Frühgriechische Lyriker: Teil 3 Sappho, Alkaios, Anakreon [Deutsch von Zoltan Franyo, Reprint 2021 ed.] 9783112525623, 9783112525616


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German Pages 218 [153] Year 1977

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Frühgriechische Lyriker: Teil 3 Sappho, Alkaios, Anakreon [Deutsch von Zoltan Franyo, Reprint 2021 ed.]
 9783112525623, 9783112525616

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SCHRIFTEN U N D Q U E L L E N DER ALTEN WELT HERAUSGEGEBEN VOM Z E N T R A L I N S T I T U T FÜR A L T E G E S C H I C H T E U N D A R C H Ä O L O G I E DER A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N D E R D D R

BAND 24,3

FRÜHGRIECHISCHE LYRIKER DRITTER TEIL SAPPHO, ALKAIOS, A N A K R E O N

DEUTSCH VON

ZOLTAN FRANYÖ GRIECHISCHER TEXT BEARBEITET VON

BRUNO SNELL

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1976

R e d a k t o r der R e i h e : G ü n t h e r Christian H a n s e n R e d a k t o r dieses B a n d e s : H a d w i g H e l m s

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1976 Lizenznummer: 202 • 100/130/76 Einband und Schutzumschlag: Marianne Gossow-Rodrian Herstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen/DDR • 4347 Bestellnummer: 752 501 5 (2066/24/3) • LSV 7385 Printed in GDR E V P 20,-

INHALT

Einführung

7

Sappho 7 — Alkaios 10 — Anakreon 13 — Korinna 13 — Etinna 14 — Abkürzungen 14 Die monodischen Dichter

1j

Sappho

16

Alkaios

64

Anakreon

100

Korinna

132

Erinna

140

Erläuterungen

144

EINFÜHRUNG Neben die in den beiden ersten Bänden zusammengestellten Elegiker und Jambographen 1 , also neben die Dichter, die in sogenannten „Sprechversen", in Distichen oder Trimetern (oder auch Tetrametern) dichteten, treten hier die „monodischen" Dichter, wie man sie heute — übrigens nicht ganz treffend — nennt, die „Lyriker" im eigentlichen Sinne des Wortes, die meistens ihre Lieder persönlich zur Lyra vortrugen. Ein vierter Band wird die Reste frühgriechischer „Chorlyriker" bringen, die ihre Gedichte vorwiegend durch einen Chor aufführen ließen. Wie oft in der Weltliteratur Vertreter einer bestimmten Dichtgattung zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zu mehreren auftraten, so beginnt die große monodische Lyrik bei den Griechen um 600 v. u. Z. auf der Insel Lesbos mit Sappho und Alkaios. Wie auch sonst zeigt solche Duplizität, daß gewisse neue Ideen sozusagen in der Luft lagen. Sappho und Alkaios gehen aus von volkstümlichen und religiösen Liedern. Wir besitzen nichts mehr von diesen, aber die konventionellen Formen schimmern aus den Kunstgebilden der beiden Dichter so deutlich hervor, daß es reizvoll ist zu fragen, wie sie das Alte zu Neuem verwandelt haben — sie taten es auf verwandte und doch verschiedene Art.

SAPPHO Sappho hatte einen Kreis von Mädchen um sich, denen sie Lieder zum Gottesdienst, wie etwa auf die Musen (Fr. 90), einstudierte, vor allem aber dichtete sie Hochzeitslieder, die sie von den Mädchen vortragen ließ. Aber solche auf bestimmte Gelegenheiten zielende Gedichte wurden bald zum Vorwand, um mit den Mädchen zu singen und zu tanzen, festlich geschmückt in schöner Umgebung, zwischen duftenden Blumen, wie es die Ode an Aphrodite Fr. 5.6 spüren läßt. Ein solches Tun verknüpfte den Kreis der Freundinnen durch ein festes geistiges Band. Die Erinnerung hieran zu wahren, mahnt Sappho immer aufs neue durch ihre Lieder. Schon vor ihr galten die Musen als Töchter der Mnemosyne. Für die epische Dichtung bedeutete das, die Erinnerung wachzuhalten an die großen Geschehnisse 1 Diese Reihe, Bd. 24,1: Frühgriechische Lyriker, Erster Teil: Die frühen Elegiker, Berlin 1971 und Bd. 24,2: Frühgriechische Lyriker, Zweiter Teil: Die Jambographen, Berlin 1972.

8

Einführung

der Vergangenheit und die Taten der Helden. Sappho aber beansprucht, daß das Persönliche wert sei besungen zu werden — nicht die große Tat, sondern „das Viele und Schöne", wie sie es nennt (Fr. 34 A ; vgl. auch Fr. 9 6 , 1 1 ) , das mit den Freundinnen zusammen Erlebte und Empfundene: Klang, Licht, Duft und alles Zarte. Der persönliche Charakter ihrer Gedichte zeigt sich vollends darin, daß sie immer wieder von der leidenschaftlichen Liebe zu einzelnen Mädchen ihres Kreises spricht. Wie dadurch die konventionellen Formen ihres Dichtens sich verschieben, zeigt am eindringlichsten unser zweites Gedicht (S. 18). Sie beginnt damit, einen Mann selig zu preisen, ein übliches Motiv der Hochzeitslieder. So heißen etwa am Schluß von Fr. 55b Hektor und Andromache „göttergleich". Zur Hochzeit gehört ferner, daß der gottähnliche Mann nahe bei dem Mädchen sitzt. Überraschenderweise folgt nun aber statt des herkömmlichen Segenswunsches an das Brautpaar, wie er etwa in Fr. 128, 129 und 135 steht, Sapphos Klage über ihre eigene Hilflosigkeit. Heißt es am Anfang konventionell „er erscheint mir den Göttern gleich", so setzt sie ganz unkonventionell am Ende des Gedichts dem Glück des Bräutigams ihr eigenes Unglück entgegen: „ich erscheine mir fast als eine, die stirbt." Auch in anderen Gedichten erweckt die Hochzeit einer Geliebten in Sappho die Trauer des Abschieds — vgl. etwa Fr. 96 —, oder sie ermahnt sich, ihr Schicksal zu tragen. Mit diesem Gedanken endet das Gedicht 2. Sein eigentlicher Inhalt aber ist das sachliche Aufzählen der körperlichen Symptome ihrer Leidenschaft. Wird das Gedicht so getragen von ihrem starken Gefühl, verhindern der konventionelle Rahmen und die nüchterne Beschreibung dennoch, daß es sich im Vagen verliert. Am prägnantesten bezeichnet Sappho solche Not, die sie immer wieder erlebt und in ihren Versen darstellt, mit den Worten (Fr. 46): „Ich weiß nicht, was ich beginnen soll, die Gedanken sind zwiefach mir." Ihre Vorstellung ist „geteilt": ein starkes, von ihr als göttlich empfundenes Gefühl erstrebt ein Ziel, das, wie sie weiß, unerreichbar ist. Sie muß resignieren. In unserem ersten Gedicht (S. 16) benutzt Sappho ebenfalls konventionelle zweckgebundene Motive, um ihr Inneres zu offenbaren, aber diesmal auf eine ganz andere Weise. Es ergibt sich so geradezu ein Wunderwerk der „Motiv-Verschränkung", das noch deutlicher zeigt, wie Sappho Altes kombiniert und eben dadurch unerhört Neues sagt. Das erste Motiv ist ein Gebet an Aphrodite, an dessen Anfang und Ende, als Ring das Ganze umschließend, der Hilferuf an die Göttin steht: „Komm, . . . rette mich aus der Not." Diese Bitte verstärkt Sappho durch das zweite Motiv: die alte Gebetsformel „wie du auch früher geholfen hast". Dieser Appell an ein gleiches Handeln der Gottheit in gleicher Lage soll die Hilfe erzwingen. Das dritte Motiv, das die Dichterin übernommen hat, ist die Epiphanie Aphrodites. Daß eine Göttin einem Menschen erscheint und ihn tröstet „Beruhige dich, es wird schon wieder besser werden für dich", lesen wir am Anfang der Ilias. Als der zornige Achill dem Agamemnon zuleibe gehen will, erscheint ihm Athene und beredet ihn, sein Schwert einzustecken; er würde später reichlich entschädigt werden für die ihm widerfahrene Kränkung.

Einführung

9

Sappho nun läßt Aphrodite sagen: „Was wünschst du dir diesmal wieder? Wer soll dich diesmal lieben? Es wird sich alles erfüllen." Damit kommt ein weiteres überliefertes Motiv ins Spiel, das uns bei Archilochos begegnete (Fr. 67): man muß erkennen, wie Freud und Leid im menschlichen Leben wechseln, wie ein Rhythmus alles beherrscht. Sappho schließt dann das Gedicht mit einer Kampf-Metapher: „Sei mir selbst Mitkämpferin, Bundesgenossin." All diesen Motiven gibt Sappho einen neuen Sinn. Das Gebet läuft nicht primitiv geradeaus auf den Zweck los: „Laß die Geliebte mich lieben"; vielmehr wird durch die anderen Motive etwas anderes Persönliches zum Hauptinhalt des Gedichts. Immerhin ist für Sappho das Beten soweit sinnvoll, als ihr die Liebe noch Gabe der Göttin ist und nicht etwa nur ein menschlich-psychologischer Zustand. Andererseits tritt das Psychologische dadurch hervor, daß Sappho nicht einfach um die Liebe des Mädchens betet, sondern verhaltener sagt: „Erlöse mich von den schweren Sorgen und vollende mir, was mein Gemüt zu vollenden wünscht"; und wenn sie zum Schluß sagt: „Stehe mir in meinem Kampf bei, sei mein Bundesgenosse", so setzt sie ihre eigene Tätigkeit neben die der Göttin. So hat denn auch die Epiphanie der Gottheit einen anderen Sinn als in der AchillSzene der Ilias: Dort griff Athena in das H a n d e l n ein; die ganze Ilias wäre anders verlaufen, wenn sie Achill nicht auf einen anderen Weg gebracht hätte. Bei Sappho jedoch greift die Göttin nicht in ein Handeln des Menschen ein; vielmehr macht sie Sappho nur klar, wie es um sie bestellt ist. Das weitere herkömmliche Gebetsmotiv: „Komm, wie du auch früher gekommen bist", schafft Raum für die Worte der Göttin: „so war's doch auch sonst schon". Sappho braucht nicht selbst ihr eigenes Leid zu beklagen, sondern überläßt das Sprechen der Göttin. Wenn Aphrodite dann ihre Rede schließt: „Wenn sie flieht — bald wird sie dich verfolgen,. . . wenn sie nicht liebt — bald wird sie lieben, selbst gegen ihren Willen", ist dieser „Trost im Wechsel" zwar verwandt mit dem, was Archilochos gesagt hatte, aber doch wieder auf charakteristische Weise verschieden. Archilochos spricht von Freud und Leid bei Sieg und Niederlage, Sappho von Schwankungen der Gesinnung. Bei ihr steht nicht so sehr der äußere E r f o l g im Vordergrund, der unsicher ist, sondern das Auf und Ab, dem das E m p f i n d e n ausgesetzt ist, ja, das dem Gefühl sein Leben gibt. Wenn Sappho auf solche Weise alte Motive miteinander verschränkt, hat sie natürlich nicht absichtsvoll alte Stücke zusammengebastelt, um neue Effekte zu gewinnen; der Prozeß liegt tiefer: sie wird sich an den ihr überkommenen Gedanken ihres eigenen Empfindens bewußt. Darin liegt ihre geistesgeschichtliche Bedeutung wie auch der poetische Reiz ihrer Gedichte. Wie Sappho mit den Mädchen ihres Kreises die Erinnerung an alles Schöne wachhält, das sie gemeinsam erlebt haben, zeigt am deutlichsten ein weiteres Gedicht (98); vielleicht enthält es sogar mehr, als man beim ersten Lesen merkt. Es ist an das Mädchen Atthis gerichtet (Vers 16). Zwei andere Bruchstücke (Fr. 40 und 137) zeigen, daß Sappho diese Atthis geliebt hat, ohne die erhoffte Gegenliebe zu finden. Jetzt erzählt Sappho ihr, daß ein Mädchen namens Arignota, das zu Sapphos Kreis

IO

Einführung

gehörte, in Sardes lebt: „Früher, als sie noch bei uns war", sagt Sappho zu Atthis, „pries sie dich als göttergleich und liebte am meisten deinen Gesang." Dies ist ein Kompliment der Sappho an Atthis, aber zart und mittelbar durch den Mund der Arignota. Auch der fernen Arignota, die so sehnsuchtsvoll an Atthis denkt, sagt Sappho Freundliches, kann aber über die in der Ferne Weilende unverblümter sprechen: „In Lydien strahlt sie als die Schönste . . . und verzehrt sich das Herz in Sehnsucht nach dir." Zum Schluß heißt es: „Sie ruft uns: kommt herüber zu mir!" Dieses „uns" — wie eng verbindet es Sappho und Atthis, und nicht nur in den Gedanken der fernen Arignota.

ALKAIOS Auch Alkaios geht in vielen seiner Gedichte von konventionellen Liedformen aus. Erhalten sind uns Stücke aus Hymnen auf verschiedene Götter (Fr. 1—9), die kaum Persönliches oder Originelles erkennen lassen. Die meisten Bruchstücke sind aus einem Hymnos erhalten, der erzählt, wie Dionysos unter die olympischen Götter aufgenommen wird (Fr. 9). Dieses Lied wurde vermutlich beim Symposion vorgetragen, zur Feier des Weingottes. Trinklieder gab es in Fülle bei Alkaios. „Laßt uns trinken" oder ähnlich beginnen mehrere Gedichte: „Trinken wir, es ist so heiß" oder „es ist so kalt, also trinken wir" oder „wir sind so traurig" oder „wir sind so froh — ergo bibamus". Zu den Symposionliedern gehören auch die Liebesgedichte (Fr. 66 und 99). Einige der erhaltenen Bruchstücke beziehen sich nun aber nicht auf ein bestimmtes Fest (z. B. Fr. 73—74 B); sie behandeln Sagen, zumal aus dem Umkreis homerischer Epen, und heben eindrucksvoll den moralischen Gehalt des Geschilderten hervor: daß auf ein begangenes Unrecht Unglück und Strafe folgen. Sisyphos muß für einen Betrug büßen (Fr. 73); die treulose Helena bringt Unheil über Troja (Fr. 74); Paris, der Schänder des Gastrechtes, stürzt seine Brüder ins Verderben (Fr. 74 A); Aias, der die Seherin Kassandra vom Altar der Athena raubt, wird von der Göttin gestraft (Fr. 74 B). Auch diese Gedichte wird man sich am ehesten beim Gelage gesungen denken -7 welchen Sinn sie jeweils hatten, erklärt sich wohl aus dem politischen Zustand der Zeit. Die Zechgenossen des Alkaios waren seine politischen Freunde. Mytilene war damals zerrissen von leidenschaftlichen Kämpfen zwischen verschiedenen Gruppen des Adels. Schon die Brüder des Alkaios waren darin verwickelt und hatten als Parteigänger des Pittakos geholfen, den Tyrannen Melanchros zu stürzen. Alkaios kämpfte dann an der Seite des Pittakos gegen die Athener um das am Eingang des Hellespont liegende Sigeion. Nach diesem Kriege machte sich Myrsilos, der Kleanaktide, zum Tyrannen von Mytilene. Gegen ihn verschworen sich Pittakos und seine Aristokraten-Gruppe. Offenbar in dieser Zeit ist Alkaios zum ersten Mal verbannt worden: er lebte in dem berühmten Heiligen Bezirk von Pyrrha auf Lesbos (vgl.

Einführung

II

Fr. 24 A und C). In einem wilden Trinklied (Fr. 39) feierte Alkaios später den T o d des Myrsilos. Nun wählte das Volk Pittakos zum „Aisymneten", zum Schiedsrichter, der die Parteigegensätze ausgleichen sollte. Daß sein alter Mitstreiter diesen Auftrag annahm, empfand Alkaios als Verrat und hat ihn deswegen schonungslos bekämpft. Er beschimpft ihn (Fr. 87), er sei aus schlechtem Hause (Pittakos war sicher von Adel, stammte aber aus Thrakien), und ärgert sich besonders, daß die Stadt ihn jubelnd aufgenommen habe. Dieser Jubel war eigentlich ein Zeichen dafür, daß Pittakos nicht gegen den Willen des Volks die Macht gewonnen hatte, aber Alkaios nennt ihn dennoch Tyrann und Monarch. Der Dichter sagt nicht, was für ihn freiheitliche, demokratische Ideen seien (wie sie etwa zu gleicher Zeit Solon in Athen darlegt). Gewiß sagt er einmal (Fr. 24 C), daß er sich am Ort seiner Verbannung, fern der Stadt, nach dem Ruf des Herolds sehnt, der Volk und Rat zusammenrief, als hätte es damals schon eine echte, verantwortliche Vertretung der Mytilenäer gegeben. „Tyrann" heißt bei Alkaios kaum anderes als „Haupt der Gegenpartei, die uns nicht zur Macht kommen läßt". Übrigens hat Pittakos an der Spitze seiner Stadt offenbar segensvoll gewirkt; jedenfalls zählte man ihn (wie Solon von Athen) zu den Sieben Weisen. So wenig überzeugend die politischen Äußerungen des Alkaios klingen, so wenig sie auch die wirtschaftlichen oder sozialen Interessen seiner Gruppe oder der des Pittakos erkennen lassen — in seinen Versen treten zum ersten Mal Männer auf, die zu politischen Gruppen gehören. Homer kennt nur Gruppen, in die man hineingeboren ist: die Familie, den Stamm, die Kultgemeinschaft. Selbst wenn ein „Fremder" in solche Gemeinschaft aufgenommen werden konnte, änderte das nichts an der durch die Tradition geheiligten Form. In nachhomerischer Zeit entstehen Religionsgemeinschaften, in die man eintreten kann, etwa dadurch, daß man sich „einweihen" läßt. Solche „Mysterien" versprechen vor allem ein seliges Leben nach dem Tode. Bei Alkaios begegnen wir zum ersten Mal einer Gruppe, die irdische Ziele verfolgt. Trotzdem ist e i n religiöses Motiv für ihn und seine Freunde entscheidend: durch heilige Eide haben sie sich verpflichtet zusammenzustehen. Der Verrat des Pittakos ist Eidbruch, deswegen muß ihn die Rache der Erinnyen treffen (Fr. 24 A , 13—24). Für die „Verschworenen" — sie waren es im wörtlichen Sinne — hatte das Symposion mit seinen Liedern besonderen Sinn. Wenn Alkaios Begebenheiten des Epos moralisch scharf verurteilt, prangert er eben das an, was seiner Gruppe gefährlich werden konnte — die UnZuverlässigkeit: Paris ist der „Schänder des Gastrechts", und Helena hat die Ihren verraten — so kommt Unheil über die Brüder des Paris (Fr. 74 und 74A); solcher „Verrat" würde auch den Kreis der Verschworenen sprengen. Aias hat Kassandra aus dem Heiligtum der Athena gerissen (Fr. 74 B) — Alkaios könnte das gedichtet haben, als er selbst im Heiligtum von Pyrrha Schutz gefunden hatte. Ein wenig anders ist die Situation in dem Sisyphos-Gedicht (Fr. 73), die unmittelbar dem Zechgelage entspringt: „Betrink dich mit mir! Hoffe nicht, daß du v o m Tode zurückkehren kannst. Das hat Sisyphos durch Betrug fertiggebracht und hat dafür büßen müssen."

12

Einführung

Alle diese Gedichte zielen auf Ehrlichkeit, bisweilen etwas rauhbeinig, aber immer ritterlich. Wie wichtig dem Alkaios und seinen Freunden das gemeinsame Trinken war, zeigen die Sätze: „Der Wein ist Wahrheit" (Fr. 66) und „Der Wein ist der Spiegel des Menschen" (Fr. 104). So oft man dies später wiederholt oder variiert - es hat für niemanden die Bedeutung gehabt wie für Alkaios, von dem wir es zum ersten Mal hören. Beim Wein, der die Zunge lockert, verriet sich am ehesten, wer nicht zuverlässig war, und an der persönlichen Zuverlässigkeit hing alles in solcher Gruppe. So verschieden die Welten des Alkaios und der Sappho sind - in einem sind beide einig: ihr Dichten gilt einem festen Kreis von innerlich zusammengehörigen Freunden. Man hat wohl mit Recht vermutet, daß in Mytilene schon vor der Zeit der beiden Dichter sowohl für Jünglinge wie für Mädchen kultische Vereinigungen bestanden, Hetairien oder Thiasoi, und daß die Gruppen um Sappho und Alkaios daraus hervorgewachsen sind. Wichtiger aber ist, was beide daraus gemacht haben. Sappho schilt eine reiche, ungebildete Frau (Fr. 58), daß sie nicht an dem „Musischen" teilgenommen hat: so wird keiner ihrer gedenken. Ein anderes Mal gesteht sie, das Schönste sei nicht das allgemein Anerkannte, Prächtige, sondern das, was einer liebt, sei es auch schlicht (Fr. 27). Das sind zwei deutliche Absagen an die Konventionen der aristokratischen Gesellschaft, in der sie lebt, sind zwei Bekenntnisse zu dem Kreis, den ein geistiges Leben verbindet. Damit taucht etwas auf, was grundlegende Bedeutung für die zukünftige Kulturentwicklung Griechenlands und Europas gewinnen sollte. Hieraus rührt der literarische Anspruch, mit dem etwa Pindar sagt (Ol. 2 , 8 5 ) : ich dichte pàvGû_aï3Êpos Sia né(jaco. afya 6' êÇÎKOVTO, crû 8', & liÓKaipa, peiSiaiaaia' àSavótTcoi TTpoacÓTrcoi ij fipe', otti 6t|0t£ TréirovSa kcotti SriÖTe KctArmm kcotti noi liáAtcjra SéAco yévsaSai paivóAai 3úpcoi. 'tíva Stiöts FíeíSco Haler' âyr)v êç cràv (piAÓTcrra, tîç ct\ airos |jEÀa]9Ì8iai

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