Gerhard Mercator als Theologe [1 ed.] 9783428541096, 9783428141098

Das Verhältnis von Religion und Naturwissenschaft in der Frühen Neuzeit ist komplex. Religiöse Prägungen und Interessen

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Gerhard Mercator als Theologe [1 ed.]
 9783428541096, 9783428141098

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Gerhard Mercator als Theologe

Von

Marcel Nieden

A Duncker & Humblot · Berlin

MARCEL NIEDEN Gerhard Mercator als Theologe

Lectiones Inaugurales Band 9

Gerhard Mercator als Theologe

Von

Marcel Nieden

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Printed in Germany ISSN 2194-3257 ISBN 978-3-428-14109-8 (Print) ISBN 978-3-428-54109-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84109-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ∞



Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Antrittsvorlesungen bieten Gelegenheit, einem breiteren Publikum Einblick in die eigenen Forschungen zu gewähren. Zeit und Ort legten es in meinem Fall nahe, das Arbeitsfeld der frühneuzeitlichen Christentumsgeschichte am Beispiel Gerhard Mercators vorzustellen. Zum einen fiel der Termin der Antrittsvorlesung, der 18. Juli 2012, in das Jahr des 500. Geburtstages Gerhard Mercators. Zum anderen markierte die Vorlesung gleichsam den offiziellen Dienstbeginn an einer Universität, die sich dem gelehrten Kartographen von ihrer Gründungsgeschichte her in besonderer Weise verbunden weiß. Am 1. Januar 2003 hatten sich die Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und die Universität-Gesamthochschule Essen zur Universität Duisburg-Essen zusammengeschlossen. Wenngleich der Name aus dem Titel der neuen Universität weichen musste, so blieb Mercator für sie doch eine identitätsstiftende Größe und zudem ein nicht unerheblicher Gegenstand der Forschung, die, wie in der Geschichtswissenschaft häufig, durch Jubiläen wesentliche Impulse erhielt. Mit den Mercator-Symposien der Jahre 1992, 1993 und 1994 im Zusammenhang des 400. Todestages hatte die Duisburger Mercatorbefassung einen Höhepunkt erreicht. Anlässlich des 500. Geburtstags war es dann der Universitätsund Stiftungsstandort Essen, an dem sich die internationale Mercatorforschung zu einer Tagung über 5

„Wissenschaft und Wissenstransfer“ versammelte. Als ein Beitrag zur Essener Bestandsaufnahme ist auch die nachfolgende Antrittsvorlesung zu verstehen. Der Text der Vorlesung wurde zum Druck an einigen Stellen überarbeitet und vor allem um Fußnoten ergänzt. Meiner Assistentin, Frau Stephanie Scholz, M.Ed., und Herrn Pfarrer Wolfgang Huber, Marburg, danke ich für die kritisch-akkurate Gegenlektüre. Zu danken habe ich ferner dem Prorektor für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Wissenstransfer, Herrn Prof. Dr. Jörg Schröder, und dem Direktor des Science Support Centre, Herrn Dr. Oliver LockerGrütjen, die vonseiten der Universität Duisburg-Essen großzügig einen Druckkostenzuschuss gewährten. Nicht zuletzt gilt mein herzlicher Dank Herrn Verleger Dr. Florian R. Simon für die Aufnahme der Vorlesung in die Reihe der „Lectiones Inaugurales“. Essen, im Mai 2014

Marcel Nieden

Inhalt 1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Bildungswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Verdacht und Intrige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. „Die kosmographischen Betrachtungen über die Entstehung der Welt“ (posthum 1595) . . . . . . . . . .

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5. Kommentar zum Römerbrief, Kapitel 1–11 (ca. 1585–1590) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Privatkorrespondenz (1576/1591) . . . . . . . . . . . . . .

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7. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Fragestellung Gerhard Mercator – Kartograph, Geograph, Theologe, Philosoph, Mathematiker, Kosmograph. Besieht man das Ganzstück der Deutschen Post zum Jubiläumsjahr 2012, so erscheint unter den Qualifikationen unseres Jubilars wie selbstverständlich auch diejenige des Theologen. Solche Kompetenzzuweisung verdankt sich schwerlich nur einer aus absatzsteigernden Erwägungen heraus eigenmächtig vorgenommenen Bedeutungserweiterung des großen Duisburger Gelehrten durch die postbeauftragten Designer, sondern folgt vielmehr einem gängigen Sprachgebrauch der Forschung. Neuere und neueste Arbeiten sprechen wie selbstverständlich von Mercator als einem „Theologen“1. Eher eine Ausnahme blieb die Stimme der 1 Stellvertretend sei auf folgende Arbeiten verwiesen: Büttner, Manfred: Mercators Hauptwerk, der Atlas, aus theologischer und wissenschaftshistorischer Sicht. Zum Verhältnis Gott, Mensch und Natur im Hauptwerk Mercators sowie zum Thema Gleichwertigkeit der Geschlechter, in: ders./Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Duisburger Mercator-Studien, Band 1, Bochum 1993, S. 7 („Laientheologe“); 16; 24, Anm. 34; Krücken, Friedrich Wilhelm: Gerhard Mercator – ein Erklärer der Welt. Kartograf, Theologe, Lehrer und Genie, in: Duisburger Jahrbuch 2012, S. 81–89; Leys, Kathleen: Erasmus en Mercator. Exponenten van hun tijd, in: Miscellanea Jean-Pierre Vanden Branden. Erasmus ab Anderlaco, Archives et Bibliothèques de Belgique, Numéro spécial 49, Bruxelles

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beiden Herausgeber des dritten Bandes der Duisburger Mercator-Studien, Hans H. Blotevogel und Rienk Vermij, die in ihrer Einleitung vorsichtig die Ansicht äußerten, dass Mercator doch im eigentlichen und ausschließlichen Sinne „Kartograph“ und nicht Philosoph oder Theologe gewesen sei.2

1995, S. 220; 248 („niet-professionele, theoloog en exegeet“); Watelet, Marcel: Mercator l’humaniste, in: ders. (Hg.): Gérard Mercator cosmographe, [Anvers] 1994, S. 19. 2 Blotevogel, Hans H./Vermij, Rienk: Einleitung: Wer war Gerhard Mercator?, in: dies. (Hg.): Gerhard Mercator und die geistigen Strömungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Duisburger Mercator-Studien, Band 3, Bochum 1995, S. 14: „Insofern wäre es falsch, Mercator als Theologen oder Philosophen oder gar als Universal,gelehrten‘ zu charakterisieren. Auch seine Zeitgenossen sahen ihn nicht so, und er selbst hat über religiöse und philosophische Fragen wohl vornehmlich als Kosmograph und mathematicus geschrieben. Die traditionelle Auffassung von Mercator als Kartograph erweist sich hingegen als gar nicht so unhistorisch, wie sie auf den ersten Blick bei einer Mitberücksichtigung seiner theologischen und anderen Schriften erscheint.“ Die Charakterisierung Mercators als „Theologen“ findet sich freilich schon in dem (undatierten) Brief des Juristen Jakob Sinstedius (ca. 1530–ca. 1600, wohl aus Sinstetten bei Köln; vgl. Hartmann, Alfred/Jenny, Beat Rudolf (Hg.): Die Amerbachkorrespondenz, Bd. 9: Die Briefe aus den Jahren 1553–1555, 1. Halbband: 1553–30. Juni 1554, Basel 1982, Nr. 3759, S. 307, Anm. 2) an den Mediziner Reinhard Solenander (1524/5–1601), der in die von Mercators jüngstem Sohn Rumold (1543/48–1599) besorgte Ausgabe des „Atlas“ (1595) aufgenommen wurde; siehe Mercator, Gerhard: Atlas sive cosmographicae meditationes de fabrica mundi et fabricati figura, Düsseldorf 1595, fol. [y 4]v: „In vltimis duobus capitibus [Mercator, M. N.] verum Theologum agit de originis peccato disputans; atqui non singulis theologis per omnia satisfaciet.“ 10

Mercator, der nie an einer theologischen Fakultät studiert und auch nie als Geistlicher gewirkt hatte, beschäftigte sich in der Tat intensiv mit religiösen Fragen, gerade auch literarisch.3 Besieht man sein literarisches Schaffen, was die Qualifikation als „Theologe“ rechtfertigen könnte, so kommt man allerdings kaum um die Feststellung herum, dass sein eigentlich theologisches Œuvre vom Umfang her eher als schmal zu bezeichnen ist. Folgende Werke sind einschlägig: 1. Eine Evangelienharmonie, in der Mercator versucht, die Jesus-Erzählungen der vier Evangelien chronologisch zu ordnen. Sie erschien erstmals 1592,4 ba3 Eine religiöse Motivierung des mercatorschen Denkens betonte vor allem der Duisburger Stadtarchivar und Mercator-Biograph Heinrich Averdunk; siehe Averdunk, Heinrich/Müller-Reinhard, J[osef]: Gerhard Mercator und die Geographen unter seinen Nachkommen, Ergänzungsheft Nr. 182 zu „Petermanns Mitteilungen“, Gotha 1914, Neudruck Amsterdam 1969, S. 4 f.: „Zwar in der Tiefe seines Herzens blieben es religiöse Fragen und theologische Probleme, die ihn bewegten: der die letzten dreißig Jahre des Lebens hindurch verfolgte Plan der ,Kosmographie‘, die als ein Hauptstück die Schöpfung der Welt und ihr Verhältnis zu Gott behandelt, beweist es; aber er suchte sich einen andern Beruf, der ihn nicht nötigte, die ihn bewegenden Gedanken zu offenbaren (hier liegt der Ursprung seines verschlossenen Wesens), und zugleich eine Tätigkeit, durch die er den Lebensunterhalt sich selber erwerben könnte.“ 4 Mercator, Gerhard: Evangelicae historiae quadripartita monas, sive harmonia quatuor evangelistarum, [Köln] [1592]; vgl. van Ortroy, Fernand: Bibliographie de l’œuvre mercatorienne, Paris 1918–1920, Neudruck Amsterdam 1978, S. 41. Versuch einer Einordnung Mercators in die Geschichte der Evangeliensynoptik des 16. Jahrhunderts bei de Jonge, Henk Jan: Sixteenth-century Gospel Harmo-

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siert jedoch auf einer synoptischen Zusammenstellung, die Mercator als „Speculum harmoniae evangelicae“ bereits seiner „Chronologia“ von 1569 eingefügt hatte.5 2. Ein handschriftlicher Kommentar zu den ersten elf Kapiteln des Römerbriefes, der als Manuskript in der Leidener Universitätsbibliothek aufbewahrt wird und dessen genaues Entstehungsdatum unbekannt ist.6 3. Einige „Kosmographische Betrachtungen über die Entstehung der Welt“, eine Kosmologie, welche nies: Chemnitz and Mercator, in: Backus, Irena/Higman, Francis (Hg.): Théorie et pratique de l’exégèse. Actes du troisième colloque international sur l’histoire de l’exégèse biblique au XVIe siècle, Genève 1990, S. 155–166, und vor allem de Lang, Marijke H.: The History of the Gospel Synopsis, in: Blotevogel, Hans H./Vermij, Rienk (Hg.): Gerhard Mercator und die geistigen Strömungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Duisburger Mercator-Studien, Band 3, Bochum 1995, S. 199–208. 5 Mercator, Gerhard: Chronologia. Hoc est, temporum demonstratio exactissima, ab initio mundi, usque ad annum domini M.D.LXVIII., Köln 1569; darin die Evangeliensynopse: ebd., fol. bijv–[dv]v; vgl. van Ortroy, Bibliographie (wie Anm. 4), S. 17. Zu der in ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Bedeutung insgesamt eher als ephemer einzustufenden „Chronologia“ vgl. Vermij, Rienk: Gerhard Mercator and the Science of Chronology, in: Blotevogel, Hans H./Vermij, Rienk (Hg.): Gerhard Mercator und die geistigen Strömungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Duisburger Mercator-Studien, Band 3, Bochum 1995, S. 189–197. 6 UB Leiden, BPL 191 BR. Es handelt sich um einen Band von 213 [nachträglich?] foliierten Blättern im Quartformat; vgl. Geel, Jacob: Catalogus librorum manuscriptorum qui inde ab anno 1741 Bibliothecae Lugduno Batavae accesserunt, Lugduni Batavorum 1852, Nr. 611, S. 181; van Ortroy, Bibliographie (wie Anm. 4), S. 1 f. 12

die Entstehung des Universums auf der Grundlage der beiden biblischen Schöpfungsberichte beschreibt. Sie erschien erstmals in dem 1595 posthum durch seinen Sohn Rumold herausgegebenen „Atlas“, der Sammlung der kartographischen Werke Mercators.7 Zwar soll Gerhard Mercator den Angaben seines Duisburger Freundes und Biographen Walter Ghim (1530–1611) zufolge noch handschriftliche Kommentare zu einigen Kapiteln aus dem Buch des Propheten Ezechiel sowie zur Offenbarung des Johannes verfasst haben. Doch fehlt davon bislang jede Spur.8 7 Mercator, Atlas (wie Anm. 2); darin der „DE MVNDI ET CREATIONE Ac FABRICA Liber.“: ebd., S. 3–32; vgl. van Ortroy, Bibliographie (wie Anm. 4), S. 21 f.; deutsche Übersetzung: Mercator, Gerhard: Atlas oder kosmographische Gedanken über die Erschaffung der Welt und ihre kartographische Gestalt, aus dem Lat. von Heinrich Gräf [u. a.] mit Anm. hg. von Friedrich Wilhelm Krücken, Edition Mercator, Duisburg 1994; überarbeitete Fassung: Mercator, Gerhard: Meditationes cosmographicae de fabrica mundi, in: Krücken, Friedrich Wilhelm: Ad Maiorem Gerardi Mercatoris Gloriam. Abhandlungen zum Leben und Werk Gerhard Mercators; Rupelmonde 5.3. 1512 – Duisburg 2.12.1594, Band 4, Münster 2011, S. 49–343. 8 Die Vita Mercatoris des Walter Ghim, wiedergegeben und übersetzt von Hans-Heinrich Geske, in: von Roden, Günter (Hg.): Gerhard Mercator 1512–1594, Duisburger Forschungen, Band 6, 1962, S. 257, 197–200: „Item in Ezechielis aliquot capita, in apocalypsim et alia plura; quod si contingat, quod paulatim futurum spero, ut in publicam prodeant, non est dubium, quin illius boni viri impensa opera piusque conatus quam plurimis doctis viris optime probabitur.“ Die kurze, in vieler Hinsicht immer noch grundlegende, freilich nicht durchgehend fehlerfreie Mercator-Biographie Walter Ghims erschien erstmals unter dem Titel „Vita celeberrimi clarissimique viri Gerardi Mercatoris Rupelmundani“ in der Ausgabe des „Atlas“

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Hinzuzunehmen sind ferner einige Briefe an Freunde und insbesondere an seinen Schwiegersohn, Johannes Molanus (1510–1583), in denen Mercator theologische Fragen behandelt.9 Ein insgesamt also überschaubares theologisches Œuvre. von 1595: Mercator, Atlas (wie Anm. 2), fol. y [1]r–[y 3]v. Aus dieser Quelle wanderten dann die Angaben zu diesen theologischen Werken in das von Johann Heinrich Zedler verlegte „Universal-Lexicon“ (1731–1754) und in verschiedene biographisch-bibliographische Lexika des 17. und 18. Jahrhunderts; vgl. auch noch van Raemdonck, Jan: Gérard Mercator. Sa vie et ses œuvres, St. Nicolas 1869, S. 276, der darüber hinaus „plusieurs autres travaux“ (ebd.) in der Theologie annimmt. 9 Siehe die verdienstvolle, freilich auch mit manchen Fehlern behaftete Ausgabe von van Durme, Maurice: Correspondance Mercatorienne, Anvers 1959 (Briefe an Johannes Molanus: Nr. 28; 48; 60ab; 67; 100; 103; 109; 121); vgl. dazu Kirmse, Rudolf: Mercator-Korrespondenz. Betrachtungen zu einer neuen Publikation (M. van Durme: Correspondance Mercatorienne 1959), in: Duisburger Forschungen, Band 5, 1961, S. 74 f. Eine kritische zweisprachige Gesamtausgabe der Mercator-Korrespondenz wird von Ute Schneider, Duisburg-Essen, vorbereitet. Zu Johannes Molanus, der ab 1559, von Bremen kommend, am Duisburger Gymnasium wirkte, dann aber 1563 wieder nach Bremen zurückzog und dort bis zu seinem Tod das Amt des Rektors der städtischen Lateinschule innehatte, vgl. Moltmann, Jürgen: Johannes Molanus (1510– 1583) und der Übergang Bremens zum Calvinismus, in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen, Band 1, 1957, S. 119– 141, der die ältere Literatur verzeichnet (ebd., S. 119, Anm. 1; dort noch zu ergänzen: Bunte, Bernhard: Über Johannes Molanus, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Bildende Kunst und Vaterländische Altertümer zu Emden, Band 9, 1891, S. 12–46). Aus der neueren Literatur vgl. vor allem Elsmann, Thomas: Albert Rizäus Hardenberg und Johannes Molanus in Bremen. Zwei Humanisten im konfessionellen Zeitalter, in: Akkerman, Fokke (Hg.): Wessel Gansfort (1419–1489) and Northern Humanism, 14

Nicht unerwähnt bleiben darf schließlich in diesem Zusammenhang die offensichtlich umfangreiche theologische Privatbibliothek Mercators. Der nur noch in handschriftlicher Kopie erhaltene Auktionskatalog der mercatorschen Bibliothek aus dem Jahr 1604 enthält unter den rund 1000 Titeln 193 im engeren Sinn als theologische Fachliteratur zu bezeichnende Werke, was auf ein ausgeprägteres Interesse Mercators an religiösen Fragen hindeutet.10 Brill’s Studies in Intellectual History, Volume 40, Leiden [u. a.] 1993, S. 195–209, und zuletzt Janse, Wim: Theologieprofessoren in Bremen (1584–1812). Ein komparativprosopographischer Versuch, in: Selderhuis, Herman J./ Wriedt, Markus (Hg.): Konfession, Migration und Elitenbildung. Studien zur Theologenausbildung des 16. Jahrhunderts, Brill’s Series in Church History, Volume 31, Leiden [u. a.] 2007, S. 285, Anm. 13. 10 Angabe nach dem Katalog zur Ausstellung im Jubiläumsjahr 1994: Penneman, Theo (Hg.): Mercator & zijn boeken. 3 december 1994–30 januari 1995. Mercatormuseum Sint-Niklaas, Sint-Niklaas 1994, S. 16. Der „Catalogus“ lässt zweifellos einen gewissen Rückschluss auf die Interessengebiete Mercators zu. Da er auch einige erst post mortem erschienene Titel enthält, spiegelt er freilich – genau genommen – weniger den Buchbesitz Gerhard Mercators als vielmehr denjenigen seiner Familie wieder. Die handschriftliche Kopie des Katalogs, die Alfred van de Gucht im Nachlass van Raemdoncks fand, wurde zum Jubiläumsjahr 1994 als Faksimile gedruckt: Catalogvs librorvm bibliothecae Clarissimi Doctissimique viri, piae memoriae, Gerardi Mercatoris, Illustrissimi Ducis Iuliae Cliviae &c Cosmographi. Catalogue van de Boucken des gheleerden ende wijtberoemden Wereldt-beschijver [!], Gerardi Mercatoris, Lugduni Batavorum 1604, Neudruck [Antwerpen] 1994. Transkript des Katalogs: Cherton, Anne/Watelet, Marcel: Catalogus, in: Watelet, Marcel (Hg.): Gérard Mercator cosmographe, [Anvers] 1994, S. 403– 413. Im Jahr 1890 hatte Alfons Heyer, Hilfsbibliothekar der Breslauer Stadtbibliothek, den Katalog offensichtlich 15

In gewissem Kontrast zu der skizzierten Quellenlage stehen die teilweise recht bestimmt vorgetragenen Urteile über die konfessionelle Prägung seiner Theologie. Schon die ältere Forschung zeigt sich an diesem Punkt allerdings merkwürdig gespalten.11 Jan van Raemdonck und in seinem Gefolge Peter Opladen sahen Mercator trotz der Indizierung als Vertreter eines vor-gegenreformatorischen und vor-tridentinischen Katholizismus an.12 Diese konfessionelle Einordnung wurde zuletzt von Rienk Vermij erneuert und von seiner Schülerin Marijke de Lang mit dem Hinweis auf die reformatorische Anschlussfähigkeit solcher vor-tridentinischen Katholizität wiederholt.13 noch im Originaldruck vorliegen. Leider ist von den gedruckten Exemplaren keines mehr erhalten; vgl. Penneman, Theo: La bibliothèque de Mercator, in: Watelet, Marcel (Hg.): Gérard Mercator cosmographe, [Anvers] 1994, S. 121–131. Zu Heyer vgl. speziell Rüffler, Alfred: Die Stadtbibliothek Breslau im Spiegel der Erinnerung. Geschichte – Bestände – Forschungsstätte, Sigmaringen 1997, S. 87 f. 11 Am 7. März 1863 äußerte der Duisburger Gymnasialprofessor Wilhelm Köhnen (1808–1881) in einem Brief an Jan van Raemdonck, dessen Mercator-Biographie er mit mehreren Hinweisen unterstützte, im Blick auf die religiöse Haltung des Kartographen: „Die Sache ist nicht ganz einfach, sondern eigenthumlicher Art.“ Zit. nach van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 242, Anm. 2. 12 Ebd., S. 241: „[. . .] et nous affirmons qu’il est né, qu’il a vécu et qu’il est mort catholique“; Opladen, Peter: Gerhard Mercators religiöse Haltung, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Band 130, 1937, S. 77–90. 13 Vermij, Rienk: Mercator and the Reformation, in: Büttner, Manfred/Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Duisburger Mercator-Studien, Band 1, Bochum 16

Heinrich Averdunk und Maurice van Durme dagegen rechneten mit einer Art „inneren Konversion“ Mercators zum Protestantismus, wobei sich die genauere Verortung Mercators im Spektrum reformatorischer Theologie dann offenbar als schwierig erwies. Averdunk siedelte Mercator im ,Zwinglianismus‘ an,14 1993, S. 87: „He was Catholic, but only in the sense the word had in the beginning of the century, before it was affected by the Counter-Reformation.“ de Lang, Marijke H.: De godsdienstige opvattingen van Gerard Mercator, in: Caert-Thresoor. Tijdschrift voor de geschiedenis van de kartografie in Nederland, Volume 13, 1994, S. 18–21; dies.: De godsdienstige ideën van Gerardus Mercator, in: DeNave, Francine (Hg.): Gerard Mercator en de geografie in de zuidelijke Nederlanden (16de eeuw) = Gérard Mercator et la géographie dans les Pays-Bas meridionaux (16e siècle), Publikaties van het Museum Plantin-Moretus en het Stedelijk Prentenkabinet, Nr. 29, Antwerpen 1994, S. 51–56; vgl. auch Penneman, Theo: Gerardus Mercator de Repelmunda. Vragen bij de biografieën, in: Annalen van de Koninklijke Oudheidkundige Kring van het Land van Waas, Deel 97, 1994, S. 23 f., und Hantsche, Irmgard: Zwischen den Fronten – Das Herzogtum Kleve als politisches und konfessionelles Umfeld Gerhard Mercators während der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Löffler, Ruth [u. a.] (Hg.): Gerhard Mercator, Europa und die Welt. Begleitband zur Ausstellung „Verfolgt, geachtet, universal – Gerhard Mercator, Europa und die Welt“ anläßlich des 400. Todestages von Gerhard Mercator im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg vom 4. September 1994 bis zum 31. Januar 1995, Duisburg 1994, S. 59; ebd., S. 61: „Will man also Mercator überhaupt konfessionell einordnen, muß man ihn wohl als Befürworter einer via media verstehen, wie sie auch sein Landesherr trotz aller politischer Schwierigkeiten zu gehen versuchte.“ 14 Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 41: „[. . .] aus dem Briefwechsel mit Molanus ersehen wir dann ganz bestimmt, daß der christgläubige fromme Mann eine von den Auswüchsen des Mittelalters gerei17

van Durme meinte darüber hinausgehend, wenngleich fragend, calvinistische Überzeugungen bei Mercator erkennen zu können.15 Reformierte Einflüsse konstatierte auch Karl Schmitz-Moormann bei Mercator.16 Jürgen Hübner sah Mercator gar in einer „katholischreformierten Traditionslinie“17 stehen.18 Indes, auch die Konversionsthese lässt sich, wie noch zu zeigen nigte Kirche suchte und der in Duisburg herrschenden reformierten, genauer zwinglianischen Richtung huldigte.“ Vgl. auch ebd., S. 111; 121. 15 So in den Briefen Gerhard Mercators an Johannes Molanus vom 20. Juli 1575 und vom 27. Juli 1576; vgl. van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 103, S. 117; Nr. 109, S. 128. 16 Schmitz-Moormann, Karl: Mercator vor dem Horizont der mittelalterlichen Wissenschaften, insbesondere der Theologie, in: Büttner, Manfred/Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Duisburger Mercator-Studien, Band 1, Bochum 1993, S. 100: „Zugleich aber kann man angesichts der starken Betonung dieses deterministischen Aspekts der Wirklichkeit in seiner Beschreibung des Schöpfungswerkes einen Einfluß des reformatorischen Geistes, wie er von Genf ausging, sehen.“ Vgl. BäumerSchleinkofer, Änne: Mercator über Tiere und Pflanzen. Die Stufenleiter der Natur und die biblische Schöpfungsgeschichte, in: Büttner, Manfred/Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Duisburger Mercator-Studien, Band 1, Bochum 1993, S. 61: „Hier legt Mercator auf der Basis seiner reformierten Theologie eine Exegese des Schöpfungsberichtes des Alten Testamentes vor [. . .].“ Vgl. auch die Überschrift der Sektion I in dem Sammelband des Duisburger Mercator-Symposions von 1992: „Mercator als reformiert-protestantisch orientierter Universalwissenschaftler“ (ebd., S. 1). 17 Hübner, Jürgen: Theologische Zugänge zu Gerhard Mercator, in: Büttner, Manfred/Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. 18

sein wird, nicht unangefochten behaupten. Schon die Tatsache, dass Mercator in seinem Römerbriefkommentar gegen die doppelte Prädestination und für den freien Willen des Menschen Position bezieht, deutet darauf hin, dass er sich zumindest einem von den Lehransichten des späten Calvin geprägten Reformiertentum nicht ungebrochen angeschlossen hat. Gerhard Mercator – eine im konfessionellen Spektrum offenbar schwer zu positionierende Erscheinung, die sich der konfessionellen Einordnung eigenartig entzieht. Damit ist er im ausgehenden 16. Jahrhundert kein Einzelfall. Gerade im Bereich der aufkeimenden Naturwissenschaften finden sich in dieser Zeit nicht wenige konfessionell kategorisierungsresistente Figuren, denken wir nur an Johannes Kepler, Giordano Bruno oder Galileo Galilei.19 Das Eindringen in ihre Jahrhundert, Duisburger Mercator-Studien, Band 1, Bochum 1993, S. 106. 18 Vorsichtiger hält Wiebe Bergsma die Zweifel fest, die sich gegenüber der Behauptung einer ungebrochenen Katholizität Mercators erheben; ders.: Aggaeus van Albada (c. 1525–1587), schwenckfeldiaan, staatsman en strijder voor verdraagzaamheid, Meppel [1983], S. 93: „Het is nog maar de vraag of hij wel zo katholiek was als sommige van zijn latere biografen ons willen doen geloven. Zo beschouwde hij de zichtbare kerk als een uiterlijke zaak, niet van essentieel belang voor het geloof, en de leer der transubstantiatie was voor hem geen noodzakelijk leerstuk.“ 19 Vgl. etwa Candela, Giuseppe: An Overview of the Cosmology, Religion and Philosophical Universe of Giordano Bruno, in: Italica, Volume 75, 1998, S. 348–364; Lanzinner, Maximilian: Johannes Kepler: A Man Without Confession in the Age of Confessionalization?, in: Central European History, Volume 36, 2003, S. 531–545; Reeves, Eileen: Kingdoms of Heaven: Galileo and Sarpi on the 19

religiösen Gedankenwelten wirft die Frage nach den Deutungschancen und Deutungsgrenzen des inzwischen etablierten, in seiner Reichweite freilich nicht unumstrittenen Forschungsparadigmas der „Konfessionalisierung“ hinsichtlich des komplexen Verhältnisses von Religion und Naturwissenschaft im 16. Jahrhundert auf.20 Nicht zuletzt aus diesem Grund scheint der speziell kirchenhistorische Blick auf Gerhard Mercator durchaus lohnend. Ich werde im Folgenden Mercator als Theologen gerade auch unter Einbeziehung des Römerbriefkommentars zu profilieren versuchen. Dazu werde ich zunächst – gleichsam als Klärung der Voraussetzungen – nach Mercators philosophisch-theologischem Bildungsweg sowie nach der Bedeutung seiner konfessionellen Konflikterfahrungen fragen. In einem zweiten Schritt werde ich anhand der in den Quellen behandelten theologischen Themen seine Position konturieren. Ein dritter und letzter Schritt wird uns dann wieder an das Problem der „konfessionellen Unschärfe“ Mercators heranführen, zu dem ich abschließend einige anfragende Überlegungen im Blick auf Celestial, in: Representations, Volume 105, 2009, S. 61– 84. 20 Vgl. Pohlig, Matthias: Konfessionalisierung und Naturwissenschaft, in: Schilling, Heinz (Hg.): Frühneuzeitliche Bildungsgeschichte der Reformierten in konfessionsvergleichender Perspektive. Schulwesen, Lesekultur und Wissenschaft, Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 38, Berlin 2007, S. 229–268, sowie die Beiträge in dem Band von Greyerz, Kaspar [u. a.] (Hg.): Religion und Naturwissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Band 210, Gütersloh 2010. 20

das Konfessionalisierungsparadigma als Ertrag formuliere.

2. Bildungswege Das Abfassen eines Kommentars zu dem theologisch durchaus anspruchsvollen Brief des Paulus an die Römer, zumal eines Kommentars, der nicht zögert, den Text des Erasmus von Rotterdam (1466/69– 1536) an manchen Stellen selbstbewusst, doch mit durchaus nachvollziehbaren Gründen zu revidieren und Theologen wie Johannes Calvin oder Theodor Beza namentlich zu kritisieren, deutet auf eingehendere theologische Kenntnisse hin. Es stellt sich die Frage: Wo und wie hat Gerhard Mercator diese Kenntnisse erworben? Über die religiöse Erziehung im Elternhaus Gerhard Mercators lässt sich aufgrund der dürftigen Quellenlage nichts Bestimmtes sagen. Ein Bruder des Vaters, Gisbert Kremer, nach Ghim Pfarrer in Rupelmonde, war möglicherweise nicht ohne Einfluss geblieben.21 Er war es zumindest gewesen, der den jun21 Ghim, Vita Mercatoris (wie Anm. 8), S. 246,6–12: „Gerardus Mercator, illustrissimi principis Iuliae, Cliviae, Montis etc. cosmographus longe exercitatissimus, editus est in lucem anno millesimo quingentesimo duodecimo quinta Martii sub auroram hora sexta a parentibus Iuliacensibus, videlicet Huberto Mercatore et Emerentiana eiusdem uxore, Rupelmundae in finibus comitatus Flandriae apud illius patruum Gisbertum Mercatorem, eiusdem oppidi pastorem vigilantissimum, commorantibus.“ Das in seinem Bezug uneindeutige Pronomen „illius“ dürfte vom Sinnzusammenhang des zweiten Satzes her am ungezwungensten auf „Gerardus“ und nicht auf „Hubertus“ zu beziehen sein. Damit wäre unter dem „patruus“

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gen Gerhard, wohl im Zusammenhang mit dem plötzlichen Tod des Vaters 1526 oder 1527,22 zu den Brüdern vom Gemeinsamen Leben nach ’s-Hertogenbosch gegeben hat.23 Dort besuchte Gerhard die von den Brüdern mitgetragene Stadtschule, die sicher eine der bedeutenderen Schulen im Bereich der devotio moderna gewesen ist, wenngleich ihr Ruf nicht an die Schule von Deventer heranreichte, die in den Jahren 1478 bis 1485 keinen Geringeren als Erasmus zu ihder „Onkel“ Gerhards (und nicht dessen „Großonkel“) zu verstehen. Diese Deutung scheint auch durch eine Stelle in einem Brief des Löwener Kurats und späteren Brügger Bischofs Pierre de Corte (1491–1567) gestützt zu werden, in dem dieser davon spricht, dass sich Mercator zwecks Regelung einer Erbangelegenheit „van eenen synen oom“ in seine Heimat begeben habe; siehe van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 10, S. 23 (Pierre de Corte an Maria von Ungarn; Löwen, 23. Februar 1543); anders van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 331; Krämer, Karl Emerich: Mercator. Eine Biographie, Duisburg 1980, S. 25 f.; de Smet, Antoine: Art. Mercator (Rupelmundanus), Gerard, in: Nationaal biografisch woordenboek, Deel 10, 1983, Sp. 431. Wie Penneman, Gerardus Mercator (wie Anm. 13), S. 13, zu recht betont, ist die Frage von den bislang bekannten Quellen her alleine schwerlich zu entscheiden. Offen ist auch, ob der von Ghim genannte „Gisbertus Mercator“ mit einem „Ghysbrecht de Cramere“ identisch ist, der als Pfarrer von Sint-Niklaas nachgewiesen ist und am 20. Januar 1544 verstarb; vgl. ebd. 22 Vgl. Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 2. 23 Ghim, Vita Mercatoris (wie Anm. 8), S. 246,12–247, 18: „Cumque pueritiam egressus esset primaque rudimenta Latinae linguae in patria utcumque didicisset, missus fuit a praedicto suo patruo Buscoducum, ut ibidem in domo fratrum grammaticae studium absolveret et initia dialecticae addisceret, deditque hisce literis operam sub Georgio Macropedio sumptibus et impensis superioris pastoris annis, ni fallor, tribus cum dimidio.“ 22

ren Schülern zählte. Die Brüder vom Gemeinsamen Leben beherbergten in ihren Fraterhäusern die Schüler, gewährten ihnen gegen Bezahlung Kost und Logis, übernahmen wohl auch die Aufsicht über die Schulaufgaben. Am eigentlichen Unterricht in der Stadtschule jedoch beteiligten sie sich in der Regel nicht.24 Gleichwohl ist anzunehmen, dass der Geist der Brüder vom Gemeinsamen Leben nicht ohne 24 Vgl. die Studie von Kohls, Ernst-Wilhelm: Zur Frage der Schulträgerschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben und zum Rektoratsbeginn des Alexander Hegius in Deventer, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, Band 6, 1968, S. 33–43. Daran anschließend Mokrosch, Reinhard: Art. Devotio moderna, II. Verhältnis zu Humanismus und Reformation, in: Theologische Realenzyklopädie, Band 8, 1993, S. 611, 30–39: „Ein enges Beziehungsverhältnis zur Stadtschule pflegten – um den zweiten Grundtyp zu charakterisieren – die Brüderkongregationen in Deventer, Brüssel, Harderwijk, Nijmegen und s’Hertogenbusch: [. . .] Und im Fraterhaus von s’Hertogenbusch wurde 1573 eine zweite Leiterstelle zur Aufsicht der Schulaufgaben eingerichtet. Niemals beteiligten sich die Brüder jedoch an der Lehre selbst. Insofern kann höchstens von einer indirekten, nicht aber von einer direkten Förderung humanistischer Schulbildung durch einzelne Bruderhäuser die Rede sein.“ Der Stadtschule stand damals Georg Macropedius (1487–1558) als Rektor vor, der den Brüdern vom Gemeinsamen Leben angehörte und als Verfasser zahlreicher lateinisch durchaus anspruchsvoller Schuldramen hervorgetreten ist. Ob dieser humanistische Literat auch selbst Unterricht erteilt hat, ist jedoch fraglich. Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 4: „Den von diesem Lehrer geleiteten Unterricht hat er, wie Ghim ausdrücklich bezeugt, genossen und die lateinische und griechische Sprache und die Anfangsgründe der Logik studiert.“ Die Angaben aus Ghim geben diese Behauptung meines Erachtens nicht zwingend her; vgl. die aus der „Vita Mercatoris“ zitierte Passage oben in Anm. 23.

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Wirkung auf Gerhard Mercator geblieben ist. Die Brüder versuchten bei der Begleitung der Schüler in den Fraterhäusern durch Vermittlung geistlicher Inhalte ein gewisses Gegengewicht gegen die in ihren Augen einseitig intellektuelle humanistische Schulbildung zu setzen. Auch wenn sich die theologische Bildungssituation in ’s-Hertogenbosch im Blick auf die Lernziele und Lerninhalte kaum näher bestimmen lässt, so dürften sich doch Mercators humanistische Überzeugungen und seine bibelorientierte Frömmigkeit wesentlichen Prägungen dieser Schuljahre verdanken. Kaum greifbarer werden die Umrisse des theologischen Bildungswegs Gerhard Mercators in seiner Zeit auf der Universität zu Löwen. Mercator schrieb sich am 29. August 1530 bei den Armen Studenten des Pädagogiums „van de Burcht“ („Pauperes ex castro“)25 in Löwen ein, um dort, dem üblichen universitären Studienverlauf entsprechend, die Artes zu studieren. Diesen Schritt unternahm er nicht ohne Aufforderung und Unterstützung Gisbert Kremers, der damit möglicherweise – so vermutete schon Averdunk – eine Ausbildung Gerhards zum Geistlichen intendierte.26 Ähnlich wie in den alten englischen Uni25 Die Behauptung Ghims – „[. . .] in collegio Porci [. . .]“ (Ghim, Vita Mercatoris [wie Anm. 8], S. 47,9) – ist nach den Angaben des „Liber intitulatorum“ zu korrigieren; vgl. van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 16, Anm. 2: „[. . .] la pédagogie du Château [. . .]“; Watelet, Marcel: De Rupelmonde a Louvain, in: ders. (Hg.): Gérard Mercator cosmographe, [Anvers] 1994, S. 420. 26 Vgl. Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 4: „Denn es ist doch wohl anzunehmen, daß der Wunsch des Oheims, der ihn bis dahin unterstützt hatte, ihn für das geistliche Amt bestimmt hatte.“

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versitäten Oxford und Cambridge erfolgte der universitäre Unterricht in Löwen dezentral in einzelnen Kollegien, in die man sich einschrieb. Die Universität Löwen war zu Beginn der 1530er Jahre noch geprägt vom Gegensatz zwischen der scholastisch, deutlich antireformatorisch ausgerichteten theologischen Fakultät auf der einen und den unter humanistischem Einfluss stehenden Artisten sowie vor allem dem privaten und nur indirekt mit der Universität verbundenen berühmten humanistischen „Collegium Trilingue“ (gegr. 1517) auf der anderen Seite. Walter Ghim zufolge soll Gerhard Kremer, der sich in der Löwener Zeit den latinisierten Nachnamen „Mercator“ zulegte, sein Artes-Studium dort – wohl im Oktober 153227 – mit dem „magisterium“ abgeschlossen haben, was allerdings fraglich ist.28 Natürlich standen in Löwen, nicht anders als an den übrigen europäischen Universitäten, Autoren der klassischen Antike im Mittelpunkt des Artes-Unterrichts, in Löwen ausdrücklich

27 Vgl. de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 431. 28 Ghim, Vita Merctoris (wie Anm. 8), S. 247,21: „[. . .] donec magisterii gradum adeptus esset.“ Die Behauptung Ghims wurde von Friedrich Wilhelm Krücken mit bedenkenswerten Gründen infrage gestellt. Seine Zweifel stützen sich vor allem darauf, dass der Name Mercators in keiner der (überlieferten) Löwener Promotionslisten auftaucht und dass Mercator selbst nie den Erwerb eines philosophischen Titels andeutet, geschweige denn einen solchen ausdrücklich geführt hat; vgl. ders.: Versuche und Näherungen. Der Konjunktiv des Walter Ghim, in: ders.: Ad Maiorem Gerardi Mercatoris Gloriam. Abhandlungen zum Leben und Werk Gerhard Mercators; Rupelmonde 5.3.1512 – Duisburg 2.12.1594, Band 2, Münster 2010, S. 341–364.

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Aristoteles in der Interpretation des Averroes – soweit dieser nicht anerkannten Dogmen widersprach – oder approbierter christlicher Interpretatoren.29 Daneben dürften die Löwener Artes-Studenten im Verlauf ihres Studiums allerdings auch schon mit theologischen Fragen in Berührung gekommen sein, da nicht wenige Stoffe an biblischen Themen oder theologischen Problemen exemplifiziert wurden und im Bereich der sogenannten natürlichen Theologie ohnehin viele Fragen von Philosophen und Theologen gemeinsam, wenngleich in nicht immer spannungsfreier Konkurrenz behandelt wurden.30 Ob eine den universitätsge29 Molanus, Johannes: Historiae Lovaniensium. Libri XIV. Ex codice autographo ed. commentario praevio de vita et scriptis Molani notis et appendicibus ill. P[etrus] F[ranciscus] X[averius] de Ram, Bruxelles 1861, S. 585: „Sed potissimum exponi debet textus Aristotelis, secundum quod eum exponunt et intelligunt suus commentator Averroes, ubi contra fidem non militat, vel dominus Albertus Magnus, vel sanctus Thomas de Aquino, vel Ægidius de Roma, vel aliquis alius, quem placebit Facultati concorditer acceptare.“ Hauptsächliche Unterrichtsmaterie waren das Organon und die naturphilosophischen Schriften des Aristoteles; siehe ebd., S. 580: „Quorum paedagogiorum regentes, praeter praeceptores inferiorum classium, habent duos principales et duos secundarios professores in logica et physica.“ 30 Die Löwener Artisten waren seit 1477 dazu verpflichtet, die – in heutiger Begrifflichkeit formuliert – fundamentaltheologischen Fragen der theologischen Fakultät zu überlassen; siehe ebd., S. 583. Allerdings war dieser im Einzelfall Interpretationskonflikte herausfordernde, etwas ,globale‘ Selbstverzicht seit 1512 dahin gehend modifiziert worden: „[. . .] in quantum fundamenta probationis, vel improbationis, fidem seu scripturam sacram requirunt: secus, si de hujusmodi, per rationes naturales, seu in lumine naturali et auctoritatibus philosophorum disputare vel disserere velint; [. . .]“ (ebd.). Nicht

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schichtlichen Entwicklungen im Bereich des frühneuzeitlichen Luthertums vergleichbare Durchlässigkeit der Grenzen zwischen der Artistenfakultät und der theologischen Fakultät auch für Löwen angenommen werden darf, scheint allerdings fraglich.31 ohne Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang vielleicht auch die Tatsache sein, dass drei der namentlich bekannten Regenten und Koregenten Mercators am „Paedagogium Castrum“ theologische Grade erworben hatten; van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 15, Anm. 3: „Le regens castri était Cornelius Sculteti de Weert, licensié en théologie, et deux des professeurs se nommaient Jean Scalreye [!] de Bois-le-Duc, bachelier en théologie, et Jean Steynaerts (Joannes Mevius) de Meeuwen.“ Die Angaben dürften von Reusens her zu korrigieren sein: Jan Scarley (gest. 1540) aus ’s-Hertogenbosch, der von 1529 (nach de Vocht, Henry: Excerpts from the Register of Louvain University 1485 to 1527, in: The English Historical Review, Volume 37, 1922, S. 101, schon ab 1519) bis 1540 das Amt des Koregens am Pädagogium innehatte, war gleichfalls Lizentiat der Theologie; auch Jan Stynaerts van Meeuwen (Mevius; gest. 1557), der 1539 Cornelius Brouwers (Sculteti; gest. 1539) als Regens nachfolgte, hatte den Grad eines Baccalaureus formatus erworben; vgl. Reusens, Edmond: Documents relatifs a l’histoire de l’Université de Louvain (1425–1797) (III. Collèges et pédagogies), in: Analectes pour servir a l’histoire ecclésiastique de la Belgique, Tome 20, 1886, S. 58– 60; 80. 31 Vgl. etwa die Untersuchungen zu Wittenberg von Kathe, Heinz: Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502–1817, Mitteldeutsche Forschungen, Band 117, Köln [u. a.] 2002, S. 55, Anm. 40; Nieden, Marcel: Die Erfindung des Theologen. Wittenberger Anweisungen zum Theologiestudium im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung, Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe, Band 28, Tübingen 2006, S. 47 f., 91–95, und zu Rostock von Kaufmann, Thomas: Universität und lutherische Konfessionalisierung. Die Rostocker Theologieprofessoren und ihr Beitrag zur theologischen Bildung und 27

Allen möglichen theologischen Hoffnungen des Onkels zum Trotz lagen Mercators Interessen freilich eher im Bereich der Naturphilosophie und der Mathematik. Mit dieser Interessenlage kam eine Fortsetzung des Studiums an einer der drei oberen Fakultäten kaum in Frage. Mercator hatte also mit seinen Löwener Semestern sicher keinen im eigentlichen Sinn theologischen Bildungsweg beschritten. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass er im Verlauf seines Artes-Studiums durchaus mit theologischen Fragestellungen konfrontiert wurde und sich in diesem Zusammenhang gewisse theologische Kenntnisse angeeignet hatte. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Bildungsweg der meisten Geistlichen in dieser Zeit, wenn sie denn überhaupt eine Universität besuchten, kaum anders verlief. Das Studium an der theologischen Fakultät, das zu absolvieren nicht zuletzt auch eine Kostenfrage war, diente vorrangig der inneruniversitären Selbstrekrutierung und galt meist nur für die höheren kirchlichen Ämter als Voraussetzung. Der niedere Klerus hatte oft nur die Lateinschule besucht oder sich allenfalls ein paar Semester an der Artes-Fakultät aufgehalten.32 kirchlichen Gestaltung im Herzogtum Mecklenburg zwischen 1500 und 1675, Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, Band 66, Gütersloh 1997, S. 319 f. Zum Prozess grundsätzlich ders.: The Clergy and the Theological Culture of the Age: The Education of Lutheran Pastors in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: Dixon, C. Scott/Schorn-Schütte, Luise (Hg.): The Protestant Clergy of Early Modern Europe, New York 2003, S. 122 f. 32 Vgl. den Überblick bei Nieden, Erfindung (wie Anm. 31), S. 18–26. 28

3. Verdacht und Intrige Mercator gab wohl schon 1532, wahrscheinlich ohne Master-Graduierung, seine akademischen Studien auf, um privatim den ihn damals vor allem interessierenden naturphilosophischen Fragen nach dem Aufbau der Welt, nach der Vereinbarkeit der philosophischen Kosmologien mit den biblischen Schöpfungserzählungen nachzugehen. Er selbst deutet in dem Vorwort seiner Evangelienharmonie eine Glaubenskrise an, die mit der Diskrepanz zwischen seinen persönlichen, von der Bibel her bestimmten Glaubensüberzeugungen und seinen naturphilosophischen Einsichten zusammenhing.33 In diesen Jahren hat er offenbar, das haben neueste Forschungen gezeigt, sein Heil zunehmend in den esoterischen Wissenschaften gesucht.34 Unter deren Einfluss erfolgte die Hinwen33 Mercator, Evangelicae historiae quadripartita monas (wie Anm. 4), fol. y 2r: „[. . .] at cum viderem mundi Genesin apud Mosen in multis non satis cum Aristotele reliquisque Physicis conuenire, coepi ego de veritate omnium Philosophorum addubitare, & ipse in naturae mysterijs indagare, ita vt aliquando Louanio Antuerpiam vsque voluntarie solus proficiscerer, et altißime de mysterijs naturae perscrutari incoepi, ita vt nonnunquam taedio me afficerent assequentium a tergo vana colloquia & morae occasionem fingerem.“ 34 Vgl. de Smet, Antoine: Gérard Mercator (1512– 1594) et les sciences occultes, in: Scientiarum Historia, Volume 16, 1990, S. 5–10. Giorgio Mandani zufolge hat wahrscheinlich der Franziskanertheologe und Mechelner Astrologe Franciscus Monachus (ca. 1490–1565) Mercator während der Antwerpener Zeit in die esoterischen Studien eingewiesen; vgl. ders.: Rupes Nigra: Mercator and magnetism. Der Beitrag wird demnächst in einem Sammelband zur Duisburg-Essener Mercatortagung 2012 erscheinen. Vgl. schon ders.: Abraham Ortelius and the Her-

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dung zur Mathematik und Kartographie. Noch bei seinem Lehrer, Gemma Frisius (1508–1555),35 entstanden die ersten Karten und mathematisch-astronomischen Instrumente.36 Schon bald trat der talentierte Kartograph und Instrumentenbauer aus dem Schatten des Frisius heraus, und es begannen außerordentlich fruchtbare Jahre kartographischen Schaffens. 1537 entwarf Mercator, um das Studium der Bibel zu erleichtern, eine aus sechs Blättern bestehende Karte Palästinas – seine erste selbstständige Arbeit. Im Jahr darauf folgte die erste Weltkarte in doppelherzförmiger Projektion. 1541 konstruierte Mercator seinen ersten Globus – in einer bis dahin nicht erreichten kartographischen Genauigkeit.37 Die esoterischen Studien hat metic Meaning of the Cordiform Projection, in: Imago Mundi, Volume 50, 1998, S. 65 f. 35 Eigentlich Jemme Reinersz. Zu ihm zuletzt Hallyn, Fernand: Gemma Frisius, arpenteur de la terre et du ciel, Les geographies du monde, Volume 8, Paris 2008. Vgl. auch Vanden Broecke, Steven: The Limits of Influence. Pico, Louvain, and the Crisis of Renaissance Astrology, Medieval and Early Modern Science, Volume 4, Leiden [u. a.] 2003, S. 115–118. 36 Beim Erlernen der verschiedenen Gravurtechniken spielte offenbar auch der Löwener Goldschmied Gaspard van der Heyden (Amyricius; gest. nach 1549) eine Rolle, mit dem Gemma Frisius zusammenarbeitete; vgl. de Smet, Antoine: Gerard Mercator’s Leuvense periode (1530– 1552). Wetenschappelijke en technische vorming. Eerste verwezenlijkingen, in: Scientiarum Historia, Volume 4, 1962, S. 127–130. 37 Vgl. de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 434–436, und zuletzt vor allem die Beiträge von Elly Dekker/Peter van der Krogt und Catherine Delano Smith/Elizabeth M. Ingram in dem Band von Watelet, Marcel (Hg.): Gérard Mercator cosmographe, [Anvers] 1994, S. 242–267; 425 und S. 268–284; 425 f. 30

er daneben offenbar weiter betrieben. Eine Bemerkung des berühmten englischen Humanisten und Hofastrologen John Dee (1527–1608) belegt, dass dieser während seines zweiten Löwener Aufenthalts in den Jahren 1548 bis 1550 zusammen mit Mercator intensiv die Frage einer neuen, naturwissenschaftlichen Fundierung der Astrologie debattierte.38 Antoine de Smet vermutet zu Recht, dass es vor allem diese, wohl seit 1532 betriebenen Studien waren, die den beruflich erfolgreichen und eigentlich mit dem konfessionspolitisch zunächst einmal unverdächtigen Metier der Kartographie befassten Merca-

38 John Dee: Propaideumata aforistika Ioannis Dee Londinensis, de praestantioribus quibusdam natvrae virtutibus, ad Gerardvm Mercatorem Rvpelmvndanum, mathematicum & philosophum insignem, London 1558, fol. y ir/v: „[. . .] ex tuis mecum disceptationibus, tum primas tum altissimas vt radices ageret tota mea peregrina philosophandi ratio: [. . .] Et maxime, cum mutuae nostrae amicitiae, familiaritatisque consuetudo ea erat, tot vt triennio, vix totos tres simul dies, alter alterius lubens careret aspectu: & ea vtriusque nostrum discendi, philosophandique auiditas, vt postquam conueniremus, tribus vix horae minutis, ab arduarum & vtilissimarum rerum indagatione abstineremus, [. . .]. Atque vt hanc potissimam materiam, hoc tempore mihi tractandam, eligerem: penultimae tuae ad me literae, in quibus, de nobili illa, inter nos olim agitata, controuersia, memoriam mihi velle refricare, videbaris, occasionem dedere.“ Vgl. de Smet, Mercator et les sciences occultes (wie Anm. 34), S. 6–10; van Gijsen, Annelies: Astrologie, in: Watelet, Marcel (Hg.): Gérard Mercator cosmographe, [Anvers] 1994, S. 220–233; 424 f. und zuletzt Vanden Broecke, Steven: Dee, Mercator, and Louvain Instrument Making. An Undescribed Astrological Disc by Gerard Mercator (1551), in: Annals of Science, Volume 58, 2001, S. 226.

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tor 1544 ins Visier der Inquisition geraten ließen.39 Der Befehl zum Aufstöbern vermeintlicher Anhänger der „lutheryen“ in Löwen kam damals von der habsburgischen Statthalterin Maria von Ungarn (1505– 1558; 1531).40 Der Ausdruck „lutheryen“41 darf hier 39 Vgl. de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 441. 40 Siehe die Schreiben der Statthalterin bei van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 8 f., S. 19–22. Rekonstruktion des Verlaufs der Aktion bei van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 56–64, und Valvekens, Paul E.: Bij de arrestatie van Geeraard Mercator (1544), in: Nederlandsche Historiebladen, Volume 1, 1938, S. 447–458; vgl. auch Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 38–40, und de Smet, Antoine: Mercator à Louvain (1530–1552), in: von Roden, Günter (Hg.): Gerhard Mercator 1512–1594, Duisburger Forschungen, Band 6, 1962, S. 75–79. Maßgebliche Quelle für die Löwener Vorgänge sind die Erinnerungen des spanischen Humanisten und Protestanten Francisco de Enzinas (Franciscus Dryander; 1518–1552): Mémoires de Francisco de Enzinas, Texte latin inédit avec la traduction française du XVIe siècle en regard 1543–1545, publies avec notice et annotations par C.-A. Campan, 2 Bände, Bruxelles 1862/63; die unter den beigefügten Prozessdokumenten abgedruckte Liste mit den Namen der 43 angeklagten Löwener Bürgerinnen und Bürger (ebd., Tome 1, S. 298–305) enthält den Eintrag „Meester Gheert Scellekens, woenende achter den Augustynen. Minores Mechlinienses habent litteres suspectes“ (ebd., S. 298), der sehr wahrscheinlich auf Mercator hindeutet: Mercator hatte Anfang September 1536 die Löwener Bürgerstochter Barbara Schelleken(s) geheiratet; vgl. Penneman, Gerardus Mercator (wie Anm. 13), S. 14. 41 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 9, S. 21, (Maria von Ungarn an Pierre Was, Abt von St. Gertrud zu Löwen; Gent, 19. Februar 1543): „[. . .] ten eynde dat hy ontslaen ende relaxeeren soude eenen genaemt mr Geerard Mercatoris, als wesende suppost der universiteyt van Loevene, by hem gevangen ter causen van lutheryen, [. . .].“ Siehe ebd., Nr. 8, S. 20 (Maria von Ungarn

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schwerlich als Hinweis auf eine dezidiert lutherische Position verstanden werden; er steht vielmehr allgemein für reformatorische ,Abweichung‘. Neben 40 weiteren Personen wurde auch Mercator der Häresie verdächtigt. Als er sich im Februar 1544 in seiner Heimatstadt Rupelmonde aufhielt, um dort den Nachlass seines verstorbenen Onkels und Förderers Gisbert Krämer zu regeln, ereilte ihn der Haftbefehl. Er wurde an Ort und Stelle im Rupelmonder Schloss festgesetzt, scheint dann aber aufgrund einflussreicher Fürsprecher bereits im Herbst 1544 wieder freigekommen zu sein. Der Häresieverdacht wurde scheinbar ausgeräumt, und Mercator konnte noch im selben Jahr seine Arbeit fortsetzen.42 Eine ähnliche Situation, wenngleich wohl nicht von derselben existenziellen Bedrängnis, erlebte Mercator an Pierre de Cort, Kurat von St. Pierre zu Löwen; Gent, 19. Februar 1543): „[. . .] einige ketters ende lutherianen“. Ferner ebd., Nr. 11, S. 24 (Maria von Ungarn an Louis van Steelant, Statthalter im Land Waas; Gent, 8. März 1543): „[. . .] l’appréhencion des autres accusez et suspects de la secte luthérianne audict Louvain, [. . .].“ Siehe auch das nicht genauer datierbare Schreiben des kaiserlichen Privatsekretärs an den Schlosshauptmann von Rupelmonde vom Februar 1544, ebd., Nr. 6, S. 18: „Ayant le bailly de nostre pays de Waes apprehendé ung nommé me Gérard Mercatoris, chargié de lutterye, lequel sera mené au chasteau de Ruplemonde, pour après faire son proces [. . .].“ Leicht divergente Fassung bei Valvekens, Arrestatie (wie Anm. 40), S. 455 f. 42 Siehe den Brief Mercators an den Bischof von Arras, Antonius Granvella, vom 9. Oktober [1544] bei van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 14, S. 25–31. Vgl. van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 63 f.; de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 438; Valvekens, Arrestatie (wie Anm. 40), S. 451–454. 33

dann noch einmal in Duisburg, seiner Wahlheimat, in die er 1552 seinen Lebensmittelpunkt verlegte. Die Frage nach den Motiven dieses Umzugs ins Herzogtum Kleve wird von der Forschung seit längerem diskutiert, kann hier jedoch nicht aufgerollt werden. Es mag der Hinweis genügen, dass bei der Entscheidung für Duisburg wohl auch die klevische Konfessionspolitik eine Rolle gespielt hat.43

43 Aus der umfangreichen Literatur zur Konfessionspolitik des Herzogshauses Jülich-Kleve-Berg im 16. Jahrhundert (vgl. die Angaben bei Klueting, Harm: Das konfessionelle Zeitalter. Europa zwischen Mittelalter und Moderne. Kirchengeschichte und Allgemeine Geschichte, Bd. II: Anmerkungen – Literatur, Historia profana et ecclesiastica, Band 17, Münster [u. a.] 2009, S. 323 f., Anm. 2254–2260) vgl. zuletzt vor allem den die These einer „Konfessionalisierung von unten“ diskutierenden Band von Dietz, Burkhard/Ehrenpreis, Stefan (Hg.): Drei Konfessionen in einer Region. Beiträge zur Geschichte der Konfessionalisierung im Herzogtum Berg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Band 136, Bonn 1999. Gegen Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 39 f., betonte schon Rudolf Kirmse, dass Mercator nicht vor einer religiösen Unterdrückung oder Verfolgung nach Duisburg geflohen ist; vgl. ders., Mercator-Korrespondenz (wie Anm. 9), S. 74 f., Anm. 20; ders.: Zu Mercators Tätigkeit als Landmesser in seiner Duisburger Zeit, in: von Roden, Günter (Hg.): Gerhard Mercator 1512– 1594, Duisburger Forschungen, Band 6, 1962, S. 94; ders.: Zu Mercators Übersiedlung nach Duisburg, in: Annalen van de Koninklijke Oudheidkundige Kring van het Land van Waas, Jubileumnummer (1861–1961), 1962, S. 229–231. So auch de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 439, und neuerdings Hantsche, Irmgard: Politik und Religion im Herzogtum Kleve zur Zeit Mercators, in: Vermij, Rienk (Hg.): Gerhard Mercator und seine Welt, Duisburg 1997, S. 85. Sie vermutet zwar eine

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Der konfessionspolitische Mittelkurs – die „via media“ – der klevischen Herzöge musste zwar nach dem Frieden von Venlo 1543 offiziell aufgegeben werden. Ein formeller Anschluss an die Reformation war unmöglich geworden. Faktisch wurden jedoch im Herzogtum niederländische wie auch englische Glaubensflüchtlinge geduldet, auch suchte Herzog Wilhelm V. (1516–1592; 1539) den Übergang der Stadt Duisburg zur Reformation 1543 oder auch der Stadt Essen 1563 nicht konsequent zu verhindern. Mercator durfte daher auf ein relativ konziliantes Konfessionsklima in Duisburg hoffen. Gleichwohl war sein Umzug keine Flucht44 und erfolgte auch nicht aus Glaubensgründen. Mercator hatte nach der Rückkehr aus seiner Untersuchungshaft noch acht Jahre unbehelligt in Löwen weiterarbeiten können, er war offensichtlich nicht kompromittiert und erhielt auch von angesehenen katholischen Kunden wieder Aufträge.45 Insofern sollte man seine Auswanderung nach Duisburg nicht mit dem Schicksal anderer niederländischer Glaubensflüchtlinge parallelisieren.

gewisse Nähe der religiösen Überzeugungen Mercators zur Via-media-Politik des Herzogs, rechnet Mercator aber zu derjenigen Gruppe von Zuwanderern, „bei denen wirtschaftliche und konfessionell-religiöse Motive sich verbanden“ (ebd.). Vgl. schon dies., Zwischen den Fronten (wie Anm. 13), S. 57–64. 44 So mit Recht de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 439. 45 Vgl. Voet, Léon: Les relations commerciales entre Gérard Mercator et la maison Plantinienne à Anvers, in: von Roden, Günter (Hg.): Gerhard Mercator 1512–1594, Duisburger Forschungen, Band 6, Duisburg 1962, S. 171– 232. 35

Von außen betrachtet, zog Mercator in eine im reformatorischen Umbruch begriffene Stadt.46 Aller46 Nach Johann Michael Reu beweist die Einführung der „Catechesis“ (1541) des Urbanus Rhegius (1489– 1541) am 11. Februar 1555, dass auch in Duisburg zunächst der Anschluss an den lutherischen Reformationstypus gesucht wurde; vgl. ders.: Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts, Teil 1, Band 3,1 b, Gütersloh 1935, Neudruck Hildesheim 1976, S. 1287, gegen Averdunk, Heinrich: Geschichte der Stadt Duisburg bis zur endgültigen Vereinigung mit dem Hause Hohenzollern, Duisburg 1894, S. 576 f.; vgl. noch von Roden, Günter: Geschichte der Stadt Duisburg, Band 1: Das alte Duisburg von den Anfängen bis 1905, Duisburg 1970, S. 246 f.: „Immerhin zeigt die Ablehnung des Katechismus Martin Luthers, daß man zwischen ihm und Calvin eine Mittellinie suchte.“ Ob der Duisburger Rat schon in den Anfangsjahren der Reformation einer solchen „Mittellinie“ folgte, scheint fraglich. Zu den Anfängen der Reformation in Duisburg vgl. zuletzt Fischer, Thorsten: „Wie die Neuerung der Religion in der Kirche ad Salvatorem ingeschlichen.“, in: Frank, Simone (Hg.): Festschrift für Jörg Engelbrecht zum 60. Geburtstag, Rhein-Maas, Band 3, Oberhausen 2012, S. 50–63, der allerdings nicht auf die Katechismusfrage eingeht. Zu der verzeichnenden Behauptung Werner Teschenmachers (1590–1638) – „Es hat aber die Reformation der Statt Duisbergh insonderheit viel befordert der berumbte Cosmographus Gerhardus Mercator Rupelmundanus, welcher daselbsten gewohnet und den 2. Decembris anno 1594 daselbsten auch gestorben und in der großen oder Salvatoris Kirchen begraben worden.“ (ders.: Annales ecclesiastici, Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Band 12, Düsseldorf 1962, S. 78) – vgl. Hantsche, Zwischen den Fronten (wie Anm. 13), S. 57 f.; Fischer, Neuerung (wie oben), S. 53; 61. In der Linie Teschenmachers, allerdings beschränkt auf die (irrtümlicherweise schon für das Jahr 1564 vorausgesetzte) Universität Duisburg, behauptete zuletzt Johannes Meier evangelische Prägewirkungen Mercators; vgl. Damberg, Wilhelm/Meier, Johannes: Das Bistum Essen 1958–2008. Eine illustrierte Kirchengeschichte

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dings verstärkten die Flüchtlinge aus England sowie aus den niederländischen Nordprovinzen die am Niederrhein vorhandenen reformierten Elemente nicht unerheblich. Zu diesen Glaubensflüchtlingen zählte auch Heinrich Castritius (1522/23–1585), nach seinem Geburtsort Geldrop meist „Geldorp“ genannt, der 1559 zum Rektor der Duisburger Stadtschule ernannt worden war.47 Geldorp hegte wohl schon in den Niederlanden gewisse Sympathien für die reformierte Theologie – sie hatten ihn offensichtlich auch zum Wechsel an den Rhein bewogen –, er bekannte sich aber erst später offen zum Reformiertentum. Als die Duisburger Räte Geldorp wegen mangelhafter Führung das Rektorat entzogen und es an Johannes Molanus, den Schwiegersohn Mercators, vergaben, vermutete Geldorp dahinter ein Komplott des Kartographen und sann fortan auf Rache. Unter anderem bemühte er sich darum, den einstigen Schulkollegen einflussreichen katholischen wie evangelischen Kreisen des Herzogtums gleichermaßen suspekt erscheinen zu lassen, so dass sich Mercator im Vorwort seiner 1569 publizierten „Chronologia“ öffentlich erklären musste.48 Die der Region von den Anfängen des Christentums bis zur Gegenwart, Münster 2008, S. 91; 95. 47 Zu Geldorp vgl. de Muinck Keizer, Johannes Hendrik: Henricus Geldorpius, Groningen 1893; ferner Krafft, Carl: Art. Geldorp, Heinrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 8, 1878, S. 533; Brugmans, [Hajo]: Art. Geldorpius (Henricus), in: Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek, Deel 3, 1914, Neudruck 1974, Sp. 449–451. 48 Siehe van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 103, S. 117 f. (Gerhard Mercator an Johannes Molanus; Duisburg, 20. Juli 1575). Wie Mercator im Vorwort seiner „Chronologia“ behauptet, habe er von Geldorp, des37

Strategie Geldorps ging nicht auf, aber die Tatsache, dass in seiner Wahlheimat ein aus persönlichen Gründen auch vor konfessionspolitischen Intrigen nicht zurückschreckender Kollege sich halten konnte, machte Mercator, das lässt die Korrespondenz mit dem Schwiegersohn erkennen, doch schwer zu schaffen.49 Es ist anzunehmen, dass der Kartograph und Instrumentenbauer Mercator, der wohl schon aus Auftragsgründen auf eine gewisse konfessionelle Neutralität bedacht sein musste, nach den Erfahrungen mit der habsburgisch-spanischen Inquisition, aber auch mit dem intriganten Duisburger Kollegen in seinen religiös-theologischen Äußerungen vorsichtig wurde und in seinen Publikationen möglichst wenig konfessionspolitische Angriffsfläche zu bieten suchte. Wahrscheinlich erklärt sich auch von dieser Vorsicht her der ei-

sen Namen er freilich nicht nennt, sogar Morddrohungen erhalten: „[. . .] tamen est malignissimus homo & veterator pessimus, qui me aliquot iam annis exagitans, turpissimis occupationibus deditum fingere audet, & famosorum scurriliumque libellorum, ac aliorum nescio quorum scelerum apud magnos viros insimulare non veretur, quo illorum odijs me obnoxium faciat & inueniat tandem cuius manu me e medio tollat, iuxta atrocissimarum minarum, quae annis 63. et 64. Calend. Maij mihi in hortum missae fuerunt sententiam [. . .].“ (ebd., fol. (y) 3r) Vgl. dazu Averdunk, Geschichte der Stadt Duisburg (wie Anm. 46), S. 690–697; Averdunk/Müller-Reinhard, Mercator (wie Anm. 3), S. 47 f.; de Smet, Louvain (wie Anm. 40), S. 441. 49 Aufschlussreich sind vor allem die Briefe des Johannes Molanus an Gerhard Mercator vom 28. September 1559 (van Durme, Correspondance [wie Anm. 9], Nr. 33, S. 52 f.) und vom 8. April 1575 (vgl. ebd., Nr. 101, S. 115) sowie der bereits erwähnte Brief Mercators an den Schwiegersohn vom 20. Juli 1575. 38

gentümlich nicht-öffentliche Charakter seines theologischen Œuvres, dessen Konturen ich nun im Folgenden nachzeichnen möchte.

4. „Die kosmographischen Betrachtungen über die Entstehung der Welt“ (posthum 1595) Wie das Erscheinen der „Chronologia“ im Jahr 1569 beweist, verstand Mercator die Kosmographie als eine umfassende Weltbeschreibung, zu der für ihn selbstverständlich auch eine Theorie von der Entstehung der Welt gehörte. Schon seit den 70er Jahren beschäftigte sich Mercator mit einschlägigen kosmologischen Fragen und plante bereits in dieser Zeit, eine umfassendere Abhandlung vorzulegen.50 Sie erschien freilich erst 1595 posthum als genealogisches Prolegomenon in dem bereits erwähnten, von Rumold Mercator herausgegebenen Atlas. Mercators Vorstellungen von der Entstehung der Welt im damaligen Diskurszusammenhang zu verorten, fällt nicht ganz leicht. Im Vergleich zu den zeitgenössischen, teilweise schon eingehend empirische Beobachtungen einbeziehenden Weltentstehungstheorien wirken seine „Kosmographischen Betrachtungen“ mit ihrem Bemühen, eine weithin am biblischen Schöpfungsbericht Gen 1,1–2,4a orientierte Weltentstehungslehre zu entfalten, auf den ersten Blick eher

50 Vgl. Mercator, Bartholomäus: Breves in sphaeram meditatiunculae, includentes methodum & isagogen in uniuersam cosmographiam, Köln 1563, fol. A 3r/v.

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konservativ.51 Die Naturbeobachtung hat in der Mercatorschen Schöpfungsgnoseologie ihren Platz, aber daneben wird die Notwendigkeit einer Erleuchtung durch den Heiligen Geist zur tieferen Erkenntnis der Weltentstehung mehrfach betont.52 Ein zweiter Blick lässt dann allerdings in der Verbindung von biblischer Schöpfungserzählung und philosophisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnis auch durchaus originelle Züge erkennen.53 Das gilt vor allem für die Vorstellung von der Urmaterie. Im biblisch bezeugten uranfänglichen 51 Siehe die unzweideutige Wertung der biblischen Schöpfungsberichte ebd., fol. b [7]v: „Contraximus itaque huc, quam breuissimo potuimus compendio, ex tribus prioribus geneseos capitib[us]. (qui fons sunt & fundamentum omnis philosophiae) pulcherrimum naturae ordinem, per quem omnia existentia disposita sunt, & in suum quaeque locum digesta.“ 52 Siehe Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 3: „Affulgeat lux eius [sc. Dei, M. N.] intellectu nostro, & mentem ad veram hanc sapientiam dirigat.“; ebd., S. 8: „[. . .] praecipue si Spiritus sancti inuocato lumine [. . .].“; ebd., S. 11: „quae potuisset vnquam rerum inter se sympathia nasci? Quam agnosci & obseruari a nobis vsque adeo est necessarium, vt Spiritus sanctus, qui omnia creata in hunc vsum sustinet, & dirigit, per Paulum, Rom. 8. nobis eam uculenter & ampliter describat [. . .].“; ebd., S. 13: „Vnde altissima trinitatis mysteria, veluti per transennam de longe elucent, & aduersus omnes de Trinitate haereses, catholica doctrina insigniter illustrari, & vtcunque disiectis tenebris perspicua magis reddi poterit, si quis inuocato Spiritu sancto, creaturae ad creatorem analogiam pio zelo pro viribus perscrutetur.“ 53 Zu Mercators Vorstellungen von der Entstehung der Welt vgl. die Beiträge von Bäumer-Schleinkofer, SchmitzMoormann, Hoppe und Thiele in dem Sammelband von Büttner, Manfred/Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Band 1, Bochum 1993.

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Chaos, dem sprichwörtlichen Tohuwabohu, erkennt Mercator ein allererstes Schöpfungswerk noch vor dem Hexameron, eine „materia prima“,54 die Merca54 Die auf antike hylemorphistische Vorstellungen zurückgehende Annahme einer „Urmaterie“ (vgl. Weish 11,18 [Vulgata]: „qui fecisti mundum de informi materia“) wurde vor allem von Augustinus in die abendländische Exegese der biblischen Schöpfungsberichte implementiert; siehe ders.: De genesi ad litteram liber unus inperfectus 4 (CSEL 28/1, S. 468,7–10): „[. . .] in principio fecit deus caelum et terram, id est materiam, quae caeli et terrae formam capere posset. quae materia terra inuisibilis et inconposita erat, id est informis et luce carens profunditas: [. . .].“ Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 7: „IN PRINCIPIO inquit, hoc est, [. . .] in illo, inquam, momenti temporis coepit creare, & deinceps CREAVIT DEVS, nulla praehabita materia, ex immensa & incomprehensibilissima potentia sua, informem, rudem, & indegestam massam, ex qua omnia deinceps mundi membra & partes deduxit. In hac materiae creatione, vt in sequentibus omnibus, tria concurrere necesse fuit, potentiae paternae foecunditatem, actuosam praegnantemque Logi potentiam, & foecundificam, impregnantem viuificamque vim Spiritus sancti.“ Ebd., S. 7 f.: „Quod porro caelum & terram metonymice pro eorum materia sumat, postulant sequentia epitheta: THOHV & BOHV, quae eidem massae primum creatae tribuit, quod fuerit informis, vasta, inanis, solitaria, & vacua, eaque epitheta iam non caelo & terrae, sed terrae tantum adiungit, sic lectorem à contemplatione perfectorum corporum, ad primam ipsorum materiam retrahens, neque vero iam terram ipsam in sua forma intelligit verum ipsum chaos indigestum & informe, terrae tamen vocabulo vtens, quia terrae quam caelo similius viciniusque conditione erat. Quin & terrae vocabulum tandem reijcit, dum massam hanc describere pergit, vocatque THEHOM, id est abyssum. [. . .] Limus igitur erat & fusilis materia moles illa primum a Deo creata, non diuersarum naturarum, sed vnius simplicis indiuisae substantiae & formae, habens in se virtutem seminariam terrestris formae & aquae & caelestis, omniumque, quae ex ea massa formaturus erat Deus.“ Mercator sieht die Urmaterie in

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tor, und das ist signifikant, als bereits körperliche Materie begreift und in der er alle späteren geschöpflichen Formen keimhaft enthalten sieht.55

der Bibel mit verschiedenen Ausdrücken bezeichnet; siehe ebd., S. 8: „Iob item cap.38. v.38. prima haec mtaeria [!] APHAR appellatur, hoc est limus, quem Deus initia rerum in solidam terram compegit, Graecis etiam vetustissimis Ïlh hoc est limus dicitur prima omnium rerum materia.“ Zur Bezeichnung „Aphar“ siehe auch ebd., S. 10; 15; 21; 28; 30. 55 Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 9: „Quia vero hoc chaos mater est omnium, non solum inferiorum corporum, sed & caelestium, omniumque quae creata sunt, vt audiemus, non est dubitandum quin elementa omnia caelique omnes ad summum vsque, matris suae indolem, alia plus, alia minus referant, ac pondus aliquod obtineant, quo ad medium inclinentur, sympathiamque suam, tum ad terram, tum inter se mutuo incubatione & contactu, ac veluti sensu exerceant.“ Dass die Formen in der Materie keimhaft enthalten sind, wird von Mercator in kritischer Abgrenzung gegenüber neuplatonischen Vorstellungen einer „formenlosen“ Materie entfaltet; siehe ebd., S. 7 f.; 12 f. Zu entsprechenden Vorstellungen des zeitgenössischen Platonismus siehe etwa Ficino, Marsilio: Praedicationes, De creatione rerum (Opera 1576, Tomus 1, S. 492): „Similiter Deus ab initio unam creauit materiam, prorsus informem, de qua Moses ait: Tenebrae erant super faciem Abyssi: Materia haec in primo suae creationis momento, nec formam habebat, ut dixi, nec etiam magnitudinem.“; ders., Theologia platonica 10,3 (Opera 1576, Tomus 1, S. 226): „[. . .] materia prima, mera materia est, natura sua expers omnino formae, omnibus subiecta formis atque materijs, [. . .].“; vgl. auch Goldammer, Kurt: Die Paracelsische Kosmologie und Materietheorie in ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Stellung und Eigenart, in: Medizinhistorisches Journal, Band 6, 1971, S. 7. Welche geistesgeschichtlichen Traditionen im Hintergrund der Ansichten Mercators über die Erste Materie stehen, bedürfte einer genaueren Untersuchung. 42

Mercator versteht diese „materia prima“ in auffallender Parallelität zu Gott selbst: Sie ist wie Gott etwas Einfaches, Unzusammengesetztes, sie ist durch ihre von Anfang an gegebene Zusammengehörigkeit von Form und Materie etwas Lebendiges. Mercator kann sie schlichtweg „das Leben“ nennen.56 Sie un56 Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 12: „Et quemadmodum substantia Dei incomposita est, non constans materia & forma, sed vna indiuisibilis, etiam cogitatione, essentia: ita & materiae primae siue chai substantia incomposita est, non constans materia & forma aliunde introducta, aut de nouo in ipsa creata, sed est vna simplex essentia vnico actu ab vno simplici ente Deo creata, & substantia vitalis, vitaque siue forma substantialis, siue substantia essentialis, & essentia substantialis (aut quomodocunque vnitas materiae & formae exprimi potest) existens [. . .].“ Wie die etymologischen Ausführungen zu einzelnen hebräischen Begriffen erkennen lassen, dürfte Mercator durch den Humanisten und Theologen Augustinus Steuchus (1496– 1548) beeinflusst worden sein, auf den er ausdrücklich verweist (siehe ebd., S. 15; 22) und dessen „Cosmopoeia vel de mundano opificio“ (Lyon 1535) und „Philosophia perennis“ (Basel 1542) sich nach dem Auktionskatalog in der Mercator-Bibliothek befanden; vgl. den Catalogvs librorvm (wie Anm. 10), fol. 4v–5r, und dazu Penneman (Hg.), Mercator & zijn boeken (wie Anm. 10), S. 26. Wenn auch Mercator die eine oder andere (philologisch nicht immer haltbare) Etymologie des Steuchus übernommen hat, so ließ ihm doch seine deutliche Unterscheidung zwischen Gott und außergöttlicher Wirklichkeit (Welt) kaum Platz für die Rezeption neuplatonischer Emanationsvorstellungen und daraus abgeleiteter Annahmen wie der einer Ewigkeit des „coelum empyreum“; vgl. Friedrich Wilhelm Krücken in: Mercator, Meditationes cosmographicae (wie Anm. 7), S. 284, Anm. 1. Zur Kosmologie der „Philosophia perennis“ vgl. vor allem Crociata, Mariano: Umanesimo e teologia in Agostino Steuco. Neoplatonismo e teologia della creazione nel „De perenni philosophia“, Studi e ricerche. Almo Collegio Capranica – Roma, Tomo 15, Roma 1987.

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terscheide sich von Gott vor allem durch ihren zeitlichen Anfang, ihre Körperlichkeit, ihre begrenzte Macht; aber für alles Geschaffene, was nicht Gott ist, sei sie das Prinzip des Seins.57 Das heißt: Sie ist auch gerade in ihrer Stofflichkeit Prinzip des Himmels, der Engel und der menschlichen Seelen.58 57 Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 12: „Est itaque chaos in ijs quae creata sunt & extra Deum, ens entium, forma formarum, substantia substantiarum, non actu, sed potentia, eaque non extranea, sed intranea, materiam & initium formae praestans, omnibus tanquam mater, verum opifice Deo primum, deinde virtute specifica a Deo instituta, ea formante perficiente & ad partum praeparante.“ 58 Engel und Seelen wurden nach Mercator aus den „himmlischen Gewässern“ erschaffen; siehe Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 20: „Et quadrat huc elegantissimè aquarum supercoelestium creatio, secundo die facta, ex quibus angelos creatos esse fit verissimillimum, nulla enim in omni creatura aptior ad hoc substantia fuit, quam limpidissimus ille & igneus aër, in quo sedem & habitaculum illis esse voluit conditor, nec aliud elementum illorum corporibus conuenientius erat, quam vnde spiritum erant haustura.“; ebd., S. 30: „Et sunt in hoc inferiore mundo adhuc reliquiae eius materiae, ex qua coelestia & supercoelestia creata sunt, vt sit superioris mundi ad inferiorem naturalis inclinatio & sympathia, & inferioris ad superiorem respectus & desiderium, hinc enim & superiorum ad inferiora procliuitas & cooperatio dependet. Nobilissimum autem quod in superiore est mundo, est coelum empyreum, siue aquae supercoelestes, ex quo creatos ostendi angelos, vt etiam ex huius in hoc inferiori mundo reliquijs, generari possit anima rationalis; & quid ni possit, cum ex multo crassiore & ignobiliore materia terrae aurum, quod est incorruptibile generetur. Aeterna igitur & immortalis anima multo magis ex supercaelestium aquarum reliquijs generari potest, vt sit similis angelis, & benedictio ac mandatum Dei ad generandum, ac multiplacandam speciem, potentiam generandi animam ex talibus reliquijs dedit.“ Mercator lehnt damit die Augustinsche Unterscheidung einer doppelten Materie ab. Augustinus

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Sind die von Gott erdachten Formen in der Ersten Materie und damit der Stofflichkeit der Welt immanent, steht die Welt mithin in einer gewissen Affinität zu Gott, so unterscheidet Mercator deutlich die göttliche von der geschaffenen Sphäre und ist bei aller Betonung der Sphärenharmonie doch weit davon entfernt, die Welt selbst zu „vergotten“. Zwar spricht Mercator davon, dass der Heilige Geist die Entstehung und Erhaltung der Welt „begleitet“ („comitatur“).59 Der Geist ist wesentlicher Garant dafür, dass sich die ,Selbstentfaltung‘ der Urmaterie nach den planvollen Vorstellungen Gottes vollzieht, wodurch wiederum alle Kreaturen untereinander in harmonischer Beziehung stehen und sich in ihnen gewissermaßen die göttliche Weisheit widerspiegelt.60 Der hatte unter dem Einfluss des Neuplatonismus eine eigene, in Gen 1,1 mit dem Ausdruck „Himmel“ („caelum“) angedeutete und somit noch vor der „materia corporalis“ erschaffene „materia spiritualis“ angenommen, die er der „formatio“ der Engel wenngleich nicht zeitlich, so doch ontologisch vorausliegen sah; vgl. Mayer, Cornelius: Art. Creatio, creator, creatura, in: ders. (Hg.): Augustinus-Lexikon, Band 2, Basel 1996, Sp. 83. 59 Siehe Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 6. 60 Siehe vor allem ebd., S. 9–12. Dass die Welt geordnet ist, dass sich in ihr die himmlische und die irdische Sphäre entsprechen, ist nach Mercator Folge des Ausgangs der Welt aus der einen keimhaft beformten Urmaterie; siehe ebd., S. 18: „Cum ergo vniuersalis lex naturae per omnia inter se communicantia, eodem modo se habeat, nulli dubium esse potest, quin ea quae ex vno in se conformi nec dissidente prodeunt, ad vnum illud eam obtineant rationem, quam filius ad parentem, & genitum quodque ad suum genitorum, illius naturam aliquo modo referat, & ad illum tanquam suum principium inclinetur, & amoris vinculo alligetur. Eadem ergo coelestium inter se erit ratio, quae est elementarium, quum est vna eadem45

Heilige Geist ist gleichsam das „Gefährt“ („vehiculum“), durch das der Logos-Sohn die Welt erschafft.61 Mercator nimmt auch in den Elementen „geistige Substanzen“ an, in denen die göttliche Schöpferkraft „subsistiert“ und die den einzelnen Dingen Wachstum, Bewegung, Empfindung verleihen.62 Aber er betont doch deutlich, dass der Heilige Geist bei seinem unterstützenden Wirken nicht in die entstehenden Dinge eingeht, er wird kein Teil von ihnen, sondern bleibt für sich und von der Welt geschieden.63 Die que in se conformi & concordi massa creata successiue sint omnia, [. . .].“ 61 Ebd., S. 6: „[. . .] ex filio iam actu producitur mundus, non producitur autem nisi mediante Spiritu tanquam vehiculo, per quod mundus in partes suas diffunditur, & in singulis iuxta propriam cuiusque ideam animatur, [. . .].“ 62 Ebd., S. 17: „Tale autem fieri caelum erat necessarium, postquam mascula vis quae in spiritali substantia subsistit, illi inserenda erat, ad imperfectam horum inferiorum generandi potentiam iuuandam.“ Siehe vor allem auch ebd., S. 23–25. Ebd., S. 25: „Est autem spiritalis substantia, nobilior cuiusque elementi aut corporis generatiui pars, quae attrahendo alimentum, in suam naturam conuertendo, & ad incrementum corporis protrudendo vim ex benedictione & natura habet.“ Zur Vorstellung der „geistigen Substanzen“ vgl. Hoppe, Brigitte: Naturanschauung und Naturwissenschaft in der Kosmographie von Gerhard Mercator, in: Büttner, Manfred/Dirven, René (Hg.): Mercator und Wandlungen der Wissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Duisburger Mercator-Studien, Band 1, Bochum 1993, S. 119 f., und zuletzt Friedrich Wilhelm Krücken in: Mercator, Meditationes cosmographicae (wie Anm. 7), S. 248. 63 Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 6: „[. . .] comitatur item Spiritus opificium per omnia semper, vt quod ipsius impraegnante actiuitate conceptum & viuifica motione formatum, eadem etiam conseruari debet, non autem sic comitatur singula vt in partes diuidatur, sed eo modo in46

Welt – inklusive der Engel und der menschlichen Seele – steht mit ihrem materiellen Prinzip Gott in klarer Trennung gegenüber. Es gibt keine Transitivität des kreatürlichen in das göttliche Sein hinein und umgekehrt. Welche theologischen Konsequenzen sich für Mercator aus dieser Unterscheidung ergeben, wird noch aufzuzeigen sein. Macht sich schon hier ein eigenwilliges, zumindest mit den damals geläufigen kosmogonischen Vorstellungen offensichtlich nicht leicht in Einklang zu bringendes Verständnis Mercators bemerkbar, so lässt sich auch in den Äußerungen zur Erbsünde eine auffallende Akzentuierung beobachten. Hier zeigt sich erneut die bestimmende theologische Perspektive der „Kosmographischen Betrachtungen“: Der Sündenfall ist integraler Bestandteil einer Genealogie der Welt. Er hat zur Folge, dass Adam und seinen Nachkommen der Heilige Geist entzogen wurde.64 Der menschliche diuisibiliter, quo recte Platonici animam mundi singulis adesse pronunciant. Neque etiam pars eorum fit, vt propria eiusque anima aut forma euadat, sed totus secum & per omnia manens, praesens, & ab omnibus diuersus ac separatus, omnia semel ex potentia Patris per Actum Filij in suam quaeque essentiam & speciem format ex materiae essentia gradatim perficiendo, iuxta exemplaris rationem, & omnia deinceps iuxta legem a Patre conceptam struat.“ Noch deutlicher kommt die Gott-Welt-Unterscheidung in dem Antwortschreiben Mercators an den Juristen Aggäus van Albada vom 6. Juni 1581 zum Ausdruck; vgl. dazu unten S. 64–66. 64 Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 31 f.: „Cum ergo peccauit, Spiritu sancto, qui antea illi familiariter cohabitabat, a quo vitam habebat non interituram si, non peccasset, priuatus est, qui illum in vita sancta, gratia & fauore Dei sustinuerat, derelictus ergo familiari Spiritus sancti praesentia, nihil in se sensit quam affectiones carnis, a 47

„Geist“ („animus“) blieb seitdem sich selbst überlassen und geriet unter den Einfluss des „Fleisches“. Damit ist geisttheologisch formuliert, was in scholastischen Urstandslehren gnadentheologisch – im Sinn eines Verlusts der urständlichen Gerechtigkeit – gelehrt wurde. Die Erbsünde besteht für Mercator freilich nicht nur in einer Privation, sondern ist darüber hinaus ein ,positives Übel‘. Die „concupiscentia“, das sich an den Sinneseindrücken entzündende triebhafte Begehren, macht nach Mercator das Wesen der „Erbsünde“ aus.65 Auffallend ist freilich, dass Mercator die solchermaßen verstandene „Erbsünde“ auch durch die Taufe nicht aufgehoben und beseitigt sieht. Die qua pertractus eius animus, vt ex Paulo liquet Rom.7. v.15. & sequentibus vsque ad 24.“ Siehe auch Mercator, Gerhard: In priorem partem epistolae ad Romanos, [s. l., s. a.], fol. 32v. 65 Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 32: „Est autem [peccatum originale, M. N.] carnis concupiscentia, non tantum priuatio iustitiae, sed vera inclinatio ad ea quae carni placent, proinde cum animus eiusdem inclinationis fit consors, non solum priuatur iustitia, sed habet positiuum malum, nimirum perpetuam inclinationem ad carnis placitum, vnde omnia peccata oriuntur, & propterea dicitur illa inclinatio peccatum originale.“ Anders als etwa bei Thomas von Aquin erscheint hier die „concupiscentia“ nicht auf ein rein materiales Moment der „Erbsünde“ zurückgenommen, das für sich betrachtet gar keine Sünde wäre. Sie wird eher als ein komplementär wesensbestimmendes Moment verstanden. Die „permanente Neigung zu dem, was dem Fleisch gefällt“ ist bereits in sich ein „positives Übel“, das eben um seiner verderblichen Wirksamkeit willen „peccatum originale“ genannt wird. Siehe dagegen Thomas von Aquin, Summa theologiae I–II, q.82, a.3, c. (Opera omnia, Tomus VII [ed. Leonina], Romae 1892, S. 97): „Et ita peccatum originale materialiter quidem est concupiscentia; formaliter vero, defectus originalis iustitiae.“ 48

Erbsünde und der Kampf mit ihr dauern vielmehr an, solange wir leben, sagt Mercator.66 Mit diesem radikalisierten Sündenverständnis steht er zweifellos in einer gewissen Nähe zu reformatorischen Positionen. Dass das sündentheologische Kapitel der „Betrachtungen“ als Ganzes in den römischen Expurgationsindex von 1607 kam, zeigt, dass hier in römisch-katholischer Lesart beträchtliche Divergenzen wahrgenommen werden konnten.67 66 Vgl. Mercator, Atlas (wie Anm. 2), S. 32: „Peccatum ergo hoc originale & pugna cum illo, durat vsque ad mortem carnis, sed per fidem in Christum contra illud munimur & seruamur auxilio Spiritus sancti, quemadmomdum Adam seruandus erat, si non peccasset.“ 67 Die „Chronologia“ Mercators erschien erstmals 1580 auf dem Partikularindex von Parma (vgl. Die Indices Librorum Prohibitorum des sechzehnten Jahrhunderts, gesammelt und hg. von Franz Heinrich Reusch, Tübingen 1886, Neudruck Nieuwkoop 1970, S. 581), sodann auf den Indices Sixtus’ V. von 1590 (vgl. ebd., S. 470) und Clemens’ VIII. von 1596 (vgl. ebd., S. 544). 1603 wurde der „Atlas“ – wohl in der zweiten Auflage von 1602 – auf den römischen Index gesetzt „donec corrigatur“; vgl. Baldini, Ugo: Die römischen Kongregationen der Inquisition und des Index und der naturwissenschaftliche Fortschritt im 16. bis 18. Jahrhundert: Anmerkungen zur Chronologie und zur Logik des Verhältnisses, in: Wolf, Hubert (Hg.): Inquisition, Index, Zensur. Wissenskulturen der Neuzeit im Widerstreit, Römische Inquisition und Indexkongregation, Paderborn [u. a.] 2003, S. 237; SchmitzMoormann, Karl: Mercator und die Entwicklung der Exegese im sechzehnten Jahrhundert, in: Blotevogel, Hans H./Vermij, Rienk (Hg.): Gerhard Mercator und die geistigen Strömungen des 16. und 17. Jahrhunderts, Duisburger Mercator-Studien, Band 3, Bochum 1995, S. 213. „Die Nennung im Index von Parma 1581 [richtig: 1580, M. N.] spricht von der ,Cronologia Geraldi Mercatoris, quae a damnatis auctoribus sumpta‘. Averdunk vermutet hier die Benutzung von lutherischen oder calvinistischen Quellen.

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5. Kommentar zum Römerbrief, Kapitel 1–11 (ca. 1585–1590) Was bewog einen vielbeschäftigten Kartographen, Kosmographen, Mathematiker einen ausführlichen Kommentar zu einem der anspruchsvollsten Texte des Neuen Testaments zu schreiben? Den Anlass dazu gab offensichtlich ein theologisches Streitgespräch, in das Mercator „einst“ („aliquando“) geraten war. Wie er seinem Schwiegersohn im Jahr 1575 berichtet, habe er sich nach besagtem Streitgespräch in das siebte

Wahrscheinlicher erscheint mir, den mit dem Text mitgedruckten lobenden Brief des Onuphrius Panvinius als wesentliche Ursache für die Indizierung anzusehen, denn dessen Chronologie wurde bereits 1569 auf den Index gesetzt.“ (ebd., S. 215) Die generatianistischen Ansichten Mercators von der ,Entstehung‘ der menschlichen Seele (siehe Anm. 58) dürften der Grund gewesen sein, weshalb das gesamte 17. Kapitel der „Kosmographischen Betrachtungen“ in dem detaillierter auflistenden „Index expurgatorius“ des Magister Sacri Palatii Giovanni Maria Guanzelli de Brisighella (1556–1619) von 1607 zensiert wurde; siehe Indicis librorum expurgandorum in studiosorum gratiam confecti, Tomus primus, Rom 1607, S. 556 (fehlerhafter Eintrag: „GERALDVS MERCATOR“); vgl. Friedrich Wilhelm Krücken, in: Mercator, Meditationes cosmographicae (wie Anm. 7), S. 316; zum römischen Expurgationsindex vgl. De Bujanda, Jesús Martínez: Die verschiedenen Epochen des Index (1550–1615), in: Wolf, Hubert (Hg.): Inquisition, Index, Zensur. Wissenskulturen der Neuzeit im Widerstreit, Römische Inquisition und Indexkongregation, Paderborn [u. a.] 2003, S. 221–223. Kardinal Bernard de Rojas y Sandoval (gest. 1618) nahm schließlich, bezogen auf die zweite Auflage des „Atlas“ von 1607, die gesamten „Kosmographischen Betrachtungen“ auf den Index; siehe: Index librorvm prohibitorvm et expvrgatorvm [. . .] Bernardi de Sandoval et Roxas, Madrid 1612, S. 363. 50

Kapitel des Römerbriefes eingegraben und einige Meditationen dazu niedergeschrieben, die er einem Freund zur Lektüre überlassen habe, dem sie dann freilich gestohlen worden seien.68 Leider ist nicht mehr festzustellen, wer der theologische Gesprächspartner und wer der lektorierende Freund gewesen sind. Es ist bekannt, dass sich seit den 40er Jahren, als der Druck Habsburgs auf die Niederlande zunahm, nicht wenige reformierte Gläubige zur Flucht ins benachbarte Herzogtum Jülich-Kleve-Berg entschlossen. In Wesel, Duisburg, Gennep, Goch und anderen Orten entstanden reformierte Flüchtlingsgemeinden.69 Möglicher68 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 103, S. 117 (Gerhard Mercator an Johannes Molanus; Duisburg, 20. Juli 1575): „Dilectissime frater, incidi aliquando cum docto quodam et pio viro in disputationem de viribus humanis, quam quaestionem cum ex Rom: 7 determinare et explicare niterer, neque ex tempore et inter oberrantes utrinque ratiocinationes methodum et energiam argumentorum comprehendere et sufficienter exponere valerem, incitatus tum meo studio, tum illius rogatu explicationem septimi capitis scripto concepi, in quo Paulum hoc capite non perpetuo renatum in Christo hominem (ut omnes fere interpretantur) sed primum hominem ante legem, deinde legalem, denique in extremo fine capitis et sequenti octavo renatum in Christo describere demonstravi. [. . .] Hoc scriptum cum cuidam alteri communicassem, ut quid contradici possit ab illo cognoscerem, amissum est; furto, ut suspicatur ille, sublatum; vereor ego, ne ab aliquo illius nostri coryceo [. . .].“ Vgl. die Bemerkung bei van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 103, S. 123, Anm. 16. Ob der Diebstahl von Geldorp veranlasst wurde, lässt sich nur vermuten; vgl. van Raemdonck, Mercator (wie Anm. 8), S. 301, Anm. 3. 69 Zum Prozess grundsätzlich Schilling, Heinz: Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte, Schriften des Vereins für Reformationsge-

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weise sah Mercator das konziliante konfessionelle Klima in seiner Wahlheimatstadt durch selbstbewusst auftretende Exulanten in Gefahr. Nach dem Verlust seines ersten Manuskripts wandte er sich schließlich noch einmal dem Römerbrief zu, jetzt freilich mit dem ambitionierten Vorhaben einer Kommentierung der für die Rechtfertigungs- und Prädestinationslehre einschlägigen ersten elf Kapitel des Briefes. In seinem wohl zwischen 1585 und 1590 verfassten70 Römerbriefkommentar setzt er sich mit denjenigen auseinander, „die von den Kräften des Menschen schwächer als es die Gottebenbildlichkeit erfordert, und von Gott ungerechter als es seine Gerechtigkeit erfordert, zu denken scheinen.“71 Diese Aussage zielte ohne

schichte, Band 187, Gütersloh 1972; ferner Magen, Beate: Hugenotten und andere Glaubensflüchtlinge im Rheinland – wer sie waren und wo sie sich niederließen, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, Band 45/46, 1996/97, S. 141–154; zu Wesel speziell Sarmenhaus, Wilhelm: Die Festsetzung der niederländischen Religionsflüchtlinge im 16. Jahrhundert in Wesel und ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwickelung dieser Stadt, Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel, Band 4, Wesel 1913, Neudruck Wesel 1986; Gorres, Birgit M.: Flüchtlingsproblematik in der frühen Neuzeit am Beispiel von Wesel und Krefeld, in: Wesel. Beiträge zur Stadtgeschichte II, Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel, Band 15, Wesel 1993, S. 176–305; zu Duisburg vgl. Wittenborn, Erich: Zur Geschichte der reformierten Duisburger Klasse im 17. Jahrhundert, in: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes, Band 43, 1994, S. 99–118. 70 Vgl. de Smet, Mercator (Rupelmundanus) (wie Anm. 21), S. 441. 71 Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 1v: „Saepe mihi contigit cum his, qui de viribus humanis 52

Frage auf zeitgenössische Gegner, die sich Mercator freilich dem Namen nach anzugreifen hütete. Explizit genannt wird Calvin, gegen dessen Prädestinationslehre, wie sie im „Consensus Pastorum Genevensis Ecclesiae“ von 1552 greifbar ist, ausdrücklich Bezug genommen wird.72 Sie dürfte auch im Hintergrund der damaligen Kontrahenten Mercators stehen. Bekanntlich hatte Calvin in seinen systematisch-theologischen Schriften seit den späten 30er Jahren die doppelte Prädestination gelehrt, also die Ansicht, dass Gott noch vor dem Sündenfall Adams unabänderlich bestimmt hat, wem er von den Menschen das ewige Heil geben und wem er es verweigern wird.73 exilius, quam imago Dei postulabat, et de praedestinatione dei iniquius quam iustitiae dei competebat sentire videbantur sermones miscere, [. . .].“ 72 Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 150r/v. Siehe Ioannis Calvini opera omnia, Series 3: Ioannis Calvini Scripta ecclesiastica, Volume 1: De aeterna dei praedestinatione/De la prédestination éternelle, ed. Wilhelm H. Neuser, texte français etabli par Olivier Fatio, Genf 1998; deutsche Übersetzung: Johannes Calvin: Von der ewigen Vorherbestimmung Gottes, hg. und üs. von Wilhelm Neuser, Schriften des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland, Band 18, Düsseldorf 1998. Namentlich wird auch Theodor Beza genannt, dessen Ausgabe des Neuen Testaments Mercator offensichtlich benutzt hat; siehe Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 47r. 73 Nach Wilhelm Neuser ist der Wandel von der Erwählungslehre zur Lehre von der doppelten Prädestination bereits im Genfer Katechismus von 1537/38 greifbar; vgl. ders.: Prädestination, in: Selderhuis, Herman J. (Hg.): Calvin-Handbuch, Tübingen 2012, S. 309. Vgl. schon Jacobs, Paul: Prädestination und Verantwortlichkeit bei Calvin, Beiträge zur Geschichte und Lehre der reformierten Kirche, Band 1, Neukirchen-Vluyn 1937, Neudruck Darmstadt 1973, S. 62; Otten, Heinz: Prädestination in 53

Diese Lehre lehnt Mercator vehement ab. Sie erstickt in seinen Augen nicht nur die Willensfreiheit des Menschen, sondern steht auch in Konflikt mit den Gottesprädikaten der Gerechtigkeit und der Güte. Mercator stützt seine Überlegungen auf geradezu klassische Argumente: Ist Gott nicht ungerecht, wenn er einige Menschen aus ihrer Schuld rettet, andere aber wegen ihrer Schuld verwirft? Und macht man Gott nicht zum Urheber der Sünde, wenn man den freien Willen des Menschen so weit einschränkt, dass er über Heil und Unheil, über Gut und Böse zu entscheiden keine Macht mehr hat? Der stark systematisierende, in mancher Hinsicht geradezu schematisch vorgehende Römerbriefkommentar Mercators ist übersät mit rhetorischen Fragen dieser Art. Den klassischen biblischen Belegstellen der Prädestinationsvorstellung (wie z. B. der berühmten ,goldenen Kette‘ in Röm 8,28–30) begegnet Mercator in bewährter argumentationsstrategischer Weise, nämlich durch die Einführung einer Unterscheidung. Gott habe in einem ersten Entschluss bei sich festgelegt, allen Menschen das Heil zu geben, jedoch nicht gegen den Willen des Menschen.74 Nachdem er vorausgesehen habe, dass sich tatsächlich einige Menschen gegen ihn entscheiCalvins theologischer Lehre, Neukirchen-Vluyn 1938, Neudruck Neukirchen-Vluyn 1968, S. 80. 74 Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 183r: „Non igitur de primaria hic agitur praedestinatione ultimi videlicet creationis scopi sed secundaria reparationis in qua electio ad vocandum, vocatioque, causam in deo tantum habent, at quae post vocationem fiunt hominis obedientiam vel inobedientiam sequuntur, obedientiam quidem non ut promerentem, sed ut dignam habitam et beneficia dei gratuita provocantem et causam ut vocant, sine 54

den würden, habe er beschlossen diejenigen, die sich auf sein Heilsangebot einlassen, dann auch letztlich zum Heil zu führen.75 Das „decretum horribile“ wird damit auf einen zweiten Heilsratschluss zurückgenommen, der einer freien menschlichen Willensentscheidung Platz macht. Mercators Exegese greift hier auf den schon in der antiken christlichen Theologie begegnenden Gedanken einer Prädestination „post praevisa merita“ zurück: Gott sieht die auf freier Willensentscheidung basierenden Verdienste der Menschen voraus und bestimmt dann diese Menschen zum ewigen Heil.76 Inwieweit Mercator die diffizile qua non, inobedientiam vero ut promerentem et punitione dignam.“ 75 Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 209r/v: „69. Quos praesciverat (obsequuturos spiritus sui ductui) eosdem et praefiniuit conformes imaginis filij sui, Rom: 8. v.29. Hanc vocat Paulus vocationem iuxta propositum (primae videlicet intentionis et saluificam). Hanc autem electionem vel distinctionis causa voco posteriorem vel finalem, quae quidem in proposito Dei ex praescientia aeterna est, et ad actum praedestinatur, sed in gratiae iam serio obedientibus demum fit actualis. Electionem ad vocandum appello priorem. [. . .] 72. Omnis igitur dei vocatio eo tendit, vt homo saluus fiat, quod si non fit, inobedientis illius culpa est.“ 76 Der Versuch, die göttliche Erwählung an die Voraussicht des verdienstlichen Handelns des Menschen zu koppeln, lässt sich schon bei den antiken christlichen Theologen nachweisen, vor allem bei Origenes. Er wurde von Autoren wie Albertus Magnus, Alexander von Hales, Bonaventura, dem jungen Thomas von Aquin, aber auch Wilhelm von Ockham oder Gabriel Biel ebenso erneuert, wie – in humanistischer Perspektive – von Erasmus von Rotterdam. In der zeitgenössischen Diskussion hatte vor allem der spanische Jesuitentheologe Luis de Molina (1535–1600) den Gedanken mithilfe des Konzepts der „praescientia media“ zu einer einflussreichen Lehre der 55

und gegen Ende des 16. Jahrhunderts differenziert geführte interkonfessionelle Debatte um die Prädestination gedanklich eingeholt hat, wäre eine eigene Untersuchung wert. Da in der Ablehnung der Lehre von der doppelten Prädestination sowohl katholische wie humanistische Autoren (man denke nur an Erasmus’ Auseinandersetzung mit Luther) als auch ein vom späten Melanchthon geprägtes Luthertum zusammenkamen, zeigt die Arbeit Mercators in dieser Hinsicht jedenfalls wenig Signifikanz. Der beachtliche exegetische Aufwand, den Mercator betreibt, beweist allerdings, dass mit der Frage der Willensfreiheit und der Prädestination ein für seine Theologie offenbar sensibler Punkt berührt war, an dem er sowohl sein Gottes- wie sein Menschenbild in Gefahr sah. Indes sind seine Ausführungen auch in diesem Zusammenhang nicht ohne eigene Akzentuierung, die freilich eher mitlaufend, gleichsam zwischen den Zeilen zu lesen ist: nämlich in einem auf den Heiligen Geist hin finalisierten Rechtfertigungsverständnis, dem ein auffallend äußerliches Kirchenverständnis entspricht.77 Das Erlösungs„praedestinatio post praevisa merita“ ausgebaut; vgl. Lemmonyer, [Antoine] [u. a.]: Art. Prédestination, in: Dictionnaire de Théologie Catholique, Tome 12,2, 1935, Sp. 2809–3022, und den materialreichen Überblick von Mahlmann, Theodor: Art. Prädestination V. Reformation bis Neuzeit, in: Theologische Realenzyklopädie, Band 27, 1997, S. 118–156. 77 Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 77v–78r: „Iam ex iustificatis hoc modo hominibus deus ecclesiam suam constituit, quam toti mundo conspicuam esse vult quo eius exemplo omne genus humanum ad eandem religionem et salutem inuitetur vt autem ecclesia haec effica56

werk Christi findet für Mercator sein Ziel gerade darin, dass Christus den Menschen den Heiligen Geist verdiente, wodurch der Weg zur Wiederherstellung der beschädigten Gottesebenbildlichkeit eröffnet wurde. Indem der Mensch „allein durch den Glauben“ – auch diese Formel begegnet einmal bei Mercator – am Verdienstwerk Christi partizipiert, wird er des Heiligen Geistes teilhaftig.78 Zu diesem Rechtfertigungsgeschehen ist eigentlich nur die Wortverkündigung nötig. Die sakramentalen Zeichen dienen eher der Darstellung nach außen. Sie wurden weniger um der Gläubigen willen, als vielmehr zum Zeichen für externe Betrachter eingesetzt. Die Rechtfertigung ist um unserer selbst willen nötig, die Taufe um der anderen citer gentes inuitet, duo habeat necesse est, videlicet vnionis manifesta indicia, et iustitiae ac mutuae dilectionis opera. Per illa enim ecclesia tanquam per propria insignia magis conspicua omnibus redditur et facilius mundi sectis internoscibus, per haec vero ad eius approbationem et delectum gentes prouocantur, natura enim hominis aequa iusta et amica societate delectantur et virtus pietasque per se probatae maxime ad vitae communionem sollicitant. Ad illa spectant sacramenta ecclesiae a Christo instituta, et conventus ad publicas preces et oblationes, et contiones sacras, quibus ecclesia una concors atque ab omni idolatria aliena conspicitur.“ 78 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 203, S. 219 (Gerhard Mercator an Wolfgang Haller; Duisburg, 31. August 1592): „Christus ergo avidus salutis hominum Judeis ac nobis dixit: Nisi ederitis carnem filii hominis, et biberitis ejus sanguinem (fide scilicet litrum illorum) non habebitis vitam in vobis Jo. 6[,54]. Sic voluit in ecclesia suae passionis memoriam et satisfactionem celebrari publice coram toto mundo, ut esset documentum et testimonium omnibus hominibus per solam fidem in satisfactionem et meritum Christi nos vitae restituendos esse.“ Vgl. ebd., S. 218. 57

willen, sagt Mercator pointiert.79 Diese Spur lässt sich in der brieflichen Korrespondenz des Kartographen noch weiter verfolgen.

6. Privatkorrespondenz (1576/1591) Zwei Briefe Mercators bieten interessante Einblicke in seine Abendmahlstheologie. Der eine von ihnen, mit Datum vom 27. Juli 1576, antwortet auf ein nicht mehr erhaltenes Schreiben des Schwiegersohns Johannes Molanus, in dem dieser auf die in Bremen offensichtlich noch immer schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern und Reformierten in der Abendmahlsfrage anspielte.80 Mercator umreißt in seiner Antwort an den Schwiegersohn die Konturen seines eigenen Verständnisses vom Altarsakrament und greift dazu auf die für die symbolische Abendmahlsauffassung signifikante Formel „Panis est sacramentaliter corpus Christi“ – „Das Brot ist ,sakramentlich‘ der Leib Christi“ zurück, die er so erläutert, dass da79 Mercator, Ad Romanos (wie Anm. 64), fol. 79v: „Illa [sc. iustitia imputata et originalis, M. N.] enim ad regenerationem nostri et internam iustificationem, haec [sc. baptismus et iustitia ecclesiastica, M. N.] ad iustitiae testimonium, exemplum proximi et aedificationem spectat, et ad illam est consequens. Illa propter nos est necessaria, haec propter alios, [. . .].“ 80 Zu den Auseinandersetzungen um das Abendmahl nach dem Weggang Albert Hardenbergs (ca. 1510–1574) vgl. Moltmann, Jürgen: Christoph Pezel (1539–1604) und der Calvinismus in Bremen, Hospitium ecclesiae, Band 2, Bremen 1958, S. 16–59; 120–156; Janse, Wim: Albert Hardenberg als Theologe. Profil eines Bucer-Schülers, Studies in the History of Christian Traditions, Volume 57, Leiden [u. a.] 1994, S. 90 f.

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mit gesagt werde, dass das Brot nicht seinem Wesen nach der wahre und wirkliche Leib Jesu Christi sei, sondern nur dessen „Sakrament“81, was vom augusti81 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 109, S. 128 (Gerhard Mercator an Johannes Molanus; Duisburg, 27. Juli 1576): „Intelligi enim potest, praedicatum secundum suam essentiam de subiecto aut absolute, aut conditionaliter dici. Si absolute, tunc necesse est transsubstantiationem ponere et panem iam secundum suam essentiam esse corpus Christi; adeoque falsum erit quod sit sacramentaliter corpus Christi, sive sacramentum corporis, nisi sacramentum et rem sacramenti confundere velimus: quod magnas difficultates, intricatasque et inutiles rixas pariet. Sin[!] vero conditionaliter de subiecto dicitur, ut panis sacramentaliter sit corpus Christi, quid prohibet dicere: panis non est corpus Christi essentiale, aut etiam corpus Christi, intelligendo absolute, hoc est, secundum substantiam et essentiam subiecti, suam inquam. Utrumque enim verum est iuxta antiquiorum Patrum doctrinam, panis absolute, sive secundum suam essentiam non est corpus Christi, et panis secundum quemdam modum, ut habet Augustinus, sacramentaliter videlicet, est corpus Christi.“ Das Adverb „sacramentaliter“ ist freilich bei Augustin nicht nachweisbar. Die Formel wurde von Albert Hardenberg in der Auseinandersetzung 1560 mit seinem lutherischen Gegenspieler Tileman Heshusen (1527–1588) geradezu als Kampfformel gebraucht; vgl. Janse, Albert Hardenberg (wie Anm. 80), S. 239 f. Mit ihr hatte auch Theodor Beza in den Vorbereitungsgesprächen zum Kolloquium von Poissy die Genfer Abendmahlsposition umschrieben; vgl. Correspondance de Théodore de Bèze, Tome 3: 1559–1561, recueilli par Hippolyte Aubert, publ. par Alain Dufour et Henri Meylan, Travaux d’humanisme et renaissance, Tome 61, Genève 1963, Nr. 186, S. 136 (Theodor Beza an Johannes Calvin; St. Germain-en-Laye, 25.08.[1561]): „In summa, nous confessons, dy-je, que panis est corpus sacramentaliter, et pour definir que c’est à dire sacramentaliter, nous disons qu’encores que le corps soit aujourduy au ciel, et non ailleurs, et les signes soient en la terre avec nous, toutefoys aussy vertiablement nous est donné le corps et receu par nous, moyennant la

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nischen Verständnishintergrund Mercators her unzweideutig als „Zeichen“ aufzufassen ist.82 Das Element des Brotes hat für Mercator symbolische Bedeutung, es hat nur Verweischarakter auf Christi menschlichen Leib, der sich offensichtlich anderswo befindet. Es ist Vermittlung („communicatio“), nicht selber schon das Vermittelte.83 Mercator gibt es als Vorteil dieser Formel aus – und das zeigt die bei ihm immer wieder durchscheinenden irenischen Tendenzen –, dass sie über die Real- oder Nicht-Realpräsenz Christi im Abendmahl nichts aussage, die Frage also, auf welche Weise der wahre Leib Christi im Abendmahl gegenwärtig sei, ob tatsächlich in den Elementen oder doch nur in den Seelen der Gläubigen, gerade offen lasse.84 foy en vie eternelle, d’autant que Dieu le promet ainsy, comme le signe nous est donné naturellement entre les mains.“ 82 In seinem Brief an Wolfgang Haller vom 31. August 1592 bezeichnet Mercator die Elemente ausdrücklich als „haec tanquam certa signacula, obsignationes et testimonia“ (van Durme, Correspondance [wie Anm. 9], Nr. 203, S. 220). 83 Den medialen Charakter des Brotes sieht Mercator bei Paulus klar ausgesprochen, dessen rhetorische Fragen in 1 Kor 10,16 er zu der Aussage verdichtet „panis est communicatio corporis Christi“ (van Durme, Correspondance [wie Anm. 9], Nr. 109, S. 129 [Gerhard Mercator an Johannes Molanus; Duisburg, 27. Juli 1576]). 84 Ebd.: „Non tamen hac propositione asseritur aut negatur praesentia veri corporis Christi: quam qui sub poena excommunicationis et condemnationis credi volunt, et hoc nomine perniciosas in Ecclesia turbas concitant, ipsi videant quid agant: iudicium suum ferent. Mysterium hoc maius est quam ut omnes possint intelligere, neque in necessarijs ad salutem fidei articulis continetur; tantum cui datum a Domino est hic intelligit. Proinde sive quis hoc, sive illo modo sentiat, pie tamen, nec aliam inde haeresim 60

Sie formuliert in seinen Augen gleichsam den symbolischen Minimalkonsens, der darüber hinausgehende Vorstellungen einer realen Gegenwart Christi in den Elementen nicht grundsätzlich ausschließt, wobei Mercator keinen Zweifel lässt, dass er die Vorstellung einer Realpräsenz Christi nicht zu den unbedingt heilsnotwendigen Glaubensartikeln zählt. Darüber sollten seiner Ansicht nach auch keine theologischen Kontroversen geführt werden. Wenige Jahre später – 1591 – hatte in einem anderen regionalen Kontext, nämlich in der Niederlausitz, der lutherische Hofprediger Petrus Streuber (ca. 1520–1594) mit seinem „Christlichen Gutachten“ (1591)85 den damals von nicht wenigen Lutheranern contra Dei verbum statuat, eum propterea damnandum minime persuadeor, nec iudico communionem cum huiusmodi hominibus evitandam esse.“ 85 [Petrus Streuber:] Christliches Gutachten wie etwan der schwere Streit so in der Reformierten Kirchen Gottes ein lange zeit hero (leider) gewesen vnd noch ist ohne abbruch der Warheit nach anleitung Göttliches Worts und der Augspurgischen Confession köndte auffgehaben vnd beygeleget werden. [. . .], [s.l.] 1591. Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Untersuchung zu Leben und Werk des Sorauer Hofpredigers fehlt. Zu den mit einiger Sicherheit anzunehmenden Lebensdaten vgl. Klein, Thomas: Der Kampf um die zweite Reformation in Kursachsen 1586–1591, Mitteldeutsche Forschungen, Band 25, Köln 1962, S. 140, Anm. 15. Der spätere Sorauer Oberhofprediger Erdmann Neumeister (1671–1756) weiß von seinem Amtsvorgänger wenig Gutes zu berichten: „D. Petrus Streuberus war fast der erste, der die Eyer zum Syncretismo legte, die hernach zu Helmstädt öffentlich solten ausgebrütet werden. Er verfiel hierauf aus einer boßheit in die andere.“ (von Schade, Herwarth: „Geld ist der Hamburger ihr Gott“. Erdmann Neumeisters Briefe an Valentin Ernst Löscher, bibliothemata, Band 18, Herzberg 1998, 61

heftig befehdeten Versuch unternommen, eben die genannte symbolische Abendmahlsformel „Panis est sacramentaliter corpus Christi“ als Kompromissformel zur Überwindung der innerprotestantischen Lehrdifferenzen in der Abendmahlsfrage auszugeben.86 Es verwundert nicht, dass Mercator dieses Gutachten, das ihm der Weseler Prediger Charles de Nielle d. Ä. (gest. nach 1594)87 übermittelt hatte, in seinem Brief S. 73 [Erdmann Neumeister an Valentin Ernst Löscher; Sorau, 31. Juli 1708]) Vgl. auch Pescheck, [Christian Adolph]: Zur Geschichte des Krypto-Calvinismus in der Lausitz, in: Neues Lausitzisches Magazin, Band 22 (Neue Folge: Band 9), 1844, S. 375–377. 86 Streuber, Gutachten (wie Anm. 85), fol. Biiiv: „Vnd wie ich nu recht sage/Panis est corpus Christi, das Brod ist der Leib Christi/Der Wein ist das Blut Christi/Sacramentaliter, Darumb das diß geheiligte Brod vnd Wein die mittel sein/dadurch Christus vns seinen Leib vnd Blut darbeut vnd exhibiret: So sage ich auch recht Sacramentaliter, der Leib Christi wird gessen/sein heiliges Blut wird getruncken/nit dass es gessen vnd getruncken werde/wie andere speise vnd tranck/Sondern das solch Sacramentlich essen vnd trincken/das heilige mittel ist/dadurch Christus die wunderbare ausspendung seines Leibs vnd Bluts bey dem geniessenden Menschen verrichtet.“ 87 Vgl. van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 203, S. 215 (Gerhard Mercator an Wolfgang Haller; Duisburg, 31. August 1592). Van Durme verwechselt den Weseler Prediger mit dessen Sohn Charles de Nielles d. J. (1576–1652); vgl. ebd., Nr. 203, S. 223, Anm. 2. Zu Charles de Nielle d. Ä. vgl. Sardemann, Gerhard: Geschichte der Ersten Weseler Classe, oder der Reformirten Gemeinden des ehemaligen Herzogthums Cleve, besonders ihres presbyterialen Lebens, gegen das Ende des XVI. Jahrhunderts. Festgabe zur Jubelfeier des Landes von Cleve im Jahre 1859, Wesel 1859, S. 19 f.; Knipscheer, [Frederik Samuel]: Art. Niellius (Carolus), in: Nieuw Nederlandsch Biografisch Woordenboek, Deel 1, 1911, Neudruck 1974, Sp. 1372 f. 62

an den Züricher Theologen Wolfgang Haller (1525– 1601)88 vom 31. August 1592 – und das ist das andere briefliche Schreiben Mercators – ausdrücklich lobend erwähnt und um einige seiner Meinung nach wichtige Betrachtungen ergänzt.89 Aus ihnen wird deutlich, dass es Mercator mit dem solchermaßen nicht-exklusivisch verstandenen symbolischen Abendmahlsverständnis nicht bloß um eine konfessionspolitische Pazifizierungsstrategie im Sinne einer zum Indifferentismus neigenden Irenik ging, sondern um den Ausdruck persönlicher Glaubensüberzeugungen. Der bereits in den „Kosmographischen Betrachtungen“

88 Biographische Artikel zu Wolfgang Haller in der ADB, NDB und im neuen Historischen Lexikon der Schweiz fehlen. Vgl. aus der älteren Literatur Brunner, H[einrich]: Art. Haller, D. Kanton Zürich, in: Historischbiographisches Lexikon der Schweiz, Band 4, Neuenburg 1927, S. 61 f.; Dejung, Emanuel/Wuhrmann, Willy (Hg.): Zürcher Pfarrerbuch. 1519–1952, Zürich 1953, S. 319; Weber, Bruno (Hg.): Wunderzeichen und Winkeldrucker 1543–1586. Einblattdrucke aus der Sammlung Wikiana in der Zentralbibliothek Zürich, Dietikon-Zürich 1972, S. 16/ 18, Anm. 13. Wolfgang Haller hatte nach verschiedenen Pfarrstellen im Züricher Landgebiet 1552 die Stelle des zweiten Archidiakons und 1555 die des Propstes und Stiftsverwalters am Großmünster übernommen. Neben seinen theologischen Studien verfolgte er offenbar auch naturkundliche Interessen. Unter anderem hielt er in den Jahren 1545–1576 die täglichen Witterungsverhältnisse schriftlich fest; vgl. ebd. 89 Der „Catalogvs librorvm“ verzeichnet ein Exemplar der Ausgabe von 1591; siehe ebd. (wie Anm. 10), S. 10. Die fehlerhaften Angaben wurden dann auch übernommen im Transkript von Cherton/Watelet, Catalogus [wie Anm. 10], S. 405: „Petri Gruberi gudachten wie der streit der Reformirt=ten Kirchk [!], und der Augspurgischer Confession kuntte ausgehaben werden. 4. 1591.“

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sichtbar gewordene Gott-Welt-Gegensatz zeigt sich hier erneut, wenn Mercator als die höchstmögliche Form der Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen die Gottesebenbildlichkeit ausgibt und sich gegen jede Vorstellung einer substanziellen Vereinigung von Gott und Kreatur ausspricht. Denn, so formuliert Mercator geradezu axiomatisch, keine Kreatur könne einen Teil der göttlichen Substanz mit Gott gemeinsam haben, sondern sei dieser eben nur ähnlich.90 Deshalb könne eben auch kein Mensch, selbst nicht der mit dem Heiligen Geist begabte Mensch, in die Substanz Gottes eingehen, wie Mercator gegenüber dem Juristen und Schwenckfeld-Anhänger Aggäus van Albada (ca. 1525–1587) betont.91 Zwischen Gott 90 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 203, S. 216, (Gerhard Mercator an Wolfgang Haller; Duisburg, 31. August 1592): „Nulla enim creatura partem divinae substantiae cum Deo communem habet, nec habere potest, sed tantum naturam similem in se creatam, quae est alia numero a Dei natura, alioqui ejusdem cum Deo essentiae esset.“ 91 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 154, S. 169 (Mercator an Aggäus van Albada; Duisburg, 6. Januar 1581): „[. . .] essentia divina, et hominis longissime inter se distant, [. . .].“; ebd., S. 170: „[. . .] virtus SPIRITUS SANCTI, aut Essentia aut Substantia Dei nobis communicetur, non essentialiter, hoc est, in nostram essentiam transmittendo, sed cohabitando, et intus in nobis operando, quemadmodum dicit CHRISTUS: PATER et EGO ad eum veniemus et mansionem apud eum faciemus [Joh 14,23], ita ut praesentia et virtute SPIRITUS SANCTI in nobis qualitates, habitus et naturae divinae generentur, sed quae alterae sint a divina Essentia et Substantia.“ Zu van Albada vgl. van Berkel, Karl: Aggaeus de Albada en de crisis in de Opstand (1579–1587), in: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden, Deel 96, 1981, S. 1–25, und vor allem Bergsma, Aggaeus

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und Mensch ist keinerlei substanzhafte Verbindung möglich. Das hat zur Konsequenz, dass Mercator die Gläubigen im Abendmahl auch nur im übertragenen Sinn an Christus „teilhaben“ lässt; das Abendmahl ist eine im Glauben erfolgende Teilhabe am Verdienst Christi mit der Wirkung der Sündenvergebung.92 Nicht Fleisch und Blut werden geistlich gegessen, sondern Tod und Verdienst des Fleisches und Blutes werden im Glauben ergriffen.93 Der Geist Christi sei wichtiger als sein Leib – so Mercators unzweideutige Gewichtung.94 Auch in diesem Zusammenhang bestä-

van Albada (wie Anm. 18). Mercator korrespondierte mit dem Juristen über dessen Werk „De origine ligni vitae sive de Deo“; vgl. ebd., S. 33 f., 74–110. 92 van Durme, Correspondance (wie Anm. 9), Nr. 203, S. 219 (Gerhard Mercator an Wolfgang Haller; Duisburg, 31. August 1592): „Christus ergo avidus salutis hominum Judeis ac nobis dixit: Nisi ederitis carnem filii hominis, et biberitis ejus sanguinem (fide scilicet litrum illorum) non habebitis vitam in vobis Jo. 6[,53]. Sic voluit in ecclesia suae passionis memoriam et satisfactionem celebrari publice coram toto mundo, ut esset documentum et testimonium omnibus hominibus per solam fidem in satisfactionem et meritum Christi nos vitae restituendos esse. Est ergo coena Domini symbolicus esus, quem Christus in memoriam passionis suae instituit, juxta sententias Luc. 12. v. 18, et I Cor. 11. v. 14 et I Cor. 11. v. 26 [. . .].“ Siehe auch ebd., S. 218. 93 Ebd.: „Esse autem carnem et sanguinem quae sumuntur fide, non substantiam eorum, sed verae carnis et sanguinis mortem et meritum, satisfactionem pro peccatis et litrum, ex his sententiis patet.“ 94 Ebd., S. 223: „Qui verae carnis substantiam edi volunt, hi aspernantur eum loquentem qui de caelis est et dicentem Jo. 6[,63]: Spiritus est qui vivificat (nimirum qui cum litro ex Christo hauritur in coena), caro non prodest quicquam (videlicet ad vivificandum).“ 65

tigt sich noch einmal, dass die Sakramente für Mercator keine eigentliche Gnadenmitteilung sind, sondern ihren funktionalen Schwerpunkt in der Demonstration des Glaubens vor der Welt besitzen.

7. Resümee Überblickt man abschließend die gezeichneten Gedankenlinien, so erscheint der Kartograph als frommer theologischer Autodidakt, der sich ausgehend von seinen naturwissenschaftlichen Fragen beachtlich tief in verschiedene theologische Probleme eingearbeitet hat. Weitere Forschungen zu Mercators Studien, zu seinem universitären Werdegang, zu seinen Korrespondenzpartnern werden diesen ersten Eindruck differenzieren. Im Blick auf die geistes- und theologiegeschichtliche Einordnung sind aufgrund des zurückgelegten Untersuchungsgangs aber schon jetzt folgende Spannungsmomente festzuhalten: Zum einen zeigen Mercators theologische Überlegungen eine gewisse Nähe zur „religion de l’esprit“ 95 des Erasmus von Rotterdam: das Interesse an der Schriftauslegung, die hervorgehobene Stellung des Heiligen Geistes gegenüber Person und Werk Jesu, das symbolische Abendmahlsverständnis mit den in diesem Zusammenhang erfolgenden Wertungen von „Geist“ und „Fleisch“ – das sind Gedanken, die in ähnlicher Wei95 Étienne, Jacques: Spiritualisme érasmien et théologiens louvanistes. Un changement de problématique au début du XVIe siècle, Dissertationes ad gradum magistri in Facultate Theologica vel in Facultate Iuris Canonici consequendum conscriptae, Series III, Tomus 3, Louvain 1956, S. 16.

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se auch schon bei Erasmus begegnen. Doch fehlt dem „Spiritualismus“ Mercators die Dynamik eines platonisierenden Gegensatzes zwischen Geist und Fleisch oder Geist und Materie. Einer scharfen Ausprägung des Gegensatzes als Geist-Materie-Dualismus steht schon die Annahme der Urmaterie als Prinzip allen Seins – auch des geistigen Seins – entgegen; zugleich setzt die deutliche Gott-Geschöpf-Unterscheidung allen antik-humanistischen Vorstellungen einer besonderen Affinität der Menschenseele zum Gottesgeist bestimmte Grenzen.96 Die bleibende Differenz zum Schöpfer wird auch durch die Begabung mit dem Heiligen Geist nicht aufgehoben, wie Mercator gegenüber Aggäus van Albada betont. Zum anderen hat sich gezeigt, dass die auf den ersten Blick geradezu „eklektisch“ anmutende Theologie Mercators im späten 16. Jahrhundert in erheblicher Spannung zu den Lehrsystemen der sich konfessionalisierenden Kirchen steht. Das belegen insbesondere die ekklesiologischen und sakramentstheologischen Ansichten Mercators: ein an Zwingli erinnerndes symbolisches Abendmahlsverständnis auf der einen Seite, das sowohl der römisch-katholischen wie auch lutherischen Auffassung von der realen Gegenwart Christi im Abendmahl widerspricht; zugleich ein für Zwingli 96 Weitere biographische und gedankliche Parallelen zwischen Erasmus und Mercator stellt Kathleen Leys heraus; auch sie konstatiert zu Recht „erasmianische Züge“ im theologischen Denken Mercators – die sie vor allem in der Betonung der menschlichen Willensfreiheit und der kirchlichen Einheit gegeben sieht –, ohne freilich die Differenzen immer hinreichend wahrzunehmen; vgl. dies., Erasmus en Mercator (wie Anm. 1), S. 254 f.

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schwer nachvollziehbares kooperatives Prädestinationskonzept auf der anderen Seite, das römisch-katholischen und auch lutherischen Vorstellungen entgegenkommt. Und beides in Spannung zur Theologie Calvins und seiner Nachfolger. Dass angesichts dieser konfessionssystemischen Inkonsistenz die Mercator-Forschung im Blick auf die konfessionelle Verortung divergiert, dürfte kaum verwundern. Es scheint mir fraglich, inwieweit das etatistisch ausgerichtete, sich an Metaphern der „Blockbildung“ orientierende Konfessionalisierungsparadigma ein geeignetes Modell zur Deutung der Religiosität naturwissenschaftlich ,suchender‘ Persönlichkeiten wie derjenigen Mercators bieten kann. Wie neuere Forschungen zu den Phänomenen der Interkonfessionalität, Transkonfessionalität, binnenkonfessionellen Pluralität oder auch der konfessionellen Ambiguität zeigen,97 waren an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert die individuellen Rezeptions- und Realisierungsformen von obrigkeitlich durchgesetzter „Konfession“ vielfältig. Neben den konfessionell gebundenen Gläubigen standen Ungläubige (im Sinne eines protoaufklärerischen Atheismus), daneben konfessio97 Maßstäbe setzen in dieser Hinsicht die beiden vom Verein für Reformationsgeschichte publizierten Sammelbände: von Greyerz, Kaspar [u. a.] (Hg.): Interkonfessionalität – Transkonfessionalität – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Band 201, Gütersloh 2003, und Pietsch, Andreas/Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Konfessionelle Ambiguität. Uneindeutigkeit und Verstellung als religiöse Praxis in der Frühen Neuzeit, Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Band 214, Gütersloh 2013.

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nell Indifferente, daneben mehrfache Konvertiten, daneben Ireniker, die das als konfessionsübergreifend verbindlich behauptete altkirchliche Erbe beschworen. Mercator lässt sich in das bisher ausgearbeitete Spektrum dieser Rezeptionsformen nicht ohne Weiteres einordnen. Seine Theologie zeigt schwerlich schon die Züge eines indifferenten Konfessionseklektizismus, wie er gleichsam als „Intellektuellenreligion“ („religio prudentum“) des 17. Jahrhunderts nachgewiesen wurde.98 Noch dürfte sie mit einem kontextbedingten Konfessionsopportunismus zu identifizieren sein, so sehr auch Einflüsse des klevischen Umfeldes auf die Theologie Mercators nicht von vornherein auszuschließen sind. Beidem widerspricht das erkennbar ,religiöse Interesse‘ Mercators. Noch ist seine Theologie im eigentlichen Sinne des Wortes irenisch, indem sie über eine (bei Mercator ohnehin nicht leicht feststellbare) Konfessionsgrenze hinausgehend, das Gemeinsame in den Konfessionen sucht, obgleich solche Züge zweifellos in den theologischen Schriften nachweisbar sind. Mir scheint Mercator eher das aus den sich bildenden Konfessionssystemen aufzunehmen, was seiner humanistischen Geist-Religion, vielleicht auch seiner hermetisch beeinflussten Naturphilosophie entgegenkommt. Dass in dieser Geist-Religion vor allem erasmianische und zwinglianische Elemente dominieren, ist evident. Mercator dürfte damit nicht nur ein weiteres, prominentes Bei98 Vgl. dazu vor allem den Beitrag von Mulsow, Martin: Mehrfachkonversion, politische Religion und Opportunismus im 17. Jahrhundert. Ein Plädoyer für eine Indifferentismusforschung, in: von Greyerz (Hg.), Interkonfessionalität (wie Anm. 97), S. 132–150.

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spiel für die typisch späthumanistische Verbindung von Religion und humanistischer Weltanschauung sein. Er ist vor allem auch ein sprechender Beleg dafür, dass Religion in der Frühen Neuzeit selbst oder gerade unter den Bedingungen der Konfessionalisierung ein ausgesprochen komplexes Phänomen ist. Historikerinnen und Historiker sind gut beraten, nicht der Versuchung zu erliegen, die eigene, gegenwärtig erlebte Wirklichkeit für komplexer als die der Vergangenheit zu halten.

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DIN. TIT.|| S. ANASTASIAE.|| ARCHIEPISC. TOLETANI || HISPANIARVM PRIMATIS || MAIORIS CASTELLAE || CANCELLARII.|| GENERALIS INQVISITORIS || REGII STATVS CONSILIARII. &c || AVCTORITATE ET IVSSV || EDITVS.|| DE CONSILIO SVPREMI SENTVS || STÆ. GENERALIS INQVISITIONIS || HISPANIARVM.|| Madrid: Luis Sánchez, 1612. Exemplar: Biblioteca Complutense Madrid, BH DER 6890 [Mercator, Bartholomäus] BREVES IN || SPHÆRAM ME=||DITATIVNCVLAE, IN||CLVDENTES METHODVM || & Isagogen in vniuersam || Cosmographiam,|| HOC EST,|| Geographiæ pariter atque Astronomiæ ini=||tia ac rudimenta suggerentes,|| AVTHORE BARTHOLOMAEO || Mercatore Louanien.|| Cum INDICE rerum & locorum || memorabilium.|| Köln: Arnold Birckmann d. Ä. (Erben), 1563. VD 16 K 2335; Exemplar: BSB München, 2 H.int. 67a, Beibd. 1 [Mercator, Gerhard: Atlas] ATLAS || SIVE || COSMOGRAPHICAE || MEDITATIONES || DE || FABRICA MVNDI ET || FABRICATI FIGVRA.|| Gerardo Mercatore Rupelmundano,|| Jllustrißimi Ducis Juliê, Cliviæ, et Mon=||tis etc. Cosmographo Autore.|| Cum Privilegio.|| DVISBVRGI CLIVORVM.|| (Atlantis || Pars altera.|| GEOGRAPHIA || NOVA || Totius Mundi.||) [Hg. v. Rumoldus Mercator] Düsseldorf: Albert Buyss; Gerhard Kremer d. Ä. (Erben), 1595 VD16 K 2334; Exemplar: ULB Düsseldorf, K475 [Mercator, Gerhard: Chronologia] CHRONOLOGIA.|| HOC EST,|| TEMPORVM DE=|| MONSTRATIO EXACTISSIMA, AB || INITIO MVNDI, 74

VSQVE AD ANNVM DOMI-||NI M.D.LXVIII. EX ECLIPSIBVS ET OBSERVATIONIBVS ASTRONOMI=||cis omnium temporum, sacris quoque; Biblijs, et optimis quibusque Scri=||ptoribus summa fide concinnata.|| AVCTORE || GERARDO MERCATORE,|| Illustriss. Ducis Iuliae, Cliuiae, Bergis, &c.|| Cosmographo.|| Köln: Arnold Birckmann d. Ä. (Erben), 1569. VD16 K 2335; Exemplar: BSB München, 2 H.int. 67 a, Beibd. 1 [Mercator, Gerhard: Evangelicae historiae quadripartita monas] EVANGELI||CAE || historiae quadriparti=||ta Monas,|| sive || Harmonia quatuor Evangelis=||tarum, in qua singuli integri, in=||confusi, impermixti et soli legi po=||sunt, et rursum ex omnibus una || vniversalis et continua || historia ex tempore || formari || Digesta e demonstrata per || Gerardum Mercatorem || Illustrißimi Ducis Juliê || Cosmographum || Duysburgi Cliuorum || [Köln: Gottfried von Kempen], [1592]. VD16 B 4642; Exemplar: ULB Düsseldorf, Bibl.Th. IV. B.24 [Streuber, Gutachten] Christliches Gutachten/|| Wie etwan der schwere || Streit/ so in der Reformierten Kirchen || Gottes ein lange zeit hero (leider) gewesen vnd noch || ist/ohne abbruch der Warheit/nach anleitung Göttliches || Worts vnd der Augspurgischen Confession,|| köndte auffgehaben vnd beygele=||get werden.|| [. . .]|| [s. l.], 1591. VD 16 S 9553; Exemplar: BSB München, Res./Polem. 3134u, Beibd. 6 b) 19.–21. Jahrhundert Sancti Aureli Augustini: De genesi ad litteram libri duodecim. Eiusdem libri capitula. De genesi ad litteram in75

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Zum Autor Marcel Nieden wurde 1965 in Darmstadt geboren, studierte evangelische Theologie in Neuendettelsau, Heidelberg und Erlangen und wurde 1996 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei Berndt Hamm mit der Dissertation „Organum Deitatis. Die Christologie des Thomas de Vio Cajetan“ promoviert (erschienen im Verlag E. J. Brill, Leiden 1997). Von 1997 bis 2004 war er Assistent am Lehrstuhl für Kirchengeschichte der AugustanaHochschule Neuendettelsau bei Wolfgang Sommer. Zu dessen 60. Geburtstag gab er zusammen mit Hans-Jörg Nieden die Festschrift „Praxis Pietatis“ heraus (Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 1999). 2004 habilitierte er sich in Neuendettelsau mit der Arbeit „Die Erfindung des Theologen. Wittenberger Anweisungen zum Theologiestudium im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung“, die 2006 in Tübingen publiziert wurde (Verlag Mohr Siebeck). In den Jahren 2005–2011 arbeitete er als Pfarrer in Gilching/Weßling und hatte in dieser Zeit Lehrstuhl- und Professurvertretungen in Neuendettelsau und Jena. Seit 2011 ist er Inhaber der Professur für Evangelische Theologie/Historische Theologie an der Universität Duisburg-Essen und seit 2013 Geschäftsführender Direktor des dortigen Instituts für Evangelische Theologie.

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