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German Pages 396 [460] Year 1988
PRANZ BRENTANO
Geschichte der griechischen Philosophie
Nach den Vorlesungen über Geschichte der Philosophie aus dem Nachlaß herausgegeben von FRANZISKA MAYER-HILLEBRAND
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 313 1963 Erste Auflage, erschienen im Verlag A. Francke, Bern 1977 Übernahme in die Philosophische Bibliothek als Band 313 1988 Zweite, verbesserte Auflage Vorliegende Ausgabe: Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der Ausgabe von 1988 identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0694-7 ISBN eBook: 978-3-7873-2587-0
© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1988. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck papier, hergestellt aus 100 % chlorf rei gebleichtem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.
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Der vorliegende Band bringt die Vorlesungen Franz B r e nt an o s über Geschichte der Philosophie, die er zuerst während seiner Lehrtätigkeit in Würzburg, später zu wiederholten Malen in Wien gehalten hat. Wenn hier nur ein Teil des ursprünglichen Kollegs, die "Geschichte der griechischen Philosophie", dem Publikum geboten wird, so hat dies seinen Grund hauptsächlich darin, daß diese in den Vorlesungen weitaus am ausführlichsten behandelt worden ist. überdies wäre es unmöglich gewesen, die ganze Geschichte der Philosophie in einen Band zu fassen; ein Werk in mehreren Bänden vorzulegen, erschien aber aus verschiedenen Gründen nicht günstig. Es wird hier vor allem der Zweck verfolgt, den Studierenden der Philosophie eine Einführung in die Philosophie des griechischen Altertums, aus der sich alle spätere Philosophie entwickelte, zu geben. Auch 0. K r a u s und A. K a s t i l, die nach dem Tode Franz B r e n t an o s im Jahre 1917 die Herausgabe des wissenschaftlichen Nachlasses übernahmen, hatten für die Aufnahme in die "Gesamtausgabe" nur die Geschichte der griechischen Philosophie ins Auge gefaßt. Vereinzelt waren allerdings in die von ihnen herausgebrachten Bände auch Abhandlungen aufgenommen worden, die Philosophen anderer Perioden betrafen. Dies gilt für das Bändchen "Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand" (Bd. 195 d. Phil. Bibl. 1926), in welchem sich Aufsätze über T h o m a s v. A q u i n, S c h o p e n hau e r, Auguste C o m t e finden, und für "Die Zukunft der Philosophie" (Bd. 209 d. Phil. Bibl. 1929) mit einer Reihe von Artikeln aus dem Gebiete der Geschichte der Philosophie. Der "Versuch über die Erkenntnis" (Bd. 194 d. Phil. Bibl. 1925) beschäftigt sich mit ver-
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schiedeneo Philosophen der neueren Zeit, hauptsächlich mit K a n t. Aber die Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie des Mittelalters und der Neuzeit sind im ganzen nicht so ausgearbeitet wie die über die Philosophie des griechischen Altertums. Selbstverständlich wurden im Laufe der nicht ganz drei Jahrzehnte, die B r e n t an o s Hochschultätigkeit (in Würzburg und Wtien) umfaßte, auch die Vorlesungen über Geschichte der griechischen Philosophie durch Ergänzungen bereichert, zuweilen auch modifiziert und etwas verändert. Ein~elne Teile liegen in mehreren Fassungen vor, was in den .Anmerkungen" jeweils vermerkt worden ist. Auch die Nachschriften von B r e n t an o s Schülern, von denen mir die von A. M a r t y und A. M e i n o n g bekannt sind - die Vorlesungen A. K a s t i l s gehen auf M a r t y s in Prag gehaltene Vorlesungen zurück -, weisen untereinander gewisse Verschiedenheiten auf. Es ist ja natürlich, daß die jeweilige Vorlesungsform auch von äußeren Umständen: Länge des Semesters, eventuellen Unterbrechungen u. dgl. beeinflußt wurde. Dem Kolleg über Geschichte der Philosophie ging eine Einleitung voran, in der neben anderen allgemeinen Ausführungen sich B r e n t an o s wichtiges Gesetz von den in der Entwicklung der Philosophie aufeinanderfolgenden vier Phasen findet. Diese .Einleitung", die für das Verständnis des Verlaufes der Geschichte der Philosophie außerordenHieb förderlich ist, wurde hier natürlich ebenfalls aufgenommen. Zunächst beschäftigt sie sich mit dem Begriff der Geschichte der Philosophie, was die Klärung anderer Begriffe: Wissen, Wissenschaft, Geschichte, Philosophie voraussetzt. Sodann werden der Zweck der Geschichte der Philosophie und ihre Methode dargelegt. Die sich anschließende Einteilung bringt das schon erwähnte "VierPhasen-Gesetz". Zum Schluß werden noch Hinweise auf die wichtigsten Quellen für die Geschichte der Philosophie gegeben. Die sehr interessante und inhaltsvolle .Einleitung" ist eine gute Vorbereitung für den umfangreichen ersten Hauptteil, der die ganze aufsteigende Periode der griechischen Philosophie in
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acht Abschnitten umfaßt, die wiederum in Kapitel zerfallen, deren Inhalt noch durch fortlaufende arabische Ziffern in Unterabteilungen gegliedert wird. Die aufsteigende Periode, von T h a 1 e s bis A r i s t o t el e s, in der die griechische Philosophie sich nach Meinung B r e n t an o s in vollendetster und reinster Form darstellt, ist einerseits durch ein lebendiges und reines theoretisches Interesse, andererseits durch eine naturgemäße, wenn natürlich auch vielfach noch unvollkommene Methode charakterisiert. Es wird Erstaunen und vielleicht auch Widerspruch erregen, daß der zweite Hauptteil, der doch in drei Phasen (Popularphilosophie, Skepsis und Mystil'lismus) zerfällt, gegenüber dem ersten Hauptteil einen so geringen Umfang - nur etwa den 8. Teil - aufweist. Dieser Einwand wurde von B r e n t a n o vorausgesehen und auch bereits zurückgewiesen. Es komme nicht darauf an, die Geschichte der Philosophie des gefälligen Eindrucks wegen in Abschnitte von ungefähr gleichem Umfang zu teilen. Ausschlaggebend für die Einteilung seien vielmehr die psychischen Entwicklungsmomente. Ähnlich könnte man einem Physiologen vorwerfen, daß seine Einteilung des menschlichen Körpers in Kopf, Rumpf und Glieder wegen der ungleichen Größe der einzelnen Teile verfehlt sei, auf welchen abstrusen Einfall aber wohl noch niemand gekommen ist. "Die Forderung nach gleicher Gliederung hieße die Geschichte auf ein Prokrustesbett legen" (S. 22). Es ist selbstverständlich, daß in der Geschichte der Philosophie die Periode der aufsteigenden Entwicklung und in ihr Leben und Lehre jener Männer, die Hervorragendes geleistet haben, eine ausführlichere Behandlung verdienen. Innerhalb des ersten Hauptteiles wird, diesem Gesichtspunkt gemäß, die Philosophie des A r i s t o t e 1 e s am eingehendsten ausgeführt. Der Abschnitt über ihn nimmt fast ein Drittel des ersten Hauptteiles in Anspruch. Es kommt darin die große Hochschätzung zum Ausdruck, die B r e n t an o zeitlebens dem Ar i s t o t e 1 es entgegenbrachte. Für diese Einstellung ist der Brief an 0. Kraus vom 21. 3. 1916 besonders charakteristisch, in welchem B r e n t an o schreibt: "Ich hatte mich zunächst als
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Lehrling an einen Meister anzuschließen und konnte, in einer Zeit kläglichsten Verfalles der Philosophie geboren, keinen besseren als den alten A r i s t o t e 1 e s finden, zu dessen nicht immer leichtem Verständnis mir oft T h o m a s v. A q u in dienen mußte." B r e n t an o s erstem Buch "Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach A r i s t o t e 1 e s" (Herder, Freiburg i. Br. 1862) ist die später aufgegebene, von Ar ist o t e 1 es übernommene Lehre zugrunde gelegt, daß neben Realem auch lrrealia (entia rationis) anzuerkennen seien. Das Buch zeigt deutlich, wie sehr B r e n t a n o sich in die Ontologie des Ar ist o t e 1 es vertieft hatte. Niederschlag der Beschäftigung mit den psychologischen Lehren des A r i s t o t e 1 e s ist B r e n t an o s zweites Buch "Die Psychologie des Aristoteles, besonders seine Lehre vom J~oiJ; not'7·meo; (Kirchheim, Mainz 1867). Mit diesem Buch habilitierte er sich an der philosophischen Fakultät der Würzburger Universität. Auch weiterhin blieb B r e n t an o dem Studium der Werke des A r i s t o t e 1 es treu. Zeugnis dafür geben die polemischen Schriften "Die Erkenntnistheorie des Aristoteles von Dr. Fr. Kampe" (Zeitschr. f. Phil. u. phil. Kritik, Bd. 95, Ulrici, Halle 1872) und "Offener Brief an Herrn Professor Eduard Zeller aus Anlaß von dessen Schrift über die Lehre des Aristoteles von der Ewigkeit des Geistes" (Duncker u. Humblot, Leipzig 1883), vor allem aber das kleine Buch "über den Creatianismus des Aristoteles", das 1882 (bei Tempsky, Wien) erschien. Schon 1874 war B r e n t an o s "Psychologie vom empirischen Standpunkt" herausgekommen, ein Aufsehen erregendes Werk, das zweifellos viel zu seiner Berufung als Ordinarius an die Wiener Universität beigetragen hat, wenn das Buch auch erst nach seiner Ernennung erschien. Bei aller Hochschätzung des A r i s t o t e 1 e s und wiederholter Bezugnahme auf ihn hatte sich B r e n t a n o damals doch schon in vielen Punkten von seinen Lehren abgelöst. Die Schrift über den Creatianismus ist 1911 in zweiter, etwas veränderter Auflage unter dem Titel "Aristoteles' Lehre vom
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Ursprung des menschlichen Geistes" (Veit u. Comp. Leipzig) von B r e n t a n o herausgegeben worden, was deutlich zeigt, daß er auch später, selbst wenn er in manchem eine abweichende Meinung vertrat, den Lehren des A r i s t o t e I e s höchste Bedeutung zumaß. In das gleiche Jahr 1911 fällt die Schrift "Aristoteles" (in v. Asters Sammelwerk "Große Denker" I) und vor allem das inhaltsreiche Buch "Aristoteles und seine Weltanschauung" (Quelle u. Meyer, Leipzig), in welchem einerseits die Darlegungen der früheren Publikationen über Ar i s t o t e I es zusammengefaßt und teilweise auch korrigiert werden, andererseits besonders die Gotteslehre des A r i s t o t e I e s eine eingehende Behandlung und Würdigung erfährt. Außer der hier nunmehr im Druck vorliegenden, den Vorlesungen über Geschichte der griechischen Philosophie entnommenen Darstellung findet sich aber in B r e n t a n o s wissenschaftlichem Nachlaß noch weiteres reiches Material zur Aristoteles-Forschung (vgl. Anmerkung 1 des Abschnittes VIII). Es sind ungefähr 2000 Seiten verschiedenen Formats, vorwiegend in B r e n t a n o s Handschrift, die in der BrentanoGesellschaft zu Prag unter Leitung von 0. K r a u s geordnet und fortlaufend paginiert wurden. Dazu kommen noch zahlreiche andere, nicht in die Paginierung einbezogene Abhandlungen, die zum Teil Entwürfe für die später im Druck erschienenen Schriften enthalten. Ein verhältnismäßig nur geringer Teil davon wurde in Prag abgeschrieben. Die übrigen Manuskripte sowie die in Prag hergestellten Abschriften wurden in den letzten Jahren vom Sohne Franz B r e n t an o s, Univ.-Prof. Dr. John C. M. Brentano, auf Mikrofilm aufgenommen und verschiedenen Univ.-Bibliotheken und wissenschaftlichen Instituten in Europa, Amerika und Australien, zusammen mit anderen Mikrofilmen von Schriften B r e n t a n o s, zur Verfügung gestellt. Dieses in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragene Material wollte Franz B r e n t a n o zu einer umfassenden Gesamtdarstellung der Philosophie des Ar i s t o t e 1 es verwerten, doch ist leider dieser Plan nicht mehr zur Ausführung gelangt. Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob und in welcher Weise
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diese mannigfachen (oft dasselbe Thema in verschiedener Form behandelnden) Entwürfe, Auszüge und Notizen zur Publikation gebracht werden sollten. Entweder könnten die wichtigsten Manuskripte - ohne festeren Zusammenhang - in einem Bande vereinigt, oder es könnte versucht werden, den Plan B r e n t a n o s, eine Gesamtdarstellung der Philosophie des A r i s t o t e I e s zu geben, möglichst in seinem Sinne, mit Zugrundelegung des vorhandenen Materials, zur Ausführung zu bringen. Natürlich würde die Entscheidung für die zweite Möglichkeit an den Herausgeber bedeutend größere Anforderungen stellen. Aus dem Gesagten ist zu entnehmen, daß Brentano, der sich, wie eben ausgeführt, sein ganzes Leben lang in intensiver Weise mit der Philosophie des A r i s t o t e I e s beschäftigte, zu den besten Aristoteles-Kennern neuerer Zeit zu rechnen ist; in kongenialer Einfühlung hat er anscheinend widersprechende Stellen zu deuten und miteinander in Einklang zu bringen verstanden. Es darf daher erwartet werden, daß die Darstellung der Philosophie des A r i s t o t e I e s im vorliegenden Band besonderem Interesse begegnen wird, um so mehr, als seine früher genannten Bücher und Schriften durchgehend vergriffen sind. 1 Aber auch den voraristotelischen Philosophen, besonders den Lehren der ionischen Naturphilosophen, wandte B r e n t an o besonderes Interesse zu. Die "Vorsokratiker" gehörten zu jenen Abschnitten der Vorlesung über griechische Philosophie, die sich bei den Studierenden besonderer Beliebtheit erfreuten, wie ich aus den Berichten älterer Brentano-Schüler entnehmen und aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Mir wurde B r e n t an o s .Geschichte der griechischen Philosophie", vom Beginn meines Studiums in Innsbruck ab, durch das gleichlautende Kolleg A. K a s t i I s zur Kenntnis gebracht. Mit höchstem Interesse und mit Begeisterung folgte ich den fesselnden Ausführungen meines Lehrers, die sich fast wörtlich an das Kolleg B r e n t an o s anlehnten. Einen Höhepunkt innerhalb der "Vorsokratiker" bildete das Kapitel 1 Inzwischen ist Brentanos erstes Buch "Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles" in zweiter Auflage in der Wissenschaft!. Buchgesellschaft (Darmsta:dt 1960) erschienen.
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über A n a x a g o r a s, in welchem A. K a s t i 1 auch B r e n t an o s schöne Ode an An a x a gor a s (Anmerkung 101 des Abschnittes I) vorzutragen pflegte. Die Kapitel über S o k r a t e s und P I a t o n waren zweifellos ebenfalls sehr interessant, aber man merkte doch, daß B r e n t a n o sich von den Lehren P 1 a t o n s etwas distanzierte. Daß er die Philosophie der nacharistotelischen Zeit als eine solche des zunehmenden Abstiegs betrachtete, geht schon aus seinem "Vier-Phasen-Gesetz" hervor. Es zeigt sich mit aller Deutlichkeit in den Ausführungen des zweiten Hauptteiles. Die Periode des Mystizismus, die in P I o t i n gipfelt, stellt nach ihm den schlimmsten Verfall dar. Von der Berücksichtigung der Literatur zur Geschichte der griechischen Philosophie aus der Zeit nach B r e n t an o wurde absichtlich Abstand genommen, um die Form der Darstellung nicht zu stören. Die neueren Autoren und ihre von der Auffassung B r e n t a n o s zuweilen abweichenden Interpretationen in die Anmerkungen aufzunehmen, erschien wegen der starken Erweiterung des Umfanges, die dadurch notwendig geworden wäre, ebenfalls untunlich. Was die Methode der vorliegenden Darstellung angeht, so hat B r e n t a n o sich der gebräuchlichen Ordnung nach Philosophen angeschlossen, obwohl nach seiner Meinung die vorzüglichere die nach Problemen ist. Die Ordnung nach Philosophen dient nämlich besser den Bedürfnissen des Anfängers, weil sie ihm eine übersieht über die philosophischen Systeme während des behandelten Zeitraumes bietet. Sie ist daher in Vorlesungen vorzuziehen, doch sollte sich an sie die Geschichte der Auffindung und Besprechung der wichtigsten philosophischen Lehrsätze anschließen. Da aber eine solche doppelte Behandlung über den Rahmen eines Universitätskollegs mit seiner zeitlichen Beschränkung hinausgereicht hätte, wurde von B r e n t a n o die historische Ordnung nach Philosophen gewählt und ein gewisser Ersatz für die mehr wissenschaftliche Ordnung nach Problemen durch die Art der Darstellung und durch rückblickendes Bezugnehmen angestrebt. Jede Darstellung der Geschichte der Philosophie soll nach
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B r e n t a n o sowohl einen historischen wie philosophischen Zweck verfolgen. In historischer Hinsicht ist die "Gesamtheit der Erlebnisse jener Männer" zu bieten, die sich während eines bestimmten Zeitraumes der philosophischen Forschung widmeten. Der Verlauf zeigt immer eine gesetzmäßige Entwicklung von Ereignis aus Ereignis, von Zustand aus Zustand. So werden wir mit den hervorragendsten Geistern bekannt, mit dem Adel der Menschheit, und zwar gerade in ihrer vornehmsten Tätigkeit: in ihrem Ringen nach Erkenntnis. Der philosophische Zweck gipfelt in der Herausarbeitung der Wahrheit. Darum geht es B r e n t an o in erster Linie, und weiter will er auch zeigen, daß dem Menschengeschlecht die Fähigkeit zu dem von Gott vorbestimmten Ziele zukommt, nämlich die Wahrheit zu erkennen und dieser Erkenntnis gemäß zu leben. Dem vorliegenden Band ist, wie gesagt, der Vorlesungstext B r e n t a n o s zugrunde gelegt. Wenn in den Anmerkungen von kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg K a s t i I s oder aus U eberweg s "Geschichte der Philosophie" I gesprochen wird, so handelt es sich um geringfügige Änderungen, einerseits durch Ausführung der im Original zuweilen nur in Schlagworten angedeuteten Gedanken, andererseits durch Hinzufügung von Jahreszahlen, Zitaten u. dgl. Wiederholungen, wie sie in jedem Kolleg vorkommen, wurden ausgelassen. Auch wurden einige der langen griechischen Zitate - namentlich bei den Vorsokratikern - durch den deutschen Text ersetzt, dem Umstand Rechnung tragend, daß die Kenntnis des Griechischen unter den Studierenden nicht mehr so allgemein verbreitet ist wie zur Zeit B r e n t an o s. Nur ganz vereinzelt wurden Änderungen vorgenommen, um die Darstellung dem letzten Stand der Lehren B r e n t a n o s anzupassen. So in Hinsicht auf die Definition von Wissenschaft (vgl. Anmerkung 2 zur "Einleitung") und von Philosophie (Anmerkung 7, ebenda). Einige Male wurden zur Ergänzung Stellen aus anderen Schriften B r e n t a n o s herangezogen, was in den Anmerkungen angegeben ist. In den Anmerkungen ist auch angeführt, welche übersetzun-
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gen der aus dem Griechischen herangezogenen Zitate von B r e n t a n o selbst stammen. Die Anmerkungen, eine ausführliche Inhaltsübersicht, wie sie alle aus dem Nachlaß B r e n t an o s herausgegebenen Werke (sowohl die in der Phil. Bibliothek von F. Meiner wie die im Verlag A. Francke, Bern, erschienenen) enthalten, sowie em Namen- und Sachregister wurden von mir hinzugefügt. Es ist mir schließlich ein Bedürfnis, Herrn Univ.-Prof. Dr. R. Strohal und Herrn Univ.-Prof. Dr. K. Jax für ihre Hilfsbereitschaft und Unterstützung meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Ersterer ist mir mit wertvollen Ratschlägen im Hinblick auf schwerverständliche Textstellen beigestanden, letzterer hat in liebenswürdiger Weise die mühevolle Überprüfung der griechischen Zitate übernommen. Der vorliegende Band zeigt Franz B r e n t an o von einer etwas anderen Seite als die vorausgegangenen Bände, nämlich als tiefschürfenden Forscher und geistvollen Interpreten auf dem Gebiete der Geschichte der Philosophie. Dadurch bietet dieser Band eine Ergänzung für das Verständnis von B r e n t an o s genialer Persönlichkeit mit seinen vielseitigen Interessen und Arbeitsrichtungen. Innsbruck, 16. August 1960
Franziska Mayer-Hillebrand
Vorbemerkung zur zweiten Auflage Franz Brentanos "Geschichte der griechischen Philosophie" wird im Rahmen einer in Vorbereitung befmdlichen historisch-kritischen Ausgabe seiner Werke erst zu einem verhältnismäHig späten Zeitpunkt vorgelegt werden können. Um ein längeres Fehlen des Textes zu vermeiden, entschlossen sich die Franz Brentano Foundation und der Verlag zu einem im Wesentlichen unveränderten Nachdruck des von Franziska Mayer-Hillebrand herausgegebenen Bandes (1963 Francke, Bern/München; ab 1977 Felix Meiner, Hamburg). In diesem wurde auf die von der Herausgebeein nicht besonders gekennzeichneten, sondern nur in den Anmerkungen erwähnten Kürzungen, Änderungen und Ergänzungen aus anderen Quellen durch ein Sternchen am Textrande hingewiesen. Wir danken Herrn Dr. Josef M. Werle für diese Anregung und für seine Bemühungen, die den Gebrauchswert der Ausgabe erhöht haben. Im Februar 1988
Der Verlag
INHALTSüBERSICHT Einleitung Was ist Geschichte der Philosophie? I. Beabsichtigt ist eine Darstellung der Geschichte der grie-
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chischen Philosophie von ihren ersten Anfängen bis zu Plotin, wobei aber nur das Wesentliche herausgehoben werden kann . . . . . . . . . . . . . Die Geschichte der Philosophie zeigt nicht wie die meisten anderenWissenschaften einen stetigen Fortschritt, sondern auch Zeiten deutlichen Verfalls. Hierin ähnelt sie der Geschichte der schönen Künste . . . . . . . . . . Zweifellos verdienen die Phasen der aufsteigenden Entwiddung in höherem Maße unser IntereHe als die Zeiten des Verfalls. Jene Philosophen, die zum Aufstieg oder auch zum Verfall in besonderer Weise beigetragen haben, werden eine eingehendere Behandlung erfahren. Wenn bei einem Philosophen beides zusammentrifft, d. h. wenn er in einer Periode der Aufwärtsentwicklung Hervorragendes leistete, so wird Leben und Lehre darzulegen und auch die Methode seines Forschens sowie sein Einfluß auf Spätere zu untersuchen sein . . . . . . . . . Zuvor aber ist es notwendig, Begriff, Zweck und Methode der Geschichte der Philosophie zu bestimmen und ihre Einteilung festzulegen . . . . . . . . . . . . . Um sagen zu können, was Geschichte der Philosophie sei, muß angegeben werden, was wir unter .Geschichte" und was wir unter .Geschichte einer Wissenschaft" zu verstehen haben. Geschichte im objektiven Sinne umfaßt alles Geschehene, insbesondere das, was sich mit dem Menschen zugetragen hat. Im subjektiven Sinne ist Geschichte die Erkenntnis und Darstellung der Erlebnisse des Menschen . . . . Die Begriffsbestimmung .Geschichte einer Wissenschaft" setzt voraus, daß wir uns klarmachen, was unter Wissenschaft zu verstehen ist. Von Wissen im weiteren Sinne spricht man, wenn etwas mit Sicherheit als wahr erkennbar ist oder doch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit spricht. Im engeren Sinn spricht man von Wissen, wenn man etwas nicht nur als tatsächlich, sondern als notwendig erkennt. Einen besonderen Fall von letzterem bildet die Einsicht in die Notwendigkeit. Wissenschaft ist demnach eine Gattung
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Inhaltsübersilht von Erkenntnissen, die zu einem bestimmten Zweck in entsprechender Ordnung und Vollständigkeit zusammengestellt wurden . . . . . . . . . . . . . . . Doch ist nicht jeder Komplex von Erkenntnissen als Wissenschaft zu bezeichnen, sondern die Erkenntnisse müssen von allgemeinem Interesse sein und einem bestimmten allgemeinen Zweck dienen. Stehen sie in einem natürlichen Zusammenhang, so spricht man von theoretischen Wissenschaften (Wissenschaften im engeren Sinne) Im Gegensa-tz zu den theoretischen Wissenschaften, die um ihres Eigenwertes willen gepflegt werden, dienen die praktischen Disziplinen einem praktischen Zweck . . . . . Sowohl bei den theoretischen wie bei den praktischen Wissenschaften handelt es sich also um eine Zusammenordnung von Erkenntnissen in Forschung und Lehre. Bei den praktischen Wissenschaften ist der einigende Zweck ein äu~erer und die einzelnen Sätze verbindet häufig keine innere Beziehung; die Sätze der theoretischen Wissenschaften stehen dagegen in innerem Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die theoretischen Disziplinen lassen sich in konkrete und abstrakte einteilen. Die konkreten Wissenschaften handeln von Einzelta-tsachen (z. B. die historische Wissenschaft), die abstrakten suchen die einzelnen Tatsachen zu erklären (z. B. Mathematik); man nennt sie auch Gesetzeswissenschaften. Diese gliedern sich wieder in Wissenschaften a posteriori und a priori. Bei den ersteren kann nur die Erfahrung über die Wirklichkeit von Dingen und Vorgängen entscheiden; die apriorischen Gesetze leuchten aus den Begriffen ein. Die Erfahrungswissenschaften zerfallen in NaturwissenschaJten und Philosophie. Die Naturwissenschaften beziehen sich auf körperliche (physische) Realitäten, die Philosophie handelt von den geistigen (psychischen) Reali~~
11. Dies führt zu den Fragen: • Was ist Philosophie? • und .Ist sie eine Wissenschaft?" Zur zweiten Frage kam es: a) Wegen der Uneinigkeit der Philosophen. b) Wegen des Wandels der Prinzipien. c) Zufolge der allgemeinen Meinung, die der Philosophie häufig den Charakter der Wissenschaftlichkeit abspricht. Doch lassen sich diese Argumente widerlegen, vor allem durch den Hinweis, da,ß es allgemein gesicherte Lehrsätze gibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Daß die Geschichte der Philosophie einen anderen Verlauf zeigt als die meisten anderen Wissenschaften erklärt sich: a) Durch die geringe Zahl der Träger der philosophischen Erkenntnisse. b) Daraus, daß die Philosophie in Notzeiten einen Stillstand erleidet, weil sie nicht den Bedürfnissen des Lebens dient . . . • . . • • • • • • • • .
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Inhaltsübersicht 13. Es wird aber auch die Einheit der Philosophie bezweifelt. Bei ihrer Definition zeigt sich eine auffallende Verschiedenheit, es werden die verschiedensten Disziplinen zu ihr gerechnet, so daß man meinen könnte, es handle sich um ein Konglomerat von Wissenschaften . . . . . . 14. Die Erfahrung spricht jedoch für die Verwandtschaft dieser Disziplinen. Schon von jeher wurden die Zusammenhänge anerkann-t, und die als philosophische zusammengefaßten Fächer wurden von den gleichen Forschern bearbeitet . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. In einem allgemeineren Sinne kann man die Philosophie als einheitliche Wissenschaft ·betrachten, weil sie vom R e a 1 e n a 1 s s o 1 c h e n handelt und alles auf seinen letzten Grund zurückzuführen sucht. Die Einheit läßt sich auch in folgender Weise begründen: a) Das Objekt des Denkens muß wie der Denkende unter einen einheitlichen Begriff fallen. b) Es gibt für alles nur einen letzten Grund, ein unmittelbar notwendiges Wesen. So ist nicht nur die Einheit der Philosophie bewiesen, sondern auch ihr Begriff gefunden. Man pflegt zum Gebiet der Philosophie zu rechnen die beiden theoretischen Disziplinen der Meta.physik und Psychologie und die praktischen Disziplinen: Ethik, Logik und Ästhetik (manchmal auch Politik und Soziologie) . . 16. Da das Reale auch, ja vor allem, das Psychische einschließt, scheint aus unserer Definition zu folgen, daß jene, die nur Physisches anerkannten (z. B. d·ie Epikureer und Stoiker), nicht unter die Philosophen zu rechnen seien. Aus diesem Grunde wollte man möglichst .farblose" Definitionen der Philosophie aufstellen. Doch nicht farblos, nur richtig muß der Begriff sein. Wenn der Gegenstand der Philosophie vor allem geistig ist, so haben eben auch jene ,sich auf geistigem Gebiete bewegt, die nur Körperliches gelten lassen wollten. Geschichte der Philosophie ist somit die Erkenntnis und Darstellung der Wissenschaft vom Realen als solchen. Es handelt sich m. a. W. darum, das Erleben beim Streben nach diesem Wissen zu erkennen und darzustellen
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Zweck der Geschichte der Philosophie. 17. Dieses Unternehmen hat einen doppelten Zweck; der nähere ist der historische, der entferntere der philosophische . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Die historische Erkenntnis ist in dreifacher Beziehung wertvoll: a) Weil sie die Gesamtheit der Erlebnisse früherer Forscher darstellt.
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b) Weil sie eine gesetzmäßige Entwicklung aufzeigt. c) Weil sich aus ihr die Fähigkeit der Menschen zu dem von Gott vorbestimmten Ziel entnehmen läßt . . . . 19. In Hinsicht auf den philosophischen Zweck sind die Ansichten geteilt. Einerseits wird behauptet, daß sich alle Wissenschaft in Geschichte auflöse (E. Renan), andererseits wurde jeder philosophische Gewinn aus ihr geleugnet (Descartes). Beides ist irrig. Aus der Kenntnis der Problemgeschichte läßt sich für die Philosophie großer Vorteil ziehen .
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Methode der Geschichte der Philosophie. 20. a) Hat die Geschichte der Philosophie bloß die Ansichten der Philosophen oder auch deren Wert und Wahrheit zu erforschen und da·rzulegen? b) Soll die Darstellung nach Philosophen oder na.ch Problemen geboten werden? 21. Ad a. Beides ist ihre Aufgabe. Es sind weiter auch die Gründe für die Lehren zu erforschen und die gesunden, wenn auch noch unvollkommenen Ansätze zu würdigen . . 22. Ad b. Sowohl die Ordnung nach Philosophen wie nadl Problemen ist möglich und durchgeführt worden. Der Zweck bestimmt, welche den Vorzug verdient. Für den eigentlich philosophischen Zweck ist die Ordnung nach Problemen vorzüglicher, weil sich aus ihr das Zustandekommen und die Schwierigkeiten der verschiedenen Lösungsversuche erkennen lassen. Doch hat auch die Ordnung nach Philosophen ihre großen Vorzüge, vor allem gestattet sie eine raschere Orientierung über den Gesamtstoff. Sie gewährt auch Einblick in die Charaktere der Forscher. Am besten wäre die Verbindung beider Methoden. Um den Umfang der Darstellung nicht allzusehr zu vergrößern, wird im folgenden die Ordnung nach Philosophen zugrunde gelegt, wobei aber eine rückblickende Bezugnahme die Probleme und ihre Behandlung berücksichtigen soll Einteilung der Geschichte der Philosophie des Altertums. 23. Die Geschichte der Philosophie ist durch eine eigentümliche Gesetzmäßigkeit gekennzeichnet, durdl einen Wechsel von Aufstieg und Verfall, der sich in Altertum, Mittelalter und Neuzeit wiederholt. Die erste Phase ist die der aufsteigenden Entwicklung, cha·rakterisiert durch lebendiges und reines theoretisches Interesse und durch eine naturgemäße Methode. Die zweite Phase bildet das erste Stadium des Verfalls, das Abnahme des reinen wissenschaftlichen Interesses und Vorherrschaft praktischer Motive zeigt. Das zweite Stadium des Verfalls ist die Epoche der Skepsis; dem Verstande wird die Fähigkeit zu sicherer Erkenntnis abgesprochen oder doch sehr
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lnhal tsübersicht eingeschränkt. Aber die Skepsis befriedigt nicht, und so kommt es zum dritten Stadium des Verfalls: zum Streben, durch unmittelbar intuitive Kräfte die Erkenntnis an sich zu reißen. Es ist die Phase der l\1ystik . . 24. Begreiflicherweise sind die einzelnen Stadien nicht scharf voneinander gesondert . 25. Gegen die Lehre von den vier Phasen wurden Einwände erhoben: a) Erscheinungen eines späteren Stadiums treten zuweilen schon früher ein, andererseits bestehen die Erscheinungen eines früheren Stadiums häufig weiter fort. Darauf läßt sich erwidern, daß die Einteilung der Stadien nach dem in ihnen vorherrschenden Charakter erfolgt. b) Die Stadien sind von sehr ungleicher Länge. Dieser Einwand ist von geringer Bedeutung. Für die Abschnitte der Geschichte sind die Entwiddungsmomente maßgebend, deren Gewicht ein ungleiches ist. c) Die nach den vorgetragenen Gesichtspunkten vorgenommene Wertung der Philosophen und Zeiten stimmt mit der üblichen vielfach nicht überein. - Demgegenüber ist zu sagen, daß sich die Einschätzung nach unseren Gesichtspunkten immer mehr durchsetzt (z. B. hinsichtlich Plotins). Die Philosophie wurde gerade dann verachtet, wenn man solche Denker feierte; übrigens begreift jede Zeit sich selbst am schwersten. Auch wird die hohe Begabung jener Philosophen, die Verfallszeiten einleiteten, nicht geleugnet . . . . . . 26. Das Gesetz der vier Phasen gewährt Einblid: in den Charakter der verschiedenen Perioden. Es erlaubt auch Voraussagen hinsichtlich der weiteren Entwid:lung .
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Quellen unserer Kenntnis der griechischen Philosophie. 27. Es gibt unmittelbare und mittelbare Quellen für die Geschichte der griechischen Philosophie: I. Unmittelbare Quellen. Zu ihnen gehören die uns erhaltenen Werke (oder Bruchstüd:e) der Philosophen selbst und Kommentare über diese. II. Mittelbare Quellen. A. Aus dem Altertum stammende Literatur. Zu erwähnen sind die Berichte über vorangegangene Philosophen bei Platon und Xenophon (über Sokrates). Ganz besonders wertvoll sind die ausführlichen Angaben des Ari,~toteles. Theophrast verdanken wir Erläuterungen der Lehre des Aristoteles. Unter den späteren Berichterstattern wären besonders zu nennen: Cicero, Plutarch, Sextus Empiricus, Diogenes Laertius. B. Neuere Literatur. Hiezu gehören: 1. Die Sammlungen von Fragmenten. 2. Die Sammlungen von Quellenschriften. 3. Darstellungen der griechischen Philosophie . . . . .
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Inhaltsübersicht Erster Hauptteil Die aufsteigende Periode schen Philosophie
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Einleitende Bemerkungen. 1. Die ältesten Staatenbildungen weisen auf Ursprung aus der Familie hin 2. Bald hildete sich eine Zweiheit von Staatsformen heraus, eine t~eokratische und eine militärische, je nach den gegebenen Verhältnissen. In den militärischen Staaten, zu denen auch Griechenland gehörte, entwickelte sich mit den gesteigerten Anforderungen eine größere Selbständigkeit, die Wissenschaft und Kunst zur Entfaltung brachte . 3. In Hella-s, und zwar in den Kolonien (Kleinasien) mehr noch als im griechischen Mutterland, haben wir den Ursprung der Philosophie zu .suchen . . . . .
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Einteilung der aufsteigenden Periode. 4. Chronologisch lassen sich in der aufsteigenden Periode 10 Hauptgruppen (Richtungen oder Schulen) unterscheiden 5. Doch zieht man gewöhnlich eine andere Einteilung vor, bei der man die ionische Naturphilosophie in eine ältere und jüngere Gruppe zerlegt und zwischen sie die Pythagoreer und Eleaten einschiebt . . . . . . . 6. Diese Scheidung soll hier aber nicht gemacht werden, weil die Lehren der früheren und späteren Ionier engstens zusammenhängen . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Teilung erschiene nur zweckmäßig, wenn ein bedeutender Einfluß von anderen Schulen her auf die ionische ausgeübt worden wäre. Dies aber war nicht der Fall; erst in Sokrates fließen die Lehren der ionischen Naturphilosophen und der Eleaten (aus denen sich die Sophisten entwickelten) zusammen. In Platon kommt als dritter Zufluß noch die pythagoreische Schule hinzu 8. So gelangen wir zu folgender Einteilung: I. Die ionischen Naturphilosophen. II. Die Eleaten. 111. Die Sophisten. IV. Sokrates. V. Die unvollkommenen Sokratiker: elisch-eretrische, megarische, kynische, kyrenaische Schule. VI. Die Pythagoreer. VII. Platon und die Akademie. VIII. Aristoteles
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Inhaltsübersicht
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I. Abschnitt Die ionischen Naturphilosophen 1. A 11 gemeines. Die Heimat der ionischen Naturphilosophie ist die Griechenland zugewendete Küste Kleinasiens und die vorgelagerte Inselwelt. • Naturphilosophie", weil sie sich von der Naturbetrachtung zu philosophischen Fragen erhob . . . . . . . 1. Kap. Thales. 2. Thales wurde in Milet um 640 v. Chr. geboren, erreichte angeblich ein Alter von 96 Jahren. Obwohl aus vornehmem Geschlecht stammend, hielt er sich von öffentlichen Angelegenheiten ferne und widmete sich ganz philosophischen Betraditungen. Doch suchten seine Mitbürger auch in praktischen Fragen häufig Rat bei ihm. Berühmt gemacht hat ihn die Voraussage einer Sonnenfinsternis . . . . 3. Nur 4 Grundsätze aus der Lehre des Thales werden von Aristoteles berichtet. I) Das, woraus alles besteht, woraus es zuerst entsteht und worin es zuletzt untergeht, ist das Wasser. 2) Die Erde ruht auf dem Wasser. 3) Der Magnetstein ha·t eine Seele, denn er zieht das Eisen an. 4) Das All ist voll von Göttern . . . . . . . 4. Von Aristoteles wird eine Mehrheit von Gründen für die Lehre des Thales angegeben . . . . . . . . . . 5. Von ihnen erscheinen jene als die wahrscheinlichsten, aus denen sich der Zusammenhang mit seinen Schülern (Anaximander) erklären läßt. Es sind folgende Gedankengänge: a) Die Extreme lassen sich aus einem Mittleren ableiten (das Wasser bildet die Mitte zwischen Verdampfen und Gefrieren). b) Das Wasser trägt und umschließt alles. c) Dem Wasser kommt Beweglichkeit zu. d) Pflanzensaft und Blut, also Flüssigkeiten, geben dem Körper Leben . . . . . . . . . . . 6. Wenn auch die Eigenschaften wechseln, so bleibt doch die Grundsubstanz des Wassers erhalten . . . . . . . 7. Die Beweglichkeit des Wassers erklärt den Wechsel der Eigenschaften. Alles ist nach Thales beseelt, und die Ursubstanz ist die Gottheit. Die ganze Weltentwicklung ist als Evolution der Gottheit aufzufassen. Die Lehre des Thales ist demnach ein pantheistischer Hylozoismus 8. Das Wasser, unermeßlich und ewig, bringt in steter Bewegung aus sich die Welt hervor . . . . . . . 9. Wie das Wasser die Welt aus sich hervorgebracht hat, wird es sie auch wieder verschlingen . 10. Die Lehre des Thales, des Vaters der Philosophie, trägt den Keim einer mächtigen Entwiddung in sich . . . .
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Inhaltsübersicht 2. Kap. Anaximander.
11. Anaximander, ein Smüler und Freund des Thales, soll 547 v. Chr. eine Smrift über die Na.tur (Tleei cpvoew, oo. ja mit denselben Namen wie die göttliche Ordnung selbst: Zevq {},.;,, LJt"'1· ävar"'1• am häufigsten aber J.Oya, "die das Weltganze beherrschende Vernunft". "Gott ist Tag und Nacht, Winter und Sommer, Krieg und Friede, Sättigung und Hunger. Er verwandelt sich in das Feuer und wird gleich diesem, wenn es sich mit Rauchwerk vermengt, nach jedermanns Belieben benannt. "48 Auf die Überzeugung von der Güte und Gerechtigkeit dieses der Welt innewohnenden göttlichen Vernunftprinzips gründet sich H e r a k 1 i t s, die Grenzen der Erfahrung übersteigender Optimismus. "Die unsichtbare Harmonie ist schöner als die sichtbare. "49 "Die Menschen meinen, das eine sei recht, das andere unrecht, für Gott ist alles schön und gut und recht. "so "Wie der schönste Affe häßlich ist im Vergleich mit der Gat-
Wechsel von Weltentstehung und Weltuntergang
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tung Mensch, so erschiene der weiseste Mensch im Vergleich mit Gott wie ein Affe an Weisheit, Schönheit und allen Eigenschaften. "51 Nichts entzieht sich der Macht und Einsicht des göttlichen Vernunftprinzips. "Wie könnte man verborgen bleiben vor dem Lichte, das nicht untergeht?"s2 Wie aber alles einzelne in der Welt durch das vernünftige Walten des göttlichen Feuers gemessen und geordnet ist, so ist natürlich auch das Ganze der Weltentwicklung nach Maß bestimmt. "Die Welt ist, war immer, und wird sein lebendiges Feuer, sich entzündend nach Maß und wieder verlöschend nach Maß." 53 Der uns umgebende, die ganze Welt durchdringende Feuerhauch ist ist also ein verständiges Wesen, d. h. indem die Welt in endlosem Wechsel aus dem Feuer sich entwickelt und wieder durch das Feuer verzehrt wird, kehren in jedem neuen Weltsystem genau die Maßverhältnisse des alten wieder. Denn, sagt ein anderes Fragment, "das Meer wird ausgegossen und gemessen nach demselben Verhältnis wie es früher war, ehe es Erde geworden".M Dasselbe wird von allem übrigen gelten. Es wird mit der Welt geschehen, was nach Her a k I i t täglich mit der Sonne geschieht; denn jeder neue Tag hat nach ihm eine neue Sonne, wenn auch nach dem Maße der alten. Wegen dieses beständigen Wechsels von Weltentstehung und Weltuntergang vergleicht Her a k 1 i t den weltbildenden Zeus mit einem Kinde, welches Häuser aus Sand aufbaut und wieder zerstört. 35. D i e L e h r e v o n d e r S e e I e. Auch die Seele gilt dem Her a k I i t als Feuer, das sich durch den Atmungsprozeß erhält, denn durch ihn ziehen wir an uns die göttliche Vernunft (nl {}eiov l6yov) und auch durch die Sinne tritt das Göttliche in uns ein. Hören wir zu atmen auf, so sind wir tot, und es erlischt das Licht, das in uns angezündet war. Lebend aber kommen wir den Toten nahe, wenn wir schlafen und die Augen erloschen sind. Hienach sollte man meinen, H e r a k I i t müsse den Unsterb-
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Die Seele ist nadJ. Heraklit unsterblim;
lichkeitsglauben ablehnen. Aber nein! Im Tode vom Leibe scheidend, soll die Seele in Freiheit fortbestehen und Lohn oder Strafe empfangen. "Die Menschen erwartet ein Los, wie sie es nicht hoffen, noch glauben. "55 Im besonderen hebt er die Seligkeit derjenigen hervor, die, der Pflicht getreu, ihr Leben dahingegeben haben.5 6 - In der Tat ist der Gedanke einer ausgleichenden Gerechtigkeit ein besonders eindringliches Argument für die Unsterblichkeit, wenigstens für alle diejenigen, welche an einen weisen und gütigen Gesetzgeber glauben. Muß ihm gehorchen nicht zu immer größerem Glück führen? Immerhin jedoch scheint der Lohn, den Her a k 1 i t verspricht, kein ewiger zu sein, denn er läßt die Seele, aus jenem Leben zurückkehrend, wieder mit einem Leibe verbunden werden. Und was so in der Zukunft zu erwarten ist, hat sich auch in der Vergangenheit schon erfüllt. H e r a k 1 i t scheint also nicht bloß die Unsterblichkeit, sondern auch eine Präexistenz, und wenn auch nicht gerade eine Seelenwanderung im gewöhnlichen Sinne, doch eine wiederholte Vereinigung der Seele mit verschiedenen Leibern zu lehren. "Unsterbliche sind sterblich, Sterbliche unsterblich: die einen leben auf im Tode des anderen und ersterben in ihrem Leben. " 57 Der Sinn scheint der: Her a k 1 i t dachte offenbar, daß ein gewisser Teil der göttlichen Feuersubstanz in den Körper eintritt und mit dessen Tode ihn wieder verläßt. Als Teil der göttlichen Feuersubstanz ist die Seele selbst etwas Göttliches. Indem sie aus einem höheren Dasein in den menschlichen Leib eintritt, stirbt sie für dieses höhere Leben ab. Umgekehrt wieder: dadurch, daß der Körper abstirbt, erlangt das Feuerwesen seine ursprüngliche Freiheit. Besser als H e r a k 1 i t s Lehre von der Unsterblichkeit stimmt mit seinen Prinzipien die Weise, wie er die Erscheinungen der Trunkenheit zu erklären sucht. Er denkt sie sich als Einfeuchtung der Seele, die ihrer Feuernatur notwendig entgegengesetzt ist. "Ein Mann, wenn er berauscht ist, wird geführt von einem unmündigen Knaben; wankend weiß er nicht. wohin er geht, indem er eine feuchte Seele hat."5S
Bewegung und Erkennen zeichnen sie aus
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"Die trockene Seele ist die beste, die feuchte Seele des Trunkenen aber ist unweise. "5o Darum mahnt er auch die Schweiger, sie sollten bedenken, daß Dionysios und Hades, der Wein- und der Todesgott, identisch sind. Sie mögen also an diesen beim Gelage sich erinnern. Die Anfeuchtung ist eine Annäherung an das Erlöschen. So erklären sich, meint H e r a k 1 i t, auch noch andere Erscheinungen: Die Kälte der Leiche und der Abscheu, den wir vor Leichen haben und den er selbst in hohem Maße teilt. "Leichname verdienen eher als Mist hinausgeworfen zu werden. " 80 Das Göttliche im Menschen, die Seele, ist eben in ihnen erloschen. Das Beseelte ist nach der Auffassung der ältesten Psychologen durch zwei Merkmale ausgezeichnet, durch die willkürliche Bewegung und durch das Erkennen. Beides erklärt sich nach Her a k 1 i t aus der ewigen Bewegtheit des Feuerstoffes, der ja nach ihm identisch ist mit der im Menschen wohnenden vernünftigen Seele. Die Seele, die den Leib wie ein Blitz die Wolke durchzuckt, führt zur willkürlichen Bewegung. Und: "Durch das Bewegte erkennt man das Bewegte." Dies sei, wie A r i s t o t e 1 es berichtet, ein Lehrsatz Her a k 1 i t s gewesen.81 Hier wäre wohl zum ersten Male deutlich ausgesprochen, daß Ähnliches durch Ähnliches erkannt werde. Wir werden diesem Satze immer wieder begegnen. a) Aber nicht jede Bewegung des seelischen Feuers ist nach Her a k 1 i t Erkenntnis. Wo bliebe da der Irrtum? - Was ist das Unterscheidende? Her a k 1 i t findet es in dem Gemeinsamen: "Den Wachenden ist eine und eine gemeinsame Welt, aber jeder Schlafende wendet sich in seine eigene."&2 b) Damit will er aber nicht die sententia communis autorisieren, die oft nur dadurch entsteht, daß einer dem anderen nachschwätzt. Nein! Das ist es ja gerade, was er den Menschen vorwirft, daß sie nicht wüßten, wie einer, wenn er der Beste sei, viele Tausende aufwiege.ea Das Gemeinsame, das für ihn Wert hat, sind die allgemeingültigen, notwendigen Gründe der Vernunft, im Gegensatz zu den individuellen Vorurteilen und willkürlichen subjektiven Meinungen. "Darum", sagt er, "muß man dem Gemeinsamen
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Es gibt ein göttlimes Vernunftgesetz;
folgen; aber obschon die Vernunft gemeinsam ist, leben die meisten, als hätten sie eine besondere Weise, etwas einzusehen. "64 Durch das allen Einleuchtende also soll man seine Behauptungen begründen . • Gemeinsam ist allen das Denken; mit Vernunft spredlend, muß man sein Wort durdl das allen Gemeinsame festigen, wie eine Stadt durch die Gesetze und noch viel fester. Denn alle menschlidlen Gesetze nähren sich von dem einen göttlichen. " 65 Das Gesetz, das im Staate gilt, will er sagen, ist von Menschen gegeben. Das Vernunftgesetz dagegen, auf das wir unsere Behauptungen stützen sollen, ist göttliches Gesetz. Und die Berufung darauf ist also noch sicherer und gültiger, da alle menschlichen Gesetze nur gültig sind, insofern sie von dem einen göttlichen Gesetz Kraft empfangen. Darum widerspricht es nicht dem, was wir soeben von ihm hörten, sondern stimmt vielmehr damit zusammen, wenn er von sich sagt, er frage sich selbst und lerne alles von sich selbst.66 Und wieder nichts anderes ist es, wenn er sagt: .Der nüchterne Mann hört auf die Gottheit, wie das Kind auf den Mann. "67 Was zu ihm spricht, ist die gemeinsame Vernunft in ihm. c) Von ihr geleitet, forscht er und gräbt er mühsam nach der Wahrheit; doch findet er nur wenig, denn mit der Gottheit verglichen hat der Mensch niemals Wissen, und die Wahrheit selbst wird ihm niemals recht enthüllt. Auch die eigene Seele nicht (wohl, weil sie Gott verwandt ist) . • Der Seele Grenzen findest du nicht, auch wenn du alle Straßen wanderst, so tief reicht ihr vernünftiges Wesen. "es Aber dennoch ist es Gold, was er sich in dem Schacht erwühlt, denn auch seine geringe Erkenntnis bleibt ein hohes Gut. Und darum haßt H e r a k I i t die Schmiede und Zeugen des Truges und droht ihnen mit der vergeltenden Gerechtigkeit. Und auch willkürliche Meinung gilt ihm schrecklicher als die heilige Krankheit, die Epilepsie.69 d) Nur die reine Seele kann zur Wahrheit gelangen. Wenn sie beschmutzt ist, helfen auch die Sinne nichts, die sonst wohl Mittel der Erkenntnis werden können (namentlich das Ohr und mehr noch das Auge), indem die umgebende Vernunft durch sie
diesem ist immer zu gehorchen
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in uns eingeht. ~Aber wenn Unrat die Seele füllt, sind Auge und Ohr dem Menschen schlechte Zeugen. "7o 36. D i e E t h i k. Dies etwa ist H e r a k l i t s Lehre von der Erkenntnis. Doch bergen seine Aussprüche auch einen tiefen ethischen Gehalt. Er verfolgt auch auf diesem Gebiete bestimmte Prinzipien. Für das höchste Gut soll er die Zufriedenheit (~aeson-Jot>) erklärt haben. Dieser Name kehrt später bei den Stoikern wieder und wäre etwa zu übersetzen mit "beseligende Befriedigung". Worin besteht nun diese und wodurch wird sie uns zuteil: Etwa dadurch, daß jeder unserer Wünsche sich erfüllt? Her ak l i t ist weit entfernt von einer solchen Antwort. "Es ist nicht gut, daß den Menschen wird, was sie wünschen. Krankheit macht die Gesundheit gut und süß, Hunger die Sättigung, Arbeit die Ruhe." 71 Und der Willkür, die er auf dem Gebiete der Meinung bekämpft, tritt er auf dem Gebiete des Handeins mit gleicher Strenge entgegen. Der ungebundene Eigenwille und die trotzige Anmaßung sind ihm verhaßt. "Den Übermut soll man löschen, mehr als einen Feuerbrand. "72 Auch hier will H e r a k l i t, daß man auf die Stimme der Natur hört und ihrem Gesetz sich unterordnet. "Besonnenheit ist der Tugend größte, und Weisheit ist, das Wahre sprechen und tun, indem man hört, was die Natur spricht." 73 Dann aber ist unser Glück gesichert, in dem Gehorsam gegen die Natur finden wir jene Zufriedenheit, die uns glücklich macht. So ist also unser Geschick in unsere eigene Hand gegeben. "Das Gemüt des Menschen ist sein Schicksal. "74 Die Gesetze des Staates sind H e r a k l i t heilig, sind sie es ja doch, ohne welche die Menschen den Namen der Gerechtigkeit nicht kennen würden. "Das Volk soll darum kämpfen für seine Gesetze wie für seine Mauern. "75 Aber wenn auch in ihnen zunächst die Richtschnur für das Handeln liegt, so ist diese doch zuhöchst in dem göttlichen Gesetz gegeben. Denn "alle menschlichen Gesetze", sagt er in dem schon früher erwähnten schönen Ausspruch, "nähren sich von dem einen göttlichen". Dieses steht also fester als jene.
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Großartiger Fortschritt bei Heraklit,
Stimmen die menschlichen Gesetze nicht mit dem göttlichen überein. so verdienen sie keine Ehrfurcht, mögen sie nun durch die Willkürherrschaft eines einzelnen oder den gemeinsamen Unverstand der Masse gegeben sein. Denn auch hier ist nicht dieses die g e m e i n s a m e V e r n u n f t, der H e r a k 1 i t sich beugt. Diese kann auch in der Stimme eines einzelnen sprechen, und auf diesen zu hören. ist dann für die übrigen Pflicht. "Es ist Gesetz, auch dem belehrenden Rat eines einzigen zu folgen. "76 Daher greift er ungescheut und mit scharfem Tadel den Beschluß seiner Vaterstadt an, durch welchen der edle Hermodoros verbannt wurde, und er verwirft die dabei leitenden Grundsätze. Daher wendet er sich auch mißbilligend gegen andere Einrichtungen, namentlich gegen manche abergläubische Vorstellungen und Gebräuche der Volksreligion, wie z. B. gegen die götzendienerische Bilderverehrung und gegen die Schamlosigkeit der Dionysischen Orgien. Das göttliche Gesetz stand ihm eben fester oder, wie wir sagen würden, er glaubte, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Soviel von der allgemeinen Weltanschauung Her a k 1 i t s. 77 37. Bedeutung und g es c h ich t 1 ich e S t e 11 u n g Her a k 1 i t s. Wir finden bei Her a k 1 i t, verglichen mit seinen Vorgängern, einen großartigen Fortschritt, wenn seine Lehre überhaupt als Fortschritt und nicht als völlig selbständige Schöpfung zu bebetrachten ist. Manche wollten es so auffassen, doch möchte ich im Gegensatz dazu die Meinung vertreten, daß auch bei H e r a k 1 i t die wissenschaftliche Entwicklung keine Ausnahme erleidet, wonach jeder, der nicht gerade selbst der erste Anfang ist, mehr übernommen als neu hinzu erworben hat. Die Verwandtschaft mit den früheren Ioniern ist in allen wesentlichen Beziehungen unverkennbar. a) Methode. Wir finden dieselbe Weise, die Erscheinungen zu beobachten und das Ähnliche aus einem gemeinsamen Gedanken zu erklä-
doch Verwandtschaft mit den älteren Ioniern
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ren. Manchmal geschieht dies wegen der noch unzureichenden Erfahrung, in einer sehr naiven Art, die wir beleuchteten. Ähnlich wie des An a x i m e n e s Argument von den Lippen, bedeutet H e r a k I i t s Argument aus der Trunkenheit die ersten Anfänge induktiver Forschung. b) Lehre. Hier sind vor allem die Grundzüge dem H e r a k 1 i t und den Milesiern gemeinsam: Hylozoismus. Einheit des Urstoffes. Bleiben im Wechsel. Göttlichkeit alles lenkend und beherrschend. Umkehr des Entstehensund Vergehens. Rückkehr der Welt in den Urzustand. Ewige Bewegung. Ewiger periodischer Wechsel. c) Aber auch im besonderen ist der Anschluß bald an den einen, bald an den anderen der Milesier sichtbar. a. Feuer - Luft. Die Luft des A n a x i m e n e s, der wohl auch schon durch den Gedanken der Beweglichkeit der Luft mitbestimmt wurde, und auch sein Gedanke der n-V>) Seinen Stil rühmte C i c e r o als klar und schwungvoll. Lehre:
53. P r i n z i p i e n. Zwei Klassen von Prinzipien lehrte D e m o k r i t und nannte die eine "das Volle", die andere "das Leere". Auch - unter Einfluß der Terminologie des P a r m e n i d e s - das Seiende und das Nichtseiende (~o ov, ~o ,_,.~ 8v). Beides soll im wahren Sinne des Wortes existieren. "Das Nichts existiert ebensogut wie das Etwas. "102 Das Leere ist ein unendlicher Raum. Ein solcher muß angenommen werden, weil: a) ohne das Leere keine Bewegung möglich ist; b) die Körper unter Umständen ihr Volumen verringern. Es gibt Ausdehnung und Zusammenziehung. So will D e m o k r i t z. B. beobachtet haben, daß man in ein volles W einfaß, ohne es zum überlaufen zu bringen, auch noch die Schläuche hineinlegen könne. Der Wein verdichte sich unter
Das • Volle" und .Leere" als Prinzipien
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ihrem Drude. Diese Erscheinung scheint ihm nur durch die Annahme des Leeren (leerer Zwischenräume) erklärlich. c) Auch das Wachstum beruhe auf dem Eindringen der Nahrung in die leeren Räume des Körpers. d} Ferner könne ein Gefäß voll Asche noch fast ebensoviel Wasser aufnehmen, als wenn es leer wäre. Das Volle sei eine unendliche Menge unvergänglicher, unteilbarer, inpassibler Körperchen; die Unteilbarkeit glaubte er durch die Erfahrung beweisen zu können, daß die Teilung, je weiter man damit fortschreiten will, um so schwieriger werde. Eben wegen ihrer Unteilbarkeit nennt D e m o k r i t diese Körperehen Atome (l11:op.o'). Sie sind unsichtbar klein, und zwar unter allen Umständen unsichtbar, also nicht wie die Sonnenstäubchen. Wesens- oder auch nur qualitative Unterschiede kommen ihnen nicht zu, sonst könnten sie nicht aufeinander wirken. Nur durch dreierlei können die Körper sich voneinander unterscheiden: 1) Durch die Form oder Gestalt (~apO.) wie etwa die Buchstaben AN. 2) Durch die Lage (1:e«m~). wieNund Z 3} Durch die Ordnung (ß,afhy~) wie N A und A N. (Diese Erläuterungen stammen von Ar i s t o tele s.} 103 Die Unterschiede der Schwere der Körper rühren von der dazwischentretenden Leere. Von dem Verhältnis der Atome zu den Zwischenräumen zugleich mit der Verteilung erklärt sich auch die Härte. Die sichtbaren Körper sind nichts anderes als Atomkomplexe; alle Unterschiede beruhen auf Unterschieden in der Verbindung der Atome. So ist ein Körper um so schwerer, je mehr Atome er enthält, um so leichter, je mehr leerer Raum in ihm enthalten ist. Er ist um so härter, je fester die Atome in ihm zusammengedrängt sind, um so weicher, je lodcerer die Atomverbindung ist. Nur die bisher genannten Eigenschaften der Atome, bzw. der aus ihnen gebildeten sichtbaren Körper, sind den Dingen als solchen eigentümlich. Dagegen sind die sog. Sinnesqualitäten bloß phänomenal. .Der gebräuchlichen Redeweise nach gibt es Farbe, Süßes, Bitteres, in Wahrheit aber nur Atome und Leeres." 104
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Die Weltbildung nach Demokrit
Nur so ist es verständlich, daß dasselbe Objekt bei dem einen diese, bei dem anderen jene Empfindung hervorruft. Immerhin dienen uns diese phänomenalen Unterschiede als Zeichen für zugrunde liegende objektive Unterschiede der Körper. So fühle sich z. B. ein Körper kalt an, wenn seine Atome dicht zusammengedrängt sind, warm, wenn sie von vielen leeren Räumen durchsetzt sind.
W e I t b i I d u n g. 54. Nach Demo k r i t hat es nicht - wie nach An a x ag o r a s - einmal eine Zeit gegeben, in welcher der Stoff ruhte, die Atome befinden sich vielmehr in anfanglos ewiger Bewegung. Auf die Frage, woher es denn komme, daß die Atome in solcher anfanglosen Bewegung begriffen seien, lehnte Demok r i t die Antwort ab. Die Frage sei eine unberechtigte. Bei dem, was ewig sei, dürfe man nicht nach einem Grunde forschen. So berichtet wenigstens A r i s t o t e I e s, während andere wissen wollen, D e m o k r i t habe gelehrt, daß die Atome vermöge ihrer Schwere sich im leeren Raume notwendig geradlinig von oben nach unten bewegt hätten. Diese Angabe schien den Geschichtsschreibern der Philosophie, insbesondere Z e ll e r, B r an d i s und U e b e r w e g, mit der vorigen im Widerspruch. Da aber die zweite in allen speziellen Lehren ihre Bestätigung findet, unterließen sie es nicht, A r i s tote I es den Vorwurf einer ungetreuen Berichterstattung zu machen. Aber mit Unrecht, denn beide Berichte sind unschwer zu vereinigen. Denn alles konnte ruhen, indem alles Volle sich unten befand, und die Unendlichkeit der Atome die eine Hälfte des Raumes erfüllte. Dies war nun aber von Ewigkeit her nicht der Fall und nach einem Grunde für diese anfanglos bestehende Disposition, mit welcher dann von selbst eine Bewegung gegeben ist, dürfen wir nach D e m o k r i t, eben weil sie anfanglos besteht, nicht fragen. Indem nun die Atome im leeren Raum geradlinig von oben nach unten fielen, bewegten sich die schwereren mit größerer Geschwindigleit als die leichteren. Die Folge davon war, daß sie diese einholten, mit ihnen zusammenstießen.
Entstehung der Körper aus Atomen
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Dadurch entstanden seitliche Bewegungen und Bewegungen nach oben: Wirbel (M'I11J)· Die Atome blieben aneinander hängen. Es kam zu dauernden, mehr oder minder festen Verflechtungen, zu zusammengesetzten Körpern. Und es bildete sich eine Welt. Ja, nicht bloß eine Welt, sondern unzählige Welten, sowohl nebeneinander als nacheinander, indem sie, wie sie entstanden, auch wieder sich auflösten. So entstand auch unsere Welt. Diese Ordnung hat nicht ihren Grund in dem Walten eines Gottes. Wenn es Götter gibt, und es steht nichts im Wege, dies anzunehmen, so sind sie nichts anderes als den Menschen analoge, höhere Wesen, wie sie Teile der Welt und aus Atomen zusammengesetzt. Aber auch nicht dem Zufall will Demo k r i t die Welt zuschreiben, vielmehr hat sie ihren Grund in blinder (mechanischer) Notwendigkeit. Die Ordnung ist Folge der allgemeinen, die Natur beherrschenden Gesetze. Namentlich erklärt sich in dieser Weise die erste Basis aller Ordnung, nämlich daß größere Massen von gleichartigen Stoffen beisammen sind. Nach An a x a gor a s hatte dies der voii> hervorgebracht, indem er die vollkommene Mischung sonderte. D e m o k r i t erklärte die Sache ganz anders. Das Gleichartige an Gestalt und Schwere tritt nach ihm zusammen infolge des allgemeinen Gesetzes, daß Gleiches zu Gleichem sich gesellt. "Denn auch die Tiere scharen sich zusammen mit gleichartigen Tieren, wie Tauben mit Tauben, Kraniche mit Kranichen, und dasselbe zeigt sich auch bei anderen unvernünftigen Wesen. Ebenso aber verhält es sich mit dem Unbeseelten, wie man es sehen kann an den Samenkörnern, die gesiebt, und an den Kieselsteinen, die von der Brandung ans Ufer geworfen werden. Denn durch den Umschwung des Siebes werden, sich sondernd, Linsen mit Linsen zusammengeordnet und Gerstenkörner mit Gerste und Weizenkörner mit Weizen. Durch die Bewegung der Wogen aber werden die länglichen Kieselsteine an denselben Ort wie die länglichen gestoßen, die runden aber zu den runden, als ob die in den Dingen liegende Ähnlichkeit eine gewisse Vereinigungskraft auf sie ausübe." 1os Bei unserer Welt ist in der Mitte die Erde, hervorgegangen
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Entstehung der Organismen. Seelenlehre
aus den in dem Wirbel nach der Mitte getriebenen schweren Atomen. Aus den nach der Peripherie gedrängten leichteren bildeten sich der Himmel, das Feuer und die Luft. Aus ihnen schieden sich wiederum dichtere Massen, schlammartig, dann ausgetrocknet und durch die schnelle Bewegung glühend: die Gestirne. Sonne und Mond sind von bedeutender Größe. Der Mond ist eine Art Erde, man bemerkt die Sc.~atten von Gebirgen. D e m o k r i t bringt auch eine ausführliche astronomische Theorie. - Die Erde sei eine sehr dünne, runde (hohle) Scheibe, die von der Luft getragen werde; wegen ihrer Breite wurde sie zuerst hin und her bewegt, da sie noch klein und leicht war, allmählich aber sei feste Ruhe eingetreten. Aus dem Schlamm sind die Organismen hervorgegangen. D e m o k r i t führte Untersuchungen über die Pflanzen und Tiere durch, besonders aber über den Menschen. Er schrieb ein eigenes Buch: .,Ileel &.vfJew:n:ov tpvoeoo>" (über die Natur des Menschen.) Dem Körperbau des Menschen zollte er die höchste Bewunderung. Trotz seiner sonstigen Richtung auf rein mechanische Naturerklärung hin, näherte er sich hier der Teleologie und fing an, von der Natur wie von einer künstlerischen Werkmeisterin zu sprechen. D e m o k r i t beschrieb nicht nur die Teile des Leibes nach Beschaffenheit und Stellung so genau, wie es das damalige Wissen zuließ, sondern hob auch mit besonderem Nachdruck ihren Gebrauch und ihre Bedeutung für das Leben des Menschen hervor. Bei den Sinnes- und Sprachwerkzeugen wies er nach, wie passend sie für ihre Tätigkeit eingerichtet sind. 55. S e e I e n 1 e h r e. Sehen wir nun noch zu, wie D e m o k r i t den Menschen von der psychologischen Seite faßte. D e m o k r i t gibt eine allgemeine Definition der Seele, wie er denn überhaupt nach dem Zeugnis des A r i s t o t e 1 e s mehr als alle anderen Vorsokratischen Philosophen Begriffsbestimmungen zu geben versucht hat. Die Seele ist nach ihm das, was die Bewegung der lebenden Wesen bewirkt und was denkt. Sie muß aus beiden Gründen in
Zustandekommen der Sinneswahrnehmung
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beständiger Bewegung sein, denn auch das Denken ist Bewegung, und zwar eine der allerschnellsten. Soll sie nun immer in Bewegung sein, so muß sie aus den beweglichsten, also aus den glattesten, feinsten, rundesten Atomen bestehen und diese sind die Feueratome. Durch das Ausatmen geben wir solche Seelenatome an die umgebende Luft ab und ergänzen den Verlust, indem wir durch das Einatmen die gleichartigen Atome aus ihr schöpfen. Das Leben dauert so lange wie dieser Prozeß. Die Seele ist im ganzen Leibe verbreitet, und zwar in der Art, daß zwischen je zwei anderen ein Seelenatom sich findet. Aber in besonderen Organen übt sie besondere Funktionen aus. In der Leber ist der Sitz der Begierde, im Herzen der des Zornes, im Gehirn aber ist der Sitz des Verstandes. In seine Hut gegeben ist die Burgfeste des Leibes, er ist der Herr des Ganzen, dem die Kraft des Denkens anvertraut ist. Auch außer uns in der ganzen Welt sind Seelenatome verteilt (wie wäre auch sonst die Vermehrung der lebenden Wesen zu erklären), und so ist gewissermaßen die ganze Welt beseelt. Namentlich finden sich auch Seelenatome in den Pflanzen und auch im Leichnam bleibt nach dem Tode noch ein kleiner Rest von ihnen zurück. So kommt auch ihm noch ein wenig Empfindung und Bewußtsein zu. Wahrnehmung und Denken.
56. Das Denken beginnt mit der Sinneswahrnehmung, über die D e m o k r i t sich noch ausführlicher als E m p e d o k 1 e s verbreitet hat. Wie überhaupt jede Einwirkung eines Körpers auf einen anderen, so ist auch die, wodurch er sich wahrnehmbar macht, durch Berührung bedingt. Eine Berührung von außen kann aber bei der Wahrnehmung nicht ausreichen. Die ganze, durch das Innere des Leibes verbreitete Seele muß ja in Bewegung versetzt werden. Daher nimmt Demo k r i t ein Eindringen von Teilchen bei allen Sinneswahrnehmungen an: bei Geschmack, Geruch und Tastsinn und ebenso bei Gesicht und Gehör, deren Prozesse er besonders eingehend behandelt hat.
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Weiteres über die Sinneswahrnehmung
Die Gesichtswahrnehmungen entstehen, indem von den sichtbaren Dingen Ausflüsse sich ablösen, welche die Gestalt derselben beibehalten. Wenn diese el3o.ta unser Auge treffen und von da sich weiter durch den Körper verbreiten, entsteht die Anschauung. Wegen der Luft können aber (bei größerer Entfernung) die sich ablösenden Bilder nicht selbst in unsere Augen gelangen. Was in sie eingeht (sie berührt), ist nur die Luft, die von den Bildern bewegt und zu einem Abdruck von ihnen gestaltet wird. So leidet die Deutlichkeit der Anschauung durch die Entfernung. Auch Störungen durch Ausflüsse aus den Augen treten ein. Ähnlich verhält es sich beim Gehör, die Gehörsempfindungen kommen durch Ausströmung von Atomen zustande. Mit dem ihm eigenen Scharfblick, der überall die Schwierigkeiten aufspürte, beschäftigte sich D e m o k r i t eingehend mit der Erklärung der Möglichkeit, reine Töne und Harmonien zu gewinnen. Er stützte sich dabei auf sein Grundgesetz, daß gleichartige Atome sich zusammenfinden. Wäre dies nicht der Fall, so würde nur ein verworrenes Geräusch möglich sein. So aber entstehen voll abgerundete Töne, ja Harmonien, indem mehrere (ähnliche) Ausströmungen sich vereinigen. Indem diese Ausströmungen an die Seelenatome gelangen, entsteht die Empfindung des Schalles. Wohl dringen durch alle Teile des Körpers diese Ausströmungen ein. Wir hören aber nur mit den Ohren, weil dieses Organ so gebaut ist, daß es die größte Tonmasse in sich aufnimmt und den raschesten Durchgang gestattet. In analoger Weise sind die anderen Organe durch ihren Bau (Poren u. dgl.) geeignet, das eine diese, das andere jene Einflüsse leicht und reichlich aufzunehmen. Andere Wesen haben vermutlich Sinne, die uns fehlen. Die Tiere wahrscheinlich und gewiß die Götter. Die Sinneswahrnehmung ist also nach D e m o k r i t der Anfang des Denkens. Aber sie ist für sich allein keine Erkenntnis. Dazu ist nötig, daß, was die Wahrnehmung bietet, durch das verständige Nachdenken erst verarbeitet werde. Wie sehr dies notwendig ist, ersieht man daraus, daß die sinnlichen Qualitäten keine Realität besitzen. D e m o k r i t nennt
Ethische Grund11ätze des Demokrit
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daher die sinnliche Wahrnehmung die dunkle (o~etnl71) und nur die Verstandeserkenntnis echte Erkenntnis (l"'öio,,, )'I'W!l'1)· In jener ist gleichwohl Wahrheit eingemischt, aber sie ist keine reine Wahrheit. Auch liegt in ihrem Schein ein Hinweis auf verborgene Wahrheit (Änderung der Farbe - Änderung der-rgomj). Die reine Wahrheit gewinnt nur der nachdenkende Verstand. Von der Sinneswahrnehmung ausgehend, findet er, was für die Sinne zu fein ist, das reine Wesen der Dinge, die Atome und das Leere. Es gibt ein richtiges und unrichtiges Denken. Dabei ist insbesondere maßgebend die Temperatur des Körpers, eine mittlere ist die vorteilhafteste. (Dabei dachte D e m o k r i t wohl einerseits an Fieberhitze und Wahnsinn, andererseits an große Kälte, die zuweilen die Bewohner der kalten Zone wie stumpfsinnig mache.) Was aber ist der Unterschied der Temperatur? Ein Unterschied in der Gestalt der Atome. Es kommt also auf die richtige Mischung und Komplexion an. So berichtet denn auch T h e o p h rast, von der rechten ~egäo'' habe Demo k r i t die Vernünftigkeit des Denkens abhängen lassen. Die Erkenntnis der Wahrheit ist außerordentlich schwierig und beschränkt, aber von höchstem Werte. Ethik. 57. Dies führt uns zu den ethischen Sätzen des Demo k r i t. Sie sind auf Lust und Unlust gebaut, wie fast durchwegs bei den Materialisten. Doch sind sie reiner, als man bei seinem materialischen System erwarten sollte. Das höchste Gut ist die BilfJv~la (die furchtlose, ungetrübte Heiterkeit). Die geistigen Genüsse sind den sinnlichen vorzuziehen. Im sinnlichen Genusse ist Maß zu halten. Sogar der Ehe ist D e m o k r i t aus asketischen Gründen abgeneigt. Die höchste Befriedigung gewährt die Erkenntnis. Nicht die Tat als solche, sondern die Gesinnung bestimmt den sittlichen Charakter. Das Vaterland der Weisen und Guten ist das Weltall. Das Interesse sollte auf alle Menschen, ja auf alle fühlenden Wesen, ausgedehnt werden.
Kritischer Oherblidt über
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Dies sind schöne, wahre und hohe Gedanken, aber sie sind aus seiner Metaphysik nicht abzuleiten. Daher stand D e m o k r i t dem Heraklit weit nach. K r i t i s c h e r ü b e r b I i c k. 58. Werfen wir einen allgemeinen kritischen Blick auf das Ganze des Systems. Es übertrifft an Klarheit in manchem die früheren Lehren, selbst die des An a x a g o ras. Wir finden auch viele Ansätze positiver Erklärungen. Daher könnte man meinen, daß D e m o k r i t höher als An a x a gor a s stehe. Doch davon ist keine Rede, denn seine Erklärungen sind höchst unvollkommen. Dies wollen wir im einzelnen ausführen: a) Wir finden keine Erklärung der Ordnung. D e m o k r i t beruft sich auf Naturgesetze, aber gerade diese sind anscheinend höchst teleologisch. Woher kommt diese ursprüngliche Ordnung? Schon daß die Atome aufeinander wirken können, ist eine Ordnung, zumal D e m o k r i t dazu Gleichartigkeit des Stoffes verlangt. Und es macht seinem Scharfsinn Ehre, daß er wenigstens die Notwendigkeit einer besonderen Verwandtschaft erkannte. Aber wie will er diese erklären, da doch die Atome weder voneinander noch von einem gemeinsamen ersten Prinzip abstammen? D e m o k r i t würde, wie uns A r i s t o t e I e s berichtet, auf alle diese Fragen antworten: "Für das von Ewigkeit her Bestehende haben wir keinen Grund nach dem Anfang zu fragen" (r:cro ll8 &EI
8vr:~ oiJx ll.~tot dez~v C7Jniv).""'
Aber wer sieht nicht, daß dies ungenügend ist? Wenn ein Astronom eine Uhr als Planeten um die Sonne kreisend fände, würde er sich mit einer solchen Ausrede begnügen? b) D e m o k r i t gibt auch keine Erklärung für die Bewegung. Auch hier, wofür die zitierten Worte zunächst galten, sind sie keine gute Ausrede. Ja, daß nicht von Anfang an alles Schwere hier, alles Leichte dort zusammenkommt, steht geradezu im Widerspruch mit seinem eigenen Naturgesetz. Dann hätte es niemals zu einer Überholung und einem Wirbel kommen können. Die Gottheit nur kann da und dort die Erklärung sein
die Lehren des Demokrit
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(wie einen teleologischen, so gibt es auch einen Bewegungsbeweis). Aber die Gottheit fehlt im System, denn daß auch D e m o k r i t von "Göttern" redet, nämlich von den menschenähnlichen, den Menschen jedoch überlegenen und minder vergänglichen Wesen, die infolge sich ablösender sl'!lroJ.a wohl auch manchmal den Menschen erscheinen und vorteilhaft oder schädlich auf sie einwirken können, ändert hieran nichts. Sie sind selbst doch nur Bildungen aus vernunftlosen Atomen. Es ist Materialismus, und wie dieser immer unfähig zur Erklärung der höchsten Fragen. c) Andere Fehler will ich übergehen, wie z. B., daß Demok r i t im unendlichen Raum ein Oben und Unten unterscheiden will. d) Ferner ist auf das Dürftige und Unzureichende seiner Erklärungsmittel zu verweisen. Weder sind aus seinen drei Prinzipien alle Unterschiede der Körper zu begreifen, noch läßt sich auf bloße örtliche Veränderungen die Mannigfaltigkeit der Vorgänge in der Natur zurückführen. Aber auch hier will ich, im übrigen nicht weiter eingehend, nur einen Punkt berühren, wo der Fehler am größten und auffallendsten wird, nämlich die Bewußtseinserscheinungen. Auch sie müßten nach D e m o k r i t wie die sensiblen Qualitäten eigentlich ohne Realität gedacht werden. Das, was wirklich ist, soll ja nichts anderes als eine lokale Bewegung sein. Aber das ist ganz unmöglich anzunehmen. Die äußere Wahrnehmung mag trügen, die innere aber ist evident. So kann sich denn D e m o k r i t, so verdienstlich auch seine Umsicht und Allseitigkeit in den speziellen Fragen gewesen ist, nicht mit seinem großen Vorgänger vergleichen. An a x a g or a s bildet den Höhepunkt der ionischen Schule. An seine Gottesidee hat sich ein S o k r a t e s angeschlossen. Auf ihm hat P 1 a t o n fortgebaut, und auf dieser Grundlage hat auch A r i s t o t e 1 e s sein rein monotheistisches System und seine teleologische Weltanschauung ausgeführt. Alle Männer, welche nach ihm wahrhaft Großes in der Philosophie geleistet haben, sind in seinen Bahnen gewandelt. D e m o k r i t kann sich zunächst nur rühmen, daß der Epikureismus, ein System der sinkenden Zeit,
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Schlußbemerkung über die ionische Philosophie
und in ihr nicht einmal das hervorragendste System (denn die Stoiker sind viel fruchtbarer und bedeutender gewesen), in der Physik in seine Fußstapfen getreten sei. P 1 a t o n nennt ihn nie, A r i s t o t e I es, im einzelnen die Methode und Sorgfalt D e m o k r i t s anerkennend, trifft ihn doch wiederholt mit schwerem Vorwurf. Damit haben wir die wichtigsten Vertreter der ionischen Philosophie, wenigstens in den Grundzügen ihrer Lehren, zu verstehen gesucht und uns an dem herrlichen Schauspiel ihrer allmählichen Entwicklung von den unscheinbaren Anfängen des T h a 1 e s bis zu den bereits ausgebildeten Systemen der letzten großen Denker dieser Richtung erfreut und erbaut.107 Inzwischen hatten sich aber auch andere Schulen entwickelt.
II. Abschnitt Die Eleaten l. Kap. X e n o p h a n e s Leben:
l. Nach Apollo d o r o s ist Xe n o p h an es 570 v. Chr.
geboren, während nach D i o g e n e s L a e r t i u s seine Blüte um das Jahr 540 v. Chr. fällt. Sicher ist, daß er P y t h a gor a s überlebte, der 529 v. Chr. in Kroton gestorben ist. Er erwähnt ihn als einen nicht mehr Lebenden. Ebenso sicher ist, daß er früher als H e r a k I i t gelehrt hat. Sein Geburtsort ist Kolophon in Kleinasien. Von hier begann er schon im 25. Lebensjahr als Rhapsode seine Wanderungen durch Griechenland. Mit der ionischen Philosophie wurde er genau bekannt und erhielt durch sie mancherlei Anregungen. Siebzig Jahre durchzog er so die hellenischen Lande, wie er selbst in einem noch erhaltenen Fragment uns erzählt. In höherem Alter lebte er in der Phokensischen Kolonie Elea in Unteritalien und starb, hochbetagt, mehr als 92 Jahre alt. Im 93. Lebensjahr dichtete er eine Elegie, von der uns ein Bruchstück erhalten ist. Auch seine philosophische Lehre hat X e n o p h a n e s in einem Gedicht vorgetragen, von dem wir leider nur noch wenige Bruchstücke besitzen. Lehre:
2. Das Verständnis der Lehre des Xe n o p h an es bietet uns große Schwierigkeiten. Dies ist zum Teil darin begründet, daß seine Hauptschrift "Ileel cpvoswr:" (über die Natur) nur in dürftigen Fragmenten und Notizen auf uns gekommen ist. Die Aufmerksamkeit wendete sich dem ungleich bedeutenderen Par m e n i des zu. Vor allem aber ist die Rekonstruktion seiner Gedanken aus dem Grunde schwierig, weil sich die Berichte über dieselben und die angeblichen Fragmente zu widersprechen scheinen.
Die .Fragmente" des Xenophanes
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A. Die Fragmente.
3. Einen breiten Raum nehmen darin seine polemischen Erörterungen gegen die anthropomorphistischen Vorstellungen von der Gottheit ein: .Alles haben Homer und Hesiod auf die Götter geschoben, was bei den Menschen wird als Schimpf und Schande betrachtet; Diebstahl und Ehebruch auch und gegenseitige Täuschung. "1 .Aber die Sterblichen glauben, die Götter würden geboren und sie hätten Gestalt und Traffit und Sprache gleich ihnen. Smwarz, stumpfnasig: so stellt die Götter sich vor der Äthiope, aber blauäugig und blond malt sich der Thraker die seinen. Hätten die Rinder und Rosse und Löwen Hände wie Mensmen, könnten sie malen wie diese und Werke der Kunst sich erschaffen, alsdann malten die Rosse gleim Rossen, gleich Rindern die Rinder auch die Bilder der Götter, und je nach dem eigenen Aussehn würden die Körperform sie ihrer Götter gestalten. "2 Diesen anthropomorphistismen Vorstellungen stellt Xe n op h a n es die Lehre von der einen, gleichartigen, ewigen, unbewegten, mühelos alles durchwaltenden Gottheit gegenüber. Er sagt über diese Gottheit: a . • Ein Gott ist unter den Göttern und unter den Menschen der größte, nimt an Gestalt vergleichbar den Sterblimen noch an Gedanken ( El> {}ef» l;"v n {Jtoio• 1eal d.v{}edmo•o• f'Br•ora>, olJrs ~if'a> {}vqro'io•'l' Of) Ein Korn macht keinen Haufen aus. Wenn du noch ein Korn hinzutust, gibt es auch noch keinen Haufen. Wann fängt der Haufe an? Ähnlich lautet der Kahlkopf. Auf die übrigen, die noch weniger Bedeutung haben, soll nicht eingegangen werden. 6. D i o d o r o s K r o n o s brachte neue Argumente gegen die Bewegung und behauptete, daß nur das Notwendige wirklich und nur das Wirkliche möglich sei. 7. S t i 1 p o aus Megara kombinierte die megarische Philosophie mit kynischen Elementen und bereitete die Verschmelzung der megarischen mit der kynischen Schule vor. Z e n o n war sein Schüler. III. D i e k y n i s c h e S c h u 1 e. 8. Anti s t h e n es von Athen wurde erst in späteren Jah-
Die kynische Schule
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ren mit S o k r a t e s bekannt, war aber dann innig mit ihm befreundet. Früher war er Schüler des G o r g i a s gewesen, bekämpfte ihn jedoch später in einer Schrift. Er lehrte im Gymnasium Kynosarges, was Anlaß zu dem Spottnamen "Kyniker" gab. (xvrov = Hund.) Wie S o k r a t e s betonte A n t i s t h e n e s vorwiegend die ethische Seite. a) Die Tugend ist das einzige Gut; außer ihr ist zur Glückseligkeit nichts notwendig. Der Genuß, als Zweck erstrebt, ist böse; die Lust ist verderblich. Das Gute ist das uns Zugehörige (olxeiov), das Böse ist ein Fremdes (;ev&xov, &lMrQ&ov). b) Die Tugend ist eine; sie ist !ehrbar. Zur Tugend bedarf es nicht vieler Worte, sondern nur sokratischer Kraft. Sie ist unzerstörbar. Die Tugend zieht sich dem An t i s t h e n e s zur einzigen Enthaltsamkeit (Selbstgenügsamkeit) zusammen. c) Definitionen gibt es nur vom real Zusammengesetzten, vom Einfachen nicht. Denn nur eines (das Wesen) kann man von einem Ding aussagen, z. B. vom Silber, daß es Silber sei. Sonst kann man nur von Ähnlichkeit sprechen, z. B. Silber sei wie Zinn. d) Dem Wesentlichen läßt sich nicht widersprechen. Denn entweder wird von dem Nämlichen geredet, dann besteht kein Widerspruch, oder es ist von Verschiedenem die Rede und somit besteht wieder kein Widerspruch (Nachwirkung von Eleatischem). Es geht diese Behauptung darauf zurück, daß A n t i s t h e n e s nur identische Urteile gelten läßt: keinem Subjekt darf ein anderes Prädikat beigelegt werden als wieder das Subjekt selbst. Man darf also nicht sagen: der Mensch ist gut, sondern nur: der Mensch ist Mensch, das Gute ist gut.l e) Polemik gegen die platonische Ideenlehre. Die Ideen seien leere Einfälle. f) Die Götter des Volkes seien nur allegorisch zu verstehen. g) Zu den bestehenden Staatsformen tritt An t i s t h e n es in Gegensatz. Nicht Bürger eines bestimmten Staates, sondern Weltbürger wollte er sein. Auch die Gesetze des Volkes und die Sitte hatten für ihn keine bindende Autorität.
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Die kyrenaische Schule, besonders Aristippos
9. D i o g e n es von Sinope (Iw~~~:ea-rov• patt'OfUV~ ~~~:vw,. "Des So k rate s begeisterter Hund") machte sich durch äußerste Oberspannung der Grundsätze seines Lehrers zur komischen Figur. Dem Anti s t h e n es warf er vor, er sei eine Trompete, die ihren eigenen Schall nicht höre, weil er nicht ganz seinen Lehren gemäß lebe. Von ihm gilt wohl auch, was S o k r a t e s schon zu Anti s t h e n es gesagt haben soll: seine Eitelkeit schaue aus jedem Loch seines Mantels heraus. 10. Der bedeutendste der Schüler des D i o g e n es ist Kr at es von Theben, ein Zeitgenosse des Aristotelikers T h e o p h r a s t. Er bildet schon den Übergang zur stoischen Schule. IV. D i e k y r e n a i s c h e S c h u I e. 11. Ar ist i p p o s von Kyrene war ein jüngerer Schüler des S o k r a t e s, der von seinem Ruhm angezogen wurde. Bei seinem Tode war er nicht anwesend, sei es aus Furcht, sei es aus weichlicher Scheu vor schmerzlichen Eindrü. Und nur ein Mißverständnis wollte aus A r i s t o t e I e s (Physik IV) das Gegenteil herauslesen, da dieser vielmehr, was PI a t o n s Worte selbst so klar erkennen lassen, bestätigt.2° Die Materie der sinnlichen Dinge ist das, was bleibend dem Wechsel zugrunde liegt. Wechsel kann es dort nicht geben, wo kein Wechsel ist, ein Prinzip des Werdens und Vergehens kann das unvergänglich Bestehende nicht haben. P I a t o n konnte also unmöglich die
Der Demiurgos hat die Ideen hervorgebracht
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Ideen, wie die Sinneswelt, der Materie zuschreiben; aber ein Analogon der Materie erkennt er ebenso wie ein Analogon der Idealursache für sie an. Er lehrte eine Materie der Ideen und dachte sie mehr oder minder vollkommen. Insofern soll sie der des Sinnlichen analog sein, als auch sie ein an und für sich gänzlich Unbestimmtes ist, das alle Bestimmtheit von dem nachgebildeten Urbild erhält und ein Prinzip ist, in welchem die Idee sich einprägen und vervielfältigen kann; sie sei nie ohne Teilnahme an der Uridee, so daß die Ideen nach PI a t o n nicht eigentlich aus ihrer Materie geworden, sondern vielmehr anfanglos aus ihr gebildet sind. 21. Wir haben also für die Ideen ein Analogon der Idealursache und ein Analogon der Materie der sinnlich wahrnehmbaren Dinge. Wo bleibt nun aber ein Analogon des Demiurgos? a) Entbehrlich ist es nicht, weniger noch als das Analogon der Materie. Denn was nützt das Urbild ohne den, der als nachbildender Künstler auf das Urbild blickt? Wirklich berichtet uns P I a t o n von einem solchen künstlerischen Werkmeister der Ideen. Er wählt als Beispiel die Idee des Ruhebettes. Ein dreifaches Ruhebett sei zu unterscheiden: das eine ist das, dessen wir uns im Haushalt bedienen, das andere ist das gemalte Ruhebett, das dritte aber die Idee des Ruhebettes, das Ruhebett an sich, dem das Ruhebett in unserer Kammer, ebenso wie das gemalte diesem, nachgebildet ist. Das gemalte Ruhebett ist das Erzeugnis des Malers, das gemeinhin sogenannte hölzerne das Erzeugnis des Schreiners, das Ruhebett an sich aber, sagt PI a t o n, hat kein irdischer Werkmeister gemacht, das hat ein Gott hervorgebracht.21 Und nochmals und zum 'dritten und vierten Male wiederholt er dies: "Maler, Bettverfertiger, Gott, diese sind die drei Urheber der drei Gattungen von Ruhebetten." Darüber also ist kein Zweifel. P I a t o n erkannte die Notwendigkeit eines wirkenden Prinzips für die Ideen. b) Wie aber ist dies zu verstehen? Hat er als Analogon zum Demiurgos einen zweiten höheren Gott angenommen? Einen Gott wohl, wie wir schon hörten, aber unmöglich einen höheren Gott.
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Gott und die Idee des Guten
a. Denn der Demiurgos selbst war nach ihm .schlechthin gut und neidlos". ß. Und er hat die Welt aus der Materie als .möglichst vollkommenes Werk" gebildet, was alles dem widerspricht, daß ein anderer Gott vollkommener sei als er. y. Was er hervorbringt, ist unzerstörbar. c) Es muß sich also um denselben Demiurgos handeln. Und ein und derselbe Gott hat also beide Welten, die der sensiblen und die der intelligiblen Wesen, hervorgebracht. d) Aber noch eine Schwierigkeit bleibt zurück. Wie verhält sich dieser gemeinsame Demiurgos der höheren und niederen Welt zur Idee des Guten? Hat er auch sie hervorgebracht? a. Keineswegs! Es scheint vielmehr, daß sie ihn hervorgebracht habe. Denn wenn etwas gut ist, so ist es gut durch das Gute-ansich. Die Idee des Guten ist das höchste Erkenntnisobjekt (p.Eyun:ov p.alhJp.a}."
ß. Aber diese Annahme ist unmöglich, denn wäre der Gott
nur durch die Nachahmung der Idee des Guten gut, so wäre er eben darum nicht .schlechthin gut", wie ihn P 1 a t o n nannte. y. Es bleibt also nur e i n e s übrig, nämlich daß wir den Gott und die Idee des Guten identisch setzen. Und dies tut P 1 a t o n deutlich, indem er einerseits der Idee des Guten das, was den Gott kennzeichnet, und andererseits dem Gott das, was die Idee des Guten charakterisiert, beilegt. So sagt er: die Idee des Guten habe die Sonne als sich entsprechend erzeugt, diese sei im Reiche des Sichtbaren ihr ähnlich. Denn wie die Sonne durch ihr Leuchten die sinnlichen Dinge sowohl wahrnehmbar mache als auch ihrem Sein nach hervorbringe - denn sie gibt ja dem Gefilde Werden, Wachsen und Gedeihen - so sei auch die Idee des Guten die Ursache der Erkenntnis und des Seins der Dinge.2a • Der die Sonne erzeugt", . . . • der Sonne Ursache ist", das läßt sich nur vom Demiurgos sagen. Es wird also hier die Idee des Guten als Demiurgos geschildert. Umgekehrt wird dem Gotte beigelegt, was der Idealursache eigen ist, wenn P 1 a t o n im Timäos sagt, Gott wolle, daß alles ihm selbst möglichst ähnlich werde.
sind identisch und wirkendes Prinzip
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Gott ist also zugleich ldealursache, und die Idee des Guten ist zugleich wirkendes Prinzip, und beide sind eines und dasselbe. Daß PI a t o n dies nirgends mit nackten Worten ausspricht, ist kein Einwand, da er es ebenso klar und in schönerer, der Poesie seiner dialogischen Form mehr entsprechenden Weise, durch die wechselweise Übertragung der beiderseitigen Attribute ausgesprochen hat. Es liegt darin auch gar nichts Befremdendes für den, welcher die richtige Auffassung von der platonischen Ideenlehre hat. Die Ideen sind ja keine abstrakten Begriffe, sondern Geister, ewige Wesen, denen Leben, Vernunft und Beseeltheit eignet. Die Idee des Guten aber überschreitet noch alle übrigen Ideen; sie allein ist ohne Materie, sie allein ist absolut gut und alles andere Gute, auch die übrigen Ideen, sind nur eine Nachahmung von ihr. Dieser höchsten Idee kann gar nichts, und also auch nicht die wirkende Kraft, mangeln. Sie muß, wie P I a t o n sagt, nicht bloß der Würde, sondern auch der Kraft nach das Größte sein.24 So also ist Gott Urbild und wirkendes Prinzip aller Dinge. Und hier hat PI a t o n nicht bloß in dem, was er von der Ursache sagt, recht. Diese Ursache, erstes und göttliches Urbild, existiert in der Tat, und alles übrige ist durch seine Kraft, durch Nachahmung von ihm, geworden. D. B e w e i s e f ü r d a s D a s e i n G o t t e s a u ß e r dem anaxagoreisch-sokratischen. 22. I. Aus der Identität Gottes und der Idee des Guten folgt ein höchst einfacher Beweis für das Dasein Gottes: Es gibt Gutes, also Gott selbst hat die Idee des Guten, also existiert sie. II. Außer diesem Beweis (und dem anaxagoreisch-sokratischen) findet sich in den "Gesetzen" noch ein anderer Gottesbeweis: Wenn von den zur Welt gehörigen Wesen die vollkommeneren die früheren sind, so kann man nicht annehmen, daß das Unvollkommene, sondern man muß annehmen, daß das Vollkommene das Erste ist. Die Seele nämlich ist früher als der Körper, weil das sich selbst Bewegende früher sein muß als das von anderen Bewegte. Denn sonst ergäbe sich eine endlose Reihe der Beweger. Also muß auch das Vollkommene das Erste sein, und die Verstandestätigkeit die frühere, also das erste Werk.
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Beweise für das Dasein Gottes
111. Der teleologische Gottesbeweis. Die harmonische Weltordnung verlangt eine entsprechende ordnende, zwecktätige Ursache. P 1 a t o n weist insbesonders auf die Zweckmäßigkeit der Organismen und auf die Ordnung der Gestirne hin. 25 E. D i e E i g e n s c h a f t e n G o t t e s. 23. a) P 1 a t o n entwickelt sie zumeist aus dem Beweis für das Gute an sich, einige der wichtigsten werden an den teleologischen Beweis angeknüpft, wie Einheit und Güte. b) Gott ist ewig, unwandelbar wie alle Ideen. c) Er ist vollkommen und im eminenten Sinne selig. d) Er ist gerecht, neidlos, weise, allwissend, allmächtig (soweit nicht ein Widersacher besteht). e) Annäherung an den Schöpferbegriff. a. Die Materie für sich ist schier nichts. Sie ist das, was übrig bleibt, wenn alles den Ideen Ähnliche, auch das Seiende, weggenommen ist. Sie ist ein nichtiges, rätselhaftes Seiendes (To ft~ Bv).
ß. In Hinsicht auf das Böse gilt, daß es verfehlt ist, das Ein-
zelne als Zweck aufzufassen, es hat nur Sinn als Teil des Ganzen. Auch wird übersehen, daß das Böse der verneinende Gegensatz des Guten und das übel die notwendige Ergänzung des Seienden ist. 26 y. Man erwägt auch nicht, wie die Seele ihr Wohl und Wehe durch eigene Willensentschließung sich bereitet (o {hor; &.valnor;). F. K o s m o 1 o g i e. 24. In Hinsicht auf die Deutung dieses Teiles der Lehre P 1 a t o n s läßt sich nur Wahrscheinlichkeit erreichen. Der Timäos, in dem die Kosmologie zur Sprache kommt, ist mythisch gehalten. 25. Da die Welt sichtbar ist, ist sie nicht negativ; die Zeit ist zugleich mit der Welt geworden (sie hängt ab von den Bewegungen der Gestirne). 26. Vor der Weltbildung war die Materie ungeordnet, in den Gestalten mannigfach wechselnd, chaotisch durcheinander wogend. 27. Gott bildete sie zur Welt, indem er neidlos sie sich möglichst verähnlichte, dabei auf sich selbst und die Ideen hinblickend.
Die Entstehung der Welt
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28. Die Welt ist das Beste von allem Entstandenen. Der beste
Werkmeister konnte nur das Beste schaffen. Sie ist eine, wie auch Gott einer ist und hat die Gestalt einer Kugel (vollkommene Form). Sie ist das große Lebendige. 29. Zuerst schuf Gott die Weltseele und dieser fügte er den Körper der Welt ein. Die Seele ist also älter als das Körperliche; sie ist zur Herrschaft bestimmt und das Prinzip aller geordneten Bewegung. Die Weltseele soll durch Mischung aus der sich selber gleichen unteilbaren Wesenheit und der körperlich-teilbaren Substanz (Mitte zwischen Idee und Körper) entstanden sein. Gott ordnete die Verteilung und räumliche Ausbreitung des Ganzen nach harmonischen Verhältnissen. Diese Verteilung trägt alle Zahl- und Maßverhältnisse in sich, weil sie der Grund aller Ordnung ist und weil Gleiches das Gleiche erkennt. - Dann erst wurde die Seele dem Körper der Welt eingefügt. 30. Aus der Materie, indem sie Maß und Ordnung empfing, entstanden zunächst die vier Elemente: Feuer, Luft, Wasser, Erde, deren Zahl P 1 a t o n in seiner Weise zu begründen suchte. Die gewordenen Dinge sollten sichtbar und tastbar sein; für jenes bedarf es des Feuers, für dieses der festen Erde. Doch sind auch noch vermittelnde Glieder notwendig. Die Vermittlung wird den Zwischengliedern am besten gelingen, wenn eine geometrische Progression sie verbindet. Wenn also z. B. die beiden Extreme a2 und b2 wären, so hätten wir in a b das geeignete vermittelnde Glied. Aber a2 und b2 vermögen körperliche Elemente nicht zu symbolisieren, da diese nicht bloß in zwei-, sondern in dreifacher Richtung ausgedehnt sind, wir werden sie daher besser als aa und b3 bezeichnen. Hieraus ersehen wir, daß es zu ihrer Verbindung nicht bloß einer, sondern zweier vermittelnder Elemente bedarf. Denn zwischen aa und ba müssen wir die zwei Glieder a2 b und a b2 einschieben, um in der eben angegebenen Weise eine stetige geometrische Progression zu erhalten. So bedurfte es denn auch zwischen Erde und Feuer zweier vermittelnder Elemente; diese sind Wasser und Luft. Und so verhält sich Erde zu Wasser wie Wasser zu Luft und Luft zu Feuer.
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Die drei Seelenteile: der vernünftige,
31. Jedes der vier Elemente hat eine mathematisch-regelmäßige Gestalt: Feuer- Tetraeder; Luft- Oktaeder; Wasser- Ikosaeder; Erde - Kubus. Aus dem Dodekaeder hat sich die Weltkugel entwickelt, die der natürliche Ort der Elemente ist. Es gibt keinen leeren Raum; vom runden Umkreis aus wird ein Druck ausgeübt, wodurch eine Zerteilung der Elemente und ihr Übergang ineinander stattfindet. 32. Auch die Erde ist eine ruhende Kugel, festgeballt um die Weltachse. Um sie kreisen Mond, Sonne und Planeten in harmonischen Verhältnissen, -d. h. die Abstände entsprechen solchen Saitenlängen, auf welchen harmonische Töne beruhen. Wird der Abstand des Mondes von der Erde = 1 gesetzt, so ist der der Sonne = 2, der der Venus = 3, der des Merkur = 4, der des Mars = 8, der des Jupiter = 9, der des Saturn = 27. Zuletzt folgt die Sphäre des Fixsternhimmels. Die Kreisbewegung wird angenommen, weil sie als sich selbst gleichbleibend am meisten der Vernunft entspricht. Die Gestirne sind die vernünftigsten und edelsten der gewordenen Dinge (sichtbare und gewordene Götter). 33. Unter den sterblichen Wesen stehen die Menschen ihnen am nächsten. So ist denn auch der Kopf des Menschen rund, das übrige ist nur ein unentbehrliches Untergestell. Unsere Aufgabe wäre es daher, möglichst "sternartig" zu leben. Um -der Menschenwillen sind die Pflanzen und Tiere. 34. Der unsterbliche Teil der menschlichen Seele ist ähnlich der Weltseele gemischt. Sie ist gleichen Wesens, aber nicht eine bloße Erweiterung aus ihr. Dieser Teil ist von der Gottheit selbst unmittelbar gemacht, es ist der erkennende (vernünftige) Teil: loytanxOJ' p.6go• mit dem Sitz im Kopf. Außer diesem haben wir zu unterscheiden den zornmütigen (mutartigen) Teil: fivp.oe.~i, mit dem Sitz in der Brust und den begehrlichen Teil: emfivp.fiTCXOV, der in den Unterleib zu lokalisieren ist. Diesen drei Seelenteilen kommen also nicht nur verschiedene Funktionen zu, sondern sie befinden sich auch an verschiedenen Stellen des Körpers. 35. Der zornmütige oder mutige Seelenteil (fivlloet~i•} steht höher als der begehrliche (brtfivp.rrr:.,.&v}, an dem schon die Pflanzen teilhaben und der das weibliche Seelenwesen ausmacht. Es
der mutartige, der begehrlime Teil
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wird charakterisiert durch das Streben nach Genuß und Gewinn. Das Zornmütige dagegen bildet das männliche Seelenwesen, ihm sind Tapferkeit und Furcht, Herrsch-, Ruhm- und Streitsucht zuzuordnen. Das Begehrliche ist ein Leidendes, das Zornmütige ein Tätiges, dem Vernünftigen verwandt, doch noch der Leitung durch die Vernunft bedürftig. So gleicht das Ganze der durch die Natur vereinten Tätigkeit eines Wagenlenkers und zwei er Rosse. Die Vorherrschaft des Mutes charakterisiert die Thraker und Skythen und überhaupt die im Norden wohnenden Völker, die der Begierde die erwerbslustigen Phöniker und Ägypter, die der Wißbegierde die Hellenen. 2 7 (Für drei Dinge sei P l a t o n den Göttern dankbar: daß er als Mensch und nicht als Tier, als Mann und nicht als Weib, als Hellene und nicht als Barbar zur Welt gekommen sei.) 36. P l a t o n lehrte die Präexistenz der Seele. Alles Lernen und Wissen beruhe auf Wiedererinnerung (Ableitung der mathematischen Sätze) der vor dem irdischen Leben intellektuell angeschauten Ideen.2 8 Die Seele wandert während einer zehntausendjährigen Weltperiode durch zahllose Menschen- und Tierleiber, bis sie durch Überwältigung der niederen Triebe in den natürlichen, reinen und vernunftgemäßen Zustand zurückkehrt. 37. Dies ist in den Hauptzügen die platonische Kosmologie, die, wie schon gesagt, hauptsächlich im Timäos dargelegt wird. Im einzelnen findet sich vieles, was uns ein Lächeln abnötigt, aber das Ganze enthält tiefe Weisheit. P 1 a t o n s Lehre ist vergleichbar einem Drama, das die Geschichte widerspiegelt und in gewissem Sinne die Wahrheit besser übermittelt als ein streng historisches Werk. So steht PI a t o n höher als mancher Naturforscher der modernen Zeit. G. D i e U n s t e r b 1 i c h k e i t d e r S e e I e. 38. Sie wird behandelt im Menon, Phädrus, Phädon, in der Republik und im Timäos. Die Natur der Seele sei durch Betrachtung ihrer Zustände und ihres Tuns zu erforschen. 39. "Jede Seele ist unsterblich, denn das stets Bewegte ist un-
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Die menschliche Seele ist unsterblich
sterblich. Das was aber ein anderes in Bewegung setzt, das erfährt, indem es einen Stillstand der Bewegung erfährt, einen Stillstand des Lebens. Nur das sich selbst Bewegende, indem es von sich selbst nicht scheidet, hört nimmer auf sich zu bewegen und dieses wird auch für das andere, was sich bewegt, Quelle des Anfangs der Bewegung. Der Anfang aber ist ein Nichtgewordenes - - muß also notwendig auch ein Unvergängliches sein.-Die Seele aber ist etwas sich selbst Bewegendes, denn jeder Körper, dem die Bewegung von innen her zukommt, ist beseelt, indem dies die Natur der Seele ist. "29 40. Das Entgegengesetzte entsteht aus dem Entgegengesetzten. Also wie das Tote aus dem Lebenden, so auch ·das Lebende aus dem Toten. Wenn nun das Lebende aus dem Toten wird, also das Tote wieder auflebt, so muß die Seele des Toten fortdauern. 30 41. Wenn die Seele präexistiert hat, so ist sie in ihrem Bestehen vom Leibe unabhängig, geht in seinem Tode nicht unter, sondern lebt fort. Sie hat aber präexistiert, denn: a) Lernen, wenn man es näher betrachtet, ist Wiedererinnerung. Auf vorgelegte Fragen, wenn man sie richtig stellt, antwortet der Nichtunterrichtete richtig.3 1 b) Wir haben Begriffe von solchem, was uns in diesem Leben nicht begegnet. Wir finden z. B. nur, was einem anderen ähnlich sein könnte, haben aber doch den Begriff der Gleichheit. Das Vergessen findet im Augenblick der Geburt statt. 42. Nur das Zusammengesetzte zerstiebt, das stets in demselben Zustand Bleibende ist nicht zusammengesetzt. Daher sind die Ideen anders als die sinnlichen Einzeldinge; das übersinnliche ist im Gegensatz zum Sinnlichen nicht zusammengesetzt. a. Die Seele ist nicht mit den Sinnen wahrnehmbar, also den Ideen ähnlich. ß. Was sie für sich allein (ohne den Körper) erkennt, sind die Ideen, diese erkennt sie am klarsten und sichersten. So ist also die Seele dem übersinnlichen verwandter als dem Sinnlichen. y. Sie ist von Natur Herrseherin über den Körper und darum ist sie dem Göttlichen ähnlicher als dem Sterblichen. Da nun sogar der Leib noch nach der Trennung fortbesteht, einbalsamiert
Beweise für die Unsterblichkeit der Seele
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beinahe unvergänglich ist, so um so mehr die Seele, die dem Göttlichen, Unsterblichen und Geistigen, Gleichgestalteten, Unauflösbaren und stets gleichmäßig in demselben Zustand sich Erhaltenden, am nächsten kommt. Die Seele ist daher etwas Unauflösbares oder kaum Auflösbares.32 Warum PI a t o n dies sagt, ist klar, denn in der Seele wie in den Ideen zeigt sich keine Veränderung. 43. Gegen den Einwand des Simmias, auch die Harmonie sei etwas Göttliches und gehe doch mit der Saite zugrunde, ebenso könnte demnach die Seele, die als Harmonie der körperlichen Elemente aufzufassen sei, zugrundegehen: a. Der Widerspruch zwischen Seele und Leib ist nicht gleich dem zwischen Harmonie und Saite. ß. Eine Seele ist nicht mehr oder minder Seele, während die eine Harmonie mehr Harmonie sein kann als eine andere. y. Es gibt Tugend und Einsicht, aber auch Laster und Unverstand in der Seele. Sie trägt als Eigenschaft die Harmonie in sich. Die Lebendigkeit, d. h. das Wesen der Seele, kann durch die moralische Schlechtigkeit nicht zerstört werden. 44. Der Einwand des Kebes, es sei nur bewiesen, daß die Seele dauerhafter sei als der Leib, nicht aber, daß sie schlechthin unzerstörbar sei, wird in folgender Weise zurückgewiesen: Nie verkehrt sich etwas in seinen Gegensatz, z. B. die Wärme in Kälte.33 Die Seele führt immer das Leben mit sich, sie kann also nie den Gegensatz des Lebens, den Tod, in sich aufnehmen. Sie kann nicht sterben, d. h. sie ist unsterblich. Die Unsterblichkeit ist aber als immerwährend unvergänglich. Jedes geht an der ihm eigentümlichen Verderbnis zugrunde, das Böse aber zerstört das Leben nicht, also geht die Seele überhaupt nicht zugrunde. "Was Gott wirkt, besteht, so lange er will. Ein anderer kann es gegen sein Wollen nicht lösen. Und kein Schlechterer könnte also bewirken, daß ein so schönes Werk zerstört werde. "34 (Auch hier ist die Wahrheit enthalten, daß die Seele nicht durch Vernichtung untergehen könne.) 45. Außerdem findet sich ein flüchtiger Beweis für die Unsterblichkeit der Seele aus der Gerechtigkeit Gottes. 46. Die Seele ist nach P I a t o n nicht reiner Geist,
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Die Lehre von der Klassifikation
a) insofern sie nicht ganz unsterblich ist, b) insofern sie sich auch dem höheren unsterblichen Teil des Körperlid!en annähert, so daß sie gewissermaßen ein Mittleres zwischen dem eigentlich Geistigen und dem Körperlid!en ist. Hier scheint ein Rücksd1ritt gegenüber An a x a g o r a s gegeben, der aud! den mensd!lid!en Verstand für rein geistig erklärt hatte, den göttlichen voii• nur durch das Reinersein vom mensd!lichen unterscheidend. Was P I a t o n zu der Änderung bestimmte, war die Veränderlid!keit der Seele gegenüber den Ideen und der Gottheit. Allein in dem sd!einbaren Rückschritt liegt dod! ein großer Fortschritt. a) Die Seele wirkt ungleichartig der Gottheit und ist zwar nid!t durd! niedere Kräfte, wohl aber durd! Gottes Wollen zerstörbar. Allerdings ist die Seele ihrem höheren Teile nad! unsterblid!. b) Die Untersuchung nach ihrem Wesen und ihrer Unsterblichkeit ist von P I a t o n sorgfältiger als irgendwo vor ihm geführt worden. Wenn aud! die Ergebnisse noch vielfach mangelhaft sind, so wurde dod! die richtige Methode der Untersud!ung für die Zustände der Seele eingesd!lagen. 85 II. Logik
47. PI a t o n hielt an der sokratischen Definition und Induktion fest. Er fügte aber noch den Anfang der Lehre von der Klassifikation hinzu, für die er einige, wenn auch nicht durd!wegs richtige Regeln aufstellte. Zunäd!st sud!te er den allgemeinen Begriff auf, unter den das zu Definierende sicher fiel und zerlegte diesen in die in ihm enthaltenen Arten. Dann bestimmte er, unter weld!e Art der zu definierende Begriff einzuordnen sei, und teilte sodann die Arten in ihre Unterarten. Auf solche Weise erreichte er eine ziemlid! genaue Definition. Bei seinen Einteilungen sd!lug er also nicht bloß den Weg vom Besonderen zum Allgemeinen ein, sondern erkannte aud!
ist ein wichtiger Beitrag zur Logik
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schon die der Induktion entgegengesetzte Begründung einer Wahrheit aus allgemeinen, in sich selbst einleuchtenden Sätzen als möglich. Wenn ·der Satz nicht völlig evident ist, so sei er durch noch Allgemeineres zu begründen. Zweifelhaft ist der Wert einer dritten Regel. Man solle immer von den einfachsten Einteilungen ausgehen, am besten von der Zweiteilung, die nur, wo sich zwei oder mehr Einteilungsgründe kreuzen, zu einer Vielteilung wird. Das Fehlerhafte dabei ist, daß die natürlichen Differenzen aufzusuchen seien, in der Natur sich aber oft viele Scheidungen zugleich finden; z. B. zerfällt Farbe in Weiß, Schwarz, Rot, Gelb usw. Auch ist zu sagen, daß sich nie zwei Einteilungsgründe kreuzen, die Differenz liegt niemals außerhalb des Genus. So liegt z. B. Rot nie außerhalb der Farbe, bejahend nie außerhalb des Urteils, rund nie außerhalb einer Figur. Weiter ist zu sagen, daß die Aufgabe, das ganze von der Gattung umschlossene Gebiet begrifflich auszumessen, so daß man die Erkenntnis der sämtlichen letzten Artbegriffe, aller vermittelnden Gattungen, Unter- und überordnung, nähere und entferntere Verwandtschaft erhalten würde, nur in den seltensten Fällen durchführbar ist, da sie die Bekanntschaft mit allem dahin Gehörigen voraussetzt. Gewiß mußte für P l a t o n, der die Meinung vertrat, daß jedem Begriff eine Idee entspreche, der Versuch einer vollständigen Klassifikation besonderes Interesse haben, denn dieser hätte ihm, wenn er gelungen wäre, Einblick in die Ordnung der Ideenwelt gegeben. Die Theorie von der Klassifikation ist wohl unstreitig P l a t o n s größtes Verdienst um die Logik. 48. Zu der Betrachtung der Begriffe und ihrer Verhältnisse fügte P l a t o n eine Betrachtung des Urteils, von welchem er glaubte, daß es in Analogie zu dem gewöhnlichen sprachlichen Ausdruck in der Verbindung eines Subjektbegriffes mit einem Prädikatsbegriff bestehe. Das Urteil ist Bejahung oder Verneinung. 49. Auch um die Lehre vom Schluß hat sich P l a t o n einige Verdienste erworben.
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Ziel des Menschen ist Verähnlichung
Den Syllogismus kennt er zwar noch nicht, aber er bereitet seine Entdeckung vor. Die Wichtigkeit der Hypothese beim Forschen wird bereits anerkannt.so 111. EthikS7 und Politik
50. Das höchste Gut, die Idee des Guten, ist, wie schon ausgeführt, Gott, und das sittliche Ziel des Menschen ist die möglichste Verähnlichung mit ihm. Wer ihrer teilhaftig wird, ist glückselig. 51. Daher ist der Beste offenbar der Glückseligste. Derjenige aber ist der Beste und am meisten des Guten teilhaftig, der in jeder Beziehung desselben teilhaftig ist. 52. Daher gehören nicht bloß Einsicht und Tugend, sondern auch Lust, d. h. Liebe, zum höchsten Gut. Aber vorzüglich die beiden ersten sind in jener sokratischen Einheit zusammengefaßt. Daher sagt P 1 a t o n, das Ziel des Menschen sei, gerecht und heilig zu werden mit Einsicht. 53. Der vollkommene Besitz des Guten, die Verähnlichung mit Gott, worin die Glückseligkeit besteht, ist erst im anderen Leben (im Jenseits) wahrhaft erreichbar. Das Leben hier, im Bereich des Niederen und Sinnlichen, kann nur eine Vorbereitung für jenes sein. Diese Vorbereitung hat zu bestehen: a) In der Loslösung vom Niederen, das uns hier umgibt, durch Verachtung der sinnlichen Lust. b) In der Hinwendung zum Geistigen. c) In einem Leben, das dem höheren, unsterblichen Teile entspricht. d) Dieser Teil ist der eigenste, der wesentliche und ursprüngliche, mit dem sich der sterbliche erst später verbindet. Die Gründe dafür sind die folgenden: a) Der unsterbliche Teil ist der gottverwandte und auf ihn gründet sich die Gottverähnlichung. b) In der dem unsterblichen Teil eigentümlichen Vollkommenheit besteht die Tugend. Durch ein solches Leben erringt also die menschliche Seele mehr und mehr die Tugend, d. i. die Tauglichkeit zu dem ihr zufallenden Werk.
mit der Idee des Guten
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54. Die Einheit der Tugend hält P 1 a t o n als Zusammengehörigkeit der Tugenden fest. Das hindert aber nicht, daß er in den späteren Dialogen eine Mehrheit von Tugenden, als unter dem einen Begriff der Tugend zusammengefaßt, annimmt und psychologisch die schon vor ihm aufgestellte Vierheit, auf die wir sogleich zu sprechen kommen, zu begründen sucht. 55. P 1 a t o n scheidet die Tugenden nach den Vermögen oder Teilen der menschlichen Seele, den erkennenden, den mutigen und den begehrlichen Teil, in die Tugenden der aorpia (Weisheit), &v~esla (Tapferkeit) und arorpeoavV7J (selbstbeherrschende Mäßigung der Begierden). Die ~ueatoovv71 ist die allgemeine Tugend und besteht darin, daß jeder Teil die ihm zugewiesene Aufgabe erfüllt. Es ist die Gerechtigkeit im Sinne der Heiligen Schrift. P 1 a t o n s dtxatov und dtxatov rpvast wurzeln in der Idee des Menschen. Ausführlich suchte er zu beweisen, daß die Ungerechtigkeit, ob offenkundig oder nicht, des Menschen größter Schaden ist.as 56. Mit der Ethik aufs innigste verknüpft ist die Staatslehre. Die ,.noA11:sla" (der Staat oder die Republik) ist das größte ethische Werk P 1 a t o n s. Der Staat ist der Mensch im Großen; es erscheint in ihm gleichsam mit großen Buchstaben dieselbe Schrift, die im Menschen mit kleineren zu lesen ist.au Wie beim einzelnen, so soll auch beim Staat die Idee des Guten bestimmend sein. Sein Zweck ist die Gerechtigkeit und Sittlichkeit des einzelnen und die Glückseligkeit des Ganzen. Seine höchste Aufgabe ist die Erziehung der Bürger zur Tugend. 57. Entstanden ist der Staat aus dem Ungenügen des einzelnen an sich selbst, aus dem Bedürfnis gegenseitiger Ergänzung. Alles muß so eingerichtet werden, daß es den Bedürfnissen der Bürg·er genügt. Hieraus folgt Teilung der Arbeit und eine Mehrheit der Stände. Wie es im Menschen drei Seelenteile oder Vermögen gibt, das vo71T1x6v oder J.oytanx!W, das ffvp.tH.ov und das lmffvp.71-r:tH.ov, so gibt es im Staate drei Stände. Jeder entspricht einem der drei Seelenteile; es sind die folgenden: Herrscher, Wächter oder Krieger, Handarbeiter und Händler (erwerbender Stand).
Der Aufbau des Staates in drei Ständen
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Wie das Dv~tHav dem vo1JnHov nähersteht, so steht der Wächterstand dem Herrscher näher. Der dritte Stand genießt keine staatlichen Rechte und ist unfrei. Wie einer, wenn er die drei Vermögen hat, darum noch kein vollkommener Mensch ist, so ist es auch noch kein vollkommener Staat, wenn er die drei Stände hat. Dazu ist noch die Tugend notwendig. Jedem der drei Seelenvermögen entspricht, wie wir schon sagten, eine Tugend, und das gleiche gilt für die drei Stände. Im regierenden Stande soll wohnen die Einsicht oder Weisheit (tp(!&vi'Jot> oder ootpla}; in dem der Krieger die Tapferkeit (&v~(!sla). Die Tugend des dritten Standes, des Handwerkers und Händlers, ist die owt; &yaD6t; •e xal eMalp.on äp.a yive•a• &v~eY
Zu derselben Zeit soll A r i s t o t e 1 e s eine rhetorische Schule eröffnet haben, die in einem gewissen Gegensatz zu der des I s o k r a t e s stand. Ein Vers aus dem Philoktet des Sophokles deutet darauf hin. Als Lehrer der Philosophie ist Ar ist o t e 1 es damals noch nicht aufgetreten, und die Nachrichten, die von Unstimmigkeiten zwischen ihm und Platon sprechen, werden jetzt alle für unglaubhaft gehalten. Von den uns erhaltenen Schriften, die sich weiter von P 1 a t o n entfernen, gehört keine jener Zeit an. Doch ist es, wie gesagt, möglich, daß A r i s t o t e 1 e s in den letzten Jahren vor P 1 a t o n s Tod manche Ansichten seines Lehrers bestritten hat. P 1 a t o n s Persönlichkeit hielt ihn fest, sonst hätte er wahrscheinlich schon früher Athen verlassen. Sehr bald nach P 1 a t o n s Tode (347 v. Chr.) begab sich
Schüler Platons und Erzieher Alexanders
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A r i s t o t e 1 e s mit X e n o k r a t e s, P 1 a t o n s ergebenstem Anhänger, nach Assos in Kleinasien zu Hermias, dem Herrscher von Atarneos und Assos, mit dem er sich in Athen befreundet und der ihn zu sich eingeladen hatte. 5. A r i s t o t e 1 e s war also 20 Jahre lang P l a t o n s Schüler, und der Einfluß des Lehrers auf ihn war ein außerordentlich großer. Er zeigt sich auf allen Gebieten der Philosophie und in allen seinen Schriften. Zugleich hat sich A r i s t o t e 1 e s in der damaligen Zeit wohl mit allen früheren Philosophen bekannt gemacht und auch in den Naturwissenschaften Kenntnisse gesammelt. 6. Bei H e r m i a s verbrachte A r i s t o t e 1 e s drei Jahre bis zum unglücklichen Ende des Fürsten, der in politische Gefangenschaft geriet und einen qualvollen Tod erlitt. Aristoteles floh mit H e r m i a s' Nichte und Pflegetochter Pythias nach Mytilene und nahm diese dort zur Gattin. 7. Im Jahre 343 oder 342 v. Chr. berief König Phitipp von Makedonien Ar ist o t e 1 es als Erzieher seines damals 13jährigen Sohnes Alexander, der bis dahin nicht in den richtigen Händen gewesen war, an seinen Hof. Während der drei Jahre, die der regelmäßige Unterricht dauerte, wußte er seines Zöglings Liebe zur Wissenschaft und Tugend zu erwecken, und sein vorteilhafter Einfluß zeigte sich nicht nur darin, daß Alexander ein umsichtiger Regent wurde, der nicht bloß griechische Waffen, sondern auch griechische Bildung in seinem großen Reiche zur Herrschaft bringen wollte, sondern auch darin, daß dieser lange den größten Versuchungen zur Selbstüberhebung widerstand und auch in späteren Verirrungen durch Großmut, sittliche Reinheit und Menschenfreundlichkeit vor allen anderen Welteroberem sich auszeichnete. Alexander hing mit großer Liebe an seinem Lehrer. Seinem Vater verdanke er, daß er lebe, A r i s t o t e l e s verdanke er das, was ihm das Leben wertvoll mache. Als Erzieher Alexanders machte Ar i s t o t e I es seinen Einfluß bei Philipp auch für das von diesem zerstörte Stageira geltend und erreichte den Wiederaufbau seiner Heimatstadt. 8. Als im Jahre 340 v. Chr. Philipp, gegen Byzanz ziehend,
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Begründung der peripatetischen Schule
den 16jährigen Alexander zum Reichsverweser ernannte, zog sich A r i s t o t e I e s zurück, wahrscheinlich nach Stageira. Hier verfaßte er seine an Alexander gerichteten Schriften über das Königtum und die Kolonien und begann mit den Vorarbeiten für die zahlreichen Werke, die der Zeit seines zweiten Aufenthaltes in Athen entstammen. Bei Philipp blieb A r i s t o t e I e s in Ansehen und er scheint den König wiederholt zugunsten Athens beeinflußt zu haben, das ihm diese Hilfe jedoch später schlecht vergelten sollte. Auch für verschiedene andere Städte (außer Stageira) setzte er sich ein. Alexander veranlaßte auf Anregung des A r i s t o t e I e s die Anlage einer großen Büchersammlung, die zur Begründung der Alexandrinischen Bibliothek führte; diese Sammlung kam A r i s t o t e I e s namentlich bei seinen historisch-politischen Schriften sehr zustatten. 9. Um das Jahr 335 v. Chr. muß Ar ist o t e I es' Gattin Pythias gestorben sein, sie hinterließ ihm eine Tochter gleichen Namens. Bald darauf, nach Philipps Tode, als Alexander seinen asiatischen Feldzug unternahm, kam Ar ist o t e I es wieder nach Athen. Hier trat er als Lehrer der Philosophie auf, und zwar lehrte er in dem mit dem Tempel des ApoBon Lykios verbundenen Gymnasium. Er erteilte in den Morgen- und Abendstunden im engeren und weiteren Kreise Unterricht und besonders liebte er es, in den schattigen Baumgängen des Gartens lustwandelnd, in wissenschaftlicher Unterhaltung mit den ihm näherstehenden Schülern seine Lehren zu entwickeln; daher der Name peripatetische Schule. Es ist die Zeit seiner reifsten Werke. 10. Die Freundschaft des A r i s t o t e I es zu Alexander dauerte zunächst fort. Erst allmählich mit dem steigenden Machthunger Alexanders und der zunehmenden Orientalisierung des immer schwelgerischer werdenden Hofhaltes erkaltete sie, und zwar um so mehr, je mehr Alexanders Leben sich von den von seinem Lehrer empfangenen Grundsätzen entfernte. Eifersüchtige Schmeichler am Hofe wirkten zu dieser Entfremdung mit. Auch die Freundschaft des A r i s t o t e I es zum edlen Antipater, dessen Verschwörung gegen Alexander schließlich seinen
Verfolgung und Tod des Aristoteles
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Untergang herbeiführte, wird wahrscheinlich dazu beigetragen haben. Kallisthenes, der Neffe des Ar ist o t e I es, obwohl ohne Zweifel der Sache fremd, verlor als angeblicher Mitschuldiger sein Leben; er wurde von Alexander in trunkenem Zorn niedergestoßen. Im ersten AugenbliTo>). Aus der peripatetischen Schule stammt das Schriftehen • über die Farben" (llEel xerop&.rrov). Unecht sind auch die Schriften .über wunderbare Geschichten" {liEel {}avpaolrov doeovop&rrov) und die .Physiognomie" (tl>votoyvro"''"&.). Die echte Schrift "über die Pflanzen" (liEel tpvrwv) ist verlorengegangen, die vorhandene ist unecht. k) Die drei Bücher "über die Seele", De Anima (Ileel tpvzij•)· Diese Bücher, welche die Psychologie des Ar i s t o t e I es enthalten, werden im folgenden im Kapitel .Psychologie" behandelt. Der 3. Teil greift in das Gebiet der Metaphysik hinüber. l) An die Bücher über die Seele schließen sich die sog. Parva NaturaHa an, acht kleine Abhandlungen zur Ergänzung von Psychologie und Zoologie. IV. Ethische und politische Schriften
21. a) Die .Nikomachische Ethik", Ethica Nicomachea ('H{},,.Q. N"'op.azE•a) in zehn Büchern, von denen V-VII wohl sicher mit Unrecht angezweifelt werden, außer vielleicht VII, 12-15.
Zeitfolge der Schriften
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b) Die "Politik", Politicorum libri (llolmxa) in acht Büchern. Das Werk ist sicher echt, wenn auch die Ordnung eine andere gewesen zu sein scheint. Nach Barthelemy S t. H i 1 a i r e wäre in folgender Weise zu ordnen: I, II, III, VII, VIII, IV, VI, V. c) Die "Ethik des Eudemos", Ethica Eudemea ('HiJ&xa EMiJf'B•a) und die sog. "Große Ethik", Magna Moralia ('Hihxa pS)IcUa), die ein Auszug aus der Nikomachischen und der Eudemischen Ethik zu sein scheint, sind fast sicher unecht. Ebenso das 2. Buch der "Okonomik", Oeconomica ('O•xovop•xa), möglicherweise ist auch das erste unecht. V. Andere Schriften
22. Von den drei Büchern der rhetorischen Schriften (lisei e1J'I:O(!&Xij>) scheint nur die "Redekunst", De Arte Rhetorica (Tiz'll'l e1J'I:OQIXfJ) echt zu sein. Unecht ist jedenfalls die "Rhetorica ad Alexandrum". Die "Poetik", Poetica (lisel no&1J'I:&Xij>) ist nur unvollständig erhalten. 23. Die Frage nach der Zeitfolge, in welcher die Schriften entstanden, ist noch schwieriger zu beantworten als bei P 1 a t o n, aber nicht von der gleichen Wichtigkeit wie bei diesem. Die philosophischen Schriften des A r i s t o t e 1 e s sind fast durchwegs - vielleicht mit Ausnahme der logischen - erst während seines zweiten Aufenthaltes in Athen verfaßt worden, also schon zu einer Zeit, in der seine philosophische Selbstentwicklung wenigstens in der Hauptsache hinter ihm lag. Häufig wird zwar eine Schrift in der anderen zitiert, aber die Zitate sind so oft wechselseitig, daß sich aus ihnen die Reihenfolge kaum entnehmen läßt. Mit Sicherheit darf man wohl sagen, daß die logischen Schriften die frühesten sind, ausgenommen das Buch nse• sep1Jvsla> (De Interpretatione). Die metaphysischen scheinen zu den späteren Schriften zu gehören. 8 24. Nach S trab o n7 und P 1 u t a r c hS traf die aristotelischen Handschriften ein merkwürdiges Schicksal. Sie kamen zusammen mit der ganzen reichhaltigen Bibliothek des Ar ist o t e 1 e s zunächst an T h e o p h r a s t. Dieser aber vererbte sie
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Theoretische, praktische und poietisd1e Wissensmaften
seinem Schüler N e 1 e o s aus Skepsis in Troas; nach dessen Tode kamen sie an dessen Verwandte in seiner Heimat, und diese versteckten sie aus Furcht, sie könnten ihnen durch die pergamenischen Fürsten für deren Bibliothek genommen werden, in einem Keller oder Graben, wo sie durch die Feuchtigkeit mehr und mehr litten. Endlich entdeckte (um 100 v. Chr.) ein reicher Bücherliebhaber, Appeliko von Teos, die Handschriften, kaufte sie und brachte sie nach Athen. Er suchte, so gut es anging, die Lücken auszufüllen und veröffentlichte die Werke. Bald nachher, bei der Einnahme Athens durch die Römer (86 v. Chr.), fielen die Handschriften dem Sulla in die Hände. Der Grammatiker Tyrannion aus Amisos in Pontos benutzte dieselben und von ihm scheint der Peripatetiker A n d r o n i k o s von Rhodos Abschriften erhalten zu haben. Dieser entwarf einen Katalog und bestimmte die Ordnung, in der die Schriften auf uns gekommen sind; auch die Bezeichnung Metaphysik stammt, wie schon erwähnt, von ihm. S t r ab o n und P 1 u t a r eh berichten, daß in der Zwischenzeit die Werke des Ar ist o t e 1 es nicht zugänglich gewesen seien, daß sie nur in den Urhandschriften existiert hätten. Doch ist dies sicher falsch, da sich nachweisen läßt, daß wenigstens einige der bedeutendsten Schriften des A r i s t o t e 1 e s im zweiten und dritten Jahrhundert v. Chr. bekannt waren. Vielleicht gilt der Bericht für die unvollendet gebliebene Metaphysik. 9 Lehre:
25. E i n t e i 1 u n g d e r P h i 1 o s o p h i e. A r i s t o t e 1 e s hat die Zweige des Wissens, die gegenwärtig als Philosophie zusammengefaßt werden, nicht zu einer engeren Einheit verbunden. Wollen wir verstehen, wie er ihr Verhältnis dachte, so müssen wir auf seine Einteilung des ganzen Wissensgebietes zurückgehen. Das gesamte Wissen zerfällt ihm in ein theoretisches, in ein praktisches und in ein poietisches. Die theoretische ist die Wissenschaft im engeren Sinn, sie geht darauf aus, die F r a g e n h i n s i c h t 1 i c h d e s S e i e n d e n
Theoretische Wissenschaften: Metaphysik, Ma:thematik, Physik 227
zu beantworten oder m. a. W.: sie ist die wissenschaftliche Erkenntnis des Seienden, wobei die Erkenntnis selbst der Zweck ist. Die praktische Wissenschaft, die Ethik, will uns zu einer guten Wahl leiten; denn dasselbe, sagt Ar ist o t e I es, ist das Praktische mit dem zu Wählenden (To aino rae TO :nea> ploo>) ist in den Prämissen entweder das eine Mal Subjekt, das andere Mal Prädikat (1. Figur) oder beide Male Prädikat (2. Figur) oder beide Male Subjekt (3. Figur).17 Die erste Figur ist die vorzüglichste; der vermittelnde Begriff steht in der Mitte. 38. Der formell richtige Schluß ist entweder ein apodiktischer oder ein dialektischer, je nach dem Maße der Gewißheit der Prämissen. Ein apodiktischer Schluß liegt vor, wenn aus wahren und allgemeinen obersten Sätzen geschlossen wird, oder doch aus solchen, die auf wahren und obersten Sätzen der betreffenden
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Die Lehre von der Induktion
Wissenschaft beruhen. Dialektisch ist derjenige Schluß, der aus glaubwürdigen Sätzen abgeleitet wird:. Glaubwürdig sind Sätze, die von allen oder den meisten, besonders von weisen und gebildeten Männern, für wahr gehalten werden.' 8 Der unrichtige Schluß ist ein solcher, der aus nur scheinbar glaubwürdigen Sätzen, oder aus wirklich glaubwürdigen Sätzen bloß scheinbar abgeleitet wird.tD 39. Die Induktion ist ein Schluß durch Anführung ähnlicher Beispiele (o e; brayroyij• ovJ.J.oyta~6,). Es ist eine Sammlung von Einzeltatsachen, um zum Allgemeinen zu gelangen. An sich ist der eigentliche Syllogismus strenger und beweiskräftiger, für uns ist die Induktion deutlicher. Sie beginnt mit dem für uns Früheren (nl]oTE!]ov nl]o> ri~ä>), der Syllogismus, wenigstens der wissenschaftliche, mit dem der Natur nach Früheren (nl]the!]ov .,;fi rp6aet)."'
40. Schwierigkeiten macht die Frage, wo h e r die Prinzipien stammen. Bei der Induktion ist dies klar, nicht aber beim Beweis. Wie ist es zu erklären, daß den Prinzipien eine größere Gewißheit zukommt als dem Bewiesenen? Wenn sie durch Induktion gewonnen werden, scheint dies unmöglich zu sein. Es gibt jedoch eine doppelte Art der Induktion, eine vollständige und eine unvollständige. Letztere ist die Feststellung eines Gemeinsamen in vielen einzelnen Wahrnehmungen, woraus auf allgemeine Gültigkeit geschlossen wird. Bei der vollständigen Induktion aber liegt ein unmittelbares Erfassen des oder der Begriffe vor. Aus den Begriffen ergeben sich die obersten Sätze, z. B. das Ganze ist größer als der Teil. Daher sagt Ar ist o t e 1 es: "Das schlechthin Erste müssen unbeweisbare Begriffsbestimmungen sein" ('ra nl]wra OQUI~ol laona• dvano!Jwe.,;ot)."
Man kann ja nicht ins Unendliche beweisen. Es muß also oberste Prinzipien geben, die eines Beweises nicht bedürfen. 41. Von den Prinzipien der Erkenntnis. Was ist unter Wissen zu verstehen? Ar ist o t e I es sagt darüber: "Dann glauben wir jegliches im eigentlichen Sinn zu wissen, wenn wir von dem Grund, weshalb das Objekt ist, erkennen, daß er sein Grund ist und daß dasselbe sich nicht anders verhalten kann"
Von den Prinzipien der Erkenntnis
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('Enlo.,;aafJat 86 olOftB6cz sxaoTCW anlwö, - &.Ua ft~ n)v OOqJtOTtXOV T(!OnOV TO xaTa OVftPBPTJXO!ö' lhav T~V .,;'al.,;lav olwftB6a rwwoxsw, 8t ~" TO neärfta lonv, Ön ixsivov alTui lorl, xal "'~ lv8Bzso6at ToVT allro• lzsw).11
D. h., der wissenschaftliche Beweis beweist aus dem Grunde oder, wie wir lieber sagen würden, aus ersten Kausalgesetzen. "Die apodiktische Wissenschaft muß auf wahren und ersten und unmittelbaren Prinzipien (Gesetzen) beruhen, die wahr und erkennbar und Gründe des Schlußsatzes sind. "23 Den Unterschied von "Daß" (8n) und "Warum" (8ton) macht Ar ist o t e I es in folgender Weise klar: "In einer doppelten Weise unterscheidet sich die Erkenntnis des ön von der des 8t6n. 1) In der einen Weise, wenn der Schluß nicht auf unmittelbaren Gesetzen beruht, denn dann wird nicht der Grund zum Prinzip genommen. 2) In der anderen aber, wenn nicht aus dem Grunde, sondern bei Konvertiblem aus dem Bekannteren argumentiert wird. Denn nichts steht dem im Wege, daß von dem, was wechselseitig von einander prädiziert wird, manchmal dasjenige bekannter ist, was nicht Grund ist, so daß durch dieses der Beweis geführt wird. "24 Beispiele: ad 1. Weil der Hahn ein Vogel ist, atmet er, und weil die Mauer kein Naturprodukt, kein Tier ist, atmet sie nicht. ad. 2. Weil es atmet, hat es Lungen, weil eine Sonnenfinsternis gegeben ist, befindet sich der Mond zwischen Sonne und Erde. 42. Nachdem A r i s t o t e I e s gezeigt hat, was er unter Wissen und unter Prinzipien versteht, untersucht er, ob es eines oder viele Prinzipien gibt. Mit Notwendigkeit ist eine Vielheit von Prinzipien anzunehmen. "Selbst unter den gemeinsamen obersten Grundsätzen können keine solchen sein, aus denen alles bewiesen werden könnte. - Denn die Gattungen der Seienden sind verschieden. "25 Für die der Gattung nach verschiedenen Gegenstände müssen auch die obersten Grundsätze der Gattung nach verschieden sein. In Folge davon ergibt sich nicht bloß eine Mehrheit des Wissens, sondern auch der Wissenschaften. "Die Wissenschaft ist e i n e, wenn sie e i n e Gattung zum Gegenstande hat. - - Dagegen ist die eine Wissenschaft von
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Durch wissenschaftliche Klassifikationen entstandene
der anderen verschieden, wenn ihre Anfänge nicht aus derselben Quelle abfließen, noch ihre Sätze so beschaffen sind, daß die der einen sich aus denen der anderen ableiten lassen. "26 Auf den Unterschied in der Exaktheit der Wissenschaften wird im vorangehenden Kapitel hingewiesen. "Exakter sind die Wissenschaften, welche das ,Daß' und ,Warum' zugleich betrachten, als jene, die nicht beides enthalten. Jedoch darf das ,Warum' nicht von dem ,Daß' getrennt sein. Und die abstrakten sind exakter als die konkreten, z. B. die Arithmetik gegenüber der Harmonielehre. Auch ist die Wissenschaft, welche aus wenigen obersten Grundsätzen abgeleitet ist, genauer und früher als die, welche sich noch auf sinnliche Zusätze stützt, wie z. B. die Arithmetik gegenüber der Geometrie. Ich meine aber mit ,Zusatz' das so, wie z. B. die Eins etwas ist ohne Zusatz. der Punkt aber etwas mit Zusatz. "27 43. Nachdem im I. Buch der Analytica post. festgelegt wurde, was das Wissen ist, beschäftigt sich das II. Buch damit, wie es zu erlangen sei. Zur Erlangung des Wissens ist vor allem notwendig die D e f i n i t i o n, und zwar nicht bloß im Sinne von Namenerklärung, sondern in dem Sinne, in welchem die Definition aus wissenschaftlicher Klassifikation hervorgeht, ein Teil von ihr ist. Solche Definitionen sind für die Beweisführung von höchster Wichtigkeit. Denn in dem Wesen liegt der Grund der Eigentümlichkeiten des Objekts. Seine Erkenntnis gibt die wahre Definition mit allen (näheren) Bestimmungen. An jede Wesensbestimmung knüpfen sich neue Eigentümlichkeiten. Und indem wir sie aus der Wesensbestimmung, an welche sie sich knüpfen, erkennen, erkennen wir sie aus dem Grunde. Daher sagt A r i s t o t e 1 e s : "Die Definitionen bilden den Ausgangspunkt für die Beweise" (al tl!JX"' TWV ano&t;ewv OQ!OflOlj.28 44. A r i s t o t e 1 es hat sehr eingehende Untersuchungen über die Definition durchgeführt: a) Über die Art, sie aufzufinden. Es geschieht dies mit Hilfe eines verbesserten sokratisch-platonischen Verfahrens. b) Über das Verhältnis der Differenz zur Gattung und der späteren Differenz zur früheren Differenz.
Definitionen bilden den Ausgangspunkt der Beweise
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c) über die Frage, was definierbar sei, nur die Substanzen oder auch die Akzidentien? Im strengsten Sinne darf die Definition gar nichts enthalten, was zu einem anderen Sein gehört. Solche Definitionen können sich nur auf Substanzen beziehen. Aber A r i s t o t e 1 e s faßt die Definitionen auch in einem weiteren Sinne und dann haben sie auch für Akzidentien Geltung. Es gibt auch Definitionen aus einem äußeren Grunde. Eine Definition ist aus der anderen zu folgern: "Denn die Definition ist entweder der Obersatz des Beweises oder ein neweis, der sich nur in der Aufstellung von ihm unterscheidet, oder ein Schlußsatz aus einem Beweis"
o
O(!Ul(l-Ot; 11 d(!X~ cmoti.oooq;la necfnq), weil das Unbewegte (ovola O...lv1Jror:) früher ist als das seiner Natur nach Bewegte. Darum handelt sie auch von den ersten Ursachen. Sie gilt darum >eaOolov (im allgemeinen, für das Ganze). Wenn es aber eine unbewegte Substanz gibt, so ist dieselbe früher und die erste Philosophie (ihr Gegenstand) und darum allgemein, weil sie die erste ist; und sie hat das Seiende als Seiendes zu betrachten, sowohl was es ist, als was ihm als Seiendem zukommt" ( El ~·Iod rtr; ovola &.>elV1JrO>, aih1J neorsea >eai tptloooq;la
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necßr1J. >ea{}Oi.ov, fj llv).•
47. Im universellen Teil der Metaphysik werden die allgemeinen Eigentümlichkeiten alles Seienden zu erörtern sein. a) Ihre erste Aufgabe wäre die Definition des Seienden, denn jede Wissenschaft stellt die BegriHe ihres Objektes voran. b) Allein das Seiende hat keine Definition, nicht alles ist definierbar. Das Einfache nicht und so ist auch das Seiende nidlt definierbar. Wenn man den Gattungsbegriff aufstellen wollte, würde er den Begriff dessen enthalten, was ihm als Spezies subsumiert werden soll, was offenbar widersprechend wäre. c) Es ist aber eine Definition auch nicht n()twendig. Jeder weiß
Klärung .des· Begriffes des Seienden
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ja, was man mit dem Namen Seiendes oder auch Ding oder etwas - denn das alles bedeutet dasselbe - bezeichnen will. 34 d) Doch etwas anderes erscheint notwendig, wenn wir nicht den Gefahren vieler Täuschungen uns aussetzen wollen. Daß wir nämlich das S e i e n d e a l s S e i e n d e s, in der Bedeutung also, in der es Objekt der Metaphysik ist, von anderen Bedeutungen, die nur äquivok denselben Namen führen, unterscheiden. Das Seiende ist ja ein mehrsinniges Wort und die Geschichte der Wissenschaften zeigt leider, daß diese Mehrsinnigkeit Quelle vieler Irrtümer wurde. Die Logik führt nicht mit Unrecht unter den Sophismen die quaternio terminorum an (z. B.: Ist diese Hündin Mutter? Ja. -Deine? Ja. -Also ist sie Deine Mutter und Du bist ein Hundejunges.) Nicht leicht wird jemand durch einen solchen Fehlschluß irregeführt werden. Allein nicht immer tritt der Irrtum so kraß zu Tage. Es ist eine Erfahrungstatsache, die sich psychologisch erklären läßt und die schon A r i s t o t e l e s kannte, daß die Homonymie am leichtesten bei allgemeinen Begriffen täuscht und daher besonders oft in der Metaphysik. Gar oft gelangte H e g e l mittels ihrer zu sehr überraschenden Sätzen. Ebenso auch H e r b a r t, und zwar dieser gerade bei dem Begriff des Seienden. Dieser Begriff ist ja auch in der Tat der allgemeinste.35 Daher ist es notwendig, vor allem hier durch Unterscheidung der mehrfachen Bedeutungen des Seienden vorzubauen. Dies ist die erste Aufgabe der Ontologie. A r i s t o t e l e s hat sich um die Klärung dieser Verhältnisse sehr verdient gemacht. Von ihm wurde die Frage, ob dem Begriff "Seiendes" verschiedene Bedeutung zukommt, zuerst angeregt und mit so viel Erfolg ihre Lösung unternommen, daß bis zum heutigen Tage wenig darüber hinaus geleistet wurde. Freilich ist aber damit nicht gesagt, daß nicht noch sehr darüber hinaus gegangen werden könnte und sollte; denn wir werden sehen, daß seine Lehre von den mannigfachen Bedeutungen des Seienden noch manche Unvollkommenheit, ja manche offenbaren Irrtümern einschließt. Allein das hebt sein Verdienst nicht auf, das auch dadurch besonders hervorleuchtet, daß die nachfolgende Zeit, weit entfernt, ihn zu übertreffen, mehr Rück-
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Der Satz des Widerspruchs
schritte als Fortschritte ihm gegenüber gemacht hat. Ar ist ot e I es bedient sich auch seiner Unterscheidung mit vielem Vorteil, sowohl beim positiven Aufbau seiner Ontologie wie bei der Widerlegung anderer Auffassungen. Nicht bloß bietet sie ihm eine sichere Handhabe gegen P a r m e n i d e s; auch die platonische Ideenlehre überwindet er damit. Vom akzidentellen Sein kann es keine Begriffe (Ideen) geben, wie schon auf den ersten Blick einleuchtet, z. B. von den Relationen wie etwa der Gleichheit. Es wäre ja sonst die Gleichheit eine Substanz. Gibt es aber von den Akzidentien keine Begriffe, dann auch nicht von den Substanzen; denn alle Gründe, die gegen ihre Annahme sprechen, sind für beide gemeinsam.as Als allgemeinste Wissenschaft hat die Metaphysik auch über die Erkenntnisse zu sprechen und den Skeptizismus zurückzuweisen. Um dies zu erreichen, wird sie zu handeln haben: I) Von den Axiomen. 2) Von der unmittelbaren (inneren) Wahrnehmung. Wir wollen uns zunächst damit beschäftigen. 48. V o n d e n A x i o m e n u n d d e r i n n e r e n W a h r n e hm u n g. a) Welches ist das sicherste Prinzip? Das, worüber keiner sich täuschen kann, von dem jeder ausgehen muß, um irgend etwas zu erkennen, das also jeder, der lernen will, notwendig schon besitzt, ist dieses: "Daß dasselbe demselben nicht zugleich und in derselben Hinsicht - und was wir sonst noch beifügen müssen, um den logischen Einwürfen zu entgehen, gelte als beigefügt - zukommen und nicht zukommen kann. Das ist das sicherste unter allen Prinzipien; denn es erfüllen sich an ihm die genannten Erfordernisse" (To
rae a~~o ät-ta {m:&ex.ew "al f'~ vn&ex.ew cMvva~ov TqJ
a~n$, "al oaa ci.Ua neoa~tO(liOa[ f'B{)'
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a~-rcp "a~a l"O
:lf(100~1W(110ftSVa :17:(10>
a. Niemand kann der Meinung sein, es sei etwas und sei nicht, wenn er es auch sage, denn sonst hätte er zugleich entgegengesetzte Meinungen. ß. Jede Diskussion endet mit dem Hinweis auf dieses Prinzip. Denn dieses ist das natürliche Prinzip aller anderen Axiome.as
Die innere und äußere Wahrnehmung
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b) Man kann dieses Axiom und die anderen nicht beweisen, sondern muß tler"n"c'ik (durch überführen) verfahren. Kein Denkender vermag diesen Satz zu leugnen. c) Man trifft den sog. Satz des Widerspruchs freilich nicht in der eben erwähnten allgemeinen Fassung, seine Wahrheit ergibt sich aber aus zahlreichen speziellen Fällen, in denen er aufgezeigt wird. d) A r i s t o t e 1 e s führt dieses Aufzeigen in sehr scharfsinniger Weise durch, und zwar für verschiedene Axiome, ganz besonders aber für den Satz des Widerspruchs und den des ausgeschlossenen Dritten, ausgehend vom 07Jt.talvetv d (Auslegen). e) Endlich zeigt er auch die Gründe auf, welche diejenigen, die das Gegenteil behaupten, bestimmt haben. a. Sie hielten alles für in Bewegung begriffen, übersehend das unbewegte Sein, das Immaterielle, Gott. ß. Sie beachteten nicht das Bleibende im Wechsel, weder das Bleiben der einen Eigenschaft beim Wechsel der anderen, noch das Bleiben des Allgemeinen beim Wechsel des einzelnen. y. Sie hatten ein unberechtigtes Mißtrauen gegen die Sinne. Es ist töricht zu zweifeln, ob das im Wahn oder Schlaf, ob das vom gesunden oder kranken Sinn Empfundene wahr sei, oder auch, ob die Größe oder Farbe so sei, wie sie in der Nähe oder in der Ferne erscheint. Ebenso ist es aber auch töricht zu sagen, man könne Wachen und Schlaf, gesunden und kranken Sinn nicht unterscheiden. Alle diese verlangen Beweise für das, was Prinzip ist; doch ihr eigenes Handeln widerlegt sie. b. Auch die merkwürdigen Einwände, die Z e n o n gegen die Wahrheit der Sinneswahrnehmung gemacht hatte, namentlich durch seine Argumente gegen die Bewegung, sucht A r i s t o t e 1 es durch eingehende Untersuchungen zu widerlegen. Dies könnte dazu führen anzunehmen, daß A r i s t o t e 1 e s der Sinneswahrnehmung unmittelbare Sicherheit zugesprochen habe. Doch wäre dies ein Mißverständnis. Mit jeder äußeren Wahrnehmung ist nach ihm nebenbei (lv naeeerfll) eine untrügliche innere Wahrnehmung verbunden. "Die ersteren sind uns gegeben, so oft wir empfindend oder denkend tätig sind, indem wir in der psychischen Tätigkeit, worauf auch immer in erster
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Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden
Linie sie sich richte, stets nebenher eine untrügliche W ahrnehmung unserer selbst als psychisch Tätiger haben. Indem wir z. B. etwas Farbiges sehen, nehmen wir in dem Akte des Sehens selbst zugleich wahr, daß wir es sehen. - - Hinsichtlich der primären Objekte dagegen haben wir, was ihren wirklichen Bestand angeht, keine unmittelbare Evidenz. Wir mögen eine noch so starke Gesichtsempfindung haben, wir können darum nicht unmittelbar sicher sein, daß das Farbige, wie es uns erscheint, in Wirklichkeit bestehe. "au Dies ist in den Hauptzügen des A r i s t o t e I e s Apologetik der Prinzipien der Philosophie - des Wissens gegen den Skeptizismus. 49. Wenden wir uns nunmehr zum darlegenden Teil der Ontologie oder Seinslehre. A. V o m S e i e n d e n i m a 11 g e m e i n e n. "Vom Seienden spricht man in mannigfacher Bedeutung (ro iH öv ltymu p.E:v no).laxw>)... Aber diese verschiedenen Bedeutungen stehen doch alle zu e i n e r in Beziehung. Vier Bedeutungen unterscheidet Ar ist o tele s zunächst: a) Das Seiende im Sinne eines Mitzukommenden, eines Zufälligen (ov ~aTa ovp.ßsßYJ~dq}. b) Das Seiende im Sinne des Wahren (ov cfJ> tU'}IJiq). c) Das dem Vermögen und der Wirklichkeit nach Seiende (ov
~vv&.p.s1 ~al i11seys~).
d) Das Seiende im Sinne der Kategorien
(0!1 xa'l"a 'l"a ox~p.aTa
TCÖII ~aT'JYO(!tWII)."
50. Das öv ~aTa ovp.ßeßYJ~dt; (ens per accidens), das Zufällige, ist das im uneigentlichsten Sinne Seiende. Es ist mehr dem Namen als der Sache nach ein Seiendes. Es ist nämlich ein Seiendes oder wird ein Seiendes genannt, nicht nach einem eigenen, sondern nach einem ihm fremden Sein, das sich zufällig mit ihm in demselben Subjekt vereinigt findet. Z. B. Feldherr - Flötenspieler; weiß - wohlschmeckend; Mathematiker - Bräutigam. Wie uneigentlich dieses Sein ist, zeigt besonders auch das Negative in dieser Weise des Seienden, z. B. "Der NichtWeiße ist ein Mensch", obwohl doch das Nicht-Weiß-Sein
Zufälliges und in Wahrheit Seiendes
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ein Nichtsein ist. "Zufällig ist dasjenige, was zwar eintritt, aber weder immer und notwendigerweise, noch meistenteils" (lan ~; ro ovppBfJ'fJxor; ö yl'Y"'em' pev, oflx &el l>'ofl~·~~ &v&yx7Jr; O'!H• cllr; An:l
-ro
n:olv) ... Das lJv xa-ra ovpflefl'lx&r; ist dreifacher Art. Entweder wird eine
Substanz nach einem akzidentellen Sein, das ihr zufällig zukommt, oder ein Akzidens nach einer Substanz, in der es sich zufällig findet, oder ein Akzidens nach einem anderen, mit dem es sich in demselben Subjekt zufällig zusammenfindet, in dieser Weise seiend genannt. "Wenn wir den Menschen gebildet nennen und den Gebildeten einen Menschen oder den Weißen gebildet oder den Gebildeten weiß, so geschieht es das eine Mal, weil beides demselben mitfolgt, das andere Mal, weil es dem Seienden mitfolgt und das drittemal, wo wir den Gebildeten einen Menschen nennen, weil diesem gebildet mitfolgt "43 Da wir vom ;;,. xa-ra ovpßefl'lx&r; nicht wahrhaft wissen, ob es sei, so handelt auch keine Wissenschaft davon. Es trägt nichts zur Erkenntnis der Natur des Objektes, dem es zugesprochen wird, bei. Von dem, was nur ein und das andere Mal zufällig sich trifft, ist eine Wissenschaft nicht möglich, die ja immer auf das Allgemeine geht, auf das, was immer oder doch meistens statthat.44 51. Das lJv cllr; &.J.fJ{J-/r; ist das Seiende im Sinne des Wahren. Sein Gegensatz ist das Nichtseiende oder irrtümlich als seiend Angenommene ( f.lfJ lJv &ir; 'PeMor;) d. h. also das Falsche. Beide finden sich nur im denkenden Geiste und nicht in der Außenwelt, denn nur im Urteil, sei es ein bejahendes oder ein verneinendes, findet sich Wahrheit und Falschheit. Wenn wir von einem Ding der Außenwelt sagen, es sei wahr oder falsch, z. B. wahrer Erfinder, falsches Gold, so geschieht dies immer in bezug auf unser Urteil, weil derjenige, der etwas für einen Erfinder oder für Gold ansieht, wahr oder falsch urteilt. Das lJv &ir; &.J.'f/1J6r; findet sich dann im Urteilenden, insofern er im Verstande Subjekt und Prädikat verbindet, wenn beide in der Wirklichkeit verbunden sind, und iru;ofern er beide trennt, wenn sie getrennt sind. "Denn das Falsche und Wahre ist nicht in den Dingen, als ob etwa das Gute wahr und das
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Das Seiende im Sinne des Möglichen
Schlechte ohne weiteres falsch wäre, sondern im Denken" (ov ya~ icm To 'l'evdo> Hai I"O dll'}{};;, lv Tot, :n:~ay,.aotv · oiov TO ftBV tiyat'Jov, dli'J{}i, • I"O d6 HaHOv, 'l'evdo, • äl.t' lv dtavo~)."'
Wie aber verhält es sich, wenn das, was erkannt wird, kein Zusammengesetztes ist? Man erkennt ja nicht bloß, daß der Mensch dieses oder jenes ist, sondern auch, daß er ist. Da hier d.as Erkannte keine Verbindung oder Trennung ist, kann auch das Erkennen kein Verbinden und Trennen von Begriffen sein, sondern ein einfaches Erfassen des Gegenstandes, ein Wahrnehmen, gleichsam ein Berühren und innerliches Aussprechen. Es ist die Anerkennung in ihrer Einfachheit, nicht das Gefüge eines Satzes, sondern einem einzelnen Worte ähnlich, wenn wir es auch durch einen Satz ausdrücken. Dieser Wahrheit steht kein Falsches gegenüber, denn bei diesem einfachen Erfassen unterliegt der Geist keiner Täuschung. 48 Da das ~ c:,, äll'}{}i; sich wie das lW HaTa avftßeßi'JHtk nur um die übrigen Gattungen des Seienden -bewegt, so nimmt die Metaphysik nicht weiter darauf Rücksicht. 52. Das Seiende im Sinne des Möglichen und des Wirklichen ~
dvvapt xal
lve~ye~).
Wenn man etwas ein Seiendes nennt, so legt man ihm, sagten wir, entweder ein Sein HaTa avftßeßi'JHtk bei, nämlich ein ihm fremdes, nur zufällig mit ihm vereinigtes Sein, oder man gebraucht das Seiende im Sinne des Wahren, oder man erklärt es für ein Seiendes in der Bedeutung einer der Kategorien. Ein solches Sein aber wird entweder im Sinne des in Möglichkeit oder des in Wirklichkeit Seienden ausgesagt. Von diesem Unterschied in der Bedeutung des Seienden haben wir jetzt zu sprechen. Betrachten wir die realen Bestimmungen, die von den Dingen ausgesagt werden, so zeigt sich, daß sie von einer doppelten Klasse sind: a) Die einen sind wirkliche Bestimmungen, wie wenn ich sage, es sei etwas viereckig, warm, hier, Mensch. b) Die anderen dagegen sind keine wirklichen Bestimmungen, sondern bloße Fähigkeiten zu gewissen wirklichen Bestimmungen, z. B. brennbar, teilbar, stark, vernunftbegabt, Baumeister, Baumaterial, biegsam, beweglich.
und im Sinne des Wirklichen
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Die ersteren sind ein Seiendes im Sinne des öv lveerelq., die zweiten ein Seiendes im Sinne des öv 8vvape,. Wie also Denken zu Denkvermögen, Empfindung zu Empfindungsvermögen, Gebäude zu Baumaterial, brennend zu brennbar, gedehnt zu dehnbar usf. sich verhält, so verhält sich das in Wirklichkeit zu dem in Möglichkeit Seienden. Das eine bezeichnet das, was wirklich ist, das andere das, wozu es fähig ist. A r i s t o t e I e s definiert das in Möglichkeit Seiende als Fähigkeit oder als dasjenige, welches "falls ihm die Wirklichkeit dessen zukommt, wozu man ihm die Fähigkeit beilegt, nichts Unmögliches ergeben würde" (Eon 88 8vval"av l"Oiil"o c[J lav vn&f!~n ~ Avsgre'a ov Urna' lxew l"~v 8vvap.w, oM8v lal"a' d8vvaTov)."
Es gehört aber eigentlich noch dazu, was hier durch den Zusammenhang ergänzt wird, "dem aber diese Wirklichkeit nicht notwendig zukommt". Die Bestimmung im Sinne des 8vv&fU1' 8v scheint gemeint als der Anfang von dem, was das beerslq. 8v in seiner Vollendung bezeichnet. Daher sagt A r i s t o t e I e s statt 'wserelq lW auch lneler.elq. lW (lneUxe,a=l"elelooo~. Vollkommenheit). Oft trägt das 8vvape' lW denselben Namen wie das entsprechende a" ~VB(!'fBlq. z. B. Sehen, Hören (Gegensatz: der Taube). Das 8vvape' lW kann aber zweifachen Sinn haben: a. Dasjenige, dem etwas schlechthin möglich ist (Fähigkeit zu etwas). p. Dasjenige, dem etwas in vollkommener Weise (leicht und gut) möglich ist {vollkommene Befähigung zu etwas), z. B. Baumeister, Maler - tugendhaft, wissend. Auch hier wird oft beides mit dem gleichen Namen genannt. In diesen beiden Bedeutungen bezeichnet das 8vvap" lW zwar etwas anderes als das öv lveerslq., steht aber nicht im Gegensatz zu ihm. Das was fähig ist zu sehen, ist vielleicht zugleich auch wirklich sehend. Aber A r i s t o t e I e s gebraucht das öv 8vvafUI' auch noch in einer dritten Weise, in welcher es nicht eine Fähigkeit schlechthin oder eine vollkommene Befähigung zu etwas, sondern einen gewissen Zustand anzeigt, in welchem sich das, was zu etwas fähig ist, befindet.
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Näheres über die beiden Seinsarten
Und in diesem Sinne, als Seinsweise eines im Zustand der Möglichkeit Befindlichen, bildet das lJvvdf'e' öv einen Gegensatz zu dem ivellrel~ llv, dem im Zustand der Wirklichkeit Befindlichen, indem es die vollendete Wirklichkeit, die dieses einschließt, negiert. Zu dem fJvvaf'e' öv in diesem Sinne verhält sich das ~ lve{lyel~ wie der Bauende zu dem, der bauen kann, aber nicht baut, oder der Wachende zu dem Schlafenden, der Sehende zu dem, der die Augen schließt, aber doch Sehkraft besitzt, das aus dem Stoff Geformte zu dem (ungeformten) Stoffe, das Bearbeitete zu dem U nbearbei teten. Wann also ist (genau definiert) dieser Zustand gegeben? Ist vielleicht alles im Zustand der Möglichkeit zu etwas, was zwar nicht ist, aber fähig ist, es zu werden? A r i s t o t e 1 e s verneint das; er erklärt, daß vielmehr nur das, was durch eine einzige Veränderung in den Zustand der Wirklichkeit übergeführt werden könne, ein Jvvdf'e' öv und ein im Zustand der Möglichkeit Befindliches zu nennen sei, nicht aber das, was zuerst anderen vorbereitenden Umwandlungen unterliegen müßte. Und in der Tat sagen wir z. B. von der Kalkerde noch nicht, sie sei in Möglichkeit eine Bildsäule, wohl aber vom Marmor. Und wir sagen nicht vom Baum, er sei in Möglichkeit ein Verschlag, sondern eher von den gesägten Brettern. Wir sagen auch nicht vom keimenden Halm, er sei in Möglichkeit Brot, sondern eher vom Mehl oder geknetetem Teige. Es würde etwas Sonderbares an sich haben, wenn man das, was noch so viele Umwandlungen erf,ahren muß, um etwas zu werden, schon wie ·etwa:s in Möglichkeit auf diiesem Wege Befindliches behandeln und mit dem Namen dessen, was am Ende aws ihm werden kann, benennen würde. a. Von dem Stoff, den der Kaufmann liefert, sagt man gemeiniglich, es sei ein Kleid (z. B. ich habe mir ein seidenes Kleid gekauft) im Sinne des ~vvdf'e' öv. p. Aber nicht üblich ist es, die Kokons der Seidenraupen bereits als Kleid zu bezeichnen, weil diese nämlich noch nicht zur letzten Verarbeitung vorbereitet und so im Zustand der Möglichkeit befindlich sind.
des Möglilhen und Wirklichen
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y. Man hat .diesen Unterschied auch geschickt verwertet, um komische Effekte zu erzielen. Z. B.: "Ich habe im Sommer immer lebendige Wintergarderobe in meinem Revier und brauche kein Geld zum Kürschner zu tragen, denn es kommen keine Motten ins Pelzwerk. Vier Paar tüchtige lederne Hosen laufen immer als lebendige Böcke auf meinem Hofe herum und mitten unter ihnen ein herrlicher Dudelsack, der sich aber jetzt als lebendiger Bock so musikalisch zeigt, daß die zu einzelnen Hosenbeinen bestimmten Kandidaten, sobald er meckernd unter sie tritt, zu tanzen und gegeneinander zu stelzen anfangen, als fühlten sie jetzt schon ihre Bestimmung, einst nach dem Dudelsack ungarisch zu tanzen. So habe ich auch einen neuen Reisekoffer als Wildsau in meinem Forst herumlaufen. Ein prächtiger Wolfspelz hat mir im letzten Winter in der Gestalt von 6 tüchtigen Wölfen schon auf den Leib gewollt, die Bestien hatten mir ein tüchtiges Loc.i. in die Kammertüre genagt, da fuhr ich einem nach dem andern durch ein Loch über der Türe mit einem Pinsel voll Olfarbe über den Rücken und erwarte sie nächstens wieder, um ihnen das Fell über die Ohren zu ziehen. "'s Das Komische liegt darin, daß etwas, was noch viele Umwandlungen erleiden muß, wie etwas bereits im Zustand der Möglichkeit Befindliches mit dem Namen des Wirklichen, das aus ihm werden kann, benannt wird. Lägen der Wolfspelz und das Bockleder schon beim Schneider und Instrumentenmacher und das Fell der Wildsau beim Koffermacher, so wäre nichts Sonderbares und darum auch nichts Lächerliches darin, wenn man das eine als ein Paar Hosen, das andere als Dudelsack, das dritte als Reisekoffer titulierte. Das was noch nicht Jv,.~e' ist, wird als bereits Jv,.&.f.U' seiend behandelt. Nach dem, was gesagt wurde, scheint es für jeden Fall klar und leicht zu entscheiden, ob etwas im Zustand der Möglichkeit befindlich sei oder nicht. Und für das im Zustand der Wirklichkeit Befindliche scheint durchaus alles einfach und keiner Erörterung bedürftig. Dennoch gibt es einen Fall, der Zweifel erregen könnte und den Ar i s t o t e I es einer eingehenden Untersuchung würdigt, der Fall der Bewegung, in dem Sinne jeder stetigen Umwandlung genommen.
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Die Bewegung ist unfertige Wirklichkeit;
Ist das Bewegte, wenn es bewegt wird, ein ivef!rel~ oder ein .5vv&,..e, öv? Ist es im Zustand der Möglichkeit zur Bewegung oder in dem der Wirklichkeit? Sagt man: im Zustande der Wirklichkeit, so läßt sich dagegen einwenden, daß der Zustand der Wirklichkeit ein Zustand der Vollendung ist. Aber das Bewegte ist nicht ein Zustand der vollendeten Bewegung, die Bewegung, die ihm zukommt, kommt ihm nicht ganz, sondern nur einem Teile nach und auch diesem Teil nicht ganz, sondern wieder nur einem Teile nach zu usw., so daß weder das Ganze noch irgendein Teil vollendet gegeben ist. Der abgelaufene Teil der Bewegung kommt dem Bewegten bereits nicht mehr, außer etwa in Möglichkeit zu, der noch übrige kommt ihm noch nicht, außer wieder etwa in Möglichkeit zu, und zwischen ihnen scheint kein Drittes zu liegen. Also wäre das Bewegte als solches ganz und gar im Zustand der Möglichkeit (in bezug auf alle Teile der Bewegung) befindlich. Aber auch dies scheint unhaltbar und lächerlich zu sein, denn wodurch soll sich dann das Bewegte vom Ruhenden unterscheiden? A r i s t o t e I e s beantwortet diese Frage dahin, daß das Bewegte ein in Wirklichkeit Seiendes sei. Die aufgeworfene Schwierigkeit löst er durch die Unterscheidung einer zweifachen Wirklichkeit, einer fertigen (vollkommenen) und einer unfertigen (unvollkommenen). Die unvollkommene ist die, welche dem Wirklichen weder ihrem Ganzen, noch irgend einem ihrer Teile nach vollendet, aber .doch wahrhaft zukommt. Dieses ist daher im Zustand der Wirklichkeit, aber im Zustande unvollendeter Wirklichkeit, d. h. so, daß ihm seine Wirklichkeit gewissen Teilen nach nicht anders als der Möglichkeit nach, und sogar jeder Teil seiner Wirklichkeit gewissen Teilen nach nicht anders als der Möglichkeit nach zukommt. Die Bewegung im Sinne der stetigen Verwandlung ist eine solche unfertige (unvollkommene) Wirklichkeit, evnU;:e'a &nlt]'". Und A r i s t o t e I es bestimmt sie darum auch mit einer merkwürdigen, gewöhnlich mißverstandenen Definition als das Wirkliche des in Möglichkeit Seienden als solchen tt7 roii dvv&,..e, övro'" lvnU;:e'a
v ro,oiinw, xlV7JO'f: lonv)."'
sie ist stetige Umwandlung
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Und an anderer Stelle heißt es: .Offenbar ist es, daß die Wirklichkeit des Möglichen, als eines Möglichen, Bewegung ist" {~ -roii OOI'a-roii, " Jvl'an)l', msUxs'a qJai'B(!OV ön HlV7JO'' lo-rw}.10 Es sei dies, sagt A r i s t o t e I e s, etwas, was schwierig zu denken, aber dennoch möglich sei. Schwierig zu denken nennt er es, weil es einen Widerspruch zu enthalten scheint. Die Definition wurde vielfach nicht recht verstanden und darum von den Unverständigen verhöhnt. In der Tat verdient diese scharfsinnige Bestimmung vielmehr die höchste Bewunderung und A r i s t o t e I e s hat mit ihr den Schlüssel zu einer Reihe der schwierigsten Probleme der modernen Metaphysik gegeben.51 Da aber, was später noch näher ausgeführt werden soll, kein Begriff mehreren Kategorien anders als in analoger Weise angehören kann, SO gilt dies auch VOn dem 01' Jvl'tlf'Bt Und BvB(!'fel~. So vielfach das Seiende der Kategorien ist, so vielfach ist das ov ;"serel~, das ja mit ihm zusammenfällt, so vielfach aber auch das Jv"a,.s, 811, denn es findet sich in jeder der Kategorien. 52 Eine Bewegung in der von uns erklärten Bedeutung, nimmt A r i s t o t e I e s nur in 3 Kategorien an; in der des Ortes, der Quantität und der Qualität. Ar i s t o t e I e s faßt die Bewegung, wie gesagt, als stetige Umwandlung. Nun gibt es aber 4 Umwandlungen: der Substanz, der Quantität, der Qualität, des Ortes. Die substantielle Umwandlung (z. B. vom Nichtseienden zum Seienden) gilt A r i s t o t e I e s für momentan, wenn sie auch durch stetige akzidentelle vorbereitet wird. Somit bleiben nur die drei anderen Umwandlungen übrig. Wollte man jeden stetigen Wechsel, auch den bloß konkommittierenden, Bewegung nennen, so würde sich die Bewegung weiter, auf alle Kategorien, ausdehnen und die Substanz wäre allein ausgenommen. In dieser Weise scheint T h e o p h r a s t den Begriff der Bewegung erweitert zu haben, der dann auch wirklich in allen Kategorien eine Bewegung oder unfertige Wirklichkeit außer der fertigen angenommen hat. Die quantitative Bewegung faßt A r i s t o t e I es nicht sowohl als Dehnung als vielmehr als substantielles Wachstum (der Organismen, bei denen er allein von ihr spricht) auf; doch dies
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Das Seiende im Sinne der Kategorien
wohl zu Unrecht, denn dann wäre sie eigentlich nur konkommittierend der Veränderung in der Kategorie. Diese Überlegungen führen uns bereits zu der vierten Bedeutung, in der das Seiende gebraud:J.t wird, zum Seienden der Kategorien. 53. Das Seiende im Sinne der Kategorien ( öv xa..:a ni ox~f'am rwv
xann•o~1wv).
In dieser Bedeutung des Seienden ist wiederum eine Mannigfaltigkeit von Bedeutungen eingesd:J.lossen. Wir werden uns die Frage stellen müssen, ob die Zahl der K a t e g o r i e n, die Ar ist o tele s anführt, den ganzen Umfang des Seienden ersd:J.öpfen soll oder ob er nur Beispiele geben will, die man noch vermehren könnte? In dem Buch der Kategorien und in der Topik werden 10 Gattungen angeführt:53 1) Substanz (ollola) oder Wesen. 2) Qualität (no1ov), ein Besd:J.affenes. 3) Quantität {nooov), ein Großes. 4) Relation (n~~ ..:1). 5) Ort (nov). 6) Zeit (no"C8). 7) Stellung (xeitJOa,). 8) Anhaben, Bekleidung (lxew). 9) Tun (no1eiv). 10) Leiden (naoxew). Kategorien und Topik gehören zu den früheren Sd:J.riften des A r i s t o t e l e s. Ziemlich allgemein wird angenommen, daß er später xslo{}a, (Stellung) und lxsw (Bekleidung) fallen ließ. Den Weg zur Beantwortung der früher aufgeworfenen Frage weist uns folgende Überlegung: A r i s t o t e l e s wollte mit seinen Kategorien oberste Begriffe geben. Jeder Begriff bezeichnet nad:J. ihm ein Seiendes, aber in anderer Bedeutung. (ona xa6' av..:ö lEw ..:ij~: lilavolar;). Das Seiende ist jedoch nid:J.t ein Synonym, nicht ein gemeinsamer Gattungsbegriff für sie, der Name kommt ihnen vielmehr in homonymer Weise zu. Dod:J. nid:J.t im Sinne von Homonymen, die nur zufällig denselben Namen tragen wie Star (die
Auf die Substanz bezieht sidi alles
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Augenkrankheit) und Star (der Vogel) oder wie Hahn, Ball usw. (opdwupov M-o n1;;c1]>). Es gibt ein Mittleres zwischen solchen rein zufälligen Homonymen und der Synonymie, also zwischen dem, was bloß dem Namen und dem, was der Gattung nach eines ist, und zwar von doppelter Art: 1. Das opc!Jvvpov xaf' ävaJ.oylav. Es liegt vor, wenn innerhalb verschiedener Gattungen eine Gleichheit oder Ähnlichkeit der Verhältnisse gegeben ist, z. B. Seele (des Menschen - eines Unternehmens). Lösung (einer Substanz - auf dem Schachbrett). Helligkeit (einer Farbe - eines Tones). Dazu steht das Jprovvpov äno n'JX1J>· bei welcher zufälligen Äquivokation durchaus keine Ähnlichkeit der Verhältnisse zu bestehen braucht, im Gegensatz. 2. Ferner steht in der Mitte zwischen den Homonymien und Synonymien das opc!Jvv,..ov :n:eor; lv, z. B. Gesundheit (bezogen auf Leib, Gesichtsfarbe, Speise, Arznei, Gegend, Spaziergang) oder königlich (Herrscher, Thron, Purpur, Befehl, Familie, Ehre). Es handelt sich hier um eine Beziehung zum gleichen Terminus. Bei allem, was :n:eor; Ev gesagt wird, ist eines, das im eigentlichsten Sinne den Namen führt und in bezug auf welches auch alle anderen so genannt werden. Dies ist beim Gesunden der gesunde Leib, bei königlich der Herrscher. "Vom Seienden spricht man zwar in vielfacher Bedeutung, jedoch immer mit Beziehung auf Eines und auf eine einzige Natur, und nicht im Sinne bloßer Homonymie oder Namensgleichheit" (TO .58 öv Uysm• p8v :n:oJ.J.a;;cwr;, aUa :n:gor; BV xa/ plav fWa cpvow, xa/ o-öx opc!Jvvpor;) ...
Beim Seienden ist dieses Eine die Substanz (o-öota). .Da aber das Seiende so vielfach ausgesagt wird, so ist doch offenbar seine erste Bedeutung das Was, welches die Substanz bedeutet. - - Das andere aber wird Seiendes genannt, weil es an dem so Seienden etwas ist, Quantität, Qualität, passive Bestimmtheit oder sonst etwas dergleichen" (Tooavw;;cwr; .58 J.eyopivov foii onor;, cpavsgov, Ön rovuov :n:gwTOV Öv,
-rO
'loii 8vrro~ Övr:oq,
'fa
p.E:v :noo&nJ7:a~
fa .58 a.tJ.o n fOIOVfOV).M
Ta
"'ä.Ua Ä.iyerat Örra, TQi e1vat, t:tl «3t xou)rrrr:a~, -r& de n&:IJ11,
r;{ ~ouv, öne(} OYJp..alvet 1:~v oVolav. -
-
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Die Kategorien sind höchste Gattungen,
So also haben alle anderen Gattungen des Seienden in bezug auf die Substanz den Namen, sie werden mit anderen Worten neo~ ;" seiend genannt. 54. Wie aber kam Ar i s t o t e I es zur Aufstellung seiner Kategorien? Dies ist von vorzüglicher Wichtigkeit, nicht bloß historisch, sondern auch für die Metaphysik, wenigstens für den Fall, daß A r i s t o t e I es nicht willkürlich eine Anzahl allgemeiner Begriffe zusammenstellte, wobei irgendein äußerlicher Einteilungsgrund herangezogen wurde, sondern daß er sein EiDteilungsprinzip aus dem Wesen der Sache abzuleiten versuchte. In der Tat glaubten K a n t und H e g e I, A r i s t o t e I e s habe seine Gattungsbegriffe willkürlich zusammengerafft. Allein dagegen spricht schon das wissenschaftliche Verfahren, das A r i s t o t e I e s überhaupt und insbesondere hier in Anwendung brachte, und die Sicherheit, mit der er erklärt, die höchsten Gattungen vollständig aufgezählt zu haben. Andere meinten, er habe an die Grammatik sich angelehnt und in grammatischen Formen die Bürgschaft für die Vollzähligkeit seiner höchsten Gattungen gesucht. Doch ist auch dies nicht annehmbar. Allerdings besteht eine gewisse Übereinstimmung zwischen Form der Sprache und des A r i s t o t e 1 es höchsten Gattungen, und zwar in doppelter Weise: a. Indem die Sprache Fragen, die ein Seiendes von einer anderen höchsten Gattung zur Antwort verlangen, in anderer Art ausdrückt; z. B. ·r:t, noaov, noiov, 1:' no1si, 1:t naox" usw. ß. Indem die Wortformen der Substanz, des Adjektivs, des Aktivums, des Passivums, des Adverbs bis zu einem gewissen Grade den Kategorien entsprechen. Dies hat Ar ist o t e 1 es gewußt und berücksichtigt. Ja es ist möglich, daß er sich zum Teil zuerst von der Sprache leiten ließ, als er seine höchsten Gattungen aufstellte. Doch würden wir irren, wenn wir glaubten, daß er deshalb versäumt hätte, in der Sache selbst ein Prinzip für seine Einteilung zu suchen. Was dieses Prinzip ihm sein mußte, ist nicht schwer zu erraten, wenn man erwägt, daß nach ihm die höch gewissermaßen unbeabsichtigt und zwecklos. Der Zweck ist doppelt: a. oii fvsxa r[> (das, wofür etwas begehrt wird) und ß. oii fvexa oii (das Begehrte). Der letztere ist wieder doppelt: a. Die Ähnlichkeit, nach welcher das zu Wirkende in dem Wirkenden präexistiert ß. Die empfangene Ähnlichkeit mit dem Wirkenden. Dann ist der Zweck mit der Form identisch. Manchmal geht ein längerer Prozeß der Einwirkung, eine längere Reihe von Veränderungen und Umwandlungen der
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Form und Gesetz der Synonymie
Verähnlichung des Leidenden mit dem Wirkenden, vorher. Dann ist das, wobei die Entwicklung endet, der erste und eigentliche Zweck, denn nur diese letzte Stufe ist dem Prinzip gleich. Es ist das vollkommene, das vom Anfang erstrebte Gute. Doch ist der ordo executionis entgegengesetzt dem ordo perfectionis und intentionis. So ist die junge Nachtigall vor dem Ei und die erwachsene vor der jungen, ja die singende vor der nichtsingenden. Denn die letzte Vollkommenheit ist in der Tätigkeit. Erst wenn das Erzeugte auch in dieser Weise vollkommen geworden, ist es dem Erzeugenden in seiner ganzen Vollkommenheit ähnlich. Daher sind die Lebenstätigkeiten vor dem Sein, das in Möglichkeit in ihnen ist (erste und zweite Energie).66 62. Die bisherige Besinnung auf die äußeren Ursachen ergab keine and«ren Substanzen (u. Seiendes) außer den individuellen, wie auch nur in dreifachem Sinne: Form, Materie, Kompositum. Es fragt sich, ob es außer ihnen ein (für sich bestehendes) Allgemeines, ein xa{}Olov im Sinne P l a t o n s gibt. Aber, als Ursache wenigstens, ist es nicht nötig (weder innen noch außen). Was P l a t o n mit seiner Idee leisten wollte, ist teils durch die Form, teils durch das Gesetz der Synonymie ohne sie geleistet. a. Die Form ist es, auf die es geht, wenn gesagt wird, das Schöne sei durch die Schönheit schön, d. h. durch die Partizipation an der Schönheit. ß. Das Gesetz der Synonymie aber entspricht der Forderung P l a t o n s, daß das natürliche Werden die Nachahmung eines Vorbildes sei. y. Freilich ist hier das Hervorbringende kein Allgemeines, sondern ein Einzelnes. Aber um so größer ist die Ähnlichkeit. Wäre ein für sich wirkendes Allgemeines das Hervorbringende, so würde es wohl auch ein solches Allgemeines hervorbringen. Nun aber kann man nur sagen, daß wie dieser Mensch diesen Menschen hervorbringt, auch allgemein gesprochen, immer ein Mensch es ist, der einen Menschen und ein Tier, das ein Tier, eine Pflanze, die eine Pflanze erzeugt.
ersetzen Platonß Ideen
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überhaupt gibt es kein Allgemeines außerhalb der Einzeldinge, denn sonst wäre es entweder den Einzeldingen synonym, also das Pferd an sich wäre gleichartig den einzelnen Pferden; oder aber es ist nicht synonym, dann ist das sinnliche Einzelne nicht wißbar, die Ideen aber sind nicht seiend. Jenes ist nicht wißbar, weil die Wissenschaft vom Allgemeinen, vom wesentlichen Sein, handelt. Die Ideen aber sind nicht seiend, denn wie die Idee des Pferdes kein Pferd, so ist die Idee des Seins kein Seiendes; und ebenso verhielte er sich mit den anderen ldeen. 67 63. Fragen wir nochmals, welches die Prinzipien der Dinge sind und ob sie für Substanzen, Qualitäten, Quantitäten etc. die gleichen seien, so ist zu sagen: Die Prinzipien sind einerseits für Verschiedenes verschieden, andererseits aber doch wiederum dieselben. Allgemein nämlich und der Analogie nach gelten die drei Prinzipien: Materie, Form, Privation. Doch ist jedes von diesen bei jeder Gattung verschieden. Ursache von allem aber sind die Substanzen und die Ursachen der Substanzen müssen daher die Ursachen von allem sein.es Wegen der unvollkommenen Synonymie in gewissen Fällen ist es jedoch möglich, daß ein äußeres Prinzip zu allem Werden beiträgt. So z. B. die Bewegung der Sonne; aus ihr entspringt nicht bloß örtlicher Wechsel, sondern auch qualitativer, quantitativer und substantieller - Jahreszeiten, Wachstum, Samenbildung. Nicht bloß die Pflanze erzeugt die Pflanze, sondern auch die Sonne trägt dazu bei. Dasselbe gilt aber, und noch viel mehr und mit vollkommener Wahrung der Synonymie, von dem alles bewegenden Beweger. Aus ihm geht alles hervor, denn er ist gewissermaßen alles, der ewige Gedanke Gottes, der Gott selbst ist und die Erkenntnis von allem anderen in sich begreift. Dieser ist in vollkommenster Weise Ursache und das Gesetz der Synonymie ist trotz seiner unendlichen Erhabenheit insofern am vollständigsten bei ihm gewahrt, als hier in dem Hervorbringenden und Hervorgebrachten nicht bloß der Art nach dasselbe ist wie bei jeder natürlichen Erzeugung, sondern vielleicht in der Weise dasselbe wie Allgemeines und darunter fallendes Individuum, Begriff und darunter Begriffenes. Denn der Künstler hat nicht bloß das
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Das Gesetz der Synonymie führt
Individuum als Gedachtes in sich, sondern dem allgemeinen Begriff nach. Bei den Gedanken Gottes, aus denen die ganze Welt mit allen ihren Teilen hervorgeht, ist das Hervorgehende und das, woraus es hervorgeht, in vollkommenster Weise und im einzelnen einander entsprechend; denn gerade das, was wird, und gerade so, wie es wird, war es als Gedachtes im göttlichen Verstande, nicht bloß im Allgemeinen oder wie etwas, was wir der Art nach dasselbe nennen. ~Da aber das Bewegende bei den Naturdingen, z. B. für die Menschen ein Mensch ist, bei den Erzeugnissen der Vernunft aber die Form oder ihr konträres Gegenteil, so würden in einer Weise nur drei Ursachen sein, in anderer vier. Denn die Heilkunst ist gewissermaßen die Gesundheit, die Baukunst die Form des Hauses, und der Mensch erzeugt den Menschen. Außerdem haben wir ferner als Ursache ein als das Allererste alles Bewegendes" ('Enel J8 TO xwoiiv, lv f'W Tois; q;votxois; lf.v{}(!wnos;, tv Je Tois; &no dtavolas; TO eldo,,
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Aber gibt es denn einen solchen ersten Beweger und ist dieser wirklich ein denkendes und über alles andere unendlich erhabenes Wesen? M. a. W. gibt es einen Gott? Mit dieser Frage gehen wir zu dem über, was die spezielle Aufgabe der Metaphysik ist. Die Ontologie mündet in die Theologie.7o 111. Theologie
64. Vom Gesetz der Synonymie aus gelangt A r i s t o t e I e s zur Annahme eines durch sich selbst notwendigen, unendlich vollkommenen, denkenden Geistes als ersten Grundes alles Realen. 71 In dem schon angeführten Schlußsatz des 4. Kapitels des XII. Buches der Metaphysik: "Außerdem haben wir ferner als Ursache ein als das Allererste alles Bewegendes" unterscheidet A r i s t o t e I es nämlich von dem natürlichen und künstlichen Werden noch das Werden durch die Gottheit als einen beson-
zur Annahme eines göttlichen Prinzips
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deren Fall des Werdens nach dem Gesetz der Synonymie. "Es ist nun die eine die des natürlichen Wirkens wie wenn Löwe den Löwen hervorbringt. Er nennt sie ein Hervorbringen in ihm selbst (~v av-rq>), die andere ist die des verstandesmäßigen Hervorbringens, wie wenn ein Baumeister ein Haus baut. Diese Weise nennt er ein Hervorbringen in anderem (lv cilltp). Das Werk ist in dem Werkmeister der Form nach. Dazu kommt dann noch als dritte Weise die, in welcher der Gott die Weltordnung hervorbringt. Hier ist in der Ursache das, was hervorgebracht wird, w e d e r s o, w i e e s i n W i r k l i c h k e i t i s t, n o c h s o, w i e e s i n e i n e m d i e G e d a n k e n a u f n e h m e n d e n V e r s t a n d e i s t, i n d e m s e i n e F o r m diesen Verstand in gewisser Weise aktualis i e r t; v i e l m e h r i s t e s i n i h m s o, w i e d i e K o n s e q u e n z e n i n e i n e m P r i n z i p b e g r i ff e n s i n d, w e l ches sich selbst in ewiger Wirklichkeit vollkommen und darum auch nach seiner ganzen B e d e u t u n g a l s P r i n z i p e r k e n n t. Es ist von ihm gedacht, ohne das eigentliche Objekt seiner Liebe zu sein. Aber darum ist es nur um so vollkommener und totaler in allen seinen Beziehungen gedacht und gewollt. "72 "Vor allem ist hier folgende Erwägung von Wichtigkeit. Wenn etwas ist, aber nicht durch sich selbst notwendig ist, so muß es in etwas anderem seinen Grund haben. Ohne dies könnte es zu irgendwelchem regelmäßigen Verlauf der Ereignisse nicht kommen, denn, wenn das, was an und für sich ebensowohl sein als nicht sein kann, ohne jede weitere bestimmende Ursache wäre oder nicht wäre, so könnte es auch von selbst anfangen und von selbst aufhören, und es käme weder zu einem konstanten, gänzlich unveränderten Bestand noch zu einem kontinuierlichen Verlauf, vielmehr infolge der Störungen durch das, was von selbst wird und aufhört, von Moment zu Moment zu abruptem, sprunghaftem Wechsel. Nun gibt es aber auf dem Gebiet der uns umgebenden physischen Welt vieles, was seiner Natur nach sowohl sein als nicht sein kann, sehen wir es doch entstehen und vergehen. Also muß dieses in etwas anderem seine bestimmende Ursache haben. Nehmen wir an, auch diese Ur-
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Erste Ursache der Welt ist ein Verstand
sache sei des Seins wie Nichtseins fähig, so wird uns dies auf eine frühere Ursache zurückweisen, und von ihr, wenn sie nicht notwendig ist, wird dasselbe gelten. Doch wenn wir so eine Reihe von Ursachen, von denen jede an und für sich sowohl sein als nicht sein kann, sogar ins Unendliche zurücklaufen ließen, so würde dies noch keineswegs genügen. - - Sie erschiene in ihrer Totalität als etwas Tatsächliches, aber nicht Notwendiges. Es wäre nicht absurd, wenn sie nicht bestünde. Wenn sie also trotzdem ist, so muß dafür in etwas anderem der bestimmende Grunde gesucht werden. Und so gibt es denn, so gewiß es etwas Wirkliches gibt, was seiner Natur nach sowohl sein als nicht sein kann, als Ursache dafür etwas, was durch sich selbst schlechterdings notwendig ist. "73 Im XII. Band der Metaphysik spricht A r i s t o t e l e s von einer Ordnung, von einem "Zueinander" zwischen allen Dingen und der Welt und führt sie zurück auf einen allgebietenden Verstand, der wie Feldherr und Ordner des Heeres ist. "Alles aber ist in bestimmter Weise, wenn auch mit Unterschied, in eine Ordnung gebracht, Fische, Vögel und Pflanzen, und es ist nicht so, daß das eine mit dem anderen keinen Zusammenhang hätte, sondern dieser Zusammenhang ist da. Alles ist nämlich auf ein einiges Ziel hingeordnet" (n&v-ra 138 ovnhaxTal :rro,, dll' oVx, Opolro~, xal nlcoTa xal lnfJ'VO., xai q:>vra. KaZ oVX ovroo> lze,, cöa.-e p.q elva& iJazieqJ :n:eo• Daneov p.1Jlliw· d.U.' Euci :rceO, n· neO~ p.AP ,.,ae W &na.,.'T:a ovvrha"Tat).1'
Und so wird denn die Hypothese, daß die erste Ursache der ganzen Welt ein Verstand sei, aufs mannigfachste und glänzendste bestätigt. Die zuletzt erwähnte Tatsache, nämlich daß sogar alles zu allem in teleologischer Beziehung steht. läßt uns zugleich auch noch erkennen, daß das denkende Prinzip, von welchem die Ordnung in letztem Grunde herstammt, ein einheitliches ist.7 5 65. Den teleologischen Beweis für das Dasein Gottes hat Ar ist o tele s mit anderen gemeinsam. Er fügt nun aber den Beweis vom unbewegten Beweger hinzu. So gewiß es Bewegung gibt, so gewiß muß es eine unbewegte ewige Substanz als erstes Prinzip der Bewegung geben. Denn alles, was bewegt ist, wird
Der Gottesbeweis vom unbewegten Beweger
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von etwas anderem bewegt. Bewegt wird ja etwas, insofern es in Möglichkeit sich bewegen kann, aber immer geschieht es durch etwas in Wirklichkeit Seiendes. Dieses Bewegende wird entweder wieder von einem anderen bewegt oder nicht; in diesem letzten Fall haben wir ein unbewegtes Prinzip der Bewegung. Aber warum kann man nicht aus einer unendlichen Reihe sekundärer Ursachen die Bewegung erklären? Jede sekundäre Ursache bewegt gleichsam als Werkzeug einer früheren. Aber auch eine unendliche Reihe von Werkzeugen macht die primäre Ursache nicht entbehrlich.76 66. In diesem Beweis des A r i s t o t e I es für einen unbewegten Beweger steckt Kraft. Er enthält nur etwas, das glauben machen könnte, er sei nicht überzeugend, nämlich die gegenseitige Bewegung der Körper. Aber es bleibt eine Bewegung, die sich aus ihnen nicht erklärt. Warum bewegen sich die Körper? Weil sie gerade diese Lage haben. Hätten sie dieselbe früher gehabt, so wäre die Bewegung früher eingetreten. Sie hatten sie nicht, also ist eine weitere Bewegung zur Erklärung der gegenwärtigen notwendig. A r i s t o t e I e s lehnt sich daher gern an die Bewegung der Himmelskörper, vorzüglich der Sonne, an. Dieses stets gleichmäßig Bewegte muß einen Beweger haben und als solcher kann kein Körper herangezogen werden. Wir sind also zur Annahme eines unbewegten geistigen Bewegers genötigt. "Da nun das Bewegte von etwas bewegt werden und das erste Bewegende an sich unbeweglich sein, und die ewige Bewegung von einem Ewigen, die einige von einem Einigen ausgehen muß, und da wir ferner außer der einfachen Bewegung des Ganzen, welche nach unserer Behauptung von der ersten und unbeweglichen Wesenheit ausgeht, noch andere ewige Bewegungen sehen, die der Planeten nämlich (denn ewig und ruhelos ist der im Kreise bewegte Körper, wie dies in den physischen Schriften [Phys. VIII. 8] erwiesen ist), so muß auch jede dieser Bewegungen von einer an sich unbeweglichen und ewigen Wesenheit ausgehen."77 Wenn es nicht eine solche ewige, geistige Substanz gäbe, so würde es keine Himmelskörper geben, wie Aristoteles denn auch die korruptiblen Substanzen einbegreifend, an anderer Stelle
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Gott ist notwendig und vollkommen
sagt, wenn es jenes unbewegte Prinzip nicht gäbe, so würde gar nichts sein.7B So irrig uns im Ganzen die Theorie von der Himmelsbewegung erscheint, so ist doch auch in ihr etwas bleibend Wahres enthalten. An den Beweis aus der Bewegung werden in der Metaphysik weitere Bestimmungen angeknüpft. Ehe wir darauf eingehen, möge bemerkt sein, daß A r i s t o t e I e s auch einen psychologischen Gottesbeweis kennt. Da dieser Beweis auf psychologischen Voraussetzungen beruht, wollen wir erst später darauf zu sprechen kommen. 67. Gott ist unendlich gut und alles Guten Prinzip. "Als schlechthin notwendig, alle Wahrheit in seiner Erkenntnis und alles Gute in seiner Liebe, alles außer ihm denkbare Reale in seiner Macht umfassend und im Bewußtsein seiner selbst beseligt, erscheint das erste Prinzip aller Dinge - - als die unendliche Vollkommenheit. Und wenn gesagt wird, es werte alles nach dem Maß seiner Güte, so bedeutet dies nichts anderes, als es werte alles nach dem Maß der Ähnlichkeit mit ihm selbst, dem Inbegriff aller Vollkommenheit. Und so erscheint denn die Liebe seiner selbst bei ihm als maßgebend für die Liebe von allem anderen, was es liebt, wie die Erkenntnis seiner selbst als Grund der Erkenntnis aller mittelbaren Wahrheit. Und wegen dieser Beziehung alles seines W ollens zur Liebe seiner selbst als des unendlich Guten erweist es sich, daß es vermöge seiner Güte alles bewegt, ein Gedanke, dem A r i s t o t e I e s in den Worten Ausdruck gibt: ,Es ist schlechthin notwendig, und insofern es notwendig ist, gut und so Prinzip.' Es ist die Ursache von allem außer ihm, des Unbewegten wie des Bewegten, des Ewigen wie dessen, was Anfang und Ende hat, im Sinne des Zweckes, d. h. im Sinne des Guten, um deswillen alles ist. " 79 68. Damit stimmt auch, daß Gott reine Energie ist, denn wo es sich um Gutes handelt, ist die Aktualität besser als die Potenz, die reine Energie ist mehr als die mit Möglichkeit vermischte. Reine Energie kann nichts Böses sein, denn Korruption gibt es nur, wo Möglichkeit ist. "Daß die Energie aber auch besser und wertvoller ist als die gute Potenz, geht aus Folgendem hervor.
Zurückweisung der Einwände gegen die Gotteslehre
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Alles was man potentiell nennt, hat ebenso das Vermögen zu Entgegengesetztem - wie z. B. dasselbe, was potentiell gesund heißt, auch das Kranke ist -, und zwar zur gleichen Zeit. Denn die nämliche Potenz geht auf Gesundsein und Kranksein, auf Ruhe und Bewegung, Bauen und Niederreißen, Gebautwerden und Einstürzen. Nun besteht das Vermögen zu Entgegengesetztem zugleich. Das Entgegengesetzte kann aber nicht zugleim bestehen. Und so können audJ. die Wirklichkeiten, wie Gesundsein und Kranksein, selbst nicht zugleich bestehen. Also muß notwendig das eine von diesen das Gute sein. Die Potenz dagegen ist gleichmäßig beides oder auch keines von beiden. Mithin ist die WirklidJ.keit besser. "so 69. Es ist eine erhabene Gotteslehre, die uns bei A r i s t o t e I e s entgegentritt. Keine der früheren Gotteslehren läßt sich mit der aristotelisdJ.en vergleichen, doch wurden auch gegen sie Bedenken erhoben, die sich besonders gegen Folgendes ridJ.ten: a) Es gibt, wird gesagt, nach dieser Lehre in Gott kein Denken äußerer Dinge, weil Gott nur sich selbst denkt und erkennt. b) Sein Gott ist nicht wirkende Ursache, sondern nur Zweck. Dies gilt um so mehr als das nach außen Wirkende der Wille ist, dieser aber von A r i s t o t e I e s als Tätigkeit seiner Gottheit gar nicht genannt wird, ja durdJ. seine Lehre von der Einfachheit des voii~ ausgeschlossen erscheint. Da A r i s t o t e 1 e s seinem Gott ein Denken zuschreibt, kann er ihm nicht audJ. ein Wollen zugeschrieben haben. c) AudJ. sagt A r i s t o t e 1 e s noch ausdrücklich an mehreren Stellen, Gottes Leben sei ein theoretisdJ.es, kein praktisches, nadJ. außen wirkendes. Es bestehe in der Erkenntnis samt der daran geknüpften Lust.S 1 Darauf läßt sidJ. erwidern: 70. A d a. a. Der Tadel an der Lehre des E m p e d o k 1 e s von der Weltentstehung erschiene in diesem Falle unverständlidJ..82 ß. Ebenso das Lob des An a x a g o ras. "Und als darum einer (An a x a gor a s) behauptete, es sei ein Verstand, wie in den Sinneswesen, so in der Natur, als Urheber des Kosmos und seiner ganzen EinridJ.tung, so mußte er gleidJ.sam wie ein Nüchterner ersdJ.einen im VergleidJ. zu seinen blind darauf los-
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Weitere Ausführung der aristotelischen Gotteslehre
redendenVorgängern"(Noiiv ~~~ n; elndJv slva1, xa!Mnse lv Toi; Cq)o1;, "al lv Tfj rpvos& ..-ov al'nov xal ..-oii XOf:f'OV xal 'Cfi> ..-a~swr; namJ>, ol'ov v~rpwv
JrpaVfl nae' 11lxq J.lyona; ToV> :lf(!OTB(!Ov).81
Was nützte aber ein Verstand, wenn er in bezug auf alles das, dessen Ordnung er erklären soll, Unverstand wäre? y. Die Providenz im allgemeinen, insbesondere Gottes liebevolle Fürsorge für die dem Geiste lebenden Menschen als die ihm ähnlichsten, spricht dagegen.S4 ~. A r i s t o t e I e s spricht seinem Gott ausdrücklich die Erkenntnis und die vollkommenste Erkenntnis der metaphysischen Wahrheiten zu, kein anderer erkenne sie so vollständig wie er.S 5 t. Ar ist o t e I es nennt Gott Feldherr (OTea-r?Jro>),81 Herrscher, König ("oleavor;, pao,Uvt;)."' 11· Sein Denken sei gewissermaßen identisch mit dem, was aus ihm hervorgehe, wie die lat(!"'tJ (Heilkunst) mit der llyls1a (Gesundheit).ss Und auf eben dasselbe weist Ar i s t o t e I e s in der schon früher zitierten Stelle hin: "Außerdem haben wir ferner als Ursache ein als das Allererste alles Bewegendes" (En naea taii.-a, o,, 'CO :lf(!WTOV naVTWV xwoiiv nana).80 Hier wird unterschieden zwischen der Weise, in welcher z. B. die vom Arzt bewirkte Gesundheit in dessen Verstand sich befindet und das vom ersten Beweger Bewirkte, also die Gesamtheit der Dinge, im Verstande Gottes enthalten ist. Offenbar schreibt A r i s t o t e I e s Gott Allwissenheit zu, wie es früher schon PI a t o n, ja schon An a x a gor a s getan hatte: Alles, was sich mischte und (xal Ta avftf~.&oyopsva n xal entmischte, erkannte der Geist" dno"ewopeva xal a,axewopsva nana qvw ...&o, ) ...
Wäre das Denken des aristotelischen Gottes ganz auf sich beschränkt, so würde diese Ansicht A r i s t o t e I e s in den stärksten Gegensatz zu A n a x a g o r a s gebracht haben und er hätte nie von diesem sagen können, daß er wie ein Nüchterner in einer Schar Trunkener erscheine (im Vergleich zu seinen blind darauf los redenden Vorgängern).91 (;. Schließlich könnten wir noch das Zeugnis des S e x t u s E m p i r i c u s anführen, daß Ar ist o t e I es Gott genannt habe To xa{}' lav-ro(") io"'O. fi minaw ln&OT'f/f'O"'"dJ-ra-ro,.,
Gott erkennt und ordnet die Welt
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(.Das nur sich selbst Gleichende, wahrlich alles am Besten Verstehende. ")112 Die Stelle ist wahrscheinlich einem der verlorenen Dialoge des A r i .s t o t e 1 e s ,.ns{}l qJ&loooqJla'" (in drei Büchern) entnommen und hat darum, als aus einer früheren Zeit stammend, nicht die gleiche Wichtigkeit für die Bestimmung seiner endgültigen Ansichten. Doch bedürfen wir nach so vielen und schlagenden Argumenten keines neuen Beweises. 71. Zusammenfassend läßt sich sagen: Gott erkennt alles, doch ist nur eines, nämlich er selbst, sein eigentliches Objekt. Indem er in sich selbst das erste und vollkommene Prinzip alles Seienden erkennt, und zwar in vollkommenster Weise, erkennt er notwendig alles Seiende. Er sieht alle Wirkungen in der Ursache. So ist das göttliche Denken und das Objekt des göttlichen Denkens Eines und ein Einfaches (kein ofJ"{)nov) und dennoch ist alles in diesem einen und einfachen Blicke mitgeschaut 72. A d b. a. Lob des A n a x a g o r a s. Es muß nochmals auf die bereits angeführte Stelle Met. I, 3 hingewiesen werden: "Und als darum einer (An a x a gor a s) behauptete, es sei ein Verstand wie in den Sinnenwesen, so in der Natur, als Urheber des Kosmos und seiner ganzen Einrichtung, .so mußte er gleichsam wie ein Nüchterner erscheinen im Vergleich zu seinen blind darauf los redenden Vorgängern. "93 A n a x a g o r a s hat also einen Verstand als w i r k e n d e s Prinzip der Weltordnung gelehrt. Hätte ihn Ar ist o t e 1 es loben können, wenn es seine An.sicht gewesen wäre, Gott sei nur irgendein Prinzip? Das erscheint absurd. Freilich tadelt A r i s t o t e 1 es den Anaxagoras an anderer Stelle, weil er nicht gezeigt habe, wie der 'I'Oii!i" auch Zweck der Welt sei, so daß es scheinen könnte, dieser sei nicht letztes und unbewegtes Prinzip, denn er wirke doch um eines Zweckes willen: .An a x a gor a s aber macht das Gute im Sinne der bewegenden Ursache zum Prinzip; denn der "oii' bewegt, aber er bewegt um eines Zweckes willen, so daß etwas anderes das Prinzip sein muß, außer er faßte es wie wir: die Heilkunst ist nämlich gewissermaßen die Gesundheit" (A"aEay&ga, aA ~ NWOV"
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Gott ist allmächtig
TO dya~v dex~v. '0 rae VOVö HWET,
d.Ua HWBi lve>ea
TLVQö. 'Dau BU(!OV . n.l.~v ciJ, ~1-'6·• Uyopsv. 'H rae laT(!tH~ lart noo• vylsta) ...
ß. Aus anderen Stellen geht die Ansicht des A r i s t o t e I e s
über Gottes Erkenntnisweise und die Art seiner Wirksamkeit ebenso klar hervor: I) "Aber wenn nun ein Bewegungs- oder Wirkungskräftiger wäre, ohne aktuell zu sein, so wäre keine Bewegung. Denn was das Vermögen. hat, ist möglicherweise nicht aktuell. Es nützt also nicht, wenn wir ewige Substanzen annehmen, wie die Vertreter der Ideenlehre, wofern in ihnen kein Prinzip sein soll, das verändern kann. Aber offenbar genügt auch ein solches Prinzip nicht, wenn es auch eine andere Substanz ist als die Ideen. Denn wenn es nicht aktuell sein soll, so wäre keine Bewegung" (' A.l.J.a piw sl lan xtv7Jn>eov ~ not7Jrmov, f'~ sveeyoiiv M ,;, ol!>e lan >elV7Jat>. 'Ev~ixsmt rae ro ~vvap.w lxov "'~ BVE(!)!Eiv. Ol!~ev äea ÖtpsÄOö, oM8 äv olJalaö not~OOOftEV dlil{ovö, &JanB(! o[ Ta BL~tJ, sl f'~ Ttö ~VVUf.lEV7J SVEOTat d(!X~ f.lBTa{Jcillsw. Oll Tolvvv oM' al!rf} [>eav~. oM' ä).}..7J ol!ala naea Ta sl'I57J. El rae "'~ lvser~ost, ol!>e larat xlV7JOtö) ...
2) .Auch die Gottheit und der sittliche Mensch vermögen das Schlechte zu tun, ohne daß sie deshalb von jener Art sind, vielmehr werden alle schlechten Menschen so genannt, weil sie das Schlechte vorziehen. Auch ist jedes Vermögen wünschenswert: dies gilt auch von den Vermögen der schlechten Menschen und deshalb sagt man, daß auch die Gottheit und die guten Menschen dieses Vermögen haben und das Schlechte tun können. Deshalb gehören die Vermögen nicht zu einer tadelnswerten Gattung, denn wäre dies der Fall, so würde etwas Tadelnswertes wünschenswert sein, weil gewisse Vermögen dann tadelnswert wären" (Mvarat f.lEV yag >eai & {}so; >eai & anov~aio; Ta e elol Totoih:ot • .n&"re, räe ol cpaiiÄ.ot. "a'fa ngoaleeotv liyovrat. "En :rräoa' a[ ~VVaf.lEtr; TWV af(!BTWV • Hai )'Czg a{ TWV tpavJ.oov fJvvap.Etö alesm/ ~10 xai Tch, iJeOv, xai TÖP onov.5aiov lxetv rpap.BP aVnl~. Av'J'at:oV, ycie q;af.tSV elvat Ta tpaii.l.a nearrsw • "Dars oMsvo• äv ein VJBHToii y&o; ~ Mwap.tr;, el .36 p,~, ovp.p~oer:at, Tt Tov ätdtoP, ll.gtor:oP. UDore Coo~ Hai alwv ovvsx.~· xal ätdto, vna&X.Bt r.p {}e.p).",. Und:" Wäre (~ {}eoo&la l'O öf«5tOl'OV Hai äetOl'OV. -
dagegen die Natur eines Wesens einfach, so würde diesem eine und dieselbe Betätigung ewig die seligste sein. Darum besteht Gottes Seligkeit ewig in einer einzigen und einfachen Freude" (Er 1:oV tj q;Vot' tbrA.7] er", äel .q aln:~ nea;,, ~dlo-r:'l larat · dt).lJl6
c'J. In der früher zitierten Stelle der Topik ist sehr deutlich vom Wollen und Nichtwollen die Rede (wie beim Tugendhaften).108 e. Der Bewegung der Gestirne (in der vor allem Gott sich offenbart) wird voii> und lfes~l• zugeschrieben. No1Jr&v und &esHrov wird aber von Gott ausgesagt.107 Aber wie kann dann in Gott Einfachheit und Unbewegtheit gegeben sein? Verstand und Wille sind in Gott eines, wie Sein und Verstand. Denken, Wollen, Seligkeit bedingen sich gegenseitig und sind ebenfalls zu einer Einheit zusammengeschlossen. M. a. W. es besteht eine Wechseldurchdringung aller ihm zugeschriebenen Attribute. Weder das Denken noch das Wollen wird bei Gott vom Objekt her ausgelöst, sondern es gibt nur einen einheitlichen Gegenstand seines Willens. Alles ist eingeschlossen in e i n e m Denken, e i n e m Wollen. "Wie Gott, indem er sich selbst erkennt, die ganze Schöpfung erkennt durch das eigene Erkennen, so begehrt er auch, indem er sich selbst begehrt, um seiner selbst willen das Weltall und die ganze Ordnung der Dinge. "tos a. Darum ist alles zu ihm hingeordnet ß. Er ist mehr Zweck als das Leibganze, das Gut, nach dem alles strebt. y. Darum strebt alles, ihm ähnlich zu sein. c'J. Die Natur tut immer das Bestmögliche. e. Alles hat, so weit es am Sein teil hat, am Göttlichen teil. c) Aber warum sagt dann A r i s t o t e 1 e s, Gottes Leben sei ein theoretisches, kein praktisches? "Wenn es z. B. heißt, Gott führe kein poietisches Leben, so leugnet A r i s t o t e 1 e s von der Gottheit nichts, was er nicht ebenso von jedem Menschen, namentlich von jedem, der nur einigermaßen vernünftig lebt, in Abrede stellt. Denn auch für uns kann es nicht richtig sein, wenn wir unsere Glückseligkeit in einem außer uns liegenden Werke suchen. Nicht der Besitz eines solchen Werkes, nur unsere eigene edle Tätigkeit, sei es die der Betrachtung oder die der
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Der aristotelische Gott ist Schöpfer
Gerechtigkeit im weitesten Sinne des Wortes, kann uns nach Ar i s t o t e 1 es glückselig machen. Es ist nur selbstverständlich, daß darum A r i s t o t e 1 es solches auch von der Gottheit nicht annehmen kann. Ja, für sie ist es um so mehr ausgeschlossen, als bei ihr eine Rückwirkung des Werkes auf den Werkmeister unmöglich ist. Wenn Ar ist o t e 1 es aber weiter sagt, die Gottheit führe kein praktisches Leben, so müssen wir uns auch hier zunächst das, was damit gesagt ist, voll verdeutlichen. Er will sagen, daß ihr Leben nicht dem eines Mannes ähnlich sei, der in der Übung ethischer und politischer Tugendakte seine Glückseligkeit findet. - - A r i s t o t e 1 es hält es für lächerlich, wenn man die Seligkeit der Gottheit in die Seligkeit eines solchen praktischen Lebens setzen wollte. - - Damit, daß wie das Denken, auch die Liebe Gottes, die mit ihm identisch ist, auf alles Gute sich erstreckt und als allmächtiger Wille die Ursache von allem Guten außer ihm ist, steht es also keineswegs im Widerspruche, wenn A r i s t o t e 1 es sagt, daß das Leben der Gottheit nicht unserem praktischen Leben analog zu denken sei."109 74. Der aristotelische Gott ist demnach in seiner einheitlichen Tätigkeit vollkommen, er ist nicht bloß wirkende Ursache, sondern S c h ö p f e r. Die Gottheit ist nach Ar i s t o t e 1 e s Prinzip alles Seienden, sowohl im Sinne des Zweckes als der wirkenden Ursache: a) Soweit er Zweck ist, soweit ist er auch wirkendes Prinzip. a. Für die ganze Welt.Ho ß. Für die Geister und Himmelskörper, die von Gott von Ewigkeit hervorgebracht worden sind.1u b) Wo die Zweckbestimmung nicht klar zum Ausdruck kommt, ist die Gottheit deutlich wirkendes Prinzip, und zwar für alles, auch das lnkorruptible. a. "Ferner aber, wenn es denn eine Substanz und ein von Natur so geartetes Prinzip gibt, wie wir es jetzt suchen, und dieses für alles, das Ewige und das Vergängliche, eines und dasselbe ist, so erhebt sich die schwierige Frage, warum wohl, während dasselbe Prinzip zugrunde liegt, das eine von dem unter das Prinzip Fallende ewig ist, das andere nicht"
Gott ist wirkendes Prinzip des Weltganzen
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("E.,;, !J'el'nse turl -r" oiJola xal dt>x~ -ro&aV'f'J -r~" cp{Jow ol'a" "v" {;'lroiif.U"· Kal av'f'l pla na"row, xal ~ av-r~ -rciW diiUow -rs xal cp6aerw", dnoela" lzsl !J&a rl non r;j> avr;j> dgz;j> OVO'/>, -ra pl:v turw ät!J&a 'fW" vno ~" del~"· ra !J'ovx ät!J&a ). 111
p. "Das Prinzip nämlich und das Erste von allem Seienden--"
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('H pev aez~ xal ro newrov -rciW mrov-).111 y. "Vielherrschaft ist kein nützlich Ding, ein Herrscher nur walte" (OOx dyaWv nolvxo'l?avl'l· eT> xoleavoo lorro).u•
c) Ausdrücklich wird die Gottheit als wirkendes Prinzip von allem und insbesondere des lnkorruptiblen und Geistigen bezeichnet. a. Von dem grundlos von selbst Eintretenden (avr&parov} und dem Zufall ("rvz'l) wird gesagt, sie seien beide in der Weise per accidens Ursache wie cpvo&> und "oii> per se. "Nach der Auffassungsweise der Ursache aber gehört jedes von beiden zu demjenigen, woher der Anfang der Bewegung ausgeht; denn immer ist entweder etwas von dem von Natur aus Seienden oder etwas von dem durch Denktätigkeit Geschehenden dabei die Ursache. - Da aber das grundlos von selbst Eintretende und der Zufall Ursachen von solchem sind, von welchem auch entweder ein Gedanke oder die Natur Ursache sein könnte, nämlich jene ersteren es dann sind, wenn etwas bloß je nach Vorkommnis Ursache von eben solchem wird, und da ferner nichts bloß je Vorkommendes ursprünglicher ist als das an und für sich Seiende, so ist klar, daß auch die bloß je nach Vorkommnis seiende Ursache nicht ursprünglicher ist als die an und für sich seiende; also ist das grundlos von selbst Eintretende und der Zufall abgeleiteter als der Gedanke und die Natur, so daß notwendig, wenn das grundlos von selbst Eintretende auch noch so sehr Ursache des Himmels wäre, doch noch ursprünglicher ein Gedanke und die Natur sein müßte, sowohl von vielem anderen als auch insbesondere von dem Universum" (Twv !J6 -reonrov -r;j> all:la> sv -roi> lJ{}ev ~ äex~ -r~> ""'~oero>, lxar'leov avrciW· (nämlich nl avroparov xal ~ 1iVX'J) ~ 'Yat? -rwv cpvos& ~ -rw" ano !J&avolar: al'nov det sur&. - - 'Ensl !J'torl -ro ailroparov xal ~ -rvx.'l al'na cm, a." ~ mr; yl:vo&ro al'nor;, ~ cp{Jo&r;, 8-.:a" xa-ra ovpßsß'lxOr:, al'nov n 7~-ra& -roorro" ailrwv· oME'l' !Js xa-rci ovpßeP'IxOr: ton neoneov -rwv
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Gott erschuf lnkorruptibles und Korruptibles
xa6'a{n:o· Mjlo'l' IJn oMe 1'0 xara 0Vf-&{JE{J1JXO> al'nov neoneov roii xa6' lavro. oYoreeov l4Ja -ro a{Jro(-'aro" xal ~ rvx1J xai 'I'Oii xai cpvoew>'
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cpvo"' a!'nov er"a, xai &llw'l' no.Uwv xal l'oii.5s roii nano•).Ul Deutlich wird hier gelehrt, daß ein 'I'Dii> das wirkende
Prinzip des Weltganzen sei. In derselben Weise, in welcher dem amo(-'at'OV und der 'rVX1J Ursächlichkeit xaTa OVf.l{JE/JTJXOö zukommt, soll sie ihm xa{)'aflrov zukommen; diese Weise aber ist die, woher der Anfang der Bewegung stammt, das ö{)s" ~ äex~ Tij> :OCW~OSW 0 ).n8
ß. Ferner heißt es in De Generat u. Corrupt. II. 10, Gott sei
das wirkende Prinzip für alle Dinge und Prinzip des Seins in allen Kategorien. Der immateriellen Substanz, die an seiner Unvergänglichkeit teilhat, gab er ewiges und unsterbliches Sein. Der materiellen ersetzte er dies insoweit als möglich, indem er an Stelle des immerwährenden Seins das immerwährende Werden treten ließ, so daß an der Stelle des einen ein anderes Gleichartiges sich entwickelte, so daß es wenigstens der Art nach erhalten bliebe.m y. Es ließen sich noch andere Stellen dafür anführen, daß A r i s t o t e 1 e s die Gottheit als schöpferisches Prinzip auffaßt. 118 75. Aber nicht bloß für das Immaterielle, sondern auch für das Korruptihle ist Gott nach A r i s t o t e 1 e s die vollständige und schöpferische Ursache. Wäre nichts Immaterielles, so wäre überhaupt nichts. "Aber wenn dem so wäre, so würde nichts von dem Seienden sein" ('A.Ua f-'W el 'lioiiro, oMw lora' I'W'I' llvrwv).w "Wenn sie (die immateriellen Dinge) nicht wären, so würde nichts sein" (El l'tle l'aiiTa f-'~ ~"• oMe" äv >}v).120 "Wir erkennen also in dem Verstand, der die erste Ursache alles Geschehens und aller Ordnung in der Welt ist, ein Wesen, welches die erste Ursache von allem ist, was außer ihm wirklich ist, so zwar, daß auch gar nichts außer ihm denkbar ist, was wäre, ohne von ihm als erster Ursache hervorgebracht zu sein. Alle andere positive Wahrheit ist von seiner Existenz als erster unmittelbar notwendiger, positiver Wahrheit als Folge unabtrennbar und würde darum von uns, wenn uns sein Wesen anschaulich und unser Verstand zu weitgehendster Ableitung der
Gott wirkt in höchster Freiheit
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in dem Prinzip enthaltenen Konsequenzen befähigt wäre, von vornherein aus ihm erkannt werden können."t2t 76. Einer eigenen Erörterung bedarf die Entstehung des Menschen. Der Mensch ist nach A r i s t o t e I e s gebildet aus einem körperlichen und einem unkörperlichen (intellektiven) Teil, dem sog. voiiq. Dieser voii> wird von Gott zwar nicht aus nichts geschaffen, was A r i s t o t e I es aufs entschiedenste in Abrede stellt, sondern wenn das wirkende Prinzip gegeben ist und keine der erforderlichen Mitbedingungen fehlt, so entsteht der Mensch. "Was von der Gottheit gewirkt wird, genauer gesagt, was unter ihrer Mitwirkung entsteht, ist einzig und allein der Mensch, nicht aber die Seele dieses Menschen oder ein Teil dieser Seele." 122 Darauf soll später noch näher eingegangen werden. 77. Eine andere Frage ist die, ob nach Ar ist o t e I es Freiheit der Schöpfung gegeben ist. Daß dies von ihm angenommen wurde, geht aus folgenden Gründen hervor. a) Bei Gott besteht vollkommene Bedürfnislosigkeit. ß) Gott zieht keinerlei Gewinn aus der Schöpfung. y) Darum führt er ein theoretisches, kein praktisches Leben. 1J) Indem Gott sich selbst schaut, ist er sich selbst seine einzige und volle Lust.t23 e) Da Ar ist o t e I es allen vernünftigen Wesen Freiheit zuerkennt, so muß sie Gott im höchsten Sinne zukommen. Freilich gilt die Freiheit der vernünftigen Wesen nicht in bezug auf alle Akte, sondern nur für die des Wählens, die sich nicht auf das Glück im Allgemeinen und die volle Glückseligkeit, sondern auf das, wodurch diese erreicht werden sollen, beziehen. Auch bei Gott spricht Ar ist o t e I es von einem Wählen. Und da nur Gott selbst ihm als Gottes ganzes und vollkommenes Gut erscheint, so fiele die ganze Welt in den Bereich der Freiheit Gottes. 124 Auf der anderen Seite aber vertritt A r i s t o t e I e s in Physik und Metaphysik die Ansicht, daß Bewegung und Zeit keinen Anfang haben können; dies scheint gegen die Freiheit der Schöpfung zu sprechen.12s 78. Man könnte zu vermitteln versuchen, indem man sagt, es
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Zusammenfassender Rückblick
folge nur, daß es entweder keine Welt oder eine ohne Anfang geben müsse. Dieser Lösungsversuch hat etwas für sich, weil A r i s t o t e I es aus dem Begriff der Zeit seine Argumente gegen die Möglichkeit eines Anfangs der Welt entnimmt, die nicht in gleicher Weise gegen die Möglichkeit ihres Nichtseins angewandt werden können. Doch richtiger ist wohl, daß hier eine Lücke besteht. Die Lehre vom göttlichen Wollen ist nicht ausgebildet. Soll dies ein Vorwurf sein? Nein! Wir haben bei Ar ist ot e I es die großartigste Ausbildung der Theologie, er überragt weit alles bis dahin Geleistete; was einer geleistet hat, nicht was er zu leisten übrig ließ, muß man betrachten. Denn jenes, nicht di-eses, ist die Aufgabe jedes einzelnen Forschers. 79. Eine enge Beziehung besteht zwischen der aristotelischen Gottheit und der platonischen Idee des Guten. Auch diese ist Zweck und wirkendes Prinzip für die sinnliche und übersinnliche Welt. Zwar entsteht die Welt hier wie dort aus einer gegebenen Materie, aber diese tritt ganz in den Hintergrund. Doch .protestiert Ar ist o t e 1 es gegen eine Identifikation seiner Gottheit, die als Gutes Ursache alles Seienden wird, mit der platonischen Idee des Guten. - - Und Ar ist o t e I es begnügt sich nicht damit, zu zeigen, daß es einen solchen allgelmeinen Begriff als Ding für sich nicht gibt, und wenn es ihn gäbe, kein Vorzug ihm zukommen würde, sondern betont zugleich, daß er auch darum nicht als erste Ursache zur Erklärung des Seienden würde dienen können, weil ihm jede wirkende Kraft und Betätigung abginge; denn nur das Einzelne wirkt, wie auch nur das Einzelne gewirkt wird" .12e 80. Zusammenfassender Rückblick. Wie schon erwähnt, finden wir bei A r i s t o t e I e s die Andeutung von vier Gottesbeweisen: I) Des teleologischen Beweises. Schönheit und Ordnung des Weltalls weisen auf einen ordnenden V erstand hin. 2) Des Beweises von einem ersten Beweger (new-rcw xwoii11). Dieses Prinzip muß ein solches sein, dessen Wesen reine bleyeta ist, weil es, wenn etwas bloß Potentielles in ihm wäre, nicht das Ganze unablässig bewegen könnte. Gott ist reiner Geist (J10v~),
Die geschaffene Welt ist die beste
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der das Beste zum Inhalt seines Denkens hat, der sich also selbst denkt. Er bewegt, ohne zu bilden und zu handeln, indem er selbst unbewegt bleibt, als das Gute und der Zweck, der außer sich keinen Zweck hat. Nicht zu irgendeiner Zeit hat Gott die Welt zweckmäßig gestaltet, sondern er bedingt die Zweckmäßigkeit derselben auf eine ewige Weise eben dadurch, daß er als das Vollkommenste existiert und alles andere ihm nachstrebt.127 3) Des Beweises aus der Synonymie. "Nach diesem ist zu sagen, daß jede Substanz aus Synonymen wird." (Mn& Tav-ra,
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lfn l>< OVI'WvVf.WV y/vera1 OOo{a). 119
4) Des psychologischen Beweises, auf den bei Besprechung der Psychologie des A r i s t o t e I e s eingegangen werden soll. Wir sagten schon, daß A r i s t o t e I e s der einzige wahre Platoniker unter P I a t o n s Schülern war, obwohl oder vielmehr weil er über ihn hinausging. Die Kosmologie wird dies neu bestätigen.12u IV. Kosmologie
81. "Wir müssen aber auch untersuchen, auf welche von beiden Weisen dem Weltganzen das Gute und Beste zukommt, ob als etwas Getrenntes und Selbständiges, oder als Ordnung seiner Teile. Doch wohl auf beide Weisen zusammen wie einem Heere. Denn beim Heere liegt das Gute einmal in der Ordnung, sodann stellt es der Feldherr dar, ja, dieser noch mehr. Denn nicht er ist der Ordnung wegen da, sondern sie seinetwegen"
To
('Enw>
Die äußere Grenze der äußersten Sphäre ruht, weil sie eine Kugelfläche ist, während die Sphäre rotiert. Wäre sie von unregelmäßiger Gestalt, so könnte sie nicht ruhen, es gäbe keine umgebende ruhende Grenze für das Weltall. Und insbesondere die Himmelssphäre wäre nicht in einem Raum, könnte sich also auch nicht räumlich bewegen.t36 Die Konsequenzen machen wie bei der Zeit die fehlerhaften Bestimmungen recht deutlich. Es ist, wie wenn man behauptet, das Metermaß sei die Größe der Dinge, weil die Größen an ihnen gemessen werden. Angenommen sogar, die Welt sei rund, so wird doch der Theorie nicht genügt. 86. D r e i G a t t u n g e n v o n S u b s t a n z e n. Es gibt in der Welt drei Gattungen von Substanzen.t37 a) Korruptible, b) inkorruptible körperliche, c) geistige. 87. Korruptibel sind die irdischen Körper, sie unterliegen einer substantiellen Umwandlung; d. h. die akzidentelle Form geht verloren und eine andere tritt an ihre Stelle. Es bleibt die Materie ('ül'J), welche die Möglichkeit zur Veränderung in sich hat (vgl. S. 253 ff.). Es gibt nur eine substantielle Materie. Sie ist nicht mit den
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Die irdischen Körper sind korruptibel,
Elementen zu verwechseln. Diese sind die einfachen Körper, aus denen die anderen durch Mischung unmittelbar oder mittelbar entstehen. Und zwar gibt es vier, der irdischen Welt angehörende elementare Stoffe: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Durch Verbindung der fühlbaren Qualitäten Wärme und Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit, kann man sie sich entstanden denken. Aus ihnen sind nämlich vier Verbindungen möglich: Warm und trocken Feuer. Warm und feucht Luft. Kalt und feucht Wasser. Kalt und trocken Erde. Es gibt auch nach A r i s t o t e 1 e s wie nach P 1 a t o n eine Umwandlung der Stoffe ineinander. Die Atomisten wollten die Korruptibilität der irdischen Körper leugnen, doch sind ihre Erklärungen für die Erscheinungen ungenügend. Auch verwickeln sie sich durch Annahme von leeren ZwiiSchenräJumen in Wi'dersprüche und begehen einen Fehlschluß, wenn sie aus der schwereren Teilbarkeit des verkleinerten Körpers auf die völlige Unteilbarkeit des noch mehr verkleinerten schließen.t38 Auch durch seine meisterhaften psychologisch-physiologischen Untersuchungen hat Ar ist o t e 1 es die Unhaltbarkeit der Atomistik gezeigt. 88. lnkorruptibel sind die Sterne und die Sphären, an denen sie haften oder von denen sie in ihrer Bewegung abhängen. a) Denn seit Menschengedenken wurde keine Änderung beobachtet (wir freilich wissen von Veränderungen, z. B. von den wechselnden Sonnenflecken und von der Veränderung der Mondberge). Auch die Krater sind Zeugen früherer Eruptionen. b) Sonst wären auch Bewegung und Zeit nicht ewig. Aber dennoch ist es schwer begreiflich, wie A r i s t o t e 1 e s die Gestirne für inkorruptibel halten konnte, schon wegen ihrer Ausdehnung und Teilbarkeit. Dadurch ist zum mindesten die Möglichkeit individueller Änderung (Korruption) gegeben. A r i s t o t e 1 e s hätte höchstens sagen dürfen, die Gestirne seien korruptibel, würden aber - durch Gott - vor Korruption bewahrt.
inkorruptibel sind die Gestirne
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Die Fixsterne haften alle an einer Sphäre. Diese bewegt die Gottheit unmittelbar, weil die Kraft keines anderen Bewegers zu der ewig gleichförmigen Bewegung hinreicht. Zur Erklärung der unregelmäßigen Bewegungen der Planeten bedient sich A r i s t o t e 1 e s der Annahme von mehreren Sphären, von denen die eine die andere beeinflußt. Die Gesamtzahl der angenommenen Sphären ist 47 oder nach anderer Deutung 55. A r i s t o t e 1 e s beruft sich bei der Beschreibung der Sphären und ihrer Bewegung auf E u d o x o s und K a 11 i p o s. 139 Das inkorruptible Element der Sphären nennt A r i s t o t e 1 e s aliJ>Jg (Aether). Da in ihm kein substantieller Wechsel möglich ist, hat er keine substantielle Materie im aristotelischen Sinne. Auch dem Aether kommt eine natürliche Bewegung, und zwar eine kreisförmige, zu. 89. So viele Sphären, so viele bewegende Geister gibt es, welche die alte Astronomie, da sie das Gesetz der Trägheit nicht kannte, fortwährend wirkend dachte. A r i s t o t e 1 es nennt sie manchmal Seelen, weil sie, wie die Seele dem Leib, den Sphären innewohnen und Bewegung mitteilen. Aber freilich doch in anderer Weise. Sie sind nur sozusagen in den Sphären wie der Schiffer im Schiff, das er bewegt, die Seele dagegen ist, wie noch ausgeführt werden soll, substantiell mit ihrem Körper geeinigt. Manche, die nicht daran dachten, wie oft A r i s t o t e 1 e s Ausdrücke im uneigentlichen Sinne gebraucht, kamen, indem sie die verschiedenen Aussprüche zusammenreimen wollten, zu der Meinung, er habe in den Sphären außer den bewegenden Geistern auch noch Seelen angenommen, welche diese Geister erkennten und aus Liebe zu ihnen ihre Sphären im Kreise bewegten. Es steht dies auch im Zusammenhang mit der schon früher widerlegten Ansicht, daß die aristotelische Gottheit bloß als der Zweck und das Geliebte, nicht aber zugleich als wirkende Kraft bewege. Allerdings würde die Bewegung durch die Sphärengeister aus Liebe zu Gott geschehen, damit sein Plan der Schönheit und Ordnung des Ganzen, die von den wirkenden Sphärengeistern wesentlich abhängen, zur Ausführung käme. "Des Liebe Sonne kreisen macht und Sterne." 140 Aber weder Gott noch die anderen Beweger sind, wie wir
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Geistige Substanzen sind:
schon auseinandersetzten, nach der Auffassung des Ar i s t o t e I es ohne wirkende Kraft. Es erhellt sich auch aus der Weise, wie er die Zahl der Sphären bestimmt, denn auch sie ist zum Ganzen hingeordnet Auch ist keine Sphäre ohne Einfluß auf einen Stern, denn sonst wäre der Zusammenhang mit der niederen Welt aufgehoben. All dies ist nicht schlechthin notwendig wie Gott, sondern um seinetwillen und durch ihn. Er ist das Prinzip, die Bedingung, "ohne die das Gute nicht stattfindet" (TO ~B, o{j olJx dvsv 1:0 E0). 1" 90. Zu den geistigen Substanzen gehören außer Gott und den Sphärengeistern auch die Seelen. Im Reiche der Natur ist eine Stufenfolge lebendiger Wesen gegeben: Pflanzen, Tiere, Menschen. Jede höhere Stufe vereinigt in sich die Charaktere der niederen und mit ihnen die ihr eigentümliche, noch bessere Kraft. Jede frühere Stufe erscheint gegenüber der folgenden gewissermaßen als leblos. Die Körper der lebenden Wesen sind aus den vier früher genannten Elementen gemischt. In sie tritt die Lebenskraft oder Seele, welche die Entelechie (lvnUxs•a) des Leibes ist. Allezeit war die Erde mit lebenden Wesen bedeckt und keine Art geht zugrunde. Wenn die Sonne die Erde umkreist und Morgen und Abend, Frühling und herbstliche Zeiten brachte, so fand sie immer eine Welt von fühlenden Wesen, denen sie Wachen und Schlaf gah, und eine Welt von Pflanzen, denen sie Schmuck verlieh und die sie des Schmuckes entkleidete. Sie erhalten sich, indem das Gleichartige Gleichartiges erzeugt, entsprechend ihrer Würde und Rangordnung ullld ihrem Werte für das Ganze. Denn weil sie als die höchsten der korruplliblen W osen zwischen den immateriellen und unorganischen Wesen in der Mitte stehen, so ist auch für ihre FortJdauer in einer mittleren Weise gesorgt. Auch in der Geschichte der menschlichen Geschlechter wech'S'eln wie in der Natur Frühling und Herbst, Sommer und Winter. 91. So also erhält sich wie der Himmel auch die Erde, im Wesentlichen wie sie ist, in periodischem Wechsel. Und natürlich ist auch nicht nur Himmlisches und Irdisches und das Himmlische unter sich, sondern notwendig auch alles Irdische unter sich zusammengeordnet
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Gott, die Sphärengeister und die Seelen
Wir sehen ja, wie Niederes dem Höheren, Erde, Wasser, Luft dem organischen Leben und wiederum die Pflanze dem Tier, alle dem Mensc.~en dienen. Lebt er ja doch leiblich und geistig von ihnen, denn ohne Wahrnehmung gibt es keine Erkenntnis. Aber auch umgekehrt. Sein Leib kehrt zur Erde zurück und sein Geist beherrscht ordnend die ihn umgebende Natur und er erhebt das Unvernünftige, indem er ihm das Siegel des Denkens aufdrückt. Und ebenso oder noch deutlicher ist Tier zu Tier und Mensch zu Mensc.~ geordnet. Besonders deutlich sehen wir die Ordnung in Hinsicht auf letzteren in Familie und Staat, worin allein ein wahrhaft menschliches Leben geführt werden kann, wie uns die Ethik noch näher lehren wird. Oberall zeigt sic.l:i also in der Welt die Einheit der Zusammenordnung. Aber noch in einer anderen Weise zeigt alles in der \\Telt sich verwandt und einig, insofern nämlich alle Wesen einander ähnlich sind. Soll ja doch jedes einzelne in seiner Weise demselben Gott ähnlich sein und seine Vollkommenheit darstellen. Aber auch hier gibt es Abstufungen, und zwar sowohl Abstufungen der Aufgabe als auch Abstufungen der vollkommenen Erfüllung dieser Aufgabe. Das Weltall gleicht einem großen Hauswesen, das unter dem einheitlichen Gesetz des Hausvaters steht und in welchem darum alles, die Tätigkeit jedes einzelnen, zu gemeinsamem Wohle hingeordnet ist, aber doch mit Unterschieden, denn in anderer Weise ist die Tätigkeit des Freien hingeordnet, in anderer die des Sklaven, in anderer die Tierseele. Wenn auch bei den niederen Wesen Störungen der Ordnung vorkommen, so bleiben doch die allgemeinen Gesetze der Ordnung gewahrt. ( • 'All' 00011:6(! lv ol>e{~ t"Oi!:" tJ.ev{}E!;!Ot!:" /f>e"Cat• t"Oi!:" f""eov -ro el, -ro >
/j 'I'VXf!O>-J.,..
M. a. W. Wäre der Verstand ein Vermögen des beseelten
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Beweise für die Geistigkeit der Seele
Leibes wie das empfindende Vermögen, unterschiede er sich von ihnen nur wie ein Sinn von anderen Sinnen, so müßte er auch ein eigentümliches sensibles Objekt haben, eine Qualität, die ihn affizierte und dadurch zur Wirklichkeit führte, und es müßte diese die Grundbestimmung in allen seinen Vorstellungen bilden. b) "oder er müßte auch ein Organ haben wie das empfindende Vermögen, nun aber hat er keines" (H'li" 8era"6" -rt elf], won:te T,P alo.?l'}wew, vvv und, ähnlich wie die sensible Qualität das not'lnx&v für die Sinne genannt wird, so ist sie als aktive Kraft das not'lnxov für den Verstand. Daraus hat man den Namen voii> not'lnxo>' zusammengesetzt.174 Es ist eine unbewußt auf den sensitiven Teil wirkende Kraft der intellektiven Seele, die ihm den Impuls zur Rückwirkung auf den geistigen Teil gibt. Als unbewußt wirkende Kraft wirkt der voii> not'lnxO. notwendig, sobald nur der sensitive Teil die zur Aufnahme der Wirkung erforderliche Disposition hat. Wenn wir also nicht immer denken, so trägt nur der besondere Zustand des sensitiven Teiles die Schuld. Dieser ist korruptibel und der Alteration unterworfen, während der intellektive Seelenteil leidenslos und inkorruptibel ist. Der voii> not'}TtXo> denkt also selbst nicht, sondern macht
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Der Mensch entsteht durch menschliche Zeugung
nur durch seine zunächst auf den sinnlichen Teil der Seele gerichtete Wirksamkeit unser geistiges Denkvermögen aus einem bloß in Möglichkeit Denkenden zum wirklich Denkenden. 175 So haben wir denn, wenn wir den geistigen und den mit dem Leibe vermischten Teil der Seele einander gegenüberstellen, in jedem Teile drei Gattungen von Kräften: a) Bewußtlos wirkende; b) erkennende; c) begehrende, an welche sich eine bewußtlose Bewegung knüpft. 106. Wir müssen nun aber nochmals auf die Entstehung der menschlichen Seele zu sprechen kommen, die in so eigentümlicher Weise zum Teil geistig, zum Teil als Form mit dem Leibe verknüpft ist.l76 Insofern sie Form des Leibes ist, scheint sie durch Zeugung entstanden zu sein, wie ja auch andere Formen des Entstehenden, insofern sie aber geistig ist, scheint es klar, daß sie nicht aus der Materie allein entstehen kann. Entstanden ist sie, und zwar mit dem Leibe, denn sie hat so wenig wie andere Formen vorher existiert. Sehen wir zu, wie die anderen lebenden Wesen und ihre Seelen entstehen. Das Erzeugende erzeugt nicht unmittelbar ein Wesen derselben Art. Die Frucht ist kein Baum, das Ei kein Vogel. Zunächst ist das durch die Zeugung Gebildete leblos, es hat weder vegetative noch sensitive Kräfte. Dann fängt es an, zu seiner Ernährung und zu seinem Wachstum organisch mitzuwirken. Zu den vegetativen Kräften kommen dann bei den Tieren die empfindenden, aber auch dann noch ist die Natur des Erzeugten von der des Erzeugenden verschieden, bis nach vollendeter Entwicklung des Fötus das Erzeugte dem Erzeugenden völlig gleichartig wird (Huhn oder Pferd). Der jeweiligen Form der Entwicklung entspricht die Form der Seele, so hat z. B. das Pferd eine Pferdeseele. Ähnlich verhält es sich nun auch beim Menschen. Erst allmählich entwickelt sich der Fötus zum menschlichen Leibe. Ist dieser so weit entwickelt wie der Pferdeleib, wenn in diesen statt der bloß vorbereitenden Dispositionen die Pferdeseele eintritt, so tritt die menschliche Seele in ihn ein. Sie entsteht durch Mitwirkung der Gottheit,
unter Mitwirkung der Gottheit
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aber nicht schöpferisch von dieser hervorgebracht. A r i s t o t e I es hebt hervor, "daß man nicht sagen dürfe, die Seele entstehe, sondern das wirkliche Ding, dessen Natur die Seele sei. Ein Pferd erzeugt ein Pferd, nicht die Seele eines Pferdes; und so erzeugt auch ein Mensch einen Menschen, nicht aber die Seele eines Menschen oder einen Teil dieser Seele. Und wenn er nicht allein, sondern nur unter unmittelbarer Mitwirkung der Gottheit einen Menschen erzeugt, so gilt, was von ihm gilt, ganz ebenso von der Gottheit als wirkendem Prinzip. Was von ihr gewirkt wird, genauer gesagt, was unter ihrer Mitwirkung entsteht, ist einzig und allein der Mensch, nicht aber die Seele dieses Menschen oder ein Teil dieser Seele; denn diese entstehen gar nicht, sondern sind nur als zum Menschen gehörige Teile, wenn er entstanden ist, mitgegeben. So wenig also handelt es sich hier um ein Entstehen des voiil: aus nichts, daß es sich vielmehr gar nicht um ein Entstehen des voii~: handelt; vielmehr um die Entstehung eines Menschen infolge Zusammenwirkens des väterlichen Samens und der schöpferischen Kraft der Gottheit, deren Wille hier nicht auf ein durch sie allein unmittelbar bedingtes Entstehen, sondern ein durch die Kraft des Samens und die embryonale Entwicklung Mitbedingtes abzielt. So kann denn, da der Mensch das einzige ist, was hier entsteht, dieser aber nicht aus nichts entsteht, hier keineswegs von einer Verletzung des Satzes, daß niemals etwas aus nichts entstehe, gesprochen werden. Und daß dies auch dann nicht der Fall ist, wenn nach dem Tode des Menschen der geistige Teil seiner Seele nun allerdings als ein Ding für sich zurückbleibt, ist ebenso augenscheinlich. Will man in diesem Fall ihm deshalb, weil er nun zu einem wirklichen Ding für sich wird, während er bisher nur ein Teil der Form eines Menschen war, ein Entstehen zuschreiben, so doch wahrlich nicht ein Entstehen aus nichts; da er vielmehr aus dem Menschen entsteht, von dem er nach der Korruption des Leibes, ohne selbst eine Umwandlung in Entgegengesetztes zu erfahren, als inkorruptibler Rest zurückbleibt" .m 107. Wir haben in der Psychologie des A r i s t o t e 1 es eine großartige Leistung vor uns. Er könnte mit Recht "Vater der Psychologi.e" wie "Vater der Logik" genannt werden.
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Die aristotelische Psychologie bleibt bewundernswert
Freilich ist auch die aristotelische Psychologie noch weit von Vollendung entfernt. a) So ist die Bestimmung der Seele und ihres Verhältnisses 2lum Leihe, obwohl viel Wa:hres enthaltend, doch in mancherlei Hinsicht einer Verbesserung bedürftig. b) Seiner Einteilung der Vermögen hat man zum Vorwurf gemacht, daß er kein Gefühlsvermögen (Lieben - Hassen) neben dem Vermögen des Denkens und W ollens annimmt. Doch dieser Vorwurf besteht zu Unrecht. Unter GQe~·~ wird Gefühlsvermögen und Begehren (Wollen) zusammengefaßt. Dagegen ist es ein Fehler, daß A r i s t o t e I e s nicht das Vermögen des Urteils von dem der Vorstellung geschieden hat. Immerhin rührt er an den Unterschied von Vorstellungs- und Zustimmungsvermögen, wo er den Verstand bestimmt. Dem sensitiven Seelenteil scheint er keine "~a zuzuschreiben. 178 Auch hat er nicht ganz richtig, was der Wahrnehmungsvorstellung und was dem Affekt zukommt, geschieden. c) Der voii~ :n:ot'l?:"'o~ ist kaum mehr als eine, wenn auch probable Hypothese. Trotz dieser und noch anderer Mängel bleibt die Psychologie des A r i s t o t e I e s bewundernswert, nicht bloß, wenn man sie mit der platonischen, sondern auch, wenn man sie mit den modernen Lehren vergleicht. Wenn auch diese nach gewissen Seiten hin entwickelter und mit gewissen Fehlern der aristotelischen Psychologie nicht belastet sind, so findet sich doch keine, die eine im großen und ganzen so richtige Vorstellung von der Seele und ihren Phänomenen gäbe.m VI. Ethik
108. Die Ethik kann in zweifacher Weise behandelt werden: a) Unter Voraussetzung und durchgängiger Berücksichtigung der gesamten metaphysischen Wahrheiten, namentlich des Verhältnisses der Kreatur zu Gott und des jenseitigen Lebens, dessen Wohl und Wehe ja auch in Rechnung kommt. b) Ohne diese Rücksicht, so weit dies möglich ist. Ersteres hat vielfache und große Vorteile. Manche Dinge
Die Ethik wird populär entwid:elt
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können besser entschieden werden. Es ergeben sich neue und gewichtige Motive. Ar ist o t e 1 es hat jedoch in seiner Ethik den zweiten Weg gewählt. Wo Psychologisches berührt werden muß, gibt er es populär und unter Vermeidung schwierigerer und tieferer Fragen. Wo die Rede auf Gott kommt, spricht er populär von Göttern. Man hat dies Mängel genannt, ja anstößig gefunden. Doch ist es von besonderem Interesse, wenn man aus den Erfordernissen des irdischen Lebens sich dieselben Bestimmungen ergeben sieht wie bei Berücksichtigung höherer Gesichtspunkte. 109. Die oberste Frage ist die nach den durch das moralische Handeln zu erreichenden Zwecken. Das, wonach alle streben, muß das höchste Ziel der Menschen sein. Es ist dies das Gute, die Glückseligkeit (eildatp.ovla). Im Ziel sind sich also alle einig. Sobald man aber fragt, was unter Glückseligkeit zu verstehen sei, gehen die Meinungen auseinander. Nach einer längeren Erörterung gelangt Ar ist o t e 1 es zu der Feststellung, daß die Glückseligkeit in der höchsten Vollkommenheit besteht, die in der jedem Lebewesen eigentümlichen Tätigkeit erreichbar ist. Die Lebenstätigkeit ist mehr als das Leben; die Lebenskräfte sind, wegen der Tätigkeit da, nicht umgekehrt. So heißt denn auch der Mensch als solcher gut oder schlecht, je nachdem er die spezifisch menschliche Tätigkeit gut oder schlecht vollbringt; denn das Besondere und Eigentümliche der Art ist mehr Zweck der Natur als das Allgemeine. Die spezifisch menschliche Tätigkeit besteht in der Tätigkeit des vernünftigen, intellektiven Seelenteils. Diese ist die höchste und schließt Glückseligkeit ein oder ist, genauer gesagt, Glückseligkeit. Eine solche Tätigkeit ist die Vollbringung des Tugendhaften, die Vollkommenheit in der Tugend, d. h. die tugendhafte Tätig· keit. Doch darf sie nicht nur einmal, sondern muß fortgesetzt geübt werden, dann erst ist sie Glückseligkeit. "Wir verstehen als Aufgabe des Menschen eine gewisse Art
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Die geistige Betätigung ist die vollkommenste
der Lebensführung, und zwar die von Vernunftgründen geleitete geistige Betätigung und Lebensweise, und als die Aufgabe des hervorragend Tüchtigen wieder eben dies, aber im Sinne einer trefflichen und hervorragenden Leistung. Besteht nun die treffliche Leistung darin, daß sie im Sinne jedesmal der eigentümlichen Gaben und Vorgänge vollbracht wird, so wird das höchste Gut für den Menschen die im Sinne wertvoller Beschaffenheit geübte geistige Betätigung sein, und gibt es eme Mehrheit von solchen wertvollen Beschaffenheiten, so wird es die g e i stige Betätigung im Sinne der höchsten und vollkommensten unter allen diesen w e r t v o ll e n E i g e n s c h a f t e n s e i n, dies aber e i n ganzes Leben von normaler Dauer hindurch" (el ~·ovu.o!;, dv{}ewnov ~~~ -,;{{}q.tev lerov Cw.)v nva· mvn1v ~s 'ljJV'l:f/!; lviere•av xai nga~et!; fUTa loyov· anov~aiov ~·&.v~go!; 11lj -,;aii-,;a xai xalw;.
wExao-rov 118 eV xaTti .,;~v olxelav äeet~'V ä.no-reÄ.eil'at· el IJ'oV.,;ro, TO &.vOewmvov &.ya{}ov 'PV'l:f/!; lviereta yiv11rat xa-,;' &.ee-,;.)v· el ~8 :n:J.elov!;
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110. Es gibt drei Klassen von Gütern: äußere Güter, Güter der Seele und Güter des Leibes. Nur die der Seele sind Güter im eigentlichen und höchsten Sinne (Güter um ihrer selbst willen) zu nennen. Wie verhält es sich nun mit den vielen äußeren Gütern, Gesundheit, Schönheit, guter Ruf, angenehme häusliche Verhältnisse, Freunde, Besitz? Sie sind kein Teil der Glückseligkeit, keine eigentliche Mitursache für diese, aber doch in gewissem Sinne eine conditio sine qua non; so zwar, daß der Tugendhafte durch die größten Unfälle nicht unglückselig wird, aber doch aufhört, glückselig zu sein.tst An jede vollkommene Tätigkeit ist naturgemäß Freude geknüpft, die sie hebt und vollendet, wie überhaupt jede in vollkommener Weise geübte Tätigkeit von einer eigentümlichen Lust begleitet ist. Somit besteht zwischen Tugend und Lust kein allgemeiner Gegensatz. Höhere und edlere Lust ist sogar die stete Begleiterin der Tugend. Würde man die Lust aus der Ethik streichen, so verlöre diese an Kraft.
Tugend ist beständige sittlithe Willensbeschaffenheit
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Die vernünftige (menschliche) Tätigkeit, insoweit sie nicht in einem äußeren Werk ihr Ziel hat wie die künftige, ist eine doppelte: die theoretische und die praktische. Daher ist auch die Glückseligkeit eine doppelte, die des betrachtenden und die des handelnden Lebens. Die erste ist die vorzüglichere, der Gottes ähnlichste. Die Götter werden mit besonderer Liebe für einen solchen Mensc.'ten als den ihnen ähnlichsten, sorgen. Die theoretische Tätigkeit ist die unabhängigste und bedürfnisloseste. Die Metaphysik beschäftigt sich vor allem mit theoretisc.'ten wissenschaftlichen Betrachtungen; die Erkenntnis Gottes ist die vorzüglichste und beseligendste. 111. Zur Tugend gehören Übung und Gewohnheit; es muß sich eine befestigte (dauerhafte) Beschaffenheit der Handlungsweise ausgebildet haben.tB2 Aristoteles definiert die ethische Tugend in folgender Weise: .Somit ist denn sittliche Willensbeschaffenheit die zur Fertigkeit der Selbstentscheidung gewordene Gesinnung, die jedesmal für das Subjekt angemessene Mitte innezuhalten, wie sie gedankenmäßig bestimmt ist und wie der Mann von vollkommener Einsicht sie bestimmen würde("1!-0r:tv ll(!a ~ d.[!erq lE•> JT:{!Oat(!Bnxq, tv p.eo&rrrn olioa -r:fj :I(!tOf-tBV'fl .l.&ytp xai ciJ; llv tp(!OVtf-tO> O(!loete).""
Die t;,, ist die zur Fertigkeit oder Gewohnheit gewordene Fähigkeit. Während die sittliche Mwaf-t•> unbestimmt und Entgegengesetztes in Möglichkeit ist, muß die wirkliche Ausbildung in einer bestimmten Richtung erfolgen. Die gute EE•• ist also der infolge von Übung zur Gewohnheit gewordene Antrieb zu Akten der Tugend. Die Tugenden verschiedener Vermögen sind verschieden; es gibt zwei Hauptgruppen menschlicher Tugenden: a) Dianoetische oder Verstandestugenden, b) Ethische oder sittliche Tugenden. Dianoetische Tugenden sind: voii; (Verstand), i!mo-r:~w'l (Wissen, Einsicht), ootpla (Weisheit), dx.v'l (Kunstfertigkeit), tp(!Ov"o•> (praktische Einsicht). Die tp(!&v'lo•• ist die Gesetzgeberin für die ethischen Tugenden; diese sind nicht ohne sie, sie ist nicht ohne diese möglich.
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Es gibt verschiedene ethische Tugenden
Ethische Tugenden sind: &.v~esla (Tapferkeit), arurpeoa{nrq (Besonnenheit), aJ.4{}eta (Wahrhaftigkeit), ~txaw"'wYJ (Gerechtigkeit) und andere. Zur ethischen Tugend gehört immer die Fertigkeit, die angemessene Mitte einzuhalten, und zwar für uns, nicht der Sache nach. So hält die Tapferkeit die Mitte zwischen Feigheit und Tollkühnheit, die Mäßigung die Mitte zwischen Genußsucht und Stumpfheit, die Freigebigkeit zwischen Verschwendung und Geiz. Die höchste ethische Tugend ist die Gerechtigkeit, der ein zweifacher Sinn zukommt. Im inneren oder subjektiven Sinn ist die Gerechtigkeit die gefälligste der ethischen Tugenden, die Erfüllung aller Pflichten. Im äußeren oder objektiven Sinne bezieht sich die Gerechtigkeit auf Gewinn und Schaden; sie hält die Mitte ein, indem sie keinen zugunsten eines anderen übervorteilt. Sie ist in einer anderen Weise 11ea6r~• als die übrigen Tugenden, insofern sie die Mitte des Gegenstandes trifft. Sie ist teils verteilende (distributive), teils ausgleichende Gerechtigkeit. Die verteilende geht auf die geometrische, die ausgleichende auf die arithmetische Proportion zurück. Hier kommt es nidJ.t auf die Würdigkeit der Person, sondern lediglich auf die Sache an (Billigkeit). t84 112. Auch die Freundschaft ist eine Tugend. Ar ist o t e I es widmet ihr zwei Bücher (8. u. 9. Buch der Nik. Ethik). Freundschaft im allgemeinen ist das Verhältnis gegenseitiger Liebe, welche beiden Teilen bewußt ist. Nun lieben die Menschen dreierlei: das Gute (xaJ.ov x&.ra06v), das Angenehme (~~v) und das Nützliche C;:e~atl'ov). Danach kann auch die Freundschaft auf dreierlei gegründet sein. Man kann den anderen lieben wegen des Guten oder wegen des Vergnügens (Kameradschaft) oder wegen des Vorteils (Geschäftsfreund). Die beiden letzten Formen sind aber nicht wahre Freundschaften, sie dauern nur so lange, als sie ihren Zweck erfüllen. Wahre Freundschaft gibt es nur zwischen solchen, die edle geistige Vorzüge aneinander lieben. Diese edelste, beständigste und eigentliche Freundschaft liebt den Freund als das, was er ist, und wünscht ihm um seinetwillen Gutes. Darin liegt auch der Zusammenhang zwischen Freundschaft und Tugend. Solche Freundschaft entsteht
Über die Freundsmaft, besonders die Ehe
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nicht rasch; sie bedarf der Probe eines langen Verkehrs, sie kann sich darum auch nicht auf viele erstrecken. Wer viele Freunde hat, hat keinen Freund. Aber sie ist dafür so dauerhaft wie die Tugend, auf der sie beruht, und wegen der innigen Verbindung mit dieser ein Quell sittlichen Fortschrittes für beide Teile. A r i s t o t e I e s untersucht auch die Frage, ob Freundschaft nur zwischen Gleichen oder auch zwischen Ungleichen bestehen könne, und gelangt zu dem Ergebnis, daß die Gleichheit der günstigere Fall ist. Ein allzu großer Abstand hebt den Begriff der Freundschaft auf. Als eine besondere Art der Freundschaft betrachtet A r i s t o t e I es die Ehe. Mann und Frau haben von Gott verschiedene Gaben und daher auch verschiedene Pflichten erhalten. Sie sollen sich verjüngen, und in dieser Ergänzung liegt das Band, das sie vereinigt. P I a t o n zerriß dieses Band seiner politischen Zwecke wegen und zerstörte dadurch, ohne es zu wollen, das Band des Staates. Ar i s t o t e I e s sieht viel richtiger, wie er überhaupt eine für die Griechen bewundernswert hohe und reine Auffassung von der Ehe hat. Ihr Zweck ist nicht bloß Kindererzeugung. Schon bei manchen Tierarten trifft dies zu, um so mehr beim Menschen. Die Ehegatten sollen sich gegenseitig helfen und ihre eigentümlichen Gaben in den Dienst der Familiengemeinschaft stellen. Die Ehe dient also nicht bloß zur Erhaltung des Seins (der Art nach), "sondern hat alle Zwecke des menschlichen Lebens zum Inhalt" .ts5 Auch aus allen anderen, wenn auch wenigen Bestimmungen über das eheliche Verhältnis, läßt sich dieselbe würdige Auffassung entnehmen. Ar i s t o t e 1 es stellt zwar die Frau dem Mann, was geistige und körperliche Kraft anlangt, nicht gleich, aber er respektiert sie als Wesen mit eigenem Willen und eigentümlicher Tugend. Er vergleicht sie einer Schutzflehenden am Herde des Mannes. Dieser soll sie als seine Genossin schützen. Er mag über sie herrschen, er soll es aber nicht wie der Herr über seine Sklaven, sondern wie in einer Republik ein freier Bürger über andere Freie. Denn ein wirklich Freier wird sich nur Freien verbinden.
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Andere Freundschaftsverhältnisse
Ein anderes Verhältnis von liebenden Menschen ist das zwischen Eltern und Kindern. "Die Eltern lieben ihre Kinder als ein Stück von sich selbst und die Kinder die Eltern als die, denen sie ihr Dasein verdanken." 186 Der Vater beherrscht die Kinder wie ein König rßaatÄ.t>-ra-ra) auf vier reduziert. Die Stoiker unterscheiden: 1) To vno>, dieses die vlf1. Die Materie ist unbewegt und ungeformt, aber fähig für jede Form und Bewegung. Beide Prinzipien sind untrennbar miteinander vereinigt. b) Der i.ciyo> für das Ganze der Welt ist die Gottheit. Diese ist also mit der Materie als 8~"· d. h. zu einer Art Dauerzustand, verbunden. Etwas Körperloses gibt es nicht, das Wesen der Welt ist das Feuer. Der i.O"~ heißt Zeus oder die allgemeine Natur. Die Götter des Polytheismus gelten für die Naturkräfte oder Teile der Welt. c) Entstanden ist die Welt aus dem göttlichen Naturfeuer. Es verwandelt sich in Luft und Wasser, das Wasser zum Teil in Erde, zum Teil wieder in Luft und diese in Feuer. So gibt es 4 Elemente. d) Die Ursache der Entstehung und der Gestaltung der Welt ist dieel~otag"'ivf'J, das allgemeine Gesetz, eine absolute, aber nicht blinde Notwendigkeit. Sie ist vielmehr Vorsehung ·(ne&7oola) und mit der Gottheit identisch. e) Daher ist denn auch die Welt schön und zweckmäßig ge-
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Oberster ethischer Grundsatz der Stoiker ist:
bildet. Es sind bei den Stoikern Ansätze zu einer Theodizee vorhanden, d. h. es wird versucht, die auf der Welt vorhandenen Übel mit dem Zweckmäßigen in Einklang zu bringen. f) Die Welt ist kugelförmig, einheitlich bei der größten Mannigfaltigkeit. Aus ihrer vernünftigen Ordnung läßt sich das Dasein der göttlichen Vernunft erschließen. g) Wie die Welt aus dem Feuer entstanden ist, so wird sie auch nach Ablauf einer gewissen Periode im göttlichen Urfeuer untergehen. Dieser Untergang wird als ix:rcvewot• bezeichnet. Alles kehrt ins göttliche Ursein zurück, geht aber dann auch wieder aufs neue daraus hervor, alles gemäß der el~-tae~-tiv'l· h) Die menschliche Seele, der warme Hauch in uns c.-o ov~-ttpve• ~~-tiv :rcvEv~-ta', ist ein Teil der Weltseele. Als solcher ist sie nach einigen Stoikern, wie z. B. E p i k t e t, unsterblich, nach anderen überdauert sie den Leib, geht aber im WeHenbrand unter. Trotz der Körperlichkeit ist sie dennoch frei. Beim Gleichgewicht der Motive kommt aus der Seele die Neigung zu dem einen oder anderen hinzu. Die Entscheidung geht aus der inneren Natur der Seele hervor. Wie die Freiheit des Einzelnen sich mit der el~-tae~-tivYJ vereinigen läßt, wird nicht erörtert. 111. Die Ethik
11. Die Ethik der Stoiker beruht auf der metaphysischen Grundlage ihres Systems und darin sind sie, wie erwähnt, Schüler des H e r a k I i t. In der Ausführung aber schließen sie sich den Kynikern an, ohne daß es ihnen stets gelungen wäre, diese beiden Elemente, zu denen noch manches Aristotelische hinzukommt, harmonisch zu verbinden. a) Das höchste Gut ist die Tugend, sie besteht in einem naturgemäßen Leben. Das soll heißen, daß der Grundtrieb eines jeden Wesens auf seine Selbsterhaltung geht; der Mensch empfindet Lust an dem, wa~s für seinen Körper von Vorteil ist, und wir'd durch instinktive Unlust vor dem Schädlichen gewarnt. Der Vernunftgebrauch führt weiter zu der Einsicht, daß das
in Übereinstimmung mit der Natur zu leben
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wahrhaft Nützliche mit dem Guten identisch sei. So lautet denn der oberste Grundsatz der Stoiker, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben (&f.'olorovpivro> rfi q;vast Cijv). Später aber verstand man unter Natur nicht mehr die eigene, d. h. also die Triebe, sondern vielmehr die Allnatur oder die Gottheit. b) Nicht aber die Betrachtung ist das Höchste, sondern das Handeln; denn der Teil ist wegen des Ganzen da, der Mensch wegen der menschlichen Gesellschaft und das Handeln des Menschen geht auf diese. c) Die Tugend ist zur Glückseligkeit ausreichend und allein wahrhaft ein Gut. Ihr Gegensatz, das Laster, ist allein ein Böses. Alles andere ist ein Mittleres (aU}alesra>), so auch Leben, Gesundheit, Lust. Alles, was man mißbrauchen kann. Doch unterscheiden manche Stoiker die :n:eorm.tiva von den d:n:o:n:go'1rf.'iva, d. h. das Vorzuziehende und sein Gegenteil. Die ngo'1rf.'ba sind gewissermaßen Güter zweiten Ranges. Da das Leben zu den (.'iaou;, dem Mittleren, gehört, ist der Selbstmord erlaubt. Dennoch sagen sie auch wiederum, das Streben nach Selbsterhaltung sei allen natürlich und nennen es ra :n:ewra .. ara q;vaw (das Erste gemäß der Natur). Daraus werden mehrfache Bestimmungen abgeleitet. Unbewußt sei dieser Trieb in der Pflanze, im Menschen tritt an seine Stelle die Vernunft. d) Die Lust ist ebenfalls ein Mittleres, darf nicht Triebfeder des Strebens werden. Doch sagen die Stoiker wie A r i s t o t e I e s, daß sie zur tugendhaften Tätigkeit hinzutrete. e) Die vollkommene Tugendhandlung ("afMeflrof.ta) muß aus vollkommener Erkenntnis hervorgehen. f) Nur der Weise kann vollendete Handlungen üben. Er besitzt alle Tugend, denn die Tugend ist eine und nur ihrer Beziehung nach verschieden. Diese vernünftige Einsicht oder Weisheit ( q;e&v'1a'> oder aoq;la) entfaltet sich nämlich in vierfacher Weise: im richtigen Wählen (ng&v'1a&>}, im Maßhalten (aroq;eoavVI'J), im geduldigen Ertragen (avJesla) und in der Gerechtigkeit ("'"atOOVVI'J ).
g) Der Weise ist ohne Affekt. Kein Affekt ist naturgemäß und gut; doch stehen den :n:&.ih} (Furcht, Trauer, Begierde und Lust)
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Der Weise vereinigt alle Vollkommenheiten
die elmO.{}s,a,, die vernünftigen Stimmungen der Seele, gegenüber. So ist der Weise doch nicht apathisch. h) Der Weise vereinigt in sich alle Vollkommenheiten und steht selbst dem Zeus an innerer Hoheit nicht nach. Er ist daher auch der beste König, der beste Arzt, der beste Steuermann, d. h. er hat alle Vorzüge und keiner kann ihm etwas anhaben. H o r a z ironisiert diesen Tugendbund, indem er sagt: er ist reich, frei, geehrt, schön und vorzüglich gesund, wenn nicht ihn plaget der Schnupfen. i) Die späteren Stoiker gestanden, daß keiner dieses Ideal erreiche. Statt wie Z e non nur Gute und Schlechte zu unterscheiden, ließen sie neben Toren zur Weisheit Fortschreitende gelten. j) Während in der griechischen Philosophie der Blütezeit das Ideal des Vollbürgers entwickelt wird, geht dieses Ziel in der Stoa immer mehr verloren. Das Ideal ist nicht mehr der wirkende Staatsmann, sondern der passiv sich verhaltende Weise. Er lebt ein sich selbst genügendes Leben. Die Ethik in der Stoa der Kaiserzeit weist aber wiederum hin auf die allgemeine Menschenliebe. Keine gesonderten Gesetze, keine gesonderten Staaten sollte es mehr geben. Die Vorstellung von der Brüderlichkeit aller Menschen kommt auf. Der Kosmopolitismus eines E p i k t e t und M a r c u s A u r e I i u s mutet schon christlich an. Auch die .Ärmsten und Verachtetsten, die Krüppel und Sklaven, umfaßt das Gefühl der Verbrüderung. Cicero lehrt, die Natur fordere, daß der Mensch jeden Menschen ohne Unterschied liebe, denn nur das mache ihn zum Menschen. Mit dem populären Götterglauben fanden sich die Stoiker auf rationalistische Weise ab. Die Mythen werden allegorisch gedeutet, als auf einzelne Naturkräfte und -vorgänge hinweisend. Die Metaphysik, ursprünglich heraklitisch-pantheistisch, bekommt mehr und mehr einen Zug zum Theismus, deutlich tritt dies in dem von K I e an t h es verfaßten "Hymnus auf Zeus" hervor.7
2. Kap. D e r E p i k u r e i s m u s 12. Begründet wurde die Schule zu Athen durch Epik ur aus Samos. Epik ur (341-270 v. Chr.) war der Sohn eines athenischen Kolonisten; seine Kindheit und .Jugend verbrachte er in Samos. Der Vater soll dort Schullehrer gewesen sein. Schon mit 14 Jahren soll Epikursich der Philosophie zugewandt haben. Er war ein Schüler des Demokriteers N aus i p h an e s und der Einfluß des D e m o k r i t auf seine Lehre, namentlich seine Physik, ist unverkennbar. Zuerst nennt E p i k u r sich auch Demokriteer, später aber verliert sich diese Bescheidenheit. Begründer und Oberhaupt einer Schule geworden, will er alles aus sich selbst haben; seinen Lehrer N a u s i p h an es bezeichnete er als unwissenden Schwätzer (l."qo"e'-ror;), wie er überhaupt die früheren Philosophen zu verspotten liebte. Er rühmte sich als Autodidakt, von keinem der Früheren habe er etwas gelernt. Das brauche er nicht erst zu sagen, meinte C i c e r o, man sehe es daraus, daß er nichts wisse. Mit 32 Jahren soll er nach D i o g e n es La er t i u s seine Lehrtätigkeit in Mytilene begonnen haben, 306 v. Chr. begründete er seine Schule in Athen, der er bis zu seinem Lebensende vorstand. E p i k u r war ein Vielschreiber, ca. 300 Bücher soll er verfaßt haben. Der Mangel an wissenschaftlichem Sinne verrät sich bei ihm noch deutlicher als bei den Stoikern. Schon in der Definition der Philosophie tritt dies zutage; sie ist ihm eine Tätigkeit, welche durch Überlegungen und Unterredungen ein glückseliges Leben hervorbringt. Für seine Schüler stellte E p i k u r einen Auszug aus seinen Schriften zum Auswendiglernen zusammen. Davon sind 44 Leitsätze, "vq'a' "~a' (aus der Ethik) noch erhalten. Die Schule gewann zahlreiche Anhänger, sehr viele traten zu ihr über. Unmittelbarer Schüler Epikurs ist Metrod o r o s von Laanpsakos, von dJem zahlreiche Schriften polemi>Schen Inhalts stammen. Als anderer namhafter Epikureer wird H e r m a r c h o s genannt. Auch Frauen befanden sich unter den Anhängern E p i k u r s. Die Unterredungen fanden in E p i k ur s
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Die Logik handelt von den Wahrheitskriterien
Garten statt, woher den Epikureern auch der Name Gartenphilosophen beigelegt wurde. Als bedeutendste Vertreter der epikureischen Lehre gelten zwei römische Dichter: Ti tu s Lu c r e t 1 u s (95-52 v. Chr.) und H o r a z; in der Kaiserzeit war sie im römischen Reiche sehr verbreitet.S
Die epikureische Lehre I. Die Logik
13. Die Logik - Epik ur nennt sie Kanonik - soll eine Richtschnur für die Erkenntnis der Wahrheit sein. Sie handelt von nichts als den Kriterien der Wahrheit, von denen drei aufgezählt werden. a) Die Sinneswahrnehmung (al'ofhJo••)· Sie ist bloß leidend, kann darum nichts hinzutun noch wegnehmen, ist also ganz zuverlässig. Weder andere Wahrnehmungen noch die Vernunft können die Wahrnehmung widerlegen. Jene nicht, weil alle Wahrnehmungen gleichwertig sind, diese nicht, weil auch die Vernunft auf Wahrnehmung beruht. Auch die Traumbilder und Wahnvorstellungen sind als Vorstellungen wahr, nur daß ihnen kein reales Objekt entspricht. Den Wahrnehmungen jedoch entsprechen solche im Sinne der Ursache, denn sie entstehen dadurch, daß sich feine Bilder (ei.5cola) von den äußeren Gegenständen ablösen, die in einem beständigen Strome unsere Organe treffen und dort Eindrücke (-r:{m:o•) hervorrufen. b) Die Vorstellung (neol7Jtpt>) ist ein allgemeines Gedächtnisbild, entstanden aus der öfteren Wiederholung einer Wahrnehmung. Es ist nichts anderes als die Erinnerung an das oft Wahrgenommene. Irrtümer sind möglich. c) Die Affekte (naD7J), nämlich Lust und Schmerz, sind die Kriterien für das. was zu begehren und zu fliehen ist. Die ganze übrige Logik sei, meint E p i k u r, unnötig. Definition, Syllogismus usw. können ja doch die Wahrnehmung nicht ersetzen. Die Urteile sind wahr oder falsch, je nachdem sie durch
Die Lehre von der Weltbildung
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Wahrnehmungen bestätigt oder widerlegt werden. Der Satz des ausgeschlossenen Dritten sei ein disjunktives Urteil, der Satz des Widerspruchs nicht allgemein gültig. Die Mathematik taugt nichts, weil sie vielfach von falschen Voraussetzungen ausgeht; aber auch wenn ihre Schlüsse richtig wären, würden sie das Leben nicht angenehmer machen und müsse daher als unnütz bezeichnet werden.D Analogieschluß und Induktion werden als Weg, um vom Gegebenen zum Unbekannten zu gelangen, anerkannt. II. Die Physik
14. Der Physik gesteht Epik ur nur eine Berechtigung des praktischen Nutzens wegen zu, insofern sie durch Wegräumen der Vorurteile, durch Befreiung der Seele von abergläubischen Befürchtungen, zum Glück beitrage. a) Von Ewigkeit her sind die Atome und der unendliche leere Raum. Die Gestirne haben eine bestimmte Gestalt, Größe und Schwere. b) Vermöge der Schwere bewegten sich die Atome ursprünglich in gerader Linie von oben nach unten. c) Nachdem sie sich lange genug so nebeneinander fortbewegt hatten, wichen einige Atome aus Zufall ein wenig von der geraden Richtung ab. Dabei stießen sie mit anderen zusammen, blieben teils aneinander hängen, teils prallten sie voneinander ab. So entstanden Wirbelbewegungen und es bildete sich die Welt, in der wir sind, und zu welcher die Erde und alle uns sichtbaren Sterne gehören. d) Aber diese Welt ist nicht die einzige; unendlich viele andere befinden sich an unendlich vielen anderen Orten. e) Sonne, Mond und Sterne sind so groß als sie aussehen. Sie sind beseelt. f) Die Tiere und Menschen sind aus Erde entstanden. Die Seele ist keine unkörperliche Substanz, sie besteht aus den rundesten und glattesten Atomen; sie sind im ganzen Leib verbreitet und durdJ. ihn zusammengehalten. Der Wille ist frei. Die
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Letztes Ziel des Menschen ist Glückseligkeit
Vorstellung regt an, aber bestimmt nicht mit Notwendigkeit. Die Entscheidung hat keine Ursache, sie erfolgt zufällig. g) Eine Gottheit braucht E p i k u r bei seiner Weltbildung nirgends und in keiner Weise. Auch jede Zweckursache wird entschieden verneint. Dennoch leugnet er die Götter nicht; alle Völker glauben ja an Götter. Wir können von ihnen deutliche Erkenntnis haben, denn öfter erschienen sie den Menschen. Was aber sind sie? Die meisten haben irrige Ansichten von ihnen, welche die Seligkeit und Unsterblichkeit der Götter aufheben würden. Wenn sie sich in die Welt einmischten und um das Irdische kümmerten, so könnten sie nicht selig sein und die Sorge und Mühe müßten sie allmählich aufreiben. Denn körperlos sind sie nicht. Sie sind aus den feuchten Atomen gebildet und den Menschen an Gestalt ähnlich. Sie wohnen in den Intermundien, kümmern sich um nichts und genießen in Ruhe ihre ewige Seligkeit. Aus Furcht also hat man die Götter nicht zu verehren, sondern nur aus Bewunderung. Freilich ist es sonderbar, daß man diese Götter bewundern soll, die nur Ideale der Lust vertreten, was man keineswegs von den Gottheiten der Stoiker sagen kann, die Ideale der Weisheit und Vollkommenheit sind.to 111. Die Ethik
15. In der Ethik folgen die Epikureer den Kyrenaikern. Das höchste Gut ist die Lust, denn auf sie geht das natürliche Begehren. a) Welche Lust ist nun aber gemeint? Epik ur will die Lust im weitesten Sinne des Wortes verstanden wissen. Es gibt Lust des Leibes und Lust der Seele, keine von beiden ist an und für sich das höhere Gut, aber weil die Seele auch wegen des Vergangenen und Zukünftigen Lust empfindet, so ist die Lust der SP.ele größer. b) Der Lust steht der Schmerz entgegen, der ebenso wie sie ein doppelter ist. Auch die Befreiung vom Schmerz gibt Lust und ist ein Gut, das begehrt wird. Die vorzüglichsten Güter, in denen
Vernünftige Überlegungen können die Furcht überwinden
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vor allem die Glückseligkeit besteht, sind Gesundheit und Gemütsr.uhe (•i t"OV UWf.tllTO), sollen keine Opfer gebracht, er soll auch gar nicht genannt, sondern nur mit dem Geiste erfaßt werden. Den niedrigen Göttern dürfen unblutige Opfer gebracht werden. Alle irdischen Dinge sind, weil sie an der Materie teilhaben, unrein und unwert, mit dem höchsten Gott in Berührung zu kommen. So wurde A p o ll o n i o s zur Annahme eines Mittlers gedrängt. Dieser, der Demiurgos, bildete die Welt nach den Ideen. Die Ideen aber befinden sich im Geiste Gottes, sie sind Gedanken Gottes. Das pythagoreische Element dieser Lehre besteht darin, daß sie mit der Zahlenlehre in ähnlicher Weise in Verbindung gebracht wurde, wie die platonische Lehre in den Altersdialogen P I a t o n s. Die pythagoreische Unsterblichkeits- und Seelenwanderungslehre lebte auch wieder auf. Für das mystische Stadium charakteristisch ist der Offenbarungsglaube. In seiner Biographie des P y t h a g o r a s berichtete Apo 11 o n i o s, daß dieser göttlicher Offenbarungen teilhaftig geworden sei und dasselbe glaubte er auch von sich selbst.5
*
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Numenios
i~t
pythagoreisierender, eklektischer Platoniker
Flavius Philostratos feierte den A p o I I o n i o s in einer romanhaften Schrift, in welcher er in ihm das neupythagoreische Ideal als etwas Höheres gegenüber dem christlichen und auch stoischen erscheinen lassen wiii. 9. Mo d e rat u s aus Gades war ein Zeitgenosse des Apo 11 o n i o s. Er suchte die Hineintragung platonischer Ideen in den Neupythagoreismus durch die Annahme zu rechtfertigen, daß die alten Pythagoreer sich eines Zahlensymbolismus bedient hätten, um die höchsten Wahrheiten auszudrücken. 10. Ni k o mach o s von Gerasa in Arabien lebte im 2. Jahrhundert n. Chr. Nach seiner Lehre präexistierten die Zahlen vor der Schöpfung im Verstande Gottes. Diesen Urbildern gemäß seien alle Dinge geordnet. Er schrie! etoloyovptva &.g,Dwrwui (eine auf den Zahlen beruhende Gotteslehre).& 11. Pythagoreisierende, eklektische Platoniker könnten genannt werden: Eu d o r o s und Arios D i d y m o s (zur Zeit des Augustus), D e u k y 11 i d es und T h r a s y 11 o s (zur Zeit des Tiberius), PI u t a r c h von Chäronea (zur Zeit des Trajan), A p u I e i u s von Madaura in Numidien, der Arzt G a I e n u s (131 bis nach 200 n. Chr.), Nu m e n i o s aus Apamea (gegen Ende des 2. Jahrh. n. Chr.) und manche andere. Von allen diesen sei nur auf Nu m e n i o s noch kurz eingegangen. Er weist P y t h a gor a s die oberste Autorität zu und behauptet, P I a t o n habe das Wesentliche seiner Lehre von diesem entnommen. Die Philosophie der Griechen führt er auf die Weisheit der Orientalen zurück. P I a t o n nennt er einen attisch redenden Moses. Zweifellos war er auch mit der Lehre des PhiIon und überhaupt der jüdisch-alexandrinischen Theosophie wohl vertraut. Die bedeutendste Abweichung des N u m e n i o s von P I a t o n besteht darin, daß er den Weltbildner (~'1fltCN(!.,0.) als einen zweiten Gott von dem obersten Gott untersmeidet Der erste Gott ist gut an sich, er ist reine Denktätigkeit und Prinzip des Seienden. Der zweite Gott ist gut durch Teilnahme an dem Wesen des ersten, er wirkt im Hinblick auf die ewigen Urbilder auf die Materie und bildet hiedurch die Welt. Die Welt, das Erzeugnis des Demiurgos, ist der dritte Gott.
Der Neuplatonismus
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Die Schriften dieser Männer, besonders aber des Nu m en i o s, übten auf P l o t i n, den hervorragendsten Denker des Neuplatonismus, großen Einfluß. Ja, so vielfach zeigten sich Spuren des Zusammenhangs mit der Lehre des Nu m e n i o s in P I o t i n s Schriften, daß seine Schüler sich genötigt sahen, ihn eigens gegen die Beschuldigung zu verteidigen, er habe dem N u m e n i o s die wesentlichsten Bestandteile seines Systems entwendet. Der Vorwurf war in der Tat ungerecht. Aber daß Numenios ein Vorgänger des Plotin war, gab auch P o r p h y r i u s, der Apologet und große Lobredner des Plotin, zu. 7
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4. Kap. I II. D e r N e u p I a t o n i s m u s 12. Als Begründer des Neuplatonismus wird gewöhnlich Am m o n i o s (17 5-242 n. Chr.) genannt, mit dem Beinamen Sakkas (2axxas;J, d. h. Sackträger, was auf die Beschäftigung hinweist, durch die er sich seinen Lebensunterhalt erwarb. Später aber bezeichneten ihn seine Schüler als ~eolJllJax-,;ov (Gottbelehrten), weil sie ihm göttliche Eingebungen zuschrieben. Er wurde von seinen Eltern im Christentum erzogen, kehrte aber später zum Heidentum zurück. über seine Lehre besteht Unsicherheit, weil er nichts Schriftliches hinterließ. A m m o n i o s will Platoniker sein, aber wie wenig er P I a t o n verstand, das zeigt schon sein Ausspruch, daß in der Hauptsache die Lehren des A r i s t o t e I e s und P I a t o n identisch seien.S Vor allem war er bestrebt, die Weise zu erforschen, wie Seele und Körper vereinigt sind; es handle sich um keine Vermischung. Die Seele entsteht und vergeht mit dem Körper, ändert aber ihr Wesen nicht. Die Einigung der Körper erfolgt unter Veränderung, im Intelligiblen aber gibt es eine Einigung ohne Änderung. Die Seele ist eigentlich nicht im Leibe, sondern setzt sich in Beziehung zu ihm, wirbt um ihn. Als Beweis wird angeführt, daß die Seele sich im Schlafe und in der betrachtenden Hinwendung zum Intelligiblen vom Körper losmachen kann.
if.
Da1 Leben des Plotin
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Die Lehre von dem unbedingt Einen jenseits der Ideen und von der Erhebung des Geistes zu ihm in der ä:n:Ä.O>at>, lxo~ao•; (Ekstase) hat anscheinend schon Am m o n i o s vorgetragen, jedenfalls hat er in vielfacher Weise den späteren Neuplatonismus angebahnt. 13. P l o t i n ist ein Schüler des Am m o n i o s. Er hat zuerst die neuplatonische Lehre in annähernd systematischer Form entwickelt. Wir wollen zunächst sein Leben betrachten, weil bei P l o t i n Leben und Lehre innig zusammengehören. Leben:
14. Plot in wurde im Jahre 205 n. Chr. zu Lykopolis in Ägypten geboren. Er lebte so ausschließlich dem Intelligiblen, daß er in seiner Verachtung des Irdischen, wie sein Biograph P o r p h y r i u s erzählt, seiner Verkörperung sich zu schämen schien. Weder über seine Eltern, noch über sein Vaterland, noch den Tag seiner Geburt wollte er irgendwelche Angaben machen. Völlig entrüstet war er über die Zumutung, er möge sein leibliches Angesicht von einem Maler oder Bildhauer nachbilden lassen. Doch überlisteten ihn seine Anhänger. Ein Maler, den sie in die Schule brachten, fertigte sein Bild nach der Erinnerung. P o r p h y r i u s weiß einiges aus eigenem zu berichten. Ein Zug aus der Kindheit des P l o t i n ist eigentümlich genug; bis zum 8. Lebensjahr, obwohl schon zur Schule gehend, habe er an der Brust seiner Amme getrunken. Erst im 28. Lebens.iahre scheint sein Trieb zur Philosophie erwacht zu sein, wir finden ihn an der berühmten Philosophenschule in Alexandria. Hier lebten die gelehrten Kommentatoren des P 1 a t o n und A r i s t o t e l e s, hier hatte A e n e s i d e m für den Skeptizimus epochemachend gewirkt, hier P h i 1 o n1 der Jude, die Samenkörner einer theologisch-philosophischen Spekulation ausgestreut. Zur Zeit des P l o t i n besaßen alle bedeutenden Schulen des Altertums in Alexandrien ihre Vertreter. P 1 o t i n suchte, einen um den anderen, die Lehrer auf, welche am meisten eines Rufes sich erfreuten. Aber das philolo-
Einfluß des Ammonios auf Plotin
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gisch gelehrte Kommentieren, zu welchem die einen ihn anleiten wollten, war nicht das, wonach er verlangte; die Skepsis der anderen war durchaus seinem Sinne fremd; und ebensowenig konnten die Epikureer oder die Stoiker ihn befriedigen, alle etwas vom Skeptizismus angekränkelt und in Eklektizismus ausgeartet. Da verfiel P I o t i n in Traurigkeit und tiefe Schwermut. In dieser Stimmung wurde er von einem Freunde zu Ammonios Sakkas geführt. P I o t i n war hingerissen. - .Dieser ist's, den ich suchte", rief er seinem Freunde zu. Bis zu seinem 39. Jahre blieb PI o t in bei seinem Lehrer, zu dessen vertrautesten Schülern er bald gehörte. Auch später, auf der Höhe seines Ansehens, hat P I o t i n immer A m m o n i o s als denjenigen bezeichnet, dem eigentlich der Ruhm gebühre. Im Jahre 242 n. Chr. unternahm Kaiser Gordianus einen Feldzug gegen die Perser. P I o t i n schloß sich dem Heere an, um die Philosophie der Inder und Perser kennenzulernen. Aber das Glück war Gordianus nicht günstig; er verlor in Mesopotamien Sieg und Leben, und P I o t i n selbst rettete sich nur mit Mühe nach Antiochien. Von dort aus kam er nach Rom; 40 Jahre alt, betrat er die Stadt. Alsbald eröffnete er eine Schule; zunächst beschränkte er sich auf die mündliche Darlegung seiner Lehren und forderte auch seine Schüler zu aktiver Teilnahme an den philosophischen Untersuchungen auf. Erst nach 10 Jahren entschloß er sich, durch Freunde veranlaßt, seinen Gedanken auch schriftlichen Ausdruck zu geben. Die 54 Abhandlungen des P I o t i n wurden von Po r p h y r i u s in sechs Enneaden zusammengestellt, indem er Verwandtes vereinigte und mit dem Leichteren den Anfang machte . • Plot in wußte mit seinen Vorträgen die weitesten Kreise anzuziehen. Dazu trug nicht wenig die Begeisterung bei, die aus seiner Rede hervorleuchtete. Seine Züge waren schon von Natur edel und anmutig; aber ihre Schönheit erhöhte sich, wenn er sprach. Sein Antlitz wurde dann wie strahlend, und leichte Schweißtropfen perlten auf seiner Stirne. Der Ausdruck war ge-
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Großes Ansehen des Plotin in Rom
spannt, gedankenschwer, kurz und enthusiastisch. Man fühlte, wie er nicht auf die Worte achte, sondern ganz in die Sache vertieft war." Auch im übrigen war seine Lebensweise eine eigentümliche und erinnert stark an das, was in unseren Heiligenlegenden berichtet wird. Er war fast unausgesetzt mit seinen Gedanken beschäftigt - entweder allein oder mit anderen sich besprechend, dem Schlaf widmete er nur wenig Zeit und nahm nur kärgliche Nahrung zu sich. Selbst Brot genoß er nicht häufig; Fleischspeisen wies er gänzlich und sogar in Zeiten der Krankheit zurück. Ebensowenig erlaubte er sich jemals den Gebrauch von Bädern. Für alle diese Entsagung fand P 1 o t i n reichen Lohn in der Wonne der Betrachtung, namentlich der Betrachtung göttlicher Dinge. "Die Persönlichkeit des P 1 o t i n und seine Lehre machten in Rom den gewaltigsten Eindruck. Philosophen, Ärzte, Senatoren, Staatsmänner und auch Frauen aus den vornehmsten Geschlechtern schlossen sich ihm an. Sein Haus füllte sich mit Knaben und Mädchen, die von sterbenden Eltern ihm anvertraut wurden, und er sorgte für die Kleinen und ihr Vermögen mit praktischem Sinne und aufopfernder Hingebung. Sehr häufig wurde er bei Streitigkeiten zum Schiedsrichter gewählt; und obwohl er viele Jahre hindurch unzählige Male dieses Amtes waltete, niemals hat er sich dabei mit einer der Parteien verfeindet. Selbst bei dem Kaiser Galienus und der Kaiserin Salonina stand P 1 o t i n in höchsten Ehren. Und fast hätte der Kaiser ihm erlaubt, eine zerstörte Stadt Campaniens unter dem Namen Platonopolis wieder aufzubauen. P I o t i n selbst mit seinen Freunden wollte sich dort niederlassen und sie sollte nach den Gesetzen P I a t o n s regiert werden. Doch gelang es einigen am Hofe einflußreichen Männern, durch ihre kräftigen Gegenvorstellungen die Genehmigung des etwas abenteuerlichen Planes zu hintertreiben. Wollte man den Berichten des Porphyrius Glauben schenken, so hätten den P I o t i n nicht bloß die Menschen, sondern auch die Götter durch besondere Gunstbezeigungen ausgezeichnet. Seine Kontemplation soll sich oft bis zur höchsten Stufe übernatürlicher Ekstase erhoben haben. In den sechs Jahren, in wel-
Tod des Plotin
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chen Porphyrius mit P I o t i n verkehrte, wäre dieser nicht weniger als viermal zur vollen Vereinigung mit der Gottheit gelangt, während Porphyrius selbst ein solches Glück nur einmal in seinem Leben, in seinem 68. Jahre, erfahren haben will." P I o t i n starb auf dem Landgut eines Freundes in Campanien in seinem 66. Lebensjahr (270 n. Chr.). Dorthin hatte er sich, schon schwer leidend, llh Jahre vor seinem Tode zurückgezogen. Seine vertrautesten Schüler, Po r p h y r i u s und Am e 1 i u s, waren abwesend. Sein treuer Arzt Eustachius war auf die Nachricht von der bevorstehenden Auflösung des Meisters von Puteoli zu ihm geeilt. Als er eintrat, habe P I o t i n die Gabe der Sprache, die er verloren hatte, wiedererlangt und sei mit den Worten gestorben: "Auf dich nur habe ich gewartet und strebe jetzt das, was in mir göttlich ist, zu dem Göttlichen im Weltall zurückzuführen." Bei seinem letzten Atemzug sei ein Drache unter dem Bett hervorgekommen und in einer Maueröffnung verschwunden. Nach P 1 o t ins Tode frug Am e I i u s beim delphischen Orakel an, wohin seine Seele gekommen sei. Der Gott antwortete in 51 Hexametern voll schwülstiger Lobpreisungen. P I o t i n, heißt es darin, weile da, wo die Brüder Minos und Rhadamanthys, wo der gerechte Aeakos, wo P I a t o n und P y t h a gor a s wohnen, wo Freundschaft, Freiheit und die auf die Gottheit gerichtete Liebe thronen. Gleichen Loses sei er teilhaft geworden wie die höchsten und seligsten Dämonen.9 15. PI o t in kannte die ganze frühere Philosophie; eingehend beschäftigte er sich mit P 1 a t o n, dessen Schriften ihm wie Offenbarungen galten. Freilich erlaubte er sich große Umbildungen. Aber auch A r i s t o t e 1 e s studierte er eifrig. Außer diesen beiden Philosophen schätzte er besonders noch N u m e n i o s aus Apamea. Daß er A m m o n i o s stets ein dankbares Andenken bewahrte, ist bereits erwähnt worden. Das Christentum lernte er nur in den Verzerrungen der Gnostiker kennen.to
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Lehre:
16. über das erste Prinzip aller Dinge bestanden bis dahin zwei entgegengesetzte Ansichten. T h a 1 e s, D e m o k r i t und andere hatten es als etwas Körperliches gefaßt, An a x a g o r a s, A r i s t o t e 1 e s als einen weltbildenden Verstand. P 1 o t in gibt beiden unrecht. Alles Körperliche hat Teile, ist also eine Vielheit; und auch der Verstand ist eine Vielheit, denn er enthält in sich die Zweiheit des Denkenden und Gedachten. Jede Vielheit setzt aber eine Einheit voraus. "Die erste und höchste unter allen Ursachen der Dinge ist also weder etwas Körperliches noch ein göttlicher Verstand, sondern das s c h 1 echthin Eine" (ul fv). "Was dieses Eine sei, vermögen wir nicht zu sagen, kein Name steht uns zu Gebote, der sein Wesen entsprechend bezeichnete. Es ist nicht Denken, es ist nicht Sein. Nicht aber, als ob es deshalb Mangel hätte: es überragt nur sowohl Denken als Sein. Es ist zu erhaben, um noch unter diese Begriffe zu fallen. Hier haben wir sozusagen den ersten Lehrsatz in dem System P 1 o t i n s und zugleich den ersten Fehlschluß. Jede Vielheit, sagt er, setzt eine Einheit voraus. Ist diese Behauptung unmittelbar einleuchtend? - In einem Sinne ohne allen Zweifel! - Als Teil ist eine Einheit für jede Vielheit Vorbedingung. Aber es handelt sich ja in unserem Falle um eine Voraussetzung als wirkendes Prinzip. Und da erscheint der Satz in keiner Weise als selbstverständlich. Er müßte bewiesen werden. Und auf einer groben Verwechslung beruht es, wenn P 1 o t i n unterschiedslos auch in diesem Sinne das unmittelbare Zugeständnis fordert. Und noch einer zweiten Verwechslung macht er sich hier schuldig. Das, was im Gedanken existiert (d. h., was gedacht wird), verwechselt er mit dem, was in Wirklichkeit besteht. Sonst hätte er nicht im Verstande eine Vielheit finden können, nämlich die Zweiheit des Denkenden und Gedachten. Doch dieser Fehler wird sofort noch deutlicher hervortreten und zu den tollsten Annahmen führen." 17. Alles ist nach P 1 o t i n aus diesem Einen hervorgegangen,
Das "Eine" ist Urprinzip nach Plotin
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wie die Strahlen aus der Sonne hervorgehen. Es ist dies vermöge einer überschwenglichen Kraft geschehen, in der das Eine gewissermaßen alles enthält. 18. Unmittelbar geht aus dem Einen der Verstand (vov') hervor, der das zweite göttliche Prinzip ist. Der Verstand ist nicht mehr schlechthin einfach, sondern, da ihm die Zweiheit des Erkennenden und Erkannten wesentlich ist, mit dem Anderssein behaftet. Seinem Urbild sich zuwendend, erkennt er es. Er erkennt auch die Welt der Ideen, denn diese sind im göttlichen Verstand. "Er erzeugt und trägt in sich die Ideen aller Dinge. Und diese Ideen sind nicht wesenlose Gedanken. Was der göttliche Verstand denkt, das ist wahr und wirklich. Und so sind denn die Ideen nicht weniger seiend als die Dinge, deren Ideen sie sind, sondern mehr als sie. S i e sind das wahrhaft Seiende. Jede Idee ist selbst ein lebendiger Geist und ein göttliches Wesen. Der göttliche Verstand, der die Idee der Ideen ist, ist ein Geist unter Geistern, ein Gott, der eine Fülle von Göttern in sich begreift. Ganz Ähnliches lehrt PI o t in von der Weltseele. Wie der Verstand die Ideen oder Götter, so erzeugt und trägt die Weltseele die Seelen in sich. Und er sagt, die einzelnen Seelen seien voneinander und von der Weltseele verschieden, zugleich aber, da sie in der Weltseele seien, auch eines mit ihr und unter sich. Schneidender können Widersprüche nicht sein. Aber P I o t i n läßt sich nicht dadurch beirren, oder vielmehr selbst durch sie wird er nicht auf die arge Begriffsverwechslung aufmerksam, deren er sich abermals schuldig machte, indem er Wahrheit im Sinne der Richtigkeit des Denkens und Wahrheit im Sinne der Wirklichkeit konfundierte. "u "Die Weltseele hat eine doppelte Wendung, nach oben und nach unten. Nach oben zum göttlichen Verstande gekehrt, hat sie in sich die Seelen erzeugt, und jeder Idee im Verstande entspricht in ihr eine Seele. P I o t i n bezeichnet die Weltseele wegen dieser Wendung nach oben als himmlische Aphrodite. Die Weltseele wendet sich aber auch nach unten, zur Welt der körperlichen Dinge, und in dieser Hinsicht heißt sie die Natur."
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Mit dem • Verstand" und der • Weltseele"
Die Weltseele bildet mit dem Verstand und dem Einen die göttliche Trias . • Das unnennbare göttliche Urprinzip ist nur Einheit, der Verstand und die Weltseele sind Einheit und Vielheit zugleich. Die Körperwelt ist Vielheit ohne Einheit. Und wegen dieses Mangels an Einheit ist sie einerseits unvermögend, ein neues Reich von Wesen hervorzubringen, und andererseits unfähig jeglicher Erkenntnis. So schließt mit der Weltseele das Reich des Lichtes ab. Die sinnliche Welt, das schlechthin letzte Glied der Kette, ist das Reich des Dunkels." Nur der Fürsorge der Weltseele ist die Ordnung in der Körperwelt zu danken. 19. Der Weltseele gehören ursprünglich auch die Einzelseelen an. Aus diesem übersinnlichen Zustand blicken sie nieder. Sie schauen hinunter in das Reich der Sinnlichkeit und erblicken dort ihre körperlichen Abbilder. Von Liebe zu ihnen erfaßt, wollen sie Sorge für sie tragen. • So steigen sie zunächst in den der idealen Welt benachbarten und besten Ort der sichtbaren Welt, den Himmel. Hier nehmen sie einen himmlischen (ätherischen) Körper an und mittels seiner gehen sie in den irdischen Körper ein, jede in den ihr entsprechenden. Doch nicht eigentlich die Seele wird in den Leib, sondern der Leib in sie aufgenommen. Ihre Vereinigung ist ganz ähnlich zu denken wie die der Weltseele mit der Gesamtheit der Körperwelt Nichtsdestoweniger besteht ein großer Unterschied zwischen dem Zustande der Weltseele, die dem sinnlichen Universum, und dem Zustand der Einzelseele, die dem Leibe vorsteht. Die Weltseele hat die Körperwelt geschaffen. Sie herrscht darum vollkommen unbeschränkt durch irgend etwas, was ihr als fremdes Werk gegenübersteht. Die Einzelseele dagegen lenkt einen Körper, der ihr nidlt selbst entsprungen ist, und indem sie ihn beherrschen will, wird sie darum gleichzeitig abhängig von ihm. So tritt eine Änderung ihrer Funktionen ein: das vegetative Leben, Empfindung, Lust und Unlust, Begierde, Zorn, Sinneswahrnehmung - lauter Tätigkeiten, bei welchen sie an den
bildet das .Eine" die göttlime Trias
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Leib gebunden ist, treten an die Stelle des Denkens. In mannigfachster Weise wird sie von ihrem Leibe in Anspruch genommen.-Hatte sie vormals in Einheit mit der Weltseele, leidlos und gleich vollendet wie sie, den Himmel und das Universum verwaltet, so wird sie jetzt, nachdem sie sich der Sorge für das Einzelne hingab, mehr und mehr vom Ganzen und Allgemeinen, und ebenso vom Idealen entfernt. Darum war ihr Herabsteigen in den Leib ein wahrer Verlust für sie, in den sie nie hätte willigen sollen. Es war für sie die Versenkung in einen Kerker, ein Fall aus lichter Höhe in Grabesnacht. Was als Fügung der Weltseele weise und vollkommen gerechtfertigt erscheint, das muß, als Handlung der Einzelseele betrachtet, im höchsten Grad mißbilligt werden. Schuldig wird der Mensch geboren, und wohlverdient erscheint das mannigfache Leid, das ihn trifft. Und die erste Schuld zeugt weiter. Die Seele schwebt in der höchsten Gefahr, sich in ihrer Liebe immer mehr noch in das Sinnliche zu verlieren. Und so finden wir sie tatsächlich auf bösen Wegen. Uneingedenk ihres göttlichen Ursprunges und ihrer inneren Hoheit vergessend, ehrt sie das Verächtliche." Da bedarf es der Bekehrung, und dazu ist ihr eines geblieben: ihre Freiheit. .Einige benützen diese Freiheit zur Hingabe an die Lust. Andere wenden sich zur Tugend des praktischen Lebens. Andere endlich verweilen, alles Irdische gering schätzend, betrachtend dort, wo ihr wahres Vaterland ist. Sie haben den besten Teil erwählt. Die höchste Stufe der Betrachtung ist die Ekstase. In der Ekstase findet die Seele sich selbst wieder; ja,. sie erhebt sich noch über sich empor. Und wenn der höchste Gipfel der Ekstase erstiegen wird, so reicht die Seele nicht etwa bloß an den die Weltseele überragenden göttlichen Verstand, sondern an den ersten, eigentlichen Ursprung, an das Einig-Eine selbst hinan.-Alles frühere Erkennen, auch das der Ideen, war nur Vorbereitung: dies ist Ziel, dies ist Seligkeit. - Freilich kann die Seele nicht immer hier verharren, solange
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Plotins Lehre ist in sich widerspruchsvoll
sie noch mit den Fesseln des Leibes belastet und an das Irdische gekettet ist. Nur in seltenen Augenblicken wird den besten, weisesten, göttlichsten Menschen die Vereinigung mit dem höchsten Gute zuteil und erst das Jenseits, wo jede körperliche Störung wegfällt, vermag in bleibender Weise sie zu geben."12 20. Ein Reichtum von Behauptungen liegt in der Lehre, aber der gänzliche Mangel an Beweisen macht sie unannehmbar. "In einem einheitlichen Stil ist der Bau künstlerisch ausgeführt; aber es ist kein System mit wissenschaftlicher Methode. Und nicht auf fester Grundlage erhebt er sich, sondern wie eine Fata morgana schwebt er in den Lüften. In jeder Hinsicht wird der Vernunft Unmögliches zugemutet. - Und das konnte ein Mann von der Bedeutung P 1 o t i n s für sichere Erkenntnis halten! - und das vermochten Hunderte und Tausende begabter Menschen als Überzeugung sich eigen zu machen! - ja auf ein solches System wollten sie wie auf ein unerschütterliches Fundament ihr ganzes Leben gründen! Das scheint unbegreiflich und ein unlösbares Rätsel. Doch die Geschichte bietet den Schlüssel zu vielem." Aus dem "Gesetz der vier Phasen" läßt sich der Mystizismus in seinen verschiedenen Gestalten verstehen. 13 "Die Skepsis kann den Menschen nie befriedigen; er hat einen Drang nach Wissen, und wo der Skeptizismus und die Verzweiflung an der Erkenntnis herrschend geworden sind, da sieht man ihn zu einem krankhaften Heißhunger sich steigern. Dieser, plötzlich hervorbrechend, führt nun zu einer Reaktion, die jedes Maß überschreitet. Unvermittelt, oder im Gefolge einer Gedankenverbindung, die keine vernünftige Vermittlung zu nennen ist, sieht man die kühnsten Behauptungen auftreten. Zu den unnahbarsten Höhen wähnt man sich erschwingen zu können; ja man glaubt, man habe sie erreicht, und füllt mit den willkürlichsten Annahmen die weiten Lücken der Erkenntnis aus." So war es zu der Zeit, in welche das Leben des P I o t i n fällt. Das von ihm begründete neuplatonische System war nur die großartigste Gestalt, in welcher das damalige Streben Ausdruck gewann.14
Die Schüler Plotins
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21. Die bedeutendsten SdJ.üler des PI o t in waren Am eI i u s und P o r p h y r i u s. A m e I i u s (Gentilianus, der Tusker) vertrat die von Plotin bekämpfte Annahme der Einheit aller Seelen in der Weltseele. P o r p h y r i u s, geh. ca. 232 n. Chr. zu Batanea in Syrien, erhielt seine Erziehung in Tyrus. Er war zuerst SdJ.üler des Longinus; später in Rom SdJ.üler und Anhänger des P I o t i n, dessen SdJ.riften er ordnete, erklärte und verteidigte. Von Wichtigkeit ist seine Schrift über die fünf Begriffe, d. h. die allgemeinsten Gesichtspunkte, unter denen alle Dinge erscheinen und gedacht werden. 22. Mit dem Schüler des P o r p h y r i u s, J a m b I ich u s aus Chalkis, beginnt der syrische Neuplatonismus. Die orientalische Richtung bricht völlig durch, die Absurditäten finden eine philosophische Verteidigung, der Polytheismus soll gerechtfertigt und befestigt werden. Alle Götter der GriedJ.en und Orientalen und die Götter des P I o t i n sowie neu erfundene finden eine Stelle (ausgenommen ist nur der Gott der Christen). KünstlidJ.e Neugliederungen fangen an, Mode zu werden. Zu den unmittelbaren Schülern des J a m b I i c h u s gehört T h e o d o r u s von Asine. Er entwarf ein noch ausgeführteres Triadensystem als Ja m b 1 ich u s. Zwischen das Urwesen und das PsychisdJ.e stellte er eine Dreiheit von Wesen, das Intelligible, Intellektuelle und Demiurgische. Zu seinen Schülern gehörte auch Kaiser Julian Apostata. Je toller die Philosophie wurde, desto toller wurde man in der Begeisterung für die Philosophen. Namentlich Ja m b I ich u s wurde vergöttert und seine Schüler glaubten an seine Wundertaten, er erhielt die Beinamen fJav,..&.o.o~, der Wunderbare, und {)sul-raro~, der Göttliche. 23. Mit P I u t a r c h (gest. 433 n. Chr.) beginnt der atheniensische Neuplatonismus; in dieser Schule ging man wieder mehr auf die griechischen Auffassungen zurück. Der Bedeutendste dieser SdJ.ule war Pro k 1 o s (410-485 n. Chr.); er wurde zu Konstantinopel von lykischen Eltern geboren, lehrte später in Athen. Seine Schriften sind hauptsächlidJ. Kommentare P I a t o n s. Er wollte die Gesamtmasse der Tradi-
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Der NeupJa.tonismus ist die letzte Verfallsphase
tionen in seinem System verarbeiten und in wissenschaftliche Form bringen. Die Methode der künstlichen Gliederung setzte er fort und führte sie zur Vollendung. Das Hervorgebrachte ist seiner Ursache ähnlich und unähnlich zugleich. Alles Wirkliche gliedert sich triadisch; je öfter sich der Prozeß vollzogen hat. um so geteilter und vollkommener ist das Resultat. Das Erste ist das Höchste, das Letzte das Niedrigste. Man könnte eine Parallele zwischen H e g e I und P r o k I o s ziehen; fast in allen angegebenen und noch in manchen anderen Zügen findet sich eine Entsprechung, doch kann darauf hier nicht näher eingegan.gen werden. Deutlich zeigen sich hier wie dort die Zeichen äußersten philosophischen Verfalls. 24. Der Neuplatonismus war nicht der Hochstand der Philosophie des Altertums, er war ihr Ende. Die konvulsivischen Bewegungen, die man für Zeichen starker Lebenskraft hielt, waren die Vorboten desselben. Der Ruhm, den gerade gewisse Philosophen der Verfallzeiten gewannen, sollte uns nicht beirren. Ein Vergleich der analogen Erscheinungen erleichtert uns ihre Einordnung in die Geschichte der Philosophie.15
Anmerkungen
Einleitung Die .Einleitung" zu Brentanos Kolleg über Geschichte der Philosophie liegt in drei Fassungen vor. Im Folg·enden wurde hauptsächlich die zweite und dritte verwendet; 1 etwas verändert, weil die Einleitung &ich auf die gesamte Geschichte der Philosophie bezog; der vorliegende Band umfaßt aber nur die von Brentano in seiner Vorlesung am ausführlichsten behandelte griechische Philosophie. 2) Im wissenschaftlichen Nachla.ß Brentanos finden sich mehrere mehr oder weniger ausgeführte Entwürfe zur Klassifikation der Wissensmaften. Sie sind in der von mir zusammengestellten Manuskripten-Liste in der Abteilung E. L. (Erkenntnistheorie, Logik) unter den Nummern 51, 52, 56, 57, 58, 59, 60 vermerkt. Da die vorliegenden Fassungen der .Einleitung" nur ganz kurz auf die Definitionen der Begriffe "Wissen und Wissenschaft" eingehen und diese Definitionen überdies später von Brentano etwas geändert wurden, sind hier die ungedrudüen Manus·kripte herangezogen worden, 6 nach Nr. 58 (vom 1. 12. 1907) mit geringfügigen Ausla-ssungen und Umstellungen. In der .Einleitung" finden sich für "Wissenschaft" folgende Definitionen: a) Eine Wissenschaft ist die Erkenntnis und Darstellung einer gewissen Gattung von intelligiblen Wahrheiten. b) Eine Wissenschaft ist die Erkenntnis und Darstellung der auf die Erforschung einer gewissen Gattung intelligibler Wahrheiten bezüglichen Erlebnisse der Menschen. 3 ) 7 nach Nr. 56 (zweiter Entwurf) mit einigen Auslassungen und kleinen Ergänzungen. 4 ) 9 nach Kastils auf Brentanos Klassifika.tionsentwürfen aufgebautem Vorlesungsmanuskript zur Geschichte der Philorophie, Einleitung, Kap. 1. 5 ) 10 ebenfalls nach Kastils Vorlesungsmanuskript, Einleitung, Kap. 1. 6) Arist. Met. Il, 1. 1 ) Im Originalmanuskript findet sich eine etwa.s abweichende Definition: .Im allgemeinsten Sinne handelt die Philosophie vom In1)
356 telligiblen. Damit etwas intelligibel sei, muß es entweder geistig oder durch Ab&traktion vergeistigt sein. Die Philosophie ist also jene Wissenschaft, die das Seiende zum Gegenstand hat, insofern es unter solche Begriffe fällt, die von der sensiblen und intelligiblen Materie abstrahiert sind." Diese Definition wurde nicht beibehalten, weil sie auf Irreales hinzudeuten scheint und da.her mißverständlich sein könnte. Nach Kant spricht man von intelligiblen Gegenständen, .sofern sie bloß durch den Verstand vorgestellt werden können und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann" (Prolegomena § 34). Die intelligible Welt wird häufig als Welt der Ideen im platonischen Sinne bezeichnet. Um, wie gesagt, nicht etwa ·die Meinung aufkommen zu lassen, Brentano wolle auf lrrealia oder realisierte Ideen hinweisen, wurde die hier angegebene Definition ersetzt durch jene, die in mehreren ungedrudüen Manuskripten aus dem Jahre 1914 enthalten ist (Hauptliste Metaphysik: M 2, 15. VI. 1914; M 3, 3. VII. 1914; M 4, 24. VI. 1914; M. 7, 3. VII. 1914). Brentano lehnte in der späteren und endgültigen Form seiner Lehre alles Irreale mit Entschiedenheit ab. Das Reale umfaßt nach ihm Gott und das Weltganze, also Physisches und Psychisches (Geistiges). Vgl. F. Mayer-Hillebrand .Franz Brentanos ursprüngliche und spätere Seinslehre und ihre Beziehungen zu Husserls Phänomenologie". Z. f. Phi!. Forschung XIII/2, 1959. Dort finden sich auch weitere Literaturangaben. 8) 16 wieder nach dem Originalmanuskript (2. Fassung). Der letzte Absatz ergänzt von der Herausgeberin. 9) Brentano beurteilte die Philosophie seiner Zeit sehr ungünstig, doch vertrat er die Hoffnung, daß in naher Zeit wieder ein Aufschwung eintreten werde. Vgl. Brentano .Die vier Phasen der Philosophie" (Phi!. Bibi. Bd. 195, Leipzig 1926). 10) Aristoteles, Met. II, 1. 11 ) Der Zweck und die Methode der Geschichte der Philosophie {17 bis 22) nach dem Originalmanuskript (2. und 3. Fassung) mit kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 12) Die unter Anführungszeichen gesetzte Stelle wörtlich zitiert aus .Die vier Phasen der Philosophie", S. 7-8. Auslassung durch zwei Gedankenstriche angedeutet (vgl. Anmerkung 9). 13) Ebenda S. 8-9. 14) Im Originalmanuskript schließt sich, so wie in .Die vier Phasen der Philosophie" eine kurze Darstellung der vier Phasen in den ein-
357 zeinen Hauptperioden an, was weggelassen wurde, weil hier nur die griechische Philosophie behandelt wird, während Brentanos .Einleitung", wie schon gesagt, zur Betracl!tung der gesamten Gesdüchte der Philosophie hinleiten sollte (vgl. Anmerkung 1). 15) Einige Schwierigkeiten bereiten der Einteilung die Sophisten mit ihrem immerhin weiten Einfluß erlangenden Skeptizismus. 18) Die Argumentation hinsichtlich der Abweichung von der opinio communis wurde gekürzt, weil sich manches wieder auf die Gesamtgeschichte bezieht, was hier störend wirken könnte. 17) Auch im Folgenden wurden einige Seiten gekürzt bzw. ausgelassen, weil sie sich entweder auf die Gesamtgeschichte oder auf Pläne und Bedürfnisse der Vorlesung beziehen. 18) Es folgt im Originalmanuskript die Darlegung und Erläuterung des sog. C o m t e sehen Gesetzes, nach welchem die Menschheit auf allen Gebieten des Denkens drei Phasen der Entwicklung durchschreitet: die theologische oder fiktive; die metaphysische oder abstrakte; die positive oder wissenschaftlid1e Phase. Für die induktiven Wissenschaften ist das Gesetz angenähert richtig, es läßt sich auch mit der "Vier-Phasen-Theorie" in Einklang bringen. Brentano gelangte aber zu dem Ergebnis, daß die Einführung des Comteschen Gesetzes in die Betrachtung der Geschichte der Philosophie eher störend als fördernd wirkt, es wird daher nicht davon Gebrauch gemacht. Aus diesem Grunde wurde die Erörterung darüber ausgelassen. 19) Arist. De Coelo I, I 0. 20) Die Literaturangaben wurden ergänzt durch Hinweise aus den Vorlesungen Kastils und aus Ueberweg-Heinze: .Grundriß der Gesdlichte der Philosophie" I (9. Auf!., Berlin 1903), auf welches Werk Brentano sich wiederholt bezog. Die Angaben bleiben beschränkt auf die zu Lebzeiten Brentanos erschienene Literatur.
Erster Hauptteil Die a.ufsteigende Periode der griechischen Philosophie Einleitende Bemerkungen Die allgerneinen Bemerkungen über die Staatenbildung (1-.3) wurden stark gekürzt. 2) Das Geburtsjahr des Aristippos wurde nach Ueberweg: "Grundriß der Geschichte der Philosophie" I eingefügt. 3) Unverkennbar ist der Einfluß des Eleaten Parrnenides auf Ernpedokles, bes. in Hinsicht auf die Mehrheit der Elemente. Vgl. Il. Abschnitt, 2. Kap. 20. 4 ) Die Einteilung der aufsteigenden Periode (4-8) nach dem Originalmanuskript 1)
I. Abschnitt Die ionischen
N~L~;:;philosophen
Die ionische Naturphilosophie wird, wie schon in den einleitenden Bemerkungen erwähnt, von Brentano als Ganzes behandelt, wenn auch dadurch die chronologische Reihenfolge nicht durchwegs gewahrt bleibt. Aus diesem Grunde pflegt man die Eleaten und Pythagoreer dazwischenzuschieben, doch zerreißt dies die Einheitlichkeit der ionischen Schule. 2) Kodros, lat. Codrus, nach der griechischen Sa-ge der letzte König von Athen, der durch freiwilligen Tod sein Vaterland rettete. 3 ) 1 ist einerseits etwas gekürzt, andererseits wurden die zum Teil nur skizzierten Andeutungen aus dem auf Brentanos Vorlesungen zurückgehenden Kolleg Kastils ergänzt. 4 ) Nach Ueberwegs "Grundriß der Geschichte der Philosophie" I um 624 v. Chr. 5 ) Arist. Met. I, .3. 8 ) Arist. De Coelo Il, 1.3. 7 ) Arist. De An. I, 2. 8) Ebenda I, 5 u. I, 2. 1)
359 Es folgen im Manuskript zwei fast unleserliche, übrigens durchgestrichene, also wohl aufgegebene Seiten, die hier nicht berücksichtigt wurden. 10) D. h. substantiell oder seiend im vollsten Sinne des Wortes. 11 ) Beide Zitate aus Aristoteles, Met. I, 3. Das erste in der Übersetzung von Brentano, das zweite in der von Bonitz. 12) Ebenda. I, 3 (Übersetzung von Bonitz). 13) Ebenda. (Übersetzung von Brentano). 14 ) Ebenda. (Übersetzung von Brentano). 15) Die Ausführungen über Thales (1-10) nach dem Origina.lmanuskript, an manchen Stellen, an denen die Gedanken nur liehr kurz, zuweilen nur in Schlagworten, angegeben sind, ergänzt nach dem Kolleg Kastils. 16 ) Theophrast, bei Simplicius, Phys. Fol. 6 b. 17 ) Diels, An'aximander B, Fr. ( = Fragment) I. Simplicius, Phys. 24, 13 f. (Theophrast, Phys. Dox. Fr. 2. D. 476). 18 ) Hier, wie im Folgenden, wird, wenn nicht eigens anders vermerkt, Brentanos Übersetzung gebracht. Doch wird übera.Jl, mit Angabe der Fragmente, auf die bekannten Übersetzungen von Diels und Nestle hingewiesen. Diels, Heraklit B, Fr. 76, Nestle Fr. 56. (Bei Diels ist jedes Kapitel unterteilt in einen Abschnitt A (Leben und Lehre) und B (wörtlich zitierte Fragmente). Nach der von W. Kranz herausgegebenen 8. Auflage. 19 ) Diels, Heraklit B, Fr. 60. Nestle Fr. 55. 20) Diels, Heraklit B, Fr. 30. Nestle Fr. 50. 21 ) Diels, Heraklit B, Fr. 31. Nestle Fr. 57. 22 ) Diels, Heraklit B, Fr. 94. Nestle Fr. 82. 23 ) Diels, Heraklit B, Fr. 80. Nestle Fr. 61 (übersetzg. von Nestle). 24) Arist. Phys. III, 4. 25 ) Ebenda. 26) Die Ausführungen über Ana,ximander (ll-23) nach dem Originalmanuskript mit geringfügigen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 27 ) Diels, Anaximenes B, Fr. 2. Nestle Fr. 2. 28) Die Ausf-ührungen über Anaximenes (24-29) nach dem Originalmanuskript mit geringfügigen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 29 ) Es ist dies nach Aristoteles das Temperament des Philosophen. Auch Platon war Melancholiker. 30) Diels, Heraklit B, Fr. 9. Nestle Fr. 110. 31 ) Diels, Heraklit B, Fr. 97. Nestle Fr. 111 (Übersetzg. von Nestle). 9)
360 Diels, Heraklit B, Fr. 121. Nestle Fr. 118 (Übersetzg. v. Nestle). Da die Stelle der Schrift !Lei tpvaeroq des Heraklit entnommen ist, kann diese nicht vor 478 verfaßt sein. Denn die Verbannung des Hermodoros setzt voraus, daß die Epheser damals bereits die Perserherrschaft abgeschüttelt und die Demokratie wiederhergestellt hatten. 33 ) Diels, Heraklit B, Fr. 40, Nestle Fr. 19 (Übersetzg. von Nestle). 34 ) Diels, Heraklit B, Fr. 42. Nestle Fr. 25. 35 ) D~els, Heraklit B, Fr. 90. Nestle Fr. 54. 38 ) Diels, Heraklit B, Fr. 30. Nestle Fr. 50. 37 ) Diels, Heraklit B, Fr. 88. Nestle Fr. 71 (Übersetzg. von Nestle). 36 ) Diels, Heraklit B, Fr. 49a. Nestle Fr. 94. 39 ) Diels, Heraklit B, Fr. 91. Nestle Fr. 58 u. 93. 40 ) Diels, Heraklit B, Fr. 125. Nestle Fr. 59. 41 ) Diels, Heraklit B, Fr. 31. Nestle Fr. 57. 42 ) Diels, Heraklit B, Fr. 60. Nestle Fr. 55. 43 ) Diels, Heraklit B, Fr. 53. Nestle Fr. 60. 44 ) Diels, Heraklit B, Fr. 80. Nestle Fr. 61. 45 ) Diels, Heraklit B, Fr. 10. Nestle Fr. 63. 46 ) Diels, Heraklit B, Fr. II!. Nestle Fr. 67. 47 ) Diels, Heraklit B, Fr. 54. Nestle Fr. 65. 46 ) Diels, Heraklit B, Fr. 67. Nestle Fr. 76 (Übersetzg. von Nestle). 49 ) Diels, Heraklit B, Fr. 54. Nestle Fr. 65 (vgl. Anmerkung 47). 50 ) Diels, Heraklit B, Fr. 102. Nestle Fr. 77. 5 1 ) Diels, Heraklit B, Fr. 82, 83. Nestle Fr. 91, 92. 5 2 ) Diels, Heraklit B, Fr. 16. Nestle 78. 53 ) Diels, Heraklit B, Fr. 30. Nestle 50. 54 ) Diels, Heraklit B, Fr. 31. Nestle 57. 5 5 ) Diels, Heraklit B, Fr. 27. Nestle 103. 5 6 ) Diels, Heraklit B, Fr. 24, 25. Nestle 114, 115. 57 ) Diels, Heraklit B, Fr. 62. Nestle 72 (Übersetzung von Nestle). 56 ) Diels, Heraklit B, Fr. 117. Nestle 99. 59 ) Diels, Heraklit B, Fr. 118. Nestle 98. so) Diels, Heraklit B, Fr. 96. Nestle 104. 61) Arist. De Anim. I. 2. 6 2) Diels, Heraklit B, Fr. 89. Nestle II. 6 3 ) Diels, Heraklit B, Fr. 49. Nestle 116. 64) Diels, Heraklit B, Fr. 2. Nestle 3. 85 ) Diels, Heraklit B, Fr. 114. Nestle 49. 66 ) Diels, Heraklit B, Fr. 101. Nestle 18. 87 ) Diels, Heraklit B, Fr. 79. Nesde 89. 66 ) Diels, Heraklit B, Fr. 45. Nestle 97 (Übersetzung von Nestle). 32 )
361 Diels, Heraklit B, Fr. 28, 46. Nestle, 43, 40. Diels, Heraklit B, Fr. 107. Nestle 38. 71 ) Diels, Heraklit B, Fr. 110, 111. Nestle 67, 108. 72 ) Diels, Heraklit B, Fr. 43. Nestle 107. 73) Diels, Heraklit B, Fr. 112. Nestle 15. 74 ) Diels, Heraklit B, Fr. 119. Nestle 105. 75 ) Diels, Heraklit B, Fr. 44. Nestle 120. 76 ) Diels, Heraklit B, Fr. 33. Nestle 119. 77) Die im Manuskript folgende .übersieht" über die Lehre des Heraklit wird hier als Anmerkung gebracht. Übersicht 1. Feuerball. 2. Erlöschen und Entzünden. 3. Kein Vergehen. Alles besteht aus Feuer. 4. Dies zeigt sich in stetem Fluß an allem. 5. Gang der Entwicklung. Der Weg nach oben - nach unten. 6. Kampf der Gegensätze. 7. Das Feuer Streit. 8. Wandlung in Frieden. 9. Harmonie und Ordnung in der Welt. 10. Das Feuer Gott. 11. Es erklärt die Ordnung. 12. Wiederholung der Weltentwicklung in gleicher Ordnung. 13. Die Seele Feuer. 14. Unsterblichkeit. Jenseitiger Lohn und Strafe. 15. Rückkehr. 16. Trunkenheit und andere Erscheinungen erklärt. 17. Erkenntnislehre. 78) Arist. Met. I, 4. 7 9 ) Platon, Theätet (Phi!. Bibi. Bd. 82, Kap. 27). 80) Die Ausführungen über Heraklit (30-37) nach dem Originalmanuskript mit geringfügigen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 81) Vgl. Anmerkung 29. 82) Diels, Empedokles B, Fr. 112. Nestle Fr. 54. 83) Der Absatz über einen analogen Schritt in der Volksreligion, der vom Fetisdrismus über den Polytheismus zum Theismus geführt habe, wurde ausgelassen, ebenso etwas später die Beziehung zu Hege!. 84 ) Arist. Met. I, 4. 85) Aristoteles beschäftigt sich eingehender mit der Lehre des Empedokles Met. III, 4. 88 ) Diels, Empedokles B, Fr. 109. Nestle Fr. 48. 60) 70)
362 Diels, Empedokles B, Fr. 103. Nestle Fr. 52. Die Ausführungen über Empedokles (38-44) nam dem Originalmanuskript mit einigen kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 89 ) Aristoteles spridlt Met. I, 2 davon als von einer unbestimmten Sage. 90) Diels, Anaxagoras B, Fr. 17, Nestle Fr. 2. 91 ) Diels, Anaxagoras B, Fr. 12. Nestle Fr. 14. 92 ) Ebenda,. 93) Ebenda. 94 ) Ebenda. 95) Ebenda. 98 ) Ebenda. 97) Diels, Anaxagoras B, Fr. I. Nestle Fr. I. 98) Ebenda. 99 ) Hier wurden die zum Teil unleserlidlen Bemerkungen am Rande ausgelassen. 100) Arist. Met. I, 3. 101 ) Die Ausführungen über Anaxagoras (45-49) nadt dem Originalmanuskript mit einigen kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. Mehrere längere griemisme Zitate wurden ausgelassen und an ihrer Stelle nur die deutsdlen Übersetzungen Brentanos gebracht. Es sei zum Smlusse hier noch die sdlöne Ode angeführt, in der Brentano Anaxagoras feiert: 87 ) 88 )
An Anaxagoras Heil! dessen Weisheit Weise als Toren zeigt, Wenn über Thales strahlenverklärter Flut Hellblickend aufsmwebt, Traum und Smatten Smeudlend, des goldenen Tages Wimper. Nimt Wein, des Nektars Fülle berausmte Dirn, Wenn Du nimt Heimat kanntest noch Mutterhaus. Als Vaterland rühmst hohen Himmel, Pfade Dir wählest, die Sterne wandeln. Dort irrt das Blendwerk sinnlidlen Glanzes nimt. Was flimmernd smifft durdl luftiger Meere Reich, Nennst glühend Stein Du, fa.hle Smolle, Nimmer gebeugt die erhab'nen Knie.
363 Kein Tempelweihrauch trübt den umwölkten Blid:. Ein Geist - Du schaust ihn, lähmender Mischung frei Sprach, was da ist, rief, was da kommet; Kündest der Welt ihn mit sel'ger Zunge. Ein Werk allein war würdig des Herrlichen, Aus ewigem Ratschlusse flutet Unendlichkeit; Weit, weiter strebt ins Formenlose Kraft und Gesetz und Gehalt und Seele. In Dir der Gottheit Bild Dir entschleiernd, staunst Du hier des Zwielichts schattenvermähltem Schein. Trug ist im Sinn, im Denken Wahrheit. Sei sie der taumelnden Rosse Zügel! Staub zieht's zum Staub hin, Geist zu des Geistes Höh'n. Dess' Kraft im Südsturm lenkt der Athener Kiel, Wie, spät, Eugen aufblid:t zu Leibniz, Huldiget Perikles Dir, dem Weisen. Da schäumt der Haß auf, nützet der Stunde Macht. Zum Kerker schmachvoll schleppet der Schergen Faust. Du folgst in Gleichmut, noch in düst'rer Haft zu erspüren des Lichtes Quellen. Zum Maß der Wahrheit führst Du Thalias Schein. Da rauscht der Beifall, löset der Fessel Drud:. Doch nun, den Staub von Füßen schüttelnd, Weichest der Stadt Du, wo Freie knechten. Und jubelnd nimmt Dich Lampsakus' Busen auf. Zum Schlummer dort bald neigt sich das müde Haupt. Und edlem Tod zu hehrster Feier, Steigen Altäre, .dem Geist", .der Wahrheit". Diels, Demokritos B, Fr. 156. Nestle Fr. 5, 17. '"") Arist. Met. 1, 4. 104 ) Diels, Demokritos B, Fr. 125. Nestle Fr. 20. (Übersetzung von Diels). 105 ) Diels, Demokritos B, Fr. 164. Nestle 8. 100 ) Arist. Phys. VIII, 1. 102)
364
Die Ausführungen über die Atomisten (49-58) nadi dem Originalmanuskript mit einigen kleinen Änderungen und Ergänzungen nadi dem Kolleg Kastils. 107 )
II. Abschnitt Die Eleaten Diels, Xenophanes B, Fr. 11. Nestle 8. Diels, Xenophanes B, Fr. 14-16 Nestle 10-12. 3 ) Diels, Xenophanes B, Fr. 23. Nestle 17. 4 ) Diels, Xenophanes B, Fr. 24. Nestle 18. 5 ) Diels, Xenophanes B, Fr. 26. Nestle 19. 8) Diels, Xenophanes B, Fr. 25. Nestle 20. 7) Arist. Met. I, 5. 8 ) Bei Simplicius, Phys. 22. 9 ) Die Ausführungen über Xenophanes (1-5) nadi dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. Die Zitate sind im Originalmanuskript nur griediisch angegeben; es wurden die Übersetzungen von Nestle hinzugefügt, zuweilen diese allein gebradit. 10) Diels, Parmenides B, Fr. I. Nestle Fr. 1. 11 ) Diels, Parmenides B, Fr. 2. (in früheren Auflagen Fr. 4). Nestle Fr. 2. 12) Diels, Parmenides B, Fr. 6.-8. Nestle Fr. 6, 7. 13) Diels, Parmenides B, Fr. 3. Nestle Fr. 5. 14 ) Diels, Parmenides B, Fr. 8. Nestle Fr. 7. 15) Anmerkung Brentanos: Dies gilt, wie sdion Zeller bemerkt, audi zeitlidi. 18) Diels, Parmenides B, Fr. 8. Nestle Fr. 7. 17) Ebenda:. 18 ) Ebenda. 19 ) Ebenda. 20 ) Arist. Met. I, 3. 21 ) Ebenda. 22) H. Bonitz, Aristoteles- und Platonforsdier. Ausgabe der .Metaphysica" des Aristoteles; .Piatonisdie Studien", .Aristotelisdie Studien". 23 ) Arist. Met. I, 4. 24) Plutarch, Plat. II, 16, 3. 25) Diels, Anaxagoras B, Fr. 12. Nestle Fr. 14. 1)
2)
365 28) Arist. Met. XII, 7; XIV, 3. 27) Die Ausführungen über Parmenides (6-21) nach dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. Im Sinne der späteren Lehre Brentanos, nach der Sein und Nichtsein bloß synsemantische Ausdrücke, keine echten Begriffe sind, wäre es wohl besser, statt .Lehre vom Sein" .Lehre vom Seienden", statt .Lehre vom Schein" .Lehre vom nur scheinbar Seienden" zu setzen. Brentano spricht ja auch durchwegs nur vom .Seienden" und .Nidltseienden", nicht von "Sein" und .Nichtsein". 28) Aristoteles beschäftigt sich Phys. VI. 2 mit den Argumenten des Zenon gegen die Bewegung. 29 ) Bei Symplicius zu Aristoteles' Phys. fol. 30. ao) Arist. Phys. IV, 3. 31) Arist. Phys. VII, 5. 82) Die Ausführungen über Zenon (22-28) nach dem Originalmanuskript; die bei Brentano nur angedeuteten Argumente ergänzt nach dem Kolleg Kastils. 33) Diels, Melissos B, Fr. 2. Nestle Fr. 2. 34) Arist. Met. I, 5. 35 ) Ebenda. 38) Die Ausführungen über Melissos (29-30) und der kurze Rückblick (31) auf die eleatische Schule nach dem Originalmanuskript Im Kolleg Kastils ist Melissos nicht erwähnt.
111. Abschnitt Die Sophisten Vom Anfang der Darstellung der Lehre des Protagaras (4) gibt es zwei Fassungen, es wurde die erste verwendet. 2 ) Diels, Protagaras B, Fr. I. Nestle Fr. I. 3 ) Diels, Heraklit B, Fr. 89. Nestle Fr. 11. (Vgl. Anmerk. 62, Abschnitt 1.) ') Diels, Heraklit B, Fr. 2. Nestle Fr. 3. (Vgl. Anmerk. 64, Abschnitt 1.) 5 ) Arist. Met. 111, 2. 8 ) Die Abhandlung ·des Gorgias über das Nichtsein wurde von DiebKranz nicht übersetzt. Nestle Fr. 3. 7) Nestle Fr. 3. 8 ) Ebenda. 1)
366 Die Ausführungen über die Sophisten (1-15) nach dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 0)
IV. Abschnitt Sokrates Platon, Phädon, Kap. 46. 2) Ebenda, Kap. 1. 3) Ober die letzten Gespräche und den Tod des Sokrates. s. Platon, Phädon. 4 ) Xenoph. Memor. I, 4; IV, 3. 5) Arist. Met. I, 6. 8 ) Arist. Met. XIII, 4; Met. I, 6. 7 ) Die Ausführungen über Sokrates (1-14) nach dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen der Herausgeberin (im Anschluß an Ueberwegs .Grundriß der Geschichte der Philosophie" 1). 1)
V. Abschnitt Die unvollkommenen Sokratiker Arist. Met. V, 29. Die Ausführungen über die unvollkommenen Sokratiker (1-12) nach dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen der Herausgeberin (im Anschluß an Ueberwegs .Grundriß der Geschichte der Philosophie" 1). 1)
2)
VI. Abschnitt Die Pythagoreer Arist. Met. I. 5. Die Fragmente .der Schriften des Philol gewidmet ist. 178) Vgl. 76 (S. 275) und Anmerkg. 122. 177) Die unter Anführungszeichen gesetzte Stelle stammt aus Brentano: .Aristoteles und seine Weltanschauung" S. 1.'16 f. Der Originaltext der im vorliegenden Bande enthaltenen Vorlesung über die Geschichte der griechischen Philosophie schließt sich noch Brentanos früherer, in der .Psychologie des Aristoteles" (S. 197 ff.) und in .über den Creatianismus des Aristoteles" (1882) vertretenen Interpreta-tion über die Entstehung des Menschen an. In den eben erwähnten Schriften entwickelte Brentano die Ansicht, daß nach Aristoteles der geistige Teil der menschlichen Seele jeweils, wenn der Körper die notwendigen Vorbedingungen erreicht hat, durch einen Schöpfungsakt aus nichts hervorgebracht wird. Die Auffassung hat in .Aristoteles und seine Weltanschauung" und in .Aristoteles' Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes" (Anmerkg. I) eine Korrektur erfahren, wie Brentano selbst in der Anmerkung S. 1.'17 in .Aristtoteles und seine Weltanschauung" mit a.ller Klarheit hervorhebt. Nicht um eine Schöpfung des geistigen Teiles der menschlichen Seele soll es sich handeln, sondern vielmehr um ein Mitwirken der Gottheit zur Entstehung des einheitlichen, geistig-leiblichen Menschen. Hier wird die spätere Interpretation gebracht, die der Auffassung in Theophrastts Fragment (aus dem 5. Buch der Physik bei Themistius zu De Anim. Ill. 5) folgt. Herangezogen wurden auch Brentanos unpublizierte Abhandlungen über Theophrast (Hauptliste A. 100-103). 178) Arist. De Anim. I II. 3 und III. 7. 187)
188)
380
Die Psychologie des Aristoteles (92-106) wurde im wesentlimen nach dem Originalmanuskript gebradlt. Auf einige Ergänzungen bzw. Abänderungen im Anschluß an die spätere, endgültige Auffassung Brentanos, wie sie in seinen Büchern .Aristoteles' Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes" und .Aristoteles und seine Weltanschauung" dargelegt wurde, ist bereits hingewiesen worden. 180) Arist. Eth. Nie. I. 7 (Die Kapiteleinteilung ist in verschiedenen Ausgaben etwas verschieden). 181) Arist. Eth. Nie. I. 8. 182) Arist. Eth. Nie. II. 1. 183) Arist. Eth. Nie. II. 6. 18t) Arist. Eth. Nie. V. 185) Arist. Eth. Nie. VIII. 12. 186 ) Ebenda. 187) Arist. Politik. I. 3-7. 188) Arist. Eth. Nie. IX. 4. 189) Arist. Eth. Nie. IX. 8. 190) Die Ethik (107-111) nach dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus der .Nikomachischen Ethik" (Buch VIII u. IX) und der .Politik" (Buch I) sowie a:us dem Kolleg Kastils. 191) Arist. Politik I. 2. 192) Ebenda (Die Kapiteleinteilung ist auch hier etwas verschieden). 193 ) Arist. Politik V. 19C) Arist. Politik 111. 7. 105) • Wenn das Volk den Staat zum gemeinen Besten verwaltet, so gebraucht man dafür die allen Staatsverfassungen gemeinsame Bezeichnung Politie" (Politik III. 7). 196) Aristoteles unterscheidet sich dadurch, daß er die Staatsform den jeweiligen Verhältnissen angepaßt wissen will, von Platon, der die absolut beste Staatsform sucht. 197) In Buch VI und VII der Politik werden die {relativ) besten Verfassungen und ihre Einrichtungen besprochen, in Buch VIII ihre Entartungen und die Mittel, diesen entgegenzutreten. Die Politik des Aristoteles {112-114) nach dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus der .Politik" selbst sowie aus dem Kolleg Kastils. 108) 115 von der Herausgeberin eingefügt. 199 ) 116 nadl dem Originalmanuskript (mit e1mgen Ergänzungen). Die sich anschließenden Aussprüche über die Bedeutung des Aristoteles von Cuvier, G. St. Hilaire und anderen wurden weggelassen. 179)
Zweiter Hauptteil Die absteigende Periode der griedlisd1en Philosophie Einleitende Bemerkungen Brentano hat die absteigende Periode nidlt so eingehend wie die aufsteigende behandelt, was seinem Grundsatz entspridlt, daß den Vorstellungen des .Liebwürdigeren" (Besseren, Edleren) ein höherer Wert zukomme. Vgl. Brentano: "Grundzüge der Ästhetik" (Frand!:e Verlag, Bern 1959) S. 160 ff. 2 ) 1 nam dem Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils. 3) 2 aus Brentano: .Die vier Phasen der Philosophie" (Phil. Bibi. Bd. 195, Leipzig 1926) S. 11 ff. 1)
I. Abschnitt Die Popularphilosophie Diogenes Laertius (lleei {Jtw", "oyp;arw11 xai &norp6syp;arw11 rw11 b rptÄ.ooorplff si'J!loxtp;qoaraw) VII. 176. 2) Ebenda VII. 180. 8 ) über Panätios sind wir hauptsämlim durm Gicero unterrimtet, dessen Bümern .De Officiis" des Panätios Smrift llsei rov xa6.]xwr~ zugrunde liegen soll. ') Strabon 111. 147 (Vgl. I. Haupt-Absdln. VIII, Anmerkg. 7). 5 ) Von den ethismen Smriften des Seneca sind die meisten erhalten. 8) Die Selbstbetramtungen des Marcus Aurelius sind uns erhalten geblieben und vielfa-ch aum in moderne Spramen übersetzt worden. 7) Außer den erhaltenen Originalsmriften ist für die stoisme Philosophie besonders die Darstellung des Diogenes Laertius (Bum VII) aufsmlußreim. 1-11 nam Brentanos Originalmanuskript mit kleinen Ergänzungen aus dem Kolleg Kastils und Ueberwegs .Gesmimte der Philosophie" I. 8) Ober die epikureisme Smule berimtet hauptsämlim Diogenes Laertius (Bum X). Weiter aum Sextus Empiricus und Cicero. 1)
382 Nach Cicero De Fin. I. Diogenes Laertius X. Für die Physik Epikurs sind von großer Wichtigkeit seine beiden bei Diogenes Laertius X erhaltenen Briefe: an Herodot (IlB']i w1v