind als reine Steinbauten. Auch die Existenz eines Bedienungsganges legt für das Amphitheater am Galgenköppel ein relativ chronologisch jüngeres Datum nahe, da ein solcher Bedienungsgang von einer technisch deutlich ausgereifteren Inszenierungspraxis zeugt. Vielleicht bot die Ersetzung des ersten Steinkastells um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. den Anlass für den Bau nicht nur eines neuen Kastells, sondern auch für den eines neuen Amphitheaters im Osten des Lagervicus. Diese These würde durch die Verschiebung des Siedlungsschwerpunktes nach Osten, die sich in dieser Zeit an verschiedenen Stellen des Lagervicus fassen lässt, eine Stütze erfahren.711 Möglicherweise haben aber auch Veränderungen am Limesübergang zur Aufgabe des Amphitheaters an der Hühnerstraße geführt: Dieser wurde durch einen Wall und einen Graben versperrt, so dass der direkte Verbindungsweg aus der Germania libera zum Amphitheater unpassierbar wurde – auch das Folgen der Veränderungen in der Zeit zwischen dem Abriss des Erdkastells und des Neubaus des Steinkastells um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr.712 Welche Motive der Sperrung des Limesdurchganges an dieser Stelle zugrunde lagen, weiß man nicht.713 Vielleicht bestand auch ein Zusammenhang mit der erwähnten Germanengruppe, die sich offenbar nur eine Generation lang – von der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. bis zur Zeit Commodus’ – im Lagervicus aufhielt und denen mit der Sperrung des Limesdurchganges eine Verbindung in die Heimat abgeschnitten worden sein muss (s. oben). Würden diese Hypothesen zutreffen, müsste man den Bau und die Benutzungs708 Sommer 1988, 504–505, zur Situation der nachgewiesenen Straßen vom Kastell Zugmantel sowie zur Rekonstruktion einiger Straßenzüge anhand von Gebäudebefunden. 709 Sommer 1988, 503–505. 710 Vgl. Sommer 1988, Abb. 4–5: H/J 4/3. 711 Vgl. Sommer 1988, 523–524. 712 Zu Veränderungen am Limesübergang s. Sommer 1988, 524, 609. Es besteht die Möglichkeit, dass der Limesdurchgang nach Westen unter die heutige Hühnerstraße verlegt worden war, für die Zuwegung zum Amphitheater ändert das aber nichts. 713 Sommer 1988, 609, vermutet „Probleme mit jenseitigen Germanen“.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
101
zeit des Amphitheaters an der Hühnerstraße mit den beiden Phasen des Erdkastells am Zugmantel in Verbindung bringen. Bau und Benutzungszeit des Amphitheaters am Galgenköppel würden entsprechend in die Zeit des ersten bzw. zweiten Steinkastells fallen. Die Erbauung des Amphitheaters am Galgenköppel wäre dann einer Einheit der Treverer zuzuschreiben, die ab der Phase des ersten Steinkastells am Zugmantel stationiert war. 2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior 2.2.1 Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) Das antike Stadtgebiet der Colonia Ulpia Traiana liegt nördlich der modernen Stadt Xanten am Niederrhein, dort, wo sich in der Antike in den verwilderten Talauen des Rheins eine Geländestufe befand, die eine hochwassersichere Möglichkeit des Warenumschlags bot.714 Anders als für die Erhebung des oppidum Ubiorum zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln im Jahre 50 n. Chr. liegen für das Gründungsdatum der zweiten und letzten römischen colonia am Niederrhein keine literarischen oder epigraphischen Zeugnisse vor.715 Lediglich die Namensnennung der colonia verweist auf eine Gründung durch Kaiser Traian (98–117 n. Chr.), der sich Ende 97/Anfang 98 n. Chr. als einer der letzten Mitglieder des Kaiserhauses längere Zeit in Niedergermanien aufhielt.716 Als Traian Anfang Februar des Jahres 98 n. Chr. durch den Tod seines Adoptivvaters Nerva zum Alleinherrscher wird, sind es die niedergermanischen Truppen, die ihn zuerst zum Augustus akklamieren – ein Ereignis, das ihn fortan eng mit dieser Provinz verbinden sollte und möglicherweise seinen Entschluss zur colonia-Erhebung beeinflusste.717 Aber nicht nur die politisch-historischen Eckdaten lassen ein Gründungsdatum der Colonia Ulpia Traiana in dieser Zeit als wahrscheinlich erscheinen, sondern auch der archäologische Befund legt eine Erhebung zur Kolonie um das Jahr 100 n. Chr. nahe, als markante Veränderungen sowohl in der Größe als auch im Erscheinungsbild der Stadt fassbar werden.718 714 Stoll 1936, 184. Über den keramischen Befund sowie den Nachweis von Schwellbalken- und Fachwerkkonstruktionen lassen sich Siedlungstätigkeiten ab dem 2. Jahrzehnt des 1. Jh. n. Chr. fassen. Schalles 2008, 258. 715 Eck 2008, 244. Precht 2008, 206. Zur engen Verbindung von Colonia Ulpia Traiana und Rhein s. Teigelake 2008. 716 Eck 2008, 243, 247. Schmitz 2008, 157–158. 717 Eck 2008, 247–248. Schmitz 2008, 157–159 mit Anm. 636, in der der derzeitige Forschungsstand zur Diskussion um die Gründung der Colonia Ulpia Traiana zusammengefasst ist. 718 Müller 2008a, 269. Schalles 2008, 265. Eck 2008, 248. Dagegen hält Precht 2008, 206, auch das Ende der traianischen Herrschaft als Koloniegründungsdatum für erwägenswert, da öffentliche Großbauten wie das Kapitol, der sog. Hafentempel und die Großen Thermen erst in hadrianischer Zeit entstanden sind. Argumente gegen diesen Interpretationsansatz liefert Schalles 2008, 264.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
Dabei wurde die Colonia Ulpia Traiana nicht als vollständig neue Siedlung ‚aus dem Boden gestampft‘, sondern integrierte, erweiterte und modifizierte ältere Besiedlungsstrukturen, die sich auf Teilen des späteren Siedlungsareals der Colonia Ulpia Traiana nachweisen lassen und möglicherweise mit der Stationierung römischer Militäreinheiten in Verbindung standen.719 Militärverbände in der näheren Umgebung von Xanten sind über ihre Stützpunkte in Neuss und Nijmegen bereits seit 16/15 v. Chr. erkennbar. Das erste Lager Vetera I auf dem Fürstenberg 2 km stromaufwärts (s. unten) war seit 13/12 v. Chr. bis zum Bataveraufstand (69/70 n. Chr.) ununterbrochen Standort römischer Legionen.720 Auch wurden im Norden der späteren Colonia Ulpia Traiana Spuren einer militärischen Befestigungsanlage aus frühaugusteischer Zeit entdeckt.721 Darüber hinaus werden auf dem späteren Siedlungsgebiet der Colonia Ulpia Traiana nahe des Nordtores Überreste eines Alenkastells aus tiberisch-claudischer Zeit vermutet, dessen Grundfläche sich mutmaßlich im Kreuzungsbereich des decumanus II und des cardo maximus der späteren Colonia Ulpia Traiana erstreckte.722 Und auch nach dem Bataveraufstand könnte sich im Bereich der späteren Colonia Ulpia Traiana ein vorcolonialer befestigter Militärstützpunkt befunden haben, dessen mindestens 8 ha großes Areal vermutlich die südöstliche Ecke des Siedlungsgebietes (insula 40) – dem Ort des späteren Amphitheaters – einnahm.723 Aufgrund der massiven Präsenz römischer Militärverbände im Xantener Raum überrascht es wenig, dass auch Zivilisten an den Niederrhein gelockt wurden in der Hoffnung auf Dienstleistungen und Handel mit den kaufkräftigen römischen Militärs.724 Die vorcoloniale Siedlung der Colonia Ulpia Traiana scheint demnach aus einer zivilen Ansiedlung römischen Charakters im 1. Jahrhundert n. Chr. entstanden zu sein, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu verschiedenen römischen Militärstützpunkten befand und schon vor der Koloniegründung über stadtähnliche Strukturen verfügte.725 Seit spätaugusteischer bzw. frühtiberischer Zeit erstreckte sich diese ca. 30 ha große vorcoloniale Siedlung zwischen einem Altrheinarm im Osten und der Limesstraße im Westen.726 Spuren indigener, germanischer Besiedlung konnten in diesem Bereich
719 720 721 722 723 724 725
726
Precht 2008, 198, Abb. 128. Fischer 2001, 14–15. Vgl. Bridger 2008, 610. Schalles 2008, 257–258. Schalles 2008, 259. Das Alenkastell schnitt die Flächen der insulae 15,16, 22 und 23. Leih 2008, 111–115. Precht 2008, 194, Abb. 128. Schalles 2008, 259. Bridger 2008, 611. Precht 2008, Abb. 128. Schalles 2008, 259. Vgl. Hübner 2008, 397. Gegen eine Deutung als militärische Anlage spricht sich Bridger 2008, 611, aus. Schalles 2008, 258. Fischer 2001, 16. Vgl. Bridger 2008, 608–613. Schalles 2008, 263. Auch Spuren von sog. Streifenhäusern, dem charakteristischen Haustyp für canabae legionis und vici, konnten in Xanten nachgewiesen werden. Precht 2008, 183, 196, Abb. 122. Vgl. Fischer 2001, 11–13, zur Forschungsgeschichte der vorcolonialen Besiedlung der Colonia Ulpia Traiana. Eine Straße unter dem späteren decumanus VIII der Colonia Ulpia Traiana bildete offenbar die Grenze im Süden, denn unter diesem decumanus fand man zwei Gräber, untrügliches Zeichen da-
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
103
über den archäologischen Befund nicht nachgewiesen werden.727 Zwar erfahren wir von Caesar, dass das Zentrum des Stammesgebietes der Eburonen zwischen Köln und Tongeren lag und möglicherweise auch den Xantener Raum berührte.728 Die Eburonen scheinen aber in augusteischer Zeit als Stammesverband in diesem Gebiet nicht mehr zu existieren.729 Sugambrer – also Cugerni und Baetasii – sowie Sueben scheinen dagegen nach der Drususoffensive unter dem Kommando des späteren Kaisers Tiberius aus dem rechtsrheinischen Germanien in den Xantener Raum umgesiedelt worden zu sein.730 Im Zusammenhang mit dem Bataveraufstand im Jahr 69 n. Chr. hören wir dann erneut vom Stamm der Cugerner, die bei Plinius dem Älteren Guberni genannt werden und laut Tacitus zwischen dem Gebiet der Bataver und dem der Ubier, im Norden von Gelduba/Krefeld-Gellep siedelten, dass sie sich dem Aufständischen Iulius Civilis angeschlossen hatten.731 Die Cugerner sowie ihre Nachbarn, der germanische Stamm der Baetasier, haben demnach höchstwahrscheinlich in der Umgebung von Xanten und vielleicht auch auf dem Gebiet der späteren Colonia Ulpia Traiana gesiedelt.732 Der Name der vorcolonialen Siedlung ist nach wie vor ungeklärt, da die einzige relevante Inschrift – ein Weihestein für Mars Cicollus – diesen nur in äußerst verstümmelter Form überliefert.733 Geweiht haben den Altar die cives Lingonum, Beweis für die Anwesenheit einer keltisch-gallischen Bevölkerungsgruppe im Einzugsbereich der späteren Colonia Ulpia Traiana.734 Nach Ausweis der Funde und Inschriften waren die Bewohner der vorcolonialen Siedlung vorwiegend romanisierte Gallier vom Stamm der Lingonen und Remer, die, wie Plinius der Ältere zu berichten weiß, mit den Römern verbündet waren.735 Zum Teil hatten sich aber auch Veteranen, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit in der Zivilsiedlung nahe ihrem ehemaligen Stützpunkt bleiben wollten, hier niedergelassen.736 Daneben dürften Angehörige des römischen Militärs, die nur temporär am Niederrhein stationiert waren, die Mischbevölkerung der vorcolonialen Sied-
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für, dass man sich außerhalb des Siedlungsgebietes befindet. Die Ausdehnung der Siedlung nach Norden konnte bislang nicht sicher eruiert werden, scheint aber noch nördlich der späteren Nordgrenze der Colonia Ulpia Traiana gelegen zu haben. Precht 2008, 193, 198, Abb. 128. Schalles 2008, 263. Precht 2008, 203. Fischer 2001, 12. Vgl. Liesen 2008, 212–213. Caes. Gall. 5,24. Weiß-König 2008, 525. Weiß-König 2008, 525. Vgl. Bridger 2008, 607–608. Tac. ann. 12,39. Suet. Tib. 9. Weiß-König 2008, 525. Bridger 2008, 608. Galsterer 2001, 6. Hinz 1976, 8–9. Plin. nat. 4,106. Tac. hist. 4,26. Weiß-König 2008, 525–526. Hinz 1976, 8. Bridger 2008, 607. Weiß-König 2008, 526. Bridger 2008, 607. Fischer/Trier 2014, 71. Precht 2008, 200–201, 203. Vorgeschlagen wurden Cib[ernodurum] und Cir[cum vetera]. Weiß-König 2008, 527. Fischer 2001, 12. Vgl. Stoll 1936, 186–189, der eine Besiedlung von Cugernern oder Gubernern erwägt. S. auch Fischer 2001, 11–13. Weiß-König 2008, 527, 530. Fischer 2001, 13. Plin. nat. 4, 106. Vgl. Fischer 2001, 13. Plin. nat. 4, 106. Precht 2008, 202. Weiß-König 2008, 528. Fischer 2001, 13.
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lung geprägt haben.737 Eine ‚cugernische‘ Bevölkerungsgruppe lässt sich epigraphisch nicht fassen, was möglicherweise in der schnellen Übernahme römischer Namensgebung innerhalb der einheimischen Bevölkerung begründet liegt.738 Bis zum Bataveraufstand, der die vollständige Zerstörung der ursprünglichen Siedlung mit sich brachte, florierte diese Siedlung offenbar durch Handwerk, Gewerbe und Handel und verfügte über ein nach römischem Muster angelegtes rechtwinkliges Straßennetz mit cardines und decumani.739 Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich bei den longae pacis opera, haud procul castris in modum municipii exstructa, die – wie Tacitus in seinen Historien (4,22) erwähnt – von den Römern zerstört wurden, damit sie nicht den Aufständischen in die Hände fielen, um eben diese Siedlung mit ihren urbanen Strukturen.740 Wann genau die Siedlungstätigkeit nach den Zerstörungen in der Folge des Bataveraufstandes wieder einsetzte, lässt sich zeitlich nicht genau bestimmen.741 Unstrittig ist in jedem Fall, dass ein Teil des älteren Straßennetzes, das zu Beginn des 1. Jhs. n. Chr. angelegt worden war, von den Planern der Colonia Ulpia Traiana übernommen und das Siedlungsgebiet um ein sich nach Westen erstreckendes neues insula-System erweitert wurde (vgl. Abb. 3b).742 Die ehemalige Limesstraße wurde nach Osten verlegt, wo sie funktional im cardo maximus der Colonia Ulpia Traiana aufging.743 Sukzessive wurde das neue Siedlungsgebiet mit einer 3,4 km langen, repräsentativen Stadtmauer umgeben,744 wobei die Südgrenze der vorcolonialen Siedlung um einen insula-Streifen nach Süden verschoben wurde – was den Einschluss der Amphitheater-insula 40 in das Stadtgebiet bedeutete. Durch diese ‚Anfügung‘ eines südlichen insula-Streifens gerät der Gesamtplan der Stadt allerdings in ein augenfälliges Ungleichgewicht, denn nun stehen sechs Neben-cardines mit dem cardo maximus in zentraler Mittellage sieben Neben-decumani gegenüber, in deren Mittelachse der decumanus maximus nicht mehr zu liegen kommen kann, sondern nach Westen verschoben erscheint.745 Bedeutet das, dass der Plan für den Bau eines Amphitheaters an dieser Stelle schon vor oder kurz nach dem Baubeginn der Stadtmauer um das Jahr 106 n. Chr. bestanden haben muss?746 Mit der Erhebung zur colonia erlebte die Stadt im 2. Jahrhundert n. Chr. ihre Blütezeit, in der sie weder von Kriegen noch von Naturkatastrophen heimgesucht wurde.747 737 Liesen 2008, 214. 738 Weiß-König 2008, 530, der als weiteres Indiz eine Inschrift (CIL 13, 8606) mit keltischer Namensgebung ‚Divos‘ anführt. 739 Precht 2008, 202–203. Fischer 2001, 12. 740 Precht 2008, 202–203. Hanel 2008, 105. Fischer 2001, 12. Hanel 1995, 5–6. 741 Schalles 2008, 263. 742 Precht 2008, 204. Umstritten ist der Grad der Übernahme von älteren Siedlungsstrukturen. Schalles 2008, 263. 743 Precht 2008, 204. 744 Müller 2008a, 270. 745 Müller 2008a, 270. 746 Müller 2008a 270. Ausführlich zum Bau der Stadtmauer der Colonia Ulpia Traiana Müller 2008b. 747 Liesen 2008, 216.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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Über die Bevölkerung der neu entstandenen colonia geben literarische und epigraphische Quellen nur sehr spärlich Auskunft.748 Man schätzt aufgrund der Größe des Amphitheaters (s. unten), dass im ersten Jahrhundert n. Chr. etwa 10.000 Menschen in der vorcolonialen Siedlung der späteren Ulpia Traiana lebten.749 Wahrscheinlich ist, dass Traian hier gezielt römische Bürger anzusiedeln beabsichtigte, vielleicht Veteranen der in Niedergermanien stehenden Legions- und Auxiliarverbände;750 letztere wurden dabei von Traian nach Ablauf ihrer Dienstzeit wahrscheinlich nicht nur mit dem römischen Bürgerrecht ausgestattet, sondern auch mit der Erlaubnis, peregrine Frauen zu heiraten.751 Die onomastische Auswertung der Inschriften des 2. und 3. Jhs. n. Chr. zeigt, dass die Mehrzahl der Namensbelege aus dem militärischen Bereich stammt und zumeist Angehörige der 30. Legion zu erkennen gibt.752 Über die in der Colonia Ulpia Traiana siedelnden Ethnien lässt sich daraus allerdings nichts Konkretes ableiten, da die römische Rekrutierungspraxis sowohl auf lokale Kontingente im Umfeld des jeweiligen Militärstandortes als auch auf die Dislozierung weiter entfernt ausgehobener Verbände zurückgriff.753 Dabei dürfte die in der Colonia Ulpia Traiana neu angesiedelten Veteranen sowohl ihre Sozialisation durch das römische Heer als auch das Lateinische als lingua franca miteinander verbunden haben.754 Dennoch bildeten sie bevölkerungsmäßig eine Minorität, denn den Hauptteil der Bevölkerung werden die hier schon vorher ansässigen Lingonen und Remer sowie Cugerner und Baetasier gestellt haben.755 Namensbelege aus dem zivilen Bereich lassen dabei eine Reihe von Pseudogentilizia erkennen, die aus dem väterlichen Individualnamen gebildet wurden – eine offenbar lokale Sitte.756 Über die rechtliche Stellung der Masse der Bevölkerung liegen ebenfalls keine sicheren Zeugnisse vor, doch in Analogie zur CCAA scheint es wahrscheinlich, dass es zum einen eine civitas Traianensis gab, deren Mitglieder nicht automatisch auch das römische Bürgerrecht besaßen, und zum anderen, dass Traian einzelnen, höher gestellten Familien selektiv das römische Bürgerrecht verlieh.757 Das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1), von dem man bei Ausgrabungen nurmehr auf seine Fundamente stieß, wurde in der östlichen Ecke der Colonia Ulpia Traiana innerhalb der Umfassungsmauer lokalisiert, wo ihm die ge-
748 Eck 2008, 249. Weiss-König 2008, 525. 749 Weiss-König 2008, 525, Anm. 2108. 750 Angehörige von Hilfstruppen und Legionen sind für die Vorcoloniasiedlung epigraphisch sicher belegt. Weiß-König 2008, 531. Vgl. Bridger 2008, 612. 751 Eck 2008, 249–250. 752 Weiß-König 2008, 531. 753 Eck 2008, 250. Bridger 2008, 612. 754 Eck 2008, 250. 755 Eck 2008, 250. 756 Weiß-König 2008, 531. 757 Eck 2008, 250–251. Bridger 2008, 612.
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samte insula 40 vorbehalten war (vgl. Abb. 3b).758 Dabei ist nicht nur die Größe der insula von ca. 25.600 m2 außergewöhnlich, sondern auch ihre Form: Ihr trapezförmiger Grundriss wird im Nordwesten und Südosten durch die parallel zueinander verlaufenden decumani VII und VIII begrenzt, im Südwesten und Nordosten von den jeweils schräg verlaufenden cardines VI und VII.759 Den Verlauf des cardo VII entlang der nordöstlichen Stadtmauer hat dabei der römerzeitliche Flusslauf des Rheins und der an diesem liegende Hafen bestimmt.760 Die große Bedeutung des Hafens für die Colonia Ulpia Traiana und auch für das nahe gelegene Legionslager Vetera Castra wird dabei nicht nur durch die Anlage der Stadtmauer an dieser Stelle, sondern auch durch die vielen Nachweise für importierte Waren und einen regen Gütertransport auf dem Rhein ersichtlich.761 Das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana liegt demnach an einem direkten Verbindungsweg zum Hafen und damit in unmittelbarer Nähe zum Herzstück des Warenumschlags der Stadt. Tiere, Gladiatoren und sonstiges Gerät, die für das Amphitheater bestimmt waren, konnten so bequem per Schiff über den Rhein – und damit kostengünstiger als auf dem Landweg – zur Colonia Ulpia Traiana transportiert, im dortigen Hafen ausgeladen und auf kürzestem Weg zu ihrem Bestimmungsort gebracht werden. Der schräge Verlauf des cardo VI hingegen, der die Amphitheater-insula im Süden begrenzt, knickt statt geradlinig fortzulaufen deutlich nach Süden ab und steht damit in markanter Abweichung zum rechtwinkligen Straßen- und insula-Netz der Stadt.762 In diesem Zusammenhang scheint ein Blick auf die bereits angesprochenen Besiedlungsspuren aus der Zeit vor der Koloniegründung der Colonia Ulpia Traiana aufschlussreich.763 Als nach dem Bataveraufstand (69/70 n. Chr.) das römische Militär mit der Sicherung der militärischen Standorte und dem Aufbau der strategisch relevanten Infrastruktur im Xantener Raum begann, wurde möglicherweise im südöstlichen Bereich von insula 40 ein mit einem Doppelgrabensystem gesicherter (militärischer?) Landeplatz angelegt.764 Diese Schiffslände diente möglicherweise der Sicherung des umliegenden Raumes oder auch einem dort befindlichen Stapel- und Umschlagplatz und scheint in ihrer Ausdehnung sowohl das vorcoloniale Siedlungsgebiet im Westen als auch das vorcoloniale Gräberfeld im Südwesten respektiert zu haben.765 Es wäre
758 Müller 2008, 361, Abb. 215. Hinz 1976, 31, Abb. 17. Heidenreich 1940, 33–34. Ausführlich zur Forschungsgeschichte des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana s. Müller op.cit., 361–363. Heidenreich op. cit., 34. Grenier 1958, 579. Steiner 1906, 447–452. 759 Müller 2008, Abb. 435 im hinteren Buchdeckel. 760 Teigelake 2008, 495. Ausführlich zur Hafenanlge der Colonia Ulpia Traiana S. Leih, Der Hafen der Colonia Ulpia Traiana, in: Müller et al. 2008, 447–469. 761 Teigelake 2008, 495. 762 Müller 2008, 361, Abb. 215. 763 Precht 2008, 195, Abb. 128. 764 Precht 2008, 205, Abb. 128. Schalles 2008, 259. Vgl. Hübner 2008, 397. 765 Precht 2008, 205, Abb. 128. Vgl. Hübner 2008, 397.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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denkbar, dass sie auch den schrägen Verlauf des späteren cardo VI beeinflusst hat, denn dieser musste in südlicher Richtung abknicken, um südlich am Areal jener Schiffslände vorbeiführen zu können. Ein kleines Stück dieser Straße konnte nur wenige Meter von der Südwestecke des Areals entfernt nachgewiesen werden.766 Dieser vorcoloniale Straßenverlauf scheint also möglicherweise in den Stadtplan der Colonia Ulpia Traiana übernommen worden zu sein. Aus dem Umstand, dass dieser Bereich außerhalb des vorcolonialen Siedlungsareals lag und zudem nach dem Bataveraufstand zunächst durch eine Schiffslände ‚besetzt‘ war, erklärt sich möglicherweise auch, warum diese große trapezoide insula nicht mit coloniazeitlicher Bebauung versehen worden war.767 Vielleicht haben also die außergewöhnliche Größe der insula, ihr unverbautes Areal sowie ihre Nähe zum Hafen bei der Standortwahl für das Amphitheater den Stadtplanern der Colonia Ulpia Traiana perfekt in die Hände gespielt.768 Da sich das Amphitheater mit seiner nordöstlichen Hälfte in die Ecke der Stadtbefestigung schmiegt und nicht mittig in der insula platziert wurde, entsteht durch den beschriebenen Strassenverlauf vor der südwestlichen Seite des Amphitheaters ein großer freier Platz, der annähernd dieselbe Größe aufweist wie das mit dem Amphitheater überbaute Areal derselben insula. Denkbar wäre, dass man diesen Platz bei der Veranstaltung eines munus im Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana für die Aufstellung temporärer Annexbauten wie Tierzwinger (vivaria) oder Räume rund um die Versorgung und Ausrüstung der Gladiatoren (spoliarium, valetudinarium etc.) benutzte.769 Auch Einrichtungen, die mit der Versorgung der Zuschauer in Zusammenhang standen, etwa Verkaufsstände für Speisen, Getränke und Fanartikel, Toiletten, ‚Wettbüros‘ und Ähnliches könnten hier Platz gefunden haben. Die im Nordwesten angrenzende insula 39 jedenfalls war vollständig mit Wohngebäuden und Werkstätten überbaut, so dass zumindest hier offenbar keine dauerhaften Gebäude installiert waren, die mit der Logistik der Schauspiele in Verbindung gestanden haben könnten.770 Interessant ist in diesem Zusammenhang der Fund zweier steinerner Frischwasserzuleitungen, die in der Nordwestecke der Amphitheater-insula gefunden wurden, zusammen mit coloniazeitlichen Steinfundamentresten, in die die westliche der beiden Leitungen hineinführt.771 Da Frischwasser während eines munus sowohl für die Zuschauer als auch für die Arenatiere von großer Bedeutung gewesen sein dürfte, könnte man im Zusammenhang mit diesen steinernen Überresten an ei766 Precht 2008, Abb. 128. 767 Müller 2008, 361. Zur Erforschung des Umlandes in den Jahren 1979–1981 s. die weiterführende Literatur bei Müller op. cit., 363. 768 Hönle/Henze1981, 156–157, die – wenig überzeugend – als Grund eine Verringerung der Lärmbelästigung sowie eine untergeordnete Rolle eines Zweckbaus im Stadtbild anführen. 769 Zu derlei Annexbauten s. Golvin 1988, 336. 770 Zu den Befunden der insula 39 s. ausführlich K. Kraus, Die Befunde der Insula 39 in der Colonia Ulpia Traiana (Xanten), Oxford 1999 (BAR Int. Ser. 797). 771 Hübner 2008, 401–402, Abb. 255–256.
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nen Annexbau des Amphitheaters denken, der der Versorgung von Menschen oder Tieren gedient haben könnte.772 Eine Verbindung zur Wasserleitung, die über einen Aquädukt von Südosten her nur zwei insula-Blöcke südlich des Amphitheaters auf das Stadtgebiet trifft, konnte bislang allerdings nicht nachgewiesen werden.773 Hätte eine solche Anbindung bestanden, könnte dies sicherlich als weiterer Standortvorteil für die Errichtung eines Amphitheaters gelten. Die Entsorgung des Brauchwassers war in jedem Fall über einen Holzkanal gewährleistet, der unterhalb des decumanus VII – der nordwestlichen Grenze der Amphitheater-insula – Richtung Rhein entwässerte.774 Auffällig ist darüber hinaus, dass der die Amphitheater-insula im Süden begrenzende cardo VI auf einen der kleineren Tordurchlässe im südöstlichen Teil der Stadtmauer zuführte und sich außerhalb der Stadtmauer in einer Straße fortsetzte, die direkt zum zivilen Gewerbegebiet der Colonia Ulpia Traiana in der Nähe des Legionslagers Vetera Castra II führte.775 Von dort kommend stellte sie für die Besucher der spectacula im Amphitheater eine bequeme Abkürzung dar, bei deren Nutzung das Stadtgebiet der Colonia Ulpia Traiana vermieden und eine direkte Verbindung zum Vorplatz des Amphitheaters hergestellt wurde.776 Auch im Lager Vetera II stationierte Soldaten sowie die canabae-Bewohner konnten über diesen Weg am schnellsten zum Amphitheater gelangen.777 Die Existenz dieser Verbindungsstraße zwischen Gewerbegebiet bzw. Lager und dem Tordurchlass in Höhe des Amphitheaters scheint nahezulegen, dass es hier einen nicht unbeträchtlichen Verkehrsstrom gegeben hat. Dieser dürfte in zwei Richtungen verlaufen sein, nämlich einmal stadtauswärts für den Gütertransport vom Hafen der Colonia Ulpia Traiana zu den Handwerksbetrieben im Gewerbegebiet bzw. Legionslager Vetera II und stadteinwärts bei der Veranstaltung eines munus im Amphitheater. Im Baubefund des Amphitheaters der CUT lassen sich nach neuesten Erkenntnissen insgesamt zwei Bauphasen wahrscheinlich machen. Die Wiedergewinnung der ältesten Phase gestaltet sich aufgrund späterer Überbauungen sowie einer zum Teil lückenhaften Grabungsdokumentation schwierig.778 Raum für Spekulationen lässt da772 Ohne feinchronologische Fakten sowohl zu den erwähnten Steinfundamenten und ihren Frischwasserzuleitungen als auch zum Amphitheater kann diese Frage derzeit nur angedacht, nicht jedoch bewiesen oder widerlegt werden, insbesondere da nach 100 n. Chr. Neubauten des Kanalsystems in Stein bislang nicht datierbar sind. Hübner 2008, 408. 773 Zieling 2008, 392, Abb. 249. Hübner 2008, 397. 774 Hübner 2008, 409, Abb. 260. 775 Müller 2008b, 282, Abb. 160. Müller 2008, Abb. 215. Schmitz 2008, 148, Abb. 101. Vgl. Heimberg/ Rüger 1972, 84 ff. 776 Müller 2008b, Abb. 160. Müller 2008, 361, der vermutet, dass dieser Zugang zur Stadt wegen des Amphitheaters angelegt wurde. 777 Schmitz 2008, 148–149, Abb. 101. 778 Müller 2008, 363–367, Abb. 216–221. Vgl. Heidenreich 1940, 49–50. Die alte Grabungsdokumentation des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana wird derzeit von M. Müller, dem Leiter des
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bei nicht nur ihre Datierung, sondern auch die Frage, inwieweit das Amphitheater in seiner ältesten Bauphase aus steinernen bzw. hölzernen Elementen errichtet worden war. Unzweifelhaft scheint, dass die beiden äußeren Ringe, die sich um die ovale Arena als Pfostennegative im Boden abzeichnen, aus hölzernen Stützen bestanden haben.779 Diese haben aus statischen Gründen aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine hölzerne Sitzstufenkonstruktion getragen. Auch der Befund am nordöstlichen Hauptzugang schien eine Steinkonstruktion an dieser Stelle für die älteste Bauphase zunächst auszuschließen.780 Doch durch die Neubewertung der älteren Grabungsdokumentation durch M. Müller kann dies nun stark in Zweifel gezogen werden. Vielmehr scheint es – so die vorläufige Einschätzung von M. Müller –, dass zur ersten Bauphase des Amphitheaters nicht nur eine steinerne Podiumsmauer, sondern auch von steinernen Flankenmauern abgegrenzte Hauptzugänge sowie ein umlaufender Bedienungsgang mitsamt seinen angrenzenden Räumen I–VI zu rechnen sind.781 Diese These lässt sich durch den Umstand stützen, dass in Germanien bislang keine zivilen Amphitheater nachgewiesen wurden, die reine Holzkonstruktionen waren. In dieser ersten Bauphase des Amphitheaters maß die Arena 60 × 48 m, während sich das Außenmaß des Monumentes auf 93 × 82 m belief.782 Unter den Amphitheatern in Holz-Steinbauweise – gesetzt den Fall, die jüngsten Erkenntnisse zur Bauweise des Amphitheaters erhärten sich – stellt das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana das zweitgrößte in der Germania Inferior und das drittgrößte in den beiden Germanien dar. Auf der Längsachse des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana lagen die zwei Hauptzugänge zur Arena, die porta sanavivaria und die porta libitinensis.783 Im Fußbodenbelag des Nordeinganges war man auf Spuren von Pfostenlöchern gestoßen, die offenbar der Installation eines Holzzaunes gedient haben, der den Zuschauerstrom an dieser Stelle regulieren sollte.784 Zu beiden Seiten der Hauptzugänge fanden sich zudem carceres, die mit dem Bedienungsgang rund um die Arena und möglicherweise über je eine porta postica auch mit der Arena in Verbindung standen.785 Der steinerne
779 780 781 782 783 784 785
Archäologischen Parks Xanten, zur Publikation vorbereitet. M. Müller hat die vorläufigen Ergebnisse sowohl seiner Auswertung der Grabungsdokumete als auch die aus neuerlichen Nachuntersuchungen im Amphitheater freundlicherweise mit mir erörtert, weshalb ich ihm zu großem Dank verpflichtet bin. Alle Irrtümer und Fehlinterpretationen, die dem obigen Text inhärent sein könnten, gehen allein auf die Autorin zurück. Müller 2008, 363, 366, Abb. 219. Heidenreich 1940, 34. Müller 2008, 366, Abb. 219. Vgl. Müller 2008, Abb. 216, mit den zwei rekonstruierten Bauphasen von K. Heidenreich, sowie Abb. 220, die nun wahrscheinlich als erste Bauphase anzusprechen ist. Müller 2008, 363. Heidenreich 1940, 34. Zu den beiderseits der Hauptzugänge befindlichen portae posticae s. Heidenreich 1940, 42. Im Plan bei Müller 2008, 365, Abb. 221, sind diese nicht mehr eingezeichnet. Heidenreich 1940, 43, der auf eine ähnliche Situation im Amphitheater von Carnuntum, Aquincum, Salona und Sabratha verweist. Zu durch Holzwänden abgetrennten Korridoren in Amphitheatern s. Hufschmid 2009, 249–250. Heidenreich 1940, 42–43. Müller 2008, Abb. 216, 220.
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Bedienungsgang war über die beiden Hauptzugänge betretbar und lief um die gesamte Arena um.786 Auf der Querachse der Arena gewährte der Bedienungsgang außerdem Zutritt zu zwei Räumen (Raum V bzw. VI; carceres), die über eine rund 1,00 m breite Öffnung direkt mit der Arena in Verbindung standen.787 Kurioserweise befand sich diese Öffnung unterhalb des Laufhorizontes des Bedienungsganges, so dass das Fußbodenniveau des nordwestlichen Raumes V rund 1,00 m tiefer, das des Raumes VI im Südosten sogar 1,80 m tiefer als das Fußbodenniveau des Bedienungsganges lag.788 Das aber würde bedeuten, dass man beim Betreten der beiden Räume 1,00 m bzw. 1,80 m in die Tiefe fiel, ein Zustand, der so mit Sicherheit nicht beabsichtigt war. Es ist daher anzunehmen, dass die Binnenstruktur der Räume aus Holz war, das sich nicht erhalten hat. Da die nachgewiesenen Mauern nur bedingt Auskunft über diese Binnenstruktur geben können, zugleich aber Nachuntersuchungen aufgrund der vorgenommenen Rekonstruktionen am Amphitheater nur eingeschränkt möglich sind, muss die exakte Lösung des Problems noch offen bleiben. Wahrscheinlich ist, dass zumindest dort, wo der Bedienungsgang auf die beiden Räume trifft, ein Holzfußboden rekonstruiert werden muss, um den Gang rund um die Arena passierbar zu machen.789 Dass auch der Fußboden innerhalb der Räume V und VI aus Holz war, liegt aus funktionalen Überlegungen nahe, lässt sich aber nicht beweisen.790 Ungesichert bleiben muss die Zugangssituation zur Arena: Während der tiefer gelegene Teil der Räume sicher zeigt, dass sie direkt mit der Arena verbunden waren, konnte für den oberhalb des Laufhorizontes des Bedienungsganges gelegenen Teil der Arenamauer keine Öffnung für eine porta postica nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.791 Die von K. Heidenreich vorgeschlagene Rekonstruktion, der zufolge vor dem unteren Teil der Räume V und VI eine halbkreisförmige Mulde war, wurde durch neuerliche Untersuchungen im Arenaboden bestätigt.792 K. Heidenreich vermutete, dass diese Mulde in der Arena mit einer Art Steg teilweise ‚überdacht‘ war, um darüber zur porta postica zu gelangen, die wiederum in den oberen Teil der Räume V bzw. VI führte.793 Dieser Lösungsvorschlag ist aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen bestand dadurch – wie M. Müller bereits zu Recht einwarf – die Gefahr, dass das sich in der Arena sammelnde Oberflächenwasser unkontrolliert in den tie-
786 Müller 2008, 367, Abb. 220. Heidenreich 1940, 41–42. 787 Müller 2008, 367, Abb. 220. Heidenreich 1940, 42–43. 788 Müller 2008, 367, mit einer Zusammenfassung der älteren Forschungsmeinung zu diesem Kuriosum. Heidenreich 1940, 42, 45, nennt eine Tiefe der südöstlichen Carcerschwelle von 1,30 m. Auch im Bereich der beiden Hauptzugänge traf man auf ‚unterirdische‘ Durchbrüche, deren Funktion aber bislang nicht geklärt werden konnte. Müller 2008, 367–368, Abb. 220. Heidenreich 1940, 46. 789 Müller 2008, 367. 790 Heidenreich 1940, 45. 791 Müller 2008, 367, Abb. 224. 792 Dieses noch unpublizierte Ergebnis teilte mir M. Müller dankenswerterweise persönlich mit. 793 Müller 2008, 367, Abb. 224. Heidenreich 1940, 43–46.
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fer gelegenen Teil der Räume V und VI eindringen und dort Schäden verursachen könnte.794 Zum anderen dürfte ein Steg auf Stützen in einer halbkreisförmigen Mulde verängstigten Tieren oder zum Tode Verurteilten zu viele Möglichkeiten bieten, sich dem eigentlichen Kampfgeschehen zu entziehen. Das kann aber nicht im Interesse der Veranstalter gelegen haben, zumal der Bereich nahe der Podiumsmauer für einen Teil der Zuschauer im Sichtschatten lag. Auch das Hetzen von Tieren dürfte durch zwei Mulden in der Arena behindert werden, ebenso wie der Kampf von Gladiatoren. Darüber hinaus wird in allen Amphitheater-Arenen des Imperium Romanum das Bemühen erkennbar, den elliptischen Kampfplatz frei von permanenten Einbauten zu halten. Dies ermöglichte nicht nur eine größtmögliche Variabilität der dargebotenen Veranstaltungen, sondern führte auch zu Installationen, die den gezielten Einsatz von Überraschungseffekten möglich machten, etwa durch verborgene Zugänge zur Arena. Wahrscheinlicher scheint mir daher, dass die Untergeschosse der beiden carceres der Colonia Ulpia Traiana vielleicht eine Art Kompromiss darstellten zwischen einem herkömmlichen carcer, der über eine porta postica Verbindung zur Arena aufnahm, und jenen aufwändigen Aufzugsystemen eines großflächigen hypogaeums, wie wir sie aus dem Colosseum oder dem Amphitheater von Puteoli kennen. Möglich wäre, dass die gesamte halbkreisförmige Mulde mit einer Holzabdeckung versehen war und somit plan mit dem Arenaboden abschloss. Als Auflager dieser Holzabdeckung hätte der Arenaboden dienen können, den man rund um die halbkreisförmige Mulde in Form einer Art Falz leicht hätte eintiefen müssen, um ein Verrutschen der Abdeckung auch in der Horizontalen zu verhindern.795 Vor dem unteren Teil des carcers im Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana wäre dann eine schmale unterirdische Rampe zu denken, die an ihrem oberen Ende in eine Falltür mündete. Klappte diese Falltür, die in geschlossenem Zustand ebenfalls plan mit dem Arenaboden abschloss und mit Sand überdeckt war, herunter, konnte die Rampe betreten und das plötzliche Erscheinen von wilden Tieren in der Arena dramaturgisch inszeniert werden – ganz ähnlich, wie in den großen Arenen von Rom oder Puteoli.796 Der obere Teil der Räume V und VI könnte als ‚Stauraum‘ für Tiere gedient haben, die man bei Bedarf mit Hilfe eines Käfigaufzugs und durch den Holzboden hindurch in den unteren Teil der Räume V bzw. VI hinablassen konnte. Da 794 Müller 2008, 367. 795 Warum die Mulde vor dem unteren Teil der carceres halbkreisförmig war, bliebe bei diesem Vorschlag allerdings unerklärt. Für eine Rampe hätte sicher auch die Ausschachtung einer langrechteckigen Grube ausgereicht. 796 Wie genau das Herunterklappen der Falltür bewirkt wurde, muss aufgrund fehlender archäologischer Befunde ungeklärt bleiben, es scheint jedoch wahrscheinlich, dass dieser Vorgang mit technischen Mitteln – etwa Seilzügen – unterstützt wurde, um ein möglichst schnelles Funktionieren und damit einen größtmöglichen Überraschungseffekt zu erzielen. Zu einem neuen Rekonstruktionsvorschlag des Aufzugsystems im Hypogaeum vom Amphitheater von Puteoli s. Hufschmid 2009, 228–233. Zu dem System vom Colosseum in Rom s. H.-J. Beste, I sotteranei del Colosseo: impianto, trasformazioni e funzionamento, in: A. La Regina (Hg.), Sangue e Arena, Rom 2001, 277–299.
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der obere Teil der Räume V und VI über den Bedienungsgang erreichbar war, konnte auch während einer Veranstaltung – verborgen vor den Zuschauern – für Nachschub an wilden Tieren gesorgt werden, etwa aus den Räumen I–IV, die sich zu beiden Seiten der großen Arenazugänge auf der Längsachse befanden.797 Dass im Bereich der Arena des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana Tiere anwesend waren, beweisen Knochen verschiedener Spezies, etwa von Pferden, Rindern, Schweinen, aber auch Hörner von Hausrindern oder Hauer von Ebern.798 Darüber hinaus fand man auch Überreste großer, starker Tierknochen, bei denen es sich um Auerochsen oder Bären gehandelt haben könnte.799 Wäre auch der obere Teil der Räume V und VI über eine porta postica direkt mit der Arena verbunden gewesen, könnten die oberen Teile der Räume als ‚Warteräume‘ für Gladiatoren einem weiteren Zweck gedient haben.800 Im Zuge der Grabungen der Jahre 1934–1935 war man im Innern des Amphitheaters darüber hinaus auf Spuren einer hölzernen Arena-Einfassung gestoßen, die im Abstand von 1,50 m parallel zur steinernen Arenamauer verlief und deren relative Chronologie aufgrund fehlender Grabungsdokumentation nicht eindeutig geklärt werden konnte.801 Möglich wäre, dass diese hölzerne Einfassung die Überreste einer Pfosten-Netz-Konstruktion darstellen, die sowohl die wilden Tiere im Zentrum der Arena und damit im Blickfeld der Zuschauer halten, als auch die Zuschauer vor einem Ausbrechen der wilden Tiere schützen sollte.802 Dass es sich um eine massive Holzwand gehandelt hat, schließt in jedem Fall der Befund der Podiumsmauer aus, die polychrom bemalt war und durch eine Holzwand verdeckt worden wäre.803 Da sich im archäologischen Befund keinerlei Hinweise auf Pfostenlöcher gefunden haben, scheint auch die Interpretation der entdeckten Struktur als arenaeigener Drainagekanal an Gewicht zu erlangen.804 Ein kurzes Kanalstück, das in eine Sickergrube im Bereich des hypogaeums
797 Vgl. den Plan bei Müller 2008, 220–221. 798 Steiner 1906, 452. 799 Daneben traf man auch auf Knochen gewöhnlicher Haustiere sowie auf eine Anhäufung von Weinbergschnecken und Austernschalen. Steiner 1906, 452. 800 Vielleicht hatte man eine solche Lösung, bei der wilde Tiere nicht über portae posticae in der Podiumsmauer, sondern über eine Rampe mit Falltür in die Arena gelangten, gewählt, weil parallel zur Podiumsmauer – ähnlich wie im Colosseum – eine Pfosten-Netz-Konstruktion verlief, die die Zuschauer vor wilden Tieren schützen sollte und die ein direktes Erreichen der Arena bei einer venatio verhindert hätte. Vgl. Heidenreich 1940, 47 mit Anm. 3. 801 Müller 2008, 366. Die Interpretation Heidenreichs 1940, 40, dass es sich bei diesem Graben um einen Drainagekanal handelte, der das aus der cavea kommende Oberflächenwasser sammelte, ist m. E. wenig plausibel, da derlei Entwässerungskanäle in der Regel direkt am Fuß der Podiumsmauer verlaufen. Oelmann 1936, 431. 802 Müller 2008, 366. 803 Laut mündlicher Auskunft von M. Müller. Aus diesem Grund ist auch die Existenz eines hölzernen Bedienungsganges, wie er für die Amphitheater von Aventicum (Kat. 1.5.1), Vindonissa (Kat. 1.16.1) und Zugmantel-Galgenköppel (1.18.2) nachgewiesen wurde, mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen. 804 So von M. Müller favorisiert.
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(s. unten) mündete, bestärkt diese Vermutung.805 Interessant ist in jedem Fall, dass im Amphitheater des nahegelegenen Vetera I eine doppelte Pfostenlochreihe entdeckt wurde (s. unten), die um die Arena umlief und deren innerer und äußerer Ring über exakt den gleichen Abstand von 1,50 m verfügte. Die – nach jüngsten Erkenntnissen – zweite Bauphase des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana ist gekennzeichnet von einem steinernen Ausbau des Zuschauerraumes, eine Entwicklung, die in obergermanischen Amphitheatern dort, wo sie datierbar ist (Augusta Raurica: Kat. 1.4.2, Aventicum: Kat. 1.5.1, Vesontio: Kat. 1.15.1), in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. fällt.806 Dabei hatte man in der Colonia Ulpia Traiana die Holzteile der vorangegangenen Bauphase, also vornehmlich die Sitzstufenkonstruktion, in Stein ersetzt, während die bereits aus Stein bestehenden Elemente, also Podiumsmauer, Arenaumgang, Arenazugänge sowie die Räume I–VI, übernommen wurden.807 Die Abmessungen der Arena von 60 × 48 m wurden demnach nicht verändert. Die cavea erfuhr bei ihrer ‚Versteinerung‘ einen leicht vergrößerten Grundriss mit Außenmaßen von 99 × 87,5 m.808 Unter den zivilen Steinamphitheatern in Germania Superior und Inferior rangierte das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana damit deutlich hinter den beiden größten Amphitheatern von Aventicum (Kat. 1.5.1) und Augusta Raurica (Kat. 1.4.2). Der eingeschossige Oberbau des Amphitheaters, der statischen Berechnungen zufolge wahrscheinlich aus Tuff und nicht aus der schwereren Grauwacke des Unterbaus bestand, erhob sich dabei über zwei ovalen Ringen aus Steinstützen.809 Diese Konstruktion gab dem Erscheinungsbild des Amphitheaters nicht nur eine gewisse Leichtigkeit, sondern schuf auch zwei Umgänge, von denen der innere wahrscheinlich mit Verkaufsständen bestückt war.810 Eine dritte Stützenreihe befand sich ganz innen, also parallel zum Bedienungsgang, und war in die Rückwände der Räume VII–XXXII integriert, die in der zweiten Bauphase ebenfalls neu entstanden und angrenzend an den Bedienungsgang rund um die Arena angeordnet waren.811 Die nun aus steinernen Sitzstufen bestehende cavea ruhte auf diesen Steinstützen bzw. Raumrückwänden auf und war über Vomitorien mit der Peripherie verbunden. Die wiederum korrespondierten über eine verbreiterte Zone im Bereich ihrer cavea-seitigen Öffnungen mit Treppen, um den Zuschauerstrom gleichmäßig im Sitzrund zu verteilen.812 Das Podium bestand aus drei Sitzstufenreihen, die aufgrund ihrer größeren Tiefe den höher gestellten Persönlichkeiten deutlich mehr 805 806 807 808 809 810 811 812
Müller 2008, Abb. 218. Heidenreich 1940, 40. Heidenreich 1940, 34. Grenier 1958, 580. Müller 2008, 368, Abb. 221. Heidenreich 1940, 51. Müller 2008, 368, Abb 221. Grenier 1958, 583. Müller 2008, 368–369, Abb. 221. Heidenreich 1940, 55, 57, Taf. 11–12. Vgl. Steiner 1906, 448. Müller 2008, 370, Abb. 232. Müller 2008, 369–370, Abb. 221. Diese Räume waren offenbar nicht betretbar und möglicherweise mit Aushub gefüllt. Heidenreich 1940, 55. Müller 2008, 369. Vgl. Heidenreich 1940, 50–51, 54–55, Taf. 9.
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Komfort boten.813 Für die Rekonstruktion der übrigen Sitzstufen im Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana fehlen jegliche Hinweise, doch geht man bei einer Schätzung für die letzte Bauphase von 8.000 bis 10.000 Sitzplätzen aus.814 Auch hier hatte man offenbar dem größeren Zuspruch seitens der Zuschauer mit der Installation weiterer Plätze Rechnung getragen, denn die geschätzte Zahl der Zuschauerplätze aus der vorangegangenen Bauphase beläuft sich auf nur rund 6.000.815 Über die Gestaltung der Fassade ist nur wenig bekannt, da kaum aufgehendes Mauerwerk erhalten war.816 Laut Grabungsbefund scheint sie nicht mit plastischem Bauschmuck versehen gewesen zu sein,817 eine Vermutung, die nach der neuerlichen Sichtung der Grabungsdokumentation sowie der Funde aller Wahrscheinlichkeit nach revidiert werden muss.818 An einigen Stellen hat sich rote Farbe erhalten, die offensichtlich Mauerfugen imitieren sollte und damit der Fassade eine künstliche Binnenstruktur verlieh.819 Darüber hinaus legt der Fund von Dianastatuetten (Kat. 2.3.3–2.3.4) unterhalb der cavea des Amphitheaters sowie einer fragmentierten Weihinschrift einer Statuenbasis zu Ehren Dianas (Kat. 2.3.2) im Amphitheater nahe, dass es auch in der Arena der Colonia Ulpia Traiana – wie in vielen anderen Amphitheatern – ein sacellum gegeben hat. Dieses wurde wahrscheinlich hauptsächlich von den Gladiatoren und dem Arenapersonal genutzt.820 Auch war man im Amphitheater der CUT bei den Ausgrabungen im Jahre 1934 auf eine feuervergoldete Statuette einer Greifenapplike gestoßen, die als Helmschmuck einer überlebensgroßen Minerva- oder Mars-Statue gedeutet wird.821 Da außer dieser Greifenstatuette jedoch kein weiteres Teil der rekonstruierten Kolossalstatue im Bereich des Amphitheaters gefunden wurde, muss vermutet werden, dass jene Statue nicht im Amphitheater, sondern ursprünglich irgendwo im Stadtgebiet der Colonia Ulpia Traiana platziert und später demontiert worden war, wobei die Greifenstatuette als Altmetall ins Amphitheater gelangte.822 Darüber hinaus weisen die Scherben einer Tafelgeschirr-Schüssel aus Terra Sigillata (Kat. 2.3.5) in die Sphäre der römischen Gladiatur. Die Terra Sigillata Fragmente traten in einer Grube
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Müller 2008, 369. Zur Höhe des Podiums von ca. 2,70 m im Vergleich zum Arenaboden vgl. Heidenreich 1940, 47. 814 Heidenreich 1940, 51–54. 815 Heidenreich 1940, 54. 816 Heidenreich 1940, 34. 817 Heidenreich 1940, 58. 818 Nach Auskunft von M. Müller. 819 Müller 2008, 368. Heidenreich 1940, 34 mit Anm. 4, 58. Steiner 1906, 451. 820 Der genaue Fundort der Statuetten ist nicht geklärt, so dass er keinerlei Hinweise auf die Lokalisierung des sacellums liefern kann. Sacella sind üblicherweise in den für Zuschauer unzugänglichen Bereichen eines Amphitheaters zu finden. Müller 2008, 368–369, Anm. 1524, Abb. 226–227. Vgl. Hufschmid 2009, 233–236. 821 Franken 1994, 69. Wahl 1977, 120, Taf. 21: 3, spricht sich für eine Interpretation als Applike eines thraex-Helmes aus. 822 Franken 1994, 69.
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mit vorwiegend keramischem Siedlungsabfall in insula 20 zu Tage und zeigen die Darstellung mehrerer Gladiatorenpaare, die durch die Figur eines togatus mit Palmzweig in der Rechten getrennt sind.823 Die dargestellten armatuarae der zum Teil stark fragmentierten Darstellungen sind der schwerbewaffnete secutor und der zu den leichten Waffengattungen zählende retiarius. Eine Besonderheit unter den Amphitheatern der Germania Inferior und Superior bildet der Arenakeller (hypogaeum) des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana.824 Dabei war nicht die gesamte Fläche der Arena unterkellert worden, sondern lediglich ein langrechteckiger Bereich im Zentrum derselben, der über einen etwas schmaleren Gang mit dem nordöstlichen Arenazugang verbunden war.825 Der Baubefund der Podiumsmauer zeigt, dass ihr Verlauf für die Anlage des Kellers nachträglich durchbrochen wurde, so dass das hypogaeum mit einiger Gewissheit erst in der zweiten Bauphase entstanden ist.826 Eine 1,60 m breite Treppe, deren Anfang im nordöstlichen Zugang kurz vor dem Bedienungsgang lag, führte in einem steilen Neigungswinkel nach unten, wo sie die durchbrochene Podiumsmauer schnitt. Von dort setzte sie sich ca. 11,00 m auf der Längsachse der Arena in einem unterirdischen Gang fort, um sich dann etwa im Zentrum der Arena auf einer Länge von 5–6 m zu einem langrechteckigen unterirdischen Raum zu verbreitern, der ca. 3,00 m tief war.827 Der gesamte Bereich des Kellers war mit Holz verschalt.828 Die Zweckbestimmung dieses hypogaeums wurde durch den Fund von großen Steinen und eisernen Barren, die vielleicht als Kontergewichte einer Hebemaschine oder eines Aufzugs gedient haben, mit dessen Hilfe man Bühnendekor oder aber auch Tiere und Gladiatoren nach oben heben und plötzlich in der Arena erscheinen lassen konnte.829 Die Abdeckung des Kellers hat aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls aus Holz bestanden830 und war mit einer vielleicht über eine Falltür verschließbaren Öffnung versehen. Dadurch bildete der Arenaboden bei Nichtbenutzung des Aufzugs eine plane Fläche ohne Löcher oder Vertiefungen.831 Für die Inszenierung eines munus ergaben sich daraus in jedem Fall mannigfaltige Möglichkeiten, die im Zu823 824 825 826 827 828 829
Schmitz 2008a, 143. Müller 2008, 370–371, Abb. 221, 228–231. Heidenreich 1940, 40–41. Müller 2008, Abb. 221, 228. Müller 2008, 370. Müller 2008, 371, Abb. 221. Heidenreich 1940, 41. Müller 2008, 371, Abb. 228, 231. Heidenreich 1940, 41. Grenier 1958, 583. Einige der Kontergewichte wurden als Spolien aus dem zerstörten Legionslager Vetera I angesprochen. Müller 2008, 371, Abb. 229–230. Vgl. auch einen Gewichtstein (LVR LandesMuseum Bonn, Inv. 36.3381), den man bei der Ausgrabung des Amphitheaters im Jahre 1936 gefunden hat. Schalles 2006, 113, Nr. 73, Abb. 12. Heidenreich 1940, 41, glaubte, dass aufgrund der beengten Raumverhältnisse lediglich die Hebemaschine sowie ihre Bedienungsmannschaft im Arenakeller Platz gefunden haben können. 830 Heidenreich 1940, 41. Grenier 1958, 583. 831 Der Arenaboden bestand aus eisenoxydhaltigem Sand (sog. Ortstein), der über dem natürlich anstehenden Sand aufgebracht worden war. Steiner 1906, 451. Eine Falltüre hätte sich demnach leicht unter diesem Sandbelag verbergen können.
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sammenspiel mit den carceres auf der Querachse der Arena sowie den beiden Hauptzugängen zur Arena beliebig erweitert werden konnten. Sie zeigen das Bestreben, eine neue und wahrscheinlich spektakulärere Inszenierungspraxis umzusetzen. Über die Datierung der einzelnen Bauphasen herrscht bislang Unklarheit.832 Als wahrscheinlich aber gilt, dass ein großes öffentliches Gebäude wie das Amphitheater von Beginn an in die Stadtanlage eingeplant war, die bereits vor der Erhebung zur colonia kurz nach 100 n. Chr. nicht nur über andere öffentliche Großbauten, sondern auch über eine klare urbanistische Struktur verfügte.833 Dabei macht der Bauplatz des Amphitheaters eine Existenz in vorflavischer Zeit eher unwahrscheinlich, da sich hier jene bereits erwähnte befestigte Schiffslände befunden zu haben scheint.834 Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass für die Errichtung des Amphitheaters auf die Ressourcen der in Vetera stationierten Militärverbände zurückgegriffen wurde.835 Anlass zu vorsichtigen Vermutungen geben dabei Inschriften, die ab 100 n. Chr. den Einsatz von Vexillationen der legio VI Victrix Pia Fidelis in den Steinbrüchen des nahegelegenen Brohltals attestieren.836 Vexillationen der 6. Legion waren ab ca. 99 n. Chr. in Vetera Castra II stationiert – ab 103 n. Chr. dann die gesamte Legion.837 Eine mögliche Verbindung der legio VI Victrix Pia Fidelis zum Umfeld der römischen Gladiatur scheint aus einer zweiten Inschrift auf, die in der Provinzhauptstadt CCAA gefunden und in die Zeit um ca. 90 bis ca. 120 n. Chr. datiert wird (Kat. 2.2.4).838 Aus dem Inschriftentext erfahren wir, dass der Zenturio Aulus Titius Severus der legio VI Victrix Pia Fidelis auf eigene Kosten ein sog. vivarium einzäunen ließ, das sich wahrscheinlich im Stadtgebiet der CCAA befunden hat.839 Aulus Titius Severus, der offensichtlich zum Dienst beim Statthalter in die Provinzhauptstadt abkommandiert worden war, scheint demnach für die Unterbringung wilder und lebender Tiere verantwortlich gewesen zu sein, die mit großer Wahrscheinlichkeit für die Arena eines Amphitheaters bestimmt waren. Eine andere Möglichkeit wäre, die Erbauung des Amphitheaters der Colonia 832 Müller 2008, 371, mit der älteren Forschungsmeinung. Eines der Hauptprobleme lag bisher in dem Umstand, dass das Fundmaterial der früheren Grabungen nicht analysiert und vorgelegt wurde, ein Unterfangen, das mittlerweile kurz vor dem Abschluss steht. Eine Aufarbeitung der Funde sowie der alten Grabungsdokumentation unter der Leitung von M. Müller steht kurz vor dem Abschluss. 833 Müller 2008, 371. 834 Schalles 2008, 259. Vgl. Precht 2008, 205, Abb. 128. Hübner 2008, 397. 835 Auch M. Müller äußerte mir gegenüber diese Vermutung. 836 CIL 13, 7695, 7696. Scholz 2017, 598, Nr. 4–5. Horster 2001, 180 mit Anm. 52. 837 Ritterling 1925, 1603–1604. Das in den Steinbrüchen gewonnene Baumaterial könnte neben dem Ausbau der neu gegründeten Colonia Ulpia Traiana auch der Errichtung des Amphitheaters gedient haben, eine Hypothese, die allerdings nie wird bewiesen werden können, da man über die Verwendung des gewonnenen Baumaterials keine gesicherten Erkenntnisse hat. 838 Fischer/Trier 2014, 131. Galsterer 2010, 46. Eck 2004, 356 f. EAOR V, 84–85. Ausführlich zu dieser Inschrift s. unten Kap. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. 839 EAOR V, 84, Z. 7–8.
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Ulpia Traiana mit der Ankunft der legio XXX Ulpia Victrix im Lager von Vetera Castra II (121/122 n. Chr.) in Zusammenhang zu bringen.840 Wahrscheinlich hatte sich eine Bauvexillation dieser Legion kurz zuvor in Brigetio/Szőny (Pannonia Superior) aufgehalten, wo man ein Militäramphitheater aus spättrajanischer/frühhadrianischer Zeit nachgewiesen hat.841 Welche der beiden Thesen mehr Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann, wird sich erst besser bestimmen lassen, sobald die Ergebnisse der Fundbearbeitung sowie die der Auswertung der Grabungsdokumentation unter Leitung von M. Müller publiziert sind. Die Aufgabe des Amphitheaters scheint spätestens in konstantinischer Zeit erfolgt zu sein, dem Zeitpunkt, als der Arenakeller mit grobem Bauschutt verfüllt wurde.842 Auch wurden die Umgänge des Amphitheaters in spätantiker Zeit umgebaut und möglicherweise als Wohnräume genutzt, allerdings erlaubt die spärliche Befundlage diesbezüglich keinerlei Spezifizierungen.843 In der Zeit zwischen 276 und spätestens 310 n. Chr. entstand auf dem Siedlungsgebiet der Colonia Ulpia Traiana eine in der Fläche stark reduzierte Großfestung, die durch ein Doppelgrabensystem und eine Mauer befestigt war.844 Sie umfasste die neun zentralen insulae der ehemaligen Colonia Ulpia Traiana mit allen wesentlichen urbanen Funktionen, das Amphitheater kam dadurch allerdings außerhalb der neuen Stadtbefestigung zu liegen.845 Auslöser für diese drastische Reduzierung des Stadtgebietes der Colonia Ulpia Traiana war ihre Zerstörung durch fränkische Verbände um 275 n. Chr., vorläufiger Höhepunkt fortwährender germanischer Angriffe auf die Befestigungslinie des Rheinlimes sowie Siedlungen in seinem Hinterland.846 Die Anwesenheit von Militär in der sog. Tricensima(e), möglicherweise Restbestände der legio XXX Ulpia Victrix, lässt sich nur noch bis in die 1. Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. sicher nachweisen.847 Im Mittelalter dann ereilte das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana ein Schicksal, das es mit vielen anderen Großbauten der Antike teilte: Es wurde als Steinbruch genutzt und in vielen Gebäuden der mittelalterlichen Stadt Xanten, die im Süden der Colonia Ulpia Traiana neu entstand, verbaut.848 Doch trotz seiner gründlichen Ausraubung erinnerte über die Jahrhunderte hinweg eine flache Mulde im Gelände stets an die ehemalige Existenz des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana.849 840 Otten 2012, 201. Franke 2000, 97–98. Schmitz 2011, 119. Hanel 1995, 274. 841 Beutler 2013, 19. 842 Dafür spricht auch die Zusetzung eines der Vomitorien mit einer Spolienmauer, die in das 3./4. Jh. n. Chr. datiert wurde. Petrikovits 1960, 101. Müller 2008, 366, 371. 843 Müller 2008, 371. Otten/Ristow 2008, 556. 844 Otten 2012, 202–203, 214, Abb. 4. 845 Otten 2012, 203, 205, Abb. 4. 846 Otten 2012, 205, 214. Eck 2012, 81–82. Eck 2004, 581–582. Bechert 2007, 110. Petrikovits 1980, 175– 176. Bengston 1970, 383–384. Bellen 2010, 240–241. Vgl. Demandt 2007, 51. 847 Otten 2012, 201. Otten/Ristow 2008, 555. 848 Heidenreich 1940, 33, 35. Stoll 1936, 186. Steiner 1906, 450. 849 Heidenreich 1940, 33.
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2.2.2 Ulpia Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1) Das heutige Nijmegen liegt im Osten der Niederlande in der Provinz Gelderland, nahe der Grenze zur Region Niederrhein in Deutschland. Die Ausläufer einer im Osten von Nijmegen befindlichen Stauchmoräne und eine nach Süden und Westen hin abfallende Sand- und Schotterfläche (Sandre) bilden hier eine Geländeanhöhe. Diese hatte seit dem Neolithikum wegen ihrer strategisch günstigen Lage und ihrer guten Verkehrsanbindung nach Süden eine herausragende Rolle gespielt.850 Das moderne Stadtzentrum von Nijmegen um das Gebiet am und um den Valkhof geht dabei wahrscheinlich auf das römerzeitliche oppidum Batavorum zurück, das die Römer nach Ausweis des keramischen und numismatischen Befundes um die Zeitenwende (sicher vor 10 n. Chr.) hier hatten anlegen lassen.851 Sowohl Germanicus als auch Tiberius waren im Zentrum des oppidum Batavorum nach der verheerenden Niederlage des Varus mit einem Siegesdenkmal für ihre Unternehmungen gegen die Germanen geehrt worden.852 Die anfänglich ca. 10 ha große Ansiedlung wuchs bald auf das Doppelte an und war in späterer Zeit – wahrscheinlich anlässlich der Wirren des Bataveraufstandes 69/70 n. Chr. – zum Schutz ihrer Einwohner mit einem Verteidigungsgraben umgeben worden.853 Die gezielte Entwicklung und Vergrößerung des Siedlungsgebietes stellte dabei den Versuch dar, das oppidum Batavorum nach römischem Verwaltungsmodell zum Zentralort der neu gegründeten civitas Batavorum auszubauen.854 Klar setzt sich dabei die Bebauungsstruktur und auch das Fundmaterial von indigenen Siedlungen im übrigen Stammesgebiet der Bataver ab.855 Trotz des nach römischem Muster entworfenen Siedlungsplans und der zunehmenden Steinbauweise kam das oppidum Batavorum nicht über den Status einer proto-urbanen Siedlung hinaus.856 Die Bevölkerung des oppidum bestand aus gallo-römischen Handwerkern, Offiziellen, Soldaten und Veteranen sowie Dienstleistern und Immigranten; einheimische Bataver ließen sich über den archäologischen Befund kaum fassen.857 Es hat demnach den Anschein, dass die Integration der einheimischen Bevölkerung allein einigen aristokratischen Familien der Bataver vorbehalten war, die zur Sicherung ihrer sozialen Stellung 850 Van Enckevort/Thijssen 2001, 87, 105. 851 Willems/van Enckevort 2009, 69–71, spricht von einem Gründungsdatum um 10 v. Chr. aufgrund der keltischen Münzfunde. Von Enckevort/Thijssen 2001, 94. Galsterer 2001, 6. 852 Auf die Spuren dieses Denkmals stieß man im Fundament der Mauer rund um den mittelalterlichen Palast von Nijmegen. Willems/van Enckevort 2009, 71. 853 Willems/van Enckevort 2009, 70–71. 854 Von Enckevort/Thijssen 2001, 94. Die anfängliche Organisationsstruktur der civitas Batavorum ist umstritten. Sicher ist, dass sie anfangs nicht vollständig nach römischem Muster organisiert war, sondern dass sie unter eigenen, nicht römischen Führern stand. Möglicherweise wurde sie von den Batavern kontrolliert. Willems/van Enckevort 2009, 109–110. Galsterer 2001, 6. 855 Willems/van Enckevort 2009, 72. 856 Willems/van Enckevort 2009, 72. 857 Willems/van Enckevort 2009, 72.
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Ämter im römischen Militär- und Verwaltungsapparat übernommen hatten.858 Dieser Integrationsprozess sollte einige Jahrzehnte später durch Iulius Civilis, den Anführer der aufständischen Bataver, unterbrochen werden, der laut Tacitus das oppidum Batavorum plündern und anschließend in Brand setzen ließ.859 Batavodurum, das nach Tacitus während desselben Aufstandes Standort der legio II Adiutrix war, wurde von Civilis und seinen Verbündeten in der Folge belagert, was die Vermutung nährte, dass es sich bei oppidum Batavorum und Batavodurum nicht um ein und denselben Ort, sondern um zwei verschiedene Lokalitäten handeln musste.860 Die Entdeckung von Besiedlungsspuren in De Winseling im Westen von Nijmegen, die aller Wahrscheinlichkeit nach einem Sakralkomplex zuzurechnen sind, scheint nach derzeitigem Forschungsstand die Identifizierung mit dem bei Tacitus genannten Batavodurum nahezulegen.861 Funde aus der nahegelegenen Waal, einem Seitenarm des Rheins, lassen zudem vermuten, dass sich hier bereits in vorrömischer Zeit ein Flussübergang und eine alte Kultstätte befunden haben, in der neben gallo-römischen Gottheiten auch lokale Götter verehrt wurden.862 Da man offenbar keinerlei Ambitionen hegte, das niedergebrannte oppidum Batavorum wieder aufzubauen, wurde im späten 1. Jh. n. Chr. jenes Batavodurum des Tacitus zum Hauptort der Bataver erhoben und urbanistisch ausgebaut.863 Im westlichen Teil des heutigen Nijmegen, im Stadtteil Waterkwartier, entstanden im Laufe der Zeit die für eine römische Stadt unabdingbaren öffentlichen Gebäude, darunter ein Forum und eine Badeanlage.864 Kurz nach 100 n. Chr. erhielt die neue Stadt von Trajan das ius nundiarum, das Marktrecht, und wurde in Ulpia Noviomagus umbenannt.865 Während der keltische Ursprung des Wortes Noviomagus (novio = neu; magos = Feld, Ebene, Markt) als gesichert gilt, ist der Zeitpunkt der Hinzufügung des Epithetons Ulpia umstritten.866 Möglicherweise war die Verleihung des Marktrechtes als Kompensation für den Abzug der legio X Gemina von Nijmegen nach Aquincum/ Budapest intendiert, der etwa zeitgleich vonstatten ging und ökonomisch einen klaren Einschnitt für die Region bedeutete. Mit den von Trajan eingeleiteten Maßnahmen wurde Ulpia Noviomagus endgültig zu einem vollwertigen administrativen Zentrum
858 Willems/van Enckevort 2009, 72. 859 Tac. hist. 5,19. Bogaers 1967, 54. Ein Brandhorizont konnte archäologisch in Nijmegen nachgewesen werden. Willems/van Enckevort 2009, 72. 860 Tac. hist. 5, 20. Vgl. Ptol. 2,9,14. Willems/van Enckevort 2009, 69, 76. Von Enckevort/Thijssen 2001, 88, 91. Bogaers 1967, 54. 861 Willems/van Enckevort 2009, 69–70. Von Enckevort/Thijssen 2001, 89–91, Abb. 1. Haalebos 1995a, Abb 1: 7. 862 Willems/van Enckevort 2009, 69–70. Vgl. Tac. hist. 5,19–20. Unter den etwa 100 Münzen aus vorflavischer Zeit sind auch einige keltische Münzen. S. Willems/van Enckevort op. cit. 863 Willems/van Enckevort 2009, 72–73. 864 Willems/van Enckevort 2009, 73. Driessen 2007, 148. Vgl. Bogaers 1967, 55, Abb. 2. 865 Willems/van Enckevort 2009, 74–79. 866 Die Darstellung in diesem und dem folgenden Absatz basiert auf Willems/van Enckevort 2009, 74–79.
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nach römischem Vorbild. Die Stadtrechte erhielt Noviomagus frühestens in der 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr., wahrscheinlich allerdings nicht vor dem 3. Jh. n. Chr., und wurde fortan offiziell unter Municipium Batavorum geführt. Die Einwohnerzahl des neuen Zentrums wird auf nicht mehr als 5.000 Menschen geschätzt. Trotz der Revolte war es den Batavern gelungen, mit den Römern weiterhin auf freundschaftlicher Basis zu agieren, und der in vorflavischer Zeit begonnene Prozess der Integration konnte wiederbelebt werden. Dabei erfuhren alte Stammesstrukturen schnelle Veränderungen, in deren Verlauf offenbar die indigene militärische Elite ausgeschaltet und durch eine neue, aus nicht exklusiv batavischen Landbesitzern bestehende Elite ersetzt wurde, die nach wie vor das Privileg der Steuerfreiheit genoss. Das Fehlen von Militaria unter den Grabbeigaben indigener Gräber lässt zudem erkennen, dass am Ende des 1. Jhs. n. Chr. im Rheinland das Ideal des Kriegers in den höheren Gesellschaftsschichten durch römische Elemente des Grabkultes ersetzt worden war. Unter Marc Aurel wurde schließlich eine Stadtmauer errichtet, nur kurze Zeit später fielen große Teile der Stadt einem Brand zum Opfer. Eine Reihe von Hortfunden deutet auf externe Bedrohungen hin, die am Ende des 2. Jhs. n. Chr. offenbar das gesamte Rheinland in Mitleidenschaft zogen. Zwar wurden Teile des niedergebrannten Ulpia Noviomagus wieder aufgebaut, doch weiß man über die Entwicklungen im ausgehenden 2. bzw. 3. Jh. n. Chr. nicht sehr viel. Wiederkehrende Germaneneinfälle bewirkten um das Jahr 260/270 n. Chr. in jedem Fall die weitgehende Aufgabe des Siedlungsplatzes. Zu den Funden, die in die Sphäre der römischen Gladiatur weisen, zählt eine Grabbeigabe, die im Gräberfeld von Ulpia Noviomagus, dem sog. Heeschen Veld, zu Tage getreten war.867 Dabei handelt es sich um einen grünglasierten Becher auf weißem Grund (Kat. 2.7.4), der die Darstellung von zwei Gladiatorenpaarungen trägt: Die eine Seite des Bechers ziert eine Szene, in der ein secutor gegen einen retiarius kämpft, der versucht, seinen Gegner mit dem Dreizack auf Distanz zu halten.868 Auf der anderen Seite des Gefäßes ist der Kampf eines thraex gegen einen murmillo dargestellt, zwischen denen ein togatus mit Stock – der Schiedsrichter (summa rudis) – auf die Einhaltung der Kampfregeln dringt.869 Hinter dem thraex ist eine weitere Person abgebildet, bei der es sich um den zweiten Schiedsrichter (secunda rudis) oder einen Arenahelfer (harenarius) handeln könnte. Über dieser Szene sind Reste einer Inschrift zu lesen, die die Kampfnamen der Gladiatoren überliefert: ΓΩII HS (?), IVSTVS, ERM/// (?), SA///.870 Allein der Kampfname des thraex, Iustus, ist vollständig erhalten. Datiert wird der Becher in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.871 867 Mestwerdt 1907, 43–44. Brunsting 1974, 74. Junkelmann 2000, 147, Abb. 235. Eine Scherbe, auf der die Inschrift Secundus zu lesen ist, scheint demselben Bechertypus anzugehören. Brunsting op. cit, 90. 868 Mestwerdt 1907, 44. 869 Mestwerdt 1907, 44. 870 Mestwerdt 1907, 44. 871 Mestwerdt 1907, 44. Brunsting 1974, 74–75.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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Ebenfalls mit Beischriften versehene Gladiatorenbilder haben sich auf einem Medaillon (Kat. 2.7.5) erhalten, das ursprünglich als Schmuck-Applike an einem tönernen Gefäß befestigt war und aus einer Werkstatt im Rhône Tal stammt, also ein Importerzeugnis ist.872 Dargestellt ist der Kampf zwischen dem secutor Pancarpus und dem retiarius Rusbrinus.873 Beiden Kampfnamen ist eine weitere Information beigefügt: Neben der Beischrift des Pancarpus findet sich der Buchstabe L und unterhalb der Beischrift des Rusbrinus der Zusatz IMP. P. Wuilleumier und A. Audin lösen das L mit libertus (Freigelassener), das IMP mit impugnavit (er hat Kämpfe absolviert) auf.874 Ungewöhnlich scheinen indes die unterschiedlichen Zusatzinformationen, denn für Pancarpus wird die personenrechtliche Stellung, für Rusbrinus hingegen ein karrierespezifisches Detail hinzugefügt. Rusbrinus trat demnach als Freigelassener an, was bedeuten könnte, dass er als auctoratus, also Freiwilliger, in der Arena kämpfte, vielleicht sogar nach Ablauf seiner regulären Gladiatorendienstzeit. Für Rusbrinus wird dagegen herausgestellt, dass er kein Neuling (tiro) in der Arena war, sondern schon vorher Kämpfe bestritten hatte. Wie er diese absolviert hat, also ob er stans missus aus ihnen hervorgegangen war oder als Sieger, erfahren wir nicht. Auch die Anzahl der Kämpfe, die er bestritten hatte – wie es auf anderen Medaillons aus dem Rhône Tal875 bzw. auf Grabsteinen von Gladiatoren bisweilen bezeugt ist –, wird nicht genannt. Das Amphitheater von Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1) wurde auf dem sog. Hunerberg lokalisiert, einer Endmoräne südöstlich des heutigen Stadtzentrums, die sich als letzte hochwassersichere Anhöhe vor der Mündung des Rheins und seiner Nebenarme in die Nordsee rund 40 m ü. NN über dem Rheindelta erhebt (vgl. Abb. 2a).876 Zudem lag der Ort am Kreuzungspunkt zweier Fernstraßen, von denen die eine entlang des Rheins über Xanten, Neuss und Trier nach Lyon führte und die andere durch das Maastal über Bavay nach Nord-Gallien.877 Diese strategisch günstige Lage spielte in römischer Zeit erstmals im Zusammenhang mit den Drusus-Feldzügen (12–9 v. Chr.) eine wichtige Rolle, als man hier auf dem Hunerberg um 10 v. Chr. ein ca. 40 ha großes Militärlager anlegte, das zwei Legionen und vielleicht Hilfstruppenkontingenten als Operationsbasis diente.878 Zwar ist die genaue Belegung des frühesten Lagers bislang unklar, doch könnte der Fund von Pfeilspitzen und Schleuderbleien auf die Anwesen-
872 873 874 875 876 877 878
Wuilleumier/Audin 1952, 9, 113, Nr. 194a. Wuilleumier/Audin 1952, 114, Abb. 194. Wuilleumier/Audin 1952, 113. Wuilleumier/Audin 1952, 152–153, Nr. 290. Haalebos 1995a, 29, Abb. 1. Haalebos 1995a, 29. Cass. Dio 54,32. Willems/van Enckevort 2009, 41. Haalebos 2000, 465. Haalebos 1995a, 30–36. Van Enckevort/Thijssen 2001, 87. Bogaers 1967, 54–56. Der keramische Befund deutet auf eine Datierung zwischen dem sog. Oberaden-Horizont (11–8/7 v. Chr) und dem frühesten Neuss-Horizont (um 15 v. Chr.) hin. Auch der numismatische Befund legt eine sehr frühe Belegung des augusteischen Lagers nahe. Haalebos 1995a, 41.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
heit von Auxiliarverbänden hinweisen.879 In der Folgezeit wurden auf dem Hunerberg mehrere Lager errichtet, deren Bauspuren sich vielfach überlagern und die Identifizierung von baulichen und chronologischen Zusammenhängen erschweren.880 In frühflavischer Zeit war vielleicht die bei Tacitus erwähnte legio II Adiutrix Pia Fidelis hier stationiert, die von Vespasian hauptsächlich aus ravennatischen Flottenmannschaften ausgehoben und im Jahr 70 n. Chr. zur Niederschlagung des Bataveraufstandes an den Niederrhein entsandt worden war.881 Im Frühjahr des Jahres 71 n. Chr. wurde die legio II Adiutrix nach Britannien abkommandiert und durch die legio X Gemina Pia Fidelis Domitiana, die bis dahin in Arenacium/Rindern (?) gelegen hatte, in Nijmegen ersetzt.882 Letztgenannter werden die Perioden 4 (Holz-Erde-Phase kurz nach 69/70 n. Chr.) und 5 (Steinbauphase, vielleicht um 100 n. Chr.) des Lagers auf dem Hunerberg zugewiesen, die allerdings beide zu klein für die Unterbringung einer kompletten Legion waren (vgl. Abb. 2a).883 Man nimmt daher an, dass einzelne Kohorten für einen längeren Zeitraum in die Zentralziegeleien der Germania Inferior in de Holdeurn oder in die Steinbrüche im Brohltal abgeordnet worden waren.884 In den Jahren 103/104 n. Chr. wurde die 10. Legion nach Aquincum/Budapest in der Provinz Pannonia verlegt, doch geben die Ziegelfunde zu erkennen, dass noch lange nach ihrem Abzug kleinere oder größere Truppenteile im Lager auf dem Hunerberg stationiert waren.885 Neben dem großen Lager auf dem Hunerberg gab es aber noch andere Militärstützpunkte auf dem Gebiet des heutigen Nijmegen, die jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllten.886 Dazu zählte – wohl erst ab tiberischer Zeit – eine kleine Befestigungsanlage am heutigen Trajanusplein, der die Überwachung des Waalübergangs sowie der nahegelegenen Zivilsiedlung oblag.887 Fast 400 m westlich des großen Lagers auf dem Hunerberg stieß man darüber hinaus auf dem Kops Plateau, das sich 64 m ü. NN ober-
879 Haalebos 1995a, 42. 880 Willems/van Enckevort 2009, 31–35. Haalebos 1995a, 38. 881 Tac. hist. 5, 20. Willems/van Enckevort 2009, 23. Lőrincz 2000, 160. Haalebos 1995, 7. Urban 1985, 101–102. Bloemers 1980, 471. Bogaers 1967, 56. Ritterling 1925, 1438–1440. Der genaue Standort der legio II Adiutrix in Nijmegen ist bislang nicht geklärt. Van Enckevort/Thijssen 2001, 98. 882 Willems/van Enckevort 2009, 23–24. Haalebos 2000, 468. Lőrincz 2000, 160–161. Bogaers 1967, 54. Ritterling 1925, 1440. An ihrem dortigen Standort in Deva/Chester kann ein Zusammenhang der legio II Adiutrix mit dem Bau des dortigen Amphitheaters hergestellt werden. S. unten Kap. 2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung, sowie Wilmott 2008, 137. Wilmott/Garner 2009, 66, 70. Golvin 1988, 154, Nr. 37. 883 Van Enckevort/Thijssen 2001, 98. Willems/van Enckevort 2009, 48–56, 73. Haalebos 2000, 468– 469, Abb. 7–8. 884 Haalebos 2000, 469. 885 Willems/van Enckevort 2009, 75. Bogaers 1967, 61–74. Ziegelstempel der legiones VI Victrix, VIIII Hispana, XXII Primigenia, XXX Ulpia Victrix sowie der vexillatio Britannica und des execitus Germanicus inferior und dessen vexillarii haben sich in Nijmegen gefunden, ohne dass die Präsenz jeder dieser Verbände in Nijmegen damit belegt wäre. Haalebos 2000, 469–470. 886 Haalebos 1995a, 29. 887 Willems/van Enckevort 2009, 41. Haalebos 2000, 465. Haalebos 1995a, 29–30.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
123
halb des Rheindeltas erhob, auf Besiedlungsspuren, die bis in das späte Neolithikum zurückreichen und ab etwa 10 v. Chr. die Anwesenheit römischer Soldaten verraten.888 Diese hatten das dicht mit Wald bestandene Plateau systematisch abgeholzt und zum Bau eines dreieckigen, fast 3,5 ha großen Militärlagers genutzt, das nach der Varusschlacht erneuert und vergrößert wurde.889 Die auffällig hohe Anzahl an Offiziersunterkünften, das fast völlige Fehlen von Mannschaftsunterkünften sowie die außergewöhnlich großen Ausmaße des Praetoriums lassen hier in augusteisch-tiberischer Zeit die Kommandozentrale des Truppenkommandanten vermuten.890 Gestützt wird diese These durch den epigraphischen Befund, der die Präsenz einzelner Legionäre oder Legionsdetachements belegt, nicht aber ganzer Legionen.891 Nach Ausweis des archäologischen Befundes kam es in den 30er Jahren des 1. Jhs. n. Chr. aufgrund einer geänderten Germanienpolitik, die vermehrt auf Diplomatie gesetzt zu haben scheint, zum Bau eines neuen, kleineren Lagers auf dem Kops Plateau, das nun eher als Standlager von Hilfstruppen und insbesondere von Auxiliarreitern genutzt wurde.892 Da dieses jüngere Lager auf dem Kops Plateau bis heute das einzige vorflavische Militärlager im Gebiet der civitas Batavorum darstellt, für das eine berittene Besatzung nachgewiesen werden konnte, wird vermutet, dass hier bis zum Jahre 68 n. Chr. die ala Batavorum stationiert war.893 Diese lief laut Tacitus im Jahre 69 n. Chr. von Xanten aus zu den aufständischen Batavern unter ihrem Anführer Iulius Civilis über und kehrte möglicherweise in ihr altes Lager in Nijmegen zurück.894 Das jedenfalls würde erklären, warum das Lager auf dem Kops Plateau nicht wie das benachbarte oppidum Batavorum und fast alle römischen Militärlager am Rhein von den aufständischen Batavern niedergebrannt worden war.895 Nach dem Aufstand der Bataver wurde das Lager auf dem Kops Plateau nicht wieder mit römischen Truppeneinheiten belegt und schließlich in flavischer Zeit von den Bauten der Lager-canabae der auf dem Hunerberg stationierten legio X Gemina teilweise überdeckt.896
888 Van Enckevort/Thijssen 2001, 96. Willems/van Enckevort 2009, 41–43, 70. Van Enckevort/Thijssen 2001, 87. Van Enckevort 1995, 42–44. Haalebos 1995a, 29. 889 Van Enckevort/Thijssen 2001, 92–93. Van Enckevort 1995, 42, 44–45, Abb. 11: 3. Haalebos 2000, 465–468. 890 Van Enckevort/Thijssen 2001, 92–93. Van Enckevort 1995, 44–50. 891 Van Enckevort/Thijssen 2001, 92–93. Haalebos 2000, 465–468. 892 Van Enckevort/Thijssen 2001, 95–96. Willems/van Enckevort 2009, 42. Van Enckevort/Thijssen 2001, 93. Dass es sich bei den Auxiliarreitern um die berühmte ala Batavorum gehandelt hat, konnte bislang nicht erwiesen werden. Haalebos 2000, 465. Van Enckevort 1995, 50–51, 56–57. 893 Van Enckevort/Thijssen 2001, 96. 894 Tac. hist. 4,12; 4,17–18. Van Enckevort/Thijssen 2001, 96. 895 Van Enckevort/Thijssen 2001, 96. Zu einem Gladiatorenhelm, der möglicherweise mit diesen Ereignissen in Verbindung stand, s. unten Kap. 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia. 896 Van Enckevort/Thijssen 2001, 96. Van Enckevort 1995, 57.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
Auf dem Gebiet der canabae legionis auf dem Hunerberg, die sich im Westen, Süden und Osten rund um das Legionslager der legio X Gemina erstreckten, wurde im Südwesten das Amphitheater von Nijmegen lokalisiert (Abb. 2a).897 Es befand sich südwestlich und in einer Entfernung von rund 120 m zur Südwestecke des jüngsten Lagers, dessen steinerner Ausbau mit Vorsicht um das Jahr 100 n. Chr. datiert werden kann.898 Von diesem jüngsten Lager ist das Amphitheater allein durch eine Straße getrennt und liegt auf einem Areal, das in augusteischer Zeit von einem der älteren Militärlager auf dem Hunerberg eingenommen worden war.899 Das Amphitheater auf dem Hunerberg ist demnach als militärisches Amphitheater anzusprechen.900 Die Entstehung der canabae wird in flavische Zeit datiert, in die Zeit also, in der hier bis im Frühjahr 71 n. Chr. vielleicht die legio II Adiutrix Pia Fidelis bzw. in ihrer Nachfolge die legio X Gemina Pia Fidelis Domitiana stationiert waren.901 Der bislang ergrabene Teil der canabae legionis, die sich von provisorischen Unterkünften für Händler und Marketender zu einer festen Ansiedlung entwickelt hatten, förderte bislang vor allem an der südlichen und östlichen Seite Spuren von verschiedenen metall-, glas-, ton- und fleischverarbeitenden Werkstätten zu Tage.902 Im Westen konnten darüber hinaus neben Überresten von Häusern wohlhabenderer Händler und Gewerbetreibender auch die einer Herberge sowie die für militärische vici typischen Streifenhäuser freigelegt werden.903 Zu den markantesten Großbauten der canabae zählen das Forum im Osten des Lagers und das Amphitheater im Südwesten.904 Das mit 166 × 137 m außergewöhnlich große, in Stein errichtete Forum scheint auf eine überregionale Bedeutung seiner logistischen und administrativen Funktionen hinzudeuten.905 Südlich des Forums führte eine Straße vor dem Südtor des Lagers zum nördlichen Eingang des Amphitheaters.906 Die nur spärlichen Funde, die Auskunft über die Bewohner der canabae geben können, zeigen, dass sie großenteils Namen lateinischen Ursprungs führten, einige wenige auch keltische oder griechische Namen.907 Daneben scheint ein Teil der canabae-Bewohner enge Beziehungen zur im Lager stationierten legio X Gemina gepflegt zu haben, wobei Legionäre sogar während ihres aktiven Dienstes zeitweise in den canabae gewohnt zu haben scheinen.908 Die Grabsteine der Angehörigen der 10. Legion verraten indes, dass 897 898 899 900 901 902 903 904 905 906 907 908
Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 138, Abb. 92. Haalebos 2000, 469. Zur Grabungsgeschichte des Amphitheaters s. Driessen 2007, 138–139. Driessen 2007, 138. Driessen 2007, 138. Tac. hist 5,20. Willems/van Enckevort 2009, 73. Driessen 2007, 128. Der genaue Standort der legio II Adiutrix in Nijmegen ist bislang unbekannt. Van Enckevort/Thijssen 2001, 98. Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 128, 144. Haalebos 1995, 7–8. Willems/van Enckevort 2009, 60–61. Driessen 2007, 128. Haalebos 1995, 7–8. Driessen 2007, 144. Driessen 2007, 145. Willems/van Enckevort 2009, 59, Abb. 7. Haalebos 1995, 51. Willems/van Enckevort 2009, 59. Haalebos 1995, 51, Abb. 27, 28.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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ihre Angehörigen vornehmlich aus dem Mittelmeergebiet stammten, insbesondere aus den Provinzen Gallia Cisalpina und Narbonensis sowie aus Hispania.909 Einheimische Bataver lassen sich in den römischen Legionen wohl erst im 2. Jh. n. Chr. fassen.910 Die bislang untersuchten Areale der canabae scheinen in der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. von einem markanten Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet gewesen zu sein, der sich um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. schließlich im gänzlichen Ende von Besiedlungsspuren äußert.911 Offenbar hatte die legio X Gemina den ökonomischen Motor der canabae dargestellt, nach deren Abzug das allmähliche Aus der canabae besiegelt war.912 Besonders das steinerne Baumaterial der canabae-Bauten wurde in der Folge ausgeraubt und verschleppt. Nur der Anlegeplatz am Ufer der Waal, in dessen Nachbarschaft sich bei Ankunft der 10. Legion eine kleine Siedlung formiert hatte, blieb im 2. Jh. n. Chr. noch in Benutzung.913 Das Gebiet im südwestlichen Teil der canabae, in dem das Amphitheater entdeckt wurde, konnte archäologisch bislang nicht umfassend untersucht werden, da es sich in einem Wohngebiet befindet.914 In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnten jedoch im Rahmen des sog. ‚leefstratenproject‘ zumindest Teile des Amphitheaters einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen werden.915 Im Baubefund des Amphitheaters von Nijmegen lassen sich zwei Bauphasen nachweisen, deren Datierung über den archäologischen Befund bislang jedoch nicht gesichert werden konnte.916 Die aus der teilweisen archäologischen Untersuchung gewonnenen Daten lassen auf eine Arenagröße des Nijmegener Amphitheaters von 58 × 46 m schließen.917 Die Arena, die zur Gewinnung von Wallanschüttungsmaterial eingetieft worden war, verfügte über einen flachen Boden und war durch eine mindestens 2 m hohe Podiumsmauer von den Zuschauerrängen getrennt.918 Die cavea bestand in der ersten Bauphase aus ca. 14 m breiten Wallanschüttungen, auf denen sich hölzerne Vorrichtungen für die Sitzgelegenheiten der Zuschauer befanden.919 An ihrer Außenseite wurde die cavea durch eine tief fundamentierte Mauer begrenzt. Im Südwesten hat man zudem einen ca. 3–5 m breiten Zugang zur Arena freigelegt.920 Als zweite Bauphase des Amphitheaters haben die Ausgräber die Errichtung einer weniger tief fundamentierten Außenmauer angesprochen, die parallel zur der aus 909 910 911 912 913 914 915
Haalebos 2000, 469. Haalebos 2000, 470. Willems/van Enckevort 2009, 61. Willems/van Enckevort 2009, 61. Willems/van Enckevort 2009, 61. Driessen 2007, 139. Vgl. Driessen 2007, 138–39, mit Auszügen aus der damaligen Grabungsdokumentation. Haalebos 1995, 7–8. 916 Driessen 2007, 138–142. www.amphi-theatrum.de (10.8.2016). Golvin 1988, 88. 917 Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 139. 918 Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 139. 919 Driessen 2007, 139. 920 Driessen 2007, 139.
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der ersten Bauphase verläuft und zeigt, dass die cavea in dieser zweiten Phase um 4 m verbreitert worden war.921 Damit hatten sich die Außenmaße des Amphitheaters von 86 × 74 m in der ersten Bauphase auf 94 × 82 m in der zweiten Bauphase vergrößert.922 Die Größe der Arena blieb unverändert, so dass diese Baumaßnahme offenkundig einem gestiegenen Platzbedürfnis für Zuschauer geschuldet war. Im Zuge dieser zweiten Bauphase, die nicht nur mit einer Vergrößerung des Zuschauerbereichs, sondern auch mit einem Ausbau der gesamten Anlage in Stein einherging, hat man aller Wahrscheinlichkeit nach eine mindestens 4,5 × 4,5 m große Eintiefung in der Mitte der Arena angelegt, die innen mit Holz verkleidet und über einen 1,5 m breiten Gang mit der Westseite des Amphitheaters verbunden war.923 Am Boden dieser Eintiefung fand sich eine Kuhle mit konkavem Boden, die ebenso wie die Eintiefung selbst und ihr zugehöriger Gang der Installation von Bühnenapparaturen (pegmata) gedient haben dürfte.924 Datiert wird die erste Bauphase des Amphitheaters von Nijmegen über die Anwesenheit der legio II Adiutrix.925 Diese Legion war allerdings erst im Frühjahr des Jahres 70 n. Chr. von Vespasian ausgehoben926 und zur Niederschlagung des Bataveraufstandes an den Niederrhein geschickt worden. Im Frühjahr 71 n. Chr. war sie nach kriegerischen Auseinandersetzungen aber schon wieder auf dem Weg nach Britannien, so dass eine Verbindung mit der Errichtung des Amphitheaters wenig wahrscheinlich scheint. Ein Brandhorizont, der auf eine gewaltsame Zerstörung des hölzernen Amphitheaters auf dem Hunerberg schließen ließe, ist zudem für die erste Bauphase des Amphitheaters nicht überliefert. So bleibt die Möglichkeit, dass das Amphitheater entweder noch in vorflavischer Zeit erbaut wurde, oder aber erst von der legio X Gemina bei ihrem Eintreffen in Noviomagus. Da Bauten in Holzbauweise den klimatischen Verhältnissen am Niederrhein wohl nur eine relativ kurze Zeitspanne standgehalten haben dürften, scheint letztere Hypothese größere Wahrscheinlichkeit zu erlangen. Die zweite Bauphase des Amphitheaters wird dagegen in flavische Zeit datiert und mit der Stationierung der legio X Gemina in Verbindung gebracht.927 Dieser Legion wird bekanntlich sowohl die Errichtung des Militärlagers auf dem Hunerberg kurz nach dem Bataveraufstand (Periode 4) als auch der Ausbau dieses Lagers in Stein (Periode 5) zugeschrieben (s. oben), letzterer aufgrund ihrer Tätigkeit in den Steinbrüchen im Brohltal in den Jahren 101–103.928 Es wäre durchaus denkbar, dass der steinerne Ausbau des Lagers der legio X mit der ‚Versteinerung‘ des Amphitheaters in seiner unmittelbaren Nachbarschaft korrelierte, so dass auch für die zweite Bauphase des Am921 922 923 924 925 926 927 928
Driessen 2007, 139. Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 139. Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 139. Driessen 2007, 139. Die genauen Abmessungen dieser konkaven Mulde sind nicht publiziert. www.amphi-theatrum.de (10.8.2016). Lőrincz 2000, 160. Driessen 2007, 141. Haalebos 2000, 470. Golvin 1988, 88. Haalebos 2000, 468–469, Abb. 7–8. CIL 13, 7697, 7715, 7716. Scholz 2017, 594, 598, Nr. 1–3.
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phitheaters ein Ansatz gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr. plausibel erscheint.929 Als die 10. Legion zu Beginn der Regierungszeit Trajans (um 104 n. Chr.) aus Nijmegen an die Donau abkommandiert wurde, zog ein großer Teil der canabae-Bewohner zusammen mit den Soldaten ab.930 Dass eine der nachfolgenden Truppeneinheiten für den Bau des steinernen Amphitheaters verantwortlich gewesen sein soll, scheint vor diesem Hintergrund wenig wahrscheinlich, denn diese Einheiten bestanden wahrscheinlich aus Vexillationen verschiedener Verbände und/oder waren nur für kurze Zeit auf dem Hunerberg stationiert.931 Auch die drastische Abnahme der Funde ab trajanischer Zeit scheint gegen eine solche These zu sprechen.932 Nicht nur über das erstmalige Erbauungsdatum, sondern auch über die Benutzungszeit des Amphitheaters von Nijmegen herrscht Ungewissheit. Wie die Grabungsbefunde nahelegen, befand sich beim Abzug der legio X Gemina wahrscheinlich ein großer Teil der canabae-Bewohner im Tross der Legion, da für diese Zeit große Areale der canabae als verlassen deklariert werden können.933 Siedlungstätigkeit auf dem Hunerberg ist fortan nur noch in stark reduzierter Form fassbar und kommt schließlich in der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. vollständig zum Erliegen.934 Auch Reparaturen an Militärbauten lassen sich in Nijmegen nicht später als um die Mitte oder die 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. wahrscheinlich machen.935 Münz- und Keramikfunde unterhalb des Arenabodens legen zwar nahe, dass das Amphitheater im späten 2. Jh., möglicherweise sogar noch im 3. Jh. n. Chr. in Gebrauch war.936 Ob es sich dabei aber tatsächlich um munera-relevante Aktivitäten gehandelt hat, lässt der keramische und numismatische Befund leider nicht erkennen. Die Möglichkeit, dass das Amphitheater von Nijmegen im 2. oder sogar 3. Jh. n. Chr. von Bewohnern des westlichen Teils der canabae, von zeitweise stationierten Soldaten oder gar von den 2,5 km entfernt lebenden Bewohnern von Ulpia Noviomagus frequentiert wurde, kann weder bestätigt noch widerlegt werden.937 Es muss daher ungewiss bleiben, bis wann genau Gladiatoren im Amphitheater auf dem Hunerberg gekämpft haben.
929 Driessen 2007, 141, plädiert aus propagandistischen Gründen für einen Ansatz noch in flavischer Zeit. 930 Driessen 2007, 141, Anm. 337. Willems/van Enckevort 2009, 61. 931 Haalebos 2000, 470–476. 932 Haalebos 2000, 477. 933 Willems/van Enckevort 2009, 61. Vgl. Haalebos 2000, 477. 934 Haalebos 2000, 477. 935 Haalebos 2000, 477. 936 Zu den Funden unter dem Arenaboden, die größtenteils aus Überresten von Kannen, Trinkbechern, Tellern und Münzen bestanden, s. Driessen 2007, 139, Anm. 328, 153–155. 937 Vgl. Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 153–155.
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2.2.3 Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1) Die moderne Ortschaft Birten ist ein Stadtteil der niederrheinischen Stadt Xanten, von dessen Stadtzentrum sie nur wenige Kilometer in südöstlicher Richtung entfernt ist.938 Birten liegt am südlichen Fuße des Fürstenberges, einer Erhebung, die in römischer Zeit von großer strategischer Bedeutung war.939 Der antike Name des Ortes Vetera, der in den Historien des Tacitus mehrfach belegt ist, lässt sich etymologisch auf den altgermanischen Begriff „watar“, „Wasser“, zurückführen und hat keinerlei Verbindung zu dem lateinischen Adjektiv vetus (alt).940 Mit Vetera Castra ist demnach ein römisches Militärlager (castra) in oder bei dem Ort Vetera bezeichnet, dessen Namen die Römer offensichtlich für ihren Militärstützpunkt von der dort ansässigen Bevölkerung übernommen hatten.941 Autochthone Keramik, die unter den Funden im Lagerareal von Vetera I eine nur untergeordnete Rolle spielt, deutet möglicherweise auf einen Warenaustausch mit den Einheimischen hin.942 Wo genau sich der Ort Vetera in der Antike befunden hat, erfahren wir ebenfalls von Tacitus: von der CCAA aus rheinabwärts am 60. Meilenstein.943 Hier lag das Areal des Militärlagers von Vetera in unmittelbarer Nähe des Rheins auf einer Anhöhe, die durch saalezeitliche Stauchmoränen im Süden von Xanten entstanden war.944 Ab augusteischer Zeit lassen sich auf der heute als Fürstenberg bekannten Erhebung mehrere, sukzessiv aufeinander folgende Militärlager nachweisen.945 Wohl im Jahr 47 n. Chr. war in einem dieser Lager Plinius der Ältere als Kommandant einer Kavallerieeinheit stationiert, von der wahrscheinlich eine im Lagerareal gefundene phalera, also die Zierscheibe eines Pferdegeschirrs, mit ihrer punzierten Inschrift PLINIO PRAEFE(ecto) EQ(uitum) stammt.946 Strategisch hatte man den Platz dabei nicht allein aufgrund seiner günstigen Topographie gewählt – der Fürstenberg stellt auch heute noch die höchste Erhebung in der näheren Umgebung dar und ragt rund 70 m oberhalb der Niederterrasse des Rheins empor –, sondern auch 938 Hanel 1995, Taf. 1. Hanel 1989, 59. Petrikovits 1959, 89. 939 Hanel 1995, 3. Für eine ausführliche und anregende Diskussion der Befundlage zu den Militärlagern sowie dem Amphitheater auf dem Fürstenberg bin ich Dr. N. Hanel, Universität Köln, zu besonderem Dank verpflichtet. 940 Tac. hist. 4, 18; 4,21,1; 4,36,1; 5,14,1; ann. 1,45,1. Hanel 1994, 264–265. Detten 1995, 59. Zur antiken Überlieferung ausführlich Hanel 1995, 5–7. Obladen-Kauder 2013, 109, vermutet, dass als Namensgeberin für das Lager eine einheimische Siedlung fungierte. Vgl. Hanel op. cit., 265. Auch in Vindonissa wurde eine keltische Siedlung an strategisch wichtiger Stelle friedlich umgesiedelt, um für ein römisches Militärlager Platz zu machen (s. oben zu Vindonissa). 941 Detten 1995, 59. 942 Hanel 1995, 224–226. 943 Tac. ann. 1,45. Zur Entdeckung Veteras ab dem 16. Jh. s. Detten 1995, 59–62. 944 Obladen-Kauder 2011, 107. Song/Hanel 2011, 88. Hanel 2008, 95. Hanel 1995, 3. Detten 1995, 62–64. 945 Song/Hanel 2011, 88, Abb. 67. Hanel 2008, 93, 95, Abb. 74–75, 77. Detten 1995, 66–76. Zur Forschungsgeschichte der Grabungen auf dem Fürstenberg s. Hanel op.cit., 93–95. Obladen-Kauder 2011, 108–110. 946 Hanel 2008, 98, Abb. 80. Detten 1995, 59. Jenkins 1985. Lehner 1926, 8.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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aufgrund seiner Nähe zur wichtigen Wasserstraße des Rheins; auch die freie Sicht auf die Mündung der Lippe, eine der wichtigsten Verkehrsadern in die Germania, zählten zu den bestimmenden Standortfaktoren diese Stützpunktes.947 Rund 70 m vor der südöstlichen Ecke eines Zweilegionenlagers aus neronischer Zeit traf man bei flüchtigen Untersuchungen in den Jahren 1908–1909 auf die Überreste eines Amphitheaters, das an dieser Stelle dank seiner Umwandlung in eine christliche Kultstätte der Nachwelt erhalten geblieben ist (vgl. Abb. 2b).948 Heute sind die Form der elliptischen Arena sowie die ca. 8 m hoch anstehenden und max. 20 m breiten Wälle der cavea im Gelände immer noch erkennbar.949 Dabei befand sich das Amphitheater außerhalb des regelmäßigen Straßennetzes und der dichten Bebauung der zugehörigen Lagersiedlung (canabae legionis), die man mit Hilfe der Luftbildarchäologie vor der Ostumwehrung des Lagers nachweisen konnte.950 Auch unterschreitet der Standort des Amphitheaters den Sicherheitsabstand von ca. 100 m, der von den ersten Ausgräbern des Lagers zwischen den Befestigungsanlagen des Lagers und jenen canabae an der Ostseite beobachtet worden war.951 Aufgrund seiner Errichtung im unmittelbaren Vorfeld eines römischen Militärlagers muss das Amphitheater von Vetera als militärisches Amphitheater angesprochen werden.952 Geographisch liegt es dem jüngsten und zugleich am monumentalsten ausgestalteten Lager auf dem Fürstenberg nahe, einem Zweilegionenlager, das unter der Herrschaft des Nero zu Beginn der 60-er Jahre des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet worden war.953 Es zählte mit einer Größe von ca. 58 ha zu den größten Militärlagern des Römischen Reiches.954 Dabei war die westliche Hälfte des Lagers in neronischer Zeit von der legio V Alaudae, die östliche von der legio XV Primigenia belegt.955 Die legio V Alaudae gehörte bereits zur Besatzung der Lager 2 (10 n. Chr. – 30/40 n. Chr.) bzw. 3
947 Obladen-Kauder 2011, 107. Song/Hanel 2011, 88. Schmitz 2008, 141. Teigelake 2008, 495, Abb. 339. Hanel 1995, 3. Detten 1995, 59. 948 Obladen-Kauder 2013, 109. Hanel 2008, 105, Abb. 77, 84. Grenier 1958, 578–579, Abb. 189. Lehner 1930, 68. Die Ergebnisse der Grabungen von 1908–1909 wurden von Lehner 1910 publiziert. Der Legende nach starb in der Arena des Amphitheaters von Birten der hl. Viktor den Martertod, was die Aufstellung eines Kreuzes im Zentrum der Arena erklärt. Lehner 1910, 258, Abb. 15. Steiner 1906, 452–453. Ausführlich zur Legende des hl. Viktor I. Runde, Sagenhaftes Xanten. Helden und Heilige in mittelalterlichen Sagen und Legenden: St. Mallosus, St. Viktor, Siegfried „von Xanten“ und Hagen von Tronje, Duisburg 2003. 949 Obladen-Kauder 2013, 109. 950 Song/Hanel 2011. Hanel 2008, 105. Obladen-Kauder 2013, 108, gibt die Lage der canabae im Osten, Süden und Westen des neronischen Lagers an. Petrikovits 1976, 973, vermutete die canabae im Osten und Südosten von Vetera I. 951 Hanel 2008, 105. Lehner 1930, 68. 952 So auch Grenier 1958, 578. 953 Song/Hanel 2011, 88–95. Hanel 2008, 97–99, Abb. 81. Zur Forschungsgeschichte der Militärlager s. Hanel 1995, 8–15. 954 Song/Hanel 2011, 88. Hanel 2008, 97–99. 955 Song/Hanel 2011, 95. Hanel 1989, 63. Petrikovits 1976, 973. Lehner 1930, 38.
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(vielleicht bis 46 n. Chr.), die sie sich mit der legio XXI Rapax teilte.956 Unter Claudius wurde die legio XXI Rapax nach Vindonissa/Windisch (CH) abberufen und durch die legio XV Primigenia ersetzt.957 Über die Besatzung des Lagers 4 (bis 60 n. Chr.) weiß man nichts Genaues, obgleich ein Teil der Nordumwehrung archäologisch nachgewiesen werden konnte.958 Da allerdings sowohl die legio V Alaudae als auch die legio XV Primigenia noch als Besatzung für das nachfolgende neronische Zweilegionenlager bezeugt sind, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie auch die Besatzung des claudischen Lagers stellten.959 Das neronische Zweilegionenlager von Vetera wurde im Zuge des Bataveraufstandes (69/70 n. Chr.) belagert und schließlich im Frühjahr des Jahres 70 n. Chr. durch Brand vollständig zerstört.960 Noch in römischer Zeit wurden die Militäranlagen geschleift, wofür die Spolien, die man im Gebiet des späteren Lagers Vetera Castra II sowie der vorcolonialen Siedlung der Colonia Ulpia Traiana gefunden hat, beredtes Zeugnis ablegen.961 Auch in den canabae legionis ließ sich der Raub von Baumaterial nachweisen.962 Spuren eines Zerstörungshorizontes konnten im Amphitheater von Vetera I nicht beobachtet werden.963 Nach dem Untergang von Vetera I errichtete man in einiger Entfernung ein neues Lager, das in der Forschung unter der Bezeichnung Vetera II firmiert.964 Warum man das alte Lagerareal nicht für einen Wiederaufbau nutzte und wo genau sich der Neubau jenes Lagers Vetera II befand, ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion.965 Grund dafür sind die Veränderungen des Flusslaufs, die der Rhein im Laufe der Zeit durch sein Mäandrieren hervorgerufen hat und die alle Spuren des Militärlagers von Vetera II überspült haben.966 Mit einiger Gewissheit geht man indes davon aus, dass dieses Militärlager nur noch einer Legion, als erster der legio XXII Primigenia, Platz bot, die hier von 71 bis wahrscheinlich in das Jahr 97 n. Chr. stationiert war.967 Die legio VI Victrix, die laut Tacitus im Rahmen des Bataveraufstandes an der entscheidenden Schlacht bei Vetera teilgenommen hatte und von 70 bis um 100 n. Chr. in Novaesium/Neuss stationiert war, löste die 22. Legion in 956 Obladen-Kauder 2011, 108. Hanel 2008, 96. Tac. ann. 1,45,1, berichtet, dass diese beiden Legionen 14 n. Chr. in Vetera im Winterlager waren. 957 Obladen-Kauder 2013, 108. Hanel 2008, 97. Hanel 1989, 62. Ritterling 1925, 1759, 1783. 958 Hanel 2008, 97. 959 Vgl. Hanel 1989, 62–63. 960 Tac. hist 4,60: direptis castris faces iniciunt, cunctosque qui proelio superfuerant incendium hausit. Obladen-Kauder 2013, 109. Mainberger/Obladen-Kauder 2011, 125. Song/Hanel 2011, 88. Hanel 1995, 6–7. Detten 1995, 59. Urban 1985, 61–67. 961 Hanel 2008, 105. 962 Hanel 2008, 105. 963 Diesen Hinweis gab mir freundlicherweise N. Hanel. 964 Tac. hist. 4, 21–23, 28–30, 36, 59–60; 5,14–18. Mainberger/Obladen-Kauder 2011. Schmitz 2011, 119. Schmitz 2008, 141. Petrikovits 1976, 973. 965 Zuletzt Schmitz 2011 und Mainberger/Obladen-Kauder 2011. 966 Mainberger/Obladen-Kauder 2011, 125–126. Vgl. Detten 1995, 62–66. 967 Schmitz 2008, 152–158. Franke 2000, 97–99. Ritterling 1925, 1802–1803.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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Vetera II ab.968 Militärisch besetzt war das Lager auch in der Folgezeit noch bis mindestens 260 n. Chr., wobei ab dem 2. Jh. n. Chr. (um 122 n. Chr.) hier die legio XXX Ulpia Victrix stand.969 Eine onomastische Auswertung des Inschriftenmaterials zur Belegung der Militärlager auf dem Fürstenberg hat ergeben, dass die Besatzung von Vetera I im 1. Jh. n. Chr. durch typisch italische Gentilnomina gekennzeichnet ist, was auf den Rekrutierungsraum der Soldaten in Süd-, Mittel- und Oberitalien sowie der Gallia Narbonensis hindeutet.970 Mit Verecundus und Fuscus sind aber auch keltisch anlautende bzw. in keltischen Gebieten weit verbreitete Namen überliefert.971 Aufgrund der schwierigen Überlieferungslage sind Aussagen zur Besatzung von Vetera II nur sehr vorsichtig zu formulieren. Da allerdings im 2. und 3. Jh. n. Chr. zunehmend im jeweiligen lokalen Umfeld der Truppenstandorte rekrutiert wurde, dürfte mit keltisch- und germanisch-stämmigen Angehörigen innerhalb der am Niederrhein stationierten Verbände in diesem Zeitraum zu rechnen sein.972 Unter den Severern ist dagegen auch das Vorkommen thrakischer und illyrischer Rekrutennamen zu erwarten, die man aushob, als das niedergermanische Heer zur Teilnahme an Operationen im Donauraum abkommandiert worden war.973 Darauf, dass sich auf dem Areal des neronischen Zweilegionenlagers neben den Soldaten möglicherweise auch Gladiatoren aufhielten, deutet der Fund einer fragmentierten Gesichtsschutzplatte (Kat. 2.8.2) hin, die sicher dem Visier eines Gladiatorenhelms zuzurechnen ist (Abb. 12).974 Gefunden wurde das Helmfragment 1929/1930 im Bereich der via principalis in der Nähe der porta principalis sinistra (Osttor), also in der Osthälfte des neronischen Militärlagers, das der legio XV Primigenia vorbehalten war.975 In einem Gebäude westlich der principia, also nahe des Stabs- und Verwaltungsgebäudes des Legionslagers, hat man zudem Scherben eines reliefverzierten Glasbechers (Kat. 2.8.4) gefunden, der Gladiatorenpaare und ihre Kampfnamen erkennen lässt,
968 Tac. hist. 5,14; vgl 4,68. Schmitz 2011, 119. Schmitz 2008, 152–159. Bogaers 1967, 60–61. Ritterling 1925, 1602. 969 Franke 2000, 97–98. Schmitz 2011, 119. Hanel 1995, 274. Ausführlich zum ursarius der 30. Legion, Cessorinius Ammausius, s. Kap. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. 970 Weiß-König 2008, 526. Hanel 1995, 157–158, 263–264. 971 Weiß-König 2008, 526–527. 972 Ein Beispiel stellt der bereits erwähnte Cessorinius Ammausius dar (s. unten Kap. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien). Weiß-König 2008, 527. 973 Weiß-König 2008, 527. 974 Junkelmann 2000, 174, Kat. H21, Abb. 300. Hanel 1995, 54, Kat. B 130, Taf. 8.1. Ausführlich zur Gesichtsschutzplatte aus Vetera, zu der wahrscheinlich eine Krempe eines Gladiatorenhelms, die man in der Waal bei Nijmegen gefunden hat, gehört s. unten Kap. 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia. 975 Hanel 1995, 54. Hanel 2008, 105.
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hier die eines gewissen Proculus und vielleicht eines Prudes.976 Gefäße aus Glas werden innerhalb eines Militärlagers zu den Luxusgütern gerechnet, während das Gebrauchsgeschirr der Soldaten vor allem aus Tongeschirr bestand.977 Über den Kontext kann der Glasbecher in claudisch-neronische Zeit datiert werden.978 Für den Standort des Amphitheaters von Vetera wählte man – ähnlich wie für das Lager selbst – einen topographisch günstigen Ort, indem man es in einem ‚Hochtal‘ des Fürstenberges zwischen zwei Erhebungen platzierte: Fast mit seiner gesamten nördlichen Hälfte schmiegte es sich an den vom Lagerareal her abfallenden Südhang des Fürstenberges an, während es mit seiner südlichen Hälfte einen nach Süden hin wieder leicht ansteigenden Auslauf des Fürstenberges ausnutzte.979 Dadurch kommt die Längsachse des Monumentes – und mit ihr die beiden Hauptzugänge – fast genau in der ‚Talsohle‘ zwischen den beiden genannten Geländeanstiegen zu liegen. Wie für Amphitheater üblich, war die Arena des Amphitheaters von Vetera in den Boden eingetieft und der dadurch gewonnene Aushub zur Aufschüttung von Erdwällen genutzt worden, auf denen sich aller Wahrscheinlichkeit nach hölzerne Unterkonstruktionen für die Sitzstufen der Zuschauer befanden.980 Durch den sicherlich mit Bedacht gewählten Standort des Amphitheaters konnte man die notwendigen Erdarbeiten relativ gering halten. Zugänglich war das Amphitheater in neronischer Zeit von der Verlängerung der via praetoria, die aus dem Südtor des Zweilegionenlagers führte und sich nach Süden hin Richtung Asciburgium/Moers fortsetzte.981 Von dieser Straße hat es möglicherweise eine kleine Stichstraße gegeben, die direkt zum Westeingang des Amphitheaters führte. Dass es auch von Osten her für die Bewohner der canabae eine verkehrsmäßige Anbindung an das Amphitheater gegeben hat, ist wahrscheinlich, lässt sich aber aufgrund der modernen Überbauung derzeit archäologisch nicht nachweisen. Ebenfalls ungewiss ist die Zuwegung in vorneronischer Zeit. Die Außenmaße des Amphitheaters werden auf ca. 98 × 84 m beziffert, die elliptische Arena maß 55,5 × 42,4 m.982 Die Kapazität des Amphitheaters wird auf ca. 10.000 Zuschauer geschätzt.983 Als H. Lehner die Arena des Amphitheaters mit zwei, bis in den Arenabereich hineinreichenden Suchschnitten durch den Wall an der südlichen Seite untersuchte, stellte er zudem fest, dass sich das von den Zuschauerhängen abge976 977 978 979 980
Hanel 1995, 243, 657, Kat. E88, Taf. 19,1. Hagen 1917, 166–167. Hanel 1995, 240. Hanel 1995, 243. Hanel 1995, Taf. 1. Steiner 1906, 452. Obladen-Kauder 2013, 109. Hanel 2008, 105. Hanel 1989, 67. Hönle/Henze 1981, 156. Lehner 1926, 47, Abb. 49. Lehner 1910, 258–259. 981 Vgl. Zieling 2008, Abb. 249. 982 Hanel 2008, 105. Lehner 1926, 47. Obladen-Kauder 2013, 109, gibt ein Arenamaß von 47 × 34 m an, Grenier 1958, 578, von 47,5 × 34,5 m. Bei ihrer erstmaligen teilweisen Freilegung in den Jahren 1908–1909 erkannte man das Ausmaß der Hangabschwemmungen, die durch Erosion die Wälle verschliffen hatten. Lehner 1910, 259. 983 Obladen-Kauder 2013, 109.
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schwemmte Erdreich am Fuße der cavea gesammelt hatte. Dadurch war der ursprünglich senkrecht verlaufende, rund 1,80 m hohe Abfall der Zuschauerhänge zur Arena hin verdeckt worden.984 Dieser ursprünglich steile Abstich der Zuschauerhänge zur Arena hin beweist, dass die Arena mit einer hölzernen oder steinernen Einfassung versehen war, die ebenfalls annähernd 2 m hoch und so massiv gebaut gewesen sein muss, dass sie dem Druck der cavea-Erdmassen standhalten konnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Fund einer doppelten Pfostenlochreihe, die die Arena wahrscheinlich vollständig umgab und deren Lochabstände von 1,60 m bis 2,00 m variieren.985 Die äußere Pfostenlochreihe war direkt vor dem senkrechten Abfall der cavea-Anschüttungen platziert, die innere Pfostenlochreihe dagegen im Abstand von rund 1,50 m zum senkrechten Abfall der cavea.986 Keramik, die man in der Füllschicht direkt über dem gewachsenen Boden sowie in den Pfostenlöchern fand, wird in claudisch-neronische Zeit datiert.987 Unter diesen Funden war auch ein Ziegelfragment mit erhaltenem Monogrammstempel TRA in Ligatur, ein Monogramm, das im Zusammenhang mit Stempeln der legio XV im Lagerareal vielfach zu Tage trat und dort auf die Bautätigkeit der 15. Legion schließen lässt.988 Dieser Ziegel mit Mongrammstempel könnte – anders als andere Baukeramik der 15. Legion – aus einem Vorläufer der tegularia transrhenana stammen, einer von verschiedenen Vexillationen betriebenen Ziegelei im Rechtsrheinischen, von der allerdings bislang keine archäologischen Spuren aufgefunden wurden.989 Die Zweckbestimmung der doppelten Pfostenlochreihe kann ohne neuerliche archäologische Untersuchungen nur vermutet werden. Möglich wäre, dass die Pfostenlöcher der äußeren Reihe Stützpfähle einer Holzwand990 aus rund 2 m langen, horizontalen Holzplanken aufnahmen, die der Abstützung der cavea-Anschüttungen und zugleich dem Schutz der Zuschauer diente. Dass dieser Holzwand im Abstand von 1,50 m eine weitere Holzwand vorgelagert und der Zwischenraum beider Wände mit Baumaterial verfüllt war, um eine größere Stabilität zu erwirken, ist vorstellbar, mangels Parallelen in anderen Amphitheatern aber nicht sehr wahrscheinlich. Eine weitere Möglichkeit für die innere Pfostenlochreihe bietet indes die Annahme einer 984 Lehner 1910, 259. Aufgrund der topographischen Situation muss in der nördlichen Hälfte mit noch stärkeren, erosionsbedingten Abschwemmungen gerechnet werden. 985 Lehner 1910, 259, Abb. 13–14. Grenier 1958, 579. 986 Lehner 1910, 259, Abb. 13–14. Lehner 1930, 70, Abb. 50–51. 987 Lehner 1910, 259. Lehner 1930, 70. 988 Hanel 1995, 272–274, Kat. G 1136. Lehner 1910, 259. Hanel 1995, 273: „Die Bedeutung der Monogrammstempel steht primär mit der Verbreitung im Lagerareal in Zusammenhang. Mit Ausnahme zweier Exemplare (G 1129, 1135) verteilt sich die Hauptmasse der Ziegel auf die zur 15. Legion gehörenden Bauten bzw. auf die von dieser Einheit kontrollierten Umwehrungsabschnitte.“ 989 Schmitz 2002, 354, Abb. 10. Hanel 1995, 273–274. Zur Ziegelei der 15. Legion s. Schmitz 2008, 154, Abb. 101. 990 So auch: Obladen-Kauder 2013, 109. Hanel 2008, 105. Lehner 1926, 47. Lehner 1910, 259. Grenier 1958, 579, vermutet „une double charpente“.
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Pfosten-Netz-Konstruktion zur Sicherung der Zuschauer vor Übergriffen von wilden Tieren während einer venatio.991 Diese wäre dann bei einem Abstand von ca. 1,50 m von der eigentlichen Podiumsmauer im unliebsamen Sichtschatten der Arenaeinfassung und damit für den Ablauf eines munus wenig störend platziert worden. Eine letzte – und meines Erachtens überzeugendste – Option würde schließlich ein verdeckter Bedienungsgang offerieren, den man sich zwischen zwei von Holzpfählen gestützten Holzwänden und mit einer Holzdecke versehen vorstellen müsste.992 Die Breite von ca. 1,50 m würde dabei nicht nur für die Deckenkonstruktion jenes Ganges unproblematisch sein, sondern fände in den Breiten anderer Bedienungsgänge von Amphitheatern in Germanien (Aventicum: Kat. 1.5.1, Vindonissa: Kat. 1.16.1, Colonia Ulpia Traiana: Kat. 2.3.1) Parallelen.993 Die Decke jenes (mutmaßlichen) Bedienungsganges hätte dann – wie es in Amphitheatern mit verdecktem Bedienungsgang üblich ist – im Bereich der cavea zugleich als Fußboden einer praecinctio gedient, die das Podium für die Honoratioren zur Arena hin säumte.994 Auf der Längsachse der Arena befanden sich die zwei Haupteingänge, die porta sanavivaria sowie die porta libitinensis, die auch heute noch im Geländeprofil erkennbar sind.995 Darüber hinaus berichtete H. Lehner, dass es zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausgrabungen im Amphitheater auf der Querachse Fußwege gab, die ihr Ausgräber jedoch ohne weitere Untersuchung als rezente Erscheinungen deklarierte.996 Da in einer Vielzahl der in Germanien gefundenen Amphitheater, aber auch andernorts im Imperium Romanum, die Querachsen der Arenen der Ort für sog. carceres waren, könnten die modernen Wege in die Arena gegebenenfalls auf die Existenz solcher antiker ‚Warte- und Aufbewahrungsräume‘ hindeuten. Zusammen mit einem ebenfalls mutmaßlichen verdeckten Bedienungsgang ergäbe sich für das Amphitheater von Vetera daraus eine Anlage, die für die Inszenierung von munera einen größeren Spielraum erlaubte, als das bislang in der Forschung angenommen wurde. Bedenkt man zudem, dass das neronische Lager und wahrscheinlich bereits seine Vorgängerbauten zwei Legionen als Standlager dienten, scheint ein gewisses Ausstattungsniveau bei der architektonischen bzw. funktionalen Gestaltung des Amphitheaters durchaus vorstellbar. In der Forschung wird das Amphitheater von Vetera Castra aufgrund seiner geographischen Nähe zum jüngsten Zweilegionenlager und der wenigen Keramikfunde
991 Zu derlei Konstruktionen in der Arena verschiedener Amphitheater s. Hufschmid 2009, 236–239, mit weiterführender Literatur. Bomgardner 2000, 21. Cozzo 1971, 56–58, Abb. 38. 992 So schon von Grenier 1958, 579, vermutet. 993 Müller 2008, 367, Abb. 220, 222. Heidenreich 1940, 41–42. 994 Die von Lehner geäußerte Vermutung, dass das über dem Bedienungsgang befindliche Podium bzw. Pulpitum 1,50 m breit gewesen sei, ist abzulehnen, da dies viel zu schmal wäre und in keinem anderen Amphitheater bislang in dieser Weise nachgewiesen werden konnte. 995 Lehner 1926, 47, Abb. 24. Grenier 1958, 579. 996 Lehner 1910, 258. Lehner 1930, 69.
2.2 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Inferior
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in neronische Zeit datiert.997 N. Hanel hingegen hält es aufgrund der Orientierung der Längsachse des Amphitheaters für möglich, einen Bezug zum Vorgängerlager aus claudischer Zeit herzustellen.998 Bei der Errichtung eines Amphitheaters waren in der Regel die Geländeformationen entscheidend, um notwendige Erdbewegungen so gering wie möglich zu halten (s. oben). Die Orientierung der Achsen des Bauwerkes dürfte daher keine oder eine nur untergeordnete Rolle gespielt haben. Doch scheint die These Hanels generell verlockend, da auch der Fund des bereits erwähnten Ziegelfragmentes mit Monogrammstempel an eine Datierung des Amphitheaters schon in claudischer Zeit denken lässt.999 Die 15. Legion, die mit dem Ziegelstempel in Verbindung gebracht werden kann, wurde vielleicht schon in den Jahren 43/44 n. Chr. dem niedergermanischen Heer angegliedert und löste danach die bis dahin in Vetera stationierte legio XXI Rapax ab.1000 Vielleicht diente also die Ankunft der neuen Legion in Vetera als willkommener Anlass für die Errichtung eines Amphitheaters, das von den Soldaten der 15. Legion erbaut wurde. Würde das erwähnte Gladiatorenhelmvisier (Kat. 2.8.2), das man im Lagerareal gefunden hat, tatsächlich auf Ausrüstungsgegenstände von Gladiatoren im Besitz der 15. Legion hindeuten, könnte man auch vermuten, dass zu dieser Legion eine familia gladiatoria gehörte, die bei ihrer Ankunft ein für die Veranstaltung von Gladiatorenkämpfen geeignetes Bauwerk erstmals errichtete.1001 Die erwähnte Unterschreitung des Sicherheitsabstandes von 100 m zwischen Militärlager und canabae, wie ihn die Altgrabung beobachtet hatte, würde auf diesem Wege ebenfalls eine Erklärung finden, denn zum claudischen Lager, dessen Südumwehrung möglicherweise etwas weiter nördlich lag, hätte das Amphitheater einen größeren Abstand gehabt.1002 Darüber hinaus würde die Einfachheit in der Bauweise des Amphitheaters von Vetera besser in vorneronische Zeit passen, als auch die ‚Versteinerung‘ der Lagerinnenbauten noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Errichtung des steinernen Amphitheaters von Vindonissa (Kat. 1.16.1) um 50 n. Chr. mit dem dortigen Eintreffen der legio XXI Rapax in Verbindung gebracht wird (s. oben), die von Vetera dorthin abkommandiert worden war. Die Benutzungszeit des Amphitheaters von Vetera liegt aufgrund fehlender archäologischer Befunde im Dunkeln.1003 Da das Amphitheater von Vetera in einem engen Zu997 Lehner 1910, 259. Lehner 1926, 47. Lehner 1930, 70, der noch von einem Zweilegionenlager aus claudisch-neronischer Zeit ausging, hält die Errichtung des Amphitheaters und des Militärlagers für zeitgleich. Hanel 2008, 105, der aufgrund der Ausrichtung der Längsachse des Amphitheaters auch eine Zugehörigkeit zum claudischen Vorgängerbau des Lagers für möglich hält. 998 Hanel 2008, 105. 999 Lehner 1910, 259. 1000 Ritterling 1925, 1759. 1001 Vgl. unten Kap. 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia. 1002 Vgl. Hanel 2008, Abb. 77. Die Lokalisierung der Südumwehrung des claudischen Lagers ist, wie mir N. Hanel freundlicherweise mitteilte, bislang nicht geglückt. 1003 Wahl 1977, 123, plädierte für eine Aufgabe des Amphitheaters im Zusammenhang mit dem Abzug der Legionen auf dem Fürstenberg.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
sammenhang mit der Märtyrerverehrung des heiligen Viktor stand, muss es in nachrömischer Zeit noch als solches erkennbar gewesen sein. Die Legende des hl. Viktor ist schriftlich erst im 9. Jh. sicher belegt, zu einer Zeit, als der Ort seines Martyriums bereits berühmt war.1004 Es wäre demnach durchaus vorstellbar, dass das Amphitheater länger in Benutzung war, als bislang angenommen. Denkbar wäre, dass es die Unbilden des Bataveraufstandes soweit überstanden hatte, dass es durch die erste Besatzung von Vetera II, die legio XXII Primigenia, wieder instand gesetzt werden konnte. Das Lager, das sich im Osten von Vetera I und etwas weiter westlich als bislang vermutet befunden zu haben scheint,1005 lag demnach nur einige hundert Meter östlich und damit nach wie vor in fußläufiger Entfernung zum Amphitheater.1006 Da nach neuesten Erkenntnissen das Amphitheater der nahegelegenen Colonia Ulpia Traiana, das über eine Straße mit dem Legionslager von Vetera II in Verbindung stand, möglicherweise nicht vor den 20er Jahren des 2. Jhs. n. Chr. erbaut wurde, scheint es plausibel, dass das alte Holzamphitheater von Vetera bis mindestens zu diesem Zeitpunkt weiterhin genutzt wurde.1007 Vielleicht bot ja die Ankunft der legio XXX Ulpia Victrix in Vetera II, die um 121/122 n. Chr. datiert wird,1008 einen willkommenen Anlass, ein neues Militäramphitheater zu bauen. Oder koexistierten sogar das militärische Amphitheater von Vetera und das zivile der Colonia Ulpia Traiana? Das endgültige Ende des Amphitheaters von Vetera Castra I (und II?) dürfte spätestens allerdings mit dem Untergang des Lagers von Vetera Castra II erreicht gewesen sein, das vermutlich im Jahre 276 n. Chr. durch massive Frankeneinfälle vollständig zerstört und aufgegeben wurde.1009 2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung Über den Prozess der Errichtung römischer Amphitheater im Imperium Romanum, d. h. von der Projektplanung über die Baugenehmigung bis hin zur Finanzierung, Bauaufsicht, Baudurchführung und Bauabnahme, sind wir aufgrund der recht spärlichen Überlieferungslage nicht sonderlich gut informiert. Dies gilt vor allem für die militärischen Amphitheater, die bislang weder durchgängig als solche klassifiziert, noch inner1004 In einer späteren, um 1000 n. Chr. von einem Unbekannten erweiterten Version wird das Martyrium des hl. Viktor mit einem Ereignis in der Regierungszeit des Kaisers Maximinianus (286– 292 n. Chr.) verbunden. Runde 2003, 3–4. 1005 Schmitz 2011. 1006 Vgl. Schmitz 2011, Abb. 99. Das militärische Amphitheater von Arnsburg lag in einer Entfernung von 250 m zum Lager, das von Vindonissa in 330 m, das vom Zugmantel am Galgenköppel in 360 m Entfernung vom zugehörigen Lager. 1007 Die Datierung des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana ist durch die Aufarbeitung der alten Grabungsdokumentation und neuerliche Nachuntersuchungen deutlich nach oben verschoben worden (freundliche Auskunft von Dr. Müller, APX). 1008 Schmitz 2011, 119. Franke 2000, 97–98. Hanel 1995, 274. 1009 Otten 2012, 200. Petrikovits 1959, 132.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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halb dieser notwendigen Klassifizierung systematisch analysiert wurden.1010 Die zivilen Amphitheater hingegen fallen in den Bereich der Großbauten im öffentlichen Raum und gehorchen daher vordergründig allgemeinen administrativen Regelungen, wie sie auch in anderen Teilen des Imperium Romanum galten. Entscheidungs- und Genehmigungsprozesse sind im zivilen Sektor deswegen klarer zu greifen und eher vergleichbar.1011 Dennoch erhellt aus einer Synopse der Bauinschriften, dass auch die zivilen Amphitheater – so wie Theater und Circusanlagen – innerhalb der öffentlichen Bauten eine Sonderstellung einnahmen.1012 So werden in Bauinschriften von zivilen Amphitheatern grundsätzlich nur drei Personengruppen genannt: der Kaiser bzw. Mitglieder des Kaiserhauses, Städte und Privatpersonen. Aus der grammatischen Struktur der Inschriftentexte geht hervor, dass im Rahmen von Baumaßnahmen an zivilen Amphitheatern Städte und Privatpersonen immer als Finanziers auftreten, der Kaiser hingegen meist als Adressat der Dedikation eines Amphitheaters.1013 Der Kaiser als Geldgeber oder Stifter eines zivilen Amphitheaters kommt nur ausgesprochen selten vor – prominentestes Beispiel ist das aus Kriegsbeute finanzierte Colosseum in Rom.1014 Darüber hinaus treten Städte nur in Verbindung mit dem Neubau eines Amphitheaters im zivilen Sektor in Erscheinung, nie mit Umbau- oder Restaurierungsarbeiten.1015 Dieser Bereich scheint allein Privatpersonen vorbehalten gewesen zu sein, vielleicht weil diese finanziell weniger opulent und damit leichter euergetischem Bestreben zugänglich waren. Diese Beobachtungen passen zu einer in den Digesten überlieferten Stelle, die dem Juristen (M.?) Aemilius Macer zugeschrieben wird, dessen Werke zwischen 211 n. Chr. und 235 n. Chr. entstanden sind: Opus novum privato etiam sine principis auctoritate facere licet, praeterquam si (…) vel circum theatrum vel amphitheatrum sit. (…) Inscribi autem nomen operi publico alterius quam principis aut eius, cuius pecunia id opus factum sit, non licet.1016 1010 Davon auszunehmen ist Golvin 1988, 154–156. 1011 Horster 2001, 202–222. 1012 Die beste Übersicht bietet Borhy 2009, 94–123. Daneben bietet das bislang in acht Bänden erschienene Corpus Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente romano eine wichtige Sammlung inschriftlicher Zeugnisse zur römischen Gladiatur. 1013 Hufschmid 2009, 194, bietet eine Auswertung epigraphischen Quellenmaterials zur Baufinanzierung von Amphitheatern, allerdings ohne zwischen militärischen und zivilen Amphitheatern zu unterscheiden. 1014 Zur Bauinschrift des Colosseums s. zuletzt EAOR VI, 39–41. 1015 Vgl. Alföldy 2002, 129–130, Nr. 22: [Colonia Be]nevent[an(orum) / amphitheatr]um sua p(ecunia) [fecit / et --- omni]que cultu exor[navit, / Imp(erator) Caes(ar) M(arcus) Aur(elius) Comm]odus Pius Fe[lix Aug(ustus) / edito spectaculo (?) gladi]atorio dedic[avit]. 1016 Digesten 50.10.3: Einer Privatperson ist es erlaubt, auch ohne die Ermächtigung/Vollmacht des Kaisers einen Neubau zu errichten, ausgenommen/außer wenn (…) [dieser Neubau] entweder ein Circus, ein Theater oder ein Amphitheater ist. (…) Nicht erlaubt ist es, dass einem öffentlichen Gebäude ein anderer Name als der des Kaisers oder der Person, mit dessen Geld dieses Bauwerk errichtet wurde, eingeschrieben werde (Ü: Verf.). Horster 2001, 211–213. Borhy 2013, 57. Futrell 1991, 165–166. Zu Aemilius Macer und seinem Werk s. Sallmann 1997, 214–215.
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Aus dieser Textpassage gehen zwei Dinge klar hervor: 1. Ein Neubau im öffentlichen Raum durfte von einer Privatperson ohne kaiserliche Genehmigung errichtet werden, nicht aber wenn es sich dabei um einen Circus, ein Theater oder ein Amphitheater handelte. Daraus folgt, dass für den Bau von spectacula-Monumenten eine besondere Genehmigung des Kaisers (auctoritas principis) vonnöten war.1017 2. Die Bauinschrift eines neuen öffentlichen Gebäudes durfte nur den Namen des Kaisers oder den des Geldgebers tragen. Die Nennung anderer Personen im Inschriftentext war demnach nicht zulässig – eine Vorschrift, die – wie wir sehen werden – für militärische Amphitheater nicht zutrifft. Dabei ist es aus mehreren Gründen wahrscheinlich, dass dieses Gesetz auch schon vor der Schaffenszeit des Aemilius Macer (Beginn des 3. Jhs. n. Chr.) Geltung besaß: Im gesamten Imperium Romanum sind ab der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. keine Neubauten von Amphitheatern mehr zu verzeichnen, so dass das in den Digesten erhaltene Edikt nur dann sinnvoll erscheint, wenn es frühere Zustände im Baurecht reflektiert.1018 Darüber hinaus ist eine Sonderstellung der Amphitheater schon allein durch die seit augusteischer Zeit bestehende Verstaatlichung der Gladiatorenkämpfe plausibel:1019 Umfang und Ausmaß der munera gladiatoria waren streng reglementiert und jedes Ausbrechen aus diesem Reglement bedurfte der kaiserlichen Genehmigung.1020 Dass auch der Bau eines Amphitheaters einer solchen kaiserlichen Genehmigung bedurfte, scheint vor diesem Hintergrund mehr als glaubhaft. Und nicht zuletzt zeugt der epigraphische Befund davon, dass die in den Digesten überlieferten Vorschriften für die Inschriftenpraxis von Amphitheatern auch in früheren Zeiten Geltung besessen haben müssen, denn in den überlieferten Bauinschriften von zivilen Amphitheatern werden in der Tat nur die jeweiligen Geldgeber genannt oder der Kaiser, sofern ihm
1017 Futrell 1991, 180. 1018 Horster 2001, 212–213. Futrell 1991, 165–166. Puk 2014, 250. Bomgardner 2000, 197–201. Zur Bauinschrift des Colosseums in Rom s. EAOR VI, 39–41. Interessant ist auch, dass besagter Jurist Aemilius Macer nicht nur seine juristischen Abhandlungen vermutlich in Africa verfasste, sondern wahrscheinlich auch einer aus Numidien stammenden Familie angehörte, zu deren Vorfahren M. Aemilius Macer Saturninus zählte, 174 n. Chr. Suffektkonsul und ab 172 Kommandeur bzw. praeses der Provinz Numidia (Sallmann 1997, 214) und vier der insgesamt acht überlieferten Bauinschriften von Militäramphitheatern aus der Provinz Numidia stammen. 1019 Zur sog. θεία φιλοδωρία / θεία δωρεά s. Mann 2011, 62–64, Anm. 82 mit weiterführender Literatur; vgl. auch Mann op. cit., 32–33. Ebner 2013, 164. Eck 1998, 64, 183. Futrell 1991, 165–169, 212–213. Baltrusch 1988. Wiedemann 2001, 17–19. Halfmann 1986, 124–129. Ville 1981, 121–122, 161–168. Zum Verfahren bei der Durchführung kaiserlicher Bauaufträge im zivilen Bereich s. Horster 2001, 202– 205. Vgl. auch das bei Tac., ann. 13,31, überlieferte Edikt Neros, das Magistraten oder Provinzprokuratoren verbietet, Gladiatorenkämpfe oder venationes zu veranstalten. Ebner 2013, 182. 1020 Baltrusch 1988, 326, Anm. 15. Auch die Nicht-Abhaltung von munera bedurfte der kaiserlichen Genehmigung. Mann 2011, 78–79. Vgl. Ebner 2013, 162–163, 185–186.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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das Bauwerk gewidmet wurde. Architekten, Bauarbeiter, Lieferanten von Baumaterial oder Handwerker bleiben durchgängig unerwähnt. Da das Quellenmaterial für die beiden Provinzen Germania Superior und Inferior ausgesprochen karg ist, sollen im Folgenden vor allem die bislang nicht untersuchten Bauinschriften militärischer Amphitheater des Imperium Romanum in den Blick genommen werden. Dieses Vorgehen gewährt nicht nur einen Einblick in die Prozessstruktur beim Bau eines Militäramphitheaters, sondern lässt in der kontrastierenden Betrachtung auch die zivile Administration in einem veränderten Licht erscheinen. Dies wiederum erlaubt, das spärliche ‚germanische‘ Material optimal auszubeuten. Da sowohl die römische Gladiatur als auch das römische Militär der kaiserlichen Kontrolle unterstanden und ein starkes normatives Element erkennen lassen, erscheint dieses Vorgehen in besonderem Maße erfolgversprechend.1021 Für das Imperium Romanum skizzierte Beobachtungen können daher für die Provinzen Germania Superior und Inferior wichtige Hintergrundinformationen liefern, die die Entschlüsselung des Quellenmaterials der beiden Germanien entscheidend vorantreiben. 2.3.1 Der Kaiser und die Errichtung von Militäramphitheatern: Vergnügen der Soldaten oder Sicherung seiner Macht? Die römischen Kaiser setzten ihr Heer zu verschiedensten Aufgaben ein, darunter nicht selten Arbeiten im Bereich des Bauwesens.1022 Dies konnte umso leichter geschehen, als dass die meisten der Legionssoldaten bei ihrem Eintritt in die Armee bereits ein Handwerk gelernt hatten oder während der ersten Jahre ihres Dienstes in einem solchen unterwiesen wurden.1023 Das Erbauen von Brücken, Straßen, Tempeln oder Basiliken fiel daher bisweilen den Soldaten der kaiserlichen Truppen zu.1024 Dass unter den zu errichtenden Bauwerken auch Amphitheater waren, ist durch literarische, epigraphische und archäologische Quellen vielfach belegt.1025 So befahl laut Sueton Kaiser Nero im Jahr 57 n. Chr. auf dem Marsfeld den Bau eines hölzernen Amphitheaters.1026 Da es innerhalb kurzer Zeit (intra anni spatium) fertiggestellt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass geübte Baumeister am Werk waren. P. Le Roux vermutete, dass
1021 Mann 2011, 76. 1022 Futrell 1993, 212–215. Zu den verschiedenen Einsatzbereichen des Militärs im Bauwesen s. Horster 2001, 168–183. Vgl. Le Roux 1990, 205 mit Anm. 41, 210. 1023 Fischer 2012, 17. Wesch-Klein 1998, 32–34. Futrell 1991, 213. 1024 Futrell 1993, 212–218. Fischer 2012, 11. Zur Finanzierung solcherlei Baumaßnahmen, die nicht automatisch aus der kaiserlichen Kasse erfolgten, s. Horster 2001, 169–170. 1025 Vgl. Wiedemann 2001, 171–172. Futrell 1991, 219 f. 1026 Suet., Nero 12,1: munere, quod in amphitheatro ligneo regione Martii campi intra anni spatium fabricato dedit, neminem occidit, ne noxiorum quidem. Vgl. Tac., ann. 13,31. Ville 1981, 138, 141–142. Wahl 1977, 123. Zu hölzernen Amphitheatern s. auch Welch 2007, 65–71. Golvin 1988, 98–101, Tab. 3.
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es sich bei diesen um Soldaten der Prätorianergarde oder der cohortes vigilum gehandelt haben könnte.1027 Kaiser Hadrian, der in seiner Heimatstadt Italica/Santiponce (Baetica) eines der größten Amphitheater des Imperium Romanum erbauen ließ,1028 wurde auf seinen vielfältigen Reisen durch das römische Reich von einem Bautrupp begleitet, den der Kaiser in militärischen Kohorten organisiert hatte.1029 Auffällig ist, dass sich auf seiner Reiseroute im Jahre 121/122 n. Chr. entlang verschiedener Grenzbefestigungen des Reiches Amphitheater nachweisen lassen, deren Erbauung in diesen Zeitraum fallen könnte.1030 Zu diesen zählen die Amphitheater von Dyrrhachium/Durrës (Macedonia),1031 Micia/Vetel (Dacia),1032 Scarbantia/Sopron (Pannonia Superior),1033 Carnuntum/
1027 Le Roux 1990, 205, Anm. 34. Der Text einer Ehreninschrift aus der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. aus der Nähe von Demir-Kapu in der Provinz Galatia im heutigen Zentralanatolien beweist, dass hölzerne Amphitheater offenbar auch in noch kürzerer Zeit erbaut werden konnten: [L(ucio) Calpurnio] / [L(uci) C]alpurnii Pau[l]/[li f(ilio)] Ser(gia) Longo pon[t(ifici)] / [q]ui primus omn[ium] / [ex superabundan]/[t]i messe p[opulo Ant(iocheno)] / [m]unus promisit [et] / [in]tra duos men[ses] / [a] mphitheatrum ligne/[u]m fecit venatione[s] / cot(t)idie omnis ge[ner]/[i]s et sparsiones dedi[t] / [et] gladiatorum paria / [X]XXVI per dies octo / [co]nsummato mu[nere] / [cenam po]p[ulo dedit]. CIL 3, 6832. AE 1926, 0078. EDH: HD024127. Übersetzung (Verf.): (Gewidmet) dem Priester Lucius Calpurnius Longo, Sohn des Lucius Calpurnius Paulus, aus dem Stimmbezirk Sergia, der als erster von allen aus seiner überaus reichen Ernte dem Antiochenischen Volk ein munus versprach und innerhalb von zwei Monaten ein hölzernes Amphitheater errichten ließ; täglich ließ er venationes jeglicher Art veranstalten und wohlriechende Substanzen versprühen; auch ließ er an acht Tagen 36 Gladiatorenpaare auftreten und gab nach der Veranstaltung ein Festmahl für die Bevölkerung. Demzufolge war es möglich, ein Amphitheater innerhalb von zwei Monaten zu errichten, wobei die Formulierung amphitheatrum ligneum vermuten lässt, dass es sich bei diesem Bauwerk um eine nur temporäre Installation gehandelt hat. Vgl. Ramsay 1924, 178–179, der auch 76 Gladiatorenpaare in Erwägung zieht. Sommer 2009, 59. Hufschmid 2009, 24. Wahl 1977, 123. Robert 1971, 140–141, Nr. 92. 1028 Sánchez 1994, 187–212. Die Außenmaße des Amphitheaters von Italica belaufen sich auf 152,8 m × 130,60 m, die Arenamaße auf 70,60 m × 47,30 m. Sánchez op. cit., 189. Futrell 1991, 183. Golvin 1988, 200–202, Nr. 175, Taf. 42,1–2. 1029 Aur. Vict. Epit. de Caes. 14,5: namque ad specimen legionum militarium fabros perpendiculatores architectos genusque cunctum exstruendorum moenium seu decorandorum in cohortes centuriaverat. Übersetzung (Verf.): Denn er hatte nach dem Beispiel der militärischen Legionen die Handwerker, die Steinmetze, die Architekten sowie die gesamte Zunft der Baumeister von Stadtmauern und Bauschmuckhandwerkern in Zenturien eingeteilt. Futrell 1993, 182–183, 213. Horster 2001, 201, vermutet, dass sich diese Stelle allein auf stadtrömische Verhältnisse bezieht. 1030 Futrell 1991, 183. Vgl. Halfmann 1986, 188–197. Wiedemann 2001, 172. 1031 Bouley 2001, 149–150, und Anm. 132, mit einer Bibliographie der Grabungsberichte. Bouley hält die in der Forschung diskutierte Erbauung des Amphitheaters in trajanischer Zeit für wahrscheinlich. Golvin 1988, 203, Nr. 178, Anm. 410 mit älterer Literatur zur Grabungsgeschichte. Zu munera in Dyrrhachium s. Robert 1971, 75, Nr. 2 (CIL 3, 607), 76, Nr. 3–5 (Epitaph, Reliefs). Zu einer Grabinschrift aus Dyrrhachion oder Apollonia s. Mann 2011, 189, Nr. 18; vgl. Mann op. cit., 58. 1032 Sommer 2009, 52–53. Bouley 2001, 144, Taf. 7, Abb. 3. Alicu/Opreanu 2000, 42–57. Golvin 1988, 90, Nr. 47, der den Bau des Amphitheaters in die Zeit zwischen 119 und 136 n. Chr. datiert. Nach Golvin war hier die cohors II Flavia Commagenorum stationiert, die – so Bouley a. a. O. – wahrscheinlich für den Bau des Amphitheaters von Micia verantwortlich zeichnete. 1033 Golvin 1988, 91, Nr. 53. Zur Grabinschrift eines magister ludorum, bei dem es sich um einen Veteranen der legio XV Apollinaris handelt, s. EDH: HD027847 (Dat.: 31–100 n. Chr.).
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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Petronell (Pannonia Superior),1034 Virunum/Zollfeld (Noricum),1035 Brenodurum/ Enge (Germania Superior),1036 Isorbrigantium/Aldborough (Britannia),1037 Camulodunum/Colchester (Britannia),1038 und Caesarodunum Turonum/Tours (Gallia Lugdunensis).1039 Für die Amphitheater von Lugdunum/Lyon (Gallia Lugdunensis)1040 und Isca Silurum/Caerleon (Britannia)1041 lassen sich in dieser Zeit verschiedene Reparaturmaßnahmen nachweisen.1042 Auch der Ausbau des Amphitheaters von Londinium/ London (Britannia) stand offenbar mit dem Besuch Hadrians in Verbindung.1043 Ob und, wenn ja, in welcher Form der Kaiser direkt oder indirekt in den Bau oder Umbau eines dieser Amphitheater involviert war, kann aufgrund der spärlichen Quellenlage heute allerdings nicht mehr sicher entschieden werden.1044
1034 Golvin 1988, 136. 1035 Bouley 2001, 154, Taf. 43, Abb. 3. Golvin 1988, 91, Nr. 51, der in Analogie zum benachbarten Theater von Virunum, das in die Regierungszeit Hadrians datiert wird, eine Datierung ins 2. Jh. n. Chr. für möglich hält. Das genaue Erbauungsdatum ist nicht bekannt, muss aber aufgrund der Datierung der Bauinschrift des Duumvirn Sextus Sabineius Maximus vor 183–185 n. Chr. erfolgt sein. Zu dieser sowie zu späteren Bauinschriften von Renovierungsarbeiten am Amphitheater s. www. amphi-theatrum.de/1501.html (5.5.2017). Zur Dedikationsinschrift des Amphitheaters von Capua s. Futrell 1993, 183–184. Das Amphitheater von Flavia Solva/bei Leibnitz (Noricum) wird von Bouley 2001, 154, Taf. 43, Abb. 4, zusammen mit seinem Nemesis-sacellum und von Golvin 1988, 91 mit Anm. 114, Nr. 52, in den Beginn des dritten nachchristlichen Jhs. datiert. Zum kürzlich entdeckten Amphitheater von Künzing (Noricum) und einer Verbindung zu Trajan auf seinem Weg von Germanien nach Dakien s. Sommer 2009, 59. 1036 Golvin 1988, 90, Nr. 42, Taf. 10,4. Ausführlich zu Brenodurum s. Kap. 2.1.4 Brenodurum/Bern-Enge. 1037 Golvin 1988, 91, Nr. 49, 100, Tab. 3. Wilmott 2008, 158–159, negiert die Existenz eines Amphitheaters, doch geophysikalische Untersuchungen im Jahre 2011 haben Gegenteiliges erwiesen. www. amphi-theatrum.de/1499.html (13.11.2015). 1038 Golvin 1988, 91, Nr. 50, 100, Tab. 3. Zu einem Trinkgefäß, das mit Darstellungen von Gladiatoren mit Beischriften verziert ist und eine Ritzung mit dem Wortlaut Valentinus legionis XXX trägt, s. zuletzt Sommer 2009, 59. 1039 Futrell 1993, 183. Golvin 1988, 92, Nr. 54, der das Amphitheater aufgrund der Mauertechnik in die erste Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. datiert. 1040 Golvin 1988, 197, Nr. 171; vgl. auch Golvin op. cit., 117–118, Nr. 85. Dank der Bauinschrift, die man 1958 gefunden hat, kann die erste Bauphase des Amphitheaters auf 19 n. Chr. datiert werden. EDH: HD019219. 1041 Das Legionslager von Isca Silurum wurde von der legio II Augusta um 70–74 n. Chr. gegründet und war bis um 290 n. Chr. in Benutzung. Die Steinbauphase des Lagers wird in die Zeit zwischen 100 und 110 n. Chr. datiert. Die Errichtung des Amphitheaters von Isca Silurum, das zu den am besten erhaltenen und erforschten Anlagen dieses Bautyps in Großbritannien zählt und das in unmittelbarer Nähe des Lagers erbaut wurde, wird in die Zeit um 80 n. Chr. datiert, seine Steinbauphase fällt in das Jahr 125 n. Chr. Wilmott 2008, 143. Golvin 1988, 128–129, Nr. 108. Zur Forschungsgeschichte des Amphitheaters von Isca Silurum s. Wilmott a. a. O. 1042 Futrell 1991, 183. 1043 Wiedemann 2001, 172. Die Steinbauphase des Amphitheaters von London wird aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen am Vorgängerbau in die Jahre um ca. 125 n. Chr. bis ins späte 2. Jh. n. Chr. datiert. Bateman et al. 2008, 19, Abb. 11, 37, 39, Abb. 27. 1044 Wiedemann 2001, 170–173. Zu Euergetismus im Zusammenhang mit dem Bau von Amphitheatern s. Futrell 1991, 179 ff., 188–191. Vgl. Mann 2011, 178.
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Darüber hinaus berichtet Tacitus für die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr., dass den Soldaten der legio XIII Gemina die Errichtung eines Amphitheaters in Cremona (regio VIII, Aemilia) in der heutigen Lombardei und eines in Bononia/Bologna (regio VIII, Aemilia) befohlen wurde.1045 Hier waren Aulus Caecina Alienus, Kommandeur der obergermanischen Truppenteile des Vitellius, und sein Kollege Fabius Valens, Befehlshaber der niedergermanischen Truppen, auf Anordnung Vitellius’ mit der Veranstaltung eines spectaculum gladiatorum vom Kaiser betraut worden.1046 Dieses spectaculum war offenbar als Belohnung für die unter Vitellius im Jahre 69 n. Chr. siegreiche legio V Alaudae gedacht, die die legio XIII Gemina unter dem Kommando des Otho bei Bedriacum geschlagen hatte.1047 Es hat den Anschein, dass der Befehl zur Erbauung dieser Amphitheater als eine Art Strafkation für die legio XIII Gemina zu verstehen ist. Aus der Tacitus-Stelle erhellt zudem, welcher Stellenwert der Veranstaltung eines spectaculum innerhalb des militärischen Umfeldes beigemessen wurde: (…) numquam ita ad curas intento Vitellio ut voluptatum oblivisceretur.1048 Der Feldherr/Kaiser vergaß bei aller Sorge um die Truppen nie das Vergnügungbedürfnis seiner Soldaten, das offenbar vor allem in der Veranstaltung von Gladiatorenkämpfen bestand, denn andere ‚Belohnungen‘ für den auf dem Schlachtfeld errungen Sieg werden von Tacitus nicht expressis verbis genannt. Aus der Tacitus-Stelle spricht jedoch neben einem greifbaren Belohnungsaspekt auch die politisch kritische Haltung des Autors gegenüber Vitellius sowie die ablehnede gegenüber Amphitheater- und Circusveranstaltungen: Das Bestreben, einen Kaiser als seines Amtes unwürdig zu brandmarken, der sein Hauptaugenmerk auf zweifelhafte Vergnügungsveranstaltungen (voluptates) für seine Soldaten richtete, ist nicht zu verkennen.1049 Auffällig ist, dass die Veranstaltung von Tacitus ausdrücklich als spectaculum gladiatorum, also als Gladiatoren-Schauspiel bezeichnet wird. Möglicherweise deutet sich darin der Umstand an, dass neben dem von Tacitus negativ angesehenen Vergnügungsaspekt Gladiatorenkämpfe im militärischen Milieu den Teilbereich eines munus abbildeten, der dem Kampf auf dem Schlachtfeld im Hinblick auf die erforder-
1045 Tac., hist. 2,67 (vgl. 2,71 und Mart. 3,59). Devillers 2010, 298–300. Le Roux 1990, 205. Klima/Vetters 1953, 53. Horster 2001, 179, Anm. 45. Zum Amphitheater von Cremona, das nicht nur bei Tacitus belegt ist, sondern tatsächlich ein hölzernes Amphitheater besaß, das in die 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert wird, s. Golvin 1988, 261. Zum Amphitheater von Bononia/Bologna s. Golvin op. cit., 260. Zu einer mittelalterlichen Darstellung, die ein steinernes Amphitheater zeigt, von dem sich aber keinerlei Reste gefunden haben, s. Golvin op. cit., 260 mit Anm. 94. Vgl. Schmitz 2008b, 120. Ritterling 1925, 1266. 1046 Tac., hist. 2, 67,2. 2,71. 3,32. Vgl. Mart. 3,59. Zur Rivalität der beiden Generäle s. den Kommentar zur Stelle bei Ash 2007, 262. 1047 Devillers 2010, 297–299. Ritterling 1925, 1714. 1048 Tac. hist. 2,67: Vitellius war niemals seinen Sorgen so zugewandt, dass er das Vergnügen [seiner Soldaten] vergaß. Vgl. Tac., hist. 3,32. Devillers 2010, 299. Le Roux 1990, 205, zur Autorabsicht des Tacitus. Zur Stationierung der legio XIII Gemina vor dem Jahr 69 n. Chr. s. Ritterling 1925, 1712–1714. 1049 Devillers 2010, 297–300. Vgl. Ash 2007, 262.
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lichen Charaktereigenschaften eines römischen Soldaten (virtus) wohl am nächsten kam. Die Gladiatorenkämpfe waren sicherlich der Teil der römischen Freizeitkultur, der am stärksten mit militärischen Werten durchsetzt war.1050 Die Veranstaltung von Gladiatorenkämpfen in militärischem Kontext könnte somit auch als eine Art ‚Werteerziehung‘ beabsichtigt gewesen sein, bei der u. a. Disziplin, körperliche Fitness, Kampfkunst (in taktischer und technischer Hinsicht), Durchsetzungswille und Todesverachtung in einem einzigartigen und politisch-religiös aufgeladenen Setting präsentiert werden sollten.1051 Dass dem Aspekt der ‚Werteerziehung‘ im Sinne des altrömischen virtus-Gedanken in Germania Superior und Inferior aber auch – zumindest ab dem 1. Jh. n. Chr. – der Aspekt der schlichten Bedürfnisbefriedigung soldatischen Freizeitvergnügens an die Seite zu stellen ist, lassen die technischen Möglichkeiten zur Aufführungspraxis von Gladiatorenkämpfen erahnen. So war etwa das Militäramphitheater von Nijmegen (Kat. 2.7.1) in seiner zweiten Bauphase mit einem kleinen hypogaeum ausgestattet, das wahrscheinlich den Einsatz von Bühnenapparaturen (paegmata) ermöglichte.1052 Gleichzeitig hatte man nicht nur den Zuschauerraum des Nijmegener Amphitheaters vergrößert, sondern auch seine vormaligen Holzbauteile durch hochwertigeres Steinmaterial ersetzt.1053 Diese Maßnahmen dürften bei der Generierung von Showeffekten im Militäramphitheater von Nijmegen eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben. Auch in Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1), dem ältesten Standort eines Militäramphitheaters in den beiden germanischen Provinzen, konnten die Existenz verdeckter Bedienungsgänge, portae posticae in der Podiumsmauer sowie ein carcer (‚Warteraum‘) nachgewiesen werden, alles Elemente, die den inszenatorischen Möglichkeiten bei der Veranstaltung von Gladiatorenkämpfen eine deutlich höhere Qualität verlieh.1054 Mag also Tacitus auch die Sorge des Kaisers um zweifelhafte Vergnügungsveranstaltungen für seine Soldaten in ein negatives Licht rücken, so erhellen aus der Textstelle dennoch funktionale Aspekte von munera gladiatoria im militärischen Kontext, nämlich eine altrömischen Traditionen verhafte virtus-Erziehung sowie eine schlichte Bedürfnisbefriedigung soldatischen Freizeitvergnügens. Für die Bautätigkeit römischer Militäreinheiten im Zusammenhang mit Amphitheatern liefern vor allem Bauinschriften aus den verschiedenen Provinzen des Imperium
1050 Mann 2011, 41–43. Vgl. Ebner 2013, 162, mit Anm. 6. Flaig 2004, 245–246. Wiedemann 2001, 163. Wilmott 2008, 19. Le Roux 1990, 208. Baltrusch 1988, 326. 1051 Vgl. auch Val. Max. 2,3,2 und unten Kap. 3.3.1 Literarische, epigraphische und papyrologische Quellen zur Gladiatoren in der römischen Armee. Zu dem wahrscheinlich unter Hadrian eingerichteten disciplina-Kult in der römischen Armee s. Horsmann 1991, 102–107, 187–197. 1052 Willems/van Enckevort 2009, 59. Driessen 2007, 139. 1053 Driessen 2007, 139. Willems/van Enckevort 2009, 59. 1054 Matter/Auf der Maur 2012, 31, 37, Abb. 12–13, 15, Beil. 1. Frei-Stolba et al. 2011, 12, Abb. auf S. 9. Laur-Belart 1935, 71.
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Romanum stichhaltige Hinweise.1055 Zu diesen zählt die Bauinschrift aus Mesarfelta/ El-Outaya (Africa Proconsularis/Numidia) am afrikanischen Limes, die in die Zeit 177–178 n. Chr. datiert wird:1056 Imp(eratores) Caesares M(arcus) Aurelius Antoninus et / L(ucius) Aurelius [[Commodus Aug(ustus)]] Germanici / Sarmatici fortissimi amphitheatrum / vetustate corruptum a solo resti/tuerunt per coh(ortem) VI Commag(enorum) / A(ulo) Iulio Pompilio Pisone Laevillo leg(ato) / Aug(ustorum) pr(o) pr(aetore) curante Aelio Sereno praef(ecto).
Die Kaiser Marc Aurel und Commodus sind an den Anfang des Inschriftentextes gesetzt und im Nominativ genannt, erscheinen also als Handlungsträger.1057 Da ihnen als obersten Befehlshabern der Truppen auch alle militärische Bautätigkeit unterstand, dürften sie als die Auftraggeber des Bauvorhabens zu verstehen sein. Über die Geldquelle, die zur Umsetzung des Bauvorhabens verwendet wurde, erfahren wir aus dem Inschriftentext zwar nichts Konkretes, doch darf man davon ausgehen, dass den Kaisern als Oberbefehlshabern auch die Administration der dafür notwendigen finanziellen Mittel oblag. Da Verben wie (donum) dare o. ä. und insbesondere Wendungen wie beneficium oder indulgentia principis fehlen, liegt der Schluss nahe, dass der Kaiser den Bau des Amphitheaters von Mesarfelta nicht aus seiner Privatschatulle, sondern mit Hilfe öffentlicher Gelder oder vielleicht der in den Provinzen speziell für diese Zwecke vorgesehenen Mitteln finanzierte.1058 Das wiederum würde vermuten lassen, dass Militäramphitheater zur Kategorie der Militärbauten gerechnet wurden und ähnlich wie die Reichsstraßen, Brücken oder Tunnel mit öffentlichen Geldern (und von Soldaten) errichtet, unterhalten und renoviert wurden.1059 Die eigentlichen Bauarbeiten am Amphitheater von Mesarfelta wurden in jedem Fall durch die cohors VI Com1055 Eine Zusammenstellung der Bauinschriften von Amphitheatern findet sich bei Borhy 2009, 94– 123. Zu „Ziegelstempel als Hinweis auf kaiserliche Bautätigkeit“ s. Horster 2001, 115–120, 128–131 (passim). Zur begrenzten Aussagefähigkeit von Bauinschriften im Westen des Imperium Romanum s. Thomas/Witschel 1992. 1056 CIL 8, 2488 (= EDH: HD031465). Die Inschrift war wiederverwendet in einer Mauer im Dorf ElOutaya von J. Baradez entdeckt worden. Baradez 1966, 64, Abb. 3. Beutler 2013, 31. Sommer 2009, 52. Lafer 2009, 180. Borhy 2001, 98–99, Nr. 27. Le Roux 1990, 205. Le Bohec 1989a, 74. Horster 2001, 186, gibt als Datierung 176/178 n. Chr. an. Le Bohec 1989, 428, datiert die Restaurierungsarbeiten am Amphitheater in die Jahre 177–178, Bomgardner 2000, 125, in die Jahre zwischen 177–180. Golvin 1988, 90, Nr. 45, datiert die Errichtung des Amphitheaters zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. Zur Geschichte der coh. VI Commagenorum s. Le Bohec 1989a, 73–76. Die meisten Inschriften aus der unter Septimius Severus von der Provinz Africa Proconsularis abgespaltenen Provinz Numidia stammen aus militärischem Kontext (Thevestis, Lambaesis, Gemellae, Mesarfelta). Lafer 2009, 180. Zur Entstehung der Provinz Numidia s. Le Bohec 1989, 395–396. 1057 Zur Nennung des Kaisers im Nominativ in kaiserlichen Inschriften s. Horster 2001, 39–40. 1058 Horster 2001, 46–47, 71–72, 179, Anm. 47. Zu beneficium und indulgentia des Kaisers, die ihn als Wohltäter charakterisieren, s. Horster op. cit., 73–75. Zur lex coloniae Iuliae Genetivae, die regelte, welche Art der Schauspiele die Duoviri bzw. Aedile in Urso (Baetica) geben durften und welcher Betrag ihnen dafür aus der Kasse der colonia zur Verfügung stand, s. Ville 1981, 175–177. 1059 Vgl. Horster 2001, 72, 179, Anm. 47. Dafür würde auch die Lage von Militäramphitheatern spre-
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magenorum ausgeführt, die im Inschriftentext über die instrumental zu verstehende Präposition per als eine Quelle kaiserlicher Ressourcen charakterisiert ist. Lag die formale Urheberschaft des Befehls zur Ausführung der genannten Baumaßnahmen offenbar bei den Augusti Marc Aurel und Commodus, so deutet die Erwähnung ihres legatus Augustorum pro praetore Iulius Pompilius Piso Laevillo an, dass die Kaiser nicht persönlich für die Ausführung des Bauauftrages Sorge trugen, sondern die Bauaufsicht ihrem provinzialen Stellvertreter und Oberbefehlshaber der Provinzarmee übertrugen. Vielleicht ist der Ablativ, in dem der Name des kaiserlichen Legaten angegeben ist, ebenfalls instrumental zu verstehen, also der Legat als ein Werkzeug des Kaisers. Der legatus Augustorum wiederum delegierte offenbar das operative Geschäft an den praefectus cohortis Aelius Serenus, der ihm als Statthalter direkt unterstellt war und bei allen wichtigen, den Bau betreffenden Entscheidungen Rücksprache mit ihm halten musste.1060 Dabei kann curante, Partizip Präsens von curare, mit ‚verwalten‘, im militärischen Sinne, aber ebenso mit ‚kommandieren‘ übersetzt werden. Aelius Serenus ist daher nicht nur als der Verantwortliche für die administrative Bauleitung vor Ort zu denken, sondern zugleich als der militärische Vorgesetzte der cohors VI Commagenorum. Waren aber einzelne Worte des Inschriftentextes tatsächlich entsprechend ihrer Konnotation absichtsvoll gewählt, könnte man erwägen, ob der Duktus der Bauinschrift von Mesarfelta der Militärsprache entlehnt war und damit die hierarchische Befehlskette beim Bau von Militäramphitheatern reflektiert. Dass es sich bei den am Amphitheater von Mesarfelta durchgeführten Maßnahmen um Renovierungsarbeiten handelte, geht eindeutig aus dem gewählten Verb restituere hervor.1061 In welchem Umfang diese notwendig geworden waren, ist dem Inschriftentext ebenfalls zu entnehmen: amphitheatrum vetustate corruptum. Dabei handelt es sich, wie M. Horster zeigen konnte, um eine formelhafte Wortwahl, die auch in anderen Bauinschriften römischer Kaiser verwendet wurde und den natürlichen Verschleiß eines Gebäudes anzeigt.1062 Die altersbedingte Baufälligkeit des Amphitheaters scheint indes beträchtlich gewesen zu sein, denn anders lässt sich die Formulierung a solo restituerunt (‚Runderneuerung‘) kaum erklären.1063 Indirekt kann demnach geschlossen werden, dass es in Mesarfelta ein Amphitheater gab, das immerhin so viele Jahre vor
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chen, die immer im Bereich der canabae legionis oder des vicus eines Kastells und damit auf militärischem Gebiet lagen. Horster 2001, 205. Seit Ende des 2. Jhs. n. Chr. hatte der Statthalter die Aufsichtspflicht über Heiligtümer und öffentliche Bauwerke in seiner Provinz. Horster op. cit., 205. Numidia wird erst unter Septimius Severus von der Africa Proconsularis abgespalten und zur eigenständigen Provinz. Lafer 2009, 179. Vgl. Horster 2001, 210–211. Horster 2001, 54. Zum ‚Wahrheitsgehalt‘ von Renovierungsinschriften an Bauwerken im Westen des Imperium Romanum s. Thomas/Witschel 1992. Horster 2001, 54–55. S. auch Fagan 1996, 83–84 und Thomas/Witschel 1992, 141, 144. Restituere bezeichnet in der Regel die Wiederherstellung der Benutzbarkeit des Gebäudes. A solo ist außerhalb Roms selten bezeugt und mit ‚von Grund auf ‘ zu übersetzen. Horster 2001, 11, 54–56, 67. Fagan 1996, 85.
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177–178 n. Chr. errichtet worden war, dass seine Bausubstanz zum Zeitpunkt der Runderneuerung bereits erheblich verfallen war.1064 Und tatsächlich lässt sich in Mesarfelta seit Beginn des 2. Jhs. n. Chr. ein Amphitheater nachweisen, was möglicherweise als dasjenige anzusprechen ist, das von der cohors VI Commagenorum equitata instand gesetzt wurde.1065 Schon J. Baradez hatte für Mesarfelta eine römische Garnison seit trajanischer Zeit vermutet, die die Kreuzung zweier wichtiger Fernstraßen – von Lambaesis nach Mesarfelta einerseits und von Zaraї über Thubunae nach Mesarfelta andererseits – am Ausgang der unwirtlichen Bergmassive von Aurès und Metlili kontrollierte.1066 Als wahrscheinlich unter Hadrian der numidische limes durch den fossatum Africae (um 127 n. Chr.) ersetzt wurde, verlor die Garnison von Mesarfelta jedoch ihre strategische Bedeutung.1067 Ihr zugehöriges Amphitheater, das den klimatischen Unbilden von großer Trockenheit und heftigen Sand- und Gewitterstürmen ausgesetzt war, muss in der Folge einem raschen Niedergang anheimgefallen sein, so dass es nur wenige Dekaden nach seiner erstmaligen Errichtung runderneuert wurde.1068 Aus der Provinz Syria stammt eine Bauinschrift, die in der Arena des Amphitheaters von Dura Europos / Qual’at as Sāliḩiyah gefunden wurde und in das Jahr 216 n. Chr. datiert wird:1069 Imp(eratori) Caes(ari) [M(arco) Aurel(io) An]tonino Pio / Felici Aug(usto) Arab(ico) Adiab(enico) [Part(hico) max(imo) B]rit(annico) [max(imo) Ge]rm(anico) max(imo) pon/tifici max(imo) patri patriae et I[ulia]e A[ug(ustae) matri Aug(usti) et c]astr(orum) et sen(atus) / et patr(iae) vexill(ationes) legion[u]m IIII Sc[yt(hicae) et] III [Cy]r(enaicae) [An]tonin[ian] arum / anp(h)yt(h)aeatr[u]m(!) a fun[damen]tis e[xtr]uxeru[nt a]/gentes sub cur(a) Aur(elio) Mam[--- instante] / Iustiano / (centurione) princ(ipe) Cattio Sabi[no II Corn(elio) Anul] lino [co(n)s(ulibus)].
Anders als in der Bauinschrift von Mesarfelta erscheinen in der von Dura Europos nicht die amtierenden Augusti im Nominativ, sondern Vexillationen der legiones IIII Scythica sowie der III Cyrenaica. Sie sind somit als Handlungsträger kenntlich gemacht, wenngleich es wenig wahrscheinlich ist, in ihnen die Auftraggeber und damit indirekt die Finanziers des Militäramphitheaters zu sehen. Diese Rolle dürfte wohl eher Caracalla und seiner Mutter Iulia Domna zugefallen sein, die im Inschriftentext an erster
1064 Baradez 1966, 64, der für die Erbauung dieses Vorgängerbaus ebenfalls eine Legion oder Auxiliareinheit verantwortlich macht. 1065 Bomgardner 2000, 155. Le Bohec 1989, 428. Golvin 1988, 154, Nr. 45. Baradez 1966, 56, 65. 1066 Römische Militärpräsenz ist in dieser Region generell nicht vor der Regierungszeit Trajans (98– 117 n. Chr.) nachweisbar. Baradez 1966, 64–65. 1067 Baradez 1966, 65. 1068 Baradez 1966, 65–68. Vgl. dagegen Thomas/Witschel 1992, 146–147. 1069 AE 1937, Nr. 239 (= EDH: HD023604). Sommer 2009, 48–49. Le Roux 1990, 205. Golvin 1988, 139, Nr. 129. Wahl 1977, 123. Vgl. Ritterling 1925, 1560 f. (legio IIII Scythica) bzw. 1513 (legio III Cyrenaica). Zu einem „ampitheatrum“ s. EAOR III, 111, Nr. 77.
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Stelle genannt werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Nennung eines weiblichen Mitgliedes der domus Caesaris, die bislang ohne Parallele ist. Damit tritt erstmals eine Frau im Formular eines Militäramphitheaters auf, ein Umstand, der möglicherweise mit der ‚Titulatur‘ der Kaisermutter als mater Augusti et castrorum et senatus et patriae zusammenhängt.1070 Die prominente Stellung der Namen des Kaisers sowie seiner Mutter am Anfang des Textes deutet meines Erachtens darauf hin, dass auch hier das Kaiserhaus als Auftraggeber des Militäramphitheaters fungierte. Auftraggeber eines militärischen Amphitheaters zu sein, implizierte aber höchstwahrscheinlich – wie bereits erwähnt – die Verfügungsgewalt über die notwendigen Gelder, die, wie bei Militärbauten üblich, aus öffentlichen Kassen zur Verfügung gestellt wurden. Konkrete Angaben, die die Großzügigkeit des Kaisers (liberalitas/munificentia principis) andeuteten, fehlen im Text auch hier, so dass der Kaiser jedenfalls nicht als Euerget in Erscheinung tritt. Die Nennung des Kaisers und seiner Mutter im Dativ erweckt vielmehr den Eindruck, dass der Kaiser hinter seinen Soldaten als aktiven Handlungsträgern zurücktritt, indem er nur noch als passiver Adressat einer Dedikation präsent ist. Nicht auf Befehl, sondern aus Loyalität und Gunstbezeugung ihrem Kaiser und seiner Mutter gegenüber haben die Soldaten die notwendigen Arbeiten am Amphitheater durchgeführt. Die Zurücknahme des Kaisers entpuppt sich bei näherem Hinsehen allerdings als eine nur vermeintliche Selbstbescheidung, denn obgleich der Kaiser den Soldaten die schmeichelhafte Rolle der Handlungsträger zuerkennt, überhöht der Aspekt der Truppenloyalität zugleich die Person des Kaisers und seiner Mutter. Möglicherweise offenbart sich hierin eine kommunikative Funktion der Bauinschrift aus Dura Europos, die aktuelle machtpolitische Tendenzen abbildet: Waren die Kaiser zu Beginn des dritten Jhs. gezwungen, sich der Loyalität ihrer Soldaten zu vergewissern, indem sie ihnen die aktive Rolle der Handlungsträger zuerkannten und sich als Empfänger ehrenhafter Dedikationen in ihren Dienst stellten? Mussten sie sich ihre Soldaten gewogen machen, indem sie für das Freizeitvergnügen ihrer Soldaten Sorge trugen, um nicht ihre eigene Machtbasis zu schwächen?1071 Wie wir aus dem Text erfahren, führten die Vexillationen die notwendigen Arbeiten am Amphitheater von Dura Europos a fundamentis aus.1072 Da ein Amphitheater im ursprünglichen Stadtplan von Dura Europos offenbar nicht vorgesehen war, errichtete man es an der Stelle einer kleinen Thermenanlage, die zum Zeitpunkt der Erbauung des Amphitheaters nicht mehr in Benutzung und in sich zusammengestürzt war.1073 Ein Teil des Baumaterials der Thermen wurde für den Bau der Podiumsmauer des
1070 Für zivile Amphitheater ist eine Frau, Ummidia Quadratilla, als Bauherrin bezeugt, die in Casinum/Montecassino ein Amphitheater und einen Tempel gestiftet hat. Borhy 2009, 96–97, Nr. 16. 1071 Vgl. Golvin 1988, 155. 1072 Vgl. Horster 2001, 180, Anm. 48. 1073 Sommer 2009, 48. Golvin 1988, 139, Nr. 129. Wahl 1977, 125–126. Vgl. www.amphi-theatrum.de/1449. html (23.4.2015).
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Amphitheaters wiederverwendet.1074 A fundamentis indiziert somit hier eine Neuerrichtung des Amphitheaters und nicht etwa eine Restaurierungsmaßnahme.1075 Diese Restaurierungsmaßnahmen wurden von den genannten Vexillationen agentes sub cura Aur(elio) Mam[---] Iustiano (centurione) princ(ipe) durchgeführt, sie unterstanden demnach – wie es für Vexillationen einer Legion üblich ist – administrativ und militärisch der Aufsicht eines gewissen Aurelius Mam[…] Iustianus, Zenturio eines Principesmanipels.1076 Der Statthalter der Provinz Syria, die unter Septimius Severus 194 n. Chr. in Coilesyria und Phoenice geteilt worden war, bleibt anders als in der Inschrift von Mesarfelta unerwähnt.1077 Die genannten Elemente des Inschriftenformulars – Nennung des Kaisers und subalterne Chargen, die mit der Bauausführung betraut waren – sprechen dafür, die Inschrift als die eines Militäramphitheaters anzusprechen. Zwar wurde das Amphitheater von Dura Europos innerhalb des Stadtgebietes errichtet, doch waren hier seit Caracalla auch militärische Verbände dauerhaft stationiert: die cohors XX Palmyrenorum Milliaria Equitata Saggittariorum und/oder ein Detachement einer römischen Legion, wahrscheinlich eines der legio IIII Scythica.1078 Da das Fassungsvermögen des Amphitheaters zudem auf nicht mehr als 1.000 Zuschauer beziffert wird, dürfte es sich bei dem Amphitheater von Dura Europos um ein Militäramphitheater handeln, das in eine zivile Umgebung implantiert war.1079 Die geringen Zuschauerplätze lassen vermuten, dass Personen aus diesem zivilen Umfeld nur begrenzt Zugang zu jenem militärischen Vergnügungsbau hatten. Aus Lambaesis/Tazoult-Lambèse (Africa Proconsularis/Numidia) stammen insgesamt drei Inschriften, die der in Lambaesis stationierten legio III Augusta mehr oder minder umfangreiche Baumaßnahmen am dortigen Amphitheater zuschreiben.1080 Ungewiss ist, ob Vexillationen der spätestens ab 81 n. Chr. in Lambaesis stationierten legio III Augusta dort zunächst einen einfachen Vorgängerbau – vielleicht aus Holz? – errichtet hatten.1081 Wahrscheinlicher scheint, dass das monumentale Amphitheater 1074 Golvin 1988, 139. 1075 Vgl. Fagan 1996, 85. Thomas/Witschel 1992, 159–163. 1076 Le Bohec 1993, 32. Zu einer Inschrift aus Vesunna Petrucoriorum/Périgueux (Aquitania), in der ein tribunus militum möglicherweise der legio IV Scythica als praefectus fabrum bezeichnet wird und der die finanziellen Mittel für die Errichtung eines Amphitheaters samt seines Bauschmuckes bereitstellte, s. EDH: HD029910. 1077 Statthalter von Syrien um 215 n. Chr. war Q. Atrius Clonius, in den Jahren 217–219 n. Chr. Fabius Agrippinus. Honigmann 1932, 1630. 1078 Sommer 2009, 49. Wahl 1977, 126. Horster 2001, 180 Anm. 48. Zum Feriale Duranum, dem Festkalender der cohors XX Palmyrenorum, s. Eck 1998, 203–210. 1079 Sommer 2009, 49. 1080 Beutler 2013, 31 mit Anm. 62. Borhy 2013, 55. Horster 2001, 52, 179, Anm. 47, 424–425, Kat. XXXV 2, 3–5. Zu Inschriften bezüglich verschiedener spectacula in den Provinzen Africa Proconsularis und Numidia s. Lafer 2009. 1081 Die legio III Augusta war zunächst in Ammaedara/Haїdra stationiert, bevor sie unter Vespasian nach Thevestis/Tébessa und schließlich gegen 115–120 n. Chr. in Lambaesis/Tazoult-Lambèse kaserniert war. Le Bohec 1989, 25, 58, 107, 363, Abb. 37, mit einer Beschreibung der archäologischen
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von Lambaesis erst im Zusammenhang mit dem benachbarten Legionslager entstanden ist, das anlässlich der Verlegung der gesamten Legion nach Lambaesis im Jahre 128 n. Chr. errichtet wurde.1082 Dafür jedenfalls würde die Lage des Amphitheaters sprechen, das sich ca. 200 m östlich der östlichen Lagerumwehrung, also in unmittelbarer Nachbarschaft zum sog. Großen Lager befand.1083 Die älteste der drei Amphitheater-Inschriften, die in das Jahr 169 n. Chr. datiert wird, wurde über dem nördlichen Zugangstor des Amphitheaters gefunden:1084 Imp(erator) Caesar M. Aurelius Antoninus, Aug(ustus), | Armeniacus, Medicus, Parthicus maximus, | pont(ifex) max(imus), trib(unicia) potest(ate) XXIII, Imp(erator) V, co(n)s(ul) III, p(ater) p(atriae), | per [[leg(ionem) III]] Aug(ustam), | [[M. Lucceio Torquato Bassiano, leg(ato) Aug(ustorum) pr(o)pr(aetore), co(n)s(ule) desig(nato)]]
Kaiser Marc Aurel (161–180 n. Chr.) ist im Inschriftentext im Nominativ genannt und damit als Handlungsträger kenntlich gemacht. Wie schon bei den Bauinschriften von Mesarfelta und Dura Europos ist er darüber hinaus an erster Stelle des Inschriftentextes erwähnt. Seine Funktion als Initiator und Auftraggeber des Bauvorhabens sowie als Administrator der notwendigen Finanzmittel scheint durch diese herausgehobene Position nahezuliegen.1085 Der Rückgriff auf kaiserliche Ressourcen offenbart sich – wie schon bei der Inschrift aus Mesarfelta – durch das instrumental verwendete per mit anschließender Legionsbezeichnung: Der Kaiser bedient sich seiner Soldaten als Werkzeug bei der Umsetzung seines militärischen Bauvorhabens. Dass es sich bei der Inschrift aus Lambaesis und Dura Europos um Legionssoldaten, bei der aus Mesarfelta dagegen um Kohortenverbände gehandelt hat, wird sprachlich im Inschriftenformular nicht differenziert. Darüber hinaus scheint die Abfolge in der hierarchisch strukturierten Befehlskette in der Inschrift von Lambaesis auf – ähnlich wie schon zuvor in der von Mesarfelta: M. Lucceius Torquatus Bassianus wurde in seiner Funktion als legatus Augustorum pro praetore auf kaiserlichen Befehl mit der Bauaufsicht betraut, im Text durch die Verwendung des bloßen (instrumentalen) Ablativs gekennzeichnet. Dieser wiederum führte als Statthalter des Kaisers in der Provinz zugleich den Oberbefehl über die in Lambaesis stationierte legio III Augusta, die er für die Baumaßnahmen heranzuziehen befugt war (per legionem III Augustam).1086 Ihr Kommandeur vor Ort, der
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Spuren des Lagers, das mit einer Innenfläche von 17.760 m2 für die Unterbringung einer Kohorte spricht. Leschi 1957, 189–200. Bomgardner 2000, 180. Golvin 93–94, Anm. 132. Fischer 2012, 21, Abb. 6. Bomgardner 2000, 153, 180. Golvin 1988, 93–94, 130. Ritterling 1925, 1497. Le Bohec 1989, 25, 362, datiert die Ankunft der legio III Augusta in Lambaesis auf 115–120 n. Chr. Bomgardner 2000, 152–155, 180–181. Le Bohec 1989, Abb. 46, 51. Golvin 1988, 94. Beutler 2013, 32–33. Borhy 2009, 96–99, Nr. 19–21. Horster 2001, 179, Anm. 47, 425, Kat. XXXV 2, 3. Le Bohec 1989, 386 mit Anm. 180. Bomgardner 2000, 180–181. AE 1955, Nr. 134. Golvin 1988, 130, Taf. XLIV 2. Horster 2001, 71–72. Vgl. Eck 1998, 203. Le Bohec 1993, 40.
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das Operative des Bauprojektes administrativ und militärisch überwachte, wird anders als in den Bauinschriften von Mesarfelta und Dura Europos in der Inschrift von Lambaesis nicht genannt. Über die Art der am Amphitheater von Lambaesis durchgeführten Baumaßnahmen erfahren wir aus dem Inschriftentext leider nichts, so dass wir uns diesbezüglich – wie so oft – auf das Formulieren von Thesen beschränken müssen. Da die beiden anderen Bauinschriften des Amphitheaters von Lambaesis (s. unten) eindeutig Renovierungsmaßnahmen nennen, lässt das Fehlen einer derartigen Angabe für die vorliegende Inschrift vermuten, dass ihre Anbringung nicht mit einer Renovierung, sondern mit dem Neubau des Amphitheaters in Zusammenhang stand.1087 Dem allerdings widerspricht, dass am vorherigen Standort der legio III Augusta in Thevestis/Tébessa ein monumentales Amphitheater nachgewiesen wurde, das durch seine unmittelbare Nachbarschaft zum Legionslager nicht nur seinen militärischen Charakter, sondern auch seine wahrscheinlichen Baumeister – die Legionäre der 3. Legion – preisgibt (s. unten).1088 Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die legio III bei ihrer Verlegung nach Lambaesis in den 20-er Jahren des 2. Jhs. n. Chr. dort über mehrere Dekaden kein Amphitheater ‚besessen‘ haben soll. Vermutet man aber – wie schon J.-C. Golvin – für Lambaesis einen Vorgängerbau, ließe sich dieser Widerspruch möglicherweise auflösen.1089 Dann wäre in der vorliegenden Inschrift tatsächlich die Bauinschrift zu erkennen, die die Errichtung des Amphitheaters im Jahre 169 n. Chr. dokumentiert, nicht aber diejenige, die das erste von der legio III in Lambaesis errichtete Amphitheater schmückte. Die zweite Inschrift aus Lambaesis liefert hinsichtlich der vorgenommenen Restaurierungsarbeiten am Amphitheater dezidiertere Angaben:1090 Imperatores M(arcus) Aurelius Antoninus et L(ucius) Aurelius / [[[---]]] Germanici Sarmatici fortissimi / partem amphith[e]atri a solo / et podium univ[e]rsum vetus/tate corrupta res[t] ituerunt per / [[leg(ionem) III]] Aug(ustam) [[[---]]]
Sie besagt, dass ein Teil des Amphitheaters von Grund auf (a solo) erneuert, sowie sein gesamtes Podium ersetzt wurden (restituerunt), weil sie aufgrund von altersbedingten Verschleißerscheinungen eingestürzt waren.1091 Ob es sich bei dieser Baumaßnahme
1087 Beutler 2013, 33. Vgl. Horster 2001, 60–68, zur Objektnennung bei kaiserlichen Bauinschriften. 1088 Epigraphisches Material, das sicher eine Beteiligung der legio III am Bau des Amphitheaters von Thevestis/Tébessa belegen würde, ist nicht überliefert. Vgl. Golvin 1988, 93–94. Lachaux 1980, 119–121. www.amphi-theatrum.de/1336.html (10.4.2017). 1089 Golvin 1988, 93–94. 1090 Horster 2001, 425, Kat. XXXV 2, 4. Der Stein, der die Inschrift trägt, ist in zwei Teile zerbrochen und weist zu Beginn der zweiten Zeile eine Rasur auf, die Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist. AE 1955, Nr. 135. AE 2005, Nr. 1694 (= EDH: HD019344). Le Roux 1990, 194. 1091 Zur Instandsetzung der Thermen von Lambaesis, die ebenfalls zusammengestürzt waren, unter Gallienus durch die legio III Augusta vgl. EDH: HD011944 (= AE 1971, 0508): Imp(erator) Caes(ar)
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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um eine reine Instandsetzung oder um eine Vergrößerung der gesamten Anlage handelte, geht aus dem Text jedoch nicht hervor.1092 Wie schon in den Amphitheater-Inschriften von Mesarfelta, Dura Europos und Lambaesis (s. oben) werden die Kaiser M(arcus) Aurelius Antoninus et L(ucius) Aurelius / [[[---]]] nicht nur im Nominativ, sondern auch an prominenter erster Stelle genannt, wahrscheinliches Indiz für die Rolle der Auftraggeber der aufgeführten Renovierungsarbeiten. Die Rasur hinter Letztgenanntem erschwert die exakte Identifizierung des Mitregenten von Marc Aurel (161–180 n. Chr.), bei dem es sich um Lucius Verus, der in der Zeit zwischen 161– 169 n. Chr. Augustus war, oder um Commodus, der von 177 n. Chr. bis zum Tod Mark Aurels Mitregent war, handeln könnte. Dies wiederum spräche für die inschriftliche Nennung von Commodus, der nach seinem Tod zunächst der damnatio memoriae anheimfiel und erst 197 n. Chr. von Septimius Severus konsekriert wurde, was die Rasur seines Namens erklären würde.1093 Damit würde die Anbringung der Inschriftentafel und mit ihr die Baumaßnahmen am Amphitheater von Lambaesis in die Zeit zwischen 177 und 180 n. Chr. fallen.1094 Die Tilgung des Legionsnamens der legio III Augusta, der ebenfalls einer Rasur und späteren Wiedereingravierung unterzogen wurde, wird dagegen mit dem Zeitpunkt der unehrenhaften Auflösung der dritten Legion unter Gordian III. (238–255 n. Chr.) in Verbindung gebracht.1095 Auffällig hingegen ist die Länge der Rasur hinter der später wieder eingravierten Legionsbezeichnung.1096 In Analogie zu der älteren (s. oben) bzw. jüngeren (s. unten) Amphitheater-Inschrift von Lambaesis müsste man an dieser Stelle die Nennung des legatus Augusti pro praetore erwarten, also des kaiserlichen Provinzstatthalters von Nu-
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P(ublius) Licinius Egnatius G(a)llienus / Pius F(e)lix Aug(ustus) thermas vetustate / conlabsas(!) per leg(ionem) suam III Aug(ustam) res/tituit curante Iulio Fortunatiano / v(iro) c(larissimo) co(n)s(ulari) com(i)te et legato Aug(usti) et Aurel(io) Syro v(iro) e(gregio) praef(ecto) leg(ionis). Zum Bau einer Straße von Tacape (Cafs) durch die legio III Augusta s. Ritterling 1925, 1495. Für Lambaesis wird auch die Existenz einer Gladiatorenkaserne (ludus) angenommen. Golvin 1988, 151. Zu restituere in kaiserlichen Bauinschriften s. Horster 2001, 54. Vgl. Thomas/Witschel 1992, 155–157 und Golvin 1988, 94, mit einem Vorschlag, welche Maßnahmen im Einzelnen eine solche Vergrößerung des Amphitheaters impliziert haben müssten. Auch könnte es sich bei Verus, dessen Name ebenfalls als Lucius Aelius (Aurelius) Commodus überliefert ist, um eine Verwechselung und anschließende versehentliche Tilgung seines Namens handeln. Die Hypothese, dass der Rasur in Zeile 2 der Inschrift COMMODUS AUG zum Opfer fiel (AE 1955, 45), wird in der heutigen Forschung angezweifelt, während für eine Datierung in die Jahre 176–178 n. Chr. keine Argumente – weder dafür noch dagegen – angeführt werden können. AE 2005, Nr. 1694. Einen terminus post quem bildet in jedem Fall die Verlegung der legio III Augusta von Thevestis nach Lambaesis, die in den ersten Jahren der Regierungszeit Hadrians erfolgt sein muss. Ritterling 1925, 1497. Beutler 2013, 33. Horster 2001, 425 mit Anm. 781. Der Grund für die Legionsauflösung lag in ihrer angeblichen Mittäterschaft bei der Ermordung Gordians I. und Gordians II. Im Jahre 253 n. Chr. wurde die legio III Augusta zum Dank ihrer Unterstützung von Valerian wieder hergestellt und in Lambaesis stationiert. Ritterling 1925, 1499. Horster 2001, 425, Kat. XXXV 2, 4. EDH: HD019344 mit Foto des Inschriftenblocks, auf dem die bis zum rechten Rand des Blockes reichende Rasur deutlich erkennbar ist.
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midia. Da dieser als Statthalter des Kaisers zugleich Oberbefehlshaber der Truppen und damit auch der legio III Augusta war, ist sein Name im Text möglicherweise so eng mit dem der Legion verbunden gewesen, dass er bei der Rasur des Legionsnamens ebenfalls getilgt wurde. Interessant ist die Angabe des Grundes für die Baumaßnahmen am Amphitheater von Lambaesis, nämlich – ähnlich wie beim Amphitheater von Mesarfelta – die zumindest teilweise Zerstörung des Gebäudes aufgrund des hohen Alters seiner Bausubstanz (vetustate corrupta).1097 Ob man sich diese Zerstörung im Einsturz des Gebäudes zu denken hat, wie es bei den Thermen von Lambaesis der Fall war, die – ebenfalls vetustate conlabsas – von der legio III Augusta unter Gallienus erneuert werden mussten, lässt der Inschriftentext offen.1098 Die Zerstörung betraf in jedem Fall lediglich einen Teil des Amphitheaters, war jedoch so gravierend, dass sie a solo, also von Grund auf, ausgeführt werden musste. Das Podium hingegen, das in der Architektur eines Amphitheaters als terminus technicus für den gesonderten Sitzbereich der sozialen Oberschicht fungierte und der sich, abgetrennt durch eine zumeist 2–3 m hohe Mauer,1099 unmittelbar an die Arena anschloss, musste universum, also vollständig, erneuert werden. Führt man sich vor Augen, dass eine vollständige Erneuerung des Podiums rund um die Arena an ihren ‚Nahtstellen‘ möglicherweise auch die Podiumsmauer, in jedem Fall aber den Umgang (praecinctio) zur media cavea berührt haben wird, so stellt allein dies ein größeres bauliches Unterfangen dar.1100 Geht man zudem von einem altersbedingten Verschleiß des Gebäudes aus, so dürften davon am ehesten obertägige Strukturen wie die Fassade bzw. Teile der cavea betroffen gewesen sein. Die eigentliche Arena des Amphitheaters sowie das Untergeschoss (hypogaeum) derselben, in dem sich die Hebevorrichtungen für den Bühnendekor und möglicherweise für die Tierkäfige befanden, scheinen von Restaurierungsmaßnahmen unberührt geblieben zu sein.1101 Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass die Baumaßnahmen, die offenbar allein die cavea des Amphitheaters betrafen, eine Vergrößerung des Zuschauerrundes zum Ziel hatten. Da ebenfalls der Baubefund des Amphitheaters eine spätere Vergrößerung des Zuschauerbereiches indiziert,1102 wird für die Restaurierung des Amphitheaters vor allem ein gestiegenes Platzbedürfnis das bauliche Eingreifen des Kaisers erforderlich gemacht haben.
1097 Horster 2001, 55–56. Thomas/Witschel 1992, 144–149. Das Erbauungsdatum des Amphitheaters ist nicht gesichert, wird von Golvin 1988, 94, 130, in die Zeit der Erbauung des Legionslagers der dritten Legion oder wenig früher angesetzt. 1098 Horster 2001, 425, Kat. XXXV 2,6. Alle Ziegel der Hypokaustenkonstruktion waren mit Stempeln der legio III versehen. Leschi 1957, 172–174. 1099 Hufschmid 2009, 39–41. Golvin 1988, 131. 1100 Vgl. Golvin 1988, 130. 1101 Zum ‚sous-sol‘ des Amphitheaters von Lambaesis s. Golvin 1988, 11. Einen Überblick über Untergeschosse von Amphitheatern sowie deren Nutzung gibt Hufschmid 2009, 218–221. 1102 Golvin 1988, 94, 130–131.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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Nur einige Jahre später ließ Septimius Severus erneut von der legio III Augusta Baumaßnahmen am Amphitheater von Lambaesis durchführen, was die erhaltene Bauinschrift aus dem Jahr 194 n. Chr. dokumentiert:1103 Imp(erator) Caesar L(ucius) Septimius Severus Per[ti]/nax Aug(ustus) p(ater) p(atriae) pont(ifex) max(imus) trib(unicia) pot(estate) II imp(erator) III co(n)s(ul) I[I] / per [[leg(ionem) III]] Aug(ustam) opus amphitheatri / refecit exornavitque / C(aio) Iulio Lepido Tertullo leg(ato) Aug(usti) pr(o) pr(aetore) c(larissimo) v(iro).
Opus amphitheatri refecit lautet die Angabe darüber, welchen Umfang die Baumaßnahmen hatten, die – so M. Horster – aufgrund der Wortwahl eine Betonung der handwerklichen Fertigkeiten der eingesetzten Soldaten zum Ausdruck bringe.1104 Durch die Nennung des Kaisers im Nominativ gewinnt die These von M. Horster im vorliegenden Fall zusätzlich an Gewicht, denn dass der Kaiser als grammatisches Subjekt beim Bau des Amphitheaters tatsächlich Hand angelegt hat, dürfte wenig Überzeugungskraft entfalten. Vielmehr deuten auch hier die Nennung an erster Stelle im Inschriftentext sowie der verwendete Kasus an, dass der Kaiser als Auftraggeber für den Bau des Amphitheaters anzusprechen ist. Wie schon im Falle der Inschriften von Mesarfelta und Lambaesis (169 n. Chr.) erscheint als direkter Befehlsempfänger des Bauauftrages Caius Iulius Lepidus Tertullus, legatus Augusti pro praetore in senatorischem Rang (clarissimo viro), wobei die Verwendung des Ablativs, verstünde man ihn im instrumentalen Sinne, die gängige Befehlsstruktur im Rahmen der Erbauung von Militäramphitheatern anzudeuten scheint. Das im Text verwendete reficere könnte sowohl mit ‚wiedererbauen‘, ‚ausbessern‘, aber auch mit ‚ergänzen‘ übersetzt werden.1105 Besonders gut zu dem erwähnten handwerklichen Aspekt der ausgeführten Arbeiten würde daher die Anlage eines hypogaeums passen, eines Untergeschosses, das technisch komplizierte Hebevorrichtungen für Bühnendekor oder Tierkäfige vor den Augen der Zuschauer verbarg und mit dessen Hilfe imposante Überraschungseffekte erzielt werden konnten.1106 Derlei technische Raffinessen wurden besonders in den provinzial-römischen Amphitheatern erst in einer späteren Bauphase installiert.1107 Da die legio III Augusta im Bürgerkrieg des 1103 Horster 2001, 425, Kat. XXXV 2,5. AE 1955, Nr. 137. AE 1955, Nr. 137 (= EDH: HD019350). Vgl. Thomasson 1996, 169, Nr. 49a. 1104 Horster 2001, 54. 1105 Vgl. auch Thomas/Witschel 1992, 155–158. 1106 Golvin 1988, 131, bringt die Einrichtung des hypogaeums mit der zweiten Bauphase des Amphitheaters in Verbindung, die seiner Meinung nach 176 n. Chr. mit der Erneuerung der Podiumsmauer zusammenfiel. Die epigraphischen Quellen zu Veranstaltungen in Amphitheatern der Provinzen Africa Proconsularis bzw. Numidia zeugen von einer hohen Anzahl von venationes, was die hier geäußerte These auf Grundlage der lokalen Veranstaltungspraxis unterstützen würde. Lafer 2009, 180. 1107 Vgl. Hufschmid 2009, 221–222. Das hypogaeum des Amphitheaters von Augusta Treverorum/Trier (Gallia Belgica) beispielsweise konnte über dendrochronologische Daten in das Ende des 3. Jhs.
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Jahres 193 n. Chr. für Septimius Severus Partei ergriffen hatte,1108 könnte die Technisierung des Amphitheaters von Lambaesis als Dankesbeweis des Kaisers gegenüber seiner Legion gedeutet werden.1109 Dass das Amphitheater von Lambaesis laut Inschriftentext nicht allein vergrößert, sondern zugleich auch verschönert wurde (exornavitque), liefert ein zusätzliches Argument für diese Vermutung.1110 Angebracht waren alle genannten Inschriften über je einem der drei Haupteingänge zum Amphitheater von Lambaesis, d. h. über den Zugängen, die vor allem vom Gros der Zuschauer benutzt wurden. Allein der vierte, westliche Eingang zum Amphitheater scheint keine Inschriftentafel besessen zu haben. Dieser war architektonisch aufwändig gestaltet und führte zur Ehrenloge, stand aber über einen unterirdischen Gang auch direkt mit dem Untergeschoss des Amphitheaters in Verbindung.1111 Diesen Eingang wird allein der Kaiser bzw. sein Statthalter mitsamt den militärischen Würdenträgern benutzt haben und so wird vielleicht das Fehlen einer Inschriftentafel dadurch erklärlich, dass anders als über den übrigen Hauptzugängen des Amphitheaters hier eine Tafel mit Nennung des verantwortlichen Finanziers (der Kaiser) oder des Bauaufsehers (der Legat) überflüssig war.1112 Auch in anderen Reichsteilen des Imperium Romanum traten Bauinschriften von Militäramphitheatern zu Tage. In Pannonia Superior deutet eine Bauinschrift des Amphitheaters von Carnuntum/Deutsch-Altenburg auf eine Verbindung mit seiner
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n. Chr. datiert werden. Kuhnen 2009, 98. Auch das hypogaeum des Amphitheaters der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Germania Inferior) entstammt einer späteren, nicht näher datierbaren Bauphase. Müller 2008, 370–371, Abb. 221, 228–231. Aus spätantiker Zeit stammen Einbauten eines Carcersystems zum Eintreiben wilder Tiere in die Arena des militärischen Amphitheaters von Carnuntum. Boulasikis 2010 (11.1.2016). Kurz darauf hatte die legio III Augusta Septimius Severus mit einer Vexillation im Orientkrieg (ab 197 n. Chr.) unterstützt. Le Bohec 1989, 392–394. Ritterling 1925, 1498–1499. Vgl. auch oben Kap. 2.3.1 Der Kaiser und die Errichtung von Militäramphitheatern: Vergnügen der Soldaten oder Sicherung der Macht? Vitellius belohnte seine Soldaten für die Unterstützung im Bürgerkrieg mit einem munus gladiatorium. Tac. hist. 2,67 (vgl. 2,71 und Mart. 3,59). Bemerkenswert ist, dass die Angabe der Legion in beiden Bauinschriften offenbar nachträglich eingemeißelt wurde, wie klare Spuren der Rasur und die deutlich weiter eingetieften Umfelder der Legionsbezeichnung belegen. Dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Auflösung der Legion im Jahre 238 n. Chr. zurückzuführen, da man ihr die Ermordung Gordians I. und Gordians II. anlastete. AE 1955, 45. Die Wiedereingravierung der legio III Augusta dürfte in das Jahr 253 n. Chr. gefallen sein, als Kaiser Valerius die Legion zum Dank für ihre Unterstützung wieder einsetzte und in Lambaesis stationierte. Ritterling 1925, 1499. Auf einem Altar aus Lambaesis blieb die ursprüngliche Rasur der LEGIII allerdings bestehen. Vgl. Le Bohec 1989, 451 ff. und seine Liste inschriftlicher Rasuren auf S. 592. Einen ähnlichen Ausbau im Hinblick auf die Vergrößerung des Zuschauerraumes sowie die Anbringung von aufwändigem Bauschmuck erfuhr beispielsweise das Amphitheater von Karthago in Nordafrika. S. dazu Bomgardner 2000, 135–136. Golvin 1988, 130, der hier auch die Existenz eines sacellums vermutet. Horster 2001, 425, geht ohne Angabe von Gründen davon aus, dass eine identische Inschriftentafel auch über dem westlichen Eingang vorhanden war, die später andernorts weiterverwendet worden sei.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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Steinbauphase (um 73 n. Chr.) hin.1113 Die stark fragmentierte Inschrift trat im Jahre 2009 im Osttor des militärischen Amphitheaters zu Tage, wo sie in Form von sechs, z. T. anpassenden Fragmenten in einer Planierschicht wiederverwendet angetroffen worden war.1114 Der erhaltene Text der dreizeiligen Inschrift lautet:1115 +OT II TRIB¢ // + XV // AP
Der stark fragmentierte Zustand des Inschriftentextes eröffnet zwar einigen Spielraum für Ergänzungen, doch lässt sich der Charakter des Textes als kaiserliche Bauinschrift aus verschiedenen Indizien wiedergewinnen.1116 Plausibel konnte F. Beutler herausarbeiten, dass die zweifache Nennung der tribunicia potestas in den ersten beiden Zeilen der Bauinschrift auf Vespasian und seinen älteren Sohn Titus schließen lassen und damit für eine Datierung der Inschrift in frühflavische Zeit (72–77 n. Chr.) sprechen.1117 Für die dritte Zeile des Textes lag es nahe, die Abkürzung der in Carnuntum stationierten legio XV Apollinaris zu rekonstruieren, die wahrscheinlich spätestens ab 17/18 n. Chr. bis 63 n. Chr. und dann wieder, nach ihrer Teilnahme an verschiedenen Feldzügen im Osten des Imperiums, ab 71 n. Chr. in Carnuntum stationiert war.1118 Da sich das Amphitheater rund hundert Meter nord-östlich des Lagerareals befand, ist eine Beteiligung der Soldaten am Bau des benachbarten Militäramphitheaters ohnehin als recht wahrscheinlich zu betrachten.1119 In Analogie zu anderen Bauinschriften von Militäramphitheatern ergeben sich nun hinsichtlich der Rekonstruktion weiterer Textdetails zwei Möglichkeiten: Entweder standen die Namen der Kaiser im Nominativ, dann müsste man die Legionsbezeichnung zusammen mit der Präposition per im Akkusativ erwarten. Oder aber die legio XV Apollinaris stand im Nominativ, dann
1113 Gugl et al. 2015, 128. Gugl et al. 2014, 70. Beutler 2013, 19 ff. u. 23–27, mit Rekonstruktionsmöglichkeiten des Inschriftentextes, Abb. 1–6. Zu den Bauphasen des Militäramphitheaters von Carnuntum s. Gugl et al. op. cit. Boulasikis 2010 (11.1.2016). Beutler op. cit., 33. Die ersten beiden Bauphasen des Lagers der legio XV Apollinaris fallen in die Jahre um etwa 40/50 n. Chr. (Bauphase 1a) bzw. in die 60-er/70-er Jahre des 1. Jhs. n. Chr. (Bauphase 1b; Neubau des Lagers?). Gugl et al. op. cit., 126. Gugl/Kastler 2007, 36–37, 197–198, 200. Zu einer verschollenen Inschrift, die möglicherweise eine Bautätigkeit der legio XV Apollinaris schon in den 50-er Jahren des 1. Jhs. n. Chr. belegt, s. Beutler op. cit., 21–22. Für die erste vollständige Steinbauphase des Legionslagers kann aufgrund der geringen Materialbasis nur eine näherungsweise Datierung in spätflavisch/trajanische Zeit oder später angenommen werden. Gugl/Kastler op. cit., 201–202. 1114 Beutler 2013, 19. 1115 Beutler 2013, 21 und 23, 25 bzw. 26, mit den verschiedenen Ergänzungsmöglichkeiten. 1116 Beutler 2013, 22–24. 1117 Beutler 2013, 24–27. 1118 Beutler 2013, 21. Ritterling 1925, 1749–1752. Während ihrer Abwesenheit wurde sie von der leg. VII Gemina bzw. der XXII Primigenia in Carnuntum vertreten. Ritterling a. a. O. Zur Grabinschrift eines magister ludorum und Veteran der 15. Legion s. EDH: HD027847. 1119 Gugl et al. 2015, 128. Boulasikis 2010 (11.1.2016). Beutler 2013, 33.
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wiederum wären die Kaisernamen im Dativ zu gewärtigen.1120 Mit einem Verb, das die Bauarbeiten näher bestimmen würde, ist im Inschriftentext nicht zwingend zu rechnen.1121 Auch die Nennung des Provinzstatthalters oder weiterer subalterner Chargen scheint erst in späterer Zeit zum üblichen Formular der Bauinschriften von Militäramphitheatern gehört zu haben. Nachfolgende Bauarbeiten am Amphitheater von Carnuntum/Deutsch-Altenburg lassen sich nicht sicher mit der ab 114 n. Chr. dort stationierten legio XIIII in Verbindung bringen, doch scheint eine Involvierung der Legion in Umbau- und/oder Instandhaltungsmaßnahmen, wie sie archäologisch für das Carnuntinische Amphitheater nachweisbar sind, mehr als wahrscheinlich.1122 Mit einer dieser (Um-)Bauphasen brachte J.-C. Golvin eine Stifterinschrift des Stadtrates C. Domitius Zmaragdus in Verbindung, über die er eine Bauphase des militärischen Amphitheaters in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. datierte.1123 Folgender Wortlaut der Inschrift ist erhalten: C(aius) Domitius Zmaragdus / domo Antiochia dec(urio) / municipi(i) Ael(i) Carnunti / [a] mphitheatrum impens[a] / [sua] solo publico fec(it).1124
Der Inschriftenblock wurde als Deckel einer Hypokaustenanlage im Legionslager als Spolie wiederverwendet aufgefunden.1125 Die Inschrift wird in die Zeit zwischen Hadrians Regierung (117–138 n. Chr.), in der Carnuntum zum municipium ernannt wurde, und 193 n. Chr. datiert, als Carnuntum von Septimius Severus zur colonia erhoben wurde.1126 Dass es sich bei besagter Inschrift aber nicht um eine Bauinschrift des militärischen Amphitheaters von Carnuntum, sondern des zivilen Amphitheaters handelt, sollen nachfolgende Überlegungen erhellen.1127 Eines der Hauptargumente gegen eine Zuschreibung zum Militäramphitheater scheint mir der Umstand, dass im Text ausdrücklich das Objekt der finanziellen Zu-
1120 Von den insgesamt neun erhaltenen Bauinschriften von Militäramphitheatern außerhalb Germaniens nennen fünf den Kaiser im Nominativ, zwei im Dativ und zwei können diesbezüglich nicht näher bestimmt werden (inklusive der Inschrift aus Carnuntum). 1121 Als Vergleich bietet sich hier ebenfalls die Bauinschrift des Militäramphitheaters von Burnum an. Borhy 2013, 54. 1122 Zu den Umbauphasen im steinernen Amphitheater s. Klima/Vetters 1953, 55–59, die durch neuere Nachgrabungen in ihren chronologischen, diachronischen und z. T. funktionalen Ansätzen neu bewertet werden mussten. Boulasikis 2010 (11.1.2016). 1123 Golvin 1988, 136, Nr. 123. Beutler 2013, 29. 1124 Golvin 1988, 135 Anm. 380, 136. CIL 3, 14359,2 (= AE 1901, 247 = EDH: HD032973 = Borhy 2009, 96–97, Nr. 15). Futrell 1991, 220. 1125 Beutler 2013, 29. Egger 1926, 103. 1126 Beutler 2013, 29. Egger 1926, 103. 1127 So schon Beutler 2013, 30, die sich gegen Ansätze der älteren Forschung m. E. überzeugend wendet. Solo publico könnte hier als Dativ (‚für die alleinige Öffentlichkeit‘) oder aber viel wahrscheinlicher als ablativus loci übersetzt werden: ‚auf öffentlichem Boden‘. Auch dies würde auf eine Beziehung zum zivilen Amphitheater von Carnuntum hindeuten. Vgl. Futrell 1991, 220. Zur Forschungsgeschichte der Inschrift s. Beutler op. cit., 29–32.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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wendung mit amphitheatrum solo publico bezeichnet wird, also ein Amphitheater auf öffentlichem Boden. Das Amphitheater östlich des Legionslagers lag jedoch nicht auf öffentlichem Boden, sondern im Bereich der canabae legionis und damit auf militärischem Gebiet, das „in der frühen und mittleren Kaiserzeit von der Legion offenbar nur unter gewissen Einschränkungen für die private Nutzung freigegeben“ wurde.1128 Auch die Bezeichnung des Zmaragdus als decurio municipii spricht – wie F. Beutler bereits überzeugend herausgearbeitet hat1129 – gegen einen Bezug der Bauinschrift auf das militärische Amphitheater von Carnuntum: Für keine der bislang überlieferten Bauinschriften von Militäramphitheatern lässt sich die Nennung eines zivilen Magistraten oder gar Zivilisten nachweisen. Die Entdeckung eines zweiten Amphitheaters auf dem Gebiet der Zivilstadt von Carnuntum, die ca. zwei Kilometer westlich des Lagerareals gelegen war,1130 macht daher die Zuschreibung der Inschrift zu diesem Monument deutlich plausibler. Dafür spricht auch, dass die Baumaßnahmen, die Zmaragdus laut Stifterinschrift initiierte, mit fec(it) bezeichnet werden – und nicht etwa mit restituit o. ä. –, was darauf schließen lässt, dass es sich nicht um Renovierungs- oder Verschönerungsarbeiten am Amphitheater gehandelt hat, sondern um einen Neubau des Gebäudes.1131 Dieser Umstand korreliert mit dem Baubefund, denn die Erbauung des zivilen Amphitheaters wird in die Zeit zwischen der Herrschaft Hadrians (117–138 n. Chr.) und der von Marc Aurel (161–180 n. Chr.) datiert, was eine Überschneidung mit der Datierung der Zmaragdus-Inschrift ergibt.1132 Demnach war die als Spolie im Legionslager der legio XIIII verbaute Inschriftentafel ursprünglich aller Wahrscheinlichkeit nach am zivilen Amphitheater von Carnuntum angebracht und stellt den Versuch eines hochrangigen Kommunalbeamten dar, sich mit der Stiftung eines solch prestigeträchtigen Bauwerkes im öffentlichen Raum in Szene zu setzen.1133 Ist die Zmaragdus-Inschrift aber tatsächlich dem Bereich des zivilen Amphitheaters zuzuweisen, lassen sich deutliche Unterschiede zu den bisher besprochenen Bauinschriften von Militäramphitheatern im Inschriftenformular aufzeigen: Genannt wird nur eine Person im Nominativ mit Name, Herkunft und sozialer Stellung/Amt, bei der es sich ganz offensichtlich um den Auftraggeber des Bauprojektes und zugleich seinen Geldgeber gehandelt haben muss (impensa sua fecit). Mit der Wendung solo publico könnte allenfalls angedeutet sein, dass das Bauland von der Stadt zur Verfügung gestellt worden war. Möglich wäre aber auch, darin das euergetische Moment des Bauprojektes zu sehen: Zmaragdus ließ das Amphitheater für die Öffentlichkeit errichten. 1128 Gugl et al. 2014, 67. Piso 2003, 12. Piso 1991, 139–141. Vgl. Gugl et al. 2015, 126. Jung 2009, 40–41. 1129 Beutler 2013, 30. 1130 Golvin 1988, 136, Nr. 123. Egger 1926, 68, Abb. 22. Zur Zivilstadt von Carnuntum s. jüngst Humer/ Konecny 2014, 78–87. 1131 Vgl. Horster 2001, 11. 1132 Humer/Konecny 2014, 83. Beutler 2013, Golvin 1988, 136. Die frühesten Siedlungsspuren im Bereich der canabae von Carnuntum datieren um 80 n. Chr. Humer/Konecny op. cit., 80. 1133 Beutler 2013, 31–32. Vgl. Mann 2011, 57–64.
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Anders als in den Inschriften von Amphitheaterneubauten im militärischen Bereich wird in der Zmaragdus-Inschrift auch das eigentliche Bauprojekt, amphitheatrum, konkret benannt. Da es allgemein bekannt gewesen sein dürfte, welche Unsummen der Bau eines Amphitheaters verschlang, beabsichtigte Zmaragdus vielleicht mit dieser expliziten Erwähnung seine Munifizenz ins rechte Bild zu setzen. Bauaufseher, Bauarbeiter oder der Architekt bleiben hingegen unerwähnt, ebenso wie andere Vertreter des administrativen Apparates. Diese Angaben bzw. Nicht-Angaben entsprechen den Vorschriften für das Verfassen einer Bauinschrift an einem Neubau, wie wir sie zu Beginn des 3. Jhs. n. Chr. bei dem Juristen Aemilius Macer in den Digesten überliefert finden: inscribi autem nomen operi publico alterius quam principis aut eius, cuius pecunia id opus factum sit, non licet.1134 Auch in Aquincum/Budapest in der Provinz Pannonia Inferior stieß man im Jahre 1933 bei Kanalisationsarbeiten auf eine großformatige Inschriftentafel in Form einer tabula ansata, die zwar in zwei annähernd gleich große Stücke zerbrochen, deren Text aber vollständig bewahrt war:1135 Imp(eratori) Caes(ari) oder Imp(eratore) Caes(are) / Tit(o) Aelio / Hadriano / Anto(n) ino / Aug(usto) Pio p(atri) oder p(atre) p(atriae) / co(n)s(uli) oder co(n)s(ule) IIII / legio II Adi(utrix) P(ia) F(idelis)1136
Da die Inschrift ein Zufallsfund war, sind jegliche Informationen bezüglich Stratigraphie, datierender Beifunde oder originalem Anbringungsort verloren. Doch der Auffindungsort der Tafel im Bereich des Nordeinganges des Militäramphitheaters von Aquincum wurde von L. Borhy meines Erachtens überzeugend mit ihrer Anbringung am nahegelegenen Militäramphitheater verbunden:1137 Sie muss an der Außenfassade des Amphitheaters und wahrscheinlich über dessen nördlichem Zugang montiert gewesen sein. Über die Kaisertitulatur kann die Inschrift in die Jahre zwischen 139 n. Chr. – Verleihung des Titels pater patriae – und 145 n. Chr. – viertes Konsulat des
1134 Digesten 50,10,3. 1135 Borhy 2013, 51, Anm. 2, Abb. 1. Zwei geflügelte Victorien ‚halten‘ die tabula ansata an ihren oberen Ecken bzw. ansae, zwei geflügelte Pferde – Wappentier der legio II Adiutrix Pia Fidelis – flankieren ihre unteren Ecken. Die Verwendung einer tabula ansata für kaiserliche Bauinschriften ist im 1./2. Jh. n. Chr. eher selten. Horster 2001, 20. 1136 Die von Borhy 2013, 51–52, vorgeschlagene alternative Ergänzung des Kaisernamens und der Titulatur im Ablativ erlangt m. E. wenig Überzeugungskraft, da keine der bisher bekannten Bauinschriften militärischer Amphitheater mit der Angabe beteiligter Militärverbände den Kaiser im Ablativ nennt. In diesem Sinne ist auch der Aufzählung bei Borhy op. cit., 56–57, zu wiedersprechen, da sie auch Bauinschriften von Theatern sowie zivilen Amphitheatern berücksichtigt, die in ihrem Formular deutliche Unterschiede zu Bauinschriften von Militäramphitheatern aufweisen. 1137 Borhy 2013, 51, 56. Zur fehlenden Objektnennung bei Bauinschriften s. Horster 2001, 60. Den carcerarii der legio II Adiutrix waren im Amphitheater eigene Plätze vorbehalten. CIL 3, 10493k. Borhy 2009, 106, Nr. 12.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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Antoninus Pius – datiert werden.1138 Aufgrund fehlender Spezifika zu den Baumaßnahmen sowie in Analogie zu den bereits erwähnten Inschriften militärischer Amphitheater ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass den Anlass für die Anbringung der Inschriftentafel die Neuerrichtung des Amphitheaters von Aquincum bot.1139 Wie bei Bauinschriften von Militäramphitheatern üblich wird der Kaiser an erster Stelle genannt, hier – ähnlich wie in Dura Europos – im Dativ. Ausgeführt hat die Bauarbeiten vor Ort die legio II Adiutrix Pia Fidelis – oder besser Vexillationen dieser –, die im Inschriftentext das grammatische Subjekt bildet. Die Legion als Auftraggeberin in Betracht zu ziehen, scheidet – wie bereits erwähnt – wohl aus. Diese Rolle wird man dem Kaiser zuschreiben müssen, der allerdings dezent im Hintergrund agiert zu haben scheint und nur als Adressat der Dedikation auftritt. Nicht erwähnt sind der Statthalter der Provinz und/oder der Kommandeur der Bauvexillation jener legio II. Ebenso fehlt dem Inschriftentext ein Verb, das uns über Details der Baumaßnahmen informieren könnte. Denken ließe sich allerdings Folgendes: Die legio II Adiutrix war aus Deva/ Chester (Britannia), wo sie wahrscheinlich ebenfalls für die Errichtung eines Militäramphitheaters verantwortlich zeichnete (s. unten), nicht vor 83 n. Chr. zunächst nach Moesia Superior und anschließend, zwischen 103 und 106 n. Chr., nach Aquincum verlegt worden.1140 Dass sie mehrere Jahrzehnte auf ein legionseigenes Amphitheater verzichtet haben soll, ist vor diesem Hintergrund nicht allzu wahrscheinlich. Darüber hinaus lassen sich auch schon vor der Ankunft der legio II Adiutrix seit tiberischer Zeit Auxiliareinheiten in Aquincum fassen, die dort ein (hölzernes?) Militäramphitheater errichtet haben könnten. Und, in der Zeit zwischen 139 und 145 n. Chr., in die die Inschrift datiert wird, waren munera gladiatoria in Pannonien bereits fest etabliert, so dass man mit institutionalisierten Veranstaltungsstätten schon deutlich früher rechnen muss.1141 Bei der erhaltenen Bauinschrift handelt es sich meines Erachtens demzufolge entweder um eine Umbau- oder Renovierungsinschrift eines älteren Militäramphitheaters oder um eine Neubauinschrift, die nicht das erste Militäramphitheater in Aquincum geschmückt hat. Die Provinz Dacia Porolissensis liefert für das Militäramphitheater von Porolissum/Moigrad (Rumänien) ebenfalls eine im Jahre 1858 aufgefundene kaiserliche Bauinschrift.1142 Das Militäramphitheater befand sich ca. 100 m von der südwestlichen Ecke der Lagerumwehrung entfernt, die das mit 6,9 ha größte Lager der Provinz um-
1138 Borhy 2013, 52. Bouley 2001, 142. 1139 Vgl. Borhy 2013, 55. 1140 Beutler 2013, 31–32. Hufschmid 2009, 194, Anm. 995. Golvin 1988, 137. Futrell 1991, 87. Ritterling 1925, 1443 ff. Für Aquincum wird auch die Existenz einer Gladiatorenkaserne (ludus) angenommen. Golvin 1988, 151. 1141 Bouley 2001, 142–143. Golvin 1988, 91, Nr. 48, datiert das militärische Amphitheater in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. 1142 CIL 3, 836. EDH: HD044018. Horster 2001, Kat. XXXI 4. AE 1997, 1287. AE 2006, 1107.
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gab.1143 Belegt war der wichtige Truppenstützpunkt im Defensivsystem des Nordwestabschnittes des Dakischen Limes von verschiedenen Hilfstruppeneinheiten und Legionsdetachements.1144 Die Erbauung des ersten Lagers in Holz-Erde-Konstruktion wird in das Jahr 106 n. Chr. datiert und der cohors I Ulpia Brittonum zugeschrieben.1145 Die erste Bauphase des ebenfalls in Holz-Erde errichteten Amphitheaters wird einige Jahre später (um 120 n. Chr.) angesetzt, die möglicherweise von einer weiteren Holz- sowie einer Holz-Steinbauphase gefolgt war.1146 Die überlieferte Bauinschrift wird hingegen mit der Errichtung des steinernen Nachfolgebaus in Zusammenhang gesehen, dessen Errichtung anhand der Inschrift in das Jahr 157 n. Chr. datiert wird.1147 Der Text der vollständig erhaltenen Inschrift verfügt über folgenden Wortlaut:1148 Imp(erator) Caesar T(itus) Ael(ius) Hadri/anus Antoninus Aug(ustus) Pi/us P(ontifex) M(aximus) Trib(unicia) Pot(estate) XX Imp(erator) II Co(n)s(ul) / IIII P(ater) P(atriae) amphitheatrum vetus/tate dilapsum denuo fe/cit curante Tib(erio) Cl(audio) Quintiliano Proc(uratore) suo
Wie wir es bereits aus den Bauinschriften von Mesarfelta, Lambaesis und Burnum (s. unten) kennen, stehen Titulatur, Name und Ämter des Kaisers an erster Stelle des Textes und im Nominativ, was im militärischen Kontext den Auftraggeber des Bauprojektes verraten dürfte. Die Verwendung des Verbs facere lässt dies ebenso klar erkennen, wie der Umstand, dass der Kaiser als Oberbefehlshaber der Truppen militärische Bautätigkeit und deren Finanzierung kontrollierte. Facere verweist zudem – anders als das euergetisch zu deutende dare – das Bauprojekt in den Bereich des Auftraggebers, was in der Übersetzung etwa mit ‚ließ [von seinem dafür zuständigen Untergebenen] machen‘ wiedergegeben werden könnte.1149 Dazu passt die Erwähnung des kaiserlichen Prokurators Tiberius Claudius Quintilianus, der vom Kaiser persönlich (procuratore suo) zum Provinzstatthalter ernannt und im vorliegenden Fall offenbar mit der Bauaufsicht über das steinerne Amphitheater betraut worden war. Das im Text gewählte curante spiegelt dabei über die sprachliche Konnotation ‚verwalten‘ und ‚kommandieren‘ das administrative wie militärische Element beim Bau von Militäramphitheatern wider, Aufgaben, denen der Prokurator auf kaiserlichen Befehl hin nachzukommen hatte.1150 Die bei Militäramphitheatern häufig anzutreffende Nennung der ausführenden Truppenteile fehlt in der Bauinschrift von Porolissum, dürfte aber den zu diesem 1143 Döhner et al. 2011, 95, Abb. 2. Bouley 2001, 144–145, Taf. 37, Abb. 5. Alicu/Opreanu 2000, 58, Abb. 21. 1144 Sommer 2009, 53. Die Provinz Dacia Prorolissensis war legionsfrei. Horster 2001, 440. 1145 Bouley 2001, 145. 1146 Sommer 2009, 53. Alicu/Opreanu 2000, 61–62, 68. 1147 Sommer 2009, 53. Bouley 2001, 145. Alicu/Opreanu 2000, 68. 1148 Sommer 2009, 53. CIL 3, 836. AE 1997, 1287. AE 2006, 1107. EDH: HD044018. 1149 Horster 2001, 52–53. 1150 Vgl. Le Bohec 1993, 32, 40.
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Zeitpunkt im Lager stationierten Kohorten V Lingonum, VI Thracum und I Hispanorum Quingenaria zuzuschreiben sein.1151 Erklärungsbedürftig scheint hingegen die Formulierung amphitheatrum vetustate dilapsum denuo fecit, die bislang singulär ist und etwa mit ‚[Antoninus Pius] ließ das Amphitheater, das aufgrund von altersbedingten Verschleißerscheinungen verfallen war, noch einmal errichten‘ übersetzt werden kann.1152 Ist das steinerne Amphitheater also nicht das einzige, das Antoninus Pius in Porolissum errichten ließ? Ein weiteres, möglicherweise ziviles Amphitheater konnte in Porolissum allerdings bislang nicht nachgewiesen werden. Muss man folglich davon ausgehen, dass die Datierung der Inschrift in das Jahr 157 n. Chr. nicht das Erbauungsdatum des Amphitheaters angibt, sondern lediglich das Datum einer umfänglicheren Renovierung? Träfe Letzteres zu, müsste man für das steinerne Amphitheater von Porolissum ein höheres Alter in Betracht ziehen. Dafür spräche, dass im Formular der Bauinschrift zwei bislang eher getrennt zu sehende Prozesse vereint erscheinen: Das Verb facere indiziert in der Regel den Ersterbauer, die Wendung amphitheatrum vetustate dilapsum hingegen charakterisiert Renovierungsmaßnahmen. Da das Entfernen der Bauinschrift des Ersterbauers selbst dem Kaiser per Gesetz verboten war, könnte eine Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs darin liegen, dass Antoninus Pius nicht nur für die erstmalige Erbauung des Amphitheaters, sondern auch für seine spätere Renovierung verantwortlich war, was der Inschriftentext in der Kombination unterschiedlicher Formularteile sprachlich elegant gelöst hat.1153 Doch welcher Art könnten Verschleißerscheinungen gewesen sein, die nach nur knapp 20 Jahren ein amphitheatrum vetustate dilapsum hinterließen?1154 Bedenkt man die klimatischen Verhältnisse, könnte man am ehesten an witterungsbedingte Verfallserscheinungen an hölzernen Bauelementen denken, deren Fäulnis ein bauliches Eingreifen erforderlich machen würde. Solche fanden sich im Zusammenhang mit steinernen Baustrukturen eines Amphitheaters zumeist in Form hölzerner Sitzstufen. Es wäre also denkbar, dass das Amphitheater von Porolissum unter Antoninus Pius bald nach 138 n. Chr. errichtet worden war, wobei seine Podiumsmauer (und vielleicht auch das Podium selbst) sowie die Zugänge zum Amphitheater in Stein, die Sitzvorrichtungen für die Zuschauer aber aus Holz gefertigt waren. Diese wurden auf Geheiß von
1151 Bouley 2001, 145. 1152 Bouley 2001, 145, übersetzt: „a fait reconstruire l’amphithéâtre détruit par la vétusté“. 1153 Dig. 50,10,2. Horster 2001, 20. Zur Vermutung, dass der Inschriftentext auf den Umbau des Amphitheaters von Holz in Stein Bezug nimmt, s. AE 1997, 1287. 1154 Die Bauphasen des Holzbaus und des Steinbaus werden in der Literatur unterschiedlich dargestellt, so dass der Eindruck entsteht, dass eine klare Trennung zwischen reinem Holzbau, Holz-Steinbau und reinem Steinbau bislang über den archäologischen Befund nicht sicher eruiert werden konnte. Sicher ist, dass nachträgliche Veränderungen an den Zugängen zur Arena (porta posticae) auch für den Steinbau mindestens eine weitere Bauphase indizieren. Vgl. Alicu/Opreanu 2000, 66–67. Zum Bedeutungsumfang von vetustate dilapsum s. auch Thomas/Witschel 1992, 144–149.
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Antoninus Pius im Jahr 157 n. Chr. durch steinerne Sitzstufen ersetzt, was das Anbringen einer Inschrift notwendig werden ließ, die sowohl das erstmalige als auch das neuerliche Engagement des Kaisers für ‚sein‘ Militäramphitheater dokumentieren musste. In der Provinz Dalmatia konnten jüngste Untersuchungen am Militäramphitheater von Burnum ebenfalls eine Bauinschrift zu Tage fördern.1155 Das Militäramphitheater befand sich im Südwesten der Umwehrung und ca. 500 m von den principia des zugehörigen Lagers entfernt.1156 Aufgefunden wurde die in zwei anpassende Teile gebrochene Bauinschrift in der Schuttschicht des eingestürzten Gewölbes im Bereich des südlichen Eingangs zum Amphitheater, der linke Teil im Schutt direkt am Eingang, der rechte Teil in Sturzlage auf dem Boden unmittelbar vor dem Eingang.1157 Aus dem Kalksteinblock ist eine tabula ansata mit eingetieftem Inschriftenfeld sorgfältig herausgearbeitet. Dem linken Teil fehlt an der oberen Bruchkante eine kleinere Partie, doch ließ sich der Text zweifelsfrei wiedergewinnen:1158 Imp(erator) Caesar Vespasianus Aug(ustus) Pont(ifex) Max(imus) | Trib(unicia) Pot(estate) VIII Im(perator) XVIII P(ater) P(atriae)
Über die Angabe der achten tribunizischen Gewalt, die Vespasian zum Zeitpunkt der Anbringung der Inschrift innehatte, konnten ihre Entdecker die Tafel in das Jahr 76/77 n. Chr. datieren.1159 Da der Fundort der Inschrift mit größter Wahrscheinlichkeit auch dem ursprünglichen Anbringungsbereich der Tafel entspricht, kann gefolgert werden, dass es sich um die Bauinschrift des militärischen Amphitheaters von Burnum handelt, die über dem Südeingang des Amphitheaters angebracht war. Die Nennung des Kaisers im Nominativ legt nahe, in ihm den Auftraggeber und Finanzier des Amphitheaterbaus zu vermuten. Sein älterer Sohn und Nachfolger Titus wird anders als in der Bauinschrift des Militäramphitheaters von Carnuntum (s. oben) aus dem Jahr 72–77 n. Chr. nicht genannt. Die Klassifizierung als Militäramphitheater spricht dafür, die dort stationierten Soldaten für die Umsetzung des Bauvorhabens in Betracht zu ziehen – auch wenn diese nicht explizit im Inschriftentext erwähnt werden.1160 Im zugehörigen Militärlager lag während der Regierungszeit Vespasians (69–79 n. Chr.) die legio IIII Flavia Felix, die aus Mogontiacum/Mainz kommend von ca. 70 bis 86 n. Chr. in Burnum stationiert
1155 1156 1157 1158 1159 1160
Borhy 2013, 54. Glavičić/Miletić 2009, 75. Glavičić/Miletić 2009, 77, Abb. 7.2. Glavičić/Miletić 2009, 77, Abb. 7.2. EDCS-55100445. Vgl. AE 2012, 1108. Glavičić/Miletić 2009, 78. Von den überlieferten Bauinschriften militärischer Amphitheater nennt allein der Text aus Porolissum/Moigrad (Dacia) keine Militäreinheit (s. oben). Die zivile Siedlung von Burnum, die sich aus den canabae legionis entwickelt hatte, wurde erst um 118 n. Chr. zum municipium erhoben. Glavičić/Miletić 2009, 76.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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war.1161 Da in Burnum – vor allem numismatische – Spuren eines ersten Amphitheaters in claudische Zeit führen, dürfte besagte Inschrift wohl eher als Zeugnis einer von Vespasian initiierten Restaurierungsmaßnahme angesprochen werden.1162 Dafür spricht auch der Fund eines Ziegelstempels der legio IIII Flavia Felix, den man in einem später hinzugefügten Einbau unmittelbar neben der Seitenwange des südlichen Eingangs und damit nahe der Restaurierungsinschrift Vespasians entdeckt hatte.1163 Auch andere Indizien im archäologischen Befund verraten, dass die legio IIII kein neues Amphitheater fertiggestellt, sondern lediglich den Bau ihres Vorgängers, der legio XI, aus claudischer Zeit unter Vespasian modifiziert hatte. Was genau diese baulichen Modifikationen beinhalteten, wird allerdings erst nach Abschluss der Grabungsarbeiten und Vorlage der Ergebnisse näher spezifiziert werden können. Aus den wenigen erhaltenen Bauinschriften von Militäramphitheatern wird deutlich, dass das Formular jener Bauinschriften einen eigenen, militärischen Charakter trug, der sich von zivilen Bauinschriften klar unterschied.1164 Ein Unterschied im Inschriftenformular von Militäramphitheatern einer Legion und dem einer Auxiliareinheit ist dagegen nicht feststellbar. Allen Bauinschriften von Militäramphitheatern ist gemeinsam, dass sie immer kaiserliche Inschriften sind, der Name des Kaisers also stets genannt ist, und zwar ausnahmslos an erster Stelle des Textes. Für zivile Amphitheater trifft das nicht in dieser Ausschließlichkeit zu: Der Kaiser wird insgesamt deutlich seltener genannt, in nur ganz seltenen Fällen an erster Stelle und im Nominativ und damit als Auftraggeber eines zivilen Amphitheaters.1165 Überdies kann bis etwa zur Mitte des 2. Jhs. n. Chr. in Bauinschriften von Militäramphitheatern (Carnuntum, Burnum, Aquincum) neben dem Namen des Kaisers samt Titulatur auch die ausführende Militäreinheit erwähnt werden. Ein Verb indes fehlt dem Formular der Inschriften dieser Zeitstellung, so dass in diesem Zeitraum anhand der Inschriften nicht entschieden werden kann, welcher Art die jeweiligen Baumaßnahmen waren. Eine Festlegung darauf also, ob es sich um die Inschrift eines Neubaus oder um die einer Renovierungs- oder Umbaumaßnahme handelt, kann in diesen Fällen nur mit Hilfe des archäologischen Baubefundes erfolgen. Dieser ‚Minimalausstattung‘ von Bauinschriften militärischer Amphitheater werden ab der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. verschiedene Ergänzungen hinzugefügt, darunter immer der Name des legatus Augusti pro praetore oder der des kaiserlichen Prokurators, also des Pro-
1161 Glavičić/Miletić 2009, 75. Ein erstes dauerhaftes Militärlager wurde in Burnum in der Zeit zwischen 14 und 17 n. Chr. errichtet, das der legio XI als Standlager diente. 1162 Glavičić/Miletić 2009, 75, 78–79. 1163 Glavičić/Miletić 2009, 77. 1164 Generell zu den Verantwortlichen für die Formulierung des Inschriftentextes bei militärischen Inschriften s. Horster 2001, 46–47. 1165 Borhy 2009, 94–123.
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vinzstatthalters.1166 Die Militäreinheit – eine Kohorte oder Legionsvexillation – zählt nun fast immer zum Formular der Bauinschriften und wird dabei stets vor dem ihr übergeordneten Magistraten genannt – Ausdruck der engen Bindung des Kaisers an seine Truppen? Der legatus Augusti und der kaiserliche Prokurator werden formelhaft mit curante (Porolissum, Mesarfelta), sub curā (Dura Europos) oder – nur in Lambaesis – mit dem bloßen Ablativ angefügt. Dem Wortfeld curare haftet dabei möglicherweise eine zivil-administrative (verwalten) wie militärische (kommandieren) Konnotation an. Im Falle der Bauinschrift des Amphitheaters von Mesarfelta wird zusätzlich der Kohorten-Kommandant, im Falle von Dura Europos der befehlshabende Zenturio namentlich erwähnt. Demgegenüber werden in Bauinschriften von zivilen Amphitheatern außer dem Auftraggeber und Finanzier des Monumentes keine weiteren Personengruppen genannt.1167 Wurden in Bauinschriften von Militäramphitheatern anfangs der Kaiser als Oberbefehlshaber der Truppen und manchmal noch die ausführende Militäreinheit erwähnt, treten später subalterne Chargen hinzu, die in den Inschriftentext eingeflochten werden. Daraus lässt sich der administrative Ablauf beim Bau eines Militäramphitheaters rekonstruieren. Demzufolge delegierte der Kaiser seine Aufgaben als Auftraggeber bzw. Bauherr eines Militäramphitheaters an seine kaiserlichen Beamten:1168 in der Provinz Numidia an den von ihm ernannten legatus Augusti pro praetore (Lambaesis, Mesarfelta), in der Provinz Dacia (Porolissum) an seinen procurator und in der Provinz Syria (Dura Europos) an den Zenturio eines Principesmanipels. Den Befehl zur Abordnung einer Kohorte oder Legionsvexillation für den Bau des Militäramphitheaters wird der legatus Augusti pro praetore bzw. der procurator erteilt haben, der in der Inschrift von Dura Europos allerdings nicht (mehr) namentlich erwähnt wurde. Wie die Inschrift von Dura Europos vermuten lässt, war jene Bauabteilung einem Kommandanten im Rang eines Zenturios unterstellt, der die Bauaufsicht vor Ort innegehabt haben dürfte. Die für das Bauprojekt abkommandierte Kohorte oder Legionsvexillation führte schließlich mit Hilfe von legionseigenen Architekten und Baufachleuten die eigentlichen Bauarbeiten durch.1169 Die abschließende probatio, also die Bauabnahme des Gebäudes, könnte vielleicht in die Befugnis des legatus Augusti pro praetore oder
1166 Einzige Ausnahme darin bildet die jüngste der überlieferten Bauinschrift eines Militäramphitheaters, die von Dura Europos aus dem Jahr 216 n. Chr., in der diese Stufe der Hierarchie übersprungen wird und stattdessen der Zenturio eines Principesmanipels genannt wird (s. oben). Dafür ist hier eine Zeitangabe über die in Rom amtierenden Konsuln zu lesen. 1167 Borhy 2009, 94–123. 1168 Vgl. Futrell 1991, 212–213. Horster 2001, 210–221. 1169 Obgleich in den Inschriften von Lambaesis (s. oben) die legio III Augusta als Baumeisterin des Militäramphitheaters genannt wird, ist schwer vorstellbar, dass eine komplette Legion zum Bau eines Amphitheaters abkommandiert wurde. Vielmehr wird man bei Legionsnennungen damit rechnen dürfen, dass es sich stets um ein Vexillation des jeweils genannten Verbandes gehandelt hat. Vgl. Futrell 1991, 215.
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des procurators gefallen sein, denn ein persönliches Erscheinen des Kaisers vor Ort ist wenig wahrscheinlich.1170 Zivilisten werden im Zusammenhang mit der Errichtung von Militäramphitheatern in den erhaltenen Inschriften an keiner Stelle genannt, was dafür spricht, den Bauvorgang von Militäramphitheatern von dem ziviler Anlagen getrennt zu betrachten. Darüber hinaus werden in Bauinschriften von Militäramphitheatern ab etwa der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. in der Regel Angaben zum Grund der notwendig gewordenen Baumaßnahmen gemacht. Hierbei werden verschiedene Motive erkennbar, die trotz der eher formelhaften Sprache der Texte mit Hilfe des archäologischen Baubefundes eine recht große Bandbreite offerieren.1171 So kann sich hinter der Formel vetustate corruptum a solō restituere/vetustate dilapsum/vetustate corrupta die Runderneuerung eines Militäramphitheaters (Mesarfelta, Lambaesis 169 n. Chr.) oder ein möglicher Ausbau der cavea in Stein (Porolissum) verbergen.1172 Spezifika zum Umfang von Baumaßnahmen liefern Wendungen wie partem amphitheatri (Lambaesis 177–180 n. Chr.) oder, konkreter, podium universum (Lambaesis 177–180 n. Chr.). Der Neubau eines Militäramphitheaters kann entweder durch das Fehlen eines Verbs oder durch Formulierungen wie a fundamentīs exstruere (Dura Europos) oder denuo fecit (Porolissum) zum Ausdruck gebracht werden. Umbau- bzw. Verschönerungsarbeiten können hingegen mit Verben wie reficere, denuo facere oder exornare differenziert werden, wobei zu diesen Arbeiten möglicherweise auch der Einbau eines Untergeschosses (hypogaeum) gehört haben könnte (Lambaesis, 194 n. Chr.).1173 Augenfällig ist, dass Verben wie (donum) dare, die einen euergetischen Charakter tragen, oder auch dedicare für das Formular von Bauinschriften militärischer Amphitheater keine Verwendung finden. Auch das legt meines Erachtens die Vermutung nahe, dass die Finanzierung der Militäramphitheater – ähnlich wie Teile der Reichsstraßen, Brücken oder Tunnel – nicht aus der Privatschatulle des Kaisers bewältigt wurde, sondern aus öffentlichen Reichsoder Provinzkassen.1174 Neben Bauinschriften können auch die Stempel von Bauziegeln über die Errichtung eines Militäramphitheaters Auskunft geben. Ziegelstempel römischer Militärverbände sind allerdings im Bauzusammenhang eines militärischen Amphitheaters eher selten überliefert. Das dürfte zum einen mit dem generell schlechten Erhaltungszustand obertägiger Überreste von Militäramphitheatern zusammenhängen, aber auch mit der Verwendung von Ziegeln im Mauerverbund, die eine Identifizierung ihre Stempelung unmöglich macht. Klar ersichtlich ist darüber hinaus, dass Ziegelstempel deutlich weniger Informationen über den Bauprozess eines Amphitheaters transpor-
1170 1171 1172 1173 1174
S. dazu ausführlicher Horster 2001, 202–205. Zur Diskussion um die ‚Verlässlichkeit‘ von Bauinschriften s. Fagan 1996. Vgl. Fagan 1996, 83–84. Zu Verben in kaiserlichen Bauinschriften s. Horster 2001, 51–54. Horster 2001, 72. Vgl. Futrell 1991, 166.
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tieren als Bauinschriften. Außer der Abkürzung der Legion oder Kohorte erfahren wir keine weiteren Details. Anders als Bauinschriften von Militäramphitheatern muss die Gattung der Ziegelstempel aber auch deswegen vorsichtiger behandelt werden, weil im militärischen Bereich Ziegel in zentralen, legionseigenen Ziegeleien als Massenware gefertigt und gestempelt wurden, von wo aus sie z. T. exportiert oder auch an Privatpersonen verkauft wurden.1175 Die Verwendung von Altmaterial bzw. Spolien, die von anderen, offengelassenen Militärstützpunkten herangeschafft wurden, kann den Baukontext von Militäramphitheatern ebenfalls verwischen. Ziegel mit Militärstempeln geben daher nur bedingt Auskunft über die Involvierung von Militärverbänden am Bau eines Amphitheaters. Dort aber, wo gestempelte Militärziegel im Bereich eines Amphitheaters zu Tage traten und wo in dessen unmittelbarer Nähe zugleich ein Lager dieses Militärverbandes belegt ist, dürfte ein Zusammenhang zwischen der Erbauung des Amphitheaters oder einer seiner Bauphasen und jenes Militärverbandes bestehen. Darüber hinaus stützt der Fund von Militärziegeln die bereits geäußerte These, dass die Finanzierung der Militäramphitheater ähnlich der anderer Militärbauten geregelt war: Das Baumaterial eines Militäramphitheaters stammte in diesen Fällen offenbar aus truppeneigenen Ziegeleien und damit aus einer kaiserlichen Ressource. Einen Fundort eines solchen militärischen Ziegelstempels stellt die Hauptstadt der Provinz Dacia dar, Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica/Sarmizegetusa, eine Stadt, die 108 n. Chr. als Veteranenkolonie gegründet und zur colonia erhoben worden war. Hier deuten Ziegelstempel der legio IIII Flavia Felix auf eine Bautätigkeit von Legionären am Amphitheater hin – jener Legion, deren Spuren bereits im Jahr 76/77 n. Chr. in Umbaumaßnahmen am Militäramphitheater von Burnum (Dalmatia) sichtbar geworden waren (s. oben).1176 Die legio IIII Flavia Felix war kurz nach Ende des ersten Dakerkrieges in der Region stationiert worden, ihr Lager wurde allerdings 105 n. Chr. von den Dakern niedergebrannt, was erneute kriegerische Auseinandersetzungen zur Folge hatte.1177 Als diese im Jahre 106 n. Chr. beigelegt und mit der Gründung der römischen Provinz Dacia ein endgültiges Ende fanden, wurde die 4. Legion im Jahre 108 n. Chr. nach Moesia abberufen.1178 Die Erbauungszeit des Amphitheaters von Sar1175 Zur militärischen Ziegelproduktion am Niederrhein s. Böcking 1974, 110–117. Vgl. Horster 2001, 106–109. 1176 Alicu/Opreanu 200, 144–147, Abb. 58. Alicu 1997, 73–115, 310–341, Taf. I–XXXII. Alicu/Paki 1995, 7–8. Zu den locus-Inschriften aus dem Amphitheater s. www.amphi-theatrum.de/1435.html (6.1.2016). Bouley 1990, 242. Téglás 1966, 497, Nr. 10: Ziegelstempel, der im Jahre 1890 im Amphitheater gefunden wurde und die Aufschrift Figlin(a) IV Fortis trägt; Ziegelstempel mit der Inschrift leg(io) IIII F(lavia) F(elix) ebd. Nr. 26, 27; vgl. auch bei Téglás a. a. O. die aus dem Amphitheater stammenden Inschriften Nr. 20–22, 25. Bouley 2001, 173. Alicu/Opreanu 2000, 71–196. Zu einem Ziegel mit einer eingeritzten Zeichnung eines secutor/hoplomachus aus einer Hypokaustenanlage in Sarmizegetusa s. C. Opreanu, Desenul unui gladiator pe o cărămidă de la Ulpia Trajan Sarmizegetusa, in: AMN 21, 1984, 517–529 und Bouley 1994, 40, Abb. 7. 1177 Alicu 1997, 323. 1178 Alicu 1997, 323. Alicu/Paki 1995, 5. Ritterling 1925, 1544.
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mizegetusa, dessen erste Phase in Holz-Steinbauweise ausgeführt war, fällt in die Zeit kurz nach der Gründung der Stadt (ca. 106–108 n. Chr.) und könnte somit gut zu der auf den Ziegelstempeln verwendeten Legionsabkürzung als auch dem Stationierungszeitraum der Legion passen.1179 Es wäre demnach möglich, dass die legio IIII Flavia Felix in Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica erneut als Baumeisterin eines militärischen Amphitheaters anzusprechen ist.1180 Im Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica wurde allerdings noch ein weiterer, nicht-militärischer Ziegel mit Stempel entdeckt. Der Text des Stempels, den man auf einem fragmentierten Ziegel aus der Zeit um 158 n. Chr. gefunden hat, nennt einen Handwerkermeister namens Iulius Alexander sowie die Namen der beiden amtierenden Consuln: COS TERTULLO ET SACERDOTE | IUL ALEXAND.1181 Das Holz-Stein-Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica wurde nicht später als zwischen 156 und 161 n. Chr. durch einen steinernen Bau ersetzt, zu einem Zeitpunkt, als die Soldaten der legio IIII Flavia Felix bereits seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr in Sarmizegetusa stationiert waren.1182 Es stellt sich nun die Frage, wer – wenn nicht die Legionäre der IIII Flavia Felix – diesen steinernen Ausbau des Amphitheaters angeordnet, genehmigt und durchgeführt hat. Denkbar wäre, dass das Baumaterial des steinernen Amphitheaters von Sarmizegetusa nicht von einer römischen Legionsziegelei geliefert wurde, sondern von einem privaten Unternehmer, jenem auf dem Ziegelstempel dokumentierten Iulius Alexander.1183 Vielleicht ging also das ehemals militärische Amphitheater von Sarmizegetusa, das ursprünglich von Legionären im Auftrag des Kaisers gebaut (und finanziert?) worden war, nach Abzug der
1179 Alicu/Opreanu 2000, 146. Alicu 1997, 101, 323. Zur Holz-Erde-Phase des Amphitheaters s. Alicu/ Opreanu op. cit., 81–88 und Alicu op. cit., 80–84, 313–315, Abb. 34. Ritterling 1925, 1544: „Alle zeigen die Buchstaben LEG IIII F F, eine Abkürzung, die bis zur Zeit Trajans, höchstens Anfang Hadrians die stehende ist, später, bereits unter Hadrian, durch F L oder einfaches F ausnahmslos ersetzt wird.“ 1180 So auch Alicu/Opreanu 2000, 146: „(…) la présence des estampilles de la légion atteste le fait que l’amphithéâtre a été construit par les militaires, entre 106 et 108, en bois, du fait que celui-ci ne présente aucune trace déstruction par le feu (…).“ Das zu großen Teilen aus Holz bestehende Amphitheater war von der Zerstörung durch die Daker verschont geblieben, denn Brandspuren haben sich im archäologischen Befund nicht nachweisen lassen. Das spricht dafür, dass das Amphitheater erst nach Ende des zweiten Dakerkrieges entstanden ist. Alicu 1996, 323. Zur Trajanssäule, die Episoden aus jenem Dakerkrieg ins Bild fasst und dabei auch zwei Amphitheater zeigt, s. Wilmott 2008, 18, Abb. 48. Le Roux 1990, 203. 1181 Die Datierung des Ziegelstempels erfolgte über die Nennung der beiden amtierenden Konsulen Sex. Sulpicius Tertullus und Q. Sacerdos Clemens sowie Parallelen aus Rom und Latium. Alicu/ Opreanu 2000, 147–149, Abb. 60: 1. Alicu 1997, 323. 1182 Alicu/Opreanu 2000, 88–114, 116–117. Alicu 1997, 84, 100–101, 315, Abb. 36. Alicu/Paki 1995, 4. Ritterling 1925, 1544. Zum numismatischen Befund der Steinbauphase des Amphitheaters s. Alicu/ Opreanu op. cit., 190–196 und Alicu op. cit., 101. 1183 Da nur einer von insgesamt 7 Ziegeln mit diesem Stempel mit Sicherheit aus dem Amphitheater stammt, scheint es wenig überzeugend, die Datierung des Ziegelstempels mit der der Errichtung des Amphitheaters in Stein gleichzusetzen. Alicu/Opreanu 2000, 147–150.
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Legion in öffentlichen Besitz über und wurde in ein ziviles Amphitheater ‚umfunktioniert.‘1184 Möglicherweise bot genau dieser Wechsel in den Besitzverhältnissen des Gebäudes den Anlass, das ursprünglich aus Holz und Stein errichtete Amphitheater in einen reinen steinernen Bau umzugestalten.1185 Jüngere Ausgrabungen im Stadtgebiet des antiken Sarmizegetusa haben jedenfalls ergeben, dass auch das ehemalige Lagerareal der legio IIII als zivile Anlage weitergenutzt und der neuen Provinzhauptstadt als nucleus diente.1186 In Micia/Vetel (Dacia), einer kleinen Stadt im Norden von Sarmizegetusa, konnte man ca. 180 m östlich der nordöstlichen Ecke des Militärlagers ebenfalls ein Militäramphitheater nachweisen.1187 In diesem wurden Ziegelstempel der legio XIII Gemina zu Tage gefördert, also jener Legion, die uns schon im Zusammenhang mit den Amphitheatern von Cremona und Bononia/Bologna begegnet war (s. oben).1188 Die legio XIII Gemina war von Trajan nach seinem Dakienfeldzug (101 n. Chr.) in Apulum/Alba Iulia – ca. 80 km östlich von Micia – stationiert worden, wo sie bis zur Aufgabe der Provinz unter Aurelian (270–275 n. Chr.) verblieb.1189 Die Erbauung des Amphitheaters von Micia, das nur über eine kurze Zeitspanne in Benutzung war, wird mit der Zeit der Stationierung der cohors II Flavia Commagenorum in Verbindung gebracht, die zwischen 119 und 136 n. Chr. im dortigen Kastell kaserniert war.1190 Diese hätte dann für den Bau des Amphitheaters ihr Baumaterial aus der Legionsziegelei der legio XIII Gemina bezogen, die im nahegelegen Apulum lag. D. Alicu knüpft die Datierung des Amphitheaters dagegen an die urbanistische Gesamtentwicklung von Micia sowie den – 1184 Vgl. zu Camulodunum/Colchester (Britannia), das aus der Umwandlung eines Legionslagers in eine Stadt entstand, Fischer 2001, 13. 1185 Interessant ist darüber hinaus, dass auf einem Marmorfragment, das in Sarmizegetusa gefunden wurde, eine Weihinschrift erhalten ist, die möglicherweise an den Genius des Handwerkerkollegiums der legio XIII Gemina gerichtet war. Téglás 1966, 496, Nr. 13, der keine Angaben zur Datierung der Inschrift macht. Hat hier eine Vexillation der 13. Legion bei Bauarbeiten ausgeholfen? 1186 Zu den Standortvorteilen des Legionslagers von Sarmizegetusa sowie städtebaulichen Parallelen s. Alicu/Paki 1995, 5. 1187 Die verhältnismäßig kleine Arena des Amphitheaters war mit einer Mauer in opus incertum umgeben, während die Zuschauerränge aus Holz gefertigt waren. Alicu/Opreanu 2000, 44–46, 50. Alicu 1997, 299–300. Golvin 1988, 90. Zum Fund von Tierknochen (Bär, Eber) in den Ruinen des Amphitheaters s. Bouley 2001, 144. 1188 Sommer 2009, 52–53. Alicu/Opreanu 2000, 42–57. Alicu 1997, 48–59, 298–306. Ritterling 1925, 1719. Die Existenz eines Amphitheaters nahe des Lagers der 13. Legion in Poetovio/Ptuj vermutet Futrell 1991, 89. Auch in der Thermenanlage, die sowohl militärischen als auch zivilen Zwecken diente, wurden Ziegelstempel der legio XIII Gemina gefunden. Alicu/Opreanu 2000, 53–54. Vgl. Alicu 1997, 48, 298, Abb. 12. 1189 Téglás 1966, 499, Nr. 1, 2. Ritterling 1925, 1716–1717, 1720. Die Existenz eines Amphitheaters in Apulum ist zwar nicht gesichert, doch gibt der Fund eines Ziegels mit Legionsstempel der XIII Gemina sowie der Ritzzeichnung eines retiarius Anlass zu der Vermutung, dass ein solches Bauwerk auch dort zu erwarten ist. Alicu/Opreanu 2000, 36–38. Eine Umzeichnung des Ziegels samt Stempel und Ritzung findet sich auf www.amphi-theatrum.de/2377.html (25.1.2016). S. auch Bouley 2001, Taf. 39, Abb. 1. Bouley 1994, 40, 51 Abb. 6. Golvin 1988, 259 mit Anm. 82. 1190 Bouley 2001, 144. Alicu/Opreanu 2000, 53–54. Golvin 1988, 90, Nr. 47. Téglás 1910, 498–499, Nr. 6.
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wenngleich sehr spärlichen – numismatischen Befund und favorisiert einen Zeitansatz in severischer Zeit (193–235 n. Chr.).1191 Da es für beide Zeitansätze keine zwingenden Befunde gibt, kann letztlich nicht entschieden werden, ob das Amphitheater in Micia von der in hadrianischer Zeit dort stationierten cohors II Flavia Commagenorum mit Baumaterial aus der Legionsziegelei der legio XIII Gemina oder erst in severischer Zeit von einer Vexillation der in Apulum stationierten legio XIII Gemina erbaut wurde.1192 Darüber hinaus fällt möglicherweise die Errichtung des Amphitheaters von Isca Silurum/Caerleon in der Provinz Britannia in den Tätigkeitsbereich einer Legion. Ziegelstempel, die im Amphitheater von Isca Silurum gefunden wurden, nennen folgende Militärverbände: coho(rs) VIII, coh(ors) X | (centuria) Fl(avi) Iulin(i), coh(ors) III Rufini Primi, (centuria) Ful(vii) Mac(eri), (centuria) Sadi Tir(onis), (centuria) Vinulei Super(i), legio II Antoniana, (centuria) Cl(audi) Cup(iti).1193 Die Ziegelstempel der legio II Antoniana lassen sich dabei chronologisch näher eingrenzen. Diese Ziegelstempel kommen in der Zeit Caracallas (211–217 n. Chr.) auf und finden in Folge der damnatio memoriae Caracallas durch Elagabal nach 222 n. Chr. keine Verwendung mehr. Ihre Verbauung im Bereich des Amphitheaters gibt daher den zeitlichen Rahmen für diese Baumaßnahmen an.1194 Da das Amphitheater von Isca Silurum bereits um 80 n. Chr. errichtet wurde, attestieren die Ziegel der legio II Antoniana im frühen dritten Jh. n. Chr. Reparaturmaßnahmen am Militäramphitheater von Isca Silurum.1195 Ob die legio II Augusta Antoniana auch an der ursprünglichen Errichtung des Amphitheaters gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr. beteiligt war, ist nicht belegbar doch höchstwahrscheinlich, da das Lager bereits in der Zeit zwischen 70 und 74 n. Chr. erbaut wurde und bis um 290 n. Chr. in Gebrauch war.1196 A. Futrell zieht sogar in Erwägung, dass die Nennung der vielen verschiedenen Kohorten auf den Ziegelstempeln auf einen Bauwettkampf 1191 Sommer 2009, 52. Alicu/Opreanu 2000, 53–54. Alicu 1997, 301. Zum erhöhten Bedarf an Baumaterialien in Form von Ziegeln, die in Apulum hergestellt wurden und ebenfalls in diese Zeitspanne fallen, s. Ritterling 1925, 1718. 1192 Da die nahegelegenen Thermen über die Ziegelstempel der legio XIII Gemina in die Zeit zwischen 171–200 n. Chr. datiert werden können, scheint ein severischer Zeitansatz m. E. etwas wahrscheinlicher. 1193 EDH: HD024289, HD024292, HD 024295, HD 24298, HD 024304, HD024307 (= AE 1929, Nr. 39–42, 43–45). RIB 345. Vgl. RIB 340, 343–346. Boon 1972, 93. Wilmott 2008, 143–150. Vgl. Futrell 1991, 85. 1194 90 n. Chr. brannte ein Teil der Holzsitzstufen nieder, die anschließend möglicherweise ersetzt wurden. Eine zweite Bauphase lässt sich kurz nach 140 n. Chr. erkennen, eine letzte schließlich ca. 213–222 n. Chr. Aufgegeben wurde das Amphitheater von Isca Silurum/Caerleon wohl im späten 3. Jh. n. Chr. Wilmott 2008, 143, 148–150. Vgl. www.amphi-theatrum.de/1438.html. (25.4.2015). 1195 Wilmott 2008, 143, 148. Die Gründung des Lagers wird in die Zeit zwischen 70–74 n. Chr. datiert. Wilmott op. cit., 143. Boon 1972, 89, 93, 97 f. EDH: HD024313 (= AE 1929, Nr. 47b). 1196 Wilmott 2008, 143. www.amphi-theatrum.de/1438.html (25.4.2015). Ein Zenturienstein, dessen rechter Teil 1927 in der Podiumsmauer des Amphitheaters verbaut gefunden wurde, während sein linker anpassender Teil am Nordende des nördlichen Haupteinganges in unverbautem Zustand angetroffen wurde, trägt die Inschrift coh(ors) XX Flavii Iulini und wird in das ausgehende erste oder beginnende zweite Jahrhundert n. Chr. datiert. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Cen-
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deuten könnte, der bei der Errichtung des Amphitheaters unter den Kohorten ausgetragen wurde – ähnlich dem Bau von Militärlagern zu reinen Übungszwecken.1197 Die Analyse der Bauinschriften und Ziegelstempel von Militäramphitheatern macht es wahrscheinlich, dass Amphitheater im Gebiet der canabae legionis oder des vicus eines Kastells zu Militärbauten zu zählen sind, die gleichsam extra muros von und für Soldaten errichtet wurden. Die Motive für kaiserliche Bauaktivität im Zusammenhang mit Militäramphitheatern reichen vom Neubau eines solchen Monumentes, über seine Instandsetzung und Maßnahmen zur Erhöhung der Zuschauerkapazität bis hin zu seiner Ausstattung mit Spezialtechnik (?). Das lässt erkennen, dass mit dem Bau eines Militäramphitheaters nicht allein seine Bereitstellung verbunden war, sondern es musste auch permanent funktionsfähig sein, zur Verfügung stehen und technisch auf dem neuesten Stand gehalten werden. Nicht bloß seine Existenz war offenbar ein wichtiges Ausstattungsmerkmal von Militärlagern, sondern auch seine Qualität. Die Finanzierung von Militäramphitheatern durch den Kaiser lässt zudem vermuten, dass auch die darin abgehaltenen Veranstaltungen von ihm finanziell zumindest unterstützt wurden. Damit wird deutlich, dass der Kaiser neben allen militärstrategischen Aspekten auch für das Freizeitvergnügen seiner Soldaten verantwortlich zeichnete, und dass sich dieses offenbar hauptsächlich im Besuch von Amphitheater-Veranstaltungen manifestierte.1198 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich auf dem Gebiet der Lagervorstädte oder Kastelldörfer bislang keine Theater, Circusanlagen oder Stadien nachweisen ließen.1199 Im militärischen Unterhaltungssektor nehmen die munera gladiatoria und venationes demnach eine herausgehobene Stellung ein. Ein Grund für diese Vorrangstellung liegt möglicherweise in dem Umstand, dass der in der Arena inszenierte Kampf auf Leben und Tod der Lebenswirklichkeit römischer Soldaten bedrohlich nahe kam, die dafür nötige virtus auch auf dem Schlachtfeld als militärische Maxime diente.1200 Gegen die Veranstaltung von Wagen- und Pferderennen für das Vergnügen von Soldaten dürften indes allein praktische und vor allem ökonomische Überlegungen gesprochen haben:1201 Nicht nur der finanzielle, sondern auch der logistische Aufwand bei der Durchführung von Gespannrennen in einem Circus überstiegen den von Amphitheater-Veranstaltungen um ein Vielfaches. Dies gilt jedoch nicht für Veranstaltungen im Theater oder für nach griechischem Muster abgehaltene Wettkämpfe
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turienstein um eine Spolie, so dass ein Zusammenhang zwischen dem Bau der Podiumsmauer und der coh(ors) XX Flavii Iulini nicht hergestellt werden kann. RIB 343. Futrell 1991, 220, Anm. 204. S. auch das Kapitel ‚Unterhaltung am Garnisonsort‘ bei Wesch-Klein1998, 91–96. Vgl. Wesch-Klein 1998, 92–93, die vermutet, dass Militäramphitheater auch für szenische und musische Veranstaltungen genutzt wurden. Mann 2011, 41–46. Vgl. Wiedemann 2001, 11–40, 163. Wilmott 2008, 19. Baltrusch 1988, 326. Zu den Kosten von munera s. Mann 2011, 57, 72–73. Wiedemann 2001, 18–21. Zur Finanzierung der munera außerhalb Roms s. Ville 1981, 175–188.
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im Stadion, und doch sind diese Unterhaltungsgenres in militärischem Kontext nicht belegt. Insgesamt wird das Finanzvolumen, das der Kaiser für Veranstaltungen in Militäramphitheatern aufwenden musste, beträchtlich gewesen sein, und das für einen Bereich, der keinerlei strategische Bedeutung besaß. Warum aber griff der Kaiser diesbezüglich so tief in die (öffentliche) Tasche? Eines scheint in jedem Fall klar: Um eine gezielte Implementierung der römischen Gladiatur in den Provinzen des Imperium Romanum kann es dabei nicht gegangen sein.1202 Dagegen spricht vor allem, dass zu den Zuschauern die römischen Soldaten und vielleicht noch die in den canabae und vici ansässigen Trossangehörige gezählt haben, nicht aber die Provinzbewohner. Betrachtet man vor diesem Hintergrund den kommunikativen Aspekt, der ab der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. aus einigen Bauinschriften von Militäramphitheatern aufscheint, könnte vielleicht ein machtpolitischer Aspekt einen Erklärungsansatz bieten. Spätestens nach dem Ende der julisch-claudischen Dynastie stützte sich die Macht der römischen Kaiser mehr und mehr auf die Truppen der römischen Armee.1203 Die Sicherung der Loyalität und Unterstützung dieser Truppen war – neben der Aufrechterhaltung der militärischen Werteordnung – möglicherweise eine Hauptfunktion der im militärischen Kontext veranstalteten munera. Die Bereitstellung von Amphitheatern und die darin abgehaltenen Veranstaltungen würden dann vielleicht sogar in den Bereich eines Donativs rücken, das der Kaiser nicht bei seinem Amtsantritt, sondern als regelmäßig wiederkehrende virtus-Demonstrationen und Vergnügungsveranstaltungen seinen Soldaten zukommen ließ.1204 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül Für die beiden Germanien sind literarische Quellen zum Bau von Militäramphitheatern oder deren Finanzierung meines Wissens nicht überliefert. Auch im Hinblick auf epigraphisches Material – sei es in Form von Bauinschriften oder Ziegelstempeln – stößt man in Germania Superior und Inferior auf eine vergleichsweise fundar-
1202 Zur römischen Administration als Triebkraft für die Verbreitung der Gladiatur im Osten des Imperium Romanum s. Mann 2011, 77–79. 1203 Wilmott 2008, 18, vgl. Abb. 20: „The military community was the basis of Imperial power and control, its role derived from the ruler, and its status deriving from its relationship with the emperor. Many legionary fortresses and some auxiliary forts had their own amphitheatres, with 28 scattered along the line of the limes, the Roman frontier in north-western Europe, broadly along the Rhine and the Danube.“ Vgl. Eck 1998, 32. 1204 Vgl. Demandt 2007, 48, allerdings mit Bezug auf die Spätantike: „Es gab keine für die Kaisererhebung zuständige Zentralinstanz. Das letzte Wort hatte das Militär (…).“ Tac. hist. 2,67: (…) numquam ita ad curas intento Vitellio ut voluptatum oblivisceretur.
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me Situation.1205 Im Bereich der militärischen Amphitheater ist allein in Vindonissa/ Windisch eine stark fragmentierte Bauinschrift (Kat. 1.16.2) überliefert, im Bereich der zivilen Amphitheater nur in Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.2) und in Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.2). Demnach sind nur für die Provinz Germania Superior Bauinschriften von zivilen oder militärischen Amphitheatern bezeugt. Die genannten Inschriften sind dabei in mehr oder minder stark fragmentiertem Zustand auf uns gekommen und keine von diesen wurde in situ gefunden. Darüber hinaus sind in keinem der in Germania Superior oder Inferior überlieferten Amphitheater in zivilem Kontext bislang Ziegelstempel einer römischen Legion oder eines Privatunternehmers zu Tage getreten.1206 Der einzige ‚Lieferant‘ für Ziegelstempel ist das Militäramphitheater von Vetera/Birten (GI, Kat. 2.8.1), wo der Fund eines Ziegels mit Monogrammstempel auf eine Verbindung zur legio XV Primigenia hindeutet. Diese Befundlage dürfte neben den bereits erwähnten Aspekten vor allem mit dem verhältnismäßig schlechten Erhaltungszustand der Amphitheater auf dem Gebiet der Germania Superior und Inferior zusammenhängen. Eine der beiden überlieferten Bauinschriften aus der Provinz Germania Superior trat in Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.2) zu Tage, wo sie wiederverwendet als Abdeckung eines Drainagekanals unterhalb der Arena des zivilen Amphitheaters entdeckt wurde.1207 Für die Provenienz der Inschriftentafel vom Amphitheater, die meines Erachtens von den Ausgräbern der Inschrift überzeugend dargelegt wurde, sprechen vor allem die Zuweisungen der übrigen wiederverwendeten Abdeckplatten dieses Kanals: Nicht nur konnte ihre ursprüngliche Anbringung im Bereich des Amphitheaters wahrscheinlich gemacht werden, sondern ihre Demontage lässt sich auch mit Renovierungsarbeiten am Amphitheater in Verbindung bringen.1208 Auch dass im Inschriftentext das Objekt der Anbringung, also das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris, nicht ex-
1205 Vgl. EAOR V, 183, wo es zu Amphitheatern und deren Annexbauten heißt: „Mancano del tutto informazioni per gli edifici delle Germaniae e della Britannia.“ Zur persönlichen Involvierung des Kaisers bei der Errichtung von Amphitheatern im Allgemeinen s. Futrell 1991, 179–184. 1206 Im zivilen Amphitheater von Vesontio/Besançon traf man in einer Schuttschicht vor einem Durchgang zum umlaufenden Bedienungsgang der Arena auf Ziegel, deren Stempel auf eine private Ziegelei hindeuten. Da beim Bau des Amphitheaters keinerlei Ziegel verwendet wurden und die entdeckten Ziegel einer Schuttschicht entstammen, ist ein Zusammenhang mit dem Bau des Amphitheaters auf keine belastbare Grundlage zu stellen. Castan 1886, 23 Anm. 1, 24. Vgl. auch oben Kap. 2.1.5 Colonia Iulia Equestris/Nyon. 1207 Aus diesem Fundkontext stammen zwei weitere Inschriften, von denen die ältere (Mitte 1. Jh.-Anfang 2. Jh. n. Chr.) die Ehrung für den Veteranen und Ratsherrn Publius Annius Montanus aufweist und keinerlei Hinweise auf etwaige Baumaßnahmen am Amphitheater enthält. Frei-Stolba et al. 1998, 188, vgl. Abb. 7–8: P(ublio) Annio Teret(ina) Montano | optioni et quaestori equit(um) | interregi leg(ionis) XXI decurioni | col(oniae) Eq(uestris) Annia Sabina flaminica Augustae | patri. 1208 Frei-Stolba et al. 1998, 183, 188. EAOR V, 23, schließen die Inschrift aus ihrem Corpus aus, da sie „mancano del tutto riferimenti all’anfiteatro o a parti di esso e che i frammenti superstiti sono stati ritrovati in reimpiego“. Das haben die Bearbeiter Frei-Stolba et al. meines Erachtens überzeugend widerlegt.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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plizit genannt wird, kann nicht als Gegenargument für seine Arenazugehörigkeit angeführt werden, da dieses Fehlen gängiger Formularpraxis von Bauinschriften entspricht: „Da Bauinschriften in der Regel direkt am Bau angebracht waren, war es eigentlich nicht notwendig, das Bauwerk zu nennen, das errichtet oder renoviert wurde.“1209 Darüber hinaus sprechen die Buchstabengröße und Spuren von einer Verankerung der Inschriftentafel in einen Mauerverbund für ihre Identifikation als Bauinschrift.1210 Die erhaltenen Teile der Amphitheater-Inschrift bestehen aus zwei blank polierten, anpassenden Kalksteinplatten (A1, A2), von denen eine in einem größeren Fragment A2 im ‚Nebenstrang‘ des Drainagekanals, die andere in einem kleineren Fragment A1 am nordöstlichen Ende des Hauptkanals freigelegt wurde.1211 Beide Kalksteinplatten waren bei ihrer Auffindung in je drei Teile zerbrochen.1212 An ihren unteren Kanten weisen sie Spuren von Verzapfung auf, was nicht nur dafür spricht, dass sie ursprünglich in eine Mauer eingelassen waren, sondern auch dafür, dass der untere Rand der Inschriftentafel offenbar im Original erhalten ist.1213 Wie der Erhaltungszustand der Buchstaben entlang der Bruchkanten erkennen lässt, müssen sich links mindestens eine oder vielleicht sogar zwei weitere Kalksteinplatten mit Text angeschlossen haben, und auch oberhalb beider Platten fehlen Steinpartien.1214 Das kleinere der beiden Fragmente scheint dagegen die rechte Abschlussplatte der Inschriftentafel gebildet zu haben.1215 Die Inschriftentafel wird mit einer Gesamtbreite von ca. 4,80 m rekonstruiert.1216 Der erhaltene Text lautet:1217 [------] [---]ṆO AUG GEṚṂAṆ[---] [---]ṂAXIM TRIB POT XV [---]ḌESIGNAT VI P P [---]PUBLICE
1209 Horster 2001, 57. 1210 Frei-Stolba et al. 1998, 186. Zur Buchstabengröße von Bauinschriften s. Horster 2001, 14–19 mit Anm. 40. 1211 Maße von Fragment A1: erh. Höhe: 101 cm; erh. Breite: 86 cm; erh. Dicke: 90 cm; Buchstabenhöhe Zeile 2: 13,4 cm, Zeile 3: 11,7 cm, Zeile 4: 15,3 cm. Maße von Fragment A2: erh. Höhe: 100 cm; erh. Breite: 123 cm; Dicke: 11–12 cm; Buchstabenhöhe: wie Frg. A1. Frei-Stolba et al. 1998, 186, Abb. 4. Das Fragment A1 wurde in dem längeren, von NO nach SW verlaufenden Hauptstück des Drainagekanals freigelegt, das Fragment A2 in dem kürzeren ‚Seitenarm‘ des Kanals, der von NW nach SO verläuft und auf den Hauptkanal etwa grob in dessen Mitte trifft. Frei-Stolba et al. 1998, Abb. 3. Die durchschnittliche Buchstabengröße kaiserlicher Inschriften schwankt laut Horster 2001, 16, zwischen 15–25 cm. 1212 Hauser/Rossi 1999, 139, Abb. 5. 1213 Frei-Stolba et al. 1998, 186, Abb. 4–5. 1214 Frei-Stolba et al. 1998, 186, Abb. 4–5. 1215 Frei-Stolba et al. 186–187, Abb. 6. 1216 Hauser/Rossi 1999, 141, Abb. 19. Frei-Stolba et al. 1998, 188. 1217 Frei-Stolba et al. 1998, 186, Abb. 4–5.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
Ein Teil des Textes kann trotz des fragmentierten Gesamtzustandes als Ehreninschrift für Kaiser Trajan gelesen werden und lässt sich über die Kaisertitulatur in das Ende des Jahres 111 n. Chr. datieren.1218 Die Bearbeiter der Inschrift schlugen folgende Lesart vor (in Transkription):1219 [Imperatori Caesari divi Nervae] | f(ilio) [Nervae Traia]no Aug(usto) German(ico) | [Dacico pontif(ici)] maxim(o) trib(unicia) pot(estate) XV | [imperatori VI co(n)s(uli) V] designat(o) VI p(atri) p(atriae) | [Equestr(es)] publice |1220
Der Inschriftentext besteht demnach aus dem Kaisernamen Trajans mitsamt seiner kaiserlichen Titulatur im Dativ und Filiation sowie den für die Anbringung der Inschrift Verantwortlichen im Nominativ, hier die Einwohner der Colonia Iulia Equestris.1221 Die Nennung des Kaisers im Dativ legt nahe, in ihm nicht den Initiator oder Finanzier einer irgendwie gearteten Baumaßnahme zu erkennen, sondern ihn als Empfänger einer Ehrung oder Dedikation anzusprechen.1222 Diese Vermutung korreliert mit der Beobachtung, die M. Horster im Rahmen ihrer Untersuchung zu Bauinschriften römischer Kaiser im Westen des Imperium Romanum gemacht hat: „Es ist bemerkenswert, wie gering das Engagement der Kaiser im Bereich von Theatern, Amphitheatern oder Circusen ist, sofern diese Bauwerke sich nicht in unmittelbarer Nähe zu Standorten des Militärs befanden.“1223 Aber auch in anderen Reichsteilen lässt sich dieser Befund nachweisen, etwa in der Provinz Palästina, für die Z. Weiss konstatiert: „In comparison, the emperor’s participation in the construction of public buildings in ancient Palestine was meager; he usually granted gifts to temples or aquaeducts, but there is no
1218 Frei-Stolba et al. 1998, 186–188, Abb. 3–6. Hauser/Rossi 1999, 140–142, Abb. 15, 19–20. Vgl. auch oben Kap. 2.1.5 Colonia Iulia Equestris/Nyon. 1219 Frei-Stolba et al. 1998, 186, Abb. 6. 1220 Übersetzung (nach Frei-Stolba et al. 1998, 187): Dem Kaiser Caesar Nerva Traianus Augustus, Sohn des vergöttlichten Nerva, der die Beinamen Germanicus und Dacicus führt, der das Amt des Pontifex Maximus inne hat, der 15 Mal die tribunizische Gewalt ausübte, der sechs Mal zum Imperator akklamiert wurde, der fünf Mal den Konsulat bekleidete, der sechs Mal zum Konsul designiert wurde und der den Ehrentitel ‚Vater des Vaterlandes‘ trägt, widmen die Einwohner der Colonia Iulia Equestris (dieses Amphitheater) auf öffentlichen Beschluss hin. 1221 Die Bearbeiter der Inschrift haben der Lesung Equestres aufgrund von Analogien zu z. B. Nemausenses publice gegenüber Colonia Equestris den Vorzug eingeräumt. Die für den Inschriftentext abgekürzte Version Equestr, die in anderen Inschriften aus der Colonia häufig bezeugt ist, wurde aus Symmetriegründen zu publice bevorzugt. Frei-Stolba et al. 1998, 186, Anm. 4–5. 1222 Vgl. Horster 2001, 106–109. Futrell 1991, 183. Zu Bauinschriften von Amphitheatern s. die übersichtliche Zusammenstellung bei Borhy 2009, 94–123. 1223 Horster 2001, 258. Zum ‚Sponsoring‘ von Bauvorhaben in den Provinzen des römischen Reiches s. Futrell 1991, 179–184, die zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Vgl. auch Le Roux 1990, 205. Weiss 2014, 63.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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evidence that he assisted cities in erecting buildings for mass entertainment.“1224 War der Kaiser aber nicht in den Bauprozess des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris involviert, bleiben nur die Equestrenses, die im Inschriftentext als Handlungsträger angeführt werden. Sie müssen demnach als die eigentlichen Auftraggeber in Betracht gezogen werden, auch vor dem Hintergrund, dass das Formular von Bauinschriften gewissen rechtlichen Bestimmungen unterlag.1225 Ein Verb, das Auskunft über die eigentliche Tätigkeit geben könnte, in unserem Fall also über die genaue Baumaßnahme, wurde nicht verwendet. Wohl aber ein Adverb, publice, das den Vorgang klassifiziert. Dieser Zusatz publice mache deutlich – so die Bearbeiter –, dass die Inschrift auf öffentlichen Beschluss der colonia hin gesetzt worden sei.1226 Hält man sich jedoch vor Augen, welche enormen Kosten die Realisierung eines solchen Großbaus im öffentlichen Raum verursacht haben wird,1227 und dass eine aktive Beteiligung des Kaisers als eher unwahrscheinlich zu betrachten ist, muss meines Erachtens der Begriff publice an dieser Stelle weiter gefasst werden: Er impliziert – so meine These –, dass es sowohl für das gesamte Bauprojekt und seine Dedikation als auch für dessen Finanzierung eines öffentlichen Beschlusses bedurfte, der die Umsetzung des Projektes freigab. Das wiederum lässt vermuten, dass größere Summen aus der Kasse der colonia involviert waren, das Amphitheater also durch die Einwohner der Colonia Iulia Equestris finanziert worden sein muss.1228 Diese Vermutung wird durch den epigraphischen Befund ziviler Amphitheater gestützt, dem zufolge es bislang im Imperium Romanum keinerlei Belege für eine finanzielle Beteiligung des Kaisers an von Städten finanzierten Amphitheatern gibt.1229 Die Nennung der Equestrenses im Nominativ muss daher so gedeutet werden, dass sie nicht nur als die Auftraggeber, sondern zugleich auch als die Geldgeber des Amphitheaters zu verstehen sind.1230 1224 Weiss 2014, 172. 1225 Zur Vorschrift, dass bei Neubauten im öffentlichen Raum nur der Kaiser oder der Geldgeber genannt werden durfte, s. Horster 2001, 212–213, und das vorherige Kap. 2.3.1 Der Kaiser und die Errichtung von Militäramphitheatern: Vergnügen der Soldaten oder Sicherung seiner Macht? 1226 Frei-Stolba et al., 1998, 187: „Les habitants de la colonie équestre on fait poser cette inscription sur décision publique.“ 1227 Vgl. Futrell 1991, 164. Alföldy 1997, 65. 1228 Futrell 1991, 166, verweist in diesem Zusammenhang auf eine in den Digesten (50,10,3) überlieferte Quelle, der zufolge nur private oder öffentliche Gelder beim Bau eines Amphitheaters zur Verfügung standen. Vgl. Eck 2004, 340. 1229 Horster 2001, 225–229. Bei der Bauinschrift des Amphitheaters von Capua, in der Stadt und Kaiser zugleich genannt werden, ist klar zwischen der Colonia Iulia Felix Augusta Capua als Ersterbauerin und Hadrian bzw. Antoninus Pius als Finanzier späterer Baumaßnahmen differenziert. Borhy 2009, 94–95, Nr. 10. 1230 Auch bei Amphitheatern im militärischen Konnex werden bei der Nennung des Kaisers im Dativ stets die Militäreinheiten, die das Amphitheater errichtet haben, im Nominativ genannt (s. oben). Sie errichteten also das Amphitheater für oder zu Ehren von ihrem Oberbefehlshaber, dem Kaiser. Vgl. Alföldy 1997, 64–65, zur Stifterinschrift des Amphitheaters von Tarraco. Man könnte in Erwägung ziehen, dass das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris schon lange errichtet war, bevor sich die Einwohner der Colonia entschlossen, dieses Bauwerk dem Kaiser zu
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
Es stellt sich aber nun die Frage, warum der Kaiser im Text genannt wird, und damit zugleich, für welchen Anlass die Inschrift am Amphitheater der Colonia Iulia Equestris angebracht worden war. Da man für die Errichtung eines Amphitheaters (oder Theaters oder Circus) aller Wahrscheinlichkeit nach die Genehmigung des Kaisers benötigte,1231 kann die Dedikation des Amphitheaters als Dankesbezeugung der Colonia Iulia Equestris gegenüber dem Kaiser begriffen werden, der dieses prestigeträchtige Bauprojekt genehmigt hat.1232 Denkbar wäre auch, dass der Kaiser indirekt Hilfestellung bei der Umsetzung des Großprojektes geleistet hat, etwa durch die Zusicherung von Steuererleichterungen oder die Bereitstellung von Baumaterial.1233 Die Dedikation eines Bauwerkes ist prinzipiell allerdings eher mit dem Neubau eines Monumentes verknüpft vorstellbar, so dass die Widmung an Kaiser Trajan auch für das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris die erstmalige Errichtung implizieren dürfte.1234 Das genaue Erbauungsdatum des Amphitheaters konnte zwar über den archäologischen Befund bislang nicht sicher eruiert werden, scheint aber aufgrund früherer Bebauungsspuren auf dem Areal des Amphitheaters nicht vor 40–50 n. Chr. datiert werden zu können.1235 Überdies lässt der (provisorische) numismatische Befund für die Errichtung des Amphitheaters eher an den Beginn des 2. Jhs. n. Chr. denken.1236 Falls also die Bauinschrift
1231
1232 1233 1234 1235 1236
weihen. Dann wären Überlegungen hinsichtlich Finanzierung und Bauausführung hinfällig, zugleich müsste man allerdings den Anlass dieser Weihung historisch plausibel machen. Ein solches Vorgehen – also die Widmung eines Monumentes lange nach seiner Errichtung – scheint m. E. wenig wahrscheinlich, doch ist fraglich, ob es sich, so es denn existierte, aus den zur Verfügung stehenden Inschriften überhaupt herauslesen lassen würde. Hier könnte wahrscheinlich allein der archäologische Befund helfen, der eine sekundäre Anbringung einer Inschrift an einem Monument nachweisen könnte. Viele der Bauinschriften wurden allerdings nicht in situ gefunden, womit die Informationsquelle des archäologischen Befundes entfällt. Es scheint in jedem Fall Vorsicht geboten. Digesten 50.10.3: Opus novum privato etiam sine principis auctoritate facere licet, praeterquam si ad aemulationem alterius civitatis pertineat vel materiam seditionis praebeat vel circum theatrum vel amphitheatrum sit. (…) Inscribi autem nomen operi publico alterius quam principis aut eius, cuius pecunia id opus factum sit, non licet. Horster 2001, 211–213. Borhy 2013, 57. Futrell 1991, 165–166. Auch wenn die erwähnte Quelle einer späteren Zeitstellung entstammt – Macers Schaffenszeit wird in die 30er Jahre des 3. Jhs. n. Chr. datiert –, so lässt allein die ‚Verstaatlichung‘ der römischen Gladiatur seit der Regierungszeit des Augustus Sonderregelungen für den Bau von Amphitheatern wahrscheinlich erscheinen. Horster 2001, 212–213, die anmerkt, dass die von Macer überlieferten Rechtsvorschriften wahrscheinlich auch schon in den beiden vorangegangenen Jahrhunderten bestimmend gewesen seien. Zu den Ursprüngen und der Entwicklung der Gladiatur sowie zur Genehmigungspflicht für munera s. Mann 2011, 30–33, 62–64. Wilmott 2008, 14–15. Junkelmann 2008, 32–42. Mosci Sassi 1992, 37–42. Baltrusch 1988, 334–337. Vgl. Ebner 2013, 164, 185–186. Hufschmid 2009, 169. Auch die Entscheidung, ob ein Kaiser öffentlich geehrt wurde, unterlag einem Beschluss des Dekurionenrates. Horster 2001, 106. Horster 2001, 223–225, 229–232. So auch Hufschmid 2009, 169. Dafür würde auch sprechen, dass im Inschriftentext kein Objekt genannt wird, was bei Bauinschriften mehrheitlich im Zusammenhang mit Renovierungsarbeiten Erwähnung findet. Horster 2001, Hauser/Rossi 1999, 141. Hauser/Rossi 1999, 141.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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aus Colonia Iulia Equestris tatsächlich die Ersterbauung des Amphitheaters verrät, wäre damit erstmals ein annähernd zuverlässiges Erbauungsdatum für das Amphitheater gewonnen, das über die Datierung der Inschrift in das Jahr 111 n. Chr. zu setzen wäre. Dieses Datum würde sich harmonisch in den (vorläufigen) numismatischen Befund des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris einfügen, der ebenfalls in den Beginn des 2. Jhs. n. Chr. verweist.1237 Darüber hinaus korrespondiert dieser Zeitansatz mit dem Aufkommen ziviler Amphitheater in der Germania Superior: So wurden das Amphitheater von Augusta-Raurica / Augst-Neun Türme (Kat. 1.4.1) um 110 n. Chr., das von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1) um 120 n. Chr. und die Amphitheater von Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1) und Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.1) in dem Zeitraum zwischen der 2. Hälfte des 1. Jhs. und der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. erbaut. Der gleichsam ‚sakrale‘ Charakter der Dedikation des Amphitheaters rückt die Widmung zugleich in die Sphäre des Kaiserkultes, der in munera gladiatoria und venationes im Amphitheater eine seiner vielgestaltigen Ausdrucksformen finden konnte.1238 Das Motiv für die Errichtung des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris und seine anschließende Weihung an Trajan könnte also im provinzialen Kaiserkult der colonia zu suchen sein. Das würde bedeuten, dass in der Germania Superior der Kaiserkult im zivilen Bereich motivierend auf den Bau von Amphitheatern und damit auf die Veranstaltung von munera gewirkt hat. In den Städten im Osten des Imperium Romanum zählte die enge Bindung der munera an den Kaiserkult – neben der Verstädterung – zu einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Etablierung und Verbreitung der römischen Gladiatur.1239 Ein direkter Zusammenhang zum Kaiserkult der Colonia Iulia Equestris scheint zudem in einer anderen, wahrscheinlich zeitgenössischen Inschrift auf, die man ebenfalls als Drainageabdeckung unter der Arena des Amphitheaters gefunden hat.1240 Besagte Inschrift wurde von der Kaiserpriesterin Annia Sabina zu Ehren ihres Vaters Publius Annius Montanus im Bereich des Amphitheaters gesetzt. Aus dem Text geht hervor, dass P. Annius Montanus decurio der Colonia Iulia Equestris war, nicht aber aus welchem Grund seine Tochter ihm diese Ehrung zukommen ließ. Als decurio fiel allerdings auch die Veranstaltung von munera in seinen Amtsbereich, und so liegt es nahe, den Anbringungsort der Inschriftentafel mit dem Motiv der Ehrung in Verbindung zu bringen:1241 Vielleicht hatte P. Annius Sabinus in seiner Funktion als decurio im Am1237 Hauser/Rossi 1999, 141. 1238 Wilmott 2008, 18. Alföldy 1997, 67. Futrell 1997, 79–92. Ville 1981, 188–193, 222–223. Hufschmid 2009, 173–185. Zur Verbindung der munera zum Kaiserkult im Osten des Imperium Romanum s. Mann 2011, 54, 59–62, 86–87. Eine Ausnahme bildet Ägypten, in dem die munera nicht an den Kaiserkult gebunden gewesen zu sein scheinen. Mann op.cit., 57. Vgl. Eck 1998, 215. 1239 Mann 2011, 54, 59–62, 76–77. Für den Westen des Imperium Romanum s. Ville 1981, 222–223. 1240 Die Inschrift wird in die Zeit zwischen 50 n. Chr. und den Beginn des zweiten Jhs. n. Chr. datiert. Frei-Stolba et al. 1998, 188–193, Abb. 3, 7–8, und oben in Kap. 2.1.5 Colonia Iulia Equestris/Nyon. 1241 Futrell 1991, 184–186.
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phitheater der Colonia Iulia Equestris ein munus legitimum veranstalten lassen. Die zeitliche Nähe der Bauinschrift des Amphitheaters zu der der Kaiserpriesterin Annia Sabina sowie Analogien im Fundort beider Inschriftenblöcke könnte darüber hinaus indizieren, dass es sich bei diesem munus legitimum vielleicht sogar um die feierlichen Eröffnungsspiele des Amphitheaters gehandelt hat. Die ausgeführten Überlegungen machen es meines Erachtens wahrscheinlich, dass es sich bei der Inschrift aus der Colonia Iulia Equestris um die Bauinschrift eines Neubaus handelt, ein Amphitheater, das die Einwohner der Colonia Iulia Equestris initiiert, finanziert und umgesetzt sowie nach seiner Fertigstellung Kaiser Trajan im Rahmen des Kaiserkultes gewidmet haben. Träfen die hier angestellten Überlegungen das Richtige, könnte man darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Bau eines provinzialen Amphitheaters folgenden verwaltungstechnischen Ablauf deduzieren: Wollte eine Provinzstadt in Germania Superior ein Amphitheater errichten, musste zunächst der Dekurionenrat zusammentreten und sowohl das Bauvorhaben als auch seine Finanzierung aus stadt- oder vielleicht auch provinzeigenen Mitteln genehmigen. Dann musste die Zustimmung des Kaisers eingeholt werden, denn die Errichtung von Amphitheatern fiel ebenso wie die von Theatern und Circusanlagen unter rechtliche Sonderbestimmungen. War die Erlaubnis des Kaisers erteilt, konnte mit dem Bau begonnen werden, wozu möglicherweise die Einwohner der Colonia Iulia Equestris herangezogen und/oder private Baufachleute beauftragt wurden. Die am fertiggestellten Monument angebrachte Bauinschrift durfte als Finanzier des Bauprojektes nur die ausführende Stadt nennen, andere Magistrate o. ä. durften nicht aufgeführt werden. Im Rahmen des provinzialen Kaiserkultes konnte das Amphitheater dem Kaiser gewidmet werden. Das Formular der Bauinschrift beinhaltete demzufolge Name und Titulatur des Kaisers im Dativ als Empfänger der Ehrung, den Namen der ausführenden Stadt im Nominativ sowie den Hinweis (publice) darauf, dass der Bau von der colonia genehmigt und mit öffentlichen Geldern der Stadt finanziert worden war. Warum allerdings die Inschriftentafel demontiert und als Spolie für die Abdeckung des Drainagekanals des Amphitheaters wiederverwendet wurde, kann nicht mit abschließender Sicherheit geklärt werden – zumal es rechtlich spätestens Anfang des 3. Jhs. n. Chr. unter Strafe gestellt war, die Inschrift des Ersterbauers zu entfernen.1242 Man hat erwogen, dass die Inschriftentafel aufgrund ihrer rekonstruierten Gesamtbreite von ca. 4,80 m über einem der beiden Zugänge zum Amphitheater der Colonia Iulia Equestris angebracht war.1243 Möglicherweise – so die Vermutung der Bearbeiter der Inschrift – war sie ursprünglich über dem Westeingang des Amphitheaters befestigt, der nicht nur über die notwendige Breite verfügte, sondern der vielleicht auch im Zuge von Reparaturmaßnahmen an der Podiumsmauer unmittelbar nordöstlich des
1242 Horster 2001, 20. 1243 Hauser/Rossi 1999, 138. Frei-Stolba et al. 1998, 183, 188.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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Westeingangs ebenfalls repariert worden war.1244 Die nachgewiesene Reparatur, bei der ein Teilstück der Podiumsmauer ersetzt werden musste, könnte demnach auf Zerstörungen im Westteil des Amphitheaters hindeuten, die auch die Inschriftentafel so stark beschädigten, dass sie entfernt und zweckentfremdet weiterverwendet wurde.1245 Da sie offenbar zur Reparatur des Drainagekanals genutzt wurde,1246 muss sie innerhalb der Benutzungszeit demontiert worden sein. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Reparatur des Kanals und der Demontage der Tafel dürfte daher wahrscheinlich sein, ein Zeitpunkt allerdings, der chronologisch noch nicht näher eingegrenzt werden konnte. Da das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris nach dem Einfall der Alamannen um 260 n. Chr. nicht mehr als solches genutzt wurde, muss dieser Zeitpunkt vor diesem Datum und nach der (vermuteten) Erbauung im Jahre 111 n. Chr. angesetzt werden. Die zweite Bauinschrift eines Amphitheaters aus der Germania Superior stammt aus Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.2). Sie besteht aus insgesamt drei Fragmenten, die an unterschiedlichen Orten zu Tage traten: Zwei Fragmente waren in die Außenmauern einer der Annexbauten der Kirche Sainte-Madeleine verbaut, ein drittes – heute verlorenes – in den Mauern eines Wohnhauses ganz in der Nähe dieser Kirche.1247 Eines der Bruchstücke der Inschriftentafel lässt deutliche Spuren einer Verbauung in eine Mauer erkennen.1248 Die in drei Teile gebrochene Inschriftentafel gehörte ursprünglich möglicherweise zu einem größeren Fries und verfügte über mindestens drei Zeilen.1249 Die Nähe zum Amphitheater sowie die Größe der zu rekonstruierenden Inschriftentafel ließen an eine Anbringung an der Außenfassade des Amphitheaters von Vesontio denken.1250 Die erhaltenen Buchstaben der beiden größeren Fragmente entstammen der ersten bzw. zweiten Zeile des Inschriftentextes: OM ILII`
AUG ILI
Das dritte Fragment bewahrt die Buchstaben LII oder LIH und stammt wahrscheinlich aus der dritten Textzeile.1251 Die erhaltenen Buchstaben der ersten Zeile lassen für 1244 Frei-Stolba et al. 1998, 188. 1245 Als Ursache für diese Zerstörungen hat man vorgeschlagen, dass das Mauerwerk entweder dem hohen Druck der cavea-Anschüttungen oder des Sickerwassers nicht standgehalten hat. Hauser/ Rossi 1999, 138. 1246 Hauser/Rossi 1999, 140. 1247 Bei der allmählichen Schleifung des Amphitheaters wanderte möglicherweise ein Teil des Steinmaterials in den Bau der Kirche Sainte-Marie-Magdeleine, den Vorgängerbau der heutigen Kirche Sainte-Madeleine. Castan 1886, 12. 1248 Castan 1886, 12. 1249 Castan 1886, 12–13. Die Größe der Buchstaben in Zeile 1 beläuft sich auf 28 cm, die in Zeile 2 und 3 auf 26 cm bzw. 23 cm. Castan op. cit., 12. 1250 Castan 1886, 12. 1251 Castan 1886, 13.
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die Buchstaben AUG auf das Wort Augustus schließen, was für die Rekonstruktion der Buchstaben OM in derselben Zeile einen Namen oder Beinamen des Kaisers nahelegt. Da der Stil der Buchstaben in das 1./2. Jh. n. Chr. verweise, zog A. Castan zwei Möglichkeiten in Betracht: Domitianus oder Commodus.1252 Der Zeitraum für die Errichtung des Amphitheaters von Vesontio wird allerdings über den archäologischen Befund zwischen dem Ende der flavischen Dynastie und der Herrschaft Trajans angesetzt, so dass eine Ergänzung der Buchstaben OM mit Domitianus,1253 dem letzten Vertreter der flavischen Dynastie, wahrscheinlich ausscheiden muss. Commodus dagegen hatte seit 177 n. Chr. mit der Verleihung der tribunicia potestas an der kaiserlichen Gewalt seines Vaters teil, bevor er 180 n. Chr. zum Alleinherrscher wurde. Er könnte – vielleicht zusammen mit Marc Aurel – zwar nicht bei der Erbauung, wohl aber bei einer späteren Bauphase des Amphitheaters Pate gestanden haben, möglicherweise dem Ausbau der cavea in Stein.1254 Aus der zweiten Zeile des Inschriftentextes aus Vesontio könnten sich – so A. Castan – die Buchstaben ILIA mit verschiedenen Beinamen wie etwa Aemilianus, Rutilianus o. ä. verbinden, während die Buchstaben ILI Überreste des Wortes filius darstellen könnten.1255 Bei LIH aus der dritten Zeile könnte es sich um die letzte Silbe eines Namens im Genitiv – etwa Aeli, Iuli, Aureli – und den ersten Buchstaben eines nachfolgenden, mit H beginnenden Wortes handeln.1256 A. Castan hat zudem vermutet, dass in der zweiten Zeile der Inschrift die Namen der Magistrate, die die Weihung des Amphitheaters an den Kaiser zu verantworten haben, erscheinen müssten.1257 Auf Basis des derzeitigen Forschungsstandes müssen die Überlegungen A. Castans leicht modifiziert werden. So liegt das Motiv für die Setzung der Inschrift vom Amphitheater von Vesontio aller Wahrscheinlichkeit nach in einer Restaurierung oder einem Umbau begründet, denn zur Zeit Commodus war das Amphitheater von Vesontio schon seit mehreren Dekaden in Benutzung. Zugleich aber erscheint der Name eines Kaisers, was grundsätzlich zwei Möglichkeiten eröffnet: Entweder der Kaiser hat die Restaurierungs- oder Umbaumaßnahmen finanziert, dann müssten sein Name
1252 Castan 1886, 13. 1253 Golvin 1988, 191. Grenier 1958, 695. 1254 Reuß 2016, 403. Grenier 1958, 693. Castan 1886, 22. Castan op. cit., 13, hielt noch eine Erbauung unter Marc Aurel und eine Fertigstellung unter Commodus für möglich, was heute aus bautypologischer Sicht verworfen werden muss. Dieser Vorschlag zur Lesung der Inschrift lässt an die bereits erwähnte Inschrift aus Mesarfelta/El-Outaya aus der Provinz Numidia denken (s. oben), die die beiden amtierenden Augusti Marc Aurel und Commodus als Verantwortliche für eine Runderneuerung des dortigen, marode gewordenen Amphitheaters nennt (CIL 8, 2488 = EDH: HD031465). Allerdings handelte es sich in Mesarfelta um das zum Lager der cohors VI Commagenorum gehörende Amphitheater, also um ein Militäramphitheater, das dem Kaiser als Oberbefehlshaber der römischen Truppen direkt unterstellt war (s. oben). 1255 Castan 1886, 14. 1256 Castan 1886, 14. 1257 Castan 1886, 14.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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und seine Titulatur im Nominativ erscheinen. Vielleicht könnte darüber hinaus im Inschriftentext auch die ab Hadrian in Bauinschriften übliche Filiation des Kaisers auftreten.1258 Ein Verb, das die Baumaßnahmen spezifizierte, ist im Formular von zivilen Amphitheaterinschriften dieser Zeitstellung ebenfalls zu erwarten, im Falle Vesontios also etwa restituere oder exornare.1259 Die Namen von Magistraten oder anderen Personen dürften dagegen fehlen. Im gesamten Imperium Romanum sind bislang jedoch nur zwei Bauinschriften von zivilen Amphitheatern überliefert, die eine Restaurierung oder Verschönerung an einem zivilen Amphitheater durch den Kaiser dokumentieren: die des Amphitheaters von Capua (138–161 n. Chr.) in Italien und die des Amphitheaters der Colonia Iulia Urbs Triumphalis Tarraco/Tarragona in der Provinz Hispania Citerior (221 n. Chr.).1260 Sowohl das Amphitheater von Capua (Außenmaße 169,9 × 139,9 m) als auch das von Tarraco (Außenmaße 130 × 102 m)1261 sind allein im Hinblick auf ihre Größe und Ausstattung nicht mit dem von Vesontio (Außenmaße 100 × 84,6 m) zu vergleichen, so dass fraglich erscheint, ob sich der Kaiser in Vesontio finanziell in gleicher Weise engagiert hat wie in Capua und Tarraco. Die zweite – und meines Erachtens wahrscheinlichere – Möglichkeit wäre, dass Kaisername und Titulatur im Dativ, in Verbindung mit der Präposition pro im Ablativ oder in der Wendung in honorem im Genitiv verwendet wurden. Commodus wäre dann als Empfänger einer Dedikation zu verstehen. In diesem Falle müsste man für das Formular der Inschrift neben dem Namen und der Titulatur des Kaisers im Dativ eine Stadt oder eine Privatperson im Nominativ annehmen, die als Finanzier der Baumaßnahmen in der Inschrift genannt werden durfte, außerdem ein Verb wie restituere oder exornare o. ä. Die Angabe der Geldquelle, also z. B. (de) sua pecunia oder sua impensa bei einer Privatperson oder publice bei einer Stadt wie in der bereits vorgestellten Inschrift der Colonia Iulia Equestris (s. oben), wäre ebenfalls nicht überraschend. Auch Details zum Umfang der Bauarbeiten oder welchen Teil des Amphitheaters sie betrafen, würden in Analogie zu anderen Bauinschriften ziviler Amphitheater wenig verwundern.1262 Allerdings sind Städtenamen – wie bereits erwähnt – im Zusammenhang mit Restaurierungsarbeiten an einem zivilen Amphitheater in Bauinschriften bisher nicht überliefert,1263 vielleicht weil derlei Maßnahmen im Kostenaufwand deutlich geringer waren als die eines Neubaus und sich daher für euergetische Leistungen seitens
1258 Horster 2001, 43. 1259 Zu Verben in kaiserlichen Bauinschriften s. Horster 2001, 51–59. 1260 Capua: EDH: HD032563. Horster 2001, 299–300, Kat. Ib 2,1. CIL 10, 3832. ILS 6309. Alföldy 2002, 125–126, Nr. 15. Futrell 1991, 183. Vgl. Jones 2009, 130–132. Tarraco: Dupré i Raventós 2009. Horster op. cit., 386–389. AE 1990, 654. Alföldy 1997, 59, 68–97. 1261 Für Tarracco wird eine Zuschauerkapazität von 14.000 Sitzplätzen rekonstruiert. Alföldy 1997, 59. 1262 Borhy 2009, S. 94–123, Nr. 1, 3, 30, 40, 54–59. 1263 S. die Liste bei Borhy 2009, 94–123, der die beste Übersicht zu den Bauinschriften (und locus-Inschriften) von Amphitheatern bietet.
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einer Privatperson in besonderem Maße anboten.1264 Im Falle Vesontios müsste man demnach einen privaten Sponsor vermuten, der vielleicht Teile des Amphitheaters wiederherstellen (restituere, podium faciendum curare o. ä.) oder den Bau verschönern (exornare) ließ.1265 Möglicherweise war dieser Name einer Privatperson Bestandteil der Buchstabenkombination in der dritten Zeile des Inschriftentextes, denn insbesondere ein möglicherweise mit H beginnendes lateinisches Wort lässt sich im Zusammenhang mit der Kaisertitulatur des Commodus schwerlich rekonstruieren. Namen von Magistraten sind auch bei diesem Lösungsansatz nicht zu erwarten. Für die Bauinschrift des Amphitheaters von Vesontio ergibt sich aus den vorgetragenen Überlegungen zusammenfassend, dass das Amphitheater in der Regierungszeit des Commodus wahrscheinlich auf Initiative eines privaten Sponsors ausgebaut, umgebaut oder verschönert wurde. Diese Maßnahme widmete der private Euerget dem Kaiser, die möglicherweise wie schon im Falle der Colonia Iulia Equestris als Ausprägung des provinzialen Kaiserkultes verstanden werden kann. Für die sechs militärischen Amphitheater der Germania Superior und Inferior sind nur wenige inschriftliche Zeugnisse hinsichtlich ihrer Baumeister auf uns gekommen. Im Militäramphitheater von Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1), das größte sowohl der militärischen als auch der zivilen Amphitheater in Germanien, stieß man gegen Ende des 19. Jhs. im Bereich des östlichen Eingangs zum Amphitheater auf zwei anpassende Stücke einer Inschriftentafel (Kat. 1.16.2), die dort allerdings nicht in situ sondern in Sturzlage angetroffen wurden.1266 Vom stark fragmentierten Text der zweizeiligen Inschrift konnten folgende Buchstaben entziffert und ergänzt werden:1267 [– – – Caesa]ris Au[g(usti) – – – – | – –ni]ci [– – – – –]
Aufgrund der Ergänzung der Ehrennamen mit [Germani]ci oder [Britanni]ci sowie in Analogie zu einer ähnlich langzeiligen Inschrift aus Vindonissa schlossen H. Nesselhauf und H. Lieb auf die Kaisertitulatur des Claudius (41–54 n. Chr.), was von nachfolgenden Bearbeitern übernommen wurde.1268 Da es sich bei Vindonissa um ein Militäramphitheater handelt, können Kaisername und -titulatur in seiner Bauinschrift in der Tat wenig überraschen. Das hölzerne Amphitheater von Vindonissa zählt über-
1264 Zu den Kosten von Amphitheaterbauten s. Hufschmid 2009, 191–193. Vgl. Eck 2004, 340. 1265 Zu Privatpersonen, die Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen an einem Amphitheater finanziert haben, s. Borhy 2009, 94–107, Nr. 3, 13, 22, 29, 33, 37, 38, 40, 54–59. 1266 Frei-Stolba et al. 2011, 12, mit Abb. auf derselben Seite. Die zwei Fragmente sind „links, unten, rechts und anscheinend auch hinten gebrochen.“ Nesselhauf/Lieb 1960, 146, Nr. 64, wo es bezüglich des Fundortes heißt: „ (…), angeblich im Amphitheater.“ Die Buchstabenhöhe beträgt 12 cm, was für die Bauinschrift eines Ersterbauers sehr klein ist. Horster 2001, 16–20. Frei-Stolba et al. a. a. O. Um ihre Lesbarkeit zu garantieren, kann sie nicht sehr hoch am älteren Amphitheater von Vindonissa angebracht gewesen sein. 1267 Nesselhauf/Lieb 1960, 146, Nr. 64. Frei-Stolba et al. 2011, 12, mit Abbildung oben auf der Seite. 1268 Nesselhauf/Lieb 1960, 146, Nr. 64. Frei-Stolba et al. 2011, 12.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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dies zu den wenigen Vertretern dieses Bautyps, dessen Erbauung man relativ sicher in tiberische Zeit (14–37 n. Chr.), wahrscheinlich nicht vor 30 n. Chr. datieren kann.1269 Der nachgewiesene Zerstörungshorizont markiert für den Benutzungszeitraum des hölzernen Amphitheaters nach nur rund zehn Jahren ein jähes Ende, da es in den 40er Jahren des 1. Jhs. n. Chr. durch ein Feuer zerstört wurde – vielleicht im Zusammenhang mit dem Besatzungswechsel der legio XIII Gemina und XXI Rapax im zugehörigen Militärlager.1270 Handelt es sich bei der vorliegenden Bauinschrift also tatsächlich um eine in claudische Zeit (41–54 n. Chr.) zu setzende Inschrift, müsste man folgern, dass sie entweder noch zum Holzamphitheater von Vindonissa gehörte oder bereits zu seinem Nachfolgebau in Holz-Steintechnik, dessen Errichtung um 50 n. Chr. datiert wird.1271 Für eine Zugehörigkeit zum Holzamphitheater spricht meines Erachtens vor allem die geringe Buchstabengröße der Inschrift von nur 12 cm, die laut M. Horster bei kaiserlichen Bauinschriften in den Städten des westlichen Imperium Romanum eher für inschriftlich fixierte Restaurierungs- oder Umbaumaßnahmen charakteristisch sei.1272 Diese These ließe sich in jedem Fall durch den Baubefund stützen, denn dieser attestiert dem Holzamphitheater von Vindonissa trotz seiner relativ kurzen Nutzungsspanne eine klare Mehrphasigkeit.1273 Erwiese sich die Datierung der Inschrift in claudische Zeit und ihre Zugehörigkeit zum militärischen Amphitheater von Vindonissa als richtig, hätte das für die Rekonstruktion des Inschriftenformulars in Analogie zu den übrigen überlieferten Bauinschriften von Militäramphitheatern folgende Konsequenzen: Alle Texte von Bauinschriften beginnen mit dem Wort imperator, meistens gefolgt von Caesar, entweder im Nominativ oder im Dativ. Wollte man für Vindonissa keine provinziale Ausnahme in Erwägung ziehen, müsste man folglich Imperator Caesar oder Imperatori Caesari zu Beginn der Inschrift rekonstruieren. Das aber würde grammatisch zu dem in der zweiten Zeile ergänzten Beinamen Germanici oder Britannici in Widerspruch stehen und auch nur schwerlich mit dem Caesaris Augusti der ersten Zeile in Einklang zu bringen sein. Eine Lösung böte die Möglichkeit, ein pro salute oder in honorem zu ergänzen, eine Wendung, die allerdings bisher nur bei zivilen Amphitheatern und dort auch nur vereinzelt anzutreffen ist.1274 Für das Militäramphitheater von Vindonissa müsste man dann ein bislang singuläres Formular für die Bauinschrift des Holzamphitheaters annehmen. In jedem Fall zu ergänzen hätte man die Angabe der Ämter des Kaisers, also sein Amt als
1269 Matter/Auf der Maur 2012, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 10. Vgl. Hufschmid 2009, 167–168. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 72–73. 1270 Trumm/Flück 2013, 228. Matter/Auf der Maur 2012, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 10, 26–28. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 73. Heuberger 1909, 77, Taf. XIV. 1271 Matter/Auf der Maur 2012, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 11. 1272 Nesselhauf/Lieb 1960, 146. Horster 2001, 16–20. 1273 Matter/Auf der Maur 2012, 42. 1274 Borhy 2009, 94–123, Nr. 23, 26, 56–58.
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pontifex maximus, Angaben zur tribunizischen Gewalt, Anzahl der erhaltenen Akklamationen und den Ehrentitel pater patriae. Wie die Bauinschriften von Carnuntum (Pannonia Superior) und Burnum (Dalmatia) zeigen (s. oben), scheint für das Formular der frühen Bauinschriften militärischer Amphitheater die Nennung des Kaisernamens samt Titulatur obligat gewesen zu sein, die Nennung des militärischen Verbandes hingegen optional. Da der untere Rand der Inschriftentafel aus Vindonissa nicht im Original erhalten ist, bestünde die Möglichkeit, eine militärische Einheit in einer dritten (oder vierten?) Zeile zu rekonstruieren. Dabei müsste es sich um die Soldaten der zu dieser Zeit in Vindonissa stationierten legio XIII Gemina gehandelt haben, die höchstwahrscheinlich in jedem Fall als die eigentlichen Erbauer des Amphitheaters zu deklarieren sind. Inschriftlich würde dies wie folgt Niederschlag finden: PER LEG XIII GEM oder – grammatisch wahrscheinlicher – LEG XIII GEM.1275 Vor diesem Hintergrund könnte die Restaurierungsinschrift am Holzamphitheater von Vindonissa folgendermaßen ausgesehen haben: [Pro salute]1276 | [Imp(eratoris) Ti(beri) Claudi Caesa]ris Au[g(usti) – | [– – – – – – – – – – – – – (Germa)ni]ci – – – – – – – | [imp(eratoris) ? p(ontificis) max(imi) tr(ibunicia) pot(estate) ? co(n)s(ulis) ? p(atris) p(atriae)] | [leg(io) XIII Gem(ina)]
Der so gewonnene Rekonstruktionsvorschlag birgt einige Ungereimtheiten und verlangt die Annahme von Ausnahmeerscheinungen. Vielleicht muss man daher auch die Option in Betracht ziehen, dass die fragmentierte Inschrift nicht mit dem Bau des Amphitheaters verknüpft war, sondern ursprünglich einem anderen Bauzusammenhang zugeordnet war. Die Unsicherheiten hinsichtlich des Fundortes können eine grundsätzliche Ansprache des Inschriftenfragmentes als Spolie jedenfalls nicht ausschließen.1277
1275 S. oben im Abschnitt 2.3.1 Der Kaiser und die Errichtung von Militäramphitheatern: Vergnügen der Soldaten oder Sicherung seiner Macht? Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bauinschrift des Amphitheaters von Teate Marrucinorum, die in die Zeit zwischen 30 und 70 n. Chr. datiert wird und in der der primus pilus legionis XXI, Sextus Pedius Lusianus Hirrutus, im Zusammenhang mit dem Amphitheaterbau erwähnt wird. Borhy 2009, 96–97, Nr. 18. EDH: HD04310. Vgl. Ville 1981, 194. 1276 Pro salute ist bei diesem Rekonstruktionsvorschlag der Vorzug vor in honorem gegeben worden, da ersteres häufiger für Amphitheater-Bauinschriften belegt ist. Borhy 2009, 94–123. 1277 Für das jüngere, aus Holz und Stein errichtete Amphitheater von Vindonissa, ist keine Bauinschrift überliefert. Da die Erbauung dieses jüngeren Amphitheaters in das Jahr um 50 n. Chr. datiert wird, ist davon auszugehen, dass die zu diesem Zeitpunkt dort stationierte legio XXI Rapax für die Erbauung des Amphitheaters in Holz-Steinbauweise verantwortlich war – auch wenn dies epigraphisch oder archäologisch nicht bewiesen werden kann. Matter/Auf der Maur 2012, 33, 36, 42. Frei-Stolba et al. 2011, 11–12.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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Aus der Germania Inferior sind keinerlei Bauinschriften von Amphitheatern überliefert, dafür aber ein Ziegelstempel, der zumindest vage Rückschlüsse erlaubt. In Vetera Castra/Birten (GI, Kat. 2.8.1) stieß man im Bereich der Arena des Militäramphitheaters auf einen Ziegel, der mit dem Monogramm TRA in Ligatur gestempelt war.1278 Man vermutet, dass der Stempel die Legionsziegelei bezeichnet und als Vorläufer der sog. tegularia transrhenana einen Großteil der Baukeramik lieferte, den die legio XV Primigenia für ihre Lagerbauten in Vetera Castra nutzte.1279 Angetroffen wurde jener Ziegel mit Monogrammstempel im unteren Bereich der Auffüllschicht über den die Arena umgebenden Pfostenlöchern und wird über die keramischen Beifunde in claudisch-neronische Zeit datiert.1280 Da besagte Füllschicht unmittelbar über dem gewachsenen Boden angetroffen wurde, muss sie entweder zum Bauhorizont des Amphitheaters gezählt werden oder ist während einer der ersten Umlagerungen des Arenabodens hierhin gelangt. Umlagerungen des Arenabodens zur Vor- bzw. Nachbereitung der Arenaveranstaltungen, etwa um Fäkalien o. ä. zu beseitigen, hat man im Amphitheater von Augst-Neun Türme geoarchäologisch nachweisen können.1281 Eine Beteiligung der 15. Legion am Bau des Amphitheaters von Vetera Castra kann daraus zwar nicht zwingend abgeleitet werden, doch könnte sie auf eine frühe Präsenz dieser Legion im Bereich des Amphitheaters hindeuten. Da die Legion seit claudischer Zeit in Vetera stationiert war und wahrscheinlich über eine truppeneigene familia gladiatoria verfügte, ist ihre Beteiligung an der Erbauung des Amphitheaters ohnehin äußerst wahrscheinlich.1282 Die übrigen Militäramphitheater der Germania Superior und Inferior legen allein durch ihre enge Nachbarschaft zu einem römischen Militärlager nahe, dass sie von den dort stationierten Soldaten errichtet wurden.1283 Unstrittig dürfte dies für die limesnahen Militäramphitheater von Arnsburg (GS, Kat. 1.3.1) und Zugmantel (GS, Kat. 1.18.1–1.18.2) sein, denn eine größere Zivilsiedlung, die Architekten, Handwerker, Bauarbeiter und Baumaterial in ausreichendem Maße hätten zur Verfügung stellen können, existierte hier nicht. Demnach darf man wohl mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass das Amphitheater von Arnsburg, dessen genaues Errichtungsdatum ungewiss ist, entweder zwischen 90 und 100 n. Chr. von der cohors II Aquitanorum Equitata Civium Romanorum oder in der ersten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. von der cohors I Aquitanorum erbaut wurde.1284 Dagegen ist die Belegung des Kastells am Zugmantel für die Zeit zwischen seiner Erbauung um 90 n. Chr. und der Mitte des 2. Jhs. 1278 1279 1280 1281 1282
Hanel 1995, 272–274, Kat. G 1136. Lehner 1910, 273. Hanel 1995, 273. Hanel 1995, 272–274, 741. Rentzel 2009. Obladen-Kauder 2013, 108. Hanel 2008, 97. Ritterling 1925, 1759, 1783. Zur vermuteten familia gladiatoria der legio XV s. unten Kap. 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia. 1283 Vgl. Le Roux 1990, 205. 1284 Becker 2009, 24–26. Sommer 2009, 47. Von Kaenel et al. 2010, 15. Baatz/Herrmann 1982, 230.
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n. Chr. ungewiss, möglicherweise handelte es sich um eine Numerus-Einheit der Treverer, die später zur cohors (?) I Treverorum Equitata aufgewertet wurde.1285 Diese Numerus-Einheit wäre demnach wohl für den Bau des Amphitheaters verantwortlich zu machen. Das Amphitheater am Galgenköppel, das meines Erachtens als das jüngere der beiden Amphitheater anzusprechen ist und vielleicht um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. erbaut wurde, dürfte dann entweder noch in die Verantwortung besagter Numerus-Einheit gefallen oder mit der später am Zugmantel sicher stationierten cohors (?) I Treverorum Equitata in Verbindung zu bringen sein.1286 Möglich wäre auch einen Zusammenhang mit dem ersten Steinausbau des Kastells um 150 n. Chr. herzustellen, für den die Anwesenheit eines Detachements der legio VIII bezeugt ist.1287 Auch für das Militäramphitheater von Noviomagus/Nijmegen (GI, Kat. 1.7.1) sind keine sicheren Datierungen bekannt, so dass hier allein auf Basis von begründeten Vermutungen Wahrscheinlichkeiten ins Feld geführt werden können.1288 Diesen zu Folge zeichnete die legio X Gemina Pia Fidelis Domitiana, die ab 71 n. Chr. auf dem Hunerberg bei Ulpia Noviomagus stationiert war, nicht nur für den ersten Bau des Amphitheaters um 71 n. Chr. (?) verantwortlich, sondern auch für dessen Ausbau in Stein gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr.1289 Fassen wir die hier formulierten Vermutungen und Hypothesen noch einmal zusammen: Hinweise auf Baumeister bzw. Finanziers von zivilen und militärischen Amphitheatern in der Germania Superior und Inferior sind ausgesprochen spärlich und lassen hauptsächlich für die Germania Superior Raum für Spekulationen. Dabei hat sich gezeigt, dass der Kaiser aller Wahrscheinlichkeit nach am Bau von zivilen Amphitheatern nicht in direkter Form finanziell beteiligt war. Vielmehr tritt er als Dedikations-Adressat von Neubauprojekten (Claudia Iulia Equestris) oder Restaurierungs- oder Umbaumaßnahmen (Vesontio) in Erscheinung.1290 Dieses Phänomen korrespondiert mit Beobachtungen, die M. Horster auch allgemein für den öffentlichen Bausektor im Westen des Imperium Romanum nachzeichnen konnte. Die zwei in der Germania Superior erhaltenen Bauinschriften, deren Anbringung am jeweiligen zivilen Amphitheater wahrscheinlich gemacht werden konnten, weisen als Bauherren 1285 Reuter 2008, 83 mit Anm. 2, 91. Baatz 2000, 120. Sommer 1988, 471–472. Baatz/Herrmann 1982, 501–502. 1286 Baatz/Herrmann 1982, 502. Reuter 2008, 91. Zu Überlegungen hinsichtlich der relativen Chronologie der beiden Amphitheater am Zugmantel s. oben Kap. 2.1.8 Zugmantel. 1287 Reuter 2008, 83–85. Sommer 1988, 472, 474–475. Baatz/Herrmann 1982, 502. 1288 Die bisherige Vermutung, dass die legio II Adiutrix für die Erbauung des Amphitheaters von Nijmegen verantwortlich zeichnet, gewinnt m. E. vor dem Hintergrund der historischen Abläufe im Zusammenhang mit dem Bataveraufstand 69/70 n. Chr. wenig Überzeugungskraft. S. dazu oben Kap. 2.2.2 Ulpia Noviomagus/Nijmegen. 1289 Zum Ausbau des Lagers der legio X gemina in Stein s. Haalebos 2000, 468–469. S. oben Kap. 2.2.2 Ulpia Noviomagus/Nijmegen. 1290 Möglich wäre, dass es auch für den Adressaten einer Amphitheater-Dedikation Vorschriften gab, denn außer dem Kaiser scheint keine andere Person genannt zu werden.
2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung
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eines Neubaus eine Stadt (Colonia Iulia Equestris), als Geldgeber von Restaurierungsarbeiten am Amphitheater von Vesontio eine Privatperson auf. Obwohl der Kaiser in der Germania Superior nicht als Geldgeber von Bauprojekten ziviler Amphitheater in Erscheinung tritt, wird er sowohl beim Neubau des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris als auch bei den Umbau- bzw. Restaurierungsarbeiten am Amphitheater von Vesontio inschriftlich ehrenvoll bedacht. In diesem Dedikationsverhalten liegen möglicherweise Hinweise auf eine Verbindung zum provinzialen Kaiserkult, ein Phänomen, das in den Städten im Osten des Imperium Romanum als wichtiger Nährboden für die Implementierung der munera im zivilen Bereich nachgewiesen werden konnte.1291 Für die Germania Superior – und wahrscheinlich auch die Germania Inferior – wird man daher damit rechnen müssen, dass diese Provinzen diesbezüglich keine Ausnahme bildeten und auch hier Bau und Ausbau von zivilen Amphitheatern Städten und wohlhabenden Einzelpersonen als Projektionsfläche für den provinzialen Kaiserkult dienten.1292 Darüber hinaus lässt eine Reihe von Indizien erahnen, dass der Neubau von Amphitheatern einer kaiserlichen Genehmigung bedurfte, was auf die enorme öffentliche Wirkkraft dieses Veranstaltungsgenres in der Provinz schließen lässt. Auch ein Ratsbeschluss der Provinzstadt scheint Voraussetzung für die Umsetzung des Bauvorhabens gewesen zu sein, vielleicht weil eine größere Summe öffentlicher, d. h. städtischer oder provinzeigener Gelder involviert war. Die Informationen, die die Bauinschriften sowohl in Germania Superior als auch in anderen Teilen des Imperium Romanum liefern, scheinen darüber hinaus eine gewisse Reglementierung hinsichtlich der Inschriftenpraxis nahezulegen: Nur der Geldgeber durfte in der Bauinschrift genannt werden, daneben noch der Adressat der Dedikation, d. h. der Kaiser, und mehr oder weniger spezifische Angaben zur aufgewendeten Geldsumme. Andere Personen wie Statthalter, Architekten, Vorarbeiter, Bauarbeiter oder private Unternehmer durften offenbar nicht namentlich genannt werden – auch das ein Hinweis auf die enormen Kosten und die enorme Wirkkraft der munera in den Provinzstädten. Vergleicht man diesen Befund überdies mit anderen Bauinschriften von zivilen Amphitheatern des Imperium Romanum, stellt man fest, dass die Formulare der Bauinschriften ziviler Amphitheater in der Germania Superior offenbar keine Abweichung von einer möglicherweise reichsweit gängigen Praxis beinhalteten.1293 Zudem lassen die Bauinschriften der Militäramphitheater den Eindruck entstehen, dass der Kaiser gegenüber seinen Truppen als ein Oberbefehlshaber auftrat, der nicht nur in allen strategischen, taktischen und logistischen Belangen für das Wohlergehen seiner Soldaten verantwortlich war, sondern auch – und vielleicht besonders – für ihre moralische Bildung bzw. ihr ‚außerdienstliches Vergnügen‘. Bedenkt man, dass – nach 1291 Mann 2011, 76–77. Robert 1971, 239–266. 1292 Vgl. Wilmott 2008, 17. Futrell 1991, 106–125. Ville 1981, 192–193, 222–223. 1293 S. die praktische Zusammenstellung des Inschriftenmaterials bei Borhy 2009, 94–123.
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bisherigem Ausweis des epigraphischen Befundes – der Kaiser in Germania Superior (und Inferior) zivile Amphitheater wahrscheinlich nicht oder nur in sehr geringem Maße finanziert hat, militärische Amphitheater aber sehr wohl, kann hinter diesem Verhalten durchaus militärisches und politisches Kalkül vermutet werden. Die Sicherung der kaiserlichen Macht durch die Förderung der römischen Gladiatur im militärischen Bereich zeigt, dass die Funktion der ‚militärischen‘ Gladiatur eine andere war als die der ‚zivilen‘ Gladiatur: Moralerziehung und Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses der Soldaten zur Sicherung der Truppenloyalität versus Prestigestreben provinzialer Städte und Eliten.1294 Für die Funktion der römischen Gladiatur in den Provinzen Germania Superior und Inferior lässt sich demnach eine Dichotomie nachzeichnen, deren Bedingungsfaktoren einerseits in der Grenzlage der Provinzen begründet liegen, andererseits in der Bedrohung jenseits dieser Grenze und in der damit verbundenen Militärpräsenz. Da die römischen Legionen und Auxiliareinheiten großenteils nicht in Rom oder Italien stationiert waren, sondern vornehmlich in den Provinzen des Reiches, stellt die ‚militärische‘ Gladiatur und die mit ihr verbundenen Implikationen demnach ein zutiefst provinziales Phänomen dar, das dort je nach Dichte der militärischen Präsenz fassbar werden dürfte. 2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept 2.4.1 Anmerkungen zu den Standortfaktoren militärischer und ziviler Amphitheater in Germania Superior und Inferior Die sieben in Germania Superior und Inferior nachgewiesenen Militäramphitheater liegen in Germania Inferior (Noviomagus/Nijmegen: Kat. 2.7.1, Vetera Castra/Birten: Kat. 2.8.1) entlang des Rheins, der ‚nassen‘ Nordostgrenze des Imperium Romanum bzw. in Germania Superior entlang des Obergermanischen limes (Arnsburg, Zugmantel-Hühnerstraße: Kat. 1.18.1, Zugmantel-Galgenköppel: Kat. 1.18.2) (Abb. 1).1295 Auch Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1), das älteste der Militäramphitheater im römischen Germanien, lag bis zur Sicherung des Dekumatenlandes durch den Obergermanisch-Rätischen limes an der Außengrenze des römischen Reiches.1296 Dieser Umstand darf jedoch nicht zu der Vermutung verleiten, Militäramphitheater seien nur bei Legions- und Hilfstruppenlagern entlang der Reichsgrenzen zu finden.1297 Dagegen
1294 Einen Abriss zur Forschungsgeschichte von Funktion und Bedeutung der munera bietet Mann 2011, 37–46. Vgl. Ville 1981, 224–225. 1295 Golvin 1988, 155, mit einer Definition zu Militäramphitheatern, die allerdings heute aufgrund des vielfältigen Erkenntniszugewinns als überholt bzw. ergänzungsbedürftig zu betrachten ist. 1296 Hartmann/Speidel 1992, 3. Heuß 2016, 416. 1297 So Golvin 1988, 154–155. Futrell 1991, 87.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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sprechen unter anderem die Militäramphitheater von Castra Albana / Albano Laziale1298 in Italien oder das von Thevestis/Tebessa1299 in der Provinz Africa Proconsularis. Vielmehr scheint die Existenz eines Amphitheaters generell an die eines militärischen Standlagers gebunden gewesen zu sein.1300 Da allerdings ein Großteil der römischen Truppen mit der Sicherung der Außengrenzen des Imperium Romanum beauftragt war, kann das zahlenmäßige Übergewicht der grenznahen Militäramphitheater kaum überraschen. Allen Militäramphitheatern im römischen Germanien ist gemeinsam, dass sie sich nie innerhalb der Lagerumwehrung befanden, sondern stets außerhalb (Abb. 2a–e).1301 Aufschlussreich ist dabei, dass ein Militäramphitheater immer im Bereich der canabae legionis (Noviomagus/Nijmegen, Vetera Castra/Birten, Vindonissa/Windisch) oder des vicus eines Kastells (Arnsburg, Zugmantel-Hühnerstraße, Zugmantel Galgenköppel) lokalisiert wurde. Die canabae einer Legion bzw. der vicus eines Kastells standen in einer direkten administrativen und ökonomischen Abhängigkeit zum jeweiligen Militärlager, verfügten jedoch über ein gewisses Maß an Selbstverwaltung.1302 Auch lagen canabae und vicus wahrscheinlich intra leugam bzw. intra milia passus, also in einem um das Lager herum eingemessenen strategischen Sonderbereich, der unter die Jurisdiktion der Lagerkommandatur fiel.1303 „Bodenrechtlich und sakralrechtlich bildeten das Lager und der Bereich intra leugam eine Einheit.“1304 Den eigentlichen Militärbauten war innerhalb dieses erwähnten Sonderbereichs das militärische Nutzland, der sog. ager publicus, vorbehalten. Dieser wiederum unterstand direkt dem jeweiligen Lagerkommandanten, der den Selbstverwaltungseinheiten der canabae und vici übergeordnet war.1305 Zum ager publicus zählte das Areal, das das Lager selbst, aber auch die Übungsplätze (campi) oder Thermen einnahmen, sowie die Gebiete, auf denen sich Steinbrüche, Kalkbrennereien, Ziegeleien o. ä. befanden.1306 Wie die Analyse der Bauinschriften militärischer Amphitheater (s. oben) und die Involvierung des Militärs in die Logistik der venationes (s. unten) nahelegen, wurden Militäramphitheater und
1298 Busch 2011a, 90, Anm. 12, mit weiterführender Literatur, Abb. 1, 3, 4. 1299 Bomgardner 2000, 123. Le Bohec 1989, 58, 107, 157, 360. Waldherr 1989, 195. Golvin 1988, 85, Nr. 30, Taf. XIV: 3. Lachaux 1980, 119–121. Ritterling 1925, 1494–1497. 1300 Le Roux 1990, 205. Golvin 1988, 154, 156. Wahl 1977, 122. 1301 Petrikovits 1991, 169, 177. Golvin 1988, 154–155, vermutet dagegen für einige Militärstandorte einen ludus im Bereich des Lagers. 1302 Jung 2009, 39–47, der sich mit den Ergebnissen von Piso am Beispiel von Mainz kritisch auseinandersetzt. Fischer 2001, 14–15. Piso 1991, 138. Petrikovits 1991. 1303 Hanel 2013. Hanel 2007, 412. Sommer 2004a, 312–315. Fischer 2001, 15. Piso 1991, 12–13. Sommer 1988, 624: „Auch wenn das Militär offenbar nicht im Besitz des Geländes der Kastellvici war, so scheint es doch starken Einfluß auf die Gestaltung der Kastellvici genommen zu haben.“ Vgl. Jung 2009, 40–47, der sich im Hinblick auf Mogontiacum/Mainz in Teilen gegen I. Piso wendet. 1304 Piso 1991, 141. 1305 Piso 1991, 137–138. 1306 Piso 1991, 137, und Anm. 23 mit weiterführender Literatur. Hanel 2013, 73–75.
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die darin veranstalteten munera vom Kaiser als oberstem Befehlshaber der römischen Truppen aus öffentlichen Geldern finanziert.1307 Zudem lassen sich familiae gladiatores, die einer römischen Militäreinheit angegliedert waren, in den Provinzen Germania Inferior und Aegyptus wahrscheinlich machen.1308 Man muss also davon ausgehen, dass Amphitheater als militärische Großbauten zu verstehen und in einer Reihe mit den campi oder Thermenanlagen eines Lagers zu sehen sind, die ebenfalls außerhalb der Lagerumwehrung von und für Soldaten errichtet worden sind.1309 Bodenrechtlich werden Militäramphitheater demnach ebenfalls auf militärischem Nutzland (ager publicus) errichtet worden sein.1310 Fast alle Militäramphitheater Germaniens wurden in einer Entfernung von ca. 100– 300 m von der Umwehrung des jeweiligen Legions- bzw. Hilfstruppenlagers entfernt sowie nahe einer der Ecken der Lagerumwehrung errichtet (Abb. 2a–e): In Arnsburg (GS, Kat. 1.3.1) befand sich das Militäramphitheater ca. 250 m südöstlich des Kastells nahe der Ostecke der Lagerumwehrung, in Vindonissa/Windisch (GS, Kat. 1.16.1) 330 m südwestlich der Südwestecke des jüngsten Lagers. Die Militäramphitheater vom Zugmantel (GS, Kat. 1.18.1–1.18.2) wurden 175 m nördlich des Kastells nahe der Nordwestecke (Zugmantel-Hühnerstraße) bzw. 330 m östlich des Kastells nahe der Nordostecke der Lagerumwehrung (Zugmantel-Galgenköppel) entdeckt. Auch in Ulpia Noviomagus/Nijmegen (GI, Kat. 2.7.1) wurde das Militäramphitheater rund 120 m südwestlich der Südwestecke des jüngsten Lagers auf dem Hunerberg lokalisiert.1311 Das Militäramphitheater von Vetera Castra/Birten (GI, Kat. 2.8.1) lag hingegen nur ca. 70 m südöstlich der Südostecke des neronischen Lagers. Wurde das Amphitheater von Vetera Castra allerdings bereits im Zusammenhang mit dem claudischen Lager auf dem Fürstenberg erbaut, wofür meines Erachtens Einiges spricht, so dürfte der Abstand zu diesem wahrscheinlich leicht nach Norden verschobenen Lager mehr als 70 m betragen haben.1312 Die Regelhaftigkeit dieses Phänomens lässt vermuten, dass es für die Platzierung eines Militäramphitheaters Vorschriften gab, ähnlich denen für Badeanlagen von Kastellen.1313 Eine andere Deutungsmöglichkeit wäre, dass diese Berei-
1307 S. oben Kap. 2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung bzw. unten Kap. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. 1308 S. unten Kap. 3.3 Gladiatores militares – Gladiatoren als Teil römischer Truppen. 1309 Piso 1991, 137–138. Zur Lage von Bädern in römischen Kastellvici s. Sommer 1988, 548–550, Anm. 472, mit weiterführender Literatur. 1310 Dass ein solcher Bau, der zudem strategisch keinerlei Funktion hatte, einer Genehmigung des Lagerkommandanten bedurfte, scheint vor diesem Hintergrund mehr als wahrscheinlich. Hanel 2007, 412. Sommer 1988, 624. 1311 Haalebos 1995a, 29, Abb. 1. 1312 Lehner 1926, 47. Hanel 2008, 105. Ausführlich zum Amphitheater von Vetera Castra oben Kap. 2.2.3 Vetera Castra/Birten. 1313 Sommer 1998, 41. Für Amphitheater von Hilfstruppenlagern beobachtete das schon Sommer 2009, 59, ohne jedoch eine Erklärung für diese Lage zu bieten: „They are located at the corners of the forts, far away from everything else.“
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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che nicht mit den großen Ausfallstraßen eines Lagers kollidierten, denn diese dienten den canabae legionis bzw. den Kastellvici als bevorzugte Siedlungsachsen.1314 Die beobachteten Entfernungen der Amphitheater zur Lagerumwehrung von ca. 100–300 m könnten ebenfalls taktisch-strategische Implikationen signalisieren, denn ein Bau dieser Größenordnung dürfte wohl Einfluss auf die Defensivsituation eines Militärlagers genommen haben.1315 Dass daneben auch topographische Aspekte eine Rolle gespielt haben, zeigen die Amphitheater von Vetera Castra/Birten (GI, Kat. 2.8.1), Vindonissa/Windisch (GS, Kat. 1.16.1) und Zugmantel-Galgenköppel (Kat. 1.18.2), die zur Reduzierung von Baumaterial, Erdbewegung und Arbeitsaufwand von seinen militärischen Baumeistern teilweise in einen Hang hineingebaut worden waren.1316 In Vindonissa ergaben darüber hinaus die archäologischen Untersuchungen der unmittelbaren Umgebung des Militäramphitheaters, dass es sich in der Peripherie der canabae legionis befunden hat.1317 Ob allerdings Militäramphitheater generell in der Peripherie der canabae bzw. des vicus eines Militärlagers erbaut wurden und damit eine Randlage dieser militärischen Großbauten als konstituierender Standortfaktor zu verstehen ist, kann bisher nicht entschieden werden: Die großflächige Untersuchung dieser Areale steckt – wo sie überhaupt möglich ist – vielfach noch in den Anfängen.1318 Derlei Untersuchungen wären hingegen auch notwendig, um Klarheit darüber zu gewinnen, ob die Anlage eines Exerzier- und Paradeplatzes (campus) – ein weiterer militärischer Großbau außerhalb der Lagerumwehrung – möglicherweise mit der eines Amphitheaters in Zusammenhang stand.1319 Ob also in den canabae oder im vicus ein Territorium für die Errichtung eines Gebäudeensembles bestehend aus campus-amphitheatrum ‚reserviert‘ war, wie es etwa für das Legionslager von Vindonissa/Windisch (GS, Kat. 1.16.1) oder für das Auxiliarkastell von Trimontium/Newstead (Britannia) angedacht wurde, muss vorerst offen bleiben.1320 Dass ein Militäramphitheater vornehmlich der Moralerziehung und Unterhaltung der Soldaten bzw. der „military community“ diente, scheint indes allein durch die beschriebene Lage jener Bauten in den canabae bzw. im vicus
1314 Vgl. Petrikovits 1991, 170. 1315 Vgl. den Exkurs zum freien Bereich um Kastellvici vom Ringtypus bei Sommer 1998, 50–52, der als Exerzierplatz der Reiterei diskutiert wird. 1316 Vgl. Golvin 1988, 155. Vetera Castra: Hanel 1995, Taf. 1. Steiner 1906, 452. Vindonissa: Frei-Stolba et al. 2011, 9, vgl. Abb. auf S. 10. Trumm 2012, Abb. 6. Hartmann 1986, 87. Laur-Belart 1935, 71. Zugmantel-Galgenköppel: Sommer 2009, 53. Bender 2005a, 30. Fabricius 1936, 72, Taf. 5, Abb. 3. 1317 Trumm 2012, 8, 21, Abb. 3, 6. 1318 Piso 1991, 142. 1319 Horsmann 1991, 60–63. Le Roux 1990, 205–206. Thuillier 1999, 93–94. 1320 Trumm 2014, 56–61. Trumm 2012, 8–9. Sommer 2009, 53. Wilmott 2008, 151–152. Auch für Tomeny-Mur (Britannia) entdeckte man ein sorgfältig nivelliertes Gelände (133 × 106 m), das zwischen Kastell und Amphitheater nachgewiesen wurde. Sommer op. cit., 53, 58. Wilmott 2008, 153–155. Horsmann 1991, 61–63.
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nahezuliegen.1321 Eine Nutzung von Militäramphitheatern als Exerzierplatz für die römische Reiterei ist dagegen meines Erachtens in Zweifel zu ziehen, da die Arena eines Amphitheaters aufgrund der omnipräsenten Todessymbolik als chthonisch-religiöser Raum zwischen Diesseits und Jenseits verstanden werden kann.1322 Darüber hinaus bildete die architektonische Einfassung der Arena auch in politischer Hinsicht eine Demarkationslinie, die den Aktionsraum von gesellschaftlich Verfemten und dem derer, die gemäß gesellschaftlicher Normen lebten, klar voneinader trennte.1323 Ein Trainieren von Soldaten an einem derart ‚kontaminierten‘ Raum scheint daher schwer vorstellbar. Zusammengefasst können als Standortfaktoren für militärische Amphitheater in Germanien folgende Punkte herausgestellt werden: – Lage außerhalb der Umwehrung eines Legions- oder Auxiliarlagers – im Bereich der canabae legionis bzw. eines Kastellvicus auf wahrscheinlich militärischem Nutzland (ager publicus) – in der Nähe der Ecken der Umwehrung eines Legions- oder Auxiliarlagers – bisweilen Ausnutzung der topographischen Vorteile eines Hanges Für die insgesamt sechs zivilen Amphitheater der Provinzen Germania Superior und Inferior (Germania Superior: Augusta Raurica / Augst-Neun Türme: Kat. 1.4.1 und Augst-Sichelengraben: Kat. 1.4.2, Aventicum/Avenches: Kat. 1.5.1, Brenodurum/ Bern-Enge: Kat. 1.6.1, Colonia Iulia Equestris/Nyon: Kat. 1.7.1, Vesontio/Besançon: Kat. 1.15.1; Germania Inferior: Colonia Ulpia Traiana/Xanten: Kat. 2.3.1) lassen sich ebenfalls Standortfaktoren wahrscheinlich machen (Abb. 3a–f).1324 Den augenfälligs-
1321 Dagegen Le Roux 1990, 205, 207, der auch auf eine religiöse Funktion der Militäramphitheater verweist. 1322 Überzeugend dargelegt von Hufschmid 2009, 272–274. Gegen eine Nutzung als Trainingsstätte der Reiterei spricht sich grundsätzlich auch Sommer 2009, 55–58, aus. Die Existenz eines campus und eines Amphitheaters scheinen m. E. einer solchen Polyvalenz ebenfalls zu widersprechen. In Ermangelung schriftlicher oder archäologischer Zeugnisse kann eine derlei zweckentfremdete Nutzung eines Militäramphitheaters allerdings auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Militärische Drills im Amphitheater postulieren u. a.: Junkelmann 2000, 21. Le Roux op. cit., 206. Petrikovits 1991, 177. Horsmann 1991, 61, 64–65. Golvin 1988, 155–156, mit weiterführender älterer Literatur. Auf eine Hauptfunktion militärischer Amphitheater als Vergnügungsbau für die Soldaten deuten aber auch Überlegungen, die u. a. mit dem zunehmenden machtpolitischen Kalkül des Kaisers und der daraus resultierenden Notwendigkeit eins ‚Donativs‘ in Form von munera in Zusammenhang gestanden haben könnten. S. dazu Kap. 2.3.1 Der Kaiser und die Errichtung von Militäramphitheatern: Vergnügen der Soldaten oder Sicherung seiner Macht? Vgl. Wilmott 2008, 18. Hanel 2007, 412. Futrell 1991, 86. 1323 Flaig 2004, 244. 1324 Das Amphitheater von Augusta Raurica / Augst-Neun Türme (Kat. 1.4.1) kann bei den nachfolgenden Betrachtungen nur eingeschränkt herangezogen werden, da es in ein bestehendes Theater hineingebaut wurde und „nicht als eigenständiges Baumonument betrachtet werden darf, sondern Teil eines architektonischen Gesamtkomplexes war.“ Hufschmid 2009, 171. Hier können also allenfalls die Standortfaktoren, die für die Platzierung eines Theaters ausschlaggebend waren, ermittelt werden, nicht aber die für ein Amphitheater entscheidenden.
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ten Standortfaktor ziviler Amphitheater scheinen die topographischen Gegebenheiten eines städtischen Siedlungsareals gebildet zu haben. Alle zivilen Amphitheater der Germania Superior und Inferior wurden – sofern möglich – in einen Hang hinein gebaut, was die Kosten eines solchen Großbauprojektes deutlich reduzieren half.1325 Einzige Ausnahme hierin bilden das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1), einer Stadt, die auf einer mehr oder minder ebenen Siedlungsfläche in der Niederrheinebene errichtet worden war, sowie das kleinste Amphitheater Germaniens in Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1), das sich nur leichte natürliche Erhebungen im Gelände zu Nutze machen konnte. Dieser augenfällige Befund hinsichtlich der Ausnutzung des Geländereliefs deckt sich indes gut mit den Überlegungen zur Finanzierung von zivilen Amphitheatern in den Provinzen Germania Superior und Inferior: Mit großer Wahrscheinlichkeit waren die Städte beim Bau eines Amphitheaters auf sich selbst gestellt und erhielten seitens des Kaisers keine finanziellen Zuwendungen (s. oben). Es lag demnach in ihrem eigenen Interesse, die Kosten für einen solchen Monumentalbau auf ein Minimum zu reduzieren. Ein weiterer, weil durchgängiger Standortfaktor scheint darüber hinaus das Verhältnis von Amphitheater und Stadtgebiet darzustellen. So ist allen Amphitheatern Germaniens gemeinsam, dass sie innerhalb des jeweiligen Siedlungsgebietes und dort in der Peripherie zu finden sind (Abb. 3a–f):1326 in Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.2) am südwestlichen Rand,1327 in Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1) am südlichen Rand,1328 in der Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1) am nördlichen Rand,1329 in Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.1) am westlichen Rand und in der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) am äußersten östlichen Rand des antiken Stadtgebietes.1330 In Augusta Raurica/Augst (Kat. 2.4.1–2.4.2), Aventicum/ Avenches (GS, Kat. 1.5.1) und der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (GI, Kat. 2.3.1), wo eine gemauerte Stadtbefestigung existierte, lagen die Amphitheater innerhalb dieser Stadtmauer (Abb. 3: b, d, e).1331 Auch im römischen Gallien ließ sich dieses Phänomen nachzeichnen: F. Dumasy führte es auf den ovalen Grundriss von Amphitheatern, ihre ausladenden Dimensionen sowie ihr – verglichen mit der übrigen urbanistischen Entwicklung einer gallischen Stadt – recht spätes Erbauungsdatum zurück.1332 Misst man die Distanz zwischen dem (gedachten) Mittelpunkt des Forums bis zum nächstgelegenen Punkt an der Außenfassade des jeweiligen Amphitheaters, lassen sich Entfernungen von ca. 330 m bis ca. 830 m ermitteln: In Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben 1325 1326 1327 1328 1329 1330 1331 1332
Weiss 2014, 75–77, konstatiert Ähnliches für den Bau von Theatern im antiken Palästina. So auch die Verhältnisse in Palästina. Weiss 2014, 77. Hufschmid 2009, 61, Abb. 8. Müller-Beck 1957, 59–60. Drack/Fellmann1988, 363, Abb. 341. Golvin 1988, 90. Hauser/Rossi 1999, 136, Abb. 1. Müller 2008, 361, Abb. 215. Bridel 2004, Plan 26. Müller 2008, 361, Abb. 215. Hufschmid 2009, 171, mit Anm. 813, Abb. 165–166. Dumasy 2011, 203. Vgl. Weiss 2014, 78–81.
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misst dieser Abstand ca. 530 m, in Aventicum/Avenches ca. 590 m, in Colonia Iulia Equestris/Nyon ca. 335 m, in der Colonia Ulpia Traiana ca. 480 m und in Vesontio/ Besançon ca. 830 m (vgl. Abb. 3).1333 Daraus lässt sich ableiten, dass zum einen ein Amphitheater als integraler Bestandteil des urbanen Raumes im römischen Germanien betrachtet wurde und zum anderen, dass den topographischen Gegebenheiten beim Amphitheaterbau offenbar gegenüber allen anderen möglichen Standortfaktoren der Vorzug gegeben wurde.1334 Interessant ist darüber hinaus, dass die Städte, die von einer Stadtmauer umgeben waren, ihre Amphitheater in einem Radius von grob 500 m um den (gedachten) Mittelpunkt des Forums herum errichten ließen (Abb. 3: b, d, e). Diese Beobachtungen korrespondieren im Großen und Ganzen mit den Ergebnissen, die E. Frézouls im Rahmen seiner Untersuchung zu den spectacula-Monumenten Theater und Amphitheater innerhalb der Städte des Imperium Romanum gewinnen konnte:1335 Amphitheater, die im Zusammenhang mit einem Theater erbaut wurden, befinden sich stets im Innern der Stadtbefestigung bzw. innerhalb des orthogonalen Straßennetzes. Für Italien gilt Frézouls zufolge außerdem, dass von rund 50 im Jahr 1990 sicher nachgewiesenen Amphitheatern 65 % innerhalb und nur 35 % außerhalb einer Stadt lagen. Für die westlichen Provinzen inklusive Afrika konstatierte er, dass fast 100 % aller Theater und mehr als zwei Drittel aller Amphitheater innerhalb einer Stadt zu lokalisieren sind. Ein wichtiger Faktor für die Erklärung dieses Phänomens sei, so Frézouls, die unterschiedliche baugeschichtliche Entwicklung beider Monumente, denn das Theater ging dem Amphitheater zeitlich voraus.1336 Insbesondere der Bau einer Stadtmauer konnte demnach für die Implementierung eines Amphitheaters extra muros verantwortlich sein, wenn diese älteren Datums war als das Aufkommen der Amphitheaterarchitektur. Darüber hinaus seien sowohl Theater als auch Amphitheater an die Anlehnung an einen Hang ausgerichtet gewesen, was ebenfalls für eine Knappheit in dem zur Verfügung stehenden städtischen Areal sorgen konnte. Auch bedinge allein die Form beider Monumente – das Theater mit einer geradlinigen und einer halbrunden Seite, das Amphitheater hingegen als Gebäude mit annähernd kreisförmigem Grundriss – eine unterschiedliche Kompatibilität im Hinblick auf das orthogonale Straßennetz einer Stadt. Hanglage und schwierige Einpassung in das städtische Raster dürften daher ebenso für die Peripherielage von Theatern und Amphitheatern verantwortlich gewesen sein. 1333 Hierbei handelt es sich nur um Näherungswerte. Nur für Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1) konnte dieser Wert nicht ermittelt werden, da dort bislang keine als forum anzusprechende Struktur zu Tage trat. 1334 Ähnliches gilt für Theaterbauten im Imperium Romanum. Frézouls 1990, 79. 1335 Frézouls 1990, 80–82. Vgl. auch Dumasy 2011, 203–205, der für das römische Gallien zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt. Zu den Gegebenheiten in Palästina, die ebenfalls in das hier skuzzierte Bild passen, s. Weiss 2014, 74–81. 1336 Auch in Palästina ging der Bau von Theatern dem von Hippodromen und Amphitheatern voraus. Weiss 2014, 69, 80.
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Einige der zivilen Amphitheater in Germanien weisen zudem einen Bezug bzw. eine Nähe zu einem urbanen Sakralbezirk auf. Dies betrifft die Amphitheater von Augusta Raurica / Augst-Neun Türme, Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.1– 1.4.2) und Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1).1337 Auch das Amphitheater von Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1) war nahe des örtlichen Tempelbezirks am Südrand des antiken Siedlungsgebietes errichtet worden.1338 Darüber hinaus waren die Amphitheater selbst Orte kultischer Verehrung. Ihre sacella für die Verehrung von Herkules, Mars, Diana und später besonders der Göttin Nemesis befanden sich allerdings stets in einem separierten, allein den Gladiatoren bzw. dem Arenapersonal zugänglichen Bereich eines Amphitheaters.1339 Daraus lässt sich folgern, dass ein möglicher Standortfaktor dem Gebäudetypus des Amphitheaters als öffentlichem Großbau mit sakralem Aspekt geschuldet war. Schon der frühaugusteische Schriftsteller Vitruv hat in seinem Werk De architectura die Platzierung des Herkules-Tempels an den Ort des Gymnasiums, Amphitheaters oder Circus einer Stadt geknüpft.1340 T. Hufschmid konnte überdies wahrscheinlich machen, dass der Tempel, auf den das Theater/Amphitheater von Augusta Raurica / Augst-Neun Türme (Kat. 1.4.1) architektonisch ausgerichtet wurde, dem Kaiserkult gewidmet war.1341 Ähnliches wurde für das Amphitheater von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1) in Betracht gezogen, das ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft eines Sakralbezirks verschiedener Gottheiten errichtet worden war, darunter wahrscheinlich der Tempel des städtischen Kaiserkultes (sog. Cigognier-Monument).1342 Sowohl in Avenches als auch in Augst-Neun Türme werden die Amphitheater jeweils relativ chronologisch später datiert als die mutmaßlichen Kaiserkultmonumente, was als bewusste Bezugnahme der im Amphitheater veranstalteten munera auf den Kaiserkult gedeutet werden kann.1343 Damit wäre zumindest für das ältere Amphitheater von Augusta Raurica / Augst-Neun Türme sowie für das Amphitheater von Aventicum als weiterer Standortfaktor nicht nur die geographische Nähe zu einem Sakralbezirk, sondern speziell zum Kaiserkult-Tempel der Stadt gewonnen. Einige Standortfaktoren für die Wahl des Bauplatzes eines Amphitheaters lassen sich zudem aus der Funktion des Gebäudes als Ort von Großveranstaltungen ableiten. 1337 1338 1339 1340
Hufschmid 2009, 173–185. S. oben im Kap. 2.1 und 2.2 die entsprechenden Unterkapitel zu den einzelnen Amphitheatern. Dumasy 2011, 203. Über seine Verbindung zum Theater kann das Amphitheater laut Vitruv auch an den Kult des Apollon und Liber Pater geknüpft sein. Vitr. I 7,1. Frézouls 1990, 79–80. 1341 Hufschmid 2009a, 105–107, 115. Hufschmid 2009, 175–185. Vgl. auch Dumasy 2011, 203–204, für die Verhältnisse im römischen Gallien. 1342 Bridel 2004, 218, 220, mit Anm. 77, Plan 40, der anmerkt, dass die Längsachse der Arena auf den First der Tempelfront des Cigognier-Monumentes ausgerichtet sei. Hufschmid 2009, 179, Anm. 869, mit weiterführender Literatur zur durchaus umstrittenen Ansprache des Cigogniertempels als Kaiserkult-Tempel. Bridel 1982, 155–160. 1343 Bridel 2004, 218–219.
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Zu diesen zählt wohl an erster Stelle eine Zuwegung, die dem Ansturm großer Menschenmassen einerseits, aber auch dem gefahrlosen Transport von wilden Tieren o. ä. andererseits Genüge leistete.1344 Diese ist für die zivilen Amphitheater Germaniens leider nur in den seltensten Fällen hinlänglich erforscht und publiziert. Dort, wo sie sich im antiken Straßennetz jedoch fassen lässt, wird deutlich, dass der Zustrom sowohl durch Besucher aus dem Innern der Stadt, aber auch von auswärtigen Zuschauern gespeist wurde. Dass dies kein genuin ‚germanisches‘ Phänomen ist, wird in einer Vielzahl anderer Städte des Imperium Romanum deutlich, wo der Wille, ein Theater oder Amphitheater an einer der Straßen am Ausgang einer Stadt zu platzieren, deutlich erkennbar ist.1345 So zweigte in Germanien in Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.2, Abb. 3: e) eine Straße nahe des südlichen Stadttores direkt zum Südosteingang des Amphitheaters im Sichelengraben ab und führte dadurch sowohl von Süden anreisende Gäste als auch einheimische Besucher aus den östlichen Stadtteilen auf direktem Weg zum Amphitheater.1346 Das Amphitheater der Colonia Iulia Equestris/ Nyon (Kat. 1.7.1, Abb. 3: a) lag an einer Straße, auf der man direkt zum benachbarten vicus von Lousonna/Lausanne-Vidy gelangte.1347 Das Amphitheater von Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.1, Abb. 3: c) befand sich an der wichtigen Fernstraße nach Lugdunum/Lyon, war aber auch durch eine Abzweigung vom verlängerten cardo maximus aus für einheimische Besucher gut erschlossen.1348 Einer der kleineren Tordurchlässe in der Stadtmauer der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1, Abb. 3: b) führte direkt zum großen Vorplatz des Amphitheaters der CUT, dem bislang einzigen nachgewiesenen zivilen Amphitheater in der Germania Inferior.1349 Die Straße, die durch dieses Stadttor führte, kam aus südwestlicher Richtung und verband das zivile Gewerbegebiet im Süden der CUT sowie die canabae legionis bzw. das Legionslager Vetera Castra II mit dem Vorplatz des Amphitheaters. Die innerstädtische Verlängerung dieser Straße führte direkt zum Hafen der CUT, perfekt für die Anlieferung wilder Tiere oder vielleicht auch auswärtiger Besucher. Ein hypäthraler Großbau wie ein Amphitheater muss zudem über unterirdische Drainagevorrichtungen verfügt haben, so dass eine Anbindung an das städtische Abwassersystem ebenfalls als Standortfaktor in Betracht gezogen werden kann. Archäologisch ließen sich Drainagevorrichtungen vor allem unterhalb des Arenabodens in den Amphitheatern von Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1), Brenodurum/Bern (Kat. 1.6.1), Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1) und wahrscheinlich der Colo-
1344 1345 1346 1347 1348 1349
Vgl. Weiss 2014, 77–78. Dumasy 2011, 203. Frézouls 1990, 81. Weiss 2014, 77–81. Hufschmid 2009, Abb. 8. Hauser/Rossi 1999, 135. Schwarz 2003, 122–123. Chouquer/Guilhot 1992, Abb. 47. Lerat 1958, 1697, 1699–1700, 1703. Müller 2008b, 282, Abb. 160. Müller 2008, Abb. 215. Schmitz 2008, 148, Abb. 101.
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nia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) nachweisen.1350 Die Zuleitung von Frischwasser scheint in Anbetracht großer Menschenmengen – und vielfach wohl auch wilder Tiere – ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für die Veranstaltung von munera legitima gewesen zu sein. Darüber hinaus muss man ein gewisses Maß an freiem Platz in der unmittelbaren Nachbarschaft eines Amphitheaters als Standortfaktor in Erwägung ziehen. Dieser dürfte für temporäre (?) Annexbauten des Amphitheaters etwa zur Unterbringung von wilden Tieren oder Bühnendekor gedient haben. Markt-, Souveniroder Lebensmittelstände, Wettbüros, Latrinen etc. dürften für die Versorgung der Zuschauer hier ebenso installiert gewesen sein. Das jedenfalls lässt der große Vorplatz vor dem Amphitheater der CUT/Xanten (Kat. 2.3.1, Abb. 3: b) vermuten, dessen Fläche etwa genauso groß war wie die des Amphitheaters selbst.1351 Fassen wir die Ergebnisse des Gesagten zusammen, so ergeben sich für zivile Amphitheater in Germanien folgende mögliche Standortfaktoren: – optimale Ausnutzung der topographischen Gegebenheiten einer Stadt durch Anlehnung an einen Hang zur Reduzierung der Baukosten – Lage innerhalb des Siedlungsgebietes und dort in der Peripherie – innerhalb eines ummauerten Stadtareals Entfernung vom Mittelpunkt des Forums von rund 500 m (Luftlinie) – gute Anbindung an das innerstädtische Straßen- und außerstädtische Fernwegenetz – evtl. geographische Nähe zum Sakralbezirk/Kaiserkulttempel einer Stadt – wahrscheinlich Anbindung an das innerstädtische Kanalisations- und Frischwassernetz – Bauplatz mit wahrscheinlich ausreichendem Platz für temporäre Annexbauten/ Stände in der unmittelbaren Nachbarschaft 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum (Mainz/Köln) Bevor die für die militärischen und zivilen Amphitheater der beiden Germanien erarbeiteten Standortfaktoren konkret auf die Gegebenheiten in Mainz und Köln angewandt werden, seien zunächst einige generelle Überlegungen vorausgeschickt. Für die Hauptstädte der Provinzen Germania Superior und Inferior, Mogontiacum/Mainz bzw. Colonia Claudia Ara Agrippinensium/Köln, gilt, dass allein ihre überregionale politische Bedeutung in römischer Zeit die Existenz eines Amphitheaters nahezu 1350 Aventicum: Bridel 2004, 40, Abb. 39–40. Brenodurum: Müller-Beck 1957, 60, Abb. oben auf S. 63. Colonia Iulia Equestris: Hauser/Rossi 1999, 138, 140, Abb. 4, 6, 12–14. Frei-Stolba et al. 1998, 184, Abb. 1–3. CUT: Müller 2008, Abb. 218. Heidenreich 1940, 40. 1351 Müller 2008b, 282, Abb. 160. Müller 2008, Abb. 215.
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zwingend bedingt.1352 In beiden Städten konnte jedoch aufgrund der Siedlungskontinuität und der daraus folgenden modernen Überbauung dieser Bautypus bislang nicht nachgewiesen werden – trotz vielfältiger Vermutungen.1353 Beiden Provinzhauptstädten ist neben ihrer politischen Bedeutung außerdem gemeinsam, dass sie nicht auf indigene oder vorrömische Siedlungen zurückgehen, sondern als „Plansiedlungen nach römisch-mediterranem Muster“ entstanden sind.1354 Das bedeutet, dass durch die Zeitstellung beider Siedlungen ein römisches Stadtmodell vorauszusetzen ist, das sowohl ein Theater als auch ein Amphitheater als konstituierendes Element einschloss.1355 Dass also der Bauplatz für ein Amphitheater in diesen Städten Germaniens von den römischen Architekten bereits bei der Planung des Siedlungsareals zumindest berücksichtigt war, ist mehr als wahrscheinlich. Ein weiteres verbindendes Merkmal dieser beiden Rheinstädte liegt in ihrer starken Prägung durch das römische Militär, das zivilisatorisch, kulturell und ökonomisch als ein wichtiger Katalysator zu betrachten ist.1356 Allein die enge Verbindung zwischen römischem Militär und Gladiatur, wie sie besonders in den beiden Germanien immer wieder aufscheint, legt die Existenz eines Amphitheaters nahe – mehr als die eines Circus oder Theaters.1357 Darüber hinaus kann für beide Städte geltend gemacht werden, dass sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft eines Legionslagers (Mainz) bzw. dem Hauptstützpunkt der Rheinflotte (Köln) befanden. Da die Standlager von Legions- und Auxiliareinheiten in Germanien, wahrscheinlich aber im gesamten Imperium Romanum über eigene Militäramphitheater verfügten, muss auch für Mainz und Köln ein militärisches Amphitheater angenommen werden. Wir müssen daher davon ausgehen, dass es – wie in der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1), Aquincum/ Budapest und Carnuntum/Deutsch-Alteburg, Petronell – in Mogontiacum und der 1352 Fischer/Trier 2014, 189: „Als Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien und als eine der wichtigsten Städte am Rhein muss Köln ein monumentales Amphitheater besessen haben, in dem Spiele, Gladiatoren und Tierkämpfe stattgefunden haben.“ Jung 2009, 43. Eck 2004, 373–375. Zeidler 1992, 130. Weidemann 1968, 151. La Baume 1972, 286. Neeb 1919, 34. Klinkenberg 1906, 225. Vgl. Köhler 1941, 164. Auch in anderen Provinzhauptstädten ließen sich Amphitheatr fassen. Weiss 2014, 64. 1353 Zu Vermutungen zur Lage des Amphitheaters von Mainz: Weidemann 1968, 151–152. Neeb 1919, 34. Zu Vermutungen zur Lage des Amphitheaters der CCAA, die z. T. durch neuere Grabungsergebnisse mittlerweile widerlegt wurden, s. Fischer/Trier 2014, 190. Thomas 2008, 339–340, 416. Eck 2004, 375–376. Zeidler 1992, 130–131. Doppelfeld 1975, 731. La Baume 1972, 286. Binsfeld 1960, 162. Fremersdorf 1955, 28. Köhler 1941, 103. Schultze/Steuernagel 1916, 14. Klinkenberg 1906, 225. 1354 Fischer/Trier 2014, 62, 64, 69. Schmidts 2014, 44–45. Knöchlein 2011, 265. Fischer 2001, 15. Vgl. Jung 2017, 105, 109. 1355 Frézouls 1990, 78, 81. Vgl. Eck 2004, 373. Galsterer 2001, 3–4. Ein Theater, dessen steinerne Ausgestaltung in das 4. Jh. n. Chr. gesetzt wird, wurde in Mainz archäologisch innerhalb der Stadtmauer nachgewiesen. Puk 2014, 92 mit Anm. 37. Knöchlein 2011, 269, Abb. 3. Weidemann 1968, 150. Behrens 1953/54, 78. www.theatrum.de/mainz.html (7.9.2017) mit weiterführender Literatur. 1356 Schumacher 2012, 32–34. Schumacher 2003, 1. Galsterer 2001, 7–9. Ziethen 1998, 44–45, 61–62. 1357 Vgl. Eck 2004, 373. Vermutungen zu einem Circus im antiken Köln haben Thomas 1984, Humphrey 1986, 430, 674, Anm. 58a, sowie Zeidler 1992, 127–130, Abb. 1, geäußert.
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CCAA jeweils zwei Amphitheater gab: ein militärisches nahe der Umwehrung des Legions- bzw. Flottenlagers und ein ziviles innerhalb der Stadtmauern von Mogontiacum bzw. der CCAA. Wie die Analyse der militärischen und zivilen Amphitheater in Germania Superior und Inferior gezeigt hat, sind in Germanien Militäramphitheater älter als zivile Amphitheater: Das früheste Militäramphitheater von Vindonissa/Windisch (GS, Kat. 1.16.1) datiert in die Jahre 30–40 n. Chr., während die zivilen Amphitheater Germaniens aus der 2. Hälfte des 1./1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. stammen.1358 Das zivile Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1), der jüngsten Koloniegründung am Rhein, muss zeitlich nach neuesten Erkenntnissen wohl erst in die 120er Jahre n. Chr. gesetzt werden.1359 Daraus folgt, dass wir sowohl für Mainz als auch für Köln jeweils ein älteres militärisches und ein jüngeres ziviles Amphitheater gewärtigen müssen. Was die zu erwartende Flächenausdehnung dieser Amphitheater anbelangt, scheint eine Orientierung an anderen militärischen bzw. zivilen Amphitheatern Germaniens geboten (Tab. 1): In ihren jeweils jüngsten Bauphasen erreichten Militäramphitheater in Germanien maximal ca. 111 × 99 m (Vindonissa), zivile Amphitheater ca. 110 × 99 m (Aventicum). Als Standortfaktor auszuschließen ist in jedem Fall die Verteilung bestimmter Fundgattungen aus der Sphäre der römischen Gladiatur – erst recht, wenn es sich bei diesen um Spolien handelt. So deutet der Fund von Weihinschriften bestenfalls auf die Existenz eines Sakralbezirks hin, der von Grabinschriften und Grabbeigaben auf die einer Nekropole außerhalb der Stadt.1360 Die Fundgattung der Mosaiken und Wandmalereien ist ebenfalls eher dem Bereich von Wohn-, Arbeits- oder Repräsentationsräumen zuzurechnen, nicht aber dem Innenleben eines Amphitheaters.1361 Den wohl größten Umfang unter den Funden mit gladiatorischer Konnotation erreichen Gebrauchsund Luxusgüter, die man salopp vielleicht als Fanartikel bezeichnen könnte. Zu diesen zählt die große Menge der Tonlampen, deren Disken Darstellungen aus dem Gladiatorenmilieu zeigen, ebenso wie Firmalampen in Form von Gladiatorenhelmen oder Schüsseln aus Terra Sigillata mit Dekor aus dem Bereich der Gladiatur. Auch kostbare Glasgefäße wie gutturnia, Schalen oder Glasbecher mit reliefierten Darstellungen von Gladiatorenkämpfen, deren Akteure sogar namentlich bezeichnet sind, fallen in diese Kategorie. Sie legen Zeugnis dafür ab, dass ihre Besitzer eine gewisse Affinität 1358 S. oben die einleitenden Bemerkungen zu Kap. 2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien? 1359 Nach freundlicher Auskunft von M. Müller, LVR-Archäologischer Park Xanten. 1360 Zwar befanden sich auch in Amphitheatern sacella oder Nemeseen, also Räume zur kultischen Verehrung der Nemesis/Diana/Fortuna, doch traten in diesen bislang meines Wissens keine inschriftlichen Zeugnisse zu Tage. Zu sacella in Amphitheatern s. Hufschmid 2009, 233–236. Vgl. Eck 2004, 375. 1361 Eine Ausnahme darin bildet freilich die Podiumsmauer, deren polychrome Dekoration vielfach in Amphitheatern nachgewiesen werden konnte.
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zum Gladiatorenwesen besaßen, nicht aber dafür, wo sich das Amphitheater befand, in dem sie möglicherweise dieser Affinität Ausdruck verliehen. Oftmals wurden diese Dinge zudem in Massenproduktion unter Verwendung von Modeln hergestellt, so dass auch die Übereinstimmung von Fundort und Herstellungsort keine Rückschlüsse auf die Existenz eines Amphitheaters erlauben kann. Lokalisierungsvermutungen, die sich allein auf die Funddichte dieser Artefaktgattungen stützen, müssen daher von vorneherein ins Leere laufen. Sichere Hinweise auf die Existenz eines Amphitheaters können meines Erachtens allein seine physischen Überreste oder seine Erwähnung in literarischen bzw. epigraphischen Quellen liefern. Dabei sind selbst Bau- und locus-Inschriften letztlich nur dann aussagekräftig, wenn ihre Beziehung zum Amphitheater eindeutig geklärt werden konnte. 2.4.2.1 Mogontiacum (Kat. 1.11.1–1.11.2) Die Siedlungsgeschichte von Mogontiacum/Mainz ist auf das Engste mit der Stationierung römischer Truppen verknüpft.1362 Hier lassen sich in den letzten beiden Jahrzehnten des 1. Jhs. v. Chr. auf einem Hochplateau am Nordende des Oberrheingrabens und gegenüber der Einmündung des Mains in den Rhein erste Spuren militärischer Bauten fassen, die spätestens im Jahre 13/12 v. Chr. einem Zweilegionenlager zugewiesen werden können (Abb. 4).1363 Wie üblich war dieser Platz aus strategischer Sicht äußerst umsichtig gewählt, denn von beiden Seiten stießen lößbedeckte Tertiärkalkplateaus an den Flusslauf des Rheins.1364 Das hatte nicht nur die Abwesenheit von Altwässern und Sümpfen zur Konsequenz, sondern auch eine deutliche Erleichterung des Rheinübergangs.1365 Das linksrheinische Plateau war zudem durch den an seinem Fuß verlaufenden Zahlbach halbinselförmig ausgeformt worden, so dass das von den Römern errichtete Lager auf einem nach Nordwesten vorspringenden Sporn platziert werden konnte. Steil abfallende Hänge im Westen, Norden und Nordosten garantierten eine hervorragende Verteidigungs- und Überwachungssituation.1366 Der Lagergrundriss hatte die Form eines Polygons, das den topographischen Gegebenheiten des Plateaus optimal angepasst war und im Verlaufe der Benutzungszeit des Lagers weitgehend unverändert blieb
1362 Knöchlein 2011, 265. Jung 2009, 40. Schumacher 2003, 1. Decker/Selzer 1976, 468. Weidemann 1968, 147–149. Baatz 1962, 86–88. Zur Strukturierung des Mainzer Siedlungsraumes in vici s. Jung 2009, 39–40, Abb. 28. 1363 Klee 2013, 107. Heising 2008, 1–2. Schumacher 2003, 1. Witteyer 1998, 1021. Decker/Selzer 1976, 464–465, 468, 472–473. Weidemann 1968, 148. Baatz 1962, 68, 86. 1364 Heising 2008, 1, Abb. 1. Ziethen 1998, 44. Witteyer 1998, 1026. Baatz 1962, 68. Decker/Selzer 1976, 462, 468. 1365 Baatz 1962, 68. 1366 Knöchlein 2011, Abb. 2. Heising 2008, 1, Abb. 1. Decker/Selzer 1976, 468–469. Baatz 1962, 68.
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(Abb. 4).1367 Von der Innenbebauung des Legionslagers sind nur von den Lagerthermen aus der Zeit des Einlegionenlagers nennenswerte Reste erhalten geblieben.1368 Von der porta praetoria aus, dem Nordosttor des Zweilegionenlagers, führte eine Straße zur Rheinbrücke, die im letzten Viertel des 1. Jhs. n. Chr. in Stein errichtet wurde. Ihre Überreste haben sich im Rhein gefunden, ebenso wie die Bauinschrift der legio XIIII Gemina Martia Victrix.1369 Der rechtsrheinisch gelegene Brückenkopf wurde wohl seit dem ausgehenden 1. Jh. n. Chr. durch ein kleines Kastell (castellum Mattiacorum) gesichert.1370 Eine militärische Hafenanlage ließ sich im Bereich des sog. Dimesser Ortes, einer 1858 abgetragenen Halbinsel, wahrscheinlich machen.1371 Der Fund arretinischer Keramik sowie griechischer, italischer und südgallischer Amphoren deutet auf eine frühe Versorgungsfunktion dieses Militärhafens für das 2,5 km südlich gelegene Lager auf der Rheinhochterrasse hin.1372 Direkt im Vorfeld des Lagers im Nordosten sowie im Südwesten der Lagerumwehrung befanden sich die seit augusteischer Zeit fassbaren Marketendersiedlungen der Legion, die canabae legionis.1373 Belegt war das Militärlager auf dem Kästrich – so die moderne Flurbezeichnung – zunächst von den legiones XIIII Gemina und XVI Gallica.1374 Zwischen 39 und 43 n. Chr. war als Folge ausbrechender Chattenkriege zudem die legio XV Primigenia in Mainz kaserniert.1375 Im Jahr 43 n. Chr. wurden infolge von Truppenumschichtungen für den Britannienfeldzug des Claudius (41–54 n. Chr.) diese von den Legionen XXII Primigenia aus Vetera Castra/Birten sowie IV Macedonica abgelöst.1376 Die Weigerung der Legionäre der 4. und 22. Legion, nach dem Selbstmord Neros den Eid auf seinen Nachfolger Galba zu schwören, führte in der Folge zur Erhebung des Vitellius in der rheinabwärts gelegenen CCAA.1377 Ein erneuter Besatzungswechsel fand nach der 1367 Knöchlein 2011, 265–268, Abb. 2. Heising 2008, 1–2, Abb. 1. Esser 1972, 214. Baatz 1962, 68–73. 1368 Witteyer 1998, 1030–1034, Abb. 534. Büsing 1982, 57. Esser 1972, 215. 1369 Schumacher 2012, 32. Schumacher 2003, 7, Abb. 5. Witteyer 1998, 1035–1036, Abb. 533: 3, 4. Büsing 1982, 56. Esser 1972, 216. Weidemann 1968, 150–151. Baatz 1962, 82. 1370 Schumacher 2012, 29. Knöchlein 2011, 270, Abb. 1. Witteyer 1998, 1036. Decker/Selzer 1976, 466, 471–472. Büsing 1982, 57. Weidemann 1968, 174–175. Baatz 1962, 82. Behrens 1953/54, 71. 1371 Jung 2009. Witteyer 1998, 1037–1039. Büsing 1982, 57. Decker/Selzer 1976, 470–471. Esser 1972, 220– 222. Umstritten ist, ob die Hafensiedlung auf einer Rheininsel, an einem Altrheinarm oder in einer Bucht lag. Knöchlein 2011, 270, Abb. 1. Konen 2000, 248–249, Abb. 14. Weidemann 1968, 168–169, Abb. 11. Baatz 1962, 82–83. 1372 Knöchlein 2011, 270. Konen 2000, 249. Decker/Selzer 1976, 470. Baatz 1962, 83. 1373 Jung 2009, 40, 44. Esser 1972, 219–220. 1374 Ziethen 1998, 45. Witteyer 1998, 1027. Büsing 1982, 54. Esser 1972, 213–214. Baatz 1962, 86–87. Nach der Varus-Niederlage 9 n. Chr. waren außerdem bis 17. n. Chr. die legio II Augusta sowie die legio XIII Gemina in Mainz stationiert. Zur Geschichte der Flurbezeichnung ‚Kästrich‘ s. Baatz op. cit., 72. 1375 Schumacher 2003, 4. Ziethen 1998, 45. 1376 Baatz 1962, 75–76, vgl. Abb. 6. Schumacher 2003, 1–5. Büsing 1982, 54. Klee 2013, 108, setzt den Einzug der 22. Legion in das Jahr 40 n. Chr. 1377 Schumacher 2003, 6. Mit diesem zogen große Teile beider Mainzer Legionen nach Italien, wo sie sich nach anfänglichen Erfolgen schließlich bei Cremona den Truppen Vespasians geschlagen geben mussten. Tac. hist. 3,22,2. Schumacher op. cit., 7.
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Niederschlagung des Bataveraufstandes im Jahre 70/71 n. Chr. statt, als die Legionen I Adiutrix aus Spanien und erneut die XIIII Gemina Martia Victrix aus Britannien auf dem Kästrich Quartier bezogen.1378 Mit dem Besatzungswechsel in frühflavischer Zeit fallen zeitlich auch der Aus- bzw. Neubau des Lagers in Stein sowie die Errichtung eines großen Aquädukts zusammen, der das Lager mit Frischwasser versorgte.1379 Im Jahr 86 n. Chr. wurde die legio I Adiutrix aus Mogontiacum abkommandiert, deren Platz im Mainzer Lager die legio XXI Rapax einnahm.1380 Nach dem Saturninus-Aufstand 89/90 n. Chr. ließ Domitian (81–96 n. Chr.) alle Doppellegionslager auflösen, auch das in Mogontiacum. Die legio XXI Rapax wurde nach Pannonien abkommandiert – bald darauf gefolgt von der legio XIIII Gemina Martia Victrix.1381 Im Jahr 92 oder 97 n. Chr. rückte in das Lager auf dem Kästrich abermals die legio XXII Primigenia Pia Felix ein, die bald nach dem Regierungsantritt Kaiser Trajans (98–117 n. Chr.) für kurze Zeit von P. Aelius Hadrianus, seinem späteren Nachfolger, kommandiert wurde.1382 Im Jahr 121/122 n. Chr. kehrte Hadrian als Kaiser für einen kurzen Besuch nach Mogontiacum an den Rhein zurück.1383 Das ursprünglich für zwei Legionen ausgelegte Lagerareal blieb in seinen Abmessungen wahrscheinlich während seiner gesamten Benutzungszeit unverändert, vielleicht weil Auxiliareinheiten dort untergebracht wurden oder der Sitz des Statthalters mitsamt seinem administrativen Apparat dort Einzug hielt.1384 Die 22. Legion, die ab dem 3. Jh. n. Chr. die zusätzliche Appellation Severiana Alexandriana führte, sollte bis ins 4. Jh. n. Chr. die ‚Hauslegion‘ von Mogontiacum bleiben.1385 Die jüngste Inschrift der legio XXII, die sich sicher datieren lässt, attestiert die Anwesenheit der Legion im Lager auf dem Kästrich für das Jahr 242 n. Chr.1386 Nach diesem Zeitpunkt ist die schriftliche Überlieferung diesbezüglich spärlich; der keramische Befund im Innern des Lagers verweist in das 4. Jh. n. Chr. und auch die jüngste Umwehrungsmauer des Lagers datiert in diesen Zeitraum.1387 Wahrscheinlich war demnach die 22. Legion bis ins 4. Jh. n. Chr. im Lager von Mogontia1378 Tac. hist. 4,68,4; 5,19,1. Schumacher 2003, 7. Büsing 1982 54–55. Decker/Selzer 1976, 483. Baatz 1962, 75–76, vgl. Abb. 6. Klee 2013, 108. Eine Brandschicht im Lager lässt sich möglicherweise mit den kriegerischen Ereignissen während des Bataveraufstandes in Verbindung bringen, obgleich bei Tacitus diesbezüglich nichts vermerkt ist. Tac. hist. 4,61. Baatz op. cit., 87. 1379 Klee 2013, 108. Witteyer 1998, 1031. Büsing 1982, 56. Esser 1972, 216. Weidemann 1968, 148, 151. Decker/Selzer 1976, 485. Behrens 1953/54, 70–71. Die Wasserleitung endete „nicht weit von der Südecke des Lagers.“ Baatz 1962, 75–77. 1380 Büsing 1982, 55. Decker/Selzer 1976, 484. Baatz 1962, 75. 1381 Suet. Dom. 7,3. Witteyer 1998, 1027. Büsing 1982, 55. Decker/Selzer 1976, 485. 1382 Schumacher 2012, 32. Knöchlein 2011, 265. Schumacher 2003, 10. Ziethen 1998, 45, 56. Decker/Selzer 1976, 488. Baatz 1962, 75–76, 87. Petrikovits 1959, 90. Behrens 1953/54, 71. 1383 Schumacher 2003, 10. Schumacher 1982, 64–68. 1384 Klee 2013, 108. Heising 2008, 1–2. Witteyer 1998, 1042. Baatz 1962, 76, 87. 1385 Schumacher 2012, 32. Schumacher 2003, 10. Ziethen 1998, 45. Witteyer 1998, 1027. Büsing 1982, 55. Baatz 1962, 75–76. 1386 CIL 13, 6763. Baatz 1962, 87. 1387 Knöchlein 2011, 268. Baatz 1962, 87.
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cum stationiert.1388 Spätestens mit der Errichtung der spätrömischen Stadtmauer, die den nordöstlichen Teil des Lagerareals in das Stadtgebiet einbezog, muss das Lager auf dem Kästrich um die Mitte des 4. Jhs. aufgelassen worden sein.1389 Ein weiteres Militärlager auf dem Stadtgebiet von Mainz, das ca. 4 km südlich des Legionslagers errichtet wurde und etwa zeitgleich mit diesem entstanden ist, ließ sich im heutigen Stadtteil Weisenau nachweisen (vgl. Abb. 5).1390 Im Zusammenhang mit den Militäroperationen Caligulas im Jahr 39/40 n. Chr. wurde das augusteische Lager zu einem 150 × 230 m großen Auxiliarkastell ausgebaut, das auch berittene Hilfstruppeneinheiten beherbergte und für einen schnellen Aufschwung des umliegenden vicus sorgte.1391 Es ist wahrscheinlich, dass in diesem Lager zwischen 39 und 43 n. Chr. auch Legionsverbände lagen, deren Unterbringung im Lager auf dem Kästrich aus Platzgründen nicht erfolgen konnte.1392 Nach Ausweis der Funde war das Auxiliarkastell in Mainz-Weisenau ein Zentrum für Töpferwaren und bis ins 4. Jh. n. Chr. mit römischen Militäreinheiten belegt.1393 Sein zugehöriger vicus war gegen Ende des 4. Jhs. n. Chr. endgültig verlassen.1394 Die Errichtung eines Standlagers zunächst für zwei, später für eine römische Legion sowie die eines Auxiliarkastells macht die Existenz eines militärischen Amphitheaters – wie bereits ausgeführt – mehr als wahrscheinlich.1395 Ein solches muss sich in Analogie zu den bislang in Germanien bekannt gewordenen Militäramphitheatern nahe der Umwehrung und vorzugsweise nahe der Ecken des Standlagers jener Militäreinheiten befunden haben.1396 Dabei können aufgrund der topographischen Situation des Legionslagers auf dem Kästrich einige einschränkende Bemerkungen gemacht werden: Da die Lagergrenzen im Westen, Norden und Nordosten bis an die schroff abfallenden Hänge des Plateaus heranreichten, können diese Ecken der Lagerumwehrung bei der Suche nach einem geeigneten Platz für das Militäramphitheater von
1388 Weidemann 1968, 149. Baatz 1962, 87. 1389 Witteyer 1998, 1026, 1051. Baatz 1968, 79, 86–87. 1390 Knöchlein 2011, 270. Schumacher 2003, 1. Witteyer 1998, 1025. Decker/Selzer 1976, 469, 473. Esser 1972, 217–218. Weidemann 1968, 170–171. Behrens 1953/54, 71. Einige der ältesten Besiedlungsspuren deuten in den beiden letzten Jahrzehnten des 1. Jhs. v. Chr. auf eine Aktivität einheimischer, d. h. keltischer Bewohner hin. Ein funktionaler und chronologischer Zusammenhang zum Legionslager auf dem Kästrich ist aber dennoch evident. Witteyer a. a. O. Decker/Selzer op. cit., 463– 464, 469–470. Weidemann op. cit., 170. Knöchlein op. cit., 270. 1391 Weidemann 1968, 170. Schumacher 2012, 29. Möglicherweise lassen sich Verbindungen zu einem frühkaiserzeitlichen Hilfstruppenlager an dieser Stelle erkennen. Knöchlein 2011, 270. 1392 Witteyer 1998, 1025. Decker/Selzer 1976, 469, 473–474. 1393 Knöchlein 2011, 270. Weidemann 1968, 171. Zu den Befunden des nahegelegenen Gräberfeldes s. Weidemann op. cit., 171–173, Abb. 13. 1394 Weidemann 1968, 172. 1395 Zu Funden aus der Sphäre der römischen Gladiatur aus dem Gebiet Mogontiacums s. Kat. 1.11.3– 1.11.6. 1396 Weidemann 1968, 151.
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vorneherein außer Acht bleiben.1397 Somit kommt allein das Gebiet südlich der Südostbzw. Südwestecke der Lagerumwehrung in Frage. In diesem Bereich befanden sich jedoch seit augusteischer Zeit verschiedene Siedlungs- und Bestattungsareale, die die Platzierung eines Militäramphitheaters einschränkten: Die canabae des Legionslagers, deren älteste Bauten in augusteisch-frühtiberische Zeit datieren, entwickelten sich vor allem im Südwesten sowie entlang der Südostseite des Legionslagers.1398 Im Südwesten der Lagerumwehrung und nahe der Geländekante zum Zahlbachtal stieß man auf eine Steinmauer mit vorgelagertem Wehrgraben, die aller Wahrscheinlichkeit nach einer ersten Umwehrung der canabae aus der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. zuzurechnen sind.1399 Darüber hinaus befand sich südlich des Legionslagers ein großer Militärfriedhof, der ca. 200 m von der Südwestecke des Lagers entfernt begann und etwa bis zum Ende des 1. Jhs. n. Chr. in Gebrauch war.1400 Die ältesten Bestattungen bilden die von Soldaten der 14. und 16. Legion aus augusteischer und tiberischer Zeit.1401 Das Areal, auf dem man ein Militäramphitheater hätte errichten können, scheint daher sowohl aufgrund der topographischen Gegebenheiten auf dem Plateau als auch der bislang nachgewiesenen Bebauungsspuren limitiert. Ohne dass die notwendige Unterscheidung zwischen militärischem und zivilem Amphitheater für Mogontiacum getroffen worden wäre, haben Baureste in der näheren Umgebung des Legionslagers schon früh für die Zuschreibung zu einem römischen Amphitheater geführt. Die ältere diesbezügliche Vermutung wurde von Siegehard, einem Mönch des Mainzer Klosters St. Alban, in seiner um 1300 verfassten Passionsgeschichte der heiligen Märtyrer Aureus und Justina geäußert: „(…) et fundamenta subterranea circumcirca reperta, imo etiam superstites theatri ruinae, quod more Romanorum, ad ludos Circenses seu gladiatoris et ad spectacula publica, constructum fuisse extra urbem, hodieque monstratur.“1402
Die Angaben zum Ort und Bautypus, die Siegehard im Hinblick auf die von ihm beobachteten Ruinen macht, sind nicht ganz eindeutig, zumal das Kloster St. Alban nahe den Ruinen des Bühnentheaters zu lokalisieren ist, dessen Überreste man am Mainzer Südbahnhof freilegen konnte.1403 Auch ist besagte Passionsgeschichte von Siegehard nach einer Handschrift aus der Kölner Kartause nur in einem Auszug auf uns gekommen, so dass generell Vorsicht im Hinblick auf die historische Verlässlichkeit 1397 Neeb 1919, 34. Heising 2008, 2. Vgl. den Plan bei Knöchlein 2011, 267, Abb. 2. 1398 Knöchlein 2011, 269, Abb. 2. Weidemann 1968, 149. Auch entlang der Straßen, die aus der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. datieren, ließen sich canabae-Bauten jüngerer Zeitstellung fassen. Baatz 1968, 86. 1399 Heising 2008, 4, Abb. 2. Weidemann 1968, 149. 1400 Nach dem Ende des 1. Jhs. n. Chr. gab es wohl keinen separaten Militärfriedhof mehr. Witteyer 1998, 1053. Baatz 1962, 71, 85, Beilage 2. 1401 Baatz 1962, 85. 1402 Zitiert nach Neeb 1919, 34. Behrens 1953/4, 78. Falk 1907, 39. 1403 Weidemann 1968, 151. Neeb 1919, 35.
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der Quelle angebracht scheint.1404 Eine spätere Quelle hingegen, die von Serarius um 1604 verfasste Geschichte der Stadt Mainz, erwähnt ebenfalls antike Mauern im Süden des Legionslagers, dort wo sich in späterer Zeit das Kloster Dahlheim befand.1405 Diese Beschreibung ließe sich mit den Angaben bei Siegehard in Einklang bringen, doch von einem Amphitheater erwähnt Serarius nichts. Allein die topographischen Verhältnisse an der von Serarius beschriebenen Stelle könnten die Anlage eines Militäramphitheaters stützen: Hier hätte man das Bauwerk mindestens zur Hälfte in den Hang eintiefen können.1406 Die Nähe zum Legionslager sowie zur römischen Wasserleitung, die an vermeintlichem Amphitheater vorbei führte, würde gut zum Standort eines Militäramphitheaters passen.1407 Auch andere, für Militäramphitheater Germaniens gültige Standortfaktoren wie etwa die Nähe zur Lagerumwehrung oder eine periphere Lage im Umfeld der canabae legionis würden für diesen Standort sprechen. Die in den besagten Quellen erwähnten Mauerzüge sind bislang allerdings nicht archäologisch verifiziert, geschweige denn untersucht worden, so dass sowohl eine zeitliche als auch baugeschichtliche Einordnung derzeit noch aussteht. Einige Zeit später, im Jahr 1767 oder 1768 führten die Beobachtungen von J. Fuchs, der Baureste in Form radialer Mauerzüge rund 700 m Luftlinie südlich der Südecke der Lagerumwehrung entdeckt hatte, zu einem weiteren Vorschlag für die Lokalisierung des Mainzer Amphitheaters (Abb. 5):1408 Fuchs vermutete ein solches westlich des campus des Legionslagers, den er wiederum in dem ebenen Gebiet zwischen dem Legionslager auf dem Kästrich und dem östlich gelegenen Hechtsheimer Berg nicht weit vom sog. Drusus-Kenotaph lokalisierte.1409 Die radialen Mauerreste waren nach einem schweren Wolkenbruch zu Tage getreten und wurden von Fuchs als Reste eines Theaters angesprochen.1410 E. Neeb plädierte aufgrund des mittlerweile nachgewiesenen Bühnentheaters am Mainzer Südbahnhof für eine Ansprache dieser Radialmauern als Amphitheater. Er lokalisierte die Mauerreste östlich der heutigen Pariser Straße, an der Stelle, wo die Straße von der Hochebene zum Bachlauf des Wildgrabens hinabführt.1411 Eine Anlehnung an den nach Süden abfallenden Hang würde in der Tat eine bestmögliche Ausnutzung des Geländereliefs erlauben, ein Standortfaktor, der auch 1404 1405 1406 1407 1408
Neeb 1919, 35. Neeb 1919, 35–36, Abb. 1. Behrens 1953/54, 78. Neeb 1919, 36, Abb. 1. Behrens 1953/54, 78. Fuchs 1771, 314–315, 365–366, Plan zwischen den Seiten 312–313: Nr. 25. Lehne 1838, 131, Beil. Neeb 1919, 36, Abb. 2. Weidemann 1968, 151–152, Abb. 5, mit der Einzeichnung des von Fuchs vermuteten Platzes des Amphitheaters. Behrens 1953/54, 78. Vgl. auch die bei Knöchlein 2011, 266, Abb. 1, abgedruckte Karte, die an der modernen Straße ‚Am Rodelberg‘ die Konturen eines Amphitheaters anzudeuten scheint. 1409 Fuchs 1771, 314–315, 365–366. Lehne 1838, 131. Vgl. Neeb 1919, 37, Abb. 2, bzw. Weidemann 1968, Abb. 1. 1410 Fuchs 1771, 314–315. 1411 Neeb 1919, 37, Abb. 2: A.
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auf die Militäramphitheater von Zugmantel-Galgenköppel (GS, Kat. 1.18.2), Vindonissa/Windisch (GS, Kat. 1.16.1) und Vetera Castra/Birten (GI, Kat. 2.8.1) zutrifft. Und tatsächlich lassen sich auch heute noch an einem Hang in diesem Bereich Bauschuttkonzentrationen an der Ackeroberfläche erkennen, die allerdings bislang weder chronologisch noch bautypologisch untersucht wurden.1412 Betrachtet man diese Ortsangabe vor dem Hintergrund der für Germanien konstatierten Standortfaktoren militärischer Amphitheater, so sprechen durchaus Aspekte für eine Lokalisierung des Militäramphitheaters von Mainz an eben dieser Stelle: Zum einen läge das vermeintliche Amphitheater außerhalb der Lagerumwehrung, sowohl der auf dem Kästrich als auch der in Mainz-Weisenau. Zum anderen aber hätten die topographischen Verhältnisse in diesem Bereich – ein nach Süden hin abfallender Geländehang – den Bau eines Amphitheaters deutlich erleichtert.1413 Schwierigkeiten bereiten hingegen die bei anderen Militäramphitheatern Germaniens beobachteten Standortfaktoren der Peripherielage im Bereich der canabae/vicus bzw. eines Abstandes von rund 100–300 m zur Umwehrung des zugehörigen Lagers.1414 Die von Fuchs vorgeschlagene Lokalität des Amphitheaters liegt ca. 700 m von der Südwestecke der Umwehrung des Legionslagers auf dem Kästrich entfernt, in einem Bereich, der auch weit außerhalb der canabae-Bebauung gelegen ist. Davon, dass sich Militäramphitheater in der Regel nahe einer der Ecken ihres zugehörigen Militärlagers befanden, kann bei diesem Lokalisierungsvorschlag aufgrund der großen Entfernung zum Lager ebenfalls nicht die Rede sein. Für den von Fuchs vorgeschlagenen Standort spricht jedoch die Nähe zum – archäologisch allerdings bislang nicht verifizierten – campus des Legionslagers (Abb. 5: Campus Martius). Eine ähnliche Konstellation, d. h. die Nachbarschaft von Militäramphitheater und Militärcampus, lässt sich auch für Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1) oder für das Auxiliarkastell von Trimontium/Newstead (Britannia) wahrscheinlich machen.1415 Möglicherweise liefert zudem die besondere Situation des Mainzer Militärstützpunktes ein Argument für die Verortung des vermeintlichen Militäramphitheaters weit entfernt vom Lagerareal: Das früheste Militäramphitheater in Germanien ist das um 30 n. Chr. entstandene Militäramphitheater von Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1), dem vielleicht in claudischer Zeit das Militäramphitheater von Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1) folgte.1416 Chronologisch dürfte man daher auch in Mogontiacum in etwa diesem Zeitraum ein Militäramphitheater erwarten. Zu dieser Zeit hatte das Legionslager und seine canabae bereits seit mehreren Jahrzehnten Bestand (s. oben). Vielleicht 1412 http://www.amphi-theatrum.de/1413.html (3.10.2017). 1413 So auch Neeb 1919, 37. 1414 S. oben Kap. 2.4.1 Anmerkungen zu den Standortfaktoren militärischer und ziviler Amphitheater in Germania Superior und Inferior. 1415 Trumm 2014, 56–61. Trumm 2012, 8–9. Sommer 2009, 53, 58. Wilmott 2008, 151–155. 1416 Zur Hypothese der Frühdatierung des Birtener Amphitheaters s. oben Kap. 2.2.3 Vetera Castra/ Birten.
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war der Bau eines Amphitheaters am Ende der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. aufgrund der bereits bestehenden Bebauung nahe der Lagerumwehrung schon nicht mehr möglich und wurde schlicht ‚nach außen‘ gedrängt.1417 Möglich wäre auch, dass das Militäramphitheater von Mogontiacum sowohl für die Soldaten des Legions- als auch für die des Auxiliarkastells gedacht war. Dann wäre seine Lage folgerichtig gewählt worden, denn es wäre unter optimaler Ausnutzung des natürlichen Geländes zwischen dem Legionslager und dem Auxiliarkastell in Mainz-Weisenau errichtet worden.1418 Das allerdings würde es wahrscheinlich machen, dass das Mainzer Militäramphitheater nach der Einrichtung des Auxiliarlagers im Jahre 39/40 n. Chr. errichtet wurde. Zeitlich läge das Militäramphitheater von Mogontiacum dann zwischen dem von Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1) und dem von Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1). Bei Letztgenannten handelt es sich allerdings um Holz-Erde-Bauten, so dass die von Fuchs beobachteten Radialmauern wahrscheinlich einer jüngeren Ausbaustufe jenes vermeintlichen Militäramphitheaters zugerechnet werden müssten. Nicht auszuschließen ist zudem, dass die von Siegehard und Serarius beobachteten Ruinen im Zahlbachtal Reste eines älteren Militäramphitheaters darstellen, das allein dem Legionslager auf dem Kästrich zugeordnet war. Die offenbar zumindest teilweise Verwendung von Steinmaterial scheint einen zeitlichen Zusammenhang frühestens um 43 n. Chr. nahezulegen, dem Datum des ersten großen Besatzungswechsels im Zweilegionenlager, oder – wahrscheinlicher – nach 70/71 n. Chr., als nach dem niedergeschlagenen Bataveraufstand das Lager auf dem Kästrich nur noch einer Legion als Standlager diente und in Stein ausgebaut wurde.1419 Würde die These eines älteren Militäramphitheaters im Zahlbachtal zutreffen, müsste man die von Fuchs beobachteten Radialmauern entsprechend später ansetzen. Da sowohl das Legionslager auf dem Kästrich als auch das südöstlich von diesem gelegene Auxiliarkastell in Mainz-Weisenau bis ins 4. Jh. n. Chr. in Gebrauch waren, scheint ein – möglicherweise größerer – Neubau des Militäramphitheaters von Mogontiacum generell vorstellbar. Wären für das Militäramphitheater von Mogontiacum also zwei mögliche Standorte eruiert, so ist das zivile Amphitheater der Stadt nach wie vor unentdeckt. Nach dem Abzug der legio XXII Primigenia entwickelte sich aus dem nordöstlichen und größten Teil der canabae des Legionslagers die zivile Siedlung, die dem modernen Mainz als nucleus diente (Abb. 4):1420 Zwischen dem Plateau des Legionslagers und dem Rhein bilden der würmeiszeitliche Schwemmkegel des Zahlbachs sowie die Niederterrasse
1417 Der archäologische Befund spricht für eine dichte Bebauung der canabae bis nahe an das Lagerareal heran. Knöchlein 2011, 269. 1418 Karte bei Knöchlein 2011, 266, Abb. 1. Vgl. den bei Weidemann 1968, Abb. 1, abgedruckten Plan von Lehne, der den Angaben von Fuchs folgte. 1419 Baatz 1962, 75–76, vgl. Abb. 6. Klee 2013, 108. 1420 Knöchlein 2011, 269, Abb. 3. Heising 2008, 2. Fischer 2001, 14–15. Decker/Selzer 1976, 471. Baatz 1962, 68, Beil. 1–2.
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des Rheins eine kaum reliefierte und damit für eine Besiedlung geeignete Fläche.1421 Trotz Hochwassergefährdung hatten sich hier bereits in augusteischer Zeit canabae-Bewohner beidseits der Straße, die vom Legionslager zum Rheinübergang führte, niedergelassen.1422 Ab flavischer Zeit verlagerte sich schließlich der Siedlungsschwerpunkt der canabae mehr und mehr in diesen Bereich und erfuhr eine sprunghafte Entwicklung.1423 In diese Zeit fallen auch der Bau der Wasserleitung zum Legionslager sowie der ersten festen Brücke über den Rhein.1424 Die Errichtung des obergermanischen limes und die damit verbundene Vorverschiebung der Grenze bescherten Mogontiacum in der Folge einen Aufschwung im gesamten zivilen Sektor, ohne dass jedoch die Bedeutung des Militärs je ganz zurückgedrängt worden wäre.1425 Administrativ bildeten die civitas Mattiacorum im Norden sowie die civitas Aresacum im Süden die unmittelbaren Nachbarn des Statthaltersitzes in Mogontiacum.1426 Der kontinuierliche Ausbau des Straßennetzes in der Zeit zwischen 85 n. Chr. und den 40er Jahren des 2. Jhs. n. Chr., der vornehmlich militärischen Zwecken diente, hatte möglicherweise auch einen Zuzug rechtsrheinischer Kelten begünstigt, so dass im Einzugsgebiet von Mogontiacum allmählich eine germanisch-keltisch-römische Mischbevölkerung ansässig wurde.1427 Bis ins 3. Jh. n. Chr. hatte sich schließlich der canabae-Teil zwischen Legionslager und Rhein faktisch zur Stadt entwickelt, auch wenn Mogontiacum/Mainz nie offiziell in den Status eines municipiums oder einer colonia erhoben wurde.1428 Erst unter der Tetrarchie (293–305 n. Chr.) belegt eine Inschrift durch die Erwähnung einer civitas Mogontiacensis/Mogontiacensium eine Änderung im Rechtsstatus, eine weitere aus dem Jahr 355 n. Chr. ein municipium von Mogontiacum.1429 Augenfällig wird der urbane Charakter von Mogontiacum in der kurz nach 250 n. Chr. vollendeten Stadtmauer, deren erster Bauabschnitt im Nordwesten (Hintere Bleiche) und Süden (Eisgrubweg) an die Befestigung des Legionslagers angrenzte
1421 Knöchlein 2011, 269. Heising 2008, 2. 1422 Jung 2009, 49–50. Heising 2008, 2. Schumacher 2003, 11. Raepsaet-Charlier 1999, 311–315. Witteyer 1998, 1041. Decker/Selzer 1976, 471. Esser 1972, 222–223. Weidemann 1968, 149–150. Behrens 1953/54, 78. 1423 Jung 2009, 42. Schumacher 2003, 11. Decker/Selzer 1976, 471. Zu den in Mainz nachgewiesenen vici s. Jung op. cit., 51–58. 1424 Witteyer 1998, 1034–1036. Decker/Selzer 1976, 487. 1425 Decker/Selzer 1976, 487. 1426 Schumacher 2012, 31. Ausbüttel 2012, 55, 60–61, Abb. 10. 1427 Schumacher 2012, 32–34. 1428 Knöchlein 2011, 269. Jung 2009, 58–59. Heising 2008, 2. Fischer 2001, 15. Witteyer 1998, 1040. Zu einem Konvent der in Mogontiacum ansässigen römischen Bürger s. Schumacher 2003, 11. Raepsaet-Charlier 1999, 312. Haensch 1997, 153. 1429 CIL 13, 6727; 13, 11810. Klee 2013, 127. Knöchlein 2011, 269. Jung 2009, 58–59. Schumacher 2003, 11. Witteyer 1998, 1040. Vgl. Heising 2008, 8. 346 n. Chr. ist Mainz erstmals als Bischofssitz bezeugt. Knöchlein op. cit., 270. Witteyer op. cit., 1047.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
209
und entlang der Rheinfront verlief (Abb. 4: unten).1430 Wahrscheinlich schloss diese erste Stadtmauer im Süden das Areal des Bühnentheaters ein und setzte sich bis zu dem im Süden der westlichen canabae auf dem Kästrich-Plateau nachgewiesenen Mauerzug fort (Abb. 4: unten).1431 Sie sicherte damit die unmittelbar um das Legionslager befindlichen Teile der canabae und dürfte einem Sicherheits- und Kontrollbedürfnis ihrer Bewohner entsprungen sein.1432 Um die Mitte des 4. Jhs. n. Chr. und nach dem Abzug der 22. Legion wurde schließlich der nordöstliche Teil des Lagerareals durch den Bau eines neuen Teilstücks in die ältere Stadtbefestigung integriert (Abb. 4).1433 Die Teile der Stadtmauer im Bereich der westlichen canabae wurden aufgegeben.1434 Nahe der Schnittstelle von diesem neuen Stadtmauerstück und der ehemaligen Südumwehrung des Legionslagers befand sich ein Torturm, fast genau an der Stelle, wo sich im Hochmittelalter der Hauptzugang zur Stadt erhob (vgl. Abb. 4).1435 Über das innerstädtische Straßennetz des zivilen Mogontiacum ist nur wenig bekannt. Nicht nur liegt das römische Niveau sehr tief unter modernen Horizonten, sondern auch frühe Einzelbeobachtungen wurden nicht im Stadtplan vermerkt.1436 So viel zumindest ist bekannt, dass vor allem in der Frühzeit die nachgewiesenen Straßen auf das Legionslager ausgerichtet waren und das Grundgerüst der Bebauungsstruktur darstellten. Denn das Lager auf dem Kästrich lag im Zentrum sowohl der lokalen Straßen nach Weisenau und zum Dimesser Ort, als auch – in der Verlängerung von diesen – der überregionalen Verbindungen nach Alzey, Worms und Bingen bzw. auf der rechten Rheinseite nach Heidelberg und Nidda/Heddernheim.1437 Die Hauptstraßen waren die nach Weisenau führende Straße, die aus der porta praetoria kommende Straße zur Rheinbrücke sowie die zum rheinabwärts befindlichen Siedlungskern, von wo aus sie sich als Rheintalstraße nach Köln fortsetzte.1438 Alle weiteren außerstädtischen 1430 Der Verlauf der Stadtmauer konnte bislang zu etwa 50 % rekonstruiert werden, da er nur an 52 Stellen archäologisch fassbar ist. Heising 2008, 2, Abb. 2. Knöchlein 2011, 269. Witteyer 1998, 1050–1051, Abb. 533: 16. Esser 1972, 223–224, mit mittlerweile überholten Datierungen. 1431 Heising 2008, 4, Abb. 2. Knöchlein 2011, 269, Abb. 3. Witteyer 1998, 1042–1043, 1050, Abb. 533: 10, Taf. 7: 5. Baatz 1968, 79, 86–87. Vgl. auch Jung 2009, 60–61. Die Bauaufnahme des Mainzer Bühnentheaters ist noch nicht abgeschlossen, so dass über sein Erbauungsdatum und seine Bauphasen noch keine gesicherten Aussagen getroffen werden können. Witteyer op. cit., 1043, verweist auf bautechnische Beobachtungen, die eine Datierung ins 2. Jh. n. Chr. zulassen könnten. Ertel 2015, 5–6, die eine frühkaiserzeitliche Bauphase des Theaters für gesichert hält. Einen guten Überblick über den derzeitigen Forschungsstand mitsamt weiterführender Literatur bietet http://www.theatrum. de/mainz.html (12.10.2017). Vgl. auch Büsing 1982, 57, der das Theater nicht unter die Militärbauten zählt, sondern dem spätrömischen municipium von Mainz zuschreibt. 1432 Heising 2008, 117–141. Dagegen Witteyer 1998, 1051, die Vorbereitungen für Germanenfeldzüge unter Beteiligung der 22. Legion für den Bau der Stadtmauer verantwortlich macht. 1433 Knöchlein 2011, Abb. 3. Heising 2008, 4, Abb. 2. Witteyer 1998, 1051. 1434 Heising 2008, 4. 1435 Heising 2008, 4. 1436 Jung 2009, 40. Witteyer 1998, 1021, 1041. Behrens 1953/54, 78. Vgl. Esser 1972, 212–213. 1437 Schumacher 2012, 32–33. Decker/Selzer 1976, 472, Abb. 3. 1438 Witteyer 1998, 1041, Abb. 533.
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Straßen dienten der Erschließung des Hinterlandes.1439 Das Forum des antiken Mainz wird heute im Bereich des Schillerplatzes vermutet.1440 Die rasante Entwicklung der nordöstlichen canabae des Legionenlagers am Ende des 1. Jhs. n. Chr. und die im Schatten des limes zunehmende Bedeutung des zivilen Sektors lassen vermuten, dass Mogontiacum neben einem militärischen Amphitheater auch einen zivilen Bau dieses Typs besaß. Da in Analogie zu den zivilen Amphitheatern in Germanien mit dem Bau eines Amphitheaters spätestens etwa ab der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. gerechnet werden kann, darf man auch die Entstehung des zivilen Amphitheaters von Mogontiacum zeitlich in diesem Rahmen sehen.1441 Betrachtet man vor dem Hintergrund der Standortfaktoren für zivile Amphitheater in Germanien den Stadtplan des römischen Mainz (Abb. 4), so ist davon auszugehen, dass sich das zivile Amphitheater in der Peripherie des Siedlungsareals in Hanglage befunden hat. Obgleich die genauen Strukturen des antiken Stadtgebietes von Mogontiacum nur sehr lückenhaft bekannt sind, können einige Bereiche des antiken Siedlungsareals bei der Standortsuche für ein Amphitheater ausgeschlossen werden.1442 Zu diesen zählen der Schillerplatz, an dessen Stelle man das römische Forum von Mogontiacum vermutet, sowie die Schnittfläche aus Stadtgebiet und nordöstlichem Areal des Legionslagers. Letzteres scheidet vornehmlich aus chronologischen Gründen aus:1443 Das jüngste Teilstück der Stadtmauer, das die nordöstliche Seite des Legionslagers mit einbezog, wurde erst in der Mitte des 4. Jhs. n. Chr. fertiggestellt (s. oben). Bis zur Mitte des 4. Jhs. n. Chr. war das Legionslager jedoch noch in Benutzung, ein Amphitheater kann sich hier also nicht befunden haben. Als dieser Bereich dann Teil des zivilen Stadtgebietes wurde, war die Gladiatur in den beiden germanischen Provinzen längst auf dem Rückzug, so dass an den Neubau eines Amphitheaters an dieser Stelle ebenfalls nicht zu denken ist.1444 Auch das nachgewiesene Mithräum am heutigen Ballplatz sowie das Isis- und Mater Magna-Heiligtum an der vom Lager zur Rheinbrücke führenden Hauptstraße in Höhe der heutigen Römerpassage scheiden als Standorte für ein Amphitheater aus.1445 Die Thermenanlage am Tritonplatz, deren Erbauung wohl in das Jahr 33 n. Chr. fällt, sowie Thermen nahe der Rheinbrücke und nordwestlich des Theaters müssen ebenfalls außer Acht gelassen werden.1446 1439 1440 1441 1442 1443
Witteyer 1998, 1041, Abb. 533. Witteyer 1998, 1042. Decker/Selzer 1976, 471. Behrens 1953/54, 78. S. oben Kap. 2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien? Vgl. Witteyer 1998, 1041–1044, Abb. 533. Aber auch die Existenz der porta praetoria, des späteren Stadttores etwas weiter südwestlich sowie eines Handwerkerviertels am Fuße des Abhanges sprechen gegen einen Bauplatz eines Amphitheaters. Vgl. Witteyer 1998, 1043, Abb. 533. 1444 Generell sind im Imperium Romanum nach der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. fast keine Neubauten von Amphitheatern mehr zu verzeichnen. Horster 2001, 212–213. Futrell 1991, 165–166. Puk 2014, 250. Bomgardner 2000, 197–201. 1445 Witteyer 2003, 4–14. Witteyer 1998, 1046, Abb. 548. Vgl. Schumacher 2012, 37–38. 1446 Witteyer 1998, 1042, Abb. 533, 542.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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Geht man davon aus, dass der wichtigste Standortfaktor für ein ziviles Amphitheater in Germanien die Ausnutzung der topographischen Gegebenheiten war, so scheint der ebene östliche Teil der Niederterrasse zwischen Legionslager und Rhein ebenfalls nicht in Betracht gezogen werden zu können. Für einen solchen Ausschluss sprechen auch die Spuren von Siedlungsfunden aus der spätrömischen Zeit, die in diesem Sektor nachgewiesen werden konnten.1447 Eher dürfte man an die Geländestufe denken, die sich Richtung Westen von der Niederterrasse zum Kästrich-Plateau erhob, oder aber – m. E. wahrscheinlicher – diejenige, die sich südöstlich Richtung Hechtsheimer Berg erstreckte. Letzteren Geländeanstieg nutzte jedenfalls das steinerne Bühnentheater aus, das wahrscheinlich noch innerhalb der Stadtmauer zu denken ist.1448 Nimmt man die 100 m-Höhenlinie des Bühnentheaters als Orientierung, läge ein geeigneter Bauplatz für das Amphitheater im Bereich zwischen Theater und den nordwestlich von diesem gelegenen Thermen oder aber – gleichsam auf der anderen Seite der Stadt – nahe der nordwestlichen Stadtmauer, wo sie an die Nordwestumwehrung des Legionslagers anbindet (Abb. 4).1449 Ob oberhalb des Theaters – also unmittelbar nordwestlich von diesem – Platz für ein Amphitheater gewesen wäre, kann auf Grundlage des derzeitigen Forschungsstandes nicht entschieden werden.1450 Zwar würden die topographischen Verhältnisse durchaus für einen Standort an dieser Stelle sprechen, doch konnte der Verlauf der Stadtmauer im Süden des antiken Mogontiacum archäologisch bislang nicht sicher nachgewiesen werden (Abb. 4: unten).1451 Da das Amphitheater aber – wie das Bühnentheater – innerhalb der Stadtmauer vermutet werden muss, wird man sich für präzisere Ortsvorschläge in diesem Teil des Stadtareals bis zur Entdeckung der südlichen Stadtmauer gedulden müssen. Für einen Standort des Mainzer Amphitheaters in der näheren Umgebung des Theaters könnte allerdings sprechen, dass sich oberhalb des Theaters auf der Hochterrasse des Rheins und östlich des Drusus-Kenotaphs vermutlich ein großer Kaiserkulttempel erhob (vgl. Abb. 4).1452 Dieser kann aus verschiedenen Spolien rekonstruiert werden und scheint von der ersten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. bis mindestens 355 n. Chr. in Verwendung gewesen zu sein.1453 Die Ausdehnung des gesamten Kaiserkultbezirkes, von dem der Kaiserkulttempel nur einen Bestandteil darstellt, ist nur im Südosten durch
1447 1448 1449 1450
Knöchlein 2011, Abb. 3. Vgl. Heising 2008, Abb. 1. Zum Theater s. Ertel 2015, 5–7. Heising 2008, Abb. 1–2. Sollte sich die Hypothese erhärten, dass die zweite Phase der Stadtmauer (um 350 n. Chr.) im Osten des nachgewiesenen Teilstücks ‚Eisgrubweg‘ nach Südosten abbog, um das Bühnentheater einzuschließen, muss das Gebiet unmittelbar nordwestlich des Theaters ausscheiden: Es läge dann nicht mehr innerhalb der Stadtmauer. 1451 Heising 2008, 2. Zur Forschungsgeschichte der Mainzer Stadtmauer mit den verschiedenen Vorschlägen für ihren Verlauf s. Heising op. cit., 5–11. 1452 Ertel 2015, 3–5, Abb. 1. 1453 Ertel 2015, 3–4.
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die antike Rheinuferlinie und im Südwesten durch das Theater bzw. das hier ansteigende Gelände sicher bestimmbar.1454 Die enge Verbindung von Kaiserkult und munera, wie sie nicht nur für den Osten des Imperium Romanum nachgewisen werden konnte, sondern wie sie auch für die Germania Superior vermutet werden darf (Vesontio/Besançon, Augusta Raurica/Augst, Aventicum/Avenches) könnte möglicherweise auch für Mogontiacum einen Standortfaktor geliefert haben.1455 Zieht man als weiteren Standortfaktor die gute Anbindung an das innerstädtische Wege- und außerstädtische Fernstraßennetz in Betracht, so sieht man sich in Mogontiacum mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass sowohl das innerstädtische Wegenetz als auch die Tore in der Stadtmauer nur sehr unzureichend bekannt sind. Allein in dem kurzen nachgewiesenen Teilstück der Stadtmauer im Südosten konnte ein Tordurchgang wahrscheinlich gemacht werden, ebenso auf dem Kästrich in dem in der Mitte des 4. Jhs. n. Chr. errichteten Teilstück der Stadtmauer, gleichsam in der südwestlichen Verlängerung der porta praetoria (Abb. 4).1456 Für eine fundierte Evaluierung der Standortvorteile des zivilen Amphitheaters von Mogontiacum reicht das bei weitem nicht aus, so dass man wohl auch in diesem Fall archäologische Untersuchungen wird abwarten müssen. 2.4.2.2 Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln (Kat. 2.2.1–2.2.2) In Germanien war der Bau eines Militäramphitheaters eng an die Etablierung eines Standlagers einer römischen Militäreinheit gebunden. Für Köln kommt in diesem Zusammenhang nur die ca. 3 km südlich der römischen Stadt errichtete Basis der römischen Kriegsflotte im heutigen Kölner Stadtteil Marienburg (sog. Alteburg) in Frage (Abb. 6, 7).1457 Zwar lassen sich im Norden der CCAA im späteren nördlichen suburbium und auch unter dem Flottenlager selbst Spuren verschiedener Militärlager fassen, doch scheinen diese vorcoloniazeitlichen castra hiberna zuzurechnen zu sein.1458 Ihre geringe Ausdehnung verrät, dass sie keiner kompletten Legion als Winterlager gedient 1454 Ertel 2015, 13, Abb. 1. 1455 Zum Osten des Imperium Romanum s. Mann 2011, 46–64, 76–87. Mann 2009, 276–279. Zur Germania Superior s. oben Kap. 2.3.2 Der Kaiser in Germanien zwischen ziviler Dedikation und militärischem Kalkül bzw. Kap. 2.1.2 zu Augusta Raurica/Augst und Kap. 2.1.3 zu Aventicum/Avenches. 1456 Heising 2008, 4, Abb. 2. Witteyer 1998, 1021, Abb. 533. 1457 Fischer/Trier 2014, 278–279. Fischer 2001a, 547. Konen 2000, 260–271. Gechter 1987, 114–115. Klinkenberg 1906, 362–375. Grundlegend zur Geschichte der classis Germanica Konen 2000, der allerdings die neuesten Ergebnisse der Ausgrabungen im Flottenlager Köln-Alteburg nicht mehr integrieren konnte. Eine annotierte Bibliographie bis zum Jahr 2006 bietet Hanel 2006. Zur Forschungsgeschichte des Flottenlagers s. Fischer 2001a, 548–550. 1458 Fischer/Trier 2014, 69, 92–96. Fischer/Hanel 2003, 581–582. Konen 2000, 260–262. Carroll/Fischer 1999, 523–524. Fischer 2001a, 552, 554, 558–560, Abb. 3. Fischer 2001, 15. Vgl. Tac. ann. 1,31, 36, 39, 44.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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haben, sondern lediglich Detachements einer solchen.1459 Spätestens um 50 n. Chr. lässt sich dann aufgrund von Inschriften und Ziegelstempeln das Lager auf der Alteburg sicher mit der Classis Germanica – im Folgenden ClG abgekürzt – in Verbindung bringen.1460 Der Standort des Flottenlagers war von den Römern wie üblich mit Bedacht gewählt worden, denn das Lager lag auf einer ca. 16 ha großen Terrasse hochwassersicher über dem Rhein (Abb. 7).1461 Diese Terrasse wies im Westen ein stärker reliefiertes Areal auf, das im Zuge der Bauperioden 2 (claudisch-neronisch) und 3 (frühflavisch) des Lagers abgegraben und einplaniert wurde, während das nach Osten abfallende Terrain aufplaniert wurde.1462 Das erste Flottenlager war in Holz-Erde Technik in Form eines verschobenen Trapezes errichtet und sechs bis sieben Hektar groß (Abb. 7).1463 „Weit mehr als 1.000 Mann“ waren dort stationiert.1464 Dieses Lager wurde in der Folge bis zu seiner Auflassung im letzten Drittel des 3. Jhs. n. Chr. insgesamt elf Bauphasen unterzogen, wobei der Umbruch von der Holzbauphase zur Steinbauphase in die Regierungszeit Trajans (98–117 n. Chr.) fällt.1465 Eine steinerne Umwehrung mit vorgelagertem Graben entstand um 100 n. Chr.1466 Mit seiner östlichen Flanke lag das Lager direkt an einer natürlichen Geländekante am Rhein, wo sich aller Wahrscheinlichkeit nach der Hafen für die Kriegs- und Transportschiffe der ClG befand.1467 Im Westen und Süden der Lagerumwehrung stieß man auf die hier zu erwartenden Reste der canabae mit ihrer typischen Streifenhausbebauung (Abb. 7).1468 Im Norden traten bislang lediglich Überreste einer Gräberstraße und Abwasserkanäle zu Tage, nicht aber die von Wohnbebauung.1469 Eine solche dürfte hier allerdings beidseits der Straße zur CCAA ebenfalls vorhanden gewesen sein (vgl. Abb. 6).1470 Die wichtigste Zufahrtsstraße zum Flottenlager scheint das Westtor passiert zu haben, denn vor diesem wurden Gebäudestrukturen freigelegt, die eine Interpretation als mansio erlauben (Abb. 7).1471 Ob und wenn ja, wann der Lagervicus des Flottenlagers auf der Alteburg endgültig
1459 Fischer/Trier 2014, 95–96, 278–279, 282. 1460 Fischer/Trier 2014, 93, 97, 284. Fischer 2001a, 547, Anm. 1. Carroll/Fischer 1999, 528–530. Höckmann 1998, 317. Zur Ziegelproduktion der classis Germanica s. Konen 2000, Kapitel V.2, 402–413. 1461 Fischer 2001a, 547. 1462 Fischer 2001a, 555. 1463 Fischer/Trier 2014, 282–286, mit Plan des Flottenlagers (Steinbauphase) auf S. 283. Fischer/Hanel 2003, 571–572. Fischer 2001a, 547. Konen 2000, 263–265. Carroll/Fischer 1999, 557–561. Höckmann 1998, 318–322. Konen 2000, 267. 1464 Fischer 2001a, 547. 1465 Fischer/Trier 2014, 285–286. Fischer/Hanel 2003, 570–581. Carroll/Fischer 1999, 524–557. Vgl. Fischer 2001a, 550–557. 1466 Fischer/Trier 2014, 284–285. Fischer 2001a, 552. 1467 Fischer/Trier 2014, 285. Fischer 2001a, 552. Zu den Transport- und Kriegsschiffen s. Höckmann 1998, 335 ff., 341–346. 1468 Fischer/Trier 2014, 287. Hanel 2002. 1469 Hanel 2002, 223. 1470 Hanel 2002, 223. 1471 Hanel 2002, 217–218, 223, Abb. 3–4.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
aufgegeben wurde, ist ungewiss.1472 Das Ende des Lagers der Rheinflotte war in jedem Fall gewaltsamer Natur und wird vor allem durch den Abbruch der Inschriften und Ziegelstempel im letzten Drittel des 3. Jhs. n. Chr. erkennbar.1473 Es sei daran erinnert, dass nicht nur das Standlager der Rheinflotte die Existenz eines Militäramphitheaters nahelegt, sondern auch jene bereits erwähnte – heute verschollene – Inschrift einer familia gladiatoria, die als gladiatores Classis Germanicae Piae Fidelis dem siegreichen Mars bei Nijmegen einen Weihestein gesetzt hatten (Kat. 2.7.3).1474 Der Ehrenname der Rheinflotte Pia Fidelis spricht für eine Datierung der Inschrift nach 96 n. Chr., der Untergang der Rheinflotte für eine Datierung vor dem letzten Drittel des 3. Jhs. n. Chr.1475 Spätestens nach 96 n. Chr. darf man daher mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Amphitheater im Bereich der canabae des Flottenlagers erwarten, in dem die inschriftlich bezeugten Gladiatoren der Rheinflotte auftraten. Da die allmähliche Petrifizierung der Lagerumwehrung sowie der Lagerinnenbauten in trajanischer Zeit einsetzte,1476 dürfte das zugehörige Amphitheater in dieser Zeit kein reiner Holzbau, sondern eher ein in Holz-Stein erbautes Monument gewesen sein: Podiumsmauer und Hauptzugänge werden aus Stein, die eigentlichen Sitzstufen aus Holz bestanden haben. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass diesem Militäramphitheater in Holz-Steinbauweise ein älterer hölzerner Bau voranging, denn das Standlager der Flotte lässt sich bereits ab 50 n. Chr. auf der Alteburg fassen. Dafür sprechen auch Vergleiche mit anderen Militäramphitheatern in Germanien, etwa mit dem von Vindonissa/Windisch, dessen hölzernes Amphitheater um 30 n. Chr. (Kat. 1.16.1) errichtet wurde, oder mit dem von Zugmantel, das um 90 n. Chr. (Kat. 1.18.1) erbaut worden sein dürfte. Darüber hinaus könnte das Militäramphitheater von Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1) bereits in claudischer Zeit in Holz-Erde-Technik errichtet worden sein.1477 Vor diesem Hintergrund ist es meines Erachtens sehr wahrscheinlich, dass es bereits kurz nach der Etablierung der Flottenbasis ein Militäramphitheater auf der Alteburg gegeben hat, das ähnlich wie die Lagerbauten in Holz-Erde-Technik von den dort stationierten Seesoldaten errichtet worden ist.1478 Der Ort dieses mutmaßlichen Militäramphitheaters der ClG – sowohl das der Holzals auch das der Holz-Stein- bzw. Steinbauphase – dürfte mit großer Wahrscheinlich1472 Hanel 2002, 224. 1473 Fischer/Trier 2014, 280. Fischer/Hanel 2003, 582. Fischer 2001a, 557. Höckmann 1998, 318, 323. 1474 CIL 13, 8831. Der Fundort des Steins ist nicht gesichert. Konen 2000, 419. S. unten Kap. 3.3.1 Literarische, epigraphische und papyrologische Quellen zu Gladiatoren in der römischen Armee. 1475 Der ursprünglich lautende Ehrenname classis Germanica Pia Fidelis Domitiana, der der Rheinflotte für ihre treuen Dienste im Saturninus-Aufstand von Domitian verliehen worden war, wurde nach der damnatio memoriae Domitians im Jahre 96 n. Chr. auf Pia Fidelis verkürzt. Eck 2004, 222. Höckmann 1998, 340–341. La Baume 1972, 272. 1476 Fischer/Hanel 2003, 570–581. Fischer/Trier 2014, 285–286. Carroll/Fischer 1999, 524–557. Vgl. Fischer 2001a, 550–557. Petrikovits 1991, 177. 1477 S. oben Kap. 2.2.3 Vetera Castra/Birten. 1478 Ein festes Standlager lässt sich in Köln-Alteburg ab Bauperiode 2 nachweisen. Fischer 2001a, 554, 558–560.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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keit im Westen der Lagerumwehrung zu suchen sein, denn die Ostflanke bot aufgrund der Nähe zum Rhein und der Existenz des Flottenhafens wahrscheinlich wenig Spielraum für die Unterbringung eines Amphitheaters (Abb. 6, 7).1479 Auch machen es die topographischen Verhältnisse der Terrasse, auf dem sich das Flottenlager befand, wahrscheinlicher, dass sich das Amphitheater im ansteigenden Terrain im Westen des Lagers befand und nicht im hochwassergefährdeten Bereich im Osten desselben.1480 Die im Osten der Terrasse nachgewiesenen Spuren von Aufplanierungen, die man zur Schaffung eines ebenen Geländes aufgebracht hatte, sprechen ebenfalls eher für einen unsicheren Baugrund und damit gegen ein Amphitheater.1481 Darüber hinaus steht in Analogie zu den übrigen Militäramphitheatern der Germania Superior und Inferior zu erwarten, dass sich ein solches Militäramphitheater nahe der Ecken der Lagerumwehrung befunden hat. Schließt man die Ostflanke des Lagers aus, hieße das, dass sich das Militäramphitheater der Rheinflotte entweder in der Nähe der nordwestlichen oder südwestlichen Ecke des Flottenlagers befunden haben dürfte – in einer Entfernung von rund 100–300 m wie bei Militäramphitheatern in Germanien üblich (Abb. 6, 7). Hätte es zudem in diesem Bereich in der Antike einen natürlichen Hang gegeben, wäre die Chance groß, dass man diesen – wie etwa in Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1) – für den Bau des Amphitheaters ausgenutzt hat. Über die Größe des zu erwartenden Militäramphitheaters von Köln-Alteburg kann nur spekuliert werden. Das nahegelegene Militäramphitheater des Zweilegionenlagers von Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1) fasste ca. 10.000 Zuschauer und nahm eine Fläche von ca. 98 × 84 m ein. Grundsätzlich gilt für Germania Superior und Inferior, dass die Größe eines Militäramphitheaters abhängig von der Belegung des zugehörigen Lagers mit Legions- bzw. Auxiliareinheiten war. Obwohl die Belegung des Flottenlagers von Köln-Alteburg mit nur mehr als 1.000 Soldaten veranschlagt wird, rangierten die römischen Flottenverbände dem Ansehen nach auf dem Niveau einer Legion.1482 Es ist daher durchaus vorstellbar, dass das Militäramphitheater der Rheinflotte nicht notwendigerweise wesentlich kleiner war als das des Zweilegionenlagers von Vetera Castra/Birten (Kat. 2.8.1). Dass obertägige Spuren dieses vermeintlichen Flottenamphitheaters von Köln angetroffen werden, scheint indes wegen der modernen Bebauung mehr als unwahrscheinlich. So wird man sich wohl – wenn überhaupt – mit dem Nachweis von früheren Holzbauspuren und/oder späteren steinernen Fundamenten von Podiumsmauer und Hauptzugängen im Boden begnügen müssen. Auch für das zivile Amphitheater der CCAA wird man auf die Entdeckung obertägiger Relikte nicht hoffen können, da das Areal der innerstädtischen Siedlungsfläche
1479 Fischer/Trier 2014, 285. Hanel 2002, 223. Konen 2000, 270–271. Höckmann 1998, 319–321. 1480 Zur Topographie des Flottenlagers s. Fischer 2001a, 555. Vgl. auch die Höhenlinienkarte von Köln und Umgebung bei Köhler 1941. 1481 Fischer 2001a, 555. 1482 Fischer 2001a, 547. Vgl. Gechter 1987, 110.
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der CCAA heute vollständig überbaut ist. Zugleich ergibt sich aus den für Germanien erarbeiteten Standortfaktoren für zivile Amphitheater im Hinblick auf die CCAA zwar ein limitiertes Gebiet, nicht aber eines, an dem man nur den Spaten in die Erde stecken müsste, um das Amphitheater zu finden. Dafür ist die antike Siedlungsfläche mit 96,8 ha schlicht zu groß (Abb. 8).1483 Dennoch lässt sich mit Hilfe der erarbeiteten Standortfaktoren sowie der bislang archäologisch untersuchten Stadtareale die Lokalisierung des Kölner Amphitheaters stark eingrenzen.1484 In Analogie zu den zivilen Amphitheatern der Germania Inferior und Superior muss man zunächst einmal davon ausgehen, dass auch das Amphitheater der CCAA in der Peripherie des antiken Siedlungsareals und innerhalb der Stadtmauern errichtet wurde.1485 Darüber hinaus ist aufgrund der Kostenökonomie eine Anlehnung des Kölner Amphitheaters an eine natürliche Erhebung innerhalb des Stadtgebietes zu erwarten. Unter diesen Voraussetzungen scheidet die östliche Seite des antiken Stadtgebietes der CCAA höchstwahrscheinlich von vorneherein aus, da hier nahezu flächendeckend die Großbauten der colonia und Provinzhauptstadt der Germania Inferior installiert waren (Abb. 8): das praetorium als Statthalterpalast inklusive seiner Annexbauten sowie der südlich angrenzende Sakralbezirk mit Kapitolstempel, Rundtempel und dem Provinzheiligtum für den Kaiserkult.1486 In diesem Bereich noch einen Monumentalbau in der Größe eines Amphitheaters unterbringen zu wollen, scheint aus Platzgründen mehr als fraglich: Legt man für die zu erwartende Größe des Amphitheaters der CCAA die Abmessungen des Amphitheaters der nahegelegenen CUT von rund 100 × 90 m (jüngste Steinbauphase) zugrunde, so muss ein Platzbedarf des Kölner Amphitheaters von mindestens zwei insulae einkalkuliert werden,1487 vielleicht auch mehr, je nachdem, wie die Rundungen des Amphitheaters in das orthogonale Straßennetz eingepasst werden konnten. Die nördliche Peripherie des antiken Stadtgebietes der CCAA, also der innerstädtische Bereich westlich des Kölner Doms und des Nordtores, kann ebenfalls aufgrund der nachgewiesenen antiken Bebauungsspuren mindestens bis zum heutigen Appellhofplatz nicht als Standort des Amphitheaters in Betracht gezogen werden.1488 Darü-
1483 Fischer/Trier 2014, 121. Klinkenberg 1906, 165–166. 1484 Fischer/Trier 2014. Trier 2003. Thomas 1984, 165–167. Vgl. Fremersdorf 1950, 2–40, 57–83. Klinkenberg 1906, 226–247. 1485 Die Hypothese, dass sich das zivile Amphitheater der CCAA außerhalb der römischen Stadtmauern im Bereich der Suburbien befunden haben könnte – wie von Fischer/Trier 2014, 190, oder Doppelfeld 1975, 731, vermutet –, muss in Analogie zu den anderen zivilen Amphitheatern Oberund Niedergermaniens, aber auch im reichsweiten Vergleich mit Nachdruck abgelehnt werden. Vgl. Frézouls 1990. 1486 Fischer/Trier 2014, 165–181. Eck 2004, 367–368. Trier 2003, 12–13. Hellenkemper 1975, 788–789, 794–802, 804–813, Abb. 1, 10–23. Doppelfeld 1975, 730. Fremersdorf 1950, 73–83. 1487 So auch Fischer/Trier 2014, 190. 1488 Fischer/Trier 2014, 197–203. Hellenkemper 1975, 808–813, Abb. 19–21. Zu archäologischen Untersuchungen im Rahmen von Bauarbeiten im Innenhof des Verwaltungsgerichtes am Appellhofplatz in den Jahren 1988/1989 s. Thomas 2008. Vgl. auch Eck 2004, 375. Klinkenberg 1906, 225.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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ber hinaus kann man im Westen einen weiteren Bereich in der Peripherie der CCAA ausschließen: Nahe der Stadtmauer wurde im Bereich der Doppel-insula A 7/8 eine Gebäudestruktur nachgewiesen, bei der es sich möglicherweise um gallo-römische Tempel handeln könnte (Abb. 8).1489 Ein Amphitheater hätte man an dieser Stelle allenfalls nördlich dieser Gebäudestrukturen errichten können, was jedoch mindestens vier insulae tangiert hätte. Auch nördlich von diesem Areal (insulae A 3–5, Abb. 8), zwischen dem Westtor, durch das sich der decumanus maximus in Richtung Samarobriva/Amiens fortsetzte, und dem Ehrentor, dem nördlichsten der durch die westliche Stadtmauer führenden Durchlässe, scheinen die nachgewiesenen Bebauungsspuren die Existenz eines Amphitheaters zu verbieten.1490 Die Analyse der Standortfaktoren für Amphitheater in Germanien hatte ergeben, dass zivile Amphitheater in Städten mit Stadtmauer (Aventicum/Avenches, Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben, CUT/Xanten) rund 500 m Luftlinie vom gedachten Mittelpunkt des Forums aus platziert wurden (s. oben).1491 Schlagen wir mit dem Zirkel einen Kreis um genau diesen Punkt der CCAA, so ergibt sich, dass die vormals erwähnten Bereiche besonders im Osten des Stadtgebietes sowie die westlich des Kölner Doms tatsächlich innerhalb dieses Kreises zu liegen kommen und daher nicht nur aufgrund der dort nachgewiesenen Bebauungsspuren, sondern auch wegen des erwähnten Standortfaktors als möglicher Bauplatz für das Amphitheater ausscheiden. Zieht man als Parallelen das zivile Amphitheater der nahegelegenen CUT/Xanten (Kat. 2.3.1, Abb. 3: b) oder das im Westen der CCAA befindliche zivile Amphitheater von Augusta Treverorum/ Trier heran, so zeigt sich, dass man beim Bau des Amphitheaters offenbar einen peripheren Bauplatz nahe der Stadtmauer bevorzugte. Es ist nicht auszuschließen, dass in Trier der gewundene Verlauf bzw. in Xanten die Ecksituation der Stadtmauer diesen Standort begünstigte, denn so lässt sich der rund-ovale Grundriss des Amphitheaters am platzsparendsten in das orthogonale Straßennetz integrieren. Beziehen wir diese Beobachtungen auf die CCAA, so bietet der südliche Teil der Stadtmauer zwischen Südtor und südwestlichem Eckturm (insulae D/E/F 10/11, Abb. 8) sowie zwischen südlichem Westtor und südwestlichem Eckturm (insulae B/C 10/11, Abb. 8) die besten Möglichkeiten für die Unterbringung eines zivilen Amphitheaters im antiken Kölner Stadtgebiet. Hier haben das Geländerelief und der Verlauf des Duffesbaches für einen nicht geradlinigen, sondern kurvigen Bebauungsplan der südlichen Stadtmauer gesorgt. Gestützt werden diese Beobachtungen durch einen der wichtigsten Standortfaktoren, den man für die in Germanien nachgewiesenen zivilen Amphitheater geltend machen
1489 Fischer/Trier 2014, Karte im vorderen Frontispiz. Hellenkemper 1975, 809, Abb. 1. Die Identifikation als Tempelbezirk ist nicht gesichert, es könnte sich auch um Baustrukturen im Zusammenhang mit der Wasserleitung handeln. Freundliche Auskunft von D. Schmitz, Bodendenkmalamt Köln. 1490 Fischer/Trier 2014, Karte im vorderen Frontispiz. Vgl. Schultze/Steuernagel 1916, 1–11, zu frühen Untersuchungen an den Stadttoren der CCAA. 1491 Zum forum der CCAA s. Hellenkemper 1975, 794–795, Abb. 1.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
kann: die topographischen Gegebenheiten. Diese können für das antike Köln aufgrund der anthropogenen Eingriffe seit der Gründung des Oppidum Ubiorum nur noch grob rekonstruiert werden.1492 Sicher ist in jedem Fall, dass die heutige Oberfläche ausgeglichener ist als die ursprünglich natürliche, wenngleich man an einigen Stellen die antiken Verhältnisse noch erahnen kann – etwa den steilen Geländeabfall im Norden der römischen Stadt, der zwischen den heutigen Straßen Burgmauer und Komödienstraße mit Hilfe einer Treppe überwunden werden muss.1493 Für das Stadtgebiet der späteren CCAA hatten die Römer mit Bedacht einen Geländeschild ausgewählt, d. h. einen natürlichen Terrassensporn, der sich im Norden der späteren CCAA bis zu maximal 56 m ü. NN (im Bereich der heutigen Römergasse) über dem Rhein erhob (Abb. 9).1494 Hier, am Fuße des Rheinischen Schiefergebirges und an der schmalsten Stelle der natürlichen Überschwemmungsebene des Rheins, waren eine Flussüberquerung von hochwassersicherem Gelände aus sowie die Anlage eines Hafens gut möglich.1495 Im Süden fiel dieser Geländeschild steil ab, wovon die modernen Straßennamen ‚Malzbüchel‘ und ‚Hochpfortenbüchel‘ (‚Büchel‘ = Buckel, Hügel) noch Zeugnis ablegen.1496 Markiert wurde der steile Abfall im Süden außerdem durch den Duffesbach, der weiter östlich in den Rhein mündete.1497 Vor dem Westtor der Stadtbefestigung der späteren CCAA fiel das Gelände hingegen sanft nach Westen hin ab.1498 Im Osten des Stadtareals, wo die sumpfige und hochwassergefährdete Auenlandschaft auf die Niederterrasse des Rheins traf, befand sich eine natürliche Geländekante, der sich der gesamte Geländeschild in merklichem Gefälle zuneigte.1499 Durch großflächige und meterdicke Aufschüttungen hatte man dem Terrain an dieser Stelle jedoch eine ebene Fläche abringen können.1500 Jüngeren Untersuchungen zufolge konnten natürliche Geländeerhebungen entlang der nördlichen Peripherie des antiken Stadtgebietes wahrscheinlich gemacht werden, ebenso wie in der südwestlichen Ecke und westlich und östlich des Südtores (Abb. 9).1501 Zwar befand sich unmittelbar südwestlich des Forums ebenfalls eine natürliche Geländeerhebung, doch wurde in diesem Bereich eine römische Thermenanlage nachgewiesen, die insgesamt vier insulae einnahm (Abb. 8).1502 Wollte man also in
1492 Köhler 1941, 94. Brunotte et al. 1994, 32–39. Mertens 2010. 1493 Fischer/Trier 2014, 75. Köhler 1941, 99. 1494 Fischer/Trier 2014, 62, 72, mit digitalem Höhenmodell. Mertens 2010, Karte 2, 5. Brunotte et al. 1994, 32, 34. Hellenkemper 1975, 785. Köhler 1941, 97. Vgl. Schultze/Steuernagel 1895, 4–8. 1495 Köhler 1941, 165. 1496 Brunotte et al. 1994, 32. Köhler 1941, 165. 1497 Fischer/Trier 2014, 75. Köhler 1941, 50, 107. 1498 Köhler 1941, 97, 165, Karte der Höhenzahlen des gewachsenen Bodens. 1499 Fischer/Trier 2014, 74, 72, mit digitalem Höhenmodell der CCAA. Brunotte et al. 1994, 36. 1500 Brunotte et al. 1994, 36. Klinkenberg 1906, 157–159. 1501 Mertens 2010, Karte 2. Diesen Beobachtungen entsprechen die Auffüllmächtigkeiten in diesen Bereichen. Mertens op. cit., Karte 5. 1502 Fischer/Trier 2014, 184–188, 102, mit einer digitalen Rekonstruktion der CCAA, Karte des Frontispiz. Mertens 2010, Karte 2. Eck 2004, 862. Köhler 1941, 100, sowie die Karte mit Höhenzahlen des
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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der CCAA einen Monumentalbau in einen Hang hinein bauen, wie das für zivile Amphitheater in Germanien fast durchgängig nachgewiesen werden konnte, musste man sich zwangsläufig im Nordwesten oder Südwesten der CCAA nach einem geeigneten Baugrundstück umsehen. Ein weiterer wichtiger Standortfaktor für ein Großbauwerk, in dem Massenveranstaltungen stattfanden, war seine gute Anbindung nicht nur an das innerstädtische Straßennetz, sondern auch an das Fernwegenetz einer Stadt.1503 Denn nur so konnte der Zustrom der Stadtbevölkerung bzw. der der Besucher aus dem umliegenden Territorium reibungslos gestaltet werden. Eine solche verkehrsgünstige Anbindung ist meines Erachtens nicht gegeben, wenn man sich das Amphitheater der CCAA in der nordwestlichen Peripherie des Stadtgebietes denkt (Abb. 8, 9). Denn hier wäre ein Zugang von außerhalb der Stadt allein durch das sog. Ehrentor, das nördlichste der drei Westtore, gegeben.1504 In der nördlichen Stadtmauer gab es hingegen nur ein einziges Stadttor, durch das die Limesstraße in die Stadt hineinführte und die sich innerstädtisch als cardo maximus zum Südtor fortsetzte (Abb. 8). Darüber hinaus befand sich im nördlichen suburbium der CCAA ein ausgedehntes Gewerbegebiet, in dem sich erst spät großflächigere Wohnbebauung nachweisen lässt.1505 Im Südwesten der Stadtbefestigung sieht die Situation hingegen gänzlich anders aus: Hier war man in der südlichen Stadtmauer zur großen Überraschung der Ausgräber im Zuge von Bauarbeiten für ein Wohnhochhaus im Jahre 1960 auf ein kleineres Stadttor gestoßen, das sog. Neunte Tor, nur wenige Meter vom Südwestturm der römischen Stadtmauer entfernt (Abb. 8).1506 Für Überraschung hatte dieses Tor deswegen gesorgt, weil es in der nördlichen Stadtmauer keine Entsprechung hat, es also keine Straße gab, die an dieser Stelle von Süden nach Norden durch die Stadt hindurchführte. Auch in das im Norden der CCAA nachgewiesene orthogonale Straßennetz will die Lage des Neunten Tores nicht recht passen.1507 Die Verkehrssituation im Südwesten des Stadtareals der CCAA wurde hingegen durch das Neunte Tor maßgeblich verbessert. Die insulae-Gliederung in diesem Be-
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gewachsenen Bodens. La Baume 1972, 284. Eine weitere Erhebung befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des vermeintlichen gallo-römischen Tempels, dessen umgebendes Areal für die Implantation eines Amphitheaters – wie bereits erwähnt – keinen ausreichenden Platz bieten kann. Zu den römischen Badeanlagen in Köln s. Dodt 2001. Fischer/Trier 2014, 76, 73, mit einer Karte zum römischen Straßennetz um Köln. Zum Territorium der CCAA s. Klinkenberg 1906, 247–341, zu den bis dahin bekannten Stadttoren 179–199. Zur Stadtmauer der CCAA s. Fischer/Trier 2014, 121–126, 126–147 (Tore und Türme). Vgl. Trier 2003, 3. Fischer/Trier 2014, 142–144. Thomas 1984, 170. Doppelfeld 1975, 728. La Baume 1972, 286. Klinkenberg 1906, 194–195. Thomas 1984, 170. Da das Neunte Tor in vielen Details der porta Martis, dem römischen Hafentor auf dem heutigen Kurt-Hackenberg-Platz entspricht, ist davon auszugehen, dass das Neunte Tor keine spätere Hinzufügung darstellte, sondern dem einheitlichen Plan der römischen Stadtmauer der CCAA entsprang. Fischer/Trier 2014, 143–144.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
reich erscheint nun regelmäßig in einer 2-4-2 Abfolge: Zwischen den Ecktürmen im Südwesten bzw. Südosten und dem Neunten Tor bzw. dem Südtor liegen je zwei insulae (B/C 11 bzw. H/J 9), während zwischen den beiden südlichen Stadttoren vier insulae (D–G 10/11) zu liegen kommen (Abb. 8). Der gesamte Südwesten wird auf diese Weise durch drei wichtige Fernstraßen erschlossen.1508 Für die Implantierung eines Amphitheaters würde sich in der CCAA – ähnlich wie in der CUT – am ehesten die ‚runde‘ Ecke im Südwesten der Stadtmauer (insulae B/C 10/11, Abb. 8) anbieten.1509 Die hier durch die Ecksituation bedingte Unregelmäßigkeit des insula-Systems würde eine minimale Platzbeanspruchung für einen Monumentalbau mit rund-ovalem Grundriss in einem ansonsten orthogonalen Straßennetz gewährleisten – sicherlich ein zusätzlicher Standortvorteil in einer wachsenden Metropolstadt. Ob die Einlassung des Neunten Tores in die Stadtmauer in irgendeinem Zusammenhang mit einem vermeintlichen Amphitheater gestanden hat, lässt sich auf Grundlage des derzeitigen Kenntnistandes nicht entscheiden. Angemerkt sei aber, dass eine verblüffend ähnliche Situation in der CUT/Xanten (Kat. 2.3.1) anzutreffen ist, wo ebenfalls ein kleiner Mauerdurchlass in der Stadtmauer eine Straße direkt auf den Vorplatz des Amphitheaters führte.1510 Gegen eine Lokalisierung des zivilen Amphitheaters in der südwestlichen Ecke der CCAA sprechen allerdings Überreste von Betonböden, Hausmauern und einem Mosaikboden, die man im Bereich der modernen Straßen Kleiner Griechenmarkt bzw. Großer Griechenmarkt entdeckt hat.1511 Sie lassen vermuten, dass in diesem Areal wahrscheinlich mit Wohnbebauung zu rechnen ist. Will man nicht an Annexbauten des Amphitheaters – etwa für die Unterbringung von wilden Tieren, Gladiatoren, Wettbüros o. ä. – denken, so wird man diese Befunde schwerlich mit der unmittelbaren Nachbarschaft eines Amphitheaters in Einklang bringen können. Etwas 1508 Fischer/Trier 2014, 73, mit einer Karte des römischen Straßennetzes um Köln. Vgl. Trier 2003, 15. 1509 Der Verlauf der antiken Straßen in diesem Bereich ist archäologisch bislang nicht nachgewiesen. Zum orthogonalen Straßensystem der CCAA, dessen Ursprünge in der augusteischen Stadtplanung liegen, s. Fischer/Trier 2014, 76–77. 1510 Müller 2008b, 282, Abb. 160. Schmitz 2008, 148, Abb. 101. Müller 2008, 361, Abb. 215, der diesen Zugang zur CUT der Existenz des Amphitheaters zuschreibt. In der CCAA war am Neunten Tor zudem die Anbindung an das städtische Abwassersystem gewährleistet, denn unterhalb des Neunten Tores verlief ein Abwasserkanal, der das Brauchwasser in Richtung Duffesbach und von dort in den Rhein abführte. Fischer/Trier 2014, 142–43. Zum teilweise künstlichen Bett des Duffesbaches s. Köhler 1941, 107. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entsprechung in den Stadtplänen der CCAA und der späteren CUT: ‚Begradigt‘ man die Umrisse der römischen Stadtmauer der CCAA auf idealtypische Weise und dreht dann diesen so gewonnenen Stadtumriss um ca. 90° im Uhrzeigersinn, so passt er vom Grundmuster her auf den Stadtumriss der CUT. Das nachgewiesene Amphitheater der CUT kommt dann exakt in der südwestlichen Ecke der Stadtmauer der CCAA zu liegen. Ein glücklicher Zufall oder vielleicht doch Indiz für die planhafte Entstehung beider niedergermanischen Kolonien auf dem Reißbrett römischer Militärarchitekten? 1511 Schultze/Steuernagel 1895, 110, Taf. XI. Das polychrome Mosaik gelangte teilweise in Fragmenten ins Museum Wallraff-Richartz (heute RGM), der größte Teil des Kunstwerkes verblieb jedoch an Ort und Stelle. Düntzer 1866, 129–133, Taf. 5.
2.4 Germanische Amphitheater im urbanistischen Konzept
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weiter östlich der Südwestecke der Kölner Stadtmauer, im Bereich der insulae E 10/11, würde ein anderes innerstädtisches Areal nahe der südlichen Stadtmauer ebenfalls den Standortfaktoren eines Amphitheaters in Germanien entsprechen (Abb. 8, 9): Die leichte Auswölbung der Stadtmauer nach Süden würde auch hier dem Grundriss eines Amphitheaters entgegenkommen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf Grundlage aller in Germanien beobachteten Standortfaktoren für zivile Amphitheater und den lokalen Bedingungsfaktoren des Stadtgebietes das zivile Amphitheater der CCAA aller Wahrscheinlichkeit nach im Südwesten des antiken Stadtgebietes nahe der Stadtmauer zu lokalisieren ist. Nicht nur die topographischen Gegebenheiten in diesem Bereich, sondern auch die verkehrsgeographische Situation bieten für den Standort eines Amphitheaters beste Voraussetzungen.1512 Nicht zuletzt muss aufgrund der größeren Nähe zu den bedeutenden Kultstätten der CCAA, besonders der des Kaiserkultes, einem Amphitheaterstandort im Südwesten der CCAA gegenüber einem Standort im Nordwesten meines Erachtens der Vorzug eingeräumt werden. Für die Datierung des Amphitheaters der CCAA müssen indes nicht nur die gesamthistorischen Verhältnisse der Amphitheaterarchitektur in Germanien in die Waagschale geworfen werden, sondern auch die historischen Gelenkstellen der CCAA. Trotz großer Schwierigkeiten in der Datierung sowohl militärischer als auch ziviler Amphitheater lässt sich sagen, dass zivile Amphitheater in Germanien jüngeren Erbauungsdatums sind als militärische (vgl. Tab. 1). Die zivilen Amphitheater von Augusta Raurica / Augst-Neun Türme (GS, Kat. 1.4.1) um ca. 110 n. Chr. und das von Aventicum/Avenches (GS, Kat. 1.5.1) um 120 n. Chr. liefern einigermaßen belastbare Daten, was ihr Erbauungsdatum anbelangt. Die übrigen zivilen Amphitheater der Germania Superior können dagegen nur grob von der zweiten Hälfte des 1. bis in die erste Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. datiert werden.1513 Besonders wichtige Impulse für die Stadtentwicklung setzten in der CCAA ihre Erhebung in den Status einer colonia im Jahr 50 n. Chr., sowie die Ernennung der CCAA zur Hauptstadt der neu geschaffenen Provinz Germania Inferior gegen Ende des 1. Jhs. n. Chr.1514 Mit letzterem Datum lässt 1512 Die Wasserleitung aus der Eifel traf ebenfalls im Westen, etwas nördlich der mutmaßlichen gallo-römischen Tempel auf das Stadtgebiet. Zwar muss dies als Standortvorteil für das Amphitheater nicht zwingend eine Rolle gespielt haben, da man Frischwasser ja über das innerstädtische Leitungssystem sicher an jeden Ort innerhalb der CCAA leiten konnte, doch soll es in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Zu Frisch- und Abwasserleitungen s. Fischer/Trier 2014, 153–165. Klinkenberg 1906, 205–218. 1513 Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1); Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.1): frühflavisch-trajanisch; Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1): nicht vor 50 n. Chr. Das einzige Vergleichsbeispiel aus der Germania Inferior stellt das zivile Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1) dar, dessen Erbauung nach jüngsten Erkenntnissen wohl in die Jahre deutlich nach 110 n. Chr. fällt. Nach mündlicher Auskunft von M. Müller, Leiter des LVR-Archäologischer Park Xanten. 1514 Fischer/Trier 2014, 98–101, 111–114, 167. Klinkenberg 1906, 144–150.
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2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien?
sich auch die Errichtung der knapp vier Kilometer langen Stadtmauer der CCAA in Verbindung bringen, deren Bau um 90/91 n. Chr. begonnen wurde und die – einem einheitlichen Baukonzept und Vorbildern in Oberitalien folgend – wahrscheinlich innerhalb weniger Jahre fertiggestellt wurde.1515 Indiz für einen Bauboom in der CCAA am Ende des 1. Jhs. n. Chr. dokumentiert darüber hinaus möglicherweise die Ersetzung der älteren Vorgebirgswasserleitung durch die mehr als 98 km lange Eifelwasserleitung, die in Höhe des heutigen Marsilsteins im Westen auf die Stadtmauer der CCAA traf (Abb. 8).1516 Zugleich deutet der Bau der Stadtmauer der CCAA auf eine ausgereifte urbanistische Situation des Siedlungsareals hin, so dass zumindest der Plan für ein Amphitheater am Ende des 1. Jhs. n. Chr. bereits bestanden haben dürfte. In dieselbe Zeit fällt zudem der Umbruch von der Holz- bzw. Fachwerkbauweise zur Steinbauweise, ebenfalls Indiz für umwälzende Veränderungen im Stadtbild der CCAA.1517 Aus diesen Überlegungen heraus und vor dem Hintergrund, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass die CCAA erst zu einem späteren Zeitpunkt über ein Amphitheater verfügt haben soll als die CUT, scheint meines Erachtens ein Zeitraum für die Errichtung des Kölner Amphitheaters grob um das Jahr 100 n. Chr. plausibel. Vielleicht bildete ja sogar die Anwesenheit Trajans zunächst als designierter, nach dem Tod seines Adoptivvaters als tatsächlicher Nachfolger des Kaisers Nerva in den Jahren 97/98 n. Chr. in der CCAA den willkommenen Anlass für den Bau oder die Fertigstellung des ersten zivilen Amphitheaters des römischen Köln.1518 Dabei legt die baugeschichtliche Entwicklung ziviler Amphitheater in Germanien nahe, für das zivile Amphitheater der CCAA zunächst einen Bau in Holz-Stein-Technik zu vermuten, der möglicherweise später – vielleicht noch im Verlaufe des 2. Jhs. n. Chr. – einen Ausbau in Stein erfuhr (vgl. Tab. 1).
1515 Fischer/Trier 2014, 121–123. Trier 2003, 5–6. Klinkenberg 1906, 164–202, Taf. 6. 1516 Fischer/Trier 2014, 155–157. Schultze/Steuernagel 1895, 105–106. 1517 Trier 2003, 12, 15. Auch im Flottenlager der Classis Germanica 3 km südlich der CCAA wird um 100 n. Chr. die Holz-Erde-Umwehrung durch eine steinerne ersetzt. Fischer/Trier 2014, 284–285. Fischer 2001a, 552. Stand tatsächlich die Erbauung des Neunten Stadttores mit dem Amphitheater in der CCAA in Zusammenhang, so muss man davon ausgehen, dass spätestens beim Bau der Stadtmauer ab 90/91 n. Chr. der Bauplatz für das Amphitheater fest in das antike Stadtbild eingeplant war. 1518 Eck 2004, 223–241. Klinkenberg 1906, 150. Ein hölzerner Vorgängerbau des zivilen Amphitheaters der CUT ist aufgrund der baugeschichtlichen Entwicklung ziviler Amphitheater in Germania Inferior und Superior nicht anzunehmen.
3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior 3.1 Munera gladiatoria und die Involvierung des römischen Militärs Über die Involvierung römischer Soldaten in das Umfeld der munera, die in Rom, Italien oder einer der römischen Provinzen veranstaltet wurden, finden sich in den epigraphischen und literarischen Quellen immer wieder punktuelle Hinweise. Einer der wohl bekanntesten ist eine Notiz in der Historia Augusta, der zufolge die Bedienung der Sonnensegel (vela) im Colosseum im ausgehenden 2. Jh. n. Chr. den milites class(i)arii, also den Seesoldaten, oblag.1519 Zwar dürfen die Kaiserviten der Historia Augusta nur mit äußerster Vorsicht als historische Quelle herangezogen werden,1520 doch legen sowohl die Existenz der castra Misenatium in unmittelbarer Nachbarschaft zum Amphitheatrum Flavium sowie die enge technische Verwandtschaft von vela und Schiffstakelage die Verlässlichkeit dieser Notiz nahe.1521 Auf einem Schiff kam das Hissen und Einholen der Segel nämlich den sog. velarii zu, einer kleinen Spezialeinheit, die doppelten Sold bezog.1522 Das zeigt, dass der Umgang mit den vela Fachleuten überlassen werden musste, die entweder über besondere Fertigkeiten bzw. Spezialkenntnisse verfügten oder aber besonderen Gefahren ausgesetzt waren.1523 Gestützt wird die
1519 SHA, Com. 15, 5–7. Busch 2011, 95–96. Hufschmid 2009, 52–53. Konen 2000, 419. Le Roux 1990, 203. Golvin 1988, 151. Goldman 1982, 60 f. Ville 1981, 427–428. Wahl 1977, 129. Starr 1960, 20–21. Durry 1938, 24. Grundlegend zu den vela Graefe 1979. Zur Übersetzung der milites classiarii als „Matrosen der Kriegsflotte“ oder „Seesoldaten“ s. Graefe op. cit. 16, Anm. 79. Angemerkt sei, dass es ein zweites Lager von Flottensoldaten in Rom gab, das der Marinesoldaten aus Ravenna. Dieses lag zwar nicht in unmittelbarer Nähe des Colosseums wie die castra Misenatium, doch spricht nichts dagegen, dass auch diese Soldaten mit der Bedienung der Theater- und Amphitheater-vela betraut waren. Auch dass die Seesoldaten der Flotte aus Ravenna möglicherweise mit den Veranstaltungen von Naumachien in Verbindung standen (s. u.), spricht nicht gegen ihren Einsatz bei Theater- und Amphitheater-Vorführungen. Vgl. Fischer 2012, 26. Busch op. cit., 95–96. 1520 Vgl. v. Albrecht 21997, 1102–1103. 1521 Zur Lage der castra Misenatium s. Busch 2011, 95–96. Vgl. Hufschmid 2009, 53. Graefe 1979, 121–123. 1522 Starr 1960, 56. 1523 Vgl. Durry 1938, 24.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
Notiz aus der Historia Augusta durch zwei Inschriften aus dem frühen 3. Jh. n. Chr., die als Bestandteile stadtrömischer Theaterensembles Soldaten der cohortes vigilum bzw. classis Misenensis nennen.1524 Der Einsatzbereich der Letztgenannten, deren castra man in der regio III zwischen den Überresten des ludus magnus und der Kirche S. Clemente vermutet,1525 wird unter anderem in der Bedienung der Theater-vela, die für eine Vielzahl von Gebäuden dieses Typs bezeugt sind, bestanden haben.1526 In Rom waren stationierte Seesoldaten demnach also nicht allein für das Hissen und Einholen der vela während der munera, sondern auch während der zahlreichen Theateraufführungen zuständig.1527 Die Ravennatii, also die Seesoldaten der Flotte aus Ravenna, deren Mannschaftsstärke in Rom wahrscheinlich geringer war als die des Misenischen Detachements, waren darüber hinaus vermutlich an der Veranstaltung von Naumachien beteiligt.1528 Die castra Ravennatium werden im Westen Roms, im Bereich des heutigen Trastevere vermutet, dort, wo laut Überlieferung ein unter Augustus angelegter künstlicher See der Austragung historischer Seeschlachten diente.1529 Die Besatzung der Schiffe bestand bei solchen Naumachien in der Regel aus Kriegsgefangenen (captivi) oder verurteilten Verbrechern (noxii).1530 Daher liegt die Vermutung nahe, dass zu deren Bewachung unter anderem auch die Flottensoldaten aus Ravenna eingesetzt wurden. Diese Vermutung wird durch eine bei Sueton und Tacitus überlieferte Episode untermauert: Als Kaiser Claudius auf dem Fukiner See eine Naumachie veranstalten ließ, bei der Kriegsgefangene die Schiffsmannschaften der rhodischen bzw. sizilischen Flotte darstellten, wurden Manipel und Turmae der Prätorianerkohorten auf leichten Schiffen oder Flößen rund um den See postiert, um ein Entkommen der Akteure zu 1524 CIL 6, 1063 (Dat.: 11.4.212 n. Chr.). CIL 6, 1064. Wahl 1977, 129, vermutet, dass es sich um Vexillationen handelte, die im Rahmen von Kaiserfesten mit der Inszenierung von Stücken beauftragt waren. 1525 Busch 2011, 95–96. Coarelli 2007, 171. Wahl 1977, 129. Kienast 1966, 74–75. 1526 Graefe 1979, 20–56. Fischer 2012, 26. 1527 Zur dauerhaften und sporadischen Nutzung der vela in Amphitheatern und Theatern s. Graefe 1979, 15–17. Zu den Aufgaben von Seesoldaten im Zusammenhang mit der Verschiffung wilder Tiere, die für venationes bestimmt waren, s. unten Kap. 2.2.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. Dass die Matrosen der Kriegsflotte zwischen den einzelnen Vorführungen im Theater oder Amphitheater auch für die Wartung, Reparatur und ggf. Lagerung der Sonnensegel zuständig waren, ist wahrscheinlich, aber literarisch nicht belegbar. 1528 Fischer 2012, 295. Busch 2011, 96. Starr 1960, 23. Durry 1938, 24 f. 1529 Suet. Aug. 43,1. Tac. ann. XII 56,1. Busch 2010, 96. Zu den Begräbnisplätzen und Grabdenkmälern der Flottensoldaten aus Ravenna und Misenum s. Busch op. cit., 141–142. Starr 1960, 23. Vgl. Suet. Caes. 39,4; Claud. 21,6; Tit. 7,3. Zu den verschiedenen stadtrömischen Wettkampfstätten von Naumachien, die nicht zu den munera zählten und nur sehr selten veranstaltet wurden, s. K. Coleman, Launching into History: Aquatic Displays in the Early Roman Empire, in: JRS 83, 1993, 48–74. Zu Naumachien als Form von Massenhinrichtungen s. Wiedemann 2001, 98–99. 1530 Mann 2011, 37. Suet. Claud. 21,6. Cassius Dio XLIII 23,4, berichtet, dass auch Söhne von Rittern und der Sohn eines Prätors unter den Kämpfenden waren, als Caesar im Jahre 46 v. Chr. eine Naumachie veranstaltete. Vgl. auch Ville 1981, 228–240.
3.1 Munera gladiatoria und die Involvierung des römischen Militärs
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verhindern.1531 Für die Überwachung eines offenbar großen Seeareals hatte man nicht nur Katapulte (Pfeilgeschütze) und Ballisten (Steinschleudern) auf den leichten Schiffen am Rand des Sees postiert und schussbereit gespannt, sondern auch classiarii auf ‚gedeckten‘ Schiffen auf dem See in Stellung gebracht.1532 Dass es sich bei den letztgenannten classiarii um Angehörige der Flotte aus Ravenna gehandelt haben könnte, legen zwei Grabsteine von Soldaten der classis Ravennatis nahe, die man nahe dem Fukiner See gefunden hat und die möglicherweise einen hier zu lokalisierenden Einsatzbereich der Seesoldaten zu erkennen geben.1533 Die Aufgaben, die die hier genannten stadtrömischen Truppenteile bei der Naumachie des Claudius zu übernehmen hatten, waren dabei ganz unterschiedlicher Natur. Neben ihrer Funktion als Leibgarde des Kaisers1534 werden die berittenen Einheiten der Prätorianerkohorten (turmae) sicherlich am Ufer des Sees Wachfunktionen ausgeübt haben. Die Infanteristen der Prätorianer (manipuli) hielten dagegen auf den leichten Schiffen am Rand des Sees Wache oder bedienten die Katapulte und Ballisten. Die Flottensoldaten auf dem See hingegen werden nicht nur ein allzu halbherziges Kämpfen oder gar Fliehen der Gefangenen unterbunden haben, sondern auch, wie Seneca berichtet, verhindert haben, dass sich Gefangene durch Selbstmord dem Spektakel entzogen.1535 Claudius lässt zudem eine berittene Abteilung (turma) der Prätorianer unter Führung ihrer Tribunen und ihres Präfekten im Circus Africanas [feras] zu Tode hetzen,
1531 Suet. Claud. 21,6. Die Stelle bei Sueton ist zugleich der einzige Textbeleg für den berühmt gewordenen Ausspruch der zum Tode Verurteilten: „have imperator, morituri te salutant!“ Tac. ann. XII 56: Claudius triremis quadriremisque et undeviginti hominum milia armavit, cincto ratibus ambitu, ne vaga effugia forent, ac tamen spatium amplexus ad vim remigii, gubernantium artes, impetus navium et proelia solita. in ratibus praetoriarum cohortium manipuli turmaeque adstiterant, antepositis propugnaculis et quis catapultae ballisateque tenderentur. Konen 2000, 419. Zu den Prätorianern s. Le Bohec 1993, 20–21. Tacitus, ann. XII, 57, berichtet darüber hinaus, dass Claudius nach Ablassen des Sees ein Gladiatorenschauspiel in der Mulde des Sees veranstalten ließ. Wiedemann 2001, 98–99. Coleman 1993, 56. Friedländer 1964, 93–94. 1532 Ratis wird hier im Gegensatz zu navis tecta gebraucht und bezeichnet demnach wahrscheinlich ein offenes Schiff, wie es zur Flussüberquerung oder Anlandung von Soldaten von der römischen Kriegsmarine benutzt wurde. Bockius 2012, 379. Zur Artillerie der römischen Armee s. Fischer 2012, 229–230. 1533 CIL 9, 3891–3892. 1534 Vgl. Durry 1938, 276–278. 1535 Sen. ad Luc. LXX 25–27. Fischer 2012, 295. Vgl. die Reaktion Claudius’ bei Suet. Claud. 21,6, auf die von den Gefangenen gewählte Begrüßung des Kaisers. Wiedemann 2001, 101. Zu Selbstmorden unter Gladiatoren s. Ville 1981, 13 mit Anm. 43. Starr 1960, 24, hält es für möglich, dass die Flottensoldaten mit den Drainagearbeiten des Sees, die Claudius in Auftrag gegeben hatte, in Zusammenhang gestanden haben könnten. Kienast 1966, 74 f., vermutet, dass Domitian in der misenischen und ravennatischen Flotte eine zusätzliche Gardeformation in Rom etablieren wollte und damit ein Gegengewicht zu den Prätorianern suchte, weshalb er den Flottendetachments in Rom den Beinamen Praetoria verlieh. Dann wären den Flottensoldaten ab dem späten 1. Jh. n. Chr. zusätzlich Schutzfunktionen gegenüber dem Kaiser und seiner Familie zugefallen.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
der bislang einzige Beleg dafür, dass Soldaten als Akteure die Arena betraten.1536 Claudius ist es auch, der anlässlich seines Geburtstages ein munus sine venatione apparatuque im Lager der Prätorianer veranstalten ließ.1537 Ebenfalls aus unsicherer Quelle und andernorts nicht weiter bezeugt ist die Beteiligung von Soldaten während der Regierungszeit des Kaisers Probus (276–282 n. Chr.) an der Vorbereitung einer venatio im Circus Maximus, bei der sie mit der Installation des Bühnendekors in Verbindung standen: arbores validae, per milites radicitus vulsae, connexis late longeque trabibus affixae sunt, terra deinde superiecta, totusque circus ad silvae consitus speciem, gratia novi viroris effronduit.1538
Auch wenn aus dem lateinischen Text nicht hervorgeht, dass Soldaten neben dem Ausreißen der Bäume auch deren Befestigung an den erwähnten Querbalken (trabibus) bewerkstelligten, so wird zumindest ihr logistischer Anteil an der Bereitstellung des Materials für den Bühnendekor aus der Stelle ersichtlich.1539 Darüber hinaus übernahmen milites stationarii in Rom Aufgaben, die in den Bereich der Zuschauersicherheit fielen.1540 Wahrscheinlich neben der Überwachung des friedlichen Zu- und Ablaufs der Zuschauermengen in das Amphitheater hinein bzw. hinaus,1541 sorgten Soldaten der cohortes urbanae (Stadtsoldaten), der cohortes vigilum
1536 Suet. Claud. 21,3: ac super quadrigarum certamina Troiae lusum exhibuit et Africanas, conficiente turma equitum praetorianorum, ducibus tribunis ipsoque praefecto. Ville 1981, 170. 1537 Suet. Claud. 21,4. 1538 SHA, Prob. 19. Aymard 1951, 190. Vgl. Hufschmid 2009, 223, Anm. 1189. Zu venationes im Circus/ Hippodrom s. Mann 75 mit Anm. 150. 1539 Die Übersetzung der Stelle bei Hufschmid 2009, 223, Anm. 1189, „Grosse Bäume sind mit ihren Wurzeln von Soldaten an Balken befestigt worden …“ ist unscharf, da lediglich das Herausreißen, nicht jedoch das Befestigen der Bäume durch Soldaten erwähnt wird. Zu den Untergeschossen von Amphitheatern, in denen sich die Hebevorrichtungen für den Bühnendekor (pegmata) befanden, s. Hufschmid 2009, 219–225. Die Verwendung des Begriffs trabibus ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, da er nicht nur im poetischen Gebrauch synekdochisch für ‚Schiff ‘ stehen kann, sondern bei Lukrez bereits um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. im Zusammenhang mit den vom Wind zwischen den Masten hin- und herwogenden Theater-vela genannt wird: (…) malos inter iactata trabesque (…). Lukrez 6, 108–115. Vgl. Graefe 1979, 14–15. Zu malus als Mast oder Mastbaum s. Hufschmid 2009, 37–38. Ob man daher vermuten darf, dass es sich bei den genannten milites ebenfalls um Seesoldaten handelte, führt jedoch wahrscheinlich zu weit. 1540 Die stationes der milites stationarii waren über das gesamte Stadtgebiet Roms verteilt und waren mit Kohorten der Stadtsoldaten (cohortes urbanae) oder denen der vigiles belegt. Vgl. Busch 2011, 22–24, 97 f. Zur Zuschauersicherheit grundlegend (trotz einiger falscher Belegstellen): Scobie 1988. So noch in der im 6. Jh. n. Chr. von Iustinian geschaffenen Rechtssammlung: Dig. (Ulpian) 1,12,12: Quies quoque popularium et disciplina spectaculorum ad praefecti urbi curam pertinere videtur: et sane debet etiam dispositos milites stationarios habere ad tuendam popularium quietem et ad referendum sibi quid ubi agatur. 1541 Diesem Zweck dienten auch die fünf in Rom östlich des Colosseums entdeckten sog. cippi, kleine Travertinpfeiler, die die Verankerung von Abtrennungen ermöglichten und so den Zuschauerstrom regulieren halfen. Graefe 1979, 61. LTUR I, 32. Möglicherweise dienten diese cippi aber auch zur Abspannung der vela-Masten. Goldman 1982, 63.
3.1 Munera gladiatoria und die Involvierung des römischen Militärs
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(Feuerwehr/Nachtwächter) sowie der Prätorianer innerhalb der cavea für Ruhe und Ordnung.1542 Tacitus berichtet, dass Nero diese militärischen Abordnungen im Theater abziehen ließ, um die modestia der Zuschauer während der öffentlichen Spiele auf die Probe zu stellen.1543 Eine weitaus größere Gefahr ging jedoch weniger von den Zuschauern im Theater oder Amphitheater aus, als von den während einer venatio eingesetzten wilden Tieren.1544 Zwar haben sich sowohl in Amphitheatern als auch in eigens für munera umgebauten Theatern und Stadien Vorrichtungen für die Installation von Pfosten-Netz-Konstruktionen erhalten, die die Zuschauersicherheit garantieren sollten.1545 Doch dass derlei Schutzmaßnahmen im Extremfall nicht ausreichen konnten, zeigt eine Episode, die bei Plinius dem Älteren überliefert ist: Elefanten, die Pompeius bei seinen Spielen im Jahre 55 v. Chr. im Circus Maximus zur Schau stellte, trampelten die eisernen Schutzgitter nieder und verursachten eine nicht unerhebliche Panik unter den Zuschauern.1546 Man hat vermutet, dass zur Vermeidung von derlei Zwischenfällen im Colosseum in Rom Bogenschützen rund um die Arena postiert waren, möglicherweise in dem mit Marmorplatten gepflasterten Bereich zwischen Podiumsmauer und metallenem Schutznetz rund um die Arena.1547 Diese Bogenschützen hätten ein schnelles Eingreifen ermöglicht, wenn einmal wilde Tiere mit enormem Sprungvermögen den vertikalen Sicherheitszaun aus Metall zu überwinden drohten, denn von dort konnten sie das gesamte Arenaareal ins Visier nehmen. Die Vorstellung, dass diese Bogenschützen möglicherweise Detachements einer cohors sagittaria der kaiserlichen Armee waren, ist verlockend, lässt sich aber bislang nicht belegen. In Rom wurden darüber hinaus die innerstädtischen Gehege der Tiere (vivarium), die für eine venatio bestimmt waren, von custodes vivarii bewacht, die unter Gordian III eine Unterabteilung der cohortes praetorianae und cohortes urbanae gebildet ha-
1542 Durry 1938, 278 f. Scobie 1988, 220. Bollinger 1969, 13 und Anm. 103, mit Quellenangaben zur Einführung und Aufhebung dieses „militärischen Aufsichts- und Sicherheitsdienst[es]“. Zum Lager der Prätorianer und der Stadtkohorten s. Busch 2011, 31 ff. 1543 Tac., ann. 13,24: fine anno statio cohortis adsidere solita demovetur quo maior species libertatis esset, utque miles theatrali licentiate non permixtus incorruptior ageret et plebes daret experimentum an amotis custodibus modestiam retineret. Vgl. Dio Cass., 61,8,3. 1544 Zuletzt Epplett 2014. Ebner 2013, 164–169. 1545 Hufschmid 2009, 236–239 mit weiterführender Literatur. Bomgardner 2000, 21. Cozzo 1971, 56–58, Abb. 38. Zu Theatern und Stadien, die für munera umgebaut wurden, vgl. auch Welch 1998, 547– 569. Welch 2007, 165–178. Dimde 2016, 67–87. 1546 Plin., nat. hist. 8,7,20–21. Ebner 2013, 167. Scobie 1988, 211. 1547 Scobie 1988, 211, 219–220. Cozzo 1971, 56, Abb. 37. Coarelli 2007, 167. S. auch Bomgardner 2000, 21, der in diesem Bereich die Arenahelfer lokalisiert, die die Tiere zurück ins Zentrum der Arena scheuchen sollten. Zu den in der Arena bzw. der cavea installierten Pfosten-Netz-Konstruktionen s. zuletzt Hufschmid 2009, 238–239. Golvin 1988, 176–177, merkt an, dass die in der Podiumsmauer des Colosseums eingelassenen und 1,00 m breiten sowie ca. 1,90 m hohen Nischen nicht der Aufstellung jener Bogenschützen gedient haben können – wie z. B. Bomgardner 2000, 21, behauptet –, da sie nicht zur Arena hin offen waren, sondern sich zu dem hinter der Podiumsmauer verlaufenden Bedienungsgang öffneten.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
ben.1548 Da diese zugleich mit sog. venatores immunes in Verbindung standen, könnte man vermuten, dass ihnen nicht allein die Bewachung der Tiergehege oblag, sondern dass sie auch den Nachschub für die Vivarien mit Hilfe jener venatores immunes zu organisieren hatten. Aber auch abseits der eigentlichen munera waren Soldaten im Umfeld der Gladiatoren anzutreffen. So erfahren wir von Tacitus, dass unter Kaiser Nero ein wachhabender Soldat, der aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Abordnung der Prätorianergarde zählte, einen Ausbruch der Gladiatoren aus ihrem ludus in Praeneste verhinderte.1549 Unter Probus (276–282 n. Chr.) unternahmen etwa 80 Gladiatoren, die wahrscheinlich in einer der vier stadtrömischen Gladiatorenschulen kaserniert waren und ihre Wachen überwältigt hatten, einen tatsächlichen Ausbruch.1550 Der Kaiser musste zu militärischer Gewalt greifen, um die Revolte zu beenden, und ließ die Aufständischen töten. Der ‚kleine‘ ludus von Pompeji dagegen, der in der Zeit zwischen Augustus und Claudius von einem Wohnhaus in eine Gladiatorenkaserne umgebaut worden war, wurde offenbar nicht von Soldaten bewacht.1551 Wandgraffitti, die man in diesem ludus gefunden hat, geben zu erkennen, dass hier 15 bis 20 Gladiatoren mit freiem oder freigelassenem personenrechtlichem Status untergebracht waren.1552 Möglicherweise lässt dies den Schluss zu, dass zum einen nur ludi, in denen auch Kriegsgefangene oder verurteilte Verbrecher kaserniert waren, von Soldaten bewacht wurden, und zum anderen, dass die pompejanischen freien und freigelassenen Gladiatoren sog. auctorati, also Freiwillige waren, die nicht bewacht wurden und bei ihrer Unterbringung bestimmte Privilegien genossen.1553 Unter den Kriegsgefangenen und verurteilten Verbrechern, die zum Kampf in der Arena im ludus ausgebildet werden sollten, galt zudem der Suizid als eine besondere Gefahr.1554 Dieser vorzubeugen war – zumindest wohl in den kaiserlichen ludi – ebenfalls Aufgabe von Soldaten. Seneca berichtet in diesem Zusammenhang von einem germanischen Kriegsgefangenen, der sich in der Latrine eines Bestiarier-ludus mit dem 1548 CIL 6, 130 (= ILS 2091). Epplett 2001, 212. Hufschmid 2009, 54–55. Epplett 2003, 83. Le Roux 1990, 210. LTUR V, 1999, 209. La Regina 1997, 7. Sabbatini Tumolesi 1988, 26, Nr. 11. Vgl. Ville 1981, 350– 351. Zu einem vivarium in der CCAA/Köln (Germania Inferior) s. unten Kap. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. 1549 Tac., ann. 15,46: per idem tempus gladiatores apud oppidum Praeneste temptata eruptione praesidio militis, qui custos adesset, coerciti sunt (…). Durry 1938, 59–60. Vgl. Schneider 1918, 763. Scobie 1988, 201–202. Von einem Gladiatoren-Aufstand unter Probus, der wahrscheinlich in Rom stattfand, weiß Zosimos, I 71,3 zu berichten. 1550 Zosim. I 71.3. Vgl. Friedländer 1964, 71. Zum Ausbruch der Gladiatoren aus dem kaiserlichen Ludus in Capua unter der Führung des Spartacus s. Appian, b. civ. I 116. Velleius Pat. II 30,5. Flor. II 8. Bussi/Foraboschi 2001, 29–41. 1551 Fagan 2015, 123–126. Scobie 1988, 201. Jacobelli 2003, 65. In Pompeji gab es zwei ludi: einen großen, direkt neben dem Theater und einen kleineren, von dem hier die Rede ist. Jacobelli op. cit., 65–67. 1552 Jacobelli 2003, 35–36. Fagan 2015, 126. 1553 Zu Privilegien von Gladiatoren im ludus gladiatorius s. Fagan 2015, 131–132. 1554 Zu Kriegsgefangenen und Verurteilten im Umfeld der Gladiatur s. Ville 1981, 228–240.
3.1 Munera gladiatoria und die Involvierung des römischen Militärs
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Stock des Toilettenschwamms das Leben nahm, offenbar dem einzigen Ort, an dem Gladiatoren den wachsamen Augen der Soldaten entzogen waren.1555 Auch die Eskorte der noxii und captivi zu ihrem jeweiligen Auftritt im Amphitheater wurde in der Regel von Soldaten durchgeführt,1556 und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie auch für die Bewachung derselben bis zu ihrem tatsächlichen Tod in der Arena verantwortlich waren.1557 Aus der Passionsgeschichte der heiligen Perpetua und Felicitas, die im Stil des im 3. Jh. n. Chr. agierenden Zirkels um den afrikanischen christlichen Apologetiker Tertullian geschrieben und vielleicht sogar von ihm selbst verfasst worden ist, erfahren wir, dass sie zusammen mit anderen Christen aus Thuburbo Minus zu Beginn des dritten Jhs. n. Chr. ad bestias verurteilt worden waren. Anlässlich des Geburtstages von Kaiser Geta im Jahre 203 n. Chr. sollten sie in Karthago in einem amphitheatrum castrense hingerichtet werden.1558 Überwacht wurde die Vollstreckung des Urteils von einem Tribun, der offenbar mit Befehlsbefugnis über das Arenapersonal ausgestattet war.1559 Darüber hinaus wird ein miles optio1560 namens Pudens, der die Aufsicht über das Gefängnis der zuvor inhaftierten Christen geführt hatte und während der Hinrichtung an einer „alia porta“ des Amphitheaters Aufstellung genommen hatte, von einem Christen namens Saturus darauf hingewiesen, dass seine bisherige Unversehrtheit dem Soldaten doch wohl vor Augen führe, welcher der rechte Glaube sei.1561 Mit alia porta wird hier auf die vorher erzählte Begebenheit Bezug genommen, bei der die heilige Perpetua wegen ihres bewiesenen Mutes durch die porta sanavivaria, das Arenator für die Überlebenden, entlassen worden war. Mit alia porta kann demnach nur die porta Libitinensis und damit der Aufstellungsort des Soldaten Pudens gemeint sein. Sie lag der porta sanavivaria auf der Längsachse der Arena gegenüber und war in
1555 Sen., epist., 70,20: nuper in ludo bestiariorum unus e Germanis, cum a matutina spectacula pararetur, secessit ad exonerandum corpus: nullum aliud illi dabatur sine custode secretum. ibi lignum id, quod ad emundanda obscena adhaerente spongia positum est, totum in gulam farsit et interclusis faucibus spiritum elisit. Scobie 1988, 201, mit der Angabe der falschen Seneca-Stelle. Vgl. Sen., ep. 70,25–26. Zu weiteren Selbstmorden im Gladiatorenmilieu s. Ville 1981, 13, Anm. 43. 1556 Le Roux 1990, 210. Scobie 1988, 192. Vgl. Zosimos I 71,3. Ebner 2013, 177–180. 1557 Ville 1981, 377–378. Vgl. Apul., met. 10,34. 1558 Bomgardner 2000, 142. Vgl. Le Roux 1990, 107, zu munus castrense, das er für ein ‚kaiserliches‘ munus hält, bei dem die Anwesenheit von Soldaten nicht zwingend erwartet werden kann. 1559 Pas. SS. Perp. et Fel., 8, 7; 18,4–6: et cum ducti essent in portam et cogerentur habitum induere, uiri quidem sacerdotum Saturni, feminae uero sacratarum Cereri, generosa illa in finem usque constantia repugnauit; dicebat enim: Ideo ad hoc sponte peruenimus ne libertas nostra obduceretur; ideo animan nostrum addiximus, ne tale aliquid faceremus; hoc uobiscum pacti sumus; agnouit iniustitia iustitiam: concessit tribunus. Epplett 2003, 86. Epplett 2001, 220. Vgl. auch Robert 1982, 234–235. Zum Amphitheater von Karthago s. Bomgardner 2000, 128–146, Abb. 4.1–4.8. Golvin 1988, 122–123, Taf. XV 3 (1. Bauphase, iulisch-claudisch); 199–200, Taf. XXI 5 (2. Bauphase 2./3. Jh. n. Chr.). 1560 Reuter 2012, 39. Probst 2009, 1114. Le Roux 1990, 210. 1561 Pas. SS Perp. et Fel. 9,1; 21,1: item Saturus in alia porta Pudentem militem exhortabatur dicens. Ville 1981, 378.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
der Regel dem Abtransport der Toten aus der Arena vorbehalten.1562 Man darf also mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass während der Hinrichtung von Christen im Amphitheater die Hauptzugänge zur Arena von Soldaten bewacht wurden. Fassen wir die hier zusammengetragenen Quellen zusammen, so lassen sich verschiedene Aufgabenbereiche von Soldaten im Zusammenhang mit der Veranstaltung von munera gladiatoria ausmachen. Zu diesen zählte – wohl spätestens seit dem Aufstand des Spartacus im Jahre 73 v. Chr. – die Bewachung der Gladiatorenkasernen, in denen sich neben Freiwilligen vor allem eine brisante Mischung aus Sklaven, verurteilten Verbrechern und Kriegsgefangenen aufhielt. Dabei musste zum einen sichergestellt werden, dass sich die kampf- und waffenerprobten Gladiatoren nicht zusammentaten, eine Revolte anzettelten und einen Ausbruch unternahmen, was eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeutet hätte. Zum anderen musste aber auch der Selbstmord von Insassen der Gladiatorenkasernen verhindert werden, was – geschähe es in großem Stile – wohl einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden angerichtet hätte. Bedenkt man zudem, dass sich ein Kriegsgefangener oder Verurteilter durch Suizid auch der öffentlichen Vollstreckung seines Urteils entzog und damit jegliche Signalwirkung desselben unterband, dürfte auch der dadurch entstehende Prestigeverlust für Kaiser und Volk eine Rolle gespielt haben.1563 In den Bereich der Sicherheitsüberwachung fällt auch die Eskorte der captivi und noxii zum Amphitheater bzw. deren Beaufsichtigung bis zu ihrem eigentlichen Auftritt. Da Soldaten dem Kaiser unterstanden und nicht von Privatpersonen in Anspruch genommen werden konnten, ist davon auszugehen, dass diese Aufgaben allein in den kaiserlichen ludi zum Tragen kamen. Ein privater lanista wird sein eigenes Sicherheitspersonal angestellt haben. Im weitesten Sinne logistische Aufgaben fielen den Soldaten zu, wenn es darum ging, Baumaterial für den Bühnendekor der munera gladiatoria zu liefern. Auch das Hissen und Einholen der vela sowie deren Reparatur, Wartung und Lagerung kann zu diesem Bereich gezählt werden. Darüber hinaus scheinen Soldaten im Rahmen der Zuschauersicherheit eingesetzt worden zu sein, zum einen, um vor und nach den munera einen geregelten Zu- und Ablauf der Zuschauermengen zu gewährleisten, zum anderen, um innerhalb der cavea Unruhen unter den Zuschauern oder Übergriffe wilder Tiere zu verhindern. Aber auch innerhalb der Arena bzw. in nächster Nähe zum Kampfgeschehen scheinen Soldaten präsent gewesen zu sein. Trat beispielsweise bei einer Naumachie eine Vielzahl an Kriegsgefangenen oder Verurteilten auf, bedurfte es ebenso militärischer Präsenz, wie bei der Vollstreckung von Todesurteilen im Amphitheater. Die Soldaten oder Truppenteile, die uns in den Quellen dabei entgegen treten, stammen aus nahezu allen Bereichen der kaiserzeitlichen römischen Armee: Flottensoldaten, stadtrömische militärische (cohortes urbanae, cohortes praetorianae)
1562 Hufschmid 2009, 217–219. Zum Symbolgehalt der beiden Haupttore s. Hufschmid op. cit., 236–239. 1563 Wiedemann 2001, 81 f.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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und paramilitärische (cohortes vigilum) Einheiten, Spezialeinheiten von Auxiliarverbänden (cohortes sagittariae ?) sowie nicht näher spezifizierte milites. Ein Großteil der Quellen bezieht sich allerdings auf stadtrömische Verhältnisse. Ob, und wenn ja, in welchem Maße diese Beobachtungen auf provinziale Gegebenheiten übertragbar sind, kann auf Grundlage der derzeitigen Quellenlage nicht entschieden werden. 3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele in Germania Superior und Inferior Für Germania Superior und Inferior sind insgesamt fünf epigraphische Zeugnisse (Kat.1.1.2, 1.14.1, 2.2.3–2.2.4, 2.8.3) überliefert, die Rückschlüsse auf logistische Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Beschaffung wilder Tiere – wahrscheinlich für venationes – erlauben. Drei dieser Zeugnisse (Kat. 2.2.3–2.2.4, 2.8.3) lassen dabei einen direkten Zusammenhang mit in Germanien stationierten Truppenverbänden erkennen. Betrachtet man die Fundorte dieser Inschriften, fällt sogleich eine geographische Dichotomie ins Auge: Die Inschriften, in denen durch die Nennung einer römischen Legion der Konnex zum Militär fassbar wird (Kat. 2.2.3–2.2.4, 2.8.3), stammen ausnahmslos aus Germania Inferior, während jene aus Germania Superior keine diesbezüglichen Verbindungen aufweisen (Kat. 1.1.2, 1.14.1). Auffällig ist zudem, dass vier der fünf Inschriften auf eine einzige Tiergattung, nämlich Bären, Bezug nehmen, indem sie einen ursarius oder ursarii (Kat. 1.1.2, 1.14.1, 2.8.3) bzw. ursis captis (Kat. 2.2.3) nennen. In einer Inschrift (Kat. 2.2.4) findet dagegen ein vivarium Erwähnung. Mit vivarium wird in der Regel ein Tiergarten oder Gehege bezeichnet, das der Haltung wilder Tiere diente und oftmals mit der Veranstaltung von venationes in Zusammenhang stand.1564 Chronologisch können die Inschriften aus der Germania Inferior über die Appellationen der genannten Legionen eingeordnet werden und datieren in das Ende des 1./Anfang des 2. Jhs. n. Chr. (Kat. 2.2.–2.2.4) bzw. in das 3. Jh. n. Chr. (Kat. 2.8.3). Die Inschriften aus der Germania Superior hingegen lassen sich über die Onomastik und die Paläographie in das 2.–3. Jh. n. Chr. (Kat. 1.1.2) bzw. in das 3. Jh. n. Chr. (Kat. 1.14.1) datieren. Die am aufwändigsten gestaltete Inschrift ist die des Cessorinius Ammausius (Kat. 2.8.3), ursarius der legio XXX Ulpia Victrix Severiana Alexandriana. Dabei handelt es sich um eine würfelförmige Kalksteinbasis, die eine Skulpturengruppe trägt.1565 Die Skulpturengruppe zeigt eine männliche Gestalt, die vor einem dicken Baumstamm
1564 Hufschmid 2009, 54–55. Epplett 2001, 219. Rea 2001, 269 ff. Friedländer 1964, 83–85. Zu den kaiserlichen Tiergärten s. Epplett 2003, 86–88, zu kaiserzeitlichen Vivarien von Privatpersonen s. op. cit. 88–89. 1565 Schmitz 2008, 156, Abb. 107. Die Basis misst 57 cm in der Höhe, 20 cm in der Breite und 21 cm in der Dicke. EAOR V, 85. Lehner 1918, 101. Der Kalkstein stammt aus Lothringen. Reuter 2012, 99.
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steht und mit einer doppelt gegürteten tunica, einem kurzen Mantel (paenula) und bis über die Waden reichenden Lederstiefeln mit Fellbesatz (?) am oberen Schaft bekleidet ist. Der Kopf der Statue fehlt, ebenso wie ihre linke Schulter, ihr linker Arm sowie ihr rechter Unterarm. Zu Füßen des rechten Beines der männlichen Statue ist der Kopf eines Bären zu erkennen, dessen Körper teilweise hinter der männlichen Figur verschwindet. Der Bär hat seinen Kopf zu drei kugelförmigen Gegenständen geneigt, die aufgetürmt auf dem Boden unmittelbar vor seiner Schnauze liegen.1566 Aufgrund der fehlenden Körperteile der männlichen Statue müssen auch mögliche Attribute, die eine eindeutige Identifizierung des Dargestellten erlauben würden, als verloren betrachtet werden. A. von Domaszewski, H. Lehner, H. Horn und M. Reuter deuteten die männliche Figur als Darstellung des Gottes Silvanus, während W. Böcking sie als die des Dedikanten Cessorinius Ammausius anspricht.1567 Die Mehrheit der erhaltenen ikonographischen Monumente zu Silvanus, die zeitlich in das Ende des 1. bis zur Mitte des 3. Jhs. n. Chr. fallen, zeigen den Gott – sofern er als menschliche Gestalt wiedergegeben ist – mit einer Pinienkrone, einem Ziegenfell oder Mantel als Umhang, einer Baumsichel in der Rechten und einem Pinienzweig oder einer Tierpfote in der Linken.1568 Allen Darstellungstypen und -varianten ist dabei gemeinsam, dass als Begleittier des Gottes allenfalls ein Hund erscheint, nicht aber ein Bär.1569 Da bei dem Weihestein des Cessorinius Ammausius besonders die Form der Ohren sowie die Schnauze des dargestellten Tieres eine engere Verwandtschaft mit einem Bären als mit einem Hund aufweisen, ist meines Erachtens der Deutung, dass es sich bei dem Dargestellten um den Dedikanten handelt, der Vorzug zu geben. Gefunden wurde die Basis südöstlich von Xanten in der Nähe des Amphitheaters von Vetera Castra/Birten „am alten Rhein“,1570 wo sich bereits in augusteischer Zeit Spuren mehrerer temporärer Marschlager für römische Militäroperationen ins rechtsrheinische Germanien fassen lassen.1571 Aufbewahrt wurde die Basis mitsamt ihrem Skulpturenschmuck in einem Privathaus, ihr ursprünglicher Aufstellungsort lässt sich nicht mehr sicher rekonstruieren.1572 Der Text der Inschrift ist vollständig erhalten und lautet:1573
1566 Böcking 1974, 199: „Der (leider kopflose) Bärenfänger trägt ein gegürtetes Gewand und führt einen (wohl am Nasenring) angeketteten braunen Bären rechts neben sich.“ Spuren einer Kette lassen sich am Original allerdings nicht mehr erkennen, ebenso wenig wie ein Nasenring. 1567 CIL 13, 8639. Lehner 1918, 101. Horn 18. Reuter 2012, 99, Kat. 51. Böcking 1974, 199. 1568 LIMC VII,1, 763–765. 1569 LIMC VII,1, 763–771. Zur Bedeutung des Hundes s. op. cit., 772. 1570 CIL 13, 8639. Zu anderen Inschriftenfunden rund um Vetera Castra vgl. Schmitz 2008, Abb. 100. 1571 Fischer 2012, 273–274. Schalles 2008, 257–259. Leih 2008, 111–115. Precht 2008, 194, Abb. 128. Böcking 1974, 140 ff. Vgl. Bechert 2007, 39. Ausführlich zum Amphitheater von Vetera s. oben Kap. 2.2 Raum für Spektakel: Wo kämpften die Gladiatoren in Germanien? 1572 EAOR V, 85. CIL 13, 8639. 1573 EAOR V, 85, Nr. 50 (= HD032490), Taf. XXII, Abb. 1. Schmitz 2008, Abb. 107.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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Deo Silvano Cessorinius Ammausius ursarius leg(ionis) XXX U(lpiae) V(ictricis) S(everianae) A(lexandrianae), v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
Die Weihinschrift an den Gott Silvanus und die dazugehörige Skulpturengruppe ist also laut Inschrift das Ergebnis eines Gelöbnisses, das Cessorinius Ammausius gegenüber Silvanus, dem Gott der Wälder und Grenzen ländlicher Grundstücke, ausgesprochen hat.1574 Das Gentiliz Cessorinius ist bislang singulär, zeugt aber aufgrund der Namensbildung mit angehängtem -inius von gallisch-germanischer Namensgebungspraxis, die speziell in Niedergermanien und hier im Ubiergebiet anzutreffen ist.1575 Es kann als einheimisches Pseudogentiliz angesprochen werden, das vom keltischen Cognomen Cessorinus abgeleitet wurde.1576 Das Cognomen Ammausius, das äußerst selten und vorwiegend in den Nordwestprovinzen des Imperium Romanum belegt ist, deutet ebenfalls auf keltischen Ursprung hin und stützt die Vermutung, dass Cessorinius Ammausius aus dem Siedlungsgebiet der Ubier – vielleicht der Westeifel – stammte.1577 Dies würde jedenfalls gut zur zunehmend lokalen Rekrutierungspraxis der legio XXX passen, die ihre Rekruten größtenteils aus dem nördlichen, im Vergleich zum Süden wahrscheinlich weniger romanisierten Teil Niedergermaniens bezog.1578 Cessorinius dürfte demnach mit einiger Gewissheit als Einheimischer zu betrachten sein, der möglicherweise seiner wald-, berg- und bärenreichen Heimatregion seine Anstellung als ursarius in der 30. Legion verdankte. Cessorinius Ammausius bezeichnet sich als ursarius der legio XXX Ulpia Victrix Severiana Alexandriana, die – wie ihr Name verrät – unter Trajan in Italien ausgehoben worden war.1579 Zu Beginn der Regierungszeit Hadrians wurde die legio XXX Ulpia Victrix von Brigetio/Szőny in Oberpannonien nach Vetera Castra II an den Rhein verlegt, wo sie als direkte Nachfolgerin der legio VI ab 122 n. Chr. mehrere Jahrhun-
1574 LIMC VII,1, 763, s. v. Silvanus. Bridger 2008, 608. Schmitz 2008, 156. 1575 Weiß-König 2008, 526–527. Kakoschke 2006, 136. Haensch 2001, 93. Ders. 2001a, 94. So auch Horn 18, der ohne Angabe von Gründen als Herkunftsort Niedergermanien nennt. 1576 Kakoschke 135–136, GN 316. Haensch 2001, 93. Zur Annahme, dass im 2. und 3. Jh. n. Chr. die Söhne von Soldaten ebenfalls Soldaten wurden, s. Haensch op. cit., 2001, 95 mit weiterführender Literatur in Anm. 56. 1577 Kakoschke 2006, 93–94, CN 168. Ein unsicherer, stark ergänzter Beleg stammt von einer Matronenweihung aus Zingsheim (Germania Inferior, CIL 13, 7831), der des Flavius Ammausius praef. eq. aus der Provinz Britannia (CIL 7, 287). Weisgerber 1968, 234, 248. EAOR V, 85. Weiß-König 2008, 527. Haensch 2001, 124. Reuter 2012, 100 mit Anm. 441. 1578 Haensch 2001, 92, 100. Reuter 2012, 40. Bridger 2008, 612. Schmitz 2008, 161. Weiß-König 2008, 527. Galsterer 2001, 9. Vgl. Willems/Enckevort 2009, 107–126, zum Einfluss der Römer auf die demographische Entwicklung und Ethnogenese im Gebiet der heutigen Niederlande. 1579 Ausführlich zur Geschichte der legio XXX Reuter 2012, 5–28. Schmitz 2008, 160–161.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
derte lang stationiert blieb.1580 Für die chronologische Einordnung der Inschrift ist die spätere Appellation der Legion mit Severiana Alexandriana entscheidend, die für eine Datierung in die Regierungszeit des Severus Alexander (222–235 n. Chr.) spricht.1581 Zu diesem Zeitansatz passt auch die Weiheformel mit vorangestelltem deo, die in Germania Inferior für die Zeit von der 2. Hälfte des 2. Jhs. bis in die erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. belegt ist.1582 Über archäologische Zeugnisse lässt sich die 30. Legion nur bis kurz nach 250 n. Chr. in Vetera Castra II fassen, eine Münze des Postumus aus dem Jahre 260 n. Chr. deutet auf eine Lagernutzung bis mindestens zu diesem Zeitpunkt; ihre Stationierung am Niederrhein scheint jedoch bis zum Beginn des 4. Jhs. n. Chr. bzw. bis zum Verlust der rheinischen Grenzgebiete wahrscheinlich.1583 Es spricht Vieles dafür, dass die Weihung an Silvanus noch in die aktive Dienstzeit des Cessorinius Ammausius fällt, da auch andere Weihungen von einfachen Soldaten und principales der legio XXX fast ausschließlich in der Provinz und während ihrer aktiven Dienstzeit gesetzt wurden.1584 Darüber hinaus scheint die Erfüllung des Gelöbnisses an die Dienstpflichten des Cessorinius als ursarius geknüpft gewesen zu sein, so dass die Setzung des Weihaltars mit seiner aktiven Dienstzeit zusammengefallen sein dürfte. Der militärische ursarius ist bislang nur in der hier vorliegenden Inschrift bezeugt – zu zivilen ursarii (s. unten) –, wobei über seine genauen Aufgaben und Funktionen bislang Unklarheit herrscht. Von R. Haensch und J. Wahl wird der militärische ursarius unter die principales (Unteroffiziere) gezählt, also mit Spezialaufgaben betraute und über den immunes rangierende Soldaten.1585 R. Rea hingegen setzt die ursarii mit den venatores immunes gleich, die – vom regulären Soldatendienst freigestellt – in militärischen Detachements an die Grenzen verlegt und mit der Jagd wilder Tiere betraut worden seien.1586 Aufgrund der vergleichsweise aufwändig gestalteten Weihung mit Inschriftenbasis und zugehöriger Skulpturengruppe, die einen gewissen finanziellen Hintergrund des Dedikanten Cessorinius Ammausius voraussetzen, scheint es eher unwahrscheinlich, dass sie von einem einfachen Soldaten mit geringem Lohn gesetzt wurde.1587 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass aus dem militärischen Bereich keine anderen Dienst- oder Aufgabenbezeichnungen überliefert sind, die einer bestimmten Tiergattung zuzuordnen wären. Zwar belegen epigraphische Zeugnisse, dass Magistrate mit der Logistik der Tierpflege oder des Tiertransportes
1580 Reuter 2012, 7, 9–12. Schmitz 2008, 160. Bechert 2007, 39. Ritterling 1925, 1823. Über einen möglichen Aufenthalt der legio XXX im nahegelegenen Nijmegen s. Haalebos 2000, 473–474. In Brigetio existierte seit spättrajanischer/frühhadrianischer Zeit ein Militäramphitheater. Beutler 2013, 19. 1581 EAOR V, 85. Ritterling 1925, 1827–1829. Lehner 1918, 101. Horn 18. 1582 Raepsaet-Charlier 1993, 14. 1583 Reuter 2012, 28–31. Schmitz 2008, 165–166. Bechert 2007, 39. Ritterling 1925, 1827. 1584 Haensch 2001, 99, 103. 1585 Haensch 2001, 103, 124. Wahl 1977, 129. Vgl. Reuter 2012, 100. Fischer 2012, 19. 1586 Rea 2001, 251. 1587 Vgl. Haensch 2001, 96.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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für die kaiserlichen venationes betraut waren,1588 und auch das Fangen, Transportieren und Bewachen von wilden Tieren durch Abordnungen des römischen Militärs ist vom ausgehenden 1. Jh. bis in das 5. Jh. n. Chr. in verschiedenen Teilen des Imperium Romanum belegt,1589 doch sind in der römischen Armee weder leonarii, crocodilarii noch ähnliche Bezeichnungen überliefert. Ob also ursarius überhaupt eine Rangbezeichnung ist und wo eine solche in die militärische Hierarchie einzuordnen wäre, muss vorerst offen bleiben. Bei dem Versuch, den Aufgabenbereich eines ursarius zu klären – das sei an dieser Stelle bereits vorweggenommen –, ist man auf Beobachtungen angewiesen, die seinen Funktionsbereich und damit seine Bedeutung im Rahmen der venatio-Logistik der germanischen Provinzen lediglich näherungsweise eingrenzen, nicht aber eindeutig definieren können. Bei der Bezeichnung als ursarius liegt es zunächst nahe, ein militärisches Aufgabenfeld im Bereich der größeren Raubtiere (Karnivore) zu vermuten. Da Bären weder für die Verpflegung der Truppen, noch zu militärischen Zwecken herangezogen wurden, muss ein ursarius vornehmlich mit Bären zu tun gehabt haben, die lebend gefangen wurden und daher wahrscheinlich für die venationes im Amphitheater bestimmt waren.1590 Zieht man im vorliegenden Fall als Informationsquelle zudem die Skulpturengruppe heran, so dient der Bär hier als Erkennungsmerkmal des dargestellten Wirkungsbereichs.1591 Interessant ist die Darstellung des Bären, vor dessen Schnauze sich drei rundliche Objekte befinden, denen sich das Tier offensichtlich aufmerksam zuwendet. Die Darstellung legt nahe, an Futter – in Form von Früchten? – für den Bären zu denken, woraus man mit aller Vorsicht ableiten könnte, dass zu den Aufgaben eines ursarius das Füttern von Bären zählte.1592 Nicht weit von Vetera Castra entfernt hat man in der Hauptstadt der Germania Inferior, Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln, einen Altar aus Trachyt gefunden (Kat. 2.2.3), der die Weihung eines Zenturio der legio I Minervia Pia Fidelis, eine der niedergermanischen Schwesterlegionen der legio XXX, trägt.1593 Das Fehlen der flavischen Bestandteile (Flavia, Domitiana) deutet darauf hin, dass die damnatio memoriae Domitians (96 n. Chr.) für die genannte Inschrift einen terminus post quem liefert, da sie die Tilgung der besagten Teile verursacht haben wird. Die Appella1588 Ebner 2013, 180–185. Rea 2001, 251. Epplett 2001, 211. 1589 Epplett 2001, 211–217. 1590 Davies 1989, 187–206. Gegen die Annahme, dass Bärenfelle für die Herstellung der Uniformen von signiferi etc. genutzt wurden, wenden sich m. E. überzeugend Epplett 2001, 215, und Le Roux 1990, 211. Dass es sich dabei nicht ausschließlich um Bären gehandelt hat, ist ebenso möglich wie es wahrscheinlich ist, dass Bären zumindest die gefährlichsten unter den möglichen Tierspezies gewesen sein dürften. Vgl. EAOR V, 85. Ville 1981, 349. 1591 Da der Dargestellte nicht eindeutig identifizierbar ist, muss auf die Deutung der Beziehung zwischen Bär und Dargestelltem verzichtet werden, die ohnehin durch den begrenzten Platz auf der recht kleinen Basis verfälscht sein kann. 1592 Zur Dressur von wilden Tieren s. Epplett 2003, 89. 1593 Ritterling 1925, 1827, 1422 ff.
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tion der legio I Minervia verweist daher die Inschrift in das Ende des 1./Anfang des 2. Jhs. n. Chr.1594 Wahrscheinlich schon vor 88/89 n. Chr. – dem Zeitraum des Saturninus-Aufstandes – war die legio I Minervia Pia Fidelis in Bonna/Bonn stationiert, wo sie die legio XXI Rapax nach ihrer Abberufung nach Germania Superior in ihrem Standlager ablöste und dieses außer zur Teilnahme an Feldzügen in zum Teil weit entfernten Teilen des Imperium Romanum nicht mehr verließ.1595 Gefunden wurde der Altar jedoch nicht in Bonn, sondern vor der südwestlichen Ecke des Kölner Doms unweit des Nordtores der antiken Stadt, durch das von Norden die Limesstraße führte, deren innerstädtischer Teil den cardo maximus der CCAA bildete.1596 Dabei entspricht der Fundort des Steines nicht dem Aufstellungsort des Weihaltares, da er bei seiner Auffindung als Baumaterial für ein Gebäude wiederverwendet worden war. Der Altar, dessen gemeißelter Giebel und Sockel abgeschlagen sind, zeigt an zahlreichen Stellen Absplitterungen, die wahrscheinlich auf seine Wiederverwendung als Baumaterial zurückzuführen sind. Seine linke Seite ist sogar so stark abgearbeitet, dass ein bis zwei Buchstaben der jeweiligen Zeilenanfänge verloren sind.1597 Dennoch kann der Text der Inschrift mit einiger Gewissheit rekonstruiert werden: [D]eanae sacr(um). [Q(intus)] Tarquitius [Q(inti)] f(ilius) Camilia Restitu [tu]s, Pisauro, ((centurio)) leg(ionis) [I M(inerviae)] p(iae) f(idelis), intra men [ses] sex captis [ur]sis n(umero) L, v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito).
Die Weihung richtet sich an Diana, die Göttin der Jagd, und ist von Quintus Tarquitius Restitutus gesetzt worden, dessen vollständiger Name mit Hilfe einer in Bonn gefundenen Inschrift wiedergewonnen werden konnte.1598 Quintus Tarquitius gehörte dem Bürgerbezirk Camilia an, einem der tribus rusticae im direkten Umland Roms, und stammte aus der etruskischen Stadt Pisaurum, dem heutigen Pesaro in den Marken.1599 Grund seiner Weihung an die Jagdgöttin war intra menses sex captis ursis numero L, also 1594 EAOR V, 84. Ritterling 1925, 1420–1421. 1595 Bechert 2007, 39. Ritterling 1925, 1421. 1596 Der Stein wurde 1909 im Zuge von Kabelverlegungsarbeiten der Post in ca. 2 m Tiefe und vermauert in den Resten eines Gebäudes gefunden. Er misst 85 × 44,5 × 26,5 cm. Galsterer 2010, 45. EAOR V, 83. Zum cardo maximus, der wichtigsten Nord-Süd-Achse der CCAA, s. Fischer/Trier 2014, 149–153. Vgl. Eck 2004, 356 f. 1597 Galsterer 2010, 45. EAOR V, 83, Nr. 48, Taf. XXI, Abb. 2. 1598 EAOR V, 83. Die Inschrift wurde im Kreuzgang des Bonner Münsters gefunden und ist eine Weihung an Victoria: CIL 13, 12041. Auch hier ist das Restitutus nicht ganz sicher in der Lesung. 1599 Kakoschke 2006, 390, GN 1268. Vgl. zum einheimischen Pseudogentiliz ‚Restitutius‘ Kakoschke op. cit., 334, GN 1047. Vgl. Haensch 2001a, 92, der für das 2. und 3. Jh. eine übliche lokale Rekrutierungspraxis für die Soldaten der Minervia I konstatierte.
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das Fangen von 50 Bären innerhalb von sechs Monaten. Dabei darf man wohl mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass es sich um das Fangen lebender Bären (capere) und nicht um das Töten derselben drehte.1600 Das macht es wahrscheinlich, dass diese lebend gefangenen Bären für venationes im Amphitheater bestimmt waren. Da sowohl die Bären als auch der Zeitraum, in welchem selbige gefangen wurden, im Text mit konkreten Zahlenangaben bedacht sind, muss es sich um eine durchaus beachtenswerte Leistung des Quintus Tarquitius gehandelt haben. Betrachtet man die Gesamtkomposition des Inschriftentextes, so folgt der für eine Weihung obligatorischen Adressierung an die Gottheit die Nennung des Dedikanten mit eingeschobenem Patronymikon, der der Stimmbezirk und die Herkunftsangabe des Dedikanten sowie die Nennung seines Dienstgrades und seiner Legion, in der er diente, hinzugefügt sind. Vor der Abschlussformel der Weihinschrift votum solvit libens merito finden sich nun jene Zahlenangaben eingefügt, die einzigen Angaben, die vom üblichen Formular einer Weihinschrift abweichen. Sie bilden, wenn man so will, den Höhepunkt einer Spannungskurve und unterstreichen somit das Herausragende der dargestellten Leistung. Die Zahlenangabe selbst beginnt mit der Nennung des Zeitraumes, intra menses sex, an die sich die herausragende Tat des Zenturio, captis ursis, anschließt, und erst ganz am Schluss, wiederum gleichsam als Höhepunkt inszeniert, erscheint die Anzahl der gefangenen Bären, numero L. Ist dieser Aufbau des Inschriftentextes tatsächlich bewusst gewählt worden, so könnte man daraus die Vermutung ableiten, dass Quintus Tarquitius den Auftrag hatte, innerhalb von sechs Monaten so viele Bären wie möglich zu fangen. Dass er es schaffte, ganze 50 Exemplare lebend zu erjagen, scheint ein Ergebnis zu sein, das über das Geforderte hinausreichte und ihn mit außerordentlichem Stolz erfüllte. Es fand daher Eingang in die Dedikationsinschrift seines ausgelobten Altares, wo sie nicht nur der Göttin zum Dank, sondern auch den Vorbeikommenden zur Bewunderung gereichen sollte.1601 Bären wurden in der Antike mit unterschiedlichen Methoden gejagt, wovon vor allem zahlreiche Mosaike beredtes Zeugnis ablegen.1602 In der Regel wurden die Tiere von mehreren Jägern zu Pferde oder auch zu Fuß mit Hilfe von Hunden aufgestöbert und anschließend gehetzt. Das Ziel dieser Hetzjagd waren starke Netze, die man an Bäumen oder Pfählen befestigte und an denen man die Bären entlang- bzw. in die man sie hineintrieb.1603 Zu diesem Zwecke wurde bisweilen auch eine Art Vogelscheuche eingesetzt oder man versuchte, den Bär mit Hilfe von lauten Geräuschen in die gewünschte
1600 Thomas 1984, 160–161, der eine Bestimmung der Bären sowohl für einen Circus als auch für ein Amphitheater für möglich hält. Im militärischen Bereich konnten bislang keine Circusanlagen nachgewiesen werden. 1601 Von Domaszewski 1909, 65. 1602 Rea 2001, 245, 257–258, 264. Zu den wichtigsten literarischen Quellen s. Rea op. cit., 253. 1603 Aymard 1951, 455. Zu Netzen als instrumenta venatoria und deren historischer Entwicklung s. Aymard op. cit., 207 ff.
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Richtung zu drängen.1604 Da die Gefahr bestand, dass ein gehetzter Bär die gespannten Netze zerriss, versuchte man, ihn mittels eines Köders in einen massiven Holzkäfig oder eine künstliche Höhle zu locken, die dann von einem venator verschlossen oder abgeriegelt wurde. Es kamen aber auch Fallgruben, in die die Tiere gelockt wurden, oder Bärenfallen zum Einsatz.1605 Um einen wilden Bären gefügig zu machen bzw. ihn zu zähmen, ließ man ihn durch eine speziell angerührte Substanz laufen, die sich in den Pfoten des Bären festsetzte und ihm in die Augen geriet, sobald er sich den Kopf rieb.1606 Für Rom sind darüber hinaus für das Zähmen verschiedener wilder Tiere eigens ausgebildete Trainer bezeugt.1607 Transportiert wurden wilde Tiere in massiven und zum Teil mit Eisen verstärkten Holzkäfigen, die auf dem Landweg oder per Schiff über das Meer bzw. die größeren Flüsse an ihren endgültigen Bestimmungsort gelangten.1608 Um eine erfolgreiche Jagd von 50 Bären durchführen zu können, wird der Zenturio Quintus Tarquitius eine Abordnung – vielleicht der legio I Minervia Pia Fidelis – befehligt haben, die ihm bei der Ausführung seiner gefährlichen Aufgabe zur Seite stand. Ob Quintus Tarquitius dabei selbst Hand anlegte oder lediglich den Oberbefehl über die gesamte Aktion führte, lässt sich nicht entscheiden. Sicher ist jedoch, dass dem gesamten Fangprozess Phasen inhärent waren, die mit Lebensgefahr für die jeweils beteiligten Jäger verbunden waren. Das Spannen der Netze dürfte davon weniger betroffen gewesen sein, doch war der Bär erst einmal aufgespürt – auch das bereits ein nicht ungefährliches Unterfangen – wurde er durch Hunde und Lärm derart gereizt, dass er nicht nur unberechenbar, sondern auch durch Prankenhiebe und Bisse seinen Gegnern zur tödlichen Gefahr werden konnte. Auch das Verfehlen der gewünschten Richtung, in die man den Bären treiben wollte, oder das Durchreißen der gespannten Netzte brachten die Jäger in Lebensgefahr. Darüber hinaus stellte die letzte Phase der Jagd, das Einsperren des Bären in einen geeigneten Transportkäfig, einen neuralgischen Punkt dar, an dem die Unternehmung einen durchaus tragischen Verlauf nehmen konnte. Diese gefährliche Prozedur also 50 Mal erfolgreich durchlaufen zu haben, zeugt nicht nur von reichen Jagdgründen und großem Jagdglück, sondern setzt vor allem auch ein gut eingespieltes und geschicktes Jagdteam voraus. Da die Mission zudem innerhalb von nur sechs Monaten abgeschlossen war, müssen Q. Tarquitius Restitutus und sein Team alle drei bis vier Tage einen Bären in den germanischen Wäldern aufgespürt und gefangen haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Inschrift des Quintus Tarquitius nicht in Bonn, dem Standort der legio I Minervia Pia Fidelis, zu Tage trat, sondern in der CCAA, der Hauptstadt der Provinz Germania Inferior. Da für das Fangen von
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Rea 2001, 262. Rea 2001, 262. Aymard 1951, 445 f. Rea 2001, 261. Vgl. auch Epplett 2003, 89. Epplett 2003, 89. Zur Zähmung von Löwen s. Ebner 2013, 190–191. Rea 2001, 263–269.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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50 Bären weder das Stadtgebiet, noch das direkte Umland der CCAA als Jagdrevier gedient haben dürften, muss es einen Grund für das Aufstellen einer Weihung fernab des Legionsstandortes gegeben haben. Dieser lag wahrscheinlich in der Abordnung des Q. Tarquitius Restitutus in den Stab des Statthalters begründet, der in der CCAA residierte und üblicherweise von den umliegend stationierten Truppen bzw. deren Abordnungen unterstützt wurde.1609 Würde eine Abordnung in den Stab des Provinzstatthalters für Quintus Tarquitius zutreffen, so ließe sich für die Befehlsstruktur daraus ableiten, dass Quintus Tarquitius den Befehl zum Fangen von Bären innerhalb einer festgesetzten Frist aller Wahrscheinlichkeit nach von eben diesem, in der CCAA residierenden Provinzstatthalter erhalten hat.1610 Dieser wiederum dürfte damit einen Befehl des Kaisers, seinem direkten Vorgesetzten, umgesetzt haben. Interessant ist diesbezüglich eine Weihinschrift aus der Provinz Moesia Inferior, die im Municipium Montanensium/Montana (Bulgarien) gefunden wurde und im Hinblick auf den Befehlsweg Analogien zur Kölner Inschrift aufweist. Sie wird nur wenige Jahrzehnte später datiert (147 n. Chr.) und verfügt über folgenden Wortlaut:1611 Dianae / Ti(berius) Claudius Ulpianu(s) / trib(unus) coh(ortis) I Cili(cum) cum vexilla/ tionib(us) leg(ionum) I Ital(icae) XI Cl(audiae) class(is) / Fl(aviae) Mo(esicae) ob venationem / Caesarianam iniunc/tam a Cl(audio) Saturnino leg(ato) / Aug(usti) pr(o) pr(aetore) ursis et vison/tibus prospere captis / aram consecra/vit Largo et Mes/sallino co(n)s(ulibus).
Die Inschrift, die im Heiligtum der Schutzgötter der Stadt Diana und Apoll gefunden wurde, stellt eine Weihung an die Jagdgöttin Diana dar, der Tiberius Ulpius Claudius, Tribun der ersten Kilikischen Kohorte, nach dem erfolgreichen Fangen von Bären und Wisenten einen Altar geweiht hat.1612 Neben seinen ihm unterstellten Helfern, Vexillationen zweier Legionen und der moesischen Flotte,1613 führt Tiberius Claudius Ulpianus nicht nur den Grund seiner Jagdexpedition an – ob venationem Caesarianam – sondern auch seinen Vorgesetzten, der den Befehl zu jener Jagd gegeben hatte: (iniunctam) a Claudio Saturnino legato Augusti pro praetore. Demnach war im vorliegenden Fall der
1609 Eck 2004, 251–253. Bechert 2007, 35. Vgl. Fischer/Trier 2014, 119. Ausbüttel 2012, 59. 1610 Möglich wäre aber auch, dass sich im Stab des Provinzstatthalters ein hoher Magistrat – ein Procurator? – befand, der die administrative Kontrolle über Fang, Unterbringung und Transport der für die venationes bestimmten Tiere innehatte. Vgl. Epplett 2001, 211–212, zu einem zeitgleichen Papyrus aus dem Wadi Fawakhir, in dem ein Auxiliarsoldat seinem Vorgesetzten Valerianus über den Fortgang des befohlenen Tierfangs berichtet, und aus dem Epplett ableitet, dass es möglicherweise einen höheren militärischen oder zivilen Offiziellen in Ägypten gab, der Jagdutensilien an die Truppen, die mit einer Jagd beauftragt waren, vergab und auch die Sammlung der erjagten Tiere überwachte. 1611 EDH: HD012752. AE 1987, Nr. 867. AE 1999, 445, Nr. 1327. Epplett 2001, 212–213, mit der älteren Literatur. Konen 2000, 418–419. Knoepfler 1999, 500 f., Abb. 3. Bérard 1989, 129–130. 1612 Zum Garnisonsort der Kohorte s. Bérard 1989, 130 f., 137 f. 1613 Zur außergewöhnlichen Zusammensetzung von Heeres- und Marineeinheiten innerhalb einer Vexillation s. Bérard 1989, 134–136.
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Provinzstatthalter für die Administration der Beschaffung wilder Tiere zuständig, der das Operative einem ihm unterstellten Tribun der dort stationierten Truppen bzw. Vexillationen übertrug.1614 Aus der Angabe der beteiligten Personen sowie der Zweckbestimmung der gesamten Unternehmung wird ersichtlich, dass für ein kaiserliches munus das römische Militär herangezogen wurde. Die Beteiligung von Flottenkontingenten lässt vermuten, dass dabei nicht allein das Fangen der venatio-Tiere in ihren Aufgabenbereich fiel, sondern auch deren Transport zum Veranstaltungsort auf den Last- oder Kriegsschiffen der Marine. Vor diesem Hintergrund kann man auch für Germania Inferior vermuten, dass der Provinzstatthalter im Auftrag des Kaisers und als Oberbefehlshaber der ihm unterstellten Truppen einen Zenturio aus seinem Stab mit der Beschaffung wilder Bären für eine kaiserliche venatio betraut hatte. Auch in anderen Teilen des Imperium Romanum bezeugen Inschriften, dass für den Fang wilder Tiere römische Militäroffiziere zuständig waren. Neben der bereits erwähnten Inschrift des Kohortentribunen Ti. Claudius Ulpianus bezeugt auch die Weihinschrift des C. Tetius Veturius Micianus aus Bollihope Common in der Provinz Britannia, dass er als Alenpräfekt der Sebosianna dem unbesiegten Silvanus einen Altar ob aprum eximiae formae captum quem multi antecessores eius praedari non potuerunt ausgelobt hatte.1615 Darüber hinaus rühmt sich ein gewisser Catulus, Zenturio der legio III Augusta, in einer Inschrift, die in Aflou/Algerien (Mauretania Caesariensis) gefunden wurde und in das Jahr 174 n. Chr. datiert, zusammen mit verschiedenen militärischen Helfern in 40 Tagen eine nicht näher bezifferte Anzahl von Löwen gefangen zu haben.1616 Der in einem ägyptischen Papyrus erhalten gebliebene Brief (spätes 1./frühes
1614 Bérard 1989, 137. Knoepfler 1999, 503. Konen 2000, 418–419, der in diesem Zusammenhang auf das berühmte Mosaik aus der Villa Romana del Casale in Piazza Armerina (Sizilien) verweist, das die Verladung von Elefanten und Löwen auf für den Raubtiertransport präparierte Kriegsschiffe zeigt. Vgl. Epplett 2001, 213. 1615 CIL 7, 451: Silvano Invicto sacr(um) / G(aius) Tetius Veturius Micia/nus pr[(a)e]f(ectus) alae Sebosian/nae ob aprum eximiae / formae captum quem / multi antecesso/res eius praedari / non potuerunt v(oto) s(uscepto) l(ibens) p(osuit). Epplett 2001, 213, der vorschlägt, in den ‚antecessores‘ venatores immunes zu erkennen. Le Roux 1990, 211. 1616 CIL 8, 21567: Pro salu[te M(arci) Aure]/[li] Anto[nini Aug(usti)] / [Ar]m(eniaci) Part(hici) [Med(ici) Germ(anici)] / [red]do m[ea vota] / [de]bita iam [reversus] / quae om[nib(us) deis] / voveram [exiens] / e[t] pro sal(ute) [M(arci) Aemi]/li Macri l[eg(ati) Aug(usti)] / pr(o) pr(aetore) c(larissimi) v(iri) pr[opter?] / cuius suf[frag(ationem)] / a sacratiss(imo) [imp(eratore)] / ordinibu[s ad]/ [scriptus sum] / [eius pari] mod[o] / celebrantur [ad]/fectu pari a[di]/uncta mihi [fac]/[ta] explicui [iu]/vantibus [his] / M(arco) B[r]utt[io Cogi]/tato dec(urione) [--- et] / Popilio E[xorato?] / dec(urione) coh(ortis) VI C[omm(agenorum)] / et Fl(avio) Felice b(ene)[f(iciario) tr(ibuni)?] / et Aurelio O[pta]/to dupl(icario) al(ae) Fl(aviae) [et] / [Fl(avio)] Germano Ser[vi]/[lio] Ianuario Iulio / [Pr] ocesso Asinio [E]/merito sesq(uiplicariis) // Ut scias [tu] / quicum[que] / in hac ex[pe]/ditione [sal]/ [v]us fueris et / hos titulo[s] / legeris mut[us] / Genio summ[o] / Thasuni et de/o sive deae [nu]/mini sanc[to] / laeones(!) [in] / dieb(us) XL f[eci] / scripsi Fl[ac]/co et Ga[llo] / [co(n)s(ulibus) a(nte) d(iem) ---] / [K]al(endas) Iun(ias) eo d[ie ex] / dec(urione) sum pro[mo]/tus votum [so]/lvi meo no[m(ine)] / Catulus | (centurio) [leg(ionis)] / III Aug(ustae). Vgl. Epplett 2001, 215 f., mit einer Diskussion zur Inschrift und weiteren, z. T. ebenfalls umstrittenen Belegen. Le Roux 1990, 210.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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2. Jh. n. Chr.) eines im Wadi Fawakhir stationierten Auxiliarsoldaten benennt ebenfalls römische Truppenteile, die für das Fangen von wilden Tieren zuständig waren.1617 In allen Inschriften – inklusive der in Germania Inferior gefundenen – bzw. dem ägyptischen Papyrus, in denen abkommandierte Soldaten für die Jagd von wilden Tieren in Erscheinung treten, wird das Fangen der jeweiligen Tiere explizit genannt, nicht so in der ursarius-Inschrift des Cessorinius Ammausius. Da auch in Inschriften, die zivile ursarii nennen (s. unten),1618 nie vom Fangen wilder Bären die Rede ist, liegt die Vermutung nahe, dass ursarii gar nicht für diese Tätigkeit zuständig waren.1619 Wäre dem tatsächlich so, könnte man vermuten, dass nicht ursarii, sondern Soldaten – vielleicht nur temporär begrenzt – zum Tierfang eingesetzt wurden,1620 wobei sie möglicherweise als venatores immunes einem Zenturio unterstellt waren. Da Jagen für Soldaten zu den üblichen Dienstpflichten gehörte und besonders die Löwenjagd von Iulius Africanus noch im 3. Jh. n. Chr. als wichtiges Training für Soldaten erachtet wurde,1621 könnte man schlussfolgern, dass Quintus Tarquitius eine solche temporäre Aufgabe im Stab des Provinzstatthalters der CCAA ausübte, während Cessorinius Ammausius eine andere mit Bären in Zusammenhang stehende Tätigkeit versehen haben muss. Ein weiterer Trachyt-Altar (Kat. 2.2.4), der in der CCAA gefunden wurde, entstammt ebenfalls dem militärischen Bereich und steht möglicherweise mit der Logistik der Tierschauspiele in Beziehung. Gefunden wurde der mit einem hohen Sockel versehene Altar als Spolie im römischen Stadtturm am Appellhofplatz, das heißt in der Nähe der nördlichen Stadtmauer und nicht weit vom Nordtor der CCAA entfernt.1622 Wo der Altar ursprünglich aufgestellt war, ist nicht bekannt. Er trägt folgende, vollständig erhaltene Weihinschrift: Deanae sacrum. / A(ulus) Titius C(ai) f(ilius) / Pom(ptina) Sever/us Arretio / ((centurio)) leg(ionis) VI vic(tricis) p(iae) f(idelis) / idemque vivari/um saepsit. 1617 Davies 1989, 193. Epplett 2001, 211. 1618 Aus Germania Superior: Kat. 1.1.2, 1.14.1; aus der Gallia Narbonensis: EAOR V, 51–52, Nr. 31, Taf. XIV, 1–3 (= CIL 12, 533). 1619 Dagegen Le Roux 1990, 211, der den Begriff des ursarius als generell für nicht exakt definiert hält und die Auffassung vertritt, ein solcher habe neben dem Fangen auch das Dressieren und Bewachen zur Aufgabe gehabt. Epplett 2001, 214, identifiziert ursarii als „specialized bear-hunters.“ So auch Balmer 2009, 101, und Kleemann 1960, 206. Als „Bärendompteur“ wird ein ursarius bei Hufschmid 2009, 239, bezeichnet. Vgl. Wiedemann 2001, 61, der den ursarius Cessorinius Ammausius für einen Gladiator hält. 1620 So auch von Domaszewski 1909, 65. Epplett 2001, 211. Bérard 1989, 137. Vgl. Le Roux 1990, 211, der einen ursarius legionis generell ablehnt und vermutet, dass es sich dabei allein um eine ‚Spezialität‘ der germanischen Armeen gehandelt habe. Generell zur Rolle des Militärs bei den venationes s. Epplett 2014, 512–514. 1621 Iul. Afr. Cestes 7,14. Vgl. Varro ling. 5,94. Epplett 2001, 211. 1622 Fischer/Trier 2014, 131. Galsterer 2010, 46. Eck 2004, 356 f., 375–376, Abb. 151. Le Roux 1990, 210. In den Mauern des römischen Turms war das Kloster ‚Zum Lämmlein‘ eingebaut worden, wobei vielleicht auch unser Altar als Baumaterial wiederverwendet wurde. Maße des Altares: 104 × 61 × 37 cm.
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Aus dem Inschriftentext erfahren wir, dass Aulus Titius Severus der Sohn des Caius war und aus dem Bürgerbezirk Pomptina stammte, einer der tribus rusticae in Italien.1623 Als Geburtsort des A. Titius Severus wird Arretio genannt, das heutige Arrezo in der Toskana. Er bekleidete den Rang eines Zenturio der legio VI Victrix Pia Fidelis, deren Appellation den Inschriftentext datieren hilft:1624 Die Verlegung der legio VI nach Britannien im Jahre 120/121 n. Chr. legt den spätesten Zeitpunkt seiner Datierung fest. Den frühest möglichen Zeitansatz bietet hingegen das Jahr 96 n. Chr., denn das Fehlen des ursprünglichen Legionsepithetons Domitiana setzt zeitlich die damnatio memoriae des letzten flavischen Kaisers Domitian voraus.1625 Die Erwähnung des Wortes vivarium lässt nun bei der Inschrift des Aulus Titius Severus an einen konkreten Zusammenhang mit der Sphäre des Amphitheaters denken. Besonders bei kleinen Amphitheatern, die nicht über geräumige Untergeschosse verfügten, konnte man in vivaria die für die Veranstaltungen bestimmten Tiere bis kurz vor ihrem Auftritt unterbringen. Für diese vivaria, die gleichsam als Annexbauten – möglicherweise auch nur temporär – dienten, ist eine unmittelbare Nähe zum jeweiligen Amphitheater wahrscheinlich.1626 In Rom befand sich das älteste vivarium laut Plinius dem Älteren auf dem Marsfeld, in einem navalia genannten Teil des seit 338 v. Chr. bestehenden Militärhafens, in dem spätestens ab der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. Käfige (caveae) mit ferae Africanae, die für die venationes bestimmt waren, gelagert wurden.1627 Ein von Procop erwähntes vivarium kann – zumindest in der Spätantike – mit dem Amphitheatrum castrense in der Nähe der Porta Praenestina (heute Porta Maggiore) gleichgesetzt werden,1628 und auch im Gebiet der Castra Praetoria könnte sich ein vivarium befunden haben.1629 Aber auch außerhalb des römischen Stadtgebietes sind Gehege für Elefanten und Kamele bezeugt.1630 Hält man sich vor Augen, dass beispielsweise Trajan anlässlich seines Triumphes über die Daker in Rom munera veranstaltete, die 123 Tage dauerten und 1623 Kakoschke 2006, 331, CN 2838; 398, GN 1303. 1624 EAOR V, 84. 1625 EAOR V, 84–85. Ritterling 1925, 1605 ff. Galsterer 2010, 47, fügt hinzu, dass der Legion für ihre Nichtbeteiligung am Saturninus-Aufstand und damit für ihre Treue zu Domitian der Ehrenname Pia Fidelis verliehen wurde, womit ein terminus post quem für das Jahr 89 n. Chr. gewonnen wäre. Der Beiname Domitiana wird nicht erwähnt. 1626 Hufschmid 2009, 54, Anm. 223 u. 225. Golvin 1988, 336. 1627 Plin. nat. 36,40: „accidit ei [Pasiteli], cum in navalibus, ubi ferae Africanae erant, per caveam intuens leonem caelaret, ut ex alia cavea panthera erumperet, non levi periculo diligentissimi artificis.“ Der Gebrauch des Imperfekts bei ubi ferae Africanae erant zeigt das Gewohnheitsmäßige der Aufbewahrung von derlei Käfigen. LTUR III 1996, 339–340, s. v. Navalia. 1628 Prok. BG 1.22.23 (537 n. Chr.). Ebner 2013, 183–185. Epplett 2003, 81, der das vivarium außerhalb der Stadtgrenzen lokalisiert. LTUR V, 1999, 208. La Regina 1997, 6. Hufschmid 2009, 54–55. Bomgardner 2000, 200. Scobie 1988, 203. Wahl 1977, 129. Friedländer 1964, 84, Anm. 4. Vgl. CIL 6, 130 (Dat. 241 n. Chr.). 1629 Epplett 2003, 83–84, Abb. 9. 1630 Epplett 2003, 79.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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den Tod von rund 11000 Tieren mit sich brachten, lässt sich leicht denken, dass selbst das Untergeschoss des Colosseums für eine derartige Anzahl wilder Tiere räumlich an seine Grenzen stieß und man weitere ‚Lagerungsmöglichkeiten‘ für wilde Tiere in seiner näheren Umgebung benötigte.1631 Zum Aussehen eines vivariums erfahren wir bei Gellius, einer Quelle des späteren 2. Jhs. n. Chr., Folgendes: ‚vivaria‘, quae nunc dicuntur saepta quaedam loca, in quibus ferae vivae pascuntur, M. Varro in libro de re rustica dicit ‚leporaria‘ apellari und sed quod apud Scipionem omnium aetatis suae purissime locutum legimus ‚roboraria‘, aliquot Romae doctos viros dicere audivi id significare, quod nos ‚vivaria‘ dicimus apellataque esse a tabulis roboreis, quibus saepta essent; quod genus saeptorum vidimus in Italia locis plerisque.1632
Bei einem vivarium handelte es sich demnach um einen eingezäunten Ort, in dem wilde, lebende Tiere geweidet wurden und die in früherer Zeit aufgrund der Art ihrer Einzäunung ‚Orte aus Eichenholz‘ genannt wurden. Diese vivaria waren laut Gellius in Italien weit verbreitet.1633 Man darf also vermuten, dass vivaria zumindest ursprünglich mit einem Zaun aus Eichenholzbrettern umgeben waren.1634 Da bei den venationes Tiere verschiedenster Spezies in der Arena vorgeführt wurden, ist davon auszugehen, dass diese in einem vivarium nicht in einem gemeinsamen, großen Gehege gehalten wurden, sondern vielleicht durch Trennwände oder -zäune oder – wie die Stelle bei Plinius dem Älteren nahelegt – in Käfigen getrennt voneinander untergebracht waren.1635 Die Einzäunung eines vivariums, wie sie der Inschrift aus Köln zufolge A. Titius Severus vorgenommen hat, wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach die Anlage eines robusten (Holz-) Zaunes beinhaltet haben, der eine ausbruchsichere Unterbringung verschiedenster Tierarten ermöglichte. Ob es sich bei jenem vivarium um eine temporär errichtete Anlage oder einen fest installierten Annexbau zum Amphitheater der CCAA handelte, muss vorerst offen bleiben: Für die CCAA wird ein Amphitheater zwar angenommen, archäologisch konnte es aber bislang nicht nachgewiesen werden.1636 Und so kann auch über die Existenz und das Fassungsvermögen eines mög-
1631 Cass. Dio 68,15. Epplett 2014, 510. Epplett 2003, 81 f. Über den relativ geringen Stauraum im Untergeschoss von Amphitheatern s. Hufschmid 2009, 232–233. 1632 Gell. 2,20,1 bzw. 2,20,5–6. Vgl. Hufschmid 2009, 55. Zu Vivarien in republikanischer Zeit s. Epplett 2003, 76–78 und Epplett 2014, 506. 1633 Epplett 2014, 506. Zum Bedeutungsspektrum des Wortes vivarium s. auch La Regina 1997, 6–7. 1634 Epplett 2003, 85 vermutet, dass in den Provinzen bislang nur wenige Reste von Vivarien nachgewiesen werden konnten, weil diese zumeist aus Holz errichtet waren. Epplett op. cit., 81–82, werden Überlegungen zu möglichen Ausmaßen eines vivariums in Rom angestellt. 1635 Vgl. Epplett 2003, 80 ff., zu einer möglichen Einteilung der wilden Tiere in verschiedenen Perioden der Kaiserzeit. 1636 Fischer/Trier 2014, 189–190. Eck 2004, 264, 374. Wenig überzeugend bei Zeidler 1992, 130–131, Abb. 1. Binsfeld 1960, 161–162. Ausführlich zur möglichen Lokalisierung des Kölner Amphitheaters s. oben Kap. 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum (Mainz/Köln) und 2.4.2.1 Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
lichen Hypogaeums jenes Amphitheaters bislang keine belastbare Aussage getroffen werden. Die Legion, in der A. Titius Severus diente, die legio VI Victrix Pia Fidelis, war ab dem Jahre 70 n. Chr. bis etwa 103 n. Chr. in Novaesium/Neuss (Germania Inferior) stationiert, bevor sie kurz nach 100 n. Chr. in das ehemalige Standlager der legio XXII Primigenia nach Vetera Castra II/Birten (Germania Inferior) abkommandiert wurde.1637 Zum Zeitpunkt der Weihung des Diana-Altares war die Legion des A. Titius Severus demnach entweder noch in Novaesium oder bereits in Vetera Castra II stationiert, der Altar selbst aber wurde in der Provinzhauptstadt der Germania Inferior gesetzt. Da hier auch die Residenz des Provinzstatthalters lag, wurde vermutet, dass A. Titius Severus – wahrscheinlich ähnlich wie der bereits erwähnte Zenturio Q. Tarquitius Restitutus (s. oben) – in den Dienst des Statthalters der CCAA abgeordnet war.1638 Diese These wird gestützt durch eine Inschrift aus Rom, die für die Hauptstadt des Imperium Romanum eine vergleichbare Abordnungspraxis vermuten lässt. Eine Grabinschrift (138–170 n. Chr.) nennt einen gewissen Titus Aelius, Sohn eines Freigelassenen und Zenturio einer namentlich nicht überlieferten Legion, der ein vivarium hatte (habuit) und die Oberaufsicht über die kaiserlichen Zugtiere führte.1639 Er hatte als hastatus prior der dritten Kohorte gedient und war mit 36 Jahren gestorben. Da eine konkrete Jahresangabe bezüglich seiner Dienstzeit fehlt und zudem der Ausdruck militavit gebraucht wurde, könnte man vermuten, dass er seine 20 Pflichtjahre bei der römischen Armee bereits abgeleistet hatte und nun in den verbleibenden 5 Jahren leichtere Arbeiten versah. Die Aufsicht über das vivarium und die darin befindlichen Tiere scheint ihm demnach während seiner aktiven Dienstzeit anvertraut gewesen zu sein. In Rom selbst war jedoch mit Sicherheit keine Legion stationiert und so muss man vermuten, dass auch Titus Aelius als Zenturio in die Hauptstadt abgeordnet war, um hier seinen Dienst zu verrichten. Träfe eine Abordnung in die Provinzhauptstadt der Germania Inferior auch für A. Titius Severus zu, müsste man folgern, dass nicht nur er selbst sich dort aufhielt, sondern dass sich auch das in der Inschrift erwähnte vivarium in der CCAA befunden hat.1640 Zunächst fällt auf, dass diese Wendung die Stelle einer für Weihungen üblichen 1637 Eck 2004, 375. 1638 Galsterer 2010, 47. Vgl. Eckk 2004, 375–376. Zur CCAA als Statthaltersitz s. Haensch 1999. 1639 AE 1973, Nr. 39 (= EDH: HD010244): [T(itus) Ae]lius T(iti) f(ilius) Pal(atina) [---] / T(iti) Aeli Aug(usti) lib(erti) A[--- et] / Ulpiae Marcel[linae] / habuit vivar[ium et curam?] / supra iumenta [Caesaris] / militavit | (centurio) leg(ionis) [---] / coh(ortis) III hastat(us) p[rior v(ixit) an(nos)] / XXXVI m(enses) [---]. Epplett 2003, 82. Man könnte vermuten, dass es sich bei den kaiserlichen Zugtieren um die Stiere gehandelt hat, die im Falle eines Landtransportes die Karren mit den Käfigen der wilden Tiere zogen, die für die kaiserlichen Tiergehege oder venationes bestimmt waren. Claudian beschreibt im 4. Jh. n. Chr. in seinem Lobgesang auf Stilicho, welchen angsteinflößenden Anblick diese fera captiva ihren Zugtieren boten. Claud. de cons. Stilich. III, 325–332. 1640 So auch Galsterer 2010, 45. Vgl. Eck 2004, 375–376. Zur wenig überzeugenden Lokalisierung des Kölner vivariums, die sich auf die Interpretation des Straßennamens „Auf dem Berlich“ stützt, s.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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Abschlussformel wie votum solvit libens merito oder Ähnliches einnimmt. Darüber hinaus drückt das Pronomen idem, das sich aus dem Pronomen is und dem Suffix -dem zusammensetzt, eine Emphase im Sinne von ‚aber‘, ‚gerade‘ aus,1641 wodurch im vorliegenden Fall das Subjekt des Textes, also Aulus Titius Severus, eine besondere Betonung erfährt.1642 Dem Umstand, dass er selbst mit der Einzäunung des vivariums in irgendeiner Weise befasst war, scheint demnach etwas Außerordentliches anzuhaften. Ob dies darin bestand, dass er selbst jene Einzäunung anfertigte und aufstellte oder aber für diese Arbeiten die Organisation und Aufsicht übernahm, geht aus dem Text nicht hervor. Möglich wäre auch, dass Aulus Titius Severus für die Kosten dieser Einzäunung aufkam.1643 Dass dies allerdings zu seinen Dienstpflichten gehörte, darf bezweifelt werden, denn dem würde die besondere Betonung seiner Person widersprechen. Hat er also als Privatmann finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um ein vivarium in der Provinzhauptstadt einzuzäunen, und tritt er uns hier somit gleichsam als Euerget entgegen?1644 Fassen wir die oben gemachten Beobachtungen bezüglich unserer Inschrift aus Germania Inferior zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Aulus Titius Severus war ein Legionszenturio, der wahrscheinlich in die Hauptstadt der Provinz Germania Inferior, CCAA, abkommandiert war. Hier hatte er entweder seine Arbeitskraft, sein Organisationstalent oder sogar eigene finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um die (hölzerne) Umzäunung und/oder Abtrennung verschiedener Bereiche in einem vivarium zu ermöglichen. Dieser Umstand scheint für einen Legionszenturio nicht zu den üblichen Dienstpflichten gehört zu haben, was die Aufstellung eines Weihaltares und eine emphatische Wortwahl an exponierter Stelle innerhalb des Inschriftentextes motivierte. Bei dem genannten vivarium handelte es sich wahrscheinlich um eine Anlage im Stadtgebiet der CCAA, vielleicht sogar in unmittelbarer Umgebung des bislang nicht nachgewiesenen Amphitheaters. In dem vivarium selbst werden lebende, wilde Tiere für ihren Einsatz in der Arena gehalten worden sein. Dabei muss offen bleiben, ob es sich bei jener Arena um die der CCAA gehandelt hat oder ob in der CCAA als Hauptstadt der Provinz nicht auch ein Logistikzentrum für wilde Arenatiere vermutet werden könnte, von dem aus auch andere Amphitheater beschickt wurden. Über den Fundort und ihre Zugehörigkeit zum Bereich des römischen Militärs bilden die Inschriften des Q. Tarquitius Restitutus und die des A. Titius Severus ein Paar, das sich für einen Vergleich anbietet. Beide Altäre sind der Diana, der Göttin der Jagd,
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Zeidler 1992, 131. Von Domaszewski 1909, 65, lokalisiert das Kölner vivarium in der Nähe des Fundortes der Inschrift. Kühner/Holzweissig 1966, 594 f. Das enklitische -que muss in diesem Zusammenhang auch eher als zusätzliche Betonung denn als Konnektor verstanden werden, so dass das Fehlen eines Prädikats, wie die Übersetzung bei Galsterer 2010, 46, suggeriert, wenig überzeugend wirkt. Galsterer 2010, 47. Galsterer 2010, 47. Vgl. Eck 2004, 340–343.
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geweiht, wobei beiden Kölner Inschriften nicht nur die Schreibweise Deanae statt Dianae gemeinsam ist, sondern auch die als Weiheformel gewählte Formulierung Deanae sacrum.1645 Darüber hinaus lassen sich Parallelen im Aufbau der Texte feststellen. So folgt bei beiden Inschriften der Nennung der adressierten Göttin der Name des Dedikanten, der in beiden Fällen zunächst nur in Praenomen und Gentiliz besteht. Vor die Nennung des Cognomen tritt jeweils die des Patronymikons sowie des Bürgerbezirks. Diesem folgt die Nennung des Geburtsortes, des Dienstgrades und der Legion. Daran schließt sich in gleichsam freiem Text der Grund der Weihung an, intra menses sex captis ursis numero L bzw. idemque vivarium saepsit. Bis zu diesem Punkt folgen beide Inschriften einem identischen Aufbau. Allein eine Abschlussformel wie votum solvit libens merito fehlt der vivarium-Inschrift. Auch der Dienstgrad des jeweiligen Dedikanten ist identisch: Quintus Tarquitius war Zenturio der legio I Minervia Pia Fidelis, Aulus Titius Zenturio der legio VI Victrix Pia Fidelis. Beide Zenturionen stammen demnach aus niedergermanischen Heeresverbänden, was auch ihre Abordnung in den Dienst des Statthalters erklären würde. Darüber hinaus liegen die Fundorte der beiden Weihesteine nicht weit voneinander entfernt: Der Weihestein des Quintus Tarquitius wurde östlich des Nordtores und nahe des cardo maximus der CCAA gefunden, der des Aulus Titius westlich des Nordtores der CCAA. Beide wurden allerdings als Spolien verbaut angetroffen, so dass über ihre ursprünglichen Fundorte keine gesicherten Informationen vorliegen. Mit aller Vorsicht könnte man jedoch mutmaßen, dass sich vielleicht am nördlichen Zugang zur Stadt und am viel frequentierten cardo das Dienstgebäude der beiden Zenturionen befand, dessen unmittelbare Umgebung ansässigen Militärs als Opfer- und Gelöbnisstätte diente.1646 Gebäudestrukturen, die man bei Baumaßnahmen im Innenhof des Verwaltungsgerichts am Appellhofplatz – also knapp 300 m westlich des Nordtores der CCAA – in den Jahren 1988/1989 näher untersuchen konnte, lassen jedenfalls vermuten, dass sich hier am Ende des 1. Jhs. n. Chr. der offizielle Amtssitz der Provinzial-
1645 Zur Häufigkeit und chronologischen Einordnung der Weiheformel s. Raepsaet-Charlier 1993, 24–25. 1646 Vgl. Haensch 1999, 646. Möglich wäre auch, hier ein Diana-Heiligtum vermuten. Zur Sakraltopographie des römischen Köln s. Eck 2004, 473–478. Vgl. auch Fischer/Trier 2014, 215: „Ferner weisen Funde [im nördlichen Suburbium] möglicherweise auf eine einheimisch-römische Kultstätte in unmittelbarer Nähe des späteren Nordtores hin.“ Zum cardo maximus der CCAA s. Fischer/ Trier op. cit., 149–153. Eck 2004, 256 f. Daraus den möglichen Standort eines Amphitheaters ablesen zu wollen (z. B. Binsfeld 1960, 163), kann freilich nicht überzeugen, da es sich hier um Weihungen handelt, die an den Ort der Kultstätte und nicht an den einer möglichen Spielstätte der in den Inschriften erwähnten Bären oder das vivarium geknüpft ist. Zur Lokalisierung des Amphitheaters der CCAA s. Kap. 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum (Mainz/ Köln) und 2.4.2.1 Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln. Vgl. auch wenig überzeugend Zeidler 1992, 130–131, der die Tatsache der Wiederverwendung der Inschriftenblöcke an ihrem Auffindungsort ignoriert.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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verwaltung der Germania Inferior befand.1647 Nicht nur der Fund gestempelter Ziegel der leg. XV, XXII und XXX lassen an einen Zusammenhang mit unseren beiden Zenturionen der venatio-Logistik denken, sondern auch der Fund von figürlicher Wandmalerei in einem benachbarten Privathaus (Kat. 2.2.12):1648 An der sog. Nordsüdmauer 20b dieses Privathauses, das nur durch einen schmalen Gang von dem vermeintlichen Amtsgebäude der Provinzverwaltung getrennt und unmittelbar im Osten von diesem lag, wurden aufwändige großformatige Kampfszenen aus dem Gladiatorenmilieu rekonstruiert. In drei übereinanderliegenden Registern ist zuoberst eine venatio-Szene, darunter ein Duell zweier equites zu Pferde und zu unterst der Kampf eines retiarius gegen seinen (Standard-) Gegner, wahrscheinlich einen murmillo oder secutor, ins Bild gesetzt.1649 Da die Wandmalereien in das Ende des 1./Anfang des 2. Jhs. n. Chr., also in spätflavisch-frühtrajanische Zeit datiert werden, ist es verlockend, in diesem Privathaus das Amtsgebäude der beiden mit der venatio-Logistik befassten Zenturionen zu vermuten.1650 Datiert sind beide Kölner Weihungen an Diana in die Zeit zwischen 96–120/1 n. Chr. (A. Titius Severus) bzw. in das Ende des 1./Anfang des 2. Jhs. n. Chr. (Q. Tarquitius Restitutus). Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass beide Inschriften etwa zur selben Zeit entstanden sind, ja vielleicht sogar vom selben Steinmetzen und Schreiber gefertigt wurden.1651 Das jedenfalls würde die ‚fehlerhafte‘ Schreibweise Deanae statt Dianae und den beinahe identischen Textaufbau beider Inschriften erklären. Fallen beide Weihesteine in annähernd denselben Zeitraum, muss man daraus allerdings auch folgern, dass die Zenturionen annähernd zur selben Zeit in der CCAA ihren Dienst beim Statthalter versahen. Zeitlich wäre es demnach durchaus denkbar, dass die von Q. Tarquitius Restitutus gefangenen 50 Bären für das vivarium, das von A. Titius Severus eingezäunt worden war, bestimmt waren.1652 Der Umstand, dass beide Offiziere für unterschiedliche Aufgabenbereiche zuständig waren – der eine für die Bärenjagd, der andere für das vivarium –, zeigt, dass diese Bereiche offenbar zu umfangreich waren, als dass sie von einer Person gleichzeitig gehandhabt werden konnten. Das wiederum
1647 Thomas 2008, 347, mit weiterführender Literatur. Zum Stab des Provinzstatthalters s. Haensch 1999, 645–647 und auch Ausbüttel 2012, 59. 1648 Der größte Teil der Fragmente wurde im östlichen Gebäude des Gebäudekomplexes gefunden (FB 88.42). Thomas 2008, 391–435. 1649 Thomas 2008, 393–406, Abb. 72, mit einer Rekonstruktion der gesamten Wanddekoration. 1650 Dagegen Thomas 2008, 415: „Das Thema der Darstellung, die Gladiatorenkämpfe, sollte bei Überlegungen zu Zweck und Funktion des Großbaus und den Bewohnern des benachbarten Privathauses nicht überbewertet werden.“ 1651 Die Buchstabenhöhe der Inschrift des Q. Tarquitius Restitutus beträgt in Zentimetern: 5,5–5,8 (Z. 1), 5–7 (Z. 2), 4,2–6 (Z. 3), 4,2–4,5 (Z. 4), 4–4,5 (Z. 5), 4–4,2 (Z. 6), 3,5–4 (Z. 7). Die Buchstabenhöhe der Inschrift des A. Titius Severus in Zentimetern: 6 (Z. 1), 3,5–5,5 (Z.2), 4,5–5,5 (Z. 3), 5,5–6 (Z. 4–5), 5,2–5,5 (Z. 6), 4–4,6 (Z. 7–8). Galsterer 2010, Nr. 14, Nr. 20. 1652 Eck 2004, 375–376.
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lässt das Ausmaß erahnen, mit dem die (militärische) venatio-Logistik in der Hauptstadt der Germania Inferior betrieben wurde.1653 Darüber hinaus zeigt es, dass der lange Arm der staatlichen Kontrolle über das Gladiatorenwesen am Ende des 1./Anfang des 2. Jhs. n. Chr. bis in die CCAA reichte: Denn beide Zenturionen waren höchstwahrscheinlich in den Dienst des Provinzstatthalters abgeordnet, so dass sie im Dienst des Kaisers und nicht etwa in dem der Dekurionen der CCAA standen.1654 Dass die 50 Bären also für die von den IIviri der CCAA zu veranstaltenden munera legitima bestimmt waren, scheint eher fraglich. Das römische Militär unterstand dem Kaiser und wurde von diesem für seine Belange eingesetzt. Es scheint daher wahrscheinlicher, dass die von römischen Offizieren gefangenen Tiere für kaiserliche venationes Verwendung fanden, so wie es in der Inschrift aus Montanensium/Montana aus der Provinz Moesia Inferior (s. oben) explizit bezeugt ist.1655 Gestützt wird diese These durch den Umstand, dass sich der Kaiser auch bei Amphitheaterbauten im zivilen Bereich finanziell nur äußerst selten engagierte.1656 Da zudem die Veranstaltung von munera in der Hand der städtischen Magistrate lag, die dafür finanzielle Unterstützung aus den städtischen Kassen erhielten, aber auch eigene private Gelder zuschossen, dürfte der Rückgriff auf kaiserliche Ressourcen in Form von Soldaten der imperialen und nicht der städtischen venatio-Logistik zuzuschreiben sein. Das würde bedeuten, dass die von römischen Offizieren gefangenen Tiere entweder zu den vom Kaiser veranstalteten munera – vornehmlich denen in Rom – gesandt wurden1657 oder zu den verschiedenen Militäramphitheatern, etwa dem in Vetera Castra / Birten (Kat. 2.8.1) oder dem von Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1). R. Rea vermutete, dass die Administration der Tierbeschaffung und -verteilung ähnlich organisiert war wie die Rekrutierung der Gladiatoren, d. h. über einen kaiserlichen Prokurator – meist einen kaiserlichen Freigelassenen –, der jeweils einem regionalen Sprengel des Imperium Romanum zugeordnet war.1658 In severischer Zeit ist eine solche ritterliche Prokuratur inschriftlich bezeugt, die die Rekrutierung und Administration (?) der familiae gladiatoriae in Gallien, Britannien, Hispanien, Raetien und in den beiden Germanien zur Aufgabe hatte.1659 Da der leitende Prokurator L. Didius Marinus im Dienst des Kaisers stand, liegt es nahe zu vermuten, dass er nicht für die städtischen munera legitima zuständig war, sondern allein für die vom Kaiser persönlich in Rom oder in ‚seinen‘ Militäramphitheatern veranstalteten munera des Imperium Romanum. 1653 1654 1655 1656 1657
Vgl. Ebner 2013, 180–185. Eck 2004, 376. Le Roux 1990, 210. S. dazu ausführlich Kap. 2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung. So auch Eck 2004, 376. Eck op. cit., 277, Anm. 53, hält es für möglich, dass die Tiere des Kölner vivariums für Spiele anlässlich des Aufenthalts von Kaiser Traian in der CCAA Verwendung fanden. 1658 Rea 2001, 252. Vgl. Epplett 2003, 79. Epplett 2001, 211. Wiedemann 2001, 171. EAOR V, 173. Zur Rekrutierung von Gladiatoren im Osten des römischen Reiches s. Mann 2011, 68–71. 1659 CIL 3, 6753. EAOR V, 173. Vgl. EAOR VIII, 19–21, Nr. 1–2. Robert 1971, 267, Anm. 1.
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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Im zivilen Bereich dürfte dem vielleicht ein curator muneris entsprochen haben.1660 Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem, dass die überlieferte Karriere des L. Didius Marinus nicht nur seine Station als Kohortentribun erwähnt, sondern auch die anschließende Prokuratur für die Gladiatorenfamilien von Asia, Bithynia, Galatia, Cappadocia, Lycia, Pamphylia, Cilicia, Cyprus, Pontus und Paphlagonia.1661 Seine ausschließliche Zuständigkeit für die vom Kaiser veranstalteten bzw. die militärischen munera würde nicht nur die enorme Größe des Sprengels erklären, für den L. Didius Marinus zuständig gewesen zu sein scheint, sondern auch den Umstand, dass die kaiserlichen Prokuratoren autorisiert waren, einen bestimmten Prozentsatz der Tiere an lokale Magistrate zu veräußern.1662 Gut ins Bild passt diesbezüglich die Rekrutierungspraxis von Gladiatoren, wie sie für die Kaiserpriester und duoviri im Osten des Reiches überliefert ist: Diese kauften ihrem Vorgänger seine private familia gladiatoria ab, heuerten auctorati an oder mieteten sich Gladiatoren von einem privaten lanista.1663 Das zeigt, dass der militärische und der städtisch-zivile Bereich der Gladiatur über verschiedene Rekrutierungsstrukturen verfügt zu haben scheinen. Würden obige Ausführungen zutreffen, könnte man überlegen, ob in der CCAA nicht nur der Sitz des Statthalters und der Hauptstützpunkt der Rheinflotte, sondern auch ein Zentrum für die imperiale Logistik der Tierschauspiele ansässig war, ja vielleicht sogar ein Amtssitz jener inschriftlich überlieferten Prokuratur. Dafür würde nicht zuletzt die geographische Lage der CCAA sprechen, die an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt der Provinz Germania Inferior lag, umgeben von den reichen Jagdgebieten der germanischen Wälder und an einem schiffbaren Fluss, der mit der dort stationierten Flotte hinreichende Kapazitäten für den schnellen Transport von Gladiatoren und Tieren bot.1664 Möglicherweise ließe sich mit einer provinzialen Zentralfunktion der CCAA im Bereich der militärischen munera-Logistik auch die auffallend große Zahl von Funden aus der Sphäre der römischen Gladiatur erklären (Kat. 2.2.3–2.2.30): Kein anderer Ort in Germania Inferior oder Superior reicht diesbezüglich an die CCAA heran. Hatten also die Zenturionen Q. Tarquitius Restitutus und A. Titius Severus im Auftrag des Kaisers bzw. seines Provinzstatthalters Bären – und vielleicht andere wilde Tiere – für die Belieferung der kaiserlichen munera in Rom und den Arenen der Militärlager gefangen, ‚gelagert‘ und möglicherweise auch für deren Versand gesorgt, so bleibt die Aufgabe des ursarius der 30. Legion, Cessorinius Ammausius, weitgehend unklar. Wahr1660 1661 1662 1663 1664
EAOR VIII, 23–26, Nr. 3–5. EAOR V, 173. Robert 1971, 267, Anm. 1. CIL 5, 8659. CIL 2, 4519. CIL 3, 249. Rea 2001, 251. EAOR V, 173. Mann 2011, 68–71. Wittke et al. 2012, 199, Karte B. Fischer/Trier 2014, 112 ff. Eck 2004, 407–415, Abb. 165. Zur Situation in Rom s. Epplett 2003, 79 f. Vgl. auch die bereits erwähnte Inschrift des Tiberius Claudius Ulpianus aus Montanensium/Montana (Moesia Inferior) aus der Mitte des 1. Jhs. n. Chr., der als Helfer bei seinem Jagdauftrag auch eine Vexillation der classis Flavia Moesia nennt. AE 1987, Nr. 867. AE 1999, Nr. 1327. Epplett 2001, 212–213.
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scheinlich scheint allenfalls, dass sich seine Aufgabe von der der beiden Zenturionen unterschied, er also mit dem Fangen von Bären eher nicht befasst war. Da die Darstellung der Skulpturengruppe auf dem Weihestein des Cessorinius Ammausius allerdings eine Beschäftigung mit lebenden Bären vermuten lässt, wäre es denkbar, dass er Aufgaben eines Tierdompteurs versah. Als solcher könnte er funktional mit den sog. paegniarii in Verbindung gestanden haben, die in der Arena als trainierte Akrobaten-Gaukler auftraten und sich mit allerlei Tricks und Hilfsmitteln gereizten Bären, Panthern oder Löwen geschickt zu entziehen wussten.1665 Einen solchen Zusammenhang suggeriert zumindest eine Inschrift aus der Gallia Narbonensis, der zufolge ein gewisser Sextus Iulius Felicissimus wilde Tiere in der Arena an der Nase herumführte und zugleich Ursariern als Begleiter diente (s. unten).1666 Aufgrund der zeitlichen Diskrepanz der Zenturionen-Inschriften (Ende des 1./Anfang 2. Jh. n. Chr.) und der ursarius-Inschrift (erste Hälfte 3. Jh. n. Chr.) kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Bezeichnung ursarius erst im 3. Jh. n. Chr. in den Reihen der römischen Armee üblich wurde und den gleichen Aufgabenbereich umfasste, den die jüngeren Zenturionen-Inschriften aus Köln umreißen. Auch aus der Germania Superior sind zwei Inschriften (Kat. 1-1-2, 1.14.1) überliefert, die ursarii bezeugen, allerdings ohne jegliche militärische Konnotation. Nur eine der beiden Inschriften lässt sich mit Sicherheit als Weihinschrift identifizieren (Kat. 1.14.1). Bei der anderen, die heute als verschollen gilt (Kat. 1.1.2), könnte es sich auch um eine Mosaik- oder Bauinschrift handeln. Beide Inschriften wurden im südlichen Teil der Germania Superior gefunden, in Andemantunnum/Langres (Frankreich, Kat. 1.1.2) bzw. in Turicum/Zürich (Schweiz, Kat. 1.14.1). Die Inschrift, die 1673 in Andemantunnum/Langres (Kat. 1.1.2) „aux Chemins couverts“ entdeckt und zunächst in ein Privathaus gebracht worden war,1667 ist seit der Publikation des Corpus Inscriptionum Latinarum XIII verschollen, so dass über den Inschriftenträger selbst keinerlei Aussagen getroffen werden können.1668 Auch der ursprüngliche Aufstellungs- oder Anbringungsort der Inschrift ist nicht überliefert, so dass der Fundkontext keine weiterführenden Erkenntnisse liefern kann. Unklar ist zudem, ob der Text vollständig erhalten ist oder ob eine oder gar mehrere Zeilen des Textanfanges verloren sind, die Rückschlüsse auf den Charakter der Inschrift erlauben würden. Sicher erhalten ist folgender Wortlaut:1669 ------? Opus quadratarium Augurius Catullinus, ursar(ius), d(e) s(ua) p(ecunia) d(edit). 1665 1666 1667 1668 1669
Hufschmid 2009, 240–241. Junkelmann 2000, 128. EAOR V, Nr. 31 (= CIL 12, 533). EAOR V, 86, Nr. 51 (= CIL 13, 5703). EAOR V, 86, Nr. 51 (= CIL 13, 5703). EAOR V, 86, Nr. 51 (= CIL 13, 5703).
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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Wir erfahren, dass der ursarius Augurius Catullinus ein opus quadratarium auf eigene Kosten finanziert hat. Wem er dieses opus gegeben hat (dedit), ist aus dem Text nicht ersichtlich, deutet aber darauf hin, dass es den Charakter eines Geschenkes oder einer öffentlichen Wohltat trug.1670 Das Gentiliz Augurius stellt ein einheimisches Pseudogentiliz dar, das vom lateinischen Cognomen Augur(ius) abgeleitet wurde und auf eine Herkunft aus den gallisch-germanischen Provinzen schließen lässt.1671 Das Cognomen Catullinus verrät keltischen Ursprung und ist vergleichsweise selten bezeugt.1672 Datiert wird die Inschrift aufgrund der Onomastik in das 2. bis 3. Jh. n. Chr.1673 Da im Vergleich zu der ursarius-Inschrift aus Germania Inferior (Kat. 2.8.3, s. oben) die Bezeichnung eines militärischen Dienstgrades oder die Nennung einer Legion ebenso wie die eines Patronymikons fehlen, müssen wir davon ausgehen, dass Augurius Catullinus Privatmann von freier oder vielleicht freigelassener Abkunft und somit – im Gegensatz zu dem niedergermanischen ursarius Cessorinius Ammausius – ein ziviler ursarius war. Sein Name deutet zudem darauf hin, dass es sich bei Augurius Catullinus um einen Einheimischen handelt. Zwar ist auch über den Aufgabenbereich eines zivilen ursarius in der Germania Superior wenig bekannt,1674 doch erlaubt eine metrische Grabinschrift aus Aquae Sextiae/ Aix-en-Provence in der Gallia Narbonensis (möglicherweise 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) Rückschlüsse darüber, was dort zumindest nicht zu den Aufgaben eines ursarius zählte.1675 Die Inschrift, die auf zwei Seiten einer Kalksteinbasis eingraviert ist, fordert den vorbeikommenden Wanderer zunächst auf, kurz zu verweilen, um Näheres über das missgünstige Schicksal des verstorbenen Sextus Iulius Felicissimus zu erfahren. Im Text auf der Vorderseite der Basis erfahren wir dann weiter Folgendes: (…) Uno / minus quam bis denos ego vixi per ann(o)s / integer, innocuus, semper pia mente / probatus, qui docili lusu iuvenum bene doctus harenis, Pulcher et ille fui. / Variis circumdatus armis saepe feras lusi; / medicus tamen is quoque vixi et comes / ursaris, comes his qui victima(m) sacris / caedere saepe solent et qui novo tempore / veris floribus intextis refovent / simulacra deorum. (…)1676 (…) Ich habe eins weniger als zweimal zehn Jahre (= 19) gelebt, ich bin unverletzt geblieben, war nie eines Verbrechens angeklagt, immer von frommer Gesinnung, bin beliebt (bewährt?) gewesen, einer, der auf dem Sand der Arenen im gewandten Spiel der iuvenes gut geschult war, und war als (jener) Pulcher berühmt. Oft habe ich, mit verschiedenen
1670 1671 1672 1673 1674
Vgl. Horster 2001, 52–53. Kakoschke 2006, 95, GN 167. EAOR V, 86. Kakoschke 2006, 223–224, CN 739. EAOR V, 86. Kakoschke 2006, 225: 150–300 n. Chr. C. Vismara vermutete, dass zivile ursarii in Kollegien organisiert waren und Augurius Catullinus Mitglied in einem solchen Bund gewesen sein könnte. EAOR V, 52. 1675 EAOR V, 51–52, Nr. 31, Taf. XIV, 1–3 (= CIL 12, 533). 1676 EAOR V, 51–52, Nr. 31, ZZ. 3–13, Taf. XIV, 1–3 (= CIL 12, 533).
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
Waffen ausgerüstet, wilde Tiere gefoppt; dennoch habe ich für diese als Arzt gelebt, ich war den Ursariern ein Begleiter, und denen, die ein Opfertier für die Opferhandlungen zu töten pflegen sowie denen, die zu Beginn des Frühlings die Götterbildnisse mit Blumenkränzen erfrischen. (…)1677
Der Inhalt des hier zitierten Textabschnittes zielt darauf ab, den Verstorbenen in seiner Wesensart und in seinem Arbeitsfeld zu charakterisieren. Dabei scheinen unterschiedliche Kriterien die Auswahl der gelieferten Informationen bestimmt zu haben. Bei deren Betrachtung muss man allerdings im Hinterkopf behalten, dass Sextus Iulius Felicissimus ein Akteur der Arena war, also einer Tätigkeit nachging, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit infamia-ähnlichen Stigmata belegt war.1678 Darauf lassen zumindest die Erwähnung seiner Unschuld wie auch die seiner mens pia schließen: Damit hebt er sich zum einen von den noxii ab, die zum Kampf in der Arena als verurteilte Verbrecher gezwungen waren, und weist zum anderen darauf hin, dass er als rechtschaffener Römer den altrömischen Wert der pietas nicht nur kannte, sondern auch verkörperte. Seine Unverletztheit deutet auf seine Geschicklichkeit und sein Arena-Können hin. Seine Beliebtheit, seine Gewandtheit im lusus iuvenum1679 sowie sein schmeichelhafter Künstler- bzw. Kampfname Pulcher zeigen, dass er beim Publikum in hoher Gunst stand, die ihm offenbar in der gesellschaftlichen Hierarchie der Provinzgesellschaft das gemeinsame Auftreten mit Jünglingen der Nobilität erlaubte.1680 Da er es offenbar als eine Ehrbezeugung verstand, dass er an Aktivitäten der elitären iuvenes teilnehmen durfte, lässt dies den Schluss zu, dass er selbst nicht dieser sozialen Schicht angehörte. Darüber hinaus sind sowohl der Name des Verstorbenen als auch die der Dedikanten Sextus Iulius Felix und Felicitas besonders im Sklaven- und Freigelassenenmilieu sehr häufig bezeugt, was gut in den hier skizzierten Rahmen passen würde.1681 Daneben scheint Sextus Iulius Felicissimus auch als paegniarius oder venator aufgetreten zu sein, wobei er für diese Tätigkeit nicht das Töten wilder Tiere in den Mittelpunkt rückte, sondern das An-der-Nase-herum-Führen derselben mit verschiedenen Gerätschaften, wie es besonders bei den spätantiken venationes üblich wurde.1682 1677 Übersetzung: Verfasserin. Eine englische Übersetzung sowie ein Kommentar zum Inschriftentext finden sich bei Courtney 1995, 116–119, 327–328. 1678 Zur Infamie der Gladiatoren s. Ebner 2013, 170–171, mit Anm. 43. Mann 2011, 90–91. Papini 2004– 2005, 185 f., Anm. 4 mit weiterführender Literatur. Wiedemann 2001, 42 f. Ville 1981, 339–343. 1679 Zu den Übungen der collegia iuvenum s. Thuillier 1999, 94–95. 1680 Vgl. Courtney 1995, 327. EAOR V, 52 mit weiterführender Literatur zu den Kampfnamen von Gladiatoren. 1681 EAOR V, 52. 1682 Vor diesem Hintergrund scheint eine spätere Datierung der Inschrift erwägenswert, vor allem da venationes in Südfrankreich bis um die Mitte des 5. Jhs. n. Chr. bezeugt sind. Puk 2014, 265–266. Hufschmid 2009, 240–241 mit Anm. 1308, erwägt hingegen mit Verweis auf die Stuckreliefs im sog. Passaggio di Commodo, auf ein venatio-Relief aus Apri/Kleinasien sowie auf das Stiermosaik von Silin in Tripolitanien die Existenz derlei Vorführungen bereits ab dem 2. Jh. n. Chr. Ausführlich zu
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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Dass er dieselben Tiere, die er zuvor in der Arena noch gefoppt hatte (feras lusi), mit seinen medizinischen Kenntnissen bedachte (medicus tamen (i)is quoque vixi), scheint gegen übliche Normen zu verstoßen, denn es heißt ausdrücklich tamen vixi. Ähnliches gilt für die Aussage, dass er sowohl den ursarii als auch victimarii und coronarii als Begleiter zugeordnet war.1683 Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass ein ursarius, dessen Arbeitsgebiet hier deutlich von dem des Sextus Iulius Felicissimus getrennt und ohne jeglichen militärischen Bezug erscheint, weder für die medizinische Versorgung wilder Tiere zuständig war, noch in der Arena auftrat, um mit wilden Tieren allerlei Späße zu treiben. Ursarii scheinen zudem dem Ansehen nach über dem der Profession des Sex. Iulius Felicissimus gestanden zu haben, da Sextus seine Assoziation mit ihnen in rühmender Manier hervorhebt. Da ursarii in der Inschrift in einem Atemzug mit kultischem Personal genannt werden (victimarii, coronarii), genossen sie möglicherweise einen ähnlichen Status wie diese. Wie genau man sich einen Begleiter (comes) eines ursarius vorzustellen hat, geht aus der Textstelle leider nicht hervor. Auch wüsste man gern, ob die von Sex. Iulius Felicissimus aufgezählten Tätigkeiten gleichzeitig von ihm versehen wurden, oder ob sie uns in seiner Grabinschrift gleichsam als sein cursus honorum entgegentreten. Obgleich ein möglicher Adressat in der ursarius-Inschrift aus Andemantunnum/ Langres verloren ist, wird das Objekt der Schenkung, ein opus quadratarium, explizit im Text genannt. Die Spezifizierung des gewählten Begriffs bereitet allerdings Schwierigkeiten. Der Umstand, dass die Schenkung von einem ursarius getätigt wurde, lässt zunächst einen irgendwie gearteten Zusammenhang mit wilden Bären vermuten. Zu denken wäre in erster Linie an einen Käfig für wilde Tiere, der – wie die vielfachen mosaizistischen Darstellungen dieser Gegenstände beweisen – viereckig, aus Holz und bisweilen mit Eisen verstärkt war.1684 Aber ob die Schenkung eines einzelnen, wenngleich aufwändig gearbeiteten Käfigs ausreicht, um eine (Weih-/Stifter-) Inschrift zu motivieren, scheint eher fraglich.1685 Es bleibt, an die Stiftung eines Käfigs in aufwändigerem Format zu denken, also an eine Art vivarium, in dem möglicherweise eine größere Anzahl von Holzkäfigen inbegriffen war. Diese Vermutung ruft die bereits besprochene Inschrift des A. Titius Severus (Kat. 2.2.4, s. oben) in Erinnerung, der sich in einer Weihinschrift als Stifter einer vivariums-Einzäunung zu erkennen gibt. Handelte es sich bei der Schenkung des Augurius Catullinus tatsächlich ebenfalls um ein vivarium, müsste besagte Inschrift als Bauinschrift zu deuten sein. Dazu würde pasvenationes in spätantiker Zeit s. Puk op. cit., 264–288. C. Epplett, Anastasius and the Venationes, in: Nikephoros 17, 2004, 221–230. Vgl. Friedländer 1964, 86 f. 1683 Vgl. Courtney 1995, 327 f. Zu den medici veterenarii der Praetorianer s. Epplett 2003, 83, Anm. 54. Zu einem medicus ludi Matutini s. Sabbatini Tumolesi 1988, 40–42, Nr. 33–35. 1684 Rea 2001, 253 ff., 263 ff. 1685 Dass mit opus quadratarium ein Tesselat gemeint sein könnte, ist bei EAOR V, 86, m. E. überzeugend widerlegt.
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sen, dass bei Bauinschriften allein der Stifter bzw. Finanzier des Bauwerkes genannt werden durfte, und auch, dass sich ein Verweis auf die Finanzquelle (de sua pecunia) im Inschriftentext sowie die Nennung des Bauwerkes selbst findet.1686 Das in Bauinschriften euergetisch zu deutende dare würde ebenfalls für eine Ansprache als Bauinschrift sprechen.1687 Die zweite hier zu besprechende Inschrift aus der Germania Superior betrifft ebenfalls den Bereich der Tierschauspiele und erwähnt ursarii, die ohne jegliche Angaben von Dienstgrad oder Truppenverband ebenfalls als zivile ursarii anzusprechen sind.1688 Die Kalksteinplatte, die 1868 in Turicum/Zürich „500 Schritte“ von der römischen Kastellmauer entfernt im Hof der Strafanstalt gefunden wurde, ist zwar an einigen Stellen beschädigt, doch der kurze Text lässt sich ohne Schwierigkeiten rekonstruieren:1689 Deae Dianae et Silvano ursari posueru nt ex voto
Es handelt sich demnach um eine Weihinschrift, die der Jagdgöttin Diana und dem Waldgott Silvanus gewidmet ist – eine im Zusammenhang mit den Tierschauspielen in Germanien bislang einzigartige Kombination. Gesetzt wurde die Inschriftentafel von nicht näher bestimmten ursarii, die damit ihr Gelöbnis erfüllten. Paläographische Beobachtungen und der Gebrauch des Epithetons deae verweisen die Inschrift in das 3. Jh. n. Chr.1690 Gefunden wurde sie auf dem Areal des ehemaligen Dominikanerinnenklosters, das in der Reformation aufgelöst worden war und danach unter anderem als Strafanstalt gedient hatte, sowie nördlich des Lindenhofes, dem Ort, an dem sich zumindest im 1. Jh. n. Chr. ein Stützpunkt römischer Militärverbände befand.1691 Der genaue Fundkontext des Weihesteins ist nicht überliefert.1692 Der Fundort der Inschrift deutet allerdings darauf hin, dass jene ursarii wahrscheinlich im vicus Turicum gelebt haben, für den in der frühen Kaiserzeit auch ein sakraler Bezirk – vielleicht mit einem Tempel – auf dem sog. Sihlbühl vermutet wird.1693 Da keine weiteren Spezifikationen
1686 Ausführlich zum Bau und zur Finanzierung von Amphitheatern s. Kap. 2.3 Amphitheater in Germanien: Bau, Finanzierung, Bedeutung. 1687 Vgl. Horster 2001, 52–53. 1688 EAOR V, 86, Nr. 52, Taf. XXII, 2 (=CIL 13, 5243; ILS 3267). 1689 EAOR V, 86. 1690 EAOR V, 87. Raepsaet-Charlier 1993, 13–14. 1691 Balmer 2009, 100, 163–167, 191, 192, Abb. 65. 1692 Der Weihestein soll von römischem Schutt umgeben gewesen sein. Balmer 2009, 100–101. 1693 Balmer 2009, 101, 168. Zu römerzeitlichen Siedlungshorizonten s. Balmer op. cit., 163. Le Roux 1990, 211, vermutete, dass der in Turicum gefundene Text mit dem Legionslager der legio XI Claudia in Verbindung zu bringen sei, die während des Dakerkrieges unter Vespasian nordwestlich von
3.2 Venatio, vivarium, ursarius – Das Militär und die Logistik der Tierschauspiele
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hinsichtlich der Identität der ursarii im Inschriftentext gemacht werden, war es dem Leser offenkundig klar, wer mit ursarii gemeint war. Oder aber es handelte sich um eine Art collegium ursariorum, dessen kollektive Bezeichnung für eine Identifizierung ausreichend war.1694 Noch eine andere Inschrift aus Germania Superior lässt sich möglicherweise mit unseren zivilen ursarii in Verbindung bringen. Dabei handelt es sich um eine aus einer Trierer Manufaktur stammemde Bilderschüssel des Töpfers Dexter aus Terra Sigillata, die man 1908 im Keller 182 vor der nordöstlichen Ecke des Kastells vom Zugmantel gefunden hatte (Kat. 1.18.4).1695 Die Außenseite des Gefäßes zieren erotische Szenen, die durch Darstellungen von Tieren und floralen Elementen voneinander getrennt sind.1696 Die Inschrift, die offensichtlich nach dem Brand außen in die Randzone des Gefäßes eingeritzt wurde, besteht aus einem einzigen Wort im Genitiv Plural, vesstigiatorum [sic], und gibt sich somit als Besitzerinschrift zu erkennen.1697 Ein vestigiator wird bei Varro mit den Worten vestigator a vestigiis ferarum quas indagatur definiert.1698 Zu übersetzen wäre sie demnach mit „(Besitz) der Spurensucher“. Über den Töpferstempel wird das Gefäß in die Schaffenszeit des Künstlers datiert, d. h. in die Zeit zwischen 150–180 n. Chr.1699 Fundort und Zeitstellung der Schüssel lassen dabei vermuten, dass die vestigiatores vom Zugmantel (germanische?) Auxiliare waren,1700 die für militärische Operationen im Zusammenhang mit dem Fangen wilder Tiere herangezogen wurden. Insbesondere das Spurenlesen und anschließende Aufspüren wilder Tiere in den Wäldern Obergermaniens bedurfte profunder Ortskenntnis, die sicherlich unter
1694 1695 1696 1697
1698 1699 1700
Turicum in Vindonissa/Windisch (Schweiz) stationiert war. Ein Legionslager existierte hier seit 14 n. Chr. Vgl. Vismara in EAOR V, 52. Zur familia Telegeniorum, einer Gilde von bestiarii, die besonders in der Sahel-Zone Tunesiens aktiv waren, s. Bomgardner 2000, 139, mit weiterführender Literatur. Jacobi 1937, 156, Taf. 27, Nr. 18. Dagegen nennt Wahl 1977, 128, als Fundort der Schüssel den Keller 182 der Praetentura des 2. Steinkastells. Jacobi 1937, Taf. 27, Nr. 18. Jacobi 1937, 156. Wahl 1977, 128. Vgl. die Grabinschrift eines vestigiators aus Iuvavum/Salzburg in der Provinz Noricum, die in die Zeit zwischen 251–400 n. Chr. datiert wird: EDH: HD013951 (= AE 1969/70, Nr. 452). Zu vestigiatores s. auch Epplett 2001, 217 f., der von der Anwesenheit von vestigiatores in Zugmantel auf ursarii in Zugmantel schließt. Varro ling. 5,94. Das Verb indagare impliziert ein Aufspüren mit Hunden. Zu einem zivilen vestigiator s. Egger 1967, 19–20. Zum vestigiator, der im Wald Bienenschwärme aufspürt, s. Egger op. cit., 20, Anm. 6. Vestigiatores zählten zu den milites immunes. Wesch-Klein 1998, 31–32, 38–39. Epplett 2001, 218. Egger 1967, 20. Jacobi 1937, 129, 154, Nr. 470. Ausführlicher zum Kastell Zugmantel und seinen zwei Amphitheatern s. oben Kap. 2.1.8 Zugmantel. Sommer 1988, 606–608, vermutet, dass der Bau des ersten Steinkastells am Zugmantel um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. durch die Ankunft einer neuen germanischen Militäreinheit motiviert war, in deren Gefolge auch germanische Frauen und Kinder im Kastellvicus Quartier bezogen. Dies würde den hohen Prozentsatz an autochthoner Keramik sowohl im Kastell als auch im Kastellvicus erklären. Zu einem Papyrus aus Ägypten, der einen offenbar ebenfalls militärischen οὐεστιγάτορος nennt, s. Epplett 2001, 218–219. Jacobi 1937, 157, dagegen vermutet für vestigiatores eine synonyme Bedeutung zu exploratores.
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den Einheimischen am ehesten zu finden war. Bemerkenswert ist zudem, dass für das Kastell Zugmantel zwei Amphitheater bezeugt sind (Kat. 1.18.1–1.18.2), die in irgendeiner Weise mit dem Fangen und/oder Vorführen von wilden Tieren in Verbindung gestanden haben könnten.1701 Da die vestigiatores vom Zugmantel offensichtlich mit dem römischen Militär assoziiert waren, liegt der Schluss nahe, dass die mit Hilfe der vestigiatores gefangenen Tiere – sofern sie nicht der Nahrungsversorgung dienten, sondern lebend gefangen wurden – für die kaiserlichen venationes oder die militärischen Amphitheater des Imperium Romanum bestimmt waren.1702 Eine literarische Notiz in den Digesten deutet darauf hin, dass mit den Spurensuchern auch venatores in Verbindung standen, die wiederum sowohl für den zivilen als auch für den militärischen Bereich bezeugt sind.1703 Venatores immunes, also Soldaten, die mit dem Jagen wilder Tiere beauftragt und zu diesem Zweck von den alltäglichen Dienstpflichten eines römischen Soldaten freigestellt waren, sind für Rom in der Zeit der Herrschaft Gordians bezeugt, in der sie offenbar mit den über das vivarium Aufsicht führenden Verbänden der cohortes praetorianae und cohortes urbanae zusammenarbeiteten (s. oben).1704 In Albanum/Albano Laziale (Latium et Campania, regio I), wo sich seit Beginn des 3. Jhs. n. Chr. nicht nur das Standlager der legio II Parthica befand,1705 sondern wo ein Amphitheater archäologisch nachgewiesen wurde,1706 traten zwei Inschriften zu Tage, von denen die eine einen zivilen venator namens Aurelius Bithus, die andere einen militärischen venator immunis namens Licinius Valentinus jener legio II Parthica überliefert.1707 Auch in der CCAA wurde ein Bruchstück eines Altares entdeckt, dessen erhaltene Textreste die Rekonstruktion des Wortes venator erlauben, das entweder als ein Epitheton für den Gott Merkur oder eventuell als Namensbestandteil des Dedikanten gelesen werden kann.1708 Weiterführende Schlüsse lassen sich aufgrund des lakunären Textes aus der Kölner Quelle allerdings nicht ziehen. Der Befund insgesamt macht zum einen deutlich, dass zivile und militärische venatores neben- oder miteinander arbeiteten, eine Möglichkeit, die wir auch für unsere germanischen ursarii in Betracht ziehen müssen. Zum anderen aber zeigt er, dass es für die Jagd auf wilde Tiere Spezialisten gab, die im militärischen Bereich unter dem Begriff 1701 Dagegen Wahl 1977, 128. Ausführlich zu den Amphitheatern von Zugmantel s. oben Kap. 2.1.8 Zugmantel. 1702 Jacobi 1937, 157, vermutete, dass es sich bei den erwähnten vestigiatores um eine Zugmantelkohorte handelte, die für Nachschub im Mainzer Hauptquartier sorgte. 1703 Dig. XXXIII 7,12,12. Le Roux 1990, 210–211. Wahl 1977, 129. Egger 1967, 20. 1704 CIL 6, 130. Sabbatini Tumolesi 1988, 26, Nr. 11. Epplett 2001, 212 f. Le Roux 1990, 210. Durry 1938, 57 ff. 1705 Ritterling 1925, 1477. Durry 1938, 35–36. 1706 Bomgardner 2000, 201. Golvin 1988, 215–216. 1707 Aurelius Bithus EDH: HD005750 (= AE 1975, Nr. 177) bzw. Licinius Valentinus EDH: HD007049 (= AE 1975, Nr. 160). Epplett 2001, 213, mit Verweis auf eine weitere Inschrift von venatores Bannieses von Birdoswald/Britannia. 1708 Galsterer 1987, 95, Nr. 18.
3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen
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venatores immunes firmierten. Dies wiederum aber bedeutet, dass ursarii wahrscheinlich nicht mit dem Jagen bzw. Fangen der Tiere beauftragt waren, denn diese Aufgabe oblag den genannten Spezialisten der römischen Armee. Betrachten wir alle ursarii-Inschriften gemeinsam, so lassen sich zunächst zivile von militärischen ursarii unterscheiden. Ein genauer Funktionsbereich von ursarii – gleich ob militärisch oder zivil – ließ sich nicht eindeutig herausarbeiten. Wahrscheinlich machen ließ sich allenfalls, dass ursarii nicht mit dem Fangen von wilden Bären befasst waren, sondern eher mit der Pflege oder dem Dressieren der Tiere. Der Umstand, dass sowohl Militärs als auch Zivilisten dieser Tätigkeit nachgehen konnten, lässt zudem vermuten, dass die Dienste von ursarii von verschiedenen Arbeitgebern in Anspruch genommen werden konnten. Da insbesondere das Zähmen wilder Bären dem Bereich der venationes zuzurechnen ist, wäre denkbar, dass militärische ursarii den Sektor der kaiserlichen Tierhetzen – d. h. in Rom oder den Militäramphitheatern des Imperium Romanum – bedienten und dabei entweder selbst Teil eines Militärverbandes waren oder als Zivilisten für das Militär arbeiteten. Die Auftraggeber ziviler ursarii hingegen wären in den Dekurionen einer (Provinz-) Stadt zu sehen, in deren Aufgabenbereich die Veranstaltung von munera legitima fiel. Nicht also die Aufgabe selbst, sondern die Auftraggeber unterschieden einen militärischen von einem zivilen ursarius. 3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen 3.3.1 Literarische, epigraphische und papyrologische Quellen zu Gladiatoren in der römischen Armee Literarische, epigraphische und papyrologische Verweise auf Gladiatoren innerhalb der römischen Armee betreffen den Zeitraum vom späten 2. Jh. v. Chr. bis ins 3. Jh. n. Chr. Der früheste dieser Verweise stammt aus der Exempla-Sammlung des Valerius Maximus: Im zweiten Buch seiner facta et dicta memorabilia, das die mitmenschlichen Pflichten im privaten und öffentlichen Bereich zum Inhalt hat (wohl nach 27 n. Chr.),1709 berichtet er, dass P. Rutilius Rufus als Konsul im Jahr 105 v. Chr. doctores gladiatorum aus dem ludus des C. Aurelius Scaurus verpflichtet hatte. Diese sollten das Waffentraining der römischen Soldaten effektiver gestalten.1710 Möglicherweise hatten er und 1709 Albrecht 1997, 852. 1710 Val. Max. 2,3,2: armorum tractandorum meditatio P. Rutilio consule Cn. Malli collega militibus est tradita: is enim nullius ante se imperatoris exemplum secutus ex ludo C. Aureli Scauri doctoribus gladiatorum arcessitis vitandi atque inferendi ictus subtiliorem rationem legionibus ingeneravit virtutemque arti et rursus artem virtuti miscuit, ut illa impetu huius fortior, haec illius scientia cautior fieret.“ Ü: Unter dem Konsulat des Publius Rutilius und seinem Amtskollegen Cnaeus Mallus ist den Soldaten die Vorbereitung der zu führenden Waffen anvertraut/gelehrt worden: denn dieser, der dem Beispiel keines Feldherrn vor ihm gefolgt war, pflanzte den Legionen, nachdem aus der Gladia-
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sein Amtskollege Cn. Mallius Maximus sich zu dieser Maßnahme gezwungen gesehen, nachdem die Römer in der Schlacht von Arausio/Orange (105 v. Chr.) eine verheerende Niederlage gegen die Kimbern hatten hinnehmen müssen.1711 Bei Ianuarius Nepotianus, der im 4. Jh. n. Chr. eine Kurzfassung der Exempla des Valerius Maximus verfasste, heißt es in diesem Zusammenhang: fisi virtute Romani sine artificio dimicabant.1712 Die Gladiatorentrainer sollten also den Legionären, die bis dahin nur auf ihre Tapferkeit vertraut, nicht aber mit der notwendigen Kunstfertigkeit zu kämpfen verstanden hatten, einen geschickteren Umgang mit dem Schwert beibringen: Dabei sollte ihr Repertoire laut Valerius Maximus nicht nur defensiv (vitandi ictus) mit Körper-, Schild- und Klingenparaden, sondern auch offensiv (inferendi ictus) erweitert werden. Da es ausdrücklich um das Parieren von Angriffen sowie das Setzen von Treffern ging, scheint die Unterweisung der Gladiatorentrainer auf die technischen Raffinessen des Nahkampfes ausgerichtet gewesen zu sein.1713 Gruppentaktische Kampftechniken wurden von den doctores gladiatorum offenbar nicht vermittelt. Das legt die Vermutung nahe, dass nur ein Teil des gladiatorischen ‚Fechtens‘ für militärische Zwecke überhaupt von Nutzen war.1714 Valerius’ Formulierung nullius ante se imperatoris exemplum secutus lässt zudem erkennen, dass im Jahre 105 v. Chr. erstmals ein römischer Oberbefehlshaber Gladi-
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torenkaserne des Caius Aurelius Scaurus Gladiatorentrainer herbeigerufen worden waren, eine gründlichere/scharfsinnigere Art ein, Schwerthieben auszuweichen und solche zuzufügen und mischte so der Fechtkunst virtus und der virtus wiederum Fechtkunst bei, damit jene durch das Ungestüm dieser stärker, diese aber durch Besonnenheit jener vorsichtiger würde. Welch 2007, 79. Junkelmann 2002a, 114. Mosci Sassi 1992, 98–99. Horsmann 1991, 82–83, 137–138. Le Roux 1990, 206. Baltrusch 1988, 326–327, 335. Golvin 1988, 154. Schneider 1918, 762. Vgl. Ianuarius Nepotianus 10,22: fisi virtute Romani sine arteficio dimicabant. itaque P. Rutilio et Cn. Mallio conss. e ludo gladiatorio doctores arccessiti sunt, ut inferre ictus ac declinare monstrarent, adiutaque est artificio fortitudo. Ennod. paneg. dictus Theodorico 85: Rutilium et Manlium comperimus gladiatorium conflictum magistrante populis providentia contulisse, ut inter theatrales caveas plebs diuturna pace possessa quid in acie gereretur agnosceret. Ü (Rohr 1995, 257–259): „Von Rutilius und Manlius wissen wir, dass sie aus Fürsorge für das Volk Gladiatorenkämpfe austragen ließen, damit die Menschen, die ja seit langer Zeit in Frieden lebten, im Rund des Theaters erführen, wie es denn in der Schlacht hergehe.“ Auch inschriftlich sind doctores der einzelnen Waffengattungen überliefert: CIL 5,1907; 6,10174, 10175 (doctor myrmillonum). CIL 6,4333 (doctor secutorum). CIL 6,10181 (doctor oplomachorum). CIL 6,10192 (doctor Thraecum). Schneider op. cit., 776. Fagan 2015, 130. Welch 2007, 79. Baltrusch 1988, 327. Ihm 1965, 401–402. Bengston 1970, 168–169. Für die Germania Inferior bezeugt eine in der CCAA/Köln gefundene Grabinschrift (Kat. 2.2.6) aus dem 2./3. Jh. n. Chr., dass hier ein doctor gladiatorum namens Ger(manicus?) Victor gelebt hat. Ianuarius Nepotianus 10,22. Albrecht 1997, 857. Rohr 1995, 259, Anm. 79. Baltrusch 1988, 328. Schanz/Hosius 1967, 591–592. So auch Junkelmann 2008, 21. Junkelmann 2000a, 115. Dagegen Baltrusch 1988, 326–327, wenig überzeugend (s. unten). Le Roux 1990, 206. Vielleicht war es ja dieses Waffentraining der doctores gladiatorum, das auch die Disziplin der Truppe positiv beeinflusste: Denn laut einer bei Frontin überlieferten Notiz zog Marius für seinen Kampf gegen die germanischen Cimbern genau aus diesem Grund die Truppen des Rutilius trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit denen des Metellus vor. Frontin. strat. 4,2,2. Welch 2007, 79–80.
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atorentrainer zu Ausbildungszwecken einsetzte.1715 Dass es sich um ein Ausleihen der Gladiatorentrainer und weniger um ihre dauerhafte Integration in die Strukturen der römischen Armee handelte, kann nur gemutmaßt werden: Der explizite Hinweis auf die Besitzverhältnisse der Gladiatorenkaserne und damit der Gladiatorentrainer, die aus dem privaten ludus eines römischen Adligen stammten (ex ludo C. Aureli Scauri), scheint eher einen temporären Auftrag zu indizieren.1716 Auch die Singularität der literarischen Notiz könnte darauf hindeuten, dass allein die Verzweiflung über die Niederlage der römischen Truppen eine Verpflichtung der Gladiatorentrainer motiviert hatte. Unstrittig ist in jedem Fall, dass umgekehrt ein Teil der gladiatorischen Ausbildung dem Drill des römischen Militärs entlehnt war. Das jedenfalls lässt die Nomenklatur der Fachbegriffe im Bereich der Gladiatur wie etwa tiro, veteranus, palus/pilus oder doctor/magister erahnen.1717 Erst gut ein halbes Jahrhundert später hören wir erneut von Gladiatoren im römischen Heer. In den Wirren des Bürgerkriegs zwischen Caesar und Pompeius im Jahr 49 v. Chr. hoffte der amtierende Konsul L. Cornelius Lentulus mit Hilfe von Gladiatoren, die aus der Gladiatorenkaserne Caesars in Capua stammten, seine Streitkräfte auffüllen zu können.1718 Er schürte ihre Hoffnung auf Freiheit und wies ihnen Pferde zu. Das allerdings missfiel der Mehrheit der römischen Bürger, so dass Lentulus sich
1715 Baltrusch 1988, 327, Anm. 16. 1716 Val. Max. 2,3,2. Dagegen hält Welch 2007, 80, den Einsatz von Gladiatorentrainern auch später noch für möglich. Vgl. zum doctor cohortis bzw. doctor armorum Le Bohec 1993, 51, 55–56. Zur Entstehung von ludi im Privatbesitz römischer nobiles gegen Ende des 2. Jhs. v. Chr. und deren Schließung unter Domitian s. Baltrusch 1988, 334–335, 337. Vgl. Welch op. cit., 91. Fagan 2015, 127. 1717 Mosci Sassi 1992, 98–99, 136, 147–148, 179–180. Fagan 2015, 130–131. Junkelmann 2008, 21. Jacobelli 2003, 52. Horsmann 1991, 133–140. Golvin 1988, 154. Schneider 1918, 776, 778. Veg. mil. I 11,1–4: antiqui, sicut invenitur in libris, hoc genere exercuere tirones. scuta de vimine in modum cratium conrotundata texebant, ita ut duplum pondus cratis haberet, quam scutum publicum habere consuevit. idemque clavas ligneas duplicis aeque ponderis pro gladiis tironibus dabant. eoque modo non tantum mane sed etiam meridiem exercebantur ad palos. palorum enim usus non solum militibis sed etiam gladiatoribus plurimum prodest. nec umquam aut harena aut campus invictum armis virum probavit, nisi qui diligenter exercitatus docebatur ad palum. Ü (Müller 1997, 45): „Wie man in den Büchern findet, übten die Alten ihre Rekruten in folgender Weise: Schilde aus Weiden fertigten sie in rundlicher Form nach Art von Korbgeflechten, und zwar so, daß das Geflecht das doppelte Gewicht hatte, als ein gewöhnlicher Schild zu haben pflegt. Ebenso gaben sie den Rekruten anstelle von Schwertern hölzerne Knüttel, gleichfalls von doppeltem Gewicht. In dieser Art übten sie nicht nur am Morgen, sondern auch nachmittags an den Pfählen. Die Praxis mit den Pfählen ist ja nicht nur für die Soldaten, sondern auch für die Gladiatoren sehr förderlich. Niemals hat die Arena oder das Schlachtfeld jemanden als unbesieglich in Waffen erwiesen, der nicht gewissenhaft eingeübt und am Pfahl ausgebildet wurde.“ Ausführlich dazu s. Junkelmann 2008, 19–21, 84–87. Mann 2011, 38–39. Vgl. die Darstellung (2./3. Jh. n. Chr.) eines am palus trainierenden Gladiators bei Junkelmann op. cit., 21, Abb. 21. Über die Datierung der Epitoma rei militaris herrscht Uneinigkeit, da der Kaiser, dem das Werk zugedacht ist, von Vegetius nicht namentlich genannt wird. Müller op. cit., 11, plädiert aufgrund des Verbots der Gladiatorenspiele unter Konstantin bzw. Honorius für Theodosius I (379–395 n. Chr.). 1718 Ville 1981, 294. Zu den ludi von Capua s. Welch 2007, 91.
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schließlich gezwungen sah, die Gladiatoren zum Schutz Kampaniens auf die führenden Familien Roms aufzuteilen.1719 Über die Gründe der ablehnenden Haltung gegenüber den Gladiatoren erfahren wir leider nichts. Im sog. bellum Perusinum 41/40 v. Chr. weiß der Geschichtsschreiber Appian (90 – nach 160 n. Chr.) von Gladiatoren im Heer des L. Antonius gegen Octavian zu berichten, deren kämpferische Qualitäten besonders im Nahkampf zum Tragen kamen.1720 Laut Cicero war Lucius Antonius nicht nur der Bruder von Marcus Antonius, sondern ursprünglich selbst Gladiator in der armatura eines murmillo gewesen, bevor er ein Kommando bei den Streitkräften seines Bruders übernahm.1721 Einige Jahre später befanden sich laut Cassius Dio und Josephus im Machtkampf um die Nachfolge Caesars auch im Heer von Marcus Antonius Gladiatoren. Diese wollten eigens zu Antonius’ Unterstützung nach Ägypten kommen.1722 Ursprünglich waren sie in Kyzikos für ein munus zu Ehren des verstorbenen Caesar ausgebildet worden, wurden dann aber von Q. Didius, dem Statthalter von Syrien, mit Hilfe des Herodes auf dem Weg nach Ägypten abgefangen und zur Kapitulation überredet. Weil die Gladiatoren nichts von M. Antonius gehört hatten, glaubten sie, er sei tot, und gingen auf die Versprechungen des Q. Didius ein. Zu ihren Forderungen zählte, dass sie nie wieder in der Arena würden kämpfen müssen. Auch hatte man sie damit gelockt, sie in die römischen Legionen aufzunehmen. Doch keine der Versprechungen wurden eingehalten: Man teilte sie zunächst auf verschiedene Orte auf und ließ sie bald darauf töten. Ihren Tod scheint Q. Didius demnach als das kleinere Übel betrachtet zu haben – gegenüber der Aufnahme rebellischer Gladiatoren von niedriger sozialer Stellung in die Reihen römischer Legionäre. Im Jahr 14 n. Chr., kurz nach dem Amtsantritt des Kaisers Tiberius, brach unter den Soldaten der in Pannonien stehenden Legionen VIII, IX und XV eine Revolte aus. In diesem Zusammenhang berichtet Tacitus, dass der Befehlshaber über diese drei Legionen, Iunius Blaesus, eine Leibgarde besaß, die sich aus Gladiatoren zusammensetzte.1723 Blaesus hielte sich diese Gladiatoren in exitium militum, also zum Verderben der Soldaten, und stattete sie zudem mit Waffen aus – so jedenfalls lautete der Vorwurf, 1719 Caes. civ. I 14,4: gladiatoresque, quos ibi Caesar in ludo habebat, ad forum productos Lentulus libertatis spe confirmat atque equos attribuit et se sequi iussit; quos postea monitus ab suis, quod ea res omnium iudicio reprehendebatur, circum familiaris conventus Campaniae custodiae causa distribuit. Cic. Att. 7,14; 8,2. 1720 App. civ. 5,30; 5,33. Ville 1981, 294. Die Entstehung der Emphylia wird in die Zeit um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. datiert. Lesky 1963, 902. Albrecht 1997, 1088. Schneider 1918, 768. Vgl. Suet. Aug. 14: circa Perusium autem murum sacrificans paene interceptus est a manu gladiatorum, quae oppido eruperat. 1721 Cic. Phil. 3, 31. 1722 Cass. Dio 51,7. Ios. ant. Iud. 15,7; bell. Iud. 1,20,2. Ville 1981, 294. Schneider 1918, 768. 1723 Tac. ann. I, 22,1: nocte proxima iugulavit per gladiatores suos quos in exitium militum habet atque armat; I, 23,1: ut pars militum gladiatores qui e servitio Blaesi erant, pars ceteram eiusdem familiam vincirent. Wilmott 2008, 170. Golvin 1988, 154.
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den einer der aufständischen Soldaten dem Lagerkommandanten machte. Aus dieser kurzen Episode lässt sich eine klare Opposition der (revoltierenden) Soldaten gegen die als Leibgarde des Oberbefehlshabers eingesetzten Gladiatoren erkennen. Ob diese politischer Natur war – Aufständische gegen Kaisertreue – oder aber generell auf Animositäten zwischen Gladiatoren und Soldaten hindeuten, kann aus dem Kontext der Stelle jedoch nicht erschlossen werden. Kurze Zeit später erhoben sich in Gallien im Jahre 21 n. Chr. die Aeduer unter ihrem Anführer Iulius Sacrovir gegen die römische Okkupation.1724 Zur ‚Streitmacht‘ des Sacrovir zählten sog. crupellarii, roh gepanzerte Krieger, die man e servitiis gladiaturae rekrutiert hatte.1725 Diese, von Tacitus ferrati genannte Kämpfer, konnten in ihrer sperrigen Rüstung zwar nicht gut Treffer austeilen, waren dafür aber gegen das Empfangen selbiger bestens geschützt. Obwohl die ferrati den Ansturm der heranrückenden Legionen für einen kurzen Moment aufhalten konnten, erwiesen sie sich im tosenden Kampfgeschehen als wenig hilfreich und der Aufstand wurde schnell erstickt.1726 Einen entscheidenden Impuls hatten die aus der Sklaverei der Gladiatur befreiten Schwerbewaffneten dem Schlachtverlauf anscheinend nicht geben können. Darüber hinaus berichtet Tacitus, dass im wechselvollen Jahr 69 n. Chr. in der Armee des Otho die ungeheure Zahl von 2.000 Gladiatoren in Dienst stand.1727 Diese gladiatorische Verstärkung der regulären Verbände wird von ihm als deforme auxilium bezeichnet, also als ‚entehrte Hilfseinheit‘.1728 Die abwertende Wortwahl dürfte nicht nur der Infamie der Gladiatoren und Tacitus‘ negativer Einstellung ihnen gegenüber geschuldet sein, sondern könnte möglicherweise auch auf den begrenzten Nutzen von Gladiatoren innerhalb römischer Militärverbände hindeuten.1729 Eingesetzt wurden die Gladiatoren des Otho während des Bürgerkrieges, um etwa unter den Hilfstruppen der Vitellianer Verwirrung zu stiften; oder auch um im Fluss Po gegen Germanen zu kämpfen, während die beiden verfeindeten Heere vom Ufer aus dem Kampfgeschehen zusahen – eine fast arenaähnliche Situation, wie man meinen möchte.1730 Die hier erwähnten Gladiatoren scheinen eine Art Spezialeinheit gebildet zu haben, die offenbar nicht im Verband mit regulären Soldaten agierte, sondern in Schlachtphasen
1724 Urban 1999, 39–45, bes. 42–43. 1725 Tac. ann. 3,43,4: adduntur e servitiis gladiaturae destinati quibus more gentico continuum ferri tegimen: crupellarios vocant, inferendis ictibus inhabilis, accipiendis impenetrabilis. Junkelmann 2000, 128, Abb. 118. Ville 1981, 294. 1726 Tac. ann. 3, 45–46. 1727 Tac. hist. 2,11,5. Devillers 2010, 297–299. Schmitz 2008b, 124. Ville 1981, 294. Allgemein zum Vierkaiserjahr s. Bellen 2010, 66–80. 1728 Devillers 2010, 298. 1729 Devillers 2010, 297–299. Junkelmann 2008, 20. Ville 1981, 294–295. Vgl. Tac. hist. 2,35. Zur Infamie der Gladiatoren s. Ebner 2013, 170–171. Mann 2011, 44–45, 70, 90–91. Ville 1981, 339–343. Le Roux 1990, 206. 1730 Tac. hist. 2,23 bzw. 2,34–35, 2,43. Ville 1981, 294.
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mit hohem Nahkampfanteil ins Feld geschickt wurde.1731 Der Kaiserbiograph Sueton wiederum berichtet, dass sich Vitellius noch im selben Jahr, nun im Kampf gegen Vespasian, ebenfalls einiger Gladiatorenverbände bediente.1732 Will man der Historia Augusta Glauben schenken, nahm auch Marc Aurel (161– 180 n. Chr.) während einer Pestepidemie Gladiatoren in seine militärischen Einheiten auf, die er die ‚Willfährigen‘ (obsequentes) nannte – vielleicht eine herabsetzende Anspielung auf den bedingungslosen Gehorsam, den Gladiatoren beim Eintritt in einen ludus dem lanista schwören mussten.1733 Neben Gladiatoren ließ Marc Aurel auch Sklaven und Verbrecher zu Soldaten ausbilden, um Streitkräfte gegen die Germanen und Markomannen aufbieten zu können. Diesmal galt es also, nicht innenpolitische, sondern außenpolitische Bedrohungen abzuwenden, wobei offenbar die Schwächung durch eine Pestepidemie Marc Aurel zu dieser extremen Maßnahme gezwungen hatte.1734 Wie schon im Vierkaiserjahr 69 n. Chr. brachte auch die Zeit nach der Ermordung Kaiser Commodus’ machtpolitische Kämpfe um seine Nachfolge mit sich: Didius Iulianus soll während seiner kurzen Regierungszeit (28.3.–2.6.193 n. Chr.) seinem Untergebenen Lollianus Titianus befohlen haben, die Gladiatoren im kaiserlichen ludus von Capua für den Kampf gegen Septimius Severus mit Waffen auszustatten.1735 Offenbar versprach er sich – wie vor ihm schon andere in innenpolitischen Machtkämpfen – von den kampferprobten Gladiatoren schlagkräftige Unterstützung. Dagegen besagt eine in den Digesten erhaltene Notiz des Militärjuristen Tarrutienus Paternus, dass Gladiatoren im 2. Jh. n. Chr. zu den milites immunes gerechnet wurden, also zu den Soldaten mit Spezialaufgaben.1736 Das lässt vermuten, dass zumindest in dieser Zeit Gladiatoren auch dauerhaft zu regulären Verbänden innerhalb der römischen Armee gehören konnten. Darüber hinaus wurden Gladiatoren in parami1731 Vgl. Le Roux 1990, 207. Ville 1981, 295. 1732 Suet. Vit. 15,2. Vgl. Tac. hist. 3,57; 3,76–77. Devillers 2010, 300. 1733 SHA Aur. 21,7. Der Wortlaut des Eides ist bei Seneca (epist. IV,37,1) und Petron (Petron. 117) überliefert. Coleman 2010, 420. Golvin 1988, 154. Ville 1981, 294–295. Ebenfalls aus der Historia Augusta stammt eine Aufzählung von wilden Tieren, die sich unter Gordian in Rom befanden und für die Arena bestimmt waren, darunter der Vermerk, dass sich auch gladiatorum fiscalium paria mille, also 1000 Paare von staatlichen Gladiatoren – wahrscheinlich aus einem kaiserlichen ludus – auf jener Inventarliste befänden. SHA Gord. 33,1. 1734 Vgl. Baltrusch 1988, 326, Anm. 15. 1735 SHA Did. 8,3. Zu den ludi von Capua s. Welch 2007, 91. 1736 Digesten 50,6,7: quibusdam aliquam vacationem munerum graviorum condicio tribuit, ut sunt mensores, optio valetudinarii, medici, capsarii, et artifices et qui fossam faciunt, veterinarii, architectus, gubernatores, naupegi, ballistrarii, specularii, fabri, sagittarii, aerarii, bucularum structores, carpentarii, scandularii, gladiatores, aquilices, tubarii, cornuarii, plumbarii, ferrarii, lapidarii, et hi qui calcem cocunt, et qui silvam infindunt, qui carbonem caedunt ac torrent. in eodem numero haberi solent lani, venatores, victimarii, et optio fabricae, et qui aegris praesto sunt, librarii quoque qui docere possint, et horreorum librarii, et librarii depositorum, et librarii caducorum, et adiutores corniculariorum, et stratores, et polliones, et custodes armorum, et praeco, et bucinator. hi igitur omnes inter immunes habentur. Wesch-Klein 1998, 31–32. Tarrutienus Paternus schrieb über die milites immunes möglicherweise in der Zeit, als er unter Marc Aurel (161–180 AD Kaiser) zum Prätorianerpräfekt gewählt wurde.
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litärischer Funktion verpflichtet: In seiner Verteidigungsrede für Publius Sestius im Jahre 56 v. Chr. erwähnt Cicero, dass zum Gefolge eines Prätors eine Schar Gladiatoren zählte.1737 Darüber hinaus erfahren wir von Sueton, dass der persönlichen Leibgarde des Caligula (37–41 n. Chr.) Gladiatoren in der armatura der thraeces vorgestanden haben.1738 Betrachtet man die historischen Rahmenbedingungen, in denen Gladiatoren in römische Militärverbände aufgenommen wurden, so lassen die literarischen Quellen eine gewisse Gesetzmäßigkeit erkennen: Gladiatoren waren besonders in der späten Republik sowie in der frühen Kaiserzeit bei militärischen Einsätzen involviert, hauptsächlich bei innenpolitischen Machtkämpfen.1739 So bildeten zunächst Bürgerkriege, später die machtpolitischen Kämpfe um die Kaisernachfolge das Hauptmotiv bei der Rekrutierung gladiatorischer Kämpfer. Auch Aufständische versuchten bisweilen, die Kampfkraft der Gladiatoren für ihre Zwecke zu kanalisieren. Unter Marc Aurel (161– 180 n. Chr.) hingegen verursachte eine Pestepidemie offenbar einen dramatischen Rückgang der wehrfähigen Bevölkerung, so dass er bei einer außenpolitischen Bedrohungslage auf Gladiatoren zurückgreifen musste, um die Reihen seiner Soldaten aufzufüllen. Der literarische Befund macht also deutlich, dass Gladiatoren in der Republik und frühen Kaiserzeit nur in Ausnahmefällen in militärische Verbände integriert wurden und in diesen als Sondereinheit zum Einsatz kamen.1740 Ihr Ansehen scheint dabei hinter dem regulär ausgebildeter römischer Soldaten deutlich zurückgestanden zu haben. Man könnte vermuten, dass dies in der Diskrepanz ihres sozialen Status begründet lag, bei dem freien römischen Bürgern oder Peregrinen mit Aussicht auf das römische Bürgerrecht Sklaven, Kriegsgefangene, Verbrecher oder bestenfalls Freiwillige, die der infamia unterlagen, gegenüberstanden.1741 Doch dürfte ebenso eine Zunahme an mangelnder Kompatibilität von gladiatorischem und militärischem Kampfverhalten diesbezüglich eine entscheidende Rolle gespielt haben. Denn der Kampf in der Arena unterschied sich – zumindest ab augusteischer Zeit – eklatant von dem auf dem Schlachtfeld:1742 So war zur Zeit der Republik ein Großteil der Gladiatoren Kriegsgefangene und Sklaven, die anlässlich von aristokratischen Begräbnisfeierlichkeiten Kämpfe auf Leben und Tod zur Schau stellten – anfänglich wohl in ihren indigenen Waffenrüstungen (samnes, galli, thraeces).1743 Im Laufe
1737 Cic. Sest. 85. Vgl. Schneider 1918, 763. 1738 Suet. Cal. 55,2. Vgl. Schneider 1918, 765, zu weiteren Verbindungen des Caligula zur römischen Gladiatur. 1739 Vgl. Baltrusch 1988, 326. 1740 Vgl. Le Roux 1990, 206. Baltrusch 1988, 326. 1741 Ebner 2001, 170–171. Junkelmann 2008, 20–21. Junkelmann 2002a, 115, führt als weiteren Grund den hohen finanziellen Wert von Gladiatoren an. Vgl. auch Coleman 2010, 419–421. 1742 Junkelmann 2008, 19–21, 145–169. Junkelmann 2002, 38–40. Junkelmann 2000a, 113. Bettinali-Graeber 1999, 269–273. 1743 Junkelmann 2000a, 113, 115–116. Welch 2007, 11–29.
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dieser Zeit erfuhren gladiatorische und militärische Waffen eine gewisse Annäherung, nicht zuletzt weil auch die römische Armee ihr Arsenal durch nicht-römische Waffen bereicherte. Unter Augustus setzte dann eine Verstaatlichung und Standardisierung der Gladiatur ein, die – bezogen auf Waffen und Ausrüstung der Gladiatoren – völlig neue Gladiatorentypen hervorbrachte. Das Aussehen dieser neuen Typen scheint mehr dem Showcharakter der munera gladiatoria denn militärischer Kampfpraxis verpflichtet gewesen zu sein, und so entfernten sich gladiatorische und militärische Praxis erheblich voneinander.1744 Während in republikanischer Zeit Militär und Gladiatur in puncto Ausrüstung über einige Analogien verfügten, ist ab augusteischer Zeit ein klares Auseinanderdriften dieser beiden Bereiche erkennbar. Die Gladiatur emanzipierte sich waffentechnisch von der römischen Armee und entwickelte sich zu einem professionellen und auf Showeffekte bedachten Sektor der kommerziellen Unterhaltungsindustrie. Insofern korreliert der hier beobachtete literarische Befund zu Gladiatoren in der römischen Armee gut mit der Entwicklung der Gladiatur im Allgemeinen und der der gladiatorischen Ausrüstung im Besonderen: Ab flavischer Zeit scheinen Gladiatoren nicht mehr als Sondereinsatzkommando in römische Militärverbände integriert worden zu sein. Die andersartige Ausrüstung und Bewaffnung der Gladiatoren erzwang offensichtlich ein völlig anderes taktisches Kampfverhalten.1745 Der augenfälligste Unterschied bestand in dem zumeist ungeschützten Oberkörper eines Gladiators, während der eines Soldaten durch Kettenhemd, Muskelpanzer oder lorica segmentata vor lebensgefährlichen Verwundungen geschützt war. Daneben unterschied sich auch die Kampfzeit:1746 Ein Gladiatorenkampf dauerte nur einige wenige Minuten, da das Kämpfen in z. T. schwerer Rüstung und das barfüßige Bewegen im Sand so kräftezehrend war, dass an ein mehrstündiges Gefecht in der Arena nicht zu denken war.1747 Auch der Umstand, dass der Kampf in der Arena von Schiedsrichtern juriert wurde und gewissen dramaturgischen Prinzipien folgte, um den Zuschauern ein möglichst spektakuläres Szenario zu bieten, stellt einen deutlichen Unterschied zum Kampf im militärischen Ernstfall dar.1748 Missio oder stantes missi waren Spielregeln des Amphitheaters, nicht 1744 Junkelmann 2000a, 113: „Within the next decades some completely new types of gladiators came into existence which had no resemblance with any military practices, Roman or non-Roman, but were of a rather fanciful nature, especially the retiarius, a sort of fisherman converted into a fighter.“ Vgl. Fagan 2014. Fagan 2015, 138–141. 1745 Zur Ausrüstung und Bewaffnung römischer Gladiatoren s. Junkelmann 2008, 43–95. Zur Kampftechnik s. Junkelmann 2010 passim. Zu Strategie und Taktik der römischen Armee s. Mann 2013, 46–47. Zu Unterschieden bei militärischen und gladiatorischen Helmen s. Bettinali-Graeber 1999, 281. 1746 Junkelmann 2002, 39. 1747 Junkelmann 2010, 515–517. Junkelmann 2000, 129–132. 1748 Cic. orat. 228. Die Art und Weise, wie ein Gladiator sich beim Kampf in der Arena präsentiert hatte, entschied im Falle einer Niederlage über missio oder Tod. Vgl. auch Fagan 2014, 466–468. Fagan 2015, 138–141.
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des Schlachtfeldes.1749 Ebenso war auf Gladiatoren bei gruppentaktischen Manövern wahrscheinlich wenig Verlass, denn gregatim-Kämpfe sind zwar für die Arena überliefert, doch waren sie ausgesprochen selten und nicht mit denen des römischen Militärs zu vergleichen.1750 Aufgrund ihrer Ausbildung werden Gladiatoren überdies für den Dienst bei der Marine oder Kavallerie ebenfalls wenig geeignet gewesen sein.1751 Auch Tacitus weist explizit auf den im Kampfgeschehen geringeren Nutzen von Gladiatoren gegenüber römischen Soldaten hin: sed neque ea constantia gladiatoribus ad proelia quae militibus (…).1752 Lascivia socordiaque, Ausgelassenheit oder, pejorativ, Zügellosigkeit sowie Geistesschwäche, sind Eigenschaften, die Tacitus dem Bereich der Gladiatur und nicht militärischen Führungskräften zuweist. Er verleiht damit militärtaktischen und auch moralischen Defiziten von gladiatores militares Ausdruck.1753 Der Satz „No gladiator ever fought as a Roman legionary“1754 trifft somit aller Wahrscheinlichkeit nach den Kern der Sache, allerdings nur, wenn man bei ‚legionary‘ an den routinemäßigen Kampfeinsatz von Gladiatoren in den Reihen römischer Legionäre denkt. Ein etwas anderes Bild zu Gladiatoren in der römischen Armee entwerfen die papyrologischen und epigraphischen Quellen. Sie geben Anlass zu der Vermutung, dass Gladiatoren auch in ihrer eigentlichen Funktion als Arenakämpfer in römischen Militäreinheiten verpflichtet wurden und für die Unterhaltung bzw. Werteerziehung römischer Soldaten zuständig waren. In Ägypten ist diesbezüglich ein außergewöhnlicher Papyrus erhalten geblieben, der im Zusammenhang mit Akten eines Militärarchivs gefunden wurde und Angaben zu administrativen Belangen einer solchen militärischen familia gladiatoria bewahrt hat.1755 Das Büro, das dieses Militärarchiv beherbergte, befand sich im Lager einer römischen Militäreinheit in Babylon nahe der antiken Stadt Memphis.1756 Der Papyrus war zunächst auf seiner Vorderseite mit der Korrespondenz dieses Militärbüros beschrieben worden – spaltenweise und in griechischer Schrift. Paläographisch wird diese Briefsammlung in die zweite Hälfte des
1749 Zum Begriff missio s. Mosci Sassi 1992, 139–140. Zu den Kampfregeln s. Junkelmann 2008, 134–142. Fagan 2015, 140–141. 1750 Suet. Cal. 30,3. Mosci Sassi 1992, 110. Junkelmann 2002a, 115. Junkelmann 2002, 26–27 und Junkelmann 2000, 96–97, allerdings ohne Angabe von Quellen. 1751 Mit Ausnahme vielleicht der equites, einer Gladiatoren-armatura, die stets gegen ihresgleichen kämpfte und deren Kampf zu Pferde begann. Junkelmann 2008, 123–124. Isid. orig. 18,53. 1752 Tac. hist. 2,35. Ville 1981, 295. 1753 Tac. hist. 3,76: praeerat, ut supra memoravimus, Iulianus gladiatoribus, Apollinaris remigibus, lascivia socordiaque gladiatorum magis quam ducum similes. Vgl. Mann 2013, 47. Coleman 2010, 419–422. 1754 Wilmott 2008, 19. 1755 Comparetti 1910, 266–277. Golvin 1988, 151. Robert 1946, 142. Zu jener familia venatoria s. Ebner 2013, 175–176. 1756 Comparetti 1910. Möglicherweise war in Babylon ein Detachement der legio II Traiana Fortis stationiert, die zwischen 119 und 127/128 n. Chr. nach Ägypten verlegt wurde und ihr Standlager – anfangs vielleicht zusammen mit der leg. XXII Deiotariana – in Nikopolis bei Alexandria hatte. Ritterling 1925, 1486–1488. Vgl. Le Bohec 1993, 40–41. Golvin 1988, 151. Robert 1946, 142–143.
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2. Jhs. n. Chr. datiert.1757 Auf die Vorderseite dieses Papyrus wurde nun in der Antike – wahrscheinlich nur kurze Zeit nach dem Verfassen der Briefsammlung – ein zweiter, sehr dünner Papyrus (oder mehrere Streifen von dünnen Papyri) aufgeklebt. Dieser war in lateinischer Schrift verfasst und überragte den griechischen Papyrus am oberen und unteren Rand. Die Art und Weise, wie der lateinische Text auf dem Papyrus eingefügt wurde, lässt erkennen, dass zum Zeitpunkt der Einfügung der griechische Text noch in Gebrauch war. Nicht weniger als ein halbes Jahrhundert später wurde dann die Rückseite des Papyrus ebenfalls beschrieben, diesmal mit Rechnungen und Anmerkungen zu landwirtschaftlichen Verwaltungsangelegenheiten des Militärlagers und wieder in griechischer Schrift. Dadurch geriet der dünne lateinische Papyrus auf die Außenseite der Schriftrolle, was seine stellenweise Ablösung zur Folge hatte. Übrig geblieben sind – besonders an den Stellen, an denen der Klebstoff zwischen den beiden Papyri stark anhaftete – lateinische Textfragmente, die teilweise kopfüber hinzugefügt wurden und nur noch bruchstückhaft zu entziffern sind. Die Schrift der lateinischen Textteile zeigt breite und große Lettern, die mit ruhiger und geübter Hand zu Papier gebracht wurden – „certamente ufficiale o burocratica“, wie D. Comparetti bemerkte.1758 Dabei sind Thema und Handschrift der lateinischen Textfragmente auf allen erhaltenen Fragmenten identisch: Es geht um eine oder mehrere familiae gladiatoriae, die ganz offensichtlich im Militärlager von Babylon stationiert waren. Unzweifelhaft ist, dass der lateinische Papyrus ebenso zu den Akten des Militärarchivs zu zählen ist, wie die Briefsammlung der Vorderseite und die Rechnungen der Rückseite des griechischen Papyrus. Sie entstammen demnach dem Archiv der Lagerkommandatur und waren nicht für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt. Da die lateinischen Militärakten der familia gladiatoria nur kurze Zeit nach der Niederschrift der Briefsammlung eingefügt wurden, müssen sie wie die Briefsammlung selbst in die zweite Hälfte des zweiten Jhs. n. Chr. datiert werden. Dabei stellt der Papyrus aus Babylon die bislang einzige Quelle dieser Art dar und ist allein schon deswegen von herausragender Bedeutung. Seit seiner ersten Edition zu Beginn des 20. Jhs. durch D. Comparetti fand er jedoch in der fachwissenschaftlichen Diskussion kaum Beachtung. Zwar machen die starke Fragmentierung des Textes sowie fehlende Parallelen innerhalb der Quellengattung die Dechiffrierung seines Inhaltes äußerst diffizil, doch schlummern in der Vielzahl der Textfragmente Informationen, deren Schatten eine greifbare und aufschlussreiche Skizze der römischen Gladiatur in ihrem militärischen Milieu präsentieren. Der fragmentarische Nachlass jener babylonischen Gladiatorenfamilie verlangte daher eine detaillierte Untersuchung, der im Folgenden umfassend Raum gewährt wurde. Dabei sind die hier fixierten Beobachtungen nur als Hypothesen und Denkanstöße zu verstehen, deren Verifizierung zukünftiger Entdeckungen harren muss. 1757 Comparetti 1910, 253. 1758 Die erhaltenen Fragmente gehören, so Comparetti 1910, 266–267, sicher zum Archiv der Kommandantur und entsprechen in ihrem Charakter exakt den übrigen militärischen Akten.
3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen
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Auf dem bei D. Comparetti mit der Nummer 1 bezeichneten Fragment ist eine längere Passage lesbar, wobei die erste der drei Zeilen im Vergleich zu den beiden anderen Zeilen auf dem Kopf steht – möglicherweise Indiz dafür, dass es sich hier um Reste mehrerer verschiedener Papyrusstreifen handelt oder man zur Unterscheidung der einzelnen Einträge den Papyrus bei der Beschriftung auf den Kopf drehte.1759 … Decurinius Nerus et Aes[o]niu bestiarioru famuli … ]n¢icam custodiae¢ fulgut¢r¢i ¢ . u … ]nuae Improbus retiarius
Die Deutung des Textes wird durch die nicht sichere Lesart einiger Buchstaben zusätzlich erschwert. Nichts desto trotz ist ein retiarius namens Improbus – ein üblicher Kampfname für einen Gladiator – identifizierbar sowie die Namen eines Aesonius und Decurinius Nerus (?), die als Diener der bestiarii bezeichnet sind.1760 Damit sind direkt oder indirekt die armaturae retiarius, secutor/contraretiarius – der Standardgegner des retiarius – sowie bestiarius für die Gladiatorenfamilie des babylonischen Lagers attestiert. Auch die Veranstaltung von venationes im Amphitheater (?) des Militärlagers von Babylon gewinnt in diesem Zusammenhang an Wahrscheinlichkeit. Neben Gladiatoren und Dienern gehörten aber offensichtlich auch Wächter (custodiae¢ fulgut¢r¢i ¢ .) zur Entourage einer Gladiatorenschar. Was genau sie bewachten, ist wegen der Textverderbnis an dieser Stelle nicht sicher zu benennen, doch denkt man sogleich an die gefährlichen Gladiatorenwaffen oder ihre kostbaren Ausrüstungsgegenstände wie die kunstvoll gearbeiteten Helme und Beinschienen. In diese Sphäre würden Worte wie custodiae fulgentium armorum, also ‚Wächter der glänzenden Waffen‘, oder custodiae ferrorum acutorum, ‚Wächter der scharfen Waffen‘, passen, sind aber nur bedingt mit dem lesbaren Text vereinbar.1761 Denkbar wäre auch, einen Zusammenhang mit der Bewachung wilder Tiere zu rekonstruieren, mit denen bei der Anwesenheit von bestiarii innerhalb einer familia sicher zu rechnen ist.1762 Oder auch die Bewachung der Gladiatoren selbst könnte in den Aufgabenbereich jener custodiae gefallen sein: In der Gladiatorenkaserne von Pompeji fand man neben dem Haupteingang des Gebäudes einen Raum, der offenbar einem Wachposten vorbehalten war.1763 1759 Comparetti 1910, 267, nimmt an, dass der griechische und lateinische Text wenn nicht gleichzeitig, so doch zeitlich in nur geringem Abstand voneinander verfasst worden sind, der lateinische etwas später als der griechische. Mit ‚Fragment‘ ist hier jeweils ein lateinischer Textteil gemeint und nicht etwa ein jeweils separates Papyrusfragment. 1760 Die Lesung von Nerus ist nicht gesichert und könnte auch Nerius oder Nereus gewesen sein. Comparetti 1910, 268. Eine übersichtliche Zusammenstellung der überlieferten Gladiatorennamen – allerdings ohne Quellenangaben – bietet Junkelmann 2008, 267–268, wo Improbus belegt, Nerus/Nerius/Nereus nicht belegt ist. 1761 Eine gute Übersicht über die in der Gladiatur üblichen Fachbegriffe bietet Junkelmann 2008, 269– 270. 1762 So auch Comparetti 1910, 277. 1763 Fagan 2015, 125–126.
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Fragment Nr. 3 aus dem babylonischen Archiv enthält aller Wahrscheinlichkeit nach das Datum eines munus gladiatorium, interessanterweise auf Latein und Griechisch:1764 X KAL AUG επειφ κθ (= 23. Juli)
Bemerkenswert ist, dass der religiöse Festkalender der cohors XX Palmyrenorum, das sog. Feriale Duranum, für den 23. Juli die Feier der Neptunalia vorsah, anlässlich derer Gebete und ein Opfer darzubringen waren.1765 In Rom wurde dieses Fest auch mit ludi gefeiert, und so könnte sich hinter der babylonischen Datumsangabe das Datum eines mit munera gladiatoria zu begehendes römisches Fest verbergen, bei dem die lagereigene familia gladiatoria auftrat.1766 Fragment Nr. 4 hingegen besteht fast nur aus einem Prädikat:1767 ]et¢ reversi sunt[
Da das zugehörige Subjekt maskulin Plural sein muss, liegt es nahe, die gladiatores als solches zu ergänzen, was mit ‚Die Gladiatoren sind [ins Lager] zurückgekehrt‘ zu übersetzen wäre. Daraus lässt sich schließen, dass die Gladiatoren des Militärlagers von Babylon zu anderen Orten außerhalb des Lagers abkommandiert werden konnten, ähnlich wie es für Detachements regulärer Verbände üblich war.1768 Dass der Grund in einer solchen Abkommandierung in der Absolvierung eines munus an einem anderen militärischen (oder zivilen?) Standort oder vielleicht in einem kaiserlichen ludus gladiatorius bestand, ist mehr als wahrscheinlich, lässt sich aber mit den erhaltenen Textfragmenten nicht belegen. In Fragment Nr. 5 sind möglicherweise Reste des Wortes … fam]ilia zu rekonstruieren.1769 Handelt es sich um die Überbleibsel einer familia gladiatoria, die in Fragment Nr. 6 (s. unten) ausdrücklich erwähnt ist? Fragment Nr. 6 besteht aus einem zwei- und einem fünfzeiligen Textbruchstück. Der zweizeilige Teil von Fragment 6 ist durch zwei Zeilen des griechischen Textes von dem fünfzeiligen getrennt und kopfüber zu diesem geschrieben. Seine entzifferbaren Teile lauten:1770 ]X. caes n so idest qu (?) ]… … Arrianuṃ. Afer certạ 1764 Comparetti 1910, 269. 1765 PDur. 54 (Inv. D.P.2), Col. II, Z. 22. Fink 1971, 422–429. Der Festkalender der cohors XX Palmyrenorum wird in die Jahre zwischen ca. 223 und 227 n. Chr. datiert. Vgl. auch Wahl 1977, 131–132. 1766 Varro ling. 6,19. Hor. Carm. 3,28,1. Tert. spect. 6,1–2. Vielleicht handelte es sich bei den ludi um ludi circenses, denn Neptun war eng mit dem römischen Circus verknüpft. Humphrey 1986, 61–62, 262. 1767 Comparetti 1910, 269. 1768 Comparetti 1910, 275. 1769 Comparetti 1910, 269. 1770 Comparetti 1910, 271, mit einem vergrößerten Foto auf S. 270.
3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen
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Bewahrt sind die Namen Arrianus und Afer, wobei letzterer ein Gladiator gewesen zu sein scheint, da seinem Namen ein certạ[… folgt, wohl zu ergänzen mit certavit.1771 Gestützt wird diese Vermutung durch die Übersetzung des Namens mit ‚Afrikaner‘ oder ‚Punier‘, einem semitischen Phönizier Nordafrikas. Die Verwendung substantivierter Herkunftsbezeichnungen war unter den Gladiatorenkampfnamen durchaus üblich, konnten sie doch einer gewissen Exotik Ausdruck verleihen.1772 Wenn dies zuträfe, müsste man davon ausgehen, dass im Militärarchiv von Babylon nicht nur die einzelnen Gladiatoren namentlich erfasst waren, sondern auch über ihre Kampfeinsätze genau Buch geführt wurde. Das legt den Schluss nahe, dass nicht immer jeder Gladiator bei einem munus gladiatorium zum Einsatz kam, sondern dass es eine Art Ersatzbank gegeben haben muss. Für eine solche Interpretation würde auch der überlieferte Begriff des suppositicius sprechen, was mit ‚Reservegladiator‘ übersetzt werden kann.1773 Denkbar wäre auch, dass nicht einzelne Gladiatoren statistisch erfasst wurden, sondern die Kampfpaarungen: Dann müsste man nach dem certavit den Namen von Afers Gegner ergänzen. Auch die erste Zeile desselben Textes könnte von einer sorgfältigen Buchhaltung zeugen und über Siege und Niederlagen der Gladiatoren Rechenschaft ablegen: X könnte sich auf die errungenen Siege der familia gladiatoria beziehen, caes[us/i] auf die im Kampf getöteten Gladiatoren, n vielleicht mit nullus oder nemo aufgelöst werden und so vielleicht das Kürzel für sospes, unverletzt, darstellen.1774 D. Comparetti sah indes einen anderen Zusammenhang: Er schlug die Auflösung Decennalibus Caesaris nostri solemnibus vor, also ein munus anlässlich der zehnjährigen Herrschaft des amtierenden Kaisers.1775 Mit dieser Deutung wäre allerdings eine beinahe identische Wendung in Fragment Nr. 7 nicht gut in Einklang zu bringen, wo es heißt:1776 ] ludi viceX caes n . . . . . . .
Das ludi viceX ließe sich in diesem Kontext mit (…) ludi victoriae X auflösen, was bei einer zu erwartenden Datumsangabe vor ludi etwa mit ‚bei den Gladiatorenspielen am
1771 Die Lesung nach idest ist unsicher, es könnte ein q sein, dem ungewöhnlicher Weise ein u folgt. Comparetti 1910, 270. 1772 Junkelmann 2000, 194. Mosci Sassi 1992, 183–196. Zu lateinischen Kampfnamen im Osten des Imperium Romanum s. Mann 2011, 129–133. 1773 Junkelmann 2000, 196. Mosci Sassi 1992, 176–177. S. auch die Ankündigungen von Gladiatorenkämpfen in Pompei: CIL 4,1179; 4,1204; 4,7991; 4,9983a, in denen die Anzahl der Gladiatorenpaare und deren suppositicii genannt werden. Vgl. Sabatini Tumolesi 1980, Nr. 9–10, Nr. 73, Nr. 79. 1774 An victoriae lässt auch die Abkürzung in der ersten Zeile von Fragment 7 denken: ] ludi viceX caes n … Comparetti 1910, 271. Dagegen würde Fragment Nr. 12 sprechen – allerdings ist die Lesung des Fragments ungewiss –, wo es heißt: …]ti . n CCC[… (Comparetti a. a. O.). Zu den in militärischen Papyri gebräuchlichen Abkürzungen s. Fink 1971, 556–558. 1775 Comparetti 1910, 276. 1776 Comparetti 1910, 271.
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(…) gab es zehn Siege‘ zu übersetzen wäre.1777 Ein nachfolgendes caes[i] n[ulli] könnte in Analogie zur Angabe der Siege auf die Verluste der familia gladiatoria während dieser Gladiatorenspiele Bezug nehmen und mit ‚Getötete: keine‘ übersetzt werden. Da es kein Zahlzeichen für Null gab, scheint die Abkürzung mit einem n für nullus/nemo meines Erachtens plausibel. Auch würde man – wie Comparetti vorschlug – Angaben zu Anlass und Datum eines reichsweiten Festes, zu dem das zehnjährige Herrschaftsjubiläum sicherlich gehörte, eher in einem separaten Dokument erwarten – so wie beim Feriale Duranum.1778 Zu den umfangreicheren Bruchstücken der babylonischen Akten zählt der fünfzeilige Text des Fragments 6, der folgenden Wortlaut bewahrt:1779 ] .. famil gladi[ fam]ilia ad arma fui[t i]nterveniente … ]ter pro … [ ]ern¢i tru[ ] . ri edoni ti[ ]fase¢li … [ ] *** [
Die erste Zeile wurde in einem etwas größeren Abstand zu den übrigen geschrieben und erweckt daher den Eindruck einer Überschrift: … familia gladiatoria.1780 Offensichtlich fehlt zu Beginn der Überschrift ein Teil des Textes, vielleicht ein Name zur näheren Bezeichnung der familia. Gab es also mehrere familiae gladiatoriae im Lager von Babylon, die zur besseren Unterscheidung namentlich benannt waren? Auch Graffiti aus dem großen sowie dem kleinen ludus von Pompeji nennen mehrere lanistae, was die Vermutung nährt, dass ein ludus aus mehreren familiae gladiatoriae bestand.1781 Zudem lässt die Überschrift für den Charakter der nachfolgenden Zeilen eine Auflistung von Informationen in Bezug auf diese familia erwarten, hier aller Wahrscheinlichkeit nach das Datum, an dem jene familia kämpfte (ad arma fuit).1782 Das interveniente könnte auf einen ungewöhnlichen Zwischenfall während dieses Kampfeinsatzes hindeuten,
1777 Comparetti 1910, 276, schlägt hingegen eine Auflösung mit vicenorum parium (je zwanzig Paare) vor, die an den verschiedenen Tagen eines munus kämpften. Ein munus über 10 Tage (was hinsichtlich der Dauer äußerst ungewöhnlich wäre), an dem jeweils 20 Paare auftraten, hätte dann ein Gladiatorenaufkommen von 200 Gladiatoren bedeutet, was in Anbetracht der Quellenlage deutlich zu hoch gegriffen ist. Mann 2011, 67. Junkelmann 2000, 98–99. Robert 1940, 282–283. 1778 Zum Feriale Duranum s. Fink 1971, 422–429. Le Roux 1990, 207 1779 Comparetti 1910, 271. 1780 Zu Überschriften in römischen Militärakten vgl. Fink 1971, 4. 1781 Fagan 2015, 127. Sabbatini Tumolesi 1980, 68, Nr. 31, 74–75, Nr. 33. Die lanistae aus dem großen ludus heißen Pompinius Faustinus und Ampliatus, wobei letzterer wahrscheinlich mit Numerius Festius Ampliatus identisch ist, der in Graffiti außerhalb des großen ludus als lanista bezeugt ist. Fagan op. cit., 127, Anm. 14. Zu den ludi von Pompeji s. Jacobelli 2003, 65–67. Zum Begriff lanista und der Funktion eines solchen als Besitzer einer Gladiatorenfamilie und/oder Trainer s. Fagan op. cit., 129–130. 1782 Comparetti 1910, 276.
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scheint aber in Analogie zu Fragment Nr. 14 …]familia ad arma fuit interveniente ludo Niko[…1783 den gegnerischen ludus zu bezeichnen, gegen den die Gladiatoren des Militärlagers von Babylon angetreten sind. In diesem ludus aus Fragment 14 hat L. Robert den ludus von Nikopolis erkannt, der sich in der Nähe von Alexandria befand.1784 Nikopolis war spätestens ab 30 v. Chr. das Hauptquartier der legiones III Cyrenaica, der XXII Deiotariana und später der II Traiana Fortis, deren Vexillationen über ganz Ägypten verteilt waren.1785 Es wäre also denkbar, dass jener im babylonischen Papyrus erwähnte ludus von Nikopolis ebenfalls ein militärischer ludus war. Träfe dies zu, würde das erstmals Indizien dafür liefern, dass es auch in anderen römischen Militäreinheiten Ägyptens einen militärischen ludus gab und dass ludi verschiedener Militäreinheiten gegeneinander antraten. Der Rest des Textes ist zu verstümmelt, um sichere Hinweise für einen größeren Kontext zu gewinnen, lediglich lose Vermutungen können hier in Erwägung gezogen werden: Bei truc[… ist man im Zusammenhang mit Kämpfen auf Leben und Tod versucht, an trucidatus (niedergemetzelt), oder sogar eher noch an truncus (= verstümmelt) zu denken, was einer Kampfunfähigkeit eines Gladiators gleichkommen würde. Das lateinische Wort Edonus, -a, -um bedeutet ‚thrakisch‘, könnte also auf die armatura der thraeces hindeuten.1786 Vielleicht war in dieser Zeile von den Edoni tirones, den Neulingen der als Thraker kämpfenden Gladiatoren die Rede. Ob mit …]fasẹli … (Schwertbohnen) auf die Ernährung der Gladiatoren Bezug genommen wird, kann ebenfalls nur gemutmaßt werden. Dafür würde allerdings der antike ‚Spitzname‘ der Gladiatoren als hordearii (Gerstenfresser) sprechen, die sich hauptsächlich vegetarisch in Form von Gerstenbrei ernährten.1787 Auch ein in Fragment Nr. 17 erwähnter lentiarius, ein Linsenverkäufer oder -händler, namens Arrianus könnte in diese Richtung weisen.1788 Fragment Nr. 7 besteht aus einem zweizeiligen Text, dessen erste Zeile – wie bereits erwähnt (s. oben) – vielleicht die Buchführung über Siege und Verluste der familia gladiatoria darstellte:1789 ] ludi viceX caes n . . . . . . . ]donico summus . . es¢ . [
1783 Comparetti 1910, 273. 1784 Robert 1946, 143. Ein procurator ludi familiae gladiatorii Caesaris Alexandreae ad Aegyptum ist durch eine Grabinschrift (14–81 n. Chr.) aus Puteoli bezeugt. CIL 10, 1685 (= EAOR 8, 2). 1785 Die legio III Cyrenaica, die sich mit der legio XXII Deiotariana in Nikopolis ein Lager teilte, wurde unter Hadrian durch die legio II Traiana Fortis abgelöst. Ritterling 1925, 1486–1487. 1786 Die Beachtung von Majuskeln und Minuskeln scheint in den Papyrusfragmenten auch an anderen Stellen, z. B. in Fragment Nr. 14, nicht stringent beachtet worden zu sein. 1787 Der Begriff hordearii ist allerdings nur ein einziges Mal bei Plin. nat.18,72, belegt. Mosci Sassi 1992, 121–122, 183. Großschmidt/Kanz 2009, 218. Großschmidt/Kanz 2002, 64. Junkelmann 2000, 195. 1788 Comparetti 1910, 275. 1789 Comparetti 1910, 271.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
In den Resten des Wortes …]donico zu Beginn der zweiten Zeile dieses Fragments vermutete D. Comparetti den Eigennamen Mace]donico. In Rom hat man interessanterweise den Grabstein eines Gladiators namens Macedon aus Alexandreia gefunden, dessen Relief einen aufrecht stehenden Mann in der armatura eines thraex erkennen lässt – vielleicht stammte er aus dem ludus von Nikopolis: D(is) M(anibus) | Macedoni thr(aeci) | tiro(ni) Alexandrin(o) | ben(e) mer(enti) fec(it) | armatura thraecum | universa vix(it) ann(is) XX | men(sibus) VIII dieb(us) XII.1790 Das in unserem babylonischen Fragment dem Namen folgende summus könnte vielleicht eine gladiatorische Rangbezeichnung darstellen, ähnlich der des primus palus als oberstem Dienstgrad einer armatura.1791 Fragment Nr. 9 bestand ursprünglich aus drei Zeilen, wovon allein das Wort venatores lesbar geblieben ist.1792 Da uns famuli bestiariorum bereits in Fragment 1 begegnet sind, kann der terminus technicus für die auf den Kampf gegen wilde Tiere spezialisierte Gladiatoren wenig überraschen. Dabei kommt der Begriff sowohl im militärischen Umfeld vor – etwa bei Tarrutienus Paternus, der venatores unter die milites immunes rechnet – als auch in der Sphäre der Gladiatur.1793 Wie schon die Erwähnung der famuli bestiariorum deuten auch die venatores auf die Veranstaltung von Tierhetzen im Lager von Babylon hin. In Fragment Nr. 11 sind die Worte ]in ludo[ noch lesbar, ohne weiteren Kontext jedoch nur als eine Ortsangabe, ‚in der Gladiatorenkaserne‘, zu deuten.1794 Ob sich diese innerhalb des Lagerareals befand, wissen wir nicht. Da aber auch schon von einer familia gladiatoria in den babylonischen Militärakten die Rede war, wäre zu überlegen, ob ludus als Oberbegriff fungierte, dessen Untereinheit eine familia gladiatoria darstellte. Das hieße, dass es in Babylon – und vielleicht sogar in jedem militärischen ludus – eine Gladiatorenschule gab, der mehrere Familien zugerechnet wurden. Dass es innerhalb eines ludus eine Untergliederung der Mitglieder gab, legt eine Inschrift aus Rom nahe:1795 Hier erscheinen Gladiatoren und nicht-gladiatorisches Personal in vier decuriae (decuria I–IIII) à 10 Personen unterteilt, die in aufsteigender Nummerierung eine gewisse Hierarchie zu implizieren scheinen.1796 1790 EAOR I, 97 (= CIL 6, 10197). Mann 2011, 108, Anm. 98. Obgleich er schon 20 Jahre alt war, galt er in der Arena als tiro, also als Rekrut oder Neuling. Vgl. Schneider 1918, 778. Jacobelli 2003, 52. Zur Ikonographie der thraeces s. Flecker 2015, 50–52. 1791 Junkelmann 2000, 195. Zum palus primus s. auch Mosci Sassi 1992, 147–148, zu tiro 179–180. 1792 Comparetti 1910, 272. 1793 Digesten 50,6,7. Zu Stellung und Aufgaben der immunes s. Wesch-Klein 1998, 3141. Le Bohec 1993, 51. 1794 Comparetti 1910, 272, 276. 1795 EAOR I, 53–55, Nr. 45. Fagan 2015, 133–134. Die Inschrift wurde 1755 auf der Via Labicana vor der Porta Maggiore gefunden, wohin sie möglicherweise als Spolie gelangte. Ihre stadtrömische Provenienz scheint wahrscheinlich, lässt sich aber nicht weiter präzisieren. Die Bezeichnung einer der Leiter der Gladiatorenfamilie als cryptarius könnte auf das Gefängnis im Untergeschoss des Ludus Magnus verweisen, so dass es sich bei der römischen familia gladiatoria um die eines kaiserlichen ludus und nicht um einen militärischen ludus handeln würde. Datiert wird die Inschrift in das Jahr 177 n. Chr. Zum Ludus Magnus s. Fagan op. cit., 123. Coarelli 2001, 148–151. 1796 EAOR I, 54–55. Eine Ausnahme stellt die vierte decuria dar, der nur 2 Personen zugeordnet sind.
3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen
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In Fragment Nr. 13 wiederum ist von dem dreizeiligen Text lediglich das ]iuvenes[ der dritten Zeile fassbar. Zu iuvenes wurden in Italien die jungen (wehrfähigen) Männer einer Stadt gezählt, die auf dem sog. campus im Rahmen athletischer und militärischer Übungen ‚trainierten‘, darunter auch Kämpfe mit wilden Tieren, Schwert- und Gladiatorengefechte.1797 Graffiti aus Pompeji belegen, dass der campus, auf dem sich die pompejanischen iuvenes übten, direkt neben dem Amphitheater lag.1798 Zudem ist aus Lucus Feroniae (Latium) der Vorsteher (magister) eines collegium Iuventutis inschriftlich überliefert, der in tiberischer Zeit für den Bau des dortigen Amphitheaters verantwortlich zeichnete.1799 Auch an einen Zusammenhang mit dem lusus Troiae ist zu denken: Dabei handelte es sich um einstudierte Formationen von Reiterschwadronen, die sich aus den jungen Männern der Oberschicht (iuvenes) rekrutierten und öffentlich aufgeführt wurden.1800 Welche Bewandtnis es allerdings mit den babylonischen iuvenes innerhalb eines Militärlagers oder innerhalb einer Gladiatorenkaserne – und damit außerhalb einer städtischen Ansiedlung – haben könnte, lässt sich aus dem kargen Textfragment nicht erschließen.1801 Etwas umfangreicher und zusammenhängender präsentiert sich Fragment Nr. 14:1802 numer famil glad ludị .. [ ]familia ad arma fuit interveniente ludo Niko[ ] . . . ntius pr . . . t sper . . . . . . vicit iure coc . . . [ ***
Die erste Zeile ist abermals in einem etwas größeren Abstand zu den drei folgenden geschrieben und ist somit wahrscheinlich als Überschrift anzusprechen, die letzte dieser Zeilen ist hingegen gänzlich unleserlich. D. Comparetti hat das numer in der ersten Zeile als Abkürzung für den auch in Fragment 17 erscheinenden Namen Numerius (im Genitiv) gedeutet, wo er mutmaßlich als erfolgreicher Gladiator aufgeführt ist.1803 Tritt uns Numerius hier also als Vorsteher einer Gladiatorenfamilie entgegen, der auch selbst bisweilen als Gladiator in der Arena auftrat? Die Interpretation als Überschrift könnte auch hier wieder zu dem Schluss verleiten, dass es noch andere familiae gladiatoriae im Lager von Babylon gab – möglicherweise die in Fragment 6 genannte, deren 1797 Welch 2007, 97. Le Bohec 1993, 34. Horsmann 1991, 61–63. 1798 Welch 2007, 98. Zu inschriftlichen Belegen von iuvenes in den Provinzen s. Jaczynowska 1978, 95– 107. Vgl. einen pinnirapus iuvenum, der auf einem Epitaph aus Carsulae in Italien bezeugt ist. EAOR II, Nr. 39. Laut Iuv. 3,155–58, ist pinnirapus die umgangssprachliche Bezeichnung für einen retiarius. Zu pinnirapus s. auch Mosci Sassi 1992, 152. 1799 CIL 11, 3938. Zu weiterführender Literatur s. Welch 2007, 98, Anm. 94. 1800 Thuillier 1999, 95, mit weiterführender Literatur. 1801 Comparetti 1910, 272: [li … [|]spati . us[|]iuvenes[. Zu inschriftlich bezeugten Aktivitäten der iuvenes, die neben dem Amphitheater von Pompeji ein Trainingsfeld gehabt zu haben scheinen, s. Welch 2007, 95–98. 1802 Comparetti 1910, 273. 1803 Comparetti 1910, 273.
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Vorsteher einen uns nicht bekannten Namen trug (s. oben). Denkbar wäre aber auch, dass ein Militärludus – wie bereits erwähnt – in Untereinheiten unterteilt war, bestehend aus mehreren familiae gladiatoriae.1804 Diese Untereinheiten könnten ähnlich wie die Zenturien nach dem jeweils ranghöchsten Gladiator benannt worden sein, so dass Numerius ranghöchster Gladiator einer familia gladiatoria aus dem ludus von Babylon war.1805 Die Wendung familia ad arma fuit dürfte wörtlich mit ‚die Gladiatorenfamilie war an/bei (lokal) den Waffen‘ zu übersetzen sein, der folgende ablativus absolutus etwa mit ‚als die Gladiatorenschule aus Nikopolis (?) erschien‘.1806 War die familia gladiatoria des Numerius (?) aus dem ludus des Militärlagers von Babylon also gegen die aus dem ludus von Nikopolis zum Kampf angetreten? Handelte es sich dabei um ein reguläres munus im Lager? Müssen wir davon ausgehen, dass auch an anderen Militärstandorten Gladiatorenfamilien stationiert waren, die zwischen den einzelnen Standorten umherzogen, um auf andere militärische Gladiatorenfamilien zu treffen?1807 Die dritte Zeile desselben Fragmentes stützt zumindest die Vermutung, dass es zwischen zwei Militärludi zum Kampf gekommen war, denn es ist von vicit die Rede. Die Singularform des Prädikats indiziert entweder die Nennung eines einzelnen Gladiators oder die der siegreichen familia oder des siegreichen ludus. Das folgende iure coc …deutet zudem eine Qualifizierung des Sieges an, vielleicht durch einen irgendwie gearteten Schiedsspruch o. ä.1808 Aufschlussreich ist Fragment Nr. 15, das kopfüber auf dem oberen Rand des Papyrus geschrieben steht:1809 infrạs . . . gladiatores CLXII
Während das infrạs der ersten Zeile unerklärlich bleibt, scheint sich die Zahlenangabe 162 auf die im Lager anwesenden Gladiatoren zu beziehen. Ob diese auch der dort ansässigen familia gladiatoria zuzurechnen sind, kann nicht entschieden werden. Es könnte sich auch um eine oder mehrere andere familiae handeln, die temporär im Militärlager von Babylon stationiert waren und sich dort nur während eines munus aufhielten.1810 Auffällig ist, dass es sich um eine gerade Zahl handelt, so dass den 162
1804 Fagan 2015, 127–128. Vgl. eine Inschrift aus Rom, der zu Folge die Gladiatoren und ein Teil des Personals in decuriae eingeteilt waren. EAOR I, Nr. 45. 1805 Vgl. Fagan 2015, 130–131, der erwägt, dass die ranghöchsten (primus palus) Gladiatoren beim Training der weniger erfahrenen Gladiatoren assistierten. 1806 Zur Deutung des ludus als dem von Nikopolis s. Robert 1946, 143. 1807 Zur Mobilität von Gladiatoren s. Mann 2011, 107–108. 1808 Das in Fragment 17 lesbare ..]sues coctae f[in Zeile 4 könnte eine parallele Bedeutung haben, ist aber auch in diesem Kontext schwer zu deuten. 1809 Comparetti 1910, 274. 1810 Comparetti 1910, 276.
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Gladiatoren 81 Gladiatorenpaare entsprechen würden.1811 Aus Inschriften zu zivilen munera gladiatoria wissen wir aber, dass eine Anzahl von 39 Gladiatorenpaaren, wie sie etwa in Ephesos bezeugt ist, bereits als überdurchschnittlich hoch einzustufen ist.1812 Die Anwesenheit von 162 Gladiatoren in einem Lager einer römischen Militäreinheit müsste daher überraschen. Das am umfangreichsten und zugleich bemerkenswerteste Fragment des babylonischen Militärarchivs stellt Fragment Nr. 17 dar:1813 ]res XVI ]ae et lotae et[. .] Arrianus lentiari[us ]ẹstor astiarius Nestor stationarius . [ ]sues coctae f[ ] . . us spathas Afer commilitibus in castri cul[i]na[ ] . . s victi Numerio paria si eadem misi[sset
In Analogie zu Fragment Nr. 15 ist man bei der ersten Zeile versucht, in dem Rest …] res und dem folgenden Zahlzeichen XVI eine erneute Angabe über die Anzahl von anwesenden Gladiatoren zu vermuten: glad]iatores sedecim. Diese Anzahl würde 8 Gladiatorenpaaren entsprechen, was durch den epigraphischen Befund im Hinblick auf den zahlenmäßigen Umfang von Gladiatorenpaarungen bei einem munus als ‚normal‘ abgestützt werden könnte. Neben Begriffen der gladiatorischen (victi, paria, spathas, commilitibus) und vordergründig militärischen (astiarius, stationarius, spathas, castri) Fachsprache sind es vor allem solche aus dem Bereich der kulinarischen Essenszubereitung (lotae, lentiarius, coctae, in culina), die in diesem Text ins Auge fallen.1814 Wenn es sich in der Sphäre der römischen Gladiatur um das Thema Essen dreht, kommt zunächst die Diät der Gladiatoren in den Sinn. Wie man aufgrund der forensischen Untersuchungen an 68 Skeletten vom Gladiatorenfriedhof von Ephesos weiß, bestand die Diät der Gladiatoren vornehmlich aus Gerste und Bohnen sowie einem Trunk, in den zur zusätzlichen Mineralienversorgung Knochenasche eingerührt wurde.1815 Der zweite Bereich der gladiatorischen Nahrungsaufnahme betrifft die sog. cena libera, das Festmahl, das am Vorabend eines munus gladiatorium veranstaltet wurde und in ei-
1811 1812 1813 1814
Zum Konzept des paarweisen Erscheinens von Gladiatoren s. Coleman 2010, 421. Mann 2011, 67. Junkelmann 2000, 98–99. Robert 1940, 282–283. Comparetti 1910, 274–276. Der erhaltene Anfangsteil von Zeile zwei …]ae et lotae et[könnte Teil einer Aufzählung sein, wobei lotae in seiner Bedeutung schwierig zu erklären ist. Es könnte von lavare, waschen, kommen, dann könnte man für das vorausgehende ..]ae ebenfalls ein Adjektiv-Attribut vermuten, das sich auf ein verlorenes Substantiv beziehen könnte. Was genau das allerdings sein könnte, bleibt unerklärlich. Comparetti 1910, 275, zog für lotae einen Süßwasserfisch (Lotte, Seeteufel) in Erwägung. 1815 Nachgewiesen werden konnte dies an dem erhöhten Strontium-Gehalt in den Knochen der Gladiatorenskelette. Großschmidt/Kanz 2009, 218.
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ner Art öffentlichem Bankett für Gladiatoren und ausgewählte Gäste bestand.1816 Für das hier in Rede stehende Fragment ist meines Erachtens Ersteres von Belang, denn die Ortsangabe ‚in der Küche des Militärlagers‘ (in castri culina), die Nennung eines Linsenverkäufers oder -händlers (lentiarius) sowie das Partizip Perfekt Passiv coctae f[arinae (?) (gekochtes Dinkel-/Gerstenmehl ?) scheinen auf einen eher alltäglichen als festlichen Anlass hinzudeuten. D. Comparetti allerdings, der coctae zu ..]sues zog und mit ‚gekochte Wildsauen‘ übersetzte, plädiert eher für eine festliche cena libera in der Lagerküche – ein Vorschlag, der ebenfalls Einiges für sich hat.1817 Aufschlussreich sind aber auch die vermeintlich militärischen Begriffe astiarius (Z. 3) und spathas bzw. commilitibus (Z. 5): Im Militärjargon bezeichnet ein astiarius/ hastiarius/hastarius einen Legionssoldaten des ersten Gliedes. Wie die Grabinschrift eines aus Ägypten stammenden Gladiators namens Pardus jedoch lehrt, bezeichnet (h)astarius veteranus auch einen kampferprobten Gladiator, vielleicht einen hoplomachus, dessen typische Bewaffnung in einer Lanze und einem kleinen Rundschild bestand.1818 Vor diesem Hintergrund scheint es opportun, auch den in Zeile 3 erwähnten Nestor stationarius in einen gladiatorischen Kontext zu stellen. So bezeichnet statio nicht nur den Wachposten, sondern auch die Fechterstellung, was möglicherweise erlaubt, bei Nestor an einen Fachmann für einen speziellen Teil des Gladiatorentrainings – etwa die Beinarbeit – zu denken.1819 Oder muss man doch an einen Zusammenhang mit den erwähnten custodiae denken und in stationarius einen Wachmann im ludus erkennen? In jedem Fall erwecken die Zeilen 2 und 3 den Eindruck, als wären hier nicht die Gladiatoren, sondern das Personal der familia gladiatoria aufgezählt: jeder mit seinem Namen und mit seiner Funktionsbezeichnung.1820 Es wäre daher zu überlegen, ob mit astiarius nicht auch jemand bezeichnet sein könnte, der für die Herstellung, Reparatur und Wartung von gladiatorischen Lanzen und Dreizacken zuständig war; ähnlich etwa einem inschriftlich bezeugten manicarius namens Demosthenes, der als Hersteller bzw. Reparateur von manicae (gepolsterter Armschutz) anzuspre1816 Junkelmann 2008, 130. Mosci Sassi 1992, 84–86. 1817 Comparetti 1910, 276. 1818 Comparetti 1910, 276, hält einen militärischen Zusammenhang der Begriffe für wahrscheinlicher. Zu der in Rom gefundenen Grabinschrift (Dat. ungewiss) s. EAOR I, Nr. 63 (= AE 1988, Nr. 24): Pardus (h)astarius | vet(eranus) nat(ione) | Aegyptus pugna|rum VIIII. In einer anderen Inschrift aus Rom (177 n. Chr.) ist ein Pardus prov(ocator) vet(eranus) bezeugt. EAOR I, Nr. 45. Mosci Sassi 1992, 190–191. Junkelmann 2000, 120–123. Zu einem Gladiator namens Pardus vgl. Robert 1970, Nr. 237. 1819 Mosci Sassi 1992, 98–99. Ob Nestor ebenfalls ein Kampfname eines Gladiatorentrainers ist, für dessen Weisheit und Erfahrung die mythologische Figur Pate stand? Da der bislang überlieferte terminus technicus für einen Gladiatorentrainer doctor ist, dem allerdings oftmals ein Spezifikum hinsichtlich der Waffengattung hinzugefügt ist (doctor thraecum, doctor hoplomachorum etc.), könnte ein stationarius vielleicht ebenfalls einen – bislang unerkannten – Trainer bezeichnen. Zu doctores in einem ludus gladiatorius s. auch Fagan 2015, 130. Zu einem Kölner doctor gladiatorum s. Kat. 2.2.6. 1820 Zum Personal eines ludus gladiatorius s. Fagan 2015, 130–131.
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chen ist.1821 Auch ein lentiarius könnte vielleicht nicht nur für die Beschaffung oder den Handel von Bohnen, sondern auch für deren Zubereitung verantwortlich, vielleicht also der Koch der Gladiatoren gewesen sein. Keine der hier geäußerten Vermutungen kann allerdings über den fragmentarischen Befund des lateinischen Papyrus eindeutig gestützt werden und stellt somit nur eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten dar. Spatha, ein breites, zweischneidiges Schwert, in Zeile 5 ist ein militärischer Begriff, der auch in der Gladiatorenfachsprache bezeugt ist und hier das ‚Langschwert‘ – vielleicht als Synonym für gladius – bezeichnet.1822 Der Ausdruck commilitibus ist in diesem Kontext ebenfalls bemerkenswert, da der hier genannte Afer in Fragment 6 bereits als aktiver Gladiator gekennzeichnet worden war. Der gladiatorische Waffenbruder wurde demnach als ‚Mitsoldat‘ bezeichnet, was überraschend ist, wenn man die großen personenrechtlichen Unterschiede zwischen römischen Soldaten und Gladiatoren bedenkt. Es könnte aber auch ein interessantes Licht auf denjenigen werfen, der die Militärakten der familia gladiatoria niederschrieb: Identifizierten sich die Soldaten mit ‚ihrer‘ familia und akzeptierten sie als commilites? Die sechste Zeile von Fragment 17 gibt trotz ihres relativ guten Erhaltungszustandes gleichfalls Rätsel auf. Das vor victi verlorene und mit einem s endende Wort könnte vielleicht mit gladiatores rekonstruiert werden, möglicherweise mit vorangestelltem Zahlzeichen zur genauen Bezifferung der besiegten Gladiatoren. Zudem lässt die Subjunktion si einen Bedingungssatz erwarten, eine für tatsachenorientierte Militärakten nicht unbedingt zu erwartende Satzkonstruktion. Da victi zugleich das Thema Sieg/ Niederlage anzudeuten scheint, ist vielleicht eher an eine Einschränkung oder Zusatzangabe zu denken. Übersetzen könnte man dann folgendermaßen: ‚(max. 15) Gladiatoren wurden von Numerius (oder dem ludus oder der familia des Numerius)1823 besiegt, wenn unter dieselben Paarungen auch die durch missio ausgegangenen [hinzugefügt werden]‘. Dann müsste man die von D. Comparetti vorgeschlagene Ergänzung misi[sset …, bei der Subjekt und Bedeutung schwer erklärlich wären, durch das meines Erachtens inhaltlich plausiblere mis[s]i[one ersetzen.1824 Bei einer Kampfpaa-
1821 Die Inschrift stammt aus Rom, wobei der genaue Fundort ungewiss ist. EAOR I, 55, Nr. 45 (= CIL 6, 631). 1822 Junkelmann 2000, 196. Ein in Rom begrabener Provocator aus dem Ludus Magnus, der kaiserlichen Gladiatorenkaserne direkt neben dem Colosseum, trägt den Zusatz spat, was möglicherweise mit spatharius aufgelöst werden könnte.] prov(ocatori) spat(hario) / [lud(i) m]ag(ni) v(ixit) a(nnos) XIIX / [3]inus prov(ocator) / [spat(harius?)] lud(i) mag(ni) s(odali?) / [b(ene)] m(erenti) f(ecit). EAOR I, Nr. 83 (= CIL 6, 7659). Die vielfach mit spatharius aufgelöste Abkürzung sp hat Junkelmann 2000, 92–93, m. E. überzeugend als eine hierarchische Bezeichnung eines gladiatorischen Dienstgrades interpretiert. So auch EAOR I, 55. 1823 Oder vom ludus des Numerius, wenn man die Überschrift in Fragment 14 so versteht, dass Numerius hier als lanista einer familia gladiatoria anzusprechen ist. 1824 Die Anzahl der Unterlegenen des Numerius mit max. 15 beruht auf der Hypothese, dass in Zeile 1 des Fragmentes die Zahl 16 auf (rekonstruierte) gladiato]res bezogen ist. Vgl. Fagan 2015, 138, zu psychologischen Implikationen der missio.
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rung, bei der der editor muneris auf missio entschied, hatte einer der beiden Gladiatoren einen klaren Sieg davon getragen. Der Verlierer wurde allerdings nicht, sofern er tapfer und ehrenhaft gekämpft hatte, mit dem Todesstoß bedacht, sondern lebend aus der Arena entlassen. Vielleicht unterschied man in einer gladiatorischen Kampfstatistik zwischen Siegen, bei denen der Verlierer getötet worden war, und Siegen, bei denen der Verlierer überlebt hatte, oder anders ausgedrückt: zwischen Siegen, bei denen der Sieger den Todesstoß ausgeführt hatte, und solchen, bei denen er seinen Gegner hatte verschonen dürfen. Da die Überschrift in Fragment 14 numer famil glad ludị …[.. von Comparetti aufgelöst wurde mit Numeri familia gladiatoria ludi, also ‚die Gladiatorenfamilie aus der Schule des Numerius‘, könnte man in Erwägung ziehen, dass in Fragment 17 die Siegstatistik nicht eines einzelnen Gladiators, sondern die einer Gladiatorenschule aufgezeichnet ist.1825 In diesem Fall hätte man dann der Rivalität zweier ‚verfeindeter‘ Gladiatorenschulen Rechnung getragen, indem zwar der Sieg zugestanden, stolz aber eine Relativierung dieser Tatsache durch gewisse Einschränkungen vorgenommen wurde.1826 Grundsätzlich kann ein solcher Detailreichtum in der Statistik eines (Star-) Gladiators wenig verwundern, denn die Mietpreise für Gladiatoren, die der munerarius dem lanista zu zahlen hatte, bemaßen sich nach dem Wert der einzelnen Gladiatoren, der sich wiederum in gewonnenen Kämpfen manifestierte.1827 Im Falle zweier rivalisierender militärischer ludi könnte sich auf diese Weise die Identifikation der Truppe mit ‚ihrer‘ Gladiatorenfamilie und damit das militärische Ehrgefühl im Duktus der Aktenaufzeichnung niedergeschlagen haben. Trotz aller Unsicherheiten in der Lesung und Interpretation der einzelnen Textfragmente transportieren die Bruchstücke doch einen allgemeinen Eindruck vom Charakter der Gladiatorenakten. Demzufolge war dem Militärlager von Babylon in der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. ein ludus mit einer oder mehrerer familiae gladiatoriae angegliedert, die von einem oder mehreren Vorstehern oder hochrangigen Gladiatoren geführt wurden. Administrativ unterstanden diese der Lagerkommandatur und waren im Militärarchiv in einer eigenen Militärakte entsprechend registriert. Jedes Mitglied des ludus bzw. der familia gladiatoria scheint mit Namen und Funktion in diesen Akten Erwähnung gefunden zu haben. Dabei umfasste das nicht-gladiatorische Personal des ludus einen oder mehrere Vorsteher, Bestiarier-Gehilfen (famuli bestiariorum), Wachen (custodiae) und vielleicht einen Koch (lentiarius), einen Waffenexperten (astarius) und einen Trainer (stationarius). Im Lager scheinen sich bis zu 162 Gladiatoren aufgehalten zu haben, wobei nicht zu klären ist, ob diese teilweise
1825 Oder die einer Gladiatorenfamilie aus dem Militärludus von Babylon (s. oben). 1826 Vgl. Fagan 2015, 138. 1827 Mann 2011, 70–72. Vgl. Fagan 2015, 136–138. Auch im Circuswesen lassen die aufgezeichneten Statistiken berühmter Rennpferde einen großen Detailreichtum in der Qualifizierung der erlangten Siege erkennen. Thuillier 1999, 136–139.
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auswärtigen ludi zugerechnet werden müssen. Ebenfalls unsicher ist die Zahl von 16 Gladiatoren, die vielleicht zum ludus von Babylon gehörten oder während eines munus im Lager aufgetreten sind. Bei einem lagerinternen (?) munus wurden neben Gladiatorenkämpfen offenbar auch venationes veranstaltet. Wo genau diese stattfanden, geht aus den Fragmenten nicht hervor. Man darf jedoch mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass es außerhalb des Lagerareals ein Militäramphitheater gab, von dem sich allerdings bislang keine Spuren gefunden haben. Wahrscheinlich konnte eine familia gladiatoria – ähnlich wie bei militärischen Detachements – zu anderen (Kampf-?) Schauplätzen außerhalb des eigenen Lagers abkommandiert werden, entweder zu einem anderen Militärludus, einem kaiserlichen ludus oder vielleicht auch zu einem zivilen Standort. Für die Gladiatorenfamilie von Babylon lässt sich erschließen, dass sie sowohl außerhalb ihres eigenen Standlagers agierte (reversi sunt), als auch einen ‚gegnerischen‘ Militärludus zu Gast hatte (interveniente ludo Niko[…). Statistisch wurden die Gladiatoren mit administrativ-ökonomischen Daten erfasst.1828 Es hat den Anschein, dass jeder Kampfeinsatz und Nicht-Einsatz eines Gladiators festgehalten wurde, ebenso wie die ökonomische Gesamtbilanz eines familia-Einsatzes: Wie viele Tote, Verletzte und Unversehrte hatte es bei einem munus gegeben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Daten Grundlage buchhalterischer Berechnungen zum Finanzvolumen der babylonischen familia gladiatoria darstellten.1829 Dazu würden auch nahrungsrelevante Angaben passen, die den logistischen Mehraufwand eines ludus in einem Militärlager widerspiegeln. Auch An- und Abwesenheit der eigenen familia(e) gladiatoria(e) bzw. die Anwesenheit fremder familiae wurden in den Akten registriert, vielleicht um auf Abweichungen im regulären Finanzbedarf der Gladiatorenfamilie reagieren zu können. Darüber hinaus wurden über den Erfolg einzelner Gladiatoren bzw. des lagereigenen ludus statistische Daten erhoben. Daraus lässt sich möglicherweise auf eine Wertklassifizierung einzelner Gladiatoren oder auch ein gewisses Konkurrenzverhalten militärischer ludi untereinander ableiten. Außerdem lassen sich im Hinblick auf die in den babylonischen Akten genannten Gladiatoren Charakteristika erkennen, die auch reichsweit für Gladiatoren zu beobachten sind: So kämpften die babylonischen Gladiatoren wie alle ihre Berufsgenossen unter Pseudonym, wobei ihre Kampfnamen (Afer, Improbus) aus einer substantivierten Herkunftsbezeichnung oder einer Rekurrenz auf ihren Kampfstil abgeleitet waren. Auch die in der Kaiserzeit beliebtesten Waffengattungen sind für den ludus des Militärlagers von Babylon belegt: retiarius, secutor/contraretiarius (erschlossen), venator/ bestiarius, thraex (?). Zudem scheint die Ernährung der Gladiatoren im Lager von Babylon nach dem üblichen Muster konzipiert gewesen zu sein: Bohnen (faseli?), Gerste (farinae?) und Linsen könnten zum üblichen Speiseplan gehört haben, und vielleicht
1828 Zu diesem Aspekt von Militärakten s. Fink 1971, 9. 1829 Vgl. Fink 1971, 9.
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auch mal ein Schweinebraten (sues coctae) im Rahmen einer cena libera. Zuständig für die Ernährung der Gladiatoren von Babylon war offensichtlich die Lagerküche (culina castri), in der vielleicht ein eigener Koch (lentiarius) für die Zubereitung der speziellen Gladiatorenkost zuständig war. Abschließend seien einige Beobachtungen hinsichtlich der Sprache der babylonischen Militärakten angeführt. Wie für das Genre üblich, finden sich auch in den Fragmenten der Gladiatorenakten Kürzel und Abkürzungen, hier allerdings gladiatorenspezifische: famil glad (= familia gladiatoria), caes (= caesus ?) n (= nullus/nemo ?), so (= sospes ?), viceX (= victoriae X ?). Die armatura eines Gladiators (retiarius, venator) wird hingegen nie abgekürzt – ganz im Gegensatz zum Befund epigraphischer Quellen. Darüber hinaus fällt die starke Anlehnung an oder Entlehnung aus dem Militärjargon auf, die durch die so entstehende Mehrdeutigkeit der Begriffe die Entschlüsselung der Textfragmente zusätzlich erschwert. Das Erstaunlichste allerdings ist, dass die Gladiatorenakten auf Lateinisch verfasst wurden, obwohl die offizielle Amtssprache im Militärlager von Babylon – wie in ganz Ägypten – Griechisch war. Im Griechisch-sprachigen Osten des Imperium Romanum wurden die Fachbegriffe der römischen Gladiatur zwar ebenfalls dem Lateinischen entlehnt, jedoch ins Griechische transkribiert.1830 Wer also schrieb die Gladiatorenakten nieder? Ein römischer Verwaltungsbeamter oder Soldat, der nicht allzu vertraut mit den termini technici der Welt der Gladiatoren war?1831 Oder ein commentariensis, wie er für den Ludus Matutinus, die Bestiarierkaserne, in Rom bezeugt ist?1832 Unterlag möglicherweise der Duktus von militärischen Gladiatorenakten anderen, ‚genormten‘ Vorgaben, anders als etwa im zivilen Bereich? Und für wen waren die Akten bestimmt? Interessanterweise ist die einzige in den Akten erhaltene Datumsangabe, die wahrscheinlich den Tag eines lagerinternen munus festhielt, auf Latein und Griechisch verfasst (X KAL AUG επειφ κθ). Das erweckt den Anschein, dass das Datum eines solchen Festes auch für Nicht-Römer im Militärarchiv verständlich sein musste. Oder entsprach dies dem im Lager ausgehängten edictum muneris, der Ankündigung eines Gladiatorenkampfes, den die griechisch sprechenden Lagerangehörigen genauso verstehen mussten wie die lateinisch sprechenden? Der Papyrus aus dem Militärlager von Babylon legt in jedem Fall den Schluss nahe, dass es neben den aus der Not geborenen gladiatores militares der literarischen Quellen auch Gladiatorenfamilien gab, die einer römischen Militäreinheit in ihrer originären Funktion als Arenakämpfer angegliedert waren. In diese Richtung weisen auch die wenigen epigraphischen Quellen, die uns überliefert sind. So nennt etwa die eingeritzte
1830 Mann 2011, 125–133. 1831 Auch das Feriale Duranum ist auf Latein verfasst, was möglicherweise nicht nur seinen offiziellen Charakter, sondern auch seine Verbindlichkeit für alle römischen Militäreinheiten erkennen lässt. Fink 1971, 423. Vielleicht muss man Ähnliches für die Akten militärischer familiae gladiatoriae in Erwägung ziehen. 1832 Fagan 2015, 133. EAOR I, 39–40, Nr. 32.
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Inschrift auf einem Becher aus einem Grab bei Camulodunum/Colchester (Britannia) einen Netzkämpfer namens Valentinus, der über eine Beischrift als Angehöriger der legio tricesima gekennzeichnet ist: VALENTINU LEGIONIS XXX.1833 Die Inschrift der sog. Colchester-Becher ist nach dem Brand des Gefäßes eingeritzt worden, wobei strittig ist, ob diese nachträgliche Einritzung noch Bestandteil des eigentlichen Produktionsprozesses war oder Becher mit derlei Motiven eine handelsübliche Ware darstellten, denen Arenafans nachträglich die Namen berühmter (?) Gladiatoren beigeschrieben haben.1834 Die Abbildung je eines weiteren, ebenfalls mit Beischriften bezeichneten Gladiators bzw. zwei paegniarii verweist die Darstellung auf dem Becher aus Camulodunum in jedem Fall eindeutig in die Sphäre des Amphitheaters.1835 Der retiarius Valentinus ist dabei im Kampf mit einem (linkshändigen!) secutor namens Memnon Salv[inus oder –illus?] ins Bild gesetzt – eine der beliebtesten Kampfpaarungen in der römischen Kaiserzeit.1836 Dass der Betrachter das Ende dieses Kampfes vor Augen hat, verdeutlicht der erhobene Zeigefinger des Valentinus: Kampfunfähig signalisiert er seine Aufgabe, sein verlorener Dreizack außer Reichweite nutzlos am Boden liegend.1837 Stilistische und typologische Analysen haben ergeben, dass das Gefäß sowohl aus einer lokalen Werkstatt als auch aus einer Töpferei in Obergermanien (Tabernae/Rheinzabern) stammen könnte.1838 Da die legio XXX nicht in Britannien, sondern in Vetera
1833 Die sog. Colchester-Vase wurde in Grab 136 im Jahr 1848 in West Lodge nahe Camulodunum/ Colchester in der Provinz Britannia gefunden und wird über Beifunde und aufgrund der Randbildung des Gefäßes in das ausgehende zweite Jh. n. Chr. datiert. Hull 1963, 96. RIB 2503.119. Sommer 2009, 59. Wilmott 2008, 168, Abb. 97. Wiedemann 2001, 61. Oenbrink 1998, 157–158. Ville 1988, 214. Wahl 1977, 131, Taf. 25. Drei der vier dargestellten Personen sind mit Beischrift erhalten, eine vierte Person mit zwei stockähnlichen Gegenständen, ein paegniarius, in der Hand dagegen nicht. Die Beischriften lauten: SECUNDUS MARIO | MEMNON SALVIIII | VALENTINU LEGIONIS XXX. Wahl 1977, 131, rechnet die Beischrift Secundus dem linken, die des Mario dem rechten paegniarius zu. Auch die Inschrift des Memnon wird von Wahl anders gelesen: SAC sei die Abkürzung für secutor und VIIII ein Zahlzeichen. Da Memnon jedoch über die Darstellung ohnehin leicht als secutor erkennbar ist und auch Valentinus keine Beischrift seiner armatura hat, scheint mir Letzteres wenig überzeugend. Junkelmann 2000, 128, Abb. 202. Zu abgekürzten Beinamen von Gladiatoren, die möglicherweise den Namen des besitzenden lanista angibt, s. Fagan 2015, 129. 1834 Wilmott 2008, 169–170, der auf Ähnlichkeiten mit pompejanischen Graffiti verweist. Vgl. dazu Jacobelli 2003, 439-4249-52. Grundlegend zu pompejanischen Graffiti aus dem Gladiatorenmilieu Sabbatini Tumolesi 1980. 1835 Zu paegniarii s. Flecker 2015, 66–67. Junkelmann 2000, 128. Mosci Sassi 1992, 146–147. 1836 Flecker 2015, 63–66. 1837 Hull 1963, 96, Abb. 51.3, mit einer abgerollten Umzeichnung der Darstellung. Wilmott 2008, 170. Le Roux 1990, 207. Stellvertretend für die Bewaffnung des retiarius, bestehend aus Dreizack, Netz und Dolch, ist auf der sog. Colchester-Vase allein der Dreizack auf dem Boden liegend dargestellt. 1838 Zwei der drei Beifunde aus dem Grab 163 wurden als lokale Ware angesprochen. Funde aus der näheren Umgebung, die derselben Töpferwerkstatt zugeordnet werden, zeigen, dass lokale Töpfer über eine ausreichende Kunstfertigkeit verfügten, um eine solche Vase herzustellen. Hull 1963, 93–96. Wilmott 2008, 169, gibt an, dass der Becher in einer lokalen Töpferei in Colchester hergestellt wurde.
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Castra II/Birten in der Provinz Germania Inferior stationiert war, ist man versucht in Erwägung zu ziehen, dass nicht nur das Standlager der 30. Legion, sondern auch die Produktionsstätte des Bechers in Germanien zu lokalisieren ist.1839 War die legio XXX also im Besitz einer familia gladiatoria, zu der ein retiarius namens Valentinus gehörte? Und hatte diese familia gladiatoria der 30. Legion im Militärlager von Camulodunum/ Colchester ein ‚Auswärtsspiel‘?1840 Auch weckt die Erwähnung der 30. Legion Erinnerungen an Cessorinius Ammausius, dessen überlieferte Weihinschrift nur wenig später (3. Jh. n. Chr.) datiert und der laut dieser als ursarius (Bärentrainer?) mit der Logistik von Militär-venationes in Germanien in Verbindung gebracht werden kann.1841 Auf dem Colchester-Becher tritt uns mit Valentinus ein Gladiator entgegen, der offenbar in der ihm zugedachten Funktion als Arenaakteur Teil der legio tricesima war. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl der Widersacher des Valentinus, Memnon, als auch der mit Beischrift gekennzeichnete paegniarius (Secundus) Mario nicht über eine ‚Besitzermarke‘ eines römischen Militärverbandes verfügen.1842 Sind sie als zivile Gladiatoren im Dienst eines privaten lanista oder als kaiserliche Gladiatoren (gladiatores fiscales) aus einem der kaiserlichen ludi anzusprechen?1843 Um welche Art munus könnte es sich aber gehandelt haben, bei dem Gladiatoren einer Legion gegen nicht-legionseigene Gladiatoren antraten? Noch dazu Gladiatoren einer Legion, deren Standlager nicht in Britannia, sondern in Germania Inferior war? Auch wissen wir nicht, wie der Verstorbene in den Besitz des Bechers gelangt ist. Hatte er ein munus mit diesen namentlich bezeichneten Gladiatoren selbst gesehen und den Becher als Souvenir mitgenommen? Die Darstellung eines Linkshänders, eine Seltenheit unter den Gladiatoren, sowie seine namentliche ‚Beschriftung‘ lassen in jedem Fall an ein tatsächlich veranstaltetes munus denken, das durch diese Details gleichsam individualisiert und damit wiedererkennbar gemacht wurde.1844 Ähnlich wie das Standlager der legio XXX liegt auch der Fundort einer heute verschollenen Inschrift in der Germania Inferior.1845 Es handelt sich um einen Weihaltar 1839 Wilmott 2008, 169. Die legio XXX war etwa ab 120 n. Chr. in Vetera Castra II/Birten stationiert. Bogaers 1967, 62. Schmitz 2008, 142, 160–161. 1840 Golvin 1988, 91, Nr. 50, 100, Tab. 3. Vgl. Wilmott 2008, 169–170, der auch die Möglichkeit in Betracht zieht, dass es sich um eine umherziehende Gladiatorentruppe handeln könnte. So auch Wahl 1977, 131. Zum römischen Circus von Camulodunum s. Crummy 2008, der etwa 4 km nordöstlich des Militärlagers nahe der zivilen Siedlung gelegen war und vielleicht ausnahmsweise als Arena gedient haben könnte. Crummy op. cit., Abb. 1. 1841 EAOR V, Nr 50. Vgl. oben Kap. 3.2 Venatio vivarium, ursarius – Das Militär du die Logistik der Tierschauspiele in Germanien. 1842 Wahl 1977, 131, scheint jedoch alle dargestellten Gladiatoren als zur 30. Legion gehörig zu betrachten. 1843 Zu gladiatores fiscales s. Wahl 1977, 132, sowie eine Notiz in der Historia Augusta SHA Gord. 33. 1844 Wilmott 2008, 170, nimmt diese Beobachtung als Indiz für die Anbringung der Inschrift als Teil des Herstellungsprozesses. 1845 Laut CIL 13, 8831, heißt es: „Haec basis nunc exstat Dordraci apud Martinum de Beaumont“. Die Inschrift befand sich demnach in Privatbesitz, von wo aus sich ihre Spur verlor. Die Inschrift firmiert im 13. Band des Corpus Inscriptionum Latinarum unter der Rubrik Hollondiae incertae.
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(Kat. 2.7.3), den die Gladiatoren der classis Germanica Pia Fidelis dem siegreichen Mars gewidmet hatten.1846 Der erhaltene Text der Inschrift lautet:1847 MARTI VICT GLADIATORES CGPF
Gefunden wurde die Basis in Dordracum/Dordrecht (Germania Inferior), dem Siedlungsgebiet der Bataver und rund 90 km westlich von Ulpia Noviomagus/Nijmegen. Über die Appellation der Flotte mit Pia Fidelis sowie dem Datum ihres Unterganges kann die Inschrift grob in die Zeit zwischen 96 n. Chr. und dem letzten Drittel des 3. Jhs. datiert werden.1848 Der Text der Inschrift befand sich auf einer Basis, auf deren Oberfläche die Füße der ehemals auf ihr befestigten Mars (?)-Statue zum Zeitpunkt ihrer Auffindung noch erhalten waren.1849 Auffällig ist, dass Mars nicht wie etwa Nemesis oder Hercules zu den Arenagottheiten zählte, die von den Gladiatoren in besonderer Weise verehrt wurden.1850 Vielmehr verweist er als Kriegsgott klar in den militärischen Bereich. Auch der Fundort der Inschriftenbasis in Hollondiae incertae ist bemerkenswert, befand sich doch das Hauptquartier der römischen Rheinflotte ca. 3 km südlich der Claudia Colonia Ara Agrippinensium, dem heutigen Stadtteil Köln-Marienburg (Alteburg).1851 Schon unter Germanicus gab es allerdings bei Flevum/Velsen in Nordholland ein castellum mit einer großen Hafenanlage, dessen zwei Belegungsphasen in die Zeit zwischen 16–40/50 n. Chr. reichen.1852 Auch während des Bataver-Aufstandes im Jahre 69/70 n. Chr. befanden sich Detachements der Rheinflotte im Batavergebiet.1853 Ihre Funktion als „Strom-Kriegsflotte“ legt zudem nahe, dass sich Detachements der classis entlang des Rheins befanden, um an der ‚nassen Grenze‘ der Germania Inferior zu patrouillieren.1854 Zu einem dieser Detachements könnten die in der Inschrift genannten Gladiatoren gehört haben. Sie müssen innerhalb der Rheinflotte in jedem Fall eine 1846 CIL 13, 8831. Die Rheinflotte hatte verschiedene Beinamen, von denen allein Pia Fidelis dauerhaft war. Hanel 1998, 406. Konen 2000, 260–261, 264–266. 1847 CIL 13, 8831. Ü: Die Gladiatoren der classis Germanica pia fidelis [widmeten] dem siegreichen Mars [diesen Altar.] 1848 Die classis Germanica erhielt nach dem Saturninus-Aufstand 89 n. Chr. unter Domitian den Ehrentitel Pia Fidelis Domitiana. Das Fehlen des ursprünglichen Epithetons Domitiana liefert mit der damnatio memoriae des Flaviers im Jahre 96 n. Chr. einen wichtigen terminus post quem. Höckmann 1998, 340–341. Grundlegend zur classis Germanica Konen 2000. 1849 CIL 13, 8831. 1850 Junkelmann 2000, 84. 1851 Die classis Germanica war seit tiberischer Zeit in Köln-Alteburg (Germania Inferior) stationiert und zählte zum ersten Flottenkontingent außerhalb Italiens. Ihr Gründungsdatum ist umstritten. Hanel 1998, 406. Höckmann 1998, 317, 334. Konen 2000, 260–271. 1852 Bosman 2016, 11–57. Konen 2000, 280–288. Höckmann 1998, 334. Bosman 1997. 1853 Höckmann 1998, 334. Bei Tacitus (hist. 1,58) ist in claudisch-julischer Zeit ein batavischer Flottenkommandant der classis Germanica namens Iulius Burdo überliefert. Saddington 1990, 68–69. 1854 Konen 2000, 351–354. Hanel 1998, 415. Höckmann 1998, 335.
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separate Einheit gebildet haben, denn sie haben ihre Dedikation als die eines Kollektivs im Inschriftentext festgehalten.1855 Ihr Selbstverständnis scheint demnach sowohl aus ihrer Zugehörigkeit zu einer militärischen Sondereinheit (gladiatores), als auch durch ihre Zugehörigkeit zur Rheinflotte gespeist worden zu sein. In welcher Funktion sich die Gladiatoren am Niederrhein bewegten, ist dem Inschriftentext nicht zu entnehmen. Die Weihung an Mars könnte ein kriegerisches Ereignis vermuten lassen, doch war die Zeit nach dem Bataveraufstand am Niederrhein bis um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. weitgehend friedlich.1856 Wie der babylonische Papyrus und der Colchester-Becher vermuten lassen, könnten sie auch als familia gladiatoria in einem ludus der holländischen Militärstützpunkte aufgetreten sein. Es liegt nahe, für etwaige Gastspiele der Gladiatoren der Rheinflotte Amphitheater entlang des Rheins oder der Waal in Betracht zu ziehen, wobei die Seesoldaten und Ruderer der Rheinflotte die Logistik des Unterfangens (Transport von Gladiatoren, wilden Tieren, Trainern, Ärzten etc.) auf ihren Kriegs- und/oder Transportschiffen bewerkstelligt haben dürften.1857 Das Militäramphitheater von Ulpia Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1) käme für eine solche Mission als Spielstätte in Frage, allerdings nur bis um 104 n. Chr., als der Abzug der dort stationierten legio X Gemina die Aufgabe des Amphitheaters auf dem Hunerberg einläutete.1858 Laut des literarischen, epigraphischen und papyrologischen Befundes scheinen Gladiatoren sowohl temporär als auch dauerhaft Teil römischer Militäreinheiten gewesen zu sein. Der nur temporäre Aufenthalt von Gladiatoren innerhalb des römischen Militärs war dabei von der späten Republik bis in die Kaiserzeit in der Hauptsache militärischen Notsituationen (Bürgerkriegen, Revolten, Pestepidemie) geschuldet und trug somit den Charakter einer Ausnahmeerscheinung.1859 Es hat sich gezeigt, dass in diesen Ausnahmesituationen Gladiatoren stets in Infanterie-Einheiten des römischen Militärs und dort wohl in Form einer Spezialeinheit für Nahkampfsituationen zum Einsatz kamen. Ihre niedrige soziale Stellung sowie die Spezifika der gladiatorischen Kampftechnik mögen dafür der Grund gewesen sein. Diesem Einsatz als tatsächliche, ad hoc verpflichtete Soldaten (gladiatores militares) stehen papyrologische und epigraphische Quellen gegenüber, die einen dauerhaften Aufenthalt von Gladiatoren innerhalb der römischen Armee erkennen lassen. Charakteristisch für diesen ist, dass Gladiatoren als Arenaakteure von römischen Legionen, Auxiliar- oder Marineeinheiten verpflichtet worden zu sein scheinen und als gladiatores inter milites möglicherweise immunes waren, das heißt von den üblichen Soldatenpflichten entbunden waren. Wie der Weihestein der Gladiatoren der 1855 Vgl. Wahl 1977, 130: „Demnach unterstanden diese Gladiatoren einer Teilstreitkraft, deren Soldaten als Peregrine einen geringeren Rechtsstatus als Legionäre innehatten.“ 1856 Höckmann 1998, 335, 341. 1857 Vgl. Höckmann 1998, 335, 338, zum Nachschub des Heeres in Niedergermanien per Schiff sowie Verbindungs- und Depeschendiensten der Flotte. 1858 Zum Abzug der 10. Legion aus dem Lager auf dem Hunerberg s. Driessen 2007, 141, Anm. 337. Willems/van Enckevort 2009, 61. 1859 So schon Le Roux 1990, 206.
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Rheinflotte, der Papyrus aus Babylon und vielleicht auch der Becher aus Camoludunum/Colchester nahelegen, waren Militärgladiatoreneinheiten – ähnlich wie reguläre Soldaten – nicht an ihre Standlager gebunden, sondern konnten, unterstützt von der gesamten Militärlogistik, an verschiedenen Orten zum Einsatz kommen.1860 Dass es sich bei diesen Orten um Militäramphitheater gehandelt hat, scheint plausibel, lässt sich aber mit dem kargen Quellenmaterial (noch) nicht belegen. 3.3.2 Vetera Castra und die Gladiatoren der legio XV Primigenia 1974 wurde in einer kurzen Abhandlung über Helme aus Niedergermanien die Krempe eines Helmes publiziert, deren Form und Verzierung zweifelsfrei als Teil eines Gladiatorenhelmes identifiziert wurde (Abb. 10).1861 In den Inventarbüchern des Rijksmuseums von Oudheden in Leiden, wo die Helmkrempe ursprünglich aufbewahrt wurde, ist als Fundort angegeben: ‚Waal bei Nijmegen‘.1862 Das bedeutet, dass das Stück von Schwimmbaggern als Zufallsfund aus der Waal, einem Seitenarm des Rheins, aus dem Wasser gehoben wurde. Die genauen Fundumstände sind unbekannt, nur die Waal und die nähere Umgebung von Nijmegen können als Herkunftsbestimmung herangezogen werden. Erhalten ist die Krempe des Helmes, die ursprünglich in eine halbkugelförmige Kalotte überging.1863 Von der Kalotte ist allerdings nur der äußerste untere Rand erhalten und damit die Möglichkeit verloren, den Helm einer der spezifischen armaturae innerhalb der römischen Gladiatur zuzuweisen. An der Vorderseite der Krempe aus der Waal war von innen ein stabiles Blech genietet worden, das über den Augen ausgeschnitten war, um die beiden Enden der Visierklappen aufzunehmen.1864 Die eigentliche Befestigungsvorrichtung der Visierenden ist ebenfalls verloren. Im Nackenbereich weist die Krempe eine Falte sowie ein größeres und zwei kleinere Löcher auf, die vielleicht für eine – gleichfalls nicht erhaltene – Aufhängevorrichtung des Helms bestimmt waren.1865 Die Helmkrempe aus der Waal ist aufwändig mit verschiedenen, in Treibarbeit ausgeführten Tierkampfszenen verziert (Abb. 10). Darüber hinaus wurden Binnendetails der Tiere (z. B. das Leopardenfell) sowie ornamentale Verzierungen eingepunzt. An eini-
1860 1861 1862 1863
Vgl. Wahl 1977, 132. Klumbach 1974, 68–69, Taf. 54. Junkelmann 2000, 166, H8, Abb. 276. Klumbach 1974, 13–14. Leiden, Rijksmuseum van Oudheden, Inv. N. S. 103. Es ist gut möglich, dass die Kalotte aus demselben Bronzeblech getrieben wurde wie die Krempe, wenngleich eine Anlötung derselben aufgrund des fragmentierten Erhaltungszustandes der Krempe nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Für diesen Hinweis danke ich F. Willer, LVR-LandesMuseum Bonn. 1864 Vgl. Junkelmann 2000, 62. Bettinali-Graeber 1999, Taf. 83, 90, 103, 109, 118. 1865 Bettinali-Graeber 1999, 7, vermutet, dass die Gladiatorenwaffen aus dem ludus von Pompeji an Nägeln an der Wand aufgehängt wurden, deren Reste man in Pompeji gefunden hat.
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gen Stellen nahe dem Außenrand des Helms lassen sich schwache Spuren einer ehemaligen silbern glänzender Legierung erkennen.1866 Diese Legierung, die ehemals scharfen Konturen der Tierfiguren sowie die Punzierungen sind durch die lange ‚Lagerung‘ des Gladiatorenhelms in den Wassern der Waal zum Teil stark verschliffen. Zusammen mit der goldschimmernden Bronze muss der Gladiatorenhelm ursprünglich jedoch eine imposante, zweifarbig schimmernde Kopfbedeckung dargestellt haben. Das Motiv der Tierkämpfe fällt innerhalb der römischen Gladiatur in den Bereich der Jagden oder venationes, die im Amphitheater veranstaltet wurden, und ist bislang auf keinem anderen erhaltenen Gladiatorenhelm überliefert.1867 Auch die Krempe des Helms als Bildträger von derlei Reliefdarstellungen ist bei Gladiatorenhelmen eher ungewöhnlich. Die Form der Nijmegener Krempe sowie die spärlichen Überreste ihrer Kalotte und Befestigungsvorrichtung eines Visiers zeigen, dass dieser Gladiatorenhelm vom Attisch-Böotischen Typ (Subtypus Chieti) war und ursprünglich zur Ausrüstung eines eques, thraex, murmillo oder hoplomachus gehört haben muss.1868 Generell gilt, dass Gladiatorenhelme in speziellen Bronzewerkstätten gefertigt und oftmals mit reichem Dekor verziert wurden.1869 Ihre aufwändige Herstellung in Bronzeguss oder Treibarbeit spricht dafür, dass diese „kleine[n] Meisterwerke der antiken Toreutik“ nicht serienmäßig produziert wurden, sondern Unikate waren.1870 Visierhelme sind dabei eine originäre Erfindung der römischen Gladiatur und kommen erst im Laufe des 1. Drittels des 1. Jhs. n. Chr. auf.1871 Für die Helmkrempe aus der Waal liefert das einen wichtigen terminus post quem. So datieren M. Junkelmann und H. Klumbach die Helmkrempe in die Mitte bzw. in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr.1872 Das eigentlich Interessante an dem erwähnten Gladiatorenhelmfragment ist eine punzierte Inschrift, die man auf der Unterseite der Krempe gefunden hat: LXV (Abb. 11), wobei die beiden letzten Buchstaben mit einem Querbalken überstrichen sind.1873 Der Vorschlag, die Inschrift mit legionis quintae decimae, also „(im Besitz) der fünfzehnten Legion“ aufzulösen, ist in der nachfolgenden Forschung stets ungeprüft übernommen worden.1874 Würde diese Lesart aber tatsächlich zutreffen, müsste man davon ausgehen, dass die 15. Legion in ihrem Waffenarsenal über Gladiatorenhelme 1866 Die Exiszenz einer Legierung bestätigte freundlicherweise R. Meijers (Restaurator; Museum Het Valkhof), als ich im Rahmen der Ausstellung ‚Gladiatoren. Helden van het Colosseum‘ (1.10.2016– 5.3.2017) im Museum Het Valkhof, Nijmegen (NL) die Helmkrempe einer ausführlichen Autopsie unterziehen konnte. 1867 Junkelmann 2000, 84–85. Bettinali-Graeber 1999, 322–325. Taf. 83–315. 1868 Junkelmann 2000, 59–61. 1869 Bettinali-Graeber 1999, 252–253, 304–309. Junkelmann 2000, 55. 1870 Junkelmann 2000, 84. Vgl. Pflug 1988, 365, zu einem in der Dekoration bislang singulären Helm und Beinschiene. 1871 Junkelmann 2000, 61–62. Bettinali-Graeber 1999, 283–284. 1872 Junkelmann 2000, 166, H8. Klumbach 1974, 68. 1873 Junkelmann 2000, 166. Klumbach 1974, 68. 1874 Junkelmann 2000, 166. Bettinali-Graeber 1999, 316. Wahl 1977, 130–131. Klumbach 1974, 68.
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verfügte, die zu ihrem fiskalischen Eigentum gehörten.1875 Dies würde bedeuten, dass es innerhalb der 15. Legion – ähnlich wie im Militärlager von Babylon – möglicherweise ebenfalls einen ludus mit einer familia gladiatoria gab. Es galt daher, diese These einer Prüfung zu unterziehen. Auf der Suche nach Vergleichsbeispielen für Besitzerinschriften der 15. Legion lag es zunächst nahe, die Ziegelstempel dieses Militärverbandes heranzuziehen. Die 15. Legion war von claudischer Zeit bis zu ihrem Untergang im Jahre 70 n. Chr. in Vetera Castra I/Birten bei Xanten stationiert. Hier teilte sie sich mit der legio V Alaudae ein Legionslager. Aus diesem Lager, dessen jüngstes Erbauungsdatum in neronische Zeit datiert, sind verschiedene Typen von Ziegelstempeln überliefert, darunter einer, der unserer gepunzten Inschrift ähnlich ist.1876 Dabei wurden alle von der 15. Legion gestempelten Ziegel in der östlichen Hälfte des Lagers gefunden, also in der Hälfte, die der 15. Legion vorbehalten war.1877 Eine gewisse Übereinstimmung im Formular der überlieferten Ziegelstempel und der punzierten Helminschrift zeigt, dass die Lesart „(im Besitz) der 15. Legion“ für die Gladiatorenhelmkrempe aus der Waal nicht zwingend, aber vertretbar wäre. Im Bereich von Waffen und Rüstungsteilen von Gladiatoren sieht man sich indes größeren Problemen gegenüber. Waffen und Panzerteile von gladiatorischer Ausrüstung sind selten und wurden in nennenswerter Anzahl überhaupt nur im ludus gladiatorius von Pompeji zu Tage gefördert.1878 Auf diesen finden sich lediglich Hersteller-Stempel, die die Künstler aus den verschiedenen Waffenschmiedebetrieben oder – in seltenen Fällen – auch die Auftraggeber der Gladiatorenwaffen zu erkennen geben.1879 Noch seltener sind punzierte Künstler-Inschriften:1880 Von den in Pompeji gefundenen Helmen zeigen nur zwei Stücke eine auf der Unterseite ihrer Helmkrempe eingepunzte Inschrift, ein großes A, dessen Bedeutung bisher nicht entschlüsselt werden konnte.1881 Auch in Germania Inferior hat man ein Ausrüstungsteil eines Gladiators entdeckt, das eine solche Besitzerinschrift tragen könnte: In Theux-Juslenville, einem kleinen Ort südwestlich von Verviers in Belgien, trat in einem Sakralbezirk der eiserne galerus eines retiarius (Kat. 2.6.1) zu Tage, doch mit einer Inschrift war dieser mögli1875 Wahl 1977, 130. 1876 Von den insgesamt 11 bekannten Ziegelstempel-Typen kommt der punzierten Inschrift auf der Unterseite der Helmkrempe der Typ II 1 am nächsten, der in zwei Varianten überliefert ist: Variante a (4,2 × 2 cm) ist drei Mal belegt und wurde in Gebäude G (G350), P (G 531) und R (G 532) gefunden; Variante b ist ein Mal überliefert (G 533) und stammt aus einem Grab aus der Südostecke des neronischen Lagers. Hanel 1995, 266. 1877 Die Fundverteilung der Ziegelstempel zeigt, dass auch die principia zur Hälfte jeweils von einer Legion errichtet worden waren. Hanel 1995, 272. 1878 Junkelmann 2000, 44–45. Junkelmann 2000a, 113. Bettinali-Graeber 1999, 3–6. Pflug 1988, 365. 1879 Bettinali-Graeber 1999, 312–319. 1880 Bettinali-Graeber 1999, 314–317. 1881 Bettinali-Graeber 1999, Kat.-Nr. 30 (provocator-Helm, 2./3. Viertel 1. Jh. n. Chr.), Kat.-Nr. 32 (secutor-Helm, 3. Viertel 1. Jh. n. Chr.).
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cherweise als Votiv anzusprechende Schulterschirm eines Netzkämpfers nicht versehen. Besitzerinschriften römischer Legionen auf Ausrüstungsgegenständen von Gladiatoren sind demnach im gesamten Imperium Romanum bislang nicht überliefert. Einen entscheidenden Hinweis zur Klärung der Frage, ob der Gladiatorenhelm aus Nijmegen tatsächlich zum Inventar der 15. Legion gehörte, liefert ein Fund aus Vetera Castra I/Birten: Hier, rund 65 km stromaufwärts von Nijmegen, befand sich das bereits erwähnte Standlager der legio XV Primigenia, in dem man 1929/1930 das fragmentierte Visier eines Gladiatorenhelms (Kat. 2.8.2) zu Tage förderte (Abb. 12).1882 Das Visier des Helms war aus Bronzeblech gearbeitet und mit einer silbern glänzenden Legierung überzogen, so dass es ursprünglich zweifarbig geschimmert hat.1883 Das Bronzegitter, das den runden Augenausschnitt geschützt hat, ist nicht erhalten geblieben. Neben einer gepunzten Verzierung bestand der figürliche Schmuck des Helmteils in der Darstellung einer Tierkampfszene, bei der ein Leopard eine nach links fliehende Ziege reißt.1884 Stilistisch wird das Visierfragment in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert1885 und gehörte zu einem Helm des Attisch-Böotischen Typs, also zum Helm eines eques, murmillo, hoplomachus oder thraex.1886 Grundsätzlich kann in Vetera Castra ein derartiger Fund aus der Sphäre der römischen Gladiatur nicht überraschen, befand sich doch ein Amphitheater in den canabae legionis rund 70 m südöstlich des Militärlagers (Vetera Castra I, Kat. 2.8.1).1887 Das Erbauungsdatum des Amphitheaters ist umstritten, könnte jedoch bereits mit dem Eintreffen der 15. Legion in Vetera Castra während der Regierungszeit des Claudius zusammenfallen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist nun der eigentliche Fundort des Visiers: Dieses hatte man nämlich im Bereich der via principalis nahe dem Osttor des Zweilegionenlagers gefunden, d. h. genau in der Hälfte des Militärlagers, die von der 15. Legion ‚bewohnt‘ wurde.1888 Vergleicht man nun die Helmkrempe aus der Waal bei Nijmegen mit dem Visierfragment aus Vetera (Abb. 10–12), so fällt sofort ihre verblüffende Ähnlichkeit ins Auge: Beide Stücke sind aus demselben Material gefertigt, nämlich aus Bronze, die mit einer 1882 Junkelmann 2000, 174, Kat. H21, Abb. 300. Hanel 1995, 54, Kat. B 130, Taf. 8.1. Klumbach 1974, 67, Taf. 52, 53. 1883 Hanel 1995, Katalog, 37. Klumbach 1974, 67. Junkelmann 2000, 174. F. Willer vom LVR-LandesMuseum Bonn bestätigte mir freundlicherweise bei einer neuerlichen Autopsie der Wangenklappe des Gladiatorenhelmes aus Vetera Castra die Existenz einer Legierung, bei der es sich wahrscheinlich um eine Zinnlegierung handelt. 1884 Junkelmann 2000, Abb. 300. 1885 Junkelmann 2000, 174. Klumbach 1974, 67, datiert das Stück in das 1. Jh. n. Chr. Der Fund aus Schnitt 1090 konnte über die Stratigraphie nicht näher datiert werden. Hanel 1995, 54, Beil. 9. 1886 Junkelmann 2000, 5961, 163–180. Klumbach 1974, Taf. 53, der allerdings das Visier einem Helm des Typs Berlin (G) zurechnet. Diese Zuweisung verbietet sich allerdings aufgrund der Form der Augengitter, die bei der Wangenklappe aus Vetera rund, bei dem Helm aus Berlin (2. Jh. n. Chr.) deutlich größer und annähernd rechteckig sind. Pflug 1988, 369. 1887 Ausführlich zum Amphitheater von Vetera Castra s. Kap. 2.2.3 Vetera Castra/Birten. 1888 Hanel 2008, 105. Hanel 1995, 54, Schnitt 1090, Beil. 9. Junkelmann 2000, 174, Abb. 300. Klumbach 1974, 67, Taf. 52–53.
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silbern schimmernden Legierung überzogen war. Auch die Machart ihrer Verzierung sowie die gewählten Darstellungsthemen sind in Stil und Ausfertigung einander sehr ähnlich. Darüber hinaus verrät ihre Form, dass sie zum selben Helmtypus gehört haben. Hinzu kommen die Datierung beider Stücke in die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. sowie ihre Verbindung zur 15. Legion: die Helmkrempe über ihre Inschrift, das Visierfragment über seinen Fundort. All diese Indizien sprechen meines Erachtens dafür, dass die Helmkrempe aus Nijmegen und das Visierfragment aus Vetera mit größter Wahrscheinlichkeit zu ein und demselben Helm gehörten. Dafür spricht auch, dass unter den bislang gefundenen Gladiatorenhelmen kein Helm dem anderen gleicht, Gladiatorenhelme also Unikate gewesen zu sein scheinen.1889 Bei einer Autopsie beider Stücke, die in der Gladiatorenausstellung vom 1.10.2016 bis 5.3.2017 im Museum Het Valkhof, Nijmegen (NL) gleichzeitig zu sehen waren, zeigte ein Anhalten beider Stücke, dass sie auch in den Größenverhältnissen perfekt zueinander passen. Ein ‚Durchpausen‘ der Figurengruppe Leopard-Ziege auf der Wangenklappe machte darüber hinaus deutlich, dass der figürliche Dekor an dieser Stelle mit der Leopard-Ziege-Figurengruppe der Helmkrempe nahezu identisch ist. Der Restaurator und Bronzespezialist des Museums, Herr R. Meijers, bestätigte vor diesem Hintergrund, dass beide Stücke sehr wahrscheinlich aus derselben Werkstatt stammen und zu ein und demselben Helm gehört haben könnten.1890 Stammen Krempe und Visierfragment tatsächlich vom selben Helm – oder auch nur aus derselben Werkstatt –, untermauert meiner Ansicht nach der Fundort des Visiers die Lesung der punzierten Buchstaben als Besitzerinschrift der 15. Legion. Damit wäre der Gladiatorenhelm aus der Waal und aus Vetera eines der ganz wenigen Ausrüstungsgegenstände von Gladiatoren, die außerhalb Pompejis gefunden wurden. Darüber hinaus stellt er das meines Wissens bislang einzige originale armatura-Teil im Imperium Romanum dar, das Gladiatoren klar in den Bereich römischer Legionen verweist. Fügen wir diesem die wenigen, bereits erwähnten epigraphischen Quellen hinzu, so ergibt sich, dass sowohl die 15. und 30. Legion als auch die Rheinflotte möglicherweise über eine eigene familia gladiatoria verfügten. Alle diese Verbände hatten ihre Standlager in der Germania Inferior. Andere Legionen in anderen Provinzen konnten bislang nicht eindeutig mit legionseigenen Gladiatorenfamilien in Zusammenhang gebracht werden. War die Provinz Germania Inferior demnach so etwas wie ein zentraler Stützpunkt von Militärgladiatoren? Oder muss man vielleicht sogar eher davon ausgehen, dass in den Grenzprovinzen des Imperium Romanum generell Mili-
1889 Bettinali-Graeber 1999. Junkelmann 2008, 43–95. 1890 F. Willer vom LVR-LandesMuseum Bonn merkte diesbezüglich an, dass, sollte es sich bei der Legierung auf der Wangenklappe und der Helmkrempe tatsächlich um eine Zinnlegierung handeln, nur sehr wenige Werkstätten über die handwerklichen Fähigkeiten verfügten, um eine solche Legierung herzustellen. Meines Erachtens würde das die These erhärten, dass beide Teile des Gladiatorenhelmes nicht nur in derselben Werkstatt gefertigt wurden, sondern auch zu ein und demselben gehört haben.
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tärverbände über familiae gladiatoriae verfügten, wofür etwa der erwähnte Papyrus aus dem babylonischen Militärarchiv entsprechende Indizien liefert? Hinsichtlich unseres Gladiatorenhelms aus der Waal bzw. dem Lager der 15. Legion in Vetera Castra I scheint in jedem Fall noch die Frage nach dem unterschiedlichen Fundort der beiden Helmteile erklärungsbedürftig. Zunächst sei vorausgeschickt, dass man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass ein so aufwändig gearbeiteter Helm kostbar war, insbesondere da er noch mit einer silbern schimmernden Legierung überzogen war. Dass er in verstreuten Einzelteilen aufgefunden wurde, legt den Schluss nahe, dass der Helm außerhalb der Arena gewaltsam entzweit wurde. Wäre er in der Arena durch einen Schwerthieb oder Schildangriff zerstört worden, hätte man ihn sicherlich vor Ort repariert oder eingeschmolzen. Die Datierung beider Stücke in die 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. sowie ihre Fundorte Vetera und Nijmegen geben indes Anlass zu Vermutungen. Im Jahre 69 n. Chr., dem wechselvollen Vierkaiserjahr nach Neros Tod, hatte der batavische Hilfstruppen-Kommandeur Caius Iulius Civilis die Gunst der Stunde genutzt, um die germanischen Bataver aus dem Siedlungsgebiet des heutigen Nijmegen gegen die römische Okkupation aufzustacheln.1891 Dabei hatte er nicht nur die batavische Aristokratie auf seine Seite gebracht, sondern auch eine Koalition mit anderen germanischen Stämmen geschmiedet. Zur Streitmacht des Civilis gehörten unter anderem acht desertierte Bataverkohorten, je eine Kohorte der Canninefaten und Tungrer sowie die berühmte ala Batavorum, eine Kavallerieeinheit, die laut Tacitus in voller Rüstung und in geordneter Kampfformation schwimmend einen Fluss überqueren konnte.1892 Nach anfänglichen, z. T. beachtlichen Erfolgen seitens der Aufständischen, gelang es den unter Vespasian eilig aufgebotenen Militäreinheiten, den Aufstand einzudämmen und die Bataver in ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet am Niederrhein zurückzudrängen. Endgültig niedergeschlagen wurde die Revolte im Herbst des Jahres 70 n. Chr. von der neu ausgehobenen legio II Adiutrix, deren Standort laut Tacitus im Gebiet des heutigen Nijmegen lag.1893 Mit Blick auf unseren Gladiatorenhelm ist in diesem kriegerischen Jahr am Rhein die Geschichte des Lagers von Vetera Castra I von besonderer Bedeutung. Das Zweilegionenlager der 5. und 15. Legion war zum Zeitpunkt des Bataveraufstandes nur mit etwa der Hälfte der regulären Stärke besetzt. Detachements beider Legionen hielten sich we1891 Die folgenden, stark gerafften Ausführungen zum Bataveraufstand beruhen, sofern nicht anders angegeben, auf folgender Sekundärliteratur: Schmitz 2008b. Slofstra 2002, 30–32. Hanel 1995, 5–7. Hanel 1989, 67–68. Urban 1985. Petrikovits 1980, 70–76. Zur Rolle Kölns im Zusammenhang mit dem Bataveraufstand s. Fischer/Trier 2014, 104–111. 1892 Tac. hist. 4,12,3. Vgl. Cass. Dio 55,24,7; 60,20,2. CIL 3, 3676. Darüber hinaus hatten batavische Kämpfer und Mannschaften aus dem rechtsrheinischen Gebiet Iulius Civilis ihre Gefolgschaft geschworen, später auch Angehörige anderer Germanenstämme sowie die ala Treverorum. S. auch Galsterer 2001, 5, zur Entstehung dieser Stämme. 1893 Tac. hist. 5,20.
3.3 Gladiatores militares in Germaniā – Gladiatoren als Teil römischer Truppen
291
gen Kampfeinsätzen gegen Galba bzw. Otho noch in Italien auf.1894 Iulius Civilis, der Anführer der Aufständischen, nutzte diese Situation bewusst aus: Er schloss das Lager mit einem Belagerungsring ein, um den Nahrungsmittel-Nachschub zu unterbinden. Obgleich ein Entsatzheer aus Mainz den Belagerungsring durchbrechen konnte, gelang es den Römern nicht, die notwendigen Lebensmittel ins Lager zu schaffen. Am Anfang des Jahres 70 n. Chr. mussten sich die Restverbände der 5. und 15. Legion schließlich den Aufständischen ergeben. Zu den Kapitulationsbedingungen zählte, dass den Legionaren freier Abzug gewährt wurde. Sämtliche Wertgegenstände, Waffen und Trossknechte mussten jedoch im Lager zurückgelassen werden. Gegen jede Abmachung wurden die abmarschierenden und unbewaffneten römischen Soldaten allerdings nur wenige Kilometer vom Lager entfernt überfallen und niedergemacht. Zwar konnten sich einige Römer rechtzeitig wieder ins Lager zurückziehen, doch wurden auch sie später getötet. Teile der Lagerinnenbauten gingen dabei in Flammen auf.1895 Die Aufständischen werden das eroberte Lager nach Kriegsbeute durchsucht und gründlich geplündert haben. Denn anders sind die Kapitulationsvereinbarungen über die Zurücklassung aller Waffen und Wertgegenstände kaum zu verstehen.1896 Gestützt wird diese Vermutung durch Funde in zwei römerzeitlichen Altrheinarmen. Hier traten massenhaft Metallgegenstände mit starker militärischer Prägung zu Tage, die als Plünderungsgut aus dem Lager von Vetera Castra I angesprochen wurden.1897 Vor diesem Hintergrund ist es leicht vorstellbar, dass auch der silberglänzende Gladiatorenhelm zum Opfer jener Plünderungen wurde. In deren Wirren ging der Helm offenbar zu Bruch und seine besonders empfindlichen Visierteile wurden abgerissen.1898 Eines davon gelangte an Ort und Stelle, d. h. in der Lagerhälfte der 15. Legion, in den Boden, während der Rest des Helmes vielleicht in den Beuteschatz eines Batavers überging. Beim Rückzug der Aufständischen in ihr Stammesgebiet wurde dieser Beuteschatz – so meine These – von Vetera Castra nach Nijmegen am Niederrhein verschleppt. Hier könnte er von seinem Besitzer verloren oder als kostbare Trophäe in einer Opfergrube niedergelegt worden sein, um sie den germanischen Kriegsgöttern zu weihen.1899 Für Militärgladiatoren innerhalb der legio XV Primigenia würde das bedeuten, dass die 15. Legion im Besitz eines Gladiatorenhelmes war, der im Waffenarsenal der Legion
1894 Tac. hist. 2,43. Vgl. Schmitz 2008b, 119. Fischer/Trier 2014, 106. 1895 Hanel 1995, 7. Tacitus, von dem wir über diese Ereignisse genau unterrichtet sind, erwähnt Vetera erst wieder, als Civilis vor den siegreichen Truppen des Petilius Cerialis zurückweicht. „Civilis verschanzt sich mit seinem Heer im Lagerinnern, das demnach noch verteidigungsfähig war. Vor den Toren kam es dann zur Schlacht, die mit zum Ende des Bataveraufstandes beitrug.“ Hanel a. a. O. Vgl. Urban 1985, 61–67. 1896 So auch bei Tac. hist. 4,60. 1897 Schmitz 2008b, 134–138, Abb. 94–96. Schreiter 1993. 1898 Zur Empfindlichkeit der Visiere s. Klumbach 1974, 14. 1899 Zu Gesichtshelmen batavischer (?) Auxiliarreiter, die man zusammen mit anderen Gegenständen in Depots bei Nijmegen gefunden hat, s. Meijers/Willer 2009.
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3 Militär und munera gladiatoria in Germania Superior und Inferior
aufbewahrt und mit der Besitzermarke der Legion in Form einer punzierten Inschrift versehen wurde. Dieser Umstand lässt vermuten, dass die Legion über eine eigenen ludus oder eine eigene familia gladiatoria verfügte. Das Waffenarsenal dieses ludus/ familia befand sich offenbar im Bereich des Militärlagers, eine Vermutung, die möglicherweise auch auf die Baracken der zugehörigen Gladiatoren der 15. Legion zutrifft. Als das Lager von Vetera im Jahre 70 n. Chr. von germanischen Batavern geplündert wurde, fiel auch das Waffenarsenal der legionseigenen familia gladiatoria in die Hände der Aufständischen, darunter der reich verzierter Gladiatorenhelm. In den Wirren der Plünderung wurde dieser teilweise zerstört und gelangte in Einzelteilen an unterschiedlichen Orten in den Boden. Als man diese Jahrhunderte später zu Tage förderte, trat der bislang einzige Beweis dafür ans Licht, dass eine römische Legion über eigene Ausrüstungsgegenstände von Gladiatoren verfügte. Vor diesem Hintergrund müssen auch die Funde von Greifenkopf-Appliken im Bereich der limesnahen Kastelle Zugmantel (Kat. 1.18.3) und Osterburken (Kat. 1.13.1) in der Germania Superior in neuem Licht betrachtet werden: Als charakteristische Teile eines thraex-Helmes könnten sie Indizien für die Anwesenheit militärischer Gladiatorenfamilien im Umfeld der hier stationierten Einheiten liefern.1900 Eine GreifenkopfApplike bildete das toreutische Schmuckelement am vorderen Ende der Helm-crista und ist vielfach in bildlichen Darstellungen überliefert. Die Greifenkopf-Appliken vom Zugmantel und aus Osterburken werden stilistisch in die erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. datiert,1901 so dass bei aller Vorsicht von der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. bis mindestens in die erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. mit der Existenz truppeneigener familiae gladiatoriae in Germanien gerechnet werden kann. Der Greifenkopf vom Zugmantel trat allerdings im vicus des Lagers zu Tage, also im gleichsam ‚zivilen‘ Teil des Lagerareals.1902 Das wirft grundsätzlich die Frage auf, ob man nicht auch zivile familiae gladiatoriae annehmen muss, die im Dienst des Militärs standen oder von diesem als Gegner für militärische familiae engagiert wurden. Denkbar wäre auch, dass der Greifenkopf nur zufällig außerhalb des Lagers gefunden wurde und ursprünglich zu einem im Lager stationierten militärischen thraex gehörte. Das wiederum würde bedeuten, dass Auxiliarkastelle nicht nur eigene Amphitheater besaßen, sondern auch über eigene familiae gladiatoriae verfügen konnten.
1900 Wahl 1977, 117–122. Zur Greifenkopf-Applike vom Zugmantel s. auch oben Kap. 2.1.8 Zugmantel. 1901 Wahl 1977, 111. 1902 Wahl 1977, 113. Die genauen Fundumstände des Osterburkener Stücks sind unklar. Unter den im Lagerareal im Jahr 1892 gefundenen Militaria und Werkzeugen fand sich auch ein Dreizack. Schumacher 1929, 36, Taf. VII: 59.
4 Zusammenfassung Wie die Analyse des relevanten Quellenmaterials ergeben hat, lässt sich die römische Gladiatur in Germania Superior und Inferior in zwei separaten Bereichen fassen: einem militärischen und einem städtisch-zivilen Bereich. Das Nebeneinander dieser beiden Bereiche sowie ihre strukturellen Unterschiede erlauben es, in Germania Superior und Inferior von kaiserlicher Militärgladiatur einerseits und städtischer Zivilgladiatur andererseits zu sprechen. Die Baubefunde der Amphitheater machen dabei deutlich, dass die Militärgladiatur in Germanien zeitlich früher fassbar ist als die städtische Zivilgladiatur: Militäramphitheater sind bereits in der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. nachweisbar, während zivile Amphitheater erst grob um die Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. archäologisch in Erscheinung treten.1903 Etwa im letzten Drittel des 2. Jhs. n. Chr. lassen sich zudem in einigen zivilen Amphitheatern Germaniens größere Umbaumaßnahmen – oft einhergehend mit einer Vergrößerung der cavea – im Baubefund erkennen. Sie könnten ein Indiz für das gestiegene Interesse an munera legitima in Germanien liefern.1904 Wäre dem so, würde dies nicht nur die Blütezeit der Amphitheaterarchitektur in Germanien markieren, sondern auch einen Höhepunkt in der Beliebtheit der römischen munera in den beiden germanischen Provinzen. Das größte jemals in Germanien errichtete Amphitheater stellt nach derzeitigem Kenntnisstand allerdings ein militärisches Amphitheater dar (Vindonissa, Kat. 1.16.1; vgl. Tab. 1) – imposantes Zeugnis für die Bedeutung der Militärgladiatur in Germania Superior und Inferior. 1903 Diese chronologische Abfolge findet auch in der Bauweise der Monumente ihren Niederschlag. Nur unter den älteren Militäramphitheatern sind Holzamphitheater belegt, die jüngeren zivilen Amphitheater in Germanien wurden in Holz-Stein-Bauweise errichtet, einer bereits weiter entwickelten Bautechnik (vgl. Tab 1). Die architektonisch höchste Entwicklungsstufe, in der Amphitheater vollständig aus Stein erbaut wurden, erreichen in Germanien fast nur zivile Amphitheater. Unter den Militäramphitheatern wird nur das von Ulpia Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1) wahrscheinlich um 100 n. Chr. in Stein ausgebaut. 1904 Eine Ausnahme bildet der Neubau des zivilen Amphitheaters von Augusta Raurica/Augst-Sichelengraben (Kat. 1.4.2) um 170 n. Chr. Sein Vorgängerbau war das Semi-Amphitheater von Augusta Raurica/Augst-Neun Türme (Kat. 1.4.1), bei dem das Bühnentheater für die Veranstaltung von munera zu einem Amphitheater umgebaut wurde. Offenbar hatte ein mit Kompromissen behafteter Mehrzweckbau dem Veranstaltungsgenre der munera legitima nicht mehr ausgereicht.
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4 Zusammenfassung
Chronologisch different verhalten sich auch die Nutzungszeiträume militärischer und ziviler Amphitheater in Germanien. Militäramphitheater wurden spätestens um die Mitte des 3. Jhs. n. Chr. im Zuge kriegerischer Germanen- bzw. Frankeneinfälle aufgegeben. Die Nutzung ziviler Amphitheater lässt sich dagegen noch bis ins ausgehende 3., vielleicht beginnende 4. Jh. n. Chr. fassen.1905 Obgleich römische Militärverbände auch nach dem Fall des limes in Germanien weiterhin präsent waren, verlieren sich in Germanien spätestens mit dem beginnenden 4. Jh. n. Chr. alle Spuren von munera-Aktivitäten. Die Verankerung der zivilen Gladiatur war in Germanien demnach von nur geringer Nachhaltigkeit geprägt, und auch für ein Aufleben der Militärgladiatur nach dem Limesfall hatten die veränderten militärstrategischen Bedingungsgefüge der Spätantike anscheinend keinen ausreichenden Nährboden mehr geboten.1906 Bei einem Vergleich mit dem ‚Mutterland‘ der römischen Gladiatur lässt sich außerdem konstatieren, dass die Gladiatur in Germanien erst relativ spät in Erscheinung trat und relativ früh wieder verschwand: Sie hielt in Germanien zu einem Zeitpunkt Einzug, als sie in Rom bereits auf eine fast dreihundertjährige Entwicklung zurückblicken konnte, kam aber über 100 Jahre früher als in ihrem Ursprungsland Italien schon wieder zum Erliegen.1907 Auch strukturell können in Germania Superior und Inferior Unterschiede in der Militär- und Zivilgladiatur nachgezeichnet werden. Besonders der epigraphische Befund der Bauinschriften von Militäramphitheatern – allesamt kaiserliche Inschriften – verdeutlicht, dass die Veranstaltung von munera im militärischen Bereich vom Kaiser als oberstem Befehlshaber der Truppen gezielt zu einer soldatischen Werteerziehung sowie zur Sicherung der Gunst seiner Soldaten eingesetzt wurde. Wie offenbar im gesamten Imperium Romanum ließen auch in Germanien die römischen Kaiser daher Militäramphitheater in unmittelbarer Nachbarschaft zu Legions- und Auxiliarlagern errichten. Die Bauinschrift von Vindonissa (Kat. 1.16.2) – die einzige ‚germanische‘ Bauinschrift eines Militäramphitheaters – bezeugt, dass der Kaiser auch für die Instandsetzung dieser militärischen Großbauten zuständig war: Die stark fragmentierte Inschrift war wahrscheinlich am hölzernen Militäramphitheater von Vindonissa angebracht und lässt vermuten, dass Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) eine Umbaumaßnahme des Militäramphitheaters in Auftrag gegeben hat. Für den Bau von Militäramphitheatern wurden die Arbeitskraft der dort stationierten Soldaten sowie militäreigene Ressourcen (Baumaterial, Baugrund etc.) herangezogen. Militäramphitheater sind daher unter die vom Kaiser direkt und indirekt finanzier1905 Die Spätdatierung betrifft allein die Colonia Ulpia Traiana/Xanten (Kat. 2.3.1), deren Amphitheater vielleicht bis in konstantinische Zeit in Gebrauch gewesen sein könnte. 1906 Vgl. Petrikovits 1958. 1907 In Rom traten Gladiatoren laut Livius (per. 16) erstmals im Jahre 264 v. Chr. auf, als die Söhne des Decimus Iunius Brutus Pera zu Ehren ihres verstorbenen Vaters drei Paare auf dem Forum Boarium um Leben und Tod kämpfen ließen. Mann 2011, 30, Anm. 3 mit weiteren Belegstellen. Zum Ende der Gladiatorenkämpfe s. Puk 2014, 245–247. Bomgardner 2000, 201, setzt das Ende der Gladiatorenkämpfe auch für Rom in die Mitte des 5. Jhs. n. Chr.
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ten Militärbauten zu rechnen. Die Anordnung und Überwachung des Bauvorhabens eines Militäramphitheaters oblag laut epigraphischem Befund kaiserlichen Beamten wie etwa dem Provinzstatthalter, das Operative dagegen subalternen Chargen des Militärs. Auch für die Veranstaltung von munera gladiatoria und venationes wurden kaiserliche Mittel freigesetzt. Anhand der Quellen lässt sich wahrscheinlich machen, dass die in Niedergermanien stationierten legiones XV Primigenia und XXX Ulpia Victrix sowie die Classis Germanica Pia Fidelis über eigene familiae gladiatoriae verfügten. Die Gladiatorenausrüstung dieser familiae gehörte zum fiskalischen Eigentum der Legion, die ‚ihre‘ familia gladiatoria sowohl im legionseigenen Amphitheater auftreten lassen als auch zu Auswärtsspielen in anderen Militäramphitheatern detachieren konnte. Möglicherweise zählten zu den Gegnern dieser germanischen Militärgladiatoren bisweilen auch zivile Berufskollegen. Dabei stellen Gladiatoren innerhalb römischer Heeres- und Flottenverbände keine Eigentümlichkeit der beiden germanischen Provinzen dar. Vielmehr zeigen Quellen aus Italien und den Provinzen des Imperium Romanum, dass Gladiatoren vor allem in republikanischer Zeit als auf den Nahkampf spezialisierte Sondereinheiten kurzfristig in römische Militärverbände integriert werden konnten – zumeist in innenpolitischen Ausnahmesituationen. Mit der zunehmenden Verstaatlichung der Gladiatur und der Entwicklung der munera zu einer professionellen Sparte der römischen Unterhaltungskultur verstummen die Quellen diesbezüglich jedoch. An ihre Stelle treten Hinweise, die auf eine dauerhafte Integration von familiae gladiatoriae in Legionsverbände des römischen Militärs schließen lassen. Diese waren offenbar nicht als ‚Notstopfen‘ für einen Einsatz auf dem Schlachtfeld, sondern als professionelle Spezialisten für den Auftritt in Militäramphitheatern bestimmt. Die in Germanien anklingenden Verhältnisse scheinen demnach reichsweite Praxis zu reflektieren. Dem Provinzstatthalter der Germania Inferior unterstanden darüber hinaus in seiner Residenzstadt Colonia Claudia Ara Agrippinesium/Köln Legionszenturionen, die für die Logistik der stadtrömischen und militärischen venationes zuständig waren: Sie sorgten für das Fangen wilder Tiere und ihre Unterbringung in speziellen Gehegen (vivaria), von wo aus sie – sehr wahrscheinlich mit Hilfe der Rheinflotte – zu ihrem endgültigen Bestimmungsort transportiert wurden. Der inschriftlich überlieferte ursarius der in Germania Inferior stationierten legio XXX Ulpia Victrix (3. Jh. n. Chr., Kat. 2.8.3) stand mit dieser Logistik der venationes vermutlich ebenfalls in Zusammenhang. Seine Aufgabe bestand wahrscheinlich in der Pflege und/oder Abrichtung von Bären für ihren Auftritt in der Arena eines Militäramphitheaters oder vielleicht sogar bei einer kaiserlichen venatio in Rom. In severischer Zeit ist darüber hinaus ein kaiserlicher procurator namens L. Didius Marinus überliefert, der laut Inschriftentext für die familiae gladiatoriae per Gallias, Bret(anniam), Hisp[a]nias, German(ias) et Raetiam zuständig war.1908 Als ehemaliger Kohortentribun wird auch er im Dienst der kaiserli-
1908 CIL 3, 249; 3, 6753. EAOR V, 173.
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chen bzw. militärischen Gladiatur gestanden haben.1909 Das legt allein die Größe des ihm überantworteten Sprengels nahe. Die überdurchschnittlich große Dichte an Funden aus der Sphäre der römischen Gladiatur, die auf dem Gebiet der CCAA zu Tage getreten sind (Kat. 2.2.3–2.2.30), könnte darauf hindeuten, dass in der Hauptstadt der Provinz Germania Inferior vielleicht ein Stützpunkt dieses Gladiatorensprengels zu suchen ist. Für die Germania Superior belegen darüber hinaus zwei Inschriften aus dem 2.–3. Jh. n. Chr. (Kat. 1.1.2, 1.14.1), dass sich das römische Militär dort für logistische Belange im Umfeld der Militärgladiatur spezialisierter Zivilisten bediente: Hier übernahmen anscheinend zivile ursarii die Pflege und/oder Abrichtung von wilden Bären für kaiserliche oder militärische venationes. Strukturelle Aspekte des zivilen Sektors der römischen Gladiatur scheinen in Germanien vor allem in der Germania Superior auf, in erster Linie in der Bauinschrift des Amphitheaters der Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.2). Die Analyse des Inschriftentextes zusammen mit einer in den Digesten überlieferten Rechtsquelle zur Sonderstellung der spectacula-Monumente hat gezeigt, dass für den Bau eines zivilen Amphitheaters höchstwahrscheinlich eine Genehmigung des Kaisers eingeholt werden musste.1910 War die Genehmigung des Kaisers für den Bau eines Amphitheaters im öffentlichen Raum einer Stadt erteilt, bedurfte die tatsächliche Umsetzung des Bauvorhabens offensichtlich eines Beschlusses des Dekurionenrates. Das lässt vermuten, dass seine Finanzierung durch städtische Gelder bewältigt werden musste. Die Widmung des Amphitheaterbaus an Kaiser Trajan im Falle der Colonia Iulia Equestris/Nyon rückt die Errichtung des zivilen Amphitheaters – und seine darin abgehaltenen munera – zugleich in die Sphäre des provinzialen Kaiserkultes. In diese Richtung weisen auch andere Belege aus Germanien. So könnte die stark fragmentierte Bauinschrift des zivilen Amphitheaters von Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.2) eine Weihung an Kaiser Commodus beinhaltet haben und damit ebenfalls Bezüge zum provinzialen Kaiserkult aufweisen. Darüber hinaus deutet die Platzierung einiger Amphitheater in Germania Superior am Rande von Sakralbezirken auf politisch-religiöse Implikationen der Amphitheater und ihrer munera hin. Bekanntlich konnte die Anbindung der Gladiatorenkämpfe an den Kaiserkult im Osten des römischen Reiches als ein Bedingungsfaktor für die Verbreitung der römischen Gladiatur herausgearbeitet werden.1911 Für Germanien lässt sich diesbezüglich sagen, dass zumindest in Germania Superior der Kaiserkult motivierend auf den Bau von zivilen Amphitheatern und damit auf die Verbreitung von munera gewirkt zu haben scheint. Eine Diagnose der bislang im Imperium Romanum überliefer-
1909 Robert 1971, 267, Anm. 1. 1910 Digesten 50.10.3: Opus novum privato etiam sine principis auctoritate facere licet, praeterquam si (…) vel circum theatrum vel amphitheatrum sit. (…) Inscribi autem nomen operi publico alterius quam principis aut eius, cuius pecunia id opus factum sit, non licet. Vgl. Horster 2001, 211–213. Borhy 2013, 57. Futrell 1991, 165–166. 1911 Zuletzt Mann 2011, 46–64, 76–87. Mann 2009, 276–279.
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ten Bauinschriften von zivilen Amphitheatern hat zudem offenbart, dass der Kaiser im zivilen Sektor fast ausschließlich als Empfänger einer amphitheatralen Baudedikation in Erscheinung tritt und damit fast nie als Finanzier eines zivilen Amphitheaters – ganz anders als im militärischen Bereich. Der Neubau eines zivilen Amphitheaters wurde demnach zumeist von Städten, ihr Ausbau und ihre Verschönerung dagegen zumeist von privaten Euergeten finanziert. Der – wenngleich recht spärliche – epigraphische Befund Obergermaniens scheint vor diesem Hintergrund so zu deuten zu sein, dass auch in Germanien zivile Amphitheater vornehmlich städtische Bauprojekte waren, die als euergetische Projektionsfläche des provinzialen Kaiserkultes fungieren konnten. Die Beobachtung, dass es in Germania Superior und Inferior einen militärischen und einen städtisch-zivilen Sektor innerhalb der römischen Gladiatur gab, hat vor allem für die capita provinciarum Mogontiacum/Mainz (Germania Superior) und Claudia Colonia Ara Agrippinensium/Köln (Germania Inferior) weitreichende Konsequenzen hinsichtlich ihrer zu rekonstruierenden urbanistischen Struktur: Da sowohl in Mogontiacum als auch in der CCAA römische Militärverbände dauerhaft stationiert waren, müssen beide Städte nicht – wie bislang einhellig vermutet – nur ein Amphitheater besessen haben, sondern zwei – ein älteres militärisches und ein jüngeres ziviles. Für ihre Lokalisierung konnte die Analyse der Standortfaktoren militärischer und ziviler Amphitheater in Germanien wichtige Anhaltspunkte liefern. So dürfte das militärische Amphitheater von Mogontiacum in etwa dort zu suchen sein, wo bereits gegen Ende des 18. Jhs. monumentale Radialmauern beobachtet worden waren: zwischen dem Legionslager auf dem Kästrich und dem Auxiliarkastell in Weisenau, hineingebaut in einen Hang östlich der heutigen Pariser Straße. Das Militäramphitheater der CCAA muss hingegen im Umfeld des Flottenlagers der Classis Germanica Pia Fidelis im Stadtteil Köln-Marienburg (Alteburg) lokalisiert werden, wahrscheinlich am Rande der canabae in einer Entfernung von rund 100–300 m zur nordwestlichen bzw. südwestlichen Ecke der Lagerumwehrung. Demgegenüber wurden zivile Amphitheater in der Germania Superior und Inferior immer in Hanglage in der Peripherie eines antiken Siedlungsgebietes errichtet. Die Ausnutzung einer natürlichen Erhebung dürfte dabei vor allem ökonomischen Erwägungen geschuldet gewesen sein, denn kaiserliche Subventionen waren beim Bau eines zivilen Amphitheaters nicht zu erwarten. Sowohl in Mainz als auch in Köln ist der Standort des zivilen Amphitheaters immer noch unentdeckt. In Analogie zu den übrigen zivilen Amphitheatern Germaniens und aufgrund der topographischen Situation beider Städte dürfte es sich in Mainz innerhalb der Stadtmauer und möglicherweise nicht weit vom Theater entfernt befunden haben. Auch in Köln muss das zivile Amphitheater innerhalb der Stadtmauer lokalisiert werden. Hier kann der Standort des Amphitheaters in der südwestlichen Peripherie des antiken Siedlungsareals wahrscheinlich gemacht werden, vielleicht – ähnlich wie in Xanten – in der südwestlichen Ecke der Stadtmauer oder weiter östlich, wo die Kurvatur der antiken Stadtmauer die Platzierung eines Amphitheaters ebenfalls begünstigen würde (insulae E 10/11).
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Allen zivilen Amphitheatern Germaniens ist dabei gemeinsam, dass sie nur dort zu finden sind, wo römische Architekten nach mediterranem Muster für ein gewisses urbanistisches Gepräge gesorgt hatten. Amphitheater in einem rein germanischen oder keltischen urbanen oder protourbanen Siedlungsraum ließen sich in Germanien bislang nicht fassen. Aber nicht nur der Grad an urbanistischer Entwicklung kann als Bedingungsfaktor für das Entstehen der Zivilgladiatur in Germanien ins Feld geführt werden. Auch eine gewisse Prosperität der dort ansässigen Bevölkerung war vonnöten, um die immensen Baukosten eines Amphitheaterprojektes aufzubringen. Der Umstand, dass der Bau eines Amphitheaters wahrscheinlich genehmigungspflichtig war und in den betreffenden Bauinschriften nur der jeweilige Finanzier genannt werden durfte – so wie bei der Inschrift aus der Colonia Iulia Equestris/Nyon –, lässt zugleich auf die Wirkkraft der munera in Germanien schließen. Wie überall im Reich wurde sie vom Kaiser offenbar als explosiv eingeschätzt und unterlag daher engen Restriktionen, worin die beiden germanischen Provinzen keine Ausnahme gebildet zu haben scheinen. Dem zivilen und militärischen Sektor der römischen Gladiatur in Germanien hafteten jedoch nicht nur die erwähnten strukturellen Unterschiede an, sondern ihnen lagen offenbar auch unterschiedliche Wirkmechanismen zugrunde: Die Militärgladiatur diente der militärischen Werteerziehung (virtus) sowie der Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses der Soldaten und damit der Sicherung der Truppendisziplin und -loyalität, letztlich also der Sicherung der kaiserlichen Macht. Die Zivilgladiatur hingegen garantierte die Kontrolle bzw. Restriktion der öffentlichen Wirkkraft von magistratischen munera im Prestigestreben provinzialer Städte und Eliten. In diesem Zusammenhang hat sich auch gezeigt, dass dem römischen Kaiser mit der Militärgladiatur wahrscheinlich ein reichsweit organisiertes Netzwerk zur Verfügung stand, das er zwar für seine Zwecke einsetzen konnte, das er allerdings auch stets auf einem zeitgemäßen Stand halten musste. Tief muss der Kaiser dafür in die (öffentliche) Tasche gegriffen haben, ein Engagement, das er im städtisch-zivilen Sektor der Gladiatur nahezu vollständig der Eigenverantwortung der Städte und städtischen Eliten überließ. Hier begnügte er sich anscheinend mit der monopolistischen Rolle des obersten Kontrolleurs. Die beiden Provinzen Germania Superior und Inferior kamen demnach erst über die dort stationierten römischen Truppenverbände mit der römischen Gladiatur in Kontakt. Die von diesen importierte Militärgladiatur strahlte in der Folge in den zivilen Sektor aus und sorgte für eine Implementierung der römischen Gladiatur auch in zivilen, römisch geprägten Städten Germaniens. Mit der Auflassung bzw. Zerstörung römischer Militärlager fand naturgemäß die Militärgladiatur in Germanien ein Ende, ein Schicksal, das den zivilen Sektor der römischen Gladiatur in Germanien nur wenige Jahrzehnte später ebenfalls ereilte. Die infrastrukturelle ‚Erschließung‘ der beiden germanischen Provinzen durch das römische Militär und eine sich daraus entwickelnde Urbanisierung stellt dabei meines Erachtens einen der wesentlichsten Unterschiede
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zur Entstehung und Verbreitung der römischen Gladiatur etwa im Osten des Imperium Romanum dar:1912 Nie entwickelte das römische Militär dort eine so massive Präsenz wie in den beiden germanischen Provinzen und nie traf die römische Gladiatur dort auf mit Germanien vergleichbare urbanistische Strukturen. Vielmehr erlaubte die jahrhundertelange Tradition im Bereich der Unterhaltungskultur des griechischen Ostens eine Adaption der bestehenden Infrastruktur (Theater, Stadion) für die (zusätzliche) Veranstaltung von munera legitima.1913 Das jedenfalls würde erklären, warum man im Westen des Imperium Romanum – und besonders in Germania Superior und Inferior – Militärgladiatur und Amphitheater findet, im Osten des Imperium dagegen Zivilgladiatur und nur verhältnismäßig wenige Amphitheater.
1912 Mann 2011. Robert 1971. Vgl. auch Weiss 2014, 61–66. 1913 Vgl. Dimde 2016. Weiss 2014, 65–66.
5 Römische Gladiatur in Germanien Funde und Befunde (Katalog ausgewählter Stücke) Der Katalog umfasst die Befunde der in Germania Superior und Inferior nachgewiesenen militärischen und zivilen Amphitheater sowie gut zugänglich publizierte Funde aus der Sphäre der römischen Gladiatur, die auf dem Gebiet der Germania Superior und Inferior zu Tage getreten sind. Das Spektrum der Funde umfasst dabei mehr Stücke, als im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu besprechen waren. Ihre eingehendere Behandlung stellt ein Desiderat für Abhandlungen dar, die über die hier präsentierte Grundlagenforschung hinausreichen, wenngleich die Zahl dieser in den Katalog aufgenommenen Artefakte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Funde und Befunde sind unter ihren – sofern bekannt – antiken Orstnamen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Um den Katalog als eigenständiges Instrumentarium nutzen zu können, erscheinen die Literaturverweise nicht in Form von Kurztiteln. Zeitschriften und Periodika wurden nach den Abkürzungen und Richtlinien des Deutschen Archäologischen Instituts, erschienen in AA 1997, 612–628, abgekürzt. Neben dem im Textteil dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen werden im Katalog folgende Kürzel gebraucht: AO = Aufbewahrungsort ASPA = Annuaire de la Société Suisse de Préhistoire et d’Archéologie AWOL = The Ancient World Online Bem. = Bemerkungen BPA = Bulletin de l’association pro Aventico DAH = Dialogues d’Histoire Ancienne Dat. = Datierung Dm = Durchmesser Drag. = Formentypologie der Terra Sigillata nach H. Dragendorff, Terra sigillata. Ein Beitrag zur Geschichte der griechischen und römischen Keramik, Bonn 1895 FO = Fundort FZt. = Fundzettel Inv. = Inventarnummer
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
I. R. LVR ORL PECS
= = = =
RGM RGZM Slg. s/w TS
= = = = =
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Inscriptiones Romanae Landschaftsverband Rheinland Obergermanisch-Rätischer Limes R. Stillwell (Hg.), Princeton Encyclopedia of Classical Sites, Princeton 1979 Römisch-Germanisches Museum (Köln) Römisch-Germanisches Zentralmuseum (Mainz) Sammlung schwarz-weiß Terra Sigillata
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5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
1
Germania Superior
1.1 1.1.1
Andemantunnum/Langres (F) Inschrift eines retiarius namens Cursor auf bronzener tabula ansata; FO: zwischen 1842 und 1855 in Andemantunnum; AO: Musée d’Art et d’Histoire de Langres, Inv. 171.10; Dat.: 1.–3. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Bronzetafel ist vollständig erhalten, aber stark korrodiert. In ihrer Mitte ist ein Loch mit einem Nagel erhalten. Der Träger der Inschrift ist nicht überliefert, so dass der Charakter der Inschrift nicht sicher bestimmt werden kann (Grabinschrift, Weihinschrift). Im Kontext der römischen Gladiatur wird es sich bei Cursor wahrscheinlich um den Kampfnamen des betreffenden Gladiators gehandelt haben. Da er laut Inschriftentext in der armatura eines retiarius kämpfte, könnte Cursor (Läufer) als Anspielung auf seine charakteristische Kampfesweise gedeutet werden: Als leichtbewaffneter retiarius suchte er möglicherweise durch ständiges Bewegen und Laufen, seinen schwerbewaffneten Gegner (secutor/contraretiarius) zu ermüden und auf diese zermürbende Art leichter besiegen zu können. Literatur: EAOR V, 108, Nr. 66, Taf. XXVII: 3; CIL 13, 5702; AE 1926, Nr. 68; E. Neeb, Römisches Altärchen in Mainz, in: Germania 9, 1925, 129–130; H. Finke, Neue Inschriften, in: BerRGK 17, 1927, 66 f., Nr. 202; G. Drioux, Les Lingons: textes et inscriptions antiques, Straßburg 1934, 125, Nr. 681, 5; L. Lazzaro, Esclaves et affranchise en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 317, Nr. 382;
1.1.2
CURSOR RET(iarius)
(Weih-/Bau-) Inschrift eines zivilen ursarius; FO: 1673 in Andemantunnum, „aux Chemins couverts“; AO: verschollen; Dat.: 2.–3. Jh. n. Chr.; Bem.: Der Inschriftenstein wurde unmittelbar nach seiner Auffindung zunächst in das Haus des Presidenten von Hémery gebracht, von wo aus er wahrscheinlich zu den ortsansässigen Carmeliterinnen gelangte. Über seinen originalen Fundkontext ist nichts Näheres bekannt. Seit der Abfassung des 13. Bandes des CIL gilt die Inschrift als verschollen. Das einheimische Pseudogentiliz Augurius ist vom lateinischen Cognomen Augur(ius) abgeleitet und deutet auf gallisch-germanische Provenienz. Das seltene Cognomen Catullinus ist keltischen Ursprungs. Bei dem im Text erwähnten opus quadratarium könnte es sich um ein vivarium, einen Tierkäfig oder ein Gehege für wilde Tiere, die für eine venatio bestimmt waren, gehandelt haben. Es wäre möglich, im Zusammenhang mit dem euergetisch zu verstehenden dare eher an eine Bauinschrift eines solchen vivariums zu denken als an eine Weihinschrift. Vgl. zu einem zivilen ursarius Kat. 1.14.1, zu einem militärischen ursarius Kat. 2.8.3.
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
303
Literatur: EAOR V, 86, Nr. 51; CIL 13, 5703; G. Drioux, Les Lingons: textes et inscriptions antiques, Straßburg 1934, 83, Nr. 315; L. Lazzaro, Esclaves et affranchise en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 317, Nr. 381; ------? OPUS QUADRATARIUM AUGURIUS CATULLINUS URSAR(ius) D(e) S(ua) P(ecunia) D(edit)
1.1.3
Fragment einer Terracotta-Statuette eines schwerbewaffneten Gladiators; FO: Andemantunnum; AO: Musée de Langres, Inv. ST 532; Dat.: --; Bem.: Das Fragment bewahrt hauptsächlich den Oberkörper eines schwerbewaffneten Gladiators (murmillo, thraex). Der rechte Arm mit manica ist erhalten, eine wahrscheinlich in Holz oder Metall zu ergänzende Waffe fehlt. Der Kopf der Figur ist hinter dem langrechteckigen, gewölbten Schild verborgen, Teile der Krempe und Kalotte des Helms sind noch erkennbar. Die crista des Helms ist abgebrochen. Ebenfalls abgebrochen sind die Beine der Statuette, von denen nur noch der obere Teil der Oberschenkel erkennbar ist. Die Statuette ist in einer Höhe von 9,5 cm erhalten. Vgl. ein weiteres Fragment aus Langres (Vertet/Zeyer 1983, 81, Nr. 39, ohne Inv.), das möglicherweise ebenfalls von einer Gladiatorenstatuette stammt. Literatur: H. Vertet / Th. Zeyer, Les statuettes gallo-romaines en argile du Musée de Langres, Avignon 1983, 79–80, Nr. 38;
1.2 1.2.1
Argentorate/Straßburg Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘ mit der Darstellung eines paegniarius; FO: Straßburg-Königshofen, Kapuzinerkloster; AO: Musée Archéologique du Château des Rohan Strasbourg, Inv. 6598; Dat.: frühes bis spätes 2. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Dargestellt ist ein bärtiger Gladiator nach rechts mit Peitsche (paegniarius). Laut Christlein/Kellner 1969, 147, findet sich eine Nachbildung dieser Statuette im RGZM Mainz, Inv. 26.684. Literatur: R. Henning, Denkmäler der Elsässischen Altertums-Sammlung, s. l. 1912, 26, Taf. XXIV, Abb. 20; R. Christlein / H.-J. Kellner, Die Ausgrabungen 1967 in Pons Aeni, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 34, 1969, 147, Taf. 11: 2; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 220, Nr. 1382;
304 1.3 1.3.1
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
Arnsburg (D) Militärisches Amphitheater; FO: Arnsburg, Stadt Lich, Landkreis Gießen, im Südosten des vicus des Kohortenkastells Arnsburg; Ausmaße: Außenumfang unbekannt; (runde) Arena: 31–32 m Dm; Dat.: ungewiss, vielleicht Ende 1. Jh. n. Chr. (Lagererrichtung 90 n. Chr. in Holz-Erde, Lagerausbau in Stein um 150 n. Chr.); Bem.: Das Amphitheater von Arnsburg zählt zu den drei in Germania Superior nachgewiesenen Militäramphitheatern neben einem Standlager einer römischen Hilfstruppeneinheit. Es verfügt über eine kreisrunde Arena, die im Norden und Süden zwei Eingänge aufweist. Die Auflassung des Kohortenkastells und seines vicus um 260/270 n. Chr. markiert wahrscheinlich auch das Ende der Benutzungszeit des Militäramphitheaters. Literatur: S. Bender, Amphitheater und Kampfspiele am Limes in Hessen, in: Denkmalpflege und Kulturgeschichte 3, 2005, 30, Abb. 2; Ders., Ein Amphitheater im Lagerdorf des Kastells Arnsburg – Wiederentdeckung und Deutung einer Entdeckung, in: Hessen Archäologie 2004, 2005, 100–103; C. Sommer, Amphitheatres of Auxiliary Forts on the Frontiers, in: T. Wilmott (Hg.), Roman Amphitheatres and Spectacula: a 21st Century Perspective, Oxford 2009, 47; H.M. von Kaenel / C. Wenzel / B. Zickgraf, Ein Kastellvicus mit Monumentalbauten und Umwehrung, Geophysikalische Prospektion in Kastell und Lagerdorf Arnsburg, in: Der Limes 4, 2010/11, 17.
1.4 Augusta Raurica/Augst (CH) 1.4.1 Ziviles Semi-Amphitheater; FO: Augusta Raurica / Augst-Neun Türme, im Zentrum der antiken (Ober-)Stadt; Ausmaße: ca. 101 × 70 m, 49 × 36 m (Arena); Dat.: Erbauung zwischen 107 und 130/140 n. Chr., wahrscheinlich um 110 n. Chr. (1. Bauphase); über den Baubefund konnte eine zweite Bauphase nachgewiesen werden, deren Datierung allerdings noch unsicher ist; Bem.: Das zivile szenische Theater gallo-römischen Typs wurde im Laufe seiner Nutzungszeit in ein Amphitheater umgebaut, dessen westliche cavea nur aus einem podium ohne zweites oder drittes maenianum bestand (Semi-Amphitheater). Hier fanden demnach sowohl munera legitima als wohl auch szenische Theaterdarbietungen statt. Nach 170 n. Chr. wurde das Semi-Amphitheater wieder in ein reines Theater zurückgebaut. Die reduzierte cavea im Westen erlaubte eine schon vorher bestehende Sichtachse zum nahegelegenen römischen Podiumstempel auf dem Hügel Schönbühl beizubehalten, der dem Kaiserkult gewidmet war. Mit diesem war das Semi-Amphitheater über eine fast 20 m breite monumentale Treppe auch architektonisch verbunden. Auf der Querachse der Arena im Osten und Westen gab es je einen carcer. Ein Raum im Südwesten nahe dem Hauptzugang wurde aufgrund des Fundes von polychromen Putzresten als sacellum angesprochen. Auch die Podiumsmauer war polychrom
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
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verputzt. Der Bodenbelag der Arena ist in situ erhalten. Sein mehrschichtiger Aufbau zeigt Spuren wiederkehrender Auflockerungen und Planierungen, die der Vorbereitung der Arena für spectacula dienten. Literatur: F. Staehelin, Die Schweiz in römischer Zeit, Basel 1948, 220 f., 597, Abb. 22; A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine, III. L’architecture 2. Ludi et circenses: théâtres, amphithéâtres, cirques, Paris 1958, 585–593; R. Laur-Belart, Führer durch Augusta Raurica, Augst 1978, 61 f., Abb. 35; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 85, Taf. XII: 3; W. Drack / R. Fellmann, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988, 332; T. Hufschmid, Das Theater, in: L. Berger, Führer durch Augusta Raurica, Augst 1998, 86–90; Ders., Amphitheatrum in Provincia et Italia. Architektur und Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica bis Puteoli, Augst 2009, 157–159, 165–167, Beil. 43, 44; Ders., Theatres and Amphitheatres in Augst (Augusta Raurica), Switzerland, in: T. Wilmott (Hg.), Roman Amphitheatres and spectacula: a 21st-Century Perspective, Oxford 2009, 105–117; Ders., Die Theaterbauten von Augst-Neun Türme, in: L. Berger, Führer durch Augusta Raurica, Basel 72012, 79–117; 1.4.2 Ziviles Amphitheater; FO: Augusta Raurica / Augst-Sichelengraben, in der südwestlichen Peripherie der antiken (Ober-)Stadt, eingebunden in einen sakralen Bezirk; Ausmaße: ca. 100 × 82,65 m, 50,60 × 33,38 m (Arena); Dat.: um 170 n. Chr. oder wenig später; Bem.: Für den Bau des Amphitheaters wurde eine unbebaute Talsenke ausgenutzt, so dass Substruktionen bzw. Gewölbebauten lediglich in der Längsachse notwendig waren, wo sie die cavea unterfütterten und die Hauptzugänge im Südosten und Nordwesten überdeckten. Im Nordwesten war der Eingang zum Amphitheater mit einer 17 m hohen repräsentativen Fassade und großzügigem vorgelagerten Platz gestaltet. Die Podiumsmauer war polychrom verputzt. Im Norden und Süden wurden zwei carceres nachgewiesen, über denen sich Ehrentribünen befanden. Ein sacellum befand sich am östlichen Ende des Westzuganges. Der östliche Haupteingang wurde von zwei verdeckten Bedienungsgängen flankiert. Wahrscheinlich verfügte die cavea über steinerne Sitzstufen und zwei Umgänge (praecinctiones), die das Zuschauerrund in eine ima, media und summa cavea unterteilten. Den oberen Abschluss des Zuschauerbereiches bildete ein Umgang, der von einer Umfassungsmauer umgeben war und von dem aus die Zuschauer wohl hauptsächlich zu ihren Sitzplätzen gelangten. Das Fassungsvermögen des Amphitheaters wird auf ca. 12.900 Zuschauer berechnet. Das Ende der Benutzungszeit ist ungewiss, sicher aber nach 265 n. Chr. Literatur: EAOR V, 169; W. Drack / R. Fellmann, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988, 334; A. Furger, Das Augster Amphitheater. Die Sicherungsgrabungen
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5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
1986, in: Jahresbericht Augst und Kaiseraugst 7, 1987, 7–131. T. Hufschmid, Das Amphitheater, in: L. Berger, Führer durch Augusta Raurica, Augst 1998, 91–95, Abb. 71–74; Ders., Amphitheatrum in Provincia et Italia. Architektur und Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica bis Puteoli, Augst 2009; Ders., Das Amphitheater im Sichelengraben, in: L. Berger, Führer durch Augusta Raurica, Basel 72012, 118–130; 1.4.3 Polychromes Gladiatorenmosaik; FO: 1961 in einem vornehmen städtischen Wohnhaus in Augusta Raurica (Insula 30); AO: Römermuseum Augst, Inv. 1961.13829; Dat.: um 200 n. Chr.; im Laufe des 3. Jh. n. Chr. Reparaturen; Bem.: Der polychrome Mosaikfußboden zeigt fünf gerahmte Bildfelder mit der Darstellung von Gladiatorenkampfszenen. Dargestellt sind der Kampf zwischen eques gegen eques, hoplomachus gegen murmillo, secutor gegen retiarius, murmillo gegen thraex sowie secutor gegen retiarius. Literatur: L. Berger-Haas, ‚Gladiatores tunicati‘, in: M. Rohde-Liegle (Hg.), Gestalt und Geschichte. Festschrift für Karl Schefold, Bern 1967, 36–83; W. Hürbin, Zur Konservierung des Augster Gladiatorenmosaiks, in: Stiftung Pro Augusta Raurica (Hg.), Provincialia. Festschrift für Rudolf Laur-Belart, Basel/Stuttgart 1968, 105–109; L. Berger / M. Joos, Das Augster Gladiatorenmosaik, in: Römerhaus und Museum Augst Jahresbericht 1969/70, 1971, 3–106; M. Martin, Römermuseum und Römerhaus Augst, Augst 19872, 128–131; A. Hönle / A. Henze, Römische Amphitheater und Stadien. Gladiatorenkämpfe und Circusspiele, Feldmeilen 1981, 70–71, Abb. 10 (bunt), 38 (s/w); L. Berger, Führer durch Augusta Raurica, Augst 61998, 154–159; D. Schmid, Die römischen Mosaiken aus Augst und Kaiseraugst, Augst 1993, 90–103, Abb. 41, 43, Taf. 3–5; 1.4.4 Schwert eines Gladiators (?) aus Eisen mit gebogener Klinge (sica); FO: Augusta Raurica, Insula 30, südöstlicher Eckraum; AO: Museum Augst, Inv. 62.7776; Dat.: spätes 2./frühes 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Auffällig ist die große Gesamtlänge der Waffe (74,5 cm) und ihr sehr geringer Durchmesser. Im gleichen Fundkomplex wurde das Gladiatorenmosaik von Augst gefunden, was die Interpretation des Stückes als Gladiatorenwaffe befeuert hat. Literatur: R. Laur-Belart, Jahresbericht 1962, in: Römerhaus und Museum Augst (Hg.), Jahresbericht 1962, 1963, 19, Abb. 6; L. Berger / M. Joos, Das Augster Gladiatorenmosaik, in: Römerhaus und Museum Augst (Hg.), Jahresbericht 1969/70, 1971, 71, Abb. 23; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 93; M. Junkelmann, Gladiatoren. Das Spiel mit dem Tod, Mainz 2008, 93; 1.4.5 Randscherbe eines Gladiatorenbechers mit Beischrift aus Glas; FO: Augusta Raurica, Insula 28; AO: Römermuseum Augst, Inv. 1964.8152; Dat.: claudisch/neronisch bis trajanisch (durch Beifunde); Fünfschilling 2015, 476,
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datiert 50–70 n. Chr.; Bem.: Teile aus der Inschriftenzone mit den Gladiatorenkampfnamen sowie Teile der Oberkörper des dargestellten Gladiatorenpaares sind erkennbar. Das Gefäß ist aus blaugrünem, durchscheinendem Glas gefertigt. Literatur: R. Steiger et al., Augst, Insula 31. Ausgrabungen und Funde 1960/61, Augst 1977, 207, Nr. 34, Abb. 84; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 27–104, 89, Nr. 33 C1, Taf. 5, Abb. 9; B. Rütti, Die römischen Gläser aus Augst und Kaiseraugst, Augst 1991 (Forschungen in Augst 13), Nr. 989, Taf. 44, 210; S. Fünfschilling, Die römischen Gläser aus Augst und Kaiseraugst, Augst 2015, 295, 476, Nr. 989, Typ AR 31.2 (1), Taf. 16 (989); […]BVS CALAMVS[…]
1.4.6 Scherben eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift und Herstellername; FO: Augusta Raurica, Insula 36; AO: Römermuseum Augst, Inv. 1983.40065, 1983.40379; Dat.: 1. Jh. n. Chr. (durch Beifunde); Bem.: Von dem Gefäß aus blaugrünem, durchsichtigem Glas sind eine Rand- und eine Wandscherbe erhalten. Auf der Schulter ist die Signatur des Herstellers erkennbar. Es wird dem M. Licinius Diceus zugeschrieben. Auch die Bildzone hat einen Inschriftenrest bewahrt. Literatur: B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 93, Nr. 69 G1?; S. Fünfschilling, Die römischen Gläser aus Augst und Kaiseraugst, Augst 2015, 476, Nr. 5332A; | M LICINIUS-[…] | PETR[…]
1.4.7 Randscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift und Herstellername; FO: Augusta Raurica, Insula 30; AO: Römermuseum Augst, Inv. 1962.1734; Dat.: 50–120 n. Chr. (durch Fundkontext); Bem.: Erhalten ist eine Wandscherbe aus grünem, durchscheinendem Glas. Das Gefäß wird dem M. Licinius Diceus zugeschrieben. Literatur: R. Steiger et al., Augst, Insula 31. Ausgrabungen und Funde 1960/61, Augst 1977, 207, Nr. 33, Abb. 84; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 93, Nr. 71 G1?; S. Fünfschilling, Die römischen Gläser aus Augst und Kaiseraugst, Augst 2015, 476, Nr. 990; 1.4.8 Wandscherbe einer Reliefschüssel (TS) Drag. 37 mit der Darstellung eines Gladiators (murmillo?); FO: Augusta Raurica, Hang über dem carcer (späte Rutsch- und Auffüllschichten bis neuzeitliche Oberfläche); AO: Augst, Museum, Inv.-Nr. 86.1059, FK C1999; Dat.: 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Dargestellt ist ein Gladiator in einer schweren armatura (murmillo?) nach rechts mit Recht-
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eckschild, der einen Visierhelm mit Krempe und crista (?) trägt. Der rechte Arm, der eine kurze Waffe führt, ist von einer manica geschützt. Literatur: A. Furger, Das Augster Amphitheater. Die Sicherungsgrabungen 1986, in: Jahresbericht Augst und Kaiseraugst 7, 1987, 104–105, 124, Kat.-Nr. 148, Abb. 97: 148 (Foto und Umzeichnung); 1.5 1.5.1
Aventicum/Avenches (CH) Ziviles Amphitheater; FO: Aventicum, an der westlichen Grenze des bebauten antiken Stadtareals, innerhalb der flavischen Stadtmauer; Ausmaße: 1. Bauphase (Holz-Stein): 106 × 91 m, 51 × 39 m (Arena); 2. Bauphase (Stein): 110 × 99 m, 51 × 39 m (Arena); Dat.: nicht gesichert; wahrscheinlich im letzen Drittel des 1. Jhs. n. Chr.; Beginn der zweiten Ausbauphase in Stein nach 165 n. Chr.; Bem.: Das Amphitheater von Aventicum ist das größte zivile Amphitheater in Holz-Steinbauweise in Germania Superior und Inferior. Es war fast vollständig in den Boden bzw. Hang eingetieft, nur die summa cavea kam oberirdisch zu liegen. Ein verdeckter Bedienungsgang zwischen Podiumsmauer und cavea existierte nur in der südlichen Hälfte der Arena. Als Unikat in der Amphitheaterarchitektur kann ein großer, Exedra-ähnlicher Vorplatz vor dem östlichen Amphitheatereingang bezeichnet werden. Die Zugangssituation ließ somit schon beim Betreten des Amphitheaters die soziale Gliederung der Zuschauer erkennen. Im Baubefund des Amphitheaters ließen sich zwei Bauphasen nachweisen. Das Fassungsvermögen in der 2. Steinbauphase wird auf ca. 14.000 Zuschauer beziffert. Die Aufgabe des Bauwerks ist unsicher, möglicherweise nach 193 n. Chr. Literatur: Eine allgemeine Bibliographie zu Avenches findet sich unter www.aventi cum. org/de/publikationen/bibliographie-avenches (23.10.2017); EAOR V, 169; W. Cart et al., L’amphithéâtre, in: BPA 12, 1914, 11–33; W. Cart, Travaux à l’amphithéâtre d’Avenches, in: Anzeiger für Altertumskunde (Zürich) 16, 1914, 12 f., Abb. 1, 16; F. Staehelin, Die Schweiz in römischer Zeit, Basel 1948, 458–471, Abb. 126; L. Bosset / J. Bourquin, Fouilles et réfections à l’amphithéâtre, in: BPA 15, 1951, 6–37; C. Martin, Trouvailles monétaires à l’amphithéâtre, in: BPA 15, 1951, 70–73; J. Bourquin / P. de Seybourg, Fouilles et restaurations à l’amphithéâtre: suite période 1952–1954, in: BPA 16, 1954, 3–16; A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine, III. L’architecture 2. Ludi et circenses: théâtres, amphithéâtres, cirques, Paris 1958, 593–596; E. Virieux, Aventicum, Bern 1961, 23–25, Abb. auf S. 14, Abb. 6–8; C. Ternes, Aventicum, in: ANRW 2,5,2, 1976, 902 f., Abb. 122; V. von Gonzenbach, Aventicum, in: PECS, 130–131; A. Hönle / A. Henze, Römische Amphitheater und Stadien. Gladiatorenkämpfe und Circusspiele, Feldmeilen 1981, Abb. 144; P. Bridel, Les deux états de l’amphithéâtre d’Avenche, in:
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C. Domergue / C. Landes / J.-M. Pailler (Hgg.), Spectacula I. Gladiateurs et amphithéâtres. Lattes 1990, 39–43; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 127, Taf. XVI: 4; J. Morel, avec la coll. de M. Bossert, Fortifications médiévales et amphithéâtre: les fouilles à la Porte de Morat, in: BPA 33, 1991, 5–43. A. Hochuli-Gysel (Hg.), Avenches. Hauptstadt der Helvetier, in: Archéologie suisse 24, 2001.2, 60–71; P. Bridel, L’amphithéâtre d’Avenches, Lausanne 2004; A. de Pury-Gysel, Aventicum (Avenches), Capital of the Helvetii: A History of Research, 1985–2010. Part II. Urban Development after 100 A. D., Crafts and Finds, in: JRA 25, 2012, 267–268; P. Bridel, L’amphithéâtre d’Avenches: originalité de quelques aspects architecturaux et fonctionnels, in: M. Fuchs / B. Dubosson (Hgg.), Theatra et spectacula. Les grands monuments des jeux dans l’Antiquité, Études de Lettres [Université de Lausanne] 1–2, 2011, 293–306; 1.5.2 Klappmessergriff aus Elfenbein mit der Darstellung eines Kampfes secutor gegen retiarius; FO: im Bereich des Cigognier-Heiligtums, Lavoex bei Avenches, wahrscheinlich carré L 16; AO: Musée Romain Avenches, Inv. 1898–99/3154; Dat.: 2. Hälfte 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Bei der Figur des retiarius ist das linke Bein unterhalb des Knies weggebrochen. Die Klinge des Messers ist sehr stark korrodiert. Der dargestellte Kampf scheint sich in der entscheidenden Phase zu befinden: Der retiarius hat Netz, Dreizack und Dolch verloren und versucht, durch einen Griff an die crista seines Gegners, einen secutor, diesen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gleichzeitig muss der waffenlose retiarius mit der linken Hand das Schwert seines Widersachers abwehren, das dieser ihm Richtung Brust zu stoßen versucht. Ähnliche Klappmesser wurden in Köln gefunden (Kat. 2.2.14: RGM Köln, Inv. Varia 409, Varia 44/105); Literatur: J. Mayor, Aventicensia 3. Couteau à manche d’ivoire sculpté représentant deux gladiateurs, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde (Zürich) 5, 1903– 1904, 117–136; E. Virieux, Aventicum, Bern 1961, 24, Abb. 21; R. Degen, Eine römische Kleinplastik: Der Schafhirt von Cham-Hagendorn, in: helvetia archaeologica 57/60, 15/1984, 173, Abb. 6; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 106, Abb. 146–147; A. Schenk, Regard sur la tabletterie antique. Les objets en os, bois de cerf et ivoire du Musée Romain d’Avenches, Avenches 2008, 192, Nr. 407, Abb. 111; 1.5.3 Fragment (Rand, Bauch) eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Aventicum, Schuttplatz der Glaswerkstatt (?) im Bereich von Derrière la Tour; AO: Musée Romain Avenches, Inv. 90/8248–317; Dat.: vor 75/80 n. Chr.; Bem.: Der Dekor wurde im Blasverfahren in mehrteiliger Form hergestellt und ist in zwei parallel umlaufende Register unterteilt, die durch eine Zierleiste voneinander getrennt sind. Eine Nahtstelle der Zierleiste ist unter der Form der vertikalen Markierung sichtbar geblieben. Die obere Zone trägt eine Inschrift,
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bei der es sich um Kampfnamen berühmter Gladiatoren handelt. Das Gefäß besteht aus lapislazuli-blauem, durchscheinendem Glas von guter Qualität. Ein ähnliches Glasgefäß, das eine Circus-Szene zeigt, wurde ebenfalls in Avenches gefunden: Amrein 2001, 73, Nr. 157, Taf. 8: 157; Literatur: J. Morel et al., Un atelier de verrier du milieu du 1er siècle ap. J.-C. à Avenches, in: Archäologie der Schweiz 15/1, 1992, 12, Abb. 19: Nr. 12; G. Sennequier et al., Les verres à scenes de spectacle trouvés en France, Rouen 1998, 139, Nr. 46a; H. Amrein, L’atelier de verriers d’Avenches. L’artisanat du verre au milieu du 1er siècle après J.-C., Lausanne 2001, 73, Nr. 158, Taf. 8, Abb. 158; […]VS ORIES / PETR[…]
1.5.4 Randfragment eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Aventicum, Wohnbebauung, Areal Prochimie; AO: Musée Romain Avenches, Inv. 93/9431–34; Dat.: 40–80 n. Chr.; Bem.: Erhalten ist ein Fragment aus grünem Glas mit Fäden und kleinen Blasen. In der zentralen Bildzone ist ein schwerbewaffneter Gladiator nach rechts mit langrechteckigem, gewölbtem Schild und Helm mit Nackenschirm und crista dargestellt. Links von diesem sind noch die Beine eines am Boden Liegenden zu erkennen. Die darüber befindliche Inschriftenzone bewahrt das Ende bzw. den Anfang eines Namens von berühmten Gladiatoren. Literatur: P. Blanc et al., Recherches sur les quartiers nord-est d’Aventicum. Fouilles 1991– 1995, in: BPA 37, 1995 [1996], 85, Nr. 10, Abb. 58: 6; G. Sennequier et al., Les verres à scenes de spectacle retrouvés en France, Rouen 1998, 139, 46c; vgl. Suet. Calig. 55, der einen Thraker namens Columbus überliefert; […]MBUS / CALA[…]
1.5.5 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift (Typ C, Model C1); FO: Aventicum; AO: Musée Romain Avenches, Inv. 66/9886; Dat.: claudisch-spätflavisch/frühtrajanisch (durch Beifunde); Bem.: Erhalten ist ein Fragment aus der Inschriftenzone, das das Ende eines Gladiatorennamens, einen senkrechten Trennstrich/Naht sowie den Beginn eines zweiten Gladiatorennamens bewahrt. Die Scherbe besteht aus blauem, durchscheinendem Glas. Literatur: B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 89, Nr. 36 C1 ?, 44: Abb. 9, Taf. 5; […] ˧IES / PE[…]
1.6 Brenodurum/Bern-Enge (CH) 1.6.1 Ziviles Amphitheater; FO: Brenodurum, im Süden der antiken Stadt, die sich auf der Halbinsel Enge befand und heute eine Vorstadt im Norden von Bern ist; Ausmaße: ca. 42,55 × 38,50 m (rekonstruiert), 27,55 × 23,50 m (Arena); Dat.:
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ungewiss: ca. 100–150 n. Chr. (Hufschmid), 2. Hälfte 1./1. Hälfte 2. Jh. n. Chr. (Golvin), Erbauung zwischen 50–150 n. Chr. (Müller-Beck); Bem.: Das Amphitheater von Brenodurum ist das kleinste bislang nachgewiesene Amphitheater in zivilem Kontext in Germania Superior und Inferior. Es wurde zusammen mit anderen öffentlichen Bauten im Süden des antiken Siedlungsgebietes errichtet. Die Arena wurde in den Boden eingetieft und ihr Aushub für die Aufschüttung der cavea genutzt. Die Sitzstufen der cavea waren wahrscheinlich in Holz erbaut. Die Podiumsmauer aus großen Aare-Kieselsteinen war mit Tuffsteinen in halbrundem Querschnitt bekrönt. Singulär ist ein einziger rampenartiger Eingang, der sich im Nordwesten des Amphitheaters befand. Im Südwesten hat man einen carcer mit trapezoidem Grundriss nachweisen können. Literatur: H. Müller-Beck, Das Amphitheater von Bern, in: Ur-Schweiz 21/2, 1957, 29–35; H. Müller-Beck, Das Amphitheater auf der Engehalbinsel bei Bern, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 2/3, 1957, 59–67; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 90, Nr. 42, Taf. X: 4; T. Hufschmid, Amphitheatrum in Provincia et Italia. Architektur und Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica bis Puteoli, Augst 2009, 167, Anm. 788, 216, Anm. 1135; 1.6.2 Fragmente eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Brenodurum, Engehalbinsel, Grab 160; AO: Berner Historisches Museum, Inv. 26336-d; Dat.: 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr. (durch Beifunde); Bem.: Die Fragmente bestehen aus drei Randscherben und diversen Wand- und Bauchscherben aus blauem durchscheinendem Glas, die teilweise sekundär verformt sind. Erkennbar sind Reste der Namensinschriften sowie die Füße zweier verschiedener Gladiatorenpaare. Literatur: B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 90, Nr. 38 CL-2; 1.6.3 Scherbe eines Zirkus- und Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Brenodurum, Engehalbinsel; AO: Historisches Museum Bern, Inv. 13832; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Erhalten ist eine Bauchscherbe aus grünem, durchscheinendem Glas. Inschriftenreste sind erhalten. Literatur: CIL 13, 10025.184; L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa IV, Basel 1960, 66, Nr. 38, Taf. 10. D. Ville, Les coupes de Trimalcion figurant des gladiateurs et une série de verres sigillés gaulois. A Propos de Pétrone, Satiricon, 52, 3A, in: M. Renard / R. Schilling (Hgg.), Hommages à Jean Bayet, Brüssel 1964, 725, Typ E, Nr. 16, Taf. XLI, Abb. 9; G. Sennequier, Nouveaux aperçus sur deux verres gallo-romaines du Musée des Antiquités de Rouen: Une coupe à course de chars et un gobelet à
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gladiateurs, Berlin/Leipzig 1978, 94, Gruppe I, Nr. 6, Abb. 6; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 92, Nr. 61 F1; […]TES[…]S | H (oder A)[…]
1.7 1.7.1
Colonia Iulia Equestris (Noviodunum)/Nyon (CH) Ziviles Amphitheater; FO: Colonia Iulia Equestris, im Norden des antiken Stadtgebietes; Ausmaße: 50 × 36 m (Arena); Außenmauern bislang nicht nachgewiesen; Dat.: ungewiss, vielleicht 111 n. Chr. (Bauinschrift); Bem.: Das Amphitheater war in den Abhang eines Hügels eingetieft, so dass für die cavea nur teilweise Erdwälle angeschüttet werden mussten. Trotz mehrfacher Sondagen in der unmittelbaren Umgebung des Amphitheaters konnten seine Außengrenzen bislang nicht nachgewiesen werden. Die Arena war mit einer wohl 2,65 m hohen Podiumsmauer umgeben. Im Westen und Osten lagen die Haupteingänge zum Amphitheater. Auf der Querachse der Arena wurden zwei carceres nachgewiesen. Bei einer Sondage nahe des Zentrums der Arena fand man eine Vielzahl von Pfostenlöchern mit unterschiedlichen Durchmessern, deren Zweckbestimmung bislang ungeklärt ist. Auch kam ein Kalksteinblock in Sturzlage, der – so die Ausgräber – als Sockel oder Basis anzusprechen sein könnte, fast exakt in der Mitte der Arena zu Tage. Überraschend war zudem der Fund von über 400 Münzen, die verstreut in der Arena des Amphitheaters angetroffen wurden und vom Ende der römischen Republik bis zum Ende des 4. Jhs. n. Chr. datieren. Unter der Arena verlief ein Drainagekanal, dessen Abdeckung in wiederverwendeten Inschriftentafeln bestand, darunter die wahrscheinliche Bauinschrift des Amphitheaters. Literatur: EAOR V, 169; R. Frei-Stolba / F. Rossi / M. Tarpin, Deux inscriptions romaines découvertes dans l’amphithéâtre de Nyon, in: Jahrbuch der Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 81, 1998, 183–196; P. Hauser / F. Rossi, L’amphithéâtre de Nyon: il était temps!, in: Archäologie der Schweiz 22/3, 1999, 135–144; 1.7.2 Fragmentierte Bauinschrift, die sehr wahrscheinlich dem Amphitheater zuzuschreiben ist; FO: Colonia Iulia Equestris, wiederverwendet als Abdeckung eines Drainagekanals unterhalb der Arena des zivilen Amphitheaters; AO: Nyon, Inv. NY/14152–1 (A1), NY/14183–23 (A2); Dat.: Ende 111 n. Chr; Bem.: Die erhaltenen Teile der Inschrift bestehen aus zwei blank polierten, anpassenden Kalksteinplatten (A1, A2), von denen eine in einem größeren, die andere in einem kleineren Fragment erhalten ist. Beide Kalksteinplatten waren bei ihrer Auffindung in je drei Teile zerbrochen. Der Erhaltungszustand der Buchstaben entlang der Bruchkanten lässt erkennen, dass sich links mindestens eine oder vielleicht auch zwei weitere Kalksteinplatten mit Text angeschlossen haben
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müssen. Spuren von Verzapfung an einem der Fragmente lassen die ursprüngliche Verbauung der Inschrift in eine Mauer erkennen. Die Breite der Inschriftentafel wird auf ca. 4,80 m rekonstruiert. [------] [---]ṆO AUG GEṚṂAṆ[---] [---]ṂAXIM TRIB POT XV [---]ḌESIGNAT VI P P [---]PUBLICE
Rekonstruktion von Frei-Stolba / F. Rossi / M. Tarpin: [Imperatori Caesari divi Nervae] | f(ilio) [Nervae Traia]no Aug(usto) German(ico) | [Dacico pontif(ici)] maxim(o) trib(unicia) pot(estate) XV | [imperatori VI co(n)s(uli) V] designat(o) VI p(atri) p(atriae) | [Equestr(es)] publice |
Literatur: EAOR V, 23, die die Inschrift wegen der fehlenden Erwähnung des Amphitheaters aus ihrem Katalog ausschließen; R. Frei-Stolba / F. Rossi / M. Tarpin, Deux inscriptions romaines découvertes dans l’amphithéâtre de Nyon VD, in: ASPA 81, 1998, 183–188, Abb. 1–6; P. Hauser / F. Rossi, L’amphithéâtre de Nyon: il était temps!, in: Archäologie der Schweiz 22/3, 1999, 141–142, Abb. 19–20; 1.8 1.8.1
Cruciniacum/Bad Kreuznach (D) Polychromes Gladiatorenmosaik; FO: 1893/94 in Cruciniacum, in Raum 1 der Palastvilla/Peristylvilla an der Hüffelsheimer Straße in Bad Kreuznach; AO: Römerhalle Bad Kreuznach; Dat.: um 240/250 n. Chr.; Bem.: Die Palastvilla von Bad Kreuznach wurde um 150 n. Chr. erbaut und im Zuge der Frankeneinfälle um 270/275 n. Chr. zerstört. Zu Beginn des 4. Jhs. n. Chr. wurde sie teilweise in einen burgus umgebaut, unter Valentinian (364–375 n. Chr.) wohl endgültig verlassen. Um das zentrale runde Mittelfeld des Mosaiks, das eine venatio-Szene zeigt, gruppieren sich acht gerahmte Bildfelder mit bogenförmigem oberem Abschluss, auf denen abwechselnd der Kampf eines bestiarius gegen ein wildes Tier bzw. der eines Gladiatorenpaares dargestellt ist. Literatur: O. Kohl, Mitteilungen über ein römisches Mosaik bei Kreuznach, in: Korrespondenzblatt Westdeutsche Zeitschrift 12, 1893, Sp. 248; Ders., Vorläufige Mitteilung über ein römisches Mosaik bei Kreuznach, in: BJb 95, 1894, 102–120, Taf. IV, Klapptaf. VII, XVI (Kreuznacher Veröffentlichung 1894); Ders., Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande, Westfalens und des Regierungs-Bezirks Osnabrück 52, 1895, 15–18; G. Lafaye / A. Blanchet, Inventaire des mosaïques de la Gaule et de l’Afrique, 1.2 Gaule, Paris 1909, Nr. 1623/24; O. Kohl, Das Gladiatorenmosaik von Kreuznach, in: Römisch-Ger-
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manisches Korrespondenzblatt 8, 1915, 44–47, Abb. 26; Ders., Zu dem Gladiatorenmosaik von Kreuznach, in: Germania 1, 1917, 152; K. Geib, Kreuznacher Gladiatorenmosaik, in: Kreuznacher Heimatblätter 5, 1925, Nr. 1; W. Zimmermann, Die Kunstdenkmäler des Kreises Kreuznach, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 18.1, Düsseldorf 1935, 58 f., Abb. 29–30; H. Wirth-Bernards, Das römische Mosaik bei Kreuznach, Bonn 1937; L. Robert, Monuments des gladiateurs de l’Orient grec. Hellenica III, Paris 1946, 133; K. Geib / O. Guthmann, Das Kreuznacher Gladiatorenmosaik, Bad Kreuznach 1955; K. Parlasca, Römische Mosaiken in Deutschland, Berlin 1959, 88 f., Taf. 88–91; O. Guthmann, Das Bad Kreuznacher Gladiatorenmosaik, in: Mitteilungen zur rheinhessischen Landeskunde 15, 1966, 281–284; Ders., Bad Kreuznach und Umgebung in römischer Zeit, Bad Kreuznach 1969, 37–45; G. Rupprecht, Vorbericht über die Grabungen der Mosaikbodenvilla Bad Kreuznach in den Jahren 1975/6, in: Mainzer Zeitschrift 71/72, 1976/77, 243; G. Rupprecht, Die Kreuznacher Palastvilla, in: Mainzer Zeitschrift 75, 1980, 277 ff.; G. Hellenkemper-Salies, Neue römische Mosaiken in Deutschland. Beiträge zur Chronologie des 3. Jahrhunderts, in: R. Farioli Campanati (Hg.), III. colloquio internazionale sul mosaico antico, II, Imola 1984, 338 ff.; Dies., Hofkunst in der Provinz?, in: BJb 184, 1984, 76 ff.; G. Rupprecht, Der römische Gutshof in Bad Kreuznach, in: Archäologie in Deutschland 4, 1986, 38; H. Bullinger, Das Gladiatorenmosaik aus der römischen Villa von Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 1986; G. Rupprecht, Die Mosaikböden der Peristylvilla in Bad Kreuznach, in: Archäologie in Deutschland 3, 1989, 18 ff.; J. Blázquez et al., Pavimentos africanos con espectaculos de toros. Estudio comparativo a propósito del mosaico de Silin, in: AntAfr 26, 1990, 172, 187, Abb. 19, 42; H. Cüppers (Hg.), Die Römer in Rheinland-Pfalz, Stuttgart 1990, 321–323, Abb. 204–205; J.-P. Darmon, Mosaïques d’amphithéâtres en Occident, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 147–149; S. Brown, Death as Decoration: Scenes from the Arena on Roman Domestic Mosaics, in: A. Richlin (Hg.), Pornography and Representation in Greece and Rome, New York/ Oxford 1992, 189 ff., Abb. 9.2–3; W. Weeber, Panem et circenses, in: Antike Welt 5 (Sondernummer), 1994, Abb. 4a-b; R. Gogräfe, Die Jagdbilder der Wint Hill Werkstatt. Parallelen und Vorbilder, in: M. Klein (Hg.), Römische Glaskunst und Wandmalerei, Mainz 1999, 120, Abb. 9; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 98–99, Abb. 138–140; M. Papini, Munera gladiatoria e venationes nel mondo delle immagini, Rom 2004, 61–63, Abb. 20–21, 49; S. Hornung, Luxus auf dem Lande: Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 2008, 37–51; 1.8.2 Wandmalereifragment einer Gladiatorenszene; FO: Cruciniacum, Verfüllung von Raum 30a der Palastvilla/Peristylvilla; AO: --; Dat.: aus der Erbauungszeit der villa um 150 n. Chr.; Bem.: Das erhaltene polychrome Putzfrag-
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ment lässt in Rückansicht den Helm eines secutors erkennen, dessen Gegner, wahrscheinlich ein retiarius, jedoch nicht erhalten ist. Literatur: R. Gogräfe, Die Wand- und Deckenmalereien der Villen von Bad Kreuznach und Bingen-Kempten, in: Mainzer Archäologische Zeitschrift 4, 1998, 39–41, 98, Abb. 90; Ders., Die römischen Wand- und Deckenmalereien des nördlichen Obergermanien, Neustadt a. d. W. 1999, 246; S. Hornung, Luxus auf dem Lande. Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach. Mit einem Beitrag von Rüdiger Gogräfe, Bad Kreuznach 2011, 95, Abb. 46–46a; 1.9 Langenhain (D) 1.9.1 Fragment eines Tongefäßes mit Barbotineverzierung und der Darstellung eines Kampfes um den pons, Tierszenen und Musikkapelle mit eingeritzten Beischriften; FO: ca. 220 m östlich des Osttores des Kastells Langenhain (Wetteraukreis) im Kastellvicus, in einer Grube mit unregelmäßig ovalem Grundriss (ca. 1,40 × 1,10 m Dm) in ca. 40 cm Tiefe; AO: --; Dat.: 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Bauchzone des Gefäßes trägt die seltene Darstellung eines Kampfes um den pons, eine hölzerne, erhöhte Plattform in der Arena. Auf dem pons ist ein retiarius dargestellt, zu dessen Füßen kugelförmige Gegenstände erkennbar sind, wahrscheinlich Wurfgeschosse. Von rechts und links greifen je ein weiterer Gladiator an, die über leiterartige Treppen auf den pons zu gelangen versuchen. Den Gladiatoren sind ihre Kampfnamen beigeschrieben: Der retiarius ist mit Scorpus, die beiden angreifenden Gladiatoren mit Flamma und Februarius bezeichnet. Links im Bildfeld sind ein als Hahn und Bär verkleideter und mit Beischriften versehener tubicen (Ursus tubicen) und cornicen (Pulus cornicen) erkennbar, ebenso wie Reste einer mit einer Peitsche (?) ausgestatteten Person. Das Zentralmotiv wird oben und unten durch jeweils einen Fries mit Jagdszenen gerahmt. Literatur: H.-G. Simon, Zwei außergewöhnliche reliefverzierte Gefäße aus Langenhain, Wetteraukreis, in: Germania 53, 1975, 126–137; L. Lazzaro, Esclaves et affranchise en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 324, Nr. 392; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 158; W. Oenbrink, Panem et circenses. Szenen der Massenunterhaltung auf Kölner Jagdbechern, in: KölnJb 32, 1999, 783; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 112–114, Abb. 164; S. Bender, Amphitheater und Kampfspiele am Limes in Hessen, in: Denkmalpflege und Kulturgeschichte 3, 2005, 29–31, Abb. 6; PULUS CORNICEN URSUS TUBICEN
FLAMMA
SCORPUS FEARUARIUS
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1.10 Lousonna/Lausanne-Vidy (CH) 1.10.1 Randfragment eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: vicus von Lousonna, unter dem Trassee der Autobahn im Kontext von antiker Wohnbebauung; AO: Musée cantonal d’archéologie et d’histoire Lausanne, Inv. CHU/2259; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Das Gefäß war aus blau-grünem Glas gefertigt. Reste von Namensinschriften sind erkennbar. Literatur: B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 89, Nr. 34 CL; G. Sennequier et al., Les verres romains à scenes de spectacles trouvés en France, Rouen 1998, 140, Nr. 46c; […]ṂBVS CALAM[…]
1.10.2 Fragmente eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Lousonna; AO: Musée romain de Vaude, Inv. 2849/1, 2849/6; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Erhalten sind Rand- und Wandscherbe des Bechers aus grünem, durchscheinendem Glas sowie der Rest einer Namensinschrift. Literatur: D. Paunier et al., Le vicus gallo-romain de Lousonna-Vidy, Lausanne 1987 (Lousonna 6), 139, Nr. 206–207, Abb. S. 166; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 91, Nr. 45 C–D1; […]ENI[…]
1.11 Mogontiacum/Mainz (D) 1.11.1 Militärisches Amphitheater; FO: Lokalisierung ungewiss; wahrscheinlich dort, wo bereits gegen Ende des 18. Jhs. monumentale Radialmauern zu Tage getreten waren: zwischen dem Legionslager auf dem Kästrich und dem Auxiliarkastell in Weisenau, hineingebaut in einen Hang östlich der heutigen Pariser Straße. Ausmaße: --; Dat.: --; Bem.: Baureste in der näheren Umgebung des Legionslagers auf dem Kästrich haben Vermutungen zur Lokalisierung des militärischen Amphitheaters genährt. Quellen aus dem Jahre 1300 bzw. 1604 berichten von Bauresten eines ‚Theaters‘ (Quelle um 1300), das sich den Angaben zu Folge nahe der südwestlichen Ecke des Legionslagers in Hanglage befunden haben soll, dort, wo später das Kloster Dahlheim errichtet wurde. J. Fuchs hingegen berichtet, im Jahr 1767/8 Radialmauern gesehen zu haben, die westlich des campus des Legionslagers, den er wiederum in dem ebenen Gebiet zwischen dem Legionslager auf dem Kästrich und dem östlich gelegenen Hechtsheimer Berg nicht weit vom sog. Drusus-Kenotaph lokalisierte, zu Tage getreten seien. E. Neeb plädierte 1919 aufgrund des mittlerweile nachgewiesenen Bühnentheaters am Mainzer Südbahnhof für eine Ansprache dieser Radialmauern als Am-
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phitheater. Er lokalisierte die Mauerreste östlich der heutigen Pariser Straße, an der Stelle, wo die Straße von der Hochebene zum Bachlauf des Wildgrabens hinabführt. Bauschuttreste sind an dieser Stelle auch heute noch sichtbar. Literatur: Pater Fuchs, Alte Geschichte von Mainz, Bd. I, Mainz 1771, 314–315, 365–366, Plan zwischen S. 312 und S. 313: Nr. 25; F. Lehne, Lage der alten Festung Magontiacum, in: P. Külb (Hg.), Fr. Lehne’s gesammelte Schriften, III. Antiquarische, historische und politische Aufsätze, Mainz 1838, 131, mit Plan „Comparaison du plan de l’ancien Mogontiacum avec la situation actuelle de la ville de Mayence“; F. Falk, Römische Bauwerke in und bei Mainz nach mittelalterlichen Urkunden, in: Mainzer Zeitschrift 2, 1907, 39; E. Neeb, Über die Lage des Amphitheaters bei Mainz, in: Mainzer Zeitschrift 14, 1919, 34–38; F. Drexel, Gebäude für öffentliche Spiele in Italien und den Provinzen, in: L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, Leipzig 9–101921, 223; G. Behrens, Verschwundene Mainzer Römerbauten, in: Mainzer Zeitschrift 48/49, 1953/54, 78; K. Weidemann, Die Topographie von Mainz in der Römerzeit und dem frühen Mittelalter, in: RGZM 15, 1968, 151–152; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 262, mit Anm. 147; 1.11.2 Ziviles Amphitheater; FO: Lokalisierung ungewiss; Dat.: in Analogie zu anderen zivilen Amphitheatern in Germania Superior und Inferior nicht vor der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.; Bem.: Vor dem Hintergrund der Standortfaktoren für zivile Amphitheater in Germanien dürfte sich das zivile Amphitheater in der Peripherie des Siedlungsareals von Mogontiacum – dem ehemaligen Gebiet der Nordost-canabae – in Hanglage befunden haben, vielleicht nahe des nachgewiesenen Theaters. Ähnlich wie das Theater wird auch das Amphitheater in Mogontiacum von der Stadtmauer eingeschlossen worden sein. Literatur: S. Kapitel 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum. 1.11.3 Weihinschrift-Inschrift eines Gladiators namens Messor; FO: November 1924 in Mogontiacum/Mainz, in der Kanalisation der Virchowstraße; AO: Landesmuseum Mainz, Inv. S 1134; Dat.: 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Weihinschrift ist an Fortuna gerichtet. Der Name Messor ist lateinischer Herkunft und in Germania Superior zehn Mal belegt. Vgl. auch L. Lazzaro, Esclaves et affranchis en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 320, Nr. 386, der einen in einer Weihinschrift aus Tolbiacum/Zülpich genannten Lentinius Messor, der den Matronen einen Altar gestiftet hatte, als Gladiator anspricht. Literatur: EAOR V, 108–109, Nr. 67, Taf. XXVIII: 2; E. Neeb, Römisches Altärchen aus Mainz, in: Germania 9, 1925, 129–130; AE 1926, Nr. 68; H. Finke, Neue Inschriften, in: BerRGK 17, 1927, 66, Nr. 202; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom
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Limes, in: Germania 55, 1977, 130; L. Lazzaro, Nouvelles données épigraphiques pour l’approche des formes de dépendance en Belgique et dans les Germaines: supplément aux CIL 13, in: DAH 5, 1979, 204 f., Nr. 29; Ders., Esclaves et affranchis en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 319, Nr. 385; H. Jacobi, Mogontiacum – Das römische Mainz, Mainz 1996, 349; MESSOR [G]LADIATO(r) VOT(um) S(olvit) L(ibens) M(erito) [Fo]RTUNA(e?)
1.11.4 Gladiatorenbecher aus Glas mit Beischrift; FO: Alzey-Heimersheim, in einem römischen Grab; AO: Sammlung Nassauischer Altertümer Wiesbaden, Inv. 2598; Dat.: --; Bem.: Erhalten ist die Darstellung von Gladiatorenpaaren sowie ein Inschriftenrest. Literatur: CIL 13, 10025.179; J. Emele, Beschreibung römischer und deutscher Altertümer in dem Gebiete der Provinz Rheinhessen, Mainz 1825, 23–24, Taf. VI: 9; A. Riese, Das rheinische Germanien in den antiken Inschriften, Berlin 1914, 437, Nr. 4496; G. Behrens, Römische Gläser aus Rheinhessen, in: Mainzer Zeitschrift 20/21, 1925/26, 64–65, Abb. 4; L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa IV, Basel 1960, 59, 66, Nr. 33; D. Ville, Les coupes de Trimalcion figurant des gladiateurs et une série de verres sigillés gaulois. A propos de Pétrone, Satiricon, 52, 3A, in: M. Renard / R. Schilling (Hgg.), Hommages à Jean Bayet, Brüssel 1964, 724–725, B10, Abb. 3; A. Follmann-Schulz, Les verres à scénes de spectacles trouvés au Benelux, dans le Vorarlberg (Autriche) et en Allemagne: un aperçu préliminaire, Annexe, in: G. Sennequier et al., Les verres romains à scènes de spectacles trouvés en France, Association française pour l’archéologie du verre, Rouen 1998, 160, Nr. 46, Form CA ? […] SPICVL / AEMII […]IVS CALA / CANB HERM […]
1.11.5 Fragmentierte Reliefschüssel (TS) Drag. 37 mit der Darstellung von Gladiatoren; FO: 1998 in Mogontiacum/Mainz, Emausweg (Parzelle 27/4; FZt. 43: Bl. 3); AO: Bodendenkmalpflege Mainz, Inv. A1.754; Dat.: 2. Hälfte 2. Jh./1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Das Gefäß ist in zwei Randscherben und sieben Wandscherben erhalten, von denen zwei Wandscherben Gladiatoren einer schwerbewaffneten (?) armatura zeigen. Literatur: P. Jung, Die römische Nordwestsiedlung („Dimesser Ort“) von Mainz, Bonn 2009, 400, Taf. 59; 1.11.6 Lampe in Form eines Gladiatorenhelms mit Stempeln; FO: 1829 in Mogontiacum beim Bau der Fruchthalle in einem Fundamentgraben; AO: Slg. Graf Solms-Rödelheim ? (ehem. Slg. Römer-Büchner); Dat.: nicht vor der Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. (über Töpferstempel); Bem.: Die Tonlampe ist in
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Form eines Gladiatorenhelms Typ Berlin mit dachartiger Wölbung über einem hohen Visiergitter geformt. Ein Teil der hohen crista ist im vorderen Bereich abgebrochen. Rechts und links der crista sind Luft- und Einfüllloch der Lampe eingebohrt. Die crista selbst ist mit einer Hängeöse zum Aufhängen der Lampe durchbrochen, das durch den Abbruch der crista nur noch ca. zur Hälfte erhalten ist. Die Krempe des Helms ist über dem Visier U-förmig nach oben gewölbt. Auf dieser U-förmigen Wölbung ist mit einem feinen, spitzen Gegenstand die Inschrift PASSERINUS ‚eingepunzt‘, vielleicht der Kampfname eines (berühmten?) Gladiators. Behrens vermutet den Namen des Herstellers des Oberteils der Lampe, der auf den unteren Teil der Lampe, eine Firmalampe des Töpfers C. Dessi, von eben jenem Passerinus aufgesetzt worden sei. Die Oberfläche des Helms ist durch Einstechungen mit einem spitzen Gegenstand aufgerauht (gepickt). Auf der Unterseite der Lampe ist der Stempel des Töpfers C. Dessi erhalten. Die Fundschwerpunkte von Lampen in Form eines Gladiatorenhelms sind der italische Bereich und das Rheinland (A. Möhring, Sonderformen römischer Lampen im Römisch Germanischen Museum Köln, in: KölnJb 22, 1989, 803–873, hier 844). Vgl. auch Kat. 2.2.29, 2.2.30. Literatur: G. Behrens, Zu: CIL XIII 10001,113 k., in: Germania 12, 1928, 109–110, Abb. 1; PASSERINUS CDESSI
1.12 Moirans-en-montagne (F) 1.12.1 Grabinschrift auf einer Reliefstele mit Darstellung zweier kämpfender Gladiatoren; FO: Moirans, in der regio ad Iuram montem; AO: verschollen; Dat.: nicht später als Ende 1. Jh. n. Chr.; Bem.: Der in der Inschrift erwähnte Gladiator kämpfte unter dem ‚Künstlernamen‘ Hector und hat im Laufe seiner Karriere drei Siege errungen. Literatur: EAOR V, 109, Nr. 68; CIL 13, 5354; E. Espérandieu, Receuil général des bas-reliefs, statues et bustes de la Gaule romaine, VII, Paris 1918, 42, Nr. 5301; L. Lazzaro, Esclaves et affranchises en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 316, Nr. 380; G. Ville, La gladiature en Occident des origines à la mort du Domitien, Rom 1981, 314, Anm. 201; HECTOR VIC(torum) III
1.13 Osterburken (D) 1.13.1 Greifenkopf-Applike eines Gladiatorenhelmes; FO: Osterburken, Neckar-Odenwald-Kreis; AO: zuletzt Magazin des Landesmuseums Karlsruhe; Dat.: 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Greifenkopf-Appliken sind typisch für die Helme der Thraker, deren geschwungene Helm-crista üblicherweise vorn in ei-
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nem Greifenkopf ausläuft. Das Stück gilt als verschollen. Genaue Daten zu dem Fundstück liegen daher nicht vor. Die von Wahl 1977 publizierten Angaben beruhen auf der Zeichnung im ORL B. Demnach wurde die bronzene Applike im Hohlguss-Verfahren hergestellt. Spuren von Vergoldung sind noch erkennbar. Der Kamm ist über der Stirn beschädigt, das rechte Ohr durch Gewalteinwirkung verzogen. Am Nackenkamm ist ein angeschmolzener Bronzerest erkennbar. Vgl. Kat. 1.18.3. Literatur: K. Schumacher, Nr. 40: Das Kastell Osterburken, in: E. Fabricius / F. Hettner / O. von Sarwey (Hgg.): Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches, Abteilung B, Band IV, Berlin/Leipzig 1929, Nr. 40: S. 35, Taf. 6: 51; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 109, Nr. 2a, Abb. 1, im Maßstab etwa 1:1 (nach der Zeichnung aus ORL B, Nr. 40, Taf. 6,51 im Maßstab 1:2); 1.14 Turicum/Zürich (CH) 1.14.1 Weih-Inschrift: FO: 1868 in Turicum, 500 Schritte von der römischen Kastellmauer entfernt im Hof der Strafanstalt; AO: Schweizerisches Landesmuseum Zürich, Inv. 3329; Dat.: 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Weihung an die Jagdgöttin Diana und den Waldgott Silvanus ist im Zusammenhang mit den Tierschauspielen (venationes) in Germanien eine bislang singuläre Kombination. Gesetzt wurde die Inschriftentafel von nicht näher bestimmten ursarii. Gefunden wurde sie auf dem Areal des ehemaligen Dominikanerinnenklosters, dem Ort, an dem sich im 1. Jh. n. Chr. ein Stützpunkt römischer Militärverbände befand. Der Fundort deutet darauf hin, dass jene ursarii wahrscheinlich im vicus Turicum gelebt haben. Der genaue Fundkontext des Weihesteins ist nicht überliefert. Die Inschrift steht laut Le Roux 1990, 211, mit der legio Claudia XI in Verbindung, die unter Vespasian in Vindonissa stationiert war. Zu einem zivilen ursarius vgl. Kat. 1.1.2, zu einem militärischen ursarius Kat. 2.8.3. Literatur: EAOR V, 86–87, Nr. 52, Taf. XXII: 2; CIL 13, 5243; ILS 3267; G. Walser, Römische Inschriften in der Schweiz, Bd. II, Bern 1980, 168 f., Nr. 192 (mit Foto); P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’Empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-M. Pailler (Hgg.), Spectacula I. Gladiateurs et amphithéâtres. Actes du colloque tenue à Toulouse et à Lattes les 26, 27, 28 et 29 mai 1987, Lattes 1990, 211; L. Lazzaro, Esclaves et affranchise en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 315 f., Nr. 379; A. King, Animals and the Roman Army: The Evidence of Animal Bones, in: A. Goldsworthy / I. Haynes (Hgg.), The Roman Army as Community, Portsmouth, Rode Island 1999, 148; M. Balmer, Zürich in der Spätlatène- und frühen Kaiserzeit, Zürich/ Egg 2009, 100, 168–169, Abb. 134;
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DEAE DIANAE ET SILVANO URSARI POSUERU NT EX VOTO
1.15 Vesontio/Besançon (F) 1.15.1 Ziviles Amphitheater; FO: Vesontio, am westlichen Rand des antiken Stadtgebietes jenseits des Flusses Doubs, mit seiner südlichen Peripherie ca. 100 Meter vom rechten Ufer des Doubs entfernt; Ausmaße: 100 × 84,6 m, 62 × 36,6 m (Arena); Dat.: nicht gesichert, das Erbauungsdatum wird zwischen dem Ende der flavischen Dynastie und der Regierungszeit Trajans angenommen; Bem.: Das Amphitheater von Vesontio ist das zweitgrößte Steinamphitheater von Germania Superior und Inferior. Das Monument konnte wegen moderner Überbauung nur teilweise freigelegt werden. Die nördliche Hälfte der cavea lehnte sich an einen natürlichen Hang, die südliche Hälfte war auf steinernen Substruktionen in flachem Gelände erbaut. Von den Steinsitzstufen der cavea ist nichts erhalten. Es gab zwei Hauptzugänge im Norden und im Süden. Carceres wurden nicht sicher nachgewiesen. Die steinerne Podiumsmauer war wahrscheinlich mit einem umlaufenden verdeckten Bedienungsgang versehen. Die Fassade im Süden war wie im Norden durch Pilaster gegliedert. Im Süden ermöglichten Öffnungen in der Fassade den Zugang zu Treppenaufgängen, die zu den Zuschauerplätzen der cavea führten. Der Fund von Säulenbasen belegt, dass es über der Pilaster-Treppen-Etage eine zweite Fassadenetage gab, die mit einer Säulenarchitektur gegliedert war. Literatur: A. Castan, Les arènes de Vesontio et le square archéologique du Canton nord de Besançon, Besançon 1886; L. Cornillot / M. Lerat, L’amphithéâtre romain de Besançon, in: Gallia 1, 1943, 129–138; Dies., L’amphithéâtre romain de Besançon, in: Gallia 6, 1948, 229–230; A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine, III. L’architecture 2. Ludi et circenses: théâtres, amphithéâtres, cirques, Paris 1958, 692–695; L. Lerat, Amphithéâtre, in: Gallia 18, 1960, 247–248, Abb. 1–2; Musée archéologique de Lattes (Hg.), Les gladiateurs, Lattes 1987, 125–126, Nr. 24; R. Bedon / R. Chevallier / P. Pinon, Architecture et urbanisme en Gaule Romaine, I, Paris 1988, 234; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain, Paris 1988, 191, Nr. 158, Taf. VIII: 5; R. Chase, Ancient Hellenistic and Roman Amphitheatres, Stadiums, and Theatres – The Way They Look Now, Portsmouth, New Hamphshire 2002, 351; 1.15.2 In drei Fragmenten erhaltene Inschrift, bei der es sich um die Bauinschrift des Amphitheaters von Vesontio handeln könnte; FO: Vesontio, zwei Fragmente waren in die Außenmauern einer der Annexbauten der Kirche Sainte-Madeleine verbaut, ein drittes – heute verlorenes – in den Mauern eines Wohn-
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hauses ganz in der Nähe dieser Kirche; Dat.: 1./2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die stark fragmentierte Inschrift wurde in unmittelbarer Nähe des Amphitheaters in wiederverwendetem Zustand gefunden. Aufgrund der Buchstabengröße und des Fundortes wurde ihre ursprüngliche Anbringung an der Außenfassade des Amphitheaters vermutet. Literatur: A. Castan, Les arènes de Vesontio et le square archéologique du Canton nord de Besançon, Besançon 1886, 12–13; Die erhaltenen Buchstaben der beiden größeren Fragmente entstammen der ersten bzw. zweiten Zeile des Inschriftentextes: OM ILII
AUG ILI
Das dritte Fragment bewahrt die Buchstaben LII oder LIH und stammt wahrscheinlich aus der dritten Textzeile. 1.16 Vindonissa/Windisch (CH) 1.16.1 Militärisches Amphitheater; FO: Vindonissa, 330 m südwestlich der Südwestecke des jüngsten Lagers der 11. Legion; Ausmaße: Holzbauphase: 94 × 76 m, 74,5 × 56,6 m (Arena); Holz-Steinbauphase: 111 × 99 m, 64 × 52 m (Arena); Dat.: Holzbauphase: um 30 n. Chr. durch die legio XIII Gemina; Holz-Steinbauphase: um 50 n. Chr. Wiederaufbau durch die legio XXI Rapax nach einem Brand; Bem.: Wegen der modernen Überbauungen konnte das Amphitheater nicht vollständig freigelegt werden. Das jüngste Amphitheater von Vindonissa stellt den größten Vertreter, sein hölzerner Vorgängerbau den bislang ältesten Vertreter unter den römischen Amphitheatern in Germanien dar. Es war in ansteigendes Terrain hineingebaut. Zwischen Amphitheater und Südwestecke der Lagerumwehrung befand sich ein als campus angesprochener großer Rechteckbau. Die Holzbauphase des Amphitheaters lässt sich in drei elliptischen Reihen aus Pfostennegativen nachweisen, von denen die innere arenaseits mit einer ca. 3 m hohen hölzernen Podiumswand verkleidet gewesen zu sein scheint. Möglicherweise gab es einen verdeckten Bedienungsgang in der nördlichen cavea. Auf der Querachse der Arena ließ sich im Süden ein carcer fassen. Die Sitzstufen ruhten im Norden auf einer Holzkonstruktion, im Süden auf einer künstlichen Abtreppung des natürlich anstehenden Bodens auf. Man schätzt das Fassungsvermögen des Holzamphitheaters auf etwa 6.200 Zuschauer. Über eine rampenförmige Erdanschüttung hatten die Zuschauer Zutritt zum Amphitheater. Verschiedene Reparaturphasen an der hölzernen Arenaeinfassung deuten auf eine Mehrphasigkeit des Holzamphitheaters hin. Unmittelbar oder nur kurze Zeit nach der Zerstörung des hölzernen Amphitheaters durch Brand wurde ein Nachfolgebau in Holz und Stein errichtet. Man tiefte die neue Arena rund 1 m in den gewachsenen Boden ein und reduzierte ihre Fläche. Der Zuschauerraum
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wurde vergrößert (ca. 11.000 Zuschauer). Ein verdeckter Bedienungsgang lief nun um die gesamte Arena herum. Der äußere Mauerring stützte eine umlaufende Anschüttung, die von einer Mauer bekrönt wurde. Die obersten Ränge waren über eingelassene Türöffnungen in dieser Mauer zugänglich. Wahrscheinlich bestanden die Sitzstufen zumindest teilweise aus Holz. Der auf der Querachse der Arena befindliche Nordeingang war prunkvoll ausgestaltet. Carceres konnten im jüngeren Amphitheater von Vindonissa nicht nachgewiesen werden. Auf einem der mutmaßlichen Zuschauerbrüstungssteine entdeckte man die Inschrift TIRONES. In der Mitte der Arena wurde ein großer Steinblock angetroffen, der möglicherweise dem Anbinden wilder Tiere im Rahmen einer venatio gedient hat. Das Holz-Steinamphitheater von Vindonissa weist mindestens eine Umbauphase zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt auf. Literatur: O. Hauser, Vindonissa. Das Standquartier römischer Legionen, Zürich 1904, 5–9, Taf. II–VIII, X, LXIII; S. Heuberger / C. Fels, Das römische Amphitheater von Vindonissa. Fremdenführer, Brugg 1905; S. Heuberger, Aus der Baugeschichte Vindonissas und vom Verlauf ihrer Erforschung, in: FS zum 50-jährigen Jubiläum der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau, 1909, 75–87, Abb. 42–44; F. Drexel, Gebäude für öffentliche Spiele in Italien und den Provinzen, in: L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, Leipzig 9–101921, 222; S. Heuberger, Das römische Amphitheater von Vindonissa, Brugg 1928; R. Laur-Belart, Vindonissa, Lager und Vicus, Berlin/Leipzig 1934, 68–74, Taf. 24–25; F. Staehelin, Die Schweiz in römischer Zeit, Basel 1948, 240 f., 624: Abb. 198, 469: Abb 125; R. Fellmann, Führer durch das Amphitheater von Vindonissa, Brugg 1952; A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine, III. L’architecture 2. Ludi et circenses: théâtres, amphithéâtres, cirques, Paris 1958, 583–585, Abb. 193; A. Hönle / A. Henze, Römische Amphitheater und Stadien. Gladiatorenkämpfe und Circusspiele, Feldmeilen 1981, Abb. 143; M. Hartmann, Das römische Legionslager von Vindonissa, Brugg 1983, 19 f., Abb. 25–26; M. Hartmann, Vindonissa. Oppidum – Legionslager – Castrum, Windisch 1986, 86–89, Abb. 73–74; W. Drack / R. Fellman, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988, 543 f., Abb. 505; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 79–80, Nr. 17, Taf. XII: 6–7; P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’Empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 203–215; T. Pauli-Gabi / L. Steiner / F. Wiblé, Städte und Ortschaften, in: L. Flutsch / U. Niffeler / F. Rossi (Hgg.), Römische Zeit. Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittlealter, Basel 2002, 120; R. Frei-Stolba, Der Besuch Trajans in Vindonissa im Jahr 98 n. Chr., in: Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa 2007, 3–16; R. Frei-Stolba
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et al., Das Amphitheater Vindonissa Brugg-Windisch, 2011; G. Matter / C. Auf der Maur, Das Amphitheater von Vindonissa – Archäologische Ergebnisse der Gesamtsanierung 2006–2011, in: JBer Pro Vindon 2011, 2012, 23–45; J. Trumm, Vindonissa – Stand der Erforschung II. Der zivile Komplex, in: JBer Pro Vindon 2011, 2012, 3–22; 1.16.2 Zwei anpassende Fragmente einer Bau-/Ehreninschrift des Amphitheaters; FO: Vindonissa, in Sturzlage im Bereich des östlichen Eingangs zum Amphitheater; AO: Landesmuseum Zürich, Inv.-Nr. 14801; Dat.: wahrscheinlich claudisch; Bem.: Die Inschrift stellt die bislang einzige erhaltene Bauinschrift eines Militäramphitheaters in Germania Superior und Inferior dar. Ungeklärt ist, ob sie zum älteren Holzamphitheater oder jüngeren Holz-Stein-Amphitheater Vindonissas gehörte. Die erhaltene Größe der Tafel beläuft sich auf 36 × 62 × 15 cm. Die Buchstabenhöhe der Inschrift beträgt 12 cm. Eine Kaisertitulatur – wahrscheinlich die des Claudius – lässt sich wahrscheinlich machen. Literatur: H. Nesselhauf / H. Lieb, Dritter Nachtrag zu CIL XIII. Inschriften aus den germanischen Provinzen und dem Treverergebiet, in: BerRGK 40, 1960, 146, Nr. 64; R. Frei-Stolba et al., Das Amphitheater Vindonissa Brugg-Windisch, Kanton Aargau, Bern 2011, 12, Abb. auf derselben Seite; [– – – Caesa]RIS AU[g(usti) – – – – | – –ni]CI [– – – – –]
1.16.3 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vindonissa, sog. Schutthügel West; AO: Vindonissa-Museum Brugg, Inv. 1916.55; Dat.: flavisch (Fundkontext); Bem.: Das Gefäß war aus blaugrünem, durchscheinendem Glas gefertigt. Ein Inschriftenrest ist erhalten. Literatur: L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, in: Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa, IV, Basel 1960, 62, Nr. 156, Taf. 10; D. Ville, Les coupes de Trimalcion figurant des gladiateurs et une série des verres „sigillés“ gaulois (A propos de Pétrone, Satiricon 52,3), in: M. Renard / R. Schilling (Hgg.), Hommages à Jean Bayet, Brüssel 1964 (Collections Latomus 70), 724, Typ B, Nr. 7; G. Sennequier, Nouveaux aperçus sur deux verres gallo-romaines du Musée des Antiquités de Rouen: Une coupe à course de chars et un gobelet à gladiateurs, Berlin/Leipzig 1978, 91, Nr. 6, Abb. 8, Gruppe I 6; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 89, Nr. 35 C1; […] CALA[…]
1.16.4 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vindonissa, Lagergebiet; AO: Vindonissa-Museum Brugg, Inv. 1191; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Das Gefäß war aus grünem durchscheinendem Glas gefertigt. Ein Inschriftenrest ist erhalten sowie die rückwärtigen Partien zweier mit dem Rücken zueinander stehenden Gladiatoren.
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Literatur: L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, in: Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa, IV, Basel 1960, 62, Nr. 157, Taf. 10; D. Ville, Les coupes de Trimalcion figurant des gladiateurs et une série des verres „sigillés“ gaulois (A propos de Pétrone, Satiricon 52,3), in: M. Renard / R. Schilling (Hgg.), Hommages à Jean Bayet, Brüssel 1964, 724, Typ B, Nr. 6; H. Wiedemer, Zirkusbecher als kulturgeschichtliche und archäologische Zeugnisse, in: Jahresberichte der Gesellschaft Pro Vindonissa 1963, 1964, 11, Abb. 4; G. Sennequier, Nouveaux aperçus sur deux verres gallo-romaines du Musée des Antiquités de Rouen: Une coupe à course de chars et un gobelet à gladiateurs, Berlin/Leipzig 1978, 91, Nr. 7, Abb. 8, Gruppe I 7; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 90, Nr. 37 C2, Abb. 10; [- – -]HOLHES | PE[- – -]
1.16.5 Scherben eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vindonissa, Lagergebiet Königsfelden; AO: Vindonissa-Museum Brugg, Inv. V 76/416.32; Dat.: (frü?)flavisch (Fundkontext, Beifunde); Bem.: Das Gefäß, das aus hellgrünem durchscheinendem/durchsichtigem Glas gefertigt war, ist in mehreren Rand-, Wand- und Bauchscherben erhalten. Inschriftentreste sind lesbar, darunter der vollständige Kampfname eines Gladiators namens Prudes. Literatur: L. Berger, Neufund eines Gladiatorenbechers aus Vindonissa, in: JBer Pro Vindon 1977, 1978, 63–68; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 90, Nr. 41 C3; C[- – -]VS (oder LVS von Spiculus?)[- – -]LM(?)[- – -]RA[- – -]CRAV[- – -]A P[- – -] PRUDES SPICV |
1.16.6 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vindonissa, Lagergebiet vor dem südlichen Lagergraben; AO: Vindonissa-Museum Brugg, Inv. 1935.666; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Der Becher war aus grünem, durchscheinendem Glas gefertigt. Literatur: L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, in: Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa, IV, Basel 1960, 62, Nr. 158, Taf. 10; G. Sennequier, Nouveaux aperçus sur deux verres gallo-romaines du Musée des Antiquités de Rouen: Une coupe à course de chars et un gobelet à gladiateurs, Berlin/Leipzig 1978, 93, Variante Gruppe II, Nr. 4; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 90, Nr. 44 D1?; 1.16.7 Scherbe eines Zirkus- und Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vindonissa, sog. Schutthügel; AO: Vindonissa-Museum, Brugg, Inv. 1941.356; Dat.: flavisch (Fundkontext); Bem.: Erhalten ist eine Wand- bzw. Bauchscherbe des Gladiatorenbechers. Das Gefäß war aus hellgrünem, durchscheinendem
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Glas gefertigt. Das Ende bzw. der Anfang von Kampfnamen zweier Gladiatoren sind noch lesbar. Literatur: L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa, IV, Basel 1960, 62, Nr. 160, Taf. 10; D. Ville, Les coupes de Trimalcion figurant des gladiateurs et une série des verres „sigillés“ gaulois (A propos de Pétrone, Satiricon 52,3), in: M. Renard / R. Schilling (Hgg.), Hommages à Jean Bayet, Brüssel 1964, 726, Typ G, Nr. 20; D. Harden, New Light on Mould-blown Glass Sports Cup of the First Century A. D. Bearing Both Chariot Races in bigae and Gladiatorial Combats, in: Journal of Glass Studies 24, 1982, 38, Nr. 5, Abb. 7; G. Sennequier, Nouveaux aperçus sur deux verres gallo-romaines du Musée des Antiquités de Rouen: Une coupe à course de chars et un gobelet à gladiateurs, Berlin/Leipzig 1978, 94, Gruppe II, Nr. 5, Abb. 7; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 92, Nr. 60 F1; […]ES HER[…]
1.16.8 Wandscherbe eines Zirkus- und Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vindonissa, Lagergebiet/principia; AO: Vindonissa-Museum Brugg, Inv. 1933.1464; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Erhalten ist eine Wandscherbe aus grünem, durchscheinendem Glas. Ein Inschriftenrest ist noch erkennbar. Literatur: L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa, IV, Basel 1960, 62, Nr. 161, Taf. 10; D. Ville, Les coupes de Trimalcion figurant des gladiateurs et une série des verres „sigillés“ gaulois (A propos de Pétrone, Satiricon 52,3), in: M. Renard / R. Schilling (Hgg.), Hommages à Jean Bayet, Brüssel 1964, 725, Typ E, Nr. 17; G. Sennequier, Nouveaux aperçus sur deux verres gallo-romaines du Musée des Antiquités de Rouen: Une coupe à course de chars et un gobelet à gladiateurs, Berlin/Leipzig 1978, 94, Variante Gruppe II, Nr. 7, Abb. 7. B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 92, Nr. 62 F1; […]TES[…]
1.16.9 Scherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift und Herstellername; FO: Vindonissa, im Keltengraben; AO: Vindonissa-Museum Brugg, Inv. 75.24; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Erhalten ist eine Wandscherbe aus grünem, durchsichtigem Glas. Das Gefäß wird dem M. Licinius Diceus zugeschrieben. Literatur: B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 93, Nr. 72 G1?; 1.16.10 Statuette eines thraex aus Terracotta; FO: 1937 in Vindonissa, im Brandgräberfeld an der Aarauerstraße als Grabbeigabe; AO: Vindonissa-Museum Brugg,
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Inv.-Nr. 37.916; Dat.: claudisch; Bem.: Die Statuette ist stark brandverfärbt. Sie ist vollständig erhalten und zeigt die rundplastische Darstellung eines Gladiators, der auf einer kleinen Bodenplatte steht. Dargestellt ist ein rechtshändiger thraex in Ausfallschritt. Die Ausrüstung des Gladiators besteht aus zwei hohen Beinschienen, einem runden, gewölbten Schild, einer manica am rechten Arm sowie einem breitkrempigen Visierhelm mit hoher crista. Die Waffe, die möglicherweis aus Holz oder Eisen angefügt war, ist verloren. Literatur: V. von Gonzenbach, Die römischen Terracotten von Vindonissa, in: Dies., Schriften zu Vindonissa, Baden 1991, 197–209, Kat.-Nr. 19, 207, Abb. 3; 1.17 Vitudurum/Oberwinterthur (CH) 1.17.1 Randscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vitudurum, Kirchhügel; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 67839; Dat.: um 70 n. Chr. (Fundkontext); Bem.: Das Gefäß war aus grünem, durchscheinendem Glas gefertigt. Ein Inschriftenrest mit Kampfnamen von Gladiatoren ist erhalten. Literatur: H. Wiedemer, Ur- und Frühgeschichte der Winterthurer Gegend, Winterthur 1964, 11, Abb. 4: 2; B. Rütti, Die Gläser. Beiträge zum römischen Oberwinterthur 4, Zürich 1988, 41, Abb. 21a; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 90, Nr. 40 CL-2; [- – -]S | PETR[- – -]
1.17.2 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vitudurum, Unteres Bühl/Haus 18C; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 65337; Dat.: vermutlich neronisch (Fundkontext); Bem.: Das Gefäß war aus blaugrünem, durchsichtigem Glas gefertigt. Literatur: B. Rütti, Die Gläser, Beiträge zum römischen Oberwinterthur-Vitudurum 4, Zürich 1988, 167, Nr. G 690, Taf. 9; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 91, Nr. 48 C-D; 1.17.3 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vitudurum, Unteres Bühl/Streufund; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 66822; Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Das Gefäß war aus blaugrünem, durchscheinendem Glas gefertigt. Literatur: B. Rütti, Die Gläser, Beiträge zum römischen Oberwinterthur-Vitudurum 4, Zürich 1988, 167, Nr. G 691; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 27–104, hier: 91, Nr. 49 C-D; 1.17.4 Wandscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vitudurum, Unteres Bühl/Streufund; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 65374;
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Dat.: 3. Viertel 1. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Das Gefäß war aus blaugrünem, durchscheinendem Glas gefertigt. Literatur: B. Rütti, Die Gläser, Beiträge zum römischen Oberwinterthur-Vitudurum 4, Zürich 1988, 167, Nr. G 692, Taf. 9; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz. Eine Bestandsaufnahme, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 91, Nr. 50 C-D; 1.17.5 Scherben eines Zirkus- und Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vitudurum, Unteres Bühl, Grube 2; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 65010.65249.65643; Dat.: terminus ante quem um 75/80 n. Chr. (durch Fundkontext und Beifunde); Bem.: Drei Wandscherben und eine Bauchscherbe eines Bechers aus braunem, durchscheinendem Glas sind erhalten. Der Becher war mit zwei übereinanderliegenden Friesen verziert: Der obere Fries zeigt ein Zirkusrennen, der untere Gladiatorenkämpfe. Inschriftenreste sind erhalten. Literatur: B. Rütti, Die Gläser. Beiträge zum römischen Oberwinterthur 4, Zürich 1988, 167, Nr. G 685; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 51, Model F1, 92, Nr. 63 F1; […]Ṣ HE[…]Ṣ
1.17.6 Scherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift und Herstellername; FO: Vitudurum, Unteres Bühl/Haus 10D; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 66285; Dat.: 1. Jh. n. Chr. (Beifunde); Bem.: Erhalten ist eine Wandscherbe aus blaugrünem, durchscheinendem Glas. Das Gefäß wird dem M. Licinius Diceus zugeschrieben. Literatur: B. Rütti, Die Gläser. Beiträge zum römischen Oberwinterthur 4, Zürich 1988, 167, Nr. G 688, Taf. 9; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 93, Nr. 70 G1?; […]D I(?)C[…]
1.17.7 Scherben eines Zirkus- und Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: Vitudurum, Unteres Bühl, Grube 2; AO: Landesmuseum Zürich, Inv. 61970–71.61973.61976.62107. 62117; Dat.: claudisch-neronisch (Beifunde); Bem.: Der Becher ist mit zwei übereinanderliegenden Friesen verziert: Der obere Fries zeigt ein Zirkusrennen, der untere Gladiatorenkämpfe. Literatur: R. Clerici / B. Rütti / A. Zürcher, Archäologische Untersuchungen im römischen vicus Vitudurum-Oberwinterthur, in: Archäologie der Schweiz 5, 1982, 125, Abb. 15; B. Rütti, Die Gläser. Beiträge zum römischen Oberwinterthur 4, Zürich 1988, 166 f., Nr. G 682; B. Rütti et al., Die Zirkusbecher der Schweiz, in: JBer Pro Vindon 1987, 1988, 51, Model F1, 92, Nr. 64 FL; CRE[- – -] [- – -]MES HER[- – -]
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1.18 Zugmantel (D) 1.18.1 Militärisches Amphitheater Zugmantel I („Hühnerstraße“); FO: 175 m nördl. des Kastells Zugmantel; Ausmaße: ca. 50 m Dm, ca. 26 m Dm (Arena); Dat.: terminus post quem 90 n. Chr. (Erbauungsdatum des Kastells); Bem.: Das Amphitheater am Zugmantel-Hühnerstraße stellt das kleinste erhaltene Holz-Amphitheater Germaniens dar. Es wurde auf einem Plateau zwischen dem Lager im Süden und dem limes im Norden errichtet. Es verfügte über eine in den Boden eingetiefte, runde Arena, die wahrscheinlich mit einer Holzwand zur cavea hin abgetrennt war. Die cavea bestand aus einem ca. 13 m breiten Erdwall, der bei seiner Auffindung noch 1,00–1,30 m hoch anstand. Die Sitzstufen waren wahrscheinlich aus Holz. Im Norden und Süden wurden zwei Hauptzugänge nachgewiesen. Die Einfachheit der Anlage spricht dafür, dass es relativ chronologisch älter ist als das Amphitheater Zugmantel-Galgenköppel (s. unten). Literatur: F. Hettner, Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission, in: AA 1894, 152–169, hier: 167–168; F. Hettner, Bericht über die Arbeiten der Reichslimeskommission im Jahre 1899, in: AA 15, 1900, 85; E. Fabricius, Strecke 3: Die Limesanlagen im Taunus von der Aar bis zum Köpperner Tal bei der Saalburg, in: Ders. / F. Hettner / O. von Sarwey (Hgg.), Der Obergermanisch-Rätische Limes des Roemerreiches, A II.1, Berlin/Leipzig 1936, 71–73, Taf. 5; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 126–127, Beil. 1, Abb. 8: 1; S. Bender, Amphitheater und Kampfspiele am Limes in Hessen, in: Denkmalpflege und Kulturgeschichte 3, 2005, 29–31, Abb. 1; C. Sommer, Amphitheatres of Auxiliary Forts on the Frontiers, in: T. Wilmott (Hg.), Roman Amphitheatres and Spectacula: a 21st-Century Perspective, Oxford 2009, 53–54, Abb. 5–6; 1.18.2 Militärisches Amphitheater Zugmantel II („Am Galgenköppel“); FO: ca. 360 m östlich des Kastells Zugmantel; Ausmaße: 50 m Dm, 21,7 m Dm (Arena); Dat.: terminus post quem: 90 n. Chr. (Erbauungsdatum des Kastells); Bem.: Die Arena des Amphitheaters wurde teilweise in einen Hang eingetieft. Wie das Amphitheater ‚Hühnerstraße‘ verfügte es über eine runde Arena, die allerdings von einer steinernen, teilweise erhaltenen Podiumsmauer (Dm: 25 m) umgeben war. Dieser Podiumsmauer war möglicherweise eine parallel verlaufende Holzwand vorgeblendet, die Teil eines Bedienungsganges gewesen sein könnte. Weder in der Podiumsmauer noch in dem Fundamentgraben der vermeintlichen Holzwand wurden bislang Unterbrechungen für Eingänge gefunden. Da das Amphitheater am Galgenköppel nicht vollständig untersucht wurde, könnten diese noch unter Verschüttungsschichten verborgen liegen. Die Holz-Steinbausweise des Amphitheaters spricht dafür, das das Amphitheater Zugmantel Galgenköppel relativ chronologisch jünger ist als das Amphitheater Zugmantel-Hühnerstraße.
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Literatur: F. Hettner, Bericht über die Arbeiten der Reichslimeskommission im Jahre 1899, in: AA 15, 1900, 85; E. Fabricius, Strecke 3: Die Limesanlagen im Taunus von der Aar bis zum Köpperner Tal bei der Saalburg, in: Ders. / F. Hettner / O. von Sarwey (Hgg.), Der Obergermanisch-Rätische Limes des Roemerreiches, A II.1, Berlin/Leipzig 1936, 71–73, Taf. 5; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 126–127, Beil. 1, Abb. 8: 2; S. Bender, Amphitheater und Kampfspiele am Limes in Hessen, in: Denkmalpflege und Kulturgeschichte 3, 2005, 29–31, Abb. 1; C. Sommer, Amphitheatres of Auxiliary Forts on the Frontiers, in: T. Wilmott (Hg.), Roman Amphitheatres and Spectacula: a 21st-Century Perspective, Oxford 2009, 53–54, Abb. 5–6; 1.18.3 Greifenkopf-Applike von einem Gladiatorenhelm; FO: Zugmantel, Gemeinde Orlen-Taunusstein; Füllung der Grube 473: ca. 40 m südwestlich der porta principalis dextra des 2. Steinkastells; AO: Saalburg-Museum, Inv.-Nr. ZM 5098; Dat.: 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr. (über stilistische Vergleiche); Bem.: Greifenkopf-Appliken gehören als charakteristisches Ausstattungsmerkmal zum crista-Schmuck eines Gladiatorenhelmes, genauer zu dem eines thraex-Helmes, dessen geschwungener Kamm üblicherweise in Form eines Greifen über der vorderen Helmkrempe auslief. Die Greifenkopf-Applike wurde aus Bronze in Hohlguss-Technik gefertigt. Erhaltene Höhe: 6,5 cm, größter Durchmesser der Tülle: 6 cm. Vgl. Kat. 1.13.1. Literatur: Zum Fundort s. Saalburg-Jahrb. 10, 1951, 63 u. Beil. 1: in Quadrant E 5; A. Büttner, Figürlich verzierte Bronzen vom Kastell Zugmantel, in: Saalburg-Jahrb. 20, 1962, 66 u. Taf. 1: 1; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 108–132; 1.18.4 Trierer Bilderschüssel (TS) mit Graffitto vesstigiatorum [sic]; FO: vicus des Kastells Zugmantel, Keller 182; AO: --; Dat.: 150–180 n. Chr. (über Töpferstempel); Bem.: Möglicherweise handelte es sich bei diesen vestigiatores um Auxiliare, die als kundige Jagdhelfer im Dienst des römischen Militärs standen und Tiere zur Nahrung oder zu venationes im Amphitheater aufspürten. Literatur: L. Jacobi, Nr. 8: Das Kastell Zugmantel, in: E. Fabricus / F. Hettner / O. von Sarway (Hgg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches, B II.1, Berlin/Leipzig 1937, 154, 156–157, Taf. 27: Nr. 18; S. auch Saalburg-Jahrb. 10, 1951, Beil. 1: Quadrant F2 (= Lage des Kellers, in dem die Bilderschüssel gefunden wurde); J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 128; G. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens in der Kaiserzeit, Stuttgart 1998, 39; C. Epplett, The Capture of Animals by the Roman Military, in: G & R 48/2, 2001, 210–222, bes. 217–218; VESSTIGIATORUM
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1.18.5 Scherbe einer Gallischen Bilderschüssel des Toccius (TS) mit der Darstellung eines Gladiatorenpaares; FO: vicus des Kastells Zugmantel; AO: --; Dat.: Schaffenszeit des Töpfers Mammilinius: zur Zeit des äußeren limes; Bem.: Die Darstellung zeigt einen thraex nach links im Ausfallschritt. An der linken Bruchkante ist ein zweiter Gladiator (Schild, kurze Beinschiene links) erkennbar. Zwischen beiden Gladiatoren wurde senkrecht der Töpfertempel MAMMIII (= Mammilianus) eingedrückt. Literatur: L. Jacobi, Nr. 8: Das Kastell Zugmantel, in: E. Fabricus / F. Hettner / O. von Sarway (Hgg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches, B II.1, Berlin/Leipzig 1937, 118, Taf. XXIII: 26; MAMMIII
1.18.6 Drei Bilderschüsseln (TS) mit der Darstellung von damnatus-ad-bestias-Szenen; FO: vicus des Kastells Zugmantel; AO: --; Dat.: --; Bem.: Da im Rahmen von munera legitima auch Hinrichtungen im Amphitheater stattfanden, verweist das Thema der Darstellung in die Sphäre der römischen Gladiatur. Eine der Bilderschüsseln konnte als Rheinzaberner Bilderschüssel des Cobnertus (Mitte 2. Jh. n. Chr.) identifiziert werden, eine andere Bilderschüssel ist nur in zwei Fragmenten überliefert. Literatur: L. Jacobi, Nr. 8: Das Kastell Zugmantel, in: E. Fabricus / F. Hettner / O. von Sarway (Hgg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches, B II.1, Berlin/Leipzig 1937, 115, 118, 124–125, Taf. XXII: 18, Taf. XXIII: 35, Taf. XXV: 7; 2
Germania Inferior
2.1 2.1.1
Bonna/Bonn (D) Grün glasierte Urne (à la barbotine) mit einer Gladiatorenszene; FO: Bonna, 1881 in einer Fundamentgrube in der Lennéstraße; AO: LVR-LandesMuseum Bonn (?); Dat.: spätere Kaisezeit; Bem.: Das Gefäß stammt aus einer Bonner Töpferwerkstatt. Dargestellt sind zwei Gladiatoren, vielleicht ein secutor und ein retiarius. Der retiarius scheint als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen zu sein, denn er hält in der Rechten einen Palmzweig. Sein Dreizack liegt bei den Waffen des secutors und er wendet sich einem Jagdhund zu, der im Begriff ist, einem Hirsch / einer Hirschkuh in den Hals zu beißen. Der secutor hält in der Linken einen Dolch (?), hat aber Helm und Schwert abgelegt/verloren. Literatur: E. aus’m Weerth, 12. Kleine Mitteilungen aus dem Provinzial-Museum zu Bonn, Erwerbungen und Funde, in: BJb 74, 1882, 149–152, Taf. VII: 1, 1a.
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2.1.2 Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘ mit der Darstellung eines retiarius gegen einen secutor; FO: Bonna; AO: LVR-LandesMuseum Bonn, Inv. 16701; Dat.: frühes bis spätes 2. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Dargestellt ist ein retiarius mit manica, galerus und Dreizack, der gegen einen linkshändigen secutor kämpft. Literatur: E. Krüger, Ein Ziegel von der Basilika in Trier mit der Darstellung eines Netzkämpfers, in: Röm.-Germ. Korrespondenzbl. 8, 1915, 25, Abb. 15; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161, Anm. 5; W. Binsfeld, Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1967–68, 77; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 202, Nr. 1137; 2.2 Colonia Claudia Ara Agrippinensium/Köln (D) 2.2.1 Ziviles Amphitheater; FO: Lokalisierung ungewiss; Ausmaße: unbekannt; Dat.: hier vertretene Hypothese: vielleicht um 100 n. Chr.; Bem.: In Analogie zu anderen zivilen Amphitheatern in Germania Superior und Inferior befand sich das zivile Amphitheater aller Wahrscheinlichkeit nach im Südwesten des Stadtgebietes der CCAA (insulae B-F/10–11), das in topographischer, urbanistischer und verkehrsgeographischer Hinsicht alle Standortfaktoren erfüllt. Literatur: J. Becker, Der Berlich zu Cöln und der Perlach zu Augsburg, in: BJb 42, 1867, 64–71; R. Schultze / C. Steuernagel, Neue Beiträge zur Colonia Agrippinensis, in: BJb 123, 1914, 14; J. Klinkenberg, Zweite Abteilung: Das römische Köln, in: P. Clemen (Hg.), Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Sechster Band, I. und II. Abteilung: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, Düsseldorf 1906, 131–375, 225; F. Drexel, Gebäude für öffentliche Spiele in Italien und den Provinzen, in: L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, Leipzig 10–111921, 223; F. Fremersdorf, Neue Beiträge zur Topographie des römischen Köln, Berlin 1950, 44 ff.; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161–167; P. La Baume, Das römische Köln, in: BJb 172, 1972, 286; H. Hellenkemper, Köln I, 1. Führer zur vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, 37, 1, Mainz 1980, 76 f.; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 255; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 373–377; R. Thomas, Die Gladiatoren vom Appellhofplatz, in: KölnJb 41, 2008, 339, 416; T. Fischer / M. Trier, Das römische Köln, Köln 2014, 189–190; 2.2.2 Militärisches Amphitheater; FO: Lokalisierung ungewiss; Dat.: 50 n. Chr (terminus post quem); Bem.: Da die Standlager von Legions- und Auxiliarein-
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heiten in Germanien, wahrscheinlich aber im gesamten Imperium Romanum über eigene Militäramphitheater verfügten, muss auch für Köln ein militärisches Amphitheater angenommen werden. In Analogie zu anderen Militäramphitheatern in der Germania Superior und Inferior muss sich dieses nahe der Ecken der Umwehrung des Standlagers der Classis Germanica im heutigen Köln-Marienburg (sog. Alteburg) im Abstand von ca. 100–300 m befunden haben. Das Geländerelief des Lagerareals macht es wahrscheinlich, dass das Militäramphitheater der Rheinflotte nahe der nordwestlichen oder südwestlichen Ecke der Lagerumwehrung zu lokalisieren ist. Inschriftlich sind gladiatores classis Germanicae Piae Fidelis bezeugt (s. Kat. 2.7.3). Literatur: S. oben Kapitel 2.4.2 Noch immer unentdeckt: Die Amphitheater der capita provinciarum. 2.2.3 Weih-Inschrift mit venatio-Kontext zu Ehren der Göttin Diana; FO: CCAA, Süd-Westecke des Doms; AO: RGM Köln, Sektion 121, Inv. 668; Dat.: Ende 1./ Anfang 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Der Dedikant rühmt sich, innerhalb von sechs Monaten 50 Bären gefangen zu haben. Da diese Bären gefangen (ursis captis) und nicht getötet wurden, liegt es nahe zu vermuten, dass die lebend gefangenen Tiere für venationes im Amphitheater bestimmt waren. Die Rangbezeichnung des Dedikanten als Zenturio der in Bonna/Bonn stationierten legio I Minerviae legt zudem den Schluss nahe, dass der Zenturio im Dienste des Statthalters stand und die 50 Bären für kaiserliche Spiele in Rom oder die nahegelegenen Militäramphitheater von Nijmegen oder Birten bei Xanten bestimmt waren. Literatur: EAOR V, 83, Nr. 48, Taf. XXI: 2; CIL 13, 12048; ILS 9241; I. R. Köln 14; AE 1910, Nr. 61; AE 1987, Nr. 867; A. von Domaszewsky, Neue Funde, in: Römisch-Germanisches Korrespondenzblatt 2, 1909, 65; B. Galsterer / H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Köln 1975, 14; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 129; E. Thomas, Bemerkungen zum Circus des römischen Köln, in: Boreas 7, 1984, 160–161; P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 210–211; H. Devijver, Bears, Bisons, and the Roman Army, in: Ders. (Hg.): The Equestrian Officers of the Roman Imperial Army, Stuttgart 1992, 140 ff.; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 150; G. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens in der Kaiserzeit, Stuttgart 1998, 93; E. Thomas, Spiele im römischen Köln, in: W. Rosen / L. Wirtler (Hgg.), Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, I, Antike und Mittelalter von den Anfängen bis 1396/97, Köln 1999, 25–27; R. Thomas, Die Gladiatoren vom Appellhofplatz, in: KölnJb 41, 2008, 339; B. Galsterer / H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Mainz 22010, 19, Nr. 14, Taf. 4; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Ge-
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schichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 375–376; T. Fischer / M. Trier, Das römische Köln, Köln 2014, 189–190, Abb. auf S. 189; [D]EANAE SACR(um). [Q(uintus)] TARQUITIUS [Q(uinti)] F(ilius) CAMILIA RESTITU [tu]S, PISAURO, ((centurio)) LEG(ionis) [I M(inerviae)] P(iae) F(idelis), INTRA MEN [ses] SEX CAPTIS [ur]SIS N(umero) L, V(otum) S(olvit) L(ibens) M(erito)
2.2.4 Weih-Inschrift anlässlich des Baus eines vivariums zu Ehren der Göttin Diana; FO: CCAA, Stadtmauer Nähe Apellhofplatz; AO: RGM Klön, Sektion 121, Inv. 364; Dat.: 96–120/1 n. Chr. (Galsterer: 89–122 n. Chr.); Bem.: Mit vivarium wird in der Regel ein Gehege bezeichnet, in dem wilde, z. B. für venationes im Amphitheater bestimmte Tiere gehalten wurden. Wahrscheinlich befand sich das in der Inschrift erwähnte vivarium auf dem Gebiet der CCAA. Die Rangbezeichnung des Dedikanten als Zenturio der in Neuss/Birten stationierten legio VI Victrix Pia Fidelis legt den Schluss nahe, dass der Zenturio im Dienste des Statthalters stand und in jenem vivarium Tiere für kaiserliche venationes in Rom oder Militäramphitheatern untergebracht wurden. Literatur: EAOR V, 84, Nr. 49, Taf. XXI: 3; CIL 13, 8174; ILS 3265; I. R. Köln 15; J. Klinkenberg, Zweite Abteilung: Das römische Köln, in: P. Clemen (Hg.), Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Sechster Band, I. und II. Abteilung: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, Düsseldorf 1906, 131–375, 225, 230–231; E. Ritterling, s. v. legio, in: RE 12, 1925, Sp. 1604; O. Kleemann, Eine neuentdeckte Bärenjagdschale, in: BJb 160, 1963, 206; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum römischen Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161; F. Fremersdorf, Urkunden zur römischen Stadtgeschichte aus römischer Zeit, Köln 1963, 62, Taf. 116; A. Birley, VI Victrix in Britain, in: R. Butler (Hg.), Soldier and Civilian in Roman Yorkshire, Leicester 1971, 81–96; U. Schillinger-Häfele, Vierter Nachtrag zu CIL 13 und zweiter Nachtrag zu Fr. Vollmer, Inscriptiones Bavariae Romanae. Inschriften aus dem deutschen Anteil der germanischen Provinzen und des Treverergebiets sowie Raetiens und Noricums, in: BerRGK 58, 1977, 197; E. Thomas, Bemerkungen zum Circus des römischen Köln, in: Boreas 7, 1984, 161; G. Walser, Römische Inschrift-Kunst, Suttgart 1988, 80 f., Nr. 8 (mit Foto); P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 210–211; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 149–150, Abb. 9: 1; B. Galsterer / H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Mainz 22010, 46–47, Nr. 20; C. Epplett, The Capture of Animals by the Roman Military, in: G & R 48, 2001, 219; Ders., The Preparation of Animals for Roman Spectacula:
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Vivaria and their Administration, in: Ludica: annali di storia e civilità del gioco 9, 2003, 85–86; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 375–376, Abb. 151; D. Schmitz, Das Lager von Vetera II und seine Legionen, in: M. Müller / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 159; DEANAE SACRUM A(ulus) TITIUS C(aii) F(ilius) POM(ptina) SEVER RUS ARRETIO ((centurio)) LEG(ionis) VI VIC(tricis) P(iae) F(idelis) IDEMQUE VIVARI UM SAEPSIT
2.2.5 Weih-Inschrift eines thraex an Diana Nemesis; FO: 1955 in CCAA/KölnDeutz, am Ost-Tor des Kastells und in der SW-Ecke des Südturms verbaut; AO: RGM Köln, Inv. 55,311; Dat.: Ende 2./3. Jh. n. Chr.; Bem.: Der Kalksteinaltar ist entlang seiner rechten Seite bestoßen, die obere Zierleiste an ihrer rechten Ecke abgebrochen. Die Bekrönung des Steins in Form zweier Eckvoluten mit dazwischen liegendem kleinem Giebelfeld ist ebenfalls verschliffen. Diana Nemesis wurde besonders unter den Gladiatoren verehrt. „Der Altar wurde – wie wohl alle in Deutz gefundenen Steine der vorkonstantinischen Zeit – zum Bau des Kastells über den Rhein verschleppt.“ Binsfeld 1960, 163. Der Kalksteinaltar zeigt an seiner einen schmalen Seite ein Füllhorn, an der anderen ein Steuerruder. Literatur: EAOR V, 106, Nr. 64, Taf. XXVIII: 3; AE 1962, Nr. 107; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 162–163, Nr. 1, Taf. 27, 1–2; AE 1962, Nr. 107; W. Binsfeld, Fundbericht 55.27, in: KölnJb 6, 1962/63, 143; B. Galsterer / H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Köln 1975, 16, Nr. 17, Taf. 4; U. Schillinger-Häfele, Vierter Nachtrag zu CIL 13 und zweiter Nachtrag zu Fr. Vollmer, Inscriptiones Bavariae Romanae. Inschriften aus dem deutschen Anteil der germanischen Provinzen und des Treverergebiets sowie Raetiens und Noricums, in: BerRGK 58, 1977, 549, Nr. 197; E. Thomas, Bemerkungen zum Circus des römischen Köln, in: Boreas 7, 1984, 161, Anm. 18; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 142–143, Taf. 7: 2–3; L. Lazzaro, Esclaves et affranchises en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 320–321, Nr. 387; M. Hornum, Nemesis, the Roman State and the Games, Leiden/New York/Köln 1993, 71, 189 f., Nr. 65; F. Fortea López, Nemesis en el Occidente romano: ensayo de interpretación histórica y corpus de materiales, Saragossa 1994, 242 f., Nr. 54; R. Thomas, Die Gladiatoren vom Appellhofplatz, in: KölnJb 41, 2008, 416;
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DIANAE NEMESI AUR(elius) AVITUS TR(aex) D(edit) L(aetus) L(ibens) M(erito)
2.2.6 Grabinschrift eines Gladiatorentrainers; FO: 1958 in CCAA, südlicher Gräberbezirk, vor Haus Severinstr. 212 als Streufund; AO: RGM Köln, Sektion 121, Inv. 58,602; Dat.: 2./3. Jh. n. Chr.; Bem.: Es handelt sich um einen altarförmigen Grabstein aus Kalkstein (H: 49,7 cm, B: 29,6 cm, D: 12 cm). Das Medaillon mit Reliefbüste des Verstorbenen wurde mit dem Zirkel vorgeritzt. Inschriftlich sind auch Gladiatorentrainer, die auf die Ausbildung bestimmter armaturae spezialisiert waren, überliefert (z. B. ein doctor murmillonum). S. dazu EAOR I, 61 ff., Nr. 55–62; Literatur: EAOR V, 102, Nr. 60, Taf. XXVII: 2; AE 1962, 108; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 164, Taf. 27: 2–3; B. Galsterer / H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Köln 1975, 76, Nr. 317, Taf. 69; U. Schillinger-Häfele, Vierter Nachtrag zu CIL 13 und zweiter Nachtrag zu Fr. Vollmer, Inscriptiones Bavariae Romanae. Inschriften aus dem deutschen Anteil der germanischen Provinzen und des Treverergebietes sowie Rätiens und Noricums, in: BerRGK 58, 1977, 543–544, Nr. 180; E. Thomas, Bemerkungen zum Circus des römischen Köln, in: Boreas 7, 1984, 161, Anm. 18; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 145, Taf. 7: 1; L. Lazzaro, Esclaves et affranchises en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 321–322, Nr. 388; W. Faust, Die Grabstelen des 2. und 3. Jahrhunderts im Rheingebiet, Köln/Bonn 1998, 130, Nr. 123; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 374; R. Thomas, Die Gladiatoren vom Appellhofplatz, in: KölnJb 41, 2008, 416; D(is) M(anibus) GER(manio?) VICTO RI DOCT(ori) GL(adiatorum) [- ca. 4 -] PATER [et] + + []LU[a] COIU{u}X.
2.2.7 Grabinschrift eines essedarius (?); Inschrift B ‚Corax‘ sekundär; FO: 1927 in CCAA, Richmodstraße, nahe den Resten eines Mithräums; AO: RGM Köln, Inv. 27.591; Dat.: 2./3. Jh. n. Chr.; Bem.: In Rom ist die Grabinschrift eines thraex namens M. Antonius Exochus überliefert (EAOR I, 80–81, Nr. 92; vgl. dazu auch J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 118, Abb. 3). Zur Anrede Have vgl. eine Inschrift aus Xanten (CUT)/Ger-
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mania Inferior (CIL 13, 8377) sowie die ‚Have‘-Inschrift aus Mainz bei W. Selzer, Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit, Mainz 1988, 121, Nr. 17. Literatur: EAOR V, 104–106, Nr. 63, Taf. XXVIII: 1; AE 1929, Nr. 110 (= F 366); F. Fremersdorf, Neue Inschriften aus Köln, in: Germania 13, 1929, 134–135, Nr. 11, Abb. 1; H. Finke, Neue Inschriften, in: BerRGK 17, 1927, 211 f., Nr. 366; E. Schwertheim, Die Denkmäler orientalischer Gottheiten in Deutschland, Leiden 1974, 16, Nr. 10c; B. Galsterer / H. Galsterer, Die römischen Steininschriften aus Köln, Köln 1975, 76, Nr. 318, Taf. 69; E. Thomas, Bemerkungen zum Circus des römischen Köln, in: Boreas 7, 1984, 160; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 147, Taf. 9: 2; L. Lazzaro, Esclaves et affranchises en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 245 f., Nr. 281; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 374; R. Thomas, Die Gladiatoren vom Appellhofplatz, in: KölnJb 41, 2008, 416; T. Fischer / M. Trier, Das römische Köln, Köln 2014, 189; A HAVE CIMBER ES++[-]U[-] PIETAS EXSOCHO ESSED(ario) SODALI [be]NEMERENTI [pos]UIT VAL(e) B CORX
2.2.8 Grabinschrift mit reliefierter Darstellung von Gladiatoren; FO: 1939 in CCAA, während eines Hausbaues in der Nähe der Ulmenallee 130; AO: RGM Köln, Sektion 121, Inv. 39.8; Dat.: 1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.; Bem.: Die letzte Zeile des Inschriftentextes wurde nachträglich eingemeißelt. Die linke Schmalseite zeigt die Darstellung eines sitzenden Greifen, die rechte die eines Hundes. Die Grabinschrift wird durch eine figürliche Darstellung zweier kämpfender Gladiatoren, von denen der rechte ein Linkshänder-thraex, der linke ein murmillo ist, ergänzt. Es ist umstritten, ob der Verstorbene ebenfalls als Gladiator anzusprechen ist (s. Wahl 1977, 119; Eck 2004, 374). Literatur: EAOR V, 106–108, Nr. 65, Taf. XXIX: 1; AE 1941, Nr. 87; W. Reusch, Ein römischer Grabstein mit Gladiatorenrelief aus Köln, in: Germania 25, 1941, 98–104, Taf. 11–12; E. Espérandieu, Receuil général des bas-reliefs, statues et bustes de la Gaule romaine, XIV, Paris 1955, 66, Nr. 8556, Taf. LXXXI; H. Nesselhauf / H. Lieb, Dritter Nachtrag zu CIL. XIII. Inschriften aus den germanischen Provinzen und dem Treverergebiet, in: Ber. RGK 40, 1959 (1960), 202–203, Nr. 222; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 119
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Anm. 54; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 143–145, Taf. 6: 1–3; H. Gregerek, Denkmäler aus dem Militärareal der Germanischen Flotte in Köln-Marienburg (Alteburg), in: KölnJb 34, 2001, 592–594, Nr. 69, Abb. 74–78; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 374; AQUILO C(aii) ET M(arci) VERSULATI UM L(ibertus) H(ic) S(itus) E(st) P P (i. e. patroni duo) F(aciendum) C(uraverunt) ET MURANO L(iberto)
2.2.9 Grabinschrift zweier retiarii aus Purpurio und CCAA/Köln; FO: Beneventum/Benevento (regio II, Apulia et Calabria); AO: Museo del Sannio Benevent; Dat.: 2. Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Grabinschrift ist in zwei ‚Spalten‘ verfasst: Die linke Spalte drückt das Gedenken der Kameraden an einen aus Griechenland stammenden retiarius namens Purpurio aus, die rechte Spalte enthält den Gedenktext an Filematius, retiarius des kaiserlichen Ludus Magnus in Rom und verheiratet mit einer gewissen Aphrodite. Er stammte aus Claudia Colonia Ara Agrippinensium und starb im Alter von 30 Jahren nach 15 Kämpfen. Für die Aufstellung des Grabsteins hatte sein Waffenbruder Aurelius gesorgt. Literatur: AE 1960, Nr. 139–140; EDH: HD018796; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 31, Abb. 41; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, 374; D(is) M(anibus) FILEMATIO NA(tione) AGRIPPIN(ensi) QVI VIX(it) AN(nis) XXX RET(iario) PV(gnarum) XV AVR(elius) AP[hr]ODI(te/ta) B(ene) M(erenti) F(ecit) CO[n]I(ugi) DV(lcissimae) A[d] LV(dum) MAG(num) CA[e]S(aris)
2.2.10 Fragment eines Gladiatorenmosaiks; FO: 1885 in CCAA, Lungengasse; AO: RGM Köln, Sektion 121, Inv. Mosaik 56; Dat.: ca. 300 n. Chr.; Bem.: Das Mosaik wurde unmittelbar nach seiner Auffindung nicht fachgerecht restauriert und stark ergänzt. Seine Datierung ist umstritten. Dargestellt sind drei Gladiatoren, zwei davon im Kampf, sowie ein Schiedsrichter, die rechte Hand einer fünften Person sowie acht Zuschauer. Die Gladiatoren sind jeweils durch Namensbeischriften (Ancitatus, Rossius?, Adventus?) kenntlich gemacht. Die in der Rahmung des Mosaiks erhaltenen Buchstaben CAV werden mit cavea, der Bezeichnung für das Zuschauerrund im Amphitheater, aufgelöst.
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Literatur: EAOR V, 113–114, Nr. 72, Taf. XXIX: 3; CIL 13, 1206; J. Klinkenberg, Zweite Abteilung: Das römische Köln, in: P. Clemen (Hg.), Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Sechster Band, I. und II. Abteilung: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, Düsseldorf 1906, 239–240, Abb. 90; A. Blanchet, Inventaire des mosaïques de la Gaule, Bd. II, 1909, 210, Nr. 1661; K. Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland, Berlin 1959, 82–84, Taf. 83:1; W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161; E. Thomas, Bemerkungen zum Circus des römischen Köln, in: Boreas 7, 1984, 16, Anm. 18; D. von Boeselager, in: Museen der Stadt Köln. Bulletin 3, 1986, 36–41, Abb. 1–2; Dies., Das Gladiatorenmosaik in Köln und seine Restaurierung im 19. Jahrhundert, in: KölnJb 20, 1987, 111–128, Abb. 1–4; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 141–142; L. Lazzaro, Esclaves et affranchise en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 322, Nr. 389; a) [---] + CAV + [---] b) ANCITATUS AD[ventus?---] c) ROSS I U[s] ADVENTUS
2.2.11 Wandmalereifragmente (Megalographie) mit venatio-Szenen; FO: CCAA, Domviertel, im Raum zwischen den Mauern 1385, 1896, 1435c und 1383c; AO: RGM Köln, ohne Inv.; Dat.: 2. Hälfte 2. Jh. bis 1. Hälfte 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Aus den Wandputzfragmenten ließen sich zwei großformatige Szenen rekonstruieren: In der ersten Szene greift ein Tiger ein Pferd an, von dem sein Reiter bereits abgefallen ist und im Begriff ist, den Tiger mit seiner Lanze zu durchbohren. In der zweiten Szene ist ein Panther in geduckter Haltung zu erkennen. Literatur: M. Schleiermacher, Römische Wandmalerei in Köln, in: J. Liversidge (Hg.), Roman Provincial Wall Painting of the Western Empire, Oxford 1982, 108–111, Abb. 5: 1–2; M. Schleiermacher, Römische Jagd- und Tierszenen aus Köln, in: A. Barbet (Hg.), La peinture murale romaine dans les provinces de l’Empire. Journées d’étude de Paris 23–25 Septembre 1982, Oxford 1983, 277–296; H. Stiegeler, Neue römische Malerei in Köln, Köln 1989, 13, Abb. 14, 15, Abb. 15; R. Thomas, Römische Wandmalerei in Köln, Mainz 1993, 198 ff., Abb. 74, Taf. VII; 2.2.12 Wandmalereifragmente mit Gladiatoren (equites, retiarius, bestiarius); FO: CCAA, Apellhofplatz, insulae D und E (FB 88.42), im östlichen Gebäude eines Gebäudekomplexes, das laut Ziegelstempel seit spätflavischer Zeit militärische Bauaktivität verrät; AO: Magazin RGM Köln; Dat.: Ende 1./Anfang 2. Jh. n. Chr. (spätflavisch bis frühtrajanisch); Bem.: Insgesamt konnten drei übereinanderliegende Friese mit Kampfszenen rekonstruiert werden. Kampfszene 1: Duell zweier equites zu Pferd; Kampfszene 2: retiarius-Duell; Kampfszene 3: venatio-Szene. Der mehrstöckige Gebäudekomplex wird als wahrscheinlicher offizieller Amtssitz der Provinzverwaltung angesprochen. Diesem gegenüber
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lag ein Wohnhaus, in dem sich die Wandmalereifragmente befanden. Die Funktion des Wohnhauses ist nicht geklärt. Literatur: R. Thomas, Die Gladiatoren vom Apellhofplatz in Köln, in: KölnJb 41, 2008, 339–435; 2.2.13 Gladiatorenstatuette (Terracotta) eines secutors; FO: CCAA, Alteburg, „in einem der großen Steinhäuser der Canabae-Anlagen vor der Westseite des Kastells Alteburg“ (Fremersdorf 1964, 20); AO: RGM Köln, Inv. 27.4111; Dat.: 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die aus weißem Ton gefertigte Statuette stammt aus einer Kölner Werkstatt. Die Konturen sind stark verschliffen. Der Form des Helmes nach zu urteilen, handelt es sich um einen secutor. Die Statuette ist 17,2 cm hoch. Vgl. auch RGM Köln, Inv. 82.8. Literatur: F. Fremersdorf, Neuerwerbungen des Römisch-Germanischen Museums während der Jahre 1923–1927, Köln 21964, 20, Taf. 52; P. La Baume, Römisches Kunstgewerbe, Braunschweig 1964, 207, 210, Abb. 193; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 149, Anm. 134; 2.2.14 Klappmessergriff aus Elfenbein in Form eines Gladiators; FO: Hermühlheim; AO: RGM Köln, Inv. Varia 409; Dat.: --; Bem.: Dargestellt ist ein Gladiator ohne Helm, der mit einer manica, einem rechteckigen, gewölbten Schild mit Schildbuckel und einer Beinschiene am linken Bein ausgerüstet ist. In der Rechten hält er einen langen Stock/Lanze, dessen Ende über seine rechte Schulter hinauszureichen scheint. Vgl. ein ähnliches Stück, das im RGM Köln unter der Inv. Inv. 44.105, aufbewahrt wird. Literatur: H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 133; 2.2.15 Glasbecher (gutturnium/Tropffläschchen) in Form eines Gladiatorenhelms; FO: CCAA, Luxemburger Straße; AO: RGM Köln, Inv. L 62; Dat.: 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Das kleine Gefäß hat die Form eines Gladiatorenhelmes mit Visier. Binnendetails sind mit opakweißen ‚Fäden‘ aufgelegt, weshalb das Gefäß zur Gruppe der Schlangenfadengläser gerechnet wird. Die Form erinnert an einen secutor-Helm. „Stehen“ kann das Gefäß nur, wenn man es auf seine Öffnung stellt. Vgl. Kat. 2.2.16. Literatur: J. Hagen, Ausgewählte römische Gräber aus Köln, in: BJb 114/115, 1906, 412, Taf. XXIV: Nr. 41c; A. Kisa, Das Glas im Altertume, Leipzig 1908, 448, Abb. 116, Taf. VI: 3; F. Fremersdorf, Der römische Guttrolf, in: AA 1931, 146, Abb. 16; Ders., Römisches geformtes Glas in Köln, Köln 1961, 35–36, Taf. 45; P. La Baume, Römisches Kunstgewerbe, Braunschweig 1964, 268–269, Abb. 255. O. Doppelfeld, Römisches und fränkisches Glas in Köln, Köln 1966, 56, Abb. 127 unten; D. Harden (Hg.), Glas der Cäsaren (Ausstellungskatalog), Mailand 1988, 135, Nr. 64;
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H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 131, Abb. 8: 2; C. Ewigleben, Der blanke Stahl ist’s, den sie lieben, in: E. Köhne / C. Ewigleben (Hgg.), Caesaren und Gladiatoren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom, Mainz 2000, 142, Abb. 130; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2008, 16, Abb. 14; 2.2.16 Glasbecher (gutturnium/Tropffläschchen) in Form eines Gladiatorenhelmes (secutor); FO: CCAA, Gräberfeld St. Severin; AO: BM London, Inv. GR 1881.6–24.2; ehemals Kölner Slg. Disch; Dat.: 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Das Gefäß ist 10,1 cm hoch und ist aus grünlichem, entfärbtem Glas frei geblasen. Binnendetails sind mit blauen, roten, grünen und opakweißen ‚Fäden‘ aufgelegt, weshalb das Gefäß zur Gruppe der Schlangenfadengläser gerechnet wird. Die Form erinnert an einen secutor-Helm. „Stehen“ kann das Gefäß nur, wenn man es auf seine Öffnung stellt. Vgl. Kat. 2.2.15. Literatur: E. aus’m Weerth, Zur Erinnerung an die Disch’sche Sammlung römischer Gläser, in: BJb 71, 1881, 125, Taf. 7, Nr. 1371; A. Kisa, Das Glas im Altertume, Rom 1968, 250, Abb. 125; F. Fremersdorf, Römisches geformtes Glas in Köln, Köln 1961 (Die Denkmäler des römischen Köln 6), 35–36, Taf. 46; P. La Baume, Römisches Kunstgewerbe, Braunschweig 1964, 268. D. Harden et al., Masterpieces of Glass, London 1968, 64–65, Nr. 84; D. Harden (Hg.), Glas der Cäsaren, Mailand 1988, 134, Nr. 63; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 131, Abb. 8: 2; 2.2.17 Fragment eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: CCAA (?); AO: RGM Köln, Inv. N6173 (aus der Slg. Niessen); Dat.: --; Bem.: Das Gefäß war aus meergrünem Glas gefertigt. Literatur: F. Fremersdorf, Römisches geformtes Glas in Köln, Köln 1961, 52, Taf. 103; A. Follmann-Schulz, Les verres romains à scènes de spectacles trouvés au Benelux, dans le Vorarlberg (Autriche) et en Allemagne: un aperçu préliminaire, Annexe, in: G. Sennequier (Hg.), Les verres romains à scènes de spectacles trouvés en France, Association française pour l’archéologie du verre, Rouen 1998, 159, Nr 42, Form C; […]MUS O[…]
2.2.18 Rand-/Bauchscherbe eines Gladiatorenbechers aus Glas mit Beischrift; FO: CCAA; AO: RGM Köln, Inv. N6174 (aus der Slg. Niessen); Dat.: 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr. (Doppelfeld); Bem.: Das Gefäß war aus bläulich-grünem Glas gefertigt. Ein Gladiator in Schrittstellung nach links aus der Bildzone ist vollständig erhalten. Reste zweier Kampfnamen von Gladiatoren sind lesbar. Literatur: F. Fremersdorf, Römisches geformtes Glas in Köln, Köln 1961, 52, Taf. 103; O. Doppelfeld, Römisches und fränkisches Glas in Köln, Köln 1966, 35, Abb. 15
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oben; A. Follmann-Schulz, Les verres romains à scènes de spectacles trouvés au Benelux, dans le Vorarlberg (Autriche) et en Allemagne: un aperçu préliminaire, Annexe, in: G. Sennequier et al., Les verres romains à scènes de spectacles trouvés en France, Association française pour l’archéologie du verre, Rouen 1998, 160, Nr 47, Form CB; […]S PRV[…]
2.2.19 Sog. ‚Kölner Jagdbecher‘ (Typus Ia) mit der Darstellung eines paegniarius; FO: CCAA, Luxemburger Straße; AO: RGM Köln, Inv. 3623 (Slg. W. Forst 1899); Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr. bzw. 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Höhe des Bechers beträgt 11 cm. Wand und Mündung des Bechers sind z. T. modern ergänzt. Dargestellt ist ein paegniarius, der eine Peitsche in der linken Hand hält und gegen einen Bären ‚kämpft‘. Sein rechter Arm ist mit einer Art manica bewehrt, die vorne auch die Finger zu umschließen scheint. Literatur: W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161–162, Taf. 26; P. La Baume, Römisches Kunsthandwerk in Köln, in: Academia Nazionale die Lincei (Hg.), Convegno internazionale Renania Romana, Roma 14–16 aprile 1975, Rom 1976, 207, Abb. 32; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 165, Nr. 11, Abb. 4, 7a+d; 2.2.20 Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘ (Typus Ia) mit der Darstellung eines paegniarius; FO: CCAA; AO: RGM Köln, Inv. 25.297; Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr. bzw. 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Höhe des Bechers beträgt 5,9 cm. Dargestellt ist ein paegniarius nach rechts, der eine Peitsche in der rechten Hand hält, während der linke Arm mit einer manica-artigen Bewehrung (aus Fell?) versehen ist. Auf dem Kopf trägt er einen Kopfschmuck, möglicherweise aus Federn. Er ist mit einer Fellhose bekleidet. Literatur: W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161, Anm. 5; W. Binsfeld, Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1976–68, 77, Taf. 22: 2; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 170, Abb. 111–112; 2.2.21 Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘ mit der Darstellung eine bestiarius; FO: 1959 in CCAA, Luxemburger Straße; AO: RGM Köln, Inv. 67.78 (Slg. F. J. Marx); Dat.: frühes bis spätes 2. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Die Höhe des Bechers beträgt 13,5 cm. Dargestellt ist ein bärtiger bestiarius nach links, der mit einer Lanze eine Löwin bekämpft. Zwischen dem Tierkämpfer und der Löwin ist ein Delphin dargestellt, vielleicht als Symboltier für den römischen Circus zu deuten. Neptun, in dessen Sphäre der Delphin gehört, wur-
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de im Circus Maximus in Rom kultisch verehrt, wo bisweilen auch venationes stattfanden. Möglicherweise ist die Darstellung auf dem Kölner Jagdbecher als Anspielung darauf zu verstehen, dass die dargestellte venatio in einem Circus stattfand. Literatur: W. Binsfeld, Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1967–68, 76, Taf. 24: 1–4; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 151, Taf. 9: 3; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 175, Nr. 153, Abb. 79–80; 2.2.22 Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘ (Typus Ia) mit der Darstellung eines bestiarius, der gegen einen Bären kämpft; FO: CCAA; AO: RGM Köln, Inv. 4189/76.450 (RGM 1899, 142 Nr. 8730); Dat.: frühes 2. Jh. n. Chr. bzw. 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Dargestellt ist ein bärtigen bestiarius nach rechts, der mit einer Lanze in der Rechten gegen einen Bären kämpft. Er trägt an beiden Beinen Schutzbandagen sowie ein langärmeliges Obergewand. Sein rechter Unterarm scheint mit einer zusätzlichen Schutzbandage bekleidet zu sein. Der Bär ist nur mit seiner vorderen Körperhälfte erhalten. Er greift mit beiden Vorderpranken in Richtung des bestiarius, sein Maul ist weit aufgerissen und entblösst Zunge und Zähne. Literatur: W. Binsfeld, Zwei neue Inschriften zum Kölner Amphitheater, in: BJb 160, 1960, 161, Taf. 26; Ders., Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1967–68, 76, Taf. 21: 1; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 73: Abb. 2 (Foto), 110: Abb. 73a-b (Zeichnung), 165, Nr. 12; Ders., Panem et circenses. Szenen der Massenunterhaltung auf Kölner Jagdbechern, in: KölnJb 32, 1999, 777–786, 777, Abb. 1, Anm. 2; 2.2.23 Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘ mit der Darstellung eines Gladiators; FO: wohl CCAA; AO: RGM Köln, Lü 660 (Slg. Lückger); Dat.: frühes bis spätes 2. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Auf dem Fragment einer Bauchscherbe ist ein retiarius nach links erhalten, erkennbar an der manica seines linken Armes, die oben in einen galerus ausläuft sowie dem langen ‚Stiel‘ seiner Waffe, die wohl als Dreizack zu deuten ist. Eine Kopfbedeckung trägt er nicht. Von der dargestellten Figur weggebrochen sind Teile der rechten Hand, die linke Hand sowie die Beine unterhalb der Knie. Literatur: W. Binsfeld, Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1967–68, 77, Taf. 21: 3; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 186–187, Nr. 305, Abb. 122–123;
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2.2.24 Zwei Fragmente eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘; FO: CCAA, Rudolfplatz, südlich des Hahnentores vor Haus Nr. 3, in/bei Ofen 1 und Aushub (F. B.61.22); AO: RGM Köln, Inv. 61.428 (a-b); Dat.: frühes bis spätes 2. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Auf der größeren Scherbe (H: 2,6 cm, B: 5,5 cm) sind der linke Unterarm eines Gladiators oder die Pranke eines Raubtieres sowie ein netzartiger Gegenstand (rete?) erhalten. Auf der kleineren Scherbe (H: 1,8 cm, B: 2,6 cm) sind Reste einer manica erkennbar. Literatur: W. Binsfeld, Zu den römischen Töpfereien am Rudolfplatz in Köln, in: KölnJb 7, 1964, 22, Taf. 5: 2–3; Ders., Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1967–68, 77, Anm. 9; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 190, Nr. 412; 2.2.25 Fragment eines sog. ‚Kölner Jagdbechers‘; FO: CCAA, Severinstraße/Rheinvorstadt, Wallraf-Richardz-Mus. / Mus. Ludwig, Profil 69W (F. B. 79.7); AO: RGM Köln, Inv. 79.917.1; Dat.: frühes bis spätes 2. Jh. n. Chr. (Produktionszeitraum); Bem.: Auf dem Fragment sind zwei im ‚Handgemenge‘ befindliche Personen dargestellt, deren Ausrüstung mit mindestens einer Beinschiene (rechte Person) und einer manica (linke Person) an den Kampf zweier Gladiatoren denken lässt. Literatur: W. Binsfeld, Zu den römischen Töpfereien am Rudolfplatz in Köln, in: KölnJb 7, 1964, 22, Taf. 5: 2–3; Ders., Kölner Jagdbecher, in: KölnJb 9, 1967–68, 77, Anm. 9; W. Oenbrink, Die Kölner Jagdbecher im römischen Rheinland. Form und Dekor, Funktion und Handelsgeschichte einer Kölner Geschirrproduktion im 2. Jahrhundert n. Chr., in: KölnJb 31, 1998, 197, Nr. 1034, Abb. 130 (Foto), 131 (Zeichnung); 2.2.26 Taschenspiegel aus Bronze mit der Darstellung eines bestiarius, der mit einem Eber kämpft; darunter Inschrift; FO: CCAA, November 1925 in einem Skelettgrab unter St. Severin, „unter dem Mauerwerk der Treppenwange östlich vor der spätrömischen Grabkammer von St. Severin“ (Fremersdorf 1927, 38); AO: RGM Köln, Inv. 25,1057; Dat.: spätestens 3. Jh. n. Chr. (durch Beifunde); Bem.: Der Durchmesser des Spiegels beträgt 6 cm. Die gewölbte Rückseite diente zum Spiegeln. Dargestellt ist ein bestiarius nach rechts, der mit Schild, Helm (?), manica am rechten Arm sowie einem Dolch in der rechten Hand ausgestattet ist. Ein großer Eber nach links greift den bestiarius an. Der Gegenstand rechts über dem Eber, der an einen gewölbten rechteckigen Schild mit herabhängenden bogenförmigen Teilen erinnert, ist bislang ungedeutet. Literatur: Zum Grab s. F. Fremersdorf, Aufdeckung einer Grabkammer aus späteströmischer Zeit unter dem Kreuzgang der Kirche St. Severin zu Köln, in: BJb 130,
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1925, 262–283, und Ders., Weitere Ausgrabungen unter dem Kreuzgang von St. Severin in Köln, in: BJb 131, 1926, 290–324; Ders., Neue Inschriften aus Köln, in: Germania 11, 1927, 38, Abb. 9: 2; Ders., Neuerwerbungen des Römisch-Germanischen Museums während der Jahre 1923–1927, Köln 21964, 30, Taf. 121; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 152; L. Lazzaro, Esclaves et affranchise en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 325, Nr. 393; W. Eck, Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum, Köln 2004, Abb. 150; SERODATUS CPN
2.2.27 Bronzemedaillon mit der Darstellung von zwei Gladiatoren; FO: CCAA, Hohenzollernring; AO: RGM Köln, Inv. 31.57; Dat.: --; Bem.: Dargestellt sind zwei Gladiatoren nach rechts mit jeweils einem kurzen Schwert in der Rechten. Der linke Gladiator könnte vielleicht ein retiarius sein, da er keinen Helm und keine Beinschienen zu tragen scheint. Der rechte Gladiator ist mit einem Visierhelm (?), einem rechteckigen Schild und einer Beinschiene am linken Unterschenkel ausgestattet (murmillo oder secutor?). Der Durchmesser des Medaillons beträgt 6 cm. Literatur: H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 132, Abb. 8: 1; 2.2.28 Bronzemedaillon mit der Darstellung von Gladiatoren; FO: angeblich CCAA; AO: RGM Köln, Inv. Metall 1032; Dat.: --; Bem.: Dargestellt ist offenbar das Ende eines Gladiatorenkampfes: Der links im Bild dargestellte Gladiator ist mit großem rechteckigem, gewölbtem Schild und kurzem Schwert ausgerüstet (murmillo?). Er hält einen zu Boden gegangenen Gladiator mit seinem Schild ‚in Schach‘. Der rechts im Bild dargestellte Gladiator scheint sich mit der linken Hand auf den Boden aufzustützen, während er die Rechte zu heben scheint, vielleicht als Gestus der Kampfaufgabe. Unter den beiden Gladiatoren ist eine Bodenlinie angegeben, unter der möglicherweise eine jetzt stark verschliffene Beischrift zu lesen stand. Der Durchmesser des Medaillons beträgt 4,9 cm. Literatur: H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 132; 2.2.29 Lampe in Form eines Gladiatorenhelms; FO: CCAA, Gräberfeld St. Severin; AO: RGM Köln, Inv. N2147; Dat.: nicht vor der Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. (über Töpferstempel); Bem.: Die Lampe ist aus insgesamt drei Teilen zusammengesetzt: Das Unterteil besteht aus einer Firmalampe vom Typus Loeschcke 10, der der obere Teil in Form eines Gladiatorenhelms vom Typus Berlin mit dachartiger Wölbung über dem Visiergitter aufgesetzt wurde. Das aufgesetzte Oberteil in Form eines Gladiatorenhelms wurde aus einer rechten und linken Hälfte zusammengesetzt. Kalotte und Visierschutz sind mit einem spitzen Ge-
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genstand gepickt worden. Die Hängeöse in der Helmcrista ist abgebrochen. Der Boden des Unterteils trägt den Töpferstempel FORTIS. Die Fundschwerpunkte von Lampen in Form eines Gladiatorenhelms sind der italische Bereich und das Rheinland (Möhring 1989, 844). Vgl. Kat. 1.11.6 und 2.2.30. Literatur: A. Möhring, Sonderformen römischer Lampen im Römisch Germanischen Museum Köln, in: KölnJb 22, 1989, 848, Nr. 68, Abb. 80; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 130; 2.2.30 Lampe in Form eines thraex-Helmes; FO: CCAA, Alteburg, als Grabbeigabe in einem Sarkophag; AO: British Museum London; Dat.: 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Lampe aus grün glasiertem Ton ist in Form eines thraex-Helmes vom Subtypus Berlin ( Junkelmann 2000, 65) mit dachartiger Wölbung über hohem Visiergitter gestaltet. Die crista ist mit einer Hängeöse durchbohrt. Die Fundschwerpunkte von Lampen in Form eines Gladiatorenhelms sind der italische Bereich und das Rheinland (Möhring 1989, 844). Vgl. Kat. 1.11.6 und 2.2.29. Literatur: E. aus’m Weerth, 12. Kleine Mitteilungen aus dem Provinzial-Museum zu Bonn, Erwerbungen und Funde, in: BJb 74, 1882, 148–149; P. La Baume, Gladiatorenhelm-Lampe, in: Römisch-Germanisches Museum Köln (Hg.), Römer am Rhein, Köln 1967, 300; H. Zeidler, Sport im römischen Köln, in: Nikephoros 5, 1992, 148, Anm. 130; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 65, Abb. 91; 2.3 Colonia Ulpia Traiana/Xanten (D) 2.3.1 Ziviles Amphitheater; FO: CUT, in der Ostecke des trapezförmigen Mauerrings in insula 40; Ausmaße: 1. Bauphase: 93 × 82 m, 60 × 48 m (Arena); 2. Bauphase: 99 × 87,5 m 60 × 48 m (Arena) ; Dat.: wohl nach 120 n. Chr. (Holz-Steinbau); unsicher, vielleicht später als Mitte 2. Jh. n. Chr. (Steinbau); Bem.: Nach derzeitigem Forschungsstand hat es den Anschein, dass zur ersten Bauphase des Amphitheaters nicht nur eine steinerne Podiumsmauer, sondern auch von steinernen Flankenmauern abgegrenzte Hauptzugänge sowie ein umlaufender Bedienungsgang mitsamt seinen angrenzenden Räumen I–VI zu rechnen sind. Alle übrigen Bauteile bestanden aus Holz. In einer zweiten Bauphase erfolgte dann der vollständige Ausbau in Stein. Zu beiden Seiten der Hauptzugänge fanden sich carceres, die mit dem Bedienungsgang in Verbindung standen. Die carceres auf der Querachse der Arena lagen teilweise unterhalb des Arenaniveaus und ermöglichten einen ‚unterirdischen‘ Zugang zur Arena. In der Arena fanden sich Reste eines hypogaeums mit Resten einer Hebevorrichtung. Die Podiumsmauer war polychrom bemalt. Der eingeschossige Oberbau des Amphitheaters, der wahrscheinlich aus Tuff bestand, erhob sich dabei über zwei ovalen Ringen aus Steinstützen. Das Fassungsvermögen des Amphitheaters
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wird in der 1. Bauphase mit ca. 6.000 Zuschauern, in der 2. Bauphase mit ca. 8000–10.000 Zuschauern rekonstruiert. Literatur: J. Steiner, Die Ruinen des Amphitheaters in der Colonia Traiana bei Xanten, in: BJb 114–115, 1906, 447–453; F. Drexel, Gebäude für öffentliche Spiele in Italien und den Provinzen, in: L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, Leipzig 9–101921, 223; F. Oelmann, Bericht über die Tätigkeit des Landesmuseums in Bonn in der Zeit vom 1. April 1934 bis 31. März 1935, in: BJb 140/141, 1936, 430–431; H. Stoll, Ergebnisse der Ausgrabung bei Xanten im Winter 1934/35, in: Germania 20, 1936, 185 ff.; H. von Petrikovits, Bericht über die Tätigkeit des Landesmuseums in Bonn in der Zeit vom 1. April 1935 bis 31. März 1936, in: BJb 142, 1937, 248; K. Heidenreich, Das Amphitheater der Colonia Traiana bei Xanten, in: BJb 145, 1940, 3–62, Taf. 6–12; A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine, III. L’architecture 2. Ludi et circenses: théâtres, amphithéâtres, cirques, Paris 1958, 579–583, Abb. 190–192; H. Hinz, Xanten zur Römerzeit, Xanten 1960, 31–33; H. von Petrikovits, Das römische Rheinland. Archäologische Forschungen seit 1945, Köln 1960, 101; C. Rüger, Neues zum Plan der Colonia Ulpia Traiana (Stand: Ende 1970). Mit Beiträgen von K. Grewe und I. Scollar, in: BJb 172, 1972, 297; A. Hönle / A. Henze, Römische Amphitheater und Stadien. Gladiatorenkämpfe und Circusspiele, Feldmeilen 1981, 156–157; H.-G. Horn (Hg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, 642 f., Abb. 546–547; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 195, Nr. 167, Taf. XXI: 1–2; P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’Empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 203–215; M. Zelle, Colonia Ulpia Traiana. Götter und Kulte, Köln 2000, 33, 52–53; M. Müller, Das Amphitheater, in: Ders. / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 361–372; N. Zieling et al., Untersuchungen in der Colonia Ulpia Traiana 2010, in: BJb 210/211, 2012, 518, Abb. 6–7; 2.3.2 Fragment einer Statuenbasis mit Weihung an Diana; FO: CUT, 1936 bei der Ausgrabung des Amphitheaters; AO: LVR-LandesMuseum Bonn, Inv. 36.3258; Dat.: wohl 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Auf der Oberseite des Steins ist noch der Rest eines linken Fußes erhalten. Der zu ergänzende rechte Fuß lässt auf die minimale Breite der Basis schließen und damit auf die zu erwartende Breite des ursprünglichen Inschriftentextes. „Vom letzten Buchstaben in Z. 1 ist noch die Schräghaste erhalten, so dass die Buchstabenfolge DIA zweifelsfrei feststeht.“ (Schalles 2006, 112). Literatur: AE 2006, Nr. 908; H.-J. Schalles, Epigraphisches vom Niederrhein, in: LVR Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten (Hg.), Xantener Berichte 14. Grabung – Forschung – Präsentation, Mainz 2006, 112–113, Abb. 12;
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AE DIA VICT O MON VTE S
Schalles 2006, 112, schlägt folgende Lesart vor: [In h(onorem) D(omus) D(ivinae) ? De]ae Dia[nae] | --- Victo[riae?] | ---O Mon[tanus] | [ P(ro) Sal]ute S[ua et Suorum ---]
2.3.3 Kopffragment einer Diana (Nemesis?)-Statuette (Sandstein); FO: unter der cavea des Amphitheaters der CUT; AO: APX LVR-RömerMuseum (Xanten); Dat.: 2.–3. Jh. n. Chr.; Bem.: Ein großer Teil der linken Gesichtshälfte ist weggebrochen. Über der Stirn sind Reste einer Lockenfrisur erkennbar. Literatur: M. Müller, Das Amphitheater, in: Ders. / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 361–372, 368–369, Anm. 1524, Abb. 226–227. 2.3.4 Fragmentierter Torso einer Diana (Nemesis?)-Statuette (Sandstein); FO: unter der cavea des Amphitheaters der CUT; AO: APX LVR-RömerMuseum (Xanten); Dat.: 2.–3. Jh. n. Chr.; Bem.: Kopf, Arme und Beine der Statuette sind abgebrochen. Die Konturen sind insgesamt recht verschliffen. Literatur: M. Zelle, Colonia Ulpia Traiana. Götter und Kulte, Köln 2000, 52, Abb. 64; M. Müller, Das Amphitheater, in: Ders. / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 361–372, 368–369, Anm. 1524, Abb. 226–227. 2.3.5 11 Scherben einer Schüssel mit der Darstellung eines Gladiatorenkampfes (TS) Drag. 37; FO: CUT, insula 20, Schnitt 74/08, Grube 87; AO: LVR RömerMuseum Xanten; Dat.: Mitte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Das Stück stammt aus einer Trierer Werkstatt (I). Auf den Scherben sind verschiedene Gladiatorenpaare erkennbar, auf einer von diesen der Kampf zwischen einem secutor und einem retiarius. Literatur: D. Schmitz, Ein Keramikkomplex der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. aus der CUT (Insula 20), in: Xantener Berichte 14, 2006, 150, A33, Abb. 10: A33/1– A33/4; 2.4 Maasbracht (NL) 2.4.1 Wandmalereifragmente mit der Darstellung einer Gladiatorenszene (Megalographie); FO: Maasbracht, villa rustica; AO: --; Dat.: höchstwahrscheinlich severisch; Bem.: In einem römischen Gutshof in Maasbracht trat eine Wanddekoration zu Tage, deren zentrale Bildzone eine annähernd lebensgroße Darstellungen kämpfender Gladiatoren zeigt. Bild- und Fundkontext lassen ver-
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muten, dass der Darstellung die Stiftung eines munus gladiatorium durch den wohlhabenden Gutsherrn zugrunde liegt. Literatur: T. Bechert, Römisches Germanien zwischen Rhein und Maas, Die Provinz Germania Inferior, Zürich/München 1982, 205, Abb. 267; L. Swinkels, A gladiatorum munus Depicted in a Roman villa at Maasbracht, in: H. Bögli (Hg.), Pictores per Provincias, 3e Colloque International sur la peinture murale romain, Avenches 1986, Lausanne 1987, 192, Abb. 1–2; R. van Dierendonk / L. Swinkels / W. Willems, Rijke hereboeren uit Maasbracht, in: P. Stuart / M. de Grooth (Hgg.), Langs de Weg, Ausstellungskatalog, Heerlen-Maastricht 1987, 62 ff., Abb. 5–6; Dies., Reiche Gutsherren in Maasbracht, in: Villa rustica – Römische Gutshöfe im Rhein-Maas-Gebiet, Freiburg 1988, 28–33; M. de Grooth / T. Quik, In de grond gevonden. De archeologische verzameling van het Bonnefantenmuseum, Maastricht 1989, 49; R. Thomas, Römische Themen in der Wandmalerei des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr., in: D. Scagliarini Corlàita (Hg.), I temi figurativi nella pittura parietale antica (IV sec. a.C – IV sec. d.C.), Bologna 1997, 143–152, 350, Abb. 3; Dies., Zur Selbstdarstellung der römischen Provinzbevölkerung in der Wandmalerei der mittleren Kaiserzeit, in: R. Rolle / K. Schmidt (Hgg.), Archäologische Studien in Kontaktzonen der antiken Welt, Göttingen 1998, 733–756, Zeichnung: S. 734, Abb. 1; M. Papini, Munera gladiatoria e venationes nel mondo delle immagini, Rom 2004, 109, Abb. 45; 2.5 Maastricht (NL) 2.5.1 Gladiatorenrelief mit zwei Essedarii; FO: Maastricht; AO: Bonnefanten Museum Maastricht; Dat.: 2./3. Jh. n. Chr.; Bem.: Dargestellt ist das Ende des Kampfes zwischen zwei essedarii, die mit eiförmigem Visierhelm mit Federn an der Seite, ovalem gewölbtem Schild, manica und kurzem Schwert ausgerüstet sind. Der rechts stehende Gladiator, dessen Schwert im Hintergrund am Boden liegt und der seinem Gegner den Rücken zuwendet, hebt den linken Arm, vielleicht um seine Aufgabe zu signalisieren. Literatur: A. Hönle / A. Henze, Römische Amphitheater und Stadien. Gladiatorenkämpfe und Circusspiele, Feldmeilen 1981, 60–61, Abb. 32; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 118, Abb. 178; 2.6 Theux-Juslenville (B) 2.6.1 Galerus eines retiarius aus Eisen; FO: Heiligtum von Juslenville-Theux, in einer Grube in der südöstlichen Ecke des westlichen Raumes von Gebäude A; AO: --; Dat.: -- Bem.: Der galerus aus Juslenville, der neben einer manica, einem Netz, einem Dolch und einem Dreizack zur typischen Bewaffnung eines retiarius gehörte, besteht aus einer flachen Platte, an derem einen Ende eine
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halbkreisförmige Auswölbung für die Schulter eingearbeitet war. Auf der Unterseite der flachen Platte sind Ösen für einen Befestigungsriemen erhalten. Der galerus ist an seinen drei ‚Außenseiten‘ stark korrodiert. Ein senkrecht zur Schulterauswölbung angenietetes oder angelötetes Stück, das den Kopf schützen sollte, ist nicht erhalten. Der Fundort des galerus im Bereich des Heiligtums und in einer Grube (Dm 70 cm, Tiefe 55 cm) sowie sein gesamter Fundkontext legen die Vermutung nahe, dass er als Votiv hierher gelangt ist. Der Raum, in dem sich die Grube fand, wird derzeit als mögliche Unterkunft des Tempelwächters angesprochen. Literatur: Bertholet et al., Le Temple Gallo-Romain de Juslenville et l’occupation antique de Theux, in: Bulletin de la Société Verviétoise d’Archéologie et d’Histoire 63, 1983, 91–93, Nr. 340, Abb. 5–6, Taf. 17; 2.7 Ulpia Noviomagus/Nijmegen (NL) 2.7.1 Militärisches Amphitheater; FO: Ulpia Noviomagus, im Südwesten der canabae legionis und nordöstl. des Legionslagers auf dem Hunerberg; Ausmaße: 1. Bauphase (Holz-Erde): 86 × 74 m, 58 × 46 m (Arena), 2. Bauphase (Stein): 94 × 82 m, 58 × 46 m (Arena); Dat.: 1. Bauphase vor 71 n. Chr.; Steinbauphase vor 104 n. Chr.; Bem.: Das Gebiet der südwestlichen canabae, in dem das Amphitheater entdeckt wurde, konnte wegen moderner Überbauungen archäologisch bislang nur punktuell untersucht werden. Die cavea bestand in der ersten Bauphase aus ca. 14 m breiten Wallanschüttungen, auf denen sich hölzerne Vorrichtungen für die Sitzgelegenheiten der Zuschauer befanden. An ihrer Außenseite wurde die cavea durch eine tief fundamentierte Mauer begrenzt. Im Südwesten konnte man einen ca. 3–5 m breiten Zugang zur Arena freilegen. Als zweite Bauphase des Amphitheaters wurde die Errichtung einer weniger tief fundamentierten Außenmauer angesprochen, die parallel zur der aus der ersten Bauphase verläuft und zeigt, dass die cavea um 4 m verbreitert worden war. Im Zuge dieser Vergrößerungsmaßnahme wurde die gesamte Anlage in Stein errichtet. Gleichzeitig mit dem Ausbau in Stein ist wahrscheinlich die Eintiefung einer mindestens 4,5 × 4,5 m großen Holz verkleideten Grube in der Mitte der Arena anzusetzen (hypogaeum), die über einen Gang mit der Westseite des Amphitheaters verbunden war und der Installation von Bühnenapparaturen (pegmata) gedient haben dürfte. Literatur: H. Brunstig, Noviomagus Batavorum, in: PECS, 632; J. Bloemers, Nijmegen. ROB Excavations 1974–1979 in the Roman Forts, Cemeteries and canabae legionis, in: W. Hanson / L. Keppie (Hgg.), Roman Frontier Studies 1979. Papers presented to the 12th International Congress of Roman Frontier Studies, Oxford 1980, 473; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa
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forme et de ses fonctions, Paris 1988, 88, Nr. 38; P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’Empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 203–215; M. Driessen, Bouwen om te Blijven. De topografie, bewoningscontinuïteit en monumentaliteit van Romeins Nijmegen, Amersfoort 2007, 138–142; W. Willems / H. van Enckevort, Vlpia Noviomagus – Roman Nijmegen. The Batavian Capital at the Imperial Frontier, Portsmouth 2009, 59–60; 2.7.2 Fragmentierte Krempe eines Gladiatorenhelmes mit Besitzerinschrift der legio XV Primigenia; FO: in der Waal bei Nijmwegen; AO: Rijksmuseum van Oudheden, Leiden, Inv. N.S. 103; Dat.: vor 70 n. Chr. (= Untergang der legio XV Primigenia); Bem.: Erhalten ist die Krempe des Helmes, deren halbkugelförmige Kalotte verloren ist. Von der Kalotte ist nur der äußerste untere Rand erhalten, was die Zuweisung des Helms zu einer bestimmten armatura erschwert. An der Vorderseite der Krempe ist von innen ein stabiles Blech genietet worden, das über den Augen ausgeschnitten war, um die beiden Enden der Visierklappen aufzunehmen. Die eigentliche Befestigungsvorrichtung der Visierenden ist ebenfalls verloren. Im Nackenbereich weist die Krempe eine Falte sowie ein größeres und zwei kleinere Löcher auf, die vielleicht für eine – gleichfalls nicht erhaltene – Aufhängevorrichtung des Helms bestimmt waren. Die Helmkrempe ist aufwändig mit verschiedenen, in Treibarbeit ausgeführten Tierkampfszenen verziert. Binnendetails der Tiere (z. B. das Leopardenfell) sowie ornamentale Verzierungen wurden eingepunzt. Schwache Spuren einer Legierung lassen sich erkennen. Diese Legierung, die ehemals scharfen Konturen der Tierfiguren sowie die Punzierungen sind durch die lange ‚Lagerung‘ des Gladiatorenhelms im Wasser zum Teil stark verschliffen. Der untere Teil der Helmkalotte lässt noch Reste des Kalottendekors erkennen: Ein Adler sitzt mit ausgebreiteten Schwingen auf einem Blitzbündel. Auf der Unterseite der Krempe befindet sich eine punzierte Besitzerinschrift L(egionis) XV, die bis zu ihrem Untergang 70 n. Chr. in Vetera Castra I stationiert war. Vgl. das Visierfragment aus Vetera Castra I, Kat. 2.8.2, das höchstwahrscheinlich nicht nur aus derselben Werkstatt stammt, sondern ursprünglich auch zu diesem Helm gehörte. Literatur: H. Klumbach, Römische Helme aus Niedergermanien, Bonn 1974, 68 f., Nr. 57, Taf. 54; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 130–132; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 166, H8, Abb. 276; L(egionis) XV (XV mit überstrichener ‚Querhaste‘)
2.7.3 Weih-Inschrift von den Gladiatoren der Classis Germanicae Piae Fidelis an den sieghaften Mars; FO: unbekannter Fundort in Niedergermanien (Hollandiae incertae); AO: „Dordraci apud Martinum de Beaumont“, keine Inv.; Dat.: zwischen 96 n. Chr. und dem letzten Drittel des 3. Jhs. n. Chr.; Bem.: Bei ihrer
352
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
Auffindung war die Basis mitsamt den Füßen der ehemals darauf befestigten Marsstatue erhalten. Der Ehrentitel Pia Fidelis wurde der Classis Germanica von Domitian nach dem Saturninus Aufstand 89 n. Chr. verliehen und stellt somit den terminus post quem für die Datierung der Inschrift dar. Der Untergang der Rheinflotte im letzten Drittel des 3. Jhs. n. Chr. liefert ihren terminus ante quem. Das Hauptquartier der römischen Rheinflotte befand sich seit etwa der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. ca. 3 km südlich der CCAA, im heutigen Köln-Marienburg (Alteburg). Literatur: CIL 13, 8831; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 130; C. Starr, The Roman Imperial Navy 31 B. C. – A. D. 324, Westport, Connecticut 21960 (Nachdruck 1975), 149; L. Lazzaro, Esclaves et affranchises en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques, Paris 1993, 322–323, Nr. 390; MARTI VICT GLADIATORES CGPF
2.7.4 Grünglasierter Gladiatorenbecher aus Ton (à la barbotine) mit Darstellungen von zwei Gladiatorenpaaren mit Beischriften; FO: Ulpia Noviomagus, Grab im Gräberfeld des sog. Heesschen Veld; AO: Rijksmuseum G. M. Kam / Museum het Valkhof, Nijmegen; Dat.: zweite Hälfte 2. Jh. n. Chr.; Bem.: Die Darstellung ist nur fragmentarisch erhalten und zeigt den Kampf eines retiarius gegen einen secutor sowie den eines thraex gegen einen murmillo mit Schiedsrichter (summa rudis) und heranlaufendem Helfer (secunda rudis/harenarius ?). Über der thraex-mumillo-Szene sind Reste einer Inschrift erhalten, die den thraex als Iustus kennzeichnen. Im Gräberfeld des sog. Heesschen Veld wurden vom letzten Viertel des 1. Jhs. n. Chr. bis ins 3. Jh. n. Chr. Bestattungen niedergelgt. Literatur: G. Mestwerdt, VII. Ein Gladiatorenbecher in Nymwegen, in: BJb 116, 1907, 43–44, Abb. 1; A. Hubrecht, Een ‚gladiatorenbeker‘ in het museum van Romeins Nijmegen, in: Hermeneus 38, 1966/67, 74 f.; Rijksmuseum G. M. Kam Nijwegen (Hg.): Rijksmuseum G. M. Kam: museum van Romeins Nijmegen, Nimwegen 1972, 20, Nr. 10, Abb. 10; H. Brunsting, Het Grafveld onder Hees bij Nijmegen, Amsterdam/London 1974, 74–75; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 147, Abb. 235; ΓΩII HS (?) IVSTVS ERM/// (?) SA///
2.7.5 Applikenkeramik (Medaillon) mit Darstellung eines Gladiatorenkampfes mit Beischriften; FO: Ulpia Noviomagus; AO: Rijksmuseum G. M. Kam / Museum het Valkhof Nijmegen; Dat.: --; Bem.: Das runde Medaillon zeigt den Kampf eines retiarius nach rechts gegen einen linkshändigen murmillo nach links. Der retiarius hält einen Dreizack in der Rechten und ein kurzes
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
353
Schwert in der Linken, die mit manica und galerus bewehrt ist. Die Beischriften, bei denen es sich um die Kampfnamen der Gladiatoren handeln wird, sind in der oberen Randzone des Medaillons (Pancarpus l) bzw. zwischen und neben den Beinen des retiarius (Rusbrinus imp) zu erkennen. Zwischen der Bodenlinie zu Füßen der Gladiatoren und dem Rand des Medaillons ist ein quer liegender Palmzweig mit Spitze nach links dargestellt. Literatur: P. Wuilleumier / A. Audin, Les médaillons d’applique gallo-romains de la vallée du Rhône, Paris 1952, 113, Nr. 194a; PANCARPUS L(ibertus) RUSBRINUS IMP(ugnavit)
2.8 Vetera Castra/Birten (D) 2.8.1 Militärisches Amphitheater; FO: Vetera Castra, 70 m südostlich des Lagers; Ausmaße: ca. 98 × 84 m, 55,5 × 42,4 m (Arena); Dat.: spätestens früh-neronisch, vielleicht bereits claudisch; Bem.: Das Amphitheater wurde anfang des 20. Jhs. nur flüchtig in einigen wenigen Suchschnitten erforscht. Heute sind die Form der elliptischen Arena sowie die ca. 8 m hoch anstehenden und max. 20 m breiten Wälle der cavea im Gelände noch erkennbar. Fast mit seiner gesamten nördlichen Hälfte schmiegte sich das Amphitheater an den vom Lagerareal her abfallenden Südhang an, die südliche Hälfte nutzte einen nach Süden hin leicht ansteigenden Auslauf des Fürstenberges aus. Auf der Längsachse der Arena wurden zwei Hauptzugänge erkannt, carceres auf der Querachse wurden nicht nachgewiesen. Die Arena war in den Boden eingetieft, von einer steinernen Podiumsmauer eingefasst und wahrscheinlich von einem umlaufenden Bedienungsgang umgeben. Auf den Aufschüttungen der cavea befanden sich aller Wahrscheinlichkeit nach hölzerne Unterkonstruktionen für die hölzernen Sitzstufen der Zuschauer. Die Kapazität des Amphitheaters wird auf ca. 10.000 Zuschauer geschätzt. Literatur: H. Lehner, Vetera. Ausgrabungen in den Jahren 1908 und 1909, in: BJb 119, 1910, 230–261, hier: 258–261; F. Drexel, Gebäude für öffentliche Spiele in Italien und den Provinzen, in: L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, Leipzig 9–101921, 223; H. Lehner, Das Römerlager Vetera bei Xanten, Bonn 1926, 46–47; H. Lehner, Vetera, in: Römisch-Germanische Forschungen IV, 1930, 68–71; A. Grenier, Manuel d’archéologie gallo-romaine, III. L’architecture 2. Ludi et circenses: théâtres, amphithéâtres, cirques, Paris 1958, 578–579, Abb. 189; H. von Petrikovits, in: RE 2, 16, 1958, Sp. 1823; Ders., Vetera, in: PECS, 973; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 123. M. Gechter, Der niedergermanische Limes, Bonn 1974, 106 ff.; W. Böcking, Die Römer am Niederrhein. Die Ausgrabungen in Xanten, Westfalen und Nieder-
354
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
sachsen, Essen 52005, 139–141; A. Hönle / A. Henze, Römische Amphitheater und Stadien. Gladiatorenkämpfe und Circusspiele, Feldmeilen 1981, 156; H.-G. Horn (Hg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, 226, Abb. 158; J.-C. Golvin, L’amphithéâtre romain. Essai sur la théorisation de sa forme et de ses fonctions, Paris 1988, 80, Nr. 18, Taf. X: 1; P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’Empire romain, in: C. Domergue / Chr. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 203–215; W. Spickermann, Germania Superior. Religionsgeschichte des römischen Germanien I, Tübingen 2003, 120; N. Hanel, Die Militärlager von Vetera I und ihre Lagersiedlungen, in: M. Müller / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 105; J. Obladen-Kauder, Vergangenheit und Zukunft des Legionslagers Vetera I auf dem Fürstenberg, in: J. Kunow (Hg.), Caelius … und danach? Zur Geschichte und Zukunft des Fürstenbergs und der Bislicher Insel bei Xanten, Treis-Karden 2011, 109, Abb. 90; 2.8.2 Gesichtsschutzplatte (Visier) eines Gladiatorenhelmes; FO: Legionslager Vetera Castra I, Schnitt 1090, nahe der porta principalis sinistra in unstratifizierter Fundlage; AO: RLM Bonn, Inv. 33774; Dat.: 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.; Bem.: Die linke Hälfte eines Visiers von einem Gladiatorenhelm (H.: 19,2 cm; Br.: 18,3 cm) weist an den ‚Schnittstellen‘, an denen sie mit der zugehörigen Helmkrempe verbunden war, Abrissspuren auf. Reste einer silberfarbenen Legierung sind erkennbar. Die Visierhälfte ist mit einer Tierkampfszene (Treibarbeit) verziert, bei der ein Leopard eine Ziege reißt. Binnendetails der Tierdarstellungen sind z. T. gepunzt, ebenso wie die Rahmungen des Bildfeldes. Motiv, Proportionen, Machart und Material der Leopard-Ziege-Gruppe stimmen äußerst auffällig mit der einer Helmkrempe aus der Waal (Kat. 2.7.2) und Besitzerinschrift der legio XV Primigenia, die in Vetera Castra I stationiert war, überein. Wahrscheinlich gehörten beide Teile zum selben Helm. Literatur: H. Klumbach, Römische Helme aus Niedergermanien, Bonn 1974, 67 f., Nr. 56, Taf. 52–53; J. Wahl, Gladiatorenhelm-Beschläge vom Limes, in: Germania 55, 1977, 131; N. Hanel, Vetera I. Die Funde aus den römischen Lagern auf dem Fürstenberg bei Xanten, Köln 1995, 54, Kat.-Nr. B 130, Taf. 8.1; M. Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod. So kämpften Roms Gladiatoren, Mainz 2000, 174, H21, Abb. 300; 2.8.3 Weih-Inschrift eines ursarius der legio XXX Ulpia Victrix Severiana Alexandriana; FO: Vetera Castra, „am alten Rhein“; AO: RLM Bonn, Inv. 14741; Dat.: 3. Jh. n. Chr.; Bem.: Unmittelbar nach ihrer Auffindung wurde die Skulpturengruppe zunächst in Birten in einem Privathaus aufbewahrt, ihr ursprünglicher Aufstellungsort lässt sich nicht mehr sicher rekonstruieren. Die erhaltenen Reste der Skulpturengruppe zeigen den Dedikanten Cessorinius Ammausius
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
355
und einen Bär, vor dessen Schnauze drei kugelförmige Gegenstände aufgetürmt sind. Der militärische ursarius ist bislang nur in der hier vorliegenden Inschrift bezeugt. Aufgabe und Funktion eines ursarius sind nicht geklärt, wahrscheinlich war er mit dem Zähmen oder Domptieren von Bären befasst. Zu zivilen ursarii vgl. Kat. 1.1.2, 1.14.1. Literatur: EAOR V, 85, Nr 50, Taf. XXII: 1; CIL 13, 8639; AE 1901, Nr. 72; H.-G. Horn, Weihung eines Bärenwärters an Silvanus, in: Ders., Rheinisches Landesmuseum Bonn. Römische Steindenkmäler 2, Kleine Museumshefte, Köln/Bonn o. J., 18– 19; G. Brambach, Corpus Inscriptionum Rhenarum. Consilio et Auctoritate Antiquariorum Rhenae, Elberfeld 1867, 211; P. Steiner, Xanten. Sammlung des Niederrheinischen Altertums-Vereins. Kat. West- und Süddt. Altertumssammlung 1, Frankfurt 1910, 76 f.; A. Riese, Das rheinische Germanien in den antiken Inschriften, Leipzig/Berlin 1914, 150, Nr. 1353; H. Lehner, Die antiken Steindenkmäler des Provinzialmuseums in Bonn, Bonn 1918, 101, Nr. 214; W. Böcking, Die Römer am Niederrhein. Die Ausgrabungen in Xanten, Westfalen und Niedersachsen, Frankfurt 1978, 198–199; Ders., Der Niederrhein zur römischen Zeit. Archäologische Ausgrabungen in Xanten, Kleve 1989, 172 f., mit Foto; P. Le Roux, L’amphithéâtre et le soldat sous l’empire romain, in: C. Domergue / C. Landes / J.-P. Pailler (Hgg.), Spectacula I, Gladiateurs et amphithéâtres, Lattes 1990, 211; G. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens in der Kaiserzeit, Stuttgart 1998, 44, mit Anm. 172, 93; M. Zelle, Colonia Ulpia Traiana. Götter und Kulte, Köln 2000, 52–53, Abb. 67; R. Haensch, Inschriften und Bevölkerungsgeschichte Niedergermaniens. Zu den Soldaten der legiones I Minervia und XXX Ulpia Victrix, in: KölnJb 34, 2001, 124, Nr. 146; S. Weiß-König, Bevölkerungsstruktur von Xanten, in: M. Müller / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 527; C. Bridger, Die civitas Traianensis – das römische Umland von Xanten, in: M. Müller / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 608; D. Schmitz, Das Lager Vetera II und seine Legionen, in: M. Müller / H.-J. Schalles / N. Zieling (Hgg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Mainz 2008, 156, Abb. 107; DEO SILVANO CESSORINIUS AMMAUSIUS URSARIUS LEG(ionis) XXX U(lpiae) V(ictricis) S(everianae) A(lexandrianae) V(otum) S(olvit) L(ibens) M(erito)
2.8.4 Gladiatorenbecher aus Glas mit Beischrift; FO: Vetera Castra, Schnitt 462 „beim Abdecken des Legatenpalastes“ (Hagen 1917, 166), „im Gebäude west-
356
5 Römische Gladiatur in Germanien (Katalog)
lich der principia bei den Fundamenten“ (Hanel 1995, 657); AO: LVR-LandesMuseum Bonn, Inv.-Nr. 25238; Dat.: claudisch-neronisch (über Fundkontext); Bem.: Erhalten sind drei Bruchstücke: Eine kleinere und eine größere Wandscherbe sowie eine Randscherbe mit Resten von zwei beigeschriebenen Gladiatorennamen, von dem sich der eine zu Proculus ergänzen lässt. Das Gefäß ist aus durchscheinendem, hellgrünen Glas gerfertigt. Als Herkunftsgebiet des Bechers werden Gallien und Italien diskutiert. Literatur: J. Hagen, Einzelfunde von Vetera 1913/1914, in: BJb 124, 1917, 151–169, hier: 166– 167, Abb. 2; L. Berger, Römische Gläser aus Vindonissa, Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa, IV, Basel 1960, 65, Nr. 28; N. Hanel, Vetera I. Die Funde aus den römischen Lagern auf dem Fürstenberg bei Xanten, Köln/Bonn 1995, 243, 657, Kat. E88, Taf. 19:1; G. Sennequier et al., Les verresromains à scènes de spectacles trouvés en France, Association française pour l’archéologie du verre, Rouen 1998, 160, Nr. 44, Form C5; […]S PROCUL[…]
6 Abbildungen
Ort Arnsburg (GS) (militärisch) wahrsch. Holz-Steinbauphase (flavisch .– 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) Augusta Raurica/Augst (GS) Neun Türme (Holz-Steinbauphase: um 110 n. Chr.) Neun Türme (Steinbauphase (?): 130/140 n. Chr.) Sichelengraben (wahrsch. Steinbauphase: um 170 n. Chr.) Aventicum/Avenches (GS) Holz-Steinbauphase (um 120 n. Chr.) Steinbauphase (nach 165 n. Chr.) Brenodurum/Bern-Enge (GS) Holz-Steinbauphase (2. Hälfte 1. Jh. – 1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) Colonia Iulia Equestris/Nyon (GS) Steinbauphase (nicht vor 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) Vesontio/Besançon (GS) Steinbauphase (frühflavisch-trajanisch, eher früher in diesem Zeitraum) Vindonissa/Windisch (GS) (militärisch) Holzbauphase (um 30 n. Chr.) Holz-Steinbauphase (ca. 50 n. Chr.) Zugmantel (GS) (militärisch) Hühnerstraße (Holzbauphase, wahrsch. nicht vor 90 n. Chr.; rel. älter als Gk) Am Galgenköppel (Holz-Steinbauphase, viell. um 150 n. Chr.; rel. jünger als Hs) Colonia Ulpia Traiana/Xanten (GI) Holz-Steinbauphase (deutl. nach 110 n. Chr.) Steinbauphase (viell. später als Mitte 2. Jh. n. Chr.) Ulpia Noviomagus/Nijmegen (GI) (militärisch) Holz-Steinbauphase (um 70 n. Chr.) Steinbauphase (wahrsch. um 100 n. Chr.) Vetera Castra/Birten (GI) (militärisch) Holzbauphase (claudisch(?)-neronisch)
Arenamaße 31–32 m Dm. 49 × 36 m 49 × 36 m 50,6 × 33,38 m 51 × 39 m 51 × 39 m 27,55 × 23,50 m 50 × 36 m 62 × 36,6 m 74,5 × 56,6 m 64 × 52 m 26 m Dm. ca. 22 m 60 × 48 m 60 × 48 m 58 × 46 m 58 × 46 m 55,5 × 42,4 m
Außenmaße unbekannt ca. 101 × 70 m ca. 101 × 70 m ca. 100 × 82,65 m ca. 106 × 91 m ca. 110 × 99 m 42,55 × 38,5 m nicht nachgewiesen 100 × 84,6 m 94 × 76 m 111 × 99 m ca. 50 m ca. 50 m ca. 93 × 83 m 99 × 87,5 m 86 × 74 m 94 × 82 m ca. 98 × 84 m
Tab. 1 Amphitheatra in Germaniā – Größen
6.1 Tabelle
ca. 10.000
keine Angaben keine Angaben
6.000 8.000–10.000
keine Angaben keine Angaben
6.200 11.000
unbekannt
17 Sitzstufenreihen
keine Angaben
12.000 14.000/16.000
keine Angaben keine Angaben ca. 13.000
keine Angaben
Fassungsvermögen
358 6 Abbildungen
359
6.2 Abbildungen
6.2 Abbildungen
Ulpia Noviomagus Colonia Ulpia Traiana Vetera Castra
Arnsburg
Zugmantel GK & HS
Augusta Raurica Vesontio
Vindonissa Brenodurum
Colonia Iulia Equestris
Aventicum
Zivile Amphitheater Militärische Amphitheater
Abb. 1 Militärische und zivile Amphitheater in Germania Superior & Inferior
360
6 Abbildungen
2a) Noviomagus/Nijmegen (Kat. 2.7.1): Militärlager auf dem Hunerberg (Steinbauphase, Periode 5) mit westl. canabae legionis und Amphitheater
2b) Vetera Castra I mit Amphitheater und Vetera Castra II (Rekonstruktionsversuch)/Birten (Kat. 2.8.1) Abb. 2 Militärische Amphitheater in Germania Superior & Inferior
6.2 Abbildungen
2c) Vindonissa/Windisch (Kat. 1.16.1)
2d) Zugmantel Hühnerstraße (N, Kat. 1.18.1) & Galgenköppel (O, Kat. 1.18.2) Abb. 2 Militärische Amphitheater in Germania Superior & Inferior (Forts.)
361
362
6 Abbildungen
5594700
-12
5594600
-3
5594500
5594400
5594300
5594200
Amphitheater
5594100
5594000
5593900 3484400
3484500
3484600
3484700
3484800
3484900
3485000
3485100
2e) Arnsburg (Magnetometerprospektion, Maßstab 1:3.500) (Kat. 1.3.1) Abb. 2 Militärische Amphitheater in Germania Superior & Inferior (Forts.)
363
6.2 Abbildungen
NÉCROPOLE ROMAINE
Vy-Creuse Mafroi
Place Perdtemps Juste Olivier
AMPHITHÉÂTRE
MARCHÉ
La Morâche
172-7
La Muraz
THERMES
FORUM
Rive
BASILIQUE
La Duche
NÉCROPOLE ROMAINE Clémenty
NÉCROPOLE DU HAUT MOYEN ÂGE
N 0
50
3a) Colonia Iulia Equestris/Nyon (Kat. 1.7.1)
3b) CUT/Xanten (Kat. 2.3.1) Abb. 3 Zivile Amphitheater in Germania Superior & Inferior
100 m
364
6 Abbildungen 1928500,000000
Ü
1929000,000000
nécropole de la Viotte
s le
er ie v
1929500,000000
in Rh
vers Voie
Vo
6231500,000000
6231500,000000
euil Lux
ie Vo ver angr sL es quartier artisanal
Thermes publics nécropole de Port Joint
domus résidentielles
6231000,000000
6231000,000000
domus résidentielles
commerces ?
Pont en pierre
Du
bis
commerces
Forum religieux
commerces
Forum civil ?
Péribole du temple de Mars thermes ?
Arc triomphal
podium en hémicycle
6230500,000000
domus résidentielles
Bât. public ?
Vo ie ve rs L yon
6230500,000000
nécropole de Champ Noir
Théâtre
aqueduc Secteur marécageux
domus résidentielles
Vo ie
ver
s l’
Ita lie
6230000,000000
6230000,000000
colline de la Citadelle
Syst. proj. : RGF 93, zone 6 (CC47) Syst. alti. : NGF - IGN69
0
50
Éch. : 1/10 000 Date : le 29/10/2012
100 m
© Sig. J. Desmeulles/Smap
1928500,000000
1929000,000000
1929500,000000
3c) Vesontio/Besançon (Kat. 1.15.1)
3d) Aventicum/Avenches (Kat. 1.5.1) Abb. 3 Zivile Amphitheater in Germania Superior & Inferior (Forts.)
365
6.2 Abbildungen
0
500 m
3e) Augusta Raurica/Augst (Kat. 1.4.1–1.4.2) Bern, Engehalbinsel Gesamtplan 2009 Keltisch: Wallanlagen Siedlungsfläche Gräber
Römisch: Gebäudereste Siedlungsfläche Gräber
500 m
3f) Brenodurum/Bern-Enge (Kat. 1.6.1) Abb. 3 Zivile Amphitheater in Germania Superior & Inferior (Forts.)
366
6 Abbildungen
Abb. 4 Mogontiacum/Mainz
Abb. 5 Plan von Mogontiacum/Mainz nach F. Lehne, 1838
6.2 Abbildungen
367
368
6 Abbildungen
Abb. 6 Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln und Flottenlager der Classis Germanica um 100 n. Chr.
Abb. 7 Gesamtplan des Flottenlagers Köln-Alteburg in der Steinbauphase unterlegt mit aktuellem Höhenmodell
6.2 Abbildungen
369
Umschlag_innen_Auflage6_Umschlag_innen_Auflage6 09.05.19 20:17 Seite 1
Köln im Mittelalter CCAA, Colonia Claudia Ara B D E F G Die Vor 1 2 Sankt Andreas 3 Sankt Aposteln 4 5 Sankt Georg 6 Sankt Gereon 7 8 9 10 Sankt Maria L 11 12 13 14 15 16 17 18 ehemaliges W 19 20 ehemaliges Ehrentor 21 Eigelsteintor Ausgewählte Fundorte 3 4 Philosophenmosaik 6 Grabstein der Bella Viatorinus-Grabstein
Abb.1. Das römische Köln. Der Grundriss der COLONIA ist rot in den Plan der heutigen Kölner Innenstadt eingezeichnet. Die Gestalt der antiken Stadt ist bedingt durch das hochwasserfreie Gelände, das sowohl nach Osten zum Rhein als auch nach Süden um mehrere Meter abfiel. Die Südmauer folgte dem noch heute zu beobachtenden Geländebruch. Der Duffesbach, der hier wahrscheinlich erst seit nachrömischer Zeit geflossen ist, fand sein Bett im ehemaligen südlichen römischen Stadtgraben.
Das in römischer Zeit zum Rheinbett gehörende Gelände und der vermutlich
schon im 2. Jahrhundert zugeschüttete Rheinarm zwischen Uferkante und Abb. 8 Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln
Insel sind hellrot gekennzeichnet. Vom Nordtor (1) nach Westen gehend sind alle Türme und Tore mit ungeraden, alle Mauerstücke mit geraden Zahlen versehen. Die beiden Hauptstraßen, der Cardo Maximus zwischen Nordund Südtor (Hohe Straße) und der Decumanus Maximus (Nordseite Neumarkt / Schildergasse) sind bis heute im Stadtbild erkennbar.
Abb. 9 Topographische Karte des Stadtgebietes der CCAA
13 14 Clematiusinschrift 17 18 22 23 24 25 Mercurius 26 Diatretgläser Benesi 27 Gläserne Schuhe 28 Kopf der Athena 29 30 31 Jupitergigantenreiter 32 Orpheusschale
346. Plan der mittelalterl einigen ausgewählten Fu
370
6 Abbildungen
Abb. 10 Gladiatorenhelm-Krempe aus der Waal (Kat. 2.7.2), 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.
Abb. 11 Punzierte Inschrift (LXV) auf der Unterseite der Gladiatorenhelm-Krempe aus der Waal (Kat. 2.7.2), 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.
6.2 Abbildungen
371
Abb. 12 Wangenklappe eines Gladiatorenhelms (Kat. 2.8.2), Vetera Castra I/Birten, LVR-LandesMuseum Bonn, Inv. 33774, 2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.
372
6 Abbildungen
6.3 Abbildungsnachweis Abb. 1 Vorlage: M. Reuter / A. Thiel, Der Limes. Auf den Spuren der Römer, Darmstadt 2015, Karte auf S. 185 Abb. 2 a) © Radboud Universität Nijmegen (NL); b) © H. Stelter, LVR-APX/LVRRömerMuseum; c) Plan von Vindonissa, Stand 2017 © Kantonsarchäologie Aargau, Schweiz; d) L. Jacobi, Nr. 8: Das Kastell Zugmantel, in: E. Fabricus / F. Hettner / O. von Sarway (Hgg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches, B II.1, Berlin/Leipzig 1937, Taf. I: 1; e) Graustufendarstellung d. Magnetometerprospektion & d. Bodenwiderstandskartierung im Auftrag der Archäologischen Gesellschaft in Hessen e. V. erstellt von Posselt & Zickgraf Prospektionen GbR am 31.10.2012; Abb. 3 a) © Archéologie cantonale de l’Etat de Vaud (Suisse) et Archeodunum SA; b) © H. Stelter, LVR-APX/LVR-RömerMuseum; c); Plan de Besançon antique/Vesontio © Service municipal d’archéologie, ville de Besançon; d); © Site et musée romains d’Avenches (SMRA) 2010; e) © Augusta Raurica FiA 43, Abb. 008 (= T. Hufschmid, Amphitheatrum in Provincia et Italia. Architektur und Nutzung römischer Amphitheater von Augusta Raurica bis Puteoli, Augst 2009, Forschungen in Augst 43, Abb. 8); f) © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Eliane Schranz; Abb. 4 oben: mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. A. Heising, Albert-LudwigsUniversität Freiburg, Provinzialrömische Archäologie; unten aus: A. Heising, Die römische Stadtmauer von Mogontiacum – Mainz. Archäologische, historische und numismatische Aspekte zum 3. und 4. Jahrhundert n. Chr., Bonn 2008, 3 Abb. 5 F. Lehne, Antiquarische, historische und politische Aufsätze, Mainz 1838, Plan Abb. 6 © Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Digitalisierung P. Fleischer nach Vorgaben von A. Schäfer / G. Wagner Abb. 7 © Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln, Entwurf und Umsetzung G. Wagner Abb. 8 aus: G. Wolff, Das römisch-germanische Köln. Führer zu Museum und Stadt, Köln 52000 (Bachem-Verlag), Abb. 1, gezeichnet von A. Wolff Abb. 9 © Colonia 3D / Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln Abb. 10 © Rijksmuseum van Oudheden; Vergrößerung: Foto der Verfasserin (1.3.2015) Abb. 11 © Rijksmuseum van Oudheden; Abb. 12 © Bildarchiv LVR-LandesMuseum Bonn, Neg. 00_33774_0–1#1
7 Literaturverzeichnis Die Zitation von Werken antiker Autoren folgt dem Abkürzungsverzeichnis „Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike“, hrsg. von H. Cancik / H. Schneider, Stuttgart 1996, XXXIX–XLVII. Zeitschriften und Periodika wurden nach den Abkürzungen und Richtlinien des Deutschen Archäologischen Instituts, erschienen in AA 1997, 612–628, abgekürzt. Daneben wurden folgende Abkürzungen verwendet: AMN = Acta Musei Napocensis ASPA = Annuaire de la Société de Préhistoire et d’Archéologie DHA = Dialogues d’Histoire Ancienne DNP = Der Neue Pauly, hrsg. von H. Cancik / H. Schneider EAGLE = Electronic Archive of Greek and Latin Epigraphy EAOR = Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente Romano EDCS = Epigraphische Datenbank Clauss-Slaby EDH = Epigraphische Datenbank Heidelberg FK = Fundkomplex JRME = Journal of Roman Military Equipment LIMC = Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae LTUR = Lexicon Topographicum Urbis Romae, hrsg. von E. Steinby ORL = Obergermanisch-Rätischer Limes RIB = Roman Inscriptions of Britain RLiÖ = Der Römische Limes in Österreich, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften in Wien Albrecht 1997 = M. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, 2 Bde., München 21997 Alföldy 1997 = G. Alföldy, Die Bauinschriften des Aquädukts von Segovia und des Amphitheaters von Tarraco, Berlin/New York 1997 (Madrider Forschungen 19) Alföldy 2002 = G. Alföldy, Zu kaiserlichen Bauinschriften aus Italien, in: Epigraphica 64, 2002, 113–145 Alicu 1997 = D. Alicu, Ulpia Traiana Sarmizegetusa. Amfiteatrul I, Cluj-Napoca 1997 Alicu/Opreanu 2000 = D. Alicu / C. Opreanu, Les amphithéâtres de la Dacie romaine, ClujNapoca 2000
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8 Indices 8.1 Sach- und Ortsindex a fundamentis 147, 165 a solo 144, 145, 150, 152, 156, 165 Aare 63, 64, 77, 80, 311 Aargau 77, 323, 324 ad bestias 95, 229, 331 Aeduer/Haeduer 261 Aflou 240 Africa Proconsularis 144, 145, 148, 153, 189 ager publicus 189, 190, 192 agri decumates 14 Akrobaten 61, 250 ala Batavorum 123, 290 ala Gemelliana 40 ala Hispana 40 ala Moesica Felix Torquata 40 Alamannen 53, 65, 66, 90, 179 Alexandria (Ägypten) 265, 271 Alpen 51, 52, 63 Alpenfeldzug 78 Alzey 209, 318 amphitheatrum castrense 229, 242 Andemantunnum/Langres 74, 250, 253, 302, 303 Annexbau (ten) 36, 89, 107, 108, 172, 179, 197, 216, 220, 242, 243, 321 Applik 11, 95, 292, 319, 320, 330 Apsis 50 Apulum/Alba Iulia 168, 169 Aquae Helveticae/Baden 78 Aquae Mattiacorum/Wiesbaden 91, 92, 318 Aquae Sextiae/Aix-en-Provence 251 Aquincum/Budapest 27, 109, 119, 122, 158, 159, 163, 198
Aquitanien 34 Arausio/Orange 258 Arenaboden 45, 48, 64, 68, 84, 88, 99, 110, 111, 114, 115, 127, 185, 196 Arena-Heiligtum 45, 50 Arenahelfer (harenarius) 120, 127 Arenapersonal 36, 50, 58, 61, 98, 114, 195, 229 Argentorate/Straßburg 51, 302, 303 armaturae 69, 267, 285, 336 Arnsburg 22, 23, 26, 28, 29, 33, 34, 35, 36, 136, 185, 188, 189, 190, 304, 358, 362, Arretio/Arrezo 241, 242, 335 Asciburgium/Moers 132 Atuatuca Tungrorum/Tongeren 14, 103 auctoratus 121, 228, 249 auctoritas principis 138 Aufenthaltsräume 56, 89 Auflassung 28, 79, 213, 298, 304 Augst-Schönbühl 43, 44, 304 Augusta Raurica/Augst 20, 37, 51, 54, 78, 193, 212, 293, 304 Augusta Raurica/Augst Neun-Türme 293 Augusta Raurica/Augst-Sichelengraben 293 Augusta Treverorum/Trier 23, 31, 32, 67, 153, 217 Aurès 146 Ausfallstraßen 74, 78, 84, 191 Avenches Sur Fourches 52 Aventicum/Avenches 16, 20, 23, 24, 43, 51, 52, 54, 55, 66, 78, 84, 85, 88, 177, 192, 193, 194, 195, 196, 212, 217, 221, 358 Babylon 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 278, 279, 280, 285, 287
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8 Indices
Badeanlage 80, 119, 190, 219 Baetasier/Baetasii 103, 105 Basel 37 Bataver 15, 103, 118, 119, 123, 125, 283, 290, Bataveraufstand 15, 30, 102, 103, 104, 106, 107, 118, 122, 126, 130, 136, 186, 202, 207, 290, 291 Batavodurum 119 Baugenehmigung 136 Bauinschrift(en) 11, 18, 71, 87, 137, 138, 139, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 149, 150, 151, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 178, 179, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 189, 201, 250, 253, 254, 294, 296, 297, 298, 302, 312, 321, 324, 375 Baukosten 21, 197, 298 Baumeister (in) 43, 47, 66, 74, 97, 139, 140, 150, 164, 167, 182 Bedienungsgang 26, 48, 50, 75, 84, 85, 87, 88, 89, 98, 99, 100, 109, 110, 112, 113, 115, 134, 143, 172, 227, 305, 308, 321, 322, 323, 329, 346, 353 Bedriacum 142 bellum Perusinum 260 Bemalung (Podiumsmauer) 48, 99 Benutzungszeitraum 27, 90, 183 Bern-Enge 63, 65, 141, 177, 192, 193, 194, 195, 221, 310, 358 Besitzerinschrift 18, 94, 255, 287, 288, 289, 351, 354 bestiarii 69, 255, 267 Bibracte 52, 77 Bingen 209, 315 Birten 20, 25, 28, 30, 54, 128, 129, 172, 185, 188, 189, 190, 191, 201, 206, 207, 214, 215, 232, 244, 248, 282, 287, 288, 333, 334, 353, 354, 358 Bislicher Insel 30, 354 Bodensee 52 Bois-de-Châlet 52 Bollihope Common 240, Bonna/Bonn 27, 236, 331, 332, 333 Bononia/Bologna 142, 168 Brenodurum/Bern 20, 28, 36, 54, 63, 85, 141, 177, 192, 193, 194, 195, 196, 221, 310, 358 Brigetio/Szőny 27, 117, 233, 234 Britannia/Britannien 16, 17, 32, 68, 82, 94, 99, 122, 126, 141, 159, 168, 169, 172, 191, 202, 206, 233, 240, 242, 248, 256, 281, 282 Britannienfeldzug 201 Brohltal 116, 122, 126
Brugg 77, 79, 323, 324, 325, 326 Brugg-Altenburg 79 Brüstung 59, 62, 89 Bühnendekor 20, 68, 115, 152, 153, 197, 226, 230 Bündner Pässe 77 Burnum 156, 160, 162, 163, 166, 184 Caesarodunum Turonum/Tours 141 campus (castrorum legionis) 82, 83, 84, 191, 192, 205, 206, 259, 273, 316, 322 Campus Martius 206 Camulodunum/Colchester 141, 168, 281, 282 canabae legionis 22, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 102, 108, 123, 124, 125, 127, 129, 130, 132, 135, 145, 157, 162, 170, 171, 189, 191, 192, 196, 201, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 213, 214, 288, 297, 317, 340, 350 Canninefaten 290 capita provinciarum 20, 21, 197, 243, 246, 297, 317 captivi 224, 229, 230 Capua 141, 175, 181, 228, 259, 262 carceres 26, 44, 49, 51, 67, 75, 89, 109, 110, 111, 116, 134, 305, 312, 321, 323, 346, 353 Carnuntum/Deutsch-Altenburg 154, 156 Carnuntum/Petronell 27, 141, 198 castellum Mattiacorum 201 Castra Albana/Albano Laziale 189 Castra Misenatium 223 Castra Praetoria 242 Castra Ravennatium 224 Castrum Rauracense 41 Castrum Vindonissense 79, 81, 90 cavea 20, 24, 25, 36, 42, 43, 45, 46, 47, 50, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 64, 70, 75, 84, 85, 87, 88, 96, 98, 112, 113, 114, 125, 126, 129, 133, 134, 152, 165, 179, 180, 227, 230, 242, 258, 293, 304, 305, 308, 311, 312, 321, 322, 329, 338, 348, 350, 353 cena libera 140, 275, 276, 280 centuria Claudi Cupiti 169 centuria Flavi Iulini 169 centuria Fulvii Maceri 169 centuria Sadi Tironis 169 centuria Vinulei Superi 169 Châlon sur Saône 74 Chatten 15, 33 Chattenkrieg 33, 91, 201 Christen 229, 230 Cigognier-Monument 60
8.1 Sach- und Ortsindex
Circus 60, 137, 138, 170, 176, 195, 198, 225, 226, 227, 237, 268, 282, 310, 333, 334, 335, 336, 337, 339, 342, 343 Circus Maximus 226, 227, 243 cives Lingonum 103 civitas 62, 73 Civitas Aresacum 208 Civitas Aquae Mattiacorum 92, 208 Civitas Atuatuca Tungrorum 14 Civitas Batavorum 118, 123 Civitas Helvetiorum 52, 58, 63 Civitas Mogontiacensis/ Mogontiacensium 208 Civitas Rauricorum 44 Civitas Sequanorum 73, 76 Civitas Traianensis 105, 355 clarissimo viro 153 classis Germanica Pia Fidelis 212, 213, 214, 222, 283, 295, 297, 333, 351, 352 classis Misenensis 224 classis Ravennatis 225 cochlea 67 Cognomen 72, 233, 246, 251, 302 cohors (?) I Treverorum Equitata 91, 186 cohors I Aquitanorum (Veterana Equitata) 34, 185 cohors I Hispanorum Quingenaria 161 cohors I Ulpia Brittonum 160 cohors II Aquitanorum Equitata Civium Romanorum 22, 34, 185 cohors II Flavia Commagenorum 140, 168, 169 cohors III Rufini Primi 169 cohors sagittaria 227, 231 cohors V Delmatorum 34 cohors V Lingonum 161 cohors VI Commagenorum equitata 144, 145, 146, 180 cohors VI Thracum 161 cohors XX Palmyrenorum Milliaria Equitata Saggittariorum 148, 268 cohortes praetorianae 227, 230, 256 cohortes urbanae 226, 227, 230, 256 cohortes vigilum 140, 224, 226, 231 Coilesyria 148 Colchester-Becher 281, 282, 284 collegium Iuventutis 273 collegium ursariorum 255 Colline de la Citadelle 73, 74 Colonia Aventicum 60
395
Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln 14, 16, 21, 27, 51, 101, 197, 212, 235, 243, 246, 295, 332 Colonia Iulia Equestris/Nyon 20, 22, 26, 28, 49, 65, 66, 67, 69, 70, 71, 72, 85, 88, 99, 172, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 181, 182, 187, 192, 193, 194, 196, 197, 221, 296, 298, , 312, 358 Colonia Iulia Urbs Triumphalis Tarraco/ Tarragona 175, 181 Colonia Paterna (?) Munatia (?) Felix (? oder Copia?) Apollinaris Augusta Emerita Raurica 37 Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Foederata 52 Colonia Raurica 37, 40 Colonia Ulpia Traiana (CUT)/Xanten 20, 22, 24, 25, 26, 27, 30, 31, 68, 85, 98, 99, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 130, 134, 136, 154, 166, 167, 192, 193, 194, 196, 198, 199, 221, 294, 335, 346, 347, 348, 354, 355, 358 Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica/ Sarmizegetusa 166, 167, 168 coronarii 253 Cremona 142, 168, 201 crista-Schmuck 83, 95, 330 crupellarii 261 Cugerner/Cugerni 103, 104 curante 144, 145, 151, 160, 164 curator muneris 249 custodes vivarii 227 Dacia 23, 140, 162, 166, 168 Dacia Porolissensis 159, 160, 164 Daker 28, 81, 166, 167, 242 Dakerfeldzüge 28 Dakerkrieg 166, 167, 254 Dalmatia 162, 166, 184, dare 72, 144, 160, 165, 227, 254, 302 De Holdeurn 122 de sua pecunia 181, 254 De Winseling 119 decuriae 272, 274 decurio (municipii) 72, 157, 172, 177 Dedikationsinschrift 76, 141, 237 Dekumatenland 188 Dekurionenrat 176, 178, 296 Deva/Chester 68, 99, 122, 159 Digesten 137, 138, 158, 175, 176, 256, 262, 272, 296
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8 Indices
Dimesser Ort 201, 209, 318 doctores gladiatorum 257, 258, 276 Dolichenum 9 Donau 28, 38, 77, 79, 81, 90, 127 Doppellegionslager 15, 202 Dordracum/Dordrecht 283 Drusus-Feldzüge 121 Drusus-Kenotaph 205, 211, 316 Drususoffensive 103 Dubis/Doubs 72 Duffesbach 217, 218, 220 duoviri/IIviri 144, 248, 249 Dura Europos/Qual’at as Sāliḩiyah 146, 147, 148, 149, 150, 151, 159, 164, 165 Dyrrhachium/Durrës 140 Eburonen 103 edictum muneris 280 Ehreninschrift 72, 140, 174, 324 Ehrenloge 154 Ehrentribüne 49, 59, 305 Elbe 13 Engehalbinsel 63, 311 Epamonduodurum/Mandeure 74 Ephesos 275 Equestrenses 175 Ergolz 38 Exedra 57, 58, 308 exercitus Germanicus superior 13, 79 Exerzier- und Paradeplatz 82, 191, 192 exornare 165, 181, 182 extra muros 170, 194 facere 137, 160, 161, 165, 176, 296 Falltür 59, 111, 112, 115 familia gladiatoria 135, 185, 214, 249, 265, 266, 268, 269, 270, 271, 272, 274, 276, 277, 278, 279, 280, 282, 284, 287, 289, 292, 295 Fanartikel 18, 69, 107, 199 Fangnetz 49 Fassungsvermögen 22, 24, 60, 62, 70, 80, 87, 98, 148, 243, 305, 308, 322, 346, 358 Feriale Duranum 148, 268, 270, 280 Fernstraßen/Fernverkehrswege 73, 77, 78, 121, 146, 212, 220 ferrati 261 Finanzprocurator 14 Firmalampe 199, 319, 345 Flevum/Velsen 283 Flottenlager 199, 212, 213, 214, 215, 222, 297 Forum Tiberii 52
fossatum Africae 242 Franken 29, 114 Frankeneinfälle 30, 31, 136, 294, 313 Friedberg 34 Frischwasserzuleitung 107, 108 Fukiner See 224, 225 Fürstenberg 102, 128, 129, 131, 132, 135, 190, 353, 354, 356 galerus 11, 287, 332, 343, 349, 350, 353 Gallia Belgica 13, 14, 23, 32, 37, 52, 67, 153 Gallia Cisalpina 125 Gallia Lugdunensis 52, 141 Gallia Narbonensis 66, 131, 241, 250, 251 Gallien 16, 17, 31, 37, 38, 121, 193, 194, 195, 248, 261, 256 Gallisches Sonderreich 16, 29, 30, 41 Gaukler 61, 250 Gebenstorf 77 Gelduba/Krefeld-Gellep 103 Genava/Genf 51, 65, 66 Genehmigung 137, 138, 176, 187, 190, 296 Genfer See 14, 52, 65 Gentiliz 72, 233, 246, 251 Germaneneinfälle 41, 120 Germania libera 12, 33, 92, 97, 100 Germania magna 13 Germania prima 31 Germania secunda 31 Gießen 33, 304 Gladiatorenbecher 17, 82, 306, 307, 309, 310, 311, 316, 318, 324, 325, 326, 327, 328, 341, 352, 355 Gladiatorenfriedhof 275 Gladiatorenhelm 9, 17, 18, 123, 286, 288, 289, 290, 291, 292, 317, 320, 329, 330, 333, 336, 337, 346, 351, 352, 353, 354 Gladiatorenkampfname 269, 307 Gladiatorenkaserne 82, 151, 159, 228, 259, 267, 272, 273, 277 Gladiatorenmosaik 39, 88, 306, 313, 314, 338, 339 Gladiatorenschule 228, 272, 274, 278 Gladiatorentrainer 258, 259, 276, 336 Gladiatorentraining 276 gladiatores Classis Germanicae Piae Fidelis 333 gladiatores fiscales 282 gladiatores inter milites 284 gladiatores militares 265, 280, 284 Gräberfeld 92, 106, 120, 203, 341, 345, 352
8.1 Sach- und Ortsindex
Grabinschrift 11, 37, 72, 140, 155, 199, 244, 251, 253, 255, 258, 271, 276, 302, 319, 336, 337, 338 gregatim-Kämpfe 265 Greifenkopf-Applike 95, 292, 319, 320, 330 Guberni 103 gutturnium/gutturnia 12, 199, 340, 341 Gwerd 38 Gymnasium 195 Hausen 77 Hechtsheimer Berg 205, 211, 216 Heeresbezirk 13, 14, 15 Heesches Veld 120, 352 Heidelberg 209 Helvetier 52, 74, 77, 78, 309 Hessische Senke 33 Hispania Citerior 181 Hispania Tarraconensis 15 Historia Augusta 223, 224, 262, 282 Holzamphitheater 24, 85, 86, 97, 100, 136, 183, 184, 293, 324 Holzbauweise 26, 97, 126 Holz-Erde-Technik 17, 214, Holzschwert 39 Holz-Steinbauweise 23, 24, 26, 43, 56, 84, 86, 109, 167, 184, 214, 308 hordearii 271 Hortfunde 91, 120 Hunerberg 82, 121, 122, 123, 124, 126, 127, 186, 190, 284, 350 hypogaeum 31, 88, 111, 112, 115, 143, 152, 153, 154, 165, 244, 246, 350 immunes 94, 228, 234, 241, 255, 256, 257, 262, 272, 284 impensa sua 157 infames 69 Infamie 252, 261 Inszenierung 20, 99, 100, 115, 116, 134, 224 intra leugam 83, 189 intra milia passus 189 Isca Silurum/Caerleon 141, 169 Isis-Heiligtum 210 Isorbrigantium/Aldborough (Britannia) 141 Italica/Santiponce (Baetica) 140 iuvenes 251, 252, 273 Jagd 94, 234, 236, 238, 239, 241, 245, 256, 339 Jagdhelfer 94, 330 Jura 52 Käfigaufzug 111 Kaiseraugst 37, 38, 40, 41, 306, 307, 308
397
Kaiserkult 20, 44, 60, 177, 178, 182, 187, 195, 212, 216, 221, 296, 297, 304 Kaiserkulttempel 73, 195, 197, 211 Kaiserpriesterin 72, 177, 178 Kalksteinblock 68, 71, 162, 312 Kampfname 39, 82, 120, 121, 131, 252, 267, 269, 276, 279, 302, 307, 310, 315, 319, 325, 326, 327, 341, 353 Karthago 154, 229 Kästrich 201, 202, 203, 205, 206, 207, 209, 211, 212, 297, 316 Keltengraben 77, 78, 326 Klappmesser 12, 54, 309, 340 Kloster Dahlheim 205, 316 Kloster St. Alban 204 Knochen 45, 112, 168, 275 Kohortenkastell 22, 33, 35, 36, 95, 304 Kölner Kartause 204 Köln-Marienburg 283, 297, 333, 338, 352 Koloniegründung 37, 53, 101, 102, 106, 199 Kops Plateau 122, 123 Korporation 39 Kriegsflotte 212, 223, 224, 283 Kyzikos 260 La Tourbie 52 lacus Lemanus 66, 67, 70 Lagerthermen 201 Lambaesis/Tazoult-Lambèse 144, 146, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 160, 164, 165 Längsachse 45, 47, 49, 56, 75, 86, 87, 109, 112, 115, 132, 134, 135, 195, 229, 305, 353 lanista 230, 249, 262, 270, 277, 278, 281 Lederbörse 62 legatus Augusti exercitus Germanici inferioris 13, legatus Augusti exercitus Germanici superioris 13 legatus Augusti pro praetore 14, 145, 149, 151, 153, 163, 164, 239 legatus Augusti pro praetore provinciae Germaniae inferioris 14 legatus Augusti pro praetore provinciae Germaniae superioris 14 legatus Augustorum pro praetore 145, 149 legio I Adiutrix 40, 202 legio I Martia 41 legio I Minervia Pia Fidelis 235, 236, 238, 246, 333, 355 legio II Adiutrix Pia Fidelis 119, 122, 124, 126, 158, 159, 290
398
8 Indices
legio II Augusta Antoniana 141, 201 legio II Parthica 256 legio II Traiana Fortis 265, 271 legio III Augusta 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 164, 169, 240 legio III Cyrenaica 146, 271 legio IIII Flavia Felix 162, 163, 166, 167 legio IIII Scythica 146, 148 legio IV Macedonica 15, 201 legio V Alaudae 129, 130, 142, 287 legio VI Victrix Pia Fidelis 116, 242, 244, 246, 334 legio VII Gemina Felix 41 legio VIII 91, 186 legio X Equestris 65 legio X Gemina Pia Fidelis Domitiana 122, 124, 186 legio XI Claudia Pia Fidelis 78, 79, 81, 90 legio XIII Gemina 15, 78, 79, 86, 142, 168, 169, 183, 184, 201, 322 legio XIIII Gemina Martia Victrix 201, 202 legio XV Apollinaris 37, 140, 155 legio XV Primigenia 18, 123, 129, 130, 131, 135, 172, 185, 201, 285, 288, 291, 295, 351, 354 legio XVI Gallica 201 legio XXI Rapax 15, 78, 81, 86, 89, 90, 130, 135, 183, 184, 202, 236, 322 legio XXII Deiotariana 265, 271 legio XXII Primigenia Pia Felix 15, 30, 122, 130, 136, 155, 201, 202, 207, 244 legio XXX Ulpia Victrix Severiana Alexandriana 30, 117, 131, 136, 231, 233, 295, 354, 355 libertus 121 Lich 33, 304 Limburger Becken 96 Limes/limes 14, 17, 28, 31, 33, 34, 35, 41, 66, 91, 92, 93, 94, 96, 97, 144, 146, 160, 171, 188, 208, 210, 294, 304, 315, 318, 320, 329, 330, 331, 333, 336, 337, 351, 352, 353, 354 Limesdurchgang 33, 34, 93, 97, 100 Limesgräbchen 98 Limesstraße 102, 104, 219 Limmat 77 Lingonen 14, 105 Lippe 129 locus-Inschriften 166, 181, 200 Logistik 36, 107, 189, 231, 234, 235, 241, 247, 248, 249, 282, 284, 295 Londinium/London 141
Lousonna/Lausanne-Vidy 51, 54, 66, 316 Löwenjagd 241 Lucus Feroniae (Latium) 273 ludus 151, 159, 189, 224, 228, 257, 259, 262, 268, 270, 271, 272, 274, 276, 277, 278, 279, 280, 284, 285, 287, 292, 338 Ludus Magnus 224, 272, 277, 338 Ludus Matutinus 280 Luftbildarchäologie 21, 129 Lugdunum Batavorum /Katwijk-Brittenburg 14, 51 Lugdunum/Lyon 37, 141, 196 lusus Troiae 226, 273 Mainz-Weisenau 203, 206, 207 manicarius 276 Markomannen 262 Mars 39, 103, 114, 195, 214, 283, 284, 351 Marschlager 33, 232 Märtyrerverehrung 136 Mauretania Caesariensis 240 Maxima Sequanorum 11, 16, 31, 38, 74 Megalographie 339, 348 Memphis 265 Mesarfelta/El-Outaya 144, 145, 146, 148, 149, 150, 151, 153, 160, 164, 165, 180 Metlili 146 Micia/Vetel 23, 140, 168, 169, 240 Militärarchiv 265, 266, 269, 275, 278, 280, 290 Militaria 40, 53, 120, 292 milites class(i)arii 223 milites stationarii 226 missio 264, 265, 277, 278 Mithräum 93, 210, 336 Moesia Inferior 166 Moesia Superior 159, 166, 239, 248, 249 Mogontiacum/Mainz 14, 15, 16, 27, 38, 51, 54, 79, 92, 96, 162, 189, 197, 198, 199, 200, 202, 203, 204, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 297, 316, 317, 318 munera gladiatoria 19, 21, 27, 32, 54, 138, 143, 159, 170, 177, 223, 230, 264, 268, 275, 295, 314, 349 munerarius 278 Municipium Batavorum 120 Municipium Montanensium/Montana 239 munus legitimum 18, 178 munus sine venatione apparatuque 226 Münzen/Münzfunde 46, 62, 63, 65, 69, 70, 78, 90, 118, 119, 127, 312
8.1 Sach- und Ortsindex
Münzstätte 16 Murtensee 51, 54 Naumachie 223, 224, 225, 230 navalia 242 Nekropole 74, 78, 81, 199 Neptunalia 268 Nidda/Heddernheim 209 Niederrhein 29, 101, 102, 103, 118, 122, 126, 128, 131, 166, 193, 234, 284, 290, 291, 347, 353, 355 Nijmegen-Waterkwartier 119 Nikopolis (Ägypten) 265, 271, 272, 274 Nordafrika 31, 32, 154, 269 Nordsee 51, 121 Normierung 12 Novaesium/Neuss 130, 244 Noviodunum 28, 65, 312 Noviomagus/Nijmegen 20, 22, 24, 26, 28, 68, 118, 119, 120, 121, 126, 127, 186, 188, 189, 190, 248, 283, 284, 293, 350, 351, 352, 358 noxii 224, 229, 230, 252 Numeruskastell 91 Numidia 138, 144, 145, 148, 153, 164, 180 Nutzungsaufgabe/Nutzungsende 29, 30, 31 Nutzungszeitraum 31, 32 Obergermanischer limes 14, 31, 188, 208 Obergermanisch-Rätischer limes 28, 35, 41, 92, 188, 329, 330 Oberpannonien 233 Oberrhein 77 oculi 58 oppidum 40, 52, 65, 72, 73, 78, 101, 118, 119, 123, 218, 228, 323 Oppidum Batavorum 118, 119, 123 Oppidum Ubiorum 101, 218 opus quadratarium 250, 251, 253, 302, 303 Osterburken 95, 292, 319, 320 paegniarii 250, 281 Pannonia 122 Pannonia Inferior 158 Pannonia Superior 117, 140, 141, 154, 184 parmula 82 pegmata 126, 226, 350 Pfeilspitzen 121 Pfostenlöcher 64, 67, 98, 109, 112, 133, 185, 312 Pfostennegativ 84, 86, 109, 322 Pfosten-Netz-Konstruktion 98, 112, 134, 227 Phoenice 148 Plansiedlung 198 Plünderung 21, 32, 60, 62, 70, 77, 291, 292
399
Podium/podium 43, 46, 50, 113, 134, 150, 152, 161, 165, 182, 304 Podiumsmauer 36, 44, 45, 46, 48, 49, 57, 58, 59, 62, 64, 65, 67, 68, 70, 75, 86, 89, 99, 109, 111, 112, 113, 115, 125, 134, 143, 147, 152, 153, 161, 169, 170, 178, 179, 199, 214, 215, 227, 304, 305, 308, 311, 312, 321, 329, 346, 353 Podiumstempel 42, 43, 44, 304 pompa 44, 48, 60 Pompeji 228, 267, 270, 273, 285, 287 Porolissum/Moigrad 159, 160, 161, 162, 164, 165 porta libitinensis 45, 56, 87, 109, 134, 229 porta sanavivaria 36, 45, 57, 60, 87, 109, 134, 229 portae posticae 44, 49, 56, 57, 58, 88, 109, 112, 143 Porte Noire 76 praecinctio 42, 50, 59, 134, 152, 305 praefectura Galliarum 31 Praeneste 228 Prätorianergarde 140, 228 Prätorianerkohorte 224, 225 principales 234 Principia 84, 131, 162, 287, 326, 356 Provinzhauptstadt 38, 92, 96, 116, 168, 216, 244, 245 Provinzstatthalter 151, 156, 239, 241, 244, 247, 248, 249 Pseudogentiliz 105, 233, 236, 251, 302 publice 71, 173, 174, 175, 178, 181, 313 pulpitum editoris (Ehrentribüne) 49, 134 pulvinar 60 Querachse 43, 44, 49, 58, 67, 85, 88, 110, 116, 134, 304, 312, 322, 323, 346, 353 Rätien 16, 23, 29, 38, 336 Ratsbeschluss 187 Rauriker 37, 40 Ravennatii 224 reficere 153, 165 Rekrutierung 248, 263 Reliefgeschirr 11, 12 Remer 103, 105 Reparaturmaßnahme/-phase 42, 51, 56, 67, 72, 86, 91, 127, 141, 169, 178, 179, 224, 230, 276, 306, 322 restituere 145, 151, 165, 181, 182 Reuss 77, 80 Rhein 13, 14, 15, 28, 29, 38, 51, 78, 101, 106, 108, 123, 130, 198, 199, 200, 201, 202, 207, 208, 211, 213, 215, 218, 220, 232, 233, 290, 335, 346, 349, 354
400
8 Indices
Rheingau 92, 96 Rheinisches Schiefergebirge 218 Rhône 51 Romanisierung 81 sacellum 45, 50, 58, 69, 85, 114, 141, 154, 304, 305 Sainte-Madeleine, Besançon 179, 321 Sakralbezirk 47, 55, 80, 81, 93, 195, 197, 199, 216, 287, 296 Samarobriva/Amiens 217 Saturninus-Aufstand 202, 214, 236, 242, 283, 352 Scarbantia/Sopron 140 Schiedsrichter 120, 264, 338, 352 Schulterschutz 11 Sebosianna 240 Seeschlacht 224 Semi-Amphitheater 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 293, 304 Sequaner 14, 73, 74 Sequania 38 Servicegang 58, 98 Showeffekte 143, 264 Sichelengraben 16, 47, 51, 196, 306 Sichelen-Nord 40 Sichelen-Süd 40 Sichtschatten 111, 134 Siedlungskontinuität 17, 52, 198 Sitzinschriften 59 Sitzplatzmarkierung 89 Soldatenhelm 75 Sonnensegel (vela) 223, 224 spectacula-Monumente 138, 194, 296 Spezialeffekte 88 spoliarium 56, 107 Sprengel 248, 249, 296 St. Bernhard 38, 66 Staatskult 48 Stadion 171, 299 Stadtmauer 53, 104, 106, 108, 120, 140, 193, 194, 196, 198, 199, 203, 208, 209, 210, 211, 212, 216, 217, 219, 220, 221, 222, 241, 297, 308, 317, 334 Stadtmodell 198 Standortfaktor 20, 21, 22, 129, 188, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 199, 205, 206, 210, 211, 212, 216, 217, 219, 221, 297, 317, 332 stans missus 121 Steinbauphase 24, 83, 84, 122, 141, 155, 160, 167, 213, 214, 216, 308, 322, 350, 358 Stockstadt 34
Straßennetz 38, 53, 104, 129, 194, 196, 208, 209, 212, 216, 217, 219, 220 sub curā 148, 164 Sueben 103 Sugambrer 103 Suizid 228, 230 Tabernae/Rheinzabern 281 Taunusstein-Orlen 91, 30 tegularia transrhenana 133, 185 Teretina 72 Terra Sigillata 42, 43, 44, 49, 94, 95, 114, 182, 194, 199, 255 Theater/Theaterbau 42, 43, 44, 53, 54, 62, 74, 137, 138, 141, 170, 192, 194, 195, 196, 198, 209, 211, 212, 223, 224, 226, 227, 228, 297, 299, 304, 305, 317 Thermen/Thermenanlage 92, 101, 147, 150, 152, 168, 169, 189, 190, 201, 210, 211, 218 Theux-Juslenville 287, 349, 350 Thevestis/Tébessa 144, 148, 150, 151, 189 Thubunae 146 Thuburbo Minus 229 Tierkäfige 56, 59, 89, 152, 153 Tierknochen 112, 168 tiro (Neuling) 89, 121, 259, 271, 272, 323 Todessymbolik 192 Trajanusplein 122 Treverer 91, 92, 94, 101, 186, 324 Tricensima(e) 117 Tropaeum Alpium 52 Tungrer 290 Turicum/Zürich 78, 250, 254, 255, 320 Überraschungseffekte 58, 99, 111, 153 Ubier 103, 233 Ulpia Noviomagus 26, 28, 118, 119, 120, 127, 186, 190, 283, 284, 293, 350, 352, 358 Umbaumaßnahme/Umbauphase 24, 49, 163, 166, 180, 183, 186, 293, 294 Umgang (ambulatorium) 46, 51, 56, 57, 58, 59, 75, 76, 85, 98, 152, 223, 258, 305 universum 152, 165 Untergeschoss 56, 111, 152, 153, 154, 165, 226, 242, 243, 272 Unterhaltungsbranche 47 Unterwindisch 80 ursarius 131, 231, 233, 234, 235, 241, 249, 250, 251, 253, 257, 282, 295, 302, 320, 354, 355 Varusschlacht 78, 123 Vauban 74, 77
8.1 Sach- und Ortsindex
velarii 223 venator (es) 69, 228, 234, 237, 238, 240, 241, 252, 256, 257, 262, 265, 272, 279, 280 Veranstaltungspraxis 18, 20, 85, 89, 153 Verkaufsstände 107, 113 Vesontio/Besançon 18, 20, 22, 24, 25, 26, 27, 29, 38, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 113, 172, 177, 179, 180, 181, 182, 186, 187, 192, 193, 194, 196, 212, 221, 296, 321, 322, 358 vestigiator 94, 255, 256, 330 Veteranen 37, 40, 53, 65, 81, 103, 105, 118, 140, 166, 172 vetustate conlabsas 151, 152, 165 vetustate corrupta/-um 144, 145, 152, 165 vetustate dilapsum 161, 165 Vicani Vindonissenses 81 vicus Turicum 254, 320 vicus/Kastellvicus 22, 33, 34, 35, 36, 37, 66, 80, 92, 93, 94, 95, 97, 145, 170, 189, 191, 196, 203, 206, 292, 304, 316, 328, 330, 331 Vindonissa/Windisch 18, 20, 24, 40, 77, 130, 143, 172, 182, 188, 189, 190, 191, 199, 206, 207, 214, 255, 322, 358 Vinxtbach 14 Violenbach 38 Virunum/Zollfeld (Noricum) 141 Visier 11, 131, 227, 288, 319, 340, 354 vivarium 116, 227, 228, 231, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 253, 256, 302, 334 Vomitorium/vomitorium 20, 26, 36, 46, 48, 50, 61, 113, 117 Waadt 51 Waal 119, 122, 125, 131, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 351, 354
401
Wadi Fawakhir 239, 241 Waffenschmiedebetrieb 287 Wandgraffitti 228 Wandmalerei 11, 12, 17, 46, 199, 247, 314, 339, 340, 348, 349 Warteraum 85, 143 Wasserspiele 68 Wasserversorgung 54 watar 128 Weihinschrift 11, 19, 114, 168, 199, 233, 237, 239, 240, 241, 250, 253, 254, 282, 302, 317 Welsbach 33 Westeifel 233 Wetter 33, 34 Wetteraulimes 34 Windischer Sporn 77, 79 Wisent 239 Worms 209 Zahlbach 200, 204, 207 Zaraї 146 Zerstörungshorizont 27, 41, 93, 130, 183 Ziegelstempel 122, 135, 144, 163, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 185, 213, 214, 287, 339 Zivilgladiatur 293, 294, 298, 299 Zugmantel ‚Galgenköppel‘ 36, 112, 188, 189, 190, 191, 206, 329 Zugmantel ‚Hühnerstraße‘ 36, 96, 97, 188, 189, 190, 329 Zuschauerbereich 42, 50, 51, 55, 59, 87, 89, 98, 126, 152, 305 Zuschauersicherheit 226, 227, 230 Zuwegung 47, 55, 97, 99, 100, 132, 196 Zweilegionenlager 22, 30, 129, 130, 131, 132, 134, 135, 200, 201, 207, 215, 288, 290
402
8 Indices
8.2 Personenregister (M.?) Aemilius Macer 137, 138, 158 (Secundus) Mario 281, 282 Aelius Serenus 145 Aesonius 267 Afer 268, 269, 275, 277, 279 Alicu, D. 168 Annia Sabina 72, 172, 177, 178 Apoll 37, 195, 239 Ariovist 73 Arrianus 269, 271, 275 Audin, A. 121, 353 Augurius Catullinus 250, 251, 253, 302, 303 Augustus (Kaiser) 13, 34, 37, 38, 51, 73, 78, 101, 151, 176, 180, 224, 228, 264 Aulus Caecina Alienus 142 Aulus Gellius 243 Aulus Titius Severus 116, 142, 245, 246 Aurelian (Kaiser) 16, 29, 41, 168 Aurelius Bithus 256 Aurelius Mam[…] Iustianus 148 Baradez, J. 146 Berger, L. 39, 305, 306, 311, 318, 324, 325, 326, 356 Beutler, F. 155, 157 Böcking, W. 232, 253, 355 Borhy, L. 158 Bridel, P. 56, 57, 58, 60, 308, 309 C. Aurelius Scaurus 257, 258 C. Domitius Zmaragdus 156, 157, 158 C. Iulius Caesar 13, 37, 65, 72, 73, 77, 103, 224, 244, 259, 260 C. Suetonius Tranquillus 139, 224, 225, 262, 263 C. Tetius Veturius Micianus 240 Caius Iulius Civilis 103, 119, 123, 290, 291 Caius Iulius Lepidus Tertullus 153 Calamus 39 Caldelli, M. 17 Caracalla (Kaiser) 146, 148, 169 Cassianus Latinius Postumus 16, 29, 234 Cassius Dio 224, 260 Castan, A. 76, 77, 180, 321, 322 Catulus 240 Cessorinius Ammausius 131, 231, 232, 233, 234, 241, 249, 250, 251, 282, 354, 355 Claudius (Kaiser) 87, 130, 182, 201, 224, 225, 226, 228, 288, 294, 324
Cn. Mallius Maximus 258 Columbus 39, 310 Commodus (Kaiser) 76, 77, 91, 94, 97, 100, 144, 145, 151, 180, 181, 182, 262, 296 Comparetti, D. 266, 267, 269, 272, 273, 276, 277 Constantius II. (Kaiser) 41 Crescentinius Respectus 91 de Pury-Gysel, A. 62, 309 Dea Aventica 52 Decurinius Nerus (?) 267 Demosthenes (manicarius) 276 Dexter 94, 255 Diana 114, 195, 199, 236, 239, 244, 245, 246, 247, 254, 320, 321, 333, 334, 335, 336, 347, 348 Didius Iulianus 262 Diokletian (Kaiser) 11, 16, 31, 38, 41, 74 Domaszewski, A. von 232 Domitian (Kaiser) 11, 13, 14, 15, 18, 33, 37, 52, 180, 202, 214, 225, 235, 242, 259, 283, 352 Dumasy, F. 193 Elagabal (Kaiser) 93, 95, 169 Fabricius, E. 98, 99, 320, 329, 330 Flavius Josephus 260 Frézouls, E. 194 Fuchs, J. 205, 316 Fuscus 131 Futrell, A. 17, 169 Galba (Kaiser) 15, 201, 291 Gallienus (Kaiser) 29, 51, 150, 152 Germanicus 118, 283 Geta (Kaiser) 229 Golvin, J.-C. 65, 150, 156, 305, 309, 311, 317, 321, 323, 332, 347, 350, 354 Gordian III. (Kaiser) 131, 227, 256, 262 Hadrian (Kaiser) 140, 141, 143, 146, 151, 156, 157, 158, 167, 175, 181, 202, 233, 271 Haensch, R. 234, 355 Hanel, N. 128, 130, 135, 354, 356 Heidenreich, K. 109, 110, 347 Herkules 195 Herodes 260 Hl. Felicitas 229, 252 Hl. Perpetua 229 Hl. Viktor 129, 136 Honorius (Kaiser) 32, 259 Horn, H. 232
8.2 Personenregister
Horster, M. 145, 153, 174, 183, 186 Hufschmid, T. 23, 44, 65, 195, 305, 306, 311 Ianuarius Nepotianus 258 Improbus 267, 279 Iulia Domna 146 Iulius Africanus 241 Iulius Alexander 167 Iulius Pompilius Piso Laevillo 144, 145 Iulius Sacrovir 261 Iunius Blaesus 260 Iustus 120, 352 Junkelmann, M. 286, 306, 309, 314, 315, 338, 341, 346, 349, 351, 352, 354 Juppiter Dolichenus 93 Klumbach, H. 286, 351, 354 L. Annaeius Seneca 225, 228, 229, 262 L. Antonius 260 L. Cornelius Lentulus 259, 260 L. Didius Marinus 248, 249, 295 Le Roux, P. 139, 320, 323, 333, 334, 347, 351, 354, 355 Lehner, H. 132, 134, 232, 353, 355 Leidorf, K. 35 Leubaccus 91 Licinius Valentinus 356 Lieb, H. 182, 324, 337 Lollianus Titianus 262 Lucius Antonius Saturninus 15 Lucius Munatius Plancus 37 Lucius Verus (Kaiser) 151 M. Lucceius Torquatus Bassianus 149 M. Terentius Varro 94, 241, 243, 255, 268 M. Tullius Cicero 260, 263 M. Vitruvius Pollio 195 Macedon 272 Magnentius (Kaiser) 41 Mammilianus 95, 31 Marc Aurel (Kaiser) 76, 77, 120, 144, 145, 149, 151, 157, 180, 262, 263 Marcus Antonius 13, 260
Mars Cicollus 103
Mars 39, 114, 195, 214, 283, 284, 351 Mater Magna 210 Maximinianus (Kaiser) 41, 136 Meijers, R. 286, 289 Memnon Salv[inus oder –illus?] 281, 282 Merkur 81, 256 Müller, M. 108, 109, 110, 112, 114, 116, 117, 199, 221, 335, 347, 348, 354, 355
403
Neeb, E. 205, 302, 316, 317 Nemesis 50, 141, 195, 199, 283, 335, 348 Nero (Kaiser) 129, 139, 227, 228 Nerva (Kaiser) 28, 101, 174, 222, 313 Nesselhauf, H. 182, 324, 337 Nestor 275, 276 Numerius 270, 273, 274, 277, 278 Octavian 13, 260 Otho (Kaiser) 142, 261, 291 P. Cornelius Tacitus 103, 104, 119, 122, 123, 128, 130, 142, 143, 202, 224, 225, 227, 228, 260, 261, 265, 283, 290, 291 P. Rutilius Rufus 257 Pancarpus 121, 353 Pardus 276 Plinius der Ältere 103, 128, 227, 242, 243 Pompeius 227, 259 Probus (Kaiser) 30, 226, 228 Procopius von Caesarea 242 Prudentius 32 Publius Annius Montanus 72, 172, 177 Publius Quinctilius Varus 13, 118, 201 Publius Sestius 263 Pudens 229 Puk, A. 32 Pulcher 251, 252 Q. Didius 260 Q. Septimius Florens Tertullianus 229 Quintus Tarquitius Restitutus 236, 237, 238, 239, 241, 244, 245, 246, 247, 249, 334 Rea, R. 234, 248 Reuter, M. 232 Robert, L. 271, 314 Rusbrinus 121, 535 Septimius Severus (Kaiser) 144, 145, 148, 151, 153, 154, 156, 262 Serarius 205, 207 Severus Alexander (Kaiser) 93, 95, 234 Sextus Iulius Felicissimus 250, 251, 252, 253 Siegehard 204, 205, 207 Silvanus 232, 233, 234, 240, 254, 320, 355 Sommer, C. 16, 94, 304, 329, 330 Spartacus 228, 230 Tarrutienus Paternus 262, 272 Tetricus (Kaiser) 29 Tiberius (Kaiser) 13, 34, 103, 118, 260 Tiberius Claudius Quintilianus 160 Tiberius Ulpius Claudius 239 Titus Aelius 244
404
8 Indices
Trajan (Kaiser) 26, 28, 76, 92, 119, 127, 141, 146, 168, 174, 176, 177, 178, 180, 202, 213, 222, 233, 242, 296, 321, 323, Valentinus 141, 281, 282 Valerius Maximus 257, 258 Verecundus 131 Vespasian (Kaiser) 15, 41, 44, 52, 53, 62, 122, 126, 148, 155, 162, 163, 201, 254, 262, 290, 320
Ville, G. 18, 319 Vismara, C. 17, 251 Vitellius (Kaiser) 15, 142, 154, 201, 262 Wahl, J. 17, 234, 317, 320, 329, 330, 333, 336, 337, 351, 352, 353, 354 Weiss, Z. 174 Willmott, T. 16 Wuilleumier, P. 121, 353
Mit Legionären aus dem fernen Rom kam in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. ein Kulturgut nach Germanien, das dort bis dahin unbekannt war: Amphitheater und Gladiatoren. In Standlagern römischer Legions- und Auxiliareinheiten und in römisch geprägten Zivilsiedlungen hinterließen die Stars dieser Arenen zahlreiche Spuren. Barbara Dimde folgt diesen Spuren und entdeckt dabei die in der Forschung bislang unbekannte Militärgladiatur, die in Germanien den Nukleus der späteren zivilen Gladiatur bildete. Dimde zeigt diese grundsätzliche Trennung in einen kaiserlich-militärischen und einen städtisch-zivilen Sektor mit unterschiedlichen Ziel- und WirkmechanisISBN 978-3-515-12490-4
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men: Der Kaiser als Oberbefehlshaber der römischen Truppen setzte die Militärgladiatur in Germanien gezielt zur Sicherung seiner Macht ein. Er gab finanzielle Ressourcen frei, die die Errichtung von Militäramphitheatern und die Ausstattung von Legions- und Flottenverbänden mit familiae gladiatoriae ermöglichten. Die Zivilgladiatur unterlag dagegen der Eigenverantwortung der Städte und städtischen Eliten. Diese mussten für den Bau ziviler Amphitheater und die Veranstaltung der populären Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen selbst aufkommen – streng reglementiert durch kaiserliche Kontrollauflagen.
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