202 30 45MB
German Pages 191 [199] Year 1921
HEINRICH BURKHARDT
FUNKTIONENTHEORETISCHE VORLESUNGEN
NEU
HERAUSGEGEBEN VON
DR. GEORG FABER ORD. PROF. AN DER TECHN. HOCHSCHULE ZU MÜNCHEN
ERSTEN B A N D E S ERSTES HEFT
ALGEBRAISCHE ANALYSIS
BERLIN UND LEIPZIG 1920 VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER
VERLEGER
WALTER DE GRUYTER 8t CO. TORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG :: J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG :: GEORG REIMER :: KARL J. TRÜBNER :: VEIT St COMP.
HEINRICH BURKHARDT
ALGEBRAISCHE ANALYSIS
DRITTE UMGEARBEITETE
AUFLAGE
BESORGT VON
DR. GEORG FABER
ORD. PROF. AN DER TECHN. HOCHSCHULE ZU MÜNCHEN
W B E R L I N UND L E I P Z I G
1920
VEREINIGUNO WISSENSCHAFTLICHER WALTER DE QRUYTER & CO.
VERLEGER
VORMALS G. J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG :: J . GtJTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG :: GEORG REIMER :: KARL J . TRÜBNER :: V E I T Sc COMP.
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzuugareehts, vorbehalten
Druck Ton Metzger & Wittig in Leipzig.
Vorwort. H E I N B I C H BUBKHABDT, der Verfasser dieses Werkes, ist am 2. November 1914, kaum 53 Jahre alt, gestorben. Kein Mathematiker war der Wissenschaft mit größerer Hingabe zugetan als er; alles, was Mathematik hieß, war seiner Liebe und seines Fleißes sicher. Seine unermeßliche Belesenheit blieb kein totes Wissen; das bezeugen nicht zuletzt seine funktionentheoretischen Vorlesungen, deren ersten Bandes erstes Heft hiermit in dritter Auflage erscheint. Nachdem B U B K H A B D T s Lehrstuhl mir übertragen worden war, wünschte der Verlag auch die neuen Auflagen dieser Vorlesungen in meine Hände zu legen. Ich fühle mich von meiner Studentenzeit her den BUBKHABDT sehen Büchern zu Danke yerpflichtet und entzog mich daher nicht der Aufgabe, das meine zu tun, um über den allzufrühen Tod des Verfassers hinaus sein Werk am Leben zu erhalten. Die Abgrenzung und Einteilung des Stoffes der Algebraischen Analysis sind in der Hauptsache die nämlichen geblieben wie bei den zwei ersten von BÜBKHAEDT selbst besorgten Auflagen. Der BU&KHABDT sehen Algebraischen Analysis war gegenüber anderen den gleichen Gegenstand behandelnden Werken eigentümlich, daß sie nicht nur für die Differential- und Integralrechnung sowie für die Funktionentheorie die nötigen Grundlagen lieferte, sondern gleichzeitig zeigte, wie unentbehrlich das kunstvolle Zahlgebäude der Analysis auch für die Analytische Geometrie ist. Ich bin auf diese Frage mit noch stärkerer Betonung eingegangen. Auch sonst habe ich an zahlreichen Stellen durch ausführlichere Darstellung und durch Ergänzungen das Verständnis zu erleichtern versucht, ohne hoffentlich in den von BUBKHABDT mit kluger Absicht vermiedenen Fehler zu verfallen, den Leser gleich von Anfang an durch allzubreite Darstellung von Dingen zu ermüden, die ihm durch lange Übung geläufig sind, aber vielleicht bisher der folgerichtigen Ordnung für ihn ermangelten. Meine Absicht, den Umfang dieses Teilbandes durch die Umarbeitung nicht zu vergrößern, konnte ich
VI
Vorwort.
dadurch erreichen, daß ich einiges ganz wegließ, was meiner Meinung nach teils zur Algebra, teils zur höheren Analysis gehört und mit den Mitteln der algebraischen Analysis doch nur unvollständig behandelt werden kann. Die Beschränkung auf reelle Zahlen habe ich beibehalten, sie ist durch die Anlage des ganzen Werkes bedingt; das Imaginäre kommt im zweiten Teilband reichlich zu seinem Recht. Herrn Dr. M A X FBEIHEBB V. PIDOLL, der eine Korrektur gelesen hat, danke ich vielmals für seine freundliche Mithilfe. Dem Leser möchte ich noch zweierlei anraten: erstens, sich von dem Verlaufe der in diesem Buche vorkommenden Funktionen (x*, ex, log x, sinar usw.) durch graphische Darstellung ein Bild zu machen; zweitens, die drei klassischen Werke der Algebraischen Analysis gelegentlich zur Hand zu nehmen, nämlich EULEBS Introductio' in analysin infinitorum, CATTCHY S Analyse algébrique und ABELS Untersuchungen über die Reihe
BUBKHABDT hat die Vorrede zur ersten Auflage mit folgenden Worten geschlossen: „Zum Schluß möchte ich zur Vermeidung von Mißverständnissen nicht unterlassen zu bemerken, daß ich das Studium eines Buches wie das vorliegende erst dann für zweckmäßig halte, wenn durch eine vorausgehende Beschäftigung mit den Elementen der Infinitesimalrechnung das Bedürfnis nach einer arithmetischen Begründung geweckt ist." Ich möchte die Einladung zum Studium des Büchleins weiter ergehen lassen, insbesondere auch an mathematisch begabte Schüler der oberen Klassen der Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen. Die Mehrzahl der Leser wird zweifellos nach wie vor aus Studierenden der Mathematik bestehen ; aber auch Mathematiklehrer, die ein Bedürfnis fühlen, ihre Kenntnisse aufzufrischen, seien als Leser willkommen. Denn das ist sicher: was die Irrationalzahlen sind und wie man mit ihnen rechnet, was das Zeichen et für beliebige reelle x und positive a bedeutet, was man unter der Konvergenz einer Reihe versteht, das muß heutzutage jeder ganz genau wissen, der Schüler in Mathematik unterrichten will, gleichviel, ob er diese Kenntnisse durch eine Vorlesung (wofür nicht immer und überall gesorgt ist) oder durch ein Buch, ob er sie in jungen Semestern (was mir ratsam erscheint) oder im zehnten oder noch später erworben hat.
M ü n c h e n , Februar 1920.
Georg Faber.
Inhalt. Einleitung. Seite
Aufgaben der algebraischen Analysis Erster ^ 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Abschnitt.
Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen. Die positiven ganzen Zahlen Die Addition Die Subtraktion Die Multiplikation Die Division Gemeinsame Teiler zweier Zahlen Die Potenzierung Der binomische Satz Zweiter
9. 10. 11. 12. 13. 14.
1
4 6 7 10 11 13 16 16 Abschnitt.
Die Null und die negativen Zahlen. Die Brüche. Einführung der Null und der negativen Zahlen 19 Addition und Subtraktion negativer Zahlen und der Null 20 Multiplikation und Division mit negativen Zahlen 22 Einführung der Brüche. Das Rechnen mit Brüchen 24 Widerspruchslosigkeit der aufgestellten Definitionen 26 Verwertung der rationalen Zahlen und ihrer Rechnungsregeln in der Geometrie 28 Dritter
Abschnitt.
Definition der irrationalen Zahlen. Addition und Subtraktion irrationaler Zahlen. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
Notwendigkeit einer dritten Erweiterung des Zahlgebietes . . . . Die DEDEKIND sehe Definition der- irrationalen Zahlen Berechnung irrationaler Zahlen Gleichheit, Größer- und Kleinersein irrationaler Zahlen Darstellung rationaler und «irrationaler Zahlen durch Dezimalbrüche . Addition und Subtraktion der Irrationalzahlen Schnitte im Gebiete der reellen Zahlen. Verwendbarkeit der irrationalen Zahlen in der Geometrie
30 32 35 37 39 43 47
vni
Inhalt. Vierter
8
22. 23. 24. 2526. 27. 28.
Abschnitt.
Der Begriff des Grenzwerts. Multiplikation und Division irrationaler Zahlen. Darstellung einer Irrationalzahl durch eine konvergente Zahlenfolge; das allgemeine Konvergenzprinzip Beispiele .Rechnen mit Grenzwerten Aufsteigende Zahlenfolgen Multiplikation der Irrationalzahlen Division irrationaler Zahlen Schlußbemerkungen über das Rechnen mit Grenzwerten und irrationalen Zahlen Fünfter
Seite
48 51 55 58 60 68 65
Abschnitt
Potenzen, Wurzeln, Logarithmen. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37.
Potenzen mit positiven ganzzahligen Exponenten Potenzen mit negativen ganzzahligen Exponenten Positive Wurzeln aus positiven Zahlen mit positiven ganzzahligen Wurzelexponenten Numerische Berechnung von Wurzeln Wurzeln im Gebiete der negativen Zahlen Potenzen und Wurzeln mit gebrochenen Exponenten Potenzen positiver Zahlen mit irrationalen Exponenten Weitere Beispiele von Grenzwerten Logarithmen Sechster
66 68 69 72 78 75 77 80 85
Abschnitt.
Unendliche Reihen. -38. 39. 40. 41. 42.
Definitionen Geometrische R e i h e n . . . . Harmonische Reihen Kriterien absoluter Konvergenz Konvergenz von Reihen mit abwechselnd positiven und negativen Gliedern 43. Umordnung der Glieder einer Reihe 44. Doppelreihen 45. Rechnen mit unendlichen Reihen Siebenter
90 92 98 94 96 97 100 102
Abschnitt.
Stetige Funktionen. 46. 47. 48.
Veränderliche Größen und Funktionen Rationale Funktionen Stetigkeit der rationalen Funktionen .
.
104 106 109
Inhalt. § 49. 50. 51. 52. 53. 54.
IX
Der allgemeine Begriff des Grenzüberganges , . . . Vom Gebrauch des Wortes „unendlich" in der Analysis Sätze über Stetigkeit Umkehrung einer stetigen und monotonen Funktion Grenzfunktionen und ihre Stetigkeit. Gleichmäßige Konvergenz . Gleichmäßige Konvergenz und Stetigkeit vou Potenzreihenl Das Rechnen mit Potenzreihen
Seite 110 113 116 119 121 124
Achter Abschnitt. Die binomische S e i h e . Die Potenzreihen für den Logarithmus und die Exponentialfunktion. 55. 56. 57. 58. 59. 60.
Eindeutige Bestimmtheit der Potenzreihenentwicklung Die Konvergenz der Binomialreihe Wert der Binomialreihe Die Exponentialreihe Die logarithmische Beihe . . . Berechnung der Logarithmen
. . . . .
129 130 134 137 143 145
Neunter Abschnitt. Die trigonometrischen Funktionen. 61. 62. 63. 64. 65. 66.
Analytische Definition der trigonometrischen Funktionen . . . . Die Periodizität der trigonometrischen Funktionen Potenzreihenentwicklung für Cosinus und Sinus Konvergenz unendlicher Produkte Unendliche Produkte für Cosinus und Sinus Zerlegung der Funktionen Tangens und Cotangens in Partialbrüche
147 150 152 157 159 163
Zehnter Abschnitt. Allgemeine Sätze über Potenzreihen. 67. 68. 69. 70.
Division durch eine Potenzreihe Entwicklung zusammengesetzter Funktionen. bestimmten Koeffizienten Reihenumkehrung Ableitung einer Potenzreihe
Register
.
.
;
Die Methode der un-
166 168 171 176 179
Berichtigungen. S. 3, Z. 1 lies Mafizahl statt Mafistab. S. 3, Z. 18 lies dem statt vom.
EINLEITUNG. Aufgaben der algebraischen Analysis. Die Größen, mit denen die Mathematik sich beschäftigt, sind von zweierlei Art: die einen sind unbeschränkt teilbar, die andern nicht. Als Repräsentanten der Größen der letzteren Art dienen uns die ganzen Zahlen; Größen der ersteren Art sind beispielsweise die geometrischen Größen (Strecken, Winkel, Flächenräume usw.). Gemeinsam ist beiden Arten von Größen, daß sie Verknüpfungen (Addition, Subtraktion, . . .; geometrische Konstruktionen) zulassen, vermöge deren aus gegebenen Größen nach bestimmten Regeln andere abgeleitet werden können; ferner daß diese Verknüpfungen ihrerseits bestimmten Gesetzen unterworfen sind, nach denen man dasselbe Ergebnis erhält, wenn man gewisse Verknüpfungen in bestimmter Reihenfolge nacheinander vornimmt^ wie wenn man gewisse andere Verknüpfungen ebenfalls in bestimmter Reihenfolge ausführt. So ist z. B. a{b + c) =. ab + ac, d. h. man erhält dasselbe Ergebnis, ob man zuerst die ganzen Zahlen b und c addiert und dann mit a multipliziert, oder ob man erst a mit b multipliziert, dann a mit c, schließlich die beiden Produkte addiert. Ebenso wird derselbe Punkt erhalten, ob man den Schnittpunkt zweier Höhen eines Dreiecks bestimmt, oder den Schnittpunkt der einen oder der andern von diesen mit der dritten. Man findet ferner, daß es Verknüpfungen geometrischer Größen gibt, die mit den einfachsten Verknüpfungen ganzer Zahlen die wesentlichsten Eigenschaften gemein haben. Z. B. hat die Aneinanderreihung zweier Strecken derselben Geraden (so daß der Anfangspunkt der zweiten Strecke mit dem Endpunkt der ersten zusammenfällt) die Eigenschaften der Addition der Zahlen; ebenso hat die Bildung des Rechtecks aus zwei gegebenen Strecken als Seiten die Eigenschaften der Multiplikation der Zahlen. Es liegt daher nahe, das einfache und übersichtliche Zeichensystem, das wir zur DarBURKHARDT, Funktionen. I. 1. Dritte Aufl.
1
2
Einleitung.
Stellung der ganzen Zahlen und der mit ihnen vorzunehmenden Verknüpfungen ( + , —,.,:) besitzen, auch für die geometrischen Größen und ihre entsprechenden Verknüpfungen zu verwenden. Aber man erkennt bald, daß jenes Zeichensystem zu diesem Zwecke nicht ausreicht, eben wegen der unbegrenzten Teilbarkeit der geometrischen Größen: es stellt sich daher als erforderlich heraus, neben den Zeichen der ganzen Zahlen noch andere Zeichen einzuführen und diese denselben Rechnungsoperationen wie die ganzen Zahlen zu unterwerfen. Man drückt das so aus, daß man sagt: man erxceitert das Zahlensystemi indem man neben den ganzen Zahlen noch andere Zahlengattungen: negative, gebrochene, irrationale, schließlich auch imaginäre Zahlen einführt. Das Recht zu einem solchen Verfahren könnte man daraus herleiten, daß die Geometrie die Möglichkeit solcher Größen und die Ubereinstimmung der Gesetze ihrer Verknüpfungen mit den entsprechenden Gesetzen der Arithmetik lehrt. Indessen stellen sich der folgerechten Durchführung eines solchen Gedankenganges doch Schwierigkeiten entgegen, von denen hier nur die zwei wesentlichsten bezeichnet seien: Einmal müßten wir, wenn wir uns für die Einführung neuer Größenklassen in die Arithmetik auf die Geometrie berufen wollten, von jeder neueinzuführenden Größenklasse erst eine geometrische Konstruktion angeben; z. B. erst die Konstruktion von Quadratwurzeln mittels des Zirkels postulieren, dann die von Kubikwurzeln vermittelst eines anderen geeigneten Verfahrens usw. Andererseits: die geometrischen Sätze beruhen auf den Axiomen und Postulaten; diese wieder entnehmen wir aus unserer Raumanschauung. Unsere Baumanschauung aber ist wesentlich ungenau; es bleibt immer die Frage, inwiefern wir den idealen Gebilden der Geometrie diejenigen Eigenschaften genau zuschreiben dürfen, die wir an den Gegenständen unserer Erfahrung als näherungsweise richtig erkennen. Wie dem auch sei, jedenfalls ist eine solche Entwicklung^ welche die Geometrie an die Spitze stellen und die Gesetze der Analysis aus ihr ableiten würde, bis jetzt nicht folgerichtig und vollständig durchgeführt worden. Dagegen ist es in der Tat möglich, die Erweiterungen des Zahlensystems, um die es sich handelt, rein arithmetisch zu definieren und die Regeln des Rechnens mit ihnen ebenfalls arithmetisch zu begründen. Tut man das, so muß man nachher bei der rechnerischen Behandlung der Geometrie als ein geometrisches Postulat — und zwar als ein grundlegendes — den Satz ansehen, daß auf irgendeiner Geraden g nach willkürlicher Wahl eines Anfangspunktes A und einer Einheitsstrecke A E jeder Strecke A P eine Zahl
Einleitung.
8
als Maßstab entspricht und daß umgekehrt von A aus nach beiden Seiten hin Strecken mit vorgeschriebener Maßzahl eindeutig abgetragen werden können. Für das Messen und Abtragen von Strecken, deren einer Endpunkt ein von A verschiedener Punkt B der Geraden g ist, ebenso für das Messen von Winkeln und Flächen bedarf es dann keines weiteren Postulats, sondern nur noch geeigneter Definitionen. Mit dieser Forderung einer arithmetischen Behandlung der Geometrie stellen wir uns von vornherein in Gegensatz zu der antiken Auffassung, die in den Elementen des E U E L I D ihren klassischen Ausdruck fand. Dort wird rein geometrisch vorgegangen, ein arithmetischgeometrisches Postulat wie das soeben aufgestellte liegt der E U K L E D schen Geometrie fern. Freilich sind die geometrischen Überlegungen, die E U K L I D anstellt (insbesondere in seiner Theorie der Verhältnisse) häufig nur im Gewände verschieden von unseren arithmetischen. Im Besitze eines äußerst schmiegsamen Zahlensystems, wie es den Alten nicht zur Verfügung stand, sind wir durch unseren Bildungsgang von klein auf und durch unsere tägliche Gewohnheit alle möglichen Größen durch Zahlen zu messen, vom Standpunkt E U E L I D S entfremdet und empfinden das aufgestellte arithmetisch-geometrische Postulat als etwas Natürliches und Selbstverständliches. Praktisch hat unser Vorgehen den großen Vorteil, daß die einmalige Bereitstellung des Zahlensystems mit seinen Rechenregeln nicht nur gleichsam wie ein Gerüst den Aufbau der Geometrie erleichtert, sondern daß damit zugleich die Grundlage für jede rechnende Naturwissenschaft (z. B. Astronomie, theoretische Physik) geschaffen wird. Rein logisch wäre es zwar nicht undenkbar, geometrisch statt arithmetisch vorzugehen, etwa durch Strecken statt durch Zahlen zu messen und zu konstruieren statt zu rechnen; tatsächlich verfährt man auch manchmal so, z. B. in der graphischen Statik. Aber da die geometrischen Konstruktionen stets von beschränkter Genauigkeit sind, während die Rechnung eine unendliche Verfeinerung gestattet, wird der arithmetischen Behandlung meist der Vorzug vor der geometrischen gegeben, und auch diese ist selten eine rein geometrische, sondern meist eine gemischt arithmetisch-geometrische. Nach diesen Vorbemerkungen bezeichnen wir als eine Hauptaufgabe der algebraischen Analysis: die systematische Begründung des Rechnens mit denjenigen Zahlen, deren Einführung in die Analysis durch die Bedürfnisse der Geometrie gefordert wird. An diese Aufgabe schließt sich eine zweite, nämlich: Vorschriften zur Berechnung derjenigen Größen zu geben, die, wie die Logarithmen und die trigonometrischen Funktionen, in den Elementen der Mathematik l*
4
I. Das Rechnen mit positiven ganzen
Zahlen.
schon definiert werden. Die Lösung dieser zweiten Aufgabe hängt enge mit der ersten zusammen. Denn einerseits würden wir bei ihrer Behandlung mit jedem Schritt auf Schwierigkeiten stoßen, wenn wir nicht mit den allgemeinen Gesetzen des Rechnens vorher vollständig ins klare gekommen wären; andererseits wird uns die zweite Aufgabe geeignete Beispiele für die allgemeine Theorie liefern, die ohne solche Beispiele leicht zwecklos und unfruchtbar erscheinen könnte.
ERSTER
ABSCHNITT.
Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen. § I.
Die positiven ganzen Zahlen.
Wir überlassen der Erkenntnistheorie und der Psychologie die Untersuchung darüber, wie man zu den Begriffen des Zählens und der Anzahl gelangt und betrachten die positiven ganzen, oder, wie man sie wohl auch nennt, die natürlichen Zahlen: 1) 1, 2, 3, 4, . . . als gegeben; sie sind für uns Zeichen für alle denkbaren Anzahlen. Auch setzen wir den Gebrauch als bekannt voraus, eine unbestimmte Zahl durch einen Buchstaben zu bezeichnen; bis auf weiteres soll aber ein Buchstabe immer nur eine solche positive ganze Zahl bedeuten; und es soll überhaupt der Name „Zahl" zunächst nur von diesen Zahlen gebraucht werden. Für die natürlichen Zahlen werden wir häufig noch andere Zeichen als die unter (1) erwähnten benutzen, z. B. an Stelle von 2 die Zeichen 1 + 1 oder 6/3- Wir nennen zwei Zeichen a, b, welche die nämliche Zahl darstellen, einander gleich und schreiben: a = b. Eine Zahl a, die in der Reihe (1) weiter rechts vorkommt als eine andere b, heißt größer als A; b heißt dann kleiner als a, in Zeichen: a > b, b < a. Die folgenden fünf Sätze sind unmittelbare Folgen dieser Definitionen. L Wenn a = b und b = c ist, so ist a = c. Es ist a — a; wenn a — b, so ist b = a.
4
I. Das Rechnen mit positiven ganzen
Zahlen.
schon definiert werden. Die Lösung dieser zweiten Aufgabe hängt enge mit der ersten zusammen. Denn einerseits würden wir bei ihrer Behandlung mit jedem Schritt auf Schwierigkeiten stoßen, wenn wir nicht mit den allgemeinen Gesetzen des Rechnens vorher vollständig ins klare gekommen wären; andererseits wird uns die zweite Aufgabe geeignete Beispiele für die allgemeine Theorie liefern, die ohne solche Beispiele leicht zwecklos und unfruchtbar erscheinen könnte.
ERSTER
ABSCHNITT.
Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen. § I.
Die positiven ganzen Zahlen.
Wir überlassen der Erkenntnistheorie und der Psychologie die Untersuchung darüber, wie man zu den Begriffen des Zählens und der Anzahl gelangt und betrachten die positiven ganzen, oder, wie man sie wohl auch nennt, die natürlichen Zahlen: 1) 1, 2, 3, 4, . . . als gegeben; sie sind für uns Zeichen für alle denkbaren Anzahlen. Auch setzen wir den Gebrauch als bekannt voraus, eine unbestimmte Zahl durch einen Buchstaben zu bezeichnen; bis auf weiteres soll aber ein Buchstabe immer nur eine solche positive ganze Zahl bedeuten; und es soll überhaupt der Name „Zahl" zunächst nur von diesen Zahlen gebraucht werden. Für die natürlichen Zahlen werden wir häufig noch andere Zeichen als die unter (1) erwähnten benutzen, z. B. an Stelle von 2 die Zeichen 1 + 1 oder 6/3- Wir nennen zwei Zeichen a, b, welche die nämliche Zahl darstellen, einander gleich und schreiben: a = b. Eine Zahl a, die in der Reihe (1) weiter rechts vorkommt als eine andere b, heißt größer als A; b heißt dann kleiner als a, in Zeichen: a > b, b < a. Die folgenden fünf Sätze sind unmittelbare Folgen dieser Definitionen. L Wenn a = b und b = c ist, so ist a = c. Es ist a — a; wenn a — b, so ist b = a.
§ 1. • Die positiven ganzen Zahlen.
5
II. Wenn a > b ist, so ist b < a und umgekehrt. III. Zwischen irgend zwei Zahlen a und b besteht immer eine und nur eine der drei Beziehungen: a < a = b, a > b. IV. Wenn a < b und b < c ist, so ist auch a ¿ und é > c ist, so ist auch a > c; ebenso wenn a > ¿ und b = c, oder wenn a = fr und é > c ist. Für die natürlichen Zahlen existieren gewisse Verknüpfungen oder Eechnungsoperationen (Addition, Subtraktion usw.), vermöge deren aus je zwei solchen Zahlen eine dritte abgeleitet wird; und es gibt Gesetze, nach denen zwei verschiedene Folgen von nacheinander vorgeommenen Verknüpfungen zu demselben Ergebnis führen. Diese Gesetze köDnen wir aber noch in zwei große Klassen teilen: in fundamentale und abgeleitete. Beim Beweis der ersteren gehen wir aus von der realen Bedeutung der Operationen, dem wirklichen Abzählen gegebener Dinge; beim Beweis der letzteren rekurrieren wir auf diese reale Bedeutung nicht mehr, sondern stützen uns auf die vorher schon bewiesenen fundamentalen Gesetze, indem wir aus ihnen nach den Gesetzen der Logik Folgerungen ziehen. Soll z. B. der Satz a + b = b + a bewiesen werden, so sagt man etwa: man legt a Dinge hin, daneben b Dinge; und nun ist es gleichgültig, in welcher Reihenfolge man die vorhandenen Dinge abzählt. In ähnlicher Weise wird der Satz (a + b) + c = a + (¿ + c) bewiesen. Dagegen kann z. B der in der Gleichung a + (b + c) = c + (b + a) enthaltene Satz folgendermaßen mit Hilfe der beiden ebengenannten abgeleitet werden: a + {b * c) = (b + c) + a = (c + b) + a = c + [b + a).
Man sieht, daß die Beweise der ersteren Art nur für positive ganze Zahlen gelten und sich auf andere Zahlengattungen nicht (z. B. auf die später einzuführenden negativen und gebrochenen Zahlen) übertragen lassen. Die Beweise der letzteren Art dagegen sind ganz unabhängig von der Bedeutung der Zeichen und lassen sich auf alle diejenigen Fälle ohne weiteres übertragen, in denen die bei ihnen benutzten Sätze gelten. Diese Unterscheidung der für das Rechnen mit ganzen Zahlen geltenden Sätze in fundamentale und abgeleitete hat für unsere weiteren Untersuchungen eine wichtige Folge: Wenn wir nacheinander verschiedene neue Arten von „Zahlen" einführen und für jede dieser Arten gewisse Operationen definieren, die wir dann eben-
6
I.
Das
Rechnen
mit positiven
ganzen
Zahlen.
i •• falls mit den Namen Addition, Subtraktion usw. bezeichnen, so wird es unsere A u f g a b e sein, darzutun, daß diese Operationen denselben Gesetzen gehorchen, wie die Operationen mit ganzen Zahlen, denen diese Namen ursprünglich zukommen. Wenn d a s mit jedem einzelnen Gesetze besonders geschehen müßte, wäre es eine sehr umständliche S a c h e ; aber glücklicherweise reicht es aus, diesen Beweis nur f ü r die fundamentalen Gesetze zu führen. Sobald bewiesen ist, daß diese bestehen bleiben, kann sofort geschlossen werden, daß das gleiche auch für die abgeleiteten Gesetze gilt; die im Gebiete der ganzen Zahlen für diese letzteren geführten Beweise bleiben Wort für Wort auch in dem erweiterten Gebiete anwendbar, d a sie j a auf die Bedeutungen der Zahlen gar nicht mehr zurückgreifen, sondern nur auf den vorher schon bewiesenen Eigenschaften der Operationen beruhen. F ü r die später neu einzuführenden Zahlen werden wir auch die durch die Zeichen > , = , < ausgedrückten Beziehungen so zu definieren haben, daß die obigen S ä t z e I bis V in Geltung bleiben. § 2.
Die Addition.
Die erste Operation *der Arithmetik ist die Addition. Sie gestattet, a u s zwei Zahlen, den Summanden a, b eine dritte, die mit a + b bezeichnet und die Summe von a und b genannt wird, nach folgender Vorschrift abzuleiten: a + 1 ist die in der Anordnung § 1 (1) rechts auf a folgende Zahl: d + 2 ist die auf a + 1 folgende Zahl, also a + 2 = (« + l ) + l , ferner a + 3 = (a + 2) + 1, a + 4 = {a + 3) + 1 usw. Die fundamentalen Eigenschaften der Addition sind: I. ihre unbeschränkte Ausführbarkeit, d. h. es gibt in j e d e m F a l l e eine Zahl, die als S u m m e von a und b bezeichnet werden kann; II. ihre Eindeutigkeit, d. h. es gibt nur eine Z a h l , die als S u m m e von a und b bezeichnet werden kann; I I I . ihre Assoziativität, d. h. es ist:
(a + b) + c = a + (b + c); IV. ihre Kommutativität,
d. h. es i s t :
a + b = b +
a;
V . ihre Monotonie, d. h. aus a > b folgt a + c > b + c, was auch c sein mag. Wenn wir die Eigenschaften I I I und I V a u s der Anschauung des Zusammenzählens gegebener Dinge ableiten (s. S. 5) und sie
§ 3. Die Subtraktion.
1
deshalb als fundamentale bezeichnen, und nicht durch logische Schlüsse beweisen, so soll damit der Frage noch nicht vorgegriffen sein, ob es nicht möglich ist, sie auf noch einfachere Anschauungselemente zurückzuführen. Aus diesen fundamentalen Gesetzen ergeben sich dann die übrigen Regeln des Addierens; namentlich der allgemeine Satz, da&' man in einer Summe beliebig vieler Glieder die einzelnen Summanden in beliebiger Auswahl und Reihenfolge zu Teilsummen zusammenfassen darf. Um z. B. zu beweisen, daß {[(« + b) + c] + d\ + 0 = (c + e) + [_{d + a) + b] ist, schließt man so: {[(« + b) + c] + d\ + e = {(o + b) + (c + d)} + e (nach III; = (a + b) + [(c + d) + e] (nach III) = (a + b) + 0 + (c + d)] (nach IV) = (a + b) + [(e + c) + d] (nach III) = [(c + e) + d] + (a + b) (nach IV) = (c + e) + [d + {a + ä)] (nach III) = (c + e) + li d + a ) + (nach III).
§ 3.
Die Subtraktion.
Die Differenz a — f> ist definiert als diejenige ganze Zahl c, die zu b addiert a wieder ergibt; also durch die Gleichung: 1) b + (a - b) = a, wofür wegen der Kommutativität der Addition auch geschrieben werden darf: 1') [a-b) + b = a. Die Subtraktion ist hiernach durch Definition auf die vorder bereits eingeführte Operation der Addition zurückgeführt. Zur Ableitung ihrer Eigenschaften ist es daher nicht 'nötig, auf die Anschauung zurückzugehen; diese müssen sich vielmehr auf logischem Wege aus den Regeln der Addition ableiten lassen. Sie sind also alle nicht als fundamentale, sondern als abgeleitete Gesetze zu betrachten. Auf folgende sei besonders hingewiesen: I. Die Subtraktion ist (im Gebiet der positiven ganzen Zahlen, mit dem wir gegenwärtig allein zu tun haben) nicht unter allen
8
I. Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen. i •
Umständen ausführbar; nämlich nur dann (dann aber auch immer], wenn a > b ist. II. Wenn sie ausführbar ist, ist ihr Resultat eindeutig bestimmt; d. h. es gibt nicht zwei verschiedene Zahlen, die zu b addiert a geben. Das kann durch „indirekten Beweis" gezeigt werden, der überhaupt nicht entbehrt werden kann, wenn es sich um Operationen handelt, die nur als Umkehrungen anderer Operationen definiert sind. Wären nämlich die beiden Zahlen verschieden, so wäre eine von ihnen größer als die andere. Nennen wir jene c l t diese c 2 , so würde aus > c2' nach § 2, V folgen b + Cj > b + cr Dann könnten aber nach § 1, I, III nicht beide gleich a sein; w. z. b. w. III. Es ist: 2)
(a + b) — b =
a.
Denn (a + b) — b ist nach Definition diejenige ganze Zahl c, die, zu b addiert, a + b ergibt. Aber aus a + b = c + b folgt a = c nach § 2, V; denn wäre a > c, so wäre auch a + b > c + und wäre a < c, so wäre auch a + b < c + b. IV. Additionen und Subtraktionen sind untereinander kommutativ und assoziativ, nur muß man beim Setzen oder Weglassen einer Klammer, vor der das Minuszeichen steht, in der Klammer die Vorzeichen ändern. M. a. W. es ist: (a + b) — c = a {b — c) = (a — c) + b = a — (c — b) ^ = {b + a) — c = 6 + (a - c) = {b — c) + a = b — (c - a) und 4)
(a — b) — c = a — (b + c) = (a — c)
b = a — (c + b).
Z. B. wird die Gleichheit des ersten und letzten Gliedes von (3) folgendermaßen bewiesen: sei [a + b) — c = d, so ist d diejenige Zahl, für die d + c = a + b ist. Ist andererseits b — (c — a) = e, so folgt: b = e + {c — a),
also
a + b = a + [e + (c — a)] = [a + (c — a)] + e,
und das ist nach (1):
= c + e.
Vorhin war bewiesen, daß d + c = a + b ist. Also folgt: e + c = d + c und daher nach § 2, V: e = d, w. z. b. w. Die Gleichheit des eisten und- zweiten Gliedes von (3), d. h. die Gleichung 5)
[a + b) - c = a + (b - c)
§ 3.
9
Die Subtraktion.
beweist man so: Bezeichnet man wieder die linke Seite von (5) mit d, die rechte mit f , so ist einerseits nach (1): d + c = a + b,
andrerseits nach § 2, III: f + c = a + [(6 - t ) + c]
= a + b [nach (L')], also d + c = f + c, somit nach § 2, V: d = f , w. z. b. w. In ähnlicher Weise sind die übrigen Gleichungen (3) und (4) zu beweisen. Voraussetzung dieser Beweise- ist hier übrigens, daß alle vorkommenden Subtraktionen ausführbar sind. V. Die Subtraktion ist monoton in dem Sinne, daß aas b> c
folgt:
b — a > c — a,
dagegen:
e — b- < e — c.
Eine Verbindung mehrerer Zahlen durch Additionen oder Subtraktionen nennt man ein Aggregat. Die Regeln für die Umformung eines solchen durch Setzen und Weglassen von Klammern, sowie durch andere Anordnung der Terme ergeben sich durch wiederholte Anwendung des Satzes IV; wir setzen sie hier als bekannt voraus. Um uns später darauf berufen zu können, stellen wir hier noch folgende Formeln über Differenzen zusammen: VI.
VII.
VIII. IX.
(a + b)-{a
+ c) = b - c ,
(b - d)-(c
- d)=*b -
c.
a — b>c — d, falls a + d > b + e, a — b = c — d, „ a + d = b + c, „ a+ d b + c. a — b < c — d, (a - b) + (c - d) = (a + c) - {b + d). {a-b)-{c-d)
= {a + d)-{b
+ c).
Wir geben als Beispiel den Beweis von IX und überlassen die übrigen Beweise dem Leser. Wäre IX falsch und etwa, um eine Festsetzung zu treffen, 6) {a + d) - t& + c) > {a — b) - (c - d), so wäre wegen der Monotonie der Addition (§ 2, V) auch (b + c) + [(a + d) - {b + c)] > (b + c) + [{a - b ) - ( c - d)] ;
benutzt man hier für die linke Seite Gleichung (1) und für die rechte Gleichung (5), so ergibt sich weiter a + d>[(b
+ c) +
(a-b))-{c-d),
10
I. Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen. i • d. h. nach § 2, III und IV: a + d > [c + {6 + (a - ¿)|] - (c - d), mithin nach (1) und § 2, IV: a + d > {a. -f c) — [c — d) oder nach (5) a + d > a + [c — (c — d)], a + d>a + d; die Annahme (6) führt somit auf einen Widerspruch. § 4.
Die Multiplikation.
Die Operation der Multiplikation wird auf die der Addition zurückgeführt durch die Definition: Unter dem n-fachen von a versteht man eine Summe von n Summanden, deren jeder gleich 1 gültige Definition wird ergänzt durch die Festsetzung: "7 1 a = a. Die fundamentalen Eigenschaften der Multiplikation sind: I. ihre unbeschränkte Ausführbarkeit, die aus der unbeschränkten Ausführbarkeit der Addition folgt; II. ihre Eindeutigkeit, die sich ebenfalls aus der entsprechenden Eigenschaft der Addition ergibt; III. ihre Kommutatioität: na — an, die sich daraus ergibt, daß man ein System von n Zeilen zu je a Einheiten auch als ein System von a Kolonnen zu je n Einheiten ansehen kann; IV. ihre Assoziatioität: a(bc) = (ab)c, die in gleicher Weise sich aus einer parajlelepipedischen Anordnung der Einheiten ergibt, aber auch aus der Definition (1) abgeleitet werden kann; V. ihre Monotonie: aus a > b folgt ac > bc, die sich wieder aus der entsprechenden Eigenschaft der Addition ergibt.
§ 5.
Die
Division.
11
Wir bringen die Kommutativität schon in der Benennung zum Ausdruck, wenn wir von den beiden Faktoren n und a reden, statt von dem Multiplikator n und dem Multiplikandus a. Die Eigenschaften I bis V sind der Addition und der Multiplikation gemeinsam. Hat man also z. B. die am Ende von § 2 erwähnte Eigenschaft der Addition durch logische Schlüsse aus den fundamentalen Eigenschaften abgeleitet, so ist damit zugleich der Satz bewiesen, daß man das Ergebnis mehrerer nacheinander auszuführender Multiplikationen, wie z. B. 2)
{[(ab)c]d\e
unverändert erhält, wenn man die Faktoren a, b, c, d,"e in beliebiger Reihenfolge und nach beliebiger Zusammenfassung in Teilprodukte miteinander multipliziert, z. B. (c e) \_{d a) 6] . Weiter gilt: VI. Addition und Multiplikation sind miteinander verbunden durch das Distributionsgesetz: 3) a (b + c) = a b + a c , dessen Beweis sich ergibt, indem man die Summe von b + c Summanden a nach dem Schlußsatz von § 2 in zwei Teilsummen, die eine von b Summanden, die andere von a Summanden zerlegt. Aus diesen fundamentalen Sätzen ergibt sich dann wieder eine große Menge abgeleiteter durch rein logische Operationen. Insbesondere beweist man indirekt die Regel für die distributive Verbindung von Multiplikation und Subtraktion: 4)
a{b — c) — ab — ac
und dann die allgemeine Regel für die Multiplikation zweier Aggregate, die man wohl in der Form zu geben pflegt: plus mal plus gibt plus, plus mal minus gibt minus, minus mal plus gibt minus, minus mal minus gibt plus. Man beachte aber, daß hier von negativen Zahlen noch nicht die Rede ist. § 5.
Die Division.
Der Quotient a\b oder y (auch wohl a/b) ist definiert als diejenige ganze Zahl, die mit b multipliziert wieder a ergibt: 1)
b. \a: ö) = a ,
1')
{a: b). b = a .
12
I.
Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen. i Die Division steht demnach zur Multiplikation in derselben Beziehung, wie die Subtraktion zur Addition. Da alle Gesetze der Addition auch für die Multiplikation gelten (vgl. § 4), so folgt, daß auch alle Sätze von § 3 bestehen bleiben, wenn wir überall das Zeichen + durch das Zeichen . und das Zeichen — durch das Zeichen : ersetzen. Ferner erhalten wir — wieder durch indirekten Schluß — aus den Distributionsformeln für die Multiplikation die entsprechenden für die Division: a± b c
a e
b e
(Formeln, wie die eben angeschriebene, in denen doppelte Vorzeichen vorkommen, sind so zu verstehen, daß entweder überall das obere oder liberall das untere Vorzeichen gelten soll; das gleiche gilt für die Zeichen > , = , < in Formeln, wie der unten folgenden IL) Voraussetzung dieser Beweise ist freilich, daß alle vorkommenden Divisionen ausführbar sind. In dem Gebiete der natürlichen Zahlen, auf das wir uns bis jetzt beschränken, ist eine Division dann und nur dann ausführbar, wenn der Zähler ein ganzzahliges Vielfaches des Nenners ist. Unter fortdauernder FesthaltuDg an dieser Voraussetzung beweist man folgende Divisionssätze: y ac a aie a Te ~ T' bTc ~ ~b ' II. 4- = 4 je nachdem ad=,bc b < d y < rrr
d T
yrr
a, e ad — be T~~d ~ b~d~ '
+
C ~d
\
ad + ¿8 Td '
Wir beweisen beispielsweise I I I und V und überlassen es dem Leser, nach diesem Muster die übrigen Sätze zu beweisen. Bezeichnen wir die Summe •T- + "T kurz mit s,
§ 6.
Gemeinsame Teiler zweier Zahlen.
13
so folgt aus § 4, VI: {bd).s~
[f>d)j
+
= a d + bc
[bd)±
(nach § 4, III und IV) (nach § 5, (1)), w. z. b. w.
Beweis zu V: wäre so wäre auch
a c ___ ac !> ' ~d '
also mithin
a c ^ a c (§5,(1')) im Widerspruch mit § 1 , 1 . Satz VI ist ganz ähnlich zu beweisen; statt dessen können wir uns auch darauf berufen, daß wir Satz IX von § 8 bewiesen haben und daß wir dort überall die Zeichen + , — durch .,: ersetzen dürfen.
§ 6.
Gemeinsame Teiler iweier Zahlen.
Wenn die Division von a durch b ausführbar ist, so heißt a durch b teilbar, b ein Teiler von a. Dabei gelten die folgenden Sätze: I. Jede Zahl ist durch sich selbst teilbar. II. Jede Zahl ist durch 1 teilbar. III. Ist a durch b und b durch c teilbar, so ist auch a durch c teilbar. IV. Ist a durch b teilbar und ist c irgendeine dritte Zahl, so ist auch ac durch b teilbar. V. Sind durch b teilbar und sind c,, c„ ..., c„ irgendwelche andere Zahlen, so ist auch alci ± a2c2 ± . . . + ancn durch b teilbar. Alle diese Sätze ergeben sich unmittelbar aus den Fundamentalgesetzen der Multiplikation (§ 4). Wenn irgend zwei voneinander verschiedene Zahlen a, b gegeben sind, so kann man sich die Aufgabe stellen, diejenigen Zahlen zu finden, die gleichzeitig in a und in b aufgehen. Diese Aufgabe kann folgendermaßen gelöst werden. Sei die Bezeichnung so getroffen, daß a > b sei; dann wird die Division von a durch" b einen Quo-
14
I.
Das Rechnen mit positiven ganzen Zahlen.
tienten qt ergeben und einen Rest rv der kleiner als b ist. Wir können dann weiter mit in b dividiereis; dann werden wir einen Quotienten r a , . . . ist jeder kleiner als der vorhergehende; also muß man schließlich, wenn nicht schon vorher eine Division aufgeht, auf einen Rest 1 kommen, der dann in den vorhergehenden sicher aufgeht. Man erhält also in jedem Fall eine vorletzte Gleichung: r n-2 = 9nrn-l + rn und eine letzte: r n—1 = 9n+1 r » ' Da sonach r,n—X , durch r n teilbar ist,' so kann man nach V aus der vorletzten Gleichung schließen, daß auch r n _ 2 durch rn teilbar ist. Dann folgt ebenso aus der drittletzten Gleichung, daß auch r B _ s durch r n teilbar ist usw. Schließlich folgt aus der dritten Gleichung, daß rv aus der zweiten, daß b, und aus der ersten, daß a durch rn teilbar ist. Also ist rH gemeinsamer Teiler von a und b. Andererseits folgt nach V aus der ersten Gleichung, daß jeder gemeinsame Teiler von a und b auch ein Teiler von r t sein muß; dann ebenso aus der zweiten, daß er auch ein Teiler von r 2 sein muß usw.; schließlich aus der vorletzten, daß er auch ein Teiler von rn sein muß. Man nennt deshalb rn den größten gemeinsamen Teiler von a und b. Ist der größte gemeinsame Teiler von a und b die Einheit, so heißen a und b zueinander relativ prim oder teilerfremd. Entnimmt man rn _1 aus der drittletzten Gleichung r
»-s = ?n-l rn—2 + ''n-l und setzt es in die vorletzte ein, so erhält man: r
n = C1 + 9n-l 9n)rn-i ~ Wn-S aus dieser Gleichung und aus der viertletzten: T
n—4 = In—2 7'n—3 +
T
n~i
:
§ 6. Gemeinsame Teiler zweier Zählen.
15
erhält man: r
n = (! + ? n -l 7») rn-i - (?»_2 + 1„ + In-2 Vn-1 In) Tn-Z • So fortfahrend erhält man jedesmal rn dargestellt als „lineare Verbindung" zweier aufeinander folgender Reste und schließlich auch als lineare Verbindung der ursprünglich gegebenen Zahlen a und b selbst. Es gilt also der Satz: VI. Ist rn der größte gemeinsame Teiler zweier Zahlen a, b, so kann man entweder zwei andere Zahlen M, N so bestimmen-, daß die Gleichung Ma — Nb = rn besteht, oder so, daß die Gleichung: Nb — Ma = rn besteht. Sind a, b teilerfremd, so erhält man speziell den Satz: Via. Sind a, b teilerfremd, so kann man entweder zwei Zahlen M, N so bestimmen, daß: Ma — Nb = 1 oder so, daß Nb — Ma = 1 wird. Umgekehrt, wenn es möglich ist, zwei solche Zahlen M, N zu finden, müssen a und b teilerfremd sein. Denn jeder gemeinsame Teiler von a und b müßte nach Satz V auch in 1 aufgehen. Aus diesem Satz kann nun geschlossen werden: VII. Wenn a zu b teilerfremd, ac aber durch b teilbar ist, muß c durch b teilbar sein. Denn nach Voraussetzung kann man M und jVso bestimmen, daß entweder Ma — Nb = 1 oder — Ma = 1 wird, d. h., daß entweder Mac — Nbc*=c oder Nbc — Mac = c wird. Hier ist jeder Bestandteil der linken Seite durch b teilbar: Mac nach Voraussetzung und Satz IV, Nb c, weil hier b als Faktor auftritt. Also muß nach V auch c durch b teilbar sein, w. z. b. w. Als Beispiel für die Rechnungen dieses Paragraphen diene die folgende: 243 = 1-147 + 96 3 = 45 - 7-6 147 1 • 96 + 51 = 8-45 - 7-51 96 = 1-51 + 45 = 8-96 - 15-51 51 = 1-45 + 6 = 23-96 - 15-147 45 = 7-6 + 3 = 23-243 - 38-147 6 = 2-3
I.
16
Das Rechnen mit positiven § 7, m
Die Potenz
a
ganzen
Rahlen.
Die Potenzierung.
ist definiert
als ein Produkt
von tn Faktoren,
deren
jeder gleich a ist. Sie steht also zur Multiplikation in derselben Beziehung, wie diese zur Addition, Aus dieser Definition und aus den bewiesenen Multiplikationsgesetzen ergeben sich ohne weiteres die Gesetze des Potenzierens: I. unbeschränkte Ausführbarkeit; I I . eindeutige Bestimmtheit;
Iii. Monotonie, d. h. aus a > b folgt am > bm und aus m > n, a > 1 folgt am > an ; IV. am an = am + n ; V. am:an = am ~ " (m > n). VI. (am)n = amn; V I I . (ab)m = am-bm, [a: b)m = am : bm. § 8.
Der binomische Satz.
Von den abgeleiteten Sätzen über Potenzen sei hier nur der binomische Satz, d. h. die Regel für die Umformung der Potenz eines Binoms a + b in eine Summe von Produkten von Potenzen von a und b ausführlicher ¡erläutert. Durch direkte Ausführung der Multiplikation erhält man zunächst für die kleinsten Werte von m\ a + b
=
a +
b,
2
(a + b) = (a + b) (a + b) = a2 + 2 a b ^
s
s
2
+ b3,
(a + b) = (a + bf(a + b) = a + 3a b
+ 3 ab*
+
{a + bf = (a + ¿)3 (a + b) = a* + 4a3b
+ 6a2bi
+ 4 ab* +
b*.
Danach wird man vermuten, es werde {a + b)m gleich sein am + bm + einer Summe von Produkten am~kbk , von der Art, daß jedesmal die Summe der Exponenten gleich m ist; jedes dieser Produkte noch multipliziert mit einem von a und b unabhängigen Zahlenfaktor. Bezeichnen wir diesen Faktor, wie es üblich ist, mit:
(m über k), so können wir das vermutete Ergebnis zunächst in der Form ansetzen:
' 8.
17
Der binomische Satz.
Um dieses Resultat zu bestätigen, wenden wir den sog. „Schluß von m auf m + 1" an. Multiplizieren wir nämlich beiderseits mit ü + b, so erhalten wir:
(a + Äf+
+
+ ( ™)am~ ^ + - + (™)am~* +1 b" + •• + [mZ
+ a'b +
J a ' A - ^ + aA»
+ - +
+' (\mm — 2/
+ •••
+
m , U i " + Ä- + 1 , ( \m — 1)
'
oder wenn wir j e zwei Glieder, die dieselben Potenzen von a. und b enthalten, vereinigen: (• + i ; - "
«• • • + [ ( 7 ) + 1 ] «• i + [(™) + ( T ) ] « " " ' ' ' + •• •
3)
Dadurch ist einerseits gezeigt: wenn eine Gleichung von der Form (2) für irgendeinen Wert m des Exponenten besteht, so besteht eine Gleichung von derselben Form auch noch für den um eine Einheit höheren Wert m + 1 des Exponenten. Nun besteht eine solche Gleichung nach (2) für m = 1, m = 2, m = 3, m = 4 ; also besteht sie auch für m = 5 , also auch für m = 6, . . . und überhaupt für jeden Wert von m, w. z. b. w. Andererseits gibt uns die Gleichung (3) auch die Möglichkeit, die Koeffizienten ^ j , die Binomialkoeffizienten, wie man sie nennt, in rekurrenter Weise zu berechnen. 4)
r r ) - ( " )
+ i
'
C i ' j - u j -
ist, und daß für k = 2, 3 , . . formel) gilt: »)
r r )
Si^ zeigt nämlich, daß: 1
m — 1 die Gleichung (Rekursions-
-(:)+(»".)•
Wir können die aus diesen Gleichungen sich ergebende Rechnungsregel schematisch durch das sog. „Pascalsche Dreieck" darstellen: BURKHARDT, Funktionen.
I . 1.
Dritte Aufl.
2
18
I.
1 10
1 9
1 8 45
Das Rechnen mit positiven
1 7 36
1
1
5
6
21
28
84
120
1 4 15 56 210
1
1 3 10 35 126
1
2
3
6
10
20
35
70
126
252
ganzen
1 4 15 56 210
1 5 21 84
Zyklen.
1 6 28 120
1
1
7 36
1
8
9
45 •
1 10
(?),
in dem das erste und letze Element jeder Zeile 1 ist, während jedes dazwischen liegende' gleich der Summe der beiden darüber stehenden ist. Die Elemente der (m + l) ten Zeile sind die zum Exponenten m gehörenden Binomialkoeffizienten. Die Tabelle zeigt, daß = ¿j ist, was sich leicht aus Symmetriegründen erklärt. Man kann die Binomialkoeffizienten auch foch auf einem ganz andern Wege ermitteln, und zwar independent, d. h. jeden einzelnen gesondert, ohne daß man vorher alle vorhergehenden berechnet zu haben braucht. Man erhält nämlich jedesmal ein Produkt am~kbk, wenn man aus h der Faktoren (a + b) den Summanden b und aus den m — k andern den Summanden a herausgreift. Man erhält also so viele solche Produkte, als die Zahl beträgt, die angibt, auf wie viele verschiedene Arten man k Dinge aus m Dingen herausgreifen kann. In der Kombinationslehre wird gezeigt, daß diese Zahl den Wert hat: m\ lt\{m -~k)\ '
wenn, wie es üblich ist, mit ml das Produkt aller ganzen Zahlen von 1 bis m bezeichnet wird. Wir wollen uns hier damit begnügen, die Richtigkeit dieses Wertes für den Binomialkoeffizienten durch den Schluß von m auf m + 1 zu beweisen. Angenommen also, es sei bereits gezeigt, daß: / w V— '
m
~
(
U ) ~ ~k\(m — k)\ '
m
\
—
—
\ k - l ) ~ (k - 1 )\(m - k + 1)!
so folgt aus (5): fm + 1\ _ m\ tu ' r (4 - X)! (m - k + 1)1 I k l t™ — k\ (im - k)\ m\ (k - l)lk(m - k)l
+
m\ (fc - 1)! (m - k)! (m - k + 1)
(1+ l ) (k — 1)!(TO — k)\ \k T m - k + 1 ) m\ m + 1 (m +1)! ~{k- 1)! (m - k)\ ' k(m - k + 1) — ld(tn+T -~kj\
§ 9. Einführung der Null und der negativen Zahlen.
19
Wenn also die erste Gleichung (6) für irgendeinen Wert von m und alle kleineren Werte von k richtig ist, so ist sie auch für den um eine Einheit größeren Wert von m richtig. Nun gilt sie für m — 2, wie man sich durch direkte Ausrechnung Uberzeugt; also gilt sie allgemein, w. z. b. w. (Für k =s 1 oder k = m — 1 muß man statt der Gleichung (5) eine der Gleichungen (4) benutzen.)
ZWEITER ABSCHNITT. Die Null und die negativen Zahlen. § 9.
Die Brüche.
Einführung der Null und der negativen Zahlen.
Um zu sehen, wie weit die bisher allein für uns vorhandenen natürlichen Zahlen 1, 2, 3. 4, 5 . . . für die Geometrie nutzbar zu machen sind, betrachten wir eine Gerade und als einzige geometrische Operation dfts Abtragen einer willkürlich gewählten Einheitsstrecke auf ihr von einem willkürlich gewählten Anfangspunkte A, sowie von allen durch dieses Abtragen erreichten Punkten aus. Tragen wir die Strecke vorerst nur nach einer Seite hin ab, sagen wir, um uns kurz auszudrücken, nach rechts hin, so gelangen wir von A aus nacheinander zu Punkten, denen wir der Reihe nach die Zahlen 1, 2, 8, 4, . . . zuordnen können. Man nennt diese Zahlen auch die Abszissen der Punkte und spricht kurz vom Punkte 1, 2 . . . , allgemein vom Punkte a, b. Es ist klar, daß man zu den Punkten a + b und a — b gelangt, wenn man vom Punkte a aus die Einheitsstrecke b mal nach rechts und b mal nach links abträgt. Während aber die Differenz a — b an die Bedingung a > b geknüpft war, kann man die Einheitsstrecke beliebig oft nach links abtragen und gelangt so auch zu Punkten, denen einstweilen keine Zahlen entsprechen, nämlich zu A und zu den Punkten links davon. Wollen wir nun, wenigstens soweit bloß die Operation des Streckenabtragens in Betracht kommt, dem Axiom von S. 2/3 Rechnung tragen, so müssen wir neue Zahlen einführen. Wir definieren: 2*
20
II. Die Null und die negativen ZaMen. Die ¡Brüche.
L Jede Differenz a — b, wo a und b natürliche Zahlen.sind, bezeichnen wir, auch wenn a < bt oder a = b ist, künftig als Zahl. Die Beziehungen = , < , > definieren wir, um mit früheren Festsetzungen nicht in Widerspruch zu geraten, sie vielmehr nur zu erweitern, durch § 3, VII, nämlich: II. Die ganze Zahl a — b heißt c — d, je nachdem a + d ^ c + b ist. Durch diese Festsetzung ist auch die Forderung erfüllt, daß der Punkt a — b, zu dem man durch ¿maliges Abtragen der Einheitsstrecke nach links vom Punkte a aus gelangt, die gleiche Zahl zugeordnet erhält, wenn man ihn durch (b -f c)maliges Abtragen vom Punkte a + c aus erreicht: 1) a — b = (a + c) — (Ä + c). Nach II gilt dann und nur dann a — b < c — d, wenn der Punkt a — b links vom Punkte c — d liegt. Ferner folgt aus II: 2) 1 - 1 = 2 - 2 = 3 - 3 = . ,. = a-a. Diese dem Punkte A zugeordnete Zahl wird als 0 (Null) bezeichnet: 3) a — a = 0. Ist b > a, so heißt a — b eine negative Zahl. Im Gegensatz dazu heißen die natürlichen Zahlen auch positive Zahlen. Die Null rechnen wir weder zu den positiven noch zu den negativen Zahlen; sie ist größer als jede negative und kleiner als jede positive Zahl. Nach II ist a — b = 1 — [(6 + 1) — a]; die sämtlichen ganzen negativen Zahlen sind daher die folgenden: 1-2, 1-3, 1-4, 1 - 5 .. wofür wir kürzer _ _ _ 1, 2, 3, 4... schreiben.
§ 10.
Addition und Subtraktion negativer Zahlen und der Null.
Wir haben nun die bisher nur für die natürlichen Zahlen 1, 2, 3 .. definierten Rechenoperationen auf die Null und auf die negativen Zahlen auszudehnen. Da wir diese neuen Zahlen uns selbst geschaffen haben, liegt es in gewissem Maße in unserer Hand, wie wir diese Ausdehnung vornehmen wollen, jedenfalls kann von Vornherein hier nicht von Beweisen (z. B. für i — 3 = 1) die Eede sein, sondern nur von Definitionen. Diese werden wir aber zweckmäßig so zu
§ 10. Addition und Subtraktion negativer Zahlen und der Null.
21
wählen haben, daß sie nicht in Widerspruch mit den Rechenregeln für die natürlichen Zahlen stehen, sondern sie als besondere Fälle einschließen. Nun haben wir einerseits die Null und die negativen Zahlen als Differenzen definiert; andrerseits haben wir gesehen, daß wir im Falle a > b und c > d die Summe (a — b) + (c — d) und die Differenz {a — b) — (c — d) wieder als Differenzen schreiben können: = 1} + + + ^ ( § 3 ) V I I U X ) . 2) (a-b)-{c-d?) = (a + d)^{b + c) w ^ ' Wir definieren nun die Addition und die Subtraktion fiir die Null und für die negativen Zahlen einfach dadurch, daß wir sagen: Die Gleichungen (1), (2) sollen auch dann gelten, wenn die Bedingung a >• b, c > d nicht erfüllt ist. Aus Gleichung (1) liest man sofort ab: Die Addition ist auch in dem erweiterten Zahlgebiet stets ausführbar, eindeutig bestimmt, assoziativ, hommutativ und endlich monoton in dem Sinn, daß stets 3)
(a — b) + (e — f ) > (c — d) + (e — f ) ist, falls a — b > c — d ist
(vgl. § 2). Aus diesen fundamentalen Eigenschaften der Addition konnten wir aber durch logische Schlüsse alle übrigen ableiten; diese gelten somit auch für negative Zahlen und für die Null^,. und das gleiche gilt für die aus ihnen folgenden Subtraktionsgesetze des § 3. Für a = b folgt aus (1), (2) mit Rücksicht auf § 9 (1): 4)
0 + (c - d) = (c - d)
5)
0 - (c - d) = {d - c).
Hier kann (c — d) positiv, negativ oder Null sein. Weiter besagt [5) für c = 2 , d = 1 , sodann für c — 3 , d — 2 usw.: 6)
0 - 1 = 1,
0 - 2 = 2,
0 - 3 = 3 usw.
F ü r 0 — 1 , 0 — 2 , 0 — 3 , . . . schreibt man kürzer 7)
-1,
-2,
-3,...
Auch wir benutzen künftig diese Bezeichnung der negativen Zahlen an Stelle von T, 2 , 3 , . . . In ähnlicher Weise versteht man z. B. unter — (— 7) soviel wie 0 — (—7) = 7 (vgl. 5) und unter — 0 soviel wie 0 - 0 = 0 . F ü r die positiven Zahlen 1 = 0 + 1, 2 = 0 + 2 , . , . schreibt man auch + 1 , + 2 , + 3 , + 4 , . . . Nach § 9, II, sind die negativen Zahlen < 0, die positiven > 0. Zahlen, die sämtlich positiv oder sämtlich negativ sind, heißen gleichbezeichnet.
22
II
Die Null und die negativen Zahlen. Die Brüche.
Unter dem „absoluten Betrage" von a oder kurz: unter dem Betrage von a — mit dem Zeichen \a\ — verstehen wir, wenn a eine nicht negative Zahl bedeutet, diese Zahl selbst, wenn aber a eine negative Zahl bedeutet, die positive Zahl — a. Statt „der (absolute) Betrag von a ist größer als der von b" sagt man kurz: „a ist absolut größer als ¿", oder: „a ist dem Betrage nach größer als b". Zum Unterschied davon gebraucht man wohl die Bezeichnung „algebraisch größer, bzw. kleinerwenn der in § 9, I I definierte Sinn der Worte „größer, kleiner" gemeint ist. Der absolute Betrag einer Summe ist nicht größer als die Summe der absoluten Beträge der einzelnen Summanden. E r ist nämlich dieser Summe gleich, wenn die einzelnen Summanden alle gleichbezeichnet sind; andernfalls ist er kleiner. Wir stellen die wichtigsten Formeln über das Rechnen mit absoluten Beträgen zusammen: 8) | a | = |— a \ , 9)
\a + b\^\a\
+
\b\,
und für — b an Stelle von b: 10)
| a - Ä | ^ | « | + |Ä[,
endlich -aus (9) für c = a + b, also a = c — b: 11)
\c-b\^\c\-\b\,
oder auch wegen (8) 11')
\±b±c\^\c\-\b\,
und ebenso statt (9): 11")
| ± Ä ± C | ^ , Ä | + |C|.
§ II.
Multiplikation und Division mit negativen Zahlen.
Um nun auch einem Produkt, von dem wenigstens ein Faktor eine negative Zahl oder Null ist, einen Sinn abzugewinnen, verfahren wir ähnlich wie vorhin bei der Definition des Addierens und Subtrahierens für diese Zahlen: Wir gehen davon aus, daß im Falle a > b > 0, c > d > 0 die Formel 1)'
(a-b){c
—d) = [ac + bd) —[ad+b
1
c)
g i l t und "sagen, wir wollen sie auch dann noch als gültig betrachten, wenn die Bedingung a> b, c > d nicht erfüllt ist; die Formel liefert 1
Sie folgt ans § 4 (4) und § 3, IX.
§ 11. Multiplikation und Division mit negativen Zahlen.
23
uns so die Definition für die Multiplikation mit Null und mit negativen Zahlen. Ist beispielsweise a = b und c — d irgendeine Zahl: c — d — e, so folgt aus (1): 2) 0•e = e• 0 = 0 . Hieraus liest man weiter ab: 3)
- = 0 e
für jede von Null verschiedene Zahl e; ferner-^- = e, d. h. das Symbol-^ kann jede Zahl e bedeuten, mit anderen Worten: es ist damit kein bestimmter Sinn zu verbinden. Auch das Z e i c h e n ^ , wo « g O ist sinnlos; denn es gibt nach (2) keine Zahl, die mit 0 multipliziert a liefert, da jede Zahl mit 0 multipliziert wieder 0 ergibt. Wir werden daher künftig Divisionen mit 0 niemals zulassen. Ist von den beiden Zahlen (a — b), (c — d) auf der linken Seite von (1) die erste negativ, die zweite positiv, so findet man aus § 10(5) durch Vertauchung von a mit b, wodurch nur das Vorzeichen, nicht aber der absolute Betrag der rechten Seite geändert wird, 4)
(a - ¿)(c - d) = - (b - a)(c -
d).
Ebenso folgt aus (1), falls (a — b) sowohl als auch c — d negativ ist: 5)
{a - b){c - d) = {b - a){d -
c).
D. h. aber: I. Der absolute Betrag eines Produktes (von zwei Faktoren) ist stets gleich dem Produkt der Beträge der Faktoren: 6)
j a ¿ | = |a| • ¡¿j ;
das Produkt a b ist positiv, wenn beide Faktoren gleichbezeichnet sind, negativ, wenn sie entgegengesetzt bezeichnet sind. Hieraus schließt man, indem man auf die Bedeutung der Division zurückgeht, für irgend zwei von 0 verschiedene Zahlen a, b: II. Der absolute Betrag
des Quotienten
ist == j^j; -y ist > 0,
wenn a und b gleichbezeichnet sind, < 0, wenn a und b verschieden bezeichnet sind. Durch Satz I und II, sowie durch die Gleichungen (2), (3) sind nunmehr auch die Operationen des Multiplizierens und Dividierens auf die negativen Zahlen sowie auf die Null übertragen mit der gebotenen Ausnahme, daß durch 0 nicht dividiert werden darf.
24
II. Die Null und die negativen Zahlen. Die Brüche. i = Aus Satz I folgt noch, daß auch wenn einer oder beide Faktoren negativ werden, die fundamentalen Gesetze der Multiplikation erhalten bleiben: die unbeschränkte Ausführbarkeit, die Eindeutigkeit* das kommutative und das assoziative Gesetz, das distributive Gesetz a{b ± c) = ab ± ac und endlich folgendes Gesetz der Monotonie: Aus a > b folgt ac > b c, wenn c positiv, dagegen a c < bc, wenn c negativ ist. Es gelten daher auch die N aus diesen fundamentalen Gesetzen ableitbaren. Insbesondere bleiben die Divisionsregeln I, III bis VI des § 5 richtig, wenn die darin vorkommenden Zahlen a, b, c, d negative Werte annehmen. Daß dagegen die Null als Wert für a, b, c, d nicht ausnahmslos zuzulassen ist, haben wir schon gesehen; das hängt damit zusammen, daß das Monotoniegesetz für einen Faktor c = 0 nicht gilt: Aus a> b folgt weder a 0 > 5 0, noch a 0 < Z » 0 , sondern es ist a 0 = b 0. Ein einzelner Buchstabe soll von jetzt an eine beliebige Zahl, sie sei positiv, Null, oder negativ, bedeuten können. Es werde zum Schluß noch ausdrücklich vermerkt, daß in dem durch die negativen Zahlen erweiterten Zahlgebiete die Subtraktion stets möglich ist, und daß die Lösung der Gleichung 7) stets
b+ x = a
8)
x = a —b
ist; denn, schreibt man für einen Augenblick, um wirklich mit Differenzen zu rechnen und so die Definitionen dieses und des vorhergehenden Paragraphen benutzen zu können, in (7) [(6 + 1) — 1] statt b und [(a + 1) — 1] statt a, so ergibt sich b + x mit Benutzung von (8) gleich [(Ä + 1) - 1] + (a - b) = [(b + 1) + a] - [b + 1] = wie behauptet.
§ 12.
Einführung der Brüche.
(§ 10, (1) (§9,11),
Das Rechnen mit Brüchen.
Nachdem wir durch Schaffung der Null und der negativen Zahlen die erste Erweiterung des Zahlgebäudes vorgenommen haben, gehen wir sofort an die zweite Erweiterung heran. Mit uuseren ganzen Zahlen vermögen wir noch nicht unbegrenzt teilbare Größen
§ 12. Einführung der Brüche. Das Rechnen mit Brüchen.
25
zu messen. So können wir z. B. die Einheitsstrecke 0 1 auf der in § 9 eingeführten Geraden (die wir als Beispiel und Repräsentant solcher Größen betrachten) zwar mit Zirkel und Lineal in eine beliebige Anzahl gleicher Teile teilen, den Teilpunkten entsprechen aber einstweilen noch keine ZahleD. Um dem abzuhelfen, müssen wir neue Zahlen bilden und verfahren zuvdem Zweck ganz ähnlich wie in § 9: Das Zeichen y hatte für uns bisher nur eine Bedeutung, wenn die positive oder negative Zahl b ein Teiler der Zahl a war. Wir sagen nun: I. Wir nennen y künftig auch dann eine Zahlt wenn a eine ganz beliebige ganze Zahl und b eine beliebige von Null verschiedene Zahl ist. Die Zahl
wird auch eine rationale Zahl oder ein Bruch genannt,
a heißt ihr Zähler, b ihr Nenner.
Jede der bisher betrachteten
ganzen Zahlen c ist unendlich vielen Brüchen gleich; denn für jede ganze Zahl k gilt c = ~ ; solche Brüche, die ganzen Zahlen gleich K sind, heißen auch uneigentliche Brüche, zu ihnen gehört auch
für jedes b
nach § 11 (3); die anderen Brüche, die unsere neu
geschaffenen Zahlen sind, heißen eigentliche Brüche. Der Bruch heißt echt, wenn |a| < ¿|, unecht, wenn \a\ > . Unsere nächste Aufgabe ist, die Begriffe > , < , = , sowie Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division für die eigentlichen Brüche zu definieren und zwar so, daß diese Definitionen den früheren Rechnungsregeln für die uneigentlichen Brüche nicht widersprechen, sondern dieselben als besondere Fälle umfassen. Dies erreichen wir mit einem Schag, indem wir bestimmen: II. Die in § 5, I bis FI festgestellten Regeln für das Rechnen mit uneigentlichen positiven Brüchen sollen auch für eigentliche gelten, jedoch mit folgender Einschränkung: Die Regel I I soll nur gelten, wenn beide Nenner b und d gleichbezeichnet sind. Da nach der ersten Regel (mit c = — 1) stets = —j— ist, kann man die Nenner stets als positiv voraussetzen. Ohne die Einschränkung wäre die Regel H in sich widerspruchsvoll; denn, da wie soeben bemerkt wurde, der Bruch y sich nicht ändert, wenfi man a in — a und gleichzeitig b in — b verwandelt, würde sie einmal besagen y > - , w e n n a d > b c , aber auch wenn — a d > —bc, d. h. wenn a d < J c .
26
II. § 13.
Die Null und die negativen Zahlen.
Die
Brüche.
Widerspruchslosigkeit der aufgestellten Definitionen.
Es erhebt sich die Frage: Sind die Definitionen (§ 12, II) in sich widerspruchsfrei? Wir wollen kurz auf diese Frage eingehen. Eigentlich hätten wir sie schon in § 10 und 11 stellen müssen, als wir die Definitionen'für das Rechnen mit negativen Zahlen aufstellten. Aber der Leser wird nach dem Vorbild der hier folgenden Überlegungen die entsprechenden der §§ 10, 11 leicht nachtragen. Wir bezeichnen im folgenden häufig auch Brüche mit einem einzigen Buchstaben; doch wollen wir in diesem Paragraphen dafür griechische Buchstaben u, ß, y .. . wählen und unter a, b, c . . nach wie vor ganze Zahlen verstehen. Die vorkommenden Nenner denken wir uns immer positiv, was nach dem vorhin Bemerkten erlaubt ist. Dann haben wir uns vor allem zu fragen: Können nicht zwei Brüche cc, ß, die nach der Regel I (§ 5) einander gleich sind, nach Regel II einander ungleich sein? Es sei etwa cc = n—; wir wollen voraussetzen, daß m und n teilerfremd sind; ' ' das dürfen wir, weil wir nach Regel I Zähler und Nenner durch einen gemeinsamen Faktor dividieren dürfen, ^ heißt dann ein reduzierter Bruch.
Jeder Bruch ~ , der auf Grund von I gleich a ist, hat
dann die Form
Je
. Wir wollen nun zeigen: Wenn
Je
vermöge
Regel II gleich - j ist, so hat ~ die Form , ist also auch nach I gleich ^ ; dadurch wird gezeigt, daß die scheinbar weitere Gleichheitsdefinition II tatsächlich nicht mehr aussagt als I, daß also auch für Brüche cc, ß, y das Gleichheitsaxiom (§ 1,1), wonach aus cc = ß, ß = y stets a = y folgt, unverletzt ist. Beweis: Ist auf Grund von II km — kn
e
= -d , '
i
also
7 7 7
hmd = hnc
und daher auch md — nc, so ist c = , also d durch n teilbar n ' (§ 6, VII); wir setzen d — In, dann ist wegen md= nc m In = nc , c ml , somit -y = — r , w. z. b. W. d nl '
also
ml = c ,
Ferner wollen wir zeigen, daß die Definition der Zeichen > , < in II so eingerichtet ist, daß auch für Brüche a, ß, y aus cc < ß, ß < y die Ungleichung cc < y folgt. Es sei a = y , ß = , / =
§ 13.
Wiederspruchislosigkeit der aufgestellten Definitionen.
27
ferner seien b, d, f positiv; die Voraussetzung a < ß, ß < y besagt nach I I , daß ad < bc ,
f c < ed .
Hieraus folgt mit Rücksicht auf § 6, V f ad 2, wenn a > 2. Daß aber auch das Quadrat keiner gebrochenen Zahl gleich 2 sein kann, beweist man indirekt: Angenommen pjq sei ein solcher Bruch und es seien p, q zwei teilerfremde ganze Zahlen, dann müßte pi = 2 q2, also p2, durch q teilbar sein. Wenn
§15.
Notwendigkeit einer dritten Erweiterung des Zahlgebiets.
31
aber jeder F a k t o r eines Produktes p-p zu q teilerfremd ist, kann das Produkt nach § 6, V I I nicht durch q teilbar sein. Somit führt unsere Annahme auf einen Widerspruch. Wollen wir also an dem S. 2 / 3 ausgesprochenen Postulat festhalten, so sehen wir uns abermals genötigt, neue Zahlen einzuführen, die wir Irrationalzahlen nennen. Man könnte versucht sein, zwar zuzugeben, daß es für die reine Mathematik (Geometrie und Analysis) zweckmäßig sein möge, diese Zahlen zu schaffen, daß aber die ganze angewandte Mathematik ihrer nicht bedürfe; denn auch die genaueste Messung liefere beispielsweise den Flächeninhalt jenes Quadrats, wenn es nunmehr nicht mehr als der reinen Geometrie angehörig, sondern etwa als aus Papier ausgeschnitten angesehen wird, mit einem unvermeidlichen Fehler und da sei es erlaubt, je nachdem der zulässige Fehler der Messung oder oder yo~ooo U8W - betrage, jenem Flächeninhalt statt der Maßzahl 2 die Maßzahlen 1,41 2 oder 1,414 2 oder 1,4142 2 usw. zu geben und dementsprechend die fragliche Quadratseite durch die rationalen Zahlen 1,41 oder 1,414 oder 1,4142 usw zu messen. Logisch läßt sich hiergegen nichts einwenden, und tatsächlich wird man bei der Lösung irgendeiner einzelnen Aufgabe so verfahren. Aber wollte man diesen Standpunkt in einem gänzen großen Lehrgebäude der angewandten Mathematik beibehalten (z. B. in der Geodäsie oder auch in der Elektrizitätslehre), so käme man in die allergrößten Schwierigkeiten; man würde beispielsweise die Länge 1 von der Länge 1,0001 nicht unterscheiden, diese nicht von der Länge 1,0002 usw. und käme so zu Gleichungen 1 = 1,0001,
1,0001 = 1,0002 ,
1,0002 = 1,0003, . . .
1,9999 = 2
und d a man doch nicht schließen möchte, daß 1 = 2 ist, müßte man von vornherein auf den Grundsatz verzichten, daß zwei Größen, die einer dritten gleich sind, auch einander gleich sind. Damit wäre aber so gut wie jede mathematische Behandlung der Naturwissenschaft ausgeschlossen. Oder man müßte von vornherein in jeder Gleichung jede Größe als mit einem gewissen Fehler behaftet einsetzen, wodurch Einfachheit und Übersichtlichkeit völlig verloren gingen. Tatsächlich ist auch nie versucht worden, diesen Weg auszubauen. Vielmehr ist noch immer jeder mathematischen Behandlung der Naturwissenschaften das nämliche Zahlensystem zugrunde gelegt worden, das auch für die reine Geometrie sich als
32
III.
Definition, Addition und Subtraktion irrationaler Zahlen.
notwendig erweist und mit dessen vollständigem Ausbau (durch Einfügung der Irrationalzahlen) wir uns in den nächsten Paragraphen beschäftigen werden. Der Hauptvorteil, den wir durch die Bereitstellung dieses Zahlensystems erreichen, ist schließlich der, daß wir in ihm ein Mittel besitzen, jede unbegrenzt teilbare Größe zu messen, gleichviel ob es sich nun um eine Strecke oder um eine Stromstärke handelt. Im Grunde sind auch die Begriffsbildungen der theoretischen Physik denen der reinen Geometrie recht ähnlich, diese wie jene haben ihre Wurzel in Dingen und Tatsachen der Erfahrung, aus denen sie durch Idealisation und Abstraktion gewonnen werden, und die Rolle, die ein Naturgesetz (z. B. das OHM sehe) in der theoretischen Physik spielt, ist von der eines Axioms in der reinen Geometrie nicht wesentlich verschieden.
§ 16.
Die DEDEKiNDsche Definition d e r irrationalen Zahlen.
Der folgerichtige Ausbau des Zahlensystems und seine Verwendung für die allgemeine Größenmessung geschah sehr allmählich, die letzte Vervollkommnung erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Obwohl in EUKLIDS bewunderungswürdiger Lehre von den inkommensurablen Verhältnisse^ ein folgerichtiges geometrisches Äquivalent der Irrationaltheorie seit mehr als zweitausend Jahren vorlag, hat es der Arithmetik bis in die neueste Zeit hinein an einwandfreien Definitionen der Irrationalzahlen und des Rechnens mit ihnen gefehlt. In das Verdienst, diesen Mangel nicht nur klar erkannt, sondern ihm auch in völlig befriedigender Weise abgeholfen zu haben, teilen sich KABL WEIEBSTEASS, GEOBG CANTOB und RICHABD DEDEKIND. Wir folgen zunächst DEDEKIND, der von Vorstellungen und Bedürfnissen der Geometrie ausging und an folgendes geometrisches Axiom v anknüpfte, das man als Grundsatz der Lüchenlosigkeit bezeichnen kann: I. Teilt man sämtliche Punkte einer Geraden in zwei Klassen, sagen wir etwa in die Punkte A und a, so daß jeder Punkt einer und nur einer dieser Klassen angehört und hat diese Einteilung die weitere Eigenschaft, daß jeder Punkt A rechts von jedem Punkt a liegt, so gibt es auf der Geraden einen ganz bestimmten Punkt, welcher die Eigenschaft besitzt, die beiden Klassen voneinander zu trennen; d. h. er liegt, falls er zur Klasse A gehört, am weitesten links von allen Punkten seiner Klasse, oder falls er zu a gehört, am weitesten rechts von diesen Punkten.
§ 16. Die Dedekindsche Definition der irrationalen Zahlen.
33
Wir haben bisher auf der JE-Achse nur rationale Punkte, d. h. solche mit rationaler Abszisse betrachtet; an folgendem Beispiel erkennen wir, daß die Gerade außerdem noch andere Punkte enthalten muß, wenn das vorstehende Axiom gelten soll: Wir teilen die -Gesamtheit der rationalen Zahlen in zwei Klassen: zur ersten gehören alle negativen Zahlen, die Null und von den positiven Zahlen diejenigen, deren Quadrat < 2 ist, zur zweiten Klasse gehören die positiven Zahlen, deren Quadrat > 2 ist; die Zahlen der ersten Klasse bezeichnet wir als die a, die der zweiten als die A. Diese Zerlegung hat folgende Eigenschaften: I. Die Gesamtheit der rationalen Zahlen wird durch sie erschöpft, d. h. jede solche Zahl gehört entweder der einen oder der andern der beiden Klassen an. II. Jedes A ist großer als jedes a, anders ausgedrückt: jeder Punkt A liegt rechts von jedem Punkte a. Denn wenn a größer als A wäre, so wäre nach dem Monotoniegesetz der Multiplikation auch a*>aA> A2. Aus a2 < 2 und A2 > 2 folgt aber a2 < A\ III. Unter den a ist keine die größte. Dann sei a t > 0 eines der a, dann ist 2 — a\ eine positive Zahl; wir nennen sie e. Wählt man dann irgendeine positive rationale Zahl h, die den beiden Bedingungen: gleichzeitig genügt, so wird: (a, + Kf = a\ + h(2 a1 + h) < a\ + Ä(2«, + 1) < a\ + a, also kleiner als 2. Somit ist a x + h eine Zahl, die > Oj ist und doch auch noch zu den a gehört. ax ist also nicht die größte unter den a; w. z. b. tv. IV. Unter den A ist keine die kleinste. Denn sei A1 eines der A, also A\ — 2 eine positive Zahl; wir nennen sie tj. Wählen wir dann eine Zahl h so, daß sie den beiden Bedingungen: A A\ - 2 A1 h > A\ -
tj,
also größer als 2. Somit ist A1 — h eine Zahl, die kleiner als A1 ist und doch auch noch zu den A gehört. At ist also nicht die kleinste unter den A. Da nach I I I , IV unter den A keine kleinste Zahl; unter den a keine größte sich findet, ist der Grundsatz der Lückenlosigkeit BÜRKHARDT, Funktionen. I. 1. Dritte Aufl.
3
34
III. Definition, Addition und Subtraktion irrationaler Zahlen.
nicht erfüllt, solange man auf einer Geraden keine anderen als rationale Punkte zuläßt. Um dem abzuhelfen, haben wir abermals neue Zahlen einzuführen, denen wir wieder Punkte zuordnen werden. Dadurch wird dann, wie wir sehen werden, u. a. auch die Strecke, deren Quadrat einen Flächeninhalt von der Maßzahl 2 besitzt, ihre Maßzahl erhalten. Wir definieren (nach ß . D E D E K I N D ) : Unter einem Schnitt im Gebiete der rationalen Zahlen verstehen wir eine Zerlegung dieses Gebietes in zwei Teile — Untergebiet und Obergebiet —, welche folgende beiden Eigenschaften hat: 1. Jede rationale Zahl gehört einem und nur einem dieser Gebiete an. 2. Jede Zahl des Untergebietes ist Meiner als jede Zahl des Obergebietes. Als gegeben werden wir einen solchen Schnitt dann ansehen, wenn wir ein Mittel besitzen, um von jeder vorgelegten rationalen Zahl zu entscheiden, ob sie zum Untergebiet oder zum Obergebiet gehört. Der Kürze halber wollen wir die Zahlen des Obergebiets als die A, die Zahlen des Untergebiets als die a bezeichnen. Ist ein solcher Schnitt gegeben, so haben wir zunächst zu fragen, ob etwa im Untergebiet eine größte oder im Obergebiet eine kleinste Zahl vorhanden ist. Beides zugleich kann nicht eintreten; denn wäre a, die größte Zahl des Untergebiets, A1 die kleinste Zahl des Obergebiets, so könnte die Zahl {ai + Ä^j2, da sie wegen Voraussetzung (2) kleiner als Al und größer als a1 ist, weder, zum Untergebiet noch zum Obergebiet gehören; und das wäre gegen die Voraussetzung (1). Wir haben also nur drei Fälle zu unterscheiden: 1. Fall. Unter den a ist eine die größte, nämlich a, aber unter den A keine die kleinste. 2. Fall. Unter den a ist keine die größte, aber unter den A ist eine die kleinste, nämlich cc. Beide Fälle sind in der Tat möglich; im ersten Fall ist der Schnitt definiert durch die Ungleichungen: aiga, A > cc, im zweiten durch die Ungleichungen: a < cc,
A>u.
In beiden Fällen sagen wir: der vorgelegte Schnitt wird durch die rationale Zahl cc hervorgebracht, oder der Schnitt bestimmt die Zahl cc, oder geradezu der Schnitt ist gleich der Zahl u.
§17.
Berechnung irrationaler
35
Zahlen.
3. Fall. Es gibt weder unter den a eine größte, noch unter den A eine .kleinste. Daß dieser Fall in der Tat eintreten kann, haben wir vorhin an einem Beispiel gesehen. Wir sagen in diesem F a l l : Durch den Schnitt a A wird eine irrationale oder geradezu der Schnitt ist gleich dieser Zahl sc. a\A =
Zahl a
definiert,
a.
Diese Ausdrucksweise wird gerechtfertigt sein, wenn wir, was im folgenden geschieht, gezeigt haben werden, daß wir mit solchen irrationalen Zahlen rechnen dürfen, wie mit rationalen; wir wollen sie aber der Kürze halber schon jetzt benutzen.
§ 17. Berechnung irrationaler Zahlen.
Wir sagen: wir haben eine irrationale Zahl a = a | A mit einer Genauigkeit von s (oder: auf « genau) berechnet, sobald wir zwei rationale Zahlen kennen, deren Differenz < « ist und von denen die eine zu den a und die andere zu den A gehört. Zwei solche Zahlen können wir uns, wenn wir die Mühe nicht scheuen, nach einer in jedem Falle zum Ziele führenden Methode verschaffen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: der Schnitt a \ A muß vollständig gegeben sein, d. h. wir müssen imstande sein, von jeder rationalen Zahl zu entscheiden, ob sie zu den « oder zu den A gehört, und wir müssen mindestens ein u und ein A schon kennen. Die letztere Bedingung ist, wie wir sehen werden, in den uns vorkommenden Fällen leicht zu erfüllen. "Seien nämlich a1 und A1 bekannt, so ist damit zugleich bekannt, daß alle Zahlen, die kleiner als a^ sind, zu den- a, und alle Zahlen, die größer als sind, zu den A gehören. Nur von den zwischen ax und Al liegenden Zahlen steht die Entscheidung noch aus; also ist a mit einer Genauigkeit A1 — al bekannt. Wir bilden nun {A1 + a 1 )/2 und untersuchen, ob diese Zahl zu den A oder zu den a gehört. Im ersteren Fall setzen wir: im letzteren: In beiden Fällen wird: 4 - «2 = (Äi - « i ) / 2 ; das Gebiet der Zahlen, von denen noch nicht entschieden ist) ob sie zu den a oder zu den A gehören, ist also dadurch auf die Hälfte verkleinert. 8*
36
III.
Definition, Addition und Subtraktion irrationaler Zahlen.
Dieses Verfahren läßt sich beliebig oft wiederholen und das Gebiet der Unentschiedönheit dadurch beliebig verkleinern. Wenn nämlich eine noch so kleine Zahl s gegeben ist, so kann man doch n immer so groß wählen, daß ( 4 — a1)/2n < s wird (vgl. § 29). Soll etwa der schon in § 16 als Beispiel behandelte, durch die Bedingungen: a? < 2 , A2 > 2 definierte Schnitt mit einer Genauigkeit von Viooo bestimmt werden, so kann man davon ausgehen, daß Null jedenfalls zu den a und 2 jedenfalls zu den A gehört. Prüfen wir dann (2 + 0)/2 = 1, so sehen wir, daß es zu den a gehört. Wir haben also weiter (2 + l ) / 2 = 3 / 2 zu prüfen; es gehört zu den A. So fortfahrend bekommen wir folgende Eechnung: a, - 0 , l 2 < 2 , also: at = 1 , (3/2) 2 > 2 , a, = 1 , (5/4)* < 2 , «4 = 5 / 4 , 2 (11 /8) < 2 , «6 = 1 1 / 8 , (23/16) 2 > 2 , «6 22/16, (45/32) 2 < 2 , o, = 4 5 / 3 2 , (91/64) 2 > 2 , ag = 9 0 / 6 4 , (181/128)» < 2 , a9 = 1 8 1 / 1 2 8 , (363/256) a > 2 , a 10 = 362/256, (725/512) 2 > 2 , « u = 724/512, (1449/1024) 2 > 2 , a 12 = 1448/1024,
4 =2, 4 = 2, As = 3 / 2 , A4 = 6 / 4 , 4-12/8, 4 =23/16, 4 = 46/32, 4 =91/64, 4 = 182/128, 4 0 = 363/256, Au = 725/512, 4 2 = 1449/1024.
Die gesuchte Irrationalzahl (die wir mit y2 bezeichnen)1 ist dadurch mit der verlangten Genauigkeit bestimmt. Will man mit Dezimalbrüchen rechnen, so ist das Verfahren zweckmäßigerweise etwas abzuändern, wie man aus folgendem Beispiel entnehmen möge. 1,2 2 , l , 3 a , 1,42 < 2 , aber 1 , 5 2 > 2 , also ai = l , 4 , 4 = 1,5; ferner 1,41 2 < 2 , 1,422 > 2 , «2 = 1,41, 4 = 1,42; 1,411 2 , 1,412 2 , 1,413 2 , 1,4142 < 2 , aber 1 , 4 1 5 2 > 2 ; also a s = l,414, 4 = 1,415.
Es ist 1,1*,
1 Daß fl/2)' = 2 ist, wird sich erst ergeben, wenn in § 26 die Multiplikation irrationaler Zahlen definiert sein wird.
§ 18. Gleichheit, Größer- und Kleinersein irrationaler Zahlen.
37
(Beide Ergebnisse widersprechen sich nicht; es ist 181/128 1,414.) Man kann auch ax und Ax auf die kleinste Benennung bringen, a1 = p I q, = P/Q, und dann beim nächsten Schnitt zunächst (p + P):(g + Q) prüfen: «8 = 1 / 1 , 4 = 3/2, (4/3)' a kann man leicht unendlich viele periodische wie auch unendlich viele unperiodische Dezimalbrüche bilden, die > a und < ß sind. Ob eine durch einen Schnitt definierte Zahl a rational oder irrational ist, ist oft sehr schwer zu entscheiden. Wenn der Schnitt vollständig gegeben ist, muß es zwar für jede, einzelne gegebene rationale Zahl r entscheidbar sein, ob u > r oder a < r oder a = r ist; da es aber unendlich viele rationale Zahlen gibt, ist es unmöglich, durch Prüfen aller r die Frage, ob einmal die Gleichung a = r gilt, zu beantworten. Auch das scheinbar so einfache Untersuchungsmerkmal, das Satz I an die Hand gibt, nützt in den meisten Fällen gar nichts. So könnten wir z. B. nach dem in § 17 angegebenen Verfahren ]/2 auf noch so viele Dezimalstellen berechnen, ohne aus dieser Rechnung allein schließen zu können; daß die Entwicklung faicht an einer noch späteren Stelle periodisch wird. Bei |/2 gelang uns auf andere Weise der Irrationalitätsbeweis, d. h. der Nachweis, daß unter dem a keine größte, unter dem A keine kleinste Zahl vorhanden ist (er ergab sich aus der Unmöglichkeit einer Gleichung 2 q2 = p2 mit teilerfremden ganzen Zahlen p, y); aber so geht es im allgemeinen nicht. ,
§ 20. § 20.
Addition und Subtraktion der Irrationalzahlen.
43
Addition und Subtraktion der Irrationalzahlen.
Haben wir zwei reelle Zahlen cc = a\A und ß = b | B, so können wir die Gesamtheit der rationalen Zahlen in der Weise in zwei Klassen zerlegen, daß wir in die eine Klasse « alle diejenigen Zahlen rechnen, die sich in der Form a + b darstellen lassen, in die andere C alle übrigen. Wenn die Zahl c1 zu den c gehört, so gehört auch jede noch kleinere Zahl cg zu den c; denn sei c1 = ai+ bv c2 = c1 — d, so ist auch a2 4= al — d ein a, also c2 = a 2 + bl ein c. M. a. W. jedes c ist kleiner als jedes C. Die Einteilung c\C erfüllt also alle Bedingungen eines Schnittes und bestimmt somit eine rationale oder irrationale Zahl y. Wir definieren die Summe cc + ß durch die Gleichung ct + ß = y = c\C . Dann haben wir vor allem zu zeigen: Wenn cc und ß beide rational sind, so stimmt diese Summendefinition mit der früheren überein: Es gehören dann nämlich zur Klasse C alle rationalen Zahlen > « + /?, denn eine solche Zahl kann (wegen der Monotonie der Addition) nicht = a + b sein, da a^cc, b ist. Andererseits gehört jede rationale Zahl r, die < cc + ß ist,,jzu c; denn ist a + ß — r — rl und setzt man ax = cc — ,. b1 = ß — , so sind a1, b^ rationale Zahlen der Klassen a, b\ also ist at + bt = r eine Zahl von c. Somit ist für rationale cc, ß bewiesen, daß jede rationale Zahl, die < cc + ß ist, zu c, jede, die' > a + ß ist, zu C gehört; c\C kann daher nur = a + ß sein, w. z. b. w. Wenn eine der Zahlen cc, ß, etwa a irrational, die andere rational ist, so ist die Summe y = « + ß irrational; denn wäre y und ß rational, so wäre auch die Summe cc + ß ß) — a1 rational entgegen der gemachten Voraussetzung. Wenn aber cc und ß beide irrational sind, so ist sowohl möglich, daß a + ß irrational ist, wie auch, daß cc + ß rational ist. In letzterem Falle gibt es unter den C eine kleinste rationale Zahl C0 und es ist C'0 = / ; denn die noch denkbare Möglichkeit, daß y die größte der Zahlen c wäre, ist ausgeschlossen. Man kann nämlich zeigen, daß unter den c keine größte ist. Denn nach Voraussetzung (cc irrational) ist unter den a keine größte; ist also = «j + Äj, so kann man ein «2 angeben, das größer als aY ist. Dann ist ca = a2 + b1 auch noch «in c und größer als Cj; Cj ist also nicht das größte unter den r. 1
Die Richtigkeit dieser Gleichung für beliebige reelle n,ß ergibt sich aus den Überlegungen von S. 46.
44
III. Definition, Addition und Subtraktion irrationaler Zahlen.
Wir hätten übrigens die Summendefinition auch etwas anders fassen können: Wir können alle A + B zu einer Klasse C zusammenfassen nnd alle anderen rationalen Zahlen in die zugehörige Klasse s und dann a + ß durch die Gleichung a + ß — v\ö definieren. Die C müssen alle zu den C' gehören; denn kein A + B kann gleich einem a + b sein, da jedes A>a und jedes 2? > 5, also auch A + B > a + b ist. Gehören aber auch alle C zu den C? Darauf ist die Antwort : Es kann höchstens eine Zahl geben, die zu den C, aber nicht zu den C gehört. Gäbe es nämlich zwei, C^ und C2, so wäre etwa C2 — Cx = « > 0. Dann berechnen wir a und ß jedes mit einer Genauigkeit e/2, d. h. wir bestimmen ein av ein Av ein bl und ein B1 so, daß Al - ^ < e/2 ,
Bl-bY
ci Sr «od C^ - c1 < e . Daraus folgt weiter: Wenn und r 2 < rx irgend zwei rationale Zahlen sind, deren Differenz ^ — r2 = s sein möge und wenn man a und ß wenigstens auf |
genau kennt, so kann man mindestens
bezüglich einer der beiden Zahlen rv r2 (jedoch ohne die Wahl zu haben, bezüglich welcher von beiden) leicht entscheiden, ob sie zur Klasse c oder zur Klasse C gehört. Bildet man nämlich wie soeben Cj und C2, so fällt, da 'C1
~Cla gegeben sind, so gibt es, wie schon in § 19 bemerkt wurde, unendlich viele rationale Zahlen zwischen a und ß. Seien A1 = b1 und J2 — b2 zwei davon, ihre Differenz b2 — b1 = s > 0. Sollen dann u + y und ß + y miteinander verglichen werden, so berechne man y mit einer Genauigkeit von «, d. h. man bestimme ein Cj und ein Cl so, daß ^ — Cj < e wird. Dann ist (Cj + b2) — (C1 + AJ = (b2 — b^) — (Cx — Cj) positiv; es gibt also Zahlen, die zugleich > a + y und < ß + y sind, m. a. W. es ist ß + y > a + y, w. z. b. w. (Der Fall, daß y rational ist, bietet keine Schwierigkeit; es ist dann z.B. A1 + y eine Zahl, die > a + y und < ß + y ist. In ähnlicher Weise vereinfacht sich der geführte Beweis, wenn eine der Zahlen a, ß rational ist.; Alle fundamentalen Gesetze der Addition rationaler Zahlen gelten also auch fiir die irrationalen; daraus ergibt sich durch eine schon wiederholt angewandte Schlußweise, daß auch alle abgeleiteten Gesetze der Addition bestehen bleiben* z. B. « + 0 = a, denn für jedes a gilt: a + 0 = a. Das Nämliche gilt für die Gesetze der Subtraktion, wenn wir die Differenz a — ß durch die Summe a + ß definieren, wo ß = b | ß, die zu ß = b j B entgegengesetzte Zahl bedeutet (§ 18, VI); insbesondere gilt dann, wie es die ursprüngliche Definition der Subtraktion verlangt: (« - ß) + ß = (« + ß) + ß = « + {ß + ß) = « + 0 = a . Die Summe zweier entgegengesetzter Zahlen ß + ß ist nämlich 0. Denn zu ß = b\B ist ß — — B — b entgegengesetzt. Jedes b -\-b ist daher ein b — B, also negativ, folglich kann ß + ß nicht positiv sein. Jedes B + E ist ein B — b, also positiv; folglich kann ß + ß nicht negativ sein. Also muß es 0 sein, w. z. b. w. In ähnlicher Weise wie hier die Addition und Subtraktion der Irrationalzahlen könnten wir auch ihre Multiplikation und Division behandeln; wir ziehen es jedoch vor, die Definition dieser Operationen an eine andere Darstellung der Irrationalzahlen anzuknüpfen, die wir im nächsen Abschnitt kennen lernen wollen.
§ 21. Schnitte im Gebiete der reellen Zahlen.
47
§ 21. Schnitte im Gebiete der reellen Zahlen. Verwendbarkeit der irrationalen Zahlen in der Geometrie.
Nachdem wir die negativen Zahlen und die Brüche eingeführi hatten, haben wir beides mal gezeigt, daß in dem erweiterten Zahlgebiete alle früheren Operationen nicht nur weiter möglich sind, sondern daß sogar gewisse vorherige Beschränkungen wegfallen. Auch die Schnittbildung im Gebiete der rationalen Zahlen können wir als eine Operation auffassen; solange wir noch keine irrationalen Zahlen hatten, hatte diese Operation freilich nur mit der Beschränkung einen Sinn, daß die Schnittzahl eine rationale sein mußte, ähnlich wie wir die negativen Rahlen durch zuvor als unmöglich betrachtete Differenzen erklärt haben, haben wir die irrationalen Zahlen durch Schnitte definiert, denen zuvor keine Zahl entsprach. Die Operationen der Addition und Subtraktion haben wir im vorigen Paragraphen auf das so erweiterte Zahlgebiet ausgedehnt; mit den Operationen des Multiplizierens und Dividierens soll das gleiche im nächsten Abschnitt geschehen, jetzt aber wollen wir zeigen, daß die Operation des Schnittbildens selbst in dem erweiterten Zahlgebiet ohne Einschränkung möglich ist. Wir definieren ganz entsprechend wie in § 16: I. Unter einem Schnitt im Gebiet der reellen Zahlen verstehen wir eine Zerlegung dieses Gebiets in zwei Teile — lintergebiet a und Obergebiet 2t —, welche folgende beiden Eigenschaften hat: 1. Jede reelle Zahl gehört einem und nur einem dieser Gebiete an. 2. Jede Zahl des Untergebietes ist kleiner als jede Zahl des Obergebietes, Wir haben dann zu zeigen: II. Durch einen solchen Schnitt wird eindeutig eine reelle Zahl a definiert, die entweder die kleinste Zahl des Obergebietes oder die größte des Untergebietes ist. Nennt man die rationalen Zahlen des Obergebietes A, die des Untergebietes a, so wird durch den Schnitt a | A im Gebiet der rationalen Zahlen eine rationale oder irrationale Zahl a definiert, die entweder eine Zahl a des Untergebiets oder eine Zahl 31 des Obergebietes ist. Es genügt offenbar, eine dieser Möglichkeiten weiter zu betrachten, etwa die erste, und dann zu zeigen: a ist die größte der Zahlen a, und unter den Zahlen 9t gibt es keine kleinste. Gäbe es nämlich unter den o eine Zahl > cc, so gäbe es unter ihnen auch rationale Zahlen a > a (§ 19) im Widerspruch mit
48
IV. Der Begriff des Gfrenzwertsl
§ 18, II; gäbe es aber unter den 31 eine kleinste Zahl ß, so gäbe es rationale Zahlen a zwischen a und ß, was den nämlichen Widerspruch wie vorher mit § 18, II bedeutet. Der somit bewiesene Satz besagt geometrisch: Wenn wir jeder reellen Zahl einen Punkt auf der X-Achse zuordnen und umgekehrt, so ist das Axiom der Lückenlosigkeit erfüllt.
Nun könnte man immer noch fragen, ob sich nicht im weiteren Verlauf der Geometrie das Bedürfnis einstellt, nochmals neue Punkte einzuführen, die sich nicht unter den den reellen Zahlen zugeordneten finden, und mit ihnen zugleich neue Zahlen, wenn anders wir an der Forderung von S. 2/3 festhalten wollen. Die Antwort lautet: Das ist nicht nur unnötig, es ist sogar unmöglich, falls man alle sonst in der Elementargeometrie üblichen Grundsätze beibehalten will.
Den zuletzt ausgesprochenen Satz beweisen wir hier nicht, das ist Sache der Geometrie; überhaupt betrachten wir den Teil unserer Aufgabe, der die Bereitstellung der für die geometrischen Messungen nötigen Zahlen betraf, als im wesentlichen erledigt, nur an einzelnen Stellen weisen wir noch ausdrücklich auf die geometrische Deutung hin, an anderer überlassen wir sie ohne besonderen Hinweis dem Leser. Die weiteren Abschnitte (vom fünften ab) sind dann vornehmlich der Vorbereitung und • Durchführung der Aufgabe gewidmet zu zeigen (und zwar an elementaren Fragen und Problemen, wie sie, wenn auch meist nur unvollständig, schon auf. den Schulen behandelt werden), daß unser Zahlensystem mit seinen auf den ersten Blick vielleicht etwas gekünstelt anmutenden Begriffen und Definitionen die notwendige sichere Grundlage bildet für jeden weiteren Schritt im Gebiete der Arithmetik und Analysis.
VIERTER ABSCHNITT. Der Begriff des Grenzwerts, Multiplikation und Division irrationaler Zahlen. § 22.
Darstellung einer Irrationalzahl durch eine konvergente Zahlenfolge; das allgemeine Konvergenzprinzip.
In § 17 haben wir jeder durch einen Schnitt im Gebiete der rationalen Zahlen definierten Irrationalzahl a eine unbegrenzte Folge rationaler Zahlen c0, Cj, cv .. ., cn, c n+1 , . . . von folgender Eigenschaft
48
IV. Der Begriff des Gfrenzwertsl
§ 18, II; gäbe es aber unter den 31 eine kleinste Zahl ß, so gäbe es rationale Zahlen a zwischen a und ß, was den nämlichen Widerspruch wie vorher mit § 18, II bedeutet. Der somit bewiesene Satz besagt geometrisch: Wenn wir jeder reellen Zahl einen Punkt auf der X-Achse zuordnen und umgekehrt, so ist das Axiom der Lückenlosigkeit erfüllt.
Nun könnte man immer noch fragen, ob sich nicht im weiteren Verlauf der Geometrie das Bedürfnis einstellt, nochmals neue Punkte einzuführen, die sich nicht unter den den reellen Zahlen zugeordneten finden, und mit ihnen zugleich neue Zahlen, wenn anders wir an der Forderung von S. 2/3 festhalten wollen. Die Antwort lautet: Das ist nicht nur unnötig, es ist sogar unmöglich, falls man alle sonst in der Elementargeometrie üblichen Grundsätze beibehalten will.
Den zuletzt ausgesprochenen Satz beweisen wir hier nicht, das ist Sache der Geometrie; überhaupt betrachten wir den Teil unserer Aufgabe, der die Bereitstellung der für die geometrischen Messungen nötigen Zahlen betraf, als im wesentlichen erledigt, nur an einzelnen Stellen weisen wir noch ausdrücklich auf die geometrische Deutung hin, an anderer überlassen wir sie ohne besonderen Hinweis dem Leser. Die weiteren Abschnitte (vom fünften ab) sind dann vornehmlich der Vorbereitung und • Durchführung der Aufgabe gewidmet zu zeigen (und zwar an elementaren Fragen und Problemen, wie sie, wenn auch meist nur unvollständig, schon auf. den Schulen behandelt werden), daß unser Zahlensystem mit seinen auf den ersten Blick vielleicht etwas gekünstelt anmutenden Begriffen und Definitionen die notwendige sichere Grundlage bildet für jeden weiteren Schritt im Gebiete der Arithmetik und Analysis.
VIERTER ABSCHNITT. Der Begriff des Grenzwerts, Multiplikation und Division irrationaler Zahlen. § 22.
Darstellung einer Irrationalzahl durch eine konvergente Zahlenfolge; das allgemeine Konvergenzprinzip.
In § 17 haben wir jeder durch einen Schnitt im Gebiete der rationalen Zahlen definierten Irrationalzahl a eine unbegrenzte Folge rationaler Zahlen c0, Cj, cv .. ., cn, c n+1 , . . . von folgender Eigenschaft
§ 22.
Das allgemeine Konvergenzprinzip.
49
zugeordnet (es waren dort die cn die endlichen Dezimalbrüche, die durch Abbrechen des unendlichen Dezimalbruchs für a entstehen): wenn wir in dieser Folge nur hinlänglich weit vorgegangen sind, weichen die noch folgenden Zahlen cn+p {p — 1, 2, 3, . . .) von der letzten berechneten Zahl cn der Folge beliebig wenig ab. Wir wollen nun zeigen, daß umgekehrt durch jede Zahlenfolge, welche diese Eigenschaft besitzt, gleichviel, ob die cn rational sind oder nicht, ein Schnitt und damit eine rationale oder eine irrationale Zahl festgelegt ist. Eine unendliche Zahlenfolge ist als gegeben anzusehen, wenn irgendein Gesetz vorliegt, nach welchem jedes cn berechnet wenden kann, sei es nun, daß ein „independenter" Ausdruck für das allgemeine Glied cn der Folge in seiner Abhängigkeit vom Index n gegeben ist, oder ein „Rekursionsgesetz", vermöge dessen jedes Glied der Folge aus den vorhergehenden berechnet werden kann. Wir beginnen mit folgender Definition I. Wenn eine Folge von Zahlen
1)
c0, Cj, c s , . . .
zu tiner bestimmten Zahl a in solcher Beziehung steht, daß man zu jeder gegebenen (noch so kleinen) positiven Zahlt eine ganze Zahl n so bestimmen kann, daß
l"- C6> • • •) wenn (2) gilt, ebenfalls den Grenzwert a. Wir zeigen vor allem, daß nicht zwei verschiedene Zahlen a, ß, deren Differenz a — ß = S > 0 sein möge, als Grenzwerte einer und derselben Folge auftreten können. BURKHARDT, Funktionen. I. 1. Dritte Aufl.
4
50
IV. Der Begriff des Grenzwerts.
Hätte nämlich die Folge c0, , c 2 , . . . sowohl a als auch ß zum Limes, so könnte man nach (2) eine ganze Zahl m finden, derart, daß wäre; daraus würde dann folgen « - ß
= (« - cJ -
(ß - cJ
^
« - 0 beliebig gegeben ist, so gibt es nur eine endliche Anzahl unter den cv, die < « — | sind; denn a — ~ ist ja eine Zahla; b) es gibt unendlich viele c , die < a + 4- sind; denn a + 2
ist keine Zahl a.
e
2
Wir wählen in der Voraussetzung (5) i} = —; dann sei s ein 4 s Index > n, für welchen die zwei Ungleichungen 7)
ct < u + ® (auf Grund von b) und cs > a — a
u
(wegen a)
gelten; n habe dabei und im folgenden die gleiche Bedeutung wie in (5) ^mit V =* l j • Dann ist I « - K+p I = I (« - O + (C* - Cn+p) I ^ a _ C J + |C< _ C n + p < J + y
(wegen (7) und (6)).
Es gibt somit wirklich zu jedem s > 0 eine ganze Zahl n, von der ab Ungleichung (2) erfüllt ist, w. z. b. w. Man nennt Satz I I auch das allgemeine Konvergenzprinzip. G. Cantok definierte die Irrationalzahlen durch Folgen rationaler Zahlen c 0 , , c2, . . ., welche die Konvergenzbedingung (5) erfüllen (und nicht gerade einen rationalen Grenzwert besitzen). Daß zu jedem Schnitt eine reelle Zahl gehört, ist dann ein beweisbarer Lehrsatz. Ähnlich wie Cantob verfuhr Wbxebsteass bei seiner Definition der Irrationalzahlen. Da man jede reelle Zahl ebensogut durch einen Grenzwert wie mittels eines Schnittes definieren kann, sind die Operationen des Schnittbildens und des Grenzübergangs gleichbedeutend. § 23.
Beispiele.
I. Sind die Zahlen cn alle einem und demselben Wert c gleich, so bilden sie eine konvergente Zahlenfolge und ihr Grenzwert ist c. 4*
IV. Der Begriff des Grenzwerts.
52
Denn dann sind die Ungleichungen (2) und (5) von § 22 für jeden Wert von n erfüllt. II. Die Zahlenfolge: c0 = 0 ,
cx = 0,3,
c2 = 0,33,
cs = 0 , 3 3 3 ,
c4 = 0,3333, . . .
ist konvergent; denn die Differenz zwischen cn und irgendeiner späteren Zahl der Folge ist absolut kleiner als eine Einheit der Kten Stelle nach dem Dezimalkomma, kann also unter jede Grenze herabgedrückt werden, wenn man nur n hinlänglich groß nimmt. Nach dem allgemeinen Konvergenzprinzip muß diese Folge daher gegen einen ganz bestimmten Grenzwert konvergieren; und zwar ist im vorliegenden Fall leicht einzusehen, daß dieser Grenzwert gleich der rationalen Zahl 1/3 ist. Denn es ist:
genommen, daß 1/(3 •10") < e ist, so ist auch die Differenz — c B + p für alle positiven p absolut kleiner als e; und daß es möglich ist, das für jedes s zu erreichen, das ist eben der Inhalt der Behauptung, die Folge konvergiere gegen In derselben Weise kann jeder unendliche. Dezimalbruch (§ 19) als konvergente Zahlenfolge aufgefaßt werden. III. In dem eben betrachteten Beispiele waren die c B durch ein independentes Gesetz gegeben; ein Beispiel, in dem zunächst nur eine Rekursionsformel vorliegt, ist das folgende: es sei c0 = 0 , C l = 1 und allgemein c B + 1 = |(c„ + c ^ ) , d. h. jede Zahl der Folge das arithmetische Mittel aus den beiden unmittelbar vorhergehenden. Es wird dann: cg = 0,5, = 0,625,
V
c3 = 0,75, c5 = 0,6875,
c e = 0,6562,
c7 = 0,6718,
c s = 0,6640,
c 9 = 0,6679,
c 1 0 = 0,6659,
c u = 0,6669.
(Wenn man, wie hier geschehen, mit Dezimalbrüchen rechnet und dabei mit einer bestimmten Stelle — hier der vierten — abbricht, so muß man sich überlegen, welchen Einfluß die dadurch eingeführten Vernachlässigungen auf das Endergebnis haben. Im vorliegenden Fall tritt bei der Berechnung von cn+1 ungünstigstenfalls ein Fehler auf, der sich zusammensetzt aus der Hälfte des Fehlers von c n , der Hälfte des Fehlers von c B _, und dem durch das Abbrechen der
53
§ 23. Beispiele.
Division mit 2 hervorgebrachten Fehler, der eine halbe Einheit der letzten Stelle betragen kann. Verfolgt man das Schritt für Schritt, so findet man, daß hier c n um mehr als zwei Einheiten der letzten Stelle unsicher ist. Wollte man c n auf T ö J
c
r
=
2T> ' ' *
andererseits ( NnZn+i
- ZnNn+i
8)
= -
Zn - Zn_i Nn), also
= (i^-B^-l -
Danach ist
1)"
9)
Nun ist jedenfalls 10
also: ic»+i -
)
C
i'
J ^ jf '
Die Formel (9) zeigt ferner, daß die beiden Differenzen cn+1—cn. und cn — c„_i entgegengesetzte Zeichen haben; und eine einfache Rechnung lehrt, Saß die Differenz c B+ i — c„-i dasselbe Zeichen hat wie cn — c„_i. (Es ist nämlich: / _ _Zn-l + Zn_Zn-l_ZnNn-l-Zn~lNn_ |C„+1 C„-1 xn-_l+-Nn Kn+iN„-i Ä_t
I
N
»
r,
.
Nn (Zn ~N„+i\Nn
Zn-1\ Nn-ij
1
und der Faktor NJJVn+1 ist positiv). Aus (11) folgt, daß c„+1 zwischen c„_x und cB liegt, und weiter, daß zwischen irgend zwei aufeinander folgenden Gliedern der Folge alle späteren eingeschlossen sind, d. h. es ist für p = 1, 2, 3, . . . | cn+p — cJ ^ |c„ + i - cJ < Damit er71 gibt sich, daß die Folge konvergent ist. Der Grenzwert c ist aber diesmal eine irrationale Zahl, wie allerdings hier noch nicht be-
§ 24. Rechnen mit Grenzwerten.
55
wiesen werden kann. 1 Soll sie auf drei Dezimalstellen genau berechnet werden, so brauchen wir nach der soeben vorgenommenen Abschätzung höchstens bis c32 zu gehen; tatsächlich ist das nicht einmal erforderlich, denn man hat: Cj = 1 ,
c2 = 0,5 ,
cs c5 c7 ct
c4 c6 c8 c 10
= = = =
0,667 , 0,625 , 0,6196 , 0,6182 ,
= = =
0,6 , 0,6153 , 0,6176 , 0,6179 .
Es ist also auf drei Dezimalstellen gfenau: 12)
c = limcn = 0-618 . ri->oo
(In Fällen, wie der hier vorliegende, in denen die Näherungswerte abwechselnd kleiner und größer sind, als der Grenzwert, zeigt die Rechnung selbst, wie weit man gehen muß, um eine vorgeschriebene Genauigkeit zu erreichen. Dabei ist es der Sicherheit halber zweckmäßig, so wie hier geschehen, die kleineren Näherungswerte nach unten, die größeren nach oben abzurunden.) § 24.
Rechnen mit Grenzwerten.
Die Darstellung einer irrationalen Zahl (oder auch einer rationalen) als Grenzwert einer konvergenten Zahlenfolge ist häufig das bequemste Mittel, um die Zahl in die Rechnung einzuführen. Einige Sätze, von denen man dabei Gebrauch zu machen hat, mögen zunächst angeführt werden. I. Sind zwei Zahlen als Grenzwerte konvergenter Zahlenfolgen gegeben: 1)
a = lim an, vi -> oo
ß = lim bn, n —oo
so kann man zu jeder Genauigkeitsgrenze t einen Wert des Index n so bestimmen, daß die Ungleichungen: 2) | o„+J, - ce | v < s, für jeden positiven Wert von p bestehen. 1
bn+p — ß < £
Mit Benutzung der zu Anfang des § 28 zusammengestellten Formeln / 1\8 5 findet man aus (6): c = „ also e1 + e = 1 oder [ c + — I = —. Man 1 + e V 2/ 4 schließt nun so: Wäre c rational, dann gäbe es eine rationale Zahl, deren Quadrat gleich 5 wäre. Daß es aber eine solche rationale Zahl nicht gibt, beweist man nach dem Vorbild des S. 30/31 für 2 statt 5 geführten Beweises.
56
IV. Der Begriff des Grenzwerts.
Man kann nämlich dann wegen der in den Gleichungen (1) liegenden Voraussetzungen eine Zahl k so bestimmen, daß: 3) | ak+r — a \ < s wird für alle positiven r, uud eine Zahl l so, daß: 4) | al+, — a | < e wird für alle positiven s. Sind dann h und l einander gleich, so erfüllt ihr gemeinsamer Wert, für n genommen, die Ungleichungen (2); ist aber z. B. h > l, so nehme man n = k. Dann sind alle Zahlen der Form n + p zugleich in jeder der beiden Formen k + r , l + s (p, r, s positiv) enthalten; die Ungleichungen (2) gelten also dann, sobald die Ungleichungen (3) und (4) gelten. Der Satz läßt sich durch wiederholte Anwendung auf jede endliche Anzahl von Grenzwerten übertragen; dagegen braucht er nicht zu gelten, wenn man mit einer unendlichen Anzahl von Grenzwerten zu tun hat. Unter einer unendlichen Anzahl von Zahlen k, l, . . . braucht nämlich keine größte vorhanden zu sein. II. Sind zwei Zahlen als Grenzwerte konvergenter Zahlenfolgen gegeben und ist a > ß, so kann man stets einen solchen Wert des Index n angeben, daß jedes a„+p größer ist als jedes bn+g für alle positiven Werte von p und q. Denn sei a — ß = d, so bestimme man, was nach Satz I möglich ist, n etwa so, daß die Ungleichungen: la„+p- a \ < y , ' K + q - ß K j für alle positiven Werte von p und q bestehen. Dann folgt an+p — bn+q = {a — ß) — [a - an+p) — (bn+q — ß) ^ a — ß — | a — a„+p \ — |b n+q — ß , d d > d ~ T - J ' also 5)
On+p — ¿»+3 > y •
Zusatz: Insbesondere ergibt sich im^Falle wo alle bn einander gleich und gleich ß sind °n+P ~ ß > "3 •
Es ist also, wenn m irgend eine Zahl"< a ( = lim an) und M irgend oo eine Zahl > a ist, von einem gewissen n ab 5')
an+p < M,
anJrP > m .
§ 24. Rechnen mit Grenzwerten.
57
Aus dem Satz I I folgt weiter: HI. Ist (wenigstens von einem bestimmten Wert des Index an) stets an < bn, und existieren die beiden Grenzwerte (1), so ist: 6)
cc^ß,
m. a. W.: eine Begleichung kann in der Grenze zwar in eine Gleichung, aber nicht in die entgegengesetzte Ungleichung übergehen. IV. Ist (wenigstens von einen bestimmten Wert des Index n an) n < c„n - OO Ist nämlich n nach Satz I so bestimmt, daß die Ungleichungen (2) bestehen, m. a. W., daß jede der Zahlen an+p, bn+p um weniger als £ von a = ß entfernt ist, so folgt, daß auch cn+p, das nach Voraussetzung zwischen an+p und 6n+p liegt, von a um weniger als 8 entfernt ist; und da das für jeden positiven Wert von p gilt, so ergibt sich die Richtigkeit der Behauptung. Ausdrücklich sei darauf aufmerksam gemacht, daß in Satz III die Existenz der beiden Grenzwerte vorausgesetzt, in Satz IV dagegen zwar die der Grenzwerte a und ß auch vorausgesetzt, die von ü m c n aber bewiesen wird. »->oo V. Der Grenzwert einer Summe ist gleich der Summe der Grenzwerte der einzelnen Summanden; m. a. W.: ist lima B = et, lim bn = ß, •s «—>-oo n—>• oo so bilden auch die Zahlen (an + bn) eine konvergente Zahlenfolge, und es ist: 7) lim(« n + ¿ J = a + ß . n->oo Denn nach Voraussetzung kann man n zu jedem gegebenen s so bestimmen, daß:
, dagegen:
| «m+p — « | < y ,
K+p — ß
.
also: | (an+P + b„+p) - (a + ß) \ < e wird für jedes positive p. VT. Der entsprechende Satz für den Grenzwert einer Differenz wird ebenso bewiesen. Insbesondere ergibt sich in dem Falle, wo alle bn einander gleich und gleich ß sind iT)
lim (an±ß)
=
(\iman)±ß,
IV. Der Begriff des Grenzwerts. Bemerkt sei noch, daß jeder der beiden letzten Sätze zwei Behauptungen enthält: einmal die Behauptung, daß unter den getroffenen Annahmen der Grenzwert der Summe und Differenz überhaupt existiert, d. h. daß die (an + bj und die (an — bj eine konvergente Zahlenfolge bilden; dann die Behauptung, daß diese Grenzwerte die angegebenen Werfe haben. § 25.
Aufsteigende Zahlenfolgen.
Für viele Untersuchungen ist folgender Satz wichtig: I. Eine unendliche Zahlenfolge ist stets konvergent, wenn ihre Glieder fortwährend wachsen, ohne jedoch ins Unendliche zu wachsen. Oder vollständiger ausgedrückt: Wenn von unendlich vielen Zahlen c0, cx, c2, . . . jede größer als die vorhergehende ist, wenn aber eine Zahl M existiert, die jedes der cn übertrifft, dann bilden die cn eine konvergente Zahlenfolge. Wir können nämlich dann die Gesamtheit der teellen Zahlen folgendermaßen in zwei Klassen, a, A, teilen: wir rechnen eine Zahl zu den a, wenn sie von einem der cn (und also auch von allen folgenden) übertroffen wird, dagegen zu den 'A, wenn sie die sämtlichen cH übertrifft. Da es ein Drittes nicht gibt, muß jede reelle Zahl zu der einen oder anderen dieser beiden Klassen gehören; freilich besitzen wir kein Mittel, um von jeder vorgelegten Zahl mit Sicherheit zu entscheiden, ob sie zu der einen oder zu der anderen Klasse gehört. Finden wir nach einigen Versuchen ein cfl, das größer ist als die vorgelegte Zahl, so gehört diese zu den a\ finden wir aber unter den ersten cn keines, das größer als die vorgelegte Zahl wäre, so können wir nicht wissen, ob nicht etwa unter den noch folgenden cH ein solches ist. Um die Entscheidung endgültig herbeizuführen, müßten wir die sämtlichen cn durchprobieren, d. h. unendlich viele Rechnungen anstellen, was doch nicht ausführbar ist. Trotzdem dürfen wir die angegebene Zerlegung als wenigstens in der Idee vollständig bestimmt ansehen. Der Schnitt a | A bestimmt eine Zahl u und zwar ist a die kleinste der Zahlen A. Denn unter den a ist keine größte. Wird nämlich eine Zahl a1 von einem der c, etwa cn, übertroffen, so liegen zwischen a1 und cn immer noch andere rationale Zahlen, die auch von cn übertroffen werden, folglich auch zu den a gehören. Wir zeigen: es ist 1) lim cn = « . TL —> DO
§ 25.
Aufsteigende
59
Zahlenfolgen.
Denn jede Zahl a — «, die kleiner als a ist, gehört zu den a; es gibt also ein cn, das größer als et — e ist. Dann ist aber auch: 2)
cn+2> > a - e
für
p = 1, 2, 3- . ( . .
Andererseits gehört a zu den A. Also ist: 3
C
)
n+p < « •
Die Ungleichungen (2) und (3) zusammen geben: 0 < a - eM+p < g ,
also
«| « C
«5
C
"t+1/
—
C
n,
Cn
> ^
k ^
«
£
wäre. (Man beachte, daß die linksstehenden Differenzen alle positiv sind, so daß das Zeichen des absoluten Betrages hier weggelassen werden konnte.) Aus diesen Ungleichungen würde durch Addition folgen, daß: wäre, d. h. daß man zu jedem Werte der ganzen Zahl h ein c„i + 1 bestimmen könnte, das dieser Ungleichung genügt. Das wäre aber gegen die Voraussetzung, daß die c alle kleiner als eine gewisse Zahl M sein sollten. Also stoßen wir auf einen Widerspruch. Auch diese Schlußweise gibt nicht die Möglichkeit, die Zahl a wirklich zu bestimmen. Man hat also hier einen bemerkenswerten Unterschied: wenn es gelingt, die Existenz einer Irrationalzahl mit bestimmten Eigenschaften ohne Benutzung des Satzes dieses Paragraphen, direkt auf Grund der Sätze von § 16 oder. § 22 nachzuweisen, so hat man damit zugleich auch ein Mittel, um sie mit jeder verlangten Genauigkeit zu berechnen; macht man aber von dem Satze dieses Paragraphen (direkt oder indirekt) Gebrauch, so ist man zwar auch sicher, daß man jede verlangte Genauigkeit schließlich erreichen kann, wenn man die Rechnung nur weit genug treibt; aber man
60
IV. Der Begriff des Grenzwerts.
kann durch diesen Satz allein nicht entscheiden, ob man sie bei einem gewissen Schritte wirklich erreicht hat, und poch weniger vor Beginn der,Rechnung wissen, wie weit zu gehen erforderlich sein wird. Daher haben einige Mathematiker, namentlich Keoneckeb, den Gebrauch dieser Schlußweise überhaupt abgelehnt; sie gibt aber häufig den bequemsten Weg zur Einführung einer Irrationalzahl zu deren wirklicher Berechnung man dann nachträglich noch andere Hilfsmittel herbeiziehen kann, wie wir später an Beispielen sehen werden. Ebenso wie aufsteigende kann man auch absteigende Zahlenfolgen behandeln. Hat man gleichzeitig eine aufsteigende Folge c0, cvc2... und eine absteigende Folge e0, ev e2 . . ., die gegen denselben Grenzwert konvergieren, so hat man damit allein zwar auch noch kein Mittel, um vor Beginn der Rechnung festzustellen, wie weit man in der Berechnung der Glieder der beiden Folgen gehen muß, um den Grenzwert mit vorgeschriebener Genauigkeit zu erhalten; aber man ist wenigstens, wenn man beide Folgen benutzt, während der Rechnung fortwährend darüber im klaren, wie groß die erreichte Genauigkeit in jedem Augenblicke ist; denn es ist stets: c < u < « mit n ^ ^ n
lim (e — c ) — 0 . \ n n/
n—>-oo
Geometrisch besagt diese Darstellung: II. Hat man auf der X-Achse unendlich viele ineinander geschachtelte Strecken c0 e0, cl e1, c2 e2 . . ., die schließlich kleiner werden als jede noch so kleine Strecke. so gibt es einen und nur einen allen diesen Strecken gemeinsamen Punkt cc. Dieser geometrische Satz ist mit dem Satze der Lückenlosigkeit völlig äquivalent, einer läßt sich aus dem andern ableiten. Während die DEDEKiNDsche Definition der Irrationalzahlen den geometrischen Satz der Lückenlosigkeit als Leitgedanken benutzte, knüpft die Cantob sehe Definition an den obigen Satz II an. § 26.
Multiplikation der Irrationalzahlen.
In § 24 haben wir den Satz kennen gelernt, daß der Grenzwert einer Summe gleich der Summe der Grenzwerte der einzelnen Summanden ist. Einen entsprechenden Satz für den Grenzwert eines Produktes können wir hier zunächst nur unter der Einschränkung beweisen, daß die Grenzwerte der einzelnen Faktoren und diese einzelnen Faktoren selbst rationale Zahlen sind; denn das Produkt zweier irrationalen Zahlen haben wir bis jetzt noch nicht
§ 26.
definiert 1)
Multiplikation der
Irrationalzahlen.
61
Sei also: lim an = a, n -> oo
lim bn = ß n->-oo
und a, ß seien rationale Zahlen, ebenso alle ay, bv. 2)
* = «„ +