Forst Und Wildbann Im Frühen Deutschen Reich: Die Königlichen Privilegien Für Die Reichskirche Vom 9. Bis Zum 12. Jahrhundert (Dissertationen Zur Mittelalterlichen Geschichte) (German Edition) [Reprint ed.] 3412128007, 9783412128005


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Forst Und Wildbann Im Frühen Deutschen Reich: Die Königlichen Privilegien Für Die Reichskirche Vom 9. Bis Zum 12. Jahrhundert (Dissertationen Zur Mittelalterlichen Geschichte) (German Edition) [Reprint ed.]
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DISSERTATIONEN ZUR MITTELALTERLICHEN GESCHICHTE 10

Clemens Dasler

Forst und Wildbann im frühen deutschen Reich Die königlichen Privilegien für die Reichskirche vom 9. bis zum 12. Jahrhundert

§

2001 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dasler, Clemens: Forst und Wildbann im frühen deutschen Reich : die königlichen Privilegien für die Reichskirche vom 9. bis zum 12. Jahrhundert / Clemens Dasler. - Köln ; Weimar ; Wien : Böhlau, 2001 (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte ; Bd. 10) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1996 u.d.T.: Dasler, Clemens: Die Forst- und Wildbannverleihungen an geistliche Empfänger ISBN 3-412-12800-7 Umschlagabbildung: Wildbannverleihung für Bischof Arnulf von Halberstadt vom 20. April 997. Landesarchiv Magdeburg Rep. U5 Tit. II. 6. © 2001 by Böhlau Verlag G m b H & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 91 39 00, Fax (0221) 91 39 011 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: MVR-Druck GmbH, Brühl Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 3-412-12800-7

Fiir Gottfried, Judith, Burgi und Thomas

Inhalt Vorwort I.

XIII

Einleitung

II. Das Problem 1. Der Gegenstand: Was ist ein Forst bzw. Wildbann? a) Begriffs-und Formengeschichte b) Forstschenkung und Einforstung

1 3 3 3 8

2. Der Inhalt des Wildbanns a) Das Zeugnis der Verleihungsurkunden b) Der Wildbann als Jagdprivileg

13 13 19

3. Forste und Rodung 4. Forste und Herrschaft

25 30

III. Die einzelnen Forste

37

1. Augsburg

37

2. Bamberg

44

Basel 3. Der Wildbann über den Hardtwald 4. Der Wildbann im Breisgau

48 49

Brixen 5. Der 6. Der 7. Der 8. Der

51 54 59 60

Lüsener Wildbann Wildbann im Pustertal Krainer Wildbann von 1040 Krainer Wildbann von 1073

9. Cambrai

64

Chur 10. Die Forste im Bergell

66

VIII

Inhalt

11. Der Forst am Schollberg 12. Der Forst am Rhein

68 69

Eichstätt 13. Die Urkunden von 889, 908, 918 und 1002 14. Der Wildbann von 1053 15. Das Wildbannprivileg von 1080

70 75 77

16. Ellwangen

78

17. Elten

84

18. Freising

85

Fulda 19. Der Wildbann bei Echzell 20. Der Bramforst 21. Die Zunderenhart 22. Der Wildbann in der Mark Lupnitz 23. Der Wildbann von 1059

87 89 92 94 98

24. Halberstadt

101

Hamburg-Bremen 25. Der Wildbann an der Weser 26. Der Forst im Eiterbruch 27. Der Forst im Ammerland 28. Der Forst im Gau Wimodi 29. Der Forst in den Grafschaften Udos und Bernhards 30. Der Forst im Weserbergland 31. Der Forst bei Duisburg

107 108 109 110 111 112 113

32. Helmarshausen

113

Hersfeld 33. Der Wildbann über die silva Eherinenfirst 34. Der Wildbann von 1016

115 116

Hildesheim 35. Der Wildbann an der Leine 36. Der Wildbann zwischen Leine und Innerste

118 120

Inhalt

IX

Köln 37. Die Wildbannurkunde von 973 38. Der Wildbann von 1069

121 125

39. Konstanz

127

40. Lorsch

130

Lüttich 41. Der Forst an der Maas 42. Der Wildbann im Waverwald

133 135

Magdeburg 43. Der Forst Sömmering 44. Der Forst bei Schieder

136 139

45. Mainz

140

46. Merseburg

141

47. Metz

147

Minden 48. Die Schenkung von 991 49. Der Wildbann von 1029 50. Der Wildbann von 1033

147 149 150

51. Mondsee

152

52. Münster

158

53. Naumburg

159

54. Osnabrück

163

Paderborn 55. Der Forst im Osning

166

56. Der Forst im Reinhardswald

170

57. Passau

172

58. Ranshofen

177

Inhalt

X 59. Regensburg

178

Salzburg 60. Der Sausal 61. Der Forst Heit 62. Der Forst Heselinestuda 63. Der Forst an der Salzach 64. Der Wildbann am Inn 65. Der Wildbann an der Traun

181 183 186 187 191 191

66. Speyer

194

67. Straßburg

197

68. Toul

198

Trier 69. Die Forsturkunden von 897 und 949 70. Der Forst von 973

200 210

Utrecht 71. Die Schenkung von 777 72. Die Forstverleihung von 944

220 221

Verden 73. Der Wildbann im Gau Sturmi 74. Der Forst in der Mahtheide 75. Walkenried

225 227 232

Worms 76. Der Wimpfener Wildbann 77. Der Forst Forehahi

235 237

Würzburg 78. Der Forst bei Burgbernheim 79.Der Wildbann von 1014 80. Der Wildbann im Steigerwald 81. Der Wildbann um Murrhardt 82. Der Wildbann bei Mellrichstadt 83. Der Wildbann von 1060 84. Der Wildbann in den Haßbergen

242 243 244 246 248 250 253

85. Zürich

255

Inhalt

XI

IV. Ergebnisse

257

V. Anhang

265

Zu Tabelle 1: Zeitliche Verteilung der Privilegien Tabelle 1

265 267

Zu Tabelle 2: Bestätigungen' von Forstprivilegien im Untersuchungszeitraum Tabelle 2

268 269

VI. Quellen- und Literaturverzeichnis

271

A. Hilfsmittel

271

1.) Wörterbücher und Lexika

271

2.) Atlanten, Kartenwerke und Ortsverzeichnisse

271

B. Quellen 1.) Ungedruckt 2.) Gedruckt

273 273 273

C . Literatur

281

VII. Register

307

Vorwort Das vorliegende Buch basiert auf einer Dissertation, die im Sommersemester 1996 vom Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften der GeorgAugust-Universität Göttingen angenommen wurde. In der Zwischenzeit ist die Forschung nicht stehengeblieben und mit ihr auch die Arbeit am Manuskript nicht. Ergänzungen ergaben sich nicht zuletzt aus dem Umstand, daß die bis 1999 erschienene Literatur berücksichtigt werden konnte. Somit enthält die Druckfassung eine ganze Reihe neuer Nachweise und Gesichtspunkte, ohne daß dies an den Ergebnissen etwas geändert hätte. Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle die Unterstützung, die die Studie von verschiedenen Seiten erhielt. Zunächst sei hier meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hartmut Hoffmann, gedankt. Er schlug mir nicht nur das Thema vor, sondern begleitete den Fortgang der Arbeit auch stets mit großem Interesse. Mein Dank gilt ebenfalls Herrn Prof. Dr. Ernst Schubert für die Übernahme des Korreferats. Nicht auf die Zeit der Promotion beschränkt war jedoch der Rückhalt, den ich stets durch meine Familie erfuhr. Als handgreifliches Ergebnis ihrer Anteilnahme sei ihnen - Vater, Schwester, Tante, Schwager dieses Buch daher gewidmet. Hannover, im November 2000

Clemens Dasler

I. Einleitung Die Forst- und Wildbannverleihungen bilden eine eigene Gruppe unter den Privilegien, die von den Herrschern des entstehenden deutschen Reiches ausgestellt wurden. Soweit die Uberlieferungslage ein Urteil darüber erlaubt, wurden sie hauptsächlich den Kirchen des Reiches zuteil. Im Verhältnis zu den anderen Forstprivilegien überwiegen die Wildbannverleihungen bei weitem. Vor allem sie erzeugen den Eindruck einer bemerkenswerten, zeitlich abgrenzbaren Welle von Forstverleihungen. Diese erreichte ihren Höhepunkt im späten 10. und 11. Jahrhundert, um gegen 1080 recht abrupt abzuflauen.' Zwar sind seit der Regierungszeit Lothars III. wieder Wildbannverleihungen überliefert, doch blieb ihre Zahl im Vergleich zu den Jahrhunderten davor verschwindend gering. Die vorliegende Untersuchung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte und praktische Bedeutung der einzelnen Forste und Wildbänne darzustellen. Es wird zu prüfen sein, welche Folgen den Forst- und vor allem den Wildbannverleihungen tatsächlich zugeschrieben werden können. N u r so läßt sich feststellen, welche Aspekte überhaupt zur Geschichte eines Wildbanns gehören. Ein solches Vorgehen erweist sich als erforderlich, sobald man die gängigen Vorstellungen über die Eigenschaften des Wildbanns mit den Quellen konfrontiert. Nach dem vorherrschenden Bild wirkte sich der Wildbann auf Bereiche aus, die in den Verleihungsurkunden selbst keine Rolle spielen, oder jedenfalls nicht die, welche gewöhnlich unterstellt wird. So soll er die Nutzung des gesamten Wildlandes geregelt sowie die Rodung und den Landesausbau beeinflußt haben. Neben grundsätzlichen methodischen Überlegungen können hier nur vergleichende Fallstudien Klarheit bringen. Damit ist auch bereits die Form der vorliegenden Arbeit grob umrissen. Deren Gegenstand sind die Forstverleihungen an die Reichskirche im ostfränkischen und frühen deutschen Reich; die Forstverleihungen an die Kirchen Reichsitaliens bleiben unberücksichtigt. Von der Untersuchung ebenfalls ausgeschlossen bleiben die Forstverleihungen an Laien. Die überlieferten Forstprivilegien für Weltliche sind zahlenmäßig unbedeutend; 2 von ihnen wären kaum Aufschlüsse zu erwarten, die 1 2

Vgl. auch Keller, Z w i s c h e n regionaler B e g r e n z u n g , S. 134f. Z u den Zahlenverhältnissen vgl. Tabelle 1 im Anhang. Eine Ubersicht über die Forstverleihungen bietet auch Fairon; sie weist einige Unzulänglichkeiten auf. S o ist sie auf der einen Seite nicht ganz vollständig, während sie auf der anderen einige Bestätigungen v o n F o r s t u r k u n d e n als eigene Privilegierungen aufführt und auch Verleihungen berücksichtigt, die nicht als Forstverleihungen im eigentlichen Sinne anzusprechen sind. D e n n o c h vermittelt auch sie einen zutreffenden Eindruck v o m Zahlenverhältnis zwischen den F o r sten, die der Reichskirche verliehen w u r d e n und den Verleihungen an den Laienadel; 88 Verleihungen an E m p f ä n g e r der ersten Kategorie stehen dabei acht Verleihungen an Weltliche gegenüber: Fairon, L e s donations des forêts, S. 3 3 3 ^ 7 .

2

Einleitung

sich nicht schon aus den Verleihungen an geistliche Empfänger ergeben. Soll die Untersuchung über bloße Spekulationen hinauskommen, ist es erforderlich, daß die Forste in der späteren Uberlieferung zu verfolgen sind und Angaben über das Forstgebiet gemacht werden können. Damit engt sich der Kreis der Beispiele, die hier aufgenommen werden, weiter ein. Er reduziert sich auf solche Forste, die zumindest einen Namen tragen oder für die eine Grenzbeschreibung vorliegt. Diesem Mindestkriterium werden beispielsweise jene Forste nicht gerecht, die in den Pertinenzformeln vieler Urkunden genannt werden. D a die Forstverleihungen sich in den hundert Jahren vor 1080 häufen und danach weitgehend ausbleiben, wurde auch der Untersuchungszeitraum näher eingegrenzt. Die Regierungszeit Friedrichs I. markiert dabei einen sinnvollen Endpunkt, da sie nach der Welle der großen Forstverleihungen liegt, aber dennoch den größten Teil des 12. Jahrhunderts abdeckt. Die Fallstudien über die einzelnen Forste sind im zweiten Teil der Untersuchung alphabetisch nach den Empfängern geordnet. U m Verweise zu erleichtern, werden die einzelnen Forste numeriert.

II. Das Problem 1. Der Gegenstand: Was ist ein Forst bzw. Wildbann? a) Begriffs- und Formengeschichte Der Forstbegriff tritt zuerst in lateinischer Form auf, ohne dabei dem klassischen Latein zu entstammen.1 Im 7. Jahrhundert erscheint er unvermittelt in merowingischen Urkunden und begegnet seitdem in mehreren linguistischen Variationen.2 So kann er verschiedenen Deklinationsklassen und Genera zugehören. Am häufigsten sind forestis und forestum, aber auch forestus, forastum, forastus, foresta (fem. sing.) kommen vor.3 Das plötzliche Auftauchen des Forstbegriffes stellt die Forschung vor die Aufgabe, seine Herkunft zu klären. In der Regel wird hier entweder eine germanische oder eine romanische Wurzel in Betracht gezogen. Beide Ansätze ruhen jeweils auf eigenen Vorstellungen über die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks. Die Befürworter einer germanischen Herkunft versuchten zunächst, das Wort ,Forst' von der Urform des Wortes ,Föhre' abzuleiten. Das hätte den Forst zum Föhrenwald gemacht, ist inzwischen aber wieder verworfen worden.4 Stattdessen hat sich zuletzt die Ansicht durchgesetzt, daß ,Forst' in Ablaut zu ,First' stehe, wobei,First' als „Zaunwort" eingestuft wird. ,Forst' bezeichnete demnach einen abgegrenzten Bezirk, der zumindest symbolisch, nicht notwendigerweise konkret, umzäunt war.6 Die romanistische Interpretation zieht es dagegen vor, den Forstbegriff von Etyma wie lateinisch foris und foras herzuleiten, denen gemein ist, daß sie in semantischer Hinsicht einen Gegensatz von drinnen und draußen voraussetzen und auf eine äußere Lage

1 2

3 4

5 6

Kaspers, Comitatus nemoris, S. 24; Semmler, Der Forst des Königs, S. 144. Petit-Dutaillis, De la signification du mot .forêt', S. 97; Kaspers, Comitatus nemoris, S. 23; Thimme, Forestis, S. 102. Als früheste echte Urkunde, die sich dieses Begriffes bedient, gilt ein Diplom Sigiberts III., das in die Zeit zwischen 648 und 650 gesetzt wird (D Mer. 22); vgl. Petit-Dutaillis, De la signification du mot ,forêt', S. 111-115; Rubner, Vom römischen saltus zum fränkischen Forst, S. 273; neuerdings Lorenz, Der Königsforst (forestis) in den Quellen der Merowinger- und Karolingerzeit, bes. S. 266-277. Rubner, Art. ,Forst', Sp. 1170; Knaus, Die königlichen Forstprivilegien (1936), S. 97, Anm. 3; Schützeichel, Bezeichnungen für ,Forst' und ,Wald', S. 109. Hierzu Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, S. 65-67; Trier, First, S. 73f. Daneben wurde versucht, eine Herkunft von einem indogermanischen Stamm, der sich auch in lat. parcere, parcus finde, zu konstruieren: vgl. Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, S. 67f.; Trier, First, S. 74. Trier, First, S. 71-85. Ebd.

4

Das P r o b l e m

hinweisen.7 Ein Forst stellt sich aus diesem Blickwinkel als etwas gesondert, abseits Gelegenes dar. Die germanistische und die romanistische Sichtweise stimmen darin überein, daß sie beide von einem herausgehobenen Status des Forstes ausgehen. Das entspricht dem Bild, welches die Quellen zeichnen; dort erscheinen Forste zuerst als Wildland, das dem Nutzen des Königs vorbehalten war. Die ersten Nennungen des Forstbegriffes beziehen sich auf Waldgebiete, namentlich die Ardennen.9 Bald tritt auch die Synonymität von ,Forst' und ,Wald' (bzw. silva) auf,10 die im heutigen Deutsch die Bedeutung des Wortes ,Forst' beherrscht." Das wirft die Frage auf, inwieweit der Wald als Landschaftsform für den Forst wesensbestimmend war. Sie wird unterschiedlich beantwortet; neben der Ansicht, daß Forste ursprünglich im wesentlichen Waldgebiete waren,12 steht die Meinung, daß ein Forst zunächst der Bereich war, in dem der erwähnte Nutzungsvorbehalt zugunsten des Königs galt. Dieser konnte, mußte sich aber nicht auf Waldland erstrecken. Da der Wald faktisch jedoch häufig die bestimmende Landschaftsform gewesen sein dürfte, konnte sich eine Bedeutungsgleichheit einstellen.13 Demnach war es der Nutzungsvorbehalt, der den Forst ausmachte, nicht eine bestimmte Landschaftsform. Damit

7 Eine Ableitung von foris wurde zuletzt nachdrücklich von Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, bes. S. 7 7 - 8 3 , vertreten. Eine weitere romanistische Erklärungsvariante ist die Ableitung von forum', ebd., S. 74f. Von einer ursprünglichen Bedeutung, die dem vorherrschenden romanistischen Muster analog ist, geht die von Kaspers, Forestis, vorgeschlagene Herkunft aus dem Keltischen aus. Hierzu Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, S. 75f. 8 Thimme, Forestis, S. 101-126; Kaspers, Comitatus nemoris, S. 2 3 - 2 7 ; Rubner, Art. ,Forst', Sp. 1168f.; Ders., Wald und Siedlung, S. 168; Schubert, Art. ,Forst', Sp. 658; Jarnut, Die frühmittelalterliche Jagd, S. 776, 780f.; neuerdings Lorenz, D e r Königsforst (forestis) in den Quellen der Merowinger- und Karolingerzeit. Petit-Dutaillis, D e la signification du mot ,foret', S. 122-24 vertritt die Ansicht, daß sich von Anfang an nicht nur der König der Institution des Forstes bediente, ebenso Glöckner, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes, S. 2 7 - 3 1 . 9 Kaspers, Comitatus nemoris, S. 25f.; Petit-Dutaillis, D e la signification du mot ,foret', S. 11-25; Rubner, Wald und Siedlung, S. 168; Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, S. 6 0 - 6 3 ; Rubner, V o m römischen saltus zum fränkischen Forst, S. 273; Lorenz, D e r Königsforst {forestis) in den Quellen der Merowinger- und Karolingerzeit, S. 2 6 6 - 2 6 8 . 10 Die Synonymität begegnet spätestens im 8. Jahrhundert: Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, S. 62; Petit-Dutaillis, D e la signification du mot ,foret', S. 126f., 140; Vgl. auch Thimme, Forestis, S. 141f., der ihre Entstehung aber zu spät ansetzt. 11 Im Althochdeutschen spielt ,Forst' als Bezeichnung für den Wald noch eine untergeordnete Rolle und läßt im Sprachgebrauch noch deutlich den Sonderstatus des so bezeichneten Waldes erkennen: Borck, Zur Bedeutung der Wörter, bes. S. 473f. 12 Sie vertreten Petit-Dutaillis, D e la signification du mot ,foret' und Glöckner, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes. 13 Thimme, Forestis, bes. S. 109-111, 123-26, 139-41; Kaspers, Comitatus nemoris, S. 2 4 - 2 7 .

W a s ist ein F o r s t bzw. W i l d b a n n ?

5

wird hier bereits ein Element vorausgesetzt, das sich auch bei Wildbännen feststellen läßt. Es müssen jedoch noch weitere Merkmale hinzukommen, bevor von einem Wildbann gesprochen werden kann. Dazu gehört vor allem, daß der Wildbann und das eingeforstete Land verschiedenen Besitzern gehören konnten.15 Die zuerst belegten Königsforste scheinen dagegen zugleich auch Königsland gewesen zu sein.16 In der vorliegenden Untersuchung mag die ältere Form durch jene Forste vertreten sein, die als Bannwaldforste bezeichnet werden können und auf die weiter unten zurückzukommen sein wird. Bei Wildbännen ist die erwähnte Trennung von Grund- und Forstbesitz jedoch voll ausgebildet. Wildbänne dürften sich von den älteren Königsforsten daher insofern abheben, als sie noch weniger als diese an eine bestimmte Art von Grund und Boden gebunden waren. Dagegen weisen sie im Vergleich zum älteren Forsttyp aber auch eine charakteristische Einschränkung auf. Sie betraf die Art und die Zahl der Nutzungen, die dem Inhaber des Forstes vorbehalten bleiben sollten.17 Folgt man dem Wortlaut der Privilegien, so beschränkte sich der Nutzungsvorbehalt bei Wildbännen fast ausschließlich auf eine einzige Nutzung, 18

14 Die folgenden Ausführungen stützen sich außer auf die jeweils genannte Literatur vor allem auf die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen in Teil I I I der vorliegenden Arbeit, auf die im ganzen hier verwiesen sei. 15 Thimme, Forestis, S. 111-114, 127-45. 16 Jarnut, Die frühmittelalterliche Jagd, S. 776; Thimme, Forestis, S. 110-114; Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre, 1, S. 58f.; Lorenz, Der Königsforst (forestis) in den Quellen der Merowinger- und Karolingerzeit, bes. S. 284f. 17 Streng genommen ist der Wildbann zunächst natürlich erst einmal das Nutzungsverbot zugunsten seines Besitzers, während der Geltungsbereich dieses Vorbehaltes ein Forst ist; das zeigen auch Formulierungen wie super quoddam ... forestum wiltpannum (D H IV 47) bzw. wiltbannum super forestum (D H IV 66). Dennoch scheint schon der Einfachheit halber die Verwendung des Begriffs ,Wildbann' im doppelten Sinn als Bezeichnung sowohl für den Nutzungsvorbehalt als auch dessen Geltungsbereich gerechtfertigt. Zum Wildbann allgemein: Rubner, Art. ,Forst', Sp. 1171f.; Ders., Art. ,Einforstung'; Sickel, Geschichte des Bannes, S. 4 1 - 5 0 ; Keunecke/Schwenk, Das Dreieicher Wildbannweistum, S. 48f.; vgl. auch Thimme, Forestis, S. 127f., 141—45; Fairon, Les donations des foréts, S. lOOf. 18 Thimme, Forestis, S. 126—47. Petit-Dutaillis, D e la signification du mot ,foret' und Glöckner, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes, sprechen sich dafür aus, daß die Jagd von Anfang an die Hauptnutzung der Forste war. Sie führen dabei Argumente an, die nicht so leicht abgetan bzw. unbeachtet gelassen werden können, wie dies mitunter geschieht, gewöhnlich ohne daß auf die Punkte, welche die genannten Autoren ansprechen, in angemessener Form eingegangen würde; das kann man z. B. Kaspers, Comitatus nemoris, bes. S. 20, 25, 2 7 - 3 2 und Söll, Die Bezeichnungen für den Wald, S. 5 6 - 6 0 , vorhalten. Zum Aufkommen der Wildbänne vgl. auch Jarnut, Die frühmittelalterliche Jagd, S. 792.

6

Das Problem

und zwar die Jagd bzw. den Tierfang im allgemeinen.19 Die Wildbannurkunden zeichnen sich durch die Bestimmung aus, daß im jeweiligen Forstgebiet niemand jagen soll, der nicht über das Einverständnis des Forstinhabers verfügt. Es muß dabei nicht unbedingt beabsichtigt worden sein, Dritte von der Jagd völlig auszuschließen - im Gegenteil wird man sich fragen dürfen, ob das überhaupt immer möglich gewesen wäre oder nicht vielmehr am Widerstand der Betroffenen scheitern mußte, zumindest soweit es sich um Adlige oder die Reichskirche handelte. Vielmehr wurde wohl angestrebt, daß der Wildbanninhaber künftig die Jagd kontrollierte, indem er die Jagderlaubnis erteilte oder verweigerte, natürlich seinen Interessen entsprechend. Zu den Wildbännen dürften auch einige Forste gehören, die einfach nur als forestum bezeichnet werden, obwohl in den Verleihungsurkunden das Jagdverbot fehlt, an dem Wildbannverleihungen normalerweise zu erkennen sind. Der volkssprachliche Begriff ,Wildbann' findet sich zuerst in Urkunden Heinrichs IV.22 Er ist die genaue Entsprechung des Ausdrucks bannum bestiarum," auch bannum super feras," der bereits in Urkunden Heinrichs II. erscheint und in einem Beispiel des 12. Jahrhunderts als Synonym für ,Wildbann' angegeben wird.25 Da die weitaus meisten der herrscherlichen Forsturkunden Wildbannprivilegien sind, wird der Begriff ,Forst' im folgenden auch auf Wildbänne angewendet werden, sofern die Sache nicht eine stärkere Differenzierung erfordert. Ein weiteres Kennzeichen der Wildbänne besteht darin, daß sie bereits besiedeltes Land einschließen. Dort waren regelmäßig auch andere Grundherren als der Wildbanninhaber begütert, und zwar oft in beträchtlicher Zahl.27 Dieser Zustand begegnet häufig genug, ja man darf

19 Hierzu mag zumindest in bestimmten Fällen auch der Fischfang gezählt haben; er wird in einigen frühen Forsturkunden genannt (Petit-Dutaillis, De la signification du mot ,forét', S. 125-141; Glöckner, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes, S. 2f.; Thimme, Forestis, S. 116) und dürfte auch bei manchen Wildbannverleihungen einbezogen worden sein: vgl. Nr. 64. 20 Vgl. Nrr. 8, 67, 70. 21 Vgl. die beiden Churer Forste von 1050 und einen der Forste für Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen (Nrr. 11 f., 30). 22 Z. B. D D H IV 47 (1059), 66 (1060), 229 (1069), 323 (1080); D Lo III 42 (1132); zum Zeitpunkt des ersten Auftretens des Wortes vgl. Thimme, Forestis, S. 145; Fairon, Les donations des forets, S. 100. 23 D D H II 186 (1008), 188 (1008). 24 Z . B . D D H II 326 (1014), 496 (1023). 25 D F I 590 (1172): bannum ferarum, qui vulgo wiltban dicitur. 26 Petit-Dutaillis, De la signification du mot ,forét', S. 145f. Nach der heute vorherrschenden Meinung, die im wesentlichen auf Thimme zurückgeht, schlössen auch die ältesten Forste von Anfang an Siedlungen und Kulturland mit ein: Thimme, Forestis, S. 107-109. 27 Thimme, Forestis, S. 128-41; Glöckner, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes, S. 16f.; Jamut, Die frühmittelalterliche Jagd, S. 792f.

W a s ist ein F o r s t bzw. W i l d b a n n ?

7

wohl sagen fast durchweg, bereits zum Zeitpunkt der Wildbannverleihung. 28 Angesichts der enormen Ausdehnung der meisten Wildbänne, die häufig mehrere hundert Quadratkilometer betrug, kann das nicht überraschen. 29 Wenn ein Wildbannprivileg ausgestellt wurde, bedeutete das somit nicht, daß der Empfänger den Besitz des ganzen eingeforsteten Landes übertragen bekam; er erhielt vielmehr lediglich einen Bann verliehen. Es liegt auf der Hand, daß eine Homogenität der Landschaftsformen, die ein Wildbann einschloß, aufgrund der erwähnten Merkmale nicht von vornherein zu erwarten ist. Die beiden letzten Punkte unterscheiden die Wildbänne von jenen Forsten, die der zweiten Kategorie von Forstverleihungen zuzurechnen sind. Sie können als königliche Bannwälder bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den Wildbännen gab es bei den Bannwaldforsten keine Trennung von Landbesitz und Nutzungsvorbehalt. Vielmehr kam die Forstverleihung der Schenkung von Waldland gleich. Im jeweiligen Forstgebiet überwiegt nämlich eindeutig der Wald als Landschaftsform, und die betreffenden Wälder sind in der Regel noch jahrhundertelang im Besitz des Empfängers nachweisbar. 30 In formaler Hinsicht unterscheiden sich die zugehörigen Forsturkunden von den Wildbannprivilegien dadurch, daß in ihnen nur von einem forestum (oder ähnlich) die Rede ist; das Jagdverbot fehlt. Die Bannwaldforste legen eine gewisse Skepsis gegenüber der Auffassung nahe, der sachliche und semantische Zusammenfall von Forst und Wald sei sekundär gewesen; eine Entscheidung in dieser Frage ermöglichen sie freilich nicht. Es zeigt sich aber zumindest, daß es nicht möglich ist, säuberlich zwischen einer älteren Periode der Bannwaldforste und einem jüngeren Zeitalter der Wildbannforste zu unterscheiden. Die Bannwälder wurden durchgehend parallel mit den Wildbännen verliehen,31 wenn auch in weit geringerer Zahl. Ein möglicher Unterschied liegt jedoch in einer anderen Richtung. So dürfte für die Bannwaldforste gelten, was Kieß jüngst für die von ihm identifizierte Gattung der „kleinen Forste" feststellte, daß diese nämlich „einer älteren Schicht angehörten und im Gegensatz zu den Wildbännen später vermutlich nicht mehr neu gebildet wurden, also keine produktive Variante von Forst darstellten." Auf die königlichen Bannwaldforste bezogen muß jedoch auch dies eine Vermutung bleiben, denn die

28 Man vergleiche die einzelnen Beispiele in Teil III der vorliegenden Arbeit. 2 9 Die Ausdehnung einer ganzen Reihe von Wildbanngebieten veranschaulichen die Karte ,Das Königsgut in karolingischer, ottonischer und salischer Zeit' des Historischen Atlas von Baden-Württemberg und die Karten I I a und b (karolingisch-ottonisches und salisch-staufisches Reichsgut) des Geschichtlichen Atlas von Hessen sowie die Karte ,Franken um 1020' im Bayerischen Geschichtsatlas und die kartographischen Darstellungen einzelner Wildbanngebiete, die in den jeweiligen Einzeluntersuchungen genannt werden. 30 Vgl. beispielsweise N r r . 48, 59, 66. 31 So bereits Thimme, Forestis, S. 1 1 9 , 1 2 9 ; Rubner, A r t . , F o r s t ' , Sp. 1172. 32 Kieß, Forst-Namen als Spuren frühmittelalterlicher Geschichte II, S. 112.

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Das Problem

Quellen lassen offen, wie lange diese Forste schon bestanden hatten, bevor sie anläßlich ihrer Vergabe ins Licht der Geschichte treten. Die Wildbannverleihungen, deren Beginn wohl im frühen 9. Jahrhundert lag, erfuhren seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts einen starken Zuwachs 33 und hörten um 1080 völlig auf (die letzte bekannte Verleihung, die zur Welle der großen Wildbannverleihungen zu rechnen ist, stammt aus diesem Jahr). Erst seit der Zeit Lothars III. erfolgten wieder einige vereinzelte Wildbannverleihungen; die Zahlen des 10. und 11. Jahrhunderts wurden aber bei weitem nicht wieder erreicht. b) Forstschenkung und Einforstung Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Bannwaldforsten und Wildbännen besteht darin, daß Bannwaldforste schon existierten, wenn sie verliehen wurden, und dabei lediglich den Besitzer wechselten, während Wildbänne durch die Verleihung in der Regel erst geschaffen wurden. Dies wird von der Forschung nicht immer hinreichend gewürdigt. Deswegen, und weil es sich um eine Eigenschaft der Wildbänne handelt, die bei ihrer Untersuchung berücksichtigt werden muß, scheint es erforderlich, auf den genannten Punkt etwas näher einzugehen. Daß Wildbänne erst durch die Verleihung entstanden, machen die Verleihungsurkunden zum Teil selbst direkt deutlich. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn von einer Einforstung die Rede ist, also ein bestimmtes Gebiet zum Forst erklärt wird.36 In diesem Zusammenhang findet das Verb (in-)forestare Verwendung, das mit ,einforsten', ,zum Forst machen' übersetzt werden kann.37 Sachlich analog sind Formulierungen wie in forestum redigere. Auch eine Wendung wie forestum facere läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Darüber hinaus geben vereinzelte Privilegien

33 Das älteste hier untersuchte Beispiel einer Wildbannverleihung dürfte der Mondseer Forst sein: N r . 50. 34 Das Ende der großen Wildbannverleihungen setzt Keller, Zwischen regionaler Begrenzung, S. 134 zeitlich richtig an. Die erwähnte Urkunde von 1080 ist D H IV 323 (vgl. hierzu Nr. 15). 35 Als Beispiel sei hier die Arbeit von Ranzi, Königsgut und Königsforst, genannt, der die Forste, die er untersucht, mit einem vom König betriebenen Landesausbau in Verbindung bringen möchte, was ein müßiges Unterfangen ist, da die meisten dieser Forste Wildbänne sind, die sich nie wirklich im königlichen Besitz befanden. 36 Zur Einforstung: Rubner, Art.,Einforstung'. 37 Thimme, Forestis, S. 143; Petit-Dutaillis, De la signification du mot ,forét', S. 146. Beispiele für die Verwendung dieses Begriffes in verschiedener sprachlicher Gestalt: D D O III 43 (988), 358 (1000; ut omnis silva ... forestata habeatur), H II 326 (1014; in feris ... forestandis), 379 (1018), 493 (1023), Ko II 132 (1028), 193 (1033), H III 24 (1040). 38 D O III 43: predicta silvarum spatia concedimus... in forestum redigi. 39 D H U 505 (1024): quandam silvam Virigunda dictam ... forestem fecimus.

Was ist ein Forst bzw. Wildbann?

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noch in anderer Form zu erkennen, daß mit der Verleihung ein Zustand begründet wurde, der vorher nicht bestand. So kann es heißen, daß ein Wald von nun an als Forst gelten soll. 40 Auf eine Einforstung können auch die U m stände der Verleihung hindeuten, so beispielsweise, wenn der Wildbann ausdrücklich über Besitz seines künftigen Inhabers verliehen wird.41 Ein weiteres Indiz für eine Einforstung liegt vor, wenn die Urkunde feststellt, daß Dritte, die von der Nutzungseinschränkung betroffen waren, ihre Zustimmung zur Forstverleihung erteilt hätten.4 Derartige Konsenserklärungen sind ein charakteristisches Merkmal der Wildbannprivilegien. Wenn sie im Zusammenhang mit Forstverleihungen auftreten, dürfte es sich um Einforstungen handeln.44 Schließlich hätte ein bloßer Besitzerwechsel wohl kaum Änderungen für Dritte mit sich gebracht, die es geraten erscheinen ließen, die Zustimmung der betreffenden Personen zum Ausdruck zu bringen. Das gilt unabhängig von der Frage, ob eine Zustimmung tatsächlich eingeholt worden war. Zum letzten Punkt ist anzumerken, daß die Konsensformel wohl zumindest dann nicht als beliebige Floskel abgetan werden kann, wenn Namen genannt werden. Ein Fall bedarf einer kurzen Erläuterung, weil man dort den Konsens erwähnt findet, obwohl ein bereits bestehender Forst verschenkt wurde. Das könnte so gedeutet werden, daß die Konsensformel mitunter auch dann benutzt worden sein mag, wenn ein Forst lediglich seinen Besitzer wechselte; der Wert der Konsensformel als Indiz für Neueinforstungen wäre dann in Frage gestellt. Bei näherem Hinsehen erweist sich dieser Verdacht jedoch als unbegründet. Vielmehr scheint es im fraglichen Fall ähnlich wie bei Wildbannverleihungen um die Nutzung des Forstes gegangen zu sein. Sie dürfte mit den Konsentierenden bereits abgestimmt worden sein und sollte möglicherweise vom neuen Besitzer weiter ausgehandelt werden können. 45 Der Unterschied zu gewöhnlichen Wildbannverleihungen liegt lediglich darin, daß der König die Vereinbarung offenbar zunächst in seinem eigenen Interesse getroffen

40 So D Ko II 173 (1031): quandam silvam ... abbine sub forestis nomine comprebensimus. 41 Vgl. Nrr. 8, 50, 57. 42 So sinngemäß bereits Thimme, Forestis, S. 129. 43 Siehe außer den zahlreichen Beispielen in den Einzeluntersuchungen Thimme, Forestis, S. 129, 136-39; Petit-Dutaillis, De la signification du mot ,forèt', S. 145. 44 Die Formulierung der bereits zitierten Urkunde D Ko II 173 (1031) ist dafür typisch: silvam ... cum eonsensu et eollaudationeprenominati abbatis R. suique advocati Reginbardi nee non Ottonis comitis ceterorumque comprovineialium in eadem silva communionem babentium abbine sub forestis nomine comprebensimus. Die Verwendung des Ausdrucks (cum) eonsensu bzw. eollaudatione, der sich auf den Vorgang der Forstverleihung bezieht, findet sich durchgehend; man vergleiche die zahlreiche Beispiele in den Einzeluntersuchungen. 45 Vgl. Nr. 41.

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Das Problem

hatte. Der Forst gehörte nämlich zum Reichsgut {iuris regni nostri forestis),'6 und wenn eine Abstimmung mit Dritten erforderlich war, dürfte sie schon stattgefunden haben, als der Forst eingerichtet wurde. Die Konsensformel bezieht sich also wohl nicht auf die Tatsache, daß ein Forst verschenkt wurde. Vielmehr trug sie wie bei einer Wildbannverleihung dem Umstand Rechnung, daß eine Einforstung vorlag, nur daß diese vorher bereits erfolgt war und vielleicht noch weiter fortgesetzt werden sollte. Somit besteht auch hier wahrscheinlich der eindeutige Zusammenhang zwischen Einforstung und Konsens. Das erwähnte Beispiel liefert folglich kein Indiz dafür, daß die Konsensformel unterschiedslos auch dann Verwendung finden konnte, wenn bereits bestehende Forste verschenkt wurden. Es wird weiterhin gelten können, daß sie ein Merkmal ist, an dem Neueinforstungen zu erkennen sind.47 Dafür sprechen auch die beiden Forstverleihungen an das Hochstift Worms. Im älteren Forstprivileg von 988 heißt es, daß der Wormser Bischof das Gebiet, für das ihm nun der Königsbann verliehen wird, selbst einforste.48 In welcher Form das geschah, entzieht sich unserer Kenntnis. Es ist aber festzuhalten, daß der König oder seine Stellvertreter demnach bei der Einforstung gar nicht aktiv mitwirkten. Der Bischof nahm die Einforstung ohne Beteiligung des Königs selbst vor. Somit wird man hier wohl ausschließen können, daß es sich um einen ehemaligen königlichen Forst handelte, der lediglich verschenkt wurde; vielmehr liegt eindeutig eine Neueinforstung vor. In der Verleihungsurkunde heißt es nun, daß der Bischof das künftige Wildbanngebiet mit der Zustimmung von milites einforste, die in der Umgebung ansässig seien.49 Hier galt der Konsens also erwiesenermaßen einer Neueinforstung. 1002 wurde dem Wormser Bischof dann ein Königsforst übertragen, der im Gegensatz zum Forst von 988 bereits bestanden haben dürfte, der Forst Forehahi.50 Für die Verleihungsurkunde wurde der Wortlaut des Forstprivilegs von 988 übernommen.51 Dabei blieben Abweichungen nicht aus, die der unterschiedlichen Lage der Forste Rechnung trugen sowie dem Umstand,

46 D H II 184 (1008): forestim ... cum banno nostro ceterisque eius pertinentiis seu cum omnibus que quolibet modo dici vel scribi possunt utilitatibus secundum collaudationem comprovincialium inibi predia habentium sancte Leodicensis ecclesie ... concedimi, Vgl. N r . 41. 47 Schon Fairon, Les donations des forèts, S. 101, war der Ansicht, daß die Zustimmung Dritter bei Neueinforstungen erfolgte. 48 D O I I I 43: concessimus regium bannum in silvis circa Wippinam civitatem et villam Bisgouesheim sitis quas ille [sc. Hildiboldus Wormatiensis ecclesie episcopus] cum nostra licentia et auctoritate ac voluntate et assensu bonorum militum in circuitu habitantium noviter inforestat. 4 9 Vgl. das Zitat in der vorigen Anm. 50 N r . 76. 51 Zur Benutzung von D O I I I 43 als Vorlage vgl. die Vorbemerkung zu D H II 1.

Was ist ein Forst bzw. Wildbann?

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daß andere Personen beteiligt waren.52 Es dürfte auf der Hand liegen, daß diese Änderungen bewußt vorgenommen wurden, damit die Formulierung den veränderten Umständen entsprach. Das ist insofern von Bedeutung, als man voraussetzen darf, daß auch eine weitere Änderung, die hier von einem besonderen Interesse ist, nicht ohne Grund erfolgte. Der Urkunde von 1002 fehlt nämlich die Konsensformel, die vom Einverständnis der milites spricht. Eine analoge Formulierung gibt es nicht; es wurden auch nicht etwa nur neue Namen der Konsentierenden eingesetzt. Wie die übrigen Änderungen dürfte auch diese nicht grundlos gewesen sein;53 vielmehr wird sie ebenfalls auf einen realen Unterschied zwischen den Forsten von 988 und 1002 zurückgegangen sein. Daraus läßt sich schließen, daß der Forehahi ein Forst war, bei dem keine Notwendigkeit für den Konsens bestand. Das kann nicht daran gelegen haben, daß hier mögliche Konsentierende fehlten, denn es gab durchaus Grundherren, die im Forst begütert waren. 4 Im Jahr 988 ging es dagegen offensichtlich um einen Forst, der des Konsenses bedurfte und der anders als der Forehahi durch eine Einforstung neu geschaffen wurde. Somit liegt die Vermutung nahe, daß die Konsensformel sich auf solche Forste beschränkte, die ebenfalls bei der Verleihung erst entstanden. Die Möglichkeit, daß auch der Forehahi 1002 erst eingeforstet wurde, dürfte zu vernachlässigen sein. Der Urkunde über den Forehahi fehlt nämlich ein weiterer Bestandteil des Diploms von 988, der Passus über die Einforstung. Man wird daher davon ausgehen dürfen, daß der Forehahi im Gegensatz zum Forst von 988 bei der Verleihung bereits bestand. Damit scheint der vorliegende Fall die Annahme zu stützen, daß man die Konsensformel mit Bedacht nur bei Neueinforstungen anwandte, während sie fehl am Platz gewesen wäre, wenn ein bereits bestehender Forst verschenkt wurde. Der Konsens wird mithin als ein Indikator für Neueinforstungen betrachtet werden können. Weist eine Urkunde ihn auf, so wird man davon ausgehen können, daß eine Neueinforstung vorliegt. Die Konsensformel findet sich zwar mitunter auch, wenn Königsgut verschenkt und dabei gleich eingeforstet wird.56 Das spricht

52 Es kommen andere Personennamen und Grenzpunkte vor; neu ist auch die Wendung bunc prefatum forestum cum tota integritate et universis utilitatibus ad se pertinentibus. 53 Auch die neue, in der vorigen Anm. zitierte Wendung des D H II 1 scheint einen realen Hintergrund zu haben: wenn vom Zubehör des Forehahi die Rede ist, so dürfte das auf die Forsthufen abheben, die offenbar zum Forst gehörten: vgl. Nr. 76. 54 Nr. 76. 55 D H II 1: concessimus regium bannum in forestu Forehahi (es folgt sofort die Grenzbeschreibung) statt concessimus regium bannum in silvis circa Wippinam ... sitis quas ille cum nostra licentia ... noviter inforestat in D O II 43. Auch fehlt in D H II 1 die folgende Wendung des D O III 43: pr e dieta silvarum spada concedimus ... a ... episcopo in forestum redigi. 56 Nrr. 3, 7.

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Das Problem

aber nicht dagegen, daß die Konsensformel Neueinforstungen auszeichnete. Vielmehr zeigt sich hier lediglich, daß auch Königsgut nicht per se eingeforstet war, oder zumindest, daß man es für notwendig hielt, die Einforstung zu erneuern, wenn die Güter in den Besitz eines anderen Eigentümers übergin57

gen. Es gibt also eine Reihe von Merkmalen, an denen zu erkennen ist, ob ein Wildbann bei der Verleihung erst geschaffen wurde oder ein bereits bestehender lediglich den Besitzer wechselte. Aufgrund dieser Indizien erweisen sich die meisten Wildbannverleihungen auf Anhieb als Neueinforstungen. W i e das W o r m s e r Beispiel zeigt, konnte die eigentliche Einforstung zumindest in bestimmten Fällen dem späteren Wildbannherrn überlassen bleiben. Schon die Karolinger trachteten danach, sich eine Kontrolle über derartige neue Einforstungen vorzubehalten. So war Ludwig der Fromme bestrebt, Neueinforstungen von seiner Einwilligung abhängig zu machen; 58 eigenmächtig eingerichtete Forste sollten aufgelöst werden. 59 F ü r den restlichen Untersuchungszeitraum fehlen jedoch vergleichbare Belege. 60 Daneben gab es einige Wildbänne, die tatsächlich aus königlichem Besitz stammten und nur verschenkt wurden. Dazu zählen der Wormser Forst Forehahi, der Halberstädter Wildbann von 997, der Magdeburger Wildbann vom gleichen Jahr, sowie der Forst in der Mahtheide, den die Verdener Bischofskirche 1060 erhielt. 61 F o r ste, die tatsächlich königliches Eigentum gewesen waren, gleich ob es sich bei ihnen um Bannwaldforste oder Wildbänne handelte, können allgemein auch als Königsforste bezeichnet werden. 57 Bei dem eingeforsteten Königsgut handelte es sich allerdings in der Regel um Wälder; es muß daher offenbleiben, ob die oben getroffene Feststellung in jedem Fall auch auf den Kulturlandanteil des Königsgutes zutrifft. 58 MGH Capitularia I, S. 291: De forestibus nostris, ut, ubicumque fuerint, diligentissime inquirant, quomodo salvae sint et defensae, et ut comitibus denuntient, ne ullam forestem noviter instituant; et ubi noviter institutas sine nostra iussione invenerint, dimittere praecipiant (Capitulare missorum von 819, cap. 22). Vgl. ebd., S. 288: De forestibus noviter institutis. Ut quicumque illas habet dimittat, nisi forte indicio veraci ostendere possit, quodper iussonem sive permissionem domni Karoli genitoris nostri eas instituisset: praeter illas quae ad nostrum opus pertinent, unde nos decernere volumus quicquid nobis placuerit (Capitula per se scribenda von 818/19; cap. 7). 59 Es existiert ein vereinzelter Hinweis auf die Umsetzung dieser Politik durch Ludwig den Frommen. So heißt es in der Responsa missis data von 826, cap. 3: De foreste quam Autharius comes habere vult, ubi ea prius non fuisse dicitur: volumus ut missi nostri rei veritatem inquirant et iuxta quod iustum invenerint ex nostra auctoritate definiant (ebd., S. 314). 60 Vgl. auch Thimme, Forestis, S. 146, der im Zusammenhang mit einem Vorkommnis, das er als „eigenmächtigen Ubergriff [d. h. eine Einforstung] der Erzbischöfe von Trier" betrachtet, ausführt: „Ahnliche Fälle sind natürlich sehr viel häufiger vorgekommen, als dies die Uberlieferung erkennen läßt. Freilich war es schon in der Karolingerzeit nicht anders - aber jetzt sieht sich kein König mehr veranlaßt, unrechtmäßig entstandene Forstgebiete wieder aufzuheben, wie es Ludwig der Fromme getan hatte." 61 Nrr. 24, 43, 74, 77.

D e r Inhalt des Wildbanns

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2. Der Inhalt des Wildbanns a) Das Zeugnis der Verleihungsurkunden In der Regel wurde ein Wildbann erst bei der Verleihung geschaffen. Er beruhte auf dem Nutzungsverbot für Unbefugte, das in der Verleihungsurkunde zum Ausdruck kommt. Dieses bezieht sich in der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle explizit nur auf die Jagd. Es wird heute jedoch meistens die Meinung vertreten, daß grundsätzlich der gesamte aus dem Wildland erwachsende Nutzen unter den Wildbann fiel. Das hätten z. B. der Bezug von Bau- und Brennholz, die Waldweide oder auch wilde Bienen sein können; selbst der Bergbau wird mitunter dazugezählt. 62 Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang häufig die Rodung genannt; ihr ist ein eigener Abschnitt der vorliegenden Untersuchung gewidmet. Es muß hier betont werden, daß genaugenommen nichts von alledem in den betreffenden Urkunden steht. 63 Somit mutet es recht willkürlich an, wenn Wildbänne mit mehr als der Jagd in Verbindung gebracht werden. Schließlich werden den Wildbannprivilegien dabei Folgen zugeschrieben, welche die Urkunden gar nicht vorsehen. Man wird sich fragen dürfen, ob das statthaft ist. Eine Verleihung dürfte wohl nur deshalb eine eigene, ,inhärente' Wirksamkeit besessen haben, weil der König hinter ihr stand.64 Andere Faktoren, die dem Wildbanninhaber dabei geholfen haben mögen, seine Interessen durchzusetzen, z. B. seine sonstigen Herrschaftsmittel, stammten dagegen nicht aus der Wildbannverleihung und zählen hier folglich nicht. 65 Nun gab es wohl keine Gewähr dafür, daß der König Ansprüche stützen würde, die über die ausdrücklichen Bestimmungen des jeweiligen Privilegs hinausgingen. Das läßt beispielsweise der Fall des Merseburger Forstes ver-

62 So z. B. Semmler, Der Forst des Königs, S. 146, gestützt auf Thimme, Forestis, S. 1 2 6 41 und Kaspers, Comitatus nemoris, S. 5 3 - 5 8 , 2 3 2 - 3 6 . Die gleiche Einstellung findet sich außer bei den beiden zuletzt genannten Autoren beispielsweise auch bei Keunekke/Schwenk, Das Dreieicher Wildbannweistum, S. 49.; Bosl, Pfalzen und Forsten, S. 3; Hausrath, Die Stellung Kaiser Friedrichs I. zu den Einforstungen und mehr oder weniger direkt in einer Vielzahl weiterer Werke. 63 Auch nicht in den nicht in die Untersuchung aufgenommenen Beispielen. Wie gleich darzulegen sein wird, gibt es Ausnahmen, die jedoch die Regel lediglich bestätigen, ohne sie grundsätzlich zu entkräften. Eine weitere Ausnahme, die weiter unten behandelt werden wird, ist die Rodung, von der in zwei Wildbannurkunden tatsächlich ausdrücklich die Rede ist. Wie im entsprechenden Abschnitt auszuführen sein wird, dürfte die Erwähnung der Rodung dabei einen ganz anderen Hintergrund gehabt haben als gemeinhin angenommen wird. 64 Vgl. N r . 70. 65 Gerade geistliche Institute setzten ihre Hoffnungen in das Eingreifen des Königs zu ihren Gunsten, wenn die eigenen Mittel nicht ausreichten. Vgl. dazu jüngst Seibert, Herrscher und Mönchtum im spätottonischen Reich, S. 2 2 3 - 2 2 9 .

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Das P r o b l e m

muten. Er war zwischen Bischof Thietmar und dem Markgrafen von Meißen strittig. Der Markgraf versuchte, vor Heinrich II. die Rückgabe des Forstes einzuklagen, doch entschied der Herrscher nach Maßgabe der vorgelegten Diplome und zugunsten der Merseburger Bischofskirche. 67 Angesichts der Wirkungsweise eines Privilegs, wie sie dieses Beispiel nahelegt, scheint es fraglich, ob sich eine Wildbannverleihung eo ipso überhaupt in Bereichen auswirken konnte, die in der Verleihungsurkunde gar nicht berücksichtigt wurden. Denn sofern es um etwas anderes ging als die Jagd, war ein Wildbannprivileg unter den geschilderten Umständen wohl wenig dazu angetan, mögliche Widersacher von ihrem Vorhaben abzuhalten. Auffällig ist auch der Umstand, daß Wildbannurkunden das Jagdverbot nachdrücklich betonen, während andere Nutzungen so gut wie nie erwähnt werden. Eine derartig ausschließliche Festlegung auf die Jagd hätte dem Empfänger zum Nachteil gereichen können, wenn sich der König im Konfliktfall den Standpunkt der Gegenseite zu eigen machte und dem Wildbanninhaber nur das zubilligte, wovon in der Verleihungsurkunde ausdrücklich die Rede war, während diesem bei der ursprünglichen Verleihung weit umfangreichere Privilegien zugestanden worden waren. Wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich diese Möglichkeit zum Zeitpunkt der Verleihung auch erschienen sein mag: man wird damit rechnen dürfen, daß der Empfänger sie in seine Überlegungen einbezog, um allen Eventualitäten vorzubeugen. 6 Sollte man daher nicht erwarten, daß es nie zu der Festlegung auf die Jagd gekommen wäre, hätten Wildbannverleihungen tatsächlich noch für weitere Nutzungen gegolten? Hier ist ein Wort zu der öfters anzutreffenden Vorstellung zu sagen, daß der Wildbann nur die „Möglichkeit" in sich barg, eine Verfügung auch über andere Bereiche als die Jagd zu erlangen. Die konkrete Ausgestaltung und damit die Entscheidung darüber, ob eine derartige Verfügung sich durchset-

66 S. u., S. 24f., mit Anm. 138-143 und Nr. 46. 67 S. Nr. 46, Anm. 599f. 68 Es fällt nicht schwer, für den Untersuchungszeitraum analoge Fälle beizubringen, in denen lediglich das Streitobjekt kein Forst oder Wildbann war, die herrscherliche Entscheidung jedoch ebenfalls urkundliche Vorgaben berücksichtigte (häufig unter Beteiligung der anwesenden Großen des Reiches). Eine handliche Zusammenstellung bietet beispielsweise Bd. 1: Die Zeit von Konrad I. bis Heinrich VI. der Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451. An einschlägigen Beispielen seien hier nur einige besonders aussagekräftige genannt: ebd., Nrr. 4 (947), 14 (953), 46 (993), 47 (993), 48 (993), 72 (1014), 85 (1028), 118 (1063), 169 (1108), 177 (1114), 185 (1122), 205 (1132), 212 (1138), 2 1 8 / 2 1 9 (1139), 230 (1143), 231 (1143), 245 (1146), 247 (1146), 248 (1146), 257 (1145), 265 (1149), 345 (1156), 350 (1157), 358 (1157), 445 (1179), 464 (1182). In indirekter F o r m wird die Bedeutung der Urkunden auch deutlich in Nrr. 191 (1125), 194 (1126). 69 D a ß man es vorzog, im Konfliktfall ein Privileg vorweisen zu können, das den strittigen Gegenstand ausdrücklich erwähnte, läßt beispielsweise auch ein Fall erkennen, der in Nr. 2 erwähnt wird.

D e r Inhalt des W i l d b a n n s

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zen würde, lag demnach beim Wildbannherrn und war von den Umständen abhängig. Anstatt den Königsweg für die Beurteilung der Wildbänne zu weisen, zeigt diese Annahme genaugenommen nur, daß es keinen Grund gibt, den Wildbann für eine andere Art von Herrschaft als die über die Jagd verantwortlich zu machen. Wenn der Wildbann nicht in jedem Fall zur Folge haben mußte, daß sein Inhaber neben der Jagd noch andere Bereiche kontrollierte, dann bedeutet dies, daß es nicht vom Wildbann allein abhing, ob der Wildbannherr dazu in der Lage war. Anders ausgedrückt: Der Wildbann allein nutzte gar nichts, wenn nicht noch andere Voraussetzungen erfüllt waren. Mithin stellte der Wildbann keine hinreichende Bedingung für eine solche Herrschaft dar. Er war aber auch keine notwendige Bedingung, denn eine Verfügung der Art, wie sie häufig mit Wildbännen in Verbindung gebracht wird, gab es häufig genug, auch ohne daß eine königliche Wildbannverleihung vorlag. Das gilt für die Regelung der Nutzungen, die neben der Jagd noch unter den Wildbann gefallen sein sollen, ebenso wie für die „herrschaftsbildende Funktion", die Wildbännen oft unterstellt wird. Jede für das Mittelalter denkbare Form von Herrschaft, die Jagdhoheit eingeschlossen, 71 dürfte auch dort vorgekommen sein, w o niemals ein königlicher Wildbann verliehen worden war. Wenn der Wildbann aber weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für eine Kontrolle solcher Art war, dann gibt es auch keinen Grund, ihn in diesen Zusammenhang zu setzen. Es scheint ebenfalls angebracht, kurz auf die Vorbehaltsklauseln von Wildbannurkunden einzugehen. Sie stellen gewöhnlich in der beschriebenen Form das Jagdverbot für Unbefugte heraus. In manchen Fällen hat man jedoch den Eindruck, daß der Wortlaut des betreffenden Passus das Nutzungsverbot auf eine allgemeinere Ebene hebt. Dann liegt der Schluß nahe, daß hier die allgemeine Verfügung über das Wildland durchscheint, die die Forschung in den Wildbannverleihungen ausmachen zu können glaubt. Dabei handelt es sich jedoch um einen Fehlschluß, sofern man davon ausgeht, daß die erwähnte Beobachtung Eigenschaften erkennen ließe, die für alle Wildbänne gleichermaßen gelten. Es muß zwischen zwei Formen des allgemeinen Nutzungsverbotes unterschieden werden. Auf der einen Seite gibt es allgemein gehaltene Formulierungen, die dem Jagdvorbehalt lediglich Nachdruck verleihen sollten, ihm aber keine neuen Inhalte hinzufügen, folglich auch Interpretationen der genannten Art nicht zu stützen vermögen. Dabei finden sich selbst Formeln dieser Art nur in sehr wenigen Wildbannurkunden. Hätten sie

70 Vgl. Anm. 105, 107. 71 Die von der entstehenden Landesherrschaft beanspruchte Jagdhoheit zeigt sich im 15. Jahrhundert in ihrer vollausgebildeten Form. Vgl. hierzu Spieß, Herrschaftliche Jagd und bäuerliche Bevölkerung im Mittelalter, S. 2 3 7 - 2 3 9 , 2 4 4 - 2 4 8 , 253; Bergemann, Die Geschichte der landesherrlichen Jagdhoheit in der Grafschaft Zollern, bes. S. 4 2 - 4 4 , 55, 151f.; Günther, Der Arnsberger Wald im Mittelalter, S. 37, 191f., 1 9 4 - 2 0 2 .

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Das Problem

tatsächlich einen tieferen Sinn besessen, wäre es nicht recht einzusehen, warum sie nicht durchgehend verwendet wurden, zumal sie sehr kurz gehalten sind; das Jagdverbot wird dagegen in der Regel mit mehr Worten bedacht. In anderen Fällen wirkt das umfassende Nutzungsverbot jedoch bestimmter und mag ernster zu nehmen sein." Es spricht aber alles dafür, daß es sich bei den betreffenden Beispielen um Ausnahmen handelt; sie beschränken sich auf bestimmte, genau definierbare Situationen und können daher nicht verallgemeinert werden. Somit ergeben sich auch aus dieser Richtung keine wirklich stichhaltigen Belege dafür, daß ein weitergehender Nutzungsvorbehalt grundsätzlich alle Wildbänne auszeichnete. Zudem wäre es sonst wiederum nicht recht nachvollziehbar, warum die kurze und griffige Verallgemeinerung des Nutzungsvorbehaltes in den weitaus meisten Verleihungsurkunden fehlt, während das Jagdverbot gewöhnlich sorgfältig ausformuliert wird. In Beispielen der ersten Art war die scheinbare Verallgemeinerung nur eine Wiederholung ohne eigene Bedeutung. Das zeigt das Osnabrücker Wildbannprivileg von 965 in beispielhafter Weise. Dort heißt es, daß niemand im betreffenden Forst ohne die Erlaubnis des Bischofs jagen oder irgend etwas dieser Art machen dürfe.73 Auch die späteren Bestätigungen sind recht vage. Sie enthalten jedoch Ergänzungen, die deutlich machen, daß sich hinter dieser Unbestimmtheit keine zusätzlichen Bestimmungen verbargen, die über das Jagdverbot hinausgingen. Der Forst wird zunächst cum omni integritate bestätigt. Das wirft die Frage auf, was man sich unter der integritas vorzustellen hat. Man könnte zu dem Schluß gelangen, daß damit ein ganzes Bündel von Bestimmungen gemeint sein müsse. Das ist jedoch nicht der Fall; die allgemeine Formulierung wird nämlich sofort so erklärt, daß der Forst aus den Wildschweinen und Hirschen und überhaupt der Jagd im allgemeinen bestand.74 Dieses Beispiel ist auch insofern aufschlußreich, als ein einziger Sachverhalt durch drei verschiedene Begriffe ausgedrückt wird, die eine Grundbedeutung variieren, nämlich die Wildschweine und Hirsche, die für die zuletzt genannte Jagd stehen.75 Die Vermutung liegt nahe, daß vergleichbare Kompositionsprinzipien auch anderswo für die allgemein gehaltenen Vorbe-

72 Vgl. D H I I 505: Super que omnia nostro imperiali hanno precipimus, ut in eadem foresti a nobis constituta nulli venari aut piscari aut quidlibet exercere liceat, nisi eiusdem ecclesie permittente pastore. 73 D O II 302: nullus contumatiae deditus nemus prelibatam nostro videlicet hanno munitum sine praedicte sedis episcopi vel pastoris licentia studio venandi aut aliquod huiusmodi negocium peragendi praesumat intrare. 74 D H U 8: forestum ... cum omni integritate, in porcis videlicet silvaticis atque cervis omnique venatione, quae sub hanno usuali more ad forestum deputatur, in perpetuum proprietatis usum donavimus.; wiederholt in D D H II 491, Ko II 123, H IV 20. 75 Vgl. die vorige Anm.

D e r Inhalt des Wildbanns

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haltsklauseln verantwortlich sein könnten. 76 Es lassen sich denn auch Beispiele anführen, bei denen sich das zu bestätigen scheint. Hier ist das Forstdiplom für Eichstätt von 889 zu nennen. Der Forst, um den es darin geht, ist zwar kein Wildbann, sondern ein königlicher Bannwald, doch macht das für das vorliegende Problem keinen Unterschied. Die Urkunde verbietet Unbefugten nicht nur die Jagd im Forst, sondern auch eine Reihe weiterer Tätigkeiten. Darüber hinaus wird es in allgemeiner Form untersagt, falsche Anschuldigungen zu erheben bzw. Streitigkeiten vom Zaun zu brechen (infestationis ccdumniam ingerere) oder irgendwelche Nutzungen vorzunehmen. 77 Die zuletzt genannten allgemeinen Verbote dürften dabei überflüssige Wiederholungen ohne echten eigenen Gehalt sein. Mit Tätigkeiten wie dem Holzschlag und der Weide werden wahrscheinlich ohnehin schon alle Nutzungen verboten, die im Forst möglich gewesen wären. Es wäre also kaum eine Nutzung übrig geblieben, die noch nicht mit einem Verbot bedacht war und erst von der allgemeinen Vorschrift abgedeckt wurde. Das Verbot, falsche Anschuldigungen zu erheben, spricht ebenfalls eine Selbstverständlichkeit aus. Anfechtungen von seiten Dritter hätten sich wahrscheinlich ohnehin nur auf die Nutzungsverbote im Forst bezogen. Daß diese einzuhalten waren, verstand sich aber allein schon deswegen von selbst, weil sie ausgesprochen wurden. Das gleiche gilt für mögliche Anfeindungen anderer Art, sollten sie gemeint sein. Es dürfte selbstverständlich gewesen sein, daß sie unerwünscht waren, und zwar unabhängig davon, ob ein Forst mit im Spiel war oder nicht. Somit wiederholen die genannten Klauseln in anderer Form nur das, was bereits gesagt worden war oder sich von selbst

76 In diesem Licht möchte ich auch eine Urkunde sehen, die Zotz, Beobachtungen zu Königtum und Forst, jüngst als Widerlegung der Ansicht gewertet hat, daß „nun allein die Jagd Gegenstand der Privilegierung gewesen wäre und die Waldnutzungsrechte nicht mehr zum Wildbann gehört hätten" (S. 113). Es handelt sich um die 1074 erfolgte Schenkung von einhundert in Ungarn gelegenen Hufen an die Freisinger Kirche exceptis venationibus et wiltbanno (D H IV 276). Z o t z meint, daß mit dem Wildbann hier nur die erwähnten „Waldnutzungsrechte" gemeint sein könnten, offenbar in der Annahme, daß zwei Begriffe auch zwei unterschiedliche Gegenstände bezeichnen müßten. Wie oben dargelegt, muß das aber durchaus nicht der Fall sein. Zudem gilt hier zu bedenken, daß unter Zotz' Interpretation der neue Besitzer eben dieser Waldnutzung zumindest stellenweise (in Litahaberge) beraubt worden wäre, die doch ein integraler Bestandteil der mittelalterlichen Landwirtschaft war (vgl. hierzu weiter unten den Abschnitt ,Der Wildbann als Jagdprivileg'). Daher ist zu fragen, ob die Schenkung dann nicht eines großen Teils ihres Wertes beraubt worden wäre. Zudem wird eine Nutzung wie die Weide (pascuis), die auch zu den wichtigsten Waldnutzungen gehörte, in der Pertinenzformel dem neuen Besitzer allgemein bestätigt, neben Land, das Attribute besaß, wie sie auch für Waldland zutreffen würden (terris cultis et incultis viis et inviis). Wenn zwischen den Begriffen venatio und wiltbannum überhaupt eine Differenzierung beabsichtigt war, dann vielleicht am ehesten in der Richtung, daß neben der Jagd mit dem Wildbann die Kontrolle über sie angesprochen wurde. 77 N r . 13.

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Das Problem

verstand. Sie fügen der Verleihung daher keine neuen Inhalte hinzu. Dasselbe gilt für den Wildbann in der Mahtheide, der ohnehin eine Sonderstellung einnimmt, da er aus königlichem Besitz stammte. Hier verbot die Urkunde nicht nur die Jagd, sondern auch im Forst quodlibet ius exercere.n Wäre das ganz wörtlich zu verstehen, so hätte das für die Grundherren, die im Forst begütert waren, gravierende Folgen gehabt, weil davon strenggenommen ja auch der Zugriff auf ihren Besitz berührt worden wäre. Das scheint aber kaum vorstellbar. Daher dürfte das sehr allgemeine Verbot ebenfalls nur dazu gedient haben, dem Jagdverbot Nachdruck zu verleihen. Auf eine andere Stufe mögen dagegen jene Fälle zu stellen sein, in denen die Verleihungsurkunde recht bestimmt von weiteren Nutzungen spricht, die Unbefugten verboten werden. So heißt es in der Urkunde für das Kloster Fulda von 980: ut nullus in eo [sc. forasto] venationis aut alterius commodi usum ... possit habere ... nemo ... in eodem forasto ... dehinc venari aut alium usum habere ... praesumat . Allerdings mag man sich auch hier fragen, ob sich die summarische Erwähnung „anderer" Nutzungen neben der expliziten Nennung der Jagd nicht etwas zu verschwommen ausnimmt, als daß ihr größeres Gewicht beigemessen werden könnte. Zudem mag das Verbot anderer Nutzungen dazu gedient haben, Schäden vom Jagdwild und seinem Lebensraum abzuwenden; auf diesen Aspekt wird im Zusammenhang mit der Rodung noch einmal zurückzukommen sein. War das der Fall, dann ging es nicht darum, dem Wildbanninhaber neben der Jagd weitere Nutzungen vorzubehalten. Vielmehr sollte verhindert werden, daß das Forstgebiet überhaupt oder übermäßig genutzt wurde, um den Wildbestand nicht zu gefährden und den Forst als Jagdgebiet zu erhalten.80 Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß die Fälle, in denen das allgemeine Nutzungsverbot konkreter wirkt, einen anderen Hintergrund haben, der ihnen gemein ist, sie aber von gewöhnlichen Wildbannverleihungen unterscheidet, so daß keine Rückschlüsse auf andere Wildbänne möglich sind. Das läßt sich am erwähnten Fuldaer Beispiel zeigen. Der betreffende Forst befand sich schon vor der Verleihung im Besitz des Klosters. 1 Das bedeutet, daß er nicht erst durch die Verleihung geschaffen wurde. Diese diente offenbar vielmehr dazu, dem vom Kloster beanspruchten Nutzungsvorbehalt Nach-

78 Nr. 74. 79 D O II 221. 80 Zum Aspekt des Wildschutzes, der soweit gehen konnte, daß die spätmittelalterliche Herrschaft ihn zum Schaden der bäuerlichen Bevölkerung über den Schutz der Feldfrüchte stellte, vgl. Spieß, Herrschaftliche Jagd und bäuerliche Bevölkerung im Mittelalter, bes. S. 242-244. 81 Ebd.: forastum quendam ad ecclesiam [sc. Vuldensem]... pertinentem.

Der Inhalt des Wildbanns

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druck zu verleihen; das scheint auch in der Urkunde selbst anzuklingen. 82 Der ,Forst', für den der Wildbann verliehen wurde, oder zumindest ein wesentlicher Teil von ihm, war dabei nichts anderes als ein Wald, der dem Kloster gehörte. 83 Es ist auffällig, daß auch in einem anderen Fall, in dem die Urkunde einen weitgefaßten Nutzungsvorbehalt enthält, ein Wald eingeforstet wurde, der dem Empfänger, dem Kloster Ellwangen, gehörte. 84 Ahnlich verhält es sich mit dem Touler Wildbann. Verallgemeinernde Zusätze zu den Vorbehaltsklauseln scheinen somit in zwei Varianten aufzutreten: W o sie nicht gehaltlose Wiederholungen sind, beschränken sie sich auf Wildbannverleihungen, bei denen Waldbesitz des Empfängers eingeforstet wurde. Daß dem Empfänger dabei sämtliche Waldnutzungen verbrieft wurden, ist nicht verwunderlich. Dagegen ist es nicht möglich, das auf andere Wildbänne zu übertragen; es war gewöhnlich eben nicht nur Waldbesitz des Wildbannherrn, der eingeforstet wurde. Abgesehen davon, daß die Wildbanngebiete normalerweise längst nicht nur aus Wald bestanden, waren neben dem Wildbanninhaber auch andere Grundherren in ihnen begütert. Ein weiteres Beispiel für einen umfassenden Nutzungsvorbehalt paßt nicht in die eben behandelte Kategorie, stellt aber ebenfalls einen Sonderfall dar, der nicht verallgemeinert werden kann. Dabei handelt es sich um den Forst in der Mahtheide; im Gegensatz zu den weitaus meisten Wildbännen stammte er aus königlichem Besitz. 85 Wie oben bereits dargelegt wurde, dürfte die allgemeine Klausel in diesem Fall zudem kaum wörtlich zu verstehen sein. Die Mehrzahl der Wildbannverleihungen teilt jedoch nicht die besonderen Merkmale jener Wildbänne, die neben der Jagd noch andere Nutzungen umfaßt haben mögen. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, daß grundsätzlich jeder Wildbann neben der Verfügung über die Jagd auch die über andere Nutzungen einschloß. b) Der Wildbann als Jagdprivileg Eine weitere Hauptstütze der Ansicht, die königlichen Wildbannverleihungen hätten sich nicht nur auf die Jagd bezogen, ist ebenfalls wenig tragfähig. Dabei handelt es sich um die Vorstellung, daß die Verengung des Wildbanns

82 D O II 221: Vuldensis ecclesiae ... abbas nostram adivit celsitudinem, dicens nobis quomodo forastum quendam ad ecclesiam cui praesidet pertinentem nostrae dominationis adiutorio in perpetuum ecclesiae ius vellet submittere, ita ut nullus in eo venationis aut alterius commodi usum sine illius et futurorum adhuc abbatum licentia possit habere, rogavitque ...ut banno praeceptoque nostro ne quis hoc faceret firmiter interdiceremus. 83 S. die vorige Anm. und vgl. Nr. 20. 84 D H U 505: ut in eadem foresti... nulli venari aut piscari aut quidlibet exercere liceat. Vgl. Nr. 16. 85 Nr. 74.

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Das Problem

auf die Jagd sekundär sei. Die sachliche Einengung habe zur Folge gehabt, daß auch das Wort,Wildbann' umgedeutet wurde. ,Wild' habe ursprünglich ganz allgemein „herrenlos, unbebaut, öde" bedeutet, entsprechend der Auffassung, der Wildbann habe alle Nutzungen des Wildlandes eingeschlossen. Die Bedeutung Jagdwild', die dem heutigen Verständnis entspricht, habe sich dagegen erst später eingestellt, als der Wildbann sich aus seinen ursprünglichen Geltungsbereichen zurückzog und nur bei der Jagd seine Bedeutung behielt.86 Der Dreh- und Angelpunkt der genannten Ansicht, nämlich die Vorstellung, die heutige Bedeutung sei sekundär und das Ergebnis eines semantischen Wandels, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Wie bereits erwähnt, wird jene Form des Forstbanns, für die ein Jagdverbot für Unbefugte charakteristisch ist, bereits in Urkunden Heinrichs II. als bannum bestiarum oder bannum super feras,87 einmal sogar als bannum venandi bezeichnet.88 Der Begriff bannus ferarum wird im 12. Jahrhundert wiederum ausdrücklich mit dem volkssprachlichen Wort,Wildbann' gleichgesetzt. Die semantische Verengung auf die Jagd bzw. das Jagdwild bestand also schon um das Jahr 1000; auch im Althochdeutschen war ,wildes Tier, Wild' bereits die reguläre Bedeutung des Substantivs wild.'10 In späterer Zeit erscheint der Begriff ,Wildbann' ebenfalls regelmäßig in einem eindeutigen Bezug zur Jagd, 1 aber das ließe sich auch mit der hier erörterten Meinung vereinbaren und trägt daher nichts zur Klärung der Frage bei, ob der Wildbann von Anfang an nur die Jagd betraf. Aus den Gründen, die eben genannt wurden, darf man jedoch wohl davon ausgehen, daß die Prämissen der erwähnten Auffassung unhaltbar sind.92 Somit ergeben sich hier weitere Verdachtsmo86 Kaspers, Comitatus nemoris, S. 232f.; Keunecke/Schwenk, Das Dreieicher Wildbannweistum, S. 48f. 87 S. o. Anm. 25f. 88 Herkenrath, Das Diplom Kaiser Heinrichs II. für Bischof Berthold von Toul, S. 541. 89 D F I 590 (1172): bannum ferarum, qui vulgö wiltban dicitur. 90 Splett, Althochdeutsches Wörterbuch, Bd. I, 2, S. 1124; Köbler, Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, S. 1267. 91 Z. B. U B Merseburg S. 879f., Nr. 1013 (1349): Wir und unser erben sullen haben die recht unde die gewalt [uf derselben] wiltpan hinnenfort mer, daz wir ... mit unsers selbis [libe iagin] mugen oder daruf senden unser eigin iegere, wenne wir wollen unde uns des gelüstet [unde] fugsam ist ... Die eingeklammerten Teile sind nach der Gegenurkunde, ebd., S. 880f., Nr. 1014 ergänzt. Ebenso Hertel, Der Frankensteinische Verkaufsbrief, S. 110: omnes venationis terminos quos habuimus ab Ecclesia predicta Hersueldensi, qui vulgariter dicuntur die wiltbane... (1330). Hier wird ein Verkauf beurkundet; es muß also im Interesse beider Parteien gelegen haben, die betroffenen Objekte vollständig zu benennen. Darum ist dieser Fall besonders aufschlußreich. Die in beiden Beispielen gebrauchte Bezeichnung ,Wildbahn' ist eine spätmittelalterliche Variante des Begriffs ,Wildbann' (Kaspers, Comitatus nemoris, S. 232). 92 Neuerdings hat gegen Kaspers, Comitatus nemoris, auch Zotz, Beobachtungen zu Königtum und Forst, S. 113, Anm. 101 den ersten Teil des Kompositums .Wildbann' auf das Jagdwild bezogen.

Der Inhalt des Wildbanns

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mente gegen die Vorstellung, der königliche Wildbann des früheren Mittelalters habe außer für die Jagd noch für andere Nutzungen gegolten. Einen zusätzlichen Anlaß, diese Annahme in Frage zu stellen, liefert der enorme U m fang der allermeisten Wildbannbezirke. Er spiegelt gewissermaßen den hohen Stellenwert wider, den die Jagd in der früh- und hochmittelalterlichen Adelswelt besaß. 93 In praktischer Hinsicht trug die große Ausdehnung der Wildbanngebiete dabei dem Umstand Rechnung, daß das Jagdwild nicht ortsfest, sondern sehr beweglich ist. Das machte entsprechend große Jagdgebiete notwendig, um den Jagderfolg sicherzustellen. Daß dies ein Faktor war, der bei Wildbannverleihungen berücksichtigt wurde, geht aus mindestens zwei Urkunden direkt hervor. Das Forstprivileg für Merseburg von 974 gilt sowohl für das im Forst lebende Jagdwild als auch für das Wild, das aus dem Wald Miriquido (dem Erzgebirge) in den Forst hinüberwechselt. 94 Die Urkunde ist in der vorliegenden Fassung eine Fälschung, die Thietmar von Merseburg zugeschrieben wird,95 doch das hat keinen Einfluß auf ihren Wert als Quelle für das vorliegende Problem. Im Gegenteil darf man ja erwarten, daß in einer Fälschung die Interessen und Absichten des von ihr Begünstigten in ihrer reinsten Form zum Ausdruck kommen. Im vorliegenden Fall ist das die Funktion, die der Forst erfüllen sollte. Es ging folglich darum, die Jagd auf solche Tiere zu unterbinden, die fremde Jäger mit dem Argument für sich beanspruchen mochten, daß sie einen Fremdkörper im Merseburger Forst darstellten und daher auch nicht unter das Jagdverbot fielen. Die Beweglichkeit des Wildes hätte das Jagdverbot im Merseburger Forst faktisch einschränken können; das war offenkundig unerwünscht. Hier zeigt sich lediglich die Notwendigkeit, die Beweglichkeit des Wildes mit einzukalkulieren, wenn Jagdgebiete abgesteckt wurden, noch nicht direkt der Vorzug, der dabei einem großräumigen Wildbann zu geben war. Dieser Aspekt wird in einem zweiten Beispiel deutlicher. In der Urkunde Ottos III. von 996 wurde es dem Kloster Elten bzw. den Beauftragten (nunciis) der Äbtissin ausdrücklich zugesichert, daß sie Hirsche, welche aus vier Forsten entwichen, die zum Kloster gehörten und namentlich

93 Lindner, Die Jagd im frühen Mittelalter; Jarnut, Die frühmittelalterliche Jagd; Fenske, Jagd und Jäger im früheren Mittelalter; Zotz, Beobachtungen zu Königtum und Forst. 94 D O II 90: forestum ... concedimus ... eo tenore ut idem sine aliqtta seculari inquietudine ad iam prescripti martiris ecclesiam ... derserviat. Insuper statuimus ut nullus comes vel aliquis extraneorum seu incolarum absque conscientia episcopi suorumque licentia custodum venari vel aliquam inferre molestiam presumat... qualescumque venationum species in bis modo sint terminis vel nutriantur seu ex magna procedant silva que Miriquido dicitur, ut sint nostra imperiali pace securae admodum auctoritative iubemus. 95 Vgl. Nr. 46.

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Das Problem

genannt werden, in andere Wälder verfolgen könnten. 96 In diesem Fall ließ die Beweglichkeit des Wildes es wünschenswert erscheinen, das Wildbanngebiet in bestimmten Situationen zu erweitern. Man darf daraus schließen, daß vergleichbare Überlegungen für die riesige Ausdehnung der weitaus meisten Wildbanngebiete verantwortlich zu machen sind. Daneben versteht es sich von selbst, daß ein Forst umso mehr Wild beherbergte, je größer er war. Die Tatsache, daß die Wildbänne auch Landschaftsformen umschlossen, die nicht unbedingt zum natürlichen Habitat des Wildes gehörten, dürfte ebenfalls zu ihrem Umfang beigetragen haben. Je größer jener Teil des Wildbanngebietes war, der sich für die Jagd nicht sonderlich eignete, desto größer mußte das Wildbanngebiet sein, um diesen Mangel auszugleichen. Der Jagd abträglich dürfte dabei wohl vor allem das Kulturland gewesen sein, das so gut wie alle Wildbänne einschlössen. Daher kann die Zunahme der Anbau- und Siedlungsfläche als einer der Gründe dafür angesprochen werden, daß in zunehmendem Maße Wildbannverleihungen erworben wurden. 7 Die Größe der meisten Wildbanngebiete liefert noch ein weiteres Argument gegen die Ansicht, der königliche Wildbann habe sämtliche Nutzungen des Wildlandes eingeschlossen. Es wären hier Nutzungen betroffen gewesen, die für alle Grundherrschaften im Wildbanngebiet unverzichtbar waren. Die Verfügung des Wildbanninhabers über die fraglichen Nutzungen hätte sich in irgendeiner Form bemerkbar machen müssen, damit man von ihr überhaupt als einer Realität sprechen könnte. Es hätten also zumindest Abgaben auf die jeweiligen Nutzungen erhoben werden müssen - Abgaben, die bis zur Wildbannverleihung nicht existierten. Durch den Umfang der meisten Wildbann-

96 D O III 235: Ad hec [sc. dem zuvor aufgeführten Klostergut] quatuor pertinent foresti, Steuerewalt, Moffet, Wicherumlo et Suboirt, in hiis quatuor forestis cervum vel cervam nullus habeat venandi licenciam, nisi verbo et consensu abbatisse, et si cervus vel cerva de hiis effugiat forestis, eos in alias silvas sequi sit licencia abbatisse nunciis et in foresto in quo Eltina est constructa, singulis annis inter cervos et cervas duodecim fere tribuantur abbatisse. 97 Jarnut, Die J a g d im frühen Mittelalter, S. 794-96. 98 Wie beispielsweise Fichtenau in seinem instruktiven Aufsatz Wald und Waldnutzung im 10. Jahrhundert deutlich macht, wo er außer auf die „verschiedensten Produkte" des Hochwaldes („neben H o l z etwa Wachs, Honig, Pech, Wild [und Fische]"), deren Wichtigkeit an sich schon nicht unterschätzt werden darf (Wachs für Kerzen als wichtige Lichtquelle, H o l z als Baustoff und Brennmaterial, Honig als einziger Süßstoff!), auf die besondere Rolle des Waldes als Futterquelle vor allem für Schweine hinweist. So weidete das Kloster Prüm im Jahre 893 8430 Schweine im Wald (ebd., S. 16), das Domkapitel von Autun besaß einen Wald für die Weide von 2000 Schweinen (ebd.). U m die quantitative Bedeutung der so trivial anmutenden Rohstoffe, um die es dabei ging, ins rechte Licht zu rücken sei noch erwähnt, daß das Kloster Prüm einen jährlichen Holzbedarf von 96 Fuhren Bauholz, 25000 Schindeln, 17600 Pfählen und ca. 15000 Fuhren Brennholz hatte (ebd., S. 15). Zu den Waldnutzungen auch Higounet, Les forets de l'Europe, S. 386-92.

D e r Inhalt des W i l d b a n n s

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gebiete hätte das eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Grundherren getroffen. Es stellt sich die Frage, ob die Betroffenen eine derartig einseitige Bevorzugung eines anderen Grundherren, die zu ihren Lasten ging, klaglos hingenommen hätten, oder ob der Wildbann dann nicht eine allgemeine Unzufriedenheit geschürt hätte, an der auch dem König nicht gelegen sein konnte. Die Indizien sprechen eher für Letzteres. Die Forstverleihung für das Erzstift Trier von 973 war Teil eines Versuches, den eingeforsteten Wald der Kontrolle des Erzbischofs zu unterwerfen. Davon waren offensichtlich noch andere Nutzungen als die Jagd betroffen. Das erregte den Unwillen anderer, adliger Nutzer und rief ihren entschiedenen Widerstand hervor, den sie über fünfzig Jahre hinweg aufrechterhielten, so daß der Erzbischof schließlich gezwungen war, seine Ansprüche teilweise zurückzunehmen, um zu einem Ausgleich zu gelangen." Hier erweist es sich, daß ein umfassender Nutzungsvorbehalt ohne Einschränkungen letztlich nicht durchsetzbar war. Die Bereitschaft betroffener Nutzer, einem anderen Grundherren eine Kontrolle zuzugestehen, die sich auf die Jagd beschränkte, war dagegen wohl noch allemal größer.' Von diesem Einwand ist wohl auch die Vorstellung nicht auszunehmen, die Wildbannverleihung habe nur die allgemeine Kontrolle über solches Land mit sich gebracht, das herrenlos und unerschlossen war. 101 Die Grenze zwischen völlig ungenutztem Land und Nutzland dürfte im Untersuchungszeitraum weithin wohl schon kaum mehr sauber zu ziehen gewesen sein, wenn es gänzlich ungenutztes Land überhaupt noch gab, das seine Unberührtheit nicht seiner Minderwertigkeit verdankte.103 Es scheint daher fraglich, ob es in jedem Fall noch so viel taugliches und herrenloses ,Unland' gab, daß es tatsächlich lohnend war, die Kontrolle

99 Nr. 70. 100 Und selbst sie konnte fehlen, was zu Auseinandersetzungen mit dem Wildbannherrn führte: Nrr. 8, 67. 101 Keller, Zwischen regionaler Begrenzung, S.135. 102 Fichtenau, Wald und Waldnutzung, S. 14; auch Rubner, Wald und Siedlung, S. 164f. unterscheidet nicht einfach zwischen Wald und Siedlung, wie der Titel seines Aufsatzes vermuten läßt, sondern innerhalb der Kategorie ,Wald' zwischen dem vielfältig genutzten siedlungsnahen und dem siedlungsfernen Wald. Zu den vielfältigen Formen der Waldnutzung vgl. auch Gerstenhauer, Die Stellung des Waldes; Küster, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa, bes. S. 189f., 2 3 3 - 4 5 ; Willerding, A r t ,Forst', § 3: Altertumskundliche Bedeutung. 103 Vgl. Fichtenau, Wald und Waldnutzung, S. 16f.: „Der Niederwald und Teile des Hochwaldes waren in die Landwirtschaft des 10. Jahrhunderts integriert... Daneben gab es als dritten Typus die Gebiete, die man mit einem nicht ganz glücklichen Wortgebrauch als ,Urwald' bezeichnet ... ,Wald' und ,Wildnis' sind einander hier insofern nahe, als steiniges oder sumpfiges Gebiet und natürlich die Berge derartige Wälder trugen. Für den Bauern genügten allerdings schon schwere oder sandige Böden und relativ geringe Unebenheiten, um ihm die Rodung wenig attraktiv erscheinen zu lassen."

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Das Problem

über es anzustreben. O b dahingehende Versuche dann die F o r m einer W i l d bannverleihung a n g e n o m m e n hätten, steht dazu n o c h auf einem ganz anderen Blatt. D a s Zeugnis der einschlägigen U r k u n d e n spricht nicht dafür. D e r B e z u g des Wildbanns auf weitere N u t z u n g e n neben der J a g d w i r d v o n der F o r schung in Quellen hineingelesen, in denen davon gar keine R e d e ist. Sicher unterlagen auch die Mast, der H o l z s c h l a g und andere Tätigkeiten N u t z u n g s vorbehalten, d o c h bestanden diese neben und unabhängig v o n den W i l d b ä n nen. 104 So berichtet beispielsweise die Vita B i s c h o f B e n n o s II. v o n O s n a b r ü c k ( 1 0 6 8 - 8 8 ) , daß der Bischof einen Bezirk abgrenzte, der der N u t z u n g durch unbefugte P e r s o n e n e n t z o g e n war. 1 0 5 Seit dem 8. J a h r h u n d e r t sind sogar F o r ste belegt, die sich im Besitz verschiedener E i g e n t ü m e r befanden, o h n e daß es Anhaltspunkte dafür gibt, daß sie auf königliche Verleihungen zurückgingen.

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E s dürfte a n z u n e h m e n sein, daß auch sie mit N u t z u n g s v o r b e h a l t e n der

einen oder anderen A r t zusammenhingen, die dann mit d e m königlichen

104 Zur Regelung der Waldnutzung im Untersuchungszeitraum vgl. vor allem Epperlein, Waldnutzung, Waldstreitigkeiten und Waldschutz. 105 Vita Bennonis episcopi Osnabruggensis, S. 69f. Vgl. hierzu Epperlein, Waldnutzung, Waldstreitigkeiten und Waldschutz, S. 23f.; Keller, Zwischen regionaler Begrenzung, S. 135. 106 Zum Auftreten von nicht-königlichen Forsten seit dem 8. Jahrhundert: PetitDutaillis, De la signification du mot ,foret', S. 122f., 126f., 133f., 140, 146; Glöckner, Bedeutung und Entstehung des Forstbegriffes, S. 27-31; Bosl, Pfalzen und Forsten, S. 3; Jarnut, Die frühmittelalterliche Jagd, S. 779f., 782f.; neuerdings Lorenz, Der Königsforst (forestis) in den Quellen der Merowinger- und Karolingerzeit, S. 279f. Ein hervorragendes Beispiel des späten 10. Jahrhunderts für Nutzungsvorbehalte, welche die gesamte Waldnutzung betreffen - also auch die Nutzungen, die so häufig neben der Jagd mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden - liefert Zauner, Die Einforstung der Wälder des Grafen Arnold von Lambach 992/93. Dieser Fall ist insofern aufschlußreich, als über die verschiedenen Waldnutzungen und auch die Jagd separat verfügt wurde; sie waren nicht untrennbar miteinander verbunden. Bezeichnenderweise nahm der Graf von Lambach in der Regel die Jagd aus, als er bei der betreffenden Transaktion dem Passauer Bischof für dessen Kloster Kremsmünster bestimmte Nutzungen einräumte. Eine mit einem Sonderstatus ausgestattete Nutzungszone, die in die gleiche Kategorie fällt, dürfte auch der wenig später (1012) genannte Forst in der Mark Ladenburg gewesen sein: et in ea [sc. marcha Loboduburgensi] nihil speciale dixerunt, excepto Colegenberg et forestem quae Engizunforst nominatur. (D H II 247). Ein weiterer nicht-königlicher Forst dieser Zeit, der Gegenstand einer eigenen Untersuchung geworden ist, war beispielsweise der Forst des Klosters Remiremont: Rubner, Das Wasgenwälder Damenstift Remiremont (es gab aber auch königlichen Forstbesitz im Wasgenwald - ebd., S. 177f. - so daß es hier nicht eindeutig zu sagen sein dürfte, ob der Klosterforst unabhängig vom Königsforst entstand). Königliche Verleihungen fehlen auch für die Forste der Hochstifte Würzburg und Bamberg, die durch die Wildbannverleihung des Jahres 1172 für Würzburg vergrößert bzw. im betreffenden Privileg erwähnt wurden: Nr. 84. Zur Waldnutzung allgemein und ihrer Regelung, sowie den entsprechenden Nutzungsvorbehalten s. Epperlein, Waldnutzung, Waldstreitigkeiten und Waldschutz.

Forste u n d R o d u n g

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Wildbann nichts zu tun hatten. Der Wildbann als Jagdvorbehalt und andere Nutzungsvorbehalte dürften nebeneinander bestanden haben, ohne in einen Wirkungszusammenhang eingeordnet werden zu können.107 Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Jagd und andere Waldnutzungen bereits zur Zeit der Wildbannverleihungen getrennt behandelt wurden. Zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 1024 und 1040 gestattete der Bamberger Bischof es dem Domkapitel, einen bischöflichen Forst bei Nürnberg zu nutzen; die Jagd im Forst behielt er sich dagegen selbst vor.108 In einem Brief an seine Amtskollegen von Halberstadt und Hildesheim schilderte Erzbischof Liemar von Hamburg-Bremen 1074, wie der Graf Hermann seinen Wald verwüstet und den dortigen Tierbestand geplündert hatte.109 Man mag der Tatsache, daß beide Vorgänge einzeln genannt werden, keine besondere Aussagekraft zubilligen; dennoch scheint sich auch hier der Umstand widerzuspiegeln, daß der Wald mit seinen Nutzungen und die Jagd zwar in einer Wechselbeziehung standen, aber nicht unauflöslich miteinander verbunden waren. Es wird eine Aufgabe der Einzeluntersuchungen sein, den oben angestellten Überlegungen weitere Substanz zu verleihen und die angesprochenen Punkte durch Fallbeispiele zu verdeutlichen.

3. Forste und Rodung Es hat sich die Vorstellung eingebürgert, daß die Rodung ein wichtiger, wenn nicht der hauptsächliche Zweck der Forst- und Wildbannverleihungen war. Der Ursprung dieser Auffassung ist nicht mehr recht greifbar;110 auch scheint sie nie eigens entwickelt und begründet, geschweige denn durch gewissenhafte Einzeluntersuchungen geprüft worden zu sein. Dennoch ist diese Ansicht Gemeinplatz der historischen Forschung geworden und hat Eingang in alle

107 Eine Tatsache, der sich teilweise sogar die Forschung des 19. Jahrhunderts mit bemerkenswerter Klarheit bewußt war; vgl. Seidensticker, Rechts- und WirthschaftsGeschichte norddeutscher Forsten, Bd. 2, S. 86: „Aber es ist ein Irrthum zu glauben, dass in alter Zeit nur der Wildbann geherrscht und bei steigendem Holzwerth der Forstbann hinzugekommen sei. Beide haben von Altersher neben einander bestanden. Es verblieben aber nur der Holzzucht wegen eingetheilte, und unter Aufsicht gestellte Herrenwälder [foresta ligni]. N u r diese kennt man seitdem, sie heissen nicht mehr Bannforsten, sondern Forsten [Hervorhebung von mir]." Von den verwendeten Begriffen und der allzu engen Begrenzung der Waldnutzungen auf den Holzbezug abgesehen, gibt es an dieser Einschätzung wenig auszusetzen. 108 N r . 2. 109 Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV., S. 37: Non sum eius silvam ingressus, non cepi feram, ut ipse congregatis fere omnibus, quotquot illuc secum adduxerat, silvam meam vastabat. 110 Ihr dürfte Vorschub geleistet worden sein durch Autoren wie Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 8, Tl. 4, S. 257-269.

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Das Problem

einschlägigen Handbücher gefunden.1" Ganz ähnlich verhält es sich mit der Annahme, daß Forsten eine eigene herrschaftsbildende Kraft innewohnte; sie wird im nächsten Abschnitt erörtert werden. Dabei muß es vor allem verwundern, daß die Wildbannverleihungen des früheren Mittelalters mit der Rodung in Verbindung gebracht werden. Wie hier wohl nicht mehr eigens hervorgehoben zu werden braucht, ist von der Rodung in den Verleihungsurkunden nämlich keine Rede - zumindest nicht in der Art und Weise, die gewöhnlich für selbstverständlich gehalten wird; darauf ist gleich zurückzukommen. Zudem fehlt den Wildbannverleihungen auch der Charakter von Waldschenkungen. Nicht einmal die Bannwaldforste wurden von ihrem neuen Besitzer immer zu größeren Rodungen genutzt, und wohl in keinem Fall wird man sagen können, daß der jeweilige Wald systematisch gerodet wurde. Die Frage, wie die Wildbannverleihungen sich zur Rodung verhielten, ist für die Untersuchung von entscheidender Bedeutung. Es reicht nicht aus zu prüfen, ob in einem Wildbann gerodet wurde. Vielmehr gilt es vor allem festzustellen, ob die Rodung mit dem Wildbann in einem inneren Zusammenhang stand. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in dem Ziel der Untersuchung, das Schicksal der Wildbänne nach der Verleihung darzustellen. Bevor nämlich gefolgert wird, daß ein Wildbann fortbestand, weil gerodet wurde, ist zu fragen, ob man mit der Rodung tatsächlich eine Manifestation des Wildbanns vor sich hat. Das setzt voraus, daß man sich in einem ersten Schritt klar darüber wird, unter welchen Voraussetzungen die Rodung mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden kann. Ferner muß geklärt werden, wann diese Voraussetzungen als erfüllt betrachtet werden können. Explizite Bestimmungen über die Rodung finden sich nur in zwei Wildbannurkunden.112 In beiden Fällen wird Unbefugten die Rodung im Forst verboten. Während das Verbot im Diplom für Toul von 1011 unmißverständlich ausformuliert ist,"3 ist es im Hersfelder Fall die notwendige Konsequenz aus der Bestimmung, der Empfänger solle die potestas arbores nutriendi besitzen. 4 Es ging also darum, den Baumbestand zu erhalten, und das setzte vor-

111 Rubner, Art. ,Forst'; Schubert, Art. ,Forst'. Daneben Philippi, Forst und Zehnte; Bosl, Pfalzen und Forsten, S. 3; Ders., Forsthoheit, S. 444-54. Daß auch die Rodung unter den Wildbann fiel, war schon für Thimme selbstverständlich: Forestis, S. 118, 135, für Kaspers ebenfalls: Comitatus nemoris, S. 27-32, 232f. Das Schrifttum, in dem derartige Vorstellungen in der einen oder anderen Form durchscheinen, ist unübersehbar. 112 Das schließt selbstverständlich die Beispiele mit ein, die hier nicht unter die Einzeluntersuchungen aufgenommenen wurden (vgl. die Einleitung). 113 Herkenrath, Das Diplom Kaiser Heinrichs II. für Bischof Berthold von Toul, S. 541: nullusque hominum potestatem venandi et capiendi vel stirpandi in eis [sc. prefatis silvis] aliquid habeat sine licentia et volúntate iam dicti episcopi successorumque suorum. 114 D H U 51 (1003).

Forste und R o d u n g

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aus, daß nicht gerodet werden würde. Damit kann es ausgeschlossen werden, daß der Hersfelder Forst die Rodung lediglich in bestimmte Bahnen lenken sollte, daß die Forstverleihung ein Mittel war, dem Empfänger zu mehr Einfluß auf die Rodung zu verhelfen. Diese war vielmehr eindeutig unerwünscht und sollte völlig unterbunden werden; dem Forst war hier somit einzig und allein die Aufgabe zugedacht, als Rodungsverbotszone zu fungieren." 5 So sollte offenbar verhindert werden, daß der Wald, der natürliche Lebensraum des Jagdwildes, Schaden nahm.116 Das Rodungsverbot steht also nicht neben oder gar über dem zweiten Zweck der Verleihung, dem Kloster die Jagd vorzubehalten, sondern ist ihm untergeordnet. Sofort stellt sich die Frage, ob ein derartiges Rodungsverbot grundsätzlich für alle Wildbannverleihungen vorauszusetzen ist, aber nur in den beiden genannten Beispielen zum Ausdruck gebracht wurde. Es scheint nicht recht erklärlich, warum ein Rodungsverbot nicht in jeder Wildbannurkunde hätte stehen sollen, wenn es tatsächlich stets galt. Schließlich wird ja auch das Jagdverbot fast immer ausformuliert und in der Regel noch mit viel mehr Worten bedacht als das Rodungsverbot in der Touler Urkunde. Diese Überlegung spricht an sich bereits gegen die Annahme, daß das Rodungsverbot ein grundsätzliches Element des Wildbanns war. Ein grundsätzliches Rodungsverbot für jedes Wildbanngebiet hätte zudem bedeutet, daß im Wildbann gar nicht mehr hätte gerodet werden dürfen. Es ist unmöglich nachzuweisen, daß Rodungen des Wildbanns wegen unterblieben, denn schließlich kann etwas, das nicht stattfand, keine Spuren in der Uberlieferung hinterlassen haben. Im besten Fall dürfte man erwarten, beispielsweise auf Verbote des Wildbannherrn zu stoßen. Auch Rodungsgenehmigungen des Wildbanninhabers wür115 Die Bestimmung des Hersfelder Diploms betrifft neben der Rodung wahrscheinlich auch noch andere Nutzungen, die in letzter Konsequenz dem Baumbestand gefährlich werden konnten, wie z. B. die Gewinnung von Bau- und Brennholz und die Waldweide. Zu den Nutzungen, die hier in Frage kommen, vgl. die Nachweise aus Anm. 99, 103f. 1 1 6 Vgl. Petit-Dutaillis, De la signification du mot ,foret', S. 1 0 7 - 1 1 0 , 145; Roth, Geschichte des Forst- und Jagdwesens, S. 217; Schwappach, Handbuch der Forst- und Jagdgeschichte, 1, S. 204; Fairon, Les donations des foréts, S. 103f. Eine deutliche Sprache sprechen in dieser Beziehung auch der Trierer Forst von 897 bzw. 949 und nicht zuletzt das Touler Beispiel selbst. Küster, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa, S. 241f. bezieht den Forstbegriff sogar ausschließlich auf herrschaftliche Jagdgebiete und schreibt ihnen zu, zum Erhalt vieler Waldgebiete beigetragen zu haben, die sonst aufgrund der wirtschaftlichen Nutzung, die dort zugunsten der Jagd verboten war, verschwunden wären. Auch die unbedingten Nutzungsverbote in den Forsten der Grafen von Anjou und des Vendömois und der anglonormannischen Könige von England können keinen anderen Zweck verfolgt haben als den Schutz des Jagdwildes, da es in ihnen ebenfalls zum Ausdruck kommt, daß es nicht darum ging, die jeweilige Nutzung nur in bestimmte Bahnen zu lenken, sondern sie grundsätzlich zu verhindern. Im Fall der englischen Königsforste ist die Schutzfunktion augenscheinlich: vgl. Semmler, Der Forst des Königs, S. 1 3 0 - 3 3 , 139f.

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Das P r o b l e m

den dafür sprechen, daß in einem bestimmten Wildbanngebiet gegen die Rodung vorgegangen wurde. Nur wenn solche Quellen vorliegen, könnte berechtigterweise davon ausgegangen werden, daß ein gegebener Wildbann die Rodung im Forstgebiet auf Ausnahmefälle reduzierte. Hier muß jedoch wieder an die Interessen der zahlreichen anderen Grundherren erinnert werden, die in den großflächigen Wildbanngebieten begütert waren. Sie legen den Schluß nahe, daß es wohl nicht sehr realistisch wäre anzunehmen, der Wildbann hätte die Rodung im großen Maßstab und auf die Dauer beschränken können. Legt man das Rodungsverbot zugrunde, hätten Wildbänne zudem höchstens einen negativen Einfluß auf Rodung und Landesausbau gehabt, indem sie beides verhinderten. Die gängigen Vorstellungen schreiben dem Wildbann jedoch ein ganz anderes Verhältnis zur Rodung zu. Sie beruhen auf der Annahme, daß der Wildbann seinem Inhaber in besonderer Weise die Kontrolle der Rodung ermöglichte. Insbesondere habe er ihn bei der aktiven Durchführung von Rodungen begünstigt. Diese Funktion des Wildbanns soll darauf beruht haben, daß er ein „Rodungsrecht" einschloß,117 welches der Empfänger einer Wildbannverleihung erhielt. Die Einwirkungsmöglichkeit des Wildbannherrn auf die Rodung wird auch so beschrieben, daß Rodungen von seiner Genehmigung abhängig waren. Das ist ein Zustand, den auch ein bloßes Rodungsverbot zur Folge gehabt hätte. Nach der Ansicht, um die es hier geht, wäre das Verbot nicht einfach dazu eingesetzt worden, die Rodung zu verhindern, sondern um sie im Interesse des Wildbannherrn zu steuern. Das oben erwähnte Hersfelder Beispiel zeigt bereits, daß man nicht grundsätzlich voraussetzen kann, ein Rodungsverbot habe in Wirklichkeit nur dazu gedient, die Rodung in bestimmte Bahnen zu lenken. Es muß sich im Einzelfall erweisen, ob diese Vorstellung dennoch begründet ist. Daher ist nach Anzeichen dafür zu suchen, daß das Rodungsverbot tatsächlich in der unterstellten Art und Weise verwendet wurde. Zu ihnen zählen wiederum Rodungsgenehmigungen des Wildbannherrn für andere Rodungsträger. Es bleiben noch Kriterien festzulegen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Wildbanninhaber von einem Rodungsrecht Gebrauch machte, das im Wildbann enthalten war. Wie soll man erkennen, ob die Rodungen, die der Wildbannherr selbst im Wildbanngebiet vornehmen ließ, etwas mit dem Wildbann zu tun haben? Welche Beobachtungen können als Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Wildbann und Rodung gedeutet werden? Im allgemeinen sind für alle Fragen, die oben aufgeworfen wurden, nur Rodungen im Wildbanngebiet selbst aussagekräftig. Eine Ausnahme bilden jedoch Rodungen, die der Wildbanninhaber außerhalb des Wildbanns durch1 1 7 So z. B. Mayer, Geschichtliche Grundlagen der deutschen Verfassung, S. 16. 1 1 8 Z. B. Waas, Herrschaft und Staat, S. 77; Philippi, Forst und Zehnte, bes. S. 329; Schwappach, Handbuch der Forst- und Jagdgeschichte, 1, S. 198f.

F o r s t e und R o d u n g

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führen ließ; sie dürften dafür sprechen, daß er sich bei der Rodung nicht am Wildbann orientierte. Grundsätzlich gilt zudem, daß Rodungen einen Bezug zum Wildbannherrn aufweisen müssen, sollen sie auf den Wildbann zurückzuführen sein. Der Wildbanninhaber muß also entweder selbst gerodet haben oder in irgendeiner Form an der Rodung beteiligt gewesen sein. Ist seine Beteiligung nicht erkennbar, wenn andere Herrschaften im Wildbann roden, wird eine Verbindung zwischen dem Wildbann und der Rodung fraglich. In einem Bereich ist eine eindeutige Beziehung zum Wildbannherrn notwendigerweise gegeben, und zwar beim Besitz des Wildbanninhabers im Forstgebiet. R o dungen, die vom Wildbanninhaber unternommen wurden, vermehrten seinen Besitz. Am Besitzstand des Wildbannherrn im Forst und seinen Veränderungen müßte daher ablesbar sein, ob ein Zusammenhang zwischen dem Wildbann und der Rodung anzunehmen ist. Sofern direkte Zeugnisse für die R o dung fehlen - einschließlich solcher Indizien wie z. B. der Novalzehnten" 9 gibt es gar keine anderen Anhaltspunkte. Unter dem Besitz, der zu berücksichtigen ist, ragen die Siedlungen heraus. Rodung und Landesausbau zeigen sich in ihrer augenfälligsten Form, wenn neue Siedlungen entstehen. Dabei stellt die gezielte Anlage neuer Siedlungen wohl eigentlich schon einen Sonderfall der Rodungstätigkeit dar, die sich eher darin geäußert haben dürfte, daß die Anbaufläche schrittweise vergrößert wurde; 120 sie ist aber selbstverständlich besonders auffällig. Für allen Besitz des Wildbanninhabers gilt jedoch, daß sein bloßes Vorhandensein im Wildbann noch nicht beweiskräftig ist. Daß der Wildbann mit der Grundherrschaft des Wildbannherrn verbunden war, wäre schließlich auch dann zu erwarten, wenn Wildbänne keine andere Funktion hatten als die von Jagdgebieten. Es wäre somit nicht gerechtfertigt, von der Prämisse auszugehen, daß ein Wildbann ursprünglich von Besitz des Wildbanninhabers frei gewesen sein müsse und ,wildbannbedingte* Rodungen anzunehmen seien, wenn solcher Besitz feststellbar ist. Auf Rodungen des Wildbannherrn weist auch der bloße Umfang seiner Güter noch nicht hin - wie groß dieser auch immer sein mag. Erst wenn der Besitz nach einer Wildbannverleihung auffällig zuzunehmen scheint, könnten derartige Vermutungen gerechtfertigt sein. Damit ergibt sich aber sogleich eine nächste, chronologische Bedingung. Ein Wildbann kann nur mit jenen Rodungen in Verbindung gebracht werden, die nach der Wildbannverleihung stattfanden. Will man begründete Ergebnisse erzielen, können daher nur solche Belege für die Rodung ernstge-

119 Zu diesen vgl. allgemein Pöschl, Der Neubruchzehent. 120 Vgl. z. B. Guttenberg, Kirchenzehnten als Siedlungszeugnisse, S. 8 9 - 9 7 . Zu verschiedenen Aspekten der Rodung auch Beseler, Der Neubruch; Bethge, Uber ,Bifänge'; Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 2 9 7 - 3 0 0 . Zum physischen Vorgang der Rodung vgl. Gringmuth-Dallmer, Zur Technik mittelalterlicher Rodungen.

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Das Problem

nommen werden, die mit hinreichender Sicherheit einem bestimmten Datum zugeordnet werden können. Falls das nicht möglich ist und die Rodungen lediglich in einen mehr oder weniger langen Zeitraum gesetzt werden können, muß zumindest gewährleistet sein, daß dieser eindeutig vor oder nach der Wildbannverleihung liegt. Die genannten Einschränkungen machen sich besonders dann geltend, wenn siedlungsgeschichtliche Ergebnisse herangezogen werden. Solche werden nur dann berücksichtigt werden können, wenn sie den genannten Anforderungen - in chronologischer Hinsicht und im Hinblick auf die Identität der Rodungsträger - gerecht werden. Es erscheint wenig sinnvoll, den Zeitraum, für den die genannten Punkte geprüft werden sollen, zu weit auszudehnen. Die meisten Wildbänne, die hier zu berücksichtigen sind, lassen sich nach der Verleihung nicht mehr nachweisen; in der Regel ist es ungewiß, wie lange sie außerhalb des Untersuchungszeitraumes noch fortbestanden. Die eine oder andere Bestätigung noch aus der großen Zeit der Wildbänne ist zumeist alles, was an die Verleihung erinnert. Es müßte daher offen bleiben, ob beispielsweise spätmittelalterliche Rodungen mit dem jeweiligen Wildbann in Verbindung gebracht werden können. Somit wäre nicht viel gewonnen, dehnte man die Untersuchung über etwa 1200 aus, zumindest soweit keine Verdachtsmomente vorliegen, die dazu raten (wobei die zeitliche Begrenzung nicht zu eng ausgelegt werden muß). Bestand wirklich ein Zusammenhang zwischen Wildbann und Rodung, so sollte man erwarten dürfen, daß er mehr als hundert Jahre nach dem Ende der großen Wildbannverleihungen quellenmäßig faßbar ist. Umgekehrt würden Schlußfolgerungen mit dem Fortschreiten der Zeit immer beliebiger und damit weniger beweiskräftig.

4. Forste und Herrschaft Die königlichen Forstverleihungen werden in der Literatur häufig als Mittel zur Herrschaftsbildung bezeichnet. Wie bei den oben bereits angesprochenen Eigenschaften, die den Forstverleihungen unterstellt werden, fehlen auch hier entsprechende Hinweise in den Verleihungsurkunden. Wenn behauptet wird, daß Forste bzw. Wildbänne „regelmäßig ein Element künftiger Lan-

121 Daher wird in den Einzeluntersuchungen auch gar nicht eigens darauf hingewiesen werden, daß ein Wildbann nach der Verleihung quellenmäßig nicht mehr faßbar ist. 122 Vgl. allgemein Rubner, Art. ,Forst'; Schubert, Art. .Forst'. Daneben Mayer, Fürsten und Staat, S. 310f.; Bosl, Forsthoheit, bes. S. 4 4 4 - 5 4 und passim; Ders., Pfalzen und Forsten, S. 3. N o c h für den A u t o r der jüngsten Gesamtdarstellung zur frühdeutschen Geschichte steht der vermeintliche herrschaftsbildende Aspekt der Forst- und Wildbannverleihungen im Vordergrund: Fried, D e r W e g in die Geschichte, S. 656. Wie bei der Rodung ist der Umfang des Schrifttums, in dem mehr oder weniger stillschweigend von solchen Vorstellungen ausgegangen wird, enorm.

Forste und Herrschaft

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deshoheit" geworden seien,123 so kann man dieser Feststellung schon von vornherein eine gewisse Berechtigung nicht absprechen - aber nur soweit Bannwaldforste betroffen sind. Mit ihnen erhielt der Empfänger schließlich schlicht und einfach ein weiteres Stück Land.124 Wie verhält es sich jedoch mit den Wildbannverleihungen, deren Gegenstand lediglich ein Jagdprivileg war? Dieses stellte selbstverständlich auch eine Form von Herrschaft dar;125 es umfaßte ja die Kontrolle über einen ganz bestimmten Tätigkeitsbereich innerhalb des jeweiligen Wildbanngebietes. Würde sich die Vorstellung von der herrschaftsbildenden Kraft der Forste - besonders der Wildbänne - auf diesen Gesichtspunkt beschränken, so könnte man sich ihr vorbehaltlos anschließen. Das gängige Bild vom Wildbann beruht jedoch auf weitergehenden Annahmen. „Derartig neue Bannbezirke dienten weniger dem Schutz der schrumpfenden Wälder, dem wertvollen Bauholz und der herrschaftlichen Jagd, obwohl auch diese ihr Recht forderten, als vielmehr der Herrschaftsbildung über bisheriges ,Unland'. 126 Einen unanfechtbaren Anspruch darauf, zu den Funktionen von Wildbannverleihungen gezählt zu werden, dürfte aber nur die Jagd besitzen. 127 Somit stellt sich die Frage, ob die Herrschaftsbildung hier eine Ausnahme macht. Ein Weg zur Gewinnung von Herrschaft führte über die Rodung. Quirin bringt das auf die anschauliche Formel: „Wer rodet gewinnt Herrschaft über Land durch Leute". 128 Unter diesem Gesichtspunkt könnte ein Wildbann nur dann die Bildung von Herrschaft begünstigt haben, wenn er auf die Rodung Einfluß hatte. Es ist hier also auf das zu verweisen, was bis jetzt über die Beziehung von Wildbännen zur Rodung gesagt wurde und noch gesagt werden wird. Dasselbe gilt für die Auffassung, die Herrschaft, die ein Wildbann seinem Inhaber verschafft haben soll, habe darin gelegen, daß der Wildbannherr nicht nur die Jagd, sondern auch weitere Nutzungen kontrollierte. Wie steht es jedoch mit direkten herrschaftlichen Funktionen von Wildbannverleihungen? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, daß diese tatsächlich ein Herrschaftsinstrument darstellten, das über die Kontrolle der Jagd hinausging? 123 Fried, Der Weg in die Geschichte, S. 656. 124 Wie in der entsprechenden Einzeluntersuchung auszuführen sein wird, hatte der Mondseer Wildbann aufgrund außergewöhnlicher Umstände Auswirkungen, die ihn in dieser Beziehung den verschenkten Bannwaldforsten gleichstellen. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß er aufgrund der zugrundeliegenden Ausnahmesituation nicht als repräsentativ betrachtet werden kann. 125 Zu Herrschaft im Mittelalter vgl. allgemein Willoweit, Art. ,Herrschaft'; Koselleck und Moraw im Art.,Herrschaft' in Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3. 126 Fried, Der Weg in die Geschichte, S. 656. 127 Fried trennt in seiner Stellungnahme nicht deutlich zwischen Wildbannverleihungen und der Schenkung von Bannwaldforsten. Die Ausführungen im Text beziehen sich nur auf die Wildbänne. 128 Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation, S. 73.

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Das P r o b l e m

Es sieht nicht danach aus. In diesem Zusammenhang ist der Fall des Hofes Lesum aufschlußreich, der im Jahr 1063 Erzbischof Adalbert von HamburgBremen übertragen wurde. Die Schenkung umfaßte auch den banni distric-

tum super omnes ipsam terram inhabitantes sowie den forestum etiam cum

banno regali per totum pagum Wimodi.11' Der Bann über die Bewohner des zu Lesum gehörigen Landes wurde offenbar keineswegs dadurch überflüssig gemacht, daß dem neuen Besitzer auch der Forstbann für den ganzen Gau verliehen wurde, in dem Lesum lag.130 Der Bann super omnes ipsam terram inhabitantes deckte mithin offensichtlich Bereiche ab, die der Forstbann nicht berührte. Man ging augenscheinlich nicht davon aus, daß der Forstbann auch die Eigenschaften anderer Arten von Bann in sich vereinigte. Das spricht dagegen, daß der Forst- bzw. Wildbann zu mehr als zu einer Kontrolle der Jagd taugte. Uberhaupt liefert die Politik des Erzbischofs Adalbert von Hamburg-Bremen gute Gründe dafür, die Vorstellung von den herrschaftsbildenden Kräften von Wildbannverleihungen in Frage zu stellen. Soweit Adalberts Politik darauf ausgerichtet war, die erzbischöfliche Herrschaft zu intensivieren, stellte die Erwerbung von Grafschaften eines ihrer Hauptinstrumente dar.131 Hier muß man sich allerdings im klaren darüber sein, daß wohl bestenfalls eine Lehnsabhängigkeit des bisherigen Grafen vom Erzbischof angestrebt wurde bzw. überhaupt möglich war.132 1063 erhielt Adalbert die Grafschaften der Grafen Udo und Bernhard, womit die Verleihung des Forstes in diesen Grafschaften verbunden war. Die Forstverleihungen erscheinen hier also lediglich als ein Zusatz zu den Maßnahmen, die auf die Stärkung der erzbischöflichen Position abzielten. Auch brachte eine Wildbannverleihung ihren Empfänger nicht in den Besitz eines Herrschafts- oder Aufsichtsapparates, den dieser vorher nicht besaß und der noch zu anderen Aufgaben als zur Durchsetzung des Jagdverbots hätte eingesetzt werden können. Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, 129 D H I V 103. 130 Zur Ausdehnung des Gaus Wimodi/Wigmodia vgl. beispielsweise die Karte im Anhang von Prinz, Der Zerfall Engerns. 131 Johanek, Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, S. 9 0 - 9 3 , 97; Glaeske, Die Erzbischöfe von H a m b u r g - B r e m e n als Reichsfürsten, S. 8 7 - 9 2 . 132 Johanek, Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, S. 97, liegt hier auf einer Linie mit Hoffmann, Grafschaften in Bischofshand. N a c h Johanek spielten bei der Erwerbung der Grafschaften auch „fiskalische Interessen" des Erzbischofs eine Rolle: Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, S. 91. 133 N r . 29. 134 Hierunter würde beispielsweise die von Kaspers postulierte „in den Forsten entwikkelte Verwaltungsform" fallen, die sich bei der Verleihung „in ihrem ganzen U m fang" erhalten haben soll, weil dabei „das Recht der unmittelbaren Verfügung auf die neuen Forstinhaber" überging (Comitatus nemoris, S. 40; vgl. auch ebd., S. 3 2 - 4 1 ) . Dies kann höchstens bei der Übertragung von Bannwaldforsten oder bereits bestehenden königlichen Wildbännen der Fall gewesen sein, nicht jedoch bei der gewöhnlichen Einforstung. Semmler sieht „gräflichen Gerichtsrechten gleichgelagerte juris-

Forste und Herrschaft

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weil die meisten Wildbänne vor dem Akt der Verleihung gar nicht existierten. Eine Ausnahme machen hier vielleicht diejenigen Wildbänne, die tatsächlich aus königlichem Besitz stammten. Der an Worms verschenkte Forst Forehahi war mit dem Besitz von Forsthufen verbunden, besaß also offenbar eine organisatorische Struktur. 135 Für die anderen Wildbänne, die aus königlichem Besitz stammten, ist etwas Vergleichbares aber schon nicht mehr belegt, und dabei handelt es sich auch nur um vier oder fünf weitere Fälle. 136 Die einzige Art von Herrschaft, die Wildbannverleihungen begründen konnten, dürfte also eine Kontrolle der Jagd gewesen sein. Dafür spricht auch der Fall des Merseburger Forstes, der vom Markgrafen von Meißen und seinem Bruder beansprucht wurde. Den Forst hatte der Vater des Markgrafen 997 vom Erzstift Magdeburg eingetauscht. Das Erzstift hatte den Forst allerdings selbst erst aus den Besitzungen des Bistums Merseburg erhalten, nachdem dieses 981 aufgelöst worden war. Als das Bistum Merseburg wiederhergestellt wurde, erhielt es dann den Forst wieder zurück, ohne daß sich die Söhne des Markgrafen, der den Forst 997 erworben hatte, damit abfinden wollten. 1 Zur Begründung ihrer Ansprüche führten sie den Besitz zweier Burgwarde ins Feld, die am Forst lagen.1 Mithin könnte der Eindruck entstehen, daß der Merseburger Forst einen Fremdkörper in der Herrschaft der Markgrafen von Meißen darstellte und hierin der eigentliche Grund dafür lag, daß der Markgraf versuchte, den Forst zurückzugewinnen. Sollte das der Fall gewesen sein, so ist es doch ganz bezeichnend, daß die Art von Herrschaftsausübung, bei welcher der Forst sich als Störfaktor bemerkbar machte, die Jagd war. Nachdem nämlich die Versuche des Markgrafen und seines Bruders, den Forst zurückzuerwerben, sämtlich fehlgeschlagen waren, kam es zur Konfrontation mit dem Merseburger Bischof Thietmar. Den Auslöser lieferte der Bruder des Markgrafen, der im Forst Tierfallen errichten ließ. 1 ' Der

135 136 137 138 139

dikiionelle Befugnisse" (Der Forst des Königs, S. 146), die sich aus dem Wildbann ergeben hätten. Hier ist wieder darauf hinzuweisen, daß man die Erwähnung solcher Funktionen des Wildbanns in den Urkunden erwarten sollte, hätte es sie gegeben, und daß es keinen Grund für die Annahme gibt, Wildbänne hätten mehr bewirken können als in den Verleihungsurkunden explizit zum Ausdruck kommt. Sofern mit den „Gerichtsrechten" eine fertige administrative Struktur gemeint sein sollte, gilt das oben Gesagte. Nr. 77. Vgl. Nrr. 2 4 , 4 1 , 4 3 , 46, 74. Nr. 46 mit den dortigen Quellenzitaten aus Thietmar von Merseburgs Chronik. Vgl. die Nachweise aus Nr. 46 und Thietmar VIII, 20. Mit dem Zuspruch eines seiner milites: Non longe post [dem letzten Versuch der Brüder, den Forst zurückzuerhalten] Ekkihardus, iuvenis ac ideo immaturus, in burgwardo suimet Rochelenzi dicto arduas munitiones ad capiendas ibidem feras instinctu Budizlavi militis sui parat. Hoc ego postea comperiens pacienter tuli et, ne sie agere vellet, per internuncium meimet, fratrem eius [Gunther, ein weiterer Bruder des Markgrafen], postulavi. Herimanno quoque fratri suo haec cito questus nil in hiis omnibus profeci; sieque stetit usque post pascha (Thietmar VIII, 21).

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Das Problem

Konflikt eskalierte, 140 nachdem Bischof Thietmar gegen die Fallen vorgegangen war. Das Fallenstellen muß also eine der Handlungen gewesen sein, die der Besitzer des Forstes sich selbst vorbehielt. Zugleich scheint die Art der Beschwerden bezeichnend, die die markgräflichen Brüder dazu brachten, das Nutzungsverbot im Forst zu verletzen. Der Forst hatte sich zuvor bereits zwölf Jahre lang unangefochten im Besitz des Hochstifts befunden.' 42 Umso auffälliger ist es, daß dann ausgerechnet die Jagd bzw. der Tierfang im allgemeinen die markgräfliche Seite dazu veranlaßte, die Konfrontation zu wagen. Die Einschränkungen, die der Forst dem Markgrafen und seinem Bruder auferlegte und die dann schließlich für nicht mehr tragbar gehalten wurden, lagen also nicht in einer ganz allgemeinen, abstrakten Form von Herrschaft. Vielmehr ergaben sich die markgräflichen Beschwerdepunkte daraus, daß es nicht möglich war, im bischöflichen Forst ungehindert zu jagen bzw. ganz allgemein Tiere zu fangen. Wenn hier die Frage der Herrschaftsausübung aufgeworfen wurde, dann nur im Hinblick auf den besonderen Bereich der Jagd. Eine weitere Überlegung weist in die gleiche Richtung. Die Besiedlung des Forstgebietes begann im vollen Umfang erst einhundert Jahre nach der Auseinandersetzung um den Forst.' 43 Bis dahin hätte es also im Forstgebiet ohnehin kaum jemanden gegeben, der beherrscht werden konnte, außer Jägern, Fallenstellern und bestenfalls noch anderen Nutzern. Der große zeitliche Abstand zwischen dem Konflikt im frühen 11. Jahrhundert und dem Beginn der eigentlichen Besiedlung spricht auch dagegen, daß hinter dem Streit die Absicht stand, mit dem Forst zukünftiges Rodungsland oder ein Herrschaftsgebiet zu gewinnen. Der Fall des Merseburger Forstes ist somit in mehrfacher Hinsicht dazu angetan, die Zweifel an den gängigen Vorstellungen vom Wildbann zu verstärken. Es muß hier noch kurz auf die angebliche Kongruenz von Wildbann- und späteren Territoriengrenzen eingegangen werden, auf der die Vorstellung von der herrschaftsbildenden Kraft der Wildbänne häufig gründet. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Territorien- auf den Wildbanngrenzen beruhten. 140 Ebd., VIII, 22: audivi, quod milites Ekkihardi meis minarentur sociis ... Postea congregationes multae mihi ad nocendum a predictis satellitibus factae a nostris custodibus ad tempus bonum preoccupatae sunt. Interim nuncium meimet ad imperatorem Magontiam misi pacemque eius supplex pedi. Quam cum Ekkihardus ex sua parte promitteret et frater suus ... promitteret, uterque hanc non bene servavit. Namque homines VI flagellati ac depilati cum edifìciis turpiter mutilatis approbant, qualiter tanti seniores ab aliis precaveri debeant. 141 Ebd., V i l i , 21: Dehinc cum in ipso itinere predictum opus laqueis et retibus magnis firmatum viderem, obstipui ac, quid inde facerem, cogitavi. Tandem, quia haec instrumenta nullatenus mecum vehere potui, ex hiis partem incidi protinus iussi. 142 Ebd. V i l i , 20: Cumque hic [se. forestus] in nostrae dominio aecclesiae plus quam duodecim annos starei [nach seiner Rückgabe im Gefolge der Wiederherstellung des Bistums Merseburg]. 143 Nr. 46.

F o r s t e und H e r r s c h a f t

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Hier wird selten, ja eigentlich nie, der Umstand berücksichtigt, daß es sich zunächst einmal um eine formale Ubereinstimmung handelt - sofern eine solche überhaupt tatsächlich gegeben ist - , die über einen inhaltlichen Zusammenhang noch gar nichts sagt. Die formale Übereinstimmung kann aber verschiedene Ursachen haben, die in keiner ursächlichen Beziehung zum Wildbann stehen. Der Befund der Wildbannurkunden und der bisherige Stand der Untersuchung erlauben es jedenfalls nicht, eine Herrschaftsausübung in anderen Bereichen als der Jagd einfach auf den Wildbann zurückzuführen. Der Grund für eine Kongruenz der genannten Art kann darin liegen, daß ein Wildbann von den Interessensphären seines Besitzers, wie z. B. der Grundherrschaft, der Reichweite seiner Gerichtsherrschaft, usw., räumlich am weitesten vorgeschoben war und die anderen Interessengebiete umschloß. Der Wildbann konnte später aufgrund dieser Eigenschaft unter Umständen bewußt als Grenze anderer Interessensphären beansprucht werden. Das setzt noch nicht einmal das Fortbestehen des Wildbanns voraus, sondern nur die Kenntnis davon, daß es einmal einen Wildbann in den fraglichen Grenzen gegeben hatte. Als Beispiel kann einer der Brixner Forste gelten.144 In der Regel dürfte es sich aber um eine Scheinkongruenz handeln, die von topographischen Faktoren im weitesten Sinn verursacht wurde.145 Sie stellte sich ein, wenn identische Orientierungspunkte gewählt wurden, um Interessensphären abzustecken, zwischen denen sonst kein ursächlicher Zusammenhang bestand. Es dürfte nahe gelegen haben, ein neu abzusteckendes Interessengebiet an ein bereits bestehendes anzulehnen, ohne daß dies den Schluß zuließe, das eine sei aus dem anderen hervorgegangen. Ein Beispiel hierfür liefert der Osnabrücker Wildbann von 965, dessen Begrenzung sich offenbar an der des Osnabrücker Diözesangebietes orientierte.146 Im Osnabrücker Fall zeigt sich auch, daß durchaus nicht der Wildbann das primäre, formbestimmende Element gewesen sein muß. Für auffällige Übereinstimmungen in der Ausdehnung konnten ebensogut ältere Raumeinheiten ausschlaggebend sein; daß deren Entstehung nicht auf den Wildbann zurückgeführt werden kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. In diesem Zusammenhang sind auch einige Fuldaer Wildbänne zu nennen, weil die Wildbanngebiete sich hier in auffälliger Weise mit viel älteren Einheiten der Fuldaer Grundherrschaft deckten. 147 Eine analoge Beobachtung läßt sich beim Kloster Hersfeld ma-

144 N r . 8. 145 Dies sowie die auffallend kurze Lebensdauer der Wildbanngrenzen erkannte bereits Zickgraf, Forschungen zur Geschichte der Wildbänne, S. 28 an einem konkreten Beispiel. U m s o unverständlicher - und unbegründeter - ist sein im gleichen Atemzug geäußertes Festhalten an der überkommenen Ansicht, daß die Wildbänne bedeutende allgemeine hoheitliche Folgen zeitigten. 146 Prinz, Das Territorium des Bistums Osnabrück, S. 5 8 - 6 1 . 147 Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, bes. S. 2 3 - 2 6 , 4 2 ^ * 5 .

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Das Problem

chen.148 Anstatt eine Stellung der Klöster im Wildbanngebiet zu begründen, die über die Jagd hinausging, verdankten die Wildbänne hier wohl ihre konkrete räumliche Ausformung genau umgekehrt der Tatsache, daß ihr Besitzer dort bereits in anderer Hinsicht zugegen war. Die oben angestellten Überlegungen gelten ohnehin nur dort, wo eine geographische Ubereinstimmung tatsächlich vorliegt. Mitunter erweist sich der vermeintliche Zusammenfall von Wildbanngrenzen mit anderen Grenzen nämlich als eine grobe Pauschalisierung. Diese entspringt ganz offensichtlich dem Bedürfnis, kausale Zusammenhänge zu konstruieren, die den vorgefundenen Zustand auf eine königliche Verfügung oder einen förmlichen Rechtsakt zurückführen sollen. Die übereinstimmenden Teilstücke, die nach Abzug der Abweichungen verbleiben, erklären sich dann leicht aus geographischen Faktoren. Die vorliegende Einschätzung ergibt sich aus einigen Beobachtungen, die im Rahmen der Untersuchung gemacht werden können.149 Das zugrundeliegende Problem wird auch bei der Betrachtung der Einzelfälle nicht aus den Augen verloren werden. Dafür sorgt bereits der Umstand, daß die Mechanismen erfaßt werden, auf denen eine herrschaftsbildende Kraft der Forste bzw. Wildbänne wohl überhaupt hätte beruhen können.

148 Nrr. 34f. 149 Vgl. z B. auch Nrr. 1, 5f., 16.

III. Die einzelnen Forste 1. Augsburg Der Augsburger Bischof Heinrich erhielt 1059 den Wildbann über einen Forst (forestum), der sich nach der Verleihungsurkunde bereits im Besitz der Augsburger Kirche befunden haben soll.1 Das wirft die Frage auf, was man sich unter diesem Forst vorzustellen hat. Handelte es sich bei ihm um Waldbesitz oder um einen bereits vorhandenen Nutzungsbezirk, für den noch eigens der Wildbann erworben wurde? Beides ist eher unwahrscheinlich. Wie noch darzulegen sein wird, dürfte der Umfang des hochstiftischen Besitzes im Untersuchungsgebiet recht bescheiden gewesen sein. Das spricht dagegen, daß es einen derart ausgedehnten Nutzungsbezirk gab, wie es der Forst in den Grenzen der Wildbannverleihung war.2 Die Suche nach einem Wald, der mit dem forestum der Urkunde identifiziert werden könnte, stellt die Forschung ebenfalls vor Probleme. 3 Mit dem forestum dürfte nichts anderes gemeint sein als der Geltungsbereich des Wildbanns, der 1059 erst geschaffen wurde. Die Formulierung der Wildbannurkunde griffe dann auf den Zustand nach der Verleihung vor. Andere Wildbannurkunden desselben Zeitraums weisen vergleichbare Äußerungen auf, die wohl ebenfalls in dieser Richtung zu deuten sind.4 Die Urkunde von 1059 enthält auch das für eine Wildbannverleihung charakteristische Jagdverbot für Unbefugte. 5 Noch im 15. Jahrhundert übte das Hochstift den Wildbann aus, blieb dabei aber keineswegs unangefochten, 1

2

D H IV 47: nos... fideli nostro Heinrico Augustensi episcopo super quoddam proprium suae ecclesiae forestum wiltpannum dedimus atque super tale predium, quäle ipse ab aliis suis comprovincialibus ullo modo acquirere posset. Zur Grenzbeschreibung des D H IV 47 vgl. ausführlich Miedel, D e r H o c h s t i f t - A u g s burgische Wildbann, der auch eine Karte beigibt. Das Wildbanngebiet wies eine größte Länge v o n ungefähr 110 Kilometern und eine größte Breite v o n ca. 35 Kilometern auf: ebd., S. 105. Vgl. zur Wildbanngrenze auch Crämer, D i e Humminfurt. Eine Karte des Wildbanngebiets gibt auch Eisinger-Schmidt, Marktoberdorf, S. 56.

3

Vgl. Eisinger-Schmidt, Marktoberdorf, S. 50-54. Fried, Landgericht, Hochgericht und Landkreis Schongau S. 217 mit A n m . 25 möchte das forestum der U r k u n d e mit einem bestimmten Waldgebiet, dem Sachsenrieder Forst, identifizieren. Dieser hätte aber nur einen Bruchteil des in der U r k u n d e gemeinten Forstes eingenommen, der nach ihrem Wortlaut den ganzen mit dem Wildbann belegten Raum umfaßte (vgl. D H IV 47: super quoddam proprium suae ecclesiae forestum wiltpannum dedimus... positum et interiacens intra hos eiusdem foresti terminos ... [es folgt die Grenzbeschreibung]). Frieds Identifizierungsvorschlag dürfte also den Kern der Sache w o h l auch nicht treffen.

4 5

Nrr. 23, 83. D H IV 47: eo videlicet rationis tenore ut nullipreter eiusdem iamdicti Heinrici episcopi licentiam aut voluntatem infra hos prenominatos terminos liceat venari vel sua presumptione aliquam ferarum capturam in bis ullo modo facere.

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D i e einzelnen F o r s t e

denn es kam zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und verschiedenen Herren, deren Gegenstand der Wildbann war. Als Gegner des Augsburger Bischofs Peter traten dabei zunächst die Herren Peter von Freyberg, Friedrich und Peter von Hohenegg und Graf Wilhelm von Montfort-Tettnang auf. Sie wurden im Frühjahr 1434 vor das Hofgericht Kaiser Sigismunds geladen. 6 Dieses entschied zugunsten des Bischofs und gegen die Herren von Freyberg und von Hohenegg. 7 D e r strittige Punkt war die Ausübung der Jagd im Wildbanngebiet. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Bereiche, in denen der Wildbann sich zu dieser Zeit bemerkbar machte. E r trat offenbar lediglich als eine Kontrolle der Jagd in Erscheinung. Kurz nach dem Hofgerichtsurteil wurde eine Urkunde ausgestellt, mit der die Verleihung von 1059 bestätigt wurde; eine frühere Bestätigung war bereits 1350 erfolgt. 8 D e r Umfang, in dem der Wildbann bestätigt wurde, ging etwas über den der ursprünglichen Verleihung hinaus, ein Umstand, dessen man sich durchaus bewußt war. 9 Wenig später wurden auch die Ansprüche eines weiteren Herrn, des Grafen Wilhelm von Montfort-Tettnang, zurückgewiesen. 10 Die förmliche Bestätigung seiner Ansprüche nützte dem Bischof freilich nicht sehr viel. Eine neuerliche Verletzung des Augsburger Wildbanns ereignete sich bereits zu Anfang des Jahres 1435 bei der Stadt Schongau, die auf bayerischem Gebiet, aber innerhalb des Augsburger Wildbanns lag" und w o zwei Wilderer aufgegriffen wurden. 12 In diesem Fall werden die engen Grenzen, die der Wirksamkeit des Wildbanns gesetzt waren, besonders deutlich. Sie hingen

6 7 8

Regesta Imperii X I , 2, S. 275, N r r . 1 0 0 8 2 - 1 0 0 8 4 ; Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 392f.; M B 34, 1, S. 333f., N r . 136. M B 34, 1, S. 3 3 5 - 3 7 , N r . 137; vgl. Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 392f. M B 34, 1, S. 3 3 7 - 3 9 , N r . 138; U B Augsburg, S. 173, N r . 357; vgl. Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 393.

9 MB 34, 1, S. 337-39, Nr. 138, S. 338: Wann vns der Erwirdig Peter Bischoff zu Augspurg ... gebeten hat, das wir im vnd synem Stifft und Nachkomen Bischouen zu Augspurg, alle vnd ygliche irre Wiltpenne, vnd die brieue in von Romischen Keyser vnd Kungen vnsern vorfarn an dem Riehe, vnd nemlich Kung Heinrich dem Vierden vnd vnserm lieben herren vnd vater Keyser Karl dem Vierden, vnd von uns vnd ouch vnsere vrtail brieue nechst alhie darüber gegeben vnd auch den wiltpann zwischen den wassern Lech vnd Werttach gelegen, anzuheben an den Marken in Kunig Heinrichs brieue begriffen vnd denselben lech hinab bisz da, daz waszer werttag in den vorgenanten Lech rynnet vnd dieselben werttach hinuff bisz wider an die vorberurte kunig Heinrichs

Marken

zu bestettigen

... Zur Ausdehnung des Wildbanns von 1059 vgl. die

Nachweise aus Anm. 2. 10 Regesta Imperii X I , 2, S. 311, N r . 10557, S. 328, N r . 10791; vgl. Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 393. 11 Zur politischen Topographie dieser Gegend vgl. auch die Karten „Der heutige Regierungsbezirk Schwaben um 1 4 5 0 " und „Wittelsbachischer Besitz in Schwaben" im Bayerischen Geschichtsatlas, beide S. 24. 12 Lori, D e r Geschichte des Lechrains zweyter Band, S. 134f., N r r . 140—42; vgl. Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 420.

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vor allem davon ab, ob der Herzog von Bayern-München bereit war, die Bestrafung von Wilderern zu tolerieren, wenn sie, wie hier, zu seiner Herrschaft gehörten. Diese Bereitschaft ließ Herzog Wilhelm III. vermissen.13 Dabei war der Herzog bei der Bestätigung des Wildbanns persönlich zugegen gewesen und hatte die bischöflichen Ansprüche unterstützt, wie der Bischof betonte." Diesem blieb nichts anderes übrig, als zu versichern, daß er die Leute des Herzogs nicht ohne guten Grund beschuldigen werde, und den beiden Wilderern Straffreiheit zu gewähren.15 Selbst als bloßer Jagdvorbehalt, als der er auch hier wieder auftritt, war der Augsburger Wildbann also trotz des Hofgerichtsurteils nur bedingt wirksam. Der Schongauer Fall ist dafür nicht der einzige Beleg, denn die Querelen um den Wildbann waren noch lange nicht beendet. Im Jahr 1438 sah der Augsburger Bischof keine andere Möglichkeit, als sich in dieser Sache an die Rittergesellschaft mit St. Jörgenschild und später an Friedrich III. und Papst Eugen IV. zu wenden. 16 Zugeständnisse waren bald unausweichlich. Bereits 1434 hatte der Bischof dem Konrad von Freyberg zu Waal die Jagd in seinem Wildbann auf Widerruf gestattet.17 Auch Graf Hugo von Montfort zu Rotenfels erhielt vom Bischof 1456 den Wildbann in einem Gebiet zwischen Iiier und Lech verliehen.18 Eine weitere Partei, die Anspruch auf die Jagd im Wildbanngebiet erhob, war der Herzog von Tirol. Das zeigt ein Vergleich, der aus dem Jahr 1458 stammt." Am längsten zog sich aber wohl der Konflikt mit der bayerischen Seite hin. Eine Einigung wurde 1449 erzielt,20 die allerdings nur den Unwillen der beiden Parteien verrät, Einschränkungen auf sich zu nehmen und so nicht über eine unverbindliche Absichtserklärung hinauskommt. Der Vergleich sah nämlich vor, daß keiner der beiden Gegner mehr an die Ubereinkunft gebunden sein sollte, sobald er mit ihren Bedingungen nicht mehr einverstanden war. 2 ' Die Auseinandersetzungen mit Bayern um die Jagd im

13 Vgl. Lori, Der Geschichte des Lechrains zweyter Band, S. 135, Nr. 142: Wuer [d. h. der Bischof] haben ewer [d. h. des Herzogs] Schreiben umb die Ewern zu Schongawe, die dy unsern zur straffe von unsern Wiltpanns wegen genommen hetten, uns iezo geton, wol vernommen, darinne Ir unter andern schreibent und begehrent, die ewrn solicher Sachen halber genzlichen ledig und unbekuemmert ze lassen. 14 Lori, Der Geschichte des Lechrains zweyter Band, S. 134f., Nr. 141 f. 15 Nachweise wie in der vorigen Anm. 16 Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 393, Anm. 1. 17 Regesta sive rerum Boicarum autographa, 13, S. 301. 18 MB 34, 1, S. 488-90, Nr. 190; vgl. Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 415. Der Wildbann gehörte zu den Montforter Besitzungen, die 1485 an Herzog Sigismund von Tirol verkauft wurden: Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, Teil 1: Nordtirol, S. 573. Noch im Jahre 1492 wurde aber auch der Sohn des Grafen Hugo vom Bischof mit dem Wildbann belehnt: Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 507. 19 Lori, Der Geschichte des Lechrains zweyter Band, S. 172, Nr. 179. 20 Vgl. Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 420. 21 MB 34, 1, S. 428-430, Nr. 170.

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Die einzelnen Forste

Gebiet um Schongau dauerten denn auch bis ins 16. Jahrhundert an. Erst 1503 wurde ein Vertrag abgeschlossen, in dem der Bischof es dem Herzog förmlich erlaubte, in einem Teil des Wildbanns zu jagen.22 Aus demselben Jahr stammt eine Vereinbarung mit der Stadt Schongau über die niedere Jagd.23 Der Augsburger Wildbann schlug sich im 15. Jahrhundert somit in der Kontrolle der Jagd nieder; von mehr ist im Zusammenhang mit den Streitigkeiten um den Wildbann nicht die Rede. So stellt sich die Frage, ob es Anzeichen dafür gibt, daß dieser sich auch in anderen Bereichen ausgewirkt hatte, namentlich bei der Rodung. Das Wildbanngebiet dürfte zur Zeit der Verleihung sehr dünn besiedelt gewesen sein.24 Augsburger Besitz begegnet hier 1186,25 dann wieder 1191.26 Ebenfalls 1186 wird auch Augsburger Besitz erwähnt, der zu Westendorf, also westlich des Wildbanngebietes gelegen war.27 Hochstiftsbesitz, der in der Umgebung, aber außerhalb des Wildbanns lag, findet sich auch früh zu Schwangau, Waltenhofen und Horn. 28 Diese Güter wurden vom Wildbann nicht durch eine Grenze getrennt, die erst durch eine Vereinbarung entstanden und somit möglicherweise recht unscharf war, sondern durch den Lech. Man kann den betroffenen Besitz also unmöglich mit dem Wildbann in Verbindung bringen. Es gibt somit keine erkennbare Beziehung zwischen diesem und dem frühesten Hochstiftsbesitz, wie er sich sowohl innerhalb der Forstgrenzen als auch in der unmittelbaren Umgebung feststellen läßt.29 Eine Querverbindung ergab sich höchstens aus der Bestim-

22 Zoepfl, Das Bistum Augsburg, S. 511; Miedel, Der Hochstift-Augsburgische Wildbann, S. 109, 124f. 23 Miedel, Der Hochstift-Augsburgische Wildbann, S. 125-28. 24 Vgl. die Karte „Die bis zum Jahre 1100 urkundlich genannten Orte in Schwaben" im Historischen Atlas von Bayerisch-Schwaben, die das Wildbanngebiet als einen praktisch unbesiedelten Raum zeigt, aus dem nur die Grenzpunkte des Wildbanns herausstechen. Genau diese Ausnahmestellung der Grenzorte zeigt aber auch, daß in anderen Fällen nur der besondere Anlaß zur Nennung einer Siedlung gefehlt haben mag, der hier gegeben war. Die Karte liefert so selbstverständlich nur eine Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse. Zur ursprünglichen Siedlungsarmut des Untersuchungsgebietes vgl. auch Eisinger-Schmidt, Marktoberdorf, S. 57f. und die Karte im Anhang von Baumann, Geschichte des Allgäus, die in diesem Zusammenhang besonders aufschlußreich ist, da sie Siedlungen mit einschließt, deren Erstnennung ins 12. oder 13. Jahrhundert fällt. 25 Zu Maiseistein und zu Denklingen: MB 33, 1, S. 44-46, Nr. 47; UB Augsburg, S. 19, Nr. 39. 26 Zu Füssen: Rump, Füssen, S. 100, Anm. 19, S. 102f. 27 MB 33, 1, S. 44-46, Nr. 47; UB Augsburg, S. 19, Nr. 39. 28 Zu Waltenhofen bereits 1071, zu H o r n und Schwangau 1183 und 1191: Rump, Füssen, S. 100, Anm. 19, S. 102, 220; UB Augsburg, S. 5f., Nr. 13; MB 33, 1, S. 8-10, N r . 11; UB St. Mang, S. 121, Nr. 1306. 29 Am Rand des Wildbanngebietes befand sich um 1100 auch Besitz des Domkapitels, für den dasselbe gilt; vgl. Jahn, Kirche und Adel im ostschwäbisch-westbayerischen Gebiet um 1100, mit Karte ebd., S. 424; Historischer Atlas von Bayerisch-Schwaben, S. 14-15.

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mung der Wildbannurkunde, daß die Güter, die das Hochstift künftig neu erwerben würde, automatisch in den Wildbann eingeschlossen werden sollten. Das scheint sich auf Besitz zu beziehen, der außerhalb der Wildbanngrenzen lag, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß fremder Besitz, der sich innerhalb der Grenze befand, zunächst vom Wildbann ausgeschlossen bleiben sollte. Wenn fremde Güter im Forst betroffen gewesen wären, hätte man es zudem wohl nicht besonders erwähnen müssen, daß sie nach der Erwerbung unter den Wildbann fielen; das wäre selbstverständlich gewesen, denn sofern es Gründe dafür gab, fremden Besitz vom Wildbann auszunehmen, hätten sich diese wohl ohnehin spätestens dann erledigt, wenn der Besitz vom Hochstift erworben wurde. Der Wildbann wurde also offenbar auch auf spätere Erwerbungen ausgedehnt, die außerhalb des Hauptwildbanngebietes lagen, das 1059 festgelegt wurde. Es scheint aber bezeichnend, daß die Wildbannurkunde in diesem Zusammenhang nur fremde Güter berücksichtigt, die in den Besitz des Hochstifts gelangten und deren Existenz offenbar vorausgesetzt wird. Dagegen ist keine Rede davon, daß die hochstiftischen Besitzungen durch eigenen Ausbau vermehrt werden könnten. 31 An die R o dung wurde anscheinend gar nicht gedacht, namentlich nicht an Rodungen, die das Hochstift selbst durchführte. Die erwähnte Regelung liefert mithin keinen Hinweis darauf, daß der Wildbann die Grundlage für den Ausbau des Hochstiftsbesitzes bilden sollte; im Gegenteil könnte eher argumentiert werden, daß sie gegen einen solchen Zusammenhang spricht. Das gilt auch für die ältesten belegten Güter des Hochstifts, die in der Umgebung des Wildbanns lagen und die oben bereits erwähnt wurden; es ist möglich, daß gerade sie unter die fragliche Regelung fielen, denn schließlich lagen sie außerhalb des ursprünglichen Wildbanngebietes und könnten für eine Ausweitung des Wildbanns gesorgt haben, sofern das Hochstift sie von Dritten erwarb. Aber die bloße Tatsache, daß sie dann bei der Erwerbung durch das Hochstift schon bestanden haben dürften und vorher außerhalb des Wildbanns lagen, zeigt, daß auch sie nicht auf den Wildbann zurückgeführt werden können. Der augsburgische Besitz, der sich neben den bereits genannten Gütern im Wildbanngebiet feststellen läßt, ist zum größten Teil erst im 14. Jahrhundert bezeugt. Er läßt sich zwei Gruppen zuordnen. Zum einen umfaßt er eine ganze Reihe von Erwerbungen, die großenteils erst in diesem Jahrhundert

30 Vgl. Anm. 1. 31 Die Bestimmung betraf tale predium, quäle ipse [sc. episcopus] ab aliis suis comprovincialibus ullo modo acquirere posset (D H IV 47).

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gemacht wurden, 32 zum anderen gab es auch Güter, von denen es sich nicht sagen läßt, wann und auf welchem Wege sie in den Besitz des Hochstifts gelangten." Der gesamte Hochstiftsbesitz im Untersuchungsgebiet, der in den Urbaren des 14. und 15. Jahrhunderts aufscheint, dürfte in eine dieser beiden Kategorien fallen." Hinweise darauf, daß der betroffene Besitz auf eine hochstiftische Rodungstätigkeit zurückging, fehlen, von irgendwelchen Verbindungen zum Wildbann ganz zu schweigen. In einem Fall hat man geglaubt, privilegierte Rodungssiedler ausmachen zu können, die vom Hochstift angesetzt worden sein könnten, nämlich die Pfrontener Bauern. Im hochstiftischen Urbar von 1398 erscheinen Pfrontener genossen, die im Vergleich zu ihren Nachbarn auffallend niedrige Abgaben zu leisten hatten.35 Diese Nachricht wurde in Verbindung gebracht mit dem Zeugnis des Pfrontener Weistums von 1459, in dem es heißt, daß die vordem der Pfrontener ihren Besitz usz wilden walden erreutt habend Das wurde als ein Hinweis auf Rodungssiedler gedeutet.37 Im selben Weistum wird der Besitz der Pfrontener aber auch als ire gut freie gut bezeichnet, ähnlich wie schon in einem Weistum des Jahres 1403, in dem es heißt, daß unser der von Pfronton Vordem und Eltern

32 M B 33, 1, S. 277f., N r . 226; U B Augsburg, S. 89, N r . 168 (Erwerbung von Besitz zu Marktoberdorf und Ettwiesen [1299]); M B 33, 2, S. 4 6 - 5 0 , N r . 47; U B Augsburg, S. 140, N r . 282 (Erwerbung von Besitz zu Wertach [1335]); M B 33, 2, S. 1 8 2 - 8 4 , N r . 180; U B Augsburg, S. 176, N r . 365 (Kauf der zur Herrschaft Rettenberg gehörenden Güter im Jahre 1366, die den Hauptteil des zum Urbaramt Rettenberg zählenden Besitzes im U r b a r von 1366 ausmacht: Das U r b a r des Hochstifts Augsburg von 1366, S. 5 6 - 6 2 ; vgl. auch das U r b a r von 1427/31, ebd. S. 70f. Vgl. zu diesem Besitz auch U B Augsburg, S. 227f., N r . 466, S. 275, N r . 563; M B 33, 2, S. 4 1 9 - 2 1 , N r . 370; M B 34, 1, S. 55, N r . 31; R u m p , Füssen, S. 222f.). 33

Güter zu Roßhaupten R u m p , Füssen, S. 176, 381f., mit Anm. 19; Besitzungen zu Seeg ( U B Augsburg, S. 31f., N r r . 68f; M B 33, 1, S. 82f., N r . 82 [1256]); Besitz zu Schongau und Marktoberdorf, der 1299 gegen andere G ü t e r eingetauscht wurde (vgl. die vorige Anm.); Besitzungen, die zur Vogtei Nesselwang gehörten ( M B 33, 2, S. 13f., N r . 12; U B Augsburg, S. 133, N r . 265 [1332]); Besitz zu H o p f e n bei Füssen ( M B 33, 1, S. 456f., N r . 360; U B Augsburg, S. 119, N r . 230); Besitz zu Manolfingen, Bernbeuren, Echerschwang, Burggen, Roßhaupten, Rieden, Seeg, Hopfen, Pfronten (Das Füssener hochstiftische U r b a r von 1398, S. l f . , 4 - 1 5 , 17-21). Soweit er nicht mit den Erwerbungen des 14. Jahrhunderts übereinstimmt, gehört hierher auch der Lehensbesitz des Hochstifts, wie ihn das Lehenbuch von 1424 ausweist (vgl. Das Lehenbuch des H o c h stifts Augsburg von 1424). Eine kartographische Darstellung dieses Besitzes bietet die Karte 25 des Historischen Atlas von Bayerisch-Schwaben.

34 Das Füssener hochstiftische U r b a r von 1398; Das U r b a r des Hochstifts Augsburg von 1366: Mit dem Allgäuer Anteil des hochstiftischen Urbars 1427/31. 35 Das Füssener hochstiftische U r b a r von 1398, S. 19f.; vgl. Haff, D i e Wildbannverleihungen unter Kaiser Heinrich III. und IV. an die Bischöfe von Augsburg und Brixen, S. 304f. 36 Weisthümer, hg. v. Grimm, 6, S. 296f. 37 Vgl. Haff, D i e Wildbannverleihungen unter Kaiser Heinrich III. und IV. an die Bischöfe von Augsburg und Brixen, S. 304f.

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unsere Gut us den Weiden errutt haben, und diese Güter unser Frei aigen Gut und von niemant Lehen sint.38 Hier wird also gerade die Verbindung zu einem Grundherrn wie dem Hochstift geleugnet. Ob man daraus einfach schließen kann, daß das Hochstift Rodungssiedler angesetzt hatte, scheint fraglich. Selbst wenn eine derartige Deutung zutreffen sollte, ist von einer Verbindung der Rodung zum Wildbann noch nichts zu sehen.39 Es ist auch davon gesprochen worden, daß die Wildbanngrenzen in den späteren Grenzen des Augsburger Territoriums weiterlebten.40 Gerade im Augsburger Fall wird jedoch deutlich, daß es sich dabei nicht um eine kausale Abhängigkeit, sondern bestenfalls um einen äußerlichen Zusammenfall der Grenzen gehandelt haben kann.41 Die Übereinstimmung war dazu noch keineswegs vollständig, wie das Ubergreifen des Wildbanns auf fremdes, nämlich bayerisches Territorium zeigt, das ja gerade die Wildbannstreitigkeiten des Jahres 1435 verursacht hatte.42 Zudem wird in dem Wildbannstreit das Unvermögen des Augsburger Bischofs deutlich, allein durch den Wildbann seine Ziele zu erreichen. Der Wildbann an sich konnte noch nicht einmal garantieren, daß sein expliziter Inhalt, die Kontrolle der Jagd durch Augsburg, durchgesetzt wurde. Wie hätte die Herrschaft des Bischofs dann in ganz anderen Bereichen auf dem Wildbann beruhen können, so daß er tatsächlich als

38 Hiestand, Waldluft macht frei, S. 57. 39 Eisinger-Schmidt, Marktoberdorf, S. 5 5 - 5 7 , S. 60, begnügt sich nicht mit den Postulaten der Forschung hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Wildbann, Rodung und Herrschaftsbildung, die an sich schon von den Wildbannurkunden nicht gerechtfertigt werden. Sie geht noch einen Schritt weiter und füllt diese meist recht vagen Vorstellungen mit einer Substanz, von der man sich fragt, was ihre Quelle ist. Man vergleiche z. B. ihre Versicherung, daß „in Gebieten ohne oder mit nur vereinzeltem Fremdbesitz [wie es das Wildbanngebiet ursprünglich war] ... die Frage, wer künftiger Hauptgrundherr sein konnte, zugunsten des Wildbannberechtigten entschieden" gewesen sei (ebd., S. 5 5 - 5 7 ) , mit ihrer Feststellung, „der bischöfliche Besitz [in der Vogtei B e r toldshofen-Oberndorf] beruht nicht auf einer vom Hochstift seit dem Erwerb des Wildbanns durchgeführten eigenständigen Rodungs- und Erschließungsarbeit; er ist vielmehr über den Kauf der Vogtei Bertoldshofen-Oberndorf aus den Händen der Herren von Kemnat im Jahre 1299 an das Hochstift gekommen" (ebd., S. 205). Im Lichte der tatsächlichen, viel komplizierteren Verhältnisse erweisen sich die gängigen Annahmen hinsichtlich der Eigenschaften von Wildbännen gewöhnlich als wenig tragfähig, leider ohne daß dies zum Anlaß genommen würde, die gängigen Vorstellungen zu hinterfragen, wie sich hier deutlich zeigt. 40 Miedel, D e r Hochstift-Augsburgische Wildbann, S. 9 5 - 9 9 , 1 1 3 - 1 1 5 ; vgl. Fried, Landgericht, Hochgericht und Landkreis Schongau, S. 2 1 6 - 1 8 . 41 Das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen dem Wildbann und der Landesherrschaft im Sinne der Ausübung der Hochgerichtsbarkeit stellt Fried, Landgericht, H o c h g e richt und Landkreis Schongau, S. 217f. für das Landgericht Schongau ausdrücklich fest. 42 Zur politischen Topographie im fraglichen Raum vgl. auch die Karte 21 im Historischen Atlas von Bayerisch-Schwaben und die Karten „ D e r heutige Regierungsbezirk Schwaben um 1450" und „Wittelsbachischer Besitz in Schwaben".

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herrschafts- und territorienbildend bezeichnet werden könnte? Der Augsburger Wildbann war höchstens insofern eine Territoriengrenze, als er die am weitesten vorgeschobene Interessensphäre seines Besitzers darstellte. Selbst das traf nach den Erwerbungen des 14. Jahrhunderts nicht mehr zu. Durch sie griff der Augsburger Besitz nämlich stellenweise noch über die Wildbanngrenzen hinaus.43

2. Bamberg Der Bamberger Wildbann gibt einige wichtige Aufschlüsse über den Charakter und die Funktion von Wildbannverleihungen. Der Begriff ,Wildbann' (•wildban) wird bereits in der Verleihungsurkunde verwendet.44 Das Wildbanngebiet befand sich auf beiden Seiten der Regnitz zwischen Hirschaid und Herzogenaurach.45 In diesem Raum lagen das Gut Forchheim und weitere Güter, die Heinrich II. 1007 zusammen mit Forchheim dem Bistum Bamberg, seiner Gründung, übertrug.46 Dieser gesamte Besitz bildete schon 1007 eine Einheit. Die Ortschaften, die Bamberg mit Forchheim zusammen erhielt, bezeichnet die Urkunde Heinrichs II. nämlich als nostri iuris loca ad Forchheim pertinentia." Zu einem unbekannten Zeitpunkt, wohl zwischen 1040 und 1050,48 entzog Heinrich III. der Bamberger Kirche den ganzen Besitzkomplex wieder. Eine Restitution erfolgte erst im Jahr 1062.4' Auch in der Urkunde über die Rückgabe an das Hochstift kommt wieder zum Ausdruck, daß Forchheim und die anderen Besitzungen zusammengehörten. 0 Seine be43 Vgl. die Karten 24 und 26 des Historischen Atlas von Bayerisch-Schwaben. 44 D H IV 229: bannum unum quod vulgo wildban dicitur. 45 Zur Grenzbeschreibung des D H IV 229 vgl. Looshorn, Die Geschichte des Bistums Bamberg, 1, S. 408; Guttenberg, Die Territorienbildung am Obermain, S. 120; Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, S. 204f., Nr. 406. 46 D D H II 169, 170; vgl. Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 38, 39, 406; Guttenberg, Die Territorienbildung am Obermain, S. 86; Schnelbögl, Zur Siedlungsgeschichte des Raumes Erlangen-Forchheim-Gräfenberg, S. 147. 47 D H U 169. 48 Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 274; Schnelbögl, Zur Siedlungsgeschichte des Raumes Erlangen-Forchheim-Gräfenberg, S. 146. 49 D H IV 88. Die Urkunde deutet an, daß der königliche Ministeriale Otnand zumindest einen Teil der betroffenen Güter von Heinrich III. erhalten hatte: locum Vorcheim ... ceteraque predia ad eundem locum pertinentia et nominatim, que exinde Otnandus ministerialis noster ex munificentia felicis memorie patris nostri in proprium sibi contraxit sive quicquid quelibet persona iniuste hinc abalienaverat\ vgl. Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 274, 334, 336; Schnelbögl, Zur Siedlungsgeschichte des Raumes Erlangen-Forchheim-Gräfenberg, S. 142; Guttenberg, Die Territorienbildung am Obermain, S. 114-117; Bosl, Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, 1, S. 50-53. 50 D H IV 88: locum Vorcheim ... ceteraque predia ad eundem locum pertinentia.

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sondere Bedeutung erhält dieser Umstand, wenn die Frage nach einer Verbindung zwischen Wildbann und Rodung gestellt wird. Die Urkunde von 1062 deutet nämlich an, daß 1007 nicht genauso viele Güter zum Forchheimer Besitzkomplex gehört hatten wie bei der Rückgabe an das Hochstift. Die Rückerstattung umfaßte ihr zufolge generaliter omnes vicos villas villulas sive nunc sive aliquando a die prime donationis ad eundem locum [sc. Vorcbeim] pertinentes.5' In der Tat werden in der Urkunde neben den 14 Gütern, die auch bei der ursprünglichen Schenkung genannt wurden, 23 weitere aufgezählt." Die Urkunden betonen nun immer wieder die Geschlossenheit des Forchheimer Besitzkomplexes. Man darf daher wohl davon ausgehen, daß die zusätzlichen Orte schon 1007 aufgeführt worden wären, hätten sie damals bereits zu diesem Komplex gehört. Es besteht also der begründete Verdacht, daß die fraglichen Orte überhaupt erst nach der ursprünglichen Schenkung an Bamberg entstanden. Sie könnten mithin das Ergebnis einer hochstiftischen Ausbautätigkeit sein. Es sprechen noch weitere Indizien dafür, daß die 23 neu hinzugekommenen Orte nach der ersten Schenkung von 1007 entstanden; so weist der ortsnamenkundliche Befund in diese Richtung." Hinzu kommt die Tatsache, daß der Einzugsbereich der Würzburger Altzehnten, die wohl auf die Zeit vor der Gründung des Bistums Bamberg zurückgehen, den fraglichen Siedlungsraum „erst an seinen Rändern" erreichte.54 Auch die Pfarreiorganisation dieser Gegend stützt die obige Annahme. Sie war auf die Pfarrei Neunkirchen am Brand ausgerichtet, die von der „alten Königskirche" Forchheim vielleicht schon im 11. Jahrhundert abgetrennt wurde. 55 Die Ortschaften, die 1062 erstmals zum Forchheimer Besitzkomplex gezählt wurden, lagen alle in jenem Teil des späteren Wildbanngebietes, das sich östlich der Regnitz befand.56 Der Wildbann wurde dem Hochstift jedoch erst 1069 verliehen. Er kann also nicht die Grundlage gewesen sein, auf der man rodete und die neuen Siedlungen anlegte. Das gilt unabhängig davon, wann die 23 neuen Siedlungen tatsächlich entstanden; auch wenn einige von ihnen vielleicht schon vor der ursprünglichen Schenkung an Bamberg bestanden haben sollten, können sie nicht auf den Wildbann zurückgeführt werden. Somit liegt hier ein Musterbeispiel für eine Rodungsbewegung vor, die vom Wildbann gänzlich unabhängig war. An ihr war wohl nicht nur das Hochstift be51 Ebd. 52 Die Ortschaften sind mit Identifizierungsvorschlägen aufgeführt in Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 39, 334; Schnelbögl, Zur Siedlungsgeschichte des Raumes Erlangen-Forchheim-Gräfenberg, S. 142—44. 53 Schnelbögl, Zur Siedlungsgeschichte des Raumes Erlangen-Forchheim-Gräfenberg, S. 1 4 4 - 4 6 . 54 Ebd., S. 148. 55 Ebd., S. 148f. 56 Ebd., S. 144, mit Karte S. 145.

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teiligt. So befand sich unter dem Besitz, den Bamberg 1062 zurückerhielt, neues Kulturland (culta novaria)." V o n ihm darf man wohl annehmen, daß es von jenen angelegt worden war, die in der Zwischenzeit über das Hochstiftsgut verfügt hatten. Darüber hinaus waren im Wildbanngebiet im 11. Jahrhundert auch andere Eigentümer als das Hochstift begütert. 58 Das zeigt, daß die Wildbannverleihung keine Gebietsschenkung war. Zehn Jahre bevor Bamberg den Wildbann erhielt, war es zu einem Streit mit dem Hochstift Würzburg gekommen, das gewisse Novalzehnte von Bamberger Rodungen forderte. 5 9 D i e Gegenseite antwortete mit einem gefälschten Zusatz zu einer der Urkunden, die der Würzburger Bischof bei der Gründung Bambergs ausgestellt hatte. 60 1087 wurde der Ausgang des K o n flikts zugunsten Bambergs noch einmal bestätigt. 61 O b w o h l es nicht um die Rodung selbst ging, ist ein Aspekt dieses Falles auch im Hinblick auf Wildbannverleihungen von Interesse. Dabei handelt es sich u m den Umstand, daß die Bamberger Seite es offenbar für ratsam hielt, sich auf eine herrscherliche Verfügung zu berufen, die das strittige O b j e k t , den Bezug der Novalzehnten, ausdrücklich nannte. 62 U n d die Bedeutung, die man einer expliziten Nennung zumaß, wird nachdrücklich dadurch unterstrichen, daß man eine solche eigens fälschte. U n t e r diesem Gesichtspunkt wäre es zu erwarten, daß auch in Wildbannprivilegien andere Bereiche als die Jagd aufgeführt worden wären, hätte der Wildbann tatsächlich auf sie Einfluß nehmen sollen.

57 D H I V 88. 58 So zu Hannberg, Pinzberg, Schlammersdorf, Seußling, Willersdorf und Kirch- bzw. Oberehrenbach: Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 269, 373, 377, 493, 558, 559; D H I I 267, D H IV 407. Zu Büchenbach lag Besitz, den bereits Heinrich II. dem Hochstift übertragen hatte: D H II 181; vgl. Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 78. 59 Monumenta Bambergensia, S. 497f., Nr. 8; vgl. Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 312; Guttenberg, Die Territorienbildung am Obermain, S. 118; Ders., Kirchenzehnten als Siedlungszeugnisse, S. 50-52; Beck/Büttner, Die Bistümer Würzburg und Bamberg, S. 213-216. 60 Monumenta Bambergensia, S. 498: Sed meo [sc. episcopi Guntherii Babenbergensis] advocato Wolframmo per prolocutorem suum respondente ac domno Meinardo cartam de eadem re coram omnibus perlegente, synodali iudicio expostulatio illa infirmata est. Bei dieser carta dürfte es sich um D H II 174a gehandelt haben. Vgl. die Vorbemerkung in der Diplomata-Ausgabe sowie Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 77; Guttenberg, Kirchenzehnten als Siedlungszeugnisse, S. 51; Ders., Die Territorienbildung am Obermain, S. 118, Beck/Büttner, Die Bistümer Würzburg und Bamberg, S. 214f. 61 Monumenta Bambergensia, S. 502, Nr. 10. 62 Wie der erwähnte gefälschte Zusatz zu der Urkunde Heinrichs II. es tut: presente serenissimo rege Heinrico, ea conditione ut decimam in novalibus iam incisis et ad mansos mensuratis cum veteri decima non commutuata Wirziburgensis aecclesia retineat, in novalibus vero posthinc excolendis decimam Babenbergensis aecclesia possideat cum termino commutuato (D H II 174a, Anm. o).

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Ein Zusammenhang zwischen dem Bamberger Wildbann und der Rodung im Untersuchungsgebiet ist nicht zu belegen. Dagegen wird der Stellenwert, den die Jagd, also der eigentliche Gegenstand einer Wildbannverleihung, für den Bamberger Bischof besaß, in einem anderen Beispiel deutlich. Zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 1024 und 1040 gestattete Bischof Eberhard dem Domkapitel, seinen Forst östlich der Regnitz zu nutzen.63 Den Forst hatte das Hochstift zusammen mit dem Gut Herzogenaurach von Heinrich II. erhalten.64 Ahnlich wie den Besitzkomplex zu Forchheim dürfte Heinrich III. dem Hochstift auch diesen Forst wieder entzogen haben. Der terminus post quem hierfür ist 1051/53, da zu dieser Zeit die Nutzungsrechte des Domkapitels vom Bischof bestätigt wurden. Im Gegensatz zum Forchheimer Fall erfolgte keine Rückgabe.65 Die Nutzungen, die der Bischof dem Domkapitel ermöglicht hatte, waren der Holzbezug, die Schweinemast, die Bienenzucht und der Fischfang; die Jagd wurde hingegen ausdrücklich davon ausgenommen. 66 Auf die Kontrolle der Jagd wollte man auf bischöflicher Seite also nicht verzichten. Es scheint daher plausibel, den Wildbann von 1069 als Ersatz für den entzogenen Forst zu betrachten 67 oder genauer gesagt für die Jagdgelegenheit, die mit ihm verloren gegangen war. Das Hochstift übte die Jagd und die Kontrolle der Jagd noch weit bis in die Neuzeit im Untersuchungsgebiet aus,68 ohne daß man darin unbedingt eine direkte Fortsetzung oder Auswirkung des Wildbanns von 1069 sehen müßte.

63 Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 181, 255; Eheberg, Die Reichswälder bei Nürnberg, S. 9f. Es handelte sich bei diesem Forst um den Sebalder Wald: ebd.; Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 406. 64 Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 181, 169-71; vgl. D H U 457f.; Eheberg, Die Reichswälder bei Nürnberg, S. 9f. Das Gut Herzogenaurach war offenbar nicht gleich bei der Übertragung durch Heinrich II. an die Bischofskirche gelangt, sondern zunächst bei einer Frau Yrmengarda verblieben: Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 181. 65 Ebd., Nrr. 255, 406; Guttenberg, Das mittelalterliche Fürth, S. 380-83; Bosl, Pfalzen und Forsten, S. 18. Eheberg, Die Reichswälder bei Nürnberg, S. 10, vermutet, daß der Forst durch Tausch an das Reich zurückgekommen sein könnte. 66 Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nrr. 181, 255. 67 So Guttenberg in Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, Nr. 406. 68 Dietz, Geschichte der Jagd im kaiserlichen Hochstift des Bistums Bamberg.

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Die einzelnen Forste

Basel 3. Der Wildbann über den Hardtwald Die erste Forstverleihung an das Hochstift Basel betraf den Wildbann über den Hardtwald im Elsaß. Der Wald wurde eingeforstet, als er 1004 dem Basler Bischof übertragen wurde. Dabei wird die Zustimmung bisheriger Nutzer erwähnt, obwohl es sich bei dem Wald um Königsgut handelte - er wird als saltus iuris nostri bezeichnet. Es läßt sich nicht eindeutig sagen, ob die Zustimmung der Waldschenkung oder der Einforstung galt. Der zweiten Möglichkeit dürfte der Vorzug zu geben sein. Schließlich hätten sich durch den bloßen Besitzerwechsel wohl kaum Veränderungen des status quo ergeben, die es geraten erscheinen ließen, sich auf die Zustimmung der Nutzer zu berufen. Da Dritte den Wald nutzten und der Konsens dieser Nutzer offenbar für unverzichtbar gehalten wurde, läßt sich vermuten, daß selbst Königswälder nicht unbedingt von vornherein eingeforstet waren. Anscheinend war es auch anderen Nutzern als dem König möglich, in solchen Wäldern zu jagen. Daß es um die Jagd ging, geht dabei aus dem Jagdverbot für Unbefugte hervor, das die Urkunde enthält. Es zeichnet sich durch die besondere Ausführlichkeit aus, mit der das Wild aufgezählt wird, das unter den Bann fiel." Obwohl er potentielles Rodungsland darstellte, scheint auch der Hardtwald in erster Linie anderen Zwecken als dem Landesausbau gedient zu haben. Sein Bestand blieb im wesentlichen bis in die jüngste Vergangenheit erhalten; mehr als die Hälfte aller Orte, die im Hardtwald liegen, sind bereits vor der Forstverleihung belegt, drei erscheinen im 13., fünf dagegen erst im 17. Jahrhundert.70 1040 bestätigte Heinrich III. dem Bischof von Basel den Besitz des Hardtwaldes und den Wildbann. Aus der Urkunde geht hervor, daß bereits Heinrichs Vater eine Bestätigung vorgenommen hatte.71 Der Hardtwald findet sich später unter den Gütern, welche die Grafen Albert und Rudolf von Habsburg um 1239 unter sich aufteilten.72

69 D H II 80 (1004): dedimus quendam iuris nostri in Alsacia saltum ... assentente omni populo eiusdem saltus actenus usum habente, in proprium ... eo tenore ut nemo virorum deinceps potestatem habeat extra voluntatem et licentiam predicti episcopi et successorum suorum in eodem saltu de genere cervorum sive capreolorum aut aprorum aut ursorum aut fibrorum agitare, nostro hanno interdiente, marem seu feminam vel saltem aviculam inquietare que dicitur parix sive capere présumât. 70 Ranzi, Kònigsgut und Kònigsforst, S. 148. 71 D H III 38. 72 Monuments de l'histoire de l'ancien évêché de Baie, 1, S. 549f., Nr. 372; vgl. ebd., S. X L I X .

Basel

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4. Der Wildbann im Breisgau E i n e z w e i t e W i l d b a n n v e r l e i h u n g erhielt das H o c h s t i f t Basel 1008. Sie ist lokalgeschichtlich v o n einiger B e d e u t u n g , denn sie ist eine der ältesten N a c h richten ü b e r d a s G e b i e t der späteren Stadt F r e i b u r g im Breisgau. 7 3 D e r G e genstand der V e r l e i h u n g w i r d als bannum bestiarum bezeichnet, u n d es w i r d w i e d e r u m der K o n s e n s der P e r s o n e n h e r v o r g e h o b e n , die im W i l d b a n n g e b i e t begütert waren. 7 4 D a die V e r l e i h u n g s u r k u n d e nur v o n der Bannleihe spricht u n d aus d e m s e l b e n D i p l o m hervorgeht, daß f r e m d e G r u n d h e r r e n im W i l d b a n n g e b i e t b e g ü t e r t waren, 7 5 d ü r f t e keine G e b i e t s s c h e n k u n g vorliegen. D e r Basler B i s c h o f erhielt lediglich die K o n t r o l l e ü b e r das J a g d w i l d im eingeforsteten G e b i e t z u g e s p r o c h e n . D e r B e z u g auf d a s Wild legt den G e l t u n g s b e reich des B a n n e s s o eindeutig fest, daß nicht z u sehen ist, w i e der W i l d b a n n auf andere Bereiche hätte E i n f l u ß a u s ü b e n sollen. S o ist d e n n eine B e z i e h u n g des W i l d b a n n s z u r R o d u n g auch nicht feststellbar. I m W i l d b a n n g e b i e t , d a s n o c h in der ersten H ä l f t e des 20. J a h r h u n d e r t s z u zwei Dritteln b e w a l d e t w a r , zählt R a n z i 19 O r t e . N e u n v o n ihnen sind bereits v o r 1008 b z w . d u r c h die W i l d b a n n u r k u n d e selbst erstmalig belegt. Vier weitere O r t e d ü r f t e n ebenfalls v o r der W i l d b a n n v e r l e i h u n g entstanden sein. 76 A u c h der U m f a n g des Basler B e s i t z e s im W i l d b a n n g e b i e t deutet nicht darauf hin, daß eine auffällige A u s b a u t ä t i g k e i t des H o c h s t i f t s stattfand, die mit d e m W i l d b a n n in V e r b i n d u n g gebracht w e r d e n könnte. 7 7 E i n e gefälschte päpstliche B e s t ä t i g u n g s u r k u n d e v o n angeblich 1139, die u m 1180 entstand, zählt die Basler B e s i t z u n g e n im U n t e r s u c h u n g s g e b i e t auf. Sie nennt unter den B r e i s g a u e r G ü t e r n des H o c h s t i f t s nur einen H o f zu O p f i n g e n a m westlichen R a n d des W i l d b a n n g e b i e t e s u n d einen weiteren H o f z u U m k i r c h innerhalb des Wildbanns. 7 8 In derselben Q u e l l e w e r d e n n o c h weitere B e s i t z u n 73 D H U 188. Zum Wildbann und zur Entstehung Freiburgs vgl. Die Zähringer: Anstoß und Wirkung, S. 227-29, Nr. 183; Keller, Die Zähringer und die Entwicklung Freiburgs zur Stadt, S. 20f.; neuerdings Zotz, Siedlung und Herrschaft im Raum Freiburg; Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 149f. 74 D H U 188: bannum nostrum bestiarum super illas silvas hiis terminis ... succinctas ... secundum collaudationem comprovincialium inibi predia habencium per hanc nostram regalem paginam concedimus. 75 Vgl. hierzu die Karten in Zotz, Siedlung und Herrschaft im Raum Freiburg, S. 62, Abb. 1,S. 65, Abb. 2. 76 Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 150. 77 Zum Basler Besitz im Untersuchungsgebiet vgl. allgemein Scarpatetti, Politische Präsenz und Grundherrschaft; Mayer-Edenhäuser, Die Territorialbildung der Bischöfe von Basel, S. 238^0. 78 Der Hof zu Umkirch besaß eine Kirche mit zwei Filialkirchen im Wildbanngebiet. Eine weitere dortige Basler Eigenkirche befand sich in Lehen; s. die kartographische Darstellung dieses Besitzes in Schmid, Die Zähringer Kirche, S. 284f., die auch die Ausdehnung des Wildbanns wiedergibt (zu den Wildbanngrenzen vgl. auch Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 149). Derselbe Aufsatz informiert auch über die Ur-

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D i e einzelnen F o r s t e

gen des Hochstifts erwähnt, die westlich und nordwestlich des Wildbanngebietes lagen, und zwar zu Bischoffingen, Bickensohl und Breisach mit jeweils einem Hof, Kirchen und anderem Besitz.79 Im Vergleich dazu läßt das Wildbanngebiet keine auffällige Häufung von Basler Besitz erkennen. Zudem geht der früh- und hochmittelalterliche Ausbau im Schwarzwald auf eine Vielzahl unterschiedlicher Rodungsträger zurück.80 Der Wildbann im Breisgau scheint später an die Herzöge von Zähringen verlehnt worden zu sein. Die eben erwähnte Fälschung aus der Zeit um 1180 nennt unter anderem noch Basler Jagdprivilegien im Breisgau (in comitatu Brisigaudie cunctas venationes).81 Ein Urkundenregest aus dem 16. Jahrhundert, dessen Glaubwürdigkeit positiv beurteilt worden ist,82 spricht nun davon, daß die Jagd im Breisgau 1218 nach dem Tod des letzten Zähringers an den Basler Bischof zurückfiel.83 Es wurde daher angenommen, daß die Herzöge von Zähringen zwischen 1180 und 1218 mit dem Wildbann belehnt worden sein müßten.84 Dagegen wurde berechtigterweise geltend gemacht, daß die Zähringer angesichts ihrer Stellung im Untersuchungsgebiet auch vorher schon den Wildbann im Breisgau ausgeübt haben dürften.85 Daran knüpft sich die Vermutung, daß der Wildbann nach 1078/79 an die Zähringer überging, als Bertold II. sich daran machte, den zähringischen Besitzstand wiederherzustellen und auszubauen, der unter den Auseinandersetzungen mit der salischen Partei gelitten hatte.86 1234 tritt der Wildbann im Breisgau dann wieder ins Licht der Geschichte. Diesmal war er der Gegenstand einer von Heinrich (VII.) gefällten Entscheidung. Sie fiel gegen den Markgrafen Hermann V. von Baden und zugunsten des Grafen Egino von Urach und Freiburg aus. Graf Egino wird auch in dem bereits erwähnten frühneuzeitlichen Urkundenregest als Inhaber des Wildbanns in der Nachfolge der Zäh-

kunde selbst. Sie ist gedruckt in Monuments de l'histoire de Fanden eveche de Bale, 1, S. 2 7 4 - 7 6 , N r . 182. Zum Zeitpunkt der Fälschung vgl. auch Heinemann, Das Erbe der Zähringer, S. 255. Vgl. auch Zotz, Siedlung und Herrschaft im Raum Freiburg, S. 7 3 75, der einen Teil des in seiner Karte S. 74, A b b . 3 aufgeführten Basler Besitzes zurückführt auf die „Ausstattung der Bischofskirche mit Königsgut". 79 S. die Nachweise in der vorigen Anm. 80 Geuenich, D e r Landesausbau und seine Träger, bes. S. 2 1 4 - 2 1 8 ; Mayer, D i e Besiedlung und politische Erfassung des Schwarzwaldes im Hochmittelalter, bes. S. 5 1 1 - 1 8 . 81 Vgl. Anm. 78. 82 Heinemann, Das Erbe der Zähringer, S. 253. 83 Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven, 1, S. 26, N r . 41; vgl. Heinemann, Das Erbe der Zähringer, S. 253. 84 Heinemann, Das E r b e der Zähringer, S. 255. 85 Schmid, Die Zähringer Kirche, S. 300f. 86 Ebd.; vgl. auch Keller, D i e Entwicklung Freiburgs, S. 22; Zotz, Siedlung und H e r r schaft im Raum Freiburg, S. 69.

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ringer genannt. 87 H e i n r i c h (VII.) bestätigte Graf E g i n o d e n W i l d b a n n z u s a m m e n m i t anderen u m s t r i t t e n e n O b j e k t e n als L e h e n der Basler Kirche. 8 8 A l s Basler L e h e n scheint der W i l d b a n n i m Breisgau n o c h lange B e s t a n d gehabt zu haben."

Brixen 5. Der Lüsener Wildbann E i n e der f r ü h e s t e n F o r s t u r k u n d e n , die hier z u u n t e r s u c h e n sind, erhielt der Brixner b z w . Säbner B i s c h o f Zacharias i m Jahr 893. Ihre B e s t i m m u n g e n sind im V e r g l e i c h mit späteren B e i s p i e l e n e b e n s o u n g e w ö h n l i c h w i e a u f s c h l u ß reich. E s w i r d die Jagd in e i n e m F o r s t verliehen, w e l c h e r der b i s c h ö f l i c h e n Kirche bereits gehört. 9 0 D e r F o r s t w i r d in die V e r l e i h u n g m i t e i n b e z o g e n . " D a er sich bereits i m B e s i t z des E m p f ä n g e r s befand, scheint es a u s g e s c h l o s sen, daß er erst d u r c h die V e r l e i h u n g entstand. D i e U r k u n d e e r m ö g l i c h t keine gesicherten A u s s a g e n darüber, w i e der F o r s t b e s c h a f f e n war. E s k a n n sich bei i h m u m ein B a n n g e b i e t g e h a n d e l t h a b e n o d e r einen W a l d ; forestis w ä r e d a n n einfach als S y n o n y m v o n silva a u f z u f a s s e n . B e i d e M ö g l i c h k e i t e n m ü s sen sich nicht gegenseitig ausschließen, da der F o r s t ein B a n n w a l d g e w e s e n 87 Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven, 1, S. 26, Nr. 41: Ain lehenbrief von bischof Hainrichen von Basel auf Graf Egen von Urach und Freiburg den iüngern umb die geiaid und silbergruben im Preisgew, so nach abganng hertzog Berchtolden von Zeringen der stifft Basel haimgefallen sein, ausgenomen etlich ärtzgrueben herrn Rudolffen von Usenberg lehensweis zugehörig. 88 Monuments de l'histoire de l'ancien évêché de Baie, 1, S. 558, Nr. 361; UB Freiburg, 1, Textteil, S. 40f., Nr. 53: dilectus princeps noster Heinricus Basiliensis episcopus in sollempni curia ... coram nobis et principibus, ubi présentes erant cum advocatis suis Hermannus marchio de Badin et Egino comes de Friburc contendentes de argentifodinis et custodiis silvarum per Briscawgeam, quod vulgariter wiltban dicitur, obtinuit et evicit per Privilegium suum, ipsas argentifodinas et custodias sibi et ecclesie sue attinere et ipsum Eginonem comitem de Friburc eisdem ab ipso et ecclesia sua legitime infeodatum. Nos... memoratum ... comitem per sentenciam approbatam de providencia consilii nostri misimus in poss[ess]ionem bonorum prescriptorum (zitiert nach UB Freiburg). Die custodiae silvarum werden weiter unten in derselben Quelle als custodiae ferarum bezeichnet, was unmißverständlich deutlich machen dürfte, daß es sich beim Wildbann immer noch nur um eine Kontrolle der Jagd handelte. Zur Sache vgl. Heinemann, Das Erbe der Zähringer, S. 253f. 89 Monuments de l'histore de l'ancien évêché de Baie, 1, S. XXIIIf. 90 D Arn 115: episcopus ... Zacharias adiit culmen serenitatis nostrae deprecans, ut venationem, quae infra cuiusdam foresti ad episcopium suum pertinentis terminos repperitur et actenus inde prorsus extitit alienata pariter cum eodem foresto ... ad ecclesiam sancti Cassiani... concederemus. Statimque nos... decrevimus ita fieri..liceat eidem episcopo ... ipsam venationem una cum foresto ... retinere. 91 Ebd.

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sein kann. Wenn man jedoch annimmt, daß er ein Gebiet darstellte, dessen Nutzung dem Hochstift vorbehalten war, so erhebt sich die Frage, warum die Jagd von diesem Nutzungsvorbehalt ausgenommen gewesen sollte und erst durch eine königliche Verleihung erworben werden mußte. Das könnte auf den ersten Blick dagegen sprechen, daß der Forst ein hochstiftisches Nutzungsgebiet war. Die Urkunde bietet aber eine Erklärung dafür, daß die Jagd verliehen wurde, obwohl der Forst schon bestand. Sie spricht nämlich davon, daß die Jagd im Forstgebiet bis zur Verleihung ,von dort gänzlich entfremdet' gewesen sei.92 Wenn die Jagd ,vom Forst entfremdet' worden war, dann kann das nur heißen, daß sie eigentlich zum Forst gehörte und damit wohl dem Forstbesitzer vorbehalten bleiben sollte, dieser Jagdvorbehalt aber mißachtet wurde. Der Forst mag also durchaus ein hochstiftisches Nutzungsgebiet gewesen sein, nur konnte der Besitzer die bevorzugte Stellung bei der Jagd, die ihm eigentlich zukam, nicht richtig geltend machen. Möglicherweise fielen aber außer der Jagd auch gar keine anderen Nutzungen unter den Forst. Gegen diese Annahme könnte der Umstand geltend gemacht werden, daß es in der Urkunde zuerst nur heißt, daß die Jagd ,entfremdet' war; es ist keine Rede davon, daß das auch für den Forst selbst galt. Forst und Jagd waren demnach also nicht unbedingt identisch, was dafür sprechen könnte, daß die Jagd nur eine Komponente des Forstes war und dieser auch ohne sie fortbestand. Dennoch wird der Forst dem Bischof dann zusammen mit der Jagd verbrieft, so daß es letztendlich doch den Anschein hat, als habe er mit der Jagd eng zusammengehangen und vielleicht überhaupt nur ein Jagdgebiet dargestellt. Festzuhalten ist jedenfalls, daß 893 ein Jagdprivileg verliehen wurde; man kann daher wohl von einer Wildbannverleihung sprechen. Da sich der Forst bei der Verleihung bereits im Besitz des Empfängers befand und nur der Jagdbann neu verliehen wurde, 93 dürfte dagegen wohl keine Gebietsschenkung stattgefunden haben. Der vorliegende Fall deutet einen möglichen Grund für die Erwerbung von Wildbannverleihungen an. Er bestand hier darin, daß die Jagd ,entfremdet' worden war. Das ist wohl so zu deuten, daß ein Jagdvorbehalt nicht durchgesetzt werden konnte, weil die Interessen von Dritten dagegen standen, die sich auf den gleichen Gegenstand - die Jagd - richteten und verhinderten, daß der angestrebte Vorrang des Brixner Bischofs beachtet wurde. Möglicherweise zeigt sich damit sogar eine wichtige Triebkraft für das Aufkommen der Wildbannverleihungen überhaupt, da das vorliegende Beispiel einen sehr frühen Wildbann betrifft.

92 Ebd. 93 Zur Ausdehnung des Forstgebietes Staudacher, Die Pustertaler Grafschaftsgrenze und der Lüsner Jagdbrief, mit Karte.

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Der Besitz des Hochstifts im Forstgebiet kann nicht auf die Verleihung von 893 zurückgeführt werden. 94 Schließlich gehörte der Forst dem Hochstift bei der Privilegienverleihung bereits, wie aus der Verleihungsurkunde selbst hervorgeht. Dagegen gibt es Anzeichen dafür, daß im Hochmittelalter auch andere Grundherren im Forstgebiet rodeten. Darauf deutet ein H o f t y p , der sogenannte Schwaighof, 95 hin, der im 12. und 13. Jahrhundert erstmals auftritt und so ein besonderes Kennzeichen der hochmittelalterlichen Rodungsperiode darstellt. Es scheint bezeichnend, daß im Spätmittelalter fremde Grundherren mit solchen H ö f e n im Forstgebiet von 893 vertreten waren. 96 Der Ausbau im Forstgebiet dürfte also wohl nicht allein Sache des Hochstifts gewesen sein. Uber das weitere Schicksal des Brixner Forstes und seines Wildbanns lassen sich bestenfalls Vermutungen anstellen. Im frühen 14. Jahrhundert findet einige Male ein panholz Erwähnung, das im Südwesten des Forstes lokalisiert werden kann. 97 O b das panholz ein Abkömmling des frühmittelalterlichen bischöflichen Forstes war, läßt sich nicht mit endgültiger Gewißheit sagen. Die Wildbannverleihung des Jahres 893 war jedoch möglicherweise bereits im 12. Jahrhundert der Vergessenheit anheimgefallen. Diese Vermutung stützt sich auf den Rückvermerk, den die Bestätigungsurkunde Heinrichs IV. von 1057 trägt und der aus dem 12. Jahrhundert stammt. 98 Nach dem Rückvermerk bestätigte Heinrich dem Hochstift die Abtei Disentis, die Klause bei Säben mit einem dort gelegenen Forst und den Zoll.99 Der Wildbann von 893 wäre aber wohl kaum nach Säben benannt worden; Brixen selbst lag näher am Forstgebiet als Säben. Das gleiche gilt erst recht für die anderen Brixner Forste, die im folgenden zu behandeln sind. Ein Forst zu Säben war dem Hochstift aber nie verliehen worden, zumindest ist nichts mehr von einer solchen Verleihung bekannt. Wenn der Schreiber des Rückvermerks die Forste in der Bestätigungsurkunde auf Säben bezieht, scheint das auf einen Irrtum zurückzugehen, und dieser mag wiederum dadurch begünstigt worden sein, daß die früheren Forstverleihungen im 12. Jahrhundert schon nicht mehr bekannt waren. Der 94 Zum Hochstiftsbesitz im Untersuchungsgebiet und zum dortigen Ausbau Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung, S. 420; Oschinsky, Die Urbare des Bischofs von Brixen, S. 10-15; Mader, Besiedlungsgeschichtliche Studien, S. 331 f.; Redlich, Ein alter Bischofssitz im Gebirge, S. 40. 95 Hierzu: Wopfner, Beiträge zur Geschichte der alpinen Schwaighöfe; Stolz, Beiträge zur Geschichte der alpinen Schwaighöfe; Ders, Die Schwaighöfe in Tirol, bes. Kap. 1 und 2. 96 UB Brixen 1295-1336, 1, S. 129f„ Nr. 110; S. 276f., N r . 235, vgl. hierzu Mader, Die Ortsnamen am St. Andräer-Berg, S. 54, N r . 28. 97 UB Brixen 1295-1336, 1, S. 584-86, Nrr. 533f. (1334), S. 596f„ Nr. 542 (1334), S. 652f., Nr. 592. 98 D H IV 5; vgl. auch D H III 23. 99 D H IV 5, Anm. I): De abbatia Tisintin. sita in dioci. Curien. et clusa sub Sabiona cum foresto ibidem et theloneo. Hainricus quartus.

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Verständnisfehler des Schreibers hat dabei eine eindeutige syntaktische Komponente. So spricht der Rückvermerk nur von einem Forst (im Ablativ Singular, Maskulinum oder Neutrum). In der Bestätigungsurkunde ist dagegen anscheinend von mehreren Forsten die Rede, und zwar im neutralen Plural. Der Form nach könnte es sich auch um einen femininen Ablativ Singular handeln.100 Es dürfte aber ein Akkusativ und damit eine Deutung als Neutrum Plural verlangt sein. Ein Ablativ, der von der Präposition sub abhängig sein müßte, dürfte zudem kaum die Bedeutung ergeben, die der Schreiber des Rückvermerks unterstellt.101 Wie zulässig seine Auffassung auch immer sein mag: er wäre wohl gar nicht darauf verfallen, das Wort als Singular zu deuten, wenn ihm die herrscherlichen Forstverleihungen für Brixen - insgesamt vier an der Zahl - bekannt gewesen wären. Das waren sie offensichtlich nicht, was darauf hindeuten könnte, daß ihnen im 12. Jahrhundert bereits keine praktische Bedeutung mehr zukam. Sollten die Forstverleihungen schon im 12. Jahrhundert keine Rolle mehr gespielt haben, spräche das auch gegen die Vorstellung, daß die Brixner Forstprivilegien entscheidend an der Herausbildung der hochstiftischen Herrschaft beteiligt gewesen seien. Diese Auffassung ist in der Literatur häufiger zu finden.102 Gegen sie kann eine weitere Beobachtung geltend gemacht werden. Es wird nämlich mit Blick auf das vorliegende Problem häufig unterstellt, daß die Wildbanngrenzen in auffälliger Weise mit den Grenzen späterer Verwaltungseinheiten übereinstimmen.103 In Wirklichkeit scheint das überhaupt nicht zuzutreffen.'04

6. Der Wildbann im Pustertal 1048 erhielt der Brixner Bischof einen Forst, bei dem es sich offensichtlich um einen Wildbann handelte, der durch die Verleihung erst geschaffen wur100 Ebd.: et clusam sitam sub Sabione foresta omnesque eiusdem ecclesiepossessiones, quas ipsa ecclesia olim per precepta regum vel imperatorum usque nunc visa est possidere, nostro sibi precepto consolidaremus atque confirmaremus. 101 Vgl. Anm. 98 und 99. 102 So Klebel in seiner Rezension des Buches von Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung, S. 404; Bosl, Forsthoheit, S. 445. 103 Klebel (wie in der vorigen Anm.); Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung, S. 420. 104 Dies betrifft die Ausdehnung des Bereichs der Gerichte Lüsen und Antholz, die sich nur teilweise mit dem Wildbanngebiet von 893 und dem im folgenden zu behandelnden von 1048 überschneiden: vgl. die Vorsatzkarte („Die Landgerichte des Fürstbistums Brixen von 1458") in Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol, die Landgerichtskarte im Historischen Atlas der Osterreichischen Alpenländer (1. Abteilung), sowie die Karte in Hallauer, Eine Denkschrift des Nikolaus von Kues, S. 88f. mit den kartographischen Darstellungen der Wildbänne von 893 und 1048, deren Erscheinungsort in den jeweiligen Kapiteln der vorliegenden Arbeit genannt wird.

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de. Das geht schon aus der langen Liste der Konsentierenden hervor, von denen die Urkunde 29 namentlich nennt.105 Ein Jagdverbot für Unbefugte läßt ebenfalls den Wildbann erkennen.106 Problematischer als die typologische Einordnung des Forstes ist die Rekonstruktion der Forstgrenzen. Auf sie muß näher eingegangen werden, da es von ihr abhängt, welche Beobachtungen auf den Forst bezogen werden können. Eine Schlüsselfunktion besitzt das Wizzendal der Grenzbeschreibung von 1048; es herrscht Uneinigkeit darüber, wo es zu suchen ist. Nicht kontrovers sind dagegen die Rienz als südliche Begrenzung des Forstes und der Gsieserbach als die östliche. Nach einer älteren Deutung wäre das Wizzendal das Tal eines linken Nebenflusses der Ahr,107 die selbst von Norden in die Rienz mündet. Damit ergäbe sich ein grob rechteckiges oder trapezförmiges Wildbanngebiet von beträchtlichen Ausmaßen. Töchterle sucht das Wizzendal dagegen näher bei den bekannten Grenzpunkten, was ein wesentlich kleineres Forstgebiet zur Folge hätte. Sein Rekonstruktionsversuch geht nämlich von der irrigen Annahme aus, daß es sich bei dem Forst um einen Wald handeln müsse. Es könne aber kein geschlossenes Waldgebiet in dem Umfang gegeben haben, den die herkömmliche Ansicht unterstellt.108 Auch Töchterle kommt nicht umhin, das Forstgebiet in Gegenden zu verlegen, die keineswegs vollständig bewaldet, sondern bereits besiedelt waren. Daß dies mit seinen Prämissen eigentlich unvereinbar ist, hält Töchterle offenbar nicht für erwähnenswert.109 Die Voraussetzungen, auf denen Töchterles Annahmen beruhen, sind nicht tragfähig. Das gilt auch für seine Ansicht, man könne die Lage des Forstgebietes an der Dichte des Brixner Besitzes erkennen.110 Da Töchterles Einwände nicht stichhaltig sind, entfällt jeder äußere Grund, die ältere Meinung abzulehnen. Diese erfährt im Gegenteil gewichtige Unterstützung von einer anderen Seite. Es wurde nämlich bereits im Spätmittelalter davon ausgegangen, daß der Forst sich bis ins Ahrntal ausdehnte. Das geht aus einer Denkschrift hervor, die der Brixner Bischof Nikolaus von Kues gegen Ende der fünfziger Jahre des 15. Jahrhunderts verfaßte. Nikolaus von Kues führte die Wildbannverleihung als einen der Belege 105 D H i l l 209. 106 Ebd.: forestum infra terminos, quos in presenti [nomjinamus [es folgt die Grenzbeschreibung] - bis omnibus, quos in presenti conscribimus, laudantibus atque voluntarie consentientibus - cum banni nostri auctoritate distrinximus ac firmavimus, ut nullus preter voluntatem prefati episcopi in eo presumat cervos aut apros capreolos canibus venari, arcu sagittaque figire, plagis laqueis pedicis seu quolibet venatoriae artis ingenio capere vel decipere. Qui autem hoc forestum fieri laudaverunt hi sunt [es folgt die Namensliste]. 107 So Redlich, Ein alter Bischofsssitz im Gebirge, S. 40; vgl. Töchterle, Die Waldschenkung von 1048, S. 356. 108 Töchterle, Die Waldschenkung von 1048, S. 356f. Töchterles Rekonstruktionsvorschlag wird durch eine beigegebene Karte veranschaulicht: ebd., S. 358. 109 Ebd., S. 359. 110 Ebd.

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dafür an, daß das Gericht Taufers alter Besitz des Hochstifts sei.111 Taufers liegt jedoch an der Ahr, am westlichen Rand des Forstgebietes, legt man die ältere Auffassung zugrunde. D e r A u t o r der Denkschrift dürfte kaum wider besseres Wissen gehandelt haben, als er den Forst mit Taufers in Verbindung brachte. Es wäre nämlich gar nicht notwendig gewesen, falsche geographische Bezüge herzustellen, um die Argumentationsgrundlage zu vergrößern, denn Nikolaus litt keinen Mangel an Dokumenten, auf die er sich berufen konnte. Die Wildbannverleihung bildet nur einen von mehreren Besitztiteln des Hochstifts, auf die N i k o laus von Kues seine Argumentation gründet, ohne dabei der entscheidende zu sein." 2 D e m Anliegen des Brixner Bischofs dürfte die Grafschaftsverleihung im Pustertal von 1091 viel eher entsprochen haben. Zumindest sollte das der Fall sein, wenn man die landläufige Vorstellung vom Charakter einer solchen Verleihung zugrundelegt, die im vorliegenden Fall auch bevorzugt worden sein dürfte. D i e Grafschaftsverleihung fehlt denn auch nicht unter den Titeln, die in der Denkschrift genannt werden. 113 I m Gegensatz zu Töchterles A n sicht spricht alles dafür, daß der Wildbann von 1048 sich im Westen bis über die A h r hinaus erstreckte, 114 und von diesem Umfang wird im folgenden auch ausgegangen werden. I m Wildbanngebiet lassen sich bald nach der Verleihung einige recht aufschlußreiche Beobachtungen machen. Zwischen 1050 und etwa 1065 übertrug der Edle Erchinger dem Brixner B i s c h o f neben anderem Besitz, der bei Kiens am Westrand des Wildbanngebietes lag, auch einige Neureute ( q u e d a m novalia).' Das deutet eher auf Rodungen hin, die der Tradent in eigener Initiative durchgeführt hatte, als auf eine hochstiftische Kontrolle der Rodung, die mit dem Wildbann in Verbindung zu bringen wäre. I m gleichen Zeitraum erhielt der Bischof illum usum qui vulgo dicitur gimeineda, und zwar im B e reich zwischen den zwei unidentifizierbaren Ortlichkeiten Hagabah und Muntiniusa und dem mitten im Wildbanngebiet liegenden Mühlbach." 6 U n 111 Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol, S. 307f. Die Denkschrift ist gedruckt in Hallauer, Eine Denkschrift des Nikolaus von Kues, S. 85-94. Nikolaus von Kues sagt hier: quod Tauuers est in foresta ecclesie Brixinensis, patet ex priuilegio Henrici imperatoris; dabei bezieht er sich offenbar nicht auf das Original, sondern auf die Kopie der Urkunde im Brixner Traditionsbuch (ebd., S. 87, mit Anm. 8). Nikolaus diskutiert auch die Grenzen des Forstes. Uber das hier interessierende Gebiet an der Ahm mit dem Weißenbachtal sagt er: vallis Aurina et Wyzental, que nominantur in priuilegio iam dicto, ad dominium Tauuers spectare manifestum est. 112 Ebd., S. 87 und 90. 113 Ebd; vgl. Nikolaus Cusanus in Tirol, S. 308. Zur Grafschaftsschenkung vgl. Hoffmann, Grafschaften in Bischofshand, S. 391. 114 So auch Finsterwalder, Die mittelalterliche Geographie des Pustertals bei Cusanus, mit Karte S. 626. 115 Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, S. 40f., Nr. 100. 116 Ebd., S. 47, Nr. 121.

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Brixen ter der gimeineda

dürften eine o d e r m e h r e r e der N u t z u n g e n z u verstehen

sein, w e l c h e auch die A l l m e n d e bildeten. 1 1 7 D a m i t w a r e n N u t z u n g e n des W a l d - und Ö d l a n d e s betroffen, v o n denen weithin behauptet wird, daß sie d u r c h eine Wildbannverleihung an den E m p f ä n g e r fielen. E s zeigt sich hier, daß d a v o n gar keine R e d e sein kann, denn sonst hätte der B i s c h o f die neda

nicht erst eigens erwerben müssen. 1 '

gimei-

Z u m i n d e s t gilt das unter d e m

Vorbehalt, daß die Lokalisierung im Wildbanngebiet zutrifft; eine andere L a g e n i m m t Finsterwalder an. 119 U b e r die Frage, o b und inwieweit der W i l d b a n n die G r u n d l a g e für den Landesausbau bildete, geben die Quellen ansonsten nur indirekt Auskunft. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erfuhr der Hochstiftsbesitz im F o r s t gebiet einen beträchtlichen Z u w a c h s d u r c h G ü t e r , die v o r allem in A m h o l z , der östlichen Hälfte des Wildbanngebietes, 1 2 0 aber auch in anderen Teilen des Wildbanns lagen. 121 Diese G ü t e r w u r d e n dabei nicht nur d u r c h Schenkungen erworben, sondern auch gezielt durch Tausch. 1 2 2 D e r Hochstiftsbesitz im U n tersuchungsgebiet scheint also planmäßig ausgebaut w o r d e n zu sein. Dafür spricht ebenfalls der U m s t a n d , daß der Bischof, so weit man das sagen kann, z w a r G ü t e r d u r c h T a u s c h erwarb, aber keine aus der H a n d gab, etwa als G e -

117 Finsterwalder, Die Lage des „Hagabach, Muntiniusa", S. 999. Der verwendete Ausdruck gimeineda zeigt deutlich seine Herkunft von bzw. Identität mit dem althochdeutschen Wort für Allmende, alagimeinida: Carlen, Art. ,Allmende', Sp. 439; Sachers, Art. ,Allmende', Sp. 110. Die Allmende umfaßte Waldnutzungen wie den Bezug von Bau- und Brennholz, sowie Futtermitteln, mitunter sogar die Jagd, die Weide und die Nutzung des Ödlands, also alle Nutzungsarten, die so gerne mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden; vgl. Carlen, Art. .Allmende', Sp. 439f.; Sachers, Art.,Allmende', Sp. U l f . 118 Es darf nicht unterschlagen werden, daß der Bischof die gimeineda restituendo erhielt. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, daß der Bischof hier etwas erhielt, was ihm ohnehin zustand (und zwar, so könnte man dann folgern, aufgrund des Wildbanns). In den Brixner Traditionen werden Verben wie restituere/relegare, die doch sehr nach Rückerstattung klingen, regelmäßig im Zusammenhang mit Tauschgeschäften verwendet (Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, S. 63, Nr. 172 (ca. 1060-1070), S. 66, Nr. 181 (ca. 1060-1070), S. 123, Nr. 356). Auch bei der Erwerbung der gimeineda erbrachte der Bischof eine Gegenleistung (ebd., S. 47, Nr. 121), was gar nicht den Eindruck macht, daß es selbstverständlich war, daß der Inhaber eines Wildbanns derartige Nutzungen besaß. 119 Die mittelalterliche Geographie des Pustertals bei Cusanus, S. 623f.; Ders., Die Lage des „Hagabach, Muntiniusa". 120 Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, S. 37, Nr. 89 (1050-ca. 1065), S. 48, Nr. 123 (1050-ca. 1065), S. 65, Nr. 178 (ca. 1060-1070), S. 66, Nr. 181 (ca. 1060-1070), S. 68, Nr. 187 (ca. 1065-ca. 1075), S. 75, Nr. 206 (ca. 1065-ca. 1075), S. 96, Nr. 267 (1070-ca. 1080), S. 110, Nr. 315 (ca. 1075-1090), S. 117, Nr. 337 (ca. 1075-1090), S. 121, Nr. 350 (ca. 1085-1090), S. 130, Nr. 381 (ca. 1085-1097). 121 Ebd., S. 50, Nr. 130 (1050-ca. 1065), S. 83, Nr. 231 (ca. 1065-1077), S. 95, Nr. 265 (1070-ca. 1080), S. 97, Nr. 272 (1070-ca. 1080), S. 105, Nr. 296 (ca. 1075-1090). 122 Ebd., S. 65, Nr. 178, S. 66, Nr. 181, S. 68, Nr. 187 (Datierung s. vorletzte Anm.).

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Die einzelnen Forste

genleistung bei Tauschgeschäften. Der Bischof zeigte jedenfalls ein reges Interesse daran, bereits kultiviertes Land im Wildbanngebiet zu erwerben. Daher fragt es sich, ob das Hochstift solche Erwerbungen eigenen Rodungen nicht vorzog. Man wird zudem fragen dürfen, ob bereits kulturviertes Land in so großem Umfang erworben worden wäre, wenn die eigene Rodung eine Alternative dargestellt hätte, die vom Wildbann ermöglicht oder gefördert wurde. Die erwähnten Beobachtungen schließen es selbstverständlich nicht aus, daß das Hochstift rodete. Dennoch scheinen die eben angestellten Uberlegungen eher dagegen zu sprechen, daß das Hochstift durch die Wildbannverleihung zu einem wichtigen Rodungsträger wurde. 1 Der Besitz, den der Bischof erwarb, belegt im übrigen auch, daß bereits fremde Grundherren im Wildbanngebiet begütert waren. 124 Mit der Wildbannverleihung dürfte also wohl kaum eine Gebietsschenkung verbunden gewesen sein, zumal der Forst bei der Verleihung erst geschaffen wurde. 1443 erfolgte eine Bestätigung der Wildbannurkunde durch Friedrich III. Bei derselben Gelegenheit wurde auch die Verleihung der Grafschaft im Pustertal von 1091 bestätigt, die weiter oben schon begegnet ist.125 Daß beide Urkunden zusammen auftreten, ähnlich wie in Nikolaus von Kues' Denkschrift, läßt einen vergleichbaren Hintergrund vermuten. Wahrscheinlich ging es 1443 bereits um die Ansprüche, die Nikolaus von Kues dann energisch verfolgte. Aus der Bestätigung kann dagegen nicht gefolgert werden, daß der Wildbann immer noch eine praktische Rolle spielte. Im Wildbanngebiet wurde bis weit in die Neuzeit hinein gejagt,126 ohne daß man darin eine direkte Folge der Wildbannverleihung sehen müßte. Auch für den vorliegenden Wildbann gilt, was im letzten Abschnitt über den Rückvermerk aus dem 12. Jahrhundert und seine mögliche Bedeutung gesagt wurde. Ebensowenig ist der vorliegende Wildbann von den Einwänden ausgenommen, die ebenfalls im letzten Kapitel gegen die Vorstellung erhoben wurden, die Brixner Wildbänne hätten entscheidend zur Ausbildung der hochstiftischen Herrschaft beigetragen.

123 Für Müllers Behauptung, daß „Bischof Altwin [1049 - 1 0 5 7 ] und seine Nachfolger ... durch Bauleute den Wald roden ließen" [Bischöfliche Maierhöfe, S. 45] fehlen die Belege. Darüber hinaus ist es nicht nötig, Rodungen anzunehmen, um die hochstiftischen Besitzungen im Antholzer Tal zu erklären, auf die sich diese Äußerung bezieht. Schließlich hatte das Hochstift dort im späteren 11. Jahrhundert umfangreichen Besitz erworben. Selbst wenn vom Bischof gerodet worden sein sollte, läßt sich darüber hinaus keine Verbindung zum Wildbann nachweisen. 124 Zu diesem Fremdbesitz vgl. auch Finsterwalder, Die mittelalterliche Geographie des Pustertals bei Cusanus, S. 624, Anm. 2. 125 Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. Romanorum regis, 1, S. 141, Nr. 1346. 126 Müller, Bischöfliche Fischer und Jäger; Die Tirolischen Weisthümer, 4, S. 524.

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7. Der Krainer Wildbann von 1040 Im Jahr 1040 schenkte Heinrich III. der bischöflichen Kirche von Brixen einen Wald, der aus seinem Besitz stammte (nostri iuris saltus) und forstete ihn ein {forestavimus).127 Damit liegt ein weiterer Beleg dafür vor, daß selbst Königsgut nicht von vornherein eingeforstet war. Wenn der Wald erst eingeforstet werden mußte, so dürfte er auch anderen Nutzern als dem Besitzer offengestanden haben, bevor er dem Hochstift geschenkt wurde. Zumindest gilt das für die Jagd, denn sie war die Nutzung, die künftig dem Brixner Bischof vorbehalten bleiben sollte. Das geht aus dem Jagdverbot für Unbefugte hervor, das die Urkunde ausspricht.128 Der Forst lag in der marcbia Creina, und zwar zwischen dem Ursprung und dem Zusammenfluß zweier Flüsse, die beide Suowa hießen.1 Die beiden Flüsse dürften die Wurzener und die Wocheiner Save sein, aus deren Vereinigung die Save entsteht. Dafür spricht auch der Umstand, daß zwischen diesen beiden Flüssen der Brixner Besitzkomplex zu Veldes lag.130 Ihm fügte Heinrich III. ebenfalls 1040 ein weiteres predium hinzu, das zwischen dem Fluß Feistritz und dem Hof Veldes lag.131 Die Schenkungsurkunde datiert vom selben Tag wie die Forsturkunde.132 In die Schenkung war auch der Wald Leschach eingeschlossen, der im folgenden ebenfalls wiederbegegnen wird. Er dürfte mit dem Wald der Forsturkunde wohl nicht identisch gewesen sein; die Lageangaben der Forsturkunde und der zweiten Schenkungsurkunde schließen sich gegenseitig aus. Die Feistritz mündet nämlich stromabwärts von jenem Punkt in die Save, an dem sich die Wocheiner und die Wurzener Save vereinigen. Für den Wildbann von 1040 gelten die Aussagen, die zum zweiten Brixner Wildbann in der Krain gemacht werden können, der im folgenden zu behandeln ist.

127 D H III 24. 128 Ebd.: nostri iuris saltum ... tradidimus atque eundem saltum forestavimus et banni nostri districtu circumvallavimus, ea videlicet ratione ut nulla magna parvaque persona absque licentia prenominati episcopi suorumque successorum in eodem foresto potestatem babeat venandi sagittandi pedicas ponendi retia tendendi piscandi aut aliqua arte }eras decipiendi. 129 Ebd.: saltum inter duo flumina que vocantur Suowa ab exortu usque ad concursum eorum circumseptum in marchia Creina ... situm. 130 A m Anfang der Brixner Präsenz in Veldes stand im Jahre 1004 die Schenkung des Hofes an das Hochstift durch Heinrich II. (D H II 67). Im Jahre 1011 folgten das castellum Veldes und dreißig Königshufen (D H II 228). Zu diesen Erwerbungen des Hochstifts vgl. Boneil, Kaiser Heinrich II. und seine Schenkungen, S. 354-56; Baum, Deutsche und Slowenen, S. 35-38. 131 Zur Identifizierung der Ortlichkeiten vgl. auch die Bemerkungen des Nikolaus von Kues zum Brixner Besitz zu Veldes (Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol, S. 314; Ders., Cusanus als Anwalt der Brixner Kirche, S. 395) sowie Baum, Die Brixner Kolonie Deutsch-Gereuth, S. 42; Ders., Die Kirchen von Freising und Brixen, S. 429). 132 D H i l l 25.

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8. Der Krainer Wildbann von 1073 Im Jahr 1073 erhielt das Hochstift einen weiteren Wildbann in der Mark Krain.133 Diesmal wird das Objekt der Verleihung bereits in der Urkunde als Wildbann (wiltbannum) bezeichnet, den der Brixner Bischof für Güter seiner Kirche erbeten habe.134 Obwohl die Urkunde nur vom Hochstiftsbesitz spricht, wird eine geschlossene Fläche eingeforstet.135 Entweder war also das Wildbanngebiet ganz oder zum größten Teil hochstiftischer Besitz, oder es wurde ein Gebiet eingeforstet, in dem zwar Brixner Güter lagen, das aber über den Brixner Besitz hinausging. Dabei ist auch die Rede vom medium fundum Sowe fluminis. Gemeint ist offensichtlich das Gebiet zwischen der Wurzener und der Wocheiner Save, das 1040 eingeforstet worden war und eine Grenzmarke des neuen Wildbanns bildete. Wenn es nur sehr unbestimmt mit einbezogen wird - der Wildbann galt usque in medium fundum Sowe -, dann hat das sicher damit zu tun, daß dort ein Wildbann bereits vorhanden war.136 Der Wildbann stellte also wohl eine Ergänzung des Forstes von 1040 dar. Innerhalb der Wildbanngrenzen sollte in gewohnter Weise ein Jagdverbot für Unbefugte gelten.137 Bald nach der Verleihung erhielt der Brixner Bischof einen weiteren Wildbann, der sich offenbar innerhalb der Brixner Wildbänne in Krain befand, also an einem Ort, wo eigentlich außer dem Bischof niemand einen Wildbann mehr hätte besitzen dürfen. Die Schenkung fand zwischen etwa 1075 und 1090 zu Chreine statt und wurde von drei nobiles vorgenommen, die namentlich genannt werden. Sie überließen dem Bischof den bannum ferarum über ihre Güter, die in den Forsten (in forestis) des Bischofs lagen.138 133 D H I V 259. 134 Ebd.: wiltbannum, quem super praediis aecclesiae suae [episcopus Brixinensis Altwinus] petiit. 135 Ebd.: quorum praediorum longitudinem seu latitudinem certo rivorum limite determinavimus de rivo Tobropotoch quod teutonice Guotpach usque ad flumen Fuistriza et a summo vertice Cbreinae montis usque in medium fundum Sowe fluminis. 136 Mit der Wendung medium fundum Sowe ßuminis kann eigentlich nur das Gebiet zwischen der Wocheiner und der Wurzener Save gemeint sein. Laut dem Namensregister der Diplomata-Ausgabe handelt es sich bei dem rivus Tobropotoch quod teutonice Guotpach dicitur um einen Nebenfluß der Wurzener Save und beim Chreinae mons wohl um den Hauptkamm der Karawanken. Fuistriza ist die Feistritz. 137 D H IV 259: Infra quem terminum nullum hominum aliquod genus venationis sine praedicti Brixinensis aecclesiae episcopi suorumque successorum licentia exercere banni nostri obligatione interdicimus. 138 Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, S. 108, Nr. 305: Omnes in Christo credentes indubitanter agnoscant, qualiter quidam nobiles Paulvs, Iwan, Tunzo personati in manus venerabilis Altwini episcopi bannum fer arum super predium illorum in forestis prefati presulis omni iure ac lege quibus usi sunt tradiderunt, eo tenore, si idem episcopus aut illius successor aliorum bonorum suorum subtrahere voluerit, sua recipiendi potestatem habeant [!].

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Wo genau die Güter und damit der Wildbann lokalisiert waren, wird nicht gesagt. D a die Handlung zu Chreine vollzogen wurde und die nobiles z. T. slawische Namen trugen (einer von ihnen hieß Iwan), dürfte jedoch auch der Wildbann in Krain zu suchen sein. Man wird wohl davon ausgehen dürfen, daß dieser damit unter mindestens einen der Brixner Wildbänne fiel, die im vorangehenden und im vorliegenden Abschnitt behandelt werden. In der Traditionsnotiz heißt es lediglich, daß der Wildbann in den Forsten des Bischofs lag. Zwar könnten damit wohl auch einfach bischöfliche Wälder gemeint sein, die nicht unbedingt von den Brixner Wildbännen in Krain berührt worden sein müssen. Es spricht jedoch alles dafür, daß der Wildbann der nobiles in einem der Brixner Wildbanngebiete lag. So war für den Wald von 1040 der Wildbann verliehen worden; war er einer der bischöflichen Forste der Traditionsnotiz, so lag der fremde Wildbann zumindest in einem der Brixner Wildbänne. Weitab und isoliert von Veldes lagen zwei Krainer Berge, die das Hochstift 1063 von Heinrich IV. erhalten hatte, ebenfalls mit der Waldnutzung und der Jagd (silvis venationibus)™. Auch ihr Status dürfte damit einem Wildbann gleichgekommen sein. Sofern der Brixner Bischof über sonstigen Waldbesitz in Krain verfügte, wäre dieser wohl unter den großflächigen Wildbann von 1073 gefallen.140 N u n wäre es allerdings nicht ausgeschlossen, daß es daneben noch anderen Brixner Besitz gab, der nicht vom großen Wildbann von 1073 erfaßt wurde, darunter womöglich auch Wälder. Selbst dann gäbe es jedoch guten Grund zu der Annahme, daß wenigstens einer der Forste, von denen in der Traditionsnotiz die Rede ist, in einem bischöflichen Wildbann lag oder gar mit einem solchen identisch war. Schließlich scheint der Wildbann von 1073 zumindest einen großen Teil des Brixner Besitzes in Krain eingeschlossen zu haben; das verringert die Zahl der denkbaren bischöflichen Wälder, die der Wildbann außen vor gelassen haben könnte. D a die Traditionsnotiz von mindestens zwei bischöflichen Forsten spricht (es können auch mehrere gewesen sein), steigt damit die Wahrscheinlichkeit, daß wenigstens einer von ihnen in einem Wildbann lag. Sofern die Traditionsnotiz mit den bischöflichen Forsten von vornherein Wildbänne meint, war das ohnehin der Fall. Es deuten also verschiedene Überlegungen darauf hin, daß der Wildbann der drei nobiles in einem der Wildbänne lag, die das Hochstift in Krain erhalten hatte. Dort hatte er nach dem Wortlaut der königlichen Verleihungsurkunden jedoch nichts verloren. 139 D H IV 111; vgl. Z w i s c h e n A d r i a u n d K a r a w a n k e n , S. 25 (zur A u s d e h n u n g der M a r k K r a i n vgl. die K a r t e ebd., S. 26). 140 Vgl. die A u s s a g e der V e r l e i h u n g s u r k u n d e , w o es o h n e einschränkende Z u s ä t z e heißt, daß der Brixner B i s c h o f einen W i l d b a n n über die G ü t e r seiner K i r c h e erbeten habe (vgl. A n m . 134). A u s d i e s e m G r u n d u n d weil der W i l d b a n n d a n n d e n n o c h ein großes G e b i e t einschließt, darf man w o h l vermuten, daß der W i l d b a n n f ü r die G e s a m t h e i t der Brixner G ü t e r in K r a i n verliehen w u r d e .

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D i e einzelnen F o r s t e

Wenn sich ein fremder Wildbann innerhalb eines bischöflichen halten konnte, dann liegt der Verdacht nahe, daß der bischöfliche Wildbann nicht vollständig durchsetzbar war. Auch der Umstand, daß der Bischof den Wildbann von den drei nobiles erst übertragen bekommen mußte, weist darauf hin. Schließlich läßt dieser Vorgang vermuten, daß er den Wildbann sonst nicht ohne weiteres hätte ausüben können. Daß die Übertragung in einer Situation zustande kam, die nicht ohne Spannungen war, darauf deutet auch eine weitere Bestimmung der Traditionsnotiz hin. Es heißt dort, daß die nobiles das Ihrige zurückbehalten sollten, falls der Bischof versuchen sollte, andere ihrer Güter zu entziehen.141 Die Abtretung des Wildbanns dürfte somit nur widerwillig erfolgt sein, vielleicht im Zuge eines Vergleichs. Der bischöfliche Wildbann stieß bei den Krainer nobiles also offenbar auf Widerstand. Die nobiles waren anscheinend wenig geneigt, den Brixner Bischof den Wildbann auf ihren Gütern ausüben zu lassen, obwohl er gemäß den herrscherlichen Privilegien der Forstherr war. Dabei ging es im vorliegenden Fall lediglich um die Jagd, da in der Traditionsnotiz vom bannum ferarum die Rede ist. Es zeigt sich hier, daß ein Wildbann selbst dann auf die Ablehnung jener Grundherren stoßen konnte, die in einem Wildbanngebiet begütert waren, wenn er sich ausdrücklich nur auf die Jagd erstreckte. U m s o geringer dürfte die Bereitschaft der betroffenen Grundherren einzuschätzen sein, dem Wildbanninhaber auch die Kontrolle über weitere Nutzungen einzuräumen, die dazu in den allermeisten Wildbanndiplomen noch nicht einmal erwähnt werden. Daher scheint es wenig plausibel, daß der Wildbann sich auch auf solche Nutzungen bezog, von denen in den Urkunden gar keine Rede ist. Er dürfte sonst nicht nur schwerer durchsetzbar gewesen sein als ein bloßes Jagdprivileg. Wie sich gerade gezeigt hat, gilt es auch zu bedenken, daß Wildbannverleihungen, die noch weitere Nutzungen betrafen, bei den benachteiligten Grundherren vermutlich noch weitaus größeren Widerwillen erzeugt haben würden als ein Jagdbann. Durch die Anzahl der Wildbannverleihungen und die Größe der meisten Wildbanngebiete hätte das zur Folge gehabt, daß sich auch der Aussteller der Privilegien einer großen und stetig wachsenden Gruppe unzufriedener Grundherren gegenüber gesehen hätte. Das dürfte aber kaum im Interesse des Königs gewesen sein.142 Zwischen etwa 1060 und 1070 erhielt der Brixner Bischof dann bei einer Schenkung, die ebenfalls zu

141 So darf man wohl die zugegebenermaßen etwas unvollständig wirkende Aussage der Traditionsnotiz deuten: si idem, episcopus aut illius successor aliorum bonorum suorum subtrahere voluerit, sua recipiendipotestatem babeant; vgl. Anm. 138. 142 Man vgl. hier den Trierer Forst von 973 und den Straßburger Wildbann von 1017, die die gleichen Fragen aufwerfen.

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ebenfalls zu Chreine stattfand, salinam feralemque bannum übertragen; hier fehlt aber der Bezug auf die bischöflichen Forste. 145 D i e Entwicklung des hochstiftischen Besitzes in Krain trägt Züge, die bereits im Fall des Wildbanns im Pustertal festzustellen waren. Auch in Krain erwarb das Hochstift in großem Umfang bereits kultiviertes Land. Daran knüpfen sich die gleichen Vermutungen wie beim Wildbann im Pustertal. Es wäre möglich, daß man es vorzog, Kulturland zu erwerben, anstatt selbst zu roden. Zudem fragt es sich, ob man in so großem Maße auf die Erwerbung von Kulturland gesetzt hätte, wenn der Wildbann tatsächlich besonders günstige Bedingungen für eigene Rodungen schuf. Wiederum gilt jedoch, daß solche Überlegungen zwar eine gewisse Plausibilität für sich in Anspruch nehmen dürfen, aber nicht zwingend sein müssen, da die Rodung und der Erwerb von Land sich nicht gegenseitig ausschließen. Die Vermehrung des hochstiftischen Besitzes konzentrierte sich auf die Gegend von Veldes; 144 dort wurden auch Besitzungen durch Tausch erworben. 1 4 5 W i e im Fall des Pustertals baute das Hochstift um Veldes also offenbar planmäßig ein Besitzzentrum aus. Weitere Erwerbungen erfolgten an der Wocheiner und der W u r zener Save und an anderen Orten, 1 4 6 so an der Feistritz und zu Leschach, 1 4 7 w o der Wald lag, der im Zusammenhang mit der Schenkung Heinrichs I I I . von 1040 bereits genannt wurde. Allerdings hatte der dortige Brixner Besitz Abgänge durch Tauschgeschäfte zu verzeichnen. 1 4 8 In der W o c h e i n legte das Hochstift die Siedlung D e u t s c h - G e r e u t h (bzw. N e m s k i R o v t ) an, die jedoch erst 1287 erstmals erwähnt wird. 149 Ihre Entstehung wird man auch ohne Rückgriff auf die Forstverleihungen erklären können. Ein Forst zu Veldes, dessen Pflege dem Inhaber eines bischöflichen

143 Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, S. 64, Nr. 175: quídam ingenuas Ozi personatus ... in manus ... episcopi suique advocati Chadalhohi quandam salinam feralemque bannum quibus hereditario iure usus est... in proprium donavit. 144 Ebd., S. 55, Nr. 145 (1050-ca. 1065), S. 78, Nr. 218 (ca. 1065-ca. 1075), S. 79, Nrr. 219 (ca. 1065-ca. 1075), 221 (ca. 1075-1090), S. 113, Nr. 322 (ca. 1075-1090), S. 121f„ Nr. 352 (ca. 1085-1090). 145 Ebd.; S. 52, Nr. 137 a, b (1050-ca. 1065), S. 53, Nr. 139 (1050-ca. 1065), S. 113f., Nrr. 323f. (ca. 1075-1090), S. 124, Nr. 359 (ca. 1085-1090). 146 Ebd., S. 51, Nr. 133 (1050-ca. 1065), S. 53, Nr. 138 (1050-ca. 1065), S. 55, Nr. 146 (1050-ca. 1065), S. 76, Nr. 211 (ca. 1065-ca. 1075), S. 84, Nr. 234 (1070-1076), S. 104, Nr. 291 (ca. 1075-1090), S. 112, Nr. 320 (ca. 1075-1090), S. 120, Nr. 348 (ca. 1085-1090), S. 122, Nr. 353 (ca. 1085-1090), S. 123, Nr. 357 (ca. 1085-1090), S. 130, Nrr. 379f. (ca. 1085-1097); UB Brixen 845-1295, S. 40f., Nr. 35 (1120). 147 Ebd., S. 30f„ Nr. 74 a, b. 148 Ebd., S. 47, Nr. 120. 149 UB Brixen 845-1295, S. 232, Nr. 246; vgl. Baum, Die Brixner Kolonie DeutschGereuth; Ders., Die Kirchen von Freising und Brixen; Ders., Deutsche und Slowenen, S. 38.

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Die einzelnen Forste

Lehens oblag, ist noch im Jahr 1351 belegt.150 In welchem Verhältnis er zu den Verleihungen des 11. Jahrhunderts stand, muß offenbleiben. Es gilt aber auch hier, daß die Wildbannverleihungen möglicherweise bereits im 12. Jahrhundert keine Rolle mehr spielten, wenn der weiter oben erwähnte Rückvermerk tatsächlich so zu deuten ist, daß die Wildbänne zu dieser Zeit nicht mehr bekannt waren. Immerhin könnte es sich beim Forst von 1351 um den Wald gehandelt haben, den das Hochstift 1040 von Heinrich III. erhalten hatte. Im 15. Jahrhundert bezog sich noch einmal der Brixner Bischof Nikolaus von Kues auf die salischen Forstverleihungen,151 wobei er namentlich die Grenze des Wildbanns von 1073 als Grenze des dominium Vels beanspruchte.152 Den Hintergrund dürften die Bemühungen dieses Bischofs bilden, die wirtschaftlichen und herrschaftlichen Grundlagen seines Bistums zu erhalten bzw. zu steigern.15 Diese Bestrebungen sind bereits im Zusammenhang mit dem Wildbann im Pustertal begegnet. Da es sich hier um die rhetorischen - und dazu noch späten - Äußerungen einer interessierten Partei handelt, läßt sich aus ihnen nicht schließen, daß Wildbänne über eine herrschaftliche Komponente verfügten, die über die Kontrolle der Jagd hinausging.

9. Cambrai 995 erhielt Bischof Ruthard von Cambrai einen forastum verliehen, in dem künftig niemand ohne die Erlaubnis des Bischofs von Cambrai jagen sollte.154 Damit handelte es sich bei dem Forst offensichtlich um einen Wildbann. Aus diesem Grund, und weil schon lange vor der Verleihung der Besitz anderer Grundherrschaften im Forstgebiet belegt ist, dürfte kaum eine Gebietsschenkung vorgelegen haben. Das Kloster Maroille, das im Forst lag, wird schon in einer Urkunde des Hausmeiers Pippin von 749 erwähnt.155 852 schenkte

150 Sinnacher, Beyträge zur Geschichte, 5, S. 244; vgl. Fajkmajer, Studien zur Verwaltungsgeschichte, S. 323. 151 Baum, Cusanus als Anwalt der Brixner Kirche, bes. S. 394f. 152 Ebd., S. 395. 153 Hierzu Baum, Nikolaus Cusanus in Tirol, S. 291-423; Ders., Cusanus als Anwalt der Brixner Kirche, S. 386f., 389f., 393f.; Cusanus Texte IV, S. 144, Nr. 76, S. 150-52, Nr. 182. 154 D O III 164: dedimus unum forastum ... nostroque banno firmavimus, ea videlicet ratione ut nulla maiorum minommve persona in bivangio predicti foresti nisi cum licentia prefati episcopi Ruoth[ardi] eiusque successorum venari présumât, sed ipse eiusque successores ex nostro regio dono venatiofnem pjotestative teneant et quibuscumque placeat venandi licentiam con[cedant]. Zum Begriff Bifang (bivangio) vgl. Bethge, Uber ,Bifänge'. Eine kartographische Darstellung des Forstgebietes bietet die Histoire de Cambrai, S. 22, Fig. 1. 155 D maiorum domus e Stirpe Arnolforum 21 (das Kloster heißt hier Marigilum; zur Namensform vgl. das Register von Duvivier, Recherches sur le Hainaut ancien).

Cambrai

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Lothar I. einem Ossardus clericus Besitz zu Landrecies. 156 870 verbriefte Karl der Kahle dem Kloster Maroille, daß niemand Abgaben für die Schweine einfordern sollte, die es im Wald, der das Kloster umgab, weiden ließ.157 Uber die Waldnutzungen im späteren Wildbanngebiet verfügten somit teilweise schon lange vor 995 andere Grundherren als der Bischof. Der Wildbann würde solche Nutzer stark benachteiligt haben, hätte er noch andere Nutzungen als die Jagd eingeschlossen. Das spricht dagegen, daß der Wildbann von 995 mit einem allgemeinen Nutzungsausschluß verbunden war. Bis ins Hochmittelalter hatte sich der Zugriff Dritter auf den Wald im Wildbanngebiet eher noch verstärkt - ein weiteres Indiz dafür, daß der Wildbann nicht die gesamte Waldnutzung berührte. Aus der Mitte des 12. Jahrhunderts ist bekannt, daß zumindest Teile des Waldes Eigentum des Klosters Maroille waren. Ein weiterer Waldbesitzer war ein gewisser Nikolaus von Avesnes, mit dem das Kloster im Streit lag. 1151 beurkundete der Bischof von Cambrai einen Vergleich, bei dem die beiden Parteien darauf verpflichtet wurden, kein Holz zu schlagen, ohne die Erlaubnis des jeweils anderen eingeholt zu haben.158 Die Ubereinkunft galt für Wälder, die den beiden Kontrahenten gehörten.159 Gegenüber der Situation des neunten Jahrhunderts ist die des zwölften insofern verändert, als jetzt Eigentümer des eingeforsteten Waldes belegt sind und nicht nur Nutzer. Von einer übergeordneten Verfügung des Bischofs, die auf den Wildbann zurückgehen könnte, ist nichts zu entdecken. Noch deutlicher wird dies in einer Bestimmung, die sich anscheinend nicht auf den Waldbesitz des Klosters und des Nikolaus beschränkt. So heißt es ganz allgemein, daß die Weide in Wald und Feld gemeinschaftlich {communis) genutzt werden sollte. Wenn eine der beiden Parteien sich ein Weidegebiet abgrenzte, das nur ihr vorbehalten war, sollte die andere genauso handeln.160 156 D L o i 118. 157 Recueil des actes de Charles II le Chauve, 2, S. 2 3 8 - 4 0 , Nr. 334: necnon et sìlvam communem circa monasterium, sub eo tenore ut de porcis fratrum ibi saginatis nemo pastionacum expetat... praetaxatas res omnes... dictis fratribus... delegamus. 158 Duvivier, Recherches sur le Hainaut ancien, S. 568-72, Nr. 124bis: In nemoribus propriis neuter eorum incidere poterit sine licentia alterius alteri concessa, et si inciderint et incisores lignorum fuerint deprehensi in jure alterius emendatio inconcessa [so Duvivier; soll es heißen: inconcessae ?] rei fiet utrique condigna. Daß die Wälder im Untersuchungsgebiet lagen, ist deswegen zu vermuten, weil zuvor von der decima tota im Gebiet zwischen Maricolas (Maroille) und Landrecias (Landrecies) die Rede ist. 159 In nemoribus propriis; vgl. das Zitat in der vorigen Anm. 160 Ebd.: Pascue, tarn in silvis quam in campis, communes erunt; quod si Nicholaus aut eius heres propria pascua sua sibi vindicaverit nec communia esse voluerit, abbas prefate ecclesie simili modo suis usibus pascua propria addicet; et si homines Nicholai in propriis pascuis suis bestias abbatis aut hominum ipsius forte ceperint, eodem modo abbas et sui homines bestias hominum Nicholai in suis pascuis capient, et, lege dictante, quod iustum est super his utrimque habebunt. Auch hier gilt wieder, was in der vorletzten Anmerkung über die Lage des fraglichen Gebietes gesagt wurde: D a vor

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Die einzelnen Forste

Wiederum ist keine Rede davon, daß die gemeinschaftliche Weide irgendwelchen Regelungen unterlag, die sich aus dem Wildbann ergaben. 161 I m Gegenteil scheint es recht eindeutig, daß solche Einschränkungen nicht bestanden, da die Waldnutzung sich als eine Frage darstellt, die zwischen den beiden Streitparteien zu regeln ist. Das Fehlen jeglicher Anzeichen dafür, daß der Wildbann sich auf die gesamte Waldnutzung auswirkte, kann übrigens nicht mit der Vermutung abgetan werden, der Wildbann habe in der Mitte des 12. Jahrhunderts gar nicht mehr bestanden. 1145 und dann wieder 1152 bestätigten Konrad I I I . und Friedrich I. den Forst von 995. 162 D e r Streit zwischen Nikolaus von Avesnes und Maroille verdeutlicht dazu, daß auch nach der Wildbannverleihung andere Grundherren als der Bischof im Wildbanngebiet begütert waren. 163

Chur 10. Die Forste im Bergeil In der Bestätigungsurkunde O t t o s I I I . von 988 für das Hochstift C h u r trifft man zum ersten Mal auf Forste im Besitz der Bischofskirche, für welche die Angaben vorliegen, die für eine Untersuchung notwendig sind. D i e Bestätigung schließt das Tal Bergeil ein, zu dem unter anderem Forste gehörten. 164

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den entsprechenden Regelungen von den Besitzungen des Klosters zwischen Maroille und Landrecies die Rede ist (vgl. auch Anm. 158), dürfte es außer Frage stehen, daß zumindest ein Teil des genutzten Gebietes im Wildbann lag. Goblet d'Alviella, Histoire de bois et foréts de Belgique, 1, S. 138—40, vertritt die Meinung, daß die Bezeichnung von Nutzungen als communis lediglich bedeute, daß ein Grundherr sie seinen Grundholden zur gemeinsamen Nutzung zugewiesen habe. Hier liegen die Dinge jedoch anders, da das Kloster Maroille und Nikolaus selbst Grundherren waren. Wenn die Weide als communis bezeichnet wird, dürfte das also, wie hier vorausgesetzt, heißen, daß beide die Weidegründe gemeinschaftlich nutzten, ohne daß sie diese von einem Dritten zugewiesen bekommen haben müßten. D Ko III 143; D F I 43. Duvivier, Recherches sur le Hainaut ancien, S. 568-72, Nr. 124bis: Inter Mancólas et Landrecias decima quoque tota, que infra términos et villicationes Maricolensis allodii collecta fuerit, in jure abbatis et ecclesie libera remanebit. Da die fraglichen Güter des Klosters zwischen Maricolas (Maroille) und Landrecias (Landrecies) lagen, befanden sie sich eindeutig im Wildbanngebiet. UB Bünden, 1, S. 122-24, Nr. 148 (= D O III 48): precepta imperatorum augustorum, avi scilicet ac genitoris nostri, de ... curte Zizuris ... aliorumque antecessorum nostrorum regum et imperatorum donationes prefate ecclesie renovari decrevimus, suscipientes sub nostram regiam tuitionem ipsam Curiensem civitatem ... insuper Bergalliam vallem cum castello et... forestis ac inquisitione totius census tarn in montibus quam in planis ad ipsam vallem pertinente.

Chur

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Das Bergeil war dem Hochstift 960 von Otto I. übertragen worden.165 Die Urkunde Ottos I. und die Bestätigungsurkunden Ottos II. und Ottos III. erwähnen einen census, der auf den Bergen und in der Ebene zu erheben war und der mit zum Besitz des Tals gehörte.166 Nach den beiden Urkunden Ottos I. und II. wurde der census nicht nur in Berg und Tal, sondern auch in den Wäldern (silvis) eingefordert.167 Die Urkunde Ottos III. von 988 nennt nur noch Berg und Tal als die Orte, wo der census fällig wurde. Dafür führt sie, im Gegensatz zu den ersten beiden Privilegien, nun auch die bereits erwähnten Forste unter dem Zubehör des Bergeil auf, allerdings nicht mehr im Zusammenhang mit dem census. 988 verschwanden also die silvae, während die foresta auftauchten, wenn auch nicht an genau der gleichen Stelle. Daher darf vermutet werden, daß die Forste von 988 lediglich für die Wälder der älteren Urkunden stehen, forestum somit als Synonym von silva zu deuten ist. Forste im Bergeil finden sich auch in einer Urkunde, die im 12. Jahrhundert gefälscht wurde und nach der Heinrich II. den Bewohnern des Bergeil unter anderem Forste und Jagden verliehen hatte.168 Die Forste können durchaus den Churer Forsten des 10. Jahrhunderts entsprochen haben, zumal Forste und Jagden getrennt aufgeführt werden, die Forste daher nicht einfach nur Jagdgebiete gewesen sein mögen. Es stellt sich somit die Frage, ob die Fälschung es erlaubt, irgendwelche Schlüsse für die Churer Forste zu ziehen. Man wird zumindest sagen können, daß fremde Ansprüche auf die Forste im Bergeil erhoben wurden. Ob das dahingehend gedeutet werden kann, daß die Forste aus dem hochstiftischen Eigentum ausgeschieden waren, bleibe dahingestellt. Gegen eine solche Annahme könnte der Umstand sprechen, daß das Hochstift Chur bis ins Spätmittelalter in bestimmter Hinsicht im Bergell präsent war. So erhob es dort noch Abgaben, deren Ursprung auf den König zurückzuführen ist,16 ähnlich der hostisana, die in den besprochenen Urkunden der Ottonen genannt wird.170

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D O I 209; UB Bünden, 1, S. 98-100, Nr. 119. Vgl. das Zitat in der vorletzten Anmerkung, sowie D O I 209, D O II 124 (976). D O I 209, D O II 124. D H U 532: Forestes autem et venationes seu adpontem ire pro nostre anime remedio, quo nobis eos benevolentiores existant, condonamus. 169 Clavadetscher, Hostisana und pretium comitis; vgl. Dens., Das Schicksal von Reichsgut, bes. S. 72f. sowie Dens., Die Herrschaftsbildung in Rätien, S. 148f. 170 Im Zusammenhang mit Chur selbst: ipsam Curiam civitatem cum tali districtione et iure sicut antiquitus ad regiam pertinebat potestatem ... et cum omnibus ad eandem civitatem pertinentibus ... cum omni censu a liberis hominibus solvendo in ipso comitatu Curiensi, scilicet a quartanis et quadrariis ac terris censualibus omnibus in montanis et planis et hostisana. Vgl. auch D O I 209, D O II 124. Vgl. zum Bergell auch Bundi, Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, S. 193-198.

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D i e einzelnen F o r s t e

11. Der Forst am Schollberg 1050 erhielt das Hochstift Chur zwei weitere Forsturkunden, die auf denselben Tag datiert sind. Bei einem der Forste handelte es sich um ein Gebiet im heutigen Bezirk Werdenberg im Kanton St. Gallen, das offenbar recht klein ist.'71 Die geringen Dimensionen machen es an sich schon unwahrscheinlich, daß hier Rodungsabsichten eine Rolle spielten oder der Forst als Rodungsland von großem Wert gewesen wäre. Bei beiden Forsten von 1050 verrät die Verleihungsurkunde nicht, um welche Art von Forst es sich jeweils handelt.172 Im vorliegenden Fall heißt es lediglich, daß ein Forst mit dem Bann verliehen worden sei. Graf Eberhard, in dessen Grafschaft der Forst lag, sowie weitere conprovinciales hätten dazu ihre Zustimmung erteilt.173 Das läßt eher an eine Neueinforstung denken als an die Übertragung eines Forstes, den es bereits gab. Der Forst wäre dann wohl als ein einfacher Wildbann anzusprechen, wenn auch das Jagdverbot für Unbefugte fehlt, das man sonst bei einer Wildbannverleihung erwarten darf. Im Bereich des Wildbanns waren schon vor der Verleihung mehrere Grundherren begütert. In Grabs, das in der Forsturkunde als Grenzpunkt erscheint, hatte bereits im 10. Jahrhundert das Kloster Einsiedeln Besitz erhalten.174 Dort lag auch der Besitz, den Lothar I. 841 der Zelle St. Martin in Serris schenkte, einer Gründung des Churer Bischofs.175 Das Verzeichnis des rätischen Reichsgutes, das im 9. oder 10. Jahrhundert entstand, weist ebenfalls Besitz im Untersuchungsgebiet aus.176 In einem Rückvermerk auf der Forsturkunde, der aus dem 12. Jahrhundert stammt, wird die Forstverleihung als donacio ac confirmatio domni Heinrici imperatoris unius foresti bezeichnet.'77 Die Formulierung ist so unbestimmt, daß man den Eindruck hat, der Schreiber verbände mit dem Objekt der Schenkung keinen Forst, der ihm bekannt wäre. Das könnte darauf zurückzuführen sein, daß der Forst im 12. Jahrhundert bereits keine Rolle mehr spielte.

171 U B Bünden, 1, S. 152f., N r . 190 (= D H III 251). Es wird hier der Lokalisierungsvorschlag der Herausgeber des U B Bünden zugrundegelegt, nach dem sich der Forst von der H ö h e Matug am Schollberg und einem zwischen Buchs und Grabs fließenden Bach erstreckte, der mit dem Lognerbach bei Lims identifiziert wird. 172 Vgl. D D H i l l 251 und 252. 173 D H III 251: quoddam forestum in comita[tu Eb]erhardi comitis situm ... cum con[se]nsu praedicti comitis Eberhardi caeterorumque conprovincialium cum nostro imperiali banno habendum concessimus. 174 D O II 24 (bestätigt durch D O II 181, D D O III 83, 231, D H U 378, D K o II 109, D H III 36). 175 U B Bünden, 1, S. 53f., N r . 61. 176 U B Bünden, 1, S. 38lf.; zum Verzeichnis vgl. die Einleitung zur Edition ebd., S. 378f. 177 U B Bünden, 1, S. 152f„ N r . 190.

Chur

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12. Der Forst am Rhein Die zweite Forstverleihung von 1050 betraf einen Forst, der sich zwischen Versam und Landquart bzw. Bad Ragaz auf beiden Ufern des Rheins erstreckte. 178 Er ähnelt damit dem Salzburger Forst an der Salzach, der dem Erzstift im Jahr 1027 bestätigt wurde. 179 Im Gegensatz zum Salzburger Forst läßt sich im vorliegenden Fall abschätzen, wie tief das Gebiet war, das auf beiden Ufern unter den Forst fiel. Die jeweiligen Grenzbeschreibungen geben dagegen keine genaue seitliche Begrenzung der Forste an. Die Nordwestflanke des Churer Forstes wird vom Fluß Tamina gebildet, der parallel zum Rhein verläuft, bevor er in ihn mündet. Das Gebiet, das Rhein und Tamina einschließen, ist ungefähr fünf bis sieben Kilometer tief. Der gesamte Forst wird also wohl auf beiden Seiten etwa diese Breite aufgewiesen haben. Das Forstgebiet war zum Zeitpunkt der Forstverleihung bereits erschlossen. Dort befand sich nicht zuletzt wichtiger Churer Besitz, der zu einem Gutteil aus Reichsgut stammte. 180 Es ist noch weiteres Reichsgut im Forstgebiet nachweisbar, das teilweise in den Besitz verschiedener anderer Eigentümer überging. 181 Hinzu kam eine Reihe weiterer Grundherren. 182 Es wird sich bei der Forstverleihung daher kaum um eine Gebietsschenkung gehandelt haben. Dagegen spricht auch der Umstand, daß die Verleihung des Forstbannes mit der Zustimmung betroffener Dritter erfolgte. 183 Der Forst dürfte folglich durch die Verleihung erst geschaffen worden sein; es wird sich bei ihm, wie

178 D H i l l 252. 179 Nr. 63. 180 Dazu gehörte umfangreicher Besitz zu C h u r selbst, der Hof Zizers, ein Weingarten zu Trimmis, nicht näher zu lokalisierende Forste und die Kirchen zu Rhäzuns und Bonaduz: D D O I 175, 182, 191, 209; D O II 124; D O III 48. Zu diesen Schenkungen vgl. Pieth, Bündnergeschichte, S. 39f.; Bundi, Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, S. 59-64, mit Karte S. 62, S. 98. 181 So zu Untervaz, Felsberg, Rhäzuns und Domat-Ems sowie Trimmis: U B Bünden, 1, S. 97f., Nr. 1 1 7 ( D O I 208); S. 385, 391. 182 So die Klöster Schänis, Churwalden und St. Luzi in C h u r sowie das Hochstift K o n stanz und weltliche Grundherren: UB Bünden, 1, S. 232f., Nr. 318 (1149), S. 243, Nr. 333 (D F I 128), S. 247f„ Nr. 336 (1156), S. 2 9 6 - 9 9 , Nr. 400 (1178), U B Bünden, 2, S. 1 2 8 - 3 1 , Nr. 627 (1222); U B Bünden, 1, S. 28f., Nr. 25 (768-800/814), S. 31, Nr. 29 (768-800/814), S. 164f„ Nr. 206 (1084). Vgl. Bundi, Zur Besiedlungs- und W i r t schaftsgeschichte Graubündens, S. 1 0 7 - 1 1 0 , 385-387, 409f. 183 D H III 252: nos ... ad altare sanctae dei genitricis Mariae, quod est in Curia, bannum nostrum super unum forestum in comitatu Ottonis comitis situm, cuius limites sunt: a valle Versamia ex utraque parte Rheni usque ad fluvium Langorum in monte et planitie, cum consensu praedicti Ottonis comitis et Roudolfi, Eginonis etfiliorum eius, alterius Eginonis, Hunberti, Adalberonis et caeterorum conprovincialium, et ex alia parte Rheni usque ad Tuminga ... cum consensu etiam abbatis Fabariensis Pirihtilonis et advocati sui Werenheri concessimus habendum.

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Die einzelnen F o r s t e

schon bei dem ersten Forst von 1050, um einen gewöhnlichen Wildbann gehandelt haben. Damit liegen zwei Beispiele dafür vor, daß Wildbannprivilegien im Ausnahmefall das charakteristische Jagdverbot für Unbefugte vermissen lassen können. Es gibt keine Hinweise darauf, daß der Forst einen Einfluß auf Rodung und Landesausbau ausübte. Zwei Klöster, die im Forstgebiet begütert waren St. Luzi in Chur und Churwalden - erhielten im 12. und 13. Jahrhundert Urkunden vom Papst und vom Churer Bischof, in denen ihnen verbrieft wurde, daß sie niemandem Novalzehnten auf Neureute zu zahlen bräuchten, die sie selbst anlegten oder mit ihren eigenen Mitteln anlegen ließen. Die Urkunde des Churer Bischofs wurde auch vom Mainzer Erzbischof bestätigt.184 Was als möglicher Streitpunkt gesehen wurde, war also der Bezug der Novalzehnten. Dagegen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Rodung selbst irgendwelchen Einschränkungen unterlag, die sich aus dem Wildbann ergaben. Wie lange der Wildbann bestand, läßt sich nicht genau sagen. Es ist allerdings zu beobachten, daß das Hochstift spätestens im 13. Jahrhundert nicht mehr die Jagd im ganzen Forstgebiet kontrollierte, obwohl das wohl in jedem Fall ein Zweck der Wildbannverleihung gewesen sein dürfte. Im äußersten Norden des Forstgebietes von 1050 übte der Abt von Pfäfers eine derartige Kontrolle aus. Das ist umso auffälliger, als die Urkunde von 1050 einen seiner Vorgänger unter den Konsentierenden nennt. 1261 erhielt jedenfalls ein Heinrich von Wildenberg die Vogtei Wartenstein und verpflichtete sich dabei unter anderem zu folgendem: in terminis predicte advocatie preter abbatis voluntatem nullam venationem penitus debeam exercere.185 Hier hatte also der Abt von Pfäfers den Churer Bischof als Wildbannherrn abgelöst.

Eichstätt 13. Die Urkunden von 889, 908, 918 und 1002 Die Eichstätter Bischofskirche erhielt 889 von Arnulf von Kärnten einen locum Sezzi übertragen sowie einen Teil des Waldes, der zum Hof Weißenburg gehörte.186 Die Bestimmungen der zugehörigen Urkunde greift ein Diplom

184 U B Bünden, 1, S. 232f., N r . 318 (1149), S. 247f., N r . 336 (1156), S. 248f„ N r . 337 (1157); U B Bünden, 2, S. 1 2 8 - 3 1 , Nr. 627 (1222). 185 U B Bünden, 2, S. 3 8 7 - 8 9 , N r . 958, S. 388.

186 D Arn. 72: dedimusque illuc praefatum locum cum quadam parte silvae et foresti de curte Uuizunburc. Die Urkunde ist nur abschriftlich überliefert, zuerst aus dem 14. Jahrhundert: ebd., vgl. auch Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, N r . 72.

Eichstätt

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Ludwigs des Kindes von 908 auf und bezieht sie auf ein größeres Gebiet.187 Ein Privileg Konrads I. vergrößerte 918 den Geltungsbereich noch weiter,188 wie auch eine Bestätigungsurkunde Ottos III., die aber den ursprünglichen Forst gar nicht mehr erwähnt.189 Die ursprüngliche Schenkung betraf einen Teil des Weißenburger Reichsforstes und damit einen königlichen Bannwald,190 wie schon aus der Urkunde Arnulfs hervorgeht, die von einer pars silvae et foresti spricht.191 Die Verfügung über den verschenkten Teil des Forstes hatte bis dahin ein Graf Ernst innegehabt, dessen Zustimmung zur Forstverleihung erwähnt wird. Die Urkunde spricht ein Nutzungsverbot für Unbefugte aus, das über die Jagd hinaus auch für den Holzschlag, die Weide und die Heumahd gelten sollte. Im Zusammenhang damit heißt es ganz allgemein, daß niemand im Forstgebiet irgendeine Nutzung vornehmen solle oder falsche Anschuldigungen erheben bzw. Streitigkeiten vom Zaun brechen dürfe (aliquam infestationis calumniam ingerere).m Es hat nicht den Anschein, daß die beiden letzten Bestimmungen der Verleihung eine zusätzliche Qualität gaben. So sind kaum Forstnutzungen denkbar, die nicht schon unter die spezifischen Nutzungsverbote fielen. Das generelle Nutzungsverbot scheint mithin nicht wesentlich über das hinauszugehen, was in der Urkunde schon in anderer Form und viel detaillierter zum Ausdruck gebracht wird. Es diente wohl lediglich dazu, die übrigen Vorschriften zusammenzufassen. Ganz entsprechend dürfte die zweite fragliche Bestimmung zu bewerten sein. Die Anschuldigungen oder Streitigkeiten, von denen dort die Rede ist, hängen wohl mit den besonderen Bedingungen zusammen, die im Forst gelten sollten. Schließlich handelte es sich bei diesem um ein Waldgebiet, so daß es kaum andere Streitobjekte gegeben haben dürf187 D LdK 58 (908); es ist dort die Rede von der partem illius foresti erga Sezzin. Die Urkunde ist ebenfalls nur abschriftlich überliefert, zuerst durch eine Nachzeichnung wohl aus dem späten 10. Jahrhundert: ebd., vgl. auch Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 101. 188 D K o I 36; Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 113. 189 D O III 424. 190 Zur Rekonstruktion des Forstgebietes, das Eichstätt erhielt, siehe Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 72; vgl. auch Eigler, Die Schlüsselposition des Weißenburger Reichsforstes, bes. S. 81, mit Karte; Ders., Weissenburger Reichsforst und Pappenheimer Mark, S. 355; Ders., Das Siedlungsbild des Eichstätter Raums zur Zeit des heiligen Willibald, S. 227. 191 D Arn. 72. 192 Ebd.: dedimusque illuc praefatum locum cum quadam parte silvae et foresti de carte Uuizunburc cum consensu comitis Ernusti, qui eidem curti et comitatui ad praesens dominari videtur, cum omni integritate ... veluti hactenuspraedictus comes in ea parte ad forestum in vestitura habuerat. 193 Ebd.: ea videlicet ratione ut nullius ordinis velpotestatis persona ullo umquam tempore infra praescriptos terminos aut venationem exercere seit aliquam infestationis calumniam ingerere aut ligna cedere vel foenum secare seu aliquo pastu perfrui seu ullo usu omnino potiri absque licentia iam dicti antistitis praesumat vel successorum eius.

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Die einzelnen Forste

te als die Nutzungen, von denen in der U r k u n d e gesprochen wird. D a m i t fügte aber auch die genannte Vorschrift den anderen nichts Neues hinzu, denn es geht aus den speziellen Nutzungsverboten in aller wünschenswerten Deutlichkeit hervor, daß nur der Eichstätter Bischof über die N u t z u n g des Forstes verfügen sollte. D a ß diese Vorschriften eingehalten und nicht angefochten werden sollten, ist selbstverständlich, denn sonst wären sie ja gar nicht erst ausgesprochen worden. Die allgemeine Anordnung ist mithin überflüssig. Ahnlich verhält es sich in dem möglichen Fall, daß noch Beschuldigungen und Anfeindungen ganz anderer Art gemeint gewesen sein sollten. Bei ihnen dürfte es sich von selbst verstanden haben, daß sie einem Hochstift nach Möglichkeit erspart bleiben sollten. Sonst müßte man annehmen, daß es nichts daran auszusetzen gab, wenn das Hochstift außerhalb des Forstes bedrängt wurde und das nur im Forst unerwünscht war. Das dürfte recht unwahrscheinlich sein. Damit handelt es sich bei den erörterten Vorschriften um allgemeine Verbote, die keinen wirklichen eigenen Inhalt besaßen, sondern nur die Aussage der anderen Bestimmungen in veränderter F o r m aufgriffen. Das ist im Hinblick auf die allgemeinen Nutzungsverbote mancher Wildbannurkunden von Interesse (obwohl es sich im Eichstätter Fall nicht um einen einfachen Wildbann handelt), denn es läßt vermuten, daß diese eine vergleichbare Funktion besaßen. Nutzungsverbote, die so ausführlich formuliert sind wie im Privileg von 889, fehlen in anderen Urkunden über Bannwaldforste. Im Eichstätter D i p l o m wird ebenfalls bestimmt, daß der Forst unter demselben Bann stehen sollte wie vor der Verleihung. 194 D e r gleiche Nutzungsvorbehalt muß also auch vom königlichen Vorbesitzer geltend gemacht worden sein. D a es sich beim Weißenburger Forst konkret um Waldbesitz handelte, kann es nicht verwundern, daß zum Forst auch die vollständige Nutzung dieses Waldes gehörte. Ebensowenig darf vergessen werden, daß hinter dem weitergehenden N u t zungsvorbehalt möglicherweise gar nicht die Absicht des Forstherrn stand, die betroffenen Nutzungen tatsächlich selbst auszuüben. Vielmehr mag beabsichtigt gewesen sein, im Interesse der Jagd ganz zu verhindern, daß der Wald überhaupt genutzt wurde. Die Indizien sprechen dafür, daß die zweite Möglichkeit zumindest eine gewisse Rolle spielte. So kam es im Mittelalter, ja bis ins 18. Jahrhundert zu keinen Rodungen im Eichstätter Forstgebiet." 5 Das V e r b o t des Holzschlags, das in den späteren Urkunden anscheinend auf die Rodung ausgeweitet wurde, 196 kann also zu keinem Zeitpunkt dazu gedient 194 Ebd.: praelibatae res ab hodierna die ... sub eodem banno, sicut antea fuit, ad memoratam aecclesiam secure pertineant. 195 Eigler, Die Schlüsselposition des Weißenburger Reichsforstes, S. 79; Ders., Weissenburger Reichsforst und Pappenheimer Mark, S. 354-56; Ders., Das Siedlungsbild des Eichstätter Raums zur Zeit des heiligen Willibald, S. 225-28. In anderen Teilen des Reichsforstes wurde durchaus gerodet; dazu ausführlich die genannte Literatur. 196 D Arn. 72: ligna cedere; D LdK 58, D Ko I 36, D O III 424: arbores abscidere.

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haben, die Rodung lediglich in bestimmte Bahnen zu lenken; sie sollte vielmehr ganz unterbunden werden. Einen anderen Teil des Weißenburger Reichsforstes überließ Ludwig der Bayer der Stadt Weißenburg noch 1338 unter der Bedingung, daß dort nicht gerodet werden würde."7 Hinter dieser Bestimmung kann doch nur die Jagd gestanden haben. Denn wollte der Schenker den Baumbestand im Hinblick auf andere Nutzungen, einschließlich der Rodung, schonen, hätte er dies wohl nur getan, um selbst über die betroffenen Nutzungen zu verfügen. Von der Forstschenkung wäre dann faktisch nicht mehr viel übrig geblieben. Die Jagd im Wald hätte den neuen Besitzer dagegen wohl viel weniger stark eingeschränkt. Wie dem auch gewesen sein mag: Daß die Rodung im Eichstätter Forst von 889 ausblieb, läßt vermuten, daß die Nutzungsverbote der Forstverleihung darauf abzielten, ein Jagdgebiet zu erhalten. Alle Bestimmungen des Forstdiploms werden nun in den Urkunden von 908, 918 und 1002 auf ein Gebiet bezogen, das über den Bannwald hinausgeht. Dabei weicht die Formulierung im Detail von der Forsturkunde ab, behält aber den Sinn im wesentlichen bei."8 Es mag hier ebenfalls darum gegangen sein, ein Schongebiet für die Jagd zu schaffen, genau wie bei dem Teil des Weißenburger Reichsforstes, den Eichstätt 889 erhalten hatte und der sich in den Urkunden von 908 und 918 hinter der pars illius foresti erga Sezzin verbergen dürfte (die Forstschenkung war ja zusammen mit der des locus Sezzi erfolgt). Möglicherweise hatte die Erweiterung des Geltungsgebiets aber doch einen anderen Hintergrund. Zum erweiterten Geltungsbereich zählt nämlich auch die ,eigene Mark' {propria marcha) des Hochstifts; sie wird gleich an erster Stelle genannt.'" Es mag durchaus so gewesen sein, daß das Hochstift sich die alleinige Nutzung in dieser Mark vorbehalten wollte; das könnte bei seiner propria marcha eigentlich nicht überraschen. Die Forsturkunde von 889 brachte ein entsprechend weitgespanntes Verbot bereits zum Ausdruck, das nur noch 197 Eigler, Die Schlüsselposition des Weißenburger Reichsforstes, S. 80; Ders., Weissenburger Reichsforst und Pappenheimer Mark, S. 354f.; Ders., Das Siedlungsbild des Eichstätter Raums zur Zeit des heiligen Willibald, S. 226f. 198 D LdK 5%:Insuper etiam volumus atque omnino iubemus, ut nulla persona audeat in illa propria marcha predirti monasterii [sc. Eihstetensis coenobii] [D Ko I 36, D O III 424: inter Alimoniam et Scutaram] et in locis Itensheim, Pussenesheim, Puttinveld, Mechinloh, Chittinveld, Rammesberch, [D O II 424: Suntina] [D Ko I 36: Morinesbeim\ partem [D Ko I 36: parte] illius foresti erga Sezzin et Affintal nominatis sine consensu et voluntate ... prescripti pontificis successorumque eius in silvis maioribus vel minoribus porcos saginare ferasque silvaticas venare, arbores abscidere aut ullam iniuriam facere, sed et baec utilitas atque potestas Eihstetensis aecclesiae praesuli sibique subiectis in elemosinam nostram aeternaliter sit concessa. D O III 424 übergeht die pars illius foresti erga Sezzin und Affintal völlig und hat stattdessen et ex altera parte Alimonie Ruotpoldespuoch ceterisque maioribus vel minoribus silvis in praenominata marca. 199 Vgl. die vorige Anm.

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auf das gewünschte zusätzliche Gebiet ausgedehnt zu werden brauchte. So ließen sich eine neue Verleihung und die Bestätigung des älteren Forstes ohne große Umstände kombinieren. In der U r k u n d e O t t o s I I I . wird der Forst von 889 dann gar nicht mehr genannt. 200 W e l c h e m Zweck das Nutzungsverbot jeweils diente, spielte dabei keine Rolle. Was immer im einzelnen auch der Grund gewesen sein mag: In den späteren Urkunden wurden lediglich die Bestimmungen des Forstdiploms von 889 übernommen; mehr geht aus den U r k u n d e n strenggenommen nicht hervor. Es mag zutreffen, daß die späteren Verleihungen tatsächlich einen umfassenden Nutzungsvorbehalt schaffen sollten und nicht nur ein Jagdgebiet in der Art des ehemaligen Reichsforstes. Man wird dann aber nicht mehr sagen können, als daß dazu auf die Formulierung einer Forsturkunde zurückgegriffen wurde. D i e Forsturkunde von 889 war deshalb dazu geeignet, weil sie eine Art von Forst (Bannwald) betraf, für die ein umfassender Nutzungsvorbehalt gewissermaßen von Natur aus gegeben war, und weil man diesen eigens ausformuliert hatte, wohl im Hinblick auf die Jagd. Nicht gerechtfertigt ist der Schluß, daß Forsturkunden an sich, also auch Wildbannprivilegien, in jedem Fall dazu hätten benutzt werden können, ein umfassendes Nutzungsverbot zum Ausdruck zu bringen. D i e Urkunde von 889 war schließlich kein Wildbanndiplom, sondern galt einem Bannwaldforst. A u c h der vorliegende Fall stützt mithin nicht die Annahme, daß Wildbannverleihungen einen Nutzungsvorbehalt schufen, der über die Jagd hinausgingD i e Voraussetzungen für die Funktionserweiterung der Forsturkunde von 889 waren ungewöhnlich und ergaben sich aus der Art des Forstes. A b e r auch die Bedingungen für einen umfassenden Nutzungsvorbehalt zugunsten des Hochstifts müssen sehr günstig gewesen sein. So befand sich der betroffene R a u m zumindest zum Teil bereits in einer besonderen Beziehung zum Hochstift Eichstätt. Das geht daraus hervor, daß er als die ,eigene M a r k ' des Hochstifts bezeichnet wurde. Wahrscheinlich war sogar das ganze Gebiet der späteren Urkunden ,eigene Mark' des Hochstifts. Die Urkunde O t t o s III. läßt nämlich vermuten, daß alle Orte, aus denen sich das zusätzliche Geltungsgebiet zusammensetzte, zu der ,eigenen Mark' gehörten. 201 Ein umfassender Nutzungsvorbehalt dürfte daher im vorliegenden Fall besonders leicht durchzusetzen gewesen sein. Man kann nicht davon ausgehen, daß es sich bei jeder Wildbannverleihung ähnlich verhielt. I m Bereich des Nutzungsvorbe-

200 Vgl. Anm. 198. 201 D O III 424: ut nulla persona audeat in ilia propria marca eiusdem monasterii inter Alimoniam et Scutaram et in locis Itenesheim, Mechinloch ... et ex altera parte Alimonie Ruotpoldespuoch ceterisque maioribus vel minoribus silvis in praenominata marca sitis sine consensu eiusdem episcopi Erchanbaldi successorumque eius porcos saginare...

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haltes in der ,eigenen Mark' des Hochstifts entstanden im Hochmittelalter auch bischöfliche Rodungssiedlungen.202 Ob dies mit den königlichen Privilegien von 908 bis 1002 zusammenhängt, dürfte wohl kaum mehr feststellbar, aber unwahrscheinlich sein. Das Hochstift war im fraglichen Raum jedenfalls bei weitem nicht der einzige Rodungsträger.203 Selbst wenn die Privilegien Ludwigs des Kindes und seiner Nachfolger sich hier niedergeschlagen haben sollten, wird man diese Auswirkungen doch nicht mit denen anderer Wildbannverleihungen gleichsetzen dürfen. Die Ausdehnung des Nutzungsverbots von 889 auf einen größeren Raum wird nämlich kaum als gewöhnliche Wildbannverleihung bezeichnet werden können. Dagegen sprechen die besonderen Umstände dieses Vorgangs. Die Schenkung eines Bannwaldforstes, der ein umfassendes Nutzungsverbot von Natur aus mit sich brachte, lag 908 bis 1002 ebenfalls nicht vor. Daß der Forstbegriff in den Urkunden auf die neue hochstiftische Nutzungszone gar nicht angewendet wird, sei dabei nur am Rande erwähnt. Es handelt sich bei der Ausbreitung des Nutzungsvorbehalts von 889 um einen Sonderfall, der eigentlich nicht auf eine Stufe mit Forstverleihungen gestellt werden kann. Venationes et forestas sind sowohl für den Eichstätter Teil des Reichsforstes als auch den Bereich der propria marcba noch im 14. Jahrhundert als hochstiftische Lehen bezeugt,204 ohne daß dies an der eben dargelegten Einschätzung etwas ändert.

14. Der Wildbann von 1053 Eine Urkunde Heinrichs III. von 1053 gestand der Eichstätter Bischofskirche gewisse loca als Forst zu (in forestum concessimus).205 Dieser nicht ganz klaren Formulierung wird man wohl entnehmen dürfen, daß eine Neueinforstung vorgenommen wurde, also eine Wildbannverleihung vorliegt.206 Die Urkunde weist auch alle Merkmale eines Wildbannprivilegs auf. So wird der Konsens betroffener Dritter erwähnt,207 von denen nicht weniger als dreißig nament-

202 Ochsenhard, Biesenhard und Schönau entstanden um 1200: Eigler, Das Siedlungsbild des Eichstätter Raums zur Zeit des heiligen Willibald, S. 231; Ders., Binnenkolonisation in Franken, S. 361. 203 Vgl. Eigler, Binnenkolonisation in Franken, bes. S. 36lf., 365. 204 MB 49, S. 527-29, Nr. 344, bes. S. 528; vgl. Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 1288. 205 D H i l l 303. 206 Ebd.: nos ... quaedam loca de villa Wachingen [es folgt die Grenzbeschreibung] in forestum liberali munificentia concessimus sita in comitatu Friderìci comitis in pago Reciae et in comitatu Chononis comitis in pago Swalaueldorum confirmantes imperiali nostra auctoritate praenominato episcopo suisque successoribus et perpetuo iure stabilientes bannum supra idem forestum. 207 Ebd.: conlaudantibusprovinciarum illarum optimatibus...

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lieh genannt werden, und ein Jagdverbot f ü r Unbefugte ausgesprochen. 208 Im Forstgebiet hatte das Hochstift bereits lange vor der Verleihung Besitz erworben. 209 Man kann davon ausgehen, daß „der Bereich des eichstättischen Bannforstes seit dem Hochmittelalter kaum mehr aufgesiedelt wurde." Für irgendeine Verbindung des vorausgegangenen Ausbaus zum Wildbann gibt es keine Anzeichen. Das gilt sowohl für den hochstiftischen als auch den fremden Besitz im Forstgebiet. 2 " Zu den Grundherren zählten neben einigen Klöstern Adelsgeschlechter wie namentlich die Truhendinger und die Grafen von Oettingen. 212 Letztere hatten die Vogtei über große Teile des Hochstiftbesitzes im Untersuchungsgebiet inne.213 Beide genannten Geschlechter legten dort Siedlungen und Burgen an.214 Die Oettinger hatten um 1300 auch die advocatia super nemus in Ehingen und den wildpan in eodem nemore vom Hochstift inne.215 Der Wildbann allein wurde den Grafen von Oettingen vom Bischof 1311 als Erblehen verliehen.216 1347 erhielten die Oettinger Grafen den Hochstiftsbesitz zu Ehingen im Umfang der Vogtei, die sie ausübten, einschließlich des Truhendinger Forstes.217

208 Ebd.: ea videlicet ratione ut praedictus episcopus suique successores de concesso foresto liberam habeant potestatem, nullusque praesumat inibi venari absque licentia episcopi eiusque missi. 209 So zu Westheim, Appenberg und Hechlingen: D Arn. 175; vgl. Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nrr. 83, 104. Zu Westheim und Auhausen lag auch der Besitz, den Otto I. einem Hartmann überließ, nachdem er dem Vorbesitzer abgesprochen worden war: D O I 203. An gleicher Stelle vergab auch O t t o III. 996 Güter: D O III 190. 210 Kudorfer, Nördlingen, S. 68. 211 Hochstiftischer Besitz lag z. B. zu Erlbach und Ehingen: Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nrr. 658 (1225-28), 765 (1251), 913; vgl. Kudorfer, Nördlingen, S. 323f. 212 Im Forstgebiet begüterte Klöster waren Rebdorf, Wülzburg, Heilsbronn und Solnhofen: Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nrr. 445, 547 (1209), 704 (1239), 771 (1250), 971 (1283). Zu den Truhendingern Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 16, 21, zu den Grafen von Oettingen ebd., passim. Ein weiteres Adelsgeschlecht, die Alerheim-Auhauser, hatte sich im Hochmittelalter, wahrscheinlich bis 1133, aus dem Untersuchungsgebiet zurückgezogen: Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 16, 21. 213 Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 22-26; Ders., Nördlingen, S. 67, 323. 214 Auf die Truhendinger geht die Anlage der Burgen Rechenberg, Spielberg und H o hentrüdingen am Rand des Wildbanngebietes zurück (Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 22). Die Entstehung Wassertrüdingens wurde mit den Oettingern in Verbindung gebracht: Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 23. Im frühen 13. Jahrhundert erfolgte die Anlage von Niwenottingen am oettingischen Stammsitz: ebd. 215 Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 1055. Hinzu kam der Wildbann im Forst zu Wassertrüdingen, vgl. ebd., Nrr. 913, 1434, 1481, 1626; MB 50, S. 65f., Nr. 70 (1311); UB Oettingen, Nr. 232 (1311). 216 UB Oettingen Nr. 232; MB 50, S. 65f„ Nr. 70. 217 UB Oettingen, Nr. 528; MB 50, S. 340f., N r . 515; Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 24.

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Inwieweit Forst und Wildbann, die innerhalb des älteren Eichstätter Wildbanngebietes lagen, auf die Forstverleihung von 1053 zurückgingen, läßt sich nicht sagen. Das gleiche gilt für die Grenze des Wildbanns, den die Oettinger Grafen 1419 von König Sigismund erhielten.218 Es gibt zwar Übereinstimmungen im Grenzverlauf,2'9 aber diese können auch dadurch zustandegekommen sein, daß unabhängig voneinander die gleichen Grenzmarken gewählt wurden. Ein Zusammenhang mit dem oettingischen Territorium ist auch in anderer Hinsicht nicht anzunehmen. So ging die spätere oettingische Landgerichts- und Geleitgrenze weit über das Forstgebiet von 1053 hinaus.220 Dieses kann also nicht für die Ausdehnung des Landgerichtbezirks verantwortlich sein, trotz gegenteiliger Vermutungen der Forschung.

15. Das Wildbannprivileg von 1080 Das Eichstätter Wildbannprivileg von 1080 kann nicht als Originaldiplom angesehen werden, weil der Urkunde die „äußeren Kennzeichen der Kanzleimäßigkeit" und „jede Beglaubigung" fehlen. Es kann aber auch nicht einfach von einer Fälschung gesprochen werden, denn das Monogramm ist nicht um den Vollziehungsstrich vervollständigt worden.222 Bei dem Privileg handelt es sich um die Verleihung eines wiltbannum.223 In Gegensatz zu anderen Wildbannurkunden wird der Inhalt des Banns nicht weiter beschrieben. Der Urkunde fehlen die typische Konsensformel und das Jagdverbot für Unbefugte. Man hat vermutet, daß die vorliegende Urkunde die Reinschrift sei, die der Empfänger selbst anfertigte, nachdem er sein Konzept der Kanzlei Heinrichs IV. bereits vorgelegt hatte. Zuguterletzt sei der Urkunde dann aber doch noch die Beglaubigung versagt worden.224 Es lassen sich Vermutungen darüber anstellen, warum die Urkunde nicht beglaubigt wurde bzw. über die Umstände, die dazu führten. Der Schlüssel könnte darin liegen, daß der Wildbann unter anderem auch das Gut zu Greding einschloß, das der Eichstätter Bischof wahrscheinlich nach 1064/65 übertragen bekommen hatte, aber schon bald an Markgraf Ekbert von Mei-

218 Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 180, 187. 219 Ebd., S. 25; vgl. auch die Karte in Kieß, Forst-Namen als Spuren frühmittelalterlicher Geschichte II, S. 109. 220 Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, Kartenbeilagen 1, 2 und 3. Auch das Landgericht war Gegenstand der Privilegierung durch Sigismund: ebd., S. 155. 221 Ebd., S. 25. 222 Vorbemerkung zu D H IV 323. Zum Wildbann vgl. auch Regesten der Bischöfe, N r . 259. 223 D H I V 323. 224 Vorbemerkung zu D H IV 323; vgl. auch Hoffmann/Pokorny, Das Dekret des Bischofs Burchard von Worms, S. 139.

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ßen verlor.225 Die Rückgabe an Eichstätt wurde von Heinrich IV. 1091 ausdrücklich verfügt, nachdem ähnliche Mandate wohl schon zweimal nicht die gewünschte Wirkung gezeigt hatten.226 Kurz darauf büßte das Hochstift das Gut aber wieder ein, das nun in die Hand des Grafen Heinrich des Fetten von Northeim gelangte.227 Diese Querelen könnten vielleicht auch eine vollgültige Wildbannverleihung vereitelt haben; mehr als eine Spekulation kann dies selbstverständlich nicht sein. Im Wildbanngebiet ist später sowohl Eichstätter als auch fremder Besitz belegt;228 irgendein Zusammenhang mit dem Wildbann ist nicht erkennbar. Zu Hirschberg im Wildbanngebiet gingen zu Anfang des 14. Jahrhunderts vom Hochstift zu Lehen: usum et ius venandi sowie venationes et forestas.229 Eine Verbindung zum Wildbannprivileg ist ebenfalls nicht nachweisbar. 1481 wurde die Wildbannurkunde von Friedrich III. durch Transsumierung bestätigt.230 Ein Indiz für die Gültigkeit der Verleihung von 1080 ergibt sich daraus nicht.

16. E l l w a n g e n Das Kloster Ellwangen wurde im 8. Jahrhundert inmitten des Virngrundwaldes gegründet,231 der nach einer Urkunde Heinrichs II. von 1024 zum Kloster ge-

225 Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 267. 226 D H IV 418: Scriptum in libro sapientiae testatur, quia funiculus triplex diffitile rumpitur. Quod nos considerantes sepius inculcando repetimus, quod firmum et inscissum permanere desideramus ... Eichstetensi aecclesiae bona sua ... ablata ab invasoribus non semel sed bis reddidimus. Vgl. Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 262, 265, 267, 268. 227 Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 268; Lange, Die Stellung der Grafen von Northeim, S. 85f. 228 Hochstiftischer Besitz befand sich im 12. Jahrhundert zu Biburg, Morsbach, Titting, Petersbuch, Walting, Kaidorf und Wachenzell: MB 49, S. 30-33, Nr. 12 (1179), S. 4447, Nr. 20 (1186); vgl. Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 452. Im Wildbanngebiet war beispielsweise noch das Kloster Rebdorf zu Pfraunfeld, Wengen und Pollenfeld begütert (Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 704). Im 12. Jahrhundert erwarb die Probstei Berchtesgaden von Laien Besitz zu Thalmässing und Nottersdorf: Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nr. 375. Zu nennen ist auch der Besitz der Grafen von Hirschberg: ebd., Nrr. 1288, 1346. 229 MB 49, S. 527-29, bes. S. 528; vgl. Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Nrr. 1288, 1346. Zur Jagd im Hochstift Eichstätt in späterer Zeit vgl. Ettle, Bischöfe im Jägerkittel. 230 Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, N r . 259; D H IV 323. 231 Die maßgebliche Quelle zur Gründung ist die Vita des Klostergründers Hariolf (gedruckt in M G SS X, S. 11-14, sowie Burr, Vita Hariolfi, S. 14-34). Zur Gründung vgl. Burr, Vita Hariolfi; Fik, Zur Geschichte der Leitung der Abtei Ellwangen; Böhne, Zur frühmittelalterlichen Geschichte Ellwangens; Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 1-9; Pfeifer, Ellwangen, S. 189-92.

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gehörte. 2 3 2 I n derselben U r k u n d e w i r d dieser W a l d , o d e r v i e l m e h r ein genauer u m s c h r i e b e n e r T e i l v o n i h m , in d e m a u c h das K l o s t e r selbst lag, z u m F o r s t e r k l ä r t . 2 " D i e F o r m u l i e r u n g der V e r l e i h u n g s u r k u n d e läßt k e i n e n Z w e i fel daran, daß hier ein n e u e r F o r s t geschaffen w u r d e . A u s d i e s e m G r u n d , u n d weil der e i n g e f o r s t e t e W a l d bereits z u m K l o s t e r g e h ö r t h a b e n soll, ist es u n w a h r s c h e i n l i c h , daß n e b e n der B a n n l e i h e a u c h eine G e b i e t s s c h e n k u n g v o r liegt. D e r N u t z u n g s v o r b e h a l t , der in der U r k u n d e v o n 1 0 2 4 a u s g e s p r o c h e n w i r d , ist u n g e w ö h n l i c h w e i t gefaßt. 2 3 4 W i e dargelegt w e r d e n soll, d ü r f t e das auf b e s o n d e r e U m s t ä n d e z u r ü c k z u f ü h r e n

sein, die n i c h t

verallgemeinert

w e r d e n k ö n n e n . S o f e r n das u m f a s s e n d e N u t z u n g s v e r b o t n i c h t einfach n u r dazu diente, d e m z e n t r a l e n J a g d v o r b e h a l t N a c h d r u c k z u verleihen, läßt sich eine V o r s t e l l u n g v o n den u n t e r s a g t e n T ä t i g k e i t e n aus einer U r k u n d e g e w i n n e n , die F r i e d r i c h I. d e m K l o s t e r 1 1 6 8 ausstellte. I n ihr v e r b r i e f t e B a r b a r o s s a der A b t e i den B e s i t z des V i r n g r u n d w a l d e s m i t d e r J a g d , d e m F i s c h f a n g , der N u t z u n g der B i e n e n , d e m H o l z s c h l a g u n d d e r Rodung. 2 3 5 B e r e i t s 1 1 5 2 hatte er d e m K l o s t e r den V i r n g r u n d w a l d in den G r e n z e n v o n 1 0 2 4 bestätigt. 2 3 6 D a r ü b e r hinaus hält die U r k u n d e v o n 1 1 6 8 a b e r a u c h eine Ü b e r e i n k u n f t fest, die das K l o s t e r m i t F r i e d r i c h B a r b a r o s s a u n d s e i n e m S o h n F r i e d r i c h , d e m H e r z o g v o n S c h w a b e n , g e t r o f f e n hatte. D e r H e r z o g sollte die J a g d u n d die R o d u n g s t ä t i g k e i t i m V i r n g r u n d w a l d überwachen. 2 3 7 D i e J a g d sollte v o n seiner G e n e h m i g u n g a b h ä n g i g sein, u n d w e n n er es zuließ, d a ß der W a l d d u r c h R o d u n g e n geschädigt w u r d e , sollte er sich v o r d e m A b t dafür v e r a n t worten. 2 3 8 I m G e g e n z u g erhielt der H e r z o g ein n i c h t n ä h e r b e z e i c h n e t e s

be-

232 D H U 505: silvam Virigunda dictum ad Elwacense cenobium pertinentem. Die Urkunde ist nur in einem Transsumpt Ludwigs des Bayern von 1335 erhalten. Dieses ist gedruckt in Högg, Die Urkunden Ludwigs des Bayern für das Kloster Ellwangen, S. 207f. 233 D H U 505: quandam silvam Virigunda dictam ad Elwacense cenobium pertinentem per nostram imperialem potenciam legali banno forestem fecimus. Zur Ausdehnung des Forstes vgl. Rettenmeier, Die Grenzen des Ellwanger Bannforsts, mit Karte S. 77. Eine Karte findet sich auch im Anhang von Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen. Vgl. auch Beck/Büttner, Die Bistümer Würzburg und Bamberg, S. 173. 234 D H I I 505: in eadem foresti a nobis constituta nulli venari aut piscari aut quidlibet exercere liceat, nisi eiusdem ecclesie permittente pastore. 235 D F I 547: nos ... Elwacensi ecclesie silvam, que Virgunda nuncupatur ... cum omni iure et usu venationis, piscationis, apum investigationis, cesure lignorum et exstirpationis... confirmasse. 236 D F I 35. 237 Es wird vom Herzog von Schwaben und seinen Nachfolgern gesagt, daß sie in venationibus et extirpationibus ius defensionis obtineant (D F I 547). 238 D F I 547: nos Elwacensi ecclesie silvam, que Virigunda nuncupatur... confirmasse, eo videlicet conditionis tenore, ut dilectissimus filius noster dux Sweuie Fredericus eiusque successores, qui idem beneficium ab abbate memorate ecclesie obtinuerint, in venationibus et extirpationibus ius defensionis obtineant et nemo in predicta silva absque concessione memorati ducis Sweuie venari audeat preter abbatem, qui ibi preter concessionem ducis ius venationis habet. Si autem ipse dux vel aliquis permissione ipsius

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neficium,m bei dem es sich um den Wald handeln könnte oder um die Möglichkeit, die Jagdaufsicht für eigene Zwecke zu nutzen. Die zweite Möglichkeit dürfte die wahrscheinlichere sein, da es dem Herzog nachdrücklich untersagt wird, den Wald zu roden oder ihn auf irgendeine andere Art zu schädigen.240 Damit wäre dem Staufer wohl ohnehin kaum eine andere Nutzung geblieben als die Jagd. Zudem ist nicht recht einsehbar, warum das Kloster umfangreiche Vorkehrungen zum Schutz seines Waldes treffen sollte, nur um ihn im gleichen Atemzug als Lehen aus der Hand zu geben. Die Bestimmungen des Vertrags erwecken eher den Anschein, daß das Kloster wirtschaftliche Grundlagen sichern wollte, die es selbst zu nutzen gedachte und welcher es sich begeben hätte, wenn es den Wald verlehnte. Auf den ersten Blick könnte man vielleicht meinen, die Urkunde von 1168 bestätige die Auffassung, daß Wildbannverleihungen sich auf alle nur denkbaren Nutzungen des Wildlandes bezogen, einschließlich der Rodung. Eine solche Deutung übersähe aber doch wohl zwei entscheidende Punkte. 1168 wurde dem Kloster der Virngrundwald an sich verbrieft (silvam, que Virgunda nuncupatur). Die Kontrolle über die erwähnten Nutzungen erscheint somit als der Ausfluß des Eigentums an diesem Wald,241 nicht der Forstverleihung; vom Forst ist 1168 überhaupt nicht mehr die Rede. Das Ellwanger Eigentum am Virngrundwald kann nun aber ebenfalls nicht auf die Forstverleihung zurückgeführt werden, da der Wald dem Kloster zum Zeitpunkt der Verleihung bereits gehörte, wie die Urkunde von 1024 zeigt.242 Somit läßt sich über das umfassende Nutzungsverbot der Ellwanger Forsturkunde folgendes sagen. 1024 wurde Waldbesitz des Klosters eingeforstet. Dabei wurden außer der Jagd auch alle anderen Waldnutzungen in allgemeiner Form in den Nutzungsvorbehalt aufgenommen. Daß der Eigentümer ei-

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eandem silvam extirpationibus vel aliquo modo devastare voluerit seu devastantes cohibere neglexerit, ipse dux coram abbate prememorate ecclesie secundum iusticiam satisfacturus astare debebit. Ebd.: dux Sweuie Fredericus eiusque successores, qui idem beneficium ab abbate memorate ecclesie obtinuerint. Vgl. die vorletzte Anm. Vgl. D F I 547: silvam ... cum omni iure et usu venationis etc. S. das Zitat in Anm. 233. Die Urkunde von 1168 behauptet, daß die Nutzungen, die Ellwangen verbrieft wurden, aus einer kaiserlichen Schenkung stammten (D F I 247: cum omni iure et usu ... imperiali auctoritate concessam et donatam). Selbstverständlich bedeutete das Nutzungsverbot von 1024, daß nur das Kloster die fraglichen Nutzungen im Virngrundwald ausüben sollte. Da der Wald 1024 aber bereits als zum Kloster gehörend beschrieben wird, kann das Eigentum des Klosters am Wald nicht auf die Forstverleihung zurückgeführt werden; an der im Text gegebenen Deutung ändert daher auch die Aussage der Urkunde von 1168 nichts. Über die Frage, ob und wann der Virngrundwald dem Kloster von einem Vorbesitzer formell übereignet worden war, sind nur Spekulationen möglich; vgl. Böhne, Zur frühmittelalterlichen Geschichte Ellwangens, S. 97f.; Burr, Vita Hariolfi, S. 35—49; Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 6f.

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nes Waldes bestrebt war, die Nutzung des Waldes sich selbst vorzubehalten, ist nun aber sicher nicht aufsehenerregend. Außergewöhnlich ist jedoch der Umstand, daß der Forstinhaber zugleich auch der Besitzer des eingeforsteten Gebietes war; bei der überwiegenden Mehrheit der Wildbannverleihungen war das nicht der Fall. Somit ergibt sich hier kein Anhaltspunkt dafür, daß Wildbannverleihungen grundsätzlich alle Nutzungen des Wildlandes einschlössen. Da der Wald zur Zeit der Forstbannverleihung bereits zum Kloster gehörte, kann die Verleihung auch nicht als eine notwendige Voraussetzung für Ellwanger Rodungen betrachtet werden. Vielmehr muß das Kloster vor der Forstverleihung dort bereits gerodet haben. Schließlich setzte die Gründung des Klosters selbst ja schon eine derartige Erschließungstätigkeit voraus.243 Auch hätte das Kloster ohne eine wirtschaftliche Grundlage nicht auskommen können, so daß der Klosterbesitz, der im frühen 12. Jahrhundert im Forstgebiet faßbar wird und auf den später zurückzukommen ist, nicht erst nach der Forstverleihung entstanden sein dürfte. Es dürfte also reichlich unwahrscheinlich sein, daß erst die Forstverleihung klösterliche Rodungen im Forstgebiet einleitete. Falls die Verleihung dagegen unerwünschte fremde Rodungen unterbinden sollte, so liefert die offensichtliche Notwendigkeit, den Herzog von Schwaben mit dieser Aufgabe zu betrauen, ein Indiz dafür, daß der Wildbann spätestens in der Mitte des 12. Jahrhunderts wirkungslos war. In die gleiche Richtung weist der Umstand, daß mit der Jagd eine Nutzung unter die Aufsicht des Herzogs gestellt wurde, die auf jeden Fall unter das Forstprivileg von 1024 fiel. In diesem Zusammenhang sind auch Anzeichen dafür zu berücksichtigen, daß der Vertrag mit den Staufern keine Präventivmaßnahme darstellte, sondern die Reaktion auf vorhandene Schwierigkeiten. Zeitgenössische Vorgänge der Ellwanger Geschichte könnten darauf hindeuten, daß die Klosterinteressen, die in der Urkunde von 1168 zum Ausdruck kommen, in beträchtlichem Maße beeinträchtigt wurden, bevor der Konvent sich an die Staufer wandte. So ergriff das Kloster Maßnahmen, die darauf gerichtet waren, Eigenmächtigkeiten von advocati abzuwehren. Zu diesem Zweck wurden Interpolationen in Ellwanger Urkunden und regelrechte Urkundenfälschungen vorgenommen.244 Indem das Kloster die Staufer mit dem Schutz des Virngrundwaldes betraute, nahm es somit bewußt die möglichen negativen Folgen in Kauf, die das Wir-

243 Auf den Besitzanspruch des Klosterkonvents auf den Virngrundwald weist auch der „übliche Topos von der Rodungstätigkeit im Ödland, im vorliegenden Fall auf dem bewaldeten Sandhügel im versumpften Jagst-Tal" in der Vita Hariolfi hin: Burr, Vita Hariolfi, S. 35. 244 Hier sind eine Interpolation in D O III 38 zu nennen (übernommen in D F I 35), sowie die Fälschung UB Wirtemberg, 1, S. 8f., Nr. 8 aus dem 12. Jahrhundert. Hierzu Beck, Quellenkritische Studien, S. 93-96, 100-106. Zur Frage der Ellwanger Klostervögte vgl. Fik, Zur Frage von ,Vögten' und ,Vogtei\

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ken von weltlichen Interessenvertretern haben konnte und die man sonst in der beschriebenen Weise abzuwenden versuchte. U m s o größer dürften die Probleme gewesen sein, denen durch den Vertrag mit den Staufern abgeholfen werden sollte. Diese Überlegung unterstreicht, daß die Forstverleihung von 1024 im Laufe der Zeit wirkungslos geworden sein dürfte. D i e vorsichtige Haltung gegenüber weltlichen Interessenvertretern scheint übrigens auch in den Bestimmungen des Vertrags von 1168 durch. Es heißt dort ausdrücklich, daß der H e r z o g sich vor dem A b t rechtfertigen müsse, falls der Wald von ihm oder aufgrund seiner Nachlässigkeit durch Rodungen oder auf irgendeine andere Art geschädigt würde. 245 I m Hinblick auf fremde Rodungen lassen sich die Probleme, die das Kloster im J a h r 1168 bewegten, auch sonst in der Uberlieferung verfolgen. Ein Beispiel für die Grundherrschaften, die sich im Forstgebiet ausbreiteten, was offensichlich mit Sorge beobachtet wurde, liefert die spätere Herrschaft Adelmannsfelden. 2 4 6 D e r O r t Adelmannsfelden wird in den Ellwanger Annalen, die bis 1237 reichen, zum J a h r 1113 erwähnt. A n dem betreffenden Eintrag, der paläographisch bisher noch nicht ganz sicher datierbar ist, waren zwei verschiedene Hände beteiligt. 247 Bezeichnenderweise wird Adelmannsfelden zusammen mit den Schäden genannt, die A b t Helmerich dem Klostergut zugefügt habe. 248 Diese A n gabe wird gewöhnlich mit einer Aufzeichnung von etwa 1136 in Verbindung gebracht, aus der bekannt ist, daß Helmerich Klostergut veräußerte. 249 Weitere Hinweise auf fremden Besitz im Forst geben das Ellwanger N e k r o l o g und die Güter, die das Kloster besonders seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts im Forstgebiet erwarb. 250 245 D F I 547: Si autem ipse dux vel aliquis permissione ipsius eandem silvam exstirpationibus vel alio aliquo modo devastare voluerit seu devastantes cobibere neglexerit, ipse dux coram abbate prememorate ecclesie secundum iusticiam satisfacturus astare debebit. 246 Diese wurde im Jahre 1361 vom Kloster aus der Hand der Oettinger, die zu dieser Zeit die Vogtei über das Klostergut innehatten, erworben, mußte aber bereits 1380 wieder veräußert werden: Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 16f., 3336, 98-102, 208f.; Fik, Zur Frage von ,Vögten' und ,Vogtei', S. 226-29; Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 37, 241-46. 247 MG SS X, S. 19. Hierzu Fik, Zur Geschichte der Leitung der Abtei Ellwangen, S. 133; Müller, Ein Ellwanger Güterverzeichnis, S. 43. 248 MG SS X, S. 19: Iste Helmericus capellam in Adelmannsvelden filiis domini Sigefridi concessit, que moderno tempore ad Nueler obedivit, et alia infinita dampna ecclesie isti intulit. 249 Müller, Ein Ellwanger Güterverzeichnis, bes. S. 4 0 ^ 5 ; Fik, Zur Geschichte der Leitung der Abtei Ellwangen, S. 132-34; Beck, Quellenkritische Studien, S. 100-106; Schwarzmaier, Eine unbekannte Ellwanger Urkunde, S. 44. 250 Im Nekrolog (MGH Necrologia, 1, S. 75-78) genannte Güter lagen zu Gaishardt (ebd., S. 75), Neunheim (Niuenhen: ebd., S. 76, vgl. Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 64). Zweimal werden Güter zu Steinbach erwähnt; zwei Orte dieses Namens (Steinbach, Hintersteinbach) liegen im Forstgebiet, ein weiterer liegt

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Das Güterverzeichnis aus der Zeit um 1136 nennt auch Klosterbesitz im Forstgebiet, der aus den bereits genannten Gründen nicht einfach auf den Forst zurückgeführt werden kann.251 Der Gesamtumfang der von Helmerich veräußerten Güter wird in dieser Quelle auf 140 Huben veranschlagt.252 Verluste einer solchen Größenordnung dürften zu einem Gutteil die Aufmerksamkeit erklären, die das Kloster im 12. Jahrhundert seinen wirtschaftlichen Grundlagen, wie eben dem Virngrundwald, schenkte. Dem Ellwanger Forst ist auch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Ellwanger Territoriums zugesprochen worden. In diesem Zusammenhang verwies man darauf, daß das Forstgebiet mit dem Geltungsbereich der Ellwanger Hochgerichtsbarkeit im Spätmittelalter weitgehend deckungsgleich gewesen sei.253 Hier stellt sich die Frage, wie das Forstdiplom dem Kloster bei der Durchsetzung der Hochgerichtsbarkeit hätte behilflich sein sollen, wo es doch spätestens in der Mitte des 12. Jahrhunderts nicht einmal mehr die Durchsetzung seines expliziten Inhalts ermöglicht haben dürfte, wie sich aus der Tatsache schließen läßt, daß der Herzog von Schwaben hinzugezogen wurde. Dieser wiederum verpflichtete sich lediglich dazu, nicht genehmigte Rodungen und Jagden im Forstgebiet zu unterbinden. Man wird kaum erwarten dürfen, daß er dazu bereit war, dem Abt auch bei der Verwirklichung weitergehender Absichten zur Seite zu stehen. Beim Ausbau seiner Herrschaft müssen dem Kloster also andere Hilfsmittel zur Verfügung gestanden haben als der Forst, der aus den genannten Gründen dazu nicht geeignet war. Selbst wenn das Kloster in späterer Zeit seinen Anspruch auf die Hochgerichtsbarkeit mit dem Forst begründete,254 darf man dies folglich nicht einfach für die korrekte Wiedergabe eines ursächlichen Zusammenhangs halten. Was das weitere Schicksal des Forstes angeht, so ist das Transsumpt Ludwigs des Bayern von 1335 zu nennen, durch das

251 252 253 254

nördlich davon. Da die im Nekrolog verzeichneten Schenkungen offenbar jedoch jeweils einen ganzen O r t bzw. eine Steinbach genannte Hofstätte umfaßten ( M G H Necrologia, 1, S. 76: qui Steinbach in usum fratrum ex integro donavit, S. 77: qui Steinbac in usum fratrum dedit) dürfte, sofern es sich beide Male nicht um denselben O r t handelt, zumindest einer der im Forstgebiet gelegenen Orte gemeint sein. Davon geht auch Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 54f., aus. Es ist zu beachten, daß die genannten Besitzungen zumindest nicht aus dem veräußerten Klostergut stammen, über das die Aufzeichnung von ca. 1136 informiert: Müller, Ein Ellwanger Güterverzeichnis, bes. S. 55f. Zu den späteren Erwerbungen Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 13, 23f., 55, 58, 68, 71, 99, 214-20. Müller, Ein Ellwanger Güterverzeichnis, S. 4 5 ^ 7 . Von denen der erhaltene Teil des Verzeichnisses nur 43 ausweist: ebd., S. 47, 53f. Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 43f.; Beck/Büttner, Die Bistümer Würzburg und Bamberg, S. 173; Klebel, Landeshoheit in und um Regensburg, S. 49. Hutter, Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, S. 43 erwähnt einen solchen Fall, der aber bezeichnenderweise erst aus dem 17. Jahrhundert stammt.

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die Verleihung von 1024 überhaupt überliefert ist.255 Bereits vom Jahr 1251 datiert aber eine Urkunde, mit der Konrad (IV.) dem Schenken Walther von Limburg einen Wildbann zu Lehen gab, der sich mit dem Ellwanger Forst teilweise überschnitt. Da die Echtheit dieser Urkunde nicht über jeden Verdacht erhaben ist,257 mag sie nicht automatisch den Schluß rechtfertigen, daß der Ellwanger Forst zum Zeitpunkt der Transsumierung schon nicht mehr bestand. 1425 einigte sich das Kloster mit den Grafen von Oettingen über die jeweiligen Jagdgebiete, wobei eine Grenzziehung gewählt wurde, die nicht vom alten Ellwanger Forst vorgegeben war. Schon 1419 hatten die Grafen von König Sigismund eine Urkunde erhalten, die ihnen einen Wildbann zusprach. Dessen Westgrenze überschritt zwar nirgends die Ostgrenze des Ellwanger Forstes von 1024 und fiel teilweise sogar mit ihr zusammen, aber eben nur auf einigen Abschnitten. 258 Somit wird man auch hier im Unklaren darüber gelassen, ob der Ellwanger Forst von 1024 im Spätmittelalter noch eine entscheidende Rolle spielte. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß das Kloster auch im Spätmittelalter noch daran interessiert war, den Wildbann in der Umgebung von Ellwangen auszuüben. Neben dem Transsumpt von 1335 zeigt dies eine Urkunde, die das Kloster 1343 von Ludwig dem Bayern erwarb. Der Kaiser stellt dort fest, daß er weder den Wildbann noch andere Güter des Klosters Ellwangen dem Kraft von Hohenlohe oder sonst jemandem verliehen habe.259 Hier dürften die Bestrebungen zum Ausdruck kommen, die auch der Transsumierung der Forsturkunde von 1024 zugrundelagen. Die Urkunde von 1343 macht aber deutlich, daß der Wildbann dem Kloster von anderen Herrschaften streitig gemacht wurde. Da die Erneuerung der Forsturkunde Heinrichs II. 1343 gerade einmal acht Jahre zurücklag, dürfte sie und damit die alte Verleihung nicht mehr allzuviel praktisches Gewicht besessen haben.

17. Elten Die Urkunde Ottos III. für das Damenstift Elten zählt vier Forste zum Stiftsgut, in denen ohne Erlaubnis der Äbtissin nicht gejagt werden soll. Hirsche, die aus den vier Forsten entweichen, sollen die Leute (nuntii) der Äbtissin in andere Wälder verfolgen dürfen.260 Da von anderen Wäldern gespro255 256 257 258 259 260

S. o., Anm. 233. Kieß, Die Rolle der Forsten, S. 3 9 - « , mit Karte S. 40. Kieß, Wildbänne der Herren von Weinsberg, S. 155-59. Kudorfer, Die Grafschaft Oettingen, S. 187-89, mit Kartenbeilage 3. UB Hohenlohe, 2, S. 530, Nr. 646. D O III 235: Steuerewalt, Moffet, Wicherumlo et Subotrt; in his quatuor forestis cervum et cervam nullus habeat venandi licenciam nisi verbo et consensu abbatisse, et si cervus vel cerva de hiis effugiat forestis, eos in alias silvas sequi sit licencia abbatisse

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chen wird, darf man vermuten, daß die vier Forste ebenfalls Wälder waren. Dafür spricht auch, daß zumindest ein Forst das Wort ,Wald' im Namen trägt.26' O b forestum hier als Variation zu silva aufzufassen ist oder ganz gezielt dazu diente, einen Bannbereich zu bezeichnen, läßt sich nicht endgültig beantworten. Aus dem Wald, der Elten selbst umgab, sollte die Äbtissin jährlich zwölf Hirsche erhalten.262 Es ist nicht ganz klar, ob dem Jagdvorbehalt eine königliche Wildbannverleihung zugrundeliegt und ob die Bestimmungen der Urkunde selbst als eine solche zu gelten haben. Lothar III. bestätigte die Urkunde 1129, wobei einer der vier Forstnamen von 996 durch einen anderen ersetzt wurde.263

18. Freising Bischof Abraham von Freising erhielt von Otto II. im Jahr 973 namhafte Schenkungen in Krain. Sie betrafen königlichen Besitz und erfolgten jeweils in der Form, daß durch eine Grenzbeschreibung ein Gebiet definiert und an den Empfänger abgetreten wurde. Das geschah zu zwei verschiedenen Gelegenheiten, im Abstand von fünf Monaten. 264 In der jüngeren Urkunde wird es nun untersagt, in der dort festgelegten Grenze zu jagen, ohne die Erlaubnis des Freisinger Bischofs eingeholt zu haben. Bei Zuwiderhandlung solle als Strafe der Königsbann an den Bischof gezahlt werden. 65 Dieses Verbot kommt vom Prinzip her einer Wildbannverleihung gleich, ohne daß allerdings der Geltungsbereich als Forst bezeichnet würde. Der Forstbegriff taucht nur in attributivischer Form auf; das Jagdverbot soll gelten in ... iam dictis silvularum vel forestorum locis. Die Gleichsetzung läßt vermuten, daß forestus/-m hier als Synonym für silva gebraucht ist. Eventuell wurde auch darauf abgehoben, daß die Wälder durch die neue Bestimmung zum Forst wurden, doch das läßt sich unmöglich entscheiden.

261 262 263 264 265

nuntiis. Zu den Streitigkeiten, mit denen die Urkunde in Zusammenhang steht, vgl. Oediger, Adelas Kampf um Elten. Der Steuerewa.lt. Die Forste identifiziert so weit wie möglich Ü B Rhein, 2, S. 11-17, Nr. 150, Anm. 23-25. D O III 235: et in foresto in quo Eltina est constructa, singulis annis inter cervos et cervas duodecim fere tribuantur abbatisse. D Lo III 19. Statt Suboirt erscheint der Fledetgo. D O II 47 (973 Juni 30); D O II 66 (973 November 23); bestätigt in D O III 58 (989). D O II 66: Praecipimus etiam et noviter constituimus eisdem in locis bannum nostrum ...et quicquid intra baec eadem praefata undique secus comprebens[u]m videtur loca et regio imperatorioque more iubemus, eo tenore ut, si quis quarumlibet personarum in quibuslibet iam dictis silvularum vel forestorum locis cuiuslibet generis feras canibus vel qualicumque modo comprehenderit, bannum huiusmodi culpa nostro debitum fisco [i]psi episcopo omni dubietate postposita, si hoc absque eius fecerit licentia, dominica aestimatione persolvat.

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Das Freisinger Gebiet mit dem Zentrum Bischoflack sah nun in den folgenden Jahrhunderten eine beachtliche Siedlungsbewegung.266 Hier wird jedoch in aller Schärfe die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Wildbannverleihung in diesen Zusammenhang zu stellen ist. Schließlich war nicht nur der Wildbann verliehen, sondern das ganze spätere Kolonisationsgebiet an den Freisinger Bischof abgetreten worden. Es ist also nicht erforderlich, auf den Wildbann zu verweisen, um eine Grundlage für die Siedlungstätigkeit benennen zu können. Im Gegenteil ist festzustellen, daß gewissermaßen das genaue Gegenteil der Verhältnisse vorliegt, die für eine Wildbannverleihung gerne angenommen werden. Denn häufig wird der Eindruck erweckt, daß ein Wildbann eine geradezu ideale Ausgangslage für die Vorgänge hätte sein müssen, wie sie in der Freisinger Krain dann stattfanden. Legt man so manche Äußerung in dieser Richtung zugrunde, dann hätte es völlig ausgereicht, den Wildbann zu verleihen, um entsprechende Ergebnisse zu erzielen, ja es wäre sogar der eigentliche Zweck einer Wildbannverleihung gewesen, für den Landesausbau klare Verhältnisse zu schaffen. Nun nahm die zugrundeliegende Landschenkung aber nicht die Form einer Wildbannverleihung an, sondern erfolgte in einem eigenen Akt; die Wildbannverleihung erscheint als ein Zusatz mit einem ganz anderen Zweck, nämlich wohl genau dem, der in ihr zum Ausdruck kommt. Wiederum zeigt sich der Wildbann hier in einem anderen Licht als mancherorts angenommen. Interessanterweise gilt das auch für die Herrschaftsentwicklung im Freisinger Territorium bei Bischoflack. Obwohl dieses eine arrondierte Fläche war mit einer Ausdehnung von etwa 500 Km , wurde der Freisinger Bischof nicht zum Landesherrn. In Bereichen, die als wesentlich für die Landesherrschaft gelten, besonders der hohen Gerichtsbarkeit, mußte er stets den Vorrang anderer anerkennen, namentlich des jeweiligen Herrn der Mark und später des Landes Krain.267 Bleibt man beim Wortlaut des Privilegs von 973 und dessen eigentlichem Inhalt, so wird man ein augenfälliges Interesse an ihm auch im Spätmittelalter noch feststellen können. Besonders in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist die Jagd in der Umgebung von Bischoflack ein Thema in den Quellen. Sie war einer der Streitpunkte zwischen dem Freisinger Bischof und den Erben des einstigen officialis Wernher von Lack. Dabei ging es unter anderem um die Rechtsprechung zwischen den bischöflichen Jägern. Als Zugeständnis stellte der Bischof es der Gegenseite frei, Raubvögel zu fangen und gemeinsam mit seinen Jägern auf die Jagd zu ge-

266 Vilfan, Lage und Struktur der freisingischen Herrschaften in der Krain, bes. S. 3 6 0 363; Ders., Zur Struktur der freisingischen Herrschaften südlich der Tauern im Frühmittelalter, bes. S. 2 1 3 - 2 1 6 ; Blaznik, Das Hochstift Freising und die Kolonisation der Herrschaft Lack im Mittelalter, bes. S. 6 - 1 5 . 267 Vilfan, Lage und Struktur der freisingischen Herrschaften in der Krain, bes. S. 3 5 3 357.

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hen. Gleichzeitig behielt er es sich jedoch vor, die Jagdhunde und Beizvögel zu begutachten und über sie nach Belieben zu befinden.268 Hinzu kommen weitere Hinweise auf bischöfliche Jäger und Leistungen, die zu ihrer Versorgung abgestellt waren.269 Es wird nicht allein deutlich, daß der Bischof sich die Jagd in Krain angelegen sein ließ; erkennbar wird auch, daß sie eine regelmäßige Übung war und ständigen Sachwaltern oblag.

Fulda 19. Der Wildbann bei Echzell Das Kloster Fulda erhielt 951 eine Urkunde von Otto I., in der unbefugten Personen die Jagd in dem Forst verboten wird, der zur villa Achizuuila gehörte. Nur wer die Erlaubnis des Abtes Hadamar oder seiner Nachfolger besaß, sollte künftig dort jagen.270 Unter dem Forst (foresta) der Urkunde hat man sich wohl einen Wald vorzustellen, es sei denn, man wollte annehmen, daß schon ein Nutzungsvorbehalt bestand, der nur die Jagd noch nicht umfaßte. Der Forst stand laut der Urkunde vor der Verleihung Dritten zur Jagd offen,271 was sich mit beiden Möglichkeiten vereinbaren läßt. Der eingeforstete Wald dürfte zum fuldischen Güterkomplex Bingenheim-Echzell-Dauernheim gehört haben, der lange Zeit ein wichtiges Element des Fuldaer Besitzes in der Wetterau blieb.272 Er dürfte auch 951 bereits bestanden haben, obwohl die Quellen keine gesicherten Aussagen darüber zulassen, wann das Kloster diese Güter erwarb. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, daß sie zum großen Teil aus königlichem Besitz stammten und bereits im 8. und 9. Jahrhundert in

268 Codex Diplomatici^ Austriaco-Frisingensis, Bd. 1, S. 303f., Nr. 279 (1269): Nos Chvnradus ... episcopus notum esse volumus ... quod ... super iure foreste et [venajcionis ... orta esset materia questionis ... heredes prenotati neque indicium, neque magisterium aliquid sibi... vsurpabunt, nec inter venatores nostros iudicandi... habebunt potestatem, hoc tarnen excepto quod ... heredes senior ... aucupandi nisos, terciolos, accipitres et falcones et venandi cum ipsis venatoribus liberam habeat potestatem ... quod quandocumque nos presentes fuerimus, omnes carnes de venacione et aves de aucupacione ... nostro conspectui presententur vt de ipsis ordinemus pro nostro libito voluntatis. Vgl. auch ebd., S. 297f., Nr. 273 (1268); S. 44CM43, Nr. 403 (1293). 269 Codex Diplomaticus Austriaco-Frisingensis, Bd. 3, S. 173 (1291/1318): ... exceptis duabus hubis quas habent venatores; ebd., S. 223 (1291/1318): ... una huba quam tenet forsterius, et seruit tempore uenacionum venatoribus domini episcopi. 270 D O I 131: forestam quae ad villam Achizuuila pertinet, in qua prius erat communis omnium civium venatio, nullus venandum audeat ingredi nisi licentia eiusdem abbatis Hadamari successorumque illius. 271 Vgl. die vorige Anm. 272 Büttner, Fulda und die Wetterau, bes. S. 84.

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das Eigentum des Klosters übergegangen waren. 273 Man muß also damit rechnen, daß die Grundherrschaft des Klosters im Untersuchungsgebiet schon vor der Wildbannverleihung bestand; folglich ist es nicht möglich, sie auf den Wildbann zurückzuführen. D i e verhältnismäßig bescheidenen Ausmaße des Wildbanngebietes lassen es zudem auch nicht als eine Reserve potentiellen Rodungslandes erscheinen. 274 D e r Bereich Bingenheim-Dauernheim wird in den Quellen ab 1320 als „Fuldische M a r k " bezeichnet. 2 7 5 Die fuldischen Vögte in diesem Gebiet waren die Grafen von Ziegenhain. 276 1397 wurden Schloß und Herrschaft B i n genheim je zur Hälfte an die Grafen von Nassau und ein weiteres Adelshaus verpfändet, nach dessen Aussterben die Grafen von Nassau die alleinigen Inhaber der Pfandrechte wurden. Diese wurden 1416 und 1423 bestätigt. 277 D e r Wildbann war damals nach Ausweis eines Weistums für Bingenheim Teil der Allmende. 278 D i e Stellung des Klosters in der Fuldischen Mark beruhte auf der Grundherrschaft; ihr verdankte auch der lokale Adel, wie die Fuldaer Vögte aus dem Geschlecht der Grafen von Ziegenhain, zumindest teilweise seinen Einfluß. Dagegen erleichterte die Konkurrenz des Adels untereinander es dem Kloster, seine Position zu behaupten. 279 Es gab also mehrere Faktoren, auf die man die Herrschaft des Klosters im Untersuchungsgebiet zurückfüh273 Nach Büttner, Fulda und die Wetterau, S. 84, kann man „feststellen, daß bis zum Jahre 852 das fränkische Königsgut zu Bingenheim und Echzell an Fulda übergegangen war." Es ist nur eine unanfechtbare Originalurkunde über die Schenkung Dauernheims durch Karl den Großen erhalten (D Karol. I 143). Die anderen den fraglichen Besitz betreffenden Urkunden sind nur aus den interpolierten bzw. gefälschten Kopien des Kodex bekannt, den der Fuldaer Mönch Eberhard im 12. Jahrhundert anfertigte (vgl. Roller, Eberhard von Fulda und seine Urkundenkopien, passim). Eberhard verfälschte eine Urkunde Ludwigs des Frommen über die Schenkung Bingenheims und Echzells (Codex diplomaticus Fuldensis, S. 158f., Nr. 325b; vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda [1936], S. 122). Eine weitere Verfälschung Eberhards ist eine Urkunde Heinrichs I. von 932 (D H I 34), eine Fälschung die Urkunde des Abtes Hatto von 852 (Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 30); zu diesen Urkunden vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1936), S. 122. Neben Kopien ganzer Urkunden fertigte Eberhard auch Summarien von Schenkungsurkunden an. Ein solcher Auszug (Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 46, Nr. 165) läßt nach Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1936), S. 122f. eindeutig auf eine königliche Schenkung zu Echzell schließen. 274 Zur Wildbanngrenze vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1936), S. 119f. 275 Büttner, Fulda und die Wetterau, S. 87. 276 Ebd., S. 86. 277 Ebd., S. 87f. 278 Weisthümer, hg. v. Grimm, 3, S. 438f., S. 439: Item das der wildebandt, die fischerei, velt, wasser u. weide der gemeine seien; vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1936), S. 127. 279 Büttner, Fulda und die Wetterau, S. 87.

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ren kann und die in keinen Zusammenhang mit der Wildbannverleihung gebracht werden können. Somit besteht keine Veranlassung, den Wildbann von 951 mit territorialen Ambitionen in Verbindung zu bringen oder ihn für die Konsolidierung der fuldischen Herrschaft verantwortlich zu machen, wie Knaus es tut.280

20. Der Bramforst 980 stellte O t t o II. dem Kloster Fulda eine Urkunde aus, in der folgendes berichtet wird: Der Abt habe den Kaiser gebeten, dem Kloster Fulda zur Verfügung über einen Forst zu verhelfen, der zum Kloster gehöre und dessen N a m e Branuirst laute. Niemand sollte dort künftig ohne die Erlaubnis des Abtes jagen oder irgendeine Nutzung vornehmen dürfen. Der Kaiser kam dieser Bitte mit der Bannverleihung nach.281 Der weitgefaßte Nutzungsvorbehalt erklärt sich im vorliegenden Fall daraus, daß zumindest ein bedeutender Teil des Forstgebietes, der ihm auch den Namen gegeben zu haben scheint, aus Fuldaer Waldbesitz bestand.282 Zwei Fuldaer Urkunden des 12. Jahrhunderts

280 Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1936), S. 126f.

281 D O II 221: fidelis noster Vuerinharius Vuldensis ecclesiae videlicet venerabilis abbas nostram adivit celsitudinem, dicens nobis quomodo forastum quendam ad ecclesiam cui presidet pertinentem nostrae dominationis adiutorio in perpetuum ecclesiae ins vellet submittere, ita ut nullus in eo venationis aut alterius commodi usum sine illius et futurorum adhuc abbatum licentia possit habere, rogavitque magnitudinis nostrae excellentiam ut banno praeceptoque nostro ne quis hoc faceret firmiter interdiceremus. Nos itaque petitioni illius assensum prebentes super forastum eundem Branuirst nominatum ... bannum nostrum facere iussimus nostraeque dominationis auctoritate in perenne ius ecclesie et adhuc viventis et futurorumque abbatum ad integrum confirmavimus, ita ut nemo preter licentiam praedicti abbatis successorumque illius in eodem forasto superius nominato dehinc venari aut alium aliquem usum habere, si regiae vel imperialis gratiae particeps esse velit, praesumat. 282 Ahnlich neuerdings Kieß, Forst-Namen als Spuren frühmittelalterlicher Geschichte II, S. 1 0 8 - 1 1 1 . D a ß der Wald nicht das gesamte Wildbanngebiet eingenommen haben dürfte, geht daraus hervor, daß im Untersuchungsgebiet schon für das 9. Jahrhundert Rodungen belegt sind, auf die weiter unten zurückzukommen ist. Darüber hinaus ist es möglich, daß die Siedlungen im Untersuchungsgebiet schon bis zum 10. Jahrhundert entstanden (vgl. A n m . 292). Mit dieser Einschränkung gilt aber dennoch, daß ein wesentlicher Teil des Forstgebietes dem Kloster 980 gehörte und der vorliegende Fall für andere Wildbänne daher nicht repräsentativ ist, zumal die Ansicht, die Besiedlung des Untersuchungsgebietes sei schon bis zum 10. Jahrhundert im wesentlichen abgeschlossen gewesen, nicht unwidersprochen geblieben ist (Hildebrandt, Regelhafte Siedlungsformen im Hünfelder Land, bes. S. 251 f. gegen Lübeck, Alte Ortschaften des Fuldaer Landes, 1) und der Anteil, der immer noch Wald war, größer gewesen sein mag als die erste These vermuten ließe.

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bezeichnen den Bramforst als silua,283 eine ausdrücklich als silua sei. Bonifacii,2M also als klösterlichen Besitz. Ein Bramforst, der sich zwar im B e reich des Banngebietes von 980 befunden zu haben scheint, aber kleiner als dieses war, wird bereits im 9. Jahrhundert erwähnt. 5 Mit dem Forst (forastus), der nach der U r k u n d e von 980 erst noch eingeforstet werden sollte, war somit offensichtlich ein klösterlicher Wald gemeint; 286 forastus ist hier folglich als Synonym von silva aufzufassen. Das Kloster hatte schon früh Besitz im Wildbanngebiet von 980 erhalten, 287 so die Landschenkung, mit welcher der Hausmeier Karlmann es bei seiner Gründung ausstattete. 288 U n t e r Karl dem G r o ß e n folgte die Schenkung des Hünfelds und seiner Wälder ( c u m silvis • \ 289

Mit der Bannverleihung ließ sich der Waldbesitzer mithin die ausschließliche Nutzung seines eigenen Waldes bestätigen. D e r Besitz des Wildbannherrn nahm dazu noch zumindest einen wesentlichen Teil des Wildbanngebietes ein. Die beiden zuletzt genannten Punkte unterscheiden den vorliegenden Fall von den meisten anderen Wildbannverleihungen. Gewöhnliche Wildbänne schlössen in aller Regel umfangreichen Fremdbesitz ein. Es ergibt sich hier somit kein Hinweis darauf, daß jeder Wildbann grundsätzlich noch andere Nutzungen als die Jagd betraf. Zudem ist damit zu rechnen, daß auch das Nutzungsverbot von 980 im Zusammenhang mit der Jagd zu sehen ist. Im Bramforst führte das Kloster später offenbar umfangreiche Rodungen durch, die allerdings erst für das 12. Jahrhundert belegt sind. Eine U r k u n d e von 1127/31 spricht von einem Rodungs- und Siedlungsunternehmen im B r a m forst, das im N a m e n des Fuldaer Abtes stattfand.' In einer etwas späteren

283 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, S. 145f., cap. 67; C o d e x diplomaticus Fuldensis, S. 406, N r . 824. 284 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, S. 145f., cap. 67. 285 C o d e x diplomaticus Fuldensis, S. 94, N r . 165 (801); vgl. Papst, D e r alte ,Bramforst', S. 82, A n m . 1; Lübeck, Alte Ortschaften des Fuldaer Landes, 1, S. 24, A n m . 3. 286 Vgl. Papst, D e r alte .Bramforst', S. 81. 287 Das Wildbanngebiet ist graphisch dargestellt im Geschichtlichen Atlas von Hessen, Karte I I a . Zur Genzbeschreibung von 980 vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 12f. und Lübeck, Alte Ortschaften des Fuldaer Landes, 1, S. 21 f. sowie Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 27. 288 Die Grenzen dieses Bezirks, der nach der Vita Sturmi abbatis einen Durchmesser von 4 Meilen hatte, sind in einer Fälschung des 9. Jahrhunderts überliefert: U B Fulda, S. 1 - 1 1 , N r r . 4 - 6 ; vgl. Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 27f. 289 D Karol. I 139; vgl. Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 29; Metz, Die Fuldaer Bramforsturkunden, S. 1; Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 1 3 - 1 5 . 290 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, S. 145f., cap. 67: Notum sit omnibus ... qualiter

domnus Heinricus venerabilis fuldensis ecclesie abbas per manus quorum(dam) fidelium suorum Sigebotonis uidelicet et Sigifridi in silua sei. Bonifacii que dicitur Bramuirst

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Urkunde ist die Rede von einer villa, die zwei Liten für die Hut des Bramforstes überlassen worden und nun an das Kloster zurückgefallen sei, da dieser Wald (der Bramforst) beseitigt (e medio facta) sei.2" Die Rodungen müssen also beträchliche Ausmaße angenommen haben. Nun gehörte der Wald dem Kloster bei der Wildbannverleihung bereits. Daher ist nicht zu entscheiden, ob für die Rodungstätigkeit der Besitz des Waldes oder der Wildbann ausschlaggebend war. Man wird aber wohl nicht erst den Wildbann bemühen müssen, um die Fuldaer Rodungen im Bramforst zu erklären.292 Uber Wildbannverleihungen im allgemeinen sagt der vorliegende Fall ohnehin nichts aus, da der Bramforst, wie dargelegt, für gewöhnliche Wildbänne nicht repräsentativ ist. Somit liefert auch der Bramforst keinen Beleg dafür, daß der Wildbann grundsätzlich auf die Rodung Einfluß hatte. Schon lange vor der Wildbannverleihung von 980 sind im Bereich des Wildbanns auch andere Rodungsträger nachgewiesen. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde dem Kloster ein Bifang (captura) übertragen,293 der von der Rodungstätigkeit „einer breiten grundherrlich lebenden Oberschicht" zeugt.294 Auch im 12. Jahrhundert mögen noch fremde Rodungen im Bramforst vorgekommen sein, und zwar gegen den Willen des Klosters. Über solche Rodungen beklagt sich nämlich Abt Marquard I. (1150-65) in seinem sogenannten Rechenschaftsbericht, ohne allerdings den Bramforst namentlich zu nennen; er spricht lediglich von den Wäldern und Forsten des Klosters im allgemeinen (in nemoribus et forestibus sei. Bonifa-

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quoddam cepit nouare nouale; es folgen Bestimmungen für die dort Angesiedelten. Vgl. Metz, Die Fuldaer Bramforsturkunden, S. 2, 6f.; Ders., Waldrecht, Hägerrecht und Medem, S. 106f; Hildebrandt, Regelhafte Siedlungsformen im Hünfelder Land, S. 252f., 254f.; Lübeck, Alte Ortschaften des Fuldaer Landes, 1, S. 22f. Codex diplomaticus Fuldensis, S. 406, Nr. 824 (1158): Villa in Rigozzes pro custodia forestis nostri in Bramuirst duobus lidis dimissa fuit. sed eadem silua e medio facta predicta uilla seruicio nostro uacauit, vgl. Hildebrandt, Regelhafte Siedlungsformen im Hünfelder Land, S. 253; Lübeck, Alte Ortschaften des Fuldaer Landes, 1, S. 23. Wenn die meisten Siedlungen im Untersuchungsgebiet tatsächlich bis zum 10. Jahrhundert entstanden sein sollten (Lübeck, Alte Ortschaften des Fuldaer Landes, 1, bes. S. 266f.), so wäre dies ein weiterer Hinweis darauf, daß der Wildbann mit der Besiedlung des Forstgebietes von 980 nicht in Verbindung gebracht werden kann. Vgl. aber Hildebrandt, Regelhafte Siedlungsformen im Hünfelder Land, bes. S. 251f., der die Besiedlung später ansetzt. UB Fulda, S. 3 9 7 ^ 0 0 , Nr. 275; vgl. Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 29; Metz, Die Fuldaer Bramforsturkunden, S. 1; Gockel, Die Träger von Rodung und Siedlung im Hünfelder Raum; Hildebrandt, Regelhafte Siedlungsformen im Hünfelder Land, S. 248f. Gockel, Die Träger von Rodung und Siedlung im Hünfelder Raum, S. 24.

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eil).2W Wenn tatsächlich im Bramforst gerodet worden sein sollte, obwohl das gegen die Interessen des Klosters verstieß, dann läge damit ein klarer Verstoß gegen das umfassende Nutzungsverbot vor, das bei der Bannverleihung von 980 ausgesprochen worden war. Das ließe vermuten, daß der Wildbann spätestens in der Mitte des 12. Jahrhunderts seine Wirkung eingebüßt hatte. Im späten Mittelalter war der N a m e Bramforst auf ein Waldgebiet bei Hünfeld beschränkt, das die Stadt Hünfeld und das dortige Kollegiatstift zu einem unbekannten Zeitpunkt erworben hatten. 296 D e r Hünfelder Stadtwald hieß noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ,die Praforst'. 297

21. Die Zunderenhart 1012 erhielt das Kloster Fulda einen Forst verliehen, 298 der in der Verleihungsurkunde selbst namenlos bleibt, in der Literatur aber unter dem Namen Zunderenhart erscheint. Die gleiche Bezeichnung verwendet auch eine D o r salnotiz auf der Verleihungsurkunde, die etwas jünger ist als eine zweite, die den Forst Branuirst nennt (offenbar in Verwechslung der beiden eng beder in nachbarten Forstgebiete). 2 Ebenfalls Zunderenhart heißt ein forestum, der Grenzbeschreibung des Fuldaer Wildbanndiploms von 1059 auftaucht, das weiter unten behandelt wird. 300 D e r Grenzabschnitt des Forstes von 1059, der unter anderem von der Zunderenhart gebildet wurde, entspricht der Südostgrenze des Forstes von 1012. Damit ergibt sich eine weitere Verbindung zwischen der Zunderenhart und dem vorliegenden Forst. 301 O b das aber dazu ausreicht, eine Identität der Zunderenhart mit dem Forst von 1012 zu postulieren, muß dahingestellt bleiben. Immerhin ist es möglich, daß die Zunderenhart ein Wald war, der dem Forstgebiet seinen Namen gab, ohne es ganz

295 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, S. 153, cap. 76: Erat e regione altera et multo intolerabilior miseria. Principes diuersarum regionum sumebant sibi de adiacentibus sibi ecclesie bonis quantum sibi bonum uidebatur et habebant sibi quasi pro beneficio, nullo eis prohibente uel contradicente. Qui autem pauperiores erant. faciebant sibi noualia et uillas in nemoribus et forestibus sei Bonifacii. Vgl. Hildebrandt, Regelhafte Siedlungsformen im Hünfelder Land, S. 253. 296 297 298 299 300 301

Papst, D e r alte .Bramforst', S. 83-86. Ebd., S. 84. D H I I 253. Vorbemerkung zu D H II 253. D H I V 61. Vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 37 zur Grenze von 1012, S. 59-61 zur Grenze des Forstes von 1059; Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 32f. zum Forst von 1012, S. 37f. zu dem von 1059. Zur Ausdehnung und Lage dieser beiden Forste vgl. auch die Karten I I a und b des Geschichtlichen Atlas von Hessen und die Karte bei Cramer, Landeshoheit und Wildbann im Spessart, S. 77.

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auszufüllen, so wie es auch beim Bramforst der Fall gewesen sein dürfte. Daß es sich bei der Zunderenhart konkret um ein Waldgebiet handelte, deutet der Name an.302 Eine auffällige Parallele zum Bramforst besteht auch darin, daß noch im Spätmittelalter ein Wald im Forstgebiet von 1012 den Namen Zunderenhart trug.303 Wie beim Bramforst könnte somit ein wesentlicher und namensgebender Bestandteil des Forstes ein Waldgebiet gewesen sein.304 Das könnte die Angabe der Verleihungsurkunde erklären, daß der Forst dem Kloster nicht nur mit dem Bann, sondern allen seinen Pertinenzen verliehen worden sei;305 hinter den Pertinenzen könnte sich das namengebende Waldgebiet verbergen. Der Forst selbst wird als Reichsgut (quandam iuris nostri regni forestim) bezeichnet, 306 war also ein Königsforst. Da ein großer Teil des Forstgebietes sich 1012 schon im Besitz des Klosters befand,307 fällt es schwer, die Forstverleihung als Schenkung des ganzen Forstgebietes zu betrachten. 308 Dieses Problem erledigt sich von selbst, wenn man annimmt, daß es sich um einen Bannbezirk handelte, mit dem ein konkretes materielles Substrat verbunden war, das nicht das ganze Wildbanngebiet eingenommen haben muß. Vergleichbares ist für den königlichen Wildbann Forehahi belegt, der dem Wormser Hochstift geschenkt wurde. Auch der Merseburger Forst scheint ein Wildbann gewesen zu sein, der eine dingliche Komponente aufwies, in räumlicher Hinsicht aber über diese hinausging. Im vorliegenden Fall könnte die dingliche Komponente der Wald Zunderenhart gewesen sein. Die Rodung hatte im Forstgebiet von 1012 schon lange vor der Forstverleihung begonnen. Bereits im 9. Jahrhundert erwarb das Kloster Fulda dort Bifänge (capturae), 09 also Land, das hauptsächlich zum Zweck der Rodung 302 Vgl. Haas, Alte Fuldaer Markbeschreibungen IV: Drei Wildbann-Grenzbeschreibungen, S. 90. 303 Im vorliegenden Fall war dies ein Wald bei Giesel, der zum fuldischen Amt Giesel gehörte: Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 26, Anm. 14, S. 95. 304 Ähnlich neuerdings Kieß, Forst-Namen als Spuren frühmittelalterlicher Geschichte II, S. 1 0 8 - 1 1 1 . 305 D H U 253: forestim ... cum banno et cum suis omnibus pertinentiis ... in proprium concedimus. 306 Ebd. 307 Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 36-39; Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 33-36; Codex diplomaticus Fuldensis, S. 122-25, Nrr. 234—41. Vgl. die Nachweise in Anm. 309, 311. 308 Zu diesem Problem vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 36f., 41f.; Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 33. 309 Sie lagen zu Lüderz, Dietmarshausen, Flieden, Kalbach und Schweben: Codex diplomaticus Fuldensis, S. 136, Nr. 269 (812), S. 163, Nr. 339, S. 206, Nr. 467 (826). Das Kloster Fulda erhielt auch anderen Besitz, so zu Dierichshausen: ebd., S. 129, Nr. 249 (810); vgl. Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 34, 36.

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abgesteckt worden war.310 Es gibt keine Belege dafür, daß diese Rodungen Bedingungen unterworfen waren, auf die der Forst Einfluß genommen hätte. Man wird davon ausgehen können, daß das Kloster selbst bereits vor 1012 als Träger des Ausbaus im Forstgebiet auftrat. So belegt der Name mehrerer Orte im Forstgebiet, da er mit dem Grundwort -zell gebildet wurde, daß das Kloster die betreffenden Siedlungen anlegte. Das dürfte allerdings schon bis zum 10. Jahrhundert erfolgt sein.311 Daß im Forst schon vor 1012 gerodet wurde, wäre umso bezeichnender, wenn der königliche Wildbann bereits bestand, als das geschah; das ließe darauf schließen, daß noch nicht einmal ein Wildbann, der sich im Besitz des Königs befand, die Rodung im Forstgebiet notwendigerweise beeinflußte.

22. Der Wildbann in der Mark Lupnitz Die Urkunde, mit der Heinrich II. dem Abt Poppo von Fulda im Jahr 1014 den Wildbann in der Mark Lupnitz verlieh, ist nicht im Original überliefert. Sie ist nur aus einer notariellen Abschrift des 16. Jahrhunderts bekannt sowie aus Abschriften des Fuldaer Mönchs Eberhard aus der Mitte des 12. Jahrhunderts.312 Eine der beiden Kopien Eberhards zeichnet sich durch einen Nachsatz aus, der im Gegensatz zum Urkundentext selbst eine Grenzbeschreibung enthält.313 Die Literatur neigt dazu, die Grenzbeschreibung zumindest nicht gänzlich zu verwerfen, und da es keine weiteren Anhaltspunkte für die Ausdehnung des Wildbanns gibt, wird man der Untersuchung diese Grenzbeschreibung zugrundelegen müssen.314 Einem weiteren Zusatz Eberhards zufolge war die Wildbannverleihung mit einem Gütertausch zwischen König und Kloster verbunden.315 Der Wortlaut der Urkunde lehnt sich an das nächstältere Diplom Heinrichs II. an,316 eine Wildbannurkunde für Würzburg. In beiden Urkunden wird das Objekt der Verleihung als bannum nostrum super feras bezeichnet. Eberhard nennt es in einer seiner Kopien wilt310 Zu den Bifängen vgl. Bethge, Ü b e r ,Bifänge' und die Nachweise in Anm. 293. 311 Böhne, Zur Frühgeschichte der -zell-Orte im Umkreis Fuldas. 312 D H U 327; vgl. Lübeck, D i e Fuldaer Mark Lupnitz, S. 137^11; Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 199; Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 111. 313 D H U 327, A n m . 15; vgl. Lübeck, D i e Fuldaer Mark Lupnitz, S. 137; Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 201f.; Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 111. 314 Zur Grenzbeschreibung Lübeck, D i e Fuldaer Mark Lupnitz, S. 1 3 7 - 4 0 ; Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 2 0 2 - 2 0 4 , mit Kartenskizze S. 191; Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. l l l f . 315 D H U 327, A n m . 15; vgl. Lübeck, D i e Fuldaer Mark Lupnitz, S. 1 2 9 - 3 1 ; Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 206f. 316 D H U 326.

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bannium. Das Wildbannprivileg erwähnt die Konsenserklärung betroffener Dritter, namentlich des Mainzer Erzbischofs, des Hersfelder Abtes, eines Grafen Wilhelm, seines Bruders Poppo und eines Sigimar.317 Es dürfte also eine Neueinforstung vorliegen, bei der ein Bann mit einem ausdrücklichen Bezug auf das Wild verliehen wurde.318 Uber den Besitz des eingeforsteten Grund und Bodens wurde keine Verfügung getroffen. Das war auch schon deswegen unmöglich, weil im Wildbanngebiet neben dem Kloster Fulda zum Zeitpunkt der Verleihung bereits andere Grundherren begütert waren. Zu ihnen zählte das Kloster Hersfeld, das dort zumindest zum Teil Besitznachfolger des Königs war.319 Der früheste nachweisbare Besitz der beiden Klöster in der Mark Lupnitz, die außer in der Wildbannurkunde noch in einer weiteren, wohl etwas älteren Quelle als Mark bezeichnet wird,320 findet sich bei dem namengebenden Ort Lupnitz, wo sich ein karolingischer Fiskus befunden hatte. 31 Hersfeld war zum Zeitpunkt der Wildbannverleihung auch an weiteren Orten im Wildbanngebiet begütert.322 Darüber hinaus gab es wohl auch noch andere Grundherrschaften im Wildbanngebiet. Das läßt beispielsweise das Eigengut vermuten, das der Slawe Belesta im 9. oder 10. Jahrhundert dem Kloster Fulda übertrug.323 Als Grundherren, die über Besitz im Wildbanngebiet verfügten, sind 948 auch ein Brunicho und im frühen 11. Jahrhundert ein Günther belegt.324 Das Kloster Fulda besaß zu Lupnitz selbst umfangreichen Besitz.325 Weitere Schwerpunkte fuldischen Besitzes lagen bei Haina und Stedtfeld.326 Darüber hinaus war Fulda vor der Wildbannverleihung bereits an einigen anderen Orten im

317 D H U 327. Eine der Kopien Eberhards nennt Sigimar einen advocatus: D H U 327, Anm. 6; vgl. Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 157. 318 So auch Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 133 und bes. Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 112f. 319 779 erfolgte die Schenkung der Kirche zu Lupnitz mit Zubehör sowie dem Zehnten an Hersfeld: D Karol. I 121; vgl. Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 164-175. 320 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, c. 42, Nr. 312; vgl. Küther, Lupnitz: FiskusVilla-Gau-Mark-Wildbann; S. 163, 178f. 321 Ebd., S. 164-177, 179-184. 322 In Großen-, Oester- und Wolfsbehringen (Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 116; D H I 32) und in Hörschel (Küther, Lupnitz: Fiskus-VillaGau-Mark-Wildbann, S. 194; D H I 32). 323 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 42, Nr. 312; vgl. Küther, Lupnitz: FiskusVilla-Gau-Mark-Wildbann, S. 178f.; Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 123. 324 D O I 96; Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 208f., der auch weitere, spätere Beispiele bringt. 325 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 13, 43,45; vgl. Küther, Lupnitz: Fiskus-VillaGau-Mark-Wildbann, S. 179-84; Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 123-26. 326 Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 113, 135-38, 152-56; Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 141f., 145; vgl. auch D Ko I 38, Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 34.

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Wildbanngebiet begütert. 327 Bis zum 13. Jahrhundert erscheint fuldischer B e sitz dort noch an weiteren Stellen. 328 Dieser Besitz geht jedoch nicht einzig und allein auf eine Rodungstätigkeit des Klosters zurück. In acht Fällen ist der Klosterbesitz auf Schenkungen bzw. Erwerbungen anderer Art zurückzuführen. 329 Ein weiterer O r t ist schon lange vor der Wildbannverleihung erwähnt, wenn auch nicht im Zusammenhang mit Fulda, so daß hier nicht einfach angenommen werden kann, er sei durch fuldische Rodungen entstanden. 3 0 Dies ist auch bei zwei weiteren Siedlungen nicht möglich, für die fremder Besitz belegt ist. 1 D e r Ursprung des fuldischen Besitzes in den restlichen Orten liegt völlig im Dunkeln, so daß vermutet worden ist, einige von ihnen seien vom Kloster angelegt worden. 332 Selbst wenn diese Annahme zuträfe, fehlten immer noch Hinweise, die es erlauben würden, eine solche fuldische Ausbautätigkeit mit dem Wildbann in Verbindung zu bringen. Hier verdient ein Heberegister der Fuldaer Villikation Haina Beachtung, das wahrscheinlich nach 1015 entstand.333 Folgt man der gängigen Deutung, die einem Posten dieser Aufzeichnungen zuteil geworden ist, dann war bei Haina eine große Anzahl von Personen mit Rodungsarbeiten beschäftigt. 4 Diese

327 Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 113. Fuldischer Besitz läßt sich für Brüheim (ebd., S. 119) und Behringen (ebd., S. 116) nachweisen und für Seebach (ebd., S. 149f.), Kälberfeld (ebd., S. 141), Wolfsburg-Unkeroda (ebd., S. 156f.) wahrscheinlich machen. 328 Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 113f., nennt 28 weitere Orte. 329 Im Fall von Arzbach (ebd., S. 115), Aldenhagen (ebd.), Berteroda (ebd., S. 117f.), Madelungen (ebd., S. 142), Mittelshof (ebd., S. 144), Oberellen (es ist fraglich, ob der O r t je in Fuldaer Besitz war: ebd., S. 144f.), Schnepfenhof (Identität des Ortes dieses Namens in Fuldaer Besitz unsicher: ebd., S. 148f.), Sonneborn (ebd., S. 150f.). 330 Es handelt sich um Friedrichswerth: ebd., S. 126f. 331 Hahnroda und Hötzelsroda: ebd., S. 134, 140. 332 So für Gospenrode und Beuernfeld: ebd., S. 118, 128. 333 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 13, N r r . 1, 2, 3; cap. 43, N r r . 12, 32 (entstanden wahrscheinlich nach dem im T e x t genannten Zeitpunkt: Werner-Hasselbach, Die älteren Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, S. 9 - 2 6 , 9 1 - 9 3 ) ; cap. 45, Nrr. 7, 10, 12, 13 (wahrscheinlich erst im 12. Jahrhundert enstanden: Werner-Hasselbach, Die älteren Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, S. 42^-5); vgl. auch Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 135f.; Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 142f.; Rüther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 179— 84. 334 D e r fragliche Eintrag lautet: Ad. materies VII. ceruis. pro silua. et insuper. L. modii siglili. Omnia hec habent CCCXX. VIII. (Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 43, N r . 12). Die im Text erwähnte Interpretation dieser Stelle bei Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 142f.; Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 135f.

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Interpretation scheint keineswegs gesichert; 335 nimmt man sie jedoch ernst, muß man dann annehmen, daß der Wildbann bei der Rodung eine Rolle spielte? Die folgende Überlegung spricht dagegen. Der Umfang des Besitzes, der zur Villikation Haina gehörte, war beträchtlich. E r umfaßte nicht weniger als sechs - in den Fuldaer Quellen so genannte territoria, für die man je 315 Acker Land angesetzt hat, was wahrscheinlich der gleichen Anzahl von Morgen entspricht, insgesamt also 1875 Morgen. 336 Daneben gab es noch 146 weitere Hufen, die offenbar nicht zu diesem Land zählten. Die beiden größten Gruppen abgabepflichtiger Personen waren 75 Liten und 120 Slawen. Im Verband der Villikation wurden neben Textilien auch Waffen produziert, wie die Nennung von scutatores zeigt. 337 N a c h Antoni stieß der Fuldaer Besitzkomplex zu Haina im Westen an den von Lupnitz an und wurde nur im N o r d e n von Fremdbesitz begrenzt, nämlich von den Dörfern Großenbehringen, Wolfsbehringen und Oesterbehringen, die sich wohl zum größten Teil in Hersfelder Besitz befanden. 338 Einer fuldischen Rodungstätigkeit, die von Haina ausging, wären also wohl auch ohne den Wildbann nicht viele Grenzen gesetzt gewesen, zumal die Villikation Haina schon allein aufgrund ihrer bloßen Größe eine beherrschende Stellung im fraglichen Raum einnahm. Sollte man angesichts dieser Verhältnisse tatsächlich annehmen müssen, daß erst ein bannurn super diversi generis feras, also ein auf das Wild festgelegter Bann, dem Kloster die Rodung ermöglichte? Es wird sich doch vielmehr so verhalten haben, daß, sofern das Kloster roden ließ, die Rodungen sich auf den umfangreichen Fuldaer Besitz stützten.

335 Die fragliche Stelle ist recht undurchsichtig; vgl. das Zitat in der vorigen Anm. Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 142f., bezieht die Zahl am Schluß offenbar auf das zu ergänzende Subjekt von habent und meint, daß „328 Arbeiter, die in den Waldungen rodeten ... sieben Fuhren Bier sowie 50 Scheffel Winterweizen" erhielten. Omnia hec wäre dann das Objekt und bezöge sich auf das Bier und das Getreide. Abgesehen davon, daß die syntaktischen Bezüge nicht eindeutig sind, macht hier schon die große Zahl der Arbeiter stutzig, trotz der eindrucksvollen Größe der Villikation, auf die im Text eingegangen wird. Darüber hinaus läßt auch das verwendete Vokabular weniger an die Rodung denken; materies steht eher für Baumaterial (vgl. Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis, 4, S. 319; Novum Glossarium mediae latinitatis, M-N, Sp. 255f.). Es könnte sich daher einfach um die Abgaben handeln, die von den Mitgliedern der Villikation für den Holzbezug zu leisten waren; es gibt keine Hinweise darauf, daß diese mit dem Wildbann in Verbindung standen. Der Kontext der Stelle ist bei ihrer Interpretation im übrigen wenig hilfreich. 336 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 43, Nr. 12; vgl. Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 135; Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 142; Küther, Lupnitz: Fiskus-Villa-Gau-Mark-Wildbann, S. 182f. 337 Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 43, Nr. 12. Dort werden auch weitere Abgaben aufgeführt. Vgl. auch Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 135f.; Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 142f. 338 Antoni, Lupnitz - Mark und Wildbann des Klosters Fulda, S. 135.

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Die einzelnen Forste

Nach einer Urkunde, die nur als stark verfälschte Kopie des Mönches Eberhard überliefert ist, hatte das Kloster von Konrad I. Besitz zu Haina cum certis terrarum ac silvarum terminis erhalten.339 Das Rodungsland wäre also vorhanden gewesen, ohne daß man den Wildbann bemühen müßte, um die Fuldaer Rodungen, sofern es sie gab, zu erklären. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß es im übrigen Wildbanngebiet anders ausgesehen hätte. Der Mönch Eberhard fügte einer seiner Kopien der Wildbannurkunde eine zusätzliche Bestimmung hinzu. Niemand solle in der Mark Lupnitz oder anderen fuldischen Gebieten Siedlungen oder Befestigungen errichten. Dadurch solle verhindert werden, daß sich Auseinandersetzungen und Übergriffe gegen das Klostergut ereigneten.34 Die Allgemeinheit dieser Bestimmungen läßt vermuten, daß hier lediglich versucht wurde, natürlichen Anliegen des Klosters die Autorität einer herrscherlichen Verleihung zu geben. Auf irgendwelche weitergehenden Eigenschaften von Wildbannverleihungen im Sinne einer herrschaftsbildenden Kraft kann man dagegen wohl nicht einfach schließen. Wäre eine derartige Bestimmung ein selbstverständlicher Bestandteil von Wildbannverleihungen gewesen, müßte es auch merkwürdig anmuten, daß man es im 12. Jahrhundert für notwendig hielt, ihr mit einer Interpolation so wortreich Ausdruck zu verleihen, wie es hier geschehen ist. Daß die Interpolation sich nur in einer der beiden Kopien Eberhards findet, sei dabei nur am Rand vermerkt.

23. Der Wildbann von 1059 Die Wildbannurkunde für das Kloster Fulda vom Jahr 1059 bezeichnet den Gegenstand der Verleihung bereits als Wildbann (wiltbannum). Die Urkunde enthält auch das Jagdverbot für Unbefugte, 341 das für Wildbannverleihungen

339 D Ko I 38. Die Urkunde wird von Roller, Eberhard von Fulda, Beilage S. 28f., Nr. 15 als „echt, aber von Eb. stark verfälscht" bezeichnet. Der Ort wird in der Urkunde Hagen genannt. Zu seiner Identität mit Haina vgl. Lübeck, Die Fuldaer Mark Lupnitz, S. 142. 340 D H U 327, Anm. 11: Denique precipimus et confirmamus nostraque imperiali potestate et auctoritate interdicimus, ne ullus principum, ducum videlicet marchionum comitum, vel aliorum quivis regni nobilium neque in hac Lupencemarcha, quam deo et sancto Bonifacio obtulimus, neque in aliis terminis Fuldensis ecclesie propriis vel in confinio terminorum urbes vel castella constituât, ne forte, quod absit, ingruentibus preliis sediciones inde oriantur et rapine a viris pestilentiosis super bona ecclesie creberrime fiant et sit in ruinam et destructionem animarum multarum. 341 D H IV 61: predictus abbas ... sui successores liberam eiusdem wiltbanni potestatem habeant nullusque sine suo suorumque successorum consensu in prenominatis terminis venari présumât.

Fulda

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typisch ist, sowie die Konsensformel. 342 Der Urkundentext ist am Schluß möglicherweise durch eine Interpolation verändert worden, bei der eine Wiederholung der Konsensformel abgewandelt wurde. Liegt eine Interpolation vor, dann sollte aus der Konsensformel wohl ein Satz gemacht werden, der nochmals den Jagdvorbehalt zugunsten des Fuldaer Abtes einschärft. 343 Der Wildbann sollte nach der Urkunde in einem Forst gelten, der dem Kloster bereits gehörte. 344 Das ganze Wildbanngebiet an sich wird aber wohl kaum im Besitz des Klosters gewesen sein, da dort auch andere Grundherren begütert waren, von denen nicht zuletzt die Konsensformel spricht. 345 Der fremde Besitz im Wildbanngebiet läßt es auch unmöglich erscheinen, daß mit dem Forst ein klösterlicher Nutzungsvorbehalt gemeint war, der sich über das künftige Wildbanngebiet erstreckte und nur die Jagd noch nicht einschloß. 546 Die plausibelste Erklärung dürfte wohl die sein, daß mit dem Fuldaer Forst das Wildbanngebiet gemeint war, das durch die Verleihung erst

342 Ebd.: Consenserunt autem huic nostre traditoni Adalbero Wirziburgensis episcopus, Eberhardus comes, Sigiboto comes, Gozuuinus comes, Tammo comes, Gerhardus, Ramuolt comes, Oto, Reginbardus [omnes] ... quicumque aliquod predium aut beneficium sive advocationem in bis prescriptis terminis possederunt. 343

D e r Jagdvorbehalt schließt auch explizit den Fischfang mit ein: Consenserunt

autem

huic nostre traditioni Adalbero Wirziburgensis episcopus... Oto ceterique [omnes] quicumque aliquod predium aut beneficium sive advocationem in bis prescriptis terminis possederunt, idem Sigifridus abbas omnesque post eum Fuldensis aecclesie abbates tarn piscandi quam venandi privatam potestatem habeant. ( D H I V 61. Vgl. die Vorbemerkung zu diesem Diplom. D i e weitreichenden Überlegungen, die dort zur Tendenz der vermeintlichen Verfälschung angestellt werden, scheinen keineswegs zwingend, da ja nach wie vor von der Zustimmung der anderen Grundherren die Rede ist. Es ist wohl nicht auszuschließen, daß es sich bei der angeblichen Interpolation auch einfach um eine Korrektur handeln könnte, die noch in der Kanzlei Heinrichs IV. vorgenommen wurde).

344 D H IV 61: wiltbannum super quoddam forestum eiusdem Fuldensis aecclesie proprium infra hos terminos situm. 345 Vgl. auch Knaus, D i e königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 5 7 62; Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 38f.; Cramer, Landeshoheit und Wildbann im Spessart, S. 7 5 - 7 8 . Südlich des Wildbanns von 1059 lag ein Forst des Klosters Aschaffenburg, der durch eine G r e n z beschreibung des 11. Jahrhunderts bekannt ist ( N o t a e Aschaffenbvrgenses, S. 759, A n m . 5; vgl. Richter, Gemünden). Es kann nur vermutet werden, daß er aus einer königlichen Verleihung stammt (Cramer, Landeshoheit und Wildbann im Spessart, S. 6 4 - 7 4 ) . D a es somit keine Gewähr dafür gibt, daß der Wildbann die Kriterien erfüllt, die seine Aufnahme in die Untersuchung rechtfertigen würden, kann diese auch nicht erfolgen. 346 Diese Möglichkeit ist rein hypothetisch, muß aber angesichts der gängigen Vorstellungen von Forsten und Wildbännen in Betracht gezogen werden. Dasselbe gilt beispielsweise auch für die vergleichbaren Überlegungen, die bei N r r . 1, 5 und 18 angestellt wurden.

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Die einzelnen Forste

entstand. Dieser Schluß drängt sich auch bei einigen anderen zeitgenössischen Wildbannurkunden auf, die vergleichbare Formulierungen aufwei347

sen. Im Wildbanngebiet war das Kloster Fulda schon lange vor der Wildbannverleihung begütert. Es hatte dort bereits 777 den Fiskus Hammelburg von Karl dem Großen geschenkt erhalten.348 Auch in anderen Bereichen des Wildbanngebietes befanden sich fuldische Besitzungen, so im oberen Kinzigtal bei den beiden Orten Kinzig und Elm, w o dem Kloster schon gegen Ende des 8. Jahrhunderts Schenkungen gemacht worden waren. 349 Dabei hatte das Kloster auch Güter erhalten, die in einem Bifang lagen, also in einem Stück Land, das vornehmlich zu Rodungszwecken okkupiert worden war.350 Die Rodung hatte sich im Wildbanngebiet mithin schon vor der Wildbannverleihung entfaltet. Daß sie dabei an Regeln gebunden war, auf die der Wildbann Einfluß nehmen konnte oder sollte, ist zumindest nicht belegt. A n der Ostgrenze verfügte das Kloster über massierten Besitz in der Gegend von Nordheim, Ostheim, Sondheim Stetten, Stockheim, Streu, Urspringen und Westheim, den es durch Schenkungen des 8. und 9. Jahrhunderts erworben hatte. In diesem Bereich stießen allerdings der Fuldaer Wildbann und der W ü r z burger Wildbann von 1031 zusammen, der vom Wildbann des Klosters säu347 Vgl. Nrr. 1, 83. 348 D Karol. I 116; U B Fulda S. 140-47, Nr. 77. Vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 57f.; Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 39f.; sowie besonders Lübeck, Die Fuldaer Mark Hammelburg. Die Schenkung umfaßte ein Gebiet, das durch eine separate Grenzbeschreibung bekannt ist, die in einer Urkunde wohl des 9. Jahrhunderts überliefert ist: U B Fulda, S. 151-54, Nr. 83; vgl. die bereits genannte Literatur und vor allem Lübeck, Die Fuldaer M a r k Hammelburg, S. 46-55 sowie Bauer, Die ältesten Grenzbeschreibungen, S. 3 - 2 7 mit Karte 2 im Anhang. Eine Vorstellung von der möglichen Ausdehnung des dabei an das Kloster geschenkten Bereiches, dessen Rekonstruktion teilweise Schwierigkeiten bereitet, vermittelt die Karte IIa des Geschichtlichen Atlas von Hessen. Zusammen mit Karte IIb, die eine kartographische Darstellung des Wildbanns von 1059 enthält, verdeutlicht sie auch den Anteil der Hammelburger Schenkung am Wildbanngebiet. 349 Codex diplomaticus Fuldensis, S. 63f., Nr. 107 (793), S. 70f„ Nr. 118f. (796). Vgl. Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 61. 350 Codex diplomaticus Fuldensis, S. 70f., Nr. 118f. Zum Bifang vgl. Bethge, Über .Bifänge' und Anm. 293. 351 Codex diplomaticus Fuldensis, Nrr. 44 (774), 383 (819), 493 (836), 522 (838), 628, 662, 776 (1120): Nordheim; ebd., Nrr. 93 (789), 302 (814), 411 (823), 415 (823), 426 (824), 433 (824), 451 (824), 454 (824), 472f. (827), 482 (830), 492 (836), 570, 590 (866), 594 (867), 648 (901), 703: Sundheim; ebd., Nrr. 110 (795), 132, 269, 357, 389, 441f.: Westheim; ebd., Nrr. 66 (779), 87 (788), 388 (819): Stockheim; ebd., Nrr. 82f. (785), 131, 215 (804), 269 (812), 357, 407f. (823), 425 (824), 476 (828), 491 (836), 563 (855): Ostheim; ebd., Nrr. 87 (788), 395 (821), 429 (824): Stetten; ebd., Nrr.: 197, 454 (824), 467 (828): Streu; ebd., Nrr. 565, 573, 757: Urspringen. Vgl. zu diesem Besitz Hofemann, Studien zur Entwicklung des Territoriums der Reichsabtei Fulda, S. 41.

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berlich ausgespart wurde. 352 Einige der genannten Orte lagen genau auf der Grenze zwischen den Wildbanngebieten. Es ist somit möglich, daß manche Fuldaer Güter jenseits der Wildbanngrenze von 1059 lagen. Unter den fuldischen Erwerbungen des 9. Jahrhunderts in der fraglichen Gegend befanden sich wiederum einige Bifänge. 353 Der fuldische Besitz im Wildbanngebiet bestand also zum großen Teil bereits lange vor der Wildbannverleihung, so daß er nicht einfach mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden kann. Die Forschung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß der Wildbann in der späteren Uberlieferung fehlt;354 dieser Umstand stellt aber keine auffällige Besonderheit dar.

24. Halberstadt 997 erhielt Bischof Arnulf von Halberstadt von O t t o III. den Bann über sechs namentlich genannte Forste verliehen; es handelt sich um den Hakel, Huy, Fallstein, Asse, Elm und Nordwald. 355 Der Bann war offensichtlich ein Wildbann, wie das Jagdverbot für Unbefugte deutlich macht, das in der Verleihungsurkunde ausgesprochen wird.356 Die sechs Forste können mit den Waldgebieten identifiziert werden, die noch heute die 997 genannten Namen tragen.357 Lediglich der Nordwald scheint seinen Charakter und seinen Namen im Laufe der Zeit verloren zu haben. Wie noch heute dürften die sechs Wälder zur Zeit der Verleihung in sich geschlossen und voneinander getrennt gewesen sein, da sie damals bereits je einen individuellen Namen trugen. 5 Die Verleihungsurkunde enthält noch eine rudimentäre Grenzbeschreibung, die offenbar dem Nordwald gilt.359 Die Grenzen dieses Forstgebietes bilden die Oker

352 Zickgraf, Forschungen zur Geschichte der Wildbänne und alter Grenzen im Gebiet der Grafschaft Henneberg-Schleusingen, S. 1 9 - 2 2 , vermutet sogar, daß der fuldische Wildbann stellenweise auf das Gebiet des Würzburger Wildbanns rechts der Streu übergriff. 353 Codex diplomaticus Fuldensis, N r r . 415 (823), 472f. (827), 476 (828), 570, 628. 354 Knaus, Die königlichen Forstprivilegien für die Abtei Fulda (1937), S. 63; Cramer, Landeshoheit und Wildbann im Spessart, S. 81, 96f. 355 D O III 243. 356 Ebd.: bannum nostrum ... concessimus ... ea videlicet ratione ut in bis sex forestis ... nulli penitus mortalium liceat cervum aut cervam vel aprum vel suem vel huius generis quiddam capere vel venari sine eins [sc. Arnulfi Halberstatensis episcopi] suorumque successorumque [!] licentia. 357 Zu diesen Wütschke, Beiträge zur Siedlungskunde, S. 38; Ranzi, Königsgut und K ö nigsforst, S. 185f.; zum Nordwald Rund, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landkreises Gifhorn, S. 164. 358 Wütschke, Beiträge zur Siedlungskunde, S. 36; Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 186. 359 Vgl. Meibeyer, Siedlungskundliches über den Papenteich, S. 14.

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D i e einzelnen F o r s t e

und eine Linie, die von der Aller bei Fallersleben bis zum Oberlauf der Schunter etwa ab Hattorf reicht.360 Davon abgesehen bleibt die genaue Ausdehnung des Wildbanns über die sechs Forste offen. Das läßt darauf schließen, daß es für die Definition des Geltungsbereiches ausreichte, die Wälder zu nennen, auf die der Wildbann sich erstreckte.361 Der Wildbann dürfte sich folglich auf die Waldgebiete selbst beschränkt haben. Somit sind für die Untersuchung auch nur die Zustände innerhalb der eingeforsteten Wälder maßgeblich. Genauere Angaben darüber, wie groß die Wälder zur Zeit der Verleihung waren, liegen nicht vor. Es muß daher von der heutigen Ausdehnung der sechs Forste ausgegangen werden. Lediglich im Fall des Nordwalds bewegt man sich wegen der Grenzbeschreibung wenigstens teilweise auf etwas sichererem Boden. Der Wildbann scheint nicht erst mit dem Akt der Verleihung geschaffen worden zu sein, sondern als königlicher Wildbann vorher bereits bestanden zu haben, denn er wird als Besitz des Ausstellers (nostri iuris proprietatem bannum nostrum) bezeichnet.362 Damit dürfte es sich bei den Forsten von 997 um königliche Jagdreviere gehandelt haben; als solche befanden sie sich innerhalb einer Kernlandschaft des ottonischen Königtums. Das benachbarte Harzgebiet war durch seine wirtschaftliche Bedeutung eine königliche Interessensphäre ersten Ranges und wurde von den ottonischen und salischen Herrschern auch zum Zweck der Jagd aufgesucht. 6 Auf der anderen Seite der Oker, dem Wildbanngebiet - oder besser: den Wildbanngebieten - von 997 gegenüber lag beispielsweise die bedeutende Pfalz Werla.364 Der Wildbann, der 997 verschenkt wurde, läßt sich zwanglos in diesen Zusammenhang einordnen; das Hochstift Halberstadt erhielt offenbar königliche Jagdgebiete übereignet. Dabei verlautet nichts darüber, ob der eingeforstete Grund und Boden in die Schenkung mit eingeschlossen war. Der Besitz der sechs Wälder stand wohl gar nicht zur Disposition. In späterer Zeit be360 Zur Rekonstruktion der Grenze vgl. Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 186; Gauert, Uber die Grenzen des Halberstädter Wildbannbezirks von 997; Meibeyer, Siedlungskundliches über den Papenteich, Karte S. 7. Die nachträglich, aber von einem N o t a r der Kanzlei Ottos III. vorgenommene Eintragung der Grenzbeschreibung in das Diplom ist unvollständig und fehlerhaft, was auf Schwierigkeiten bei der Entzifferung einer vom Empfänger eingereichten Vorlage hindeutet: Sickel, Zur Urkunde des Kaisers Otto III. für die Bischöfe von Halberstadt vom 20. April 997. 361 Vgl. Meibeyer, Siedlungskundliches über den Papenteich, S. 14. 362 D O III 243. 363 Jordan, Der Harzraum in der Geschichte der deutschen Kaiserzeit; Brachmann, Der H a r z als Wirtschaftsraum des frühen Mittelalters; Gringmuth-Dallmer, Die mittelalterliche Besiedlung des Mittel- und Unterharzes, bes. S. 147f. Lüders, Stellfelde, glaubt sogar einen königlichen Forsthof bei Stellfelde im Nordwald, einem der Forste von 997, ausmachen zu können. 364 Zu ihr vgl. Schroller, Die Ausgrabung der Pfalz Werla; Rieckenberg, Zur Geschichte der Pfalz Werla.

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fanden sich denn auch Teile der Wälder im Besitz anderer Eigentümer als des Hochstifts. So überließ der Domkustos Burchard von Wartberg dem Hochstift 1227 einen Wald, also wohl eine Waldparzelle, im Huy, der zu seinem Eigengut gehörte.365 Der Elm dagegen findet sich in der Besitzliste des Gründungsprivilegs Lothars III. für das Kloster Königslutter.366 Die Liste steht allerdings im Verdacht, das Ergebnis zweier Interpolationen zu sein, die im Zusammenhang mit Besitzstreitigkeiten der Zeit um 1235/39 und 1324 vorgenommen wurden.367 1 147 übereignete Heinrich der Löwe dem Kloster Königslutter den Herzberg im Elm.368 Aber auch das Hochstift Halberstadt verfügte in späterer Zeit über Waldbesitz in den Forsten von 997. Da der Halberstädter Besitz sich jedoch nicht über die Wälder im ganzen erstreckte, scheint es nicht möglich, ihn mit hinreichender Sicherheit auf die Wildbannverleihung zurückzuführen. Der hochstiftische Besitz in den Forsten von 997 ist aus einem Halberstädter Lehnsregister von 1311 ersichtlich. Er begegnet dort vor allem in Form von Waldparzellen (spacia lignorum oder ähnlich), die an verschiedene Lehnsträger ausgegeben waren. Der oben erwähnte Fall des Domkustos Burchard von Wartenberg zeigt, daß sich derartige Besitzeinheiten in ein und demselben Wald befinden konnten wie Waldbesitz fremder Eigentümer. Im Huy, in dem Burchards Wald lag, findet sich die größte Anzahl solcher spatia lignorum in Halberstädter Besitz, aber auch im Fallstein kommen sie vor.369 Im Hakel verlieh das Hochstift im Spätmittelalter mehrfach das Recht des Holzbezugs. 370 Ebenso ging vom Hochstift ein Zehnt zu Lehen, der in der Asse und einem weiteren Wald erhoben wurde, wie auch ein Zehnt auf einen

365 UB Halberstadt, 1, S. 528-32, 5 3 8 ^ 4 , 548, Nrr. 592-95, 602, 608a. 366 D L o I I I 7 4 . 367 Naß, Die älteren Urkunden des Klosters Königslutter, S. 143-57; Regesta Imperii IV, 1/1, S. 284-86, Nr. 1*450. 368 D HdL 10. Der betreffende Passus der Urkunde, vom Herausgeber noch für eine mögliche Interpolation gehalten, wird durch andere Textzeugen bestätigt: Naß, Die älteren Urkunden des Klosters Königslutter, S. 140f. Ebd., S. 141 auch zur Lokalisierung des Herzberges. 369 Codex diplomaticus Brandenburgensis, 1. Hauptteil, Bd. 17, S. 441-77, Nr. 28, S. 442: Johannes et Ludolfus ... tenent... II loca lignorum in Huyone, S. 451: Johannes miles et Thidericus ... X mansos lignorum in Valsten, S. 452: Johannes de Wedersleue ... siluulam in Huyone, S. 453: Hinricus de Getlede ... quinque mansos lignorum in monte qui Valsten dicitur iuxta Veltem et I mansum lignorum in eodem monte prope Osterrode ... Conradus de Biwende I siluam in Valsten, S. 454: Henricus de Hedebere ... II mansum lignorum in Valsten ... Hinricus Calle ... siluam in Valstene, S. 455: Albertus ... duo spatia lignorum in Huyone que vocantur holtstede, S. 458: Olricus Vages ... I holtstede in Valsten, S. 461: Spegel ... ministerielles ... I spacium lignorum in Huyone ... Facius et Conradus... I silvam in Valsten, S. 471: Adrianus ... I ruhetum in Huyone, S. 472: Fredericus... I siluam in Huyone. 370 UB Halberstadt, 4, S. 310-312, Nr. 3015 (1388), S. 630f., Nr. 3437 (c. 1425).

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locum silve im Huy.371 Zum Halberstädter Lehensbesitz im H u y gehörte zudem ein forestum, aber da diese Angabe mit dem Zusatz cum aliis siluis circumiacentibus versehen ist, 2 scheint es sich bei dem Forst nur um eine weitere Waldparzelle zu handeln. Im Huy, wo der Halberstädter Waldbesitz sich häuft, stiftete Bischof Burchard II. 1084 das Kloster Huysburg und stattete es mit dem umliegenden sowie einem weiter östlich gelegenen Wald aus.373 Die Klostergründung ist nicht zuletzt wegen der hochstiftischen Ausbautätigkeit von Interesse, mit der sie einhergegangen sein könnte. Das Kloster wurde an einem O r t gegründet, der bereits in der Stiftungsurkunde von 1084 als civitas und urbs bezeichnet wird.374 Nach den Gesta episcoporum Halberstadensium hatte dort bereits Bischof Burchard I. (1036-1059) einen Pfalzbau mit einer Kapelle errichtet.375 Auch der Annalista Saxo berichtet zum Jahr 1070 von der Kapelle in Huysburg sowie von einer bischöflichen curia, in ihrer Nachbarschaft. 376 Wenn sich in Huysburg aber tatsächlich bereits eine ottonische Burganlage befunden hatte,377 könnte der Halberstädter Besitz nicht einfach auf eine bischöfliche Ausbautätigkeit zurückgeführt werden. Selbst wenn das Hochstift tatsächlich Ausbau betrieben hatte, wäre zudem immer noch keine Verbindung zur Wildbannverleihung nachweisbar. Es gibt einen weiteren Anhaltspunkt dafür, daß der Ausbau im H u y nicht einfach dem Hochstift als Folge der Wildbannverleihung zugeschrieben werden kann. So erhielt das neugegründete Kloster durch die devota christifidelium oblatio auch drei Mansen in suburbio civitatis Huysburch.37S Das deutet darauf hin, daß sich dort fremder Besitz befand. Auch in der unmittelbaren Umgebung der Forste von 997 (ohne den Nordwald, der weiter unten zur Sprache kommen wird) findet sich Fremdbesitz in großer Zahl. Er befand sich häufig am selben O r t wie hochstiftischer Besitz.379 Das läßt kaum darauf schließen, daß der Wildbann das Hochstift beim Ausbau im Untersuchungsgebiet besonders begünstigte. 371 Codex diplomaticus Brandenburgensis, 1. Hauptteil, Bd. 17, S. 449: Geuehardus ... tenet... Decimam supra monentes [!] Osel et Asse, S. 466: Johannes ... decimam super locum silve in Huyone. 372 Ebd., S. 441. 373 UB Halberstadt, 1, S. 73, Nr. 106. Unter dem Dotalgut befanden sich Silva circa ipsam urbem Huysburch, item pars silve in orientali parte urbis. 374 Ebd. 375 M G SS XXIII, S. 95: in Huiesburch palacium et capellam conderet. 376 M G SS VI, S. 698: Est autem locus excelsus, fuitque in eo curia Halherstadensis episcopi domuique episcopali adherens capella, quam prior Burchardus episcopus devotissime construxerat. y71 Vgl. Stolberg, Befestigungsanlagen im und am Harz, S. 189f.; Provinz Sachsen-Anhalt, S. 223-25; Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters, 1, S. 299. 378 UB Halberstadt, 1, S. 73f., Nr. 106. 379 So z. B. bei Anderbeck, Aspenstedt, Denkte, Dingelstedt, Hessen, Kissenbrück, Maschenrode, Roklum, Schöningen, Veltheim, Winnigstedt, Wittmar: UB Halberstadt, 1, S. 16f., Nr. 34 (965), S. 41, Nr. 55 (968-96), S. 73f., Nr. 106, S. 74f., Nr. 108 (1086),

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Nach dem Lehensregister von 1311 gab es im Elm neben einem hochstiftischen Zehnten auch einen wüst gefallenen Neubruch;380 hier fehlen jedoch wiederum Hinweise darauf, daß die Rodungstätigkeit mit dem Wildbann in Verbindung stand. Es kommt hinzu, daß selbst die direkte Umgebung der sechs Forste von 997 außerhalb des Bereiches liegt, der strenggenommen zum Wildbanngebiet gerechnet werden kann. Dieses kann, muß aber eben nicht über den heutigen Umfang der sechs Wälder hinausgegangen sein. Es ist nur statthaft, von der gesicherten Ausdehnung der Wildbanngebiete auszugehen, und der einzige Anhaltspunkt hierfür ist nun einmal der heutige Zustand. Das gleiche gilt für eine Ansiedlung von Kolonisten im Sumpfgebiet zwischen Oker und Bode (paludem, que est inter Ovekeram et Bodam). Von ihr ist in einer Urkunde von 1180-84 die Rede, welche die Rechte und Pflichten der Siedler gegenüber dem Bischof festhält.381 Das betroffene Gebiet ist das Offenland, das die Forste von 997 trennt. Somit kann der Wildbann auch hier nicht ins Spiel gebracht werden - einmal ganz abgesehen davon, daß wiederum keine Hinweise auf irgendeine Verbindung zum Wildbann vorliegen. Im Hinblick auf die Besitzverhältnisse im Untersuchungsgebiet ist der Elm besonders auffällig. An seinem Rand sind neben Siedlungen, die viel älter sind als die Wildbannverleihung,382 auch mehrere Sitze edelfreier Geschlechter nachweisbar.383 Im Elm lag ebenfalls Besitz des Klosters St. Ludgeri zu Helmstedt.384 All das spricht nicht gerade dafür, daß das Hochstift Halberstadt durch die Wildbannverleihung eine Sonderrolle bei Rodung und Landesausbau spielte. Genauso sieht es im Bereich des Nordwaldes aus, der in der Verleihungsurkunde von 997 als einziger der sechs Forste in seiner Ausdehnung näher bestimmt wird. Auch hier sind mehrere Siedlungen bereits vor der

S. 104f., N r . 1 3 8 ( 1 1 1 4 ) , S. 1 1 8 - 1 2 0 , N r . 149 (1120), S. 221, N r . 255 (1160), S. 265, N r . 298 (1182), S. 302f., N r . 335 (1192), S. 356, N r . 395f. (1198), S. 545, N r . 606; D O I 327 (966); D H IV 32 (1058). Diesen Raum behandelt auch Hahne, Siedlungsgeschichte und Verkehrsstraßen zwischen Elm und Asse. 380 C o d e x diplomaticus Brandenburgensis, 1. Hauptteil, Band 17, S. 449: Bertramm ... dimidietatem noualis deserti in Elmone et totam decimam eiusdem. 381 U B Halberstadt, 1, S. 276f., N r . 308. 382 So Schöningen, Schöppenstedt und Küblingen: Hellfaier/Last, Historisch bezeugte O r t e in Niedersachsen, S. 27, N r r . 287, 560; Casemir/Ohainski, Niedersächsische O r te bis zum Ende des ersten Jahrtausends, N r r . 427, 844; Niedersachsen und Bremen, S. 420f. 383 So bei Destedt, Veltheim, Warberg, Königslutter: Niedersachsen und Bremen, S. 112, 463, 475f.; Pischke, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, S. 64, N r . 41; Dies., Der Herrschaftsbereich Heinrichs des Löwen, N r . 166; Vogt, Das Herzogtum Lothars von Süpplingenburg, S. 53f., 67. 384 Geschichtlicher Handatlas von Niedersachsen, Karte 22: Besitz des Klosters St. Ludgeri Helmstedt in der Mitte des 12. Jahrhunderts.

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Die einzelnen Forste

W i l d b a n n v e r l e i h u n g belegt, so daß sie nicht als P r o d u k t e eines A u s b a u s in Frage k o m m e n , d e r v o m W i l d b a n n abhing. 3 8 5 Z u d e m w a r dieser Teil des W i l d b a n n g e b i e t e s z u r Zeit d e r V e r l e i h u n g u n d später eine I n t e r e s s e n s p h ä r e des G r a f e n g e s c h l e c h t e s d e r B r u n o n e n u n d in i h r e r N a c h f o l g e L o t h a r s v o n S ü p p l i n g e n b u r g u n d d e r W e i f e n . Es f i n d e t sich d o r t Besitz des S ü p p l i n g e n b u r g e r s , d e r an die B e s i t z u n g e n d e r B r u n o n e n a n k n ü p f t u n d z u m i n d e s t teilw e i s e i m B e s i t z H e i n r i c h s des L ö w e n aufging. N e b e n elf O r t e n , die m i t d e m K o m i t a t d e r B r u n o n e n im Z u s a m m e n h a n g stehen, 3 8 6 b e t r i f f t dies v o r allem B r a u n s c h w e i g b z w . die B u r g D a n k w a r d e r o d e u n d W o l f e n b ü t t e l als Sitz eines später w e i f i s c h e n Ministerialengeschlechtes. 3 8 7 N o c h w e i t a u s s t ä r k e r massierte sich j e d o c h d e r spätmittelalterliche Besitz d e r H e r z ö g e v o n B r a u n s c h w e i g u n d B r a u n s c h w e i g - L ü n e b u r g i m B e r e i c h des N o r d w a l d e s . D e r L e h n s b e s i t z dieser H e r r s c h a f t e n b e f a n d sich i m 1 4 . J a h r h u n d e r t an nicht w e n i g e r als 5 6 O r t e n z w i s c h e n A l l e r , O k e r u n d Schunter. 3 8 8 V i e r z e h n d e r b e t r o f f e n e n O r t e w e r d e n in d e n L e h n b ü c h e r n , aus d e n e n das

385 So Lehre, (Ober-/Nieder-)Sickte, Ehmen, Schwülper, Grassel und die Wüstung Mundburg: Hellfaier/Last, Historisch bezeugte Orte in Niedersachsen, S. 16, Nrr. 59, 62, S. 21, Nrr. 175, 180; Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte bis zum Ende des ersten Jahrtausends, Nrr. 244, 245, 247, 419, 853, 862; zu diesen und weiteren Beispielen (Sülfeld) vgl. auch Meibeyer, Siedlungskundliches über den Papenteich, Karte S. 7; Gauert, Uber die Grenzen des Halberstädter Wildbannbezirks von 997, S. 177; Meibeyer, Siedlungskundliches über den Papenteich, S. 34-53, legt seine H y p o thesen zur Besiedlung des Nordwaldes dar, die in mehreren Stufen schon bis zur Jahrtausendwende abgeschlossen gewesen sein soll, dann also erst recht nicht als Ergebnis der Wildbannverleihung in Frage käme. 386 Vogt, Das Herzogtum Lothars von Süpplingenburg, S. 42-53, bes. S. 46f. mit Anm. 48, sowie die Karte im Anhang der Arbeit; Schölkopf, Die sächsischen Grafen, S. 104-111; vgl. auch Kretzschmar, Die Schunterburgen, S. 36-41 mit Karte S. 34f. 387 Pischke, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, S. 66, Nr. 62, S. 70, Nr. 126; vgl. Vogt, Das Herzogtum Lothars von Süpplingenburg, S. 52, 57-59, 73, 8lf.; D Lo III 67 (1134); Pischke, Der Herrschaftsbereich Heinrichs des Löwen, Nr. 157. Zu Braunschweig auch Last, Art. ,Braunschweig'; Niedersachsen und Bremen, S. 63-68. Im fraglichen Bereich lagen an Besitzungen Lothars und der Weifen auch noch Salzdahlum und Sickte: Pischke, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, S. 69, Nrr. 102, 106; Dies., Der Herrschaftsbereich Heinrichs des Löwen, Nrr. 208, 211. 388 Nach den jeweiligen Lehnbüchern des 14. Jahrhunderts. Der dort erscheinende Besitz ist kartographisch dargestellt in den Karten 29 („Die Lehnsherrschaft der Herzöge von Braunschweig auf Grund der Lehnbücher von 1318 und 1344-65") und 30 („Die Lehnsherrschaft der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg auf Grund der Lehnregister von 1330-1352 und 1360/1368") des Geschichtlichen Handatlas von Niedersachsen. Da die Grenzbeschreibung des Nordwalds in der Wildbannurkunde keine Südgrenze angibt, wurde bei der Zählung der Bereich bis auf die Höhe des Nordrandes des Elm berücksichtigt; vgl die Argumentation bei Gauert, Uber die Grenzen des Halberstädter Wildbannbezirks von 997.

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hervorgeht, überhaupt zum ersten Mal erwähnt.389 Auch hier spricht der Befund dagegen, daß das Hochstift eine Sonderrolle beim Ausbau spielte, die sich aus dem Wildbann ergab. 1295 bestätigte König Adolf die Wildbannurkunde von 997 durch Transsumierung.390 In gleicher Weise wurden 22 weitere Privilegien der Ottonen, Salier und Staufer in Urkunden bestätigt, die alle vom selben Tag datieren.391 Auch wenn die Bestätigung der Urkunde von 997 individuell durch Transsumierung erfolgte, so ist dieser Vorgang angesichts der anderen Bestätigungen doch zu pauschal, um daraus schließen zu können, daß der Wildbann tatsächlich noch eine Funktion besaß.

Hamburg-Bremen 25. Der Wildbann an der Weser Die älteste Bremer Forsturkunde stammt von 1049 und blieb unvollzogen und unbesiegelt.392 Der Jagdvorbehalt weist sie als Wildbannurkunde aus. Die fehlende Beglaubigung läßt es fraglich erscheinen, ob man der Urkunde überhaupt eine Wirksamkeit zuschreiben kann. Von diesem grundsätzlichen Mangel abgesehen fragt es sich aber auch, ob eine Urkunde der vorliegenden Form geeignet gewesen wäre, neben der Jagd noch weitere Bereiche zu regeln, da die Strafandrohung ausdrücklich mit der Jagd in Beziehung gesetzt wird.393 In dem Wildbanngebiet, das die Urkunde von 1049 vorsah, erhielt Erzbischof Adalbert 1063 quicquid cuiuscumque venationis fieri potest.m Daß es dabei nur um einen Jagdbann ging, ist offensichtlich, zumal der Forstbegriff überhaupt nicht verwendet wird. Mehr als eine Kontrolle der Jagd wird man 389 Ebd. Die Lehnbücher sind ediert und erläutert in Fleutje/Henrichvark, Die Lehnbücher der Herzöge von Braunschweig. 390 U B Halberstadt, 2, S. 560f., Nr. 1619, 9). 391 Ebd. 392 D H III 235. Der Forst lag in ducatu Berenhardi ducis, was, wie der Herausgeber von D H III 235 vermutet, den Zustand der Urkunde erklären könnte. Zu den Streitigkeiten der Billunger mit dem Erzstift vgl. Althoff, Die Billunger in der Salierzeit, bes. S. 325-28. 393 Ebd.: unum forestum cum legitimo banni iure tradimus ... ea videlicet condicione et ratione ut nullus absque licencia prefati archiepiscopi successorumque suorum ullum genus ferarum, quod iure banni interdicitur lege, qualibet venatoriae artis industria in eodem foresto presumat capere vel decipere. Quisquís autem contra istam nostri imperialis precepti conditionem infra prefinitum eiusdem foresti venetur terminum, eandem erga archiepiscopum emendationis habeat legem, que omnibus legaliter constituía est, qui in nostro contra vetitum venantur foresto. 394 D H IV 115. Zu der Ausdehnung des Wildbanns vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen, 1, Nr. 233 für den Wildbann von 1049 und die Angaben in D H IV 115 (inter Warmenou, Wiseram Aldenam et Huntam Fluvios), sowie die in D H III 235 (idescendens iuxta Hvntam fluvium usque in ... Aldena... per crepidinem Wisere).

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mit dem Privileg von 1063 nicht in Verbindung bringen dürfen. Das gleiche gilt für die Urkunde von 1049, die ja noch nicht einmal eine vollgültige Form besitzt. In dieselbe Richtung weisen die Umstände, unter denen sich die spätere Ausbautätigkeit im Banngebiet vollzog; auf sie ist im Zusammenhang mit dem Bremer Forst im Gau Wimodi zurückzukommen.

26. Der Forst im Eiterbruch 1063 wurde dem Erzstift auch ein Forst im Eiterbruch und weiteren umliegenden Wäldern bestätigt, den Konrad II. verliehen haben soll.395 Ein entsprechendes Privileg ist nicht erhalten. Den Eiterbruch soll nach Adam von Bremen bereits Erzbischof Hermann (1032-1035) erworben haben, was Konrad II. bestätigte.396 Wenn der Eiterbruch zur Zeit der Forstverleihung schon erzstiftischer Besitz war, kann es sich bei dem verliehenen Forst nur um einen Bann gehandelt haben. Das geht auch daraus hervor, daß der Forst in den genannten Wäldern galt (in ceteris circumiacentibus silvis), mithin selbst kein Wald war. Es liegt also die Verleihung bzw. Bestätigung eines Wildbanns vor. Da der Eiterbruch selbst dem Erzstift ebenfalls gehörte, müßte man nicht erst die Forstverleihung bemühen, um die Rodung bzw. den Ausbau im Forstgebiet zu erklären. Dafür bestünde ohnehin wenig Anlaß, da das Untersuchungsgebiet erst seit dem 18. Jahrhundert trockengelegt und urbar gemacht wurde.397 Bereits im Spätmittelalter wurde der Eiterbruch als Holzlieferant genutzt, bezeichnenderweise aber nicht vom Erzstift, sondern von den Grafen von Hoya.398 Diese verfügten selbst über die Jagd im Eiterbruch,399 deren Kontrolle man nach der Urkunde von 1063 beim Bremer Erzbischof vermuten sollte. 395 D H IV 1 1 5 : f o r e s t u m in Eternebroc atque in ceteris circumiacentibus silvis, quod dive memorie avus noster Counradus Romanorum scilicet imperator augustus predicte sancte Hammaburgensi ecclesie perpetuo proprietatis iure possidendum contulit, id Eins igitur precibus inclinati predicto foresto ipsum amplificando confirmaremus. adiungimus, quicquid... cuiuscumque venationis fieripotest. 396 Adam von Bremen, S. 127f., schol. 48 (49); vgl. die Vorbemerkung zu D H IV 115. 397 Dienwiebel, Geschichtliches Ortsverzeichnis der Grafschaften H o y a und Diepholz, A - K , S. 622, N r . 623, wo im übrigen irrig davon ausgegangen wird, daß forestum in der Urkunde von 1063 gleichbedeutend mit Wald sei. 398 U B H o y a , 1. Abteilung, S. 2 8 7 - 8 9 , N r . 455 (1437): Och heft Juncker Otto [von H o y a ] ouergheven ... der vorgescr. manschup dat se mögen howen in deme suluen Eternenbrocke so vele ellernes holtes ake men behouet to der vuringe to be huff des slotes und ok wes se behouen von balen ellernes holtes to deme dämme; vgl. Dienwiebel, Geschichtliches Ortsverzeichnis der Grafschaften H o y a und Diepholz, A - K , S. 622, N r . 623, mit weiteren Nachweisen. 399 U B Hoya, 1. Abt., S. 289f., N r . 455 (1437): Och heuet Juncker Otto ... vmme bede wyllen der manschup ouergheuen dat Juncker gherd myt eme mach yagen in deme Eternenbroke\ vgl. Dienwiebel, Geschichtliches Ortsverzeichnis der Grafschaften H o y a und Diepholz, A - K , S. 622, N r . 623.

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Es lassen sich keine Angaben darüber machen, wie die Grafen von Hoya zur Verfügung über den Eiterbruch kamen und ob das auf offiziellem Wege, etwa durch Belehnung oder Verkauf, geschah. Die späteren Nachrichten über den Eiterbruch sind zudem unter dem Vorbehalt zu betrachten, daß genaue Angaben über seine jeweilige Ausdehnung fehlen. Daher kann es keine endgültige Gewißheit darüber geben, ob das Gebiet, das in der Urkunde von 1063 gemeint war, genau mit dem spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Eiterbruch identisch ist.400

27. Der Forst im Ammerland Ebenfalls 1063 erhielt das Erzstift den Forst im Ammerland (pago Ameri),m der aus königlichem Besitz stammte {nostre proprietatis forest um). Es handelt sich um dieselbe Urkunde wie beim Forst im Eiterbruch und bei der Jagd an der Weser.4 Das Gebiet, das heute zum Ammerland gerechnet wird, war zu diesem Zeitpunkt bereits besiedelt.403 Die Urkunde enthält keine Grenzbeschreibung für den Forst, so daß es keine endgültige Gewißheit darüber geben kann, ob das Forstgebiet dem heutigen Ammerland entsprach und der genannte Befund im vollen Umfang für den Forst selbst gilt. Mit dieser Einschränkung wird man jedoch davon ausgehen können, daß der Forst zumindest teilweise im heutigen Ammerland lag, zumal nichts dagegen zu sprechen scheint und niemand behaupten wollen wird, daß die Übereinstimmung absolut war. Wenn der Forst 1063 also wirklich bereits zu einem wesentlichen Teil besiedelt war, entspricht das eher den typischen Merkmalen eines Wildbanns. Im Ammerland entstanden auch Rodungssiedlungen mit Eschflur, deren Anlage aber zum großen Teil bereits ins 9. Jahrhundert fallen dürfte, 4 5 so daß der Forst mit dem Ausbau im Untersuchungsgebiet ebenfalls nicht in Verbindung gebracht werden kann.

400 Vgl. Dienwiebel, Geschichtliches Ortsverzeichnis der Grafschaften Hoya und Diepholz, A - K , S. 622, Nr. 623. 401 Zur Verleihung Zoller, Archäologische Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Ammerlandes, S. 255. 402 D H IV 115: Addimus autem eidem ecclesie nostre proprietatis forestum in pago Ameri situm in comitatu Vdonis marchionis perpetue possessionis iure retinendum. 403 Vgl. Zoller, Archäologische Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Ammerlandes, S. 2 5 1 - 6 0 . 404 Vgl. Zoller, ebd., S. 255, der die Forstverleihung auf das von ihm untersuchte A m merland bezieht, für das die genannte Beobachtung hinsichtlich der Besiedlung gilt. 405 Ebd., S. 257-60. Die Erstnennungen der Ammerländer Dörfer liegen zum größten Teil viel später, siehe Baasen, Das Oldenburger Ammerland, S. 203-27.

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28. D e r Forst im Gau Wimodi Bereits einige Monate vor der Urkunde, die über die bisher behandelten Forste verfügt, hatte der Erzbischof eine andere Verleihung erhalten. Sie umfaßte den Hof zu Lesum und den Forst (forestum cum banno) im ganzen Gau Wimodi und einigen weiteren Landstrichen links der Weser.406 Der Forstanteil links der Weser fiel auch unter das Jagdprivileg für den Raum zwischen Hunte, Weser und Ollen, das wenig später folgte und oben bereits besprochen wurde. Das Erzstift besaß dort also gleich ein doppeltes Forstprivileg. Umso bezeichnender ist es, daß der Erzbischof dieses Land offenbar dennoch nicht einfach nach Belieben zum Ausbau verwenden konnte. Es fehlte den fraglichen Forstverleihungen also genau jene Eigenschaft, die Wildbannverleihungen so häufig unterstellt wird und die es hier zu prüfen gilt. So mußte der Erzbischof 1142 Marschland, das zwischen den villae Sannau, Groß-Ströbel, Ochtum und Hasbergen lag und urbar gemacht werden sollte, mit anderen Großen teilen. Seine Vertragspartner waren die Herzogin Gertrud und ihr Sohn Heinrich der Löwe sowie Albrecht der Bär. In diesem Zusammenhang werden auch noch die Ansprüche Dritter erwähnt.407 Das betroffene Land gehörte vollständig zu dem Gebiet, wo das erwähnte Jagdprivileg galt, und zumindest teilweise zu dem hier behandelten Forst. Das hatte jedoch offenbar nicht zur Folge, daß der Ausbau im eingeforsteten Gebiet ganz dem Erzbischof vorbehalten blieb. Somit hat es nicht den Anschein, daß die Forstprivilegien ihrem Inhaber eine besondere Verfügung über das potentielle Ausbauland verliehen hatten. Eine Urkunde Friedrichs I. von 1158 für Bremen, die in zwei Fassungen vorliegt, spricht dann davon, daß Barbarossa der Besiedlung des Marschlandes bei Bremen zugestimmt habe, dessen Grenzen ebenfalls angegeben werden.408 Die Siedler werden in 406 D H IV 103 mit Regesten der Erzbischöfe von Bremen, 1, Nr. 271. 407 D HdL 2: nos [sc. Adalbero Hammenburgensis archiepiscopus] et domina ducissa Gertrudis et filius suus H. puer dux Saxonum una cum fideli nostro Alberto marchione illustri principe paludem australem, scilicet villis istis Santou, Strabilinghehusen, Ochtmunde, Hasbergen conterminam, equa inter nos porcione divisimus et ab omni tarn nobilium quam ministerialium seu ruricolarum appellatione liberam factam habitatoribus excolendam dedimus melius et utilius estimantes colonos inibi locari et ex eorum nobis labore fructum provenire quam incultam et pene inutilem eam permanere. Zur Lage des betroffenen Landes vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen, 1, Nr. 469. Zur Urkunde auch Reinecke, Studien zur Vogtei- und Territorialentwicklung im Erzbistum Bremen, S. 174f., 177. 408 D F I 208 a: paludes iuxta Bremam sitas, videlicet Weierebruch, Brincingebruch [D F I 208 b: Brinkerebroch], Huftingebruch [D F I 208 b: Hutthingebroch], que prim absque cultura er ant, inhabitari et coli concessimus infra hos terminos ... Omnes itaque, qui has paludes ex concessione ... Bremensis archiepiscopi inhabitaverint, in tuicionem nostram imperialem suscipimus et omnia iura, que idem archiepiscopus eis constituent ... omni tempore Ulis decernimus conservanda. Vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen, Nr. 535. D F I 208 b enthält noch eine Verfügung Barba-

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den Schutz des Kaisers genommen und die Siedlerrechte, wie sie der Erzbischof gewährt hat, bestätigt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß entsprechende Regelungen sich aus den Forstverleihungen ergeben hätten, die im übrigen gar nicht erwähnt werden. Man kann die beiden Fälle von 1142 und 1158 auch nicht darauf zurückführen, daß die Forstverleihungen zu dieser Zeit ihre Bedeutung bereits eingebüßt hätten. Ebenfalls 1158 ließ sich der Bremer Erzbischof nämlich alle bisher behandelten Forstprivilegien von Friedrich I. bestätigen.409 Vor allem die Urkunde von 1142 zeigt, daß der Ausbau im Untersuchungsgebiet nicht mit den Forstverleihungen in Verbindung gebracht werden kann.410

29. Der Forst in den Grafschaften Udos und Bernhards Ebenfalls 1063 erhielt Erzbischof Adalbert die Grafschaften der Grafen Udo und Bernhard in den Gauen Engern, Westfalen und dem Emsgau mit dem Forst in den jeweiligen Grafschaften.4" Was man sich unter diesem forestum cum banno jeweils vorzustellen hat, geht aus den Urkunden recht klar hervor. Es heißt dort nämlich, daß die Jagden, die durch königliche Privilegien an den Adel oder an Kirchen ausgegeben waren, ausgenommen bleiben sollten.412 Der Bereich, in dem sich die Forste mit anderen Privilegien überschnitten hätten, ist also die Jagd, die Forste waren folglich Wildbänne. Mit der Ausnahmeregelung sollte nun offensichtlich verhindert werden, daß Ansprüche zusammenprallten, die in gleicher Weise begründet waren. Daher wäre es unverständlich, wenn die Bereiche, in denen dies geschehen konnte, nur ausrossas hinsichtlich des Landverkaufs im Siedlungsgebiet. Vgl. auch Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, Bd. II, S. 1 1 1 - 1 1 3 . 409 D D F I 210, 214. 410 Dieser Ausbau hat eine reiche Literatur hervorgebracht, vgl. Schulze, Niederländische Siedelungen in den Marschen an der unteren Weser und Elbe im 12. und 13. Jahrhundert; Hofmeister, Besiedlung und Verfassung der Stader Elbmarschen im Mittelalter; Ders., Die Organisation der hochmittelalterlichen Binnenkolonisation in den Marschhufensiedlungsgebieten an Weser und Elbe; Ders., Die Gründung von Stuhr; Deike, Die Entstehung der Grundherrschaft in den Hollerkolonien an der Niederweser; Reinecke, Die Holländerurkunde Erzbischof Friedrichs I. von H a m burg-Bremen und die Kolonisation des Kirchspiels Horn; Nitz, Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Besiedlung von Marsch und M o o r zwischen Ems und Weser. 411

D D H IV 112, 113. Vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen, 1, N r . 280f; J o hanek, Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, S. 91f.; Hoffmann, Grafschaften in Bischofshand, S. 3 8 6 - 8 9 .

412 D D H IV 112, 113: forestum etiam cum nostro banno regali per omnem comitatum hiis tantum venationibus exceptis, quas nos aut predecessores nostri Romanorum scilicet imperatores vel Francorum reges ecclesiis vel principibus per regii auctoritatem precepti largiendo contulimus, sancte Hammaburgensi ecclesie ... perpetuo iure possidendum... donavimus.

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Die einzelnen F o r s t e

schnittweise genannt worden wären. Der vorliegende Fall liefert also einen zwar indirekten, aber nicht weniger deutlichen Anhaltspunkt dafür, daß Wildbannforste sich nur bei der Jagd bemerkbar machten und nicht etwa bei der Rodung oder dem Herrschaftsausbau im allgemeinen. Als die Verleihung der Grafschaft im Emsgau und in Westfalen 1096 erneuert wurde,413 war von der Forstverleihung schon keine Rede mehr.

30. Der Forst im Weserbergland Ein weiterer Forst, den Erzbischof Adalbert 1065 erhielt,4" erstreckte sich über ein Gebiet zwischen Emmer, Weser, Diemel und Eggegebirge.415 Er wird in der Verleihungsurkunde lediglich als forestum bezeichnet; erläuternde Zusätze wie das Jagdverbot für Unbefugte fehlen. Das Forstgebiet umschloß auch das Kloster Corvey und ist offensichtlich im Zusammenhang mit der Übertragung des Klosters an Adalbert zu sehen, die drei Monate zuvor erfolgt war.416 Es ist wohl kaum damit zu rechnen, daß der Forst noch irgendeine Bedeutung für das Erzstift besaß, nachdem Adalbert 1066 mit seiner einflußreichen Stellung bei der Reichsführung auch das Kloster Corvey verloren hatte.417 In der Verleihungsurkunde wird der Begriff Herescephe gebraucht,418 der nicht als Name des Forstes gedeutet werden darf,419 sondern zur Bezeichnung der sächsischen Stammesprovinzen diente.420 Er hatte ursprünglich eine militärisch-politische Konnotation, denn seine wörtliche Ubersetzung müßte eigentlich ,Heerschaft' lauten,421 und nicht wie mancherorts vermutet Herrschaft'.422 Etwaige Vermutungen über eine herrschaftsbildende Funktion des Forstes, die sich aus der falschen Deutung ergeben könnten, werden damit hinfällig. Beim Forst dürfte es sich um einen Wildbann gehandelt haben, denn wie schon das Beispiel des Klosters Corvey zeigt, war das Forstgebiet bereits erschlossen. In die gleiche Richtung weist der Umstand, daß das Wildbanngebiet

413 D H I V 452. 414 D H I V 175. 415 Vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen, 1, N r . 316; Kaminsky, Studien zur Reichsabtei Corvey in der Salierzeit, S. 76. 416 D H IV 168; vgl. Kaminsky, Studien zur Reichsabtei Corvey in der Salierzeit, S. 75. 417 Zu Adalberts Sturz und dem Verlust Corveys Kaminsky, Studien zur Reichsabtei Corvey in der Salierzeit, S. 77; Glaeske, Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen als Reichsfürsten, S. 92; Johanek, Die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, S. 1 0 0 - 1 0 3 . 418 419 420 421 422

D H IV 175 -.forestum unum in pago Engere Herescephe positum. Wie es z. B. in der Diplomata-Ausgabe geschieht. Bauermann, .Herescephe'. Ebd., bes. S. 1 5 - 1 8 . Zu dieser Deutung vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Bremen, 1, N r . 316.

Helmarshausen

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wahrscheinlich auch den Magdeburger Forst bei Schieder einschloß, 423 denn ein bloßes Jagdprivileg hätte den anderen Forstbesitzer wohl weniger eingeschränkt als ein weitergehender Nutzungsausschluß, der deswegen viel schwerer durchzusetzen gewesen sein dürfte.

31. Der Forst bei Duisburg Ebenfalls 1065 erhielt Erzbischof Adalbert den Reichshof Duisburg zusammen mit einem Forst, der zwischen Ruhr, Rhein und Düssel lag.424 Auch hier verlautet über die Art des Forstes nichts, d. h. es fehlen das Jagdverbot für Unbefugte und die Konsensformel, die ihn eindeutig als Wildbann kennzeichnen würden. Wie der vorangehende Fall gezeigt hat, muß das aber nicht bedeuten, daß es sich nicht um einen Wildbann handelte. Daher wäre es möglich, daß auch der Forst bei Duisburg ein Wildbann war, wie Rübel vermutet. 425 Diese Deutung scheint aber keineswegs zwingend, da 1129 von einem Forst die Rede ist, dessen fundus zur königlichen vi IIa Duisburg gehörte. 426 Das spricht eher dafür, daß zum Forst von 1065 auch der Grund und Boden gehörte, den er einschloß. Das Schicksal des Forstes nach Adalberts Sturz und dem Verlust anderer Erwerbungen, die Adalbert für das Erzstift gemacht hatte, entzieht sich genauerer Kenntnis. Das Erzstift erwarb später noch einmal Besitz zu Duisburg, 427 aber den Forst dürfte es kaum mehr in seiner Hand gehabt haben, wie die erwähnte Urkunde von 1129 zeigt, mit welcher Lothar III. es den Bewohnern seiner villa Duisburg gestattete, aus dem dortigen Forst Steine zum Bauen und zu anderen Zwecken zu beziehen.

32. Helmarshausen Daß Heinrich II. dem Kloster Helmarshausen den Forst Siburg verlieh, ist nur durch einen Urkundenauszug in einem Werk des 18. Jahrhunderts be423 Vgl. N r . 44. Der H o f zu Schieder war noch im Spätmittelalter im Besitz des Erzstifts Magdeburg, vgl. Bauermann, V o m westfälischen Besitz des Erzstifts Magdeburg, S. 166f. 424 D H I V 172. 425 Rübel, Reichshöfe im Lippe-, Ruhr- und Diemel-Gebiete, S. 9, der auch feststellt, daß „bis in das 19. Jahrhundert hinein bei Weitem der größte Theil dieses Dreiecks [das die Forstgrenzen von 1065 bildeten] thatsächlich mit Wald bedeckt war." Dies stellt einen Zusammenhang des Forstes mit der Rodung in Frage. 426

D L o III 17. Es wird dort gesprochen von den cives regie ville nostre Duisburch vocate. Zu letzterer gehörte der Forst: cuius fundus ad ipsam villam pertinet. Vgl. hierzu Rübel, Reichshöfe im Lippe-, Ruhr- und Diemel-Gebiete, S. 5f. 427 Adam von Bremen, S. 205, cap. 58; vgl. Glaeske, Die Erzbischöfe von HamburgBremen als Reichsfürsten, S. 92.

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Die einzelnen Forste

kannt.428 Es handelte sich offenbar um die Übertragung eines Königsforstes, denn die Verleihungsurkunde von 1013 wird dahingehend wiedergegeben, daß Heinrich II. „seinen Forst und Wald Siburg genannt" dem Kloster „gegeben und zugeeignet" habe.429 Aus dieser Feststellung geht auch in aller wünschenswerten Deutlichkeit hervor, daß nicht nur ein Wildbann verliehen wurde, sondern daß ein Waldgebiet als Ganzes seinen Besitzer wechselte. Der Forst Siburg kann mit dem nördlichsten Teil des Reinhardswaldes identifiziert werden, legt man dessen heutige Ausdehnung zugrunde;430 1019/20 erhielt auch das Hochstift Paderborn einen Forst im Reinhardswald verliehen.431 Der mittelalterliche Reinhardswald umfaßte nur einen Teil des heute so genannten Gebietes.432 Genauere Angaben zur Ausdehnung des Forstes Siburg im Jahr 1013 lassen sich nicht machen, da Anhaltspunkte fehlen. Nicht mehr zum Reinhardswald mit dem Forst Siburg gehört jedenfalls die Haarbrücker Platte, die auf der anderen, westlichen Seite der Diemel liegt. Auf ihr sind im 12. Jahrhundert Helmarshausener Rodungen feststellbar.4 Die Rodungstätigkeit des Klosters war also bezeichnenderweise keineswegs auf das Forstgebiet beschränkt. Von Helmarshausener Rodungen im Forst Siburg spricht Günther.4 4 Begründet wird diese Feststellung mit dem Hinweis auf die Schenkungsurkunde von 1013 und eine weitere Schenkung Heinrichs II.435 Aus der bloßen Tatsache einer Schenkung kann nun aber selbstverständlich nicht geschlossen werden, daß der Empfänger Ausbau betrieb. So läßt es sich nur vermuten, daß Günther hier die Neureute meint, die in den Helmarshausener Abgabeverzeichnissen des 12. Jahrhunderts genannt werden, so unter anderem für Wedikessen,436 das mit dem Forst an das Kloster geschenkt wur428 Es ist dies Gerhard von Kleinsorgens Kirchengeschichte von Westphalen und angränzenden Oertern von 1779; der Auszug ist gedruckt als D H I I 266. 429 D H I I 266. 430 Günther, Territorialgeschichte der Landschaft zwischen Diemel und Oberweser, S. 2; vgl. Karte IIa des Geschichtlichen Atlas von Hessen und vor allem Karte 3 in Kroeschell, Zur älteren Geschichte des Reichsklosters Hilwartshausen, S. 16. 431 Nr. 56. 432 Günther, Territorialgeschichte der Landschaft zwischen Diemel und Oberweser, S. 2, 5; Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft, S. 25, Kap. 32 und Karte 4. 433 Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft, S. 25, Kap. 34; vgl. Pfaff, Die Abtei Helmarshausen, II: Der Güterbesitz, die Verfassung und die Wirtschaft der Abtei, S. 2 2 , 3 7 , 40, 5 1 , 5 9 f . , Nr. 4. 434 Territorialgeschichte der Landschaft zwischen Diemel und Oberweser, S. 5f. 435 Ebd., mit Anm. 25. Die beiden Urkunden sind D H II 1 2 7 und D H II 266. Günther verweist auf den Druck der ersten Urkunde bei Kehr, Die älteren Urkunden für Helmarshausen, S. 108, Nr. 5. 436 Zum Zeitansatz der im folgenden behandelten Abgabeverzeichnisse vgl. Hoffmann, Bücher und Urkunden aus Helmarshausen, S. 94f. Die Amtszeiten der Abte, denen sie zugeordnet werden können, sind nicht alle befriedigend geklärt; vgl. Pfaff, Die Abtei Helmarshausen, I: Die Geschichte der Abtei, bes. S. 203, 210, 212f., 215, 216, 217, 226.

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Hersfeld

de437 und im Forstgebiet vermutet werden darf.438 Trifft diese Lokalisierung zu, so handelt es sich bei den erwähnten Neureuten um Zurodungen zu dem bereits bestehenden Kulturland im Forst, die auf eine ganz andere Stufe zu stellen sind als die Rodungen auf der Haarbrücker Platte, die zur Anlage völlig neuer Güter führten. 439 U m eine Zurodung handelte es sich offenbar auch bei dem Neureut in der späteren Wüstung Bensdorf.440 Abgesehen davon steht es wegen der ungewissen Ausdehnung des Forstes noch nicht einmal fest, ob Bensdorf, das im nördlichen Drittel des Reinhardswaldes lag, tatsächlich zum Forstgebiet zu rechnen ist.441 Die Helmarshausener Rodungen im Forst Siburg treten also qualitativ und wohl auch quantitativ hinter die Rodungstätigkeit auf der Haarbrücker Platte zurück. Uber das Schicksal des Forstes Siburg nach der Verleihung ist wenig bekannt. Das nächste gesicherte Datum aus der Geschichte dieses Waldes scheint erst das Jahr 1455 zu sein. Zu diesem Zeitpunkt ist der gesamte Reinhardswald in seiner heutigen Ausdehnung, also unter Einschluß des Forstes Siburg, im Besitz der Landgrafen von Hessen bezeugt.442

Hersfeld 33. Der Wildbann über die silva

Eherinenfirst

1003 wurde dem Hersfelder Abt die potestatem arbores nutriendi et singulare atqu.e dominicale forestum faciendi in der silva Eherinenfirst verbrieft.443 Dem Empfänger war also an der Erhaltung des Baumbestandes im Forstgebiet gelegen; Rodungsabsichten können ihm folglich nicht unterstellt werden. Auch wäre es äußerst fragwürdig, die vorliegende Verleihung mit späteren Rodungen in Verbindung zu bringen. Der Zweck der Forstverleihung war allein die Schaffung einer Schutzzone für das Wild, in der die Jagd dem Forstinhaber

437 Hoffmann, Bücher und Urkunden aus Helmarshausen, S. 127. 438 Pfaff, Die Abtei Helmarshausen, II: Der Güterbesitz, die Verfassung und die Wirtschaft der Abtei, S. 50f. Der O r t ist offenbar früh wüst geworden: ebd. Zu seiner Lage vgl. auch Karte 3 in Kroeschell, Zur älteren Geschichte des Reichsklosters Hilwartshausen, S. 16. 439 Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft, S. 25, Kap. 34. 440 Hoffmann, Bücher und Urkunden aus Helmarshausen, S. 128; zur Identifizierung und Lokalisierung dieses Ortes ebd., S. 120, Anm. 157. 441 Zur Lage Bensdorfs ebd., S. 120, Anm. 157. 442 Günther, Territorialgeschichte der Landschaft zwischen Diemel und Oberweser, S. 345. 443 D H U 51.

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Die einzelnen Forste

vorbehalten bleiben sollte. 4 " Der Forst bzw. Wildbann schloß alten Hersfelder Besitz ein, darunter das Kloster selbst.445 Bereits Karl der Große hatte dem Kloster im späteren Wildbanngebiet Besitz zu Niederaula geschenkt, zu dem der Wald in einem Umkreis von zwei Meilen gehörte. 446 Neben den Klostergütern ist im Wildbanngebiet auch später noch fremder Besitz nachweisbar, 447 dessen Entstehungszeit aber ungewiß ist, so daß er keine gültigen Schlüsse über die Auswirkungen des Rodungsverbots ermöglicht.

34. Der Wildbann von 1016 Einen zweiten Wildbann erhielt das Kloster Hersfeld 1016. Schon die Verleihungsurkunde spricht von einem bannum super feras silvaticas. Der Wortlaut der Urkunde entspricht dem der Wildbannprivilegien D D H II 326 und 327 für Fulda und Würzburg (beide von 1014). Ahnlich wie der Forst von 1003 schloß der vorliegende Wildbann einen älteren Hersfelder Besitzkomplex ein, dessen Zentren Barchfeld, Salzungen, Breitungen und Dorndorf waren. 448 Die Grundherrschaft des Klosters war im Wildbanngebiet also schon vor der Wildbannverleihung etabliert. 1330 verkauften die Herren von Frankenstein ihre im Untersuchungsgebiet gelegenen Güter, die sie v o m Kloster zu Lehen hielten. 44 Unter ihnen befand sich auch der Wildbann in einer Ausdehnung,

444 Ebd.: eo tenore quatinus in hoc silve et aquarum circuitu nulla regni nostri magna vel parva persona aliquatenus praesumat venari aut ullo ingenio feras insequi sub nostrae firmitatis banno regali, nisi cuipraefatus abbas Berenharius suique per tempora successores licentiam dederint. 445 Zur Forstgrenze Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 7f. und die Karte II im zugehörigen Atlas mit einer kartographischen Darstellung der Hersfelder Forste. Eine solche gibt auch Karte I I a des Geschichtlichen Atlas von Hessen. Zum Klosterbesitz im Forstgebiet vgl. UB Hersfeld, S. 68-74, Nr. 68, bes. S. 73; D H I 33; Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 3f. (weitere Besitzungen zu Braach, Breitingen [wüst], Kirchheim, Schenklengsfeld, Motzfeld, Hausen). 446 D Karol. I 126: donamus ... mansum scilicet dominicatum ... et in circuitu ipsius mansi in unamquamque partem de silva leugas duas; vgl. Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 2, 5. 447 So geht aus einer Urkunde von 1100 hervor, daß die Witwe des Grafen Meginfrid von Felsberg dem Kloster die beiden Orte Mühlbach und Saasen geschenkt hatte: UB Hersfeld, S. 208, Nr. 119; vgl. Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 24. 448 UB Hersfeld, S. 14f., Nr. 7 (= D Karol. I 90 [775]), S. 68-74, Nr. 38, bes. S. 71, S. SSSS, Nr. 46 (=D H I 35 [933]); vgl. Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 4. Im Fall der Schenkung Dorndorfs wurde das zur villa gehörige Gebiet genauer abgegrenzt; die meisten der Grenzpunkte sind jedoch unbestimmbar: D Karol. I 153; UB Hersfeld, S. 37f., Nr. 20 (786); vgl. Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 5. 449 Die betreffende Urkunde bringt Hertel, Der Frankensteinische Verkaufsbrief von 1330.

Hersfeld

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die über diejenige des Wildbanngebietes von 1016 hinausgeht, aber dennoch auf die Wildbannverleihung Heinrichs II. zurückgeführt werden kann.450 Der Wildbann, um den es bei dem Verkauf ging, bezog sich lediglich auf die Jagd; er wird bezeichnet als omnes venationis terminos ... qui vulgariter dicuntur die wiltbane.451 Da bei einer solchen Transaktion beiden Parteien daran gelegen sein mußte, den Gegenstand des Verkaufs so unmißverständlich und vollständig wie möglich zu benennen, ist es statthaft, diese Angabe als erschöpfend und glaubwürdig zu betrachten. Der Wildbann war im 14. Jahrhundert folglich ein bloßer Jagdvorbehalt. Als solchen weist ihn bereits die Urkunde von 1016 aus,452 so daß die Annahme begründet scheint, daß er sich auch in der Zwischenzeit in keiner anderen Form bemerkbar machte. Im Zeitraum zwischen der Verleihung und dem Verkauf von 1330 ist der Wildbann noch im Jahr 1070 belegt, als Heinrich IV. ihn unter wörtlicher Wiederholung der Verleihungsurkunde bestätigte.453 Da der Wildbann im Abstand von dreihundert Jahren nur als Jagdvorbehalt belegt ist, scheint Zieglers These zweifelhaft, sowohl der Wildbann von 1016 als auch der von 1003 hätten eine entscheidende Rolle bei der Bildung des Hersfelder Territoriums gespielt. Ziegler sieht als wesentliches Merkmal für die Landeshoheit die Hochgerichtsbarkeit an.454 Der Bereich der Hersfelder Hochgerichtsbarkeit ging jedoch an verschiedenen Stellen über die Wildbanngebiete hinaus, wie Ziegler selbst feststellt.455 Wie aber könnte die Hochgerichtsbarkeit auf die Wildbänne zurückgehen, wenn sie sich auch dort ausbildete, wo gar kein Wildbann vorhanden war? Hinzu kommen noch weitere Unterschiede zwischen der Ausdehnung der Wildbanngebiete und derjenigen des späteren hersfeldischen Territoriums.456 Ebensowenig darf vergessen werden, daß zumindest einer der Wildbänne wenigstens zeitweise verlehnt war und der Wildbann von 1003 offensichtlich nur einen Jagdvorbehalt darstellte. Im übrigen entstand mancherorts selbst nach Zieglers Begriffen innerhalb der Wildbannge-

450 Vgl. Ziegler, Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 29. 451 Hertel, Der Frankensteinische Verkaufsbrief von 1330, S. 110. Zum Wildbann vgl. auch Zickgraf, Zur Geschichte des Frankensteiner Wildbannes. 452 D H U 350: bannum nostrum super feras silvaticas in lucis et silvis et in campis ... concessimus ... eo videlicet tenore quatinus prenominatus Arnoldus abbas suique successores in postemm prescripto ambitu in forestandis feris talem pacem et securitatem de ceteris conterminalibus et omnibus circumsedentibus deinceps nostra imperiali traditone et concessu obtineat, qualem baec eadem ceteraeque aecclesiae hactenus usae sunt, quae nostra successorumque nostrorum ... de eiusmodi forestibus silvis vel arbustis precepta susceperunt ... ne quis infra prescriptum terminationis ambitum aliquid ferarum capere vel venari presumat. Zu dieser Formulierung vgl. auch die Ausführungen zum Würzburger Wildbannprivileg von 1014. 453 454 455 456

D HIV232. Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld, S. 13. Ebd., S. 21-23. Ebd., S. 1 9 - 2 1 , 2 6 - 2 8 .

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Die einzelnen Forste

biete kein hersfeldisches Territorium, wenn der Hersfelder Grundbesitz fehlte. Das war im Bereich des Wildbanns von 1016 der Fall, der dem Kloster nach dem Verkauf von 1330 verlorenging.457 Auch die Hersfelder Wildbänne liefern somit keine beweiskräftigen Anhaltspunkte für eine herrschaftsbildende Funktion von Wildbännen.

Hildesheim 35. Der Wildbann an der Leine 1062 erhielt das Hochstift Hildesheim einen forestum et bannum verliehen.458 Die Urkunde weist sowohl die Konsensformel als auch das Jagdverbot für Unbefugte auf,459 wie sie für Wildbannverleihungen charakteristisch sind. Sie fällt aber durch ihre Strafandrohung aus dem Rahmen, die das Strafmaß zu der Stückzahl der gewilderten Tiere in Beziehung setzt.460 Hieran wird nicht nur deutlich, daß es bei der Verleihung lediglich um den Jagdvorbehalt ging; es fragt sich auch, wie das Privileg später in anderen Bereichen als der Jagd, wie z. B. der Rodung, hätte wirksam werden sollen. Die doppelte Festlegung auf die Jagd, in der Vorbehaltsklausel und in der Strafandrohung, ließe jeden Versuch fragwürdig erscheinen, die Verleihung mit anderen Vorgängen in Verbindung zu bringen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Wildbann sich in anderen Bereichen als der Jagd auswirkte. Zunächst einmal ist festzustellen, daß 1062 trotz der Formulierung forestum et bannum nur der Wildbann verliehen, nicht aber auch der Grund und Boden des Wildbanngebietes übertragen wurde. Im Forstgebiet lag zum Zeitpunkt der Verleihung nämlich schon der Besitz anderer Grundherren. Das läßt sich nicht zuletzt der Urkunde selbst entnehmen, die den Konsens derjenigen Eigentü-

457 Ebd., S. 28-32. 458 D H IV 83. Zur Grenzbeschreibung vgl. Klewitz, Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, S. 27; Karte bei von Boetticher, Freigrafschaften im mittleren Niedersachsen, S. 59. 459 D H IV 83: cum consensu et favore Egilberti Mindensis episcopi et dilectae sororis nostrae Adalheidae Gandersheimensis abbatissae nec non et Immitonis Podelbrunnensis episcopi et Sarachonis Corbeiensis abbatis consentiente et confavente Ottone Bawariorum duce ceterisque omnibus, quorum predici et possessiones sita erant intra eos terminos, quos scribi iubemus, quoddam forestum et bannum ... concessimus... Iubentes igitur... ut infra prescriptos terminos nulla nostri regni maior minorve persona venandi ius et potestatem sibi vendicare absque consensu et licentia predicti episcopi et successorum eius sive eorum, qui provisores eiusdem foresti ab eis constituti fuerint, presumat. 460 Ebd.: Quod si aliquis huius precepti nostri temerarius transgressor extiterit, velut regalis contemptor decreti iusti sententie iudicii subiacebit et debitam pro corrupto banno nostro pecuniam, scilicet sexaginta solidos de singulis feris persolvat.

Hildesheim

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mer erwähnt, die im Forstgebiet begütert waren.461 Man könnte höchstens annehmen, daß mit dem Wildbann ein Wald verschenkt wurde, der nur einen gewissen Teil des Wildbanngebietes einnahm, wie es auch beim Fuldaer Forst Zunderenhart der Fall gewesen zu sein scheint. Anders als beim Hildesheimer Wildbann von 1062 wurde der Gegenstand der Verleihung dort jedoch ausdrücklich als Königsforst bezeichnet. Im Forstgebiet von 1062 gab es im 12. Jahrhundert tatsächlich eine bischöfliche Ausbautätigkeit, die aber nicht mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden kann. Es handelt sich um die Ansiedlung von Kolonisten bei Eschershausen, die aus einer Urkunde von etwa 1133/37 bekannt ist, in der die Rechte und Pflichten der Siedler gegenüber dem Bischof bestätigt werden.462 Eschershausen selbst entstand nicht erst bei diesem Siedlungsvorgang, da es bereits in der Grenzbeschreibung der Wildbannurkunde genannt wird.463 In der Urkunde von 1133/37 werden die Bedingungen festgelegt, die für zukünftige Rodungen, mit denen offenbar bereits gerechnet wurde, gelten sollten. Es wurde bestimmt, daß das neue Kulturland anfänglich von Abgaben befreit bleiben sollte, deren spätere Höhe ebenfalls geregelt wird.464 In derselben Urkunde wird auch ein Forst des Bischofs erwähnt, bei dem es sich um den Niederschlag der Wildbannverleihung von 1062 handeln könnte, zumal sich auch der jüngere Forst durch das Verbot der Jagd auszeichnet, zu dem das des Fischfangs hinzutritt.465 Wie in der Urkunde von 1062 wird die Strafe für Wilderer mit einer Geldsumme bemessen, die allerdings nur fünf solidi beträgt.466 Ein Zusammenhang zwischen der Rodung und dem Forst ist nicht erkennbar. Abgesehen davon, daß der Forst hier lediglich als Jagdverbotszone erscheint, befinden sich der Rodungs- und der Forstpassus auch an ganz verschiedenen Stellen des Textes.

461 Vgl. die vorletzte Anm. Die bereits um das Jahr 1000 sehr dichte Besiedlung des Forstgebietes zeigt deutlich die Karte von Casemir/Ohainski in Niedersächsische O r te bis zum Ende des ersten Jahrtausends. 462 Böhmer, Acta imperii selecta, S. 816-18, Nr. 1129; vgl. Molitor, Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, S. 144-55. 463 D H IV 83: Aschereshusen\ vgl. Klewitz, Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, S. 27 und das Register des U B Hildesheim, 1. 464 Acta imperii selecta, S. 816-818, Nr. 1129, S. 816: In excolendis quoque agris banc conventionis legem accepemnt: Quantumcumque aliquis arborum silvestrium deiecerit et eradicatis vepribus seu aliis incommodis in usum redactis, quamdiu solo rastro colitur, nec tributo nec decime subiaceat. Quam cito autem vomere proscissus ager uberiorem fructum attulerit, Septem annis tributum nesciat; sed in ipso septimo duos denarios reddat, in octavo quatuor, in nono octo, in decimo solidum et per singulos annos deinceps banc summam non excedat. 465 Ebd., S. 817: In aquamm discursibus piscari, per ambitus silvarum venari non prohibetur, nisi in foresto episcopi, in quo si quis deprehensus fuerit, quinque solidorum amissione delictum corrigat. 466 Vgl. die vorige Anm.

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36. Der Wildbann zwischen Leine und Innerste Bereits 1065 erfolgte eine weitere Forstverleihung an den Bischof von Hildesheim, die ihm einen bannum super quoddam forestum verschaffte.4 Der Bann wird durch das Jagdverbot für Unbefugte wiederum als Wildbann gekennzeichnet,468 und auch die übliche Konsensformel fehlt nicht.469 Daß von einem Forst die Rede ist, über den der Wildbann verliehen wird, hat der vorliegende Fall mit einigen anderen Wildbannverleihungen gemein. Im Gegensatz zu den meisten anderen Beispielen könnte diese Formulierung hier jedoch darauf zurückgehen, daß der Empfänger im späteren Wildbanngebiet tatsächlich schon einmal einen Forst besessen hatte. Das Hochstift scheint nämlich bereits von Otto III. einen Forst erhalten zu haben, der im Forstgebiet von 1065 gelegen haben könnte. Das geht aus einem Verzeichnis hervor, das nach einem schweren Brand im Jahr 1013 entstand und die Privilegien auflistet,470 die die Hildesheimer Bischöfe bis Bernward erworben hatten. Es führt unter anderem drei Forste auf, die Otto III. dem Hochstift verliehen hatte.471 Einer von ihnen lag wie der von 1065 zwischen Leine und Innerste.472 Bei dem älteren Forst handelte es sich ebenfalls um einen Wildbann, wie aus der Angabe hervorgeht, daß er sich infra Laginam et Inderistan per silvas circumiacentes erstreckte, mithin selbst wohl kein Wald war, sondern eine übergreifende Verabredungsgröße.473 Die Grenzpunkte der anderen beiden Forste aus der Zeit Ottos III. sind nicht alle eindeutig identifizierbar,474 so daß es sich nicht feststellen läßt, ob auch der Wildbann von 1062 einen Vorgänger hatte. Da sich die beiden

467 D H I V 157. 468 Ebd.: ea videlicet ratione ut nullus deinceps absque eiusdem episcopi Hezilonis suorumque successorum licentia inpredictis terminis potestatem habeat venandi. 469 Ebd.: collaudantibus duce Ottone, Ekkiberto comite, item Gotescalco comite ceterisque, qui infra predictos terminos predium possident. 470 Zum Brand vgl. Goetting, Die Hildesheimer Bischöfe von 815 bis 1221, S. 203. 471 U B Hildesheim, 1, S. 52-54, Nr. 60: Quintum idem [sc. Bernwardus episcopus] ab eodem [sc. Ottone tercio divo imperatore] de foresto infra Laginam et Inderistan per silvas circumiacentes. Sextum idem ab eodem de foresto, qui circumiacet loco qui dicitur Harfhaum certis signis determinatus. Septimum idem ab eodem de foresto, quod iacet inter Weseram et Scadam fluvium. Vgl. hierzu Klewitz, Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, S. 27. 472 U B Hildesheim, 1, S. 53: de foresto infra Laginam et Inderistan per silvas circumiacentes. Zu den Flußnamen vgl. das Register des U B Hildesheim, 1. Vgl. auch die Grenzbeschreibung in D H IV 157 und zu dieser Klewitz, Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, S. 27. 473 Vgl. vorige Anni. 474 Zu den Grenzpunkten der Forste, die in U B Hildesheim, 1, S. 52-54, Nr. 60 genannt werden vgl. das Register dieses Bandes und Klewitz, Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, S. 27.

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Forstgebiete nicht lokalisieren lassen, ist es nicht möglich, sie in die Untersuchung mit einzubeziehen. Im Wildbanngebiet zwischen Leine und Innerste war nicht nur der Hildesheimer Bischof begütert, was auch die Konsensformel des Diploms von 1065 zum Ausdruck bringt, die die Zustimmung der anderen Grundherren erwähnt.475 Das spricht dagegen, daß dem Hochstift neben dem Wildbann das ganze Forstgebiet verliehen wurde, sei es durch Otto III., sei es durch Heinrich IV. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Wildbann und der Rodung gibt es im vorliegenden Fall ebenfalls nicht. Zwar erscheinen die meisten Orte des Siedlungsraumes um Hildesheim, zu dem das Untersuchungsgebiet gehört, erst ab dem 12. Jahrhundert in der Überlieferung, doch dürfte die Besiedlung um 1000 bereits abgeschlossen gewesen sein;476 es sind nur wenige Rodungssiedlungen bekannt, die erst im 12./13. Jahrhundert entstanden.477 Wenn 1125 eine bischöfliche Urkunde ein novale erwähnt,478 das zu Eilleringehusen, also im Wildbanngebiet lag,479 gibt es keinen Grund, dies für einen Niederschlag des Wildbanns zu halten, zumal in derselben Urkunde auch von einem novale die Rede ist, das sich bei Uppen,480 also außerhalb des Wildbanns befand.

Köln 37. Die Wildbannurkunde von 973 Eine Urkunde Ottos II. von 973 berichtet, daß der Kölner Erzbischof den Kaiser darum gebeten habe, gewisse Schenkungen König Ludwigs zu bestätigen,4 wie dies schon Otto I. getan habe. Infolgedessen habe der Aussteller dem Petenten die wilden Tiere innerhalb der angegebenen Grenzen und den

475 D H IV 157: collaudantibus... ceterisque, qui infra predictos terminos predium possident. 476 Denecke, Der Siedlungsraum um Hildesheim zur Zeit Bischof Bernwards (um 1000), S. 481, mit Karte S. 483. Zwischen der Leine und der Innerste befand sich beispielsweise schon im frühen 11. Jahrhundert beträchtlicher Besitz des Klosters St. Michael zu Hildesheim: Hellfaier, Früher Besitz des Klosters St. Michael zu Hildesheim im 11. Jahrhundert, mit Karte S. 479. 477 Denecke, Der Siedlungsraum um Hildesheim zur Zeit Bischof Bernwards (um 1000), S. 481. 478 479 480 481

U B Hildesheim, 1, S. 1 6 3 - 6 5 , N r . 183. U n d zwar westlich von Diekholzen; vgl. das Register in U B Hildesheim, 1. U B Hildesheim, 1, S. 163-65, N r . 183; zu Uppen vgl. das Register ebd. Gemeint ist wohl Ludwig das Kind, was die ursprüngliche Wildbannverleihung in die Jahre 9 0 0 - 9 1 1 setzt: vgl. Tichelbäcker, Der Kölner Wildbann zwischen Erft und W u r m , S. 3f., 7f.; zur Sache auch Wessling, Das Jagdprivileg Kaiser O t t o II.

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Die einzelnen Forste

Bann über sie verliehen; das schließt auch den Fischfang ein.482 Der Forstbegriff wird in der Urkunde gar nicht verwendet,4 dennoch ist es offensichtlich, daß hier eine Wildbannverleihung vorliegt. Das Jagdverbot für Unbefugte wird zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber von selbst aus der bischöflichen Hoheit über das Wild. Ein anderer charakteristischer Bestandteil von Wildbannurkunden, nämlich die Erwähnung des allgemeinen Einverständnisses, ist dagegen vorhanden.484 Ein Teil des Wildbanngebietes wird vom Bann ausgenommen, weil der Kaiser die Nutzung sich selbst vorbehielt. Die Urkunde enthält keine Anhaltspunkte dafür, daß es bei der Verleihung um mehr ging als um eine Kontrolle über die Wildtiere. Es ist von nichts anderem die Rede als den bestiae und dem Bann über sie. Wollte man den Wildbann für mehr als eine derartige Kontrolle verantwortlich machen, so würde sich sofort die Frage stellen, auf welche Weise der Wildbann denn noch andere Folgen gezeitigt haben sollte. Gerade der vorliegende Fall wirft dieses Problem in besonders eindringlicher Form auf, da die Bestätigung des Wildbanns nach der Maßgabe eines älteren Diploms erfolgte.486 Der Herrscher richtete sich also nach der Aussage eines älteren Privilegs. Man kann folglich nicht davon ausgehen, daß er für mehr eingestanden wäre 482 D O II 50: quod Gero sancte Coloniensis ecclesie venerandus archiepiscopus nostrum deprecatus est serenitatem, ut quasdam res a Lodowico quondam rege sancto Petro Colonie collatas et a patre nostro dive memorie Ottone imperatore augusto sibi suisque successoribus roboratas secundum prions precepti testimonium nostre quoque dominationis munificentia corroboraremus. Cuius postulationi libentissimo fervore annuentes confirmamus precepti nostri auctoritate domino sancto Petro ad ecclesiam supramemoratam omnes bestias inter hec loca que subtus tenentur descripta, et bannum et potestatem banni que super eas ad regiam pertinuit potestatem [folgt Grenzbeschreibung]; omnes inquam bestias in silvis et piscationibus [folgt Grenzbeschreibung] absque Gerberhteslon quod ad opus nostrum accesserit... Cotenforast et omnes bestias in eo ac bannum super eas [folgt Grenzbeschreibung] bestias scilicet, id est cervos et cervas, et bannum super eas, cum populi consensu domino sancto Petro Colonie secundum prioris precepti auctoritatem nostra etiam liberalitate in proprium confirmavimus. Unde hos nostre sublimitatis apices fieri iussimus statuentes et enixius precipientes, ut ab hodierna die in reliquum absque aliqua cuiuslibet calumpniantis persone contradictione bestie de iam dictis locis et potestas banni in potestate sancti Petri tranquilla dominatione consistant et loci illius rectoris arbitrio in omnibus disponantur atque custodiantur. 483 Es wird aber ein Forst erwähnt, der im Wildbanngebiet lag, der Cotenforast, der Kottenforst; zu diesem vgl. Höroldt, Tausend Jahre Kottenforst; Hexges, Der Kottenforst. 484 D O II 50: cum populi consensu ... confirmavimus. 485 Ebd.: absque Gerberhteslon quod ad opus nostram accesserit. Das Wildbanngebiet rekonstruieren ausführlich Dittmaier, Zur Geographie der Wildbannbestätigung für die Kölner Kirche von 973, mit Karte S. 212; Tichelbäcker, Der Kölner Wildbann zwischen Erft und Wurm, S. 6-9, mit Karten S. 12-15. 486 D O II 50: bestias... cervos et cervas, et bannum super eas... secundum prioris precepti auctoritatem nostra etiam liberalitate ... confirmavimus.

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als in der Verleihungsurkunde enthalten war. Das hat aber Rückwirkungen auf die Folgen, die man einer Verleihung zuschreiben kann. Eine solche kann wohl kaum von sich aus wirksam gewesen sein, wenn der König nicht hinter ihr stand. Mithin kann auf sie auch nur das eindeutig zurückgeführt werden, was in der Urkunde erwähnt ist. Das ist bei Tichelbäckers Bewertung des Wildbanns zu bedenken und spricht bereits gegen sie. Tichelbäcker geht von der Beobachtung aus, daß im Wildbanngebiet von 973 nach einer Quelle von 1555 84 Höfe lagen, die jeweils einen Berittenen zum Aufgebot zu stellen hatten, und vier weitere, die jeweils einen ,Wehrwagen' schicken mußten. Zugleich waren alle diese Höfe waldnutzungsberechtigt. Hier habe sich, so Tichelbäcker, aus dem Wildbann über die Waldnutzung und die Heerfolgepflicht „echte" Landeshoheit gebildet. 487 Die obige Überlegung bricht aber bereits das erste Glied aus dieser Argumentationskette heraus. Es kann nämlich nicht als gegeben betrachtet werden, daß der Wildbann neben der Jagd auch Einfluß auf die Waldnutzung im allgemeinen hatte. Darüber hinaus ist nicht zu sehen, was dazu zwingt, die Heerfolgepflicht mit dem Wildbann in Verbindung zu bringen. Sofern es sich bei ihr um ein mittelalterliches Relikt handelte, muß sie im Zusammenhang mit dem Lehenswesen gesehen werden.488 Sie wäre damit eine Erscheinungsform einer weitverbreiteten gesellschaftlichen Institution, die völlig unabhängig von Wildbännen und der Waldnutzung existierte. Es gibt keinen Anlaß, auch noch den Wildbann in diesen Zusammenhang zu pressen, einfach nur weil er zur Hand ist. Wenig überzeugend ist auch Tichelbäckers Versuch, die Heerfolgepflicht sprachlich mit der Waldnutzung und somit dem Wildbann in Verbindung zu bringen. Die Bezeichnungen für die „Leistungen zum Aufgebot" waren nämlich auf die Fuhren Holz übergangen, welche die heerfolgepflichtigen Höfe aus dem Wald bezogen. 4 Hier führte der Weg also von der Heerfolge zur Waldnutzung, während Tichelbäcker genau umgekehrt eine Entwicklung von der Waldnutzung zur Heerfolge zu erweisen versucht. Als ein „Beispiel dafür, daß sich die Wildbannhoheit über die Forstnutzung, das Hochgericht und das Lehnsaufgebot zu echter Landeshoheit verdichten konnte", 490 wird der vorliegende Fall keineswegs gelten können. 487 Tichelbäcker, Zur Waldorganisation zwischen Zülpich und Aachen, S. 54; vgl. auch Dens., Der Kölner Wildbann zwischen Erft und W u r m , S. 10. 488 Tichelbäcker selbst spricht vom „Lehnsaufgebot": Die Waldorganisation zwischen Zülpich und Aachen, S. 54. 489 Ebd. 490 Ebd. Tichelbäcker, Der Kölner Wildbann zwischen Erft und W u r m , passim, vertritt noch aus anderen Gründen die Auffassung, daß der Wildbann auch andere Nutzungen als die Jagd betroffen haben müsse. Er geht von der Beobachtung aus, daß die eingeforsteten Wälder verschiedenen Nutzungsregelungen unterlegen haben dürften. Daran ist sicher nicht zu zweifeln. Tichelbäcker setzt jedoch etwas voraus, das er selbst erst zu erweisen sucht und das aus verschiedenen Gründen fraglich ist, nämlich daß die Waldnutzung mit einem Wildbann in Verbindung stehen müsse und daß sie

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D i e einzelnen F o r s t e

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Wildbann Rodung und Landesausbau im eingeforsteten Gebiet beeinflußt hätte. Dort sind zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert nicht nur erzstiftische, 49 ' sondern auch fremde Besitzungen belegt.492 Selbst die Wälder im Wildbanngebiet waren zum Teil im Besitz anderer Eigentümer. Im 12. Jahrhundert besaß die Abtei Altenberg bei Blatzheim eine terra ... que dicitur Camervorst cum decimis suis.493 Man wird also wohl nicht davon sprechen können, daß der Wildbann dem Erzstift pauschal den Besitz der eingeforsteten Wälder verschafft hätte. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Wildbann seinem Inhaber die bloße Nutzung der Wälder hätte vorbehalten können. Dagegen stand die Tatsache, daß der Wald um 900 - zur Zeit der ersten Verleihung - schon längst von anderen Grundherren genutzt wurde. Nach einer Urkunde von 882 besaß das Kloster Prüm im cotenforast, dem Kottenforst, der auch 973 genannt wird, eine Nutzung, die uualtmarca genannt wurde. 494 Ein Wald desselben Klosters, in dem 300 Schweine gemästet werden konnten, ist 893 für das Gebiet zwischen Berg und der Elle be-

nur auf ihn zurückgehen könne, wenn sie im Wildbanngebiet anzutreffen ist. Tichelbäckers Argumentation befindet sich also in einem logischen Zirkel und beweist somit gar nichts. Ahnlich verhält es sich mit Tichelbäckers Ansicht, der Wildbann habe nicht nur den „Rahmen für eine Reihe von Territorien unter Kölner Lehnshoheit abgegeben ... sondern auch in der großterritorialen Politik der Erzbischöfe von Köln, soweit die notwendigerweise gegen die Aachener Reichgut- bzw. Reichslandposition gerichtet sein mußte, eine gesamtstrategische Rolle gespielt." Man fragt sich wieso; die Beispiele, die Tichelbäcker vorher bringt, mögen sich im Bereich des Wildbanns abgespielt haben, es fehlt jedoch jeder erkennbare Zusammenhang mit diesem. N u r weil politisches Handeln sich in einem Wildbanngebiet vollzog, heißt das noch lange nicht, daß der Wildbann ursächlich daran beteiligt war - es sei denn, man geht von der - erst noch zu erweisenden - Vorstellung aus, daß es gar nicht anders gewesen sein könne. 491 So zu Blatzheim ( U B Niederrhein, 1, S. 123f„ N r . 192 [1057], S. 219f„ N r . 330 [1139]), Jülich ( U B Niederrhein, 1, S. 49, N r . 88 [927]), Rondorf ( U B Niederrhein, 1, S. 51 f., N r . 93 [941]) und Vochem ( U B Niederrhein, 1, S. 135f., N r . 209 [1067]). 492 In der H a n d weltlicher Besitzer z. B. zu Aldenhoven ( D K o II 141, U B Niederrhein, 1, S. 305, N r . 436 [1170]), Alfter ( U B Niederrhein, 1, S. 135f„ N r . 209 [1067]), Alsdorf ( U B Niederrhein, 1, S. 389f., N r . 558 [1197]), Baesweiler ( U B Niederrhein, 1, S. 205, N r . 309 [1130]), Gymnich ( U B Niederrhein, 1, S. 143, N r . 220 [1075]), Hoven ( U B Niederrhein, 1, S. 367f., N r . 526 [1190]) und Kerpen ( U B Niederrhein, 1, S. 327f., N r . 466 [1178]). Weiteren Grundbesitz nennt Tichelbäcker, Der Kölner Wildbann zwischen Erft und Wurm, S. 6-12, mit Karte A. 493 U B Niederrhein, 1, S. 221, N r . 331 (1139), S. 268f., N r . 388 (1156), S. 294f„ N r . 423 (1166). 494 U B Mittelrhein, 1, S. 125-27, N r . 120: Aspicit ad superiorem curtem prefatum de terris salariciis iugera. XXIIII. de prato ad carradas. XX ... CCCC. et alia silua in cotenforast uualtmarca habunde; vgl. Höroldt, Tausend Jahre Kottenforst, S. 127.

125

Köln

legt. 495 D i e J a g d scheint sich das Erzstift dagegen zumindest in Teilen des Wildbanngebietes bis ins Spätmittelalter vorbehalten zu haben. N o c h 1481 sah ein V e r t r a g zwischen d e m E r z b i s c h o f und G r a f P e t e r zu Salm v o r , daß P e t e r z u r Lebenszeit des Vertragsgegners nicht auf der Ville jagen sollte; 496 auch die Ville gehörte z u m alten Wildbanngebiet.

38. Der Wildbann von 1069 1 0 6 9 erhielt das Erzstift einen weiteren W i l d b a n n in der Nordeifel. S c h o n die Verleihungsurkunde spricht einfach v o n bannum dicitur.m

unum

quod vulgo

wildban

W e i t e r e A n g a b e n z u m Gegenstand der Verleihung findet m a n d o r t

nicht. Deutlicher w i r d eine A u f z e i c h n u n g v o n etwa 1200, nach der H e i n r i c h IV. d e m Erzstift in den W i l d b a n n g r e n z e n v o n 1 0 6 9 den bannum

venacionis

verlieh. 498 In einem Teil des Wildbanngebietes soll das Erzstift v o n demselben H e r r s c h e r auch eine silva cum banno

erhalten haben, 4 9 9 aber davon ist außer

in der erwähnten Aufzeichnung nichts mehr bekannt.

D e r Wildbann schloß

„das kaum besiedelte Waldgebiet des K e r m e t e r s " ein, 501 der n o c h heute ein

495 U B Mittelrhein, 1, S. 184: Sunt etiam in berhc mansus III et in obendorph mansus I et inter alina et bergh silva ad porcos CCC. Vgl. Tichelbäcker, Der Kölner Wildbann zwischen Erft und Wurm, S. 6. 496 U B Niederrhein, 4, S. 522f., Nr. 419: ouch das juncker Peter ader syne erven noch nymantz anders sich gheyner swyne, hoewilt ader reejacht uff der Villen und in der heirlichkeit van Alffter, off die etwas zo jagen hette, unsers gnedigsten herren van Colne leuenlanck nyt gebruchen ader jagen sullen in gheyner wyse. 497 D H I V 222. 498 Liber privilegiorum maioris ecclesie Coloniensis, S. 195f.; vgl. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln, 2, S. 321f., Nr. 1571. Die oben genannte Entstehungszeit gilt für die älteste erhaltene Fassung der Quelle, eine Abschrift vom Ende des 12. Jahrhunderts. Ihre Vorlage dürfte in der Zeit zwischen etwa 1125 und 1180 entstanden sein. Inhaltlich ist die Aufzeichnung zumindest teilweise noch älter. Dazu jetzt Gockel, Das Dienstrecht der Kölner Erzbischöfe, S. 49-59. Die Bezeichnung des Wildbanns als bannum venacionis ist eine Uberschrift, die vom Redaktor des ältesten Chartulars des Kölner Domstifts zur vorliegenden Quelle hinzugefügt wurde; vgl. ebd., S. 53, Anm. 33. Auf diesem Chartular beruht Korths Edition des Liber privilegiorum maioris ecclesie Coloniensis: Gockel, Das Dienstrecht der Kölner Erzbischöfe, S. 52. 499 Liber privilegiorum maioris ecclesie Coloniensis, S. 196: silvam quoque dedit ei in proprietatem cum banno ab eo loco ubi Orkentrure cadit in aquam que dicitur Rure usque ad locum ubi Urdefa cadit in aquam que dicitur Rure. Damit ist das Gebiet zwischen Erkensruhr und Urft gemeint, das mitten im Wildbanngebiet von 1069 lag: Corsten, Der Forstbezirk Vlatten-Heimbach, S. 187 und Karte S. 188. Zu den Grenzen des Wildbanns vgl. Corsten, S. 187, mit Karte S. 188 und Die Regesten der Erzbischöfe von Köln, 1, S. 286, Nr. 985. Vgl. zur Sache auch Gugat, Jülich und die Kölner Wildbänne. 500 Corsten, Der Forstbezirk Vlatten-Heimbach, S. 187. 501 Ebd., S. 203.

126

Die einzelnen Forste

Staatsforst ist.502 D i e Q u e l l e v o n etwa 1200 gibt A u f s c h l u ß d a r ü b e r , w i e sich der W i l d b a n n p r a k t i s c h niederschlug u n d u n t e r s t r e i c h t dabei n u r , d a ß es sich bei i h m tatsächlich lediglich u m eine K o n t r o l l e der Jagd handelte. So sollte die J a g d b e u t e d e n forestariis de Hagestolde u n d v o n diesen d e m E r z b i s c h o f ü b e r b r a c h t werden. 5 0 3 F e r n e r w e r d e n die L e i s t u n g e n festgelegt, w e l c h e die viri de Hagestolde z u e r b r i n g e n h a b e n , w e n n d e r E r z b i s c h o f persönlich auf die Jagd geht. 504 Es folgen einige R e g e l u n g e n der B u ß e v o r allem bei T o t s c h l a g u n d a n d e r e r P f l i c h t e n g e g e n ü b e r d e m Erzbischof, 5 0 5 die m a n nicht auf d e n W i l d b a n n z u r ü c k f ü h r e n k a n n , da sie auch o h n e diesen d e n k b a r w ä r e n . D i e A n g a b e n der vorliegenden Q u e l l e sind u m s o beachtenswerter, als sie auch vergleichbare B e s t i m m u n g e n ü b e r die Jagd im thüringischen Saalfeld enthält. D a b e i heißt es jedoch, d a ß d o r t niemand o h n e die Erlaubnis des E r z b i schofs r o d e n dürfe, 6 eine Vorschrift, die im Z u s a m m e n h a n g mit d e m W i l d -

502 Ebd. 503 Liber privilegiorum maioris ecclesie Coloniensis, S. 196: Hunc bannum nemo debet habere nisi ille cui archiepiscopus Coloniensis dederit. In supradicta silva scilicet Osninc captam venacionem venatores forestariis de Hagestolde deferant et Uli archiepiscopo Coloniensi deportent, sive sit Colonie sive Bunne sive Nussie seu Aquis, eisque cum venatione venientibus victus necessaria et equis pabula non negentur. Mit Osninc ist hier die Eifel gemeint; vgl. Kaspers, Comitatus nemoris, S. 89-97; Die Regesten der Erzbischöfe von Köln, 2, Register, s. v. Osninc; Corsten, Der Forstbezirk Vlatten-Heimbach, S. 187-190, 203. Zur Identität des Gebietes, das in der eben zitierten Quelle gemeint ist, mit dem Wildbanngebiet von 1069 vgl. auch Corsten, Der Forstbezirk Vlatten-Heimbach, S. 203-208. 504 Liber privilegiorum maioris ecclesie Coloniensis, S. 196: Quando autem episcopus venacionis causa illuc advenerit, supradicti viri de Hagestolde venatoribus habitacula, si necesse fuerit, et vasa canibus necessaria preparare debent. 505 Ebd.: advocatus vero eorum, si in predicta villa placitum tenuerit et aliquis ex Ulis culpabilis in placito extiterit, quicquid persolvit duas partes episcopo, terciam advocato componat. Si autem aliquis ex Ulis occisus fuerit et precium homicida persolverit, si villicus illud absque advocato adquisierit, episcopo totum erit. Si vero eum in hoc advocatus adiuverit, terciam partem advocatus accipiat, episcopus duas. De Ulis vero, qui unius iuris sunt, si alter alterum occiderit, quinque libras persolvet. Si autem alius compatriota suus eum occiderit, 20 solidos et obulum persolvet. Si autem aliquis ex ipsis mortuus fuerit, si habuerit equos, meliorem episcopo dabit, si non, et boves sive porcos habuerit, quicquid preciosius est in Ulis, episcopo dabit et villico sex denarios. In natali domini unusquisque supradictorum hominum ad domum advocati venire debet cum duobus panibus et uno modio avene ea condicione, ut convivium singulis, sicut venerint, preparetur; si autem ipse convivium eis non dederit, nichil ab eis accipiet. 506 Für den Abschnitt über Saalfeld ist jetzt die Edition von Gockel, Das Dienstrecht der Kölner Erzbischöfe, S. 60f. maßgebend: In Salevelt omnes ex familia episcopi, qui vocantur goimere, captam venationem episcopi deferre debent Coloniam seu quocumque iussi fuerint, et canes eius custodire et pascere debent. Nullus ibi venari debet absque licencia episcopi ursum scilicet nec porcum nec cervum nec cervam. Nullus ibi liber homo de terra illa sibi aliquid ad exstirpandum vendicare debet absque licencia episcopi. Ibidem ubicumque venatio episcopi fuerit, si quis venationem eius disturba-

127

Konstanz

bann von 1069 fehlt. Da es sich um ein und dieselbe Quelle handelt, ist das zumindest auffällig. Ob man hierin gleich ein Indiz dafür sehen darf, daß die Rodung vom Wildbann nicht grundsätzlich berührt wurde, bleibe dahingestellt. Daß der Wildbann zumindest bei der aktiven Durchführung von Rodungen keine Rolle spielte, legt aber auch die Tatsache nahe, daß das Wildbanngebiet, wie erwähnt, nur schwach besiedelt ist. Der Ansitz der forestarii de Hagestolde läßt sich nicht mehr lokalisieren.507 Nach Corsten deutet der Name dieser Siedlung darauf hin, daß das Wildbanngebiet von 1069 ein früherer Königshagen war, ein königlicher Bezirk, in dem Heermannen, „Hagestalden" angesiedelt worden waren.508 Ferner sei das Wildbanngebiet Teil einer übergreifenden königlichen Forstorganisation mit dem Zentrum Vlatten und später Heimbach gewesen. Sollte dies zutreffen, so erhielt das Erzstift 1069 einen königlichen Wildbann zusammen mit den zugehörigen Förstern, eben den viri de Hagestolde. Der Wildbann hätte dann beispielsweise in dem Wormser Forst Forehahi eine Parallele.

39. Konstanz Eine Forst- bzw. Wildbannverleihung an die bischöfliche Kirche von Konstanz ist nur indirekt belegt, und zwar durch die Bestätigungsurkunde Friedrichs I. von 1155 für das Hochstift. Dort heißt es, daß die Konstanzer Bischofskirche zur Zeit des Bischofs Rumold (1051-1069) von Friedrichs proavus - Heinrich III. oder Heinrich IV. - 510 das ins foresti in einem Bezirk verliehen erhielt, der Hori (Höri) hieß und dessen Grenzen ebenfalls angegeben werden.5" Die Verleihung sei mit der Zustimmung des Abtes Ulrich II. von der Reichenau (1048-1070) und anderer Personen erfolgt, die im eingeforsteten Gebiet begütert waren.512 Mit der Konsenserklärung liegt ein charakteristisches Merkmal der Wildbannverleihungen vor. Einen weiteren Hinweis darauf, daß ein Wildbann verliehen wurde, liefert das Jagdverbot für Unbefugte, das die Bestätigungsurkunde herausstellt.513 In der Urkunde von

verit sive canibus sive laqueo sive igne, bovem illius tollant et vendant; eius duas partes episcopus, terciam villicus accipiat. 507 508 509 510

et de

predo

Corsten, Der Forstbezirk Vlatten-Heimbach, S. 206. Ebd., S. 2 0 3 - 2 0 8 . Ebd., S. 1 9 1 - 2 0 3 , 208f. Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, hg. v. Feger, S. 64; Ders., Geschichte des Bodenseeraumes, 2, S. 102f.; Tumbült, Die Grafschaft des Hegaus, S. 654. 511 D F I 128. 512 Ebd.: consensu Odalrici Augensis abbatis aliorumque predia vel beneficia illic babentium; vgl. Tumbült, Die Grafschaft des Hegaus, S. 654. 513 Ebd.: ius foresti... iure perpetuo confirmamus, ut nullus illic venandi habeat potestatem sine permissione episcopi.

128

Die einzelnen Forste

1155 wird noch ein zweiter Forst erwähnt. Es werden aber keine Angaben darüber gemacht, wie der Forst beschaffen war, und wann und auf welche Art er entstand. 514 Somit kann nicht davon ausgegangen werden, daß dieser Forst die Merkmale aufwies, die seine Aufnahme in die vorliegende Untersuchung rechtfertigen würden; er wird daher im folgenden unberücksichtigt bleiben. Der Konstanzer Forst wird in der Literatur als Namensgeber des Bezirks Höri angesprochen. 515 Dabei wird von einer Analogie zu dem Gebiet ausgegangen, das südlich des Bodensees liegt und ,Bischofshöri' genannt wird. Dort konzentrierte sich offenbar alter bischöflicher Besitz, was eine enge Anbindung an das Hochstift zur Folge hatte. Dem Namen Bischofshöri wird daher die Bedeutung ,dem Bischof gehörend' zugeschrieben. 516 Auch im Falle des Forstes in der Höri gibt es keine Hinweise darauf, daß der Wildbann Spuren beim Landesausbau hinterließ. Im Forstgebiet von 1155 befanden sich drei bedeutende Konstanzer Besitzkomplexe, die ebenfalls in der Bestätigungsurkunde Barbarossas genannt werden. Dabei handelt es sich um die Fronhofsverbände von Horn, Bohlingen und Steißlingen. 517 Horn wird bereits 877 erwähnt, Steißlingen 854.518 Beide Orte können folglich ihre Anlage nicht dem Wildbann verdankt haben, und die frühen Nennungen zeigen zudem, daß das Hochstift bereits lange vor der Wildbannverleihung über Besitz im späteren Forstgebiet verfügte. Steißlingen wird anläßlich seiner Ubereignung an die Konstanzer Bischofskirche erwähnt, 5 " Bohlingen wird als ein Ort genannt, an dem der Konstanzer Bischof seinem Speyerer Amtsbruder ein Quartier bereitstellen kann. Bohlingen und Steißlingen waren nur zwei Mittelpunkte der drei erwähnten Konstanzer Besitzkomplexe. Die einzelnen Bestandteile des Konstanzer Besitzes, wie sie das älteste Hochstiftsurbar ausweist, das zu Anfang des 14. Jahrhunderts entstand, sind zum großen

514 D F I 128: Preterea sunt termini foresti Arbonensis ad flumen Salmasa, inde per decursum eiusdem aque ad flumen Steinaha, inde ad locum Mola, inde ad fluvium Sydronam, inde per decursum ipsius aque usque ad montem Himelberch, inde ad alpem Sambatinam, inde per Firstum usque ad Rbenum, ubi in vertice rupis similitudo lune iussu Dageberti regis ipso presente sculpta cernitur ad discernendos terminos Burgundie et Curiensis Rhede, inde per medium Rhenum usque in lacum, inde ad Gemundas ad predictum fluvium Salmasa. Vgl. zu diesem Forst Thimme, Forestis, S. 147-49. 515 Tumbült, Die Grafschaft des Hegaus, S. 654, Anm. 3. 516 Hierzu Maurer, Die Bischofshöri. 517 D F I 128; vgl. Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, hg. v. Feger, S. 64-67. Zur Ausdehnung des Wildbanns vgl. Schreiber, Die Grenzbeschreibung, der auch eine kartographische Darstellung gibt. Eine solche ist auch in Die Bischöfe von Konstanz, 1, S. 279 zu finden. 518 M G H Formulae, S. 418, Nr. 34; UB Wirtemberg, 1, S. 141-43, Nr. 121; Regesta episcoporum Constantiensium, 1, Nrr. 122, 163. 519 Es ist aber zu beachten, daß hier auch der Ort Alt-Steußlingen gemeint sein könnte: ebd., Nr. 122; Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, hg. v. Feger, S. 66.

Konstanz

129

Teil zwar erst im späteren 12. und im 13. Jahrhundert in den Quellen faßbar.520 Es gibt jedoch keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen ihrem Aufbau und dem Wildbann. Der Umstand, daß andere Grundherren als das Hochstift im Wildbanngebiet begütert waren, läßt solche Zusammenhänge ebenfalls fraglich erscheinen. Zu den fremden Grundherren gehörten die Klöster Reichenau,521 Feldbach und St. Gallen und das Stift Kreuzlingen'22 sowie weltliche Eigentümer.523 Ihr Besitz spricht dagegen, daß die Forstverleihung mit einer Gebietsschenkung verbunden war und weist damit in die gleiche Richtung wie die Konsenserklärung, die darauf hindeutet, daß der Forst bei der Verleihung erst geschaffen wurde. Sofern der fremde Besitz im Forstgebiet erst nach der Wildbannverleihung entstand, bleibt zudem wenig Raum für die Annahme, daß Rodung und Landesausbau aufgrund des Wildbanns dem Hochstift vorbehalten waren. Daß die Rodung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Wildbann stand, geht noch aus einer weiteren Beobachtung hervor. Im ältesten Hochstiftsurbar werden einige Rodungen (rüti) genannt, die im Wildbanngebiet lagen.524 Solche Rodungen gab es nach dem Urbar jedoch auch in anderen Bereichen der bischöflichen Grundherrschaft, die nicht unter den Wildbann von 1155 fielen.525 Sogar eine hochstiftische Forstaufsicht ist außerhalb des Wildbanngebietes zu finden.526 Der Wildbann wird mithin nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, daß das Hochstift eine derartige Kontrolle ausübte. Somit zeigt sich hier einmal mehr, daß Wildbänne von anderen Nutzungsvorbehalten zu trennen sein dürften.

520 Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, hg. v. Feger, S. 1 2 7 - 1 3 3 ; Vgl. Regesta episcoporum Constantiensium, 1, N r r . 663 (1110), 1117 (1190), 2 2 8 7 (1271), 2585 (1283); ebd., Bd. 2, N r r . 2941 (1295), 2967 (1296). Weiterer Besitz, der im Urbar nicht mehr erscheint: Regesta episcoporum Constantiensium, 1, Nrr. 2113 (1265), 2171. 521

Mit Besitz zu Worblingen, Schienen, Bankholzen, Wangen, H o r n und Gundholzen: Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, S. 64; Beyerle, Die Grundherrschaft der Reichenau, S. 459.

522

Kreuzlinger Besitz zu Worblingen: Regesta episcoporum Constantiensium, 1, N r r . 1517, 2256, 2405; Feldbacher Besitz zu Hemmenhofen: Ebd., N r . 2360; St. Galler Besitz am gleichen Ort: ebd., N r . 173. Zu Steißlingen, Gaienhofen, Bankholzen, Bohlingen: ebd., N r r . 1127, 1216, 1337, 1456, 2669; ebd., Bd. 2, N r . 3181. Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, hg. v. Feger, S. 128. Ebd., S. 84 (novales zu Dachsen), S. 85 (curia in der Rüti zu Gottlieben). Ebd., S. 128, 132 (nemorarii zu Gundholzen, Weiler und im Bohlinger Güterkomplex innerhalb des Wildbanngebiets), S. 80 (ein nemorarius und einen dictus vorster, qui custodit campum zu Neunkirch außerhalb des Wildbanns), S. 85f. (curia in Stadelhoven dicta Forsthof außerhalb des Wildbanns).

523 524 525 526

130

Die einzelnen Forste

40. Lorsch Der Lorscher Wildbann verdeutlicht, daß es unumgänglich ist, sich darüber klar zu werden, was ein Wildbann tatsächlich war, um die Rolle richtig abschätzen zu können, die er bei historischen Vorgängen gespielt haben mag. Es wird nämlich häufig eine Beziehung zwischen dem vorliegenden Wildbann und bestimmten Ereignissen hergestellt, die anders beschaffen gewesen sein dürfte, als gemeinhin angenommen wird. Zumindest drängt dieser Schluß sich auf, wenn man Wildbänne auf ihre tatsächlichen Eigenschaften hin überprüft. Man hat den Lorscher Wildbann weithin im Zusammenhang sehen wollen mit Streitigkeiten zwischen dem Kloster und dem Bistum Worms über die Nutzung des Odenwalds. Die Gegensätze zwischen Lorsch und Worms gehen mindestens bis ins späte 10. Jahrhundert zurück. 970 ließ sich der Wormser Bischof von Otto I. ein Privileg ausstellen, in dem von den Versuchen des Lorscher Abtes die Rede ist, sich das silvaticum (eine Abgabe auf die Waldnutzung) im ganzen Odenwald anzueignen.5 Die Urkunden König Dagoberts I., Karls des Großen und Ludwigs des Deutschen, die der Wormser Bischof vorgelegt hatte, waren allerdings gefälscht."8 Dagobert soll der Wormser Kirche neben dem silvaticum im Odenwald auch den Ort Ladenburg mit verschiedenen Nutzungen im Lobdengau überlassen haben, namentlich der Weide, dem Bezug von Bauholz und der Gewässernutzung mit der Fi1

- 529

scherei. Der Waldzins und die Nutzungen im Lobdengau bildeten dann wieder den Gegenstand einer Urkunde Heinrichs II. vom August 1012. Die Urkunde hält die Grenzen des Wormser Nutzungsbezirks in der marcha Loboduburgensis fest. Sie wiederholt zudem, was die Urkunde Ottos I. über die Streitigkeiten zwischen Lorsch und Worms sagt sowie deren Angaben über die Schenkung des silvaticum und die Nutzungen im Lobdengau, die nun nicht mehr einzeln aufgeschlüsselt werden.530 Die Grenzen der Wormser Mark Ladenburg, wie sie 1012 festgelegt wurden, überschneiden sich nun teilweise mit denen des Lorscher Wildbanns, der nur drei Monate zuvor verliehen worden war. Man hat daher geglaubt, daß die Urkunde vom August 527 D O I 392. Hierzu und zum silvaticum Trautz, Das untere Neckarland, S. 58f., 62. 528 Vorbemerkung zu D O I 392 sowie Trautz, Das untere Neckarland, S. 98. Die Fälschungen (D Mer Sp. 21, D Karol. I 257 und D LdD 74b) wurden unter Benutzung echter Urkunden hergestellt; vgl. Lechner, Die älteren Königsurkunden für das Bisthum Worms, S. 364-71, der auch die Urkunde von 970 für verdächtig hält: ebd., S. 371-75. 529 Vgl. D O 1392. 530 D H U 247; zur Frage der Echtheit dieser Urkunde, von der aber auszugehen ist, vgl. Trautz, Das untere Neckarland, S. 59; Breßlau, Erläuterungen zu den Diplomen Heinrichs II., S. 184-92; Hausrath, Die Geschichte des Waldeigentums, S. 8f.; Lechner, Die älteren Königsurkunden für das Bisthum Worms, S. 376-79.

Lorsch

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1012 den Lorscher Wildbann teilweise wieder aufhob. 531 Diese Einschätzung setzt selbstverständlich voraus, daß das Wormser Nutzungsgebiet in der marcha Loboduburgensis und der Wildbann sich inhaltlich gegenseitig ausschlössen. Schon Trautz wies jedoch darauf hin, daß der Lorscher Wildbann und der Wormser Nutzungsbezirk unterschiedlichen Zwecken gedient haben dürften.532 Der Wildbann behielt seinem Besitzer lediglich die Jagd vor. Die Verleihungsurkunde spricht, wie bei Wildbannverleihungen üblich, ein Jagdverbot für Unbefugte aus.533 Das Objekt der Verleihung wird dort allgemein

als forestem bannumque

silvarum bzw. forestem cum banno bezeichnet.534

Der Lorscher Kodex, in dem die Wildbannurkunde überliefert ist, schließt an den Urkundentext einen Nachsatz an, der ebenfalls zum Ausdruck bringt, daß der Wildbann sich auf die Jagd bezog. Der Zusatz präzisiert die Grenzbeschreibung und schärft nochmals ein, daß innerhalb der Grenzen niemand ohne die Erlaubnis des Abtes jagen oder fischen soll.535 Es handelt sich hierbei offensichtlich um eine Notiz, die dazu dienen sollte, die Interessen des Klosters zu wahren. Daher wäre es nicht recht einsichtig, warum bei der Aufzählung Tätigkeiten unterschlagen worden sein sollten, die ebenfalls unter den Wildbann fielen. Das wäre besonders unverständlich, wenn die Präzisierung der Wildbanngrenzen nötig geworden sein sollte, um fremde Anfechtungen abzuwehren. 536 Ein Indiz dafür, daß solche Anfechtungen tatsächlich auftraten, ist der Umstand, daß die Grenze des Nachtrags gegenüber der ursprünglichen Grenze an manchen Stellen zurückgenommen ist.537 Sofern der Zusatz nicht genau beschrieb, welche Tätigkeiten der Wildbann dem Kloster vorbehielt, sollte man doch wohl erwarten, daß eher über- als untertrieben wurde. Das spricht sehr dafür, daß der Lorscher Wildbann sich nur auf die Jagd auswirkte. Die Wormser Ansprüche waren dagegen auf andere N u t zungen des Wildlandes, besonders des Waldes, gerichtet. In die gleiche Richtung weist noch ein weiterer Umstand, nämlich die Grenzziehung der marcha Loboduburgensis. Sie folgt in auffallender Weise 531

Knopp, D e r Oberrheingau, S. 406f. und die Karte auf S. 374; Hausrath, D i e G e schichte des Waldeigentums, S. 5 - 9 ; Huffschmid, D i e Ostgrenze des Lobdengaues, S. 109; Buxbaum, Beiträge zur Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte, S. 13.

532 Trautz, Das untere Neckarland, S. 59, 67 mit A n m . 506. 533 D H U 244: nullusque in ea [sc. foresti] sine ipsius [sc. abbatis Laureshamensis cenobii] licentia venandi aut capiendi aliquidpotestatem habeat. 534 E b d . 535 Ebd: Si quis vero scire desiderat evidentius, quorsum tendat forestis bannus in silva Ottenewalt Laureshamensi ecclesie regia auctoritate concessus, subdeterminata loca ... diligenter consideret... Quisquis igitur in bis locis vel infra hos terminos quippiam venationis seu piscationis absque licentia Laureshamensis abbatis exercere presumserit, sciat se ipsi abbati compositurum imperialem bannum. 536 Vgl. Trautz, Das untere Neckarland, S. 67 mit Anm. 505; Möller, D i e frühhistorischen Grenzen, S. 258f. 537 Möller, Die frühhistorischen Grenzen, S. 258.

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Die einzelnen Forste

der Grenze der Mark Heppenheim, für die eine Grenzbeschreibung im Lorscher Kodex vorliegt, die auf 795 datiert ist.538 Die Linie, an der die Wormser Mark von 1012 und die Mark Heppenheim aneinanderstießen, verläuft mitten durch das Lorscher Wildbanngebiet. Die Abgrenzung der Mark Heppenheim mag erfolgt sein, nachdem Karl der Große dem Kloster Lorsch 773 die villa Heppenheim geschenkt hatte.559 Als die Grenze der Wormser marcha Loboduburgensis festgelegt wurde, orientierte man sich also offensichtlich an anderen, älteren räumlichen Einheiten als dem Wildbann. Umso unwahrscheinlicher ist es, daß sich die Wormser marcha und der Lorscher Wildbann inhaltlich überschnitten. Eine Ausnahme bildet hier möglicherweise nur der Fischfang. Er wird unter den Nutzungen genannt, die Worms sich vorbehielt, erscheint aber auch im Nachtrag zu der Lorscher Wildbannurkunde als Tätigkeit, die dem Kloster vorbehalten war. Ein Zusammenhang zwischen der Wildbannverleihung von 1012 und der Grenzfestlegung der marcha Loboduburgensis im selben Jahr besteht wohl höchstens insofern, als die Wormser Seite keinen Zweifel daran aufkommen lassen wollte, daß sie es nicht tolerieren würde, wenn Lorsch versuchte, mehr als die Jagd zu kontrollieren. Es bleibt zu fragen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Lorscher Wildbann und der Rodung erkennbar ist. Auch das ist nicht der Fall. Das Kloster Lorsch verfügte zwar über umfangreichen Besitz im Untersuchungsgebiet, aber dieser ergab sich aus den zahlreichen Schenkungen an das Kloster.5 Hinzu kamen Siedlungen, die von Lorsch planmäßig im Odenwald angelegt wurden. Für diese Rodungs- und Erschließungstätigkeit war aber der Wildbann gewiß nicht die Voraussetzung, denn sie setzte bereits im 8. und 9. Jahrhundert ein, wahrscheinlich nachdem Karl der Große dem Kloster die villa Heppenheim mit ihrem Zubehör geschenkt hatte.541 Da fremde Grundherrschaften im Wildbanngebiet begütert waren, wie die Schenkungen an Lorsch bezeugen, dürfte es sich bei der Forstverleihung an das Kloster auch kaum um die Schenkung von Grund und Boden gehandelt haben. Der Lorscher Wildbann grenzte im Westen an den königlichen Wildbann Forehahi an,542 der 1002 dem Hochstift Worms geschenkt wurde, ohne daß dieser Umstand zwingend darauf schließen ließe, daß der Lorscher Wildbann ebenfalls aus königlichem Besitz stammte. 538 Codex Laureshamensis, 1, Nr. 6a (im Paralleldruck mit einer weiteren, aber undatierten Beschreibung der Mark, die einen anderen Verlauf von deren hier relevanter Südgrenze ausweist); vgl. Trautz, Das untere Neckarland, S. 5 7 - 6 2 und die Karte in Knopp, Der Oberrheingau, S. 374, sowie Huffschmid, Ostgrenze des Lobdengaues, S. 1 1 0 - 1 4 und Lachmann, Die frühmittelalterlichen Marken, mit Karte S. 29. 539 Trautz, Das untere Neckarland, S. 57, 60f.; Lachmann, Die frühmittelalterlichen Marken, S. 2 8 - 3 0 . 540 Knopp, Der Oberrheingau, S. 3 7 3 ^ 2 4 , mit Karte S. 374; Trautz, Das untere Neckarland, S. 1 0 4 - 1 1 5 ; Nitz, The church as colonist, S. 1 0 9 - 1 1 1 . 541 Nitz, The church as colonist; Ders., Zur räumlichen Organisation, bes. S. 1 2 - 2 5 . 542 S. die Karte bei Seiler, Das Hochstift Worms, S. 62.

Lüttich

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Lüttich 41. Der Forst an der Maas 1008 schenkte Heinrich II. dem Hochstift Lüttich eine iuris regni nostriforestim, also einen königlichen Forst. Im Gegensatz zu anderen Königsforsten, die als Bannwälder betrachtet werden können, handelte es sich im vorliegenden Fall eher um ein Banngebiet ähnlich einem Wildbann. Die Urkunde erwähnt nämlich, daß auch Besitz fremder Grundherren innerhalb des Forstes lag. In diesem Zusammenhang wird von der Zustimmung der anderen Grundherren gesprochen; es heißt, daß der Forst mit allen seinen Nutzungen verschenkt wird, gemäß der Einwilligung der Grundherren, die dort begütert waren.543 Bedeutet das, daß die Übertragung des Forstes von der Zustimmung dieser Leute abhängig gemacht wurde? Es scheint keinen Grund für eine solche Annahme zu geben. Schließlich hätte sich für die anderen Grundherren keine Veränderung zum Vorzustand ergeben, wenn der Forst so, wie er war, dem Lütticher Bischof geschenkt wurde. Warum also hätte man sich auf ihre Zustimmung berufen sollen? Vielmehr dürfte sich der Konsens der anderen Grundherren, von dem die Urkunde spricht, auf etwas anderes beziehen. Wahrscheinlich war das Forstgebiet schon zum guten Teil erschlossen, als der Forst geschaffen wurde. Wie bei gewöhnlichen Wildbannverleihungen auch mußte daher auf die Interessen der Grundherrschaften Rücksicht genommen werden, die sich bereits im Forstgebiet befanden. So wurde der Nutzungsvorbehalt mit den betroffenen Grundherren ausgehandelt; das dürfte gemeint sein, wenn von der Einwilligung der anderen Besitzer die Rede ist. Doch mag die Formulierung der Urkunde von 1008 noch einen anderen Zweck verfolgt haben. Vielleicht sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß der Lütticher Bischof durch eigene Verhandlungen dem Forst noch weitere Nutzungen hinzufügen konnte. Eine Parallele böte das Wildbannprivileg für den Grafen Adalbero von 1003. Es sieht ausdrücklich vor, daß der Wildbann auch für alles Land gelten sollte, dessen Besitzer sich mit dem Wildbanninhaber künftig darüber einigen würden.544 Welche

543 D H U 184 (die Urkunde ist nur kopial überliefert): forestim ... cum hanno nostro ceterisque eius pertinentiis seu cum omnibus que quolibet modo dici vel scribi possunt utilitatibus secundam collaudationem comprovincialium inibi predio, habentium ... concedimus. 544 D H U 54: bannum super agrestes feras ... tarn super proprium ipsius ... terram quam super omnium illorum hominum terras, qui in presenti vel in futuro huiusmodi rem cum eo collaudabunt. Ein vergleichbarer Fall ist die Wildbannverleihung, die Konrad II. 1028 der Kirche von Aquileia zukommen ließ; das geschah cum consensu et laudatione Babenbergensis episcopi, Helmgerii episcopi et eius fratris Wecellini... et ceterorum, qui amodo per eius voluntatem suorumque successorum id ipsum collaudare voluerint ( D K o II 132).

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D i e einzelnen F o r s t e

Nutzungen bei der Verleihung bereits unter den Forst fielen, läßt sich der Urkunde nicht entnehmen. Aus ihr geht in sehr allgemeiner Form lediglich hervor, daß der Forst mit allen denkbaren Nutzungen verschenkt wurde. Das kann, muß aber wohl nicht heißen, daß mehrere Nutzungen unter den Forst fielen545 und nicht nur die Jagd, für die man das wahrscheinlich voraussetzen kann. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es möglich, daß es sich bei dem Forst um ein Gebiet handelte, in dem der Forstherr neben der Jagd noch andere Nutzungen kontrollierte. Es scheint aber auch nichts gegen die Annahme zu sprechen, daß der vorliegende Forst lediglich ein Wildbann war, sich also auf die Jagd beschränkte. Im Gegenteil dürfte das die plausiblere Möglichkeit sein, sofern der Forst eingerichtet worden war, als bereits andere Grundherren im Forstgebiet begütert waren, mit deren Interessen ein weitergehender Nutzungsausschluß zusammengestoßen wäre.546 Es ist nicht möglich, abschließend Klarheit darüber zu gewinnen, auf welche Nutzungen der Forst von 1008 sich bezog. Falls er tatsächlich noch andere Nutzungen als die Jagd einschloß, wird man wohl davon ausgehen dürfen, daß die fremden Nutzer durch den Forst nicht wirklich benachteiligt wurden, da offenbar ihr Konsens vorlag. Der Forst dürfte sich daher kaum so ausgewirkt haben, daß andere Grundherren von den Nutzungen des Wildlandes entweder ausgeschlossen blieben oder Abgaben für etwas entrichten mußten, das sie zuvor umsonst bekommen hatten. Auch der vorliegende Fall läßt sich somit genaugenommen nicht in das gängige Bild vom Wildbann einfügen, das eine viel weitergehende Verfügungsgewalt des Wildbannherrn voraussetzt. Hinzu kommt, daß der Lütticher Forst im Gegensatz zu den meisten Wildbännen aus königlichem Besitz stammte und daher nicht repräsentativ ist. O b und inwieweit auf der Grundlage des Forstes gerodet wurde, läßt sich nicht sagen. Zwar gehörte in späteren Jahrhunderten ein großer Teil der Dörfer im Forstgebiet zu Lüttich, doch waren dort auch andere Grundherren begütert. 547

545 Eine derartige Formulierung könnte auch gewählt worden sein, wenn es um nicht mehr ging als die Jagd, in der Absicht, möglichen Anfechtungen durch Dritte möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. 546 Vgl. den Fall des Trierer Forstes von 973. 547 Siehe hierzu Cartulaire de l'église Saint-Lambert de Liège, 1, S. V - X , w o auf das Problem ausführlich eingegangen wird (im Zusammenhang mit der Frage, w o der Forst lag). D i e Herausgeber des Cartulaire versuchen zwar nachzuweisen, daß sämtlicher Besitz im Forst letztendlich vom Hochstift gestammt haben muß, um ihre Lokalisierung des Forstgebietes zu stützen. Dabei gehen sie offenbar von einer falschen Vorstellung davon aus, was der Forst eigentlich darstellte, daß er ein geschlossenes Gebiet gewesen sein müsse, das an Lüttich gelangte. Tatsächlich war er wohl ein Nutzungsgebiet. Selbst wenn der Fremdbesitz, den die Herausgeber des Cartulaire ausmachen, ganz oder teilweise letztendlich vom Hochstift stammte, k o m m t man nicht um die Tatsache herum, daß es fremde Grundherrschaften im Forst gegeben haben muß, da bereits die Verleihungsurkunde unzweideutig von ihnen spricht; das

Lüttich

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42. Der Wildbann im Waverwald Der Bischof von Lüttich erhielt 1008 noch einen zweiten Forst. Bei ihm handelte es sich um einen bannum bestiarum, also ganz eindeutig einen Wildbann, wenn der Urkunde auch das typische Jagdverbot für Unbefugte fehlt.548 Bischof Balderich war nicht der alleinige Inhaber des Wildbanns, der mit derselben Urkunde auch dem Grafen gleichen Namens verliehen wurde.549 Nach der Urkunde ging der Wildbann aus der Verfügung des Ausstellers an die Empfänger über.550 Somit hat es den Anschein, daß ein Wildbann verschenkt wurde, der vorher tatsächlich bereits im Besitz des Königs gestanden hatte. Dafür könnte auch der Umstand sprechen, daß das Banngebiet in der Urkunde mit einem Namen - Wauerwald - bezeichnet wird,551 denn das könnte bedeuten, daß der Wildbann bei der Verleihung bereits bestand. Auf der anderen Seite handelt es sich bei der Bezeichnung Waverwald aber um einen Landschaftsnamen, 552 der unabhängig vom Wildbann entstanden sein mag und dann auf diesen überging. Darüber hinaus ist die Formulierung, der Forst stamme aus der Verfügung des Königs, nicht dem vorliegenden Diplom eigen. Derselbe Notar verwendete sie in ähnlicher Form in der älteren Forsturkunde für Lüttich.553 Sie kann also gedankenlos übernommen worden sein. Es ist mithin nicht endgültig zu klären, ob der Wildbann aus königlichem Besitz stammte. War das tatsächlich der Fall, so ließe sich darauf der Umstand zurückführen, daß der Wildbann gemeinschaftlich zwei Empfängern verliehen wurde.

wird in der Einleitung des Cartulaire offenbar übersehen. Als weltliche Grundherren, die im Forstgebiet begütert waren, sind etwa der Graf v o n N a m u r (ebd., S. 153f., N r . 98 [1209]) und der Herr v o n Barse (ebd., S. 308, N r . 238 [1233]) zu nennen. Vgl. hierzu auch Fairon, Les donations des forêts, S. 98f., der mit der hier gegebenen D e u t u n g im wesentlichen übereinstimmt, die Forstverleihung aber für eine Neueinforstung hält. Siehe auch den Anhang La terre de Saint Lambert en 1155 in Kupper, Liège et l'église impériale X l e - X I I e siècles, S. 523-26, mit Karte S. 527 hinsichtlich des Lütticher Besitzes im Forstgebiet. 548 D H U 186. 549 Ebd.: bannum nostrum bestiarum Baldrico sanctae Leodicensis aecclesiae presuli nec non Baldrico corniti... concedimus. 550 Ebd.: Bannum bestiarum ... de nostro iure in eorum ius ac dominium transfundimus, ea videlicet racione ut prescripti Baldrici de prenominato hanno eiusque Militate dehinc liberam habeant quicquid sibi placuerit potestatem faciendi, omnium hominum contradictione remota. 551 Vgl. die nächste A n m . 552 Vgl. Goblet d'Alviella, Histoire des bois et forêts de Belgique, 1, S. 88f., 202. 553 Vgl. D D H II 184 und 186.

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Die einzelnen Forste

Es heißt in der U r k u n d e ausdrücklich, daß sich die Wälder, auf denen der Bann lag, im Besitz der Empfänger befanden. 554 Ein Königsforst hätte eine Einheit dargestellt, die schon bestand, während die Wälder, die er einschloß, zwei verschiedenen Eigentümern gehörten. Es w ü r d e sich dann erübrigt haben, den Bann unter den Empfängern aufzuteilen, da eine Aufteilung durch deren Waldbesitz bereits vorgegeben war. Es ist nicht möglich, die Rodungen im Forstgebiet mit dem Wildbann in Verbindung zu bringen. Schließlich gehörten die eingeforsteten Wälder den Forstherren bereits, als diese den Wildbann erhielten. Daher wird man nicht erst den Wildbann bemühen müssen, u m zu erklären, auf welcher Grundlage später gerodet w u r d e . Gerodet w u r d e offenbar ausgiebig; der W a v e r w a l d - das Banngebiet erscheint in der U r k u n de von 1008 unter diesem N a m e n - dürfte bis z u m 13. Jahrhundert praktisch vollständig verschwunden sein.555 Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, inwieweit das Hochstift Lüttich daran beteiligt war. U m die Mitte des 12. Jahrhunderts ist jedenfalls kein Lütticher Besitz im Wildbanngebiet zu verzeichnen. 556 Das spricht eher dagegen, daß das Hochstift ein führender Rodungsträger im Untersuchungsgebiet war.

Magdeburg 43. Der Forst Sömmering 997 übertrug Otto III. dem Erzstift Magdeburg den Forst Sömmering und erhielt dafür den Forst Zwenkau. 557 Die Hintergründe des Tausches gehen aus der betreffenden Urkunde nicht hervor, sondern nur aus der Schilderung, die Thietmar von Merseburg von dem Vorgang gibt. Der Forst Zwenkau hatte ursprünglich der Merseburger Bischofskirche gehört. Nach der A u f h e b u n g des Bistums Merseburg 981 w a r er in den Besitz des Erzstifts Magdeburg übergegangen. 558 Die tatsächlichen Verhältnisse waren also komplizierter, als 554 D H II 186: bannum nostrum bestiarum Baldrico ... nec non Baldrico corniti super eorum proprias silvas, quae sunt inter ilia duo flumina quae ambo Nitae vocantur et tercium quod Tbila nominatur sitae, et quae pertinent ad illas villas Heiste et Heinsteti ac Badfrido nec non Macblines nominatas, quod tamen totum Wauerwald appellatur. 555 Goblet d'Alviella, Histoire des bois et forêts de Belgique, 1, S. 88f., 202. 556 Vgl. den Anhang „La terre de Saint Lambert en 1155" in Kupper, Liège et l'église imperiale Xle-XIIe siècles, S. 542-27, mit Karte S. 527.

557 D O III 252: ecclesiae sancii Mauricii Magadaburg eiusdemque loci provisori... foresturn quod visum est ad nostras manus pertinere Sumiringe, per concambium illius foresti Zuengouua tradidimus, ea ratione ... ut quicquid nos ... sub banno nostro tenuimus, ipse praenominatus archiepiscopus suique successores babeant. 558 Thietmar VIII, 20: Secundi Ottonis larga benignitas ... quendam forestum ... nostrae concessit ecclesiae ... Post lugubrem vero nostrae sedis destruccionem, regnante tunc tercio Ottone, Ekkibardus marchio forestum ad locum Sumeringi dictum acquisivit et

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sie sich in der Urkunde von 997 darstellen. Das gilt auch für den Forst Sömmering, den Magdeburg aus der Hand Ottos I I I erhielt. Der Inhaber des Forstes war der Markgraf von Meißen. 559 O b w o h l der Markgraf damit eigentlich der direkte Tauschpartner des Erzbischofs war, tritt er in der Verleihungsurkunde nur als Intervenient auf.560 Ebenso war es der Markgraf, der den Forst Zwenkau letzten Endes erhielt. Die weitere Geschichte dieses Forstes gehört in das Kapitel über den Merseburger Forst. War der Markgraf 997 auch der Inhaber des Forstes Sömmering, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß der Forst aus königlichem Besitz stammte. Das geht aus der Urkunde von 997 eindeutig hervor.561 Die Tauschurkunde von 997 liefert keine genaue Lageangabe oder Grenzbeschreibung des Forstes Sömmering. Die Ortschaft, nach der er benannt ist, scheint die Wüstung Sömmering bei Glindenberg zu sein.562 Dort befand sich auch ein ,Schilde' genannter Wald, der in zwei Urkunden des 13. Jahrhunderts erwähnt wird.563 Es scheint aber fraglich, ob es sich bei dem Forst von 997 lediglich um ein Waldstück handelte, zumal der Forst, der gegen ihn eingetauscht wurde, beträchtliche Ausmaße besessen zu haben scheint.564 Viel naheliegender dürfte es sein, den Forst Sömmering mit einem Forst zu identifizieren, der in einer Bestätigungsurkunde Heinrichs II. für Magdeburg von 1009 erscheint. Die Urkunde blieb unvollzogen und unbesiegelt, enthält im Gegensatz zu der von 997 aber eine Grenzbeschreibung. 565 Der Forst von 1009 lag demnach allerdings östlich der Elbe, 566 während die Wüstung Sömmering sich auf dem linken Elbufer befindet. Die heutige linkselbische Lage der Wüstung ergab sich aber daraus, daß der Stromverlauf sich nach Osten verlagerte, 67 und ist somit sekundär. Daher spricht nichts dagegen, daß die Forste von 997 und 1009 identisch sind, zumal der Forst von 1009 auf der Höhe Sömmerings lag. Im Gebiet des Forstes von 1009 ist nun eine hochmittelalterliche Ausbaubzw. Kolonisationstätigkeit festzustellen, die auch auf den Magdeburger

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cum eodem nostrum commutavit. Der hier erwähnte Tausch ist eindeutig der von 997; vgl. die Nachweise in Anm. 598. Vgl. das Zitat in der vorigen Anm. D O III 252: interventu Eggihardi marchionis. Ebd.: forestum ... Sumiringe tradidimus, ea ratione ... ut quicquid nos seu antecessores nostri, avus videlicet ac pater noster, sub banno nostro tenuimus, ipse praenominatus archiepiscopus suique successores habeant. Reischel, Die Wüstung Sömmeringen, S. 176-81. Ebd., S. 178. Vgl. das Kapitel über den Merseburger Forst. D H U 210. Zur Grenzbeschreibung dieses Forstes vgl. Winter, Die Germanisirung und Christianisirung [!] des Gaues Morzane (1870), S. 248f., Anm. 2; Wiggert, Dauer der wendischen Sprache: „Chabua montes"; UB Magdeburg, S. 176-78, Nr. 125, Anm. 5-10. Reischel, Die Besiedlung der beiden Kreise Jerichow, S. 20.

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E r z b i s c h o f z u r ü c k g e h t ; namentlich ist hier E r z b i s c h o f W i c h m a n n ( 1 1 5 2 / 5 4 9 2 ) zu nennen. 5 6 8 Allerdings w i r d deutlich, daß dieser A u s b a u sich nicht am F o r s t orientierte o d e r v o n i h m abhängig w a r - sofern m a n überhaupt davon ausgehen kann, daß der F o r s t so lange fortbestand; erwähnt w i r d er nach 1 0 0 9 jedenfalls nicht mehr. D i e K o l o n i s a t i o n und Kultivierung fand auf der Grundlage v o n O r t s c h a f t e n statt, die bereits bestanden. 5 6 9 Dieses V o r g e h e n dürfte sich aus dem U m s t a n d erklären, daß die eintreffenden Kolonisten s o lange einer bereits v o r h a n d e n e n Existenzgrundlage bedurften, bis ihre eigene Erschließungsarbeit E r t r ä g e abwarf. D a s ist aber n o c h kein A n h a l t s p u n k t dafür, daß der F o r s t die V o r a u s s e t z u n g für die Kultivierungstätigkeit bildete. E s gibt nämlich keinen Anlaß, den erzstiftischen Besitz, an dem der Ausbau des 12. Jahrhunderts anknüpfte, mit dem F o r s t in Verbindung zu bringen. D a s E r z s t i f t verfügte bereits seit d e m 10. J a h r h u n d e r t über umfangreichen Besitz im Forstgebiet, 5 7 0 der im 12. n o c h v e r m e h r t wurde. 5 7 1 Sucht m a n den A u s gangspunkt für die M a g d e b u r g e r Siedlungsvorhaben des 12. J a h r h u n d e r t s , so 568 Vgl. die Nachweise in der nächsten Anm. 569 U B Magdeburg, S. 373f., Nr. 299 (1159): villam quandam, que Pechoe dicitur cum omnibus ad eam pertinentibus ... ad excolendum et fructificandum [ego Wicmannus archiepiscopus] tradidi cuidam Heriberto ... incolis, quos ipse locaret in eisdem bonis; ebd., S. 374-76, Nr. 300 (1159): ego Wychmannus ... archiepiscopus, villam quandam, que Wosterwize dicitur, sitam prope Hauelam contradidi cuidam Heinrico aliisque, omnibus ad eandem villam pertinentibus; ebd., S. 391-93, Nr. 310 (1164): ego Wicmannus... archiepiscopus situm Popendorphstide, cumpratis et paludibus adiacentibus certa quadam pecunia redimi ab omnibus, qui aliquid ... in eo videbantur habere ex iure beneficiali. Quem quidem locum cum omnibus ad eum pertinentibus Wernhero cuidam ...et cuidam Godefrido contradidi, eo videlicet pacto, ut novos habitatores ibi locarent, qui terram adiacentem paludosam ... exsiccarent, exararent et... fructiferam facerent; ebd., S. 415f., Nr. 321 (1166): Gerhardus maioris ecclesie prepositus in Magdeburg villam quandam contra civitatem super Albie ripam sitam Krakoe nominatam cum omnibus ad eam pertinentibus ... Burchardo cuidam et Symoni... ad excolendum contradidit, assensu nostro [sc. Wichmanni archiepiscopi]; zu dieser Siedlungs- und Kultivierungstätigkeit Reischel, Die Besiedlung der beiden Kreise Jerichow, S. 27f.; Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 2, S. 105-127; Hoppe, Erzbischof Wichmann von Magdeburg, S. 151-174; Winter, Germanisirung und Christianisirung [!] des Gaues Morzane (1870), S. 219-22; Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 25-27. 570 Neben den bereits erwähnten Ortschaften, in denen später Kolonisten angesiedelt wurden, zählten hierzu beispielsweise auch Prester und Gossel: UB Magdeburg, S. 252f., Nr. 194 (1110), S. 301f., Nr. 240 (1136). Schon 965 hatte das Erzstift Loburg und Tucheim erhalten (D O I 293) sowie Pechau und Gommern (D O I 296) und zu einem unbekannten Zeitpunkt auch Brietzke, Moser, Nedlitz und Pöthen (D O I 304); vgl. Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 1, S. 49. Hierhin gehören auch Schartau, Grabow, Buckau (D O II 51) und der Burgward Lostau (D O II 30); vgl. Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 1, S. 49, 130. 571 1144 erfolgte die Erwerbung der Burg Jericho und der Burgwarde Altenplathow und Milow: D D Ko III 123, 125; vgl. Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 2, S. 55-58, S. 58f. auch zur ebenfalls 1144 erfolgten Gründung des Prämonstratenserklosters Jerichow.

Magdeburg

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dürfte er hier zu finden sein,572 nicht in dem Forst, zumal gar nicht feststeht, daß er überhaupt noch bestand. Daß in diesem Zusammenhang der bereits vorhandene Besitz der Magdeburger Kirche die entscheidende Rolle spielte und wohl kaum die Verfügung über den Forst, verdeutlicht ein weiteres Beispiel. Erzbischof Wichmann übergab dem Kloster Jerichow sex mansos in palustri silva, que Vinre dicitur (es handelt sich um den Fiener B r u c h , der in-

nerhalb des Forstgebietes von 1009 liegt). 5 " Das Land sollte urbar gemacht werden. 574 Wichmann entschädigte seine Kirche für den Verlust, den sie durch diese Veräußerung erlitt, mit der Zuweisung von zwölf Mansen, die er an anderer Stelle gekauft hatte.575 Hier bildete also eindeutig der Landbesitz des Erzstifts die Grundlage für den geplanten Ausbau. Es ist auch bezeichnend, daß gerade das ehrgeizigste Erschließungsunternehmen Wichmanns dem Lande Jüterbog galt,576 das nicht im Forstgebiet lag. Der Forst war wohl nicht mehr und nicht weniger als ein Wildbann und als solcher ganz auf die Jagd abgestellt; das kommt bereits in der Urkunde von 997 zum Ausdruck. 577

44. Der Forst bei Schieder Als Heinrich II. dem Erzstift im Jahr 1005 den H o f zu Schieder bestätigte, den es 997 von O t t o III. erhalten hatte,578 wurde dabei auch die Grenze des Forstes aufgeführt, der zu diesem Gut gehörte, obwohl der Forst lediglich einen Bestandteil der Pertinenzformel bildet.579 E r schloß das Waldgebiet ein, das zwischen zwei rechten Nebenflüssen der Emmer liegt, den heutigen 572 So auch Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 2, S. 57 im Hinblick auf die 1144 erworbenen Burgwarde. 573 U B Magdeburg, S. 467-69, Nr. 356 (1178). 574 Ebd.: ut Uli iam dictos mansos exstirpata inde silva et derivata superbabundanti aqua elaboratos et in agrum redactos iuri suo et usui libere subiciant. 575 Ebd.: Cum enim sex iam dicti mansi Magdeburgensipertinuerint ecclesie eiusque pertinencias alii ecclesie ad Magdeburgensem episcopatum non pertinenti sine recompensacione conferre nobis nequaquam liceat, duodecim mansos in villa, que dicitur Tbiderstede, quos de proprio argento nostro comparavimus, Magdeburgensi ecclesie nostre in recompensacionem dedimus. 576 Ebd., S. 452-55, Nr. 343 (1174): Et si que ville fori in terra Iuterbogk construantur, ad ius fori in Iutterbogk respiciant ...ob amorem cbristianitatis omnium eorum, qui hanc provinciam ingressi sunt et adhuc ingredi voluerint, tutelam et utilitatem non minori studio quam proprie nostre utilitatis fructum promovere anhelamus. Vgl. Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 2, S. 109-112. 577 D O III 252: forestum ... tradidimus, ea ratione ... ut quicquid nos seu antecessores nostri... sub hanno iure tenuimus, ipse praenominatus arcbiepiscopus suique successores habeant atque possideant in cuncta Militate venationis; insuper quoque, ne ullus aliquam babeat venandi potestatem sine ipsius loci arcbipontificis licentia. 578 D O III 245. 579 D H U 100.

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Schwalenberger Wald.580 Dieses Waldgebiet ist im wesentlichen bis heute erhalten geblieben. Bei dem Forst handelte es sich wohl um ein forstwirtschaftliches Nutzungsgebiet, das dazu diente, den Bedarf des Hofes Schieder an Holz, Futtermitteln und Streu zu decken.

45. Mainz Das Erzstift Mainz erhielt 996 einen forestum et bannum et eiusdem banni usum verliehen.581 Zumindest das letzte Glied dieser Aufzählung ergibt sich von selbst aus dem vorletzten, so daß es hier letztendlich um ein und denselben Gegenstand gehen dürfte. Dieser war ein Wildbann, wie das Jagdverbot für Unbefugte deutlich macht.582 Forestum bezeichnet den Geltungsbereich des Bannes. Auch der Umstand, daß der Konsens betroffener Dritter erwähnt wird, weist auf eine Wildbannverleihung hin.585 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Wildbann die Grundlage für Rodung und Landesausbau geliefert hätte. Ranzi zählt im Wildbanngebiet 77 Siedlungen, von denen 31 bereits vor der Verleihung von 996 bestanden. 4 Auch der Mainzer Wildbann schloß damit eine bereits besiedelte Landschaft ein. Mainzer Besitz im Wildbanngebiet ist in den Jahrhunderten nach 996 zumindest außerordentlich schlecht belegt,585 sofern er überhaupt in nennenswertem Umfang vorhanden war.586 Im Wildbanngebiet lag auch der Bienwald, der bis ins 18. Jahrhundert zum Hochstift Speyer gehörte.587

580 Bröger, Der Reichshof Schieder, S. 150f. 581 D O III 233. 582 Ebd.: Hunc predictum forestum ut prediximu-s ad altare sancti Martini donavimus, ea ratione ut nemo mortalium in eodem foresto venari vel feras inquietare audeat, nisi ab eiusdem ecclesie prothopresule licenciam accipiat. 583 Ebd.: forestum ... sancto Martino et eiusdem ecclesie provisori... suisque successoribus cum consensu Cunradi ducis ceterorumque quam plurimorum fidelium nostrorum in proprium potestative tradidimus. 584 Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 154. Vgl. ebd., S. 153f. zur Wildbanngrenze. Hierzu auch Mone, Die Murg und der Bienwald. 585 Vgl. Stimming, Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz, S. 45-47 (der Grundbesitz des Erzstifts bis ins 12. Jahrhundert); UB Mainz; Böhmer, Regesta archiepiscoporum Maguntinensium. 586 Es scheinen lediglich Mainzer Lehen zu Knittelsheim (Böhmer, Regesta archiepiscoporum Maguntinensium, 2, S. 309, Nr. 14f. [1249]) nachweisbar zu sein. 587 Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 156. Im Bienwald übte das Hochstift Speyer die Kontrolle über die Waldnutzung, namentlich die Waldweide, aus und bezog daraus Einkünfte, die 1344 dem Eberhard von Kageneck versetzt wurden: UB Speyer, 1, S. 306, Nr. 341 (1265), S. 433f., Nr. 460 (1301), S. 464, Nr. 491 (1310), 2, S. 18-23, Nr. 2 (1344), S. 645-51, Nr. 638 (1366), bes. S. 647. Damit ergibt sich hier ein weiteres, wenn auch spät bezeugtes Beispiel dafür, daß in einem Wildbanngebiet des Untersuchungszeitraums nicht der Empfänger der Wildbannverleihung über die Waldnutzung verfügte.

Merseburg

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46. Merseburg Das Hochstift Merseburg erhielt wohl 974 einen Forst von Otto II. verliehen.588 In der überlieferten Fassung ist die Verleihungsurkunde eine Fälschung, die wahrscheinlich auf Thietmar von Merseburg zurückgeht.589 Man wird aber wohl davon ausgehen dürfen, daß eine Forstverleihung tatsächlich erfolgt ist. Dafür spricht, daß Heinrich II. den Forst, der als Zubehör des Ortes Zwenkau erscheint, dem Hochstift im Jahr 1004 bestätigte, als das Bistum Merseburg wiederhergestellt wurde.590 Wenn der Forst auf Zwenkau bezogen wird, stellt sich die Frage, ob die Ausdehnung des Forstes, wie die Fälschung sie angibt, tatsächlich ursprünglich ist. Der gefälschten Urkunde zufolge begrenzten den Forst die Saale und die Mulde sowie der Gau Siusili und der Pleißengau.591 Wie Schlesinger mit Recht angemerkt hat, besteht ein auffälliger Kontrast zwischen dieser recht weitläufigen Grenzfestlegung und dem Sprachgebrauch von D O III 252 von 997 und D H II 64 von 1004, die den Forst nach einem einzigen Ort, eben Zwenkau, benennen.592 Es könnte sich bei der Grenzangabe daher um eine großzügige Auslegung des Fälschers handeln.593 Eine Urkunde von 1285 hat mit der falschen Forsturkunde die Angaben zur Forstgrenze gemein,594 aber sie stellt kein unabhängiges Zeugnis dar. Ihr liegen nämlich keine Kenntnisse über den Forst zugrunde, die nicht aus der Fälschung stammten. Das geht daraus hervor, daß die ältere Urkunde vom Verfasser der jüngeren offensichtlich mißverstanden wurde. Dieser faßt die provincias Siusili und 588 D O II 90: forestum inter Salam ac Mildam fluvios ac Siusili et Plisni provincias iacentem concedimus. Zur Lage der beiden Gaue vgl. die Karte, die Heßler, Mitteldeutsche Gaue des frühen und hohen Mittelalters beigegeben ist. 589 Vgl. die Vorbemerkung zu D O II 90 sowie Lippelt, Thietmar von Merseburg, S. 9 4 96; Beumann/Schlesinger, Urkundenstudien zur deutschen Ostpolitik unter Otto III., S. 161; Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 1, S. 82. 590 D H U 64: confirmavimus ... quandam regii quondam iuris civitatem Zuenkouua ... cum suo nominative foresto. Daß dieser Forst der hier zu untersuchende war, geht aus der Forsturkunde für Magdeburg von 997 hervor, die den Tausch des Forstes gegen den Forst Sömmering festhält, den das Erzstift Magdeburg 16 Jahre nach der Auflösung des Bistums Merseburg durchführte. Es wird dort vom concambium illius foresti Zuengouua gesprochen (D O III 252). Zu diesen Vorgängen und dem Forst Sömmering vgl. das Magdeburg-Kapitel und die weiteren Ausführungen im vorliegenden Kapitel, bes. die Nachweise in Anm. 598. 591 Vgl. Anm. 588. 592 Vgl. Anm. 590 und Beumann/Schlesinger, Urkundenstudien zur deutschen Ostpolitik unter Otto III., S. 161; Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 1, S. 82. 593 Ebd. 594 U B Merseburg, S. 382-85, Nr. 474. Zum Hintergrund der Urkunde vgl. Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, S. 69f., Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2, S. 24, 150-162.

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D i e einzelnen F o r s t e

Plisni des älteren Diploms als Flüsse auf.595 Während das bei der Pleiße noch angeht, scheint es nie einen Siusili genannten Fluß gegeben zu haben.596 Eine derartige Unstimmigkeit macht es unmöglich, in der Urkunde einen Beleg dafür zu sehen, daß der Forst im Jahr 1285 noch existierte. Die Urkunde ist ohnehin fragwürdig und wurde in der bischöflichen Kanzlei zumindest abgefaßt, wenn nicht gefälscht.5'7 Besser als die hoch- und spätmittelalterliche Geschichte des Forstes - sofern man von ihr überhaupt sprechen darf - ist sein Schicksal im 10. und frühen 11. Jahrhundert belegt. Als das Bistum Merseburg 981 aufgelöst wurde, erhielt das Erzstift Magdeburg den Forst, das ihn 997 gegen den Forst Sömmering des Markgrafen Ekkehard von Meißen eintauschte.598 Der neue Inhaber büßte den Forst wieder ein, als dieser dem wiederhergestellten Bistum Merseburg zurückgegeben wurde. Die Söhne des Markgrafen dachten aber nicht daran, den Forst einfach verloren zu geben.599 Ihre Versuche, den Forst vom Merseburger Bischof zurückzukaufen oder ihn vom König zurückerstattet zu bekommen, scheiterten jedoch. Bischof Thietmar dürfte die Entscheidung Heinrichs II. in dieser Sache, die zu seinen Gunsten ausfiel, wohl seiner gefälschten Schenkungsurkunde verdankt haben. So kam es zu den Auseinandersetzungen, die im Jahr 1017 um den Forst geführt wurden und die in Teil II der vorliegenden Untersuchung bereits erörtert worden sind. Der Forst als Ganzes erscheint dann erst wieder in der 595 Ebd.: forestum sive nemora inter Salam et Mildam, Plisnam et Siusilam fluvios sita. 596 Vgl. ebd., Anm. 1 des Herausgebers sowie Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, S. 70f. 597 Ebd., S. 69f. sowie U B Merseburg, Vorbemerkung zu Nr. 474; Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2, S. 161. 598 Thietmar V I I I , 20: Secundi Ottonis larga benignitas ... quendam forestum inter Salam et Mildam fluvios et Siusili ac Plisni pagos iacentem nostrae concessit aecclesiae, temporibus Gisileri antistitis et Gunterii marchionis. Post lugubrem vero nostrae sedis destruccionem, regnante tunc tercio Ottone, Ekkihardus marchio forestum ad locum Sumeringi dictum acquisivit et cum eodem nostrum commutavit. Vgl. Lippelt, Thietmar von Merseburg, S. 113; Quirin Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, S. 71-74; Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 19-22; Urkunden der Markgrafen von Meißen, S. 22, 46. Zur Auflösung und Wiederherstellung des Bistums Merseburg vgl. auch Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 1, S. 6 0 - 6 6 , 7 6 - 8 3 . 599 Thietmar V I I I , 20: Renovator autem nostrae tunc dignitatis rex Heinricus cum maxima parte appertinentium, presentibus cunctis optimatibus suis et confratribus hiis Herimanno et Ekkihardo id defendere non valentibus, iudiciaria lege hunc restituii. Vgl. die Literaturnachweise der vorigen Anm. 600 S. dort, bei Anm. 138-143. Vgl. auch Thietmar V I I I , 20: Cumque hic [sc. forestum] in nostrae dominio aecclesiae plus quam duodecim annos staret et hunc Hirimannus Comes LX mansis redimere ex mea potestate nullatenus valuisset, visum est ei, ut eum sibi et confratri super duorum proprietatem burgwardorum, Rochelinti ac Titibutziem, imperatoris vendicaret preceptis, sperans antiquiorem nostram confirmacionem diu esse abolitam. Quod cum mihi is aperiret, id nil proficere sensit. Namque in Magadaburg et in presentia imperatoris nostri precepta utrisque ostenduntur et munera

Merseburg

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fragwürdigen U r k u n d e v o n 1285, in der z u m A u s d r u c k k o m m t , daß im F o r s t in der Z w i s c h e n z e i t eine rege Ausbautätigkeit stattgefunden hatte. 601 N a c h der Zählung L e o B ö n h o f f s beträgt die Zahl der Siedlungen, die dabei entstanden, nicht weniger als 127. 6 0 2 A u f den ersten Blick sieht das wie eine B e stätigung der Vorstellung aus, daß F o r s t e in einer engen B e z i e h u n g z u r R o dung standen. Bei genauerem H i n s e h e n zeigt es sich jedoch sehr schnell, daß dieser E i n d r u c k täuscht. D e r F o r s t blieb bis ins frühe 12. J a h r h u n d e r t in w e i ten Teilen ein geschlossenes Waldgebiet mit vereinzelten L i c h t u n g e n und Siedlungsinseln, die teilweise eine weit z u r ü c k r e i c h e n d e Siedlungskontinuität aufweisen. 6 0 3 E s w u r d e n höchstens die bereits bestehenden Siedlungen erweitert. 604 A u c h das H o c h s t i f t M e r s e b u r g verfügte bereits v o r der eigentlichen R o d u n g s p e r i o d e ü b e r Besitz im Forstgebiet. D a z u gehörte e t w a das lum

castel-

M a g d e b o r n ( M e d e b u r u ) , das aber eben keine M e r s e b u r g e r Neuanlage,

sondern eine kaiserliche Schenkung war. 6 0 5 F ü r den hochmittelalterlichen A u s b a u läßt sich nun keine Verbindung z u m F o r s t erkennen. D i e Besiedlung des F o r s t e s w a r Teil der ostdeutschen K o l o n i s a t i o n s b e w e g u n g und somit eine E r s c h e i n u n g des 12. und 13. J a h r hunderts. 6 0 6 D i e ersten V o r b o t e n dieser E n t w i c k l u n g w a r e n die Siedlungen, die W i p r e c h t v o n G r o i t z s c h zu Beginn des 12. J a h r h u n d e r t s im U n t e r s u chungsgebiet anlegen ließ. 607 N e b e n W i p r e c h t selbst trat das v o n ihm gegrün-

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nostrimet in omnibus priora esse convincuntur. Tandem predictus comes presente suimet fratre ac id audiente haec fatur: ,Quicquid hactenus in hiis fecimus, non ob temeritatem aliquam, sed quam habuisse speravimus iusticiam. Nunc autem id omittamus.' Vgl. Lippelt, Thietmar von Merseburg, S. 113; Jacob, Bedeutung des Forstregals, S. 21 f.; Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, S. 73f.; Bönhof, Der große Bannwald des Merseburger Hochstiftes, S. 5f.; Urkunden der Markgrafen von Meißen, S. 46f. U B Merseburg, Nr. 474, S. 384: forestum sive nemora ... que successione temporis ad agriculturam et ad usus magis utiles sunt redacta. Bönhoff, Der große Bannwald des Merseburger Hochstiftes, S. 7-9. Hoyer, Wiprecht von Groitzsch, S. 120f; Quirin, Herrschaft und Landesausbau im mitteldeutschen Osten, S. 80f.; Müller, Landschaftsbild und Siedlungsgeschichte, S. 20f., 26-28, 30f. Quirin, Herrschaft und Landesausbau im mitteldeutschen Osten., S. 80-82. Eichler/Walther, Untersuchungen zur Ortsnamenkunde, S. 107. Thietmar II, 37; vgl. Bönhoff, Der große Bannwald des Merseburger Hochstiftes, S. 11 f.; Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 1, S. 48, 52. Für das Untersuchungsgebiet vgl. hierzu allgemein Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2, S. 14-24; Blaschke, Geschichte Sachsens im Mittelalter, S. 77-110; Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, passim; Müller, Landschaftsbild und Siedlungsgeschichte, S. 21, 31-37; Eichler/ Walther, Untersuchungen zur Ortsnamenkunde, S. 109-112; Baudisch, Der Adel Nordwestsachsens im Landesausbau, S. 344. Annales Pegavienses, S. 247; Hoyer, Wiprecht von Groitzsch, S. 125-28 mit Karte S. 128; vgl. Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 28-30; Heinich, Wiprecht von Groitzsch und seine Siedlungen, S. 27-31.

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Die einzelnen Forste

dete Kloster Pegau als Rodungsträger in Erscheinung, 608 nicht aber das Hochstift. Es fehlen selbst Belege dafür, daß der Merseburger Bischof als Forstinhaber bei der Siedlung ein Wort mitredete. Dabei wurde er durchaus miteinbezogen, wenn es seine kirchliche Funktion erforderlich machte. Daß die Quellen zu seiner Mitwirkung als Forstherr schweigen, ist daher umso auffälliger, wenn auch vielleicht noch nicht voll beweiskräftig. So wandte sich Wiprecht an das Hochstift, um es genehmigen zu lassen, daß die Zelle Lausigk Pegau unterstellt wurde; die Zelle hatte er in einem Neubruch (novali) gegründet, der im Forstgebiet lag. Lausigk sollte auch die Pfarrei für die umliegenden Dörfer werden. 60 Daneben sollten die Zehnten einer Reihe von Dörfern, sowie weiterer, die erst noch anzulegen waren, dem Kloster Pegau übertragen werden.61 Von einer bischöflichen Genehmigung für die Rodung an sich ist keine Rede. Es gibt mithin keine Anhaltspunkte dafür, daß der Merseburger Bischof es sich vorbehielt, Rodungen im Forst zu genehmigen. Dasselbe gilt für weitere Rodungen, die ungefähr zur selben Zeit von anderen Rodungsträgern im Forstgebiet durchgeführt wurden und für die ebenfalls keine Verbindung zum Merseburger Hochstift belegt ist. In erster Linie ist hier das Hochstift Naumburg zu nennen. 1109 übereignete Bischof W a l r a m von N a u m b u r g dem Stift Zeitz die villa Tuchin und erhielt sie gegen

die Leistung einer jährlichen Abgabe auf Lebenszeit zurück. 6 " Bei derselben Gelegenheit bestätigte Walram dem Stift fünf weitere villulas, von denen er sagt, daß er sie im unberührten Wald angelegt habe.612 Die Lokalisierung dieser Ortschaften ist nicht unproblematisch; es ist aber davon auszugehen, daß sie

608 Hoyer, Wiprecht von Groitzsch, S. 125, 127. 609 Annales Pegavienses, S. 247: domnus Wicpertus ... monasterium item in praefato novali in villa scilicet Luzeke fundavit, desiderium habens ut sex saltem fratribus cella fieret ibi congrua, quem locum parrochiam esse omnium circumiacentium villamm disposuit, eumque Bigaugiensi coenobio subiectum fore voluit. Quod quia sine consensu seu permissione domni Albwini ac tocius cleri Merseburgensis nec effici potuit aut debuit, cum peticione supplici ipse voluntatem super hoc convenit eorum. Vgl. Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 29f.; Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, S. 90f.; Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2, S. 186, 365f. (zu Lausigk, Pfarrei und Zelle des Klosters Pegau). 610 Annales Pegavienses, S. 247: Qui tanti viri... annuerunt ut episcopus de decimis villarum omnium eidem parrochiae attinentium, sed et aliarum infra Wiram et Snudram ßuvios in burcwardio Groisch iacentium Privilegium daret. Cuius exempli causa exemplar hie transcribimus: (hier zitiert nach U B Merseburg, S. 73, Nr. 89 [1105]): ego [Albvwinus Merseburgensis episcopus] ob interventionem domni Wicperti et Windolfi abbatis deeimas villarum, quarum nomina subscripta sunt, et ceterarum, si que circa hec loca adhuc instituentur... monasterio Bigaugiensi... tradidimus. 611 U B Naumburg, 1, S. 94-96, Nr. 110. 612 Ebd.: Et hoc quasdam villulas de inculta silva per me elaboratas ... in utilitatem eorundem fratrum tradidi.

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in der Nähe Teucherns oder Tauchas lagen,613 die Rodungen damit zwischen Saale und Weißer Elster und folglich im Gebiet des Merseburger Forstes stattgefunden hatten. Weitere Spuren der Naumburger Ausbautätigkeit sind aus dem Jahr 1121 überliefert. Bischof Dietrich übertrug dem Kloster Posa eine Reihe von Besitzungen, die sich im Raum Zeitz und Gera konzentrieren.614 Zwei der betreffenden Güter - Ossig bei Zeitz und eine unidentifizierbare Ortschaft - werden mit jeweils einer Ausbausiedlung (villa novo) übereignet. In einer Urkunde, die auf 1140 datiert wird, übergab dann Bischof Udo von Naumburg dem Stift Zeitz den Forst Mahlen, der bei Kayna gesucht werden darf.615 Hier verdient bereits der Umstand Beachtung, daß der Naumburger Bischof im Bereich des Merseburger Forstes einen Forst besaß. Aus dieser Beobachtung können aber wohl keine zwingenden Schlußfolgerungen über den Merseburger Forst und sein Fortbestehen abgeleitet werden. Unter den Pertinenzen des Forstes bei Kayna befand sich auch Kulturland (cum cultis)"'' ein weiterer Hinweis darauf, daß das Hochstift Naumburg im Merseburger Forst roden ließ. Es wäre hilfreich zu wissen, ob es sich bei dem Merseburger Forst um einen Wildbann handelte oder einen Bannwald. War er ein Bannwald, so wäre das Hochstift durch fremde Rodungen in seinem materiellen Besitz geschmälert worden. Tatsächlich dürfte manches dafür sprechen, daß der Forst nicht auf den Wildbann beschränkt war. Noch nicht ganz beweiskräftig ist dabei das Zeugnis der Verleihungsurkunde, in der zunächst von der Forstschenkung die Rede ist, woran das Jagdverbot für Unbefugte mit den Worten insuper statuimus angeschlossen wird.617 Das könnte darauf hindeuten, daß nicht der Jagdvorbehalt allein den Forst ausmachte, sondern daß noch etwas anderes hinzukam. Allerdings wurde die fragliche Formulierung aus dem Diplom O II 89 übernommen, das als Diktatvorlage für die erhaltene Fassung der Forsturkunde diente. Etwas aussagekräftiger ist Thietmar von Merseburgs Angabe, daß der Forst dem Hochstift cum maxima parte appertinentium zurückgegeben worden sei, als das Bistum Merseburg wiederher-

613 Quirin, Herrschaftsbildung und Kolonisation im mitteldeutschen Osten, S. 91 spricht von Teuchern, die Vorbemerkung zu N r . 110 im U B Naumburg, 1, sowie Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 23 von Taucha, wobei die letztere darauf hinweist, daß damit nicht Taucha bei Leipzig, sondern der O r t gleichen Namens bei Weissenfeis zwischen Saale und Weißer Elster zu verstehen ist (ebd., Anm. 221). Dort liegt auch Teuchern, so daß ein Konsens darüber zu bestehen scheint, daß die Rodungen im Bereich des Merseburger Forstes lagen. Für Taucha am Rippach spricht sich neuerdings auch Wiessner aus in Das Bistum Naumburg, 1,1, S. 647; 1,2, S. 756f. 614 615 616 617

U B Naumburg, 1, S. 1 0 5 - 1 0 7 , N r . 123 mit den Anmerkungen des Herausgebers. Ebd., S. 136f., N r . 154; Wiessner, Das Bistum Naumburg, 1,1, S. 547. Ebd.; vgl. Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2, S. 15. D O II 90.

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Die einzelnen Forste

gestellt wurde. 618 D a ß es sich bei diesem Zubehör um Grund und Boden handelte, läßt der Versuch des Markgrafen vermuten, den Forst von Thietmar gegen sechzig Mansen einzutauschen.'" Zugleich betont die Verleihungsurkunde aber auch den Wildbann. 6 2 0 Während der Forst ein gewisses materielles Substrat umfaßt haben mag, dürfte der Wildbann doch seinen Hauptbestandteil ausgemacht haben. Auch flächenmäßig wird das Banngebiet wohl über den zugehörigen Grund und B o d e n hinausgegangen sein. Dafür spricht nicht zuletzt die Überlegung, daß der Forst sonst wohl genauer umgrenzt worden wäre, als es in der überlieferten Fassung der Forsturkunde der Fall ist. Eine Parallele für einen Wildbann, der mit einer gewissen materiellen Grundlage verbunden war, bietet der Forst Forehahi, den Heinrich II. dem W o r m s e r Hochstift schenkte. Soweit der Ausbau im Merseburger Forstgebiet von fremden Rodungsträgern durchgeführt wurde, fand er wohl außerhalb von Merseburger Grundbesitz statt, wenn vielleicht auch innerhalb des alten Wildbanns. Ein bis an die Saale reichender Forst hätte fremden Besitz eingeschlossen (unter anderem den Bischofssitz Zeitz, nach 1028 N a u m burg). 621 V o n daher ist es ebenfalls wenig wahrscheinlich, daß der Merseburger Kirche das ganze Forstgebiet geschenkt wurde (im Gegensatz zum bloßen Wildbann). H i n z u k o m m t , daß in großen Teilen des Forstgebietes die Besiedlung erst spät einsetzte. Das bedeutet, daß der Forst in einer Weise genutzt wurde, die keine Kultivierung erforderte und daher den Besitz des eingeforsteten Landes gar nicht voraussetzte. D e r Merseburger Forst war wohl ein Wildbann mit materiellem Zubehör, über das er räumlich hinausging. D a der Forst Forehahi genauso beschaffen war, dürfte der Merseburger Forst, wie der Forehahi auch, aus königlichem Besitz gestammt haben. Ein Wildbann im Gebiet des alten Merseburger Forstes, interessanterweise mit einem Bezug auf Zwenkau, wie er auch für den Forst von 974 belegt ist, findet noch einmal 1349 Erwähnung. In diesem J a h r einigte der Merseburger Bischof sich mit Friedrich, Landgraf von Thüringen und Markgraf von Meißen über den Wildbann im Wald bei Zwenkau. Beide Vertragspartner und ihre Nachfolger sollten in eigener Person dort jagen können, ebenso ihre Jäger; ihren Vögten oder Dienstleuten sollte dies aber verwehrt bleiben. 622

618 Thietmar VIII, 20. 619 Ebd. 620 D O II 90: Insuper statuimus ut nullus comes vel aliquis extraneorum seu incolarum absque conscientia episcopi suorumque licentia custodum venari vel aliquam inferre molestiam presumat, si nolit reus fieri maiestatis. 621 Zur Verlegung des Bischofssitzes Wiessner in Das Bistum Naumburg, 1,1, S. 123128; ebd., S. 515-650 ausführlich zum Besitz des Hochstifts im Untersuchungsgebiet. 622 UB Merseburg, S. 879f., Nrr. 1013f.

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47. Metz Eine Urkunde von 1018 spricht davon, daß Heinrich II. dem Metzer Bischof gestattet habe, einen Wald einzuforsten; es wird auch das Einverständnis der vicini erwähnt.623 Welche Nutzungen betroffen waren, wird nicht gesagt; es fehlt das Jagdverbot für Unbefugte, das Wildbannverleihungen kennzeichnet. Dennoch dürfte auch hier eine gewöhnliche Wildbannverleihung vorliegen, da der Forst noch nicht bestand, sondern erst geschaffen werden mußte.

Minden 48. Die Schenkung von 991 991 erhielt die Mindener Bischofskirche die beiden Königsforste (forestos nostros) Huculinhago und Stioringouuald. Hinzu kam jener Teil des Waldes Süntel (silvam Suntel), der westlich der Weser und innerhalb der Mindener Diözese lag.624 Dabei handelte es sich um einen Teil des Wiehengebirges.625 Sowohl für die beiden Forste als für auch den Wald Süntel wird ein Jagdverbot für Unbefugte ausgesprochen, wie es für Wildbannverleihungen charakteristisch ist.626 Es fällt ins Auge, daß die beiden Königsforste in diese Bestimmung aufgenommen wurden, denn das dürfte völlig überflüssig gewesen sein. Beide Forste waren nämlich wohl Banngebiete, bei denen das Jagdverbot schon gegeben war, und keine einfachen Wälder (was die Alternative wäre, da forestum auch einfach für Silva stehen könnte). Huculinhago und Stiorin623 D H I I 379: quandam silvam ... per hanc... paginam consensu vicinorum banno nostro imperiali constringere et, ut rustice dicunt, forastare concedimus atque confirmamus, ea scilicet ratione, ut predictus episcopus sibique successuri liberam dehinc habeant potestatem eandem silvam forestandi, omnium hominum regni nostri contra-dictione remota. Vgl. Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 1 4 3 ^ 6 . 624 D O III 73: forestos nostros Huculinhago et Stioringouuald nominatos et insuper ... dedimus silvam Suntel vocatam quantum ex occidentali parte fluminis quod Uuisera nuncupatur sui episcopatus spatium comprehendit. 625 Frie, Die Entwicklung der Landeshoheit der Mindener Bischöfe, S. 36f.; Horstmann, Die Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der Umgebung Mindens, S. 16; U B Hoya, 8. Abteilung, S. 11-13, Nr. 6, Anm. 6. 626 Es gibt auch eine Konsensformel, die mit der Nennung der Intervenienten zusammengefaßt ist: et insuper ob interventum et comprobationem fidelium nostrorum, Berenhardi videlicet ducis et fratris sui Liutgeri atque Ailhardi comitis, aliorumque comprovincialium suorum supradicto episcopo et eius [ecclesiae] dedimus silvam Suntel ... ea videlicet ratione, ut nulla deinceps persona magna velparva in praedictis forestis aut silva superius iam nominata venari seu capere praesumat aliquam feram vel bestiam sine licentia et consensu ipsius iam dicti Milonis honorandi presulis et eius successorum, sed praedicti foresti et suprascripta silva sub perpetuo iure viventis episcopi et eius successorum futurorum consistât (D O III 73).

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D i e einzelnen F o r s t e

gouuald werden nämlich durchgehend als Forste bezeichnet, im Unterschied zum Süntel, von dem ausschließlich als Wald gesprochen wird.627 Die beiden Forste wurden wahrscheinlich nur deswegen in das Jagdverbot einbezogen, weil es anderenfalls so ausgesehen hätte, als ob es keinen entsprechenden Vorbehalt für sie gebe, was nicht im Interesse des Empfängers sein konnte. Die beiden Forste Huculinhago und Stioringouuald werden also wohl Bannwälder gewesen sein, die in den Besitz des Mindener Hochstifts gelangten. Der Huculinhago kann mit dem sogenannten Heisterholz identifiziert werden,628 der Stioringouuald mit dem Waldgebiet, das später Sternwald und schließlich Mindener Wald hieß.629 Den Mindener Wald soll der Bischof 1260 den Bürgern von Minden geschenkt haben.630 Noch 1321 verbriefte Bischof Gottfried dem Moritzkloster bei Minden allerdings den Holzbezug aus dem Mindener Wald.631 Da es keine Anhaltspunkte über die Ausdehnung der beiden Forste von 991 gibt, läßt sich nicht genau feststellen, in welchem Umfang in ihnen gerodet wurde, nachdem sie an das Hochstift gekommen waren. Aus späterer Zeit ist bekannt, daß die beiden Wälder als Weide, Bau- und Brennholzquelle sowie zum Plaggenstechen genutzt wurden, was ihnen vor allem in der frühen Neuzeit zugesetzt zu haben scheint.632 Noch um 1460 konnte der Mindener Wald aber als nemus pulcherrimum bezeichnet werden.633 So627 Vgl. das Zitat in der vorigen A n m . 628 Horstmann, D i e Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der U m g e b u n g M i n dens, S. 16, mit Karte S. 24; Frie, D i e Entwicklung der Landeshoheit der Mindener Bischöfe, S. 36; Schneider, D i e Ortschaften der Provinz Westfalen bis zum Jahre 1300, S. 71, s.v. Hucullei. 629 Frie, D i e Entwicklung der Landeshoheit der Mindener Bischöfe, S. 36; Horstmann, D i e Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der U m g e b u n g Mindens, S. 16, mit Karte S. 24. 630 Frie, D i e Entwicklung der Landeshoheit der Mindener Bischöfe, S. 36; Horstmann, D i e Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der Umgebung Mindens, S. 16. V o n der Schenkung berichtet der um 1380 angelegte und später bis 1542 fortgeführte Catalogus episcoporum Mindensium sowie die jüngere Mindener Bischofschronik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und die Successio episcoporum Mindensium aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert, die auf den beiden anderen Quellen fußt: Mindener Geschichtsquellen, 1, S. 65, 187, 279. D i e jüngere Bischofschronik erwähnt dabei die frühere Namensgebung des späteren Mindener Waldes: partem nemoris spatiosam

et latam, quae Minderwolt nunc dicitur, quondam, ut praemissum est, Sternewolt dictum (ebd., S. 187).

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U B Minden, S. 272, N r . 759. Zweifel an der Schenkung von 1260 äußert auch der um 1460 schreibende D o m h e r r Heinrich Tribbe, ohne allerding die Nutzung des Mindener Waldes durch die Bürgerschaft in Frage zu stellen, deren Beginn er im Gegenteil noch früher ansetzen möchte: Mindener Geschichtsquellen, 2, S. 10.

632 Horstmann, D i e Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der Umgebung M i n dens, S. 1 6 - 2 2 . 633 Diese Einschätzung stammt von dem bereits erwähnten Heinrich Tribbe: Mindener Geschichtsquellen, 2, S. 9. Vgl. Horstmann, D i e Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der U m g e b u n g Mindens, S. 16f.

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fern an den Rändern der beiden ehemaligen Königsforste Rodungen durchgeführt wurden (wie auch am Rand des Wiehengebirges), 634 hatten diese bis dahin deren Bestand also wohl noch nicht ernsthaft gefährdet.

49. Der Wildbann von 1029 Konrad II. verlieh dem Hochstift Minden 1029 eine Urkunde, nach der es dem Bischof gestattet wurde, ein Gebiet einzuforsten, das zunächst als vereinzelter Wald beschrieben wird, der von den Besitzungen des Hochstifts umgeben war; später ist aber auch von Feldern und Sümpfen die Rede, die im Forstgebiet lagen. Weiter heißt es, daß diejenigen Personen ihren Konsens zur Einforstung erteilt hätten, welche bis dahin im fraglichen Gebiet gejagt hätten. Der betroffene Bezirk sei mit dem Bann belegt worden, der sich durch das Jagdverbot für Unbefugte als Wildbann zu erkennen gibt.635 Der Wortlaut der Urkunde läßt keinen Zweifel daran, daß es sich lediglich um die Verleihung des Wildbanns handelte und nicht um die Schenkung des gebannten Gebietes an sich. Spätere Quellen des Mittelalters wissen noch davon, daß Konrad II. der Mindener Kirche einen Forst in den Heisterbergen verlieh,636 die innerhalb des Wildbanngebietes von 1029 lagen.637 Mehr als die Tatsache der Forstverleihung, die ohnehin bekannt ist, läßt sich diesen Nachrichten aber nicht entnehmen. D a bereits die Verleihungsurkunde von Mindener Besitz im Bereich des Forstes spricht, wäre es aussichtslos, diejenigen Siedlun-

634 Horstmann, Die Entwicklung von Landschaft und Siedlung in der Umgebung Mindens, S. 14f., 19, 25, 32f. 635 D Ko II 137: quandam silvam sitam singulariter in proprietate prediorum eiusdem Mindensis aecclesiae et in pago Entergouui in comitatu vero Bernhardi ducis cum consensu et conlaudatione prefati ducis B. et sui fratris Dietmari ceterorumque civium in eadem silva usque modo communionem venandi habentium in silvis campis et paludibus inter ßumina Ossenbeke et Alerbeke usque in medium ßumen Wermonou et inde usque ad Northsulerecampon ad cortem pertinens Sulegon nominatam forestari concessimus et banni nostri districtu circumvallavimus, ea videlicet ratione ut nemo ulterius in eodem foresto absque prelibati episcopi suorumque successorum licentia potestatem habeat venandi sagittandi retia aut laqueos ponendi aut ullo ingenio feras decipiendi, quae merito sub iure banni continentur. 636 So heißt es im 1380 angelegten und später noch fortgesetzten Catalogus episcoporum Mindensium: Iste [sc. Sigibertus episcopus] ... foresta in Hesteberch ... impetravit (Mindener Geschichtsquellen, 1, S. 44). Die jüngere Bischofschronik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts berichtet ebenfalls von der Erwerbung des forestum in Hesteberge im Jahre 1029 (ebd., S. 129). Die Schenkung verzeichnet auch das Mindener Necrolog N zum Todestage Konrads II., qui dedit forestum Hesteberge (Necrologien, Anniversarien- und Obödienzenverzeichnisse des Mindener Domkapitels, S. 121f.). 637 Zu den Grenzen des Forstes vgl. auch U B Hoya, 8. Abteilung, S. 14-16, Nr. 8, Anm. 4 - 6 ; Frie, Die Entwicklung der Landeshoheit der Mindener Bischöfe, S. 37.

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gen bzw. Besitzungen benennen zu wollen, die erst nach der Verleihung entstanden und damit als Produkte eines Ausbaus in Frage kämen, für den der Wildbann die Voraussetzung geschaffen haben könnte.

50. Der Wildbann von 1033 Eine weitere Forsturkunde erhielt Bischof Sigibert im Jahr 1033 von Konrad II. Sie spricht vom Gesuch des Bischofs, der Kaiser möge einen Forst einforsten, der dem Empfänger bereits gehörte; diesem Wunsch sei Konrad nachgekommen.638 Da eine Einforstung vorgenommen wurde, dürfte es sich um eine gewöhnliche Wildbannverleihung gehandelt haben. In die gleiche Richtung weist das Jagdverbot für Unbefugte, das in der Urkunde ausgesprochen wird.639 Aus dem Rahmen fällt lediglich der Umstand, daß es ein Forst war, der eingeforstet werden sollte. Es läßt sich vermuten, daß forestum hier als Synonym für silva gebraucht ist und der Wildbann folglich über einen bischöflichen Wald verliehen wurde. Tatsächlich befand sich im Forstgebiet ein Wald, der bereits vor der Einforstung der Nutzung durch den Mindener Bischof unterlag und der sich hinter dem forestum verbergen könnte. So hatte das Stift St. Martin zu Minden von seinem Gründer, dem Bischof Sigibert der Forsturkunde, Besitz in Westerbrak erhalten, einschließlich der omnis silvatica utilitas.M Westerbrak liegt innerhalb der Forstgrenzen von 1033. Der Mindener Bischof verfügte somit über die Nutzung eines Waldes im späteren Wildbanngebiet. Es wäre möglich, daß es dieser Wald war, den Konrad II. dann einforstete. Das ist auch dann nicht auszuschließen, wenn der Umstand geltend gemacht wird, daß die Urkunde den Eindruck erweckt, der forestum habe das ganze Forstgebiet eingenommen. Dieses ist recht klein, so daß der bischöfliche Wald einen großen Teil von ihm bedeckt haben mag und man den Wald vereinfachend mit dem Wildbanngebiet gleichsetzen konnte. Lediglich die Jagd scheint nicht zu den bischöflichen Waldnutzungen gehört zu haben; zumindest muß es wünschenswert erschienen sein, einen Wildbann für das betreffende Waldgebiet zu erwerben.

638 D Ko II 193 (die Urkunde ist nur in Abschriften des 18. Jahrhunderts erhalten): Sigibertus Mindonensis aecclesiae episcopus nostram adiit celsitudinem hoc supplicans, quatenus nos quoddam forestrum [!] sui scilicet iuris per imperiale nostri praeceptum forestari faceremus ... Huius venerabilis episcopi desiderium ... perduximus ad effectum. 639 Ebd.: Proinde imperiali praecipimus auctoritate, ut nullus in eodem forestro [!] venationis exercicium praeter praedictae aecclesiae episcopi consensum agere praesumat. 640 D Ko II 138 (1029): in villis vero Bracha et Folchardesdorfa II mansos cum omni silvatica utilitate; vgl. die Bestätigung D Ko II 192 (1033). Zu Bracha = Westerbrak vgl. Kleinau, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, L-Z, S. 698, Nr. 2275.

Minden

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Da die Nutzung dieses Waldes vor der Einforstung bereits beim Bischof lag, gibt es keine Möglichkeit zu prüfen, ob erst der Wildbann die notwendigen Bedingungen für eine etwaige Ausbautätigkeit schuf. Es wäre somit nicht statthaft, davon auszugehen, daß er dies tat, selbst wenn nicht ganz klar ist, wie weit die bischöfliche Verfügung vor der Verleihung ging. Daß letztere in einem unbekannten Ausmaß erweitert wurde - die Voraussetzung für einen Zusammenhang mit der Rodung-, dürfte im übrigen deswegen unwahrscheinlich sein, weil auch in der vorliegenden Urkunde der Schwerpunkt ganz klar auf der Jagd liegt. Die Schenkung an das Martinsstift zeigt zudem, daß Bischof Sigibert schon vor 1033 Grundherr im späteren Wildbanngebiet war, sein dortiger Besitz also nicht eindeutig auf den Wildbann zurückgeführt werden könnte. Darüber hinaus dürften im Forstgebiet auch andere Grundherren begütert gewesen sein. So spricht eine Urkunde von 1103 von neun mansi, die einem ingenuus gehörten und in pago Hallo lagen.641 Halle war einer der Grenzpunkte des bischöflichen Forstes; das Kloster Corvey hatte dort bereits um 1000 Besitz erhalten.642 Zwar wäre es möglich, daß die genannten Güter nicht mehr unter den Wildbann von 1033 fielen, da Halle sich auf dessen Grenze befand. Dennoch könnte der Besitz zu Halle auch auf das Forstgebiet übergegriffen haben. Dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, daß noch weitere Grundherren in Halle begütert waren. Im Jahr 1066 schenkte ein Thankmar dem Kloster Abdinghof dort ein praedium.t" Mit der Zahl der fremden Besitzungen dürfte die Wahrscheinlichkeit steigen, daß zumindest ein Teil von ihnen im Wildbanngebiet lag. Ebenfalls nicht in bischöflicher Hand waren Güter in zwei weiteren Grenzorten des Wildbanns, Linse und Kirchbrak.644 Wenn der fremde Besitz 1033 schon bestand, wäre die Angabe der Urkunde, der gesamte Forst sei Eigentum Bischof Sigiberts, als Pauschalisierung zu verstehen. Zugleich würde es dann aber nur noch deutlicher, daß es sich bei der Einforstung um eine gewöhnliche Wildbannverleihung handelte. Sofern die fremden Besitzungen erst nach der Verleihung angelegt wurden, wäre auch das ein Indiz dafür, daß der Wildbann sich nicht auf die Rodung auswirkte. 641 U B Westfalen, 1, S. 135f., Nr. 174: Vir autem quidam ingenuus nomine Wort... habebat in ... pago Hallo nouem mansos paterne hereditatis; vgl. hierzu und zu weiteren Nennungen von fremdem Besitz zu Halle Kleinau, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, A - K , S. 240f., Nr. 796. 642 Traditiones Corbeienses, S. 32, § 143: Tradidit Rothwardus ... II familias in Hallu\ Die alten Mönchslisten und die Traditionen von Corvey, 1, S. 153, Nr. 459 mit dem Zeitansatz ca. 997-1000; vgl. Kleinau, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, A - K , S. 240f., Nr. 796. 643 Schaten, Annalium Paderbornensium pars I, S. 548; vgl. Regesta historiae Westfaliae, 1, S. 187, Nr. 1101; Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, A - K , S. 240f., Nr. 795. 644 Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte bis zum Ende des ersten Jahrtausends, Nrr. 4 9 4 , 4 9 7 ; Traditiones et Antiquitates Fuldenses, cap. 41, S. 101, Nr. 100.

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51. Mondsee Das Kloster Mondsee erhielt 829 von Ludwig dem Deutschen den Abersee (heute Wolfgangsee) zusammen mit dem angrenzenden Forst. 645 D i e Forstverleihung ist aus dem Traditionskodex des Klosters St. Emmeram in Regensburg bekannt. 646 D a ß der Eintrag sich im St. Emmeramer K o d e x findet, liegt am Status des Klosters Mondsee. Es wurde im 9. Jahrhundert ein Eigenkloster der Regensburger Bischofskirche, und diese war wiederum mit dem Kloster St. E m m e r a m in Gütereinheit verbunden. Mondsee wurde dem Regensburger Bischof zwischen Herbst 833 und dem 5. März 837 von Ludwig dem Deutschen übertragen. 647 D i e Gütereinheit mit St. Emmeram bestand bis 972 oder 974. 648 Das Kloster Mondsee blieb ein bischöfliches Eigenkloster, von einem kurzen Zwischenspiel am Ende des 9. Jahrhunderts einmal abgesehen. Erst im J a h r 1142 verlieh Papst Innozenz II. dem Kloster die freie Abtwahl und den päpstlichen Schutz. 650 D i e Emanzipationsbestrebungen des Klosters im 12. Jahrhundert spielen auch im Zusammenhang mit dem Forst am Abersee eine Rolle, auf die noch zurückzukommen sein wird. Bei dem Eintrag im St. Emmeramer Traditionskodex handelt es sich um eine N o t i z , die den bloßen Sachverhalt der Schenkung festhält. 651 D a h e r wurde vermutet, daß nie eine U r k u n d e über die Forstverleihung ausgestellt wurde. 652 Erst im 12. J a h r hundert scheint die St. E m m e r a m e r Traditionsnotiz, die nun ihrerseits in das Mondseer Traditionsbuch nachgetragen wurde, als Vorlage für eine angebli-

645 D LdD 1. Hierzu und zum folgenden auch Zibermayr, Die St. Wolfgangslegende, S. 145. 646 D LdD 1; UB Salzburg, 1, S. 905f., Nr. 13; Die Traditionen des Hochstifts Regensburg und des Klosters S. Emmeram, S. 30f., Nr. 24. Vgl. Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, Vorbemerkung zu Nr. 39, S. 140. 647 Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, S. 230; vgl. auch Schmid, Beiträge zur Geschichte des ehemal. Benedictiner-Stiftes Mondsee (1882), S. 134f. 648 Schmid, Regensburg I, S. 13. Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg, 1, S. 362 legt sich allerdings hinsichtlich des Datums der Güterteilung zwischen dem Hochstift Regensburg und dem Kloster St. Emmeram auf das Jahr 975 fest. Hausberger, Geschichte des Bistums Regensburg I, S. 58 datiert die Auflösung der „Personalunion von Domstift und Domkloster" mit der Bestellung des Ramwold von Trier zum Propst 974 und zum Abt von St. Emmeram 975. Vgl. auch Zibermayr, Die St. Wolfgangslegende, S. 145f., 152f. 649 Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, S. 231. 650 UB Land ob der Enns, 2, S. 200f., Nr. 135; vgl. Zauner, Zwei Mondseer Fälschungen, S. 280; Zibermayr, Die St. Wolfgangslegende, S. 155. Vgl. Zibermayr S. 159 zum Fortdauern der Regensburger Einflußnahme auf die Mondseer Abtwahlen. 651 Vgl. D LdD 1: In hac igitur notitia continetur, qualiter Lantpertus abbas Hludouuicum regem postulavit ... ut ad monasterium ... perdonaret ... Aparinesseo cum omni foreste circumiacente ... Ipse vero rex ... fecit ita ... haec donatio facta est ad Rantesdorf anno domini DCCCXXVIIII. 652 Vorbemerkung zu D LdD 1; Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, S. 229.

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che Schenkungsurkunde gedient zu haben. Eine Abschrift dieser Fälschung findet sich im Mondseer Kopialbuch aus dem 15. Jahrhundert. 653 Wenn keine Urkunde über die Forstverleihung ausgestellt wurde, mag das darauf zurückgehen, daß es sich weniger um eine Schenkung handelte als um eine gerichtliche Entscheidung über den Besitz des Abersees.'54 Im betroffenen Raum hatte nämlich auch das Erzstift Salzburg Interessen, das dort bereits im Laufe des achten Jahrhunderts Schenkungen aus der Hand der Agilolfingerherzöge erhalten hatte.655 Wie bei der Forstverleihung an Mondsee spielten dabei der Fischfang im Abersee und die Jagd in den angrenzenden Wäldern eine besondere Rolle.656 So überrascht es nicht, daß bald nach der Forstverleihung an Mondsee Unstimmigkeiten zwischen dem Erzstift und dem Bischof von Regensburg entstanden, der aus den oben genannten Gründen als der Eigentümer des Abersees und des Forstes auftrat. Nach einer Notiz im Mondseer Traditionskodex, die aus dem 12. Jahrhundert stammt, fand 843 eine Begehung der Grenzen zwischen den Salzburger und den Regensburger Jagd- und Fischfanggründen statt. Dabei wurden auch Zeugen befragt.657 Die Zeugenbefragung lieferte das Ergebnis, daß das Gebiet westlich des Zinken- und des Dietlbaches sowie

653 D LdD 172 mit der Vorbemerkung des Herausgebers; Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 140 (Vorbemerkung zu Nr. 39); Zauner, Zwei Mondseer Fälschungen, S. 285; Zibermayr, Die St. Wolfgangslegende, S. 146, 158. 654 Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, S. 229. 655 Ebd.; Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 140 (Vorbemerkung des Herausgebers zu Nr. 39). Vgl. UB Salzburg, 1, S. 7 (die sogenannte Notitia Arnonis): Tradidit idem dux [sc. Otilo]... Abriani lacum, in quo constat pascua et prata vel Silva, piscatio atque venatio, et inibi aliquanti fratres propriis laboribus vivunt. UB Salzburg, 2, A8 (die sogenannten Breves Notitiae): Dedit [sc. Otilo dux] in heremo ... locellum, qui dicitur Eselwanch, et lacus II Aparnse, et in bis locis venationem et piscacionem (zur Datierung dieser beiden Quellen - Notitia Arnonis vor 790, Breves Notitiae nach 798 - vgl. Haupt, Zur Sprache frühmittelalterlicher Güterverzeichnisse, S. 34f.; zur Sache vgl. auch Wolfram, Die Notitia Arnonis). Das Verhältnis dieser Schenkung zu einer anderen, die Odilo dem Kloster Mondsee zukommen ließ, d. h. der Grad der möglichen Uberschneidung der jeweils betroffenen Gebiete kann nur der Gegenstand von Spekulationen sein: Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 138-144 (Nr. 39 mit der Vorbemerkung des Herausgebers, hier bes. S. 140f.). 656 Vgl. die Zitate der vorigen Anm. mit D LdD 1: ita videlicet ut nemo alienus in hoc lacu piscari auderet neque in supradictis locis venationem exercere, sed pleniter ad supradictum arcbangelum constaret. 657 UB Salzburg, 1, S. 907f., Nr. 16: conmotio ... fuit inter... Iuuauensis ecclesie archiepiscopum et... Radesbone episcopum de venatione et piscatione ... ad Apirinesseo ... venit archiepiscopus ... in ipsum saltum ad ipsa confinia prospicienda ... Tunc ... viros ...ad confinia adsignanda navigando direxerunt ... Ista ratione peracta isti homines interrogati... quorum nomina sunt...

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des Schafberges der Salzburger Kirche zustand. 658 D a m i t wurde die Ausdehnung des Aberseeforstes, wie er 829 dem Kloster Mondsee zugesprochen worden war, indirekt bestätigt. D i e N o t i z über die Forstverleihung Ludwigs des Deutschen lokalisiert den Mondseer Forst nämlich östlich der Zinkenbach-Dietlbach-Linie und grenzt nur seine Nord-Südausdehnung noch genauer ein.659 U m die Salzburger und die Regensburger Interessengebiete abzustecken, griff man 843 somit auf die Grenzen zurück, die schon seit dem 8. Jahrhundert die Salzburger Jagdgebiete markierten. 660 Dasselbe war schon bei der Forstverleihung von 829 geschehen. Das letzte W o r t war damit aber anscheinend noch nicht gesprochen. Es liegt nämlich eine weitere N o t i z über die Aufteilung der Jagd und der Fischerei am Abersee vor, diesmal in einer Abschrift des 13. Jahrhunderts. 661 Ihr zufolge wurde 849 nach der Befragung eines Zeugen bestimmt, daß sowohl das Erzstift als auch das Kloster M o n d see sowie das Kloster N o n n b e r g jedes J a h r - außer im Herbst - mit einem B o o t im See fischen sollten. Eine zusätzliche Regelung wurde für die Befischung der Ischl getroffen, die nach der N o t i z von 829 die Südgrenze des Mondseer Aberseeforstes bildete. Die Jagd stand dagegen sowohl dem E r z stift als auch dem Regensburger Bischof zu, sollte aber nur gemeinschaftlich durchgeführt werden, nachdem die jeweils andere Seite benachrichtigt w o r 1 662 den war. 658 Ebd.: dixerunt de Zinkinpah et Tinnulinpah usque super verticem montis quem vulgo nominat Skafesperc ex orientali parte et meridiana proprie ilia confinia ad sanctum Petrum et sanctum Rodbertum ad sedem Iuuauensem ... pertinere deberent. Zu den Ortlichkeiten Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, S. 229f.; Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 140f. 659 Siehe D LdD 1: in occidente a rivo nominato Zinchinpab, ubi ipse in Aparinesseo decurrit, et ab oriente ab eo laco, ubi Tinnilipah in eundem lacum fluit, usque ad eum locum, ubi Iscula in Trunam cadit.; vgl. diese Grenzbeschreibung mit UB Salzburg, 1, S. 907f., Nr. 16 (zitiert in der vorigen Anm.). Als Südgrenze des Aberseeforstes wurde laut D LdD 1 die Ischl, die in die Traun mündet, festgelegt, als Nordgrenze zwei Bäche gleichen Namens (Uuizinpah, Weißenbach), deren einer in den Attersee, der andere in die Traun mündet. Zu den Ortlichkeiten vgl. die in der vorigen Anm. genannte Literatur. 660 Vgl. UB Salzburg, 1, S. 26, UB Salzburg, 2, A7, wo es unter der Überschrift De venatione que ad istam sedem pertinere debet heißt; Ex orientali sive australi parte iuxta publicam viam que tendit in Talgov [UB Salzburg, 2, A7: Talgo] et sic ad Eselwanch, deinde ad lacum qui vocatur Labusculo, et sic ad Tinilbach, et inde in medium lacum qui vocatur Parnse, et sic ad Zinkinpach de ista parte laci meridiana pleniter per omnia in forste fieri debentur [UB Salzburg, 2, A7: deberent] ad istam sedem Iuuauensem (zitiert nach UB Salzburg, 1, S. 26. Bei dieser Quelle handelt es sich um die vor 790 entstandene Notitia Arnonis, bei UB Salzburg, 2, A7 um die entsprechende Stelle in den nach 798 enstandenen Breves Notitiae. Zur Datierung dieser Quellen vgl. Anm. 655). 661 UB Salzburg, 1, S. 914f. mit der Vorbemerkung des Herausgebers. 662 Ebd.: Breve commemoratorium de conventione piscationis et venationis de Apirinesseo ... facta inter ... Ivuauensis ecclesie ... archiepiscopum et... Ratispone ... episcopum

Mondsee

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In diesen Vereinbarungen kommt deutlich die überragende Bedeutung zum Ausdruck, die der Jagd und dem Fischfang am Abersee beigemessen wurde. Man wird folglich davon ausgehen dürfen, daß auch der Besitz bzw. die Kontrolle des Aberseeforstes nur im Hinblick auf diese Nutzungen interessant war. Der Besitz des eingeforsteten Landes hätte sich zunächst wohl ohnehin nur so ausgewirkt, daß der Eigentümer die Jagd und den Fischfang ausübte. Wurde eine Verfügung über diese beiden Nutzungen angestrebt, so dürften höchstens identische Ansprüche anderer Nutzer dagegen gestanden haben. Jedenfalls gab es wohl kaum andere Interessen, die zu berücksichtigen waren, da das Forstgebiet im 9. Jahrhundert überwiegend bewaldet663 und daher siedlungsfrei gewesen sein dürfte. Solange es nur um die Verfügung über die Jagd und die Fischerei ging, stellte sich gar nicht die Frage, wem der Grund und Boden des Forstes gehörte. Auch die Notiz über die Forstschenkung hebt in der Art der späteren Wildbanndiplome hervor, daß im Forstgebiet niemand jagen oder fischen sollte.664 Der Akt von 829 weist somit im übrigen formal und inhaltlich - wesentliche Merkmale der späteren Wildbannprivilegien auf und dürfte daher als die älteste hier untersuchte Wildbannverleihung anzusprechen sein. Die Interessengegensätze zwischen Mondsee bzw. Regensburg und dem Erzstift Salzburg könnten zudem einen Hinweis darauf liefern, warum zunehmend um Wildbannverleihungen nachgesucht wurde. Die Vermutung liegt nahe, daß der Grund dafür zumindest teilweise in ähnlichen Konflikten lag. Im Forst von 829 darf man also ein Banngebiet sehen, in dem die Jagd und der Fischfang dem Forstinhaber vorbehalten waren. Da das eingeforstete Gebiet zum größten Teil bewaldet gewesen sein dürfte, könnte forestis in der Notitia auch einfach nur mit ,Wald' zu übersetzen sein. Die Forstverleihung wäre dann als die Schenkung eines ganzen Waldgebietes zu betrachten. Die Urkunde, die im 12. Jahrhundert auf der Grundlage der Notiz gefälscht wurde, spricht denn auch von einem nemus statt von einer forestis.665 Aus den oben erörterten Gründen dürfte es aber wahrscheinlicher sein, daß bei der ... de Ivuauensi sede per totius anni circulum in ... lacu una navis fieri deberet ad piscationem, alia de castello sursum, tercia de Maninseo ... excepto autumnali tempore ... in loco ubi Iscola fluvius foris emanat, due naves ... fieri debeant... de Salzpurch et de Maninseo ... tercia navis ibidem ... fieret. De venatione ita se coadunaverunt, ut utrisque liceret in ista parte commovere ... similiter de altera parte liceret fieri ea ratione, ut primitus ad noticiam pervenisset, ex utrisque partibus, et tunc communi manu pre-fatum opus expleatur. Vgl. Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas, S. 219. 663 Vgl. Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 140. 664 D LdD 1: Aparinesseo cum omni foreste circumiacente ... ut nullus de die illa et deinceps aliquam contrarietatem in his rebus facere auderet... ita videlicet ut nemo alienus in hoc lacu piscari auderet neque in supradictis locis venationem exercere, sed pleniter ad supradictum archangelum constaret. 665 Vgl. D LdD 1 mit der Fälschung D LdD 172. Die Fälschung bezeichnet den Forst auch als alodium und predium.

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Forstverleihung von 829 der Besitz des eingeforsteten Waldes nebensächlich war und sich das Interesse des Empfängers auf die beiden Nutzungen Jagd und Fischerei beschränkte. In diesem Punkt könnte es in den folgenden Jahrhunderten zu entscheidenden Veränderungen gekommen sein, die auch die Bezeichnung als nemus erklären würden. Es gibt nämlich Hinweise darauf, daß das Kloster bestrebt war, die Verfügung über weitere Nutzungen - einschließlich der Rodung - in die Hand zu bekommen bzw. den Forst überhaupt als Waldbesitz betrachtete. Allerdings sind die Anhaltspunkte dafür indirekt und geben keine endgültige Gewißheit. Den Hintergrund bilden die Emanzipationsbestrebungen des Klosters Mondsee gegenüber dem Regensburger Bischof, die eingangs bereits erwähnt wurden. Im Hinblick auf den Forst am Abersee fanden sie ihren Abschluß, als der Forst dem Kloster im Jahr 1184 zurückgegeben wurde.666 Die Grundlage hierfür bildete offenbar die Forstverleihung Ludwigs des Deutschen.667 Man dürfte im Kloster Mondsee also zumindest die Notiz über die Forstverleihung gekannt und sich auf sie berufen haben. Es darf aber vermutet werden, daß die Schenkungsurkunde, die im 12. Jahrhundert nach der Notiz gefälscht wurde, im selben Zusammenhang entstand und dem Regensburger Bischof vorgelegt wurde. Mit den Mondseer Bestrebungen dürften auch zwei Urkunden in Beziehung stehen, die angeblich aus dem 10. Jahrhundert stammen, nur kopial überliefert sind und aufgrund inhaltlicher Merkmale, vor allem chronologischer Art, als Fälschungen anzusprechen sind.668 Eine der Urkunden betrifft auch den Aberseeforst. Danach übertrug der Bischof von Passau dem Kloster Mondsee im Jahr 951 angeblich Zehnte des Aberseeforstes (parrochiam ... cum decimis foresti Abernse) und anderen Besitz. Dafür erhielt er zwei Besitzungen des Klosters.669 Worauf die Forstzehnten erhoben wurden, bleibt im Dunkeln. Décimas foresti culti et inculti, deren Besitz dem Kloster bestätigt wird, nennt auch eine Urkunde von 1107.670 Dort werden zusätzlich noch die Novalzehnten zwischen der Kirche zu Zell am Moos und Irrsdorf erwähnt.671 Hier geht es also um Zehnte von Rodungen und auch um Forstzehnte, die

666 UB Salzburg, 2, S. 601f., Nr. 440; UB Land ob der Enns, 2, S. 387f., Nr. 264. Vgl. Schmid, Beiträge zur Geschichte des ehemal. Benedictiner-Stiftes Mondsee (1882), S. 286f. 667 UB Salzburg, 2, S. 601f.: dominus abbas de Monsee cum sua congregatone dicerent se tarn a nobis quam a predecessoribus nostris pati iniuriam, maxime cum eandem forestam antiqua imperatoris traditione ... monasterium idem quiete possederà ... diligenti inquisitione adhibita invenimus certissima ventate, forestam predictam eidem monasterio de iure debere contingere. Vgl. Zibermayr, Die St. Wolfgangslegende S. 158f. 668 Zauner, Zwei Mondseer Fälschungen, bes. S. 276-86 (auch zum Hintergrund der Fälschungen). 669 UB Land ob der Enns, 2, S. 58, Nr. 42. 670 UB Land ob der Enns, 2, S. 127, Nr. 90. 671 Ebd. Vgl. Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 143.

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v o n K u l t u r l a n d i m F o r s t s t a m m t e n ( d e c i m a s foresti

culti

et inculti)."2

Es

scheint daher möglich, daß die Forstzehnte vom Abersee ebenfalls mit R o dungen im Forst in Verbindung stehen. Ein weiterer Forst bzw. Wald, dessen Zehnten die gefälschte Urkunde von 951 dem Kloster Mondsee zuspricht, war der Forst Oberwang. 673 Er dürfte mit der silva Buobenvvanch identisch sein, die Mondsee 1104 von Heinrich IV. erhielt. 674 Hinzu kommt in der gefälschten Urkunde noch ein Forstzehnt von Mondsee. 675 Es bestand im 12. Jahrhundert offensichtlich ein ausgeprägtes Mondseer Interesse an der Nutzung des Waldes bzw. an der Verfügung über Waldland; die Kontrolle über den Aberseeforst gehörte augenscheinlich dazu. Daß zu den Waldnutzungen, um die es dabei ging, auch die Rodung gehörte, scheint in einigen Fällen auf der Hand zu liegen und kann für den Aberseeforst zumindest nicht ausgeschlossen werden. War der Aberseeforst tatsächlich ein Regensburger bzw. Mondseer Rodungsgebiet, dann wäre das eine Ausnahme von der Regel, daß Wildbannverleihungen an sich mit der Rodung in keiner direkten Beziehung standen. Es wäre dann aber zu beachten, daß die Ausgangslage für diese Entwicklung ungewöhnlich günstig gewesen sein muß, der Mondseer Befund also nicht einfach verallgemeinert werden darf. Das Forstgebiet war zunächst vermutlich vor allem als Fischfang- und Jagdgebiet interessant. Das zeigen die wiederholten Vergleiche mit dem Erzstift Salzburg. Die Verfügung über die beiden Nutzungen bedeutete folglich auch die faktische Kontrolle über den ganzen betroffenen Raum. So konnte aus dem ursprünglichen Nutzungsvorbehalt eine ausschließliche Kontrolle durch das Hochstift Regensburg werden, die dem völligen Eigentum gleichkam. Diese Kontrolle wäre dann auf das Kloster übergegangen, als es den Forst im Jahr 1184 zurückerhielt. Im Mondseer Urbar von 1416 wird festgestellt, daß man für den Schwarzensee, der im Forstgebiet von 829 liegt, „und das Territorium" ein Privileg Ludwigs des Deutschen besitze. 676 Hierin mag sich das Ergebnis einer Entwicklung widerspiegeln, die vom Jagdprivileg zu einer weitergehenden K o n trolle geführt hatte. Das Urbar enthält auch Hinweise darauf, daß die N u t zungen, die unter die Forstverleihung von 829 gefallen waren, immer noch

672 Es darf nicht vergessen werden, daß forestum hier auch einfach ,Wald' bedeuten kann. 673 U B Land ob der Enns, 2, S. 58, Nr. 42: cum decimis foresti oberwange. 674 D H IV 486; vgl. Das älteste Traditionsbuch des Klosters Mondsee, S. 143. 675 U B Land ob der Enns, 2, S. 58, Nr. 42. 676 Item lacus dieta Swaerczensee cum omni iure pertinet ad nostrum monasterium, pro qua et territorio litteras illesas habemus solempnis donacionis Regis Lodowici Romanorum Regis: Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Osterreich ob der Enns, 1, S. 257. Da hier von litteras die Rede ist, obwohl wahrscheinlich nie eine U r kunde über die Forstverleihung ausgestellt wurde, dürfte diese Feststellung auf die im 12. Jahrhundert gefälschte Schenkungsurkunde gestützt sein.

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ausgeübt wurden. Zumindest gilt das für den Fischfang auf dem Aber- bzw. Wolfgangssee.677 Ebensowenig fehlen direkte und indirekte Indizien für die Rodung. Indirekte Hinweise liefern Flur- und Ortsnamen, die auf eine Entstehung durch Rodung hinweisen.678 Daneben werden auch Neureute direkt ausgewiesen.679 Bei einem Namen wie Münchsreut liegt der Gedanke an eine Rodungstätigkeit nahe, die vom Kloster getragen wurde.6 0 Uber die Entstehungszeit der Rodungen lassen sich keine genaueren Angaben machen, in vielen Fällen auch nicht über ihre Lage. Ein Beispiel verweist allerdings auf die hochmittelalterliche Rodungsperiode. Dabei handelt es sich um eine vereinzelte Schwaige,681 also einen Hoftyp, der auf die Viehhaltung abgestellt war und der für die hochmittelalterliche Rodungsperiode charakteristisch ist.682 Es ist aber festzuhalten, daß die vom Kloster Mondsee getragene Rodung nur die Ränder des Forstgebietes betraf. Die im Urbar genannten Güter lagen „am Nordufer des Abersees, gegen die Ischl hin".683 Das Innere des Forstgebietes ist noch heute praktisch siedlungsfrei. Darin dürfte auch einer, wenn nicht der wichtigste der Gründe dafür liegen, daß das Hochstift Regensburg und in seinem Gefolge das Kloster Mondsee das Forstgebiet zu seinem Besitz machen konnte. Hier zeigt es sich noch einmal, wie wenig repräsentativ der Mondseer Fall ist.

52. Münster 823 erhielt das Kloster Münster im Elsaß von Ludwig dem Frommen einen Teil des königlichen Forstes bei Colmar, bei dem es sich eindeutig um ein Waldgebiet handelte, wie aus der Urkunde selbst hervorgeht. Es liegt also die

677 Ebd., S. 256. 678 Ebd., S. 247, Nrr. 3, 4, 6, 9, S. 248, Nr. 20, S. 249, Nr. 42, S. 252, Nrr. 6f., 10f., S. 253, Nrr. 12, 21, 30 (die Namen bzw. Ortsbezeichnungen lauten: Reut, Raekkenreut, Altreut, Paebenswant, in der Swannt, Graeut, von der swann, Gaemelzreut, Stokkenreut, Hungerreut, swant). Das Auftreten von Wörtern wie swant (häufig als Suffix wie -schwende; vgl. Paebenswant unter den Beispielen) wird häufig als Hinweis auf die Brandrodung gewertet (vgl. Gringmuth-Dallmer, Zur Technik mittelalterlicher Rodungen, S. 166), oder das „Beseitigen des jungen Holzwuchses, wobei die Baumstrünke oder Stöcke stehen bleiben": Burkard, Landgerichte Wasserburg und Kling, S. 12. 679 Ebd., S. 255, Nrr. 72, 86, S. 256, Nr. 102. 680 Ebd., S. 252, Nrr. 97, 99 (Münchsreut, Obern Münchsreut), S. 254, Nr. 44 (Obern Münchsreut). 681 Ebd., S. 247, Nr. 12. 682 Klein, Besiedlung im Mittelalter, bes. S. 16; Ders., Uber Schwaigen im Salzburgischen. 683 Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Osterreich ob der Enns, 1, S. 193.

Naumburg

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Ü b e r t r a g u n g eines B a n n w a l d e s u n d damit eine G e b i e t s s c h e n k u n g vor. D a das K l o s t e r M ü n s t e r m i t der F o r s t v e r l e i h u n g k o n k r e t e n W a l d b e s i t z erhielt, stand selbstverständlich k ö s t e r l i c h e n R o d u n g e n nichts m e h r i m W e g e . D i e U r k u n d e selbst h e b t hervor, daß das K l o s t e r m i t d e m W a l d k ü n f t i g m a c h e n k o n n t e , w a s es wollte. 6 8 4

53. Naumburg 1030 verlieh K o n r a d II. B i s c h o f K a d e l o h v o n N a u m b u r g eine U r k u n d e , in der es heißt, daß K o n r a d d e m B i s c h o f die Erlaubnis g e g e b e n habe, in e i n e m bei N a u m b u r g g e l e g e n e n B u c h e n w a l d e i n e n F o r s t einzurichten. 6 8 5 D e r F o r s t bestand bei der Forstverleihung also n o c h nicht, sondern m u ß t e erst geschaff e n w e r d e n . S c h o n daraus geht hervor, daß es sich bei d e m Forst nur u m e i n e n W i l d b a n n gehandelt h a b e n kann. In dieselbe R i c h t u n g w e i s t das Jagdverb o t für U n b e f u g t e , das für W i l d b a n n v e r l e i h u n g e n charakteristisch ist u n d auch hier nicht fehlt. 686 U b e r die Besitzverhältnisse am e i n z u f o r s t e n d e n W a l d

684 Schoepflin, Alsatia ... diplomatica, 1, S. 69, Nr. 85: Quia vir venerabilis Gotafridus abba ex monasterio S. Gregorii, quod alio nomine Conßuens vocatur, postulavit nos, ut... partem quandam de foreste nostra contiguam ipso monasterio que adfiscum nostrum nomine Columbarium aspicere vel pertinere videtur ... eidem monasterio concederemus. Cuius precibus ... nobis adquiescere libuit & de prefata foreste nostra partem quandam per loca denominata atque determinata eidem monasterio in nostra elemosina ... concedere placuit, id est per locum ubi Breydenbach rivolus in Facbinam confluii sursum usque ad locum ubi ipse rivolus surgere incipit, deinde per semitam que nominatur Isneida usque ad montem, qui appellatur Suuartzimberg, deinde per eundem medium montem usque ad lapidem magnum qui jacet ad radicem montis & inde usque in Fachinam. Quantumcumque vero de prenominata foreste nostra infra dinumerata & determinata loca esse videtur totum & ad integrum eidem monasterio in nostra elimosina concedimus. Quapropter volumus atque jubemus ut per hanc nostram autboritatem per loca superius denominata tarn nostris quam & futuris temporibus predictus Gothafridus abba eiusque successores ... prenominatam partem silve de prescripta foreste nostra ... babeant atque jure perpetuo in ditione ipsius monasterii consistât. Ita dumtaxat, ut cum aliquid de ipsa vel in ipsa ob utilitatem & profectum ipsius monasterii facere voluerint, libero in omnibus perfruantur arbitrio faciendi. Vgl. auch Wilsdorf, L'abbaye de Munster a travers les siècles, S. 57. Zur Identität von Columbarium mit Colmar vgl. Graesse/Benedict/Plechl, Orbis latinus, 1, S. 554, s. v. Columbaria. 685 D Ko II 156: Kadelhobo Nuonburgensis aecclesiae episcopo licentiam faciendi foresti in fageto, quod proximum adiacet eidem civitati, concedimus damus et condonamus. 686 Ebd.: hoc sub banni nostri districtu fidelitatisque nostrae obtentu precipientes, ne quis infra predictam determinationem sine consensu prefati episcopi successorumque eius venari aut birsare aut alicuius silvatici generis bestias agitare présumât.

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Die einzelnen Forste

verlautet nichts. 6 8 7 E s gibt s o m i t keine A n h a l t s p u n k t e dafür, daß der W a l d d e m H o c h s t i f t bei der Forstverleihung geschenkt w u r d e . M a n w i r d daher nicht einfach davon ausgehen können, daß der N a u m b u r g e r Waldbesitz im Wildbanngebiet auf die Verleihung von 1 0 3 0 zurückgeht. 6 8 8 Das gilt v o r allem für den Wald, mit d e m 1 1 3 7 das Kloster Pforte ausgestattet wurde, das Bischof U d o innerhalb des Wildbanngebietes angesiedelt hatte. 689 I m Forstgebiet sind nach der Verleihung Besitzungen verschiedener Grundherren nachweisbar. E s finden sich dort aber auch Anzeichen für einen planmäßigen Ausbau. So w u r den niederländische Siedler im Untersuchungsgebiet angesetzt. 6

Dieser V o r -

gang hat sich im N a m e n des O r t e s Flemmingen niedergeschlagen, der ursprünglich Tribüne

hieß. 691 D i e Ansiedlung holländischer Kolonisten ist ein

Charakteristikum der deutschen Ostsiedlung des 12. Jahrhunderts. 6 9 2 A u c h die H i n w e i s e auf die holländischen Siedler bei N a u m b u r g tauchen erstmals im J a h r 1 1 4 0 auf. 693 Ü b e r einhundert J a h r e beträgt also die Zeitspanne zwischen der Forstverleihung und den ersten Belegen für die A n w e s e n h e i t der N i e d e r länder. E s ist daher zu fragen, o b der F o r s t bei der Siedlungstätigkeit im Wildbanngebiet überhaupt eine Rolle spielte, zumal er, wie üblich, nach der Verleihung zunächst nicht m e h r belegt ist.

687 Im Gegensatz zur Aussage einer angeblichen Bestätigungsurkunde Heinrichs III., die im 12. Jahrhundert gefälscht wurde und nicht von der licentia faciendi foresti in fageto spricht, sondern von Konrad II. behauptet: fagetum adiacens civitati... Nuenburgensi episcopatui contulit. Vgl. U B Naumburg, 1, S. 43-46, Nr. 52; D H III 398. 688 Zur Wildbanngrenze vgl. U B Naumburg, 1, S. 21 f., Nr. 26; Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 23. 689 U B Naumburg, 1, S. 127-29, Nr. 148 (1140), S. 191-93, Nr. 213 (1153), S. 249f., Nr. 266 (1168). Zu diesem Wald und seiner Ausdehnung vgl. Boehme, Zur Ortskunde des Saaltales, S. 201-205; Jacob, Die Bedeutung des Forstregals, S. 53f. Zur Entstehungsgeschichte des Zisterzienserklosters Pforte Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens, 2, S. 210-17. 690 U B Naumburg, 1, S. 127-29, Nr. 148 (1140) erwähnt terminos Hollandensium im was Untersuchungsgebiet, ebd., S. 191-93, Nr. 213 (1153) novalia Hollandensium, deren Ausbautätigkeit belegt, ebd., S. 249, Nr. 266 (1168) agros et novalia Hollandium. Auf eine Erschließungsarbeit deutet auch die Erwähnung von culta foresti iuxta Nuemburg im Jahre 1140 hin: ebd., S. 135f., Nr. 153. 691 Ein in villa Tribüne gelegener bollandensis mansus wird je einmal genannt in U B Naumburg, 1, S. 191-93, Nr. 213 (1153) und S. 194f., Nr. 216 (1154). Zur niederländischen Besiedlung Flemmingens vgl. Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens, 2, S. 15 und vor allem Dens., Flemmingen und Kühren. Zur Identität von Tribüne mit Flemmingen s. auch Schulze, Die Kolonisierung und Germanisierung, S. 129f. 692 Schulze, Die Kolonisierung und Germanisierung, S. 129-31; Schulze, Die Besiedlung der Mark Brandenburg, S. 77-84; Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens, 2, S. 1522; Teuchert, Die Sprachreste der niederländischen Siedlungen des 12. Jahrhunderts, bes. S. 155-64 (erwähnt S. 156f. Flemmingen bei Naumburg); Petri, Entstehung und Verbreitung der niederländischen Marschenkolonisation, S. 718-39; Huss, Die Flandrer und Holländer in der ostdeutschen Kolonisation des 12. Jahrhunderts. 693 U B Naumburg, 1, S. 127-29, Nr. 148.

Naumburg

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In diesem Zusammenhang verdient der Umstand Beachtung, daß sich die am frühesten belegte Ausbautätigkeit des Hochstiftes nicht am Wildbann orientierte. Bereits 1109 wird der Ausbau faßbar, den Bischof Walram von Naumburg im Raum zwischen Saale und Weißer Elster betrieb.694 1 121 wurde dann das Kloster Posa von Bischof Dietrich, seinem Gründer, mit Besitz ausgestattet, zu dem zwei novae villae gehörten. Da sie als ,neue Dörfer' bezeichnet wurden, liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei den beiden Gütern um Ausbausiedlungen handelte. In die gleiche Richtung weist der Umstand, daß die beiden novae villae zwei anderen Gütern zugeordnet waren. Das war zum einen Ossig bei Zeitz, zum anderen ein nicht mehr identifizierbares Gut, das aber wie der andere Besitz, der dem Kloster übertragen wurde, bei Zeitz oder Gera gelegen haben dürfte."5 Die hochstiftische Rodungs- bzw. Ausbautätigkeit, die hier sichtbar wird, richtete sich also augenscheinlich nach anderen Gesichtspunkten als dem Wildbann. Wie bereits erwähnt, lag im Wildbann zudem nicht nur Besitz des Naumburger Hochstifts oder des Klosters Pforte, sondern es waren dort auch andere Grundherren begütert, und zwar durchaus am selben Ort wie das Hochstift und das Kloster.696 Die Entstehung solcher Orte kann wohl nicht einfach auf einen Ausbau zurückgeführt werden, für den der Wildbann die Grundlage lieferte. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Orte, die ausschließlich fremden Besitz aufweisen.697 Das Kloster Pforte ließ sich im Jahr 1138 von Papst Innozenz II. ein Jagdverbot auf seinen Besitzungen verbriefen,698 das später vom Naumburger Bischof Udo II. bestätigt wurde.699 Damit war der Wildbann von 1030 zumindest teilweise hinfällig, sofern er überhaupt noch eine Rolle spielte; erwähnt wird er nach 694 S. o . , b e i A n m . 612. 695 S. o., bei Anm. 614. 696 Es handelt sich dabei namentlich um den O r t Almerich bzw. Altenburg: UB Naumburg, 1, S. 343f„ N r . 382 (1194); UB Pforte, 1, S. 53f., Nr. 35 (1186-90). 697 Namentlich Kukulau: UB Naumburg, 1, S. 221-23, N r . 239 (1160), S. 271f., Nr. 284 (1172), S. 371f., Nr. 416 (1204); UB Pforte, 1, S. 70f., Nr. 53 (1199). Boehme, Zur Ortskunde des Saaltales, spricht auch von den „Neubruchsdörfern des 11. Jahrhunderts" im Untersuchungsgebiet, von denen er Katzenrode namentlich erwähnt. Aber selbst dieses angebliche Neubruchsdorf des 11. Jahrhunderts ist erst um 1182 belegt (UB Pforte, 1, S. 44-46, Nr. 27; UB Naumburg, 1, S. 299f., Nr. 316), so daß Boehmes Zeitansatz willkürlich scheint. Ebenfalls aus fremdem, nämlich Reichsbesitz dürfte auch der Naumburger Besitz bei Kösen stammen und durch eine Schenkung Heinrichs III. an das Hochstift gelangt sein (D H III 18 [1040], Zur Identität der villa Kusenti von 1040 mit Kösen Schöppe, Über Kösen und die Rudelsburg). 698 UB Pforte, 1, S. 2f., Nr. 2: Ut autem quietius omnipotenti domino servire possitis, presenti scripto duximus inhibendum, ut nullus clericus, nullus laicus infra terminos vestros venationibus audeat vacare aut nugis consimilibus operam dare. 699 UB Naumburg, 1, S. 249f., Nr. 266 (1168): Ut autem quietius fratres deo servire possint, cum apostolica et nostra firmamus auctoritate, ut nullus omnino clericus aut laycus infra terminos eorum venacionibus audeat vacare aut nugis consimilibus operam dare.

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D i e einzelnen F o r s t e

1030 jedenfalls für lange Zeit nicht mehr. Aus dem 14. Jahrhundert stammt ein Rückvermerk auf der Wildbannurkunde. Er beschreibt den Inhalt des Privilegs, namentlich die Grenze des Wildbanns, sehr ausführlich700 - so ausführlich, daß man sich fragen muß, ob das bei einem Wildbann für nötig gehalten worden wäre, der zu dieser Zeit immer noch ausgeübt wurde und daher bekannt sein mußte. Um 1140 wird ein Forst bei Naumburg erwähnt, in dem der Hochstiftsvogt die terciam arborem beanspruchte.70' Ob man diese Nennung auf den Wildbann beziehen darf, scheint fraglich. Vielmehr dürfte forestum hier wohl als Synonym für silva gebraucht worden sein.702 Schließlich ging es mit dem Holzbezug um eine Nutzung, bei der man nicht davon auszugehen braucht, daß sie einen Wildbann voraussetzte. Um 1169 erhielt das Domkapitel einen Forst aus dem Besitz Bischof Udos II. (der Bischof bezeichnet ihn in der Schenkungsurkunde als forestum meum). Der Forst lag vor Naumburg und hieß Ovgia.7m Auch ihn wird man nicht einfach mit dem Wildbann in Verbindung bringen können. Der Name Augea begegnet dann wieder im frühen 15. Jahrhundert, als man sich auf die Wildbannverleihung von 1030 besann und sie im Jahr 1417 von König Sigismund bestätigen ließ. Zu dieser Zeit war man der Ansicht, oder stellte das zumindest so hin, daß der Augea das fagetum war, das in der Urkunde von 1030 als Forstgebiet genannt wird.704 Schon das allein dürfte ein Hinweis darauf sein, daß für das neuerliche Interesse an der Wildbannverleihung dieses Gehölz verantwortlich war. Die Vermutung liegt nahe, daß man hier das sogenannte Buchholz im Sinn hatte, das in zeitgenössischen Urkunden eine größere Rolle spielt.705 Zum einen wurde wiederholt über Güter geurkundet, die vor Naumburg und in der Nähe des

700 U B Naumburg, 1, S. 21 f., N r . 26: de foresto ecclesie Nuenburg, dato et concesso per dominum Conradum imperatorem, ubi terminetur et ubi incipiat, videlicet ubi Weyta in Salam confluii usque ad locum Steinbrog, et quod nullus audeat ibi venaciones facere sine consensu episcopi predicti. 701

U B Naumburg, 1, S. 135, N r . 153. Man vgl. auch die gleichzeitige Nennung der culta foresti iuxta Nuemburg ebd, für die dasselbe gilt. 702 Darauf weist auch die Nennung der culta foresti iuxta Nuemburg hin. Damit ist offensichtlich Kulturland gemeint, das aus Waldland entstanden war. 703 U B Naumburg, 1, S. 254f., N r . 271: pro peccatorum meorum indulgentia et pro obtinenda divine misericordie gratia, pro eterna nicbilominus mei meorumque memoria, forestum meum, quod in fronte civitatis situm est, et vulgari verbo Ovgia dicitur, cum silva et prato ... dominis et fratribus meis... tradiderim. 704 D S t A Naumburg K o p . 3 (Liber Flavus), Bl. 61: Privilegium Conradi divi imperatoris nri in imperio predecessoris super licentia faciendi forestum in fageto proxime adiacente civitati quod nunc Augea dicitur sub terminis et finibus in eodem privilegio descriptis. Vgl. Wiessner, Das Bistum Naumburg, 1,1, S.193f.; Lüttich, D i e Schenkung des Kaisers, S. 16; Regesta Imperii X I , 1, S. 167, N r . 2399. 705 Zu seiner Lage vgl. die jeweils im Anhang bzw. als Beilage beigegebenen Karten in Lüttich, D i e Schenkung des Kaisers und Schlesinger, Flemmingen und Kühren.

Osnabrück

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Buchholzes lagen.706 1434 ist dann die Rede von einem Zins, den sich Bischof Johannes II. von Rat und Stadt Naumburg für das Buchholz ausbedang.707 An das Gebiet, das in der Bestätigungsurkunde herausgehoben wurde, knüpften sich also wichtige Anliegen der spätmittelalterlichen Gegenwart.708 Von ihrer Art her gab es keine innere Verbindung zur ursprünglichen Wildbannverleihung, denn diese berührte ja weder den Besitz von Waldland noch andere Fragen jenseits der Jagd. Daß spätmittelalterliche Bedürfnisse den Blick ausgerechnet auf das Wildbannprivileg lenkten, liegt wohl am ehesten daran, daß mit ihm ein förmlicher Titel zur Hand war, der eine bischöfliche Verfügung zum Ausdruck brachte und auf das eigentlich interessierende Gebiet bezogen werden konnte. Das setzte weder voraus, daß der Wildbann in seiner ursprünglichen Form bis zur Bestätigung ununterbrochen fortbestanden hatte, noch daß er überhaupt weiterhin wirksam war, noch gar daß er in anderen Bereichen als der Jagd Folgen gezeitigt hatte. Daher wäre es auch nicht gerechtfertigt, aus der Bestätigung solche Schlüsse zu ziehen. Alles weiter oben schon Gesagte spricht ebenfalls dagegen.

54. Osnabrück Das Hochstift Osnabrück erhielt 965 von Otto I. einen nemus vel forestum verliehen.709 Die Grenzpunkte, die in der Verleihungsurkunde genannt werden, sind nicht mehr alle eindeutig identifizierbar; sie lassen aber doch erkennen, daß der Forst sich zwischen dem Dümmer im Norden, dem Ort Enger im Osten und dem Teutoburger Wald (Osning) im Süden erstreckte.71 Da die Urkunde davon spricht, daß ein nemus übertragen worden sei, könnte hier eine Gebietsschenkung vorliegen. Es gibt aber auch Anzeichen dafür, daß es sich um eine gewöhnliche Wildbannverleihung handelte. Dazu zählt zunächst das Jagdverbot für Unbefugte, das in der Urkunde ausgesprochen wird: niemand sollte den nemus zur Jagd oder ähnlichen Tätigkeiten betreten,

706 Hoppe, Die Urkunden des städtischen Archivs zu Naumburg a. S., S. 25, Nr. 97 (1406), S. 27, Nr. 109 (1414), Nr. 1 1 0 (1415), S. 29, Nr. 121 (1431), S. 30, Nr. 127 (1436). 707 Ebd., S. 30, Nr. 125. 708 Noch zwischen 1542 und 1544 wurde wohl aus dem gleichen Grund noch einmal auf die Bestätigung Sigismunds rekurriert: D S t A Naumburg, I, 10. 709 D O I 302. Die Urkunde ist nur in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts erhalten, die aber durch die Bestätigungen Heinrichs II., Konrads I. und Heinrichs IV. (zu diesen weiter unten mehr) gedeckt wird. 710 Zu den Forstgrenzen vgl. Prinz, Territorium des Bistums Osnabrück, S. 58-60; zum Verhältnis der Landschaftsbezeichnungen Osning und Teutoburger Wald Bürgener, Zu Geschichte und Geltungsbereich der Landschaftsnamen Teutoburger Wald und Osning.

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Die einzelnen Forste

wenn er nicht über die Erlaubnis des Osnabrücker Bischofs verfügte/" Das läßt eher an eine gewöhnliche Wildbannverleihung denken. Mit dem Begriff nemus könnte einfach die eingeforstete Landschaftsform beschrieben worden sein, was nicht heißen muß, daß dieses Wildland an sich in den Besitz des Empfängers übergehen sollte.712 Dagegen spricht auch die Tatsache, daß im Forstgebiet Besitz anderer Grundherren als der Bischofskirche feststellbar ist. Er erscheint besonders im 11. Jahrhundert in den Quellen, und zwar häufig gerade bei der Übertragung an den Bischof. Im Laufe des 11. Jahrhunderts erhielt das Hochstift aus der Hand von Laien Güter an mehreren Orten im Forstgebiet.71 Ein Corveyer Einkünfteverzeichnis aus demselben Jahrhundert weist ebenfalls Besitzungen im Forstgebiet aus.714 Dort war auch das Kloster Frekkenhorst begütert, wie aus einem Einkünfteverzeichnis hervorgeht, das ebenfalls im 11. Jahrhundert entstand.715 Im 12. Jahrhundert ist auch Besitz des Klosters Gertrudenberg im Forstgebiet belegt, der aus Schenkungen von Laien stammte.716 Ausgerechnet in dem Bereich, in dem sich diese Güter konzentrieren, dem Randgebiet des nördlichen Teutoburger Waldes und des Wiehengebirges nordöstlich von Osnabrück, soll das Hochstift - namentlich Bischof Benno II. (1068-88) - eine rege Ausbautätigkeit begonnen haben. Sie soll sich nach dem Verfechter dieser These auf den „Rodungsbann" gestützt haben, der im Wildbann enthalten sei.717 Als Beleg wird die Beobachtung geltend gemacht, daß „jetzt Dörfer mit geschlossenem oder nahezu geschlossenem bischöflichen Lehngut" anzutreffen seien, denn die neuen Rodungs711 D O I 302: nullus contumatiae deditus nemus prelibatum nostro videlicet banno munitum sine praedicte sedis episcopi vel pastoris licentia studio venandi aut aliquod huiusmodi negotium peragendipraesumat intrare. 712 Daneben ist auch daran zu denken, daß sich hier die Zweideutigkeit des Forstbegriffes ausgewirkt haben könnte. Forestum konnte ja auch schlicht und einfach ,Wald' bedeuten; der Schreiber der Urkunde war sich vielleicht nicht ganz im klaren darüber, welcher Art von Forst die Urkunde galt oder er war sich der Unterscheidung an sich nicht ganz bewußt. Das mag ihn dazu verleitet haben, dem Forstbegriff ein anderes Wort für ,Wald' hinzuzufügen. 713 Und zwar zu Hörsten, Venne, Versmold, Icker, Borgwedde, Schwagstorf, Bad Essen, Bohmte, Darum und Astrup: UB Osnabrück, 1, S. 120f., Nr. 139 (1037-52), S. 138f., Nr. 157 (1068-1070), S. 139f., Nr. 158f. (1068-1088), S. 177f., Nr. 205 (1090). 1150 folgte noch die Erwerbung eines Hofes zu Wersen: ebd., S. 228f., Nr. 282. 714 Das Verzeichnis ist zum größten Teil in einer Abschrift aus dem Jahr 1479 überliefert: UB Osnabrück, 1, S. 94-104, Nr. 116, bes. S. 95, 104; vgl. Martiny, Der Grundbesitz des Klosters Corvey in der Diöcese Osnabrück, bes. S. 276f. Der Corveyer Besitz lag zu Westerkappeln, Wersen und möglicherweise Jeggen und Schwagstorf. 715 UB Osnabrück, 1, S. 128-130, Nr. 146. Der Besitz lag zu Remsede, Oesede, Holzhausen, Borgwedde, Tittingdorf und Vehrte. 716 UB Osnabrück, 1, S. 250-53, Nr. 311 (1160). Die Besitzungen waren zu Westerhausen, Hörsten und Lechtingen gelegen. 717 Wrede, Zur Herrschaftsbildung des Bischofs von Osnabrück im Kreise Wittlage, S. 77.

Osnabrück

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höfe werden überwiegend nach Lehnsrecht ausgegeben und nicht mehr in dem alten Maße in die ältere Villikationsverfassung eingegliedert."718 Selbst wenn das Hochstift tatsächlich gerodet haben sollte, würde immer noch die Verbindung zum Wildbann fehlen. Der Besitz, den das Hochstift im Laufe des 11. Jahrhunderts erwarb, hätte an sich schon eine solide Basis für den Ausbau abgegeben, ohne daß man den Wildbann ins Spiel bringen müßte. In einer Urkunde, die im 11. Jahrhundert als ein Diplom Karls des Großen gefälscht wurde, sind die Bestimmungen der Forstverleihung von 965 um ein Rodungsverbot für Unbefugte erweitert.719 Daraus läßt sich wohl kaum zwingend schließen, daß ein derartiger Vorbehalt in der echten Verleihung enthalten gewesen sein müsse oder die Wildbannverleihung - einschließlich des Rodungsverbots - tatsächlich schon unter Karl dem Großen stattfand.720 Zudem kommt auch in der Fälschung nur das rein negative Interesse an der Verhinderung von Rodungen zum Ausdruck, das sich leicht mit dem Schutz des Wildes erklären läßt. Bestätigungen der Wildbannverleihung sind von Heinrich II., Konrad II. und Heinrich IV. überliefert.721 Die Bestätigungsurkunden enthalten gegenüber der Verleihungsurkunde einen Zusatz, der noch einmal zum Ausdruck bringt, daß der Forstbann sich auf das Jagdwild bezog.722 Die fragliche Formulierung ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil sie sich leicht abgeändert in einer Urkunde aus der Zeit zwischen 1080 und 1088 wiederfindet. Beurkundet wird dort unter anderem, daß die domna Gysla nobilis femina dem Bischof den Forst in drei Wäldern übertrug, die namentlich genannt werden.723 Dieser Forst scheint sich nördlich des Dümmer befunden zu haben,724 so daß er nicht mehr zum Osnabrücker Forstgebiet

718 Ebd. 719 D Karol. I 273. Die Entstehung der Fälschung kann in die Zeit Bischof Bennos II. gesetzt werden; vgl. die Vorbemerkung zu dieser Urkunde. 720 Wie Philippi, Forst und Zehnte, bes. S. 332f., will, der die ursprüngliche Forstverleihung darüber hinaus auch noch Karl dem Großen zuschreibt. 721 D H II 8 (1002), D H U 491 (1023), D Ko II 123 (1028), D H IV 20 (1057). 722 Vgl. D H U 8-.forestum ... cum omni integritate, inporcis videlicet silvaticis atque cervis omnique vertatione, quae sub banno usuali more ad forestum deputatur. In allen weiteren Bestätigungsurkunden gleichlautend. 723 U B Osnabrück, 1, S. 164, Nr. 190: insuper et forestum in bis tribus silvis Divbroc, Triburebrok, Stroden in porcis videlicet silvaticis, cervis, capreolis, castoribus, leporibus, piscibus omnique venatione, que sub banno usuali ad forestum deputatur. Vgl. die Formulierung der Osnabrücker Bestätigungsurkunden in der vorigen Anm. 724 Einer der drei ,Wälder', über die der Forst sich erstreckte, der Triburebrok, kann mit dem Drebber Moor identifiziert werden (vgl. U B Osnabrück, Register s.v. Triburebrok). Der Divbroc lag bei Diepholz; vgl. Niedersachsen und Bremen, S. 114, 122, s. w . Diepholz, Drebber. Der Hof Drebber (curiam Triburie sitam) und die Hälfte der Kirche zu Drebber waren auch in die Schenkung der Gysla eingeschlossen. Damit befand sich zumindest der größte Teil des Forstes der Gysla eindeutig nördlich des Osnabrücker Forstgebietes.

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D i e einzelnen F o r s t e

gerechnet werden kann. Dennoch mag die erwähnte Formulierung aus den Bestätigungsurkunden einen indirekten Zusammenhang zwischen dem Forst der Gysla und dem von 965 herstellen. Immerhin läßt das ähnliche Formular vermuten, daß der Schreiber mit den Bestätigungsurkunden vertraut war. Das spricht dafür, daß der Forst noch einige praktische Bedeutung besaß. Aus dem Jahr 1464 ist eine Beschreibung des Osnabrücker Jagdgebietes überliefert, die zeigt, daß das Hochstift auch im 15. Jahrhundert in einem großen Teil des Forstes von 965 jagte.725

Paderborn 55. Der Forst im Osning Die älteste bekannte Forstverleihung an das Hochstift Paderborn wirft aufgrund der Uberlieferungsgeschichte einige Fragen auf. Von einem Forst, der über den Osning - d. h. den Teutoburger Wald - und die sogenannte Senne lief, ist zum ersten Mal in der Bestätigungsurkunde Ottos III. von 1001 die Rede.726 Die Urkunde sollte die Privilegien ersetzen, die beim Paderborner Dombrand im Jahr 1000 vernichtet worden waren.727 Den gleichen Forst bestätigte Heinrich II. im Jahr 1002 zusammen mit der Immunität. Eine vollständige Fassung der Urkunde Heinrichs liegt nur abschriftlich vor; von der Originalurkunde haben lediglich Fragmente überdauert. 728 1003 wurde der Forst nochmals in eine Gesamtbestätigung Heinrichs II. aufgenommen. 729 Diese Urkunden sowie die Vita des Bischofs Meinwerk, der von 1009 bis 1036 amtierte, nennen nun teilweise unterschiedliche Forstgrenzen. Für die Abweichungen ist die Verleihungsurkunde von 1002 verantwortlich. Sie gibt eine andere Südgrenze an als die anderen Urkunden: nicht den Weg, der nach

725 Meyer, Die Grenzen der bischöflichen Jagd im fünfzehnten [!] Jahrhundert. 726 D O III 387: per Ardennam et Sinede. In der Vita Meinwerci ist der N a m e Ardenna durch die Angabe id est Osning präzisiert: Vita Meinwerci; S. 12. Zu den Landschaftsnamen Osning und Teutoburger Wald vgl. das Osnabrück-Kapitel, bes. Anm. 710. Der N a m e Senne (das Sinede der Urkunde) bezeichnete ursprünglich „die ununterbrochene Heide südlich des Osning" (Schneider, Die Ortschaften der Provinz Westfalen, S. 119f.). Auch der Osnabrücker Forst wurde von ihr begrenzt. Im Osnabrücker Fall ist wohl der nördliche Teil der fraglichen Landschaft gemeint (vgl. Prinz, Das Territorium des Bistums Osnabrück, S. 42f., 59f.), hier dagegen ihr südlicher Abschnitt. Zur Senne auch Beckmann, „Desertum Sinedi", S. 24f., mit Karten S. 25, 40f. 727 Vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 120-23. N a c h Bannasch (S. 122f.) dürfte der Forst eine Verleihung Ottos III. sein. 728 D H U 17. 729 D H U 45.

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Neuenheerse führt,730 sondern den Weg nach Niedermarsberg/31 Die Vita Meinwerci gibt die Urkunden von 1001 und 1002 mit ihrer jeweiligen Grenzführung wieder.732 Der folgenden Bestätigung Heinrichs II. von 1003 lag die Besitzbestätigung von 1001 zugrunde. Das erklärt den Umstand, daß hier wieder die ältere Grenze auftaucht.733 Eine weitere Abweichung ist im Gegensatz zur ersten auf die Urkunde von 1002 beschränkt. Die Vita Meinwerci gibt eine Fassung der Urkunde wieder, welche diesen Unterschied nicht aufweist.734 Er besteht darin, daß als nördliche Forstgrenze nicht der Dalkebach,735 sondern der Lutterbach angegeben wird, der weiter nördlich fließt.736 Offenbar fand der abweichende Grenzverlauf erst Eingang in die Überlieferung der Urkunde, nachdem die Vita Meinwerci entstanden war. Das auffällige Paderborner Interesse daran, den Forst erneuern bzw. bestätigen zu lassen, dürfte durch den Osnabrücker Forst bedingt gewesen sein. Er wurde ebenfalls im Jahr 1002 bestätigt und befand sich in der unmittelbaren Nähe des Paderborner Forstgebietes.738 Je nachdem, welche der Grenzlinien man zugrundelegt, die in den Quellen genannt werden, dürfte das Paderborner Forstgebiet grob dreieckig oder trapezförmig gewesen sein und auch Paderborn selbst eingeschlossen haben. Die Grenzen, die explizit genannt werden, bilden aber keinen geschlossenen Bezirk. Daher kann man die Ausdehnung des Forstgebietes nur annäherungsweise bestimmen. Innerhalb dieses Gebietes ist umfangreicher Paderborner Besitz anzutreffen, was angesichts der Nähe des Bischofssitzes nicht überraschen kann. Die Güter der Paderborner Kirche, deren Zehnten 1036 zur Dotierung des Busdorfstiftes herangezogen wurden,739 beleuchten schlaglichtartig den Besitzstand der Bischofskirche, wie er sich ein gutes Vierteljahrhundert nach den Forsturkunden Ottos III. und Heinrichs II. darstellte.740

730 Herisia in D O III 387, Herisi in der Vita Meinwerci, S. 12. Vgl. Schneider, Die O r t schaften der Provinz Westfalen, S. 97; Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 121 f. 731 Horibmen (D H II 17; Vita Meinwerci, S. 15f.). Vgl. Schneider, Die Ortschaften der Provinz Westfalen, S. 70, s. v. Horhausen; Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 142. 732 Vita Meinwerci, S.12, 15f. Vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 141 f. 733 Vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 142. 734 Vita Meinwerci, S. 15f.; vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 141f. 735 Vgl. D O III 387; Vita Meinwerci, S. 12, 15f. Zur Identität des betroffenen Wasserlaufs vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 142, Anm. 247. 736 D H U 17; vgl. zur Identifizierung dieses Baches Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 143, Anm. 260f. 737 Vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 145. 738 Ebd., S. 1 4 3 - 4 5 . 739 Hierzu und zur Gründung des Busdorfstiftes vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 247f. 740 Vita Meinwerci, S. 129-31, c. 217; U B Busdorf, S. 1 - 7 , N r . 1. Vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 297. Zur Identifizierung der dort genannten Ortschaften vgl. das Register der Edition der Vita Meinwerci.

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Die einzelnen Forste D i e G ü t e r , d i e i m m u t m a ß l i c h e n F o r s t g e b i e t lagen, b i l d e n e i n e n d i c h t e n

K r a n z u m P a d e r b o r n selbst. 7 4 1 I h r e A n l a g e k a n n n i c h t auf d e n F o r s t z u r ü c k g e f ü h r t w e r d e n . S o n s t m ü ß t e m a n sich n ä m l i c h z u n ä c h s t e i n m a l f r a g e n , w i e d e r B e s i t z z u e r k l ä r e n ist, d e r a u ß e r h a l b des F o r s t g e b i e t e s liegt u n d n o c h v i e l u m f a n g r e i c h e r ist; er k o n z e n t r i e r t sich v o r a l l e m in d e r j e w e i l i g e n U m g e b u n g v o n W a r b u r g , Büren, H a m e l n , H o l z m i n d e n u n d Höxter.742 Z u d e m d ü r f t e n zur Zeit der Forstverleihung k a u m m e h r neue Siedlungen im Untersuchungsgebiet e n t s t a n d e n sein. 743 A u c h w a r das P a d e r b o r n e r H o c h s t i f t n i c h t d e r e i n zige G r u n d h e r r im Forstgebiet. D a s zeigt nicht z u l e t z t der Besitz, den Bis c h o f M e i n w e r k d o r t e r w a r b . 7 4 4 Es l ä ß t sich w e i t e r h i n v e r m u t e n , d a ß d i e R o d u n g in s p ä t e r e r Zeit an d e n B e s i t z v o n R o d u n g s l a n d g e b u n d e n w a r u n d n i c h t e t w a d u r c h d e n F o r s t d e r alleinigen V e r f ü g u n g des B i s c h o f s u n t e r s t a n d . So erließ der Bischof z w i s c h e n 1 1 2 3 u n d 1 1 2 7 d e m K l o s t e r A b d i n g h o f den N o v a l z e h n t e n v o n allen R o d u n g e n , d i e es in s e i n e m e i g e n e n S o n d e r n dern)

(Sün-

a n l e g e n l i e ß o d e r a u f a l l e m L a n d , d a s es v o n a n d e r e n B e s i t z e r n v o n

G e h ö l z e n z u m Z w e c k der R o d u n g e r w e r b e n würde.745 Hätte der Forst d e m 741 Es werden die N a m e n von 17 Gütern genannt, die im direkten U m k r e i s von Paderborn lagen. Dabei handelt es sich u m vier H a u p t h ö f e mit ihren V o r w e r k e n : Vita M e i n w e r c i , S. 129-31, c. 217; U B Busdorf, S. 1 - 7 , N r . 1. 742 Die Zahl der Güter, die nicht mehr dem Forstgebiet zugerechnet werden können, beträgt nicht weniger als 60, bestehend aus 14 Haupthöfen mit ihren V o r w e r k e n ; N a c h w e i s e w i e in der vorigen A n m . Der Besitz des Hochstiftes erfuhr hier auch Zuwachs d u r c h Schenkungen (vgl. z. B. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 260-62), aber dies w a r auch innerhalb des Forstgebietes der Fall (ebd., S. 250, 262, 264, 271-73, 276, 285, 296). 743 Henkel, Die W ü s t u n g e n des Sintfeldes, S. 138; vgl. H o m b e r g , Westfälische Landesgeschichte, S. 173: „Im Südosten Westfalens entstanden dagegen seit der J a h r t a u sendwende fast gar keine neuen Siedlungen mehr." Von den 14 Siedlungen, die der Untersuchung von Balzer, Die W ü s t u n g e n in der Paderborner Stadtfeldmark, z u grundeliegen, sind 11 bis z u r Zeit des Bischofs M e i n w e r k genannt, nur bei dreien fällt die Erstnennung ins 12. oder 13. Jahrhundert: ebd., S. 150. Die O r t e der Senne tauchen z u m großen Teil erst im Laufe des Hochmittelalters in der Überlieferung auf: Beckmann, „Desertum Sinedi". 744 Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 250, 262, 264, 271-73, 276, 285, 296. Vgl. auch Beckmann, „Desertum Sinedi", S. 2 8 - 4 3 hinsichtlich der in der Senne begüterten Grundherren. 745 U B Westfalen, 2, S. 7f., N r . 202: ego Heinricus Dei gratia Patherbrunnensis sedis episcopus, pro remedio anime mee, concessi fratri nostro HAMVKONI abbati Monasterii sanctorum apostolorum Petri et Pauli in suburbio nostre sedis constructi, ut nouale quod iuxta nos in Sundera sue proprietatis elaborare potuerit, uel quicquid a uicinis possessoribus lignorum ad nouale faciendum acquisierit, hoc totum indecimatum tarn ipse quam successores sui ad utilitatem sue ecclesie perpetuo sine ulla contradictione possideant. Mit den Rodungsabsichten des Klosters kann ein „Abdinghofer Besitzblock von 70 M o r g e n " in der Paderborner Stadtfeldmark in Verbindung gebracht w e r d e n : Balzer, Die W ü s t u n g e n in der Paderborner Stadtfeldmark, S. 167. Ein Sundern (Sundera) w a r ein Sondernutzungsbezirk; der Bischof besaß ebenfalls einen, vgl. A n m . 749.

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Bischof die Rodung im Forstgebiet vorbehalten, so wäre er derjenige gewesen, von dem das Rodungsland zu erwerben gewesen wäre. In der Umgebung Paderborns lassen sich im weiteren Verlauf des Mittelalters denn auch verschiedene Rodungsträger nachweisen.746 Der fremde Grundbesitz im Forstgebiet läßt ebenfalls vermuten, daß bei der Forstverleihung nur der Bann übertragen wurde, nicht aber der eingeforstete Grund und Boden. Der Forstbann wird ein gewöhnlicher Wildbann gewesen sein, obwohl die Urkunden das typische Jagdverbot für Unbefugte und die Konsensformel vermissen lassen. Zudem fehlt dem Forstgebiet auch der Charakter des mehr oder weniger geschlossenen Waldgebietes, durch den sich königliche Bannwaldforste auszeichnen. Bei der Dotierung des Busdorfstiftes ist die Rede von Bienenzucht und bischöflichen Viehherden im Forstgebiet.747 Darüber hinaus erhielt das Stift eine bestimmte Menge Holz angewiesen, die wöchentlich aus der Umgebung Paderborns zu beziehen war. 4 Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Nutzungen mit dem Forst in Beziehung standen. Das gleiche gilt für einen Sondernutzungsbereich (sundera) des Bischofs.749 Der Wildbann, der in jedem Fall zum Forst gehörte, ist noch in späterer Zeit im Besitz des Hochstifts nachzuweisen. Nach einem Urkundenregest des 16. Jahrhunderts belehnte der Bischof im Jahr 1321 den Grafen Otto IV. von Ravensberg unter anderem mit der Jagd im Osning. Von einem Paderborner Forst am Osning ist auch in einer Urkunde von 1186 die Rede.751

746 Neben Weltlichen sind das namentlich der Bischof, das Domkapitel und das Kloster Abdinghof: Balzer, Die Wüstungen in der Paderborner Stadtfeldmark, S. 165-169. 747 Vita Meinwerci, S. 130: dedit etiam decimam in Sinithi super armenta sua et super examina apum; vgl. UB Busdorf, S. 4. 748 Vita Meinwerci, S. 131: Super haec omnia, cum non possent habere ullam utilitatem silvarum, potestate episcopali dedit eis in Benvidisla et in marchiis [einiger bei Paderborn gelegener Orte] in unaquaque ebdomada pondera VI plaustorum. Vgl. UB Busdorf, S. 6. 749 Vita Meinwerci, S. 131: Dedit quoque ad honorem et utilitatem ecclesie eiusdem partem sundere sue in orientali plaga vie quae vadit ah urbe Patherbrunnensi usque in Asbethinchuson; vgl. UB Busdorf, S. 6. Zum Sundern (sundera), einer „Bezeichnung ausgesonderter (manchmal wohl auch nur abseits gelegener) Gebiete (vor allem Waldgebiete), in Zusammensetzungen oder auch als selbständiger Begriff" (Schützeichel, Bezeichnungen für ,Forst' und ,Wald', S. 117) neben dem zitierten Autor auch Kaspers, Comitatus nemoris, S. 75-78; Bosl, Pfalzen und Forsten, S. 4; Thimme, Forestis, S. 124-126. Der Empfänger kam anscheinend lange Zeit nicht in den Genuß der Schenkung des Teiles des Sunderns; dies wurde erst 1137/42 geändert: UB Busdorf, S. 13, Nr. 6. Zum Sundern, der südlich von Paderborn lag, vgl. auch Balzer, Die Wüstungen in der Paderborner Stadtfeldmark, S. 167f. 750 UB Bielefeld, S. 83, Nr. 134. 751 UB Westfalen, 2, S. 489-491, Nr. 470: proprietatem montis Valkenberch in foresto Ecclesie Patherhurnensis.

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Die einzelnen Forste

56. Der Forst im Reinhardswald 1019 erhielt das Paderborner Hochstift von Heinrich II. eine nostrae proprietatis forestim,5 also einen Forst aus königlichem Besitz. 1020 wurde die Verleihung wiederholt, 75 wobei die Grenzbeschreibung präzisiert wurde.754 In der Urkunde von 1020 heißt es außerdem, daß niemand den Forst seinem Inhaber streitig machen solle.755 Dies und der Umstand der neuerlichen Verleihung lassen darauf schließen, daß es zu Streitigkeiten um den Forst gekommen war, über die sich aber nichts Genaueres sagen läßt.756 Schwer zu beantworten ist auch die Frage, ob es sich bei dem Forst lediglich um den Wildbann oder einen königlichen Bannwald handelte. Die Forschung favorisiert die zweite Möglichkeit,757 für die auch der Umstand spricht, daß der Forst einen großen Teil des Reinhardswaldes umfaßte,758 den die Herren von Schöneberg später vom Hochstift zu Lehen hielten und 1305 dem Landgrafen von Hessen verkauften. 759 Im Forstgebiet befand sich vor der Verleihung bereits adliges Allodialgut, was zu der Vermutung geführt hat, daß die Einforstung durch den König erst in der ottonischen Periode stattgefunden hatte, 60 nachdem andere Grundherrschaften bereits in das spätere Forstgebiet vorgedrungen waren. Hier stellt sich aber wieder das Problem, daß ein Forstbann, der über die Jagd hinausging, Einschränkungen für fremde Grundherren mit sich gebracht hätte, welche es zweifelhaft erscheinen lassen, ob ein solcher Forstbann durchsetzbar war.761 Im vorliegenden Fall mögen in dieser Beziehung allerdings besonders günstige Bedingungen geherrscht haben, da

752 D H U 418. 753 D H U 430. 754 Kroeschell, Zur älteren Geschichte des Reichsklosters Hilwartshausen, S. 17, Anm. 74: „Beide Urkunden enthalten Grenzbeschreibungen ... von ihnen ist die zweite viel ausführlicher, unterscheidet sich aber sachlich offenbar nicht von der ersten." Zur Ausdehnung des Forstes siehe Karte 3, ebd., S. 16. Vgl. auch Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, S. 18; Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 316. Die Forstgrenze von 1020 gibt auch Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Kreise Hofgeismar, Karte 4. 755 D H U 430 (die Urkunde ist nur kopial überliefert): eo videlicet ordine ut nullus episcopum iam dicte ecclesie eiusque successores de predicta foresti disvestire vel inquietare presumat. 756 Vgl. Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 316f. 757 Vgl. Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, S. 18. 758 Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, bes. S. 18; Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Kreise Hofgeismar, bes. S. 25, Kap. 32 und Karten 1-7. 759 UB Paderborn, S. 145-47, N r . 340 (1305), S. 231-236, Nr. 500 (1306); vgl. Kroeschell, Zur älteren Geschichte des Reichsklosters Hilwartshausen, S. 20; Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, S. 19f. 760 Kroeschell, Zur älteren Geschichte des Reichsklosters Hilwartshausen, S. 13-18. 761 Man vgl. hier besonders den Fall des Trierer Forstes von 973.

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ein gewisser Teil des Allodialgutes in den königlichen Besitz gelangt zu sein scheint, was eine Einforstung ermöglicht haben könnte. 762 Dennoch ist es nicht auszuschließen, daß es sich auch beim Forst im Reinhardswald lediglich um einen Wildbann handelte. Der Wildbann im Forst dürfte jedenfalls zumindest eine zentrale Rolle gespielt haben. Die Jagd als die Forstnutzung, die auf jeden Fall unter den Wildbann fiel, ist noch für das Jahrhundert der Forstverleihung belegt. In zwei Prekarienverträgen gestanden die Bischöfe Meinwerk, der den Forst erhalten hatte, und Imad ihren Partnern jährlich eine bestimmte Stückzahl Wild aus dem Forst zu.763 Zu einem unbekannten Zeitpunkt tauschte Heinrich III. den Forst vom Hochstift Paderborn ein. 1059 erhielt der Bischof ihn aber wieder zurück und durfte auch den Hof behalten, den er von Heinrich III. für den Forst bekommen hatte.764 Es wurde bereits erwähnt, daß Konrad von Schöneberg den Reinhardswald im Jahr 1305 an den Landgrafen von Hessen verkaufte. 765 Der Wald ging vom Paderborner Bischof zu Lehen, der die Hälfte des Waldes in seiner Hand behielt.766 Auf das Konto Konrads von Schöneberg gingen auch Rodungen im Reinhardswald; 1303 mußte sich Konrad gegenüber dem Erzbischof von Mainz dazu verpflichten, die Rodungen wieder

762 Kroeschell, Zur älteren Geschichte des Reichsklosters Hilwartshausen, S. 15-18, bes. S. 18 und S. 22f. 763 Vita Meinwerci, S. 44, Nr. 54: Episcopus autem ... omni anno de foresti Reinherishusen duos porcos silvaticos et II cervas dari constituit. Der Ort heißt in den Urkunden von 1019 bzw. 1020 Reginbereshuson bzw. Rechinherishuson; vgl. zur Sache Bannasch, Das Bistum Paderborn, S. 266; Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, S. 19. Imads Vertrag: Regesta historiae Westfaliae, 1, S. 114, Nr. 144: Ad hoc idem Sicco feras IIII. in foresto Reingereshusun singulis annis concedi postulauit, que omnia uenerabilis IMMADVS episcopus concessit. Vgl. Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, S. 19. 764 D H IV 52: Heinricus tertius rex et secundus imperator augustus predium quoddam dedit in concambium sanctae Patherbrunnensis aecclesiae venerabili episcopo Rodulfo pro uno foresto Reginherishusun dicto eidem aecclesiae pertinente; et hoc concambium, quamdiu uterque vixit, tamdiu ratum permansit. Sed post patris nostri Semper lamentandum obitum nos... forestum reddidimus atque ... hoc ipsum predium ... in proprium dedimus. Vgl. Pfaff, Der Reichsforst Reinhardswald, S. 19; Schröder, Die Geschichte der Paderborner Bischöfe von Rotho bis Heinrich von Werl (1916), S. 182f.; Meier, Die Bischöfe von Paderborn und ihr Bistum im Hochmittelalter, S. 14. 765 UB Paderborn, S. 145-47, Nr. 340. 766 UB Paderborn, S. 230f., Nr. 499 (hier tritt der Paderborner Bischof zusammen mit dem Landgrafen als Käufer des Reinhardswaldes auf), S. 230-236, Nr. 500, S. 4 7 1 474, Nr. 1015 (1312), S. 969, Nr. 2019 (1321). 1355 verpfändete das Hochstift auch seine Hälfte des Reinhardswaldes dem Landgrafen von Hessen: Schäffer, Paderborn und Hessen im Diemellande, S. 25f.

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Die einzelnen Forste

aufzugeben.767 Neben den Schönebergern zählten auch die Grafen von Dassel zu den Rodungsträgern im Reinhardswald.768

57. Passau 1049 erhielt Bischof Egilbert von Passau eine Urkunde von Heinrich III., in der ihm folgendes verbrieft wurde: ius et potestatem legitimi banni super venatione et foresto in predio sancti Stephani protomartyris eiusdem episcopi patroni.™ Zwei Dinge fallen hier ins Auge. Da ist zunächst einmal der Umstand, daß sowohl vom Bann über die Jagd als auch vom Bann über den Forst die Rede ist. Sofern dahinter tatsächlich eine sachliche Unterscheidung stand, dürfte sie darin liegen, daß der Forst das Gebiet war, in dem der Bann galt, und die Jagd die Tätigkeit, auf die dieser sich bezog. Man muß die zitierte Formulierung folglich nicht so deuten, daß neben der Jagd noch weitere Nutzungen unter den Bann fielen. Zweitens fällt auf, daß der Forstbann in predio sancti Stephani protomartyris gelten sollte. Man sollte daher meinen, daß das Wildbanngebiet dem Hochstift bereits gehörte. Es wird sich jedoch zeigen, daß im mutmaßlichen Banngebiet auch andere Grundherren begütert waren. Entweder sollte sich der Wildbann in den Grenzen der Urkunde auf den Besitz des Hochstifts beschränken oder der Hinweis auf den Hochstiftsbesitz ist eine grobe Pauschalisierung. Sofern das Hochstift auf seinem eigenen Besitz Ausbau betrieb, bestünde keine Veranlassung, das auf den Wildbann zurückzuführen.770 Belege für eine solche Ausbautätigkeit gibt es jedoch nicht. Die Rodung im Wildbanngebiet wird weiter unten ausführlicher behandelt werden. Die Güter, für die der Passauer Bischof den Wildbann erwarb, dürfte das Hochstift erst verhältnismäßig kurze Zeit zuvor erhalten haben. 1037 schenkte der nobilis vir Engildeo der Passauer Bischofskirche seinen Besitz zwischen den Flüssen Sabinicha und Dumilicha. Die beiden Flüsse können mit den Bächen Tümling und Sarming identifiziert werden; beide münden ober-

767 UB Paderborn, S. 82-84, Nr. 202: Wir sollen ouch daz dorf Stolzinhayn unde Ruschenhayn unde di rodir, die wir in den terminen gemachet haben, abe tun unde sollen sie wider zu walde lazen wassen. Bei den genannten Dörfern handelte es sich um Stolzenhagen und Ruschenhagen östlich von Hombressen: Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Kreise Hofgeismar, S. 25, Kap. 35. 768 Jäger, Die Entwicklung der Kulturlandschaft im Kreise Hofgeismar, S. 25, Kap. 35. 769 D H III 237; vgl. Regesten der Bischöfe von Passau, 1, Nr. 324. 770 Ebd.: ea videlicet conditione ut nemo absque licentia et voluntate prefati episcopi successorumque suorum infra predictos eiusdem foresti terminos banni conclusione vetitos presumat venari aut aliquod genus ferarum, quod inforestatum iure banni interdicitur lege, qualibet venatoriae artis industria capere vel decipere. 771 Traditionen des Hochstifts Passau, S. 92f., Nr. 112; vgl. Regesten der Bischöfe von Passau, 1, N r . 288.

Passau

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halb von Marbach in die Donau.772 Dieselben Wasserläufe begrenzten auch den Wildbann von 1049.773 An dieser Stelle muß betont werden, daß die Ergebnisse der folgenden Untersuchung unter einem Vorbehalt zu betrachten sind. Es läßt sich nämlich nicht mit endgültiger Gewißheit feststellen, wo die Güter Engildeos und damit der Passauer Wildbann eigentlich lagen. Eine eindeutige Lokalisierung scheitert an dem Grenzfluß Tvminichi bzw. Dumilicba. Ob der Besitz des Engildeo und das Wildbanngebiet westlich oder östlich des zweiten Grenzbaches lagen, hängt davon ab, welcher Wasserlauf als der Tvminichi angesehen werden kann. Es mag im Hochmittelalter mehr als einen Fluß im Untersuchungsgebiet gegeben haben, der Tvminichi oder ähnlich hieß. So findet im Jahr 1141 ein uetus Timnich Erwähnung.774 Er diente dazu, die Lage eines Waldes zu beschreiben, der westlich von Baumgartenberg lag. Baumgartenberg wiederum liegt westlich des zweiten Grenzbaches von 1037/49, des Sarmingbachs. Schiffmann sieht im uetus Timnich den Deimingerbach.775 Als Tvminichi käme wohl auch der Dimbach in Frage. Er liegt ebenfalls westlich des Sarming, aber Heuwieser meint ausdrücklich, daß er nicht der Grenzfluß von 1037 sei.776 Soweit die Literatur zum vorliegenden Problem Stellung nimmt, scheint sie es vorzuziehen, den zweiten Grenzfluß von 1037/49 westlich des Sarming zu suchen. Für Schiffmann ist der zweite Fluß der Kreuzener Bach, ohne daß er Gründe für seine Meinung angibt.777 Nun leuchtet es aber nicht recht ein, warum der Tvminichi mit dem Kreuzener Bach gleichgesetzt wird. Die Namen der beiden Wasserläufe stehen in keiner erkennbaren Beziehung zueinander778. Dagegen gibt es im Untersuchungsgebiet Gewässernamen, die mit dem Tvminichi des 11. Jahrhun-

772 Vgl. die Vorbemerkung des Herausgebers ebd. sowie die Vorbemerkung zu D H III 237 und Die Passauer Urbare, 1, S. L X X X I I I f . ; Regesten der Bischöfe von Passau, 1, N r . 324.

773 D H III 237: super venatione et foresto ... in comitatu Adalberti marchionis et intra geminas ßuminum Sabinichi et Tvminichi ripas sito. IIA U B Land ob der Enns, 2, S. 192f., N r . 129. 775 Schiffmann, Das Land ob der Enns, S. 207, auch Lampel, Die Babenbergische O s t mark, S. 384. 776 Traditionen des Hochstifts Passau, S. 92f., Nr. 112. 777 Schiffmann, Das Land ob der Enns, S. 207; Ders., Historisches Ortsnamen-Lexikon des Landes Oberösterreich, 1. Bd., S. 200. Lechner, Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte, S. 38, Anm. 3 schließt sich dieser Meinung an, nennt aber ebenfalls keine Gründe dafür. Dreizehn Jahre früher war er noch ganz anderer Ansicht und sprach sich für den Dimbach aus in Ders., Geschichte der Besiedlung und der Grundbesitzverteilung, S. 42f., Anm. 6. Das verdeutlicht sinnfällig die Undurchschaubarkeit der Lage. 778 Vgl. jedoch Lampeis Bemerkung zum volkstümlich teilweise Tuming genannten Bach zwischen Grein und Bad Kreuzen: Die Babenbergische Ostmark, S. 388, Anm. 2.

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D i e einzelnen F o r s t e

derts viel näher verwandt zu sein scheinen.779 Dazu gehört der Tümling, den der Herausgeber des D H III 237 für den Tvminichi hält.780 Der Tümlingbach liegt östlich des Sarming. A m Identifizierungsvorschlag der DiplomataAusgabe soll auch im folgenden festgehalten werden. 1 Für diese Entscheidung spricht dazu noch ein Umstand, den die bisherigen Beiträge zum vorliegenden Problem offenbar nicht berücksichtigt haben. Zwischen Tümling und Sarming dürfte Passauer Besitz gelegen haben, der spätestens 1143 an das Stift St. Nikola gelangte, worauf gleich zurückzukommen ist. Bei dem fraglichen Besitz könnte es sich um die ehemaligen Güter des Engildeo gehandelt haben. Ansonsten ist kein Passauer Besitz in dem Gebiet zu finden, das der Untersuchung zugrundegelegt werden wird.782 Da die Wildbannurkunde Hochstiftsbesitz im Wildbann voraussetzt, könnte das gegen die Lösung vorgebracht werden, von der hier ausgegangen werden soll. Aus den oben genannten Gründen, und weil Passauer Besitz durch die Urkunde von 1143 belegt sein dürfte, scheint die gewählte Möglichkeit dennoch plausibler als ihre Alternative. Selbst wenn das Wildbanngebiet, anders als hier angenommen, westlich des Sarming gelegen haben sollte, wäre das Untersuchungsergebnis vom Prinzip her das gleiche. Auch im westlichen Gebiet befand sich nichtpassauischer Besitz. Dazu zählten nicht zuletzt die Besitzungen des Otto von Machland, auf denen dieser das Kloster Baumgartenberg gründete. Auf den Besitz des Otto von Machland wird weiter unten noch zurückzukommen 779 Angesichts der Anzahl der Wasserläufe im Untersuchungsgebiet, die vergleichsweise ähnliche Namen tragen, wäre es theoretisch auch denkbar, daß den Schenkungen von 1037 und 1049 in Wirklichkeit nur der Sarmingbach als Grenze gemein war, zumal die jeweils verwendeten Namensformen des zweiten Grenzflusses - Dumilicha und Tvminichi - nicht genau identisch sind. Die ehemaligen Güter des Engildeo und das Wildbanngebiet wären dann nicht unbedingt deckungsgleich. Dann müßte es jedoch neben den ehemaligen Gütern des Engildeo noch weiteren Passauer Besitz im Untersuchungsgebiet gegeben haben, nämlich den, für den der Wildbann verliehen wurde. Solcher läßt sich in den Passauer Urbaren des 13. und 14. Jahrhunderts jedoch nicht finden (vgl. Die Passauer Urbare), und auch die Schenkung an das Kloster St. Nikolai, die gleich zu behandeln ist, würde nur einen der beiden vorauszusetzenden Besitzkomplexe abdecken. Somit kann diese Möglichkeit wohl vernachlässigt werden. Hinzu kommt, daß es völlig unbedenklich zu sein scheint, beide Namensformen des zweiten Grenzflusses auf denselben Wasserlauf zu beziehen: vgl. die übernächste Anm. 780 Unter Berufung auf Regesten zur Geschichte der Markgrafen ... aus dem Hause Babenberg (siehe dort S. 6f., Nr. 14 mit Anm. 41 und Verweis auf Reil, Das Donauländchen, S. 283f.). 781 Aus sprachgeschichtlicher Sicht dürfte es dagegen keine Einwände geben; Schwarz, Die Ortsnamen des östlichen Oberösterreich, S. 33, s. v. Dumilicha stellt ausdrücklich fest, daß es „lautlich vollkommen einwandfrei" sei, die beiden Formen Dumilicha und Tvminichi auf den Tümling zu beziehen. Nichts Neues bringen: Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich und Schuster, Die Etymologie der niederösterreichischen Ortsnamen. 782 Vgl. Lampel, Die Babenbergische Ostmark, S. 376-384.

Passau

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sein. In beiden möglichen Bereichen ist im übrigen für das 13. und 14. Jahrhundert kein Passauer Besitz mehr feststellbar. 783 W i e bereits angedeutet, könnte eine U r k u n d e von 1143 einen Hinweis auf die ehemaligen Güter des Engildeo enthalten. In der U r k u n d e bestätigte der Passauer Bischof unter anderem einen Tausch, den er mit dem Stift St. Nikola abgeschlossen hatte. Dabei hatte er dem Stift eine Kirche zu Swarzaba (dem heutigen Münichreith am Ostrong), 784 die er selbst geweiht hatte, mit deren Dotalgut, Pfarrsprengel und Zehnten überlassen. 785 Die Kirche selbst könnte auf Besitz errichtet worden sein, den das Stift St. Nikola, ein Eigenkloster des Passauer Bischofs, 786 1136 von Markgraf Leopold III. erhalten hatte. 787 Dennoch dürfte das Stift bei dem erwähnten Tausch auch Passauer Besitz erworben haben; zumindest läßt die dos der Kirche dies vermuten. 788 Das Dotalgut steht neben dem Zehntbezug, der in der U r k u n d e gesondert genannt wird. 789 Die dos mag dabei nicht nur Einkünfte umfaßt haben, sondern deren konkretes Substrat. So umfaßt die dos einiger Kirchen, die in verschiedenen, ungefähr gleichzeitigen Urkunden des Erzbischofs von Magdeburg genannt werden, auch Grundbesitz. 790 Selbst wenn die Kirche nur mit Einkünften ausgestattet worden sein sollte, so setzte das doch immer noch ein Substrat in Form von Grundbesitz voraus. Diese Grundlage dürfte von Passauer G ü tern gebildet w o r d e n sein, selbst w e n n die Kirche zu Swarzaba auf Besitz des Markgrafen errichtet worden sein sollte. Schließlich war der Besitz des M a r k grafen dem Stift St. Nikola bereits übertragen worden. Hätte der Markgraf dem Stift auch die dos übereignet, so hätte das Stift sie w o h l nicht erst vom

783 Vgl. Die Passauer Urbare. 784 Vgl. UB Land ob der Enns, 2, S. 604-610, Nr. 410 (1220): ecclesiam in Swarzaha, que alio nomine Munichreith dicitur. 785 Ebd., S. 213f., Nr. 145: Tercium concambium in Orientali plaga factum est ad Swarzaha, cuius loci ecclesiam a nohis consecratam cum dote, decimis, terminis, cum omni utilitate sua S. Nycolao in usus canonicorum contulimus recipientes in commutatione theloneum patavie, quod eis persolui debuerat de nauibus, cum quibusdam areis ad Euerdingen collocatis. Vgl. hierzu Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, S. 95f. 786 Tellenbach, Die bischöflich passauischen Eigenklöster, S. 29 und passim. 787 S. Lechner, Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte, S. 73; vgl. UB Babenberg, 1, S. 8f„ Nr. 7; UB Babenberg, 4, S. 89, Nr. 692. 788 Zur dos der Kirche vgl. Anm. 785. Dos bezeichnet die Ausstattung einer Kirche mit einer konkreten wirtschaftlichen Grundlage: Mediae latinitatis lexicon minus, S. 357f., Stichwort dos, 3. 789 Vgl. Anm. 785: cum dote, decimis, terminis. 790 UB Magdeburg, S. 373f., Nr. 299 (1159): unum mansum ecclesie ad usum sacerdotis in dotem dedi; S. 374-76, Nr. 300 (1159): unum vero mansum ecclesie tunc ibi divine adiutorio construendo quasi in dotem dedi. Wenig später verschenkte der Erzbischof (ebd., S. 455f., Nr. 344 [1161-74]): ecclesiam in Jvterbuk cum sex mansis in duabus villis... cum omni utilitate, que exindeprovenirepotuerit.

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Die einzelnen Forste

Bischof eintauschen müssen.791 Aus der Urkunde von 1143 geht nicht direkt hervor, wo die Güter lagen, die zur Dotierung der Kirche verwendet wurden. Der in Frage kommende Bereich läßt sich lediglich mit einiger Wahrscheinlichkeit näher eingrenzen. Die Grundlage dafür liefert der Pfarrsprengel der Kirche zu Swarzaha, dessen Grenzen in der Urkunde von 1143 ebenfalls genannt werden. Sie schlössen ein Gebiet ein, das sich vom Steinbach, der westlich des mutmaßlichen Forstgebietes liegt, bis zum Fluß Ysper erstreckte, der zwischen Tümling und Sarming fließt, also mitten im vermutlichen Wildbanngebiet.792 Trifft die Annahme zu, daß sich hinter der dos der Kirche von Swarzaha passauischer Besitz verbirgt, so spräche das für den Vorschlag, die Güter des Engildeo und damit den Wildbann zwischen Tümling und Sarming zu suchen, zumal in der Umgebung von Swarzaha und den möglichen Wildbanngebieten sonst weiter kein Passauer Besitz bekannt ist. Vielleicht zählten zum Passauer Besitz im Forstgebiet auch die Lehen des Otto von Machland, die der Passauer Bischof 1147 dem Stift Waldhausen überließ, das Otto am Sarmingbach gegründet hatte.794 Mit Otto von Machland treten Grundherren ins Blickfeld, die neben dem Hochstift im Wildbanngebiet begütert waren oder dort Ansprüche geltend machten. Otto stattete seine Gründung Waldhausen mit nicht weniger als hundert Hufen Land aus.795 Das ebenfalls von ihm gestiftete Kloster Baumgartenberg verfügte über zehn mansi de silva zu Nöcheling.796 Am selben Ort lag der Besitz, den Otto III. bereits 998 dem Herzog von Bayern geschenkt hatte.797 Hier ist auch noch einmal der Besitz zu nennen, den Markgraf Leopold 1136 dem Stift St. Nikola überließ. Im Wildbanngebiet lag somit schon zur Zeit der Bannverleihung fremder Besitz, zumindest das Reichsgut, das Otto III. 998 verschenkte. Soweit die fremden Besitzungen erst nach der Verleihung entstanden, müssen im Wildbanngebiet andere Rodungsträger als das Hochstift am Ausbau beteiligt gewesen sein. Selbst der Wald war teilweise in der Hand fremder Eigen791 Die Übertragung der Kirche durch den Bischof spricht nicht dagegen, denn sie war ja anscheinend erst nach der Schenkung des Landes, auf dem sie dann errichtet wurde, gegründet worden. 792 UB Land ob der Enns, 2, S. 214. 793 Vgl. Die Passauer Urbare. 794 UB Land ob der Enns, 2, S. 236f., Nr. 157; zur Urkunde vgl. Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, S. 161f.; vgl. Regesten der Bischöfe von Passau, 1, Nr. 678. Zu Waldhausen und seiner Gründung vgl. Pritz, Geschichte des aufgelassenen Stiftes der regulirten Chorherren des heil. Augustin zu Waldhausen, bes. S. 308-312; Tellenbach, Die bischöflich passauischen Eigenklöster, S. 43f. 795 UB Land ob der Enns, 2, S. 236f., Nr. 157. 796 UB Land ob der Enns, 2, S. 259, Nr. 172 (1151); vgl. auch ebd., S. 192f., Nr. 129, 206f., Nr. 140; Pritz, Geschichte des aufgelassenen Cistercienser-Klosters Baumgartenberg. 797 D O III 286; vgl. neben Lechner, Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte, S. 38 neuerdings Dienst, Osterriche.

Ranshofen

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tümer. Das gilt für den Beinwald, der zwischen Sarmingbach und Ysper lag und den Otto von Machland erwarb. Abgesehen davon, daß er sich vor der Übereignung nicht im Besitz des Hochstiftes befunden hatte, gab es noch zwei frühere Mitnutzer, die ihre Zustimmung geben mußten.798 Hier zeigt sich einmal mehr, daß eine Wildbannverleihung den Empfänger nicht einfach zum Besitzer des ganzen Wildlandes im Forstgebiet machte, sondern daß die Verhältnisse in Wirklichkeit viel komplizierter waren. Der Wildbann dürfte dem Hochstift somit keine Kontrolle über alles potentielle Rodungsland verschafft haben. Dagegen mögen auch fremde Rodungsträger für den Ausbau verantwortlich gewesen sein. Der sichtbare Niederschlag ihrer Tätigkeit könnte der fremde Besitz sein, der weiter oben bereits begegnet ist. Daneben gibt es noch ein etwas konkreteres Beispiel für fremde Rodungen. In der Pfarrgrenzbeschreibung der Urkunde von 1143 wird nämlich eine villa Enzimanneswaithouen erwähnt. Sie dürfte aus dem Neureut (novale) entstanden sein, den ein Enziman angelegt hatte und der etwa zehn bis fünfzehn Jahre früher belegt ist.799 Enziman war jedoch wiederum ein Rinderhirt (armentarius) des Freisinger Bischofs. Eine Verbindung zum Hochstift Passau ist zumindest nicht belegt und dürfte wohl auch nicht anzunehmen sein; es gibt somit keine Belege dafür, daß die Rodung von der Zustimmung des Passauer Bischofs abhängig war.

58. Ranshofen 898 überließ Arnulf von Kärnten einem Priester Ellimbrecht auf Lebenszeit alles zu Eigen, was dieser bis dahin in Ranshofen zu Lehen hatte. Das betraf die Kapelle St. Pankraz zu Ranshofen mit ihrem Zubehör, zu dem unter anderem auch ein Forst ad Hengiste zählte.800 W o der Forst lag, läßt sich nicht mehr genau feststellen; er mag bei dem Berg Hengist gelegen haben, den Strnadts Gaukarte in der Nähe von Ampflwang und Frankenburg ausweist. Die karolingische Pfalz Ranshofen war den Königsforsten Weilhart und

798 D Ko III 192: Otto de Machland ... a Heinrico comite Ratisponensi partem nemoris quod Beinwalt dicitur duce Heinrico marchione Cunrado annuentibus eiusdemque particule nemoris usum remittentibus comparavit. Huius inquam comparate possessionis universi usus nemoris aque vici terre molendinorum, videlicet in ascensu fluvii Sabenegge de hoc loco, ubi intrat Danubium, usque ad vicum, qui ducit ad sanctum Georgium, et ad Hyspere fluvium et in huius descensu usque adpontem vicinum ... 799 Die Traditionen des Hochstifts Freising, 2, S. 524f., Nr. 1729; vgl. hierzu Lechner, Siedlungs- und Herrschaftsgeschichte, S. 70 mit Anm. 2, S. 73. 800 D Arn 167. 801 Strnadt, Inviertel [!] und Mondseeland, Anhang, mit S. 533, Anm. 2: „Waldberg im Hausruck zwischen Frankenburg und Waldzell"; es schließt sich an Schiffmann, Historisches Ortsnamen-Lexikon des Landes Oberösterreich, 1. Bd., S. 454.

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Die einzelnen Forste

Höhnhart benachbart,802 so daß der Hengistforst auch ein Teil dieser Forste gewesen sein kann. Der Forst zu Hengist findet sich nicht mehr unter den spätmittelalterlichen Besitzungen des Augustinerchorherrenstiftes, das 1125 vom bayerischen Herzog Heinrich dem Schwarzen in Ranshofen gegründet wurde.803 Nach der Urkunde von 898 sollte die Pankrazkapelle zu Ranshofen mit ihrem Zubehör nach Ellimbrechts Tod an die Kirche von (Alt-)Ötting fallen.804 Es ist daher eher damit zu rechnen, daß der Forst bei dieser Kirche verblieb.

59. Regensburg 914 erhielt das Kloster St. Emmeram in Regensburg von Konrad I. einen Forst mit dem zugehörigen Förster.805 Wenn ein Förster mit vergabt wurde, liegt die Vermutung nahe, daß hier ein bereits bestehender Forst seinen Besitzer wechselte. Der Forst war dabei offensichtlich Teil einer forstlichen Organisation, die der Pfalz Regensburg zugeordnet war.806 Die Existenz einer solchen Organisation belegt auch ein etwas älteres Beispiel. Bei einem Tausch, den Ludwig der Deutsche mit Bischof Ambricho zwischen etwa 863 und 876 abschloß, wird ein Vuito ministerialis regis und dessen Untergebener (subiectus) Vvichad erwähnt. Vito muß ein Oberaufseher der königlichen Forste bei Regensburg gewesen sein (fuit princeps super omnes forestes). Bis ins späte 10. Jahrhundert waren das Kloster St. Emmeram und das Regensburger Hochstift in Gütergemeinschaft miteinander verbunden. Somit stellt sich die Frage, was aus dem Forst wurde, als man diese Verbindung auflöste. 802 Strnadt, Inviertel [!] und Mondseeland, S. 444-50. Zur Pfalz Ranshofen vgl. Fastlinger, Karolingische Pfalzen, S. 248-53; Haider, Zum Problem karolingischer Pfalzen, S. 16 (hier auch zum Forst zu Hengist). 803 Vgl. das Ranshofener Urbar von 1277/78-1303 in Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Osterreich ob der Enns, 1, S. 2 7 1 - 3 2 5 und die Einleitung des Herausgebers, S. 279-84. 804 D Arn 167. 805 D Ko I 22: ad sanctum dei martyrem Emmerammum, cuius monasterio Tuto venerabilis episcopus praeesse dinoscitur, forestum iuxta Sulcipab cum forestario Sigifrid ... donavimus. 806 Diese hatte als ein Hauptort der ostfränkischen Karolinger eine herausragende Rolle gespielt: vgl. z. B. Reuter, Germany in the early middle ages, S. 24, 87f. Zur Sache allgemein auch Bauer, Die ältesten Grenzbeschreibungen, S. 150-158. 807 Die Traditionen des Hochstifts Regensburg und des Klosters S. Emmeram, S. 49, Nr. 44; vgl. Bosl, Pfalzen, Klöster und Forste in Bayern, S. 46. 808 Schmid, Regensburg I, S. 13, datiert die Trennung auf 972 oder 974, Janner, Geschichte der Bischöfe von Regensburg, 1, S. 362 auf 975. Hausberger, Geschichte des Bistums Regensburg I, S. 58 setzt die Auflösung der „Personalunion von Domstift und Domkloster" mit der Bestellung des Ramwold von Trier 974 zum Probst, 975 zum Abt von St. Emmeram an.

Regensburg

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Im St. Emmeramer Güterverzeichnis von 1031 taucht der Forst nicht mehr auf,809 was darauf hindeuten kann, daß er beim Hochstift verblieben war.810 Es kann jedenfalls festgehalten werden, daß bei der Forstverleihung von 914 ein königlicher Forst verschenkt wurde. Weniger eindeutig läßt sich die Frage beantworten, mit welcher Art von Forst man es zu tun hat. Der Forst wird in der Verleihungsurkunde nur als forestum bezeichnet. Auf einem Pergamentblatt, das der Urkunde zunächst unten, dann seitlich angefügt war, hat eine gleichzeitige Hand eine Grenzbeschreibung eingetragen. Dabei wurde ausdrücklich vermerkt, daß es sich um die Grenzen eines super omnia animalia forestensia foresti ad Sulzibach bannus handelte.811 Auch der Urkundentext selbst spricht von einem forestum iuxta Sulcipah."2 Es kann kein begründeter Zweifel daran bestehen, daß in beiden Fällen derselbe Forst gemeint war, die zusätzliche Grenzbeschreibung also dem Forst von 914 galt. Die Formulierung auf dem Zusatzblatt deutet nun eher darauf hin, daß der Forst ein reiner Wildbann war, da nur von einem Bann über die Waldtiere die Rede ist. Es gilt somit zu prüfen, ob der Forst tatsächlich nur aus dem Wildbann bestand oder ein Bannwald war, wie eine ganze Reihe anderer Königsforste auch. Manches spricht für die zweite Möglichkeit. So schloß die Forstgrenze, wie die nachträglich angefügte Grenzbeschreibung sie wiedergibt, ausgedehnte Waldgebiete ein, die heute noch bestehen.813 Daß Waldbesitz übertragen wurde, entspräche dem Muster, das auch bei anderen Königsforsten anzutreffen ist. Zudem bildeten die fraglichen Waldgebiete für lange Zeit einen Bestandteil der regensburgischen Herrschaft Donaustauf.8'4 Das wäre ebenfalls eine Parallele zu königlichen Bannwaldforsten, die häufig jahrhundertelang im Besitz des neuen Eigentümers nachweisbar sind, wenn sie verschenkt wurden. Es gibt noch ein weiteres Indiz dafür, daß man sich unter den königlichen Forsten bei Regensburg konkreten Waldbesitz vorzustellen hat. Der bereits erwähnte ,Oberforstaufseher' Ludwigs des Deutschen sollte nämlich den Regensburger Bischof in den Besitz von Neureuten einweisen, die in der Nähe des Klosters Wörth lagen.815 Wenn zum Zuständigkeitsbereich des Försters Neureute gehörten, dann dürfte das seinen Grund darin haben, daß der Förster schon für den Wald verantwortlich gewesen war, bevor dieser gerodet wurde. Der königliche Forst bestand also aus Wald. Es gibt mithin gute Gründe, eine Gebietsschenkung anzunehmen.

809 Edition des Verzeichnisses: Mai, Der St. Emmeramer Rotulus des Güterverzeichnisses von 1031. 810 Schmid, Regensburg I, S. 13. 811 D K o I 22 mit der Vorbemerkung des Herausgebers. 812 Vgl. die beiden Texte ebd. 813 Zur Forstgrenze Schmid, Regensburg I, S. 14, mit den Karten S. 16 und S. 123. 814 Ebd., S. 1 0 9 - 1 2 4 . 815 S. die Nachweise in Anm. 807.

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Die einzelnen Forste

Auf der anderen Seite war ein kleiner Teil des Forstgebietes bei der Forstverleihung schon besiedelt. Es handelt sich um die Randzone der Donau, die den Forst nach Süden hin abschließt. Die dortigen Siedlungen sind zum größten Teil bereits vor der Forstschenkung belegt.816 Das ist zwar insofern aufschlußreich, als die Anlage der Siedlungen keine Folge der Forstverleihung sein kann. Ihr Vorhandensein im Forst wird jedoch problematisch, wenn man die Beobachtung hinzunimmt, daß die Siedlungen bei ihren Ersterwähnungen mit anderen Grundherren als dem König genannt werden. Das könnte gegen die Vorstellung sprechen, daß der Forst in der Grenze, die die nachträgliche Aufzeichnung angibt, Königsland gewesen war. Muß man also folgern, daß der Forst doch nur ein Wildbann war und kein Bannwald? Wahrscheinlicher dürfte sein, daß der Kern des Forstes ein Bannwald war und Regensburg mit der Forstverleihung tatsächlich Waldbesitz erhielt; die oben angeführten Indizien weisen eindeutig in diese Richtung. Der Wildbann selbst dürfte jedoch über den königlichen Waldbesitz hinausgegangen sein und auch die besiedelte Gegend an der Donau eingeschlossen haben, ohne daß der König dort Grundherr gewesen sein müßte. Die Wälder, die der Empfänger mit der Forstverleihung erhalten hatte, scheinen von Rodung und Landesausbau nicht oder kaum berührt worden zu sein. Das ist eine Situation, die bei ehemaligen königlichen Bannwaldforsten sehr häufig anzutreffen ist. Der Ausbau beschränkte sich im wesentlichen auf den Siedlungsraum an der Donau, der zur Zeit der Forstverleihung bereits bestand. Hier dürften die Regensburger Bischöfe die Befestigung Donaustauf angelegt haben, die wahrscheinlich zwischen 914 und 930 erstmals genannt wird. 8 ' 8 Weitere Zeugnisse für den Ausbau in diesem Gebiet liegen aus dem Spätmittelalter vor.819 Es besteht ein auffälliger Kontrast zwischen den Wäl816 Demling wird bereits 821 erwähnt (Schmid, Regensburg I, S. 134; Codex chronologico diplomaticus episcopatus Ratisponensis, hg. v. Thomas Ried, 2 Bde., Regensburg 1816, 1, S. 18-22, Nr. 21, bes. S. 20), Bach zwischen 889 und 891 (Die Traditionen des Hochstifts Regensburg und des Klosters S. Emmeram, S. 112f., Nr. 140; vgl. Schmid, Regensburg I, S. 127). Es ist nicht gesichert, daß zwei ältere Erwähnungen des Ortes Sulzbach sich auf die im Forstgebiet gelegene Siedlung beziehen (Die Traditionen des Hochstifts Regensburg und des Klosters S. Emmeram, S. 85f., Nr. 95, S. 107, Nr. 131; zum zweiten Beleg vgl. Schmid, Regensburg I, S. 36, Anm. 174), aber da Sulzbach in der Forsturkunde von 914 genannt wird, dürfte es zum Zeitpunkt der Forstverleihung ebenfalls bereits bestanden haben. 817 Vgl. die Nachweise, die in der vorigen Anm. genannt werden. Der Bezug des Forstes zu Sulzbach, der in der Forsturkunde und in der beigefügten Grenzbeschreibung zum Ausdruck kommt, mag aber darauf zurückzuführen sein, daß sich in Sulzbach ein Königshof befand, der „das notwendige landwirtschaftliche und herrschaftliche Zentrum des königlichen Forstes" (Schmid, Regensburg I, S. 36) bildete. 818 Schmid, Regensburg I, S. 36. 819 Der Ort Reiflding ist beispielsweise erst im Jahre 1343 belegt, und „eine spätere Besiedlung" ist für ihn „als wahrscheinlich anzusetzen" (Schmid, Regensburg I, S. 226). Ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert stammen eine Reihe von Belegen für Rodungsak-

Salzburg

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d e m im Forst von 914, w o kaum gerodet wurde, und dem Gebiet nördlich davon, w o das ganz anders aussieht. D e r Unterschied unterstreicht nur, daß dem Regensburger Forst eine andere Funktion zugedacht war als die eines potentiellen Rodungsgebietes. 820 Das Forstgebiet von 914 wird nach N o r d e n hin vom Adlmannsteiner und vom O t t e r b a c h abgeschlossen. 821 D e r Bereich im N o r d e n des Forstes schiebt sich so keilförmig in das Forstgebiet hinein. Dieser R a u m wurde vom 12. bis zum 14. Jahrhundert von einem hochstiftischen Ministerialengeschlecht beherrscht 822 und einer regen Ausbautätigkeit unterworfen, die von den Ministerialen und dem Hochstift getragen worden sein dürfte. D i e Wälder im Forstgebiet spielten dagegen eine völlig andere Rolle. Sie dienten vor allem verschiedenen umliegenden Siedlungen, die dort forstberechtigt waren, als Holzlieferant. 824 Das ist für das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit belegt, dürfte davor aber ganz ähnlich gewesen sein.

Salzburg 60. Der Sausal O t t o I. schenkte dem Erzstift Salzburg im J a h r 970 unter anderem den nemus SvsiV25 N o c h heute bezeichnet der N a m e Sausal eine Landschaft in der Weststeiermark. 826 D a im Schenkungsdiplom genauere Angaben fehlen, muß der nemus Svsil mit ihr identifiziert werden. In der U r k u n d e von 970 wird der Sausal nur als nemus bezeichnet; das einzige, was dort an eine Forstverleihung erinnert, ist der Bann über die Wälder, der in der Pertinenzformel genannt wird. 827 W e n n es nur nach der U r k u n d e von 970 und ihrer Aussage ginge, verdiente es der Sausal nicht unbedingt, in die vorliegende Untersuchung aufgenommen zu werden. In einer Reihe von Herrscherurkunden des 10. bis 12. Jahrhunderts erscheint der Sausal allerdings als F o r s t (jorestum). D e n Anfang macht dabei ein Privileg von angeblich 977, 828 das jedoch als Fäl-

820 821 822 823 824 825 826 827 828

tivitäten: Das Handbuch der Kanzlei des Bischofs Nikolaus von Regensburg, Nrr. 113-15, 117, 118, 120, 129, 130-36, 137, 1 4 0 ^ 3 ; Schmid, Regensburg I, S. 111, Anm. 468. Viele dieser Neureute dienten dem Weinbau, der in der Siedlungszone an der Donau eine große Rolle spielte, vgl. Schmid, Regensburg I, S. 110, 119, 127, 184, 224. In dieser Hinsicht ist beispielsweise die Karte bei Schmid, Regensburg I, S. 16 sehr instruktiv. Schmid, Regensburg I, S. 14, 94, 104. Ebd., S. 94-97. Ebd. und S. 2 1 5 - 2 4 . Schmid, Regensburg I, S. 15-21. D O 1389. Vgl. Lamprecht, Der Sausal; Ders., Der Sausal als geschichtliche Landschaft. D O I 389: bannisque silvarum. D O II 165.

182

Die einzelnen Forste

schung anzusprechen ist.829 Die späteren Bestätigungsurkunden weisen alle eine Formulierung auf, die dem Wortlaut der Fälschung im wesentlichen entspricht.830 Daß der Sausal ein Forst in der Form eines Banngebietes war und nicht einfach nur ein Wald, mag auch darin zum Ausdruck kommen, daß Heinrich III. dem Erzstift noch im Jahr 1045 ein predium ... in foresto Svsel schenken konnte.831 Die Bestätigungsurkunden für Salzburg nennen den Sausal einen forestum cum panno.832 Auf der anderen Seite wird der Sausal in einer Urkunde des 12. Jahrhunderts wieder nur als erzbischöfliches nemus bezeichnet.833 Es läßt sich mithin nicht eindeutig entscheiden, ob der Sausal ein Forst war oder nur einfacher Waldbesitz. Zusätzlich erschwert wird diese Frage durch eine Bestimmung in der bereits erwähnten Urkunde von 977; sie findet sich auch in dem ebenfalls gefälschten Diplom König Arnulfs von 885/90. Dort heißt es, daß dem König eidlich die Jagd auf Wildschweine und Bären im Sausal zugesprochen worden sei. Die Jagd war dabei auf eine bestimmte Zeit im Spätsommer und Herbst beschränkt. Auch dieser Passus taucht in den späteren Bestätigungsurkunden für Salzburg wieder auf.834 Nun sollte man erwarten dürfen, daß ein Forstbesitzer wenigstens die Jagd im Forst ganz in seiner Kontrolle hatte und nicht erst besondere, dazu noch zeitlich befristete Zugeständnisse erwirken mußte. Sollte die fragliche Regelung einfach von den Fälschern erfunden worden sein, die die Urkunden von 885/90 und 977 anfertigten, so muß die Fiktion immer noch einen Anlaß gehabt haben. Auch in diesem Fall läge der Verdacht nahe, daß das Erzstift die Jagd im Sausal nicht so vollständig kontrollierte, wie man es von einem Forstherrn erwarten sollte. Der Status des Sausais bleibt daher undurchsichtig. Im Bereich der Landschaft, die heute als Sausal bezeichnet wird, gab es im Hochmittelalter neben salzburgischem

829 Koller, König Amolfs großes Privileg, S. 68f. 830 D O II 165: forestum Svsel cum panno sicut in potestate antecessorum nostrorum fuit; die weiteren Bestätigungsurkunden sind D O II 275 (982), D O III 1 (984), D H III 260 (1051), D H IV 4 (1057), D F I 732 (1178). Der Sausal erscheint als Forst auch in D H III 149. 831 D H i l l 149. 832 Vgl. Anm. 834. 833 UB Salzburg, 2, S. 271, Nr. 184 (ca. 1135, aber vor 1139): in nemore archiepiscopi Susal dicto. 834 Hier zitiert nach D H III 260 von 1051: et forestum Süsel cum banno sicut in potestate antecessorum nostrorum fuit, venationemque in Dulcibus vallibus quam populus cum sacramentis in potestatem antecessorum nostrorum firmavit, id est ebdomadas III ante aequinoctium autumnale et postea usque in natale sancti Martini ad venandos ursos et apros. Vgl. die Fälschungen D Arn 184 und D O II 165 sowie D O II 275 (982), D O III 1 (984), D H IV 4 (1057), D F I 732 (1178). Zu den Fälschungen vgl. Koller, König Arnolfs großes Privileg, zur Identifizierung der dulces valles mit dem Sausal Graesse/Benedict/Plechl, Orbis latinus, 1, S. 95, 672 und Lamprecht, Der Sausal, S. 100 sowie Ders., Der Sausal als geschichtliche Landschaft, S. 103.

Salzburg

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auch fremden Besitz.835 Um 1135 verfügte der Hochstiftsministeriale Heinrich von Nassau über nicht näher spezifizierte Rechte im Sausal, die offenbar Lehen des Erzbischofs waren.836 Im Sausal sind Salzburger novellationes belegt;837 das Hochstift muß dort also gerodet haben. Daneben vergab der Erzbischof Rodungsland im Sausal auch an andere Rodungsträger. 1159 übertrug Eberhard I. dem Kloster Admont einen locum ad unam villam faciendam. 38 Der locus befand sich im foresto nostro Libenize.839 Der Ort Leibnitz (Libinize) liegt am Ostrand des Sausais.840 An dessen Westrand fließt der Fluß Gleinz, der eine Grenze des Landes bildete,841 das Admont erhielt. Das forestum Libinize dürfte also der Sausal gewesen sein. Es stellt sich einmal mehr die Frage, wie die Bezeichnung des Sausais als forestum zu deuten ist. Auch im vorliegenden Fall ist das nicht ganz k l a r f o r e s t u m könnte sehr wohl ganz einfach ,Wald' bedeuten. Im Jahr 1244 erhielt das Kloster Admont von Erzbischof Eberhard II. einen Wald bei Muggenau, also ebenfalls im Sausal.842 Die Besiedlung des Sausais beschränkte sich bis ins Spätmittelalter im wesentlichen auf dessen Peripherie und stieg erst in der frühen Neuzeit stark an, als der Weinbau ausgeweitet wurde.843 Man wird folglich wohl nicht davon sprechen können, daß der Sausal systematisch gerodet wurde. Im Spätmittelalter gab es auch ein salzburgisches Jägermeisteramt und Jagdordnungen für den Sausal;844 die Jagd spielte dort also nach wie vor eine große Rolle.

61. Der Forst Heit Der Forst Heit, den das Erzstift Salzburg 1027 von Konrad II. erhielt, ging über den Wildbann hinaus. Die Verleihungsurkunde nennt Pertinenzen des

835 Salzburger Besitz: U B Salzburg, 3, S. 307-309, Nr. 780f. Fremder Besitz: U B Salzburg, 2, S. 213f., Nr. 141, S. 336f., Nr. 234, S. 4 8 9 - 9 1 , Nr. 350, S. 492-94, Nr. 351, S. 692f., Nr. 513; U B Salzburg, 3, S. 79-82, Nr. 596, S. 191 f., Nr. 685; Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen, S. 59, Nr. 158, S. 60, Nr. 159. 836 U B Salzburg, 2, S. 271, Nr. 184. 837 U B Salzburg, 2, S. 694-700, Nr. 515 (1197), bes. S. 696; U B Salzburg, 3, S. 117-21, Nr. 622 (1208), bes. S. 119. 838 U B Salzburg, 2, S. 473f„ Nr. 339. 839 Ebd. 840 Zu Leibnitz vgl. Marx, Das Salzburger Vizedomamt Leibnitz. 841 U B Salzburg, 2, S. 474, Nr. 339: inter Rorbach et Ebersbach usque in Glinizam. 842 U B Steiermark, 2, S. 552, Nr. 439. 843 Klein, Daten zur Siedlungsgeschichte der österreichischen Länder, S. 84. 844 Cerwinka, Die salzburgischen Jägermeister im Sausal während des Mittelalters; Lang, Die Salzburger Lehen in Steiermark, 2, S. 280f.

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Die einzelnen F o r s t e

Forstes, zu denen unter anderem auch Kulturland gehört.845 Es liegt hier wohl weniger die Schenkung eines Forstes vor als die Bestätigung einer Schenkung, die Kunigunde, die Witwe Heinrichs II., dem Erzstift bereits 1025 gemacht hatte. Kunigunde hatte dem Erzstift neben anderem Besitz mehrere Forste übertragen. Neben dem Forst Heit zählte dazu auch der Forst Hesilinstudun bzw. Hesilinestuda, der weiter unten zu behandeln ist.847 Der Forst Hesilinstudun liefert im übrigen erst den Anhaltspunkt dafür, daß auch der Heit zur Schenkung gehörte. In Kunigundes Urkunde sind heute nur noch die Namen von drei Forsten lesbar; einer von ihnen ist der Hesilinstudun. An der Stelle einer Beschädigung im Pergament vermutet man einen vierten Forst,848 und das dürfte eben der Heit gewesen sein,849 weil das Erzstift ihn dann zusammen mit dem Hesilinstudun von Konrad II. verliehen bekam. Die Schenkung Kunigundens war precaria lege erfolgt, wie auch bei einer vergleichbaren Schenkung an das Hochstift Freising.850 Im Freisinger Fall behielt Kunigunde sich die Nutzung der betroffenen Güter auf Lebenszeit vor; die Schenkung hatte somit die Form einer remuneratorischen Prekarie.851 Der gleiche Vorbehalt dürfte auch bei der Schenkung an Salzburg gegolten haben.852 Damit ergibt sich der auffällige Umstand, daß die Übertragung des Forstes noch vor dem Tod Kunigundens erneuert wurde,853 also strenggenommen noch bevor das Hochstift den Forst hätte erhalten sollen. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß der Forst aus Reichsgut stammte und die Forstverleihung nötig war, um Ansprüchen Konrads II. zu genügen.854 Das gleiche gilt auch für den Forst Hesilinestuda, der im nächsten Abschnitt zu behandeln sein wird. Der Forst Heit wurde dem Erzstift von Heinrich III. im Jahr 1049 bestätigt, wobei die Schenkungsurkunde von 1027 wiederholt wurde. 1057 wurde der Forst in eine umfassende Besitzbestäti845 D Ko II 104: forestum Heit nominatum ... cum areis, cum forestensibus mansis mancipiis edificiis terris cultis et incultis pratis campis venationibus viis et inviis exitibus et reditibus aquis aquarumque decursibus piscationibus molendinis quesitis et inquirendis seu cum omni utilitate, que ullo modo inde provenire potuerit. 846 D Kun 3. 847 Ebd. 848 D Kun 3, bes. A n m g. 849 Ebd.; Vorbemerkung zu U B Salzburg, 2, S. 1 2 7 - 2 9 , N r . 73; Breßlau, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II., S. 216, Anm. 1. 850 D Kun 2 mit der Vorbemerkung des Herausgebers und U B Salzburg, 2, S. 127-29, N r . 73, ebenfalls mit der Vorbemerkung des Herausgebers. 851 Zum Begriff vgl. Hedwig, Art. Precaria. 852 Vorbemerkung zu D Kun 2 und zu U B Salzburg, 2, S. 1 2 7 - 2 9 , N r . 73, sowie Breßlau, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II., S. 63 mit Anm. 1; Renn, Das erste Luxemburger Grafenhaus, S. 101. 853 Sie starb erst am 3. März 1033: Renn, Das erste Luxemburger Grafenhaus, S. 101. 854 Vgl. Breßlaus Ausführungen in der Vorbemerkung zu D Kun 2 und in Ders., Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II., S. 63, 215f. und neuerdings Störmer, Kaiser Heinrich II., bes. S. 406f. und Hagen, Herrschaftsbildung, S. 4 3 - 5 3 .

Salzburg

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gung Heinrichs IV. einbezogen.855 In der Urkunde von 1027 heißt es vom Forst Heit lediglich, daß er an der Mörn gelegen sei.856 Heute wird er mit dem sogenannten Esler- oder Eigelwald bei Taufkirchen identifiziert.857 Daß das Erzstift später über Eigentum an diesem Wald verfügte, geht daraus hervor, daß Erzbischof Konrad I. dem Kloster Herrenchiemsee um 1143 duos mansos silve que vocatur Eselerwalt schenkte.858 Wie erwähnt, gehörte zum Forst Heit Kulturland, als Konrad II. ihn dem Erzstift verbriefte. Der Salzburger Erzbischof hatte aber bereits in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts Besitz im Bereich des Forstes Heit erworben.859 Der Forst wird in diesem Zusammenhang bereits 931 erstmals namentlich erwähnt.860 Daneben verfügte im 12. Jahrhundert das Kloster St. Peter in Salzburg über Besitz im Untersuchungsgebiet 861 und erhielt dort auch einige Besitzungen geschenkt.862 Es gibt keine sicheren Anhaltspunkte für die Ausdehnung des Forstes, so daß es offen bleiben muß, ob der eben erwähnte fremde Besitz im Forst selbst lag. Da das Erzstift dort bereits vor der Forstschenkung begütert war und der Forst selbst Kulturland umfaßte, ist nicht mehr feststellbar, ob und in welchem Umfang das Erzstift im Forst rodete. Der erzstiftische Besitz, der um 1200 im Eigelwald belegt ist und zwei curtes decimales und 87 mansi umfaßte,863 liefert somit keinen eindeutigen Hinweis auf eine Salzburger Rodungstätigkeit. Der Eigelwald gehörte zu den Salzburger Waldungen um Mühldorf, die noch im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit eine wichtige Rolle als Holzlieferant und Weidefläche spielten und auch für die Jagd genutzt wurden.864

855 D H III 246, D H IV 4. 856 D Ko II 104: forestum Heit nominatum in loco, ubi aqua Merina idem forestum perfluit, ac sie in sursum per eandem aquam in comitatu autem Cbadalhobi et Ozini situm. Das in Frage kommende Gebiet ist markiert in der Karte, die Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Ens [!] nach S. 661 gibt. 857 Vorbemerkung des Herausgebers zu UB Salzburg, 2, S. 127-29, Nr. 73; Stahleder, Mühldorf am Inn, S. 76; Krausen, Zur Geschichte des Salzburger Waldbesitzes, S. 396, Anm. 4; Klein, Die ältesten urbarialen Aufzeichnungen des Erzstifts Salzburg, S. 177, Nr. 19, Anm. 1. 858 UB Salzburg, 2, S. 308-310, Nr. 210. 859 UB Salzburg, 1, S. 108f., N r . 45, S. 140f„ Nr. 79, S. 145-47., Nr. 84. 860 UB Salzburg, 1, S. 145-47, N r . 84, bes. S. 147. Der Forst wird nochmals zwischen 1041 und 1060 namentlich genannt, im Zusammenhang mit einem Tausch von Besitz, der beim Forst lag: ebd., S. 234f., Nr. 8. 861 UB Salzburg, 1, S. 514, 517f. 862 Ebd., S. 359f., Nr. 204, S. 383, Nr. 249, S. 384, Nr. 252, S. 385, N r . 253, S. 412, Nr. 294, S. 474, Nr. 407. 863 Klein, Die ältesten urbarialen Aufzeichnungen des Erzstifts Salzburg, S. 177. 864 Krausen, Zur Geschichte des Salzburger Waldbesitzes; Wagner, Salzburger Waldbesitz um Mühldorf.

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Die einzelnen Forste

62. Der Forst Hesilinestuda Den Forst Hesilinestuda erhielt das Erzstift Salzburg 1027 zusammen mit dem Forst Heit von Konrad II.; die Verleihungsurkunde ist zwei Tage später datiert.865 Wie der Forst Heit umfaßte der Hesilinestuda auch Kulturland und anderes Zubehör; die Urkunde nennt unter anderem Wiesen und Weiden. 6 6 Der Forst Hesilinestuda stammte ebenfalls aus der Schenkung der Kunigunde, die im letzten Abschnitt erörtert wurde. Dort wurde auch der vermutliche Grund dafür angesprochen, daß die Forstverleihung von Konrad II. wiederholt wurde. Mit dem Forst Heit verbinden den Hesilinestuda noch weitere Gemeinsamkeiten. So dürfte für ihn ebenfalls gelten, was oben über die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Nutzung der Salzburger Wälder bei Mühldorf gesagt wurde. Ebenso scheint der Hesilinestuda, ähnlich wie der Forst Heit, im Laufe der Zeit den Namen abgelegt zu haben, unter dem er bei der Verleihung im Jahr 1027 erscheint. Zwar soll gegen Ende des vorigen Jahrhunderts noch eine Nachricht über einen ,Haselstauden' genannten Forst in „einer Beschreibung in der Bibliothek des Klosters St. Peter v. J. 1594" zu finden gewesen sein.867 Dieser Feststellung folgen jedoch keine näheren Angaben zu der fraglichen Quelle und ihrer Aussage.868 Der Forst Hesilinestuda ist nicht mehr eindeutig zu lokalisieren. Als seine Grenzpunkte nennt die Verleihungsurkunde zwei Orte namens Garza und ein Pikkilinstein. Mit Garza könnten jeweils Gars, Mittergars oder Grafengars gemeint sein, während Pikkilinstein nicht mehr identifizierbar ist.869 Der Forst soll mit dem Garser Wald identisch sein,870 dessen dritten Teil Erzbischof Konrad I. 1131 dem Kloster Au am Inn übertrug. 871 1136/37 erhielt die Stiftskirche St. Maria und Radegund zu Gars vom Erzbischof den Novalzehnten des Garser Forstes (Garzensis foresti inter Bramberch et Holinstein).'72 Da 1131 von einem Garser Wald die Rede ist (terciam partem silve que vocatur Garzenvvald), dürfte forestum hier ein Synonym für Silva sein. Es spricht aber wohl nichts dagegen, diesen Wald zumindest als Teil des Forstes Hesilinestuda zu betrachten; der Forst und der Wald nahmen anschei-

865 866 867 868 869

DKoII105. Ebd. Hesilinestuda heißt,Haselstaude': vgl. Stahleder, Mühldorf am Inn, S. 76. Im-Hof, Beiträge zur Geschichte des salzburgischen Jagdwesens (1886), S. 151. D Ko II 105. Vgl. UB Salzburg, 2, S. 133, Vorbemerkung zu Nr. 76; Burkard, Landgerichte Wasserburg und Kling, S. 36 mit Anm. 41, S. 67. Stahleder, Mühldorf am Inn, S. 76 identifiziert Pikkilinstein mit Steinbichl bei Wang am Ostufer des Inn, was aber nicht gesichert scheint. 870 UB Salzburg, 2, S. 133, Vorbemerkung zu Nr. 76; Burkard, Landgerichte Wasserburg und Kling, S. 36. 871 UB Salzburg, 2, S. 222f., Nr. 146. 872 UB Salzburg, 2, S. 247f„ Nr. 166; vgl. UB Gars, S. 85.

Salzburg

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nend zumindest teilweise denselben Raum ein. So dürfte das Bramberch der Schenkung von 1136/37 im Namen der Flur Bromberg überlebt haben. Sie liegt zwischen Mittergars und Grafengars,873 also jenen zwei Orten, von denen zumindest einer höchstwahrscheinlich auch den Forst Hesilinestuda begrenzte. Somit liefert die Urkunde von 1136/37 einen eindeutigen Hinweis darauf, daß im Forst Hesilinestuda später gerodet wurde.

63. Der Forst an der Salzach Das Erzstift erhielt 1027 noch eine weitere Forsturkunde von Konrad II.,874 die einen Forst auf beiden Ufern der Salzach betraf.875 In ihr heißt es, daß der Forst verliehen bzw. bestätigt worden sei.876 Wenn von einer Bestätigung die Rede ist, dann dürfte das insofern nicht unberechtigt sein, als das Erzstift schon im späten 8. Jahrhundert über Forste an der Salzach verfügte, die von ihrer Ausdehnung her dem Forst von 1027 entsprechen. Bei den Forsten des 8. Jahrhunderts handelte es sich einmal um ein Gebiet, in dem das Erzstift sich die Jagd und die Fischerei vorbehielt,877 und um einen Bezirk, der lediglich als Forst bezeichnet wird.878 Der erste Forst wird als Wildbann bezeichnet werden können, der zweite dürfte ebenfalls ein Wildbann oder zumindest ein Bannwald gewesen sein. Das ergibt sich daraus, daß das Forstgebiet erst zum Forst werden mußte,87 also von sich aus keiner war. Es mußte offensichtlich noch ein künstliches Merkmal hinzukommen, damit die betreffende

873 U B Gars, S. 83, N r . 2. 874 D K 0 I I I O 8 . 875 Ebd.: forestum, quod est situm ab ecclesia sancii Martini, quae est in monte ubi sanctimoniales sunt, contra Nocsten ex utraque parte fluminis Iuaris nominati usque in Quartinespahe rivulum. 876 E b d .-.forestum ... donavimus et nostra imperiali potentia confirmavimus. 877 U B Salzburg, 1, S. 26 und U B Salzburg, 2, S. A7: Item de isto flumine quod vocatur Salzaha, de ilia petra que respicit contra ecclesiam sancti Martini, que sita est in castro Iuuauensi, nulli liceret sine licentia huius sedis episcopi piscationem habere vel castores apprehendere sive ullam exercere venationem, nisi tantum uno piscatori dominico. D e r hier erwähnte Felsen ist möglicherweise nicht mit dem in der Forsturkunde von 1027 genannten Nockstein identisch: Klein, Nockstein. Bei den beiden zitierten Quellen handelt es sich um die sogenannte Notitia Arnonis, die vor 790 entstand und die B r e ves Notitiae, die nach 798 niedergeschrieben wurden. Hierzu Haupt, Zur Sprache frühmittelalterlicher Güterverzeichnisse, S. 34f.; zur Sache vgl. auch Wolfram, D i e Notitia Arnonis. 878 U B Salzburg, 1, S. 26, U B Salzburg, 2, S. A7: Item de loco, qui vocatur Scratinpach, ex utraque parte supradicti fluminis in forste [!] pleniter fieri ad istam sanctam dei ecclesiam sursum, ubi Swarzaha exoritur, et sic usque ad ilium locum qui vocatur Purch. Zu den genannten Ortlichkeiten vgl. Richter, Immunität, Landeshoheit und Waldschenkungen, S. 5 5 - 5 7 . 879 D i e Formulierung lautet: in forste pleniter fieri-, vgl. die vorige A n m .

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Die einzelnen Forste

Gegend die Forstqualität erhielt. Damit dürfte es auszuschließen sein, daß der Forst einfach nur ein Wald war. Auch der zweite Forst aus dem 8. Jahrhundert zeichnete sich somit durch einen Sonderstatus aus, also wohl einen Nutzungsvorbehalt ähnlich dem eines Wildbanns. Die beiden Forste des 8. Jahrhunderts berühren sich so in verschiedener Hinsicht mit dem Forst von 1027. Beim Wildbann ergibt sich der Zusammenhang daraus, daß der Forst von 1027 cum venationibus et piscationibus verliehen wurde. Der zweite frühmittelalterliche Forst entspricht dem von 1027 zumindest begrifflich, da beide nur als Forst bezeichnet werden. Eine weitere auffällige Ubereinstimmung besteht schließlich in der Abgrenzung der drei Forste.880 Wenn die Gegenstücke des jüngeren Forstes im wesentlichen Banngebiete waren, liegt der Schluß nahe, daß auch der Forst von 1027 nichts anderes war. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte 1027 keine Gebietsschenkung erfolgt sein; vielmehr handelt es sich wohl lediglich um die Bestätigung eines älteren Wildbanns. Dafür spricht noch ein weiteres Indiz. In den Forstgrenzen von 1027 wird dem Erzstift auch in anderen Urkunden die Jagd und der Fischfang bestätigt, ohne daß überhaupt von einem Forst die Rede wäre. Die Bestätigung findet sich in der gefälschten Bestätigungsurkunde Arnulfs; die erste im Original erhaltene und unanfechtbare Urkunde, die den Passus enthält, ist ein Privileg Heinrichs III. von 1051.881 Dieselbe Uberlieferung teilen im übrigen weitere Forste, die in der gefälschten Arnulfurkunde genannt werden und hier daher nicht berücksichtigt zu werden brauchen. Die erwähnten Bestätigungsurkunden nennen in den Grenzen von 1027 neben der Jagd auch curtes.m Von der Unsicherheit der Uberlieferung einmal ganz abgesehen, muß das aber noch lange nicht heißen, daß dem Erzbischof alle Höfe verliehen worden waren, die im fraglichen Gebiet lagen, oder daß das gesamte Forstgebiet dem Erzbischof gehörte. Eine solche Annahme dürfte zudem schon deswegen nicht sehr plausibel sein, weil bereits lange vor der Forstverleihung verschiedene weltliche Grund880 Vgl. die Grenzbeschreibungen in den vorstehenden Zitaten. Die Übereinstimmungen sind im Fall des älteren Forstes nur weniger offensichtlich. 881 D H III 260. Erwiesene Fälschungen oder nicht beweiskräftig, da nicht im Original erhalten, sind nach Koller, König Arnolfs großes Privileg für Salzburg, D Arn 184; D O II 165; D O III 1. Der hier interessierende Passus lautet: Renovamus ... primitus castellum sancte Erentrudis cum omnibus ad idem castellum ... pertinentibus, cum curtibus venationibus piscationibus, id est ab ecclesia sancti Martini que respitit contra monticulum qui vulgo Nochstein nuncupatur, sursum ex utraque parte ßuminis Iuaris nominati usque in rivulum Quartinispach (zitiert nach D O III 1). Vgl. die Grenzbeschreibung der Forsturkunde D Ko II 108. An das erwähnte Jagdgebiet an der Salzach schließt sich noch ein weiteres an: insuper etiam de ipso rivulo venacionem piscationemque ex utraque parte prenotati fluminis ad sanctum Maximilianum usque dum Tuontina ex aquilonali parte fluit in predictum flumen atque rivulus Gastuna ex australiparte (zitiert nach D O III 1). 882 Vgl. das Zitat in der vorigen Anm.

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herren im Forstgebiet begütert waren. 883 Es gibt keine Hinweise darauf, daß sie in irgendeiner Weise vom Erzstift abhängig waren. Somit kann man nicht davon ausgehen, daß die Salzburger Forste, die es ja schon seit dem 8. Jahrhundert gegeben haben dürfte, den Erzbischof zum Besitzer des gesamten eingeforsteten Landes gemacht hatten. Selbstverständlich lag im Forst auch umfangreicher Besitz des Erzstiftes, 884 aber angesichts der räumlichen Nähe zum Bischofssitz verlangt das nicht nach einer besonderen Erklärung, die nur der Forst geben könnte. Der erzstiftische Besitz im Forstgebiet war zum Gutteil ebenfalls weit älter als die Forstverleihung von 1027, 885 muß also nicht auf sie zurückgeführt werden. Ein interessantes Indiz für den Umfang, in dem das Erzstift am Ausbau im Untersuchungsgebiet beteiligt war, liefern die sogenannten Schwaigen. Bei ihnen handelt es sich um Höfe, die auf die Milchviehhaltung spezialisiert waren 886 und die schon im Zusammenhang mit dem Brixner Forst im Lüsental begegnet sind. Schwaigen „können geradezu als Leitfossilien für die Siedlungstätigkeit des 12. Jahrhunderts betrachtet werden." 887 Es ist daher bezeichnend, daß die ältesten urbarialen Aufzeichnungen des Erzstiftes von etwa 1200 im Untersuchungsgebiet nur zwei Schwaigen ausweisen. Das läßt nicht gerade darauf schließen, daß das Erzstift während des Hochmittelalters eine wichtige Rolle als Rodungsträger im Forstgebiet spielte.889 Dieselbe Quelle führt auch die Abgaben auf, die im Forstamt erhoben wurden, das offensichtlich der Forstorganisation diente, dessen Zuständigkeitsbereich aber hauptsächlich südlich des Forstgebietes von 1027 lag. Im Forstamt herrschen Abgaben vor, die mit der Jagd im Zusammenhang stehen; dazu zählen Marderfelle, Wolfsangeln und Hörner von Steinböcken. 890 Das ist ein Beleg für die Bedeutung, die der Jagd im Untersuchungsgebiet zukam. Der Salzburger Forst an der Salzach mag mindestens bis ins 13. Jahrhundert Bestand gehabt haben. Zumindest ist im Jahr 1224 ein erzbischöflicher Forst belegt, bei dem es sich offenbar nicht einfach um einen Wald handelte, son-

883 U B Salzburg, 1, S. 147-50, N r . 85, S. 207, N r . 35 ( 9 9 1 - 1 0 2 3 ) , S. 612f., N r . 56 (1147); U B Salzburg, 2, S. 640, N r . 473 (1190). 884 U B Salzburg, 1, S. 1 2 2 - 2 4 , N r . 61, S. 207, N r . 35, S. 3 5 1 - 5 3 , N r . 193, S. 494, N r . 444, U B Salzburg, 2, S. 6 9 4 - 7 0 0 , N r . 515, bes. S. 698, U B Salzburg, 3, S. 556, Nr. 1004. 885 U B Salzburg, 1, S. 5f., 23, 3 1 - 3 3 ; S. 122-24, N r . 61, bes. S. 123. 886 Für das Untersuchungsgebiet besonders Klein, Uber Schwaigen im Salzburgischen und neuerdings Pacher, Die Schwaighofkolonisation im Alpenraum, bes. S. 11 f., 2 7 32. 887 Klein, Besiedlung im Mittelalter, S. 16; Pacher, Die Schwaighofkolonisation im Alpenraum, bes. S. 2 7 - 3 2 . 888

Klein, Die ältesten urbarialen Aufzeichnungen, S. 1 7 0 - 7 2 ; vgl. die Faltkarte im A n hang von Pacher, Die Schwaighofkolonisation im Alpenraum. 889 Die ältesten urbarialen Aufzeichnungen weisen für das A m t Kuchl neben einer Schwaige auch Neureute aus: ebd. 890 Ebd., S. 168.

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dern der w i e der Forst von 1027 ein Banngebiet gewesen sein dürfte. Das läßt sich vermuten, weil im Forst ein Wäldchen des Domkapitels liegen konnte, das dem Erzbischof übertragen wurde. 891 Der Forst w a r also wohl keine topographische Größe, sondern eine Qualität, die das Gebiet auszeichnete, in dem der W a l d des Domkapitels lag. Die besondere Qualität dürfte darin bestanden haben, daß dort der erzbischöfliche Forstbann galt. Die Annahme, daß der Forst mit dem von 1027 identisch ist, w i r d durch seine Lage gestützt. Das Wäldchen des Domkapitels w u r d e im Rahmen eines Ausgleichs abgetreten, bei dem es um einen Wald bei Glanhofen ging. 892 Glanhofen lag knapp nordwestlich des Salzburger Forstgebietes von 1027. W e n n sich nun der W a l d des Domkapitels im ,oberen' Teil des erzbischöflichen Forstes (in superiori parte foresti nostri) befand, 893 so liegt es nahe, dabei an das nördliche Ende des Forstes an der Salzach zu denken. Im 12. und im frühen 13. Jahrhundert werden noch weitere erzbischöfliche Forste in der Nähe der Salzach genannt. Anders als beim Forst von 1224 könnte in diesen Fällen ,Forst' jedoch als S y n o n y m für ,Wald' stehen.894 Da der Forst von 1027 ein Nutzungsgebiet bzw. ein Wildbann gewesen sein dürfte, der unabhängig von der Landschaftsform bestand, können solche Beispiele nicht einfach mit ihm in Verbindung gebracht werden. Daß zwischen Waldbesitz und Wildbann unterschieden werden muß, zeigt gerade ein Salzburger Beispiel in aller wünschenswerten Deutlichkeit. 1139 übereignete der Erzbischof einen Wald, behielt sich aber ausdrücklich die Jagd und den Fischfang dort vor, also genau jene Nutzungen, die höchstwahrscheinlich auch unter den Wildbann von 1027 und seine Vorgänger fielen. Es handelte sich u m einen Wald, der zwischen dem Schwarzbach und dem Torenner Bach lag,895 also knapp südlich des eigentlichen Forstbezirks von 1027. Ein großer Teil des westlichen Salzachufers w a r übrigens in die große Waldschenkung einbezogen, die Graf Berengar von Sulzbach 1124/25 dem Stift Berchtesgaden z u k o m m e n ließ. 8,6 Nach der Bestätigungsurkunde Friedrichs I. waren in Berengars Schenkung auch sämtliche Nutzungen des Waldes, unter anderem Jagd und Fischerei, eingeschlossen. 897 Es mag daher sein, daß der Erzbischof westlich der Salzach nicht der unangefochtene Wild-

891 UB Salzburg, 3, S. 321, Nr. 793: nos ... et capitulum nostrum de quadam ap(ud) Glanhouen silva litigaremus ... liti cessimus ius ... recepta tarnen ab eis quadam silvula in superiori parte foresti nostri, que ad ipsos pertinebat in recopensationem [!]. 892 Ebd. 893 Ebd. 894 UB Salzburg, 1, S. 477, Nr. 412; UB Salzburg, 3, S. 90f„ Nr. 602, S. 130f., Nr. 631. 895 UB Salzburg, 2, S. 277f., Nr. 193. 896 UB Salzburg, 2, S. 198-200, Nr. 130. Zur Ausdehnung des betroffenen Gebietes siehe die Karte in Geschichte von Berchtesgaden, 1, S. 317. Zur Schenkung vgl. auch ebd., S. 204-6, 286; Bosl, Forsthoheit, S. 460-70, 472-75. 897 D F I 140: cum venationibus, piscationibus, pascuis et omni iure foresti.

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bannherr blieb. Das Beispiel von 1224 deutet jedoch darauf hin, daß er in anderen Teilen des Forstgebietes seine Stellung mindestens bis ins 13. Jahrhundert behaupten konnte.

64. Der Wildbann am Inn Die Salzburger Kammerbücher des frühen 13. Jahrhunderts enthalten den Auszug aus einer Bestätigungsurkunde Konrads II. von 1030, dem zufolge Konrad einen bannum bestiarum bestätigte.898 Da immerhin sieben Grenzpunkte genannt werden,899 ist es möglich, die Ausmaße hinlänglich zu rekonstruieren. Im Forstgebiet waren schon vor der Bestätigung des Wildbanns verschiedene Grundherren begütert. Zu ihnen zählen neben dem Erzstift die Klöster Au und Herrenchiemsee und weltliche Besitzer.900 Es gibt keine Hinweise darauf, daß ein Zusammenhang zwischen diesem Besitz und dem Wildbann bestand. Ebenso erscheint es fraglich, ob dem Wildbann noch eine praktische Bedeutung zukam, als der Auszug angefertigt wurde. Aus dem Eintrag läßt sich erschließen, daß die Originalurkunde schlecht erhalten war.901 Das könnte darauf zurückgehen, daß die Urkunde nicht mit der gleichen Sorgfalt behandelt wurde wie ein wichtigeres Diplom. Zudem spricht der Auszug vom Wildbann sehr unbestimmt als von quendam bestialem bannum?01 Man hat daher nicht den Eindruck, daß der Schreiber des Eintrags den Wildbann mit einer bestimmten Einrichtung in Verbindung brachte, die immer noch genutzt wurde. Das kann jedoch selbstverständlich nur eine Vermutung sein. Nach dem Auszug bestätigte Konrad II. einen Bann iuris sui;m es mag sich mithin um einen ursprünglich königlichen Wildbann gehandelt haben.

65. Der Wildbann an der Traun Die letzte bekannte Forstverleihung für das Erzstift Salzburg stammt von 1048.904 Sie betraf einen Forst (forestum), der östlich der (Weißen) Traun lag 898 D K o II 149. 899 Zu deren Identifizierung vgl. auch das Register des U B Salzburg, 3, s. w . 900 Salzburg: U B Salzburg, 1, S. 108f., N r . 45 (ca. 927); U B Salzburg, 2, S. 228, N r . 151 ( 1 1 3 2 - 1 1 4 7 ) ; D Kun 3 (1025). Kloster Au: U B Salzburg, 2, S. 228, N r . 151 ( 1 1 3 2 1147). Kloster Herrenchiemsee: U B Salzburg, 3, S. 62, N r . 582 (zu 1205). Andere: U B Salzburg, 1, S. 226, N r . 34, ( 1 0 2 5 - 1 0 4 1 ) , S. 269, Nr. 34a ( 9 8 7 - 1 0 2 5 ) , S. 739, N r . 320 (ca. 1214), U B Salzburg, 2, S. 193f. ( N r . 126 (1123). 901 Vgl. die Vorbemerkung zu U B Salzburg, 2, S. 134, N r . 78. 902 D K o II 149. 903 Ebd. 904 D H i l l 213.

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und dessen Nordgrenze durch den Waginger See verlief.905 Neben einem Jagdverbot für Unbefugte enthält die Urkunde auch eine Konsensformel mit achtzehn Namen; beides weist den Forst als Wildbann aus. Im vorliegenden Fall spricht alles dagegen, daß der Wildbann irgendeinen Einfluß auf die Rodung im Forstgebiet ausübte. Bereits vor der Wildbannverleihung vertauschte Erzbischof Thietmar (1025-1041) Kirchengut am Strußberg bei Neukirchen cum ... mensura et communione ... adiacentis silve novalibus capiendis gegen anderen Besitz in der Nachbarschaft ebenfalls cum omni communione adiacentis silvae novalibus pro voluntate capiendis.906 Hier wird ein Waldstück, das zur Rodung gedacht war, gegen ein gleichartiges zweites getauscht. Wenn Rodungsland zum Tauschobjekt werden konnte, dürfte es nicht einfach möglich gewesen sein, an jeder beliebigen Stelle zu roden. Vielmehr hat es den Anschein, daß die Rodung an bestimmte Anspruchsgebiete gebunden war, also schon zur Zeit der Forstverleihung gewissen Einschränkungen unterlag. Einen Grund dafür deutet ebenfalls der erwähnte Tausch an. Der Erzbischof und sein Vertragspartner trugen sich anscheinend beide mit Rodungsabsichten, mit der notwendigen Konsequenz, daß eine gewisse Nachfrage an Rodungsland bestand. Sie mag dadurch erhöht worden sein, daß potentielles Rodungsland nur in einem beschränkten Umfang zur Verfügung stand, weil es bereits anderweitig genutzt wurde. So läßt die Tauschurkunde daran denken, daß die getauschten Waldgebiete zumindest von ihrem Wesen her Nutzland waren, denn sie werden als communio bezeichnet, wie Land, das gemeinschaftlich genutzt wurde. Es dürfte höchst unwahrscheinlich sein, daß die Wildbannverleihung den Erzbischof bei der Rodung begünstigen sollte oder konnte, wenn das zu Lasten anderer Nutzer oder Rodungsträger ging. Schließlich konnte der Erzbischof nicht mit dem Einverständnis der Betroffenen rechnen, wenn er neben der Jagd auch die Rodung kontrollieren wollte. Der Konsens, auf den sich die Wildbannurkunde beruft, galt allein der Jagd.907 An der Rodung im Wildbanngebiet scheint das Erzstift denn 905 Ebd.: ... et per eundem rivum deorsum illuc, ubi lacum quendam Tacbinse dictum influii, et per eundem lacum deorsum usque ad ecclesiam Petingun dictam. Der Verlauf der Grenze durch den Tachinger bzw. Waginger See ist in der Karte Strnadts in Ders., Das Gebiet zwischen der Traun und der Ens, nach S. 661 berücksichtigt, nicht in Heitmeiers Karte in Dies., Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 650, Karte 8. 906 UB Salzburg, 1, S. 219f., Nr. 17; vgl. Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 641. 907 Vgl. D H III 213: forestum ... in comitatu Otacchari situm, ipso vero Otaccharo ... ceterisque omnibus ibidem predia circumquaque id ipsum forestum attingentia sive aliquid communionis in eo habentibus voluntario consensu conlaudantibus ... ad altare sancii Petri apostoli et sancii Rotberti Salzburgensis ecclesiae tradidimus ... ut nullus preter licentiam prefati archiepiscopi vel successorum eius in predicto foresto cervos vel cervas capreas apros seu quodlibet genus ferarum sub banni lege iure publicandum canibus venari arcuque figere, plagis laqueis pedicis aut qualibet venatoriae artis indù-

Salzburg

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auch kaum beteiligt gewesen zu sein.908 Über die Salzburger Kirche als Rodungsträger im Untersuchungsgebiet ist gesagt worden, daß „ihr geringer und später Anteil am Siedlungsausbau bemerkenswert" ist.909 Besonders spärlich sind die Anzeichen für eine erzbischöfliche Rodungstätigkeit. Es sind im Forstgebiet lediglich einige spätmittelalterliche Rodungen des Domkapitels feststellbar. Selbst sie sind als Zurodungen zu Siedlungen einzustufen, die bereits bestanden. Die Ortschaften, die so erweitert wurden, dürften wiederum zumindest teilweise aus der Grundherrschaft des Herzogs stammen, der Vogt des Domkapitels war.910 Im Forstgebiet waren auch Salzburger Ministerialen begütert, 1 ohne daß ein Zusammenhang zwischen deren Besitz und dem Wildbann erkennbar wäre.912 Dafür sind andere, nicht-salzburgische Rodungsträger im Wildbanngebiet nachweisbar, die man unter der Prämisse, daß die Rodung dem Erzstift vorbehalten war, dort nicht vermuten würde. 1 So rodeten die Klöster Baumburg und St. Zeno in Reichenhall im Forstgebiet. 1 Darüber hinaus ist eine Ausbautätigkeit, die mit dem bayerischen Herzog und Adel in Verbindung gebracht werden kann, bereits aus dem 8. Jahrhundert bekannt.915 Einen Beleg dafür, daß das Erzstift die Nutzungen, die unter den Forst fielen, auch in späterer Zeit noch ausübte, bieten die ältesten urbarialen Aufzeichnungen des Erzstiftes von ca. 1177-1216. Sie führen für das Amt Waging zwei sagene, Fischfangquoten auf dem Waginger See, auf. 16 Da die Forstgrenze durch den See verlaufen sollte, muß auch der Fischfang unter den Wildbann gefallen sein. Im Zusammenhang mit dem Wildbann von 1048

Stria capere vel decipere presumat. Es stimmten also auch die Personen zu, die über eine Mitnutzung (communio) im Forst verfügten, wie sie auch bei der im Text erwähnten Transaktion vertauscht wurde. Dies unterstreicht, daß zur Zeit der Verleihung schon verschiedene Nutzungen im Forstgebiet vorgenommen worden sein müssen, nur war es eben lediglich die Jagd, über die mit der Wildbannverleihung eine bestimmte Verfügung getroffen wurde, nicht etwa die Rodung. 908 Zur Bewaldung vgl. Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 622; Reindel-Schedl, Laufen an der Salzach, S. 108. 909 Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 642. Vgl. Dies., „Ob spem interne salutis", S. 97. 910 Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 640f., S. 653, Karte 11; vgl. Reindel-Schedl, Laufen an der Salzach, S. 110. 911 Reindel-Schedl, Laufen an der Salzach, S. 110-114; Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 641f. Vgl. U B Salzburg, 1, S. 430, Nr. 327, S. 441, Nr. 349, S. 443, Nr. 353, S. 450, Nr. 364, S. 468, Nr. 394a, S. 566, N r . 662a, S. 603, N r . 37, S. 662, Nr. 165, S. 709f„ Nr. 265, S. 722, Nr. 288, S. 724f„ Nr. 292b; U B Salzburg, 2, S. 670-75, Nr. 497, bes. S. 672; U B Salzburg, 3, S. 89, N r . 601. 912 Vgl. Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 641. 913 So bereits Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 638. 914 Ebd., S. 638f. 915 Ebd., S. 625-28, 6 3 2 - 3 7 mit Karte 9. 916 Klein, Die ältesten urbarialen Aufzeichnungen, S. 176; vgl. ebd., S. 151 zu den sagene.

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darf ein Forst nicht unerwähnt bleiben, den das Salzburger Domkapitel zusammen mit anderem Besitz im locus Grabanastat erhalten hatte. Die Güter hatte Graf Hartwig übereignet, der sie von Graf Warmunt erhalten hatte; die Schenkung wurde 959 von Otto I. bestätigt."7 Uber den Forst heißt es lediglich, daß er ad flumen Truna lag; man darf aber vermuten, daß er sich westlich der Traun, also außerhalb des Wildbanns von 1048 befand.918 Was den Forst des Domkapitels hier so interessant macht, ist eine Fälschung der Urkunde Ottos I., die vom Ende des 11. Jahrhunderts stammt. Sie spricht dem Forst - neben weiteren Änderungen gegenüber dem Original - eine Grenze zu, die teilweise auf das Wildbanngebiet übergreift.920 Darüber hinaus enthält die Fälschung die Bestimmung, daß innerhalb dieser Grenze niemand roden oder ansässig sein soll außer den coloni des Domkapitels.921 Die Fälschung entstand offenbar zu dem Zweck, den möglichen Ansprüchen zuvorzukommen, die der örtliche Adel, besonders die Sighardinger, auf das Schenkungsgut des 10. Jahrhunderts geltend machen konnte. Die Wirren des späten 11. Jahrhunderts hätten solchen Ansprüchen verstärkte Zugriffsmöglichkeiten geboten.922 Es ging also nicht darum, Interessen des Domkapitels gegenüber dem Erzbischof abzustecken, wie man früher vermutete.923 Folglich ist es auch nicht möglich, aus den Bestimmungen der Fälschung ex negativo herauszulesen, was der Erzbischof aufgrund des Wildbanns als seine Zuständigkeit beanspruchte. Die Fälschung erlaubt es also nicht, die Rodung mit dem Wildbann in Verbindung zu bringen. Im Gegenteil wird deutlich, daß das Domkapitel möglicherweise auch im Wildbanngebiet Rodungsabsichten verfolgte. Das deckt sich mit der bereits erwähnten Beobachtung, daß dort in späterer Zeit Neureute des Domkapitels belegt sind.924

66. Speyer Die Speyerer Bischofskirche erhielt im Jahr 1056 von Heinrich III. den Hof Bruchsal mit dem Forst Lußhardt.925 Es handelte sich dabei offenbar um eine 917 D O I 202, auch gedruckt von Heitmeier, „Ob spem interne salutis", S. 113f., Nr. 1, die auch zum ganzen Vorgang zu vergleichen ist. 918 Heitmeier, Ortsnameninterpretation und Siedlungsgeschichte, S. 620-23; Dies., „Ob spem interne salutis", S. 94; Dülmen, Traunstein, S. 16. 919 D O I 441, auch gedruckt von Heitmeier, „Ob spem interne salutis", S. 114f., Nr. 2. 920 Heitmeier, „Ob spem interne salutis", S. 96f. 921 D O I 441: eo tenore ut infra supradictos terminos nullus habeat licentiam habitandi vel extirpandi vel novalia excolendi nisipraenominatorum fratrum coloni. 922 Heitmeier, „Ob spem interne salutis", S. 98-112. 923 Vgl. ebd., S. 91, 98 und Dülmen, Traunstein, S. 16. 924 Vgl. Heitmeier, „Ob spem interne salutis", S. 97. 925 D H III 370 (nur kopial überliefert). Zur Vorgeschichte des Hofes Bruchsal vgl. Trautz, Das untere Neckarland im früheren Mittelalter, S. 67f.

Speyer

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Forstschenkung, die nicht nur den Wildbann, sondern einen königlichen Bannwald umfaßte. Der Forst Lußhardt befand sich vom Zeitpunkt der Schenkung bis 1803 praktisch ununterbrochen im Besitz des Speyerer Hochstifts,926 was zum Ausdruck bringt, daß die Forstverleihung einer Landschenkung gleichkam. In die gleiche Richtung weist der Umstand, daß der Wildbann als Nutzungsvorbehalt getrennt vom Forst als Waldgebiet behandelt werden konnte. So sah sich der Bischof im Jahr 1462 gezwungen, den Wildbann in der Lußhardt dem Pfalzgrafen bei Rhein zu verpfänden. 927 Dagegen dürfte über Waldbesitz verfügt worden sein, als Bischof Raban der Stadt Bruchsal 1434 die südlichen Teile der Lußhardt verpfändete, bestehend aus dem sogenannten Kammerforst und der Büchenauer Hardt. 928 Es spricht also alles dafür, daß dem Hochstift mit der Lußhardt nicht nur ein Wildbann verliehen, sondern das ganze Forstgebiet geschenkt wurde. Ein Waldgebiet ist der als Lußhardt bezeichnete Bereich heute noch, und auf den Wald Lußhardt bezieht sich auch eine bischöfliche Waldordnung von 1439.929 Diese Waldordnung schenkt dem Bezug von Bau- und Brennholz aus der Lußhardt sowie der Weide im Wald besondere Aufmerksamkeit. Erklärtes Ziel war es dabei, einer Schädigung des Waldbestandes entgegenzuwirken. 930 Daran zeigt es sich, daß die Rodung bei weitem nicht der einzige Nutzen war, den man aus der Lußhardt zog.931

926 Hausrath, Forstgeschichte der rechtsrheinischen Theile des ehemaligen Bisthums Speyer, S. 6. 927 Ebd., S. 6f.; vgl. UB Speyer, 2, S. 314-17, Nr. 169, bes. S. 315. 928 Hausrath, Forstgeschichte der rechtsrheinischen Theile des ehemaligen Bisthums Speyer, S. 8. Zur neuzeitlichen Ausdehnung der Lußhardt - ihr Umfang zum Zeitpunkt der Schenkung von 1056 liegt aufgrund des Fehlens einer Grenzbeschreibung im Dunkeln - vgl. die Faltkarte im Anhang dieses Werkes. 929 Gedruckt ebd., S. 155-58. 930 Ebd.: Wir Reinhard von gots gnaden Biscboff zu Spier Bekennen und tun kunt offenbar mit diesem brieff als uns furkomen ist und auch einsteils selbs gesehen haben das unser walde genant der Lusshart und da umb gelegen vast geschedigt und in abegangk kommen sint beyds von wetter und auch von abegehauwen holtzens rutens und weydeganges wegen und ist ein notdurft nach dem die selben weide unserm Stiefft vast nutzbar sint und gross daran ligt haben wir betrachte ... wie solichs Scheden und abegende der weide nach menschlichen Dingen zufürkommen weren und konden ... nit bessers finden das die weide bliben und gehanthabt werden dann in der mass als hernach geschrieben stet (S. 155f.). 931 Die nicht zu unterschätzende Bedeutung, die die Lußhardt als Weideland besaß, geht beispielsweise daraus hervor, daß 1437 „eine Zahl von mindestens 43 000 Schweinen genannt" wird, „die die Bauern der umliegenden Dörfer in den Lußhartwald treiben" (Epperlein, Waldnutzung und Waldstreitigkeiten, S. 77; vgl. auch ebd., S. 77f. zu den Waldordnungen für die Lußhardt, die ihre Nutzung im einzelnen regelten). Im Hinblick auf die Rodung, die im Text im Anschluß behandelt wird, läßt sich aufgrund dieser Angabe schon sagen, daß ein Wald, der solche Anforderungen erfüllen konnte, wohl keinen größeren Rodungen ausgesetzt gewesen sein kann.

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Es bleibt zu fragen, inwieweit nun tatsächlich im Forst gerodet wurde. Schon die Tatsache, daß die Lußhardt bis in die Gegenwart überlebt hat, macht deutlich, daß die Rodung eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben dürfte. Auch die Ortschaften, die am Rande des heute Lußhardt genannten Waldgebietes liegen, lassen nicht eindeutig auf Rodungen in der Lußhardt von 1056 schließen, da deren genaue Ausdehnung unbekannt ist. Die fraglichen Siedlungen sind entweder bereits vor der Forstverleihung belegt932 oder zum großen Teil erst Jahrhunderte später.933 Selbst der vereinzelte Fall, daß der Speyerer Bischof aktiv die Gründung einer Siedlung in der Lußhardt (und zwar die Wiesentals) betrieb, indem er 80 Mansen zur Urbarmachung ausgab, ereignete sich erst 1297.934 Aus dem 15. Jahrhundert sind weitere Verleihungen von Waldland zum Zweck der Rodung bekannt.935 Es scheint ganz bezeichnend, daß ein größeres Rodungsunternehmen, das Bischof Raban im frühen 15. Jahrhundert durchführen ließ, eine Reaktion auf widrige Umstände darstellte. Es wurden nämlich beiderseits des Saalbaches Bäume abgeholzt, die vom Hochwasser geschädigt worden waren. So entstand der Wiesenstreifen, der den sogenannten Kammerforst von der Lußhardt trennt.936 1063 erhielt das Hochstift eine Urkunde, die das Gebiet des Lußhardtforstes vergrößerte und es bis über den Rhein ausdehnte.937 Im Gegensatz zur Schenkung der Lußhardt enthält die Urkunde eine Grenzbeschreibung.938 Ebenfalls im Gegensatz zu der sieben Jahre älteren Forstverleihung handelte es sich bei dem Forst von 1063 ganz offensichtlich um einen Wildbann, denn sowohl für seinen rechtsrheinischen 4 als auch für seinen linksrheinischen Teil ist be932 Alt-Lußheim 946 (Trautz, Das untere Neckarland im früheren Mittelalter, S. 68f.; U B Stadt Speyer, S. 3 - 5 , Nr. 4); Ulstadt 816 (Hausrath, Forstgeschichte der rechtsrheinischen Theile des ehemaligen Bisthums Speyer, S. 158). 933 Nach Hausrath (ebd.) sind erstmals belegt: Karlsdorf (früher Altenbürg) 1334, Neuthard und Büchenau 1300, Forst 1 1 6 1 , Langenbrücken 1287, Kronau 1289, Hambrücken 1 1 6 1 , Kirlach 1234, St. Leon 1157, Roth 1140. Die Burg Kißlau wurde dem Bischof Heinrich II. im Jahre 1252 von König Wilhelm geschenkt: ebd.; vgl. U B Speyer, 1, S. 253f„ Nr. 273. 934 Hausrath, Forstgeschichte der rechtsrheinischen Theile des ehemaligen Bisthums Speyer, S. 12. 935 Ebd., S. 12f. 936 Ebd. 937 D H I V 100. 938 Zur Grenzbeschreibung vgl. Remling, Geschichte der Bischöfe zu Speyer, 1, S. 291 f; Trautz, Das untere Neckarland im früheren Mittelalter, S. 68. 939 So bereits Trautz, Das untere Neckarland im früheren Mittelalter, S. 69. 940 So liegt dort Hockenheim; dortiger Besitz wird schon im 8. Jahrhundert an Lorsch und später an Weißenburg geschenkt: Trautz, Das untere Neckarland im früheren Mittelalter, S. 68. Dort liegt auch die Schwetzinger Hardt, die später den Pfalzgrafen gehörte, und Hausrath erwähnt eine Tradition, nach der Hockenheim und andere ebenfalls dort gelegene Orte erst im Jahre 1104 von Bischof Johann an Speyer geschenkt worden sein sollen: Forstgeschichte der rechtsrheinischen Theile des ehemaligen Bisthums Speyer, S. 5f.

Straßburg

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reits früh nicht-speyrischer Besitz belegt.941 Das Schicksal des Wildbanns von 1063 ist weitgehend unbekannt. Sein rechtsrheinischer Anteil überdauerte jedenfalls nicht bis ins 14. Jahrhundert, da sich 1386 nicht nur der Grund und Boden, sondern auch der Wildbann der Schwetzinger Hardt, die zum Wildbanngebiet gehörte, im Besitz des Pfalzgrafen befand.

67. Straßburg 1017 erhielt die Straßburger Bischofskirche von Heinrich II. einen Forst mit dem ius foréstense.""1 Hinter dem ins forestense scheint sich nichts anderes zu verbergen als der Jagdvorbehalt, der für Wildbannverleihungen typisch ist. Jedenfalls läßt sich der Urkunde von 1017 nicht entnehmen, daß darunter noch etwas anderes zu verstehen ist. Nachdem von der Verleihung des ius die Rede ist, folgt ein Jagdverbot für Unbefugte.944 In der Folgezeit kam es zu einem Streit zwischen dem Straßburger Bischof und einem Grafen Heinrich, bei dem es um den Wildbann in einem Gebiet ging, das innerhalb der Wildbanngrenzen von 1017 lag. 1059 erfolgte unter Heinrich IV. eine Schlichtung; aus der Urkunde geht hervor, daß bereits Heinrich III. in der Sache geurteilt hatte.945 Die frühere Entscheidung scheint den Konflikt also nicht beigelegt zu haben. Der strittige Wildbann wurde dem Bischof 1059 unter der Bedingung

941 Trautz, Das untere Neckarland im früheren Mittelalter, S. 69. 942 Hausrath, Forstgeschichte der rechtsrheinischen Theile des ehemaligen Bisthums Speyer, S. 6. Zur Jagd im fraglichen Raum vgl. Keiper, Pfälzische Forst- und Jagdgeschichte, S. 209-15. 943 D H U 367: sedis Argentine ... episcopo ... forestem ... proprietavimus... Ius igitur forestense ei suisque successoribus... firmavimus. 944 Ebd.: Ius igitur forestense ei suisque successoribus nostrorum regum quoque et imperatorum more antecessorum nostrorum per bannum nostrum imperialem firmavimus, ita vero ut nullus ibi cervum vel cervam, ursum aut ursam, aprum vel lefam, capreos vel capreas sine licentia ipsius quoquo modo capiat. 945 D H IV 59 (die Urkunde ist nur kopial überliefert): Strazburgensis ecclesie episcopus Hecill celsitudinem nostram adiit rogans, ut litem, que inter illum comitemque Heinricum pro wiltbanno cuiusdam foresti sue ecclesie diu infinita habebat, imposito aliquo discretionis fine regali nostra maiestate sedaremus. Quapropter nos ... eiusdem episcopi peticioni satis fecimus eiusque rogatu annuimus, ut, sicut pater noster sua diligentia eandem litem determinaverit, ita nos nostra convenienti discretione determinavimus et perpetuo iure confirmavimus.

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Die einzelnen Forste

bestätigt, daß Graf Heinrich an seiner Nutzung beteiligt wurde.946 U m zu einer Einigung zu gelangen, konnte der ausschließliche Nutzungsvorbehalt zugunsten des Bischofs mithin nicht im vollen Umfang aufrechterhalten werden. Dies stärkt die Zweifel an der Vorstellung, daß pauschal alle Nutzungen im Forstgebiet dem Wildbanninhaber vorbehalten wurden. Der vorliegende Fall läßt vielmehr vermuten, daß es schon Probleme mit anderen Nutzern geben konnte, wenn allein die Jagd verboten war. Das entspricht dem Eindruck, den auch andere Beispiele vermitteln.947 Das Wildbanngebiet von 1017 war eine ausgesprochene Altsiedellandschaft. Dreiviertel aller Siedlungen sind bereits vor 1017 belegt, zum größten Teil schon bis zum 8. Jahrhundert. 4 „Ausbau in größerem Umfange ist sicher nicht erfolgt." 4 Folglich wird der Straßburger Wildbann wohl kaum eine Rolle bei Rodung und Landesausbau gespielt haben.

68. Toul Das Wildbannprivileg für Bischof Berthold von Toul von 1011 zeichnet sich dadurch aus, daß es Unbefugten neben der Jagd auch die Rodung im Forst verbietet.950 Das heißt zunächst einmal nur, daß diese Tätigkeit unterbleiben sollte. Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, ob der Wildbannherr sie selbst ausüben wollte, es sich also um ein Rodungsprivileg handelte, das aktiv genutzt werden sollte. Das ist bei weitem nicht der einzige Zweck, den das Verbot verfolgt haben kann. Im Vordergrund könnte auch die Absicht gestanden haben, ein Schongebiet für das Jagdwild zu schaffen. Diese Funktion spielte

946 Ebd.: In presentía igitur principum nostrorum ... simulque ceterorum nostrorum fidelium wiltbannum super ipsum prenominate Strasburgensis ecclesie forestum unde Iis oborta est, in pago autem Alsacia et in comitatu predicti Heinrici comitis atque infra hos términos situm ... eidem episcopo H. suisque successoribus in proprium dedimus atque tradidimus, ea videlicet ratione ut prefatus episcopus omnesque sui successores duas partes eiusdem wiltbanni atque totius utilitatis ullo modo inde provenientis haberent et ad usum sue ecclesie, quoque modo sibiplacuisset, accomodarent, tertiam vero partem predictus comes Heinricus proprie et potestative obtineret. 947 Vgl. Nrr. 8, 70. 948 Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 151. Für den nördlichen Teil des Wildbanngebietes vgl. Reinhard, Zur Besiedlung des Nordelsaß zwischen Zorn und Lauter im frühen Mittelalter, mit Karte „Urkundlich belegte Besiedlung vor 1000"; im fraglichen Gebiet war vor allem das Kloster Weißenburg begütert, daneben verfügten dort aber auch die Klöster Lorsch, Hönau und Selz über Besitz. 949 Ebd., S. 152. 950 Maßgeblich ist hier die von Herkenrath, Das Diplom Kaiser Heinrichs II. für Bischof Berthold von Toul nach dem Touler Chartular B bekanntgemachte Fassung: nullusque hominum potestatem venandi et capiendi vel stirpandi in eis [sc. silvis] aliquid habeat sine licentia et volúntate iam dicti episcopi successorumque suorum.

Toul

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beispielsweise beim Trierer Forst, der anschließend zu behandeln ist, eine gewichtige Rolle. Daß es im Touler Fall nicht anders gewesen sein dürfte, deutet die Verleihungsurkunde selbst an. Der verliehene Bann wird dort als ius venandi cuiuscumque venationis bezeichnet.951 Der Oberbegriff, und damit wohl auch der Hauptzweck, dem das Rodungsverbot untergeordnet wird, ist die Jagd. Auch in den Gesta episcoporum Tullensium erscheint der Wildbann von 1011 als bannum venationis™ Zudem dürfte der Forst von 1011 ein Gebiet betroffen haben, das sich bereits in einer besonderen Beziehung zum Touler Hoch- bzw. Domstift befand. Wie bei allen anderen Wildbännen, für die ein weitergehender Nutzungsvorbehalt belegt ist, wurde also auch hier wohl ein Waldgebiet eingeforstet, das ohnehin der besonderen Verfügung des Forstinhabers unterstand oder unterstehen sollte. Karl der Dicke hatte dem Domkapitel bereits 885 den Besitz einiger Orte verbrieft, die später Grenzpunkte des Wildbanns bildeten. Er fügte einen bannum nostrum pro silva hinzu, der zu Noviantus gehörte, dem Vedovilla der Wildbannurkunde von 1011 (heute Void). Es muß also ein Nutzungsvorbehalt ähnlich dem von 1011 schon lange vor der Wildbannverleihung bestanden haben. Er galt offenbar für die Bewohner von Noviantus selbst, denn es wird von dem Waldbann gesagt, daß königliche Beauftragte ihn von der familia dieses Ortes einforderten.953 Das Touler Domstift hatte somit bereits am Ende des 9. Jahrhunderts die Kontrolle über bestimmte Waldnutzungen im späteren Wildbanngebiet erhalten, die nicht im einzelnen aufgeschlüsselt werden, sich aber wohl zumindest teilweise mit den Tätigkeiten decken dürften, die auch unter das Nutzungsverbot von 1011 fielen. Der Wildbann von 1011 besaß damit einen Vorläufer, der für andere Wildbänne nicht vorausgesetzt werden kann, nämlich einen Nutzungsvorbehalt, der ursprünglich vom König ausgeübt worden war. Aufgrund dieser Besonderheit kann auch der

951 Ebd. 952 Gesta episcoporum Tullensium, S. 642. 953 D Karl III 124: kanonicis urbis illius villas seti res et mancipia per diversa loca coniacentes sub privilegii testamento deputamus, quatinus eorum usibus et necessitatibus perpetuo iure famulentur, videlicet ex facultatibus iam dictae aecclesiae sancti Stephani Tullensis villam quae vocatur Nouiantus cum aecclesia omnibusque appendiciis suis cum rivulo nominato Uido per eandem villam decorrente ad piscationem fratrum, bannum etiam nostrum pro silva, quod exactores nostri requirebant eiusdem villae familia. Similiter eis concedimus ... Orchadas ... Trociacum una cum aecclesia omnique integritate sua. Zu den Orten dieses Diploms sowie der Wildbannurkunde und des D A r n 128, das die Urkunde von 885 bestätigt, vgl. die Namensregister der jeweiligen Diplomata-Bände. Eine weitere Bestätigung stammt von Karl dem Einfältigen: Recueil des actes de Charles III le Simple, 1, S. 269-72, Nr. 114. Vgl. zu diesen Urkunden und ihrem Inhalt Martin, Histoire des diocèses de Toul, de Nancy et de Saint-Dié, 1, S. 127f., 135; Picart, Histoire ecclesiastique et politique ... de Toul, S. 302; Schieffer, Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, S. 145f., 271f.

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Die einzelnen Forste

vorliegende Fall nicht als Beleg dafür gewertet werden, daß Wildbänne grundsätzlich auf die Rodung einwirkten.

Trier 69. Die Forsturkunden von 897 und 949 Von den drei Forstprivilegien, die das Erzstift Trier bis 949 erhalten haben soll, ist zumindest eines als Fälschung anzusprechen, und auch die anderen beiden sind nicht unproblematisch. Alle drei Urkunden beziehen sich auf dasselbe Gebiet, wenn auch in unterschiedlicher Ausdehnung. Die Mittelstellung nimmt von der Datierung her eine Urkunde König Zwentibolds von 897 ein,954 die verschiedene Fragen aufwirft. So heißt es in der Dispositio zunächst, daß der Bann für den Waldbesitz des Erzstifts und des Klosters St. Maximin innerhalb der angegebenen Grenzen verliehen wird. Nach der Grenzbeschreibung wird dann aber pauschal gesagt, daß der Wald in den genannten Grenzen zum Forst gemacht wird, ohne daß die Beschränkung auf den Waldbesitz des Klosters und des Erzstifts wiederholt würde.955 Möglicherweise kommt hier lediglich zum Ausdruck, daß der eingeforstete Wald ganz oder zum größten Teil ohnehin Besitz des Erzstifts und des Klosters war. Die Angabe, daß der Wald zum Forst gemacht werde, liefert wiederum die Grundlage, auf der eine Lücke in der Urkunde sinnvoll ergänzt werden kann. Es wird berichtet, daß der Aussteller darum gebeten worden sei, einen Wald mit dem Bann zu belegen, und ihn, „wie die Franken sagen", zu etwas zu machen - zu was bleibt im Dunkeln, da sich an dieser Stelle die erwähnte Lücke befindet.956 Die Urkunde ist nur kopial überliefert; es kann also lediglich vermutet werden, daß die Lücke im Original bereits vorhanden war und vergessen wurde, dort das passende Wort nachzutragen. So stellt sich die Frage, warum man zunächst zögerte, sich begrifflich festzulegen und dies 954 Dies ist das Datum, unter dem die Urkunde in der Diplomata-Ausgabe eingereiht ist. Mit ihm sind Schwierigkeiten verbunden, die Stengel, Zwentibolds von Lothringen und Ottos des Großen Urkunden über den ,Forst' südlich der Mosel, S. 279f. dahingehend löst, daß er die Entstehung der Urkunde für 895/96 ansetzt (wahrscheinlicher terminus post quem: 26. Oktober 895). 955 D Zw 13: sub hanno nostro sit quicquid silvarum abbatia beati Maximini et episcopates Treuerensis apte intra subscriptos fines [hier fehlt ein Verb wie possident, habenf, vgl. ebd., Anm. 1 in der Diplomata-Ausgabe] ... Omnem ergo silvam, que est intra super dictos términos, per bannum nostrum omnibus prohibemus et ex ea forestem facimus. 956 Ebd.: archiepiscopi nostrique palatii archicancellarius et Odaerus insignis comes, deprecati sunt nostram maiestatem, ut quandam silvam in pago Treuerensi in bannum mitteremus et ex ea, sicut Franci dicunt, [Lücke] faceremus; vgl. Anm. k in der Diplomata-Ausgabe.

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später d a n n nicht nachgeholt w u r d e , w ä h r e n d m a n keine B e d e n k e n gehabt z u haben scheint, in der D i s p o s i t i o v o n einer forestis z u sprechen. 9 5 7 Schließlich w i r d in der U r k u n d e n o c h ein J a g d v e r b o t f ü r U n b e f u g t e ausgesprochen; 9 5 8 es handelt sich also u m eine f r ü h e W i l d b a n n v e r l e i h u n g , s o f e r n die U r k u n d e echt ist. D a s ist bestritten w o r d e n , unter a n d e r e m m i t nicht g a n z z u t r e f f e n d e n inhaltlichen E i n w ä n d e n . S o stellt eine W i l d b a n n v e r l e i h u n g für die Zeit Z w e n t i b o l d s k e i n e n A n a c h r o n i s m u s dar, w i e die F o r s t u r k u n d e für B r i x e n ( b z w . Säben) v o n 893 zeigt. 959 D i e U r k u n d e Z w e n t i b o l d s w a r eine der V o r l a g e n , auf d e n e n eine gefälschte U r k u n d e Karls des G r o ß e n aufbaut, die auf 802 datiert ist.960 D a s F o r s t g e b i e t ist in der Fälschung g e g e n ü b e r der U r k u n d e Z w e n t i b o l d s v e r g r ö ß e r t u n d entspricht d e m einer F o r s t u r k u n d e v o n 949. 9 6 1 D i e U r k u n d e v o n 9 4 9 s t i m m t in ihrer F o r m u l i e r u n g auch z u m g r o ß e n Teil mit der F ä l s c h u n g v o n 802 überein, w o n i c h t w ö r t l i c h z u m i n d e s t inhaltlich. B e i d e berichten ausführlich über die angeblichen H i n t e r g r ü n d e der F o r s t s c h e n kung. 962 A u c h h e b e n b e i d e U r k u n d e n das J a g d v e r b o t für U n b e f u g t e b e s o n ders hervor; es handelt sich bei i h n e n also f o r m a l u m Wildbannprivilegien. 9 6 3 D e r H e r a u s g e b e r des D i p l o m s O t t o s I. in d e n M G H n i m m t an, daß d e m Priv i l e g v o n 9 4 9 eine echte U r k u n d e Karls des G r o ß e n zugrundelag, 9 6 4 auf die

957 Durch die Angabe sicut Tranci dicunt ist die Lücke selbstverständlich bei der Erörterung der Frage von Interesse, welcher sprachlichen Herkunft der Forstbegriff ist: vgl. Schützeichel, Bezeichnungen f ü r , F o r s t ' und ,Wald', S. 105-109. 958 D Zw 13: ne deineeps ullus bominum in ipsa [sc. silva] bestiam capere quaecumque venacionis arte absque possessoris eins licencia presumat. 959 Vgl. die Vorbemerkung zu D Zw 13. 960 D Karol. I 268, mit Vorbemerkung. 961 Vgl. Rörig, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, S. 2; Karte bei Boshof, Das Erzstift Trier, S. 185. 962 D O I 110: Rothbertus Treuerice ecclesie arcbiepiscopus etfrater noster Brun et Conradus Lutbariensis regni dux ad nos venientes retulerunt nobis, quod predecessores nostri reges ob edificationem suarum animarum quasdam res adfiscum publicum pertinentes concesserunt saneto Petro ad Treuericam ecclesiam, habentes edam pre manibus imperiale preeeptum Caroli videlicet imperatoris augusti ubi erat insertum, quod predecessores eiusdem Karoli regio largicionis dono dederunt villam Valeriam cum exceptis locis Ceruiam et Semiacum cum foreste regia que sibi eotenus vendieaverant causa venationis; nam quia sub hac occasione tunc temporis depopulabantur circumquaque loca illius ecclesie a venatoribus ... largitus est prelibatus imperator Karolus predicta loca Ceruiam et Seruiacum pariter cum foreste ad sanetum Petrum, ne sub occasione ipsius forestie [!] circumiacentes res ecclesie vastarentur. 963 D O I 110: Hanc igitur forestem saneto Petro et eius Treuerensis ecclesie per bannum nostrum et regale preeeptum saneeimus et omnibus probibemus, excepto cui Treuerensis ecclesie arcbiepiscopus indulserit, ut nemo successorum nostrorum regum vel quelibet alia persona bestiam in ipsa capere quacumque venationis arte absque licentia Treuerensis ecclesie pontificii presumat. 964 Vorbemerkung zu D O I 110.

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sich das Diplom selbst bezieht.965 Während hier also davon ausgegangen wird, daß die Urkunde von 949 echt ist, wird sie mancherorts für eine Fälschung gehalten.966 Somit herrschen unterschiedliche Ansichten darüber, welche der beiden Urkunden von 897 und 949, wenn überhaupt, als Fälschung anzusprechen ist. O b die formalen Einwände, die gegen die Echtheit erhoben wurden, tragfähig sind, muß dahingestellt bleiben.967 Es steht jedenfalls fest, daß in den Grenzen der Forstprivilegien später ein erzbischöflicher Forst bestand, der noch um 1200 nachweisbar ist und auf den gleich zurückzukommen sein wird. Die Echtheitsfrage dürfte aber auch dieser Umstand nicht abschließend klären. Im Extremfall könnte jedes der bisher behandelten Forstdiplome gefälscht sein; träfe das zu, so erhielte die Existenz des erzbischöflichen Forstes eine besondere Bedeutung. Das Erzstift hatte dann möglicherweise überhaupt kein königliches Forstprivileg erhalten und übte dennoch eine Kontrolle der Jagd aus sowie jener Tätigkeiten, die den Tierfang beeinflussen konnten, wie weiter unten darzulegen sein wird. Das würde bedeuten, daß eine derartige Kontrolle auch ohne den königlichen Wildbann entstehen konnte, mithin nicht von ihm abhängig war. Wenn aber schon jene Tätigkeiten nicht ausschließlich vom Wildbann abhängig waren, um die es in den Wildbanndiplomen ausdrücklich geht, so dürfte das für andere Bereiche, von denen in den meisten Wildbannurkunden gar keine Rede ist, erst recht gelten. Sollten also die bisher behandelten Trierer Forsturkunden sämtlich gefälscht sein, so würde das eher noch unterstreichen, daß die gängigen Vorstellungen vom Wildbann nicht tragfähig sind. Der erzbischöfliche Forst, der um 1200 bestand, ist aus dem Liber annalium iurium archiepiscopi et ecclesiae Treuirensis bekannt.968 Der Liber hält unter anderem die Aufgaben der erzbischöflichen Förster fest. Die Ausdehnung des officium foresti, 6 des Amtsbereiches der Förster, stimmt in auffal-

965 D O I 110: Treuerice ecclesie archiepiscopus et frater noster Brun et Conradus... dux ... habentes eciam pre tnanibus imperiale preceptum Caroli videlicet imperatoris augusti. 966 Vgl. z. B. die Vorbemerkung zu D Karol. I 268. 967 Zu den formalen Fragen vgl. besonders Stengel, Zwentibolds von Lothringen und Ottos des Großen Urkunden über den ,Forst' südlich der Mosel, der die beiden Urkunden ebenfalls für echt hält. 968 UB Mittelrhein, 2, S. 391-428. Der Liber wird zwischen 1180/90 und 1220 datiert: Rörig, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, S. 5, Anm. 1; UB Mittelrhein, 2, S. 391. 969 UB Mittelrhein, 2, S. 401, unter der Uberschrift Hec sunt iura archiepiscopi de officio foresti. Die Bestimmung der Grenzpunkte erfolgte mit Hilfe des topographischen Registers des UB Mittelrhein. Zur Ubereinstimmung mit den Grenzen der Forsturkunden vgl. auch Rörig, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, S. 5.

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lender Weise mit dem Forstgebiet von 897 und besonders dem von 949 überein - sogar die meisten Grenzpunkte sind die gleichen. Es ist aber zu beachten, daß der Trierer Forstbesitz sich nicht auf diesen Forst beschränkte. Das ist für die oben angesprochene Frage von Bedeutung, ob der Trierer Forst nicht ganz ohne königliche Privilegierung entstanden sein könnte. Der Liber nennt noch zwei andere Waldgebiete, in denen die gleichen Tätigkeiten untersagt bzw. dem Erzbischof vorbehalten waren wie im officium foresti (um welche Tätigkeiten es sich handelte wird Gegenstand der folgenden Ausführungen sein).970 Für diese zusätzlichen Forstgebiete liegen überhaupt keine Privilegien vor. Es besteht daher der begründete Verdacht, daß der erzbischöfliche Nutzungsvorbehalt dort tatsächlich stets ohne königliche Forstverleihung ausgeübt worden ist. Damit dürfte aber im vollen Umfang gelten, was weiter oben für den Fall gesagt wurde, daß eine Kontrolle, wie der Wildbann sie bringen sollte, auch ohne einen solchen ausgeübt wurde: daß es dann nämlich umso weniger Grund gibt, auch noch andere Bereiche wie die Rodung mit königlichen Wildbännen in Verbindung zu bringen. Der Trierer Forstbesitz ist also dazu angetan, die Zweifel an der gängigen Vorstellung vom Wildbann zu verstärken. Diese Zweifel werden auch von den Bestimmungen genährt, die gemäß dem Liber annalium iurium für das officium foresti galten. In ihnen stellt der Forst sich als ein Bündel von Nutzungsverboten dar, die dem Tierfang dienten. Alle anderen Regelungen, die mit dem Forst zusammenhingen, ergaben sich aus der Jagd als der zentralen Forstnutzung und waren auf sie hingeordnet. Das kommt darin zum Ausdruck, daß der Erzbischof bzw. seine Förster nur dem Tierfang nachgingen. Nur für diesen ist es belegt, daß die verbotene Handlung von erzbischöflicher Seite tatsächlich vorgenommen wurde. Bei allen anderen Nutzungen, die Unbefugten untersagt waren, ist das nicht der Fall. Die Verbote der zweiten Art scheinen allein die Funktion gehabt zu haben, unerwünschte Vorgänge zu unterbinden. Unerwünscht dürften die betroffenen Tätigkeiten deswegen gewesen sein, weil sie sich beim Tierfang direkt oder indirekt störend auswirken konnten. Es sollte verhindert werden, daß Unbefugte in irgendeiner Form den möglichen Ertrag jener Nutzung schmälerten, auf die es dem Erzbischof eigentlich ankam. Daher sollte im erzbischöflichen Forst nicht gejagt und gefischt werden, im Hochwald (in alta silva) sollte ohne die Erlaubnis des Erzbischofs nicht gerodet werden. Die Durchsetzung dieser Bestimmungen oblag den Förstern.971 970 Vgl. Anm. 985. 971 U B Mittelrhein, 2, S. 401: Infra bunc ambitum [die Grenze des officium foresti; vgl. die vorletzte Anm.] nemo debet uenari. piscari uel in alta silua nouale facere nisi permissione episcopi uel eius cui ipse hoc officium commiserit ... Omnes apes et mei quod infra bunc ambitum inuenitur in alta silua. magistro forestariorum medietas eorum exbibeatur. Qui autem nouale fecerit aliter, aut piscaturus aut uenaturus fuerit. aut mei totum detinuerit .III. libras et obolum archiepiscopi componet... scilicet .VI.

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Die einzelnen Forste O b w o h l die V e r b o t e u m f a s s e n d e r w a r e n , ging die e r z b i s c h ö f l i c h e Seite aber

tatsächlich n u r d e r J a g d u n d d e m F i s c h f a n g nach, u n d a u c h die meisten j e n e r G e b o t e u n d V e r b o t e , in d e n e n das nicht d i r e k t z u m A u s d r u c k k o m m t , ü b t e n dabei eine H i l f s f u n k t i o n aus. S o sollten z w i s c h e n A p r i l u n d J u l i keine H u n d e in d e n H o c h w a l d g e f ü h r t w e r d e n , u m die H i r s c h k ä l b e r nicht z u verschrecken. 9 7 2 H i e r sollte offensichtlich verhindert w e r d e n , daß der N a c h w u c h s des J a g d w i l d e s u n d damit d e r z u k ü n f t i g e J a g d e r f o l g S c h a d e n nahmen. F e r n e r w u r d e bestimmt, w i e mit W i l d e r e r n u m z u g e h e n w a r , die auf frischer T a t ertappt wurden. 9 7 3 E s w u r d e auch festgelegt, w e l c h e Kriterien u n d Pflichten J ä g e r i m D i e n s t des E r z b i s c h o f s erfüllen mußten. 974 Fallenstellern, die v o n den F ö r s t e r n o d e r J ä g e r n a u f g e g r i f f e n w u r d e n , w a r der D a u m e n abzuschneiden. 9 7 5 A n d e r e R e g e l u n g e n betraf e n die J a g d h u n d e u n d die P f e r d e der J ä g e r s o w i e w e i t e r e A s p e k t e der Jagd. 9 7 6

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marcai, si ibi deprehensus fuerit. Si autem inde euaserit et a forestariis accusatus fuerit. aut .III. libras. ut dictum est. componet aut ipse iudicium aque frigide subibit. et dolium ipse acquiret et adducet suum sacerdotem ad locum quemcumque officialis archiepiscopi infra pre dictum ambitum eiprefixerit in manso turn forestarii iuris. Ebd., S. 402: Item a medio aprilis usque ad medium iunii nemo ducet canem in altam siluam uel in condensa fruticum propter teneritatem hynnulorum. quod si quis cum cane ibi deprehensus fuerit .III. libras et obolum ... exsoluet aut iudicium aque frigide subibit ut dictum. Ebd.: Si autem uenator aut forestarius archiepiscopi alium quempiam uenatorem aut piscatorem in recenti facto deprehenderit. uel etiam hamum uel fossorium uel funem de indagine uel aliquod eorum instrumentum rapuerit. et in ea fidelitate qua episcopo debet requisitus dixerit. hec se illi in uenando uel in piscando iuste abstulisse. deinde reus iudicium aque non exhibebit. sed .III. libras et obolum ut dictum est componet. Ebd.: Ius autem uenatorum tale est. quotienscunque magister forestariorum aliquem inbeneficiatum uenatorem ad seruicium archiepiscopi uocauerit. unum canem quem ad inuestigandas feras in fune ducat. et alios . VII. canes mouentes feras adducere tenetur. quod si ipse uenator ceruum mouere nescierit. ibidem ipsi uenatores in silua illi beneficium suum abiudicabunt. uenator autem qui militis officio fungitur. et equum in quo sedeat et dextrarium adducere tenetur. In palafrido ceruum mouebit et dextrarium ad insidias promitteret. ut eum recentem inueniat et fideliter feram sequatur. Ebd.: Si autem uenator uel forestarius aliquem deprehenderit qui cippum aut laqueum tendat. pollicem ei amputabit. Ebd., S. 402f.: It. forestarii .VII. catulos archiepiscopo annuatim nutrire tenentur. uenatores autem matres catulorum forestariis committere debent. ne post nobilem conceptionem adulterina comixtione degeneres catulos producant. Postquam autem catuli adulti fuerint. forestarii reddent matres venatoribus. et quilibet. VII. forestariorum domum cani suo aptabit pro custodia. It. ille officialis qui canibus molet auenam et pulmenta faciet. tenetur tantum farine non cribrate reddere quantum auene ei datur. It. in quolibet manso huius iuris equus paratus esse debet ad uenationem archiepiscopo deportandam ... Si quis in noua niue canibus uel retibus uenatur. banni reus est. Si quis autem extraneus iuxta terminos huius banni uenatur et canis eius terminos intrauerit. dominus eius ... cornu canem reuocabit ... It. uenatores a festo s. Remigii usque infestum s. Andree apros ad usus archiepiscopi tenentur agitare ... It si quis sibilando uel alio modo uolucrem illum ceperit qui uulgo meise nuncupatur. banni reus erit. It. si quis sagittas in feras miserit sufficit ad eum conuincendum sagitta ei ablata.

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Es bleibt ein Rest von Vorschriften übrig, die jeweils einer von zwei Kategorien zuzuordnen sind. Auf der einen Seite wird die Versorgung des Forstpersonals geregelt.977 Es sollte offensichtlich gewährleistet werden, daß die Forstorganisation ihre Aufgaben erfüllte, die in der Jagd und der Forstaufsicht lagen. Auf der anderen Seite gibt es noch weitere Verordnungen, die indirekt dem Tierfang gelten. In diese zweite Kategorie dürfte auch das Rodungsverbot gehören; sein Zweck wird es gewesen sein, die Rodung zugunsten der Jagd grundsätzlich zu unterbinden und nicht etwa nur die Rodung dem Erzbischof vorzubehalten. In diese Richtung weist auch der Umstand, daß im Gegensatz zur Jagd nichts über die praktische Regelung der Rodung gesagt wird. Das macht nicht den Eindruck, als ob auf erzbischöflicher Seite ein großes Interesse daran bestand, selbst zu roden oder die Rodung lediglich in bestimmte Bahnen zu lenken. Die Schutzaufgabe, die dem Rodungsverbot zugekommen sein dürfte, wird von einer der übrigen Bestimmungen verdeutlicht: Es sollte kein Buschwerk geschnitten werden, in dem Tiere nisteten. 978 Sachlich analog sind die Vorschriften über die Mühlen im Forstgebiet. Der Mühlenbau hatte dort ganz zu unterbleiben, sofern keine Erlaubnis des Erzbischofs vorlag.979 Wurde hier beabsichtigt, ein erzbischöfliches ,Mühlenmonopol' zu schaffen? Dies ist zu verneinen, wie die folgenden Bestimmungen zeigen. Es sollte nämlich kein Wasser für Mühlen oder zur Bewässerung der Felder umgeleitet werden, so daß es den Fischen fehlte.980 Einmal im Jahr öffneten die Förster sogar die Mühlenwehre, um den Fischen einen Zugang zu ermöglichen. 1 Es ging also lediglich darum, den Lebensraum und wohl auch die Fortpflanzung der Fi-

977 Ebd., S. 402f.: It. magister forestariorum .XII. uaccas congregabit de animalibus mortuorum que hertmal uacantur, et de caseis illos uenatores pascei, et si qui supercreuerint inde eis uinum acquiret. Preterea in liue est mansus qui dat carratam uini magistro forestariorum ad eosdem usus... It. dum uenatores uenantur. piscatores inbeneficiati et eis et forestariis piscari tenentur. de . V ... in messe et dum fenum secatur. magister forestariorum nunc uni nunc alteri uenatori licentiam . VII. diemm indulgebit uicissim. Quicquid de iure huius banni... negligitur. in placito ... retractari debet. Archiepiscopi autem infesto s. Paulini ceruum debet fratribus eiusdem ecclesie ... ipsifratres tenentur uenatoribus .II. maldra auene ... dare. 978 Ebd., S. 402: It. condensa fruticum ubi sunt lustra ferarum. non debent excidi. 979 Ebd.: It. infra predictum bannum nulli licet sine permissione archiepiscopi molendinum exstruere. 980 Ebd.: It. aque non debent ad molendina uel ad riganda prata abduci ita quod piscibus absit. 981 Ebd.: It. a festo s. Remigii usque ad epyphaniam debent forestarii mulendiche perrumpere ut piscibus pateat ascensus. quos si quis claudere et reparare presumpserit. reus erit et .III. libras et obolum componet.

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sehe zu sichern982 - beides grundlegende Voraussetzungen, um den Fischbestand zu erhalten, was wiederum im Hinblick auf den Fischfang nötig war. Neue Mühlen konnten sich hier durch ihren Wasserbedarf schädlich auswirken. Alle genannten Maßnahmen haben also gemein, daß sie lediglich unterstützende Funktionen ausübten. Der übergeordnete Zweck war es, die Tiere zu schützen und damit sicherzustellen, daß der Tierbestand erhalten blieb und den Bedarf des Erzstiftes decken konnte. Genau das wird auch die Aufgabe des Rodungsverbotes gewesen sein, nicht die Reservierung von Rodungsland für den Erzbischof. Dabei steht es noch auf einem ganz anderen Blatt, ob das Rodungsverbot überhaupt mit den Wildbannverleihungen des 9. und 10. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden kann. Es ist hier darauf hinzuweisen, daß das Rodungsverbot im Gegensatz zum Jagdverbot keineswegs im gesamten Forstgebiet galt, sondern nur im Hochwald {in alta silva).'"" Während sich das Jagdverbot generell durchgesetzt zu haben scheint, war das beim Rodungsverbot nicht der Fall. Das dürfte dagegen sprechen, daß beide Verbote auf die Wildbannverleihungen zurückzuführen sind. Da die Wildbannprivilegien nur Bestimmungen über die Jagd enthalten, sollte man meinen, daß von den Verboten höchstens das Jagdverbot mit den Forstverleihungen in Verbindung steht. Das Rodungsverbot beruhte dagegen auf einer Grundlage, 4 die kaum vom königlichen Wildbann gebildet worden 982 Das wird besonders deutlich in einer analogen Regelung für einen der anderen Trierer Forste, die sich außerhalb des Forstbereichs von 897/949 befanden: UB Mittelrhein, 2, S. 425: a f esto s. Lamperti usque ad epiphaniam nemo molendinarius de nocte cum molendino molere debet. ne impediat commoditatem piscium. 983 Wie schon Rörig, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, S. 6 hervorhob; vgl. auch Lennarz, Der Territorialstaat des Erzbischofs von Trier um 1220, S. 16, Anm. 1. 984 Daran ändert auch der Umstand nichts, daß für das 13. Jahrhundert Ausnahmen vom Jagdverbot belegt sind, dieses also möglicherweise ebenfalls nicht uneingeschränkt gegolten haben mag. Sollte es sich so verhalten haben, gäbe es eigentlich noch viel weniger Grund zu der Annahme, daß die Wildbannverleihungen sich auch bei der Rodung auswirkten, von der in den Urkunden gar keine Rede ist, da die Ausnahmen vom Jagdverbot bezeugen, daß selbst der ausdrückliche Inhalt der Wildbannverleihungen nicht vollständig durchsetzbar war. So wurde 1258 dem Stift St. Paulin bestätigt, daß ihm und nicht dem Erzbischof der Wildbann, der als Jagd- und Fischfangprivileg definiert wird, an einer Reihe von Orten im Forstgebiet gehöre: Nos ... ordinatores ... questionum, que inter ... archiepiscopum ... et prepositum et capitulum S. Paulini ... ventilabantur super silvarum iuribus et aquarum, piscandi videlicet et venandi, que vulgariter Wildbann nuneupatur, ad villas dicte ecclesie S. Paulini, Grimolderoth ... Cerviam et Waderolum cum suis appendieiis pertinentium ... diffinimus, quod prepositus et fratres dicte ecclesie ius plenum habeant in dictis locis, silvis et aquis, venandi libere et piscandi, ita, quod dominus noster archiepiscopus nullum jus habeat eos prohibendi aut homines eorum venantes ibidem vel piscantes forsitan pignorandi, nisi communi consilio dominus archiepiscopus et ipsi prepositus et fratres pro eorum et terre utilitate ad tempus secus aliquid duxerint ordinandum (UB Mittelrhein, 3, S. 1041 f., Nr. 1436).

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sein dürfte, z u m a l dieselbe V o r s c h r i f t in G e g e n d e n galt, für die gar k e i n e W i l d b a n n p r i v i l e g i e n vorliegen. 9 8 5 A u c h die A b g a b e n , die an die Förster b z w . Jäger z u leisten waren, b e s c h r ä n k t e n sich auf d e n H o c h w a l d , w a s es fraglich e r s c h e i n e n läßt, o b sie auf d e n W i l d b a n n z u r ü c k g e f ü h r t w e r d e n k ö n n e n . B e i s p i e l s w e i s e sollte der F o r s t m e i s t e r die H ä l f t e der B i e n e n u n d des H o n i g s i m H o c h w a l d erhalten. 986 Z u d e m k o m m e n vergleichbare F o r s t a b g a b e n außerhalb des Wildbanngebietes v o n 8 9 7 / 9 4 9 vor, w a s ebenfalls dagegen spricht, daß sie als eine A u s w i r k u n g des W i l d b a n n s gewertet w e r d e n k ö n n e n . S o ist eine H o n i g a b g a b e auch aus d e m Idarwald bekannt. 9 8 7 D a n e b e n führt der Liber a n n a l i u m i u r i u m w e i t e r e B e s i t z u n g e n b z w . E i n k ü n f t e auf, die z u m officium foresti g e h ö r t e n , also z u m F o r s t a m t i m W i l d b a n n g e b i e t . Für sie gilt ebenfalls, daß es nicht erst eines W i l d b a n n s bedarf, u m sie z u erklären, w e i l es sich bei i h n e n u m gängige A b g a b e n handelte, die auch o h n e W i l d b a n n denkbar wären. H i e r sind beispielsw e i s e die Sterbefallabgaben z u n e n n e n , die z u d e n E i n k ü n f t e n des Forstamtes zählten u n d v o m Forstmeister e i n z u z i e h e n waren. 9 8 8 A u c h d i e F o r s t h u f e n , die

985 UB Mittelrhein, 2, S. 409: de nemore quod dicitur Idere (der Idarwald; zumindest der heute so genannte Idarwald liegt außerhalb des Wildbanngebietes. Anders, aber sicher nicht zwingend, die räumliche Ansetzung bei Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. 1,1, S. 99-101 und Lennarz, Der Territorialstaat des Erzbischofs von Trier um 1220, S.17f.) ... In hoc nemore nullus aliquod faciei nouale nisi de licentia archiepiscopi uel sui officiati; auch dort galt ein Jagd- und Fischfangverbot: nullus etiam in eodem uenahitur neque piscabitur nisi de permissione archiepiscopi, si quis autem confregerit. componet archiepiscopo secundum quod sententia dederit. Comes de Spanheim qui aduocatus est eiusdem nemoris ipsum defendere tenetur. Ebenso im Forstgebiet Spurkenberg (vgl. Lennarz, Der Territorialstaat des Erzbischofs von Trier um 1220, S. 17), für das Bestimmungen gelten, die noch detaillierter und daher denen des Wildbanngebietes von 897/949 noch ähnlicher sind (UB Mittelrhein, 2, S. 424f.): ms archiepiscopi est quod quandocumque uenerit erinhrehtistein. si isenhurg miserit. omnes uenatores et canes qui ibi sunt ei mittentur ... si archiepiscopus ante natiuitatem ... fuerit erinbrehtistein. forestarius ... tenetur ibi esse... et capiet archiepiscopo feram ... et statim indaginem confringet. funes conburet. ne inposterum illic aliqua fera capiatur ... quicunque a .VII. diebus ante maium usque ad .VII. dies post maium cum aliquo cane hanc siluam intrauerit... nisi ducat eum in manu, conponet... Si uero aliquis sine licentia archiepiscopi nouale in silua fecerit. ipse archiepiscopus precipiet aduocatis. quod segetes illas destruant et tarnen ille qui fecit, conponet... si uero segetes usque ad maturitatem steterint. archiepiscopus accipiet inde duas partes et aduocati tertiam. et nichilominus ille conponet. 986 UB Mittelrhein, 2, S. 401: Omnes apes et mei quod infra hunc ambitum inuenitur in alta silua. magistro forestariorum medietas eorum exhibeatur. 987 UB Mittelrhein, 2, S. 409: De eodem nemore soluit scultetus de birkenuelt archiepiscopo in palatium unam amam mellis. 988 UB Mittelrhein, 2, S. 402: It. magister forestariorum .XII. uaccas congregabit de animalibus mortuorum que hertmal uocantur. et de caseis illos uenatores pascet; S. 403: si uir huius iuris moritur. non equum illum sed aliam bestiam optimam quam habet, uel uestem si bestiam non habuerit. reciepiet magister forestariorum.

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zum officium foresti gehörten,989 könnten nur dann mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden, wenn er die Grundlage gebildet hätte, auf der sie entstanden waren. Das setzt voraus, daß der Wildbann die Rodung im Wildbanngebiet in eine bestimmte Bahn gelenkt haben müßte. Wie oben dargelegt wurde, kann aber weder das Rodungsverbot auf den Wildbann zurückgeführt werden, noch scheint dieses dazu gedient zu haben, den Erzbischof bei der Rodung zu begünstigen; es sollte die Rodung vielmehr ganz unterbinden. Dasselbe gilt für allen anderen erzbischöflichen Besitz im Forstgebiet bzw. für die Güter, von welchen die Abgaben erhoben wurden, die innerhalb des officium foresti anfielen. Zu diesen zählt auch der halbe Malter Hafer, der von jeder Feuerstelle in den uillae ad hec spectantes zu leisten war.990 Man sollte meinen, daß darunter die Dörfer zu verstehen sind, die zum Forstamt gehörten, in denen also die Forsthufen lagen. Rörig ist jedoch der Meinung, daß es sich um die Abgabe handelt, die für die Rodungsgenehmigung des Erzbischofs zu leisten war. 1 Sollte das zutreffen, so fehlte immer noch die Verbindung zum Wildbann, aus den Gründen, die schon mehrfach genannt wurden. Zudem wird man bezweifeln dürfen, daß es die Aufgabe des Rodungsverbotes im Forstgebiet war, derartige Abgaben bereitzustellen.992 Dagegen spricht schon der Umstand, daß der Liber annalium iurium keine Ausnahmen vom Rodungsverbot kennt oder etwaige Abgaben, die dafür zu entrichten waren. Nach wie vor sieht es eher danach aus, daß das Rodungsverbot im officium foresti dazu diente, die Rodung zu verhindern, um den Lebensraum des Jagdwildes zu schützen.993 Es bleibt festzuhalten, daß der 989 UB Mittelrhein, 2, S. 403: Preterea mansi qui uorsthuuen et cidelhuuen uocantur in potestate sunt archiepiscopi. Weiter unten folgt unter der Überschrift Hec subscripta etiam ad officium foresti pertinent eine Aufstellung der Güter, die zum Forstamt gehörten: ebd., S. 403f. 990 Ebd., S. 401: Hec sunt iura magistri forestariorum. quelibet area in qua fit ignis per singulas uillas ad hec spectantes debet episcopo dimidium maldrum auene annuatim. 991 Rörig, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, S. 63-68. 992 Eine solche Aufgabe ließe sich schon schwerlich mit der Tatsache vereinbaren, daß nur wenige Dörfer im Wildbanngebiet überhaupt die fragliche Abgabe leisteten. Das fiel bereits Rörig auf (ebd., S. 66f.), bei dem von 14 oder 15 Dörfern die Rede ist und der die kleine Zahl so erklärt: „Die übrigen Dörfer - und das ist die weitaus größere Zahl - innerhalb des officium foresti sind abgabenfrei, sind vor Erlangung der Forsthoheit seitens des Erzbischofs entstanden." 993 Der rein negative Aspekt des Rodungsverbotes kommt auch in einem Fall des 12. Jahrhunderts zum Ausdruck, als ein Friedrich von Merzig nach Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof 1163 unter anderem zugestehen mußte: nec in siluis nostris noualia sine nostra uoluntate faciet. In bis autem que ad ius nostrum specialiter spectant. et in foresta nostra nichil amplius iuris sibi usurpabit. nisi quod uenatores et forestarii nostri. ceterique homines nostri de silua admoniti a nobis per fidelitatem. sui iuris esse dixerint. (UB Mittelrhein, 1, S. 700f., Nr. 641). Zwei andere Urkunden, die das Rodungsverbot betreffen und Freistellungen von ihm enthalten, sind nach Oppermann,

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Forst nicht um der Abgaben willen bestand, die das Forstamt einbrachte, sondern daß genau umgekehrt die Abgaben, die der Forst erbrachte, seiner Erhaltung dienten. Aufgabe des Forstes war es aber nun, die bischöfliche Kontrolle der Jagd und des Fischfangs zu sichern; daneben sollte er möglicherweise auch einen Teil der Mittel aufbringen, die seinen Unterhalt ermöglichten. Man wird also nicht davon sprechen können, daß der Forst zur R o dung diente. Sofern er überhaupt in einem Atemzug mit tatsächlich durchgeführten Rodungen genannt werden kann, wird man vielmehr feststellen müssen, daß diese im Gegenteil zum Unterhalt des Forstes eingesetzt wurden. 994 Auch zu einer Herrschaftsbildung trug der Forst nur insofern bei, als er dem Erzbischof die Kontrolle über Jagd und Fischfang ermöglichte. Alle Herrschaft, die im Zusammenhang mit dem Forst beobachtbar sein mag, war dem untergeordnet. Der Forst hatte keine erkennbare Funktion, die neben oder gar über seiner Aufgabe als Jagdgebiet gestanden hätte. Bei Licht besehen bestärkt der vorliegende Fall also nur die Einwände, die gegen das gängige Bild vom Wildbann vorgebracht werden können. Zudem gilt es zu bedenken, daß der Forst mit seiner Organisation und den Abgaben, die ihr zuflössen, oder zumindest einigen von ihnen, möglicherweise aus königlichem Besitz stammte 995 und es sich bei ihm dann vielleicht um einen Bannwald handelte. Der Trierer Forst von 897 bzw. 949 wäre somit kein Wildbann gewesen und würde daher von vornherein keine Rückschlüsse auf Wildbänne erlauben. Somit liefert auch der vorliegende Fall keine Hinweise darauf, daß Wildbänne sich noch auf andere Bereiche als die Jagd auswirkten. 9 6

Rheinische Urkundenstudien, zweiter Teil, S. 218f., 242f. gefälscht; es handelt sich um U B Mittelrhein, 1, S. 447f., Nr. 391 (1097), S. 457f., Nr. 401 (1101). 994 Bezeichnend ist in dieser Beziehung die folgende Bestimmung des Liber annalium iurium archiepiscopi et ecclesie Treuerensis über das Forstamt: de . V. uero de manipulo qui de noualibus prouenit pascentur uenatores ( U B Mittelrhein, 2, S. 403). 995 Nach der Urkunde von 949 soll das Erzstift den Forst aus kaiserlicher Hand erhalten haben; vgl. das Zitat in Anm. 962. 996 Das gilt auch für eine ,herrschaftsbildende' Rolle, die die erzbischöflichen Förster nach Rörig im 14. Jahrhundert gespielt haben sollen. Damals hätten sie dazu beigetragen, den Bereich der erzbischöflichen Hochgerichtsbarkeit auszudehnen (Rörig, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, bes. S. 50f.). Auf die Forstverleihung kann man diese Herrschaftsbildung ursächlich nur zurückführen, wenn durch sie die ganze Forstorganisation mit den Förstern an den Erzbischof gelangte und der Erzbischof ohne Verleihung keine Förster gehabt hätte, die in der beschriebenen Weise tätig werden konnten. Daß der Empfänger eine Forstorganisation erhielt, kann aber bei den meisten Wildbannverleihungen nicht vorausgesetzt werden, weil durch sie kein bereits bestehender Forst verschenkt, sondern lediglich ein Bann verliehen wurde.

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70. Der Forst von 973 O t t o II. stellte dem Trierer Erzstift 973 eine U r k u n d e aus, in der es heißt, daß der Kaiser dem Empfänger als Forst verliehen habe, was die Trierer Kirche und das Kloster Prüm innerhalb der angebenen Grenzen besäßen.997 Die typischen Merkmale einer Wildbannverleihung - Konsensformel und Jagdverbot - fehlen. Dafür ist von dem Zubehör des Forstes (omnes appendices) die Rede." 8 Man gewinnt den Eindruck, daß der vorliegende Forst sich nicht auf den Wildbann beschränkt haben könnte. Diesen Verdacht bestärkt eine Urkunde des Erzbischofs Poppo aus dem frühen 11. Jahrhundert. In ihr wird berichtet, daß die Vorgänger Poppos versucht hätten, sich die Verfügung über die communis silua gewisser Adliger zu sichern.999 In der Absicht, den so entstandenen Streit beizulegen, verzichtete Poppo auf einen Teil des fraglichen Waldgebietes. Dabei verblieben ihm vom umstrittenen Wald fines atque confinia cum ceteris usibus, die innerhalb der Forstgrenzen von 973 lagen1000 997 D O II 39: rogante Deoderico Treuerensi archiepiscopo quicquid in ambitu videretur habere ecclesie Treuerensis atque Prumiensis in comitatu Betensi istorum terminorum ... totum sibi in forestum nostra imperiali potentia perpetuo tenendum concessimus firmiterque donavimus. 998 Ebd.: eo tenore ut omnia hec iam dicta hoc terminorum ambitu circumclusa sancto Petro eiusdemque sancte Treuerensis ecclesie archipresuli in usum foresti deinceps cum omnibus eorum legalibus iustisque appendiciis possidenda constent. 999 UB Mittelrhein, 1, S. 348f., Nr. 299: ego Poppo treuerensis aecclesiae ... archiepiscopi, predecessoribus meis scilicet eiusdem loci archiepiscopis cum quibusdam sui episcopatus principibus de communi eorundem principum silua que uocatur kilenwalt per sepem certantibus. et eandem siluam in suam potestatem usurpantibus. et hanc litem eo usque pertrahentibus. donee ex regis imperio qui tunc temporis erat bannum acceperunt. et eandem siluam repugnantibus ac contradicentibus predictis principibus. cum hoc sibi perhenni iure confirmauerunt. ego autem hanc contentionem uoluerim finire illamque causam iuste examinare. Quapropter eisdem principibus. in prouincia que uocatur Biedegouui manentibus ad me uocatis atque predictam causam coram exponentibus. et sese ex mea meorumque antecessorum potestate iniuste in propriis suis rebus uastatos esse conquerentibus in inuicem pepigimus atque condiximus. ut ex hoc quod predecessores mei contra uoluntatem illorum regali banno tenuerunt quasdam partes Ulis remitterem. et econtra ex eo pro quo iurgati sunt id ipsum sua sponte reciperem. Confirmato igitur atque collaudato utriusque nostrum assensu quantum de predicta silua concupiui. bona uoluntate erga illos impetravi, reliquum uero quod remanserat Ulis permisi. Oppermann, Rheinische Urkundenstu-dien, zweiter Teil, S. 165-67 reiht die Urkunde unbestimmt zwischen 1016 und 1047 ein, aber D H U 493, das gleich zu behandeln sein wird, legt eine Entstehung vor 1023 nahe. Zu den in der Urkunde beschriebenen Vorgängen vgl. auch Boshof, Ottonen- und frühe Salierzeit, S. 75. 1000 UB Mittelrhein, 1, S. 348f., Nr. 299: Ne autem posteros latere queat. quod traditio paterna confirmabat. quantum mihi de predicta foreste deliberauerunt. si qui cognoscere gestiunt. hic subnotatum uidebunt. Dederunt igitur mihi meisque successoribus de prenominata silua fines atque confinia cum ceteris usibus ex eo loco ubi riuus qui uocatur Quinta cadit in Musellam ... et totam Quintam sursum usque adßuui-

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und für die P o p p o 1 0 2 3 ein neuerliches Forstprivileg erwarb. 1 0 0 1 D i e F o r m u lierung cum ceteris usibus deutet darauf hin, daß zwischen den Trierer E r z b i schöfen u n d ihren G e g n e r n m e h r e r e N u t z u n g e n strittig gewesen waren, also nicht nur die Jagd. Das spricht für die A n n a h m e , daß sich die Forstverleihung v o n 9 7 3 ebenfalls auf m e h r e r e N u t z u n g e n b e z o g e n hatte, wie bereits das P r i vileg O t t o s II. andeutet. A u c h im vorliegenden Fall ist es nicht ausgeschlossen, daß hinter d e m V e r s u c h , die V e r f ü g u n g über m e h r e r e N u t z u n g e n zu erlangen, letztendlich die J a g d stand. E s mag hier ebenfalls d a r u m gegangen sein, den L e b e n s r a u m des Jagdwildes v o r schädlichen Einflüssen zu schützen. D a ß die Jagd eine besondere Rolle spielte, läßt sich s c h o n deswegen vermuten, weil die U r k u n d e P o p p o s ihr als einziger N u t z u n g eine eigene B e s t i m m u n g widmet. 1 0 0 2 D a r ü b e r hinaus weist das F o r s t d i p l o m v o n 1023 ein Jagdverbot für Unbefugte auf, wie

um qui uocatur Fluorbahc. et banc sursum usque in uiam publieam. que tendit per Slendenwilere. et inde usque in Wisebach. deinde ad ßumen Kilam. et trans kilam usque ad uillam que dicitur Wilere. Deinde per quendam tramitem usque in Kurdelam flumen. et Kurdelam deorsum usque in Markenbach fluuium. et hunc sursum usque in publieam plateam. et per earn recto itinere totam uallem deorsum usque quo perueniatur ad uillam Vlcam per quam fluit fluuius. Egelebach. et hunc deorsum usque in fluuium Sur am et hunc deorsum usque in Musellam et hanc deorsum. usque in ilium iterum locum uhi predictus riuus Quinta cadit in eam. Die Grenzbeschreibung wurde in die erwähnte neuerliche Forstverleihung von 1023 übernommen (D H II 493, mit Vorbemerkung). Das Gebiet, das dabei erneut zugunsten des Trierer Erzbischofs eingeforstet wurde, machte „nur einen Bruchteil" des ursprünglichen Forstgebietes von 973 aus (Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 141; ebd., S. 139, auch zur Grenze des Forstes von 973; Karte bei Boshof, Das Erzstift Trier, S. 185). Zu den Ortsnamen vgl. das topographische Register des UB Mittelrhein und das Namensregister in der Diplomata-Ausgabe. 1001 D H U 493. 1002 Die Jagd wird wegen der besonderen Schwierigkeit genannt, vorsätzliches Wildern nachzuweisen. Andere Nutzungen dürften dem Täter weniger Spielraum für Ausreden gegeben haben, wenn er auf frischer Tat ertappt wurde. So erübrigte es sich, die Kriterien festzulegen, unter denen er als schuldig zu betrachten war (denn darum geht es im fraglichen Passus). Wenn andere Nutzungen als die Jagd übergangen werden, so braucht das also nicht unbedingt zu heißen, daß sie keine Rolle spielten. Dennoch ist es auffällig, daß die Jagd als einzige Nutzung mit einer besonderen Bestimmung vertreten ist. In dieser geht es um folgendes: Ea autem ratione in inuicem statuimus. si aliquis ex predictorum prineipum eorumque nepotum uenatoribus in communi illorum silua uenationem exerceret. et eius canis non uenatoris uoluntate in nostram silue partem ... ineurreret. et ille post eum ut reuocaret equitaret. et ibi a meis meorumque successorum custodibus inuentus foret. si se expurgare potuisset ... quod nulla alia causa illuc ueniret. nisi ut canem ... retraheret ... Si autem se non ualeret expurgare. statuimus quod iustum esset nobis persoluere (UB Mittelrhein, 1, S. 348f„ Nr. 299).

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es für Wildbannverleihungen typisch ist.1003 Das erweckt den Anschein, daß zumindest für den Erzbischof die Jagd im Mittelpunkt stand. Welche G r ü n de der Versuch der Erzbischöfe auch hatte, den betreffenden Wald für andere N u t z e r zu schließen, er stieß jedenfalls auf den Widerstand jener Adligen, um deren communis silua es sich handelte. D e n Streit konnten die E r z b i s c h ö fe zunächst für sich entscheiden, indem sie den Königsbann für den Wald erwarben; dabei dürfte es sich um das Forstprivileg von 973 gehandelt haben. D i e betroffenen Adligen sahen aber offenbar nicht von der Verfolgung ihrer Ansprüche ab, die sie noch im frühen 11. Jahrhundert vor Erzbischof Poppo vertraten. Dabei machten sie es unmißverständlich deutlich, daß sie bzw. ihre Vorgänger das Vorgehen der Erzbischöfe als unrechtmäßig ansahen und sie sich selbst als die Geschädigten betrachteten. D e r immer noch bestehende Interessenkonflikt konnte nur beigelegt werden, indem der Erzbischof den größten Teil des Forstes von 973 aufgab.1004 U m zukünftige Meinungsverschiedenheiten entscheiden zu können, erhielten beide Seiten jeweils eine Ausfertigung der Urkunde. 1005 Darüber hinaus bestimmte der Erzbischof, daß die Urkunden vernichtet werden sollten und der frühere Unfrieden wieder herrschen sollte, wenn einer der beiden Kontrahenten die ausgehandelten Bedingungen nicht einhielt. 1 6 Die geschilderten V o r gänge dürften von großer Wichtigkeit für die Beurteilung von Wildbannverleihungen überhaupt sein. Wegen dieser Bedeutung der U r k u n d e Poppos ist es erforderlich, auf die Einwände einzugehen, die Oppermann gegen ihre Echtheit erhoben hat.1007 Zumindest was die inhaltliche Echtheit betrifft, scheinen Oppermanns Bedenken wenig stichhaltig. 1008 So sei der „freiwillige

1003 D H U 493: Interdicendo ... ullus bomo in eadem postbinc silva sine licentia predicti arcbiepiscopi successorumque eins aliquam venationem exercere audeat. Die Urkunde ist an dieser Stelle stark beschädigt; es sind etwa 60-70 Buchstaben ausgefallen: vgl. D H U 493, Anm. d. Daher ist es nicht möglich, Gewißheit über den vollständigen Wortlaut des Nutzungsverbots für Unbefugte zu gewinnen. 1004 Diese Schilderung der Vorgänge beruht auf der Urkunde, die in Anm. 999f. und 1002 zitiert ist. 1005 UB Mittelrhein, 1, S. 349: Hoc autem in sempiternum ut stabile permaneret et firmum de bis rebus cum communi nostro consensu duas kartas simili materia scribere precepi. unam Ulis eorumque posteris tribuendam. alteram mihi meisque successoribus optinendam. ut si nos siue illi in aliquo ab ista lege olim discordaremus. in bis predicte rei testimonium baberemus. 1006 Ebd.: Si autem ego ipse quod absit aut illi siue mei successores aut illorum nepotes banc uoluntariam traditionem quandoque conantur infringere. firmiter statuimus ut iste karte penitus deleantur et comburantur et priores contentiones inter illos exerceantur. 1007 Rheinische Urkundenstudien, zweiter Teil, S. 165-67. 1008 Goerz scheint davon auszugehen, daß die überlieferte Fassung der Urkunde auch in formaler Hinsicht echt ist; sie wird von ihm in Mittelrheinische Regesten, 1, Nr. 1229 als Original bezeichnet, ebenso in den Regesten zum UB Mittelrhein, 2, S. 650f., Nr. 368, die eigens den Zweck verfolgen, Angaben über die Echtheit der

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Verzicht des Erzbischofs auf einen erheblichen Teil" des Forstes „unglaubwürdig". Man fragt sich warum, da in der Urkunde gute Gründe für den Verzicht genannt werden. Oppermann vermutet, daß die Urkunde von Petrus Romanus gefälscht worden ist. Petrus war Mitglied des Trierer Domkapitels - wahrscheinlich seit 1084 - und seit 1097 „Kanzleichef" des Erzbischofs Egilbert.1009 Die Urkunde wäre also von erzbischöflicher Seite gefälscht worden. Warum hätte das geschehen sollen, zumal für das Forstgebiet, das der Erzbischof nach der Urkunde zurückbehielt, das Diplom von 1023 vorlag?10'0 Zudem bedeutete die Urkunde Poppos gegenüber der Forstverleihung von 973 eine Einschränkung für den Erzbischof; man sollte doch wohl erwarten, daß eine Fälschung eher in die entgegengesetzte Richtung gewiesen hätte. Es scheint auch fraglich, ob ein erzbischöflicher Fälscher eine Formulierung gewählt hätte, die frühere Erzbischöfe so stark inkriminiert wie es in der fraglichen Urkunde der Fall ist. Daß Poppo dies tat, geht dagegen auf die prekäre Lage zurück, in der er sich befand, wenn nicht auf echte Reue. In diesem Licht ist auch Oppermanns Einwand zu sehen, Poppo hätte der „Gegenpartei gewiß nicht zugegeben, daß seine Vorgänger diesen Wald für sich usurpiert hätten." Genau das hätte dann aber doch einer von Poppos Nachfolgern ohne große N o t seinen Amtsvorgängern vorgeworfen! Dagegen entsprechen die kritisierten Äußerungen Poppos völlig dem Charakter des Vergleichs; sie scheinen in der Situation, die sich in der Urkunde darstellt, keineswegs fehl am Platz. Poppo sah sich offenbar gezwungen, Formulierungen seiner Gegner zu akzeptieren, um zum Vergleich zu gelangen (wenn er nicht von echter Schuldeinsicht getrieben wurde, was das Eingeständnis erzbischöflicher Schuld auch erklären könnte). Vor dem Privileg von 1023 wird die Urkunde - um alle nur denkbaren Möglichkeiten durchzuspielen - ebenfalls nicht vom Erzbischof gefälscht worden sein - zumindest nicht, ohne daß ein Anlaß dafür vorlag, der letztendlich doch auf die Situation hinauslief, die in der angeblichen Fälschung geschildert wird. Im Vergleich zur Urkunde von 973 hätte der Erzbischof sich nämlich auch in einem solchen Fall schlechter gestellt, und das wäre sicher nicht ohne

Urkunden zu liefern, die im U B Mittelrhein weitgehend fehlen; vgl. die Vorbemerkung zu U B Mittelrhein, 2. Auch Boshof, Ottonen- und frühe Salierzeit, S. 75, scheint keine Zweifel daran zu hegen, daß die in der Urkunde geschilderten Vorgänge tatsächlich stattgefunden haben. In Das Erzstift Trier, S. 28, Anm. 56 spricht sich Boshof ebenfalls für die Glaubwürdigkeit in der Sache aus. Oppermann gründet seine Kritik nicht auf formale Fragen, auf die er gar nicht eingeht, sondern auf die inhaltlichen Punkte, die oben angesprochen werden. 1009 Oppermann, Rheinische Urkundenstudien, zweiter Teil, S. 137. 1010 D H U 493; vgl. Anm. 1000, 1003.

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D i e einzelnen F o r s t e

Grund geschehen. 1011 Eine Fälschung von fremder Seite zu Zeiten Poppos ist wohl kaum anzunehmen; wen sollte sie überzeugt haben? Später hätte eine Fälschung für Gegner des Erzbischofs keine positiven Veränderungen gegenüber der Urkunde von 1023 bedeutet. Schließlich ließ der Erzbischof in diesem Diplom ein Gebiet unter Wildbann stellen, das zum Forst von 973 gehörte; da das völlig überflüssig gewesen wäre, sofern keine Komplikationen vorlagen, würde auch ein derartiger Vorgang darauf hindeuten, daß es Schwierigkeiten bereitete, das ältere Forstprivileg durchzusetzen. Entweder waren diese auf die Gegend beschränkt, die 1023 nochmals eingeforstet wurde. Dann wäre die Urkunde Poppos den Kontrahenten des Erzbischofs aber keine große Hilfe gewesen, weil sie nach der Urkunde ja auf das Forstgebiet von 1023 verzichteten. Oder die Querelen betrafen das ganze Forstgebiet von 973; dann dürfte es sich bei der neuerlichen Forstverleihung von 1023 um einen erzbischöflichen Rückzug gehandelt haben. Das wäre genau die Situation, die auch die Urkunde Poppos schildert. Da diese dem Erzbischof das Forstgebiet von 1023 beläßt, hätte sie den Gegnern des Erzbischofs in einer solchen Situation keine Vorteile geboten, wird also kaum von ihnen gefälscht worden sein. Es ist mithin nicht erkennbar, warum eine Urkunde mit einem derartigen Inhalt zu irgendeinem Zeitpunkt von irgendjemandem gefälscht worden sein sollte. Zumindest dürfte das nicht geschehen sein, ohne daß ein Anlaß dafür vorlag, der mit der Situation, die in der Urkunde geschildert wird, identisch war. Oppermann greift eine weitere Bestimmung heraus, nämlich die Klausel,

1011 Das D i p l o m von 973 ist nur kopial überliefert. Das zusammen mit seiner - für die Verhältnisse des späteren 10. und des 11. Jahrhunderts - ungewöhnlichen Erscheinungsform - kein Jagdverbot, keine Konsensformel (man vgl. jedoch die beiden Churer Forste von 1050!) - könnte Zweifel an seiner Echtheit wecken (die bisher aber anscheinend noch niemand geltend gemacht hat). W e n n die Urkunde von 973 gefälscht sein sollte, wäre der kontroversen Urkunde Poppos dann also keine herrscherliche Verleihung vorausgegangen. Hier könnte ein Motiv für eine Fälschung der Urkunde Poppos gelegen haben, daß diese nämlich behilflich sein sollte, die Verleihung von 1023 zu erwirken - auf der Grundlage des Vergleichs, der hier festgehalten ist und der für das anvisierte Forstgebiet gewissermaßen eine Konsenserklärung darstellt. Dann stellt sich aber die Frage, warum noch die Urkunde von 973 hätte gefälscht werden sollen (etwa als Beweis für die herrscherliche Verleihung, von der auch Poppos Urkunde spricht?). Zu fragen ist auch, ob die (dann bischöflichen) Fälscher eine F o r m gewählt hätten, die geradezu dazu angetan ist, Verdacht zu wecken und dazu auch noch der Nachprüfung offensteht, da ja Vorgänge der jüngsten Vergangenheit berichtet werden. Das ganze wäre sicher auch einfacher und eleganter zu haben gewesen, ohne Schnitzer wie etwa die unnötige Beschuldigung der Vorgänger im Bischofsamt und ohne gewisse andere Formulierungen, die recht überflüssig und ungeschickt gewesen wären (vgl. unten, Anm. 1020). Das spricht gegen eine Fälschung der Urkunde Poppos etwa auch zu dem Zweck, einer gescheiterten Bemühung um eine Forstverleihung auf der Grundlage einer gefälschten U r k u n de von 973 in kleinerem Umfang doch noch zum Erfolg zu verhelfen.

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daß der Vergleich hinfällig werden sollte, w e n n eine der beiden Parteien ihn mißachtete. Der Erzbischof erkannte damit an, daß er den erneuten A u s bruch der Streitigkeiten riskierte, w e n n er seine Zugeständnisse nicht einhielt. U m g e k e h r t w u r d e so seinen Gegnern eingeschärft, daß auch sie sich nicht mehr herausnehmen konnten, als sie im Vergleich erreicht hatten, ohne erneute Auseinandersetzungen befürchten zu müssen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die fragliche Bestimmung völlig unverdächtig. Sie schließt es im Gegenteil wohl eher aus, daß die U r k u n d e zu einem späteren Zeitpunkt von einem Trierer Erzbischof gefälscht wurde, etwa u m etwaige Kontrahenten davon zu überzeugen, daß ihre Vorfahren bereits auf die strittigen N u t z u n gen verzichtet hatten. Abgesehen davon, daß es dann ja Konflikte genau der Art gegeben haben müßte, die in der U r k u n d e Poppos geschildert wird, hätte der Erzbischof seiner Argumentation den Boden selbst entzogen, w e n n er eine U r k u n d e fälschte, welche die beanstandete Bestimmung enthielt. Schließlich hätte auch der Gegner sich auf sie berufen und behaupten können, daß der Konflikt, der hier vorausgesetzt wird, entstanden war, weil die erzbischöfliche Seite die Übereinkunft nicht eingehalten hatte. Anstatt der gegnerischen Argumentation den W i n d aus den Segeln zu nehmen, wäre ihr eher noch Vorschub geleistet worden; der Passus hätte einen V o r w a n d geliefert, die Auseinandersetzung fortzuführen, also die erzbischöflichen W ü n sche weiterhin zu ignorieren. Das gleiche gilt umgekehrt für jeden anderen möglichen Fälscher. Die kontroverse Bestimmung spricht im Gegensatz zu Oppermanns Ansicht w o h l eher gegen eine Fälschung. Durch die doppelte Ausfertigung der U r k u n d e dürfte sich auch der Einwand erledigen, daß w e der die N a m e n der beteiligten principes, noch die von Zeugen genannt w e r den. Die Betroffenen werden am besten gewußt haben, w e n die Sache anging, und werden im Zweifelsfall ihre Interessen schon zu vertreten gewußt haben. Den nötigen Beweis hatten sie mit ihrer Ausfertigung ja in der Hand und mit der Bestimmung über die Hinfälligkeit auch das nötige Druckmittel, um ihren Ansprüchen Nachdruck zu verleihen. Das gleiche gilt für den Erzbischof. Oppermanns Einwände sind in diesen Punkten wenig tragfähig. Daß die „Bezeichnung principes episcopatus ... für die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts k a u m zeitgemäß" sei, bringt Oppermann mit einer Vorsicht vor, die seinen anderen Argumenten fehlt; u m das entscheidende Argument gegen die inhaltliche Echtheit der U r k u n d e dürfte es sich dabei nicht handeln. Die oben angestellten Überlegungen sprechen dafür, daß die U r k u n d e Poppos eine ernstzunehmende Quelle ist.1012 Diese läßt keinen Zweifel daran, daß die Kontrahenten des Erzbischofs zu keinem Zeitpunkt damit einver-

1012 Daß bei der Echtheitsprüfung von Privaturkunden die inhaltliche Überprüfung, wie sie oben durchgeführt worden ist, eine entscheidende Bedeutung besitzt, legt Wisplinghoff dar in Zur Methode der Privaturkundenkritik, w o er auch mehrere Beispiele für Otto Oppermanns Vorgehensweise kritisch diskutiert.

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standen waren, den Wünschen der Trierer Seite nachzugeben und ihr die alleinige Nutzung des strittigen Waldes zuzugestehen. 1013 Der Streit scheint schon vor der Forstverleihung von 973 begonnen und sich bis in die Zeit Poppos hingezogen zu haben;1014 die betroffenen Adligen müssen ihre Ansprüche folglich gut fünzig Jahre lang aufrechterhalten haben. Im vorliegenden Fall erregte also der Versuch, einen Nutzungsvorbehalt durchzusetzen, der über die Jagd hinausging, den Unwillen anderer Grundherren und rief ihren heftigsten Widerstand hervor. Das hat Konsequenzen für die Beurteilung der Frage, ob Wildbänne grundsätzlich mit der Verfügung über andere Nutzungen als die Jagd verbunden waren. In den Wildbanngebieten waren fast durchgehend fremde Grundherren begütert. Hätte sich der Wildbann neben der Jagd noch auf weitere Nutzungen ausgewirkt, so hätten die anderen Grundherren eine ähnliche Benachteiligung hinnehmen müssen wie die Gegner des Trierer Erzbischofs. Das vorliegende Beispiel läßt vermuten, daß die Bereitschaft dazu nicht vorausgesetzt werden kann. Jede Wildbannverleihung wäre daher dazu angetan gewesen, die Unzufriedenheit der betroffenen Grundherren heraufzubeschwören; das wäre nicht nur einmal, sondern in einer Vielzahl von Fällen passiert. Es gilt hier zu bedenken, daß diese Unzufriedenheit sich nicht nur gegen den jeweiligen Wildbannherrn richten mußte, sondern auch gegen den Aussteller der Wildbannprivilegien, den König. Das hätte dazu geführt, daß der König den Unwillen einer großen Gruppe von Grundherren auf sich gezogen hätte. Ihr wäre schon deswegen einiges Gewicht zugekommen, weil die Zahl der Betroffenen aufgrund der Anzahl der Wildbänne und ihrer Ausdehnung nicht zu unterschätzen ist. Dem König hätte kaum daran gelegen sein können, die Gegnerschaft eines solch großen Teils der Grundbesitzer herauszufordern. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist es reichlich unwahrscheinlich, daß bei einer Wildbannverleihung mehr beabsichtigt war, als dem Empfänger die Kontrolle der Jagd zu sichern. Andere Überlegungen stützen diesen grundlegenden Einwand. So hätte es in anderen Fällen sogar eher noch mehr 1013 Man vgl. die folgenden Wendungen (UB Mittelrhein, 1, S. 348f., Nr. 299): predecessoribus meis ... quibusdam sui episcopatus principibus de communi eorundem principum ac silua que uocatur kilenwalt per sepem certantibus ...et eandern siluam repugnantibus contradicentibus predictis principus ... eisdem principibus. in prouincia que uocatur Biedegouui manentibus ad me uocatis atque predictam causam coram exponentibus. et sese ex mea meorumque antecessorum potestate iniuste propriis suis rebus uastatos esse conquerentibus in inuicem pepegimus ... ex hoc quod predecessores mei contra uoluntatem illorum [sc. principum]... tenuerunt quasdampartes Ulis remitterem. et econtra ex eopro quo iurgati sunt id ipsum sua sponte reciperem. 1014 Wenn es heißt (ebd.): ego autem hanc contentionem uoluerim finire, so läßt das darauf schließen, daß nie ganz Ruhe eingekehrt war. In die gleiche Richtung weist die Angabe, daß die Gegner des Erzbischofs auch von Poppo selbst geschädigt worden stiem principibus ...ex mea meorumque antecessorum potestate iniuste in propriis suis rebus uastatos esse conquerentibus.

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Betroffene gegeben als beim Trierer Forst, da ein großer Teil des Forstgebietes von 973 bewaldet war; auch die Urkunde Erzbischof Poppos bezeichnet das Forstgebiet als Wald. Die meisten Wildbanngebiete dürften noch weitaus stärker besiedelt, die Zahl der benachteiligten Grundherren größer gewesen sein. Das ist nicht der einzige Grund für die Annahme, daß die Bedingungen im vorliegenden Beispiel vergleichsweise günstig waren und die Schwierigkeiten anderswo wohl noch größer gewesen wären. So dürfte sich das Erzstift schon deswegen in einer eher vorteilhaften Lage befunden haben, weil das Forstgebiet ihm und dem Kloster Prüm bereits gehörte, wie die Urkunde von 973 feststellt. Hier ist aber damit zu rechnen, daß der Empfänger bewußt falsche Angaben machte, eben weil abzusehen war, daß die Forstverleihung auf Widerstand stoßen würde. Trotz dieser anscheinend recht vielversprechenden Ausgangslage konnte der Nutzungsausschluß letztendlich nicht aufrechterhalten werden, jedenfalls wohl nicht ohne daß dies mit einer Fortsetzung der Auseinandersetzungen erkauft worden wäre. U m s o unwahrscheinlicher ist es, daß ein ähnlicher Nutzungsvorbehalt in anderen Fällen durchsetzbar war, in denen die Bedingungen dafür weniger günstig waren als hier. Soweit der Nutzungsausschluß zugunsten des Trierer Erzstifts durchgesetzt werden konnte scheint das zu einem guten Teil dem Königsbann zu verdanken gewesen sein, der für den umstrittenen Wald erworben worden war. Die Rolle, die der Bann dabei spielte, weist auf einen weiteren Punkt hin, der gegen die gängigen Vorstellungen vom Wildbann spricht. Aus der Urkunde Poppos geht hervor, daß der Streit um den Wald sich zunächst solange hinzog, bis die Erzbischöfe den Königsbann erwarben.1015 Die Bannverleihung bildete somit einen Einschnitt, der die Wende zugunsten des Erzstifts brachte. Der Urkunde läßt sich auch entnehmen, daß der Erzbischof den Wald seitdem mit Hilfe des Bannes in seiner Kontrolle hatte.1016 Daraus läßt sich schließen, daß der Bann der entscheidende Faktor war, der es dem Erzbischof überhaupt erst ermöglichte, seine Ziele durchzusetzen. Seine Wirkung verdankte der Bann dem Zwang, den er repräsentierte, und nicht etwa der Tatsache, daß er die Gegner des Erzbischofs davon überzeugte, ihr Kontrahent sei im Besitz des besseren Rechtes, dem sie sich zu beugen hätten. Das geht daraus hervor, daß die Adligen nachdrücklich betonten, sie seien von Poppo

1015 Ebd.: predecessoribus meis ... cum quibusdam sui episcopatus principibus ... certantibus. et eandem siluam in suam potestatem usurpantibus. et banc litem eo usque pertrahentibus. donee ex regis imperio qui tunc temporis erat bannum acceperunt. 1016 Ebd.: bannum acceperunt [sc. archiepiscopi predecessores mei], et eandem siluam repugnantibus ac contradicentibus predictis principibus. cum hoc sibi perhenni iure confirmauerunt ... ex hoc quod predecessores mei contra uoluntatem illorum regali banno tenuerunt quasdam partes illis remitterem.

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Die einzelnen Forste

und seinen Vorgängern unrechtmäßigerweise geschädigt worden.1017 Zudem brachten sie es zum Ausdruck, daß die Erzbischöfe gegen ihren Willen und auf den Bann gestützt über den Wald verfügten. 1 18 Auch die Tatsache, daß der Streit noch zu Anfang des 11. Jahrhunderts nicht aus dem Weg geräumt war, zeigt, daß die Adligen die Ansprüche des Erzbischofs nie anerkannt hatten. Dennoch scheint der Bann sie dazu gebracht zu haben, ihre Beschwerden zurückzustellen; das läßt sich der Angabe entnehmen, die Erzbischöfe hätten den Streit durch die Bannverleihung zu ihren Gunsten entschieden und durch den Bann über den Wald verfügt. 10 " Wie die eben angeführten Äußerungen der Adligen zeigen, scheint es nicht Einsicht gewesen zu sein, was sie dann doch zum Stillhalten bewegte, sondern Zwang. Die Zwangsgewalt kann dabei nicht die des Erzbischofs gewesen sein, da diesem der entscheidende Erfolg versagt blieb, den er dann durch die Bannverleihung erzielte. Der Bann repräsentierte vielmehr die königliche Zwangsgewalt, bei der es sich nicht um eine bloße rechtliche Stellungnahme handelte. Es war die Drohung mit der königlichen Macht, die dem Bann seine Wirksamkeit verlieh.1020 Damit die gewünschte Wirkung erzielt wurde, was hier

1017 Ebd.: principibus ... ex mea meorumque antecessorum potestate iniuste in propriis suis rebus uastatos esse conquerentibus. 1018 Ebd.: ex hoc quod predecessores mei contra uoluntatem illorum regali banno tenuerunt quasdam partes Ulis remitterem. 1019 Vgl. die Zitate in den letzten vier Anmerkungen. 1020 Diese Interpretation mag unter Berufung auf die angeblich fragliche Echtheit der Urkunde bezweifelt werden. Abgesehen davon, daß die Argumente, die gegen die Echtheit vorgebracht wurden, kaum tragfähig sein dürften, gilt es hier noch etwas anderes zu bedenken. Selbst wenn die Urkunde gefälscht sein sollte - eine Annahme, die, wie dargelegt, alles andere als zwingend zu sein scheint - bleibt die Tatsache, daß in ihr die beschriebene Wirkungsweise des Banns wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, ohne daß Gründe dafür erkennbar wären, falsche Angaben über sie zu machen. Wären Gegner des Erzbischofs die Fälscher gewesen, so hätte es gereicht zu behaupten, daß dieser ihnen seinen Willen aufgezwungen hatte, um die Unrechtmäßigkeit seines Vorgehens hervorzuheben. Im Gegenteil hätte es eher noch dem Gegner in die Hand gespielt, hätte man darauf hingewiesen, daß auch der König sich auf seine Seite gestellt habe. Wenn dagegen der Erzbischof der Fälscher war, hätte sich sein Interesse darauf konzentrieren müssen, die rechtliche Stellungnahme des Königs für seine Anliegen zu betonen. Dagegen hätte der Hinweis, daß Zwang ausgeübt werden mußte, den Eindruck entstehen lassen, daß die königliche Entscheidung keineswegs allgemein akzeptiert war, und das wäre den Absichten eines erzbischöflichen Fälschers eher abträglich gewesen. Man sollte also erwarten, daß in einer erzbischöflichen Fälschung Andeutungen über den Zwang, der vonnöten war, um eine herrscherliche Entscheidung gegen abweichende Interessen durchzusetzen, eher unterblieben wären, zumal sie keinem anderen Zweck als der Ausschmückung gedient hätten, die nicht nur überflüssig, sondern, wie eben dargelegt, eher kontraproduktiv gewesen wäre. Was die Wirkungsweise des Banns und deren Voraussetzungen angeht, auf die oben abgehoben wird, dürfte die Urkunde Poppos daher so oder so in jedem Fall verläßliche Informationen liefern. Im Gegenteil

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der Fall war, dürfte es aber darauf angekommen sein, daß der König zu der Drohung stand und daß er sie im Konfliktfall wahr machen würde. Nun wäre es wohl zu erwarten gewesen, daß er die Entscheidung, auf welcher Seite er sein Gewicht in die Waagschale werfen würde, auch nach Maßgabe der Privilegien fällte, die ihm über einen strittigen Gegenstand vorgelegt wurden. Daher hätte es sich für einen Urkundeninhaber nachteilig auswirken können, wenn er zwar ein Privileg besaß, dieses aber nicht alle seine Ansprüche deckte und der König nur jene anerkannte, bei denen das der Fall war. Das bedeutet, daß es im Interesse des Empfängers sein mußte, alle Bereiche, auf die das Privileg sich erstreckte, in der Urkunde vollständig aufzählen zu lassen. Somit dürfte es wenig wahrscheinlich sein, daß sich je die Gepflogenheit eingebürgert hätte, wichtige Bestandteile einer Wildbannverleihung einfach wegzulassen. Das betrifft das Rodungsprivileg und andere Nutzungsausschlüsse, die nach der gängigen Vorstellung vom Wildbann geschaffen worden sein sollen. Es hat daher nicht den Anschein, daß der Wildbann sich im Normalfall neben der Jagd noch auf andere Bereiche erstreckte. Zudem erscheint es auch kaum glaubhaft, daß Wildbannverleihungen sich in ,ungenannten' Bereichen auswirken konnten. Schließlich gilt auch hier wieder, daß ihre Wirksamkeit davon abhing, daß der König hinter dem fraglichen Privileg stand und es nicht vorausgesetzt werden konnte, daß er das tat, wenn die betroffene Bestimmung nicht in der Urkunde enthalten war. Es könnte eingewandt werden, daß die obigen Ausführungen schon deshalb keine Allgemeingültigkeit beanspruchen dürfen, weil ja zumindest im vorliegenden Fall ein umfassender Nutzungsvorbehalt durch eine königliche Forstverleihung geschaffen wurde. Zumindest hier müßte also all das vorgekommen sein, was oben als so unwahrscheinlich dargestellt wurde. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Forst von 973 ein Sonderfall gewesen sein muß, ein seltenes, wenn nicht einmaliges Experiment, das mit gewöhnlichen Wildbannverleihungen nicht auf eine Stufe gestellt werden kann. So fehlen der Verleihungsurkunde selbst die Konsenserklärung (die wohl auch kaum gegeben worden wäre) und das ausdrückliche Jagdverbot. Parallelen für dieses Defizit bieten höchstens die sehr wenigen Forsturkunden, bei denen es nicht um königliche Bannwälder gegangen zu sein scheint, deren Gegenstand aber - wie beim Forst von 973 - dennoch einfach nur als forestum bezeichnet wird und denen ebenfalls die weiteren Kennzeichen einer Wildbannverleihung fehlen. Dazu gehören vor allem zwei Forste für Chur und einer für Hamburg-Bremen. Gerade beim bremischen Forst läßt sich aber vermuten, daß auch er nur ein einfacher Wildbann war, da er sonst wohl ähnliche Komplikationen verursacht hätte wie der Trierer scheint die Behandlung dieses Punktes in der Urkunde Poppos eher noch ein weiteres Argument für deren Echtheit zu sein.

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Forst. 1021 Ebenso dürfte einer der Churer Forste wohl kaum aus einem völligen Nutzungsvorbehalt bestanden haben, da im Forst auch fremde Grundherren begütert waren.1022 So dürften nicht einmal die Forste, die auf den ersten Blick einen umfassenden Nutzungsvorbehalt aufgewiesen haben könnten, mehr als gewöhnliche Wildbänne gewesen sein. Daß aber Wildbänne grundsätzlich die problematischen Eigenschaften des Forstes von 973 besaßen, scheint eben aufgrund der Schwierigkeiten, die diese Eigenschaften verursachten, ausgeschlossen. Das eben Gesagte gilt selbstverständlich auch für die Rodung. Inwieweit sie zu den Nutzungen gehörte, die der Trierer Erzbischof im Forst von 973 aktiv ausübte und denen er später in dem Anteil nachging, den ihm der Vergleich beließ, läßt sich nicht mehr genau feststellen.1 Doch dürfte das auch eher ein Scheinproblem sein; wie weiter oben schon ausgeführt wurde, ist es nämlich nicht ausgeschlossen, ja eigentlich die wahrscheinlichste Annahme, daß die Nutzung des Forstes nicht um ihrer selbst willen verwehrt wurde, sondern im Interesse der Jagd, oder genauer gesagt, des Jagdwildes.

Utrecht 71. Die Schenkung von 777 Karl der Große übertrug dem Bistum Utrecht 777 unter anderem vier namentlich genannte forestes'02* Einer von ihnen, der Hengistscoto, läßt sich noch später in der Uberlieferung gut verfolgen. Der Konvent zu Oostbrock besaß im Jahr 1240 eine curtis zu Hengestscaete bzw. Hengestschoeten, 1025 Der Oostbrocker Besitz an diesem Ort dürfte auf die terra Hengescoten zurückgehen, die der Konvent vom Utrechter Bischof erhalten hatte. Die Schenkung ist aus einer Urkunde von 1131 bekannt, die allerdings nicht unverdächtig

1021 S . N r . 30. 1022 N r . 12. 1023 Vgl. z. B. Pauly, Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier. Das Landkapitel Kyllburg-Bitburg, bes. S. 132-162, 208-220, 236-251 mit Karte „Die Siedlungen im Landkapitel Kyllburg-Bitburg" im Anhang; Ders., Siedlung und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier. Die Landkapitel Piesport, Boppard und Ochtendung, S. 14-63; 74-78; 81-84; 94-99; 106-110. 1024 D Karol. I 117 (kopial überliefert). Die Forste lokalisiert so weit wie möglich U B Utrecht, 1, S. 41 f., Nr. 48, Anm. 5-8. 1025 U B Utrecht, 2, S. 338f., N r . 947; zu dieser Urkunde vgl. Oppermann, Untersuchungen zur nordniederländischen Geschichte des 10. bis 13. Jahrhunderts, 2, S. 146. Ebd., S. 144 auch zum Forst Heischoten. Zur Identifizierung dieses Ortes mit dem Hengistscoto von 777 vgl. daneben auch die Register von U B Utrecht, 1 und 2, sowie U B Utrecht, 1, S. 41 f., N r . 48, Anm. 5.

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ist.1026 An der Tatsache der Schenkung dürfte aber angesichts der späteren Besitzverhältnisse wohl kein Zweifel bestehen. Der Hengistscoto dürfte mithin ein königlicher Wald gewesen sein, und dasselbe dürfte auch auf die anderen drei Forste von 777 zutreffen. Der Hengistscoto wurde später dem Konvent zu Oostbrock geschenkt und - wohl vom Empfänger - zumindest teilweise gerodet.

72. Die Forstverleihung von 944 Die Forsturkunde, die das Hochstift Utrecht 944 von Otto I. erhielt, liegt in zwei Fassungen vor, die auf den selben Tag datiert sind1027 und in denen das Forstgebiet unterschiedlich bezeichnet wird. Der dispositive Teil der Urkunden beginnt jeweils mit einem Jagdverbot für Unbefugte, wie es für Wildbannverleihungen typisch ist. Nach der einen Fassung, von Blok für die ältere gehalten,'028 soll das Verbot in einem pagus forestensis gelten, der in der Grafschaft des Grafen Eberhard liegt. 129 In der anderen Fassung ist dagegen vom pagus Thriente die Rede,1030 ebenfalls in der Grafschaft Eberhards gelegen.1031 In beiden Versionen schließt sich die Bestimmung an, daß in dem jeweiligen pagus dem Empfänger das ius forestense vorbehalten bleiben soll.'032 Die Urkunde, die vom pagus forestensis spricht, dehnt diese Bestimmung dazu noch auf die silva Fulnaho aus.1033 Es fragt sich hier, in welcher Reihenfolge und in welchem Verhältnis die beiden Fassungen zueinander standen und welchen Inhalt das ius forestense hatte. Was den ersten Punkt angeht, so vertritt Blok die Meinung, daß der pagus forestensis zwischen dem Altsiedelland von Drente im Osten und der silva Fulnaho im Westen lag.1034 Wie die Urkunde mit dem pagus 1026 U B Utrecht, 1, S. 308, Nr. 335. Vgl. hierzu Oppermann, Untersuchungen zur nordniederländischen Geschichte des 10. bis 13. Jahrhunderts, 2, S. 144. 1027 D O I 62 mit Varianten. Die Urkunden sind nur kopial überliefert. Beide Fassungen sind separat im U B Utrecht, 1, 112f., Nr. 107 a, b gedruckt. 1028 Blok, De Schenking van het ius forestense, S. 61, Anm. 1 und passim. 1029 D O I 62: interdicimus, ut nullus comitum aliorumve hominum in pago forestensi quod est in comitatu Everhardi, cervos ursos capreas apros, bestias insuper que Teutonica lingua elo aut scelo appellantur venari absque prelibate cathedre presulis permissu presumat. 1030 Ebd., mit Anm. c: interdicimus, ut nullus comitum aliorumve hominum in pago Tbriente vocato, quod est in comitatu Everhardi... venari... presumat. 1031 Ebd. 1032 D O I 62 mit Anm. g bis k: Volumus quoque ... iubemus, ut in eodem pago ... adusque adiacentes ceteras regiones ... predicte Traiectensi ecclesie ius servetur forestense [bzw. forentense], utpote nobis in nostris. 1033 D O I 62: Volumus quoque ... iubemus, ut in eodem pago ac in silva que nuncupatur Fulnaho ac universis finibus eius ac prefati pagi... Traiectensi ecclesie ius servetur forestense, utpote nobis in nostris. 1034 Blok, De Schenking van het ius forestense, S. 65f.

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forestensis sich zur zweiten Fassung mit dem pagus Thriente verhielt, hängt nach Blok vom Umfang des pagus Thriente ab, für den es keine verläßlichen Anhaltspunkte gibt. In der Ausdehnung des späteren Dekanats Drente hätte der pagus Thriente den vermutlichen pagus forestensis vollständig eingeschlossen.1035 Die - nach Blok - jüngere Urkunde hätte dann die ältere überflüssig gemacht, sie somit ersetzt.1036 Wenn aber, was Blok für wahrscheinlicher hält, das Thriente genannte Gebiet den pagus forestensis lediglich vergrößerte, so hätten sich beide Versionen ergänzt.1037 Damit faßt Blok zwei der vier Erklärungsmöglichkeiten ins Auge, von denen er ausgeht;1038 zwei weitere lehnt er ab.1039 Die Utrechter Kirche hätte demnach zunächst den pagus forestensis mit der Nutzung der silva Fulnaho erhalten.1040 Diese Schenkung wäre dann später in einem Umfang erweitert worden, der nicht mehr feststellbar ist. Es dürfte in jedem Fall festzuhalten sein, daß die Urkunde, die den Forst im pagus Thriente lokalisiert, die endgültige Fassung der Forstverleihung darstellt. Sie allein liegt nämlich den überlieferten Bestätigungen der Forstverleihung von 944 zugrunde, die von Heinrich II., Konrad II. und Heinrich IV. stammen.1041 Blok meint, daß dies mit der fortschreitenden Besiedlung zusammenhängen könnte, die das Drenter Altsiedelland nach Westen hin erweiterte und somit den ursprünglichen pagus forestensis und die silva Fulnaho zu einem Teil von Drente werden ließ.1 Man hätte dann also im Hinblick auf den pagus und die silva einfach von Drente sprechen können. Eine endgültige Klärung dieses Punktes dürfte aber wohl nicht möglich sein. Da bereits die Besiedlung angesprochen wurde, stellt sich die Frage nach dem Inhalt der Forstverleihungen. Explizit wird nur

1035 1036 1037 1038 1039

Ebd., S. 66. Ebd. Ebd. Zu diesen siehe ebd., S. 63. So sei es nicht anzunehmen, daß der Unterschied zwischen beiden Fassungen lediglich ein terminologischer ist (ebd., S. 63). Blok wendet sich auch gegen die Ansicht, daß die Urkunde, die vom pagus Thriente spricht, die andere einschränkte, und zwar auf die Grafschaft des Grafen Eberhard, der nur für das Gebiet seiner Grafschaft die Zustimmung zur Forstverleihung erteilen konnte (ebd., S. 63f.). Wie Blok ganz richtig anmerkt, wird eine Konsenserklärung in beiden Fassungen gar nicht erwähnt (ebd., S. 64). Es wäre zudem verfehlt, eine solche allein vom Grafen zu erwarten, es sei denn, er wäre zufällig der einzige Nutzer des betroffenen Forstgebietes gewesen (vgl. ebd.). Die von Blok selbst noch erwähnte Möglichkeit, daß das Hochstift 944 zwei Forstverleihungen erhielt, beide Urkunden also ganz verschiedene Forste zum Gegenstand haben und somit unabhängig voneinander waren (vgl. ebd., S. 63), scheint Blok nicht ernstlich in Betracht zu ziehen. 1040 Vgl. ebd., S. 65f. 1041 D H I I 112 (1006), D Ko II 44 (1025), D H IV 17 (1057). Vgl. Blok, De Schenking van het ius forestense, S. 66. 1042 Ebd., S. 66.

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von der Jagd gesprochen, die, wie bei Wildbannverleihungen üblich, dem Empfänger vorbehalten wird. In beiden Forsturkunden w i r d dann aber das ius forestense so nachdrücklich hervorgehoben, daß es leicht fällt, hinter dem ius andere N u t z u n g e n als die Jagd zu vermuten.' 043 Auf den ersten Blick dürfte sich diese Deutung am ehesten auf den pagus forestensis anwenden lassen. Daß es sich bei ihm u m ein Gebiet handelte, das einen Sonderstatus besaß, legt das Attribut forestensis nahe. Es spricht nichts gegen die Annahme, daß dieser Status z u m Zeitpunkt der Forstverleihung bereits bestand. Der pagus forestensis könnte also ein königliches Forstgebiet gewesen sein, das, w i e andere Königsforste auch, mehrere Nutzungen u m faßte bzw. überhaupt mit einem königlichen Bannwald identisch war.' 044 Die Verfügung über sämtliche Nutzungen, die z u m Forst gehörten, könnte mit der Forstverleihung an das Hochstift übergegangen sein - sofern diesem der Forstbezirk in seiner Gesamtheit geschenkt w u r d e . Davon ist jedoch in keinem der beiden Diplome die Rede. Noch größer werden w o h l die Schwierigkeiten, wollte man annehmen, daß die Forstverleihung dem Bischof auch in der silva Fulnaho und dem bereits besiedelten Teil von Drente die Verfügung über mehrere N u t z u n g e n bringen sollte. Blok ist dieser Meinung und glaubt den Niederschlag des ius forestense in der sogenannten schuldmudde ausmachen zu können, einer Abgabe, die noch im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit erhoben wurde. 1045 Es fällt aber auf, daß die schuldmudde gerade in jenem Gebiet nicht geleistet wurde, das vermutlich den pagus forestensis ausmachte 1046 und w o ein weitergehender Nutzungsvorbehalt wohl noch am ehesten möglich gewesen wäre. Auch die hochmittelalterlichen Zustände in Vollenhove, der silva Fulnaho der U r k u n d e n von 944, raten zur Vorsicht. Dort verfügte im 12. Jahrhundert ein Rudolf von Steinfurt über 22 Anteile an nicht näher spezifizierten N u t z u n g e n (XXII portiones, quas warscaph vocant), die zu seinem Eigengut (hereditas) gehörten und die er 1132 einem

1043 Wie es auch Blok tut: ebd., S. 62. 1044 Selbst diese Vermutung, die noch am ehesten der Annahme entgegenkommt, die Verleihung sei über die Jagd hinausgegangen, ist mit dem Wortlaut der Urkunden nicht ganz zu vereinbaren. Diese sprechen davon, daß das ius forestense in dem jeweiligen pagus ac universis finibus eius dem Hochstift vorbehalten bleiben soll (eius bezieht sich im einen Fall auf die silva Fulnaho - des pagus forestensis wird hier dann noch mit den Worten ac prefati pagi gedacht - im anderen auf den pagus Thriente). Beide Urkunden sagen zum Schluß noch: utpote nobis in nostris, wobei hier wohl finibus zu ergänzen ist. Es soll also so sein wie in vergleichbaren königlichen Forstgebieten. Daraus kann man schließen, daß es sich bei dem Utrechter Forstgebiet nicht um solche handelt. 1045 Blok, De Schenking van het ius forestense, S. 67 und vor allem Ders., Vroege Middeleeuwen, tot ca. 1150, S. 164-170. 1046 Ebd., S. 168.

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Augustinerstift schenkte. 1047 Das Eigentum an den N u t z u n g e n des Landes von Vollenhove sollte man doch eher beim Utrechter Bischof vermuten, w e n n die Forstverleihung tatsächlich über die Jagd hinausgegangen war. Da hier jedoch nach 944 Veränderungen stattgefunden haben können, die heute nicht mehr nachweisbar sind, bringt auch der Fall des Rudolf von Steinfurt keine endgültige Gewißheit. Er zeigt jedoch, daß der Bischof spätestens im 12. Jahrhundert nicht mehr über alle N u t z u n g e n des Forstgebietes von 944 verfügte. Wenigstens w i r d man das für die silva Fulnaho feststellen dürfen. O b es unmittelbar nach der Forstverleihung zunächst anders ausgesehen haben könnte, scheint fraglich, vor allem was den altbesiedelten Teil von Drente betrifft und die Grundherrschaften, die z u m Zeitpunkt der Forstverleihung dort bereits anwesend waren. W e n n der Forst wirklich aus einem umfassenden Nutzungsausschluß bestand, hätten sie auf einmal A b gaben zu leisten gehabt, die es vor der Verleihung noch nicht gab. So etwas dürfte doch nur durchsetzbar gewesen sein, wenn sich die betroffenen Grundherren gegenüber dem Bischof in einer Position der Schwäche oder der Abhängigkeit befanden. 1048 W e n n die Forstverleihung dem Bischof also tatsächlich die Verfügung über N u t z u n g e n verschaffte, die über die Jagd hinausgingen und sich in einer Abgabe niederschlugen, dann dürfte das außerordentlichen Umständen zu verdanken gewesen sein und kann keinesfalls verallgemeinert werden. Dabei ist zu betonen, daß die Verbindung zwischen der Forstverleihung und der schuldmudde nichts weiter ist als eine moderne Vermutung und nicht als nachgewiesen betrachtet werden kann. Der Wortlaut der Verleihungsurkunden von 944 scheint es nicht einmal auszuschließen, daß es in Wirklichkeit u m nicht mehr ging als die Jagd und die Betonung des ius forestense dem nur Nachdruck verleihen sollte. Im Gegenteil dürfte das angesichts der oben beschriebenen Umstände die wahrscheinlichste Annahme sein. Es gilt hier zu bedenken, daß auch im Straßburger Wildbannprivileg von 1017 mit dem Begriff ius forestense anscheinend nichts anderes gemeint ist als ein Jagdvorbehalt, ein Wildbann. Das spricht dafür, daß es im vorliegenden Fall nicht an-

1047 UB Utrecht, 1, S. 310f., Nr. 339; vgl. auch D Lo III 348 (1134), w o die Schenkung bestätigt wird. Zu dieser auch die Urkunde Bischof Werners von Münster von 1134, w o von XXVII portiones die Rede ist: UB Osnabrück, 1, S. 209f., Nr. 255. Portio war eine gebräuchliche Bezeichnung für Anteile an Nutzungen, vgl. Mediae latinitatis lexicon minus, S. 816, portio, 3. Warscaph lautete eine entsprechende niederdeutsche Bezeichnung: Mittelniederdeutsches Wörterbuch, 5, S. 607f., warschop; zitiert aus der Urkunde Rudolfs von Steinfurt (UB Utrecht, 1, S. 310f., Nr. 339). Ein weiteres niederdeutsches Synonym ist wäre, ein weiteres lateinisches warandia: Mittelniederdeutsches Wörterbuch, 5, S. 607f., unter warschop und ebd., S. 601 f., wäre; Mediae latinitatis lexicon minus, S. 1126f., warandia. Zur Schenkung Rudolfs von Steinfurt auch Blok, De Schenking van het ius forestense, S. 64f. 1048 Man vgl. hier vor allem den Fall des Trierer Forstes von 973.

Verden

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ders w a r . A u c h die R o d u n g im Forstgebiet kann mit d e m F o r s t nicht eindeutig in V e r b i n d u n g gebracht w e r d e n . Im Untersuchungsgebiet ist s o w o h l v o r als auch nach der Forstverleihung nicht n u r hochstiftischer Besitz nachweisbar. 1 0 4 9 Im Bereich der silva Fulnaho v e r f ü g t e der Bischof, w i e dargelegt, spätestens im 12. J a h r h u n d e r t nicht m e h r über alle N u t z u n g e n des eingeforsteten Landes, d ü r f t e also auch k e i n e b e s o n d e r e K o n t r o l l e d e r R o d u n g ausgeübt haben.

Verden 73. Der Wildbann im Gau Sturmi D a s H o c h s t i f t V e r d e n erhielt 9 8 5 die H i r s c h j a g d i m ganzen G a u S t u r m i v e r liehen, w o b e i w e d e r d e r B a n n - n o c h der F o r s t b e g r i f f v e r w e n d e t wurde. 1 0 5 0 D i e V e r l e i h u n g s u r k u n d e w e i s t mit d e m J a g d v e r b o t f ü r U n b e f u g t e aber ein M e r k m a l auf, das W i l d b a n n p r i v i l e g i e n auszeichnet; einem W i l d b a n n d ü r f t e die V e r l e i h u n g v o n 9 8 5 auch rein sachlich entsprechen. M a n w i r d in d e m v o r liegenden Fall m i t h i n eine g e w ö h n l i c h e W i l d b a n n v e r l e i h u n g sehen k ö n n e n . In die gleiche R i c h t u n g w e i s t der U m s t a n d , d a ß die B e s t ä t i g u n g s u r k u n d e K o n r a d s II. v o n 1 0 2 5 v o n einem forestum cervorum cervarumque per totum pagum Sturmi spricht. Es handelte sich bei d e m J a g d p r i v i l e g i m G a u S t u r 1049 Güter des Klosters Werden sind z. B. sowohl vor als auch nach der Forstverleihung belegt: U B Utrecht, 1, S. 118, Nr. 116 (950-1050); Blok, Vroege Middeleeuwen, tot ca. 1150, S. 161 f. In der Grafschaft Drente lagen auch die Güter, die ein Uffo und seine Brüder 1040 durch ein Gerichtsurteil abgesprochen bekamen: DD H III 44, 45. Eine Ubersicht über die Grundherren, die in Drente begütert waren und von denen der Bischof der größte war, gibt Blok, Vroege Middeleeuwen, tot ca. 1150, S. 160-63. Zur mittelalterlichen Siedlungsgeschichte von Drenthe, die offenbar keine klaren Aussagen über die hier im Vordergrund stehenden Fragen ermöglicht, vgl. Waterbolk, Das mittelalterliche Siedlungswesen in Drenthe, bes. S. 102f. 1050 D O III 23 (nur kopial überliefert): Adhuc quoque prefate ecclesie et eius procuratoribus ob amorem prescripti Erph episcopi adiungimus ac daraus regali munificentia venacionem cervorum cervarumque per totum pagum Sturmum vocatum in quo ille sanctus locus situs est, ut absque eiusdem loci episcopi presentis successorumque illius licentia nemo venari audeat. Zur Ausdehnung des Gaus Sturmi siehe Engelke, Die Grenzen und Gaue der Diözese Verden, bes. die Karte nach S. 64. 1051 D Ko II 16: Forestum etiam cervorum cervarumque per totum pagum Sturmi illi aecclesiae donamus, ea ratione ut absque illius loci episcopi licentia nemo venari aut buiusmodi feras capere audeat. Die Jagd im Gau Sturmi hatte vorher bereits Heinrich II. bestätigt: Insuper etiam et buie liberalissimae donationi aliam vidimus adiunetam, qua nominato episcopo sive omnibus illius sedis futuris provisoribus venationem cervorum cervarumque per totum pagum Sturmiun vocatum regali munere donavit firmissime iubens, ut nullus ... absque licentia eiusdem episcopi sive successorum eius in Ulis locis venari aut eiusmodi feras capere presumerei (D H II 109 von 1006; vgl. dazu die Vorbemerkung zu diesem Diplom. Eine weitere Bestätigung enthält D H III 1 von 1039).

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D i e einzelnen F o r s t e

mi also um eine Forstverleihung, selbst wenn das aus dem Sprachgebrauch der Urkunde von 985 nicht direkt hervorgeht. Das Genitivattribut cervorum cervarumque, mit dem der Begriff forestum in der Urkunde von 1025 versehen ist, wird man nicht so deuten dürfen, daß damit eine Besonderheit des Forstes hervorgehoben werden sollte, der Forst mithin einen Sonderfall darstellte. Schließlich erscheint das Genitivattribut nicht erst mit dem Forstbegriff, was es erlauben würde, es als eine Einschränkung aufzufassen, die sich spezifisch auf forestum bezieht. Der Zusatz cervorum cervarumque gehörte vielmehr zu den Formulierungen der ursprünglichen Verleihung, die unverändert übernommen worden waren.1 Es war nur das Bezugswort ausgetauscht worden: an die Stelle von venatio trat forestum; das deutet auf eine Deckungsgleichheit der beiden Begriffe hin. Da die Bestätigungsurkunde Konrads II. wie die ursprüngliche Verleihung die Hirsche besonders hervorhebt, wird man auch nicht einwenden können, daß venatio deshalb durch forestum ersetzt worden sein mag, weil der Nutzungsvorbehalt erweitert wurde.1054 Aus dem Zusatz zu forestum geht also nicht zwingend hervor, daß es sich bei dem Verdener Forst um eine besondere Art von Forst handelte. Dafür schränkt der Zusatz den Forst aber so ausschließlich auf das Jagdwild ein, daß die betreffende Formulierung wohl kaum gewählt worden wäre, wenn der Forst noch eine andere Funktion gehabt hätte als die eines Jagdgebietes. Das ist nicht der einzige Grund, der es fraglich erscheinen läßt, ob man den Forst im Gau Sturmi mit anderen Vorgängen als der Jagd in Verbindung bringen kann. Eindeutige Hinweise darauf, daß er sich in weiteren Bereichen auswirkte, z. B. bei der Rodung, gibt es nicht. Wie die oben angestellte Überlegung zeigt, spricht nichts gegen die Annahme, daß der Forst im Gau Sturmi ein gewöhnlicher Forst, genauer: Wildbann war. Daher ist es umso bezeichnender, daß forestum und venatio hier als zwei austauschbare Begriffe erscheinen und der Forst nicht mehr als ein Jagdgebiet gewesen sein dürfte. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, daß es sich mit Wildbännen im allgemeinen genauso verhielt.1056 1052 Vgl. die vorigen Anm. 1053 Vgl. die vorigen Anm. 1054 Aus dem gleichen G r u n d wird man auch der Tatsache kein eigenes Gewicht zubilligen können (jedenfalls nicht für die hier behandelten Fragen), daß die Bestätigung Konrads II. formal als Neuverleihung erscheint (donavimus). 1055 Vgl. z. B. Deisting, Historisch-geographische Wandlungen des ländlichen Siedlungsgefüges im Gebiet um Verden (Aller), bes. S. 2 9 - 4 4 . 1056 D i e Urkunde von 985 ist nur kopial überliefert, die Bestätigung Heinrichs II. nur in einem „Diplom zweifelhafter Originalität" (Vorbemerkung zu D H II 109). Erst die Bestätigung Konrads II. ist im Original erhalten. Das hat jedoch keinen Einfluß auf die obige Einschätzung. D i e Echtheit von D O III 23 ist nie in Frage gestellt worden. I m Extremfall könnten die Urkunden O t t o s III. und Heinrichs II. gefälscht sein. Das müßte dann aber vor der Bestätigung Konrads II. erfolgt sein, denn abgesehen davon, daß eine Fälschung der älteren Urkunden sonst keinen erkennbaren

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74. Der Forst in der Mahtheide 1060 erhielt das Hochstift Verden den Forst in der Mahtheide (Magetheida).'m? Es heißt in der Verleihungsurkunde, daß der Vater des Ausstellers, Heinrich III., den Forst „zeit seines Lebens als seinen eigenen zurückgehalten" habe und der Forst durch Erbgang an den Sohn gefallen sei.'058 Die Angabe ist ungewöhnlich, zumal sie eine Nebensächlichkeit mitzuteilen scheint. Ein Forst in königlichem Besitz hätte im Normalfall keine Erklärungen dieser Art verlangt; sofern keine Einforstung vorgenommen wurde, waren Forste, die der König verlieh, ja stets sein Eigentum gewesen. Der Schluß drängt sich auf, daß den Forst in der Mahtheide in dieser Hinsicht eine Besonderheit auszeichnete. Vielleicht war der Forst, anders als viele andere Königsforste, kein Bannwald, der den Besitz von Grund und Boden einschloß, sondern nur ein Wildbanngebiet, das erst Heinrich III. eingeforstet und seiner eigenen Nutzung vorbehalten hatte. In die gleiche Richtung könnte die Tatsache weisen, daß in der Urkunde von 1060 ein besonderer Akzent auf den Bann gelegt wird; das deutet eher auf einen Wildbann hin.1059 Der Umstand, daß anders als bei anderen königlichen Wildbännen in der Verleihungsurkunde auf die Einforstung angespielt wurde, könnte darauf zurückgehen, daß diese noch nicht 1

•• 1 1

1060

lange zurucklag. Die Natur eines Wildbannforstes, der ja nicht so konkret dinglich war wie Grundbesitz, sondern auf dem Bann beruhte, könnte auch erklären, warum die Besitzverhältnisse am Forst eigens erwähnt wurden. Ein viel stärkeres Indiz dafür, daß es sich auch beim Forst in der Mahtheide lediglich um einen Wildbann gehandelt haben dürfte, liefert aber der fremde Besitz, der im Forstgebiet sowohl vor als auch nach 1060 nachweisbar ist. Unter ihm ragen

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Grund gehabt hätte, haben die älteren Urkunden der Konrads II. als Vorlage gedient (vgl. die Vorbemerkung zu D K o II 16). Der Wechsel von venatio, das in den älteren Urkunden gebraucht wird, zu forestum hätte also auch dann stattgefunden. Selbst in dem unerkärlichen und völlig unsinnigen hypothetischen Fall, daß die Urkunden Ottos und Heinrichs nach dem Privileg Konrads II. angefertigt wurden, bliebe der eindeutige Bezug des Forstes auf die Jagd und würde noch bestätigt durch den Umstand, daß für den Forstbegriff in den Fälschungen der Begriff venatio verwendet wurde. Lediglich der Einwand, daß es sich bei dem Forst aufgrund der Beifügung um einen Sonderfall gehandelt haben könnte, ließe sich dann nicht mehr so eindeutig beantworten. D H IV 64 (nur kopial überliefert, vgl. die Vorbemerkung zu diesem Diplom). D H IV 64: quoddam forestum, quod pater noster felicis memorie Heinriem imperator augustus dum vixit proprium retinuit et ad nos hereditario iure transmisit. D H IV 64: forestum ... cum banno cervorum cervarumque suum capreolorum. Wie dem an Worms geschenkten Forst Forehahi oder dem Forst des Merseburger Hochstifts, die genauso wie der Forst in der Mahtheide zu einem - in diesen Fällen unbekannten - Zeitpunkt vom König eingerichtet worden sein dürften.

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Die einzelnen Forste

Besitzungen der Billunger heraus,1061 aber auch das Kloster Corvey hatte bereits im 9. und 10. Jahrhundert aus der Hand von Laien Güter im Forstgebiet erhalten. 16 Mit einem Wildbannprivileg hat die Urkunde von 1060 auch das

1061 Die für Suderburg 1004 belegt sind (D H II 87; vgl. Pischke, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, S. 7, Nr. 70), für Eschede und Schmarbeck 1065/66 (UB Walsrode, S. 8f., N r . 3 [1197]. Die Urkunde berichtet von einer Schenkung des Billunger Grafen Herrmann an die Kirche St. Willehadi in Bremen, die in die Jahre 1065/66 gesetzt worden ist; vgl. Pischke, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, S. 20, N r . 240, S. 21, N r . 247; Freytag, Die Herrschaft der Billunger in Sachsen, S. 58f.). Schmarbeck liegt am Rande des Forstgebiets von 1060. Im Forstgebiet könnte auch noch der billungische Besitz zu Bahnsen und Böddenstedt gelegen haben (D H II 87; UB Walsrode, S. 8f., Nr. 3. Vgl. Pischke, Herrschaftsbereiche der Billunger, der Grafen von Stade, der Grafen von Northeim und Lothars von Süpplingenburg, S. 2, Nr. 10, S. 20, Nr. 237). Das hängt von dem genauen Verlauf der Forstgrenze zwischen dem rivus Wibtinbizi und dem locus Hollenstede ab. Vom rivus sollte die Grenze zum rivulus Ibizi laufen. Bei letzterem handelt es sich um einen Bach, der bei Dreilingen entspringt und in die Gerdau mündet (vgl. Bätge, Hermann Billing [!] und der Haupthof in Gerdau, S. 37). Sofern die Grenzlinie über die Mündung des Ibizi in die Gerdau gezogen wurde und nicht irgendwo über den Mittellauf des Baches, wären auch die beiden genannten Güter in den Forst eingeschlossen gewesen. Ins spätere Forstgebiet hätte dann auch der Nutzungsbereich übergegriffen, den Herzog Bernhard dem Kloster St. Michael zu Lüneburg 1004 zusammen mit der curtis Gerdau schenkte (UB Lüneburg, S. 7f., N r . 7: curtem Gerdauge ... cum universis utilitatibus quas hereditario iure ibidem possedi in campis. in pratis. in aquarum cursibus. in silvarum commodis. scilicet omnia que circumdat [es folgt die Grenzbeschreibung; zu den dort genannten Grenzpunkten vgl. Bätge, Hermann Billing [!] und der Haupthof in Gerdau, S. 37]. Ein „billungischer freier Lehnshof, der später (vor 1700) geteilt wurde", soll sich auch in Lutterloh befunden haben: Niedersachsen und Bremen, S. 316. 1062 Und zwar zu Bostel und Garßen: Die alten Mönchslisten und die Traditionen von Corvey, S. 95, Nr. 81: Tradidit Laico in Loingowalde, Liauildindburstal (Bostel); ebd., S. 147, N r . 420: Tradidit Marckwardus ... mansos et II mancipiapro filio suo ... in Gaderesbus(un) et I iurnalem (Gadereshusun = Garßen); vgl. Hellfaier/Last, Historisch bezeugte Orte in Niedersachsen bis zur Jahrtausendwende, S. 17, Nrr. 91, 93; Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte bis zum Ende des ersten Jahrtausends, Nrr. 39, 43. Hinzu kommen weitere, zumeist wüstgefallene Orte; bekannt sind sie aus einer Feststellung der Grenzen zwischen Ostfalen und Engern und den Bistümern Hildesheim und Minden, die in einer Aufzeichnung des 11. Jahrhunderts überliefert ist, aber um 990 entstanden sein dürfte: UB Hildesheim, 1, S. 24f., Nr. 35. Es handelt sich um Rebberlah, Arloh (Erila), Valasathun, Hainanblik, Windloh, Salivigesstegun, Aeterikesotne: vgl. Hellfaier/Last, Historisch bezeugte Orte in Niedersachsen bis zur Jahrtausendwende, S. 17, Nr. 89; Casemir/Ohainski, Niedersächsische Orte bis zum Ende des ersten Jahrtausends, Nrr. 36, 37, 44, 48, 49, 51, 54. Zur Lage Arlohs vgl. Nr. 89 in der Karte Historisch bezeugte Orte in Niedersachsen bis zur Jahrtausendwende in der gleichnamigen Arbeit von Hellfaier/Last, zur Lage dieses und der restlichen Orte die Karte im Werk von Casemir/Ohainski unter den eben genannten Nummern.

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Jagdverbot für Unbefugte gemein. Es weist hier einen der allgemein gehaltenen Zusätze auf, die dem Empfänger außer der Jagd alle möglichen Nutzungen vorzubehalten scheinen.1063 Bei seiner nächsten Nennung in den Quellen erscheint der Forst in der Mahtheide dann aber allein in seiner Eigenschaft als Jagdverbotszone. Im Landrecht des Sachsenspiegels wird die Mahtheide (Magetheide) nämlich unter den drei sächsischen Bannforsten genannt, in denen dem Wild, mit Ausnahme von Bär, Wolf und Fuchs, „Friede geboten" sei.1064 Wer die Bannforste durchquert, soll dies nur mit ungespannten Schußwaffen, bedecktem Köcher und angeleinten Hunden tun.1065 Wild soll dort nur erlegt werden, wenn es sich auf der Jagd von außen in die Bannforste geflüchtet hat.1066 Weiterhin darf durch die Jagd die Aussaat nicht geschädigt 1

1067

werden. Daß die Bannforste als Schongebiete für das Wild fungierten, kommt auch in einer weiteren Bestimmung zum Ausdruck. Dort werden die Bannforste insofern Tiergehegen gleichgestellt, als gefordert wird, daß wilde Tiere nur in einer dieser beiden Einrichtungen zu halten seien.1068 Eine Funktion des Forstes in der Mahtheide, die darüber hinausginge, ist zumindest nicht belegt. Es gibt also auch im vorliegenden Fall keine sicheren Anhaltspunkte dafür, daß 1063 D H IV 64iforestum ... cum banno cervorum cervarumque suum capreolomm atque cum omni utilitate, que ullo modo inde provenire potest, in proprium dedimus ... ea videlicet ratione ... ut nulli sine consensu et licentia Verdensis episcopi in prenominatoforesto venari aut quodlibet ius exercere liceat. 1064 Sachsenspiegel. Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, Landrecht II 61 § 2: Doch sint dre stete binnen deme lande to Sassen, da den wilden thyren vrede gewarcht is bi kuninges banne, sunder beren unde wolven unde Vossen; diz heizit banvorste. Daz eyne is die beide zu Coyne; die andere die Hart; die dritte die Magetheide. Swer hir binnen wilt veht, die sol wedden des kuninges ban, das sin sechzich Schillinge. Eine Ubersetzung, die auch für die folgenden Zitate zu vergleichen ist, bieten D e r Sachsenspiegel (Landrecht), ins Hochdeutsche übertragen von G . Rotermund, S. 85 und Eike von Repgow, D e r Sachsenspiegel, hg. v. Clausdieter Schott, S. 157. 1065 Sachsenspiegel. Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, Landrecht II 61 § 3: Swer durch den banvorsten ridit, sin böge unde sin armborst sol ungespannen sin, sin koker sol bedan sin, sine winde unde sine bracken uph gevangen, unde sine hunde gecoppelt. Zumindest was den Bogen angeht, dürfte es angebrachter sein, ungespannen mit ,unbesehnt' zu übersetzen, denn einen Bogen zum Schuß gespannt zu halten, was die Alternative wäre, ist für eine so lange Zeitspanne, wie sie hier ins Auge gefaßt wird, unmöglich. 1066 Ebd., II 61 § 4: Jaget eyn man eyn wilt buten deme vorste, unde volgen yme die hunde binnen den vorst, die man mut wol volgen, so daz her nicht ne blase noch die hunde nicht ne gruze, unde ne missedut da nicht ane, ob her san daz wilt veht; sinen hunden mut her wol weder ruphen. 1067 Ebd., II 61 § 5: Niemant ne mut die sath tredden durch jagen noch durch hitzen, sint der zit daz daz korn ledekin hat. 1068 Die betreffende Bestimmung findet sich in einem anderen Zusammenhang und lautet (ebd., II 62 § 3): Swer wilde thyr hegen wil buten banvorsten, der sol se binnen sinen beworchten weren haben. In den Bannforsten wurden also Tiere gehegt.

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Die einzelnen Forste

der Forst mit anderen Vorgängen als der Jagd in Verbindung zu bringen sein könnte. Etwas derartiges deutet nur die unbestimmt gehaltene, allgemeine Vorbehaltsklausel in der Urkunde von 1060 an. Selbst sie dürfte kaum so zu verstehen sein, daß der Forstherr pauschal über alle Nutzungen im Forstgebiet verfügte, da dort auch fremde Grundherren begütert waren. Es wäre vielleicht noch daran zu denken, daß im Forstgebiet grundsätzlich alle Nutzungen unterbunden werden sollten, die den Jagderfolg beeinträchtigten. Aber auch diese Möglichkeit läuft letztlich auf die völlige Verfügung des Forstherrn hinaus, die aus dem genannten Grund wenig wahrscheinlich ist. So scheint es nicht ausgeschlossen, daß die allgemeine Verbotsformel der Urkunde von 1060 lediglich dazu diente, dem Jagdvorbehalt Nachdruck zu verleihen, welcher der eigentliche Inhalt des Forstbanns war. Dafür spricht auch die Uberlegung, daß die allgemeine Vorschrift den fremden Grundherren in letzter Konsequenz Einschränkungen auferlegt hätte, die undenkbar scheinen. Da es ganz generell verboten wurde, im Forst quodlibet ius exercere hätten fremde Eigentümer strenggenommen auch den freien Zugriff auf ihren Besitz verlieren müssen. Das wäre praktisch einer grundlosen Enteignung gleichgekommen und dürfte daher kaum anzunehmen sein. Somit scheint es nicht vorstellbar, daß die Verbotsklausel wörtlich zu verstehen ist; sie dürfte eher dazu gedacht gewesen sein, die vorhergehende Bestimmung, das Jagdverbot, zu bekräftigen. Davon abgesehen darf nicht vergessen werden, daß der Forst ursprünglich ein Nutzungsgebiet des Königs war. Sollte er also neben der Jagd tatsächlich noch weitere Nutzungen eingeschlossen haben, könnte das nicht ohne weiteres auf andere Wildbänne übertragen werden. Gewöhnliche Wildbänne stammten eben nicht aus königlichem Besitz, sondern wurden bei der Verleihung erst geschaffen. Nach einer Verdener Chronik, die nie gedruckt wurde und schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschollen war, 16 soll Pfalzgraf Heinrich den Forst in der Mahtheide als Lehen vom Verdener Bischof Rudolf (1188-1205) erbeten haben. Später habe die Mutter Ottos von Lüneburg Bischof Iso (1205-1231) gebeten, ihren Sohn mit Gütern zu belehnen, zu denen auch der Forst in der Mahtheide gehörte.1070 Die 1069 Wichmann, Untersuchungen zur älteren Geschichte des Bistums Verden (1904), S. 286f., (1905), S. 4. 1070 Leibniz, Origines Gvelficae, IV, S. 26, Anm. ff: Cum hoc Isone, dum Otto in vineulis erat, mater Helena egit, vt feuda Verdensis Ecclesiae, quae patruus Henricus, vt paulo ante vidimus, nepoti suo dimissa delegaverat, filio conferret... Chronicon Ms ad quod prouocaui, in his feudis Verdensibus praeeipuum fHisse ait forestum Megedeheide, cuius fines hinc ad fluuium Orze illinc ad Oldenstadium, & ab Oldenstadio vsque ad Blekede per agrum Luneburgicum protendantur, quod Henricus Palatinus vnacum Aduocatia in Walsrode ab Isonis decessore Rudolfo impetravit. Tatsächlich bat die Mutter Ottos von Lüneburg den Verdener Bischof Iso, ihrem Sohn die Verdener Kirchenlehen zu übertragen, die Pfalzgraf Heinrich innegehabt hatte, was 1228 auch erfolgte (die advocatia in Walsrode wird dabei ebenfalls erwähnt): Notum esse cupimus ... quod honorabilis domina de luneborch ... ad hoc nos [sc. Iso

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M a h t h e i d e u n d ein F o r s t , d e r ein V e r d e n e r L e h e n i m B e s i t z d e r H e r z ö g e v o n L ü n e b u r g w a r , w e r d e n n o c h i m R e g i s t r u m e c c l e s i a e V e r d e n s i s des V e r d e n e r D o m d e c h a n t e n Andreas v o n Mandelsloh ( 1 5 1 9 - 1 5 8 5 ) genannt. Eine entsprec h e n d e B e l e h n u n g s u r k u n d e ist aus d e m J a h r 1 3 8 6 erhalten. 1 0 7 1 Allerdings

bildete die M a h t h e i d e laut d i e s e r Q u e l l e lediglich eine

der

G r e n z m a r k e n des F o r s t e s , d e r a n s o n s t e n j e d o c h die gleiche A u s d e h n u n g w i e d e r F o r s t v o n 1 0 6 0 b e s e s s e n z u h a b e n scheint. 1 0 7 2 D e n n o c h ist es auffällig, d a ß d e r F o r s t n i c h t in d e r M a h t h e i d e g e l e g e n h a b e n , s o n d e r n n u r v o n ihr b e -

Verdensis episcopus] induxit, quod omnia bona, que palatinus ab ecclesia verdense et a nobis tenuit... filio eius Illustri domino de luneborch in pheodum porreximus cum advocatia walesrode ( U B Braunschweig-Lüneburg, Bd. 1, S. 11 f., Nr. 11. Vgl. hierzu Heinemann, Heinrich von Braunschweig, S.198. Zu O t t o von Lüneburg und Iso vgl. Hucker, Kaiser O t t o IV., S. 382f., 450f.) Die Lagebeschreibung des Forstes in den Origines Gvelficae stimmt allerdings nicht mit der Lage des Forstes nach der Grenzbeschreibung von 1060 überein, sondern umschreibt ein Gebiet nördlich des Forstgebietes von 1060 (zu diesem vgl. Verdener Geschichtsquellen, 2, S. 2 0 9 - 1 1 ; v. Hodenberg, Magetheida; v. Hammerstein, Magetheida; eine kartographische Darstellung gibt die Ubersichtskarte II in Bothmer, ,Mirica'). Ein Grenzpunkt, den die Origines Gvelficae nennen, ist Bleckede. Dieser O r t ist in der Urkunde von 1228 der Grenzpunkt einer palus, bei deren Urbarmachung der Verdener Bischof sich vier Mansen an einem Platz seiner Wahl ausbedingt ( U B Braunschweig-Lüneburg, Bd. 1, S. 12: cum eadem palus redacta fuerit in noualia ... Episcopus verdensis... quatuor mansos habebit... vbi sibi potissimum visum fuerit). Ein weiterer Grenzpunkt der palus ist ein ßuuius Ertene. Ein Grenzpunkt der Mahtheide nach den Origines Gvelficae war die O r t z e (Orze; dazu kommt noch Oldenstadt). Es fragt sich, ob nicht zu irgendeinem Zeitpunkt die palus von 1228 mangels besseren Wissens mehr oder weniger willkürlich mit dem Forst in der Mahtheide identifiziert wurde. Die Angaben der verlorenen Verdener Chronik, die die Origines Gvelficae zitieren, wären dann unbrauchbar. Andernfalls müßte man annehmen, daß der Forst in der Mahtheide sich im Laufe der Zeit weit nach Norden verschob und sein südlicher Teil ganz verloren ging. In diesem Zusammenhang verdient auch die frühneuzeitliche Angabe Beachtung, daß die Mahtheide angeblich einen Forst begrenzte, der ein Verdener Lehen der Herzöge von Lüneburg war (vgl. den Text und die nächste Anm.). Entweder fand eine ,Nordwanderung' des Forstes tatsächlich statt, oder der Forst von 1060 und der spätere Forst der Verdener Kirche haben nichts miteinander zu tun. Sollte die erste Möglichkeit zutreffen und die palus von 1228 tatsächlich mit dem Forst Mahtheide des 13. Jahrhunderts identisch sein, so zeigte die Angabe über deren Urbarmachung, die noch nicht stattgefunden hatte, daß der Forst mit dem Ausbau nichts zu tun hatte. 1071 U B Braunschweig-Lüneburg, 5, S. 163, Nr. 146. 1072 Verdener Geschichtsquellen, 1, S. 4: Feudum dominorum ducum Luneburgensium ab Ecclesia verdensi:... Item forestum quod se extendit a magetheida usque ursinam et ab ursina usque holdenstede; S. 39f.: Lehen guttere szo den hertzogen van leuneburch van dem stifft Verden zu lehene dragen ... Item die Forst mitt aller hocheit welches gehet biß ahn die magetheide biß an die orzen von ortzene bis gen holdenstede. Vgl. Siedel, Untersuchungen über die Entwicklung der Landeshoheit und der Landesgrenze des ehemaligen Fürstbistums Verden, S. 22; Siewert, Waldbedeckung und Siedlungsdichte, S. 25.

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Die einzelnen Forste

grenzt worden sein soll. Das ist nicht die einzige Unstimmigkeit in den frühneuzeitlichen Quellen, in denen von der Mahtheide und einem dortigen Forst die Rede ist. Eine weitere besteht darin, daß die Verdener Chronik, auf die sich die Origines Gvelficae berufen, die Mahtheide in den Norden des Forstgebietes von 1060 verlegt.1073 Die genannten Abweichungen können jedoch auf Veränderungen zurückgehen, die es nicht ausschließen, daß der gemeinte Forst tatsächlich der von 1060 war. Zumindest gilt das für die Aussage des Registrum ecclesiae Verdensis. Der Name Mahtheide könnte nämlich mit der Zeit auf ein anderes Gebiet bezogen worden sein, so daß die Mahtheide dann wirklich am Rande des Forstgebietes lag. Dennoch dürfte auch das Registrum kaum den Schluß erlauben, daß der Forst von 1060 im 16. Jahrhundert immer noch fortbestand.

75. Walkenried 1132 bestätigte Lothar III. die Gründung des Zisterzienserklosters Walkenried und vermehrte die Austattung des Klosters um nicht näher genannte Besitzungen, die Walkenried benachbart waren, sowie um das ius nostrum quod wiltban dicitur. Zugleich ließ Lothar dem Kloster eine feste Grenze zuweisen. 4 Der Urkunde zufolge geschah all das mit der Zustimmung der Fürsten (principes) ganz Thüringens und Sachsens.1 Mit der Erwähnung des Konsenses weist die Urkunde ein typisches Merkmal der Wildbannprivilegien auf, wenn die Zustimmung der principes hier auch nicht allein auf die Wildbannverleihung bezogen werden kann. Man wird davon ausgehen müssen, daß die Grenze, über deren genauen Verlauf keine endgültige Gewißheit zu gewinnen ist,1076 auch die Ausdehnung des Wildbanns festlegte; zumindest enthält die Urkunde keine Anhaltspunkte dafür, daß die Lage und der Umfang des Wildbanns von der genannten Grenze abwichen. Die Grenzpunkte

1073 Vgl. Anm. 1070. 1074 D Lo III 42: Adelheda ... mulier ... locum quendam Walchinrit nominatum, qui sui iuris erat... divino cultui mancipavit... Nos... eius laudabilem affectum ... non solum confirmamus verum etiam ... eadem donationem, contigua quedam adicientes et ius nostrum quod wiltban dicitur eidem loco permitientes, regia potestate nostra amplificavimus et auximus et per fidelem nostrum Christianum et per ministeriales regni nostri certo termino predictum locum designavimus ... Sunt autem hii termini qui eundem locum ex omni parte distingunt: Immenrode, Sassinburc, Mosiberc, Echinberc, Ratberesrode. 1075 Ebd.: Sed bee veraciter ac benigne cum Consilio totius Tburingie et Saxonie principum fecimus. 1076 Vgl. Regesta Imperii, IV, 1/1, S. 189-91, Nr. 298, S. 190.

Verden

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dürften in der näheren Umgebung Walkenrieds zu suchen sein.1077 Daher scheint es ausgeschlossen, daß der Wildbann mit der Ausbautätigkeit in Verbindung stand, die die ältere Forschung dem Kloster Walkenried zuschrieb. Es handelt sich dabei um die Ansiedlung niederländischer Kolonisten in der sogenannten Goldenen Aue, dem Gebiet etwa zwischen Nordhausen und dem Kyffhäuser Gebirge,1078 das nicht mehr unter den Wildbann von 1132 gefallen sein dürfte. Im übrigen sind in jüngerer Zeit Zweifel an der Vorstellung laut geworden, das Kloster habe beim Ausbau in der Goldenen Aue eine entscheidende Rolle gespielt.1079 Man kann den Ausbau auch anderen Trägern zuordnen; so ist eine Ausbautätigkeit belegt, die auf die Reichsgewalt unter Friedrich I. zurückgeht1080 Das Kloster war an ihr nur insofern beteiligt, als Friedrich sich der fachlichen Unterstützung eines Walkenrieder Mönches versicherte, die dem Kloster eine großzügige Vergütung einbrachte.1081 Während diese Vorgänge aufgrund der räumlichen Lage wohl nicht mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden können, gibt es einige spätere Nachrichten über Wälder, bei denen das eher möglich sein dürfte. Hier ist vor allem ein Wald bei Sachsenburg zu nennen, der 1213 zwischen dem Kloster und dem Grafen von Klettenberg umstritten war.1082 Sachsenburg war einer der Grenzpunkte von 1132,1083 so daß der Wald im Bereich des Wildbanns lokalisiert werden kann. Ein weiterer Wald, der zwischen den Grafen von Klettenberg und dem Kloster strittig war, wurde Igagehus oder Jagethus genannt. Eine Urkunde von 1242, die einen Vergleich zwischen dem Kloster und den Grafen festhält,

1077 Zu den Grenzpunkten vgl. ebd. Demnach befand sich der Sassenstein westlich von Walkenried, der Mosiberc nördlich von Bad Sachsa, der Echinberc nordwestlich, Immenrode südwestlich und Ratberesrode südöstlich von Walkenried. 1078 Sebicht, Die Cistercienser und die niederländischen Kolonisten. 1079 Wiswe, Die Bedeutung des Klosters Walkenried. 1080 Ebd., S. 66f. 1081 UB Walkenried, S. 62-64, Nr. 71 (1209): antecessor noster Fridericus Romanorum imperator de imperii Militate sollicitus, inferius arundinetum per quendam fratrem de Walkenrith, Jordanem nomine, ex aquarum inundatione valida revocavit ad habitationem hominum et culturam agrorum, unde ob gratiam impensi laboris et proventu emolumenti amplioris ecclesiae de Walkenrith ibidem contulit aream curiae, quae vocatur Kaldenhusen, et duos mansos cum omni iure tarn censuali quam decimali deinceps libere possidendos-, vgl. Wiswe, Die Bedeutung des Klosters Walkenried, S. 66f. Zum vorstehenden vgl. auch Kirchner, Einige neue Erkenntnisse zur Geschichte der flämischen Siedlungen in der oberen Goldenen Aue. 1082 UB Walkenried, S. 70-72, Nr. 83. 1083 Vgl. Regesta Imperii IV, 1/1, S. 190; Meyer, Zur Wüstungskarte der Grafschaft Honstein-Lohra-Clettenberg, S. 133; Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae, 2, S. 293f., Nr. 1604, Anm. 2.

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Die einzelnen Forste

nennt den Jagethus

z u s a m m e n mit einer Grenze, 1 0 8 4 die unter anderem d u r c h

zwei der G r e n z p u n k t e v o n 1 1 3 2 gebildet wurde. 1 0 8 5 D a m i t ergibt sich auch hier eine Q u e r v e r b i n d u n g z u m vermutlichen Wildbanngebiet. Jagethus

Der Name

scheint darauf z u r ü c k z u g e h e n , daß es sich bei dem W a l d u m ein

Jagdrevier handelte. 1 0 8 7 D a s w ä r e ein Beleg dafür, daß in der direkten N a c h barschaft Walkenrieds gejagt wurde. Als das Kloster 1 1 3 2 den Wildbann erwarb, k ö n n t e ihm daran gelegen gewesen sein, diese Jagdtätigkeit in seiner unmittelbaren U m g e b u n g zu kontrollieren. E s gibt j e d o c h keinen G r u n d für die A n n a h m e , daß es d e m Kloster 1 2 4 2 u m die J a g d ging, als es gegenüber den Grafen v o n Klettenberg den Besitz des Jagethus

behauptete. Vielmehr

zeigte das Klosters im 13. J a h r h u n d e r t ein ausgeprägtes Interesse daran, W a l d b e s i t z im und am W e s t h a r z zu erwerben. D e r G r u n d dafür lag nicht z u letzt in der Eisenverhüttung, die auch v o n Walkenried betrieben wurde. 1 0 8 8 In diesem Zusammenhang scheint es bezeichnend, daß die Grafen v o n Klettenberg d e m Kloster den Igagehus

1 2 1 9 für zwei J a h r e überließen; der Z w e c k

w a r die Herstellung v o n H o l z k o h l e .

1084 U B Walkenried, Nr. 236: Hanc ergo reconciliationis sententiam nos gratanter amplexi renunciavimus Omnibus, quae praesens pagina subtus continet annotata, inprimis videlicet silvae, quae vocatur Jagethus, et terminis, quorum nomina sunt... 1085 U B Walkenried, S. 159 [richtig: 169J-170, Nr. 236. Die offenbar identischen Grenzpunkte sind der Ekeneberg (D Lo III: Echinberc) und der Sassenberg (D Lo III: Sassinburc); vgl. Regesta Imperii IV, 1/1, S. 189-191, Nr. 298, S. 190. 1086 Der Jagethus wird auf dem Wildenberg bei Bad Sachsa lokalisiert: Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae, 2, S. 340, Nr. 1867, Anm. 1, 3, S. 174, Nr. 1042, Anm. 1. Karl Meyer, Zur Wüstungskarte der Grafschaft Honstein-LohraClettenberg, S. 134f. 1087 Nach Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, 1, Sp. 1468, ist jagethus bedeutungsgleich mit jagehus, was mit Jagdhaus, Jagdschloß wiedergegeben werden kann (ebd., Sp. 1466). Die Jagdhöfe des Königs im Untersuchungsgebiet sind eine bekannte Erscheinung, vgl. Gringmuth-Dallmer, Die mittelalterliche Besiedlung des Mittel- und Unterharzes, S. 147f., mit Abb. 2. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich der Wald nach einem Jagdhof benannt worden, was die im Text gegebene Deutung nahelegt. Meyer, Zur Wüstungskarte der Grafschaft Honstein-Lohra-Clettenberg, S. 134f., glaubt, daß ein „Jagdschloß" der Grafen von Klettenberg der Namensgeber gewesen sei. 1088 Vgl. Uhde, Forsten, Bergbau und Hüttenbetriebe, bes. S. 81f., mit Karte I, S. 83. Neben dem Aufsatz von Uhde auch Böhne, Der Erzbergbau im Westharz und die Besiedlung des Oberharzes, bes. S. 102. 1089 U B Walkenried, S. 90f., Nr. 108: Albertus comes ... fratribus ... concedit, ut silvam, quae dicitur Igagehus, incidant et in carbones redigant intra 2 annos ita, ut ... ad usus suos praedicta silva libere utantur; vgl. Gringmuth-Dallmer, Die mittelalterliche Besiedlung des Mittel- und Unterharzes, S. 153f. Zur Identität des Igagehus mit dem Jagethus vgl. Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae, 2, S. 340, Nr. 1867, Anm. 1; Meyer, Zur Wüstungskarte der Grafschaft HonsteinLohra-Clettenberg, S. 134f.

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Worms 76. Der Wimpfener Wildbann Im Jahr 988 erhielt der Bischof von Worms den Königsbann für die Wälder um Wimpfen und (Neckar-)Bischofsheim, von denen es in der Verleihungsurkunde heißt, daß der Empfänger sie selbst einforste. Wie weiter oben bereits ausgeführt wurde, wird in diesem Beispiel besonders deutlich, daß bei der Wildbannverleihung ein neuer Forst geschaffen wurde.10" In der Verleihungsurkunde bezeichnet forestum nicht die einzuforstenden Wälder, sondern den Sonderstatus, der sie fortan auszeichnen soll. Bei ihm handelt es sich einmal mehr um ein Jagdverbot für Unbefugte.1093 Da der Forst bei der Verleihung erst entstand und dazu noch vom Empfänger selbst eingerichtet wurde, kann keine Gebietsschenkung vorliegen. Dagegen spricht auch der Umstand, daß im Wildbanngebiet zum Zeitpunkt der Forstverleihung schon andere Grundherren begütert waren. Zu ihnen zählte vor allem das Kloster Lorsch, das dort durch Schenkungen umfangreichen Besitz erworben hatte.1094 Daneben tritt das Hochstift Worms als Grundherr auf,1095 dessen Besitzungen im Forstgebiet zu einem gewissen Teil auf Schenkungen der ottonischen Herrscher zurückgehen.1096 Der Wildbann läßt sich somit nicht zu der Entwicklung der Besitzverhältnisse im Wildbanngebiet und folglich auch nicht mit der Rodung in Beziehung setzen. Der Wimpfener Wildbann wurde

1090 D O III 43 (nur kopial überliefert): concessimus regium bannum in silvis circa Wippinam civitatem et villam Bisgouesheim sitis quas ille [sc. Hildiboldus Wormatiensis ecclesie episcopus]... noviter inforestat. 1091 Ein wichtiges Argument hierfür liefert der Konsens der milites in circuitu habitantes, auf den die Urkunde sich beruft. Vgl. die ausführliche Erörterung dieser Stelle im Vergleich mit dem Forstdiplom von 1002 in Teil II. 1 b) der vorliegenden Untersuchung. 1092 D O III 43: predicta silvarum spatia concedimus nostra regia potestate aprefato Hidibaldo episcopo in forestum redigi. 1093 Ebd.: ut nulla dehincpersona parva sive magna aliquam feram vel bestiam ibi venari vel capere aut insequi presumat sine licentia superius iam dicti episcopi sive successorumque eins. 1094 Schaab, D e r Eisenzgau, mit Karte Seite 607; Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 164f.; Trautz, Das untere Neckarland, S. 104-115 zur Lorscher Grundherrschaft und S. 64f. zu den Wildbanngrenzen. Zur Lage und Ausdehnung des Wormser Wildbanns s. auch die Karte bei Seiler, Das Hochstift Worms, S. 62. 1095 Die Karte bei Schaab, Der Eisenzgau, S. 607 weist im Wildbanngebiet elf O r t e mit überwiegendem bzw. größerem Lorscher und zehn mit Wormser Besitz aus. 1096 Worms erhielt auf diesem Wege Besitz zu Babstadt, Binau, Breitenbronn, Daudenzell, Eppingen: D O II 143 (976), D O III 11 (985). Vgl. Schaab, D e r Eisenzgau, Karte S. 607; Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 166. Wimpfen selbst scheint sich schon 965 im Besitz des Hochstifts befunden zu haben (D O I 310; vgl. Seiler, Das Hochstift Worms, S. 40).

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Die einzelnen Forste

der W o r m s e r Bischofskirche 1 0 4 8 bestätigt. 1 0 9 7 D a n a c h h ö r t man nichts m e h r v o n ihm. 1 3 0 2 schließlich verlieh K ö n i g A l b r e c h t dem K o n r a d v o n W e i n s berg und seinen E r b e n einen Wildbann, der w i e d e r u m in einem besonderen B e z u g z u r J a g d erscheint 1 0 9 8 u n d den Wildbannbezirk v o n 9 8 8 einschloß. 1 0 9 9 D e r W o r m s e r Wildbann dürfte 1 3 0 2 w o h l kaum m e h r bestanden haben. 1 1 0 0

1097 D H III 227; vgl. Seiler, Das Hochstift Worms, S. 40; Christ, Aus der Rechtsgeschichte des Eisenz- und Neckargaus, Sp. 146. 1098 Tabularum litterarumque ... spicilegium, hg. v. Joannis, S. 480f.; das Objekt der Verleihung wird als custodiam ferarum & uenacionum, que uolgariter dicitur Wildpand bezeichnet. In derselben Urkunde wird es ebenfalls untersagt, den Empfänger im Wildbanngebiet auch in anderer Hinsicht zu schädigen (ne ... aliquis ... in dictis districtibus ... alias aliquid sibi iuris siue iurisdictionis ... uendicet seu usurpet). Das kann jedoch nicht so gedeutet werden, daß diese Bestimmung, die auf herrschaftliche' Funktionen des Wildbanns schließen lassen könnte, ein inhärenter Bestandteil des Wildbanns war. Schließlich wird der Wildbann als custodia ferarum & uenacionum definiert, woraus hervorgeht, daß die fragliche Bestimmung lediglich ein Zusatz zum eigentlichen Wildbann war. Davon einmal ganz abgesehen könnte man von einer Urkunde von 1302 aufgrund des großen zeitlichen Abstands nicht einfach auf die Wildbannverleihungen des 10. und 11. Jahrhunderts zurückschließen und die vorliegende Urkunde als Beleg für deren herrschaftsbildende Eigenschaften werten (die ja auch für den Wildbann von 1302 so gar nicht gegeben sind). Die Urkunde ist mit einigen Unterschieden in der Orthographie auch gedruckt in Codex diplomaticus anectodorum, hg. v. Gudenus, S. 9f., Nr. 6. 1099 Tabularum litterarumque ... spicilegium, hg. v. Joannis, S. 480f.; Codex diplomaticus anecdotorum, hg. v. Gudenus, S. 9f., Nr. 6. Vgl. Christ, Aus der Rechtsgeschichte des Eisenz- und Neckargaus, Sp. 146f.; Hausrath, Die Geschichte des Waldeigentums, S. 46; Kieß, Wildbänne der Herren von Weinsberg, S. 147-149, mit Karte S. 141. 1100 Hausrath, Die Geschichte des Waldeigentums, S. 46, spricht davon, daß der Wildbann an die Laufener Grafen gekommen sei, nach deren Aussterben er wieder an das Hochstift fiel, das im Jahre 1219 Heinrich (VII.) mit ihm belehnte, und der Wildbann dann „für das Reich eingezogen" worden sei. Für keine dieser Behauptungen werden Belege geliefert. Es wird offenbar einfach davon ausgegangen, daß auch der Wildbann eingeschlossen war, als der Wormser Bischof die Stadt Wimpfen im Jahr 1227 Heinrich (VII.) verpfändete, nachdem schon 1220 Friedrich II. mit ihr belehnt werden sollte (Seiler, Das Hochstift Worms, S. 41; Christ, Aus der Rechtsgeschichte des Eisenz- und Neckargaus, Sp. 146; Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis, Tl. 2, S. 100f., Nr. 109). Im Jahre 1223 erfolgte die Schenkung eines Forstes duch Heinrich (VII.) an die Stadt Wimpfen, bei der es sich offensichtlich im Gegensatz zum Wildbann von 988 konkret um die Übertragung von Waldland handelte, so daß dieser Forst sich nicht mit dem Wimpfener Wildbann überschnitten hätte und daher auch nichts über dessen Schicksal auszusagen vermag. Der Forst diente noch jahrhundertelang zur Deckung des Holzbedarfs der Gemeinde, vgl. Kieß, Forsten in Oberschwaben, S. 119; Ders., Forst-Namen als Spuren frühmittelalterlicher Geschichte in Württemberg, S. 16-19.

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77. Der Forst Forehahi 1002 erhielt die Wormser Kirche den Bann in einem zweiten Forst verliehen.1101 Eine Reihe von Indizien spricht dafür, daß es sich um einen Forst handelte, der aus königlichem Besitz stammte. So fehlen der Urkunde mehrere Bestandteile ihrer Vorlage, der Wildbannurkunde von 988. Dabei handelt es sich gerade um jene Formulierungen, die erkennen lassen, daß der ältere Forst durch eine Einforstung neu geschaffen wurde.1102 Das läßt vermuten, daß der Forst von 1002 sich in dieser Hinsicht von dem Wimpfener Wildbann unterschied, also im Gegensatz zu ihm bei der Verleihung bereits bestand. In die gleiche Richtung dürfte der Umstand weisen, daß der Forst bei der Verleihung bereits einen Namen - Forehahi - trug. Für die Vermutung, daß der Forehahi von einem königlichen Vorbesitzer genutzt worden war, läßt sich noch eine weitere Beobachtung geltend machen. Der Forst verfügte zum Zeitpunkt der Schenkung nämlich offenbar bereits über eine festgefügte Organisation, die auf Hofstellen beruhte, welche dem Forehahi zugeordnet waren. Darauf läßt eine - allerdings nur kopial überlieferte - Urkunde schließen, mit der Konrad II. dem Hochstift 1026 die Schenkungen seiner Vorgänger bestätigte. Der Urkunde zufolge gehörten zum Zubehör des Forehahi auch Forsthufen, die in die Bestätigung eingeschlossen wurden: forestum Forehehe cum forestariis mansis et banno regio et omnibus utilitatibus ad hoc respicientibus."0' Das Diplom von 1002 spricht ebenfalls von der tota integritas des Forstes sowie allen seinen Nutzungen (universi utilitates), eine Formulierung, die nicht der Vorlage, dem Privileg von 988, entnommen ist. Möglicherweise waren damit auch die Forsthufen gemeint. Alles zusammengenommen spricht einiges dafür, daß das Hochstift die Forsthufen aus königlicher Hand erhalten hatte und diese zur Zeit der Forstverleihung bereits zum Forehahi gehörten. Trifft das zu, dann hätte der Forehahi ebenfalls aus königlichem Besitz gestammt. Noch ein Weistum von 1423, auf das zurückzukommen sein wird, weist für das Gebiet des Forstes eine Anzahl von Wildhuben aus, welche auf

1101 D H II 1: regium bannum inforestu Forehahi. 1102 Dabei handelt es sich um die Konsenserklärung der milites in circuitu hahitantes, welche D O III 43 enthält, sowie die folgenden Angaben desselben Diploms: concessimus regium bannum in silvis ... quas ille cum nostra licentia ... noviter inforestat ... predicta silvarum spatia concedimus nostra regia potestate a ... episcopo in forestum redigi. 1103 D K o II 50. Zu der dahinterstehenden forstlichen Organisation vgl. besonders Kaspers, Comitatus nemoris, S. 3 2 - 3 9 , bes. S. 34 zu den Forsthufen, sowie Semmler, Der Forst des Königs, S. 141 f.

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die forestarii mansi zurückgehen dürften.1104 Sofern die Forsthufen in die Verleihung von 1002 eingeschlossen gewesen waren, werden sie in der Bestätigungsurkunde Konrads II. gewissermaßen nachträglich genannt, denn im Privileg von 1002 ist von ihnen noch nicht die Rede. Die nachträgliche Erwähnung läßt vermuten, daß ihr Fehlen in der Verleihungsurkunde als Mangel empfunden wurde. Das wäre ein Hinweis darauf, daß dem Empfänger einer königlichen Verleihung daran gelegen sein mußte, in der Verleihungsurkunde möglichst genau festhalten zu lassen, worum es eigentlich ging. Somit spricht der vorliegende Fall gegen die Annahme, daß im großen Maßstab ,implizite' Verleihungen stattgefunden haben könnten, wie es sie hätte geben müssen, wäre der Geltungsbereich des Wildbanns nicht auf die Jagd beschränkt gewesen. Das Defizit, das die Urkunde von 1002 in dieser Hinsicht dennoch aufwies, erklärt sich dabei zwanglos aus der Tatsache, daß ihr Wortlaut auf dem der Forsturkunde von 988 beruhte, die einem Forst galt, der ganz anders ge» »

1105

artet war. Der Forst Forehahi verfügte mithin über ein materielles Substrat, das sich aber auf die Forsthufen beschränkt haben dürfte. Im Forstgebiet war nämlich noch eine Reihe anderer Grundherren begütert, darunter die Klöster Fulda und vor allem Lorsch, dessen Besitzungen besonders zahlreich waren, während der Besitz des Hochstiftes Worms wesentlich weniger umfangreich war11 und sich auf den südlichen Teil des Forehahi konzentrierte." 7 Der Umfang des Reichsgutes im Forstgebiet mag ursprünglich größer gewesen sein und sich vor allem in der Karolingerzeit durch Vergabungen verringert haben, wie einige Beispiele vermuten lassen.1108 Der Forst stellte bei seiner Übertragung an Worms also im wesentlichen ein Nutzungsgebiet dar, das von den Forsthufen aus verwaltet worden sein dürfte; keinesfalls brachte er dem Wormser Bischof den Besitz des ganzen Landes ein, das er einschloß. Es dürfte auch kaum anzunehmen sein, daß der Forst eine Verfügung über sämtliche Nutzungen des Wildlandes bedeutete, da dem die Interessen der anderen Grundherren im Wildbanngebiet entgegen gestanden hätten. Die Verleihungsurkunde von 1002 zeichnet sich zudem wie gewöhnliche Wildbannpri-

1104 Weisthümer, hg. v. Grimm, 1, S. 463-67; in dieser Quelle werden 24 Wildhuben namentlich genannt. Die Quelle nennt ebenfalls 74 als die Anzahl der Wildhuben, was auf ein Versehen zurückzuführen sein dürfte; vgl. hierzu Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 75f., 85-87 und Kempe, Der Lorscher Wildbann, bes. S. 352f. 1105 Vgl. diesen und den Abschnitt über den Wildbann von 988 sowie die Ausführungen in Teil II.l b) der vorliegenden Untersuchung. 1106 Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 76; Trautz, Das untere Neckarland, S. 66, 98115; Knopp, Der Oberrheingau, mit Karte S. 374; Schaab, Der Lobdengau, mit Karte S. 541. 1107 Ebd. 1108 Codex Laureshamensis, 1, N r r . 6, 26, 39, 54, 64f.

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vilegien durch ein Jagdverbot für Unbefugte aus;1109 daher dürfte es sich beim Forst Forehahi um ein königliches Jagdgebiet gehandelt haben. Als solches gehörte er zum Komplex der Königsforste im Mittelrheingebiet, zu denen auch der bekannte und räumlich benachbarte Königsforst Dreieich zählte." 1 0 D i e Grenzen des Forstes Dreieich sind aus einem Weistum von 1338 bekannt, die des Forehahi aus einem Weistum von 1423. Legt man die jeweilige Grenzziehung zugrunde, dann überschnitten sich beide Forstgebiete, 1111 was die Forschung zu Erklärungsversuchen herausgefordert hat. Es wäre möglich, daß die Südgrenze des Forstes Dreieich, der nördlich des Forehahi lag, weiter nach Süden verlegt wurde, um die Modau zu erreichen, die eine natürliche G r e n z e bildete. Dabei griff der Dreieichforst auf das Gebiet des F o r e hahi über.' 1 ' 2 Das scheint plausibel; es fragt sich aber doch, ob die Uberschneidung der Forstgebiete überhaupt eine Erklärung erfordert oder nicht in Wirklichkeit so unproblematisch war, daß sie auch unabsichtlich zustande gekommen sein könnte. Gockel behauptet, daß man voraussetzt, die Forstaufseher der Dreieich hätten die Grenzziehung mißachtet, die der König 1002 festgelegt hatte, wenn man die Überschneidung der Forste für problemlos hält.'" 3 Dabei scheint es gar nicht zwingend zu sein anzunehmen, daß die U b e r schneidung nur auf spezielle offizielle Regelungen zurückgehen könne. D a der Forehahi wohl lediglich ein Jagdgebiet war, dürfte es kaum wirkliche Probleme verursacht haben, wenn sich die beiden riesigen Forstgebiete teilweise deckten. In einem Weistum von 1423 wird ein Wildbann genannt, den man mit dem Forehahi von 1002 identifizieren kann. 1114 D e r Wildbann befand sich jedoch nicht im Besitz der Wormser Bischofskirche, sondern gehörte dem K l o ster Lorsch und damit dem Mainzer Erzbischof, der Lorsch 1232 übertragen bekommen hatte. 1 " 5 W i e lassen sich die veränderten Besitzverhältnisse erklären? D i e Quellen geben nur den Blick auf einige Stationen der Entwicklung frei, die zu dem Zustand von 1423 geführt hatte. D i e erste erkennbare Stufe

1109 D H U 1: ut nulla de eo forestu persona parva sive magna aliquam ferarn vel bestiam ibi venari vel capere aut insequi presumat sine licentia superius iam dicti aepiscopi B. sive successorum eins. 1110 Zu diesem Keunecke/Schwenk, Das Dreieicher Wildbannweistum; Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 81-85; Schenk zu Schweinsberg, Beiträge zur Topographie. 1111 Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 82-84, mit Karten nach S. 72, 80; Kempe, Der Lorscher Wildbann, S. 348f. 1112 Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 82-84. 1113 Namentlich Kempe, Der Lorscher Wildbann, S. 348-50. 1114 Weisthümer, hg. v. Grimm, 1, S. 464-67; vgl. Kempe, Der Lorscher Wildbann, S. 350f.; Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 76f. 1115 Zur Übertragung Lorschs an Mainz vgl. Minst, Die Geschichte des Klosters Lorsch, S. 31; Selzer, Die Geschichte des Klosters Lorsch von 1232 bis zum Jahre 1803, S. 153; zur Lorscher Geschichte nach 1232 Brück, Lorsch und Mainz im Mittelalter, S. 148-52.

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scheint ein Vorgang im Jahr 1165 zu sein, als der Lorscher Abt dem Zisterzienserkloster Schönau, einer Gründung des Wormser Bischofs Burkhard II., gewisse loca inculta et saltuosa übertrug. Sie gehörten zum Dorf Viernheim, Die Zisterzienser sollten welches wiederum im Gebiet des Forehahi lag. dieses Land, das teils für Ackerbau, teils als Weide geeignet sei, nur soweit bebauen, als der dortige Waldbestand keinen Schaden nähme.1117 Rodungen und den Holzschlag untersagte der Lorscher Abt mit dem Hinweis darauf, daß diese Tätigkeiten dem Bann unterlägen. Den Königsbann in dem Wald zu Viernheim beanspruchte 1168 jedoch auch der Wormser Bischof für sich, als er demselben Zisterzienserkloster dort einen Neubruch schenkte. Der Bischof stellte dabei ausdrücklich fest, daß der Grund und Boden des betroffenen Gebietes dem Kloster Lorsch gehörte. 11 " Mit dem schlecht dokumentierten Ubergang des Forehahi an Lorsch könnte diese Episode insofern zusammenhängen, als das Kloster einen Bann beanspruchte, bei dem es sich um den Forstbann des Forehahi gehandelt haben könnte. Zugleich stellt sich hier die Frage, ob der Forst mit der Rodung in Beziehung stand, da der Lorscher Abt ein Rodungsverbot aussprach und es mit dem Bann begründete. In diesem Zusammenhang verdient der Umstand Beachtung, daß noch das Weistum von 1423 ausdrücklich die Rodung im Wildbann untersagt." 0 Sowohl für das 12. als auch das 15. Jahrhundert ist somit belegt, daß Rodungen im Wildbann unterbleiben sollten. Dabei kommt jeweils lediglich das Bestreben zum Ausdruck, die Rodung zu unterbinden; das wird im Weistum von 1423 besonders deutlich. Man wird folglich nicht davon sprechen können, daß es der Sinn des Rodungsverbots war, die Rodung in eine bestimmte Richtung zu lenken oder sie Bedingungen zu unterwerfen, die dem Wildbannherrn zugute kamen. Sofern der Wildbann auf die Rodung Einfluß nehmen sollte, dürfte es vielmehr auch im vorliegenden Fall darum gegangen sein, Rodungen zu verhindern, um das Jagdwild zu schützen. Noch das Weistum von 1423 bestimmt, daß die Jagd nur mit der Zustimmung des Mainzer Bischofs ausgeübt werden soll und legt das Strafmaß für Wilderer 1116 Codex Laureshamensis, 1, Nr. 159; vgl. Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 78. 1117 Codex Laureshamensis, 1, Nr. 159: quedam loca inculta et saltuosa ... partim agris, partim pascuis oportuna ... possideant, uerumtamen ab exstirpatione eiusdem silue, et ab incisione lignorum que banno sunt obnoxia, nisi ex licentia nostra prorsus abstineant... quicquidpro oportunitate sua in eisdem locis absque detrimento silue elaborare uel excolere uoluerint... in omnibus faciendi potestate potiantur. 1118 Ebd. 1119 Codex Laureshamensis, 1, Nr. 160: dilectis fratribus nostris de Sconaugia nouellationem agrorum seu pratorum quatuor aratris sufficientem in foraste ad Virnheim pertinente, cuius quidem fundus laureshamense monasterium, regalis uero bannus nostram respicit ecclesiam, hilariter indulsimus; vgl. Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 78. 1120 Weisthümer, hg. v. Grimm, 1, S. 466: Und wärs auch, dasz man rothe in dem wildbahn, das sollen die vorgenannten herrn wehren, also das es nit mer geschehe.

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fest."21 Daran wird deutlich, daß der Wildbann im 15. Jahrhundert ein Jagdgebiet war. Das Rodungsverbot dürfte diese Funktion, die der Forst wohl schon zur Zeit der Forstverleihung besaß, unterstützt haben. Somit entspricht auch der Forehahi nicht der vorherrschenden Vorstellung vom Wildbann, nach der es eine eigenständige Aufgabe der Wildbänne war, der Rodung eine bestimmte Richtung zu geben und sie nicht einfach nur zu verhindern. Es scheint im übrigen noch nicht einmal möglich, die fragliche Eigenschaft des vorliegenden Forstes auf andere Wildbänne zu übertragen, da die meisten Wildbänne im Gegensatz zum Forehahi keine ehemaligen königlichen Wildbänne waren. Um auf den Wechsel von Worms zu Lorsch zurückzukommen, so erklärt die bloße Anmeldung von Ansprüchen noch nicht, wie der Forst mitsamt seinem materiellen Substrat, dem Grundbesitz in Form der Forsthufen, in den Besitz des Klosters gelangen konnte. Der Zeitpunkt für den Ubergang liegt völlig im Dunkeln. Noch 1288 bestätigte Rudolf von Habsburg dem Wormser Bischof sowohl die Verleihungsurkunde von 1002 als auch die Bestätigungsurkunde von 1026. Im Gegensatz zu einer anderen Urkunde Rudolfs für Worms, die nur wenige Tage zuvor ausgestellt wurde, fehlen den Bestätigungsurkunden konkrete Anweisungen darüber, wie der Bischof in seinen Besitz eingewiesen werden sollte." 3 Man hat daraus geschlossen, daß die Besitzbestätigung für den Forehahi nur noch nominell war, weil der Forst längst von Lorsch kontrolliert wurde."24 Bei aller Skepsis gegenüber dem Weg, auf dem diese Schlußfolgerung erreicht wurde, scheint sie inhaltlich doch plausibel. Bereits 1252 erwarb der Mainzer Erzbischof von zwei Reichsministerialen und einem weiteren Verkäufer den halben Wildbann und die comecia über dreizehn Orte, die im nördlichen Forehahi lagen. ' Daraus ist gefolgert worden, daß der Erzbischof die andere Hälfte des Wildbanns bereits 1232 zusammen mit dem Kloster Lorsch erworben hatte. Dafür spricht auch die Beobachtung, daß zwei Lorscher Abgabeverzeichnisse schon für das ausgehende 12. Jahrhundert weremeister (Forstmeister) und forestarii ausweisen; zugeordnet waren sie den Orten Bürstadt und Gernsheim, die im Forehahi lagen."27 Wie immer Lorsch auch in den Besitz des Forehahi gelangt sein mag,

1121 Ebd., S. 465: In demselben wildban dort soll niemand jagen oder bürschen ahn des bischoffs von Mainz willen ... 1122 Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis, Tl. 2, S. 148, Nr. 172. Vgl. Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 79; Kempe, Der Lorscher Wildbann, S. 352; Trautz, Das untere Neckarland, S. 66; Regesta Imperii VI, 1, Nrr. 2151, 2153. 1123 Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis, Tl. 2, S. 147f., Nr. 171f. 1124 Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 79; Kempe, Der Lorscher Wildbann, S. 352. 1125 Codex diplomaticus exhibens anecdota, hg. v. Gudenus, S. 625f., Nr. 260. 1126 Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 79. 1127 Codex Laureshamensis, 3, Nr. 3824f.; hierzu Gockel, Karolingische Königshöfe, S. 79f.

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der Vorbesitzer scheint sich nur widerwillig von dem Forst getrennt zu haben. Wenn die Urkunden von 1002 und 1026 im Jahr 1288 bestätigt wurden, dürfte man in Worms zu dieser Zeit immer noch am Besitz des Forstes interessiert gewesen sein. Der vorliegende Fall ist somit insofern aufschlußreich, als der Forstbann auf die Dauer noch nicht einmal verhindern konnte, daß der Forst seinem Besitzer entwunden wurde. Umso unwahrscheinlicher dürfte es sein, daß Forste eine besondere herrschaftsbildende Kraft besaßen.

Würzburg 78. Der Forst bei Burgbernheim Im Jahr 1000 erwarb der Würzburger Bischof vom Grafen Kuno und einem Hermann durch Tausch die Befestigung (castellum) und den O r t Burgbernheim.1128 Den Besitz hatten Kuno und Hermann einer nobilis matrona Uta entzogen, die vor Otto III. Klage darüber erhob.1129 Der Kaiser entschied, daß das Hochstift eine Entschädigung leisten, aber die umstrittenen Güter behalten sollte.1130 Wenig später bekam der Bischof den Wildbann über den Wald verliehen, der zu Burgbernheim und Leutershausen gehörte.1131 Bei dem Wald handelte es sich wohl um den Forst (forestum), den die ältere Urkunde Ottos III. unter den Pertinenzen von Burgbernheim aufführt.1132 Diesen Wald erklärte Otto III. zum Forst, wobei ein Jagdverbot für Unbefugte ausgesprochen wurde. Neben dem Wald ist in der Wildbannurkunde auch noch von 1128 D O III 352. 1129 Ebd.: Chono comes et Herimannus quandam nobilam matronam Otam nomine iniuste privaverunt hereditaria predio, hoc est Berenheim cum foresto adiacentae [!] nec non villis locisque eidem castello subiacentihus, ipsum vero predium donaverunt in concambium pro alio predio domno Heinrico sacrosanctae Wirzburgensis aecclesiae venerabili episcopo; predicta vero matrona graviter gerens huius rei pactum iniquo iure compositum, audita nostri adventus fama, in Quitilingeburg nobis venit obviam, reclamando et multum lamentando deposcens ut de tanta iniuria legempotuisset habere... legaliterperficimus, quod iam dicta matrona de memorato predio investituram accepit ac in nostrae potestatis manum quicquid nobis inde libuisset faciendum firmissima traditione donavit. 1130 Ebd.: Nos vero ... pro eo predio quod prenominatis, Cononi scilicet et Herimanno, primitus datum fuit, eandem proprietatem, id est castellum et villam Berenheim cum foresto villis locisque ei subiacentihus sancto Kyliano martyri... in proprium donavimus ... tali tarnen stabilitate ut pro duodecim mansis in prescripta villa sancto Kyliano traditis alie duodecim et quinquaginta mancipia donentur. 1131 D O III 358. 1132 D O III 352: cum foresto villis locisque ei subiacentihus. 1133 D O III 358: omnis silva que ad castellum Berenheim seu ad villam Liuthereshusun dictam pertinere videtur, sicut nostri iuris publicum forestum, tuta ac defensa munita ac im perpetuum forestata habeatur, quatinus nullius hominis magna sive parva persona in eodem foresto venationem aliquam exercere ... presumat.

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Feldern im Forst die Rede." 34 Der Wildbann sollte offensichtlich den Besitz zu Burgbernheim einschließen. Zu diesem Zweck wurde eine zusammenhängende Fläche eingeforstet.1155 Der Wald zu Burgbernheim wurde noch im Spätmittelalter erwähnt, als das Hochstift seine dortigen Besitzungen verkaufte, 6 wobei es sich ein Rückkaufsrecht vorbehielt. Dieses wurde in der Folge immer wieder verlängert, bis der Würzburger Bischof den Burgbernheimer Besitz 1344 tatsächlich wieder auslöste.1'37 Vom Wildbann ist aber keine Rede mehr. Ebenfalls aus dem frühen 14. Jahrhundert sind hochstiftische Lehen bekannt, die in zwei Orten im ursprünglichen Wildbanngebiet lagen."38 In einem Fall handelt es sich dabei um den Novalzehnten." 39 Das reicht aber nicht aus, um einen Zusammenhang zwischen dem Wildbann und der Rodung zu postulieren. Dafür ist der zeitliche Abstand zur Wildbannverleihung zu groß. Es fehlen auch zeitgenössische Belege für den Wildbann; zudem ist die Identität der Rodungsträger unbekannt. Ferner werden sich im folgenden Hinweise darauf ergeben, daß der Würzburger Wildbann zu Beginn des 14. Jahrhunderts nichts mehr mit den Wildbännen zu tun hatte, die Würzburg im 11. und 12. Jahrhundert verliehen bekommen hatte und zu denen auch der Forst zu Burgbernheim gehört." 40

79. Der Wildbann von 1014 1014 erhielt das Hochstift Würzburg den Bann über die wilden Tiere in einem Gebiet nördlich von Würzburg verliehen."41 In der Urkunde wird der Begriff ,Forst' als Substantiv überhaupt nicht verwendet. Es treten lediglich Formen des Verbs forestare auf, die attributivisch gebraucht werden. So wird vom ,eingeforsteten' bzw. ,einzuforstenden' Wild gesprochen."42 Etwas ungewöhnlich ist auch die Form, in welcher der Jagdvorbehalt zugunsten des

1134 Ebd.: forestum in ómnibus silvis sive campis que adprescriptum castellum villamque pertinent. 1135 Der nördliche Teil des Wildbanngebietes ist in Karte 17a im Bayerischen Geschichtsatlas dargestellt. 1136 MB 37, S. 538, Nr. 453. 1137 Zur spätmittelalterlichen Geschichte des Burgbernheimer Besitzkomplexes vgl. MB 38, S. 192, 222, 448, 501; MB 39, S. 29, 83,147, 190, 226f., 229f., 230, 276, 315, 379f.; MB 41, S. 21, 192, 194f.; MB 42, S. 201f.; MB 43, S. 232; MB 46, S. 403. 1138 Das älteste Lehnbuch des Hochstifts Würzburg, 1, Nrr. 814, 2312, 3351. 1139 Ebd., Nr. 3351. 1140 Zum fränkischen Raum, um den es sich hier handelt, namentlich die spätmittelalterlichen Zustände, vgl. neuerdings Morsel, Jagd und Raum. 1141 D H U 326. 1142 Ebd.: bannum nostrum super feras diversi generis in silvis et subscripto ambitu, quo etiam Hugo ... feras forestatas habuit... concessimus et firmiter donavimus... inferís praescripto ambitu forestandis... pacem et securitatem.

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Empfängers erscheint, wie er Wildbannverleihungen auszeichnet. Es heißt, daß das Hochstift hinsichtlich des ,einzuforstenden' Wildes die gleiche Sicherheit gegenüber Dritten haben soll, die jeder andere Empfänger von Forstprivilegien besitzt.1143 Verliehen wird also lediglich der Bann über das Wild in einem bestimmten Gebiet, nicht dieses Gebiet an sich. Daß es bei der Verleihung um einen Bann über wilde Tiere ging und nicht viel mehr, geht noch aus einer weiteren Äußerung der Urkunde hervor. Es wird gesagt, daß bereits der Würzburger Bischof Hugo (983-990) in dem Wildbanngebiet, das anschließend beschrieben wird, eingeforstetes Wild besessen habe." 44 Damit wird lapidar ein Sachverhalt geschildert und mit dem Zustand gleichgesetzt, der durch die Verleihung geschaffen werden soll (quo etiam Hugo ... feras forestatas habuit).1145 Somit gibt sich hier der Zweck der Verleihung von 1014 unmittelbar zu erkennen. Ein herrscherliches Privileg ist für Hugos Forst übrigens nicht bekannt. Es ist spekuliert worden, daß Hugo einen Wildbann auf Lebenszeit verliehen bekommen habe.1146 Das Wildbanngebiet von 1014 schloß auch ein Wildbann ein, den das Hochstift im Jahr 1060 erhielt." 47 Da nach diesem Zeitpunkt das Schicksal des älteren Wildbanns mit dem des jüngeren identisch ist, kann hier auf die Darstellung des Wildbanns von 1060 verwiesen werden, die weiter unten folgt.

80. Der Wildbann im Steigerwald Einen dritten Wildbann erhielt das Hochstift Würzburg 1023 verliehen.1148 Er wird in der Verleihungsurkunde bezeichnet als bannum nostrum super feras videlicet cervos et cervas sues atque capreolos."49 Damit liegt hier wiederum eine eindeutige Aussage über den Inhalt des Bannes vor: er bezog sich einmal mehr nur auf die Jagd. In dieser Hinsicht scheint er sich nicht von anderen Forstverleihungen unterschieden zu haben. Das geht daraus hervor, daß er in

1143 Ebd.: praenominata sancta Uuirciburgensis aecclesia et noster fidelis Heinricus eiusdem aecclesiae provisor et in posterum quilibet suus successor in feris praescripto ambitu forestandis banc pacem et securitatem de caeteris conterminalibus et circumsidentibus hac bora et deinceps nostra imperatoria traditione et concessu obtineat, qua haec eadem caeteraeque aecclesiae bactenus usi sunt, quae nostra praecessorumque nostrorum imperatorum videlicet et regum de buiusmodi forestandis silvis vel silvulis praecepta susceperunt. 1144 Ebd.: quo etiam Hugo eiusdem sedis episcopus... in eodem bivangio feras forestatas habuit. Zum Begriff bivangio (Bifang) vgl. Bethge, Uber ,Bifänge'. 1145 D H U 326 (Hervorhebung von mir). 1146 Wendehorst, Das Bistum Würzburg, 1, S. 70. 1147 D H IV 66. Zur Grenze des Wildbanns von 1014 vgl. Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 167. 1148 D H U 496 (nur kopial überliefert). 1149 Ebd.

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derselben Urkunde als legittima forestis angesprochen wird. 1150 Die Festlegung auf die Jagd läßt es von vornherein zweifelhaft erscheinen, ob noch andere Vorgänge mit dem Wildbann in Verbindung gebracht werden können. Das gilt auch für die Rodung; es lassen sich keine Belege dafür beibringen, daß der Wildbann sie beeinflußte. So sind für das Wildbanngebiet, das einen großen Teil des Steigerwalds umfaßte," 51 eine Reihe unterschiedlicher Rodungsträger nachweisbar. Beispielhaft ist in dieser Hinsicht das westliche Vorland des Steigerwalds,1152 das ebenfalls unter den Wildbann fiel. Der Wildbannherr von 1023 beteiligte sich dort kaum an Rodung und Landesausbau." 53 Aber auch sonst gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß das Hochstift in größerem U m fang im Steigerwald rodete und Siedlungen anlegen ließ. 4 Das ist umso bezeichnender, als es zumindest einen Teil des Steigerwalds zu seinem Besitz zählte. So ging der Teil des Steigerwalds, den das Zisterzienserkloster Ebrach 1151 erhielt, vom Hochstift zu Lehen. 1155 Daß das Hochstift über Eigentum am Steigerwald verfügte, wird man nicht einfach auf die Wildbannverleihung zurückführen dürfen. Schließlich traf diese gar keine Verfügung über das Land, das vom Wildbann eingeschlossen wurde." 5 6 Das Würzburger Waldeigentum kommt auch darin zum Ausdruck, daß ein würzburgisches Forstamt im Steigerwald bestand. 1157 Aus dem Spätmittelalter sind dann Bestrebungen bekannt, die auf den Erhalt des dortigen Waldbestandes abzielten. 1158 In den Wahlkapitulationen von 1444 1150 Ebd. 1151 Zur Ausdehnung des Wildbanns vgl. Klarmann, Der Würzburger Wildbann des Jahres 1023; Ranzi, Königsgut und Königsforst, S. 169. 1152 Dort tritt neben dem niederen Adel beispielsweise das Kloster Münsterschwarzach als Rodungsträger auf, so zu Rüdern bei Kirchschönbach, der Niederadel zu Ilmbach bei Kirchschönbach, Kammerforst bei Breitbach, Saudrachshof bei Michelau und Schönaich bei Siegendorf: Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 108. 1153 Riedenauer, Wüstungen zwischen Main und Steigerwald, S. 2f. 1154 Machann, Wüstungen im Steigerwald, S. 28f.; Rückert, Landesausbau und Pfarreiorganisation im Steigerwald, S. 218. 1155 D Ko III 260; vgl. Haas, Waldbesitz und Forstwesen der ehemaligen Zisterzienserabtei Ebrach (1966), S. 204-206. 1156 Wie bereits Haas, Waldbesitz und Forstwesen der ehemaligen Zisterzienserabtei Ebrach (1966), S. 205, völlig richtig dargelegt hat. 1157 Das älteste Lehenbuch des Hochstifts Würzburg, 1, Nrr. 301, 1964, 1982, 2162, 2775, 3321, 3322, 3447. Es wird einmal (ebd., Nr. 1964) von einer terciam partem oficii dicti forstampt nemoris Steygerwalt prope Zabelstein gesprochen. Die Burg Zabelstein wurde erst im Jahr 1303 von Würzburg erworben (Wailersbacher, Wildbannstreit auf dem nordwestlichen Steigerwald, S. IV), so daß dieser Teil des Forstamtes bzw. dieses Forstamt erst damit würzburgisch geworden sein mag. Daneben wird auch noch ein officium vorstampt super Stegerwalt nemoris an der Veltbuhel genannt. Es mag also mehrere vergleichbare Würzburger Einrichtungen im Steigerwald gegeben haben. 1158 Haas, Waldbesitz und Forstwesen der ehemaligen Zisterzienserabtei Ebrach (1967), S. 131.

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und 1446 verpflichtete sich Bischof Gottfried IV. unter anderem, auf den Schutz des Steigerwalds zu sehen; in Gottfrieds Wahlkapitulationen ist auch von einem Würzburger Wildbann im Steigerwald die Rede.1159 Wie sich weiter unten zeigen wird, kann dieser Wildbann jedoch nicht direkt als Hinweis darauf gewertet werden, daß der von 1023 noch fortbestand. Der Würzburger Wildbann des 14. Jahrhunderts hatte andere Grundlagen als die Wildbänne des 11. und 12. Jahrhunderts. 1593 berief sich das Hochstift bei Streitigkeiten mit Bamberg, bei denen es um die Ausübung der Jagd ging, noch einmal auf das Wildbannprivileg Heinrichs II.

81. Der Wildbann um Murrhardt Der Würzburger Bischof Meginhard erhielt von Konrad II. den Wald übertragen, der das Kloster Murrhardt umgab. Die Verleihungsurkunde bringt den Konsens der Personen zum Ausdruck, die bis dahin uneingeschränkt im Wald gejagt hatten. Der Wald sollte fortan sub forestis nomine bestehen, wurde also zum Forst erklärt. In der Urkunde wird auch ein Jagdverbot für Unbefugte ausgesprochen. Diesmal sollte die Genehmigung der Jagd nicht allein dem Bischof vorbehalten sein; auch der Abt des Klosters Murrhardt sollte eine solche Kontrolle ausüben.1 4 Davon abgesehen handelt es sich um eine Wildbannverleihung in den üblichen Formen. Der vorliegende Fall liefert ein Beispiel dafür, daß auch Wälder, die im königlichen Besitz gestanden hatten,'165 nicht von vornherein eingeforstet gewesen sein müssen. Die Erklärung dafür, daß das Hochstift den Wald erhielt, der Murrhardt umgab, und daß der Murrhardter Abt zum gleichberechtigten Wildbannherrn wurde, liegt in dem Umstand, daß Murrhardt ein würzburgisches Eigenkloster war. 993 ließ sich Bischof Bernward von Otto III. die Klöster und Orte Neustadt, Homburg, Amorbach, Schlüchtern und Murrhardt verbriefen. Das wurde von Otto

1159 Ebd. 1160 Wailersbacher, Wildbannstreit auf dem nordwestlichen Steigerwald, S. X I I I . 1161 D K o I I 1 0 7 . 1162 Ebd.: consensu et collaudatione provincialium Heinrici comitis, Ruotkeri et alterius Heinrici, Herimanni ... penitusque omnium ante a in eadem silvva communionem venationis habentium. 1163 Ebd. 1164 Ebd.: ea videlicet ratione ut nullius iuris persona infra terminum prescriptum feras tali huc usque hanno circumseptas absque licentia prefati episcopi vel abbati: prenominati monasterii sive successorum illorum aut illius, qui ab eis super eandem silvvam potestatem babuerit, audeat capere disturbare aut inquietare. 1165 Das Objekt der Schenkung wird allerdings nur als quandam silvvam bezeichnet; irgendwelche Zusätze, die es ausdrücklich als Königsgut kennzeichnen würden, wie z. B. nostri iuris, fehlen.

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selbst sowie Heinrich II. und Konrad II. bestätigt.1166 Für Rodungen, die mit dem Wildbann in Verbindung stehen könnten, gibt es keine Anzeichen. Im vorliegenden Fall wäre es ohnehin kaum möglich, den Wildbann für Rodung und Landesausbau verantwortlich zu machen. Schließlich war der Wildbanninhaber ja auch gleichzeitig der Besitzer des eingeforsteten Waldes. Somit wäre es schwierig festzustellen, ob der Waldbesitzer auf der Grundlage seines Eigentums rodete oder der Wildbannherr kraft seines Wildbanns. Die Gründungsurkunde Murrhardts, die wohl im 12. Jahrhundert auf Ludwig den Frommen gefälscht wurde, spricht von der Schenkung eines Gebietes, das sich eine Meile in jede Himmelsrichtung erstreckte. 1167 Demnach hätte zumindest ein gewisser Teil des 1027 eingeforsteten Waldes dem Klor ster bereits gehören müssen. Neben dem Kloster Murrhardt waren andere Grundherren im Wildbanngebiet begütert, so das Kloster Komburg und andere Eigentümer. 1168 Das Schicksal des Wildbanns nach 1027 liegt im Dunkeln. Auch ein Wildbann, den der Schenk Walther von Limburg 1251 von Konrad (IV.) erhalten haben soll, läßt keine Rückschlüsse auf den Murrhardter Wildbann zu." 69 Der Limburger Wildbann überschnitt sich teilweise mit dem Wildbanngebiet von 1027,1170 was darauf hindeuten könnte, daß der Murrhardter Wildbann nicht mehr bestand. Die Echtheit der Urkunde von 1251 ist aber nicht über jeden Zweifel erhaben; die Datierung (1241) ist mit der Titulatur des Königs und der Indiktion unvereinbar und hat dazu geführt, daß die Urkunde von der Forschung auf 1251 umdatiert wurde. 1171 Es muß also offen bleiben, ob und inwieweit diese Urkunde als terminus ante quem gewertet werden kann, vor dem der Murrhardter Wildbann sich aufgelöst hatte.

1 1 6 6 D D O III 140, 3 1 5 (993, 999), D H U 37, 38 (1003), D K o II 37 (1025). Vgl. Fritz, Kloster Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter, S. 6 3 - 6 6 . 1 1 6 7 Ebd., S. 50f. 1 1 6 8 Vgl. U B Wirtemberg, 1, S. 135f., Nr. 15 ( 1 1 8 2 erfolgte Übergabe von Murrhardter Besitz zu Kirchenkirnberg an die Brüder in Adelberg ); Fritz, Kloster Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter, S. 123, Nrr. 8f., S. 126 (fremder Besitz zu Sulzbach und Wolfenbrück, nach den fragmentarisch in einer frühneuzeitlichen Abschrift überlieferten Murrhardter Traditionen wohl im 13. Jahrhundert an Murrhardt geschenkt); U B Wirtemberg, 6, S. 275, Nr. 1883 (1266; Adelberger Besitz zu Kirchenkernberg, wohl mit dem 1182 erworbenen identisch) ; U B Wirtemberg, 4, S. 1 8 1 - 8 4 (Besitz des Klosters Komburg); U B Wirtemberg, 8, S. 36f., Nr. 2689 (Besitz des Grafen Hartmann von Grieningen). 1 1 6 9 U B Wirtemberg, 4, Nr. 1206. 1 1 7 0 Kieß, Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums, S. 33f., 3 9 - 4 1 mit Karte S. 40; Ders., Wildbänne der Herren von Weinsberg, S. 1 5 5 59 mit Karte S. 141. 1171 Kieß, Wildbänne der Herren von Weinsberg, S. 157f.

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82. Der Wildbann bei Mellrichstadt 1031 erhielt das Hochstift einen weiteren Wildbann; 1172 er schloß ein Gebiet nördlich von Mellrichstadt zwischen der Streu und der Herft ein, das für einen Wildbann verhältnismäßig klein ist. 1 Wie aus der Verleihungsurkunde hervorgeht, wurde ein Wald eingeforstet, der bis dahin der Nutzung durch andere Anrainer (compagienses) offengestanden hatte." 74 Diesem Umstand trägt die Urkunde Rechnung, indem sie sich auf den Konsens der anderen Nutzer beruft. Zu ihnen zählten der Abt von Fulda und ein Graf Otto. 1175 Der Wortlaut der Urkunde läßt keinen Zweifel daran, daß dem Hochstift lediglich der Bann über den eingeforsteten Wald verliehen wurde.' 176 Es handelte sich also keinesfalls um eine Gebietsschenkung. Unter dem Bann war Unbefugten die Jagd verboten, wie es bei Wildbännen üblich ist.1177 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Wildbann Einfluß auf die Rodung nahm. Im Wildbanngebiet lag Besitz zu Heften, Brücks, Willmars und Völkershausen, der erst im 13. Jahrhundert in die Hand des Hochstifts gelangte." 78 Eine Reihe von Orten im Forstgebiet wird nicht vor dem 14. oder 15. Jahrhundert erstmals genannt.1179 Die Ortschaft Filke war eine Nachfolgesiedlung des O r tes Bischofs, der wüstgefallen war, und erscheint erst in der frühen Neu•

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zeit. Es liegt nahe, aufgrund des Ortsnamens Bischofs an eine Verbindung zum Hochstift zu denken. Dieses isolierte Beispiel ist aber wohl kaum ein beweiskräftiges Indiz dafür, daß das Hochstift entscheidend an Rodung und Landesausbau beteiligt war. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, würde immer noch die Verbindung zum Wildbann fehlen. Über das weitere Schicksal des Wildbanns geben die Quellen höchstens indirekt Auskunft. 1232 gab es 1172 D K o I I 1 7 3 . 1173 Zur Wildbanngrenze vgl. Wagner, Mellrichstadt, S. 95, 109. 1174 D Ko II 173: silvana bactenus communi compagiensium usui habitam. 1175 Ebd.: silvam ... cum consensu et collaudatone prenominati abbatis R. [er tritt auch als Intervenient auf] suique advocati Reginhardi nec non Ottonis comitis ceterorumque comprovincialium in eadem silva communionem habentium abbine sub forestis nomine eomprebensimus ac districtionis nostrae bannum super eam ad usum ecclesiae sancii Kiliani in Uuirziburg ... donavimus. 1176 Ebd.: silvam ... abbine sub forestis nomine eomprebensimus ac districtionis nostrae bannum super eam ad usum ecclesiae sancii Kiliani in Uuirziburg... donavimus. 1177 Ebd.: ea videlicet ratione ut nullius professionis persona absque pretitulati episcopi licentia successorumque eius sive illorum, quibus ipsi licentiam dandi potestatem concesserint, infra prescriptum terminum audeat venari, laqueos tendere, pedicas abscondere aut ullo ingenio cervos vel cervas sues capreolos sive aliquas feras bucusque sub hanno comprebensas decipere. 1178 M B 37, S. 233-37, Nrr. 220f., S. 260-62, Nr. 239; vgl. Wagner, Mellrichstadt, S. 78f., 137,171. 1179 Wagner, Mellrichstadt, S. 79. 1180 Ebd.

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eine Auseinandersetzung zwischen dem Würzburger Bischof und dem Grafen Boppo von Henneberg; dabei ging es super silua Stocbeim et Meirichstat."81 Beide Orte bildeten Grenzpunkte des Wildbanns von 1031, so daß sehr wahrscheinlich zumindest auch ein Teil des Waldes betroffen war, der unter den Wildbann fiel. Der Grund des Streites wird allerdings nicht recht deutlich. Die Streitpunkte lassen sich nur in Analogie zur silua Salzuorst erschließen, die ebenfalls umstritten war; dort ging es um die Jagd und den Fischfang sowie den Holzschlag.1182 Ging es bei der silua Stocbeim et Meirichstat um die gleichen Fragen, so hätte das auch den Wildbann berührt. Mit der Jagd wäre eine Nutzung betroffen gewesen, über die der Wildbann eine verbindliche Aussage machte. Wenn sie dennoch der Gegenstand von Verhandlungen werden konnte, dann deutet das darauf hin, daß der Wildbann seine Wirksamkeit verloren hatte oder bereits ganz verschwunden war. In die gleiche Richtung weist der Umstand, daß man sich auf die Aussagen der älteren Anwohner stützte, um den Streit zu entscheiden; von irgendwelchen förmlichen Titeln, wie beispielsweise dem Wildbannprivileg, ist dagegen keine Rede, obwohl dieses klare Verfügungen zumindest über einen der Streitpunkte enthielt.1183 Selbst für den Fall, daß die Zeugenbefragung kein brauchbares Ergebnis lieferte, wurde ein besonderes Schiedsverfahren vereinbart und nicht etwa der Rückgriff auf eine Königsurkunde.'184 Das liegt auf einer Linie mit der bereits erwähnten Beobachtung, daß der Würzburger Wildbann in späterer Zeit nicht auf den Wildbannprivilegien des 11. und 12. Jahrhunderts beruhte, sondern auf anderen Grundlagen; im folgenden Abschnitt wird darauf zurückzukommen sein. Der Wildbann bei Mellrichstadt scheint sogar ganz verschwunden zu sein.

1181 M B 37, S. 252-54, Nr. 234; vgl. Wagner, Mellrichstadt, S. 109f. 1182 M B 37, S. 252-54, Nr. 234: super iure venandi, piscandi, Ugna seccandi in silua Salzuorst, quod comes habere debet; super silua Stocbeim et Meirichstat; super silua Quienuelt; super noualibus in Salzuorst et decimis eorumdem [!]. Der Aufbau des Textes, der nur für den ersten der betroffenen Wälder die Streitpunkte nennt, läßt vermuten, daß diese auch für die beiden anderen Wälder zutreffen. Da die Nennung der Neureute im Salzforst von dieser Aufzählung getrennt ist, handelt es sich dabei dagegen offensichtlich um einen Punkt, der nur für den Salzforst galt. 1183 Ebd.: super castro Steina et omnibus aliis ... in quibus dominus episcopus uel sui dicunt comitem vel suos sibi iniurari, uel comes aut sui dicunt dominum episcopum aut suos ipsi iniurari, uicini senes fide digni, habentes rei, de qua queritur, noticiam discernent prestito iuramento de ueritate discenda. 1184 Ebd.: Si autem uicinie testimonium haberi non poterit, vel quia rei, de qua queritur, memoria non habetur, uel quia uicini discordent nec in una sententia conueniant, quatuor ex parte episcopi... quatuor ex parte comitis... nouam ciuitatem intrabunt, a die monicionis infra odo dies, noctibus non exituri nisi discordia terminata.

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83. Der Wildbann von 1060 1060 erhielt das Hochstift den Wildbann (wiltbannum) über einen Forst (forestum)."'5 Man wird annehmen müssen, daß mit dem Forst das künftige Banngebiet gemeint ist, das durch die Verleihung erst zum Forst wurde. Von einem anderen Forst ist im Wildbanngebiet von 1060 nichts zu entdecken. Zwar wurde ein beträchtlicher Teil des Wildbanns von 1060 von dem Wildbann von 1014 abgedeckt, der somit hinter dem forestum der Urkunde Heinrichs IV. gestanden haben könnte. Dagegen spricht jedoch, daß er eben nicht das ganze Gebiet des jüngeren Wildbanns einnahm, wie die Urkunde es vermuten ließe. Auch kann der fragliche forestum nicht einfach ein Wald gewesen sein, denn ein geschlossenes Waldgebiet war der Wildbannbezirk im Jahr 1060 schon lange nicht mehr.1186 Vom Wildbann sollten die Besitzungen des bambergischen Eigenklosters Kitzingen ausgenommen bleiben1187 - eine ungewöhnliche Einschränkung des Wildbanns, die ein Indiz dafür liefert, daß die Konsensformel bei Wildbannverleihungen nicht als beliebige Floskel abgetan werden kann. Denn auf den Konsens beruft man sich auch im vorliegenden Fall; dabei wird namentlich die Zustimmung des Mainzer Erzbischofs sowie des Abtes von Fulda hervorgehoben.11 Ebensowenig fehlt das Jagdverbot für Unbefugte, das einen Wildbann ausmacht. 1 Man wird in dem Wildbann von 1060 - und damit dem Wildbann von 1014 - nicht mehr sehen können als ein Jagdprivileg. Die hochstiftische Ausbautätigkeit im Untersuchungsgebiet, die besonders im 12. Jahrhundert beobachtbar ist, läßt nämlich keine Verbindung zum Wildbann erkennen. Zwar wurde gerodet und es wurden sowohl bereits bestehende Siedlungen ausgebaut1190 als auch ganz neue angelegt." 91 Diese Vor1185 D H I V 66. 1186 Rückert, Landesausbau und Wüstungen, bes. die beigegebene Karte I: D i e frühmittelalterliche Siedlung (um 1000).

1187 D H IV 66: exceptis bis quae ad Chizzingin pertinent (in der Grenzbeschreibung). Zum Kloster Kitzingen, seinem Status und seinem Besitz vgl. Gros, Heinrich III. restituiert dem Kloster Kitzingen entfremdete Besitzungen; s. a. Weber, Kitzingen, S. 25-27.

1188 D H IV 66: forestum ... Sigefrido Mogontino archiepiscopo, Witrado Fuldensi abbate ceterisque omnibus, qui in prescriptis terminis aliquidproprii possederunt, collaudantibus, in proprium dedimus. 1189 Ebd.: ea videlicet ratione ut predictus episcopus et sui successores eiusdem foresti wiltbannum legitime et potestative teneant et ad usum suum, quomodocumque eis placuerit, vertant nullique absque illorum licentia in prenominatis terminis liceat venari aut quodlibet ius venandi exercere. 1190 So bei Lengfurt (Mone, Urkunden zur Geschichte der Maingegenden, S. 4 1 3 - 4 1 5 ; vgl. Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 66), Wolfstal bei Rieden (Zeißner, Hofgut Jobsthal, S. 155f., Nr. 1; vgl. Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 74f.; neuerdings Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 300-302), Estenfeld ( M B 37, S. 60f., Nr. 92), Löllbach (wüst bei Karbach; Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 77). 1191 N e b e n Escherndorf (Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 308f.) ist hier Unterdürrbach bei Würzburg zu nennen, dessen Anlage im Jahre 1170 ins Auge ge-

Würzburg

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gänge beschränkten sich jedoch nicht auf das Wildbanngebiet. Namentlich bei der Ortschaft Rettersheim handelt es sich um eine Siedlung, die das Hochstift planmäßig anlegte,"92 die sich aber klar außerhalb des Wildbanns befindet." 93 Darüber hinaus war noch eine Vielzahl anderer Rodungsträger im Wildbanngebiet vertreten.1194 Für das Spätmittelalter ist auch eine allgemeine bischöfliche Forstaufsicht im Untersuchungsgebiet belegt. Sie schlug sich in der Form von Waldschutzmaßnahmen und bischöflichen Forstämtern nieder.1195 Es darf aber bezweifelt werden, daß die Forstaufsicht mit den Wildbannverleihungen des 11. Jahrhunderts irgendetwas zu tun hat. Im Gegenteil beruhte im Spätmittelalter nicht einmal mehr der Wildbann, d. h. die Kontrolle der Jagd durch das Hochstift, auf diesen Verleihungen. Das geht

1192 1193

1194

1195

faßt wurde (Kestler, Die vormalige Abtei Oberzell, S. 57f., S. 127f.; vgl. Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 79f.; Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 307f.). Die Stadt Karlstadt entstand auf der Gemarkung des älteren Dorfes Karlburg: Rückert, Landesausbau und Siedlungen, S. 82. Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 79; Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 306f. Und zwar auf der anderen Seite des Mains. Angesichts dieser Landmarke, die einen scharfen Einschnitt bildete, muß man die Wildbanngrenze wörtlich nehmen; es ginge nicht an, als Grundlage für den Landesausbau hier die „Ausstrahlung" des Wildbanns zu postulieren. So zu Frickenhausen (Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 65) und Unterhof (Gem. Erbshausen), wo die Abtei Neustadt auf dem Grund und Boden eines O t t o von Weickershausen rodete und vom Bischof den Novalzehnt übertragen bekam (ebd., S. 66f.), zu Reicholzheim (ebd., S. 67), wo auch das Kloster Bronnbach um 1200 eine ganze Kurie anlegte (ebd., S. 68), Veitshöchheim und Gädheim (ebd.), Poppenhausen (ebd., S. 69), Estenfeld (MB 37, S. 62f., Nr. 93; vgl. Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 76; Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 303-305), Lützelfeld (wüst bei Lindelbach), wo das Zisterzienserkloster Altenberg (bei Köln) um 1180 eine Grangie anlegte (Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 77; Rödel, Grundherrschaft und Landesausbau, S. 302f.), während Mattenstadt um 1193 als Niederlassung des Klosters Fulda entstand (Rückert, Landesausbau und Wüstungen, S. 81). Die Burg Rothenfels wurde um 1148 von den Herren von Grumbach, den Vögten des Klosters Neustadt, auf der Gemarkung dieses Klosters errichtet (ebd., S. 85). Weitere nicht vom Hochstift durchgeführte Rodungen sind zu Erlenbach und Rettersbach bei Wiesenfeld, Sulzwiesen bei Erbshausen, Sendelbach, Wertheim und Höhefeld belegt: ebd., S. 108-110. So wurde im 14. Jahrhundert beim Verkauf von Gütern oder Einkünften durch das Hochstift regelmäßig die Pflege der zugehörigen „Hölzer" zur Auflage gemacht, ihr Weiterverkauf verboten und dem Käufer nur der Holzbezug aus ihnen zur Dekkung des Eigenbedarfs gestattet: MB 41, S. 438-41, N r . 161 (1350), bes. S. 440f.; MB 42, S. 328-35, Nr. 132 (1363), bes. S. 332; ebd., S. 379-85, Nr. 147 (1365), bes. S. 381 f. Der Schutz der Wälder spielt auch in einigen zeitgenössischen bischöflichen Wahlkapitulationen eine Rolle: MB 41, S. 196-203, Nr. 67 (1345); MB 44, S. 647-56 (1400). Das Hochstift verfügte im Wildbanngebiet auch über andere Nutzungen wie die Bienenzucht: Das älteste Lehenbuch des Hochstifts Würzburg, 1, N r . 65. Zu den Forstämtern vgl. ebd., Nrr. 87, 560, 1218, 1221, 1482, 1625, 1722, 2019.

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D i e einzelnen F o r s t e

aus der Urkunde hervor, mit der Bischof Andreas 1312 seinen Verwandten Andreas von Bruneck und Konrad von Hohenlohe den Wildbann auf ihren Gütern zu Lehen gab.1196 Dabei ist nur vom Jagdverbot für Unbefugte die Rede, von dem der Bischof sich und seine Nachfolger bezeichnenderweise ausnimmt. Auch hier tritt der Wildbann also lediglich als Jagdprivileg in E r scheinung. N o c h entscheidender ist jedoch die Art und Weise, in der begründet wird, daß der Würzburger Bischof über den Wildbann verfügte. Das wird nicht etwa auf die Wildbannverleihungen zurückgeführt, die das Hochstift in früheren Jahrhunderten erhalten hatte. Vielmehr heißt es, daß der Wildbann des ganzen .Herzogtums' Franken dem Bischof in seiner E i genschaft als Landrichter zukomme." 9 7 Dieses Herzogtum des Würzburger Bischofs beruhte im wesentlichen auf der bischöflichen Gerichtsherrschaft in Franken. Sie ist erstmals aus dem späten 11. oder frühen 12. Jahrhundert bekannt, und ihre spätere Ausprägung war das Landgericht, das im 13. Jahrhundert erscheint." 9 Das ist die Stellung des Würzburger Bischofs, auf die 1312 der bischöfliche Anspruch gegründet wurde, den Wildbann auszuüben." 9 9 Kennt man die Wildbannverleihungen, die Würzburg im 11. und 12. Jahrhundert für den fränkischen Raum erhalten hatte, 1 so erscheint die gegebene B e gründung unnötig indirekt und unspezifisch. Sie läßt zumindest vermuten, daß die Verleihungen zu Beginn des 14. Jahrhundert keine praktische Bedeutung mehr besaßen. Schließlich wurde auch in anderen, sogar jüngeren Fällen nicht darauf verzichtet, den Anspruch auf den Wildbann mit den Verleihungen zu begründen, die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden. Das Hochstift Augsburg tat dies noch im 15. Jahrhundert. Vielleicht darf man sogar vermuten, daß die Wildbannverleihungen für Würzburg im Spätmittelalter selbst beim Empfänger völlig in Vergessenheit geraten waren.

1196 M B 38, S. 512f., N r . 282.

1197 Ebd.: cum wiltbannus tocius nostri ducatus Franconie nobis utpote provinciali judici eiusdem ducatus seu terre Franconie ac nostre dinoscatur ecclesie pertinere, nec aliqua persona cuiuscumque condicionis aut status existens intra terminos nostri ducatus huiusmodi certos ferarum circumseptos habere aut venandi actum quemlibet exercere debeat quoquam modo sine nostra vel aliorum nostrorum successorum episcoporum herbipolensium pro tempore fauore ac licencia speciali. 1198 Merzbacher, Iudicium provinciale, bes. S. 1 - 2 8 ; Bosl, Aus den Anfängen des Territorialstaates in Franken, S. 7 5 - 8 7 ; M B 29, S. 238f., N r . 4 4 4 (1120); D F I 546 (1168); Adam von Bremen I I I , c. 46; Schmidt, Das würzburgische Herzogtum und die Grafen und Herren von Ostfranken, bes. S. 3 - 1 1 , 2 9 - 5 0 ; Crone, D e r Ducatus Orientalis Francie; Mayer, D i e Würzburger Herzogsurkunde von 1168, bes. S. 2 6 0 - 2 7 0 . 1199 Vgl. Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 11. 1200 N e b e n den beiden Wildbännen von 1014 und 1060 waren dies der Wildbann bei Burgbernheim von 1000, der Wildbann im Steigerwald von 1023, der Wildbann bei Mellrichstadt von 1031 und der in den Haßbergen von 1172.

253

Würzburg

84. Der Wildbann in den Haßbergen Einen der wenigen Wildbänne, die von Herrschern des 12. Jahrhunderts verliehen wurden, erhielt der Würzburger Elekt Regenhard im Jahr 1172. Ein Teil der Wildbanngrenze wurde vom Forst Haßberg gebildet.1201 Dieser Forst befand sich 1172 bereits im Besitz des Hochstifts, wie eine Urkunde des Bischofs Herold zeigt, die nur zwei Jahre älter ist als das Wildbannprivileg. 1202 In der Urkunde von 1172 kommt es übrigens besonders deutlich zum Ausdruck, daß der Wildbann ein Bann über das Jagdwild war. Er wird dort defin i e r t als bannurn

ferarum,

qui vulgö

wiltban

dicitur.1

Im Forst Haßberg üb-

te das Hochstift den Wildbann bereits aus. Das geht daraus hervor, daß die bischöfliche Urkunde von 1170 dem Würzburger Lehnsmann Richard das Recht einräumt, im Forst Haßberg zu jagen. Darüber hinaus erhielt Richard weitere Nutzungsrechte im Forst. 1204 Der Forst Haßberg dürfte auch erklären, warum die Grenzbeschreibung von 1172 einen Teil des Grenzverlaufs offenläßt. Dabei handelt es sich um den Abschnitt zwischen den Haßbergen und dem Zeilberg, mit dem die Beschreibung beginnt. Eine echte Lücke entstand hier wohl gar nicht, da die offengelassene Stelle vom Wildbann des Forstes Haßberg abgedeckt wurde. Für diesen Forst liegt keine herrscherliche Verleihung vor; das Wildbannprivileg von 1172 diente dann offenbar dazu, das Würzburger Jagdgebiet über den Forst Haßberg hinaus auszudehnen. Es ist nicht zu erkennen, daß der Wildbann von 1172 auf andere Bereiche als die Jagd Einfluß ausgeübt hätte. So lagen im Wildbanngebiet nicht nur hochstiftische Besitzungen. Zu Baunach erhielt das Kloster Fulda bereits im 9. Jahrhundert Besitz geschenkt. 6 Zu den Grundherren, die im Forstgebiet begütert waren, zählten 1201 D F I 590: Extenditur autem hic a monte Cilleberc secus decursum rivuli, qui Rotaha nuncupatur, in rivum Itasam, iuxta decensum Itase in Mogum fluvium porrigitur, secus decursum Mogi usque in locum, ubi rivus, qui Ebilbach dicitur, Mogum inßuit, hinc iuxta ascensum eiusdem rivuli sursum secus forestum Babenbergensis episcopi, bine vero ad lapidem sintheristein protenditur, inde ad forestum, quod Haseberc appellatur. Zur Grenzbeschreibung vgl. Maierhöfer, Ebern, S. 20. 1202 M B 3 7 , S. 93-95, Nr. 112. 1203 D F I 590. 1204 Ebd.: ut de foresto Haseberg ipsi [sc. Richardus et mater sua] et homines eorum in edificando predio ilio sua sumant edificia et libertatem habeant in eo capiendi apum examina et pecora habeant pascua absque mercede forestaria. Ius etiam habeat posteritas illa quandoque uenandi in foresto ilio arcu tantum et balista, quod in teutonico dicitur birsen. 1205 Vgl. Maierhöfer, Ebern, S. 20. 1206 Ebd., S. 21. Vgl. auch Glaesser, Alter und Genese der regelmäßigen Langstreifenfluren in den nördlichen Haßbergen, S. 23, 91. Glaesser geht davon aus, daß der „Rodungsvorgang ... in den Haßbergen schon um 1100 abgeschlossen gewesen sein [wird]."

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Die einzelnen Forste

auch die Schweinfurter und in ihrer Nachfolge die Herzöge von AndechsMeranien. Hinzu kam eine Reihe kleinerer Herren, mit denen sich das Hochstift auseinanderzusetzen hatte. So gelangte 1168 die Burg Bramberg, später Sitz des hochstiftischen Doppelamtes Bramberg-Raueneck, in die Hand des Hochstifts. Zuvor hatte Friedrich I. die Burg im Interesse des Bischofs zerstören lassen, weil sie der Ausgangspunkt von Aktionen gewesen war, die sich gegen das Hochstift richteten. Die andere Hälfte des Doppelamtes Bramberg-Raueneck wurde von Gütern gebildet, die der Würzburger Bischof 1231 und 1244 von Ludwig und Hermann von Raueneck erwarb.' 209 Weitere Geschlechter, die im Wildbanngebiet begütert waren, sind die Lichtenstein, Rotenhan und Altenstein. Es handelte sich bei ihnen um Herrschaften, welche die Würzburger Bischöfe im 13. und 14. Jahrhundert in eine Lehensabhängigkeit zu bringen versuchten. 12 Der originäre Würzburger Besitz im Wildbanngebiet scheint dagegen eher bescheiden gewesen zu sein und taucht erst spät in der Uberlieferung auf; im Jahr 1216 wird der Hochstiftsbesitz zu Ebern erstmals erwähnt. 1 11 Im südlichen Teil des Wildbanngebietes von 1172 war der Wildbann noch im Spätmittelalter ein Lehen des Hochstiftes. Als solches ist er 1396 im Besitz des Grafen Johann von Truhendingen bezeugt.1212 Im 16. Jahrhundert verfügte das Hochstift Bamberg über den Wildbann im südöstlichen Teil des alten Forstgebietes, da es die Truhendinger Besitzungen und auch den Wildbann angekauft hatte.1213 Weiter nördlich bildete dagegen noch 1591 die Itz die Grenze zwischen dem Bamberger und dem Würzburger Jagdgebiet, wie aus einer Aufzeichnung hervorgeht, die die Begehung der Wildbanngrenzen festhält.1214 Die Itz hatte schon 1172 die Ostgrenze des Wildbanns markiert. Wie sich weiter oben gezeigt hat, dürften die Würzburger Wildbannverleihungen wohl spätestens im frühen 14. Jahrhundert keine praktische Bedeutung mehr besessen haben. Der Wildbann im Untersuchungsgebiet scheint also ausgeübt worden zu sein, ohne daß man sich auf die alte Verleihung berief. Aus dem Spätmittelalter ist die Würzburger Forstorganisation im Untersuchungsgebiet bekannt; sie beruhte auf Dienstlehen, die Forstämter genannt wurden. 1207 1208 1209 1210 1211

Ebd., S. 2 3 - 2 5 . Ebd., S. 28, 35; Kössler, Hofheim, S. 26f.; D F I 546. MB 37, S. 2 3 9 - 4 2 , Nrr. 225f.; Maierhöfer, Ebern, S. 36f. Ebd., S. 3 1 - 6 6 . MB 37, S. 1 9 8 - 2 0 0 , Nr. 192, bes. S. 199; vgl. Maierhöfer, Ebern, S. 28. Maierhöfer (ebd.) ist der Ansicht, daß der Besitz des Hochstifts in diesem Raum „seit dessen Gründung 742 in dessen wachsendem Machtbereich" war und „nicht erst durch Kauf an das Hochstift gekommen ist." Trifft dies zu, so kann dieser Besitz aber auch nicht einer eigenen Rodungs- und Ausbautätigkeit auf der Grundlage des Wildbanns seine Entstehung verdankt haben. 1212 Jakob, Der kaiserliche Wildbann um den Stiefenberg bei Baunach, S. 373f. 1 2 1 3 Ebd., S. 374. 1 2 1 4 Ebd., S. 374f.

Zürich

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Die Forstämter für den Haßbergforst befanden sich in Baunach und in Ebern.1215

85. Zürich Das Nonnenkloster St. Felix und Regula in Zürich erhielt 853 den Königshof Zürich zusammen mit dem Forst Albis.1216 Uber die Ausdehnung des Forstes macht die Verleihungsurkunde keine Angaben; sie läßt sich höchstens aus den heutigen Zuständen erschließen. So trägt noch heute ein Bergrücken westlich des Zürichsees den Namen des Forstes von 853. Dort liegt auch der Sihlwald, mit dem der Forst von 853 gewöhnlich identifiziert wird.121 Daß der Forst in dieser Gegend zu suchen sein dürfte, geht ebenfalls daraus hervor, daß das Kloster 1263 einen vorst, der da lit bi Sile besaß.'2'8 Der Forst Albis stammte eindeutig aus dem Besitz des Königs; die Verleihungsurkunde von 853 nennt ihn forestem nostram. Albis nomine.1219 Bei dem Forst dürfte es sich um einen königlichen Bannwald gehandelt haben. Darauf läßt nicht zuletzt der Umstand schließen, daß der Forst im Waldbesitz des Klosters, eben dem Sihlforst, aufgegangen zu sein scheint. Daß der Sihlforst nicht einfach nur ein Jagdgebiet war, zeigt seine spätere Geschichte, die auch von Rodungen gekennzeichnet war. So erhielt Graf Werner von Lenzburg-Baden im Jahr 1153 Besitz des Klosters in monte, qui vulgo Albis dicitur zu Lehen. Es handelte sich offenbar um Ödland, denn der Graf mußte sich dazu verpflichten, daß er das Land kultiviere. Außerdem sollte das Land nach dem Tod des Grafen an das Kloster zurückfallen, es sei denn, ihm würden legitime Erben 1 1220 geboren. Das Nonnenkloster zu Zürich war aber weder der einzige Grundherr am Albis,1221 noch scheint es dort der einzige Rodungsträger gewesen zu sein. So sind aus dem 13. Jahrhundert Streitigkeiten um den Bezug von Novalzehnten 1215 Das älteste Lehenbuch des Hochstifts Würzburg, 1, N r r . 295, 1981, 3280, 3285, 3468; zu den Haßbergen vgl. Zeißner, Waldwirtschaft und Bergbau in den Haßbergen. 1216 D L d D 67. 1217 Vgl. 650 Jahre Zürcherische Forstgeschichte, 1, S. 52, 61, sowie das U B Stadt und Landschaft Zürich, 1, Register s. v. Albis. 1218 U B Stadt und Landschaft Zürich, 3, S. 292f., N r . 1205. 1219 D L d D 67. 1220 U B Stadt und Landschaft Zürich, 1, S. 183f., N r . 301; vgl. 650 Jahre Zürcherische Forstgeschichte, 1, S. 61. 1221 Andere Grundherren waren beispielsweise das Kloster Muri, die Züricher Großmünsterkirche und eine Reihe weltlicher Grundherren: U B Stadt und Landschaft Zürich, 1, S. 8 - 1 2 , N r . 37 (zu 820), S. 2 0 - 2 2 , N r . 67; Bd. 3, S. 204f„ N r . 1106 (1260); Kläui/Imhof, Atlas zur Geschichte des Kantons Zürich, Tafel 3 („Weltlicher und kirchlicher Grundbesitz um das Jahr 1000").

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Die einzelnen Forste

bekannt, die durch die Rodungstätigkeit im Untersuchungsgebiet anfielen. An dem Konflikt waren außer dem Kloster und der Pfarrei Horgen das Kloster Oetenbach und ein Züricher Chorherr beteiligt.1222 Auch gibt es eindeutige Anzeichen dafür, daß das Kloster den Forst in späterer Zeit nicht einfach nur als potentielles Rodungsland betrachtete. Die eingangs zitierte Urkunde von 1253 hält einen Schiedsspruch fest, der einen Streit um die Vogtei im Forst schlichtete. Die Ansprüche der Gegner des Klosters wurden zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Kloster aber die Auflage gemacht, den Bauern seiner Kontrahenten die Nutzung des Forstes zu gestatten.1223 Die Forstnutzung war mithin ein begehrtes und vom Kloster streng gehütetes Gut. Der Forst diente also noch zu anderen Zwecken als der Rodung und war auch nicht vollständig kultiviert worden. Somit liegt hier ein Beispiel dafür vor, daß ein Bannwaldforst, selbst wenn er als potentielles Rodungsland genutzt wurde, noch andere Aufgaben hatte, die sein Fortbestehen garantierten. Im Laufe des Spätmittelalters erwarb dann die Stadt Zürich den Sihlwald, der besonders dazu diente, den städtischen Holzbedarf zu decken.1224

1222 UB Stadt und Landschaft Zürich, 3, S. 190-92, N r . 1093 (1260), S. 258f., Nr. 1166 (1261). Zur Rodungstätigkeit am Albis vgl. auch 650 Jahre Zürcherische Forstgeschichte, 1, S. 61. 1223 UB Stadt und Landschaft Zürich, 3, S. 292f., Nr. 1205. 1224 650 Jahre Zürcherische Forstgeschichte, 1, S. 51-55, 61f. Zur städtischen Forstverwaltung vgl. Irniger, Der Sihlwald und sein Umland.

IV. Ergebnisse Der Untersuchung lag die Absicht zugrunde, die Wirkungsgeschichte der Forste und Wildbänne darzustellen, die von den ostfränkisch-frühdeutschen Herrschern des 9. bis 12. Jahrhunderts verliehen wurden. U m dieser Aufgabe überhaupt gerecht werden zu können, war zunächst die Frage zu klären, in welcher Form sich die Forste, besonders die Wildbänne, tatsächlich bemerkbar machten. N u r so läßt sich feststellen, welche Vorgänge zur Geschichte eines Wildbanns gehören und woran sein Fortbestehen festgemacht werden kann. Auszugehen war dabei von den gängigen Vorstellungen über den Charakter und die Funktion von Wildbannverleihungen. Ihnen zufolge regelten Wildbänne nicht allein die Jagd, sondern auch andere Nutzungen des Wildlandes einschließlich der Rodung. Da diese Ansicht zu Widerspruch herausfordert, schien ihre Überprüfung geboten. Anlaß zur Kritik geben bereits die Verleihungsurkunden selbst. Sie sprechen fast stets von der Jagd allein, die im Wildbanngebiet künftig nur mit der Zustimmung des Wildbanninhabers ausgeübt werden soll. In einigen Urkunden wird der Vorbehalt in allgemeiner Form auch auf andere Nutzungen ausgedehnt. Es scheint aber nicht möglich, daraus zu folgern, daß grundsätzlich jeder Wildbann alle Nutzungen des Wildlandes in sich vereinigte. Die Fälle, welche die weitergehende Verbotsklausel aufweisen, können zwei Kategorien zugeordnet werden. Bei der ersten ist die verallgemeinernde Formel lediglich eine Wiederholung ohne echten eigenen Sinngehalt; ihr Zweck war es, der zentralen Bestimmung des Privilegs Nachdruck zu verleihen. Ein Beispiel dafür liefern das Osnabrücker Wildbanndiplom von 965 und seine Bestätigungen. Die zweite Gruppe zeichnet sich dadurch aus, daß das eingeforstete Gebiet Waldland war, das sich bereits im Besitz des Wildbanninhabers befand. Hier sollte offensichtlich dem Wildbannherrn die Nutzung seines eigenen Landes vorbehalten werden, sofern es nicht darum ging, ein Schongebiet für das Jagdwild zu schaffen. Diese Fälle erlauben keine Rückschlüsse auf Wildbänne im allgemeinen, da sie nicht repräsentativ sind. Gewöhnlich war der Wildbannherr nämlich nicht gleichzeitig auch der Besitzer des Wildbanngebietes; vielmehr wurden normalerweise Gebiete eingeforstet, in denen eine Vielzahl anderer Grundherren begütert war. Der Umstand, daß in der Regel fremde Grundherren über Besitz im Wildbanngebiet verfügten, spricht ebenfalls gegen die gängigen Vorstellungen vom Wildbann. Ein Nutzungsausschluß, der über die Jagd hinausging, hätte die anderen Grundherren stark benachteiligt und wäre wohl kaum ohne weiteres hingenommen worden. Zumindest hätte er eine Unzufriedenheit unter den betroffenen Grundbesitzern entstehen lassen, an der dem König nicht gelegen sein konnte. Die bloße Kontrolle der Jagd durch den Wildbannherrn dürfte dagegen weitaus akzeptabler gewesen sein. Auch lassen die landläufigen Vorstellun-

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Ergebnisse

gen die Frage offen, wie herrscherliche Verleihungen in Bereichen wirksam geworden sein sollen, von denen in der Verleihungsurkunde gar keine Rede ist. Daneben ist es fraglich, ob durchgehend wichtige Bestandteile der Wildbannverleihungen in den Urkunden unerwähnt geblieben sein können. Im herkömmlichen Bild vom Wildbann k o m m t der Rodung eine besondere Bedeutung zu. Immerhin wird in zwei Wildbannurkunden von der Rodung gesprochen. Das Privileg für Toul enthält die Bestimmung, daß nur mit der Zustimmung des Bischofs gerodet werden soll. Das läßt die Möglichkeit offen, daß die Rodung lediglich in bestimmte Bahnen gelenkt werden sollte. D i e U r k u n d e für Hersfeld unterstreicht dagegen, daß man das Verbot im negativen Sinn ernstnehmen muß. Aus ihm spricht lediglich das Bestreben, R o d u n gen grundsätzlich zu vereiteln, denn der Hersfelder A b t erhielt die potestas arbores nutriendi. Daraus zu folgern, daß der Wildbann darauf abzielte, seinen Inhaber bei der Rodung zu begünstigen, scheint gewagt. N i c h t weniger fragwürdig dürfte es sein, diese Vorstellung dann auf alle anderen Wildbänne zu übertragen. Damit sind im wesentlichen die Punkte genannt, die dagegen sprechen, daß Wildbänne auf andere Bereiche als die Jagd Einfluß nahmen. D i e U n t e r suchung konnte diese Zweifel nicht beseitigen, sondern hat sie eher noch verstärkt. So ließen sich keine wirklich stichhaltigen Belege dafür finden, daß auf der Grundlage von Wildbännen gerodet wurde. Selbst die Fälle, in denen es sich nachweisen läßt, daß gegen die Rodung im Forst vorgegangen wurde, sind sehr selten. Dabei ließe sich ein derartiges Vorgehen noch am ehesten mit der Aussage der beiden Wildbannurkunden vereinbaren, in denen überhaupt von der Rodung gesprochen wird. Hinweise darauf, daß die Rodung im Forst nicht toleriert wurde, liegen eigentlich nur für den Trierer Forst von 897 bzw. 949 und den Forst Forehahi vor. D e r Forehahi dürfte ein ehemaliger königlicher Forst gewesen sein und erlaubt damit keine Rückschlüsse auf gewöhnliche Wildbänne. Das gilt auch für den Trierer Forst, sofern er kein neu verliehener Wildbann war, sondern ein ehemaliger königlicher Bannwaldforst. U n d wenn es sich bei ihm um einen Wildbann gehandelt haben sollte, ist es immer noch fraglich, ob das Rodungsverbot mit ihm tatsächlich in einem inneren Zusammenhang stand. Zudem kann das Rodungsverbot auch im Trierer Fall nicht so gedeutet werden, daß es die Rodung nur in bestimmte Bahnen lenken sollte; diese sollte vielmehr ganz unterbleiben. D e r Grund dafür war, daß der Forst als Schongebiet für das Jagdwild fungierte. Ähnlich verhielt es sich wohl auch mit dem Forehahi. Ausgeblieben sind auch die Belege dafür, daß Wildbänne Auswirkungen auf weitere Nutzungen hatten. Es gibt nur einen Fall, in dem ein Forst wie ein Wildbann für den Empfänger der Verleihung neu geschaffen wurde und noch andere Nutzungen als die Jagd einschloß. Es handelt sich um den Trierer Forst von 973, der auf den Widerstand der Grundherren stieß, die von der Nutzung ausgeschlossen wurden, und den der Erzbischof daher später teil-

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weise aufgab. Als einzige Ausnahme, die die Regel bestätigt, kommt höchstens der Mondseer Forst am Abersee in Betracht. Der Forst, den das Kloster 829 erhielt, war wohl ein Wildbann, ein Jagd- und Fischfangprivileg. Es gibt aber Anzeichen dafür, daß unter dem Forst später konkreter Waldbesitz verstanden wurde und der Forst neben der Jagd noch weitere Nutzungen umfaßte, darunter die Rodung. Die Entwicklung vom Jagdvorbehalt zum Waldbesitz war aber wohl nur aufgrund besonderer Umstände möglich. So dürfte das betroffene Gebiet zunächst lediglich wegen der beiden Nutzungen interessant gewesen sein, die dem Kloster Mondsee 829 verbrieft worden waren. Die Kontrolle über diese Nutzungen bedeutete somit faktisch die Kontrolle über das Forstgebiet an sich. Das dürfte dadurch entscheidend erleichtert, wenn nicht erst ermöglicht worden sein, daß das Forstgebiet weitgehend siedlungsfrei blieb. Bei anderen Wildbännen fehlten jedoch die Voraussetzungen, die der Forst am Abersee erfüllte; sie konnten sich daher wohl kaum in der gleichen Weise auswirken. Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden. Man wird Wildbännen keine anderen Folgen zuschreiben können als die Kontrolle der Jagd durch den Wildbannherrn. Sonst dürfte man dazu gezwungen sein, Zusammenhänge zu konstruieren, für die es keine wirklich tragfähigen Belege gibt und die zudem recht unplausibel erscheinen. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Vorstellung von der herrschaftsbildenden Kraft von Wildbännen. Sie war insofern durchaus vorhanden, als der Wildbann es seinem Inhaber ermöglicht haben mag, die Jagd in einem bestimmten Gebiet seiner Kontrolle zu unterwerfen. Mehr wird man den meisten Wildbännen jedoch kaum zubilligen können. Anders verhielt es sich mit den verschenkten königlichen Bannwäldern. Mit ihnen erhielt der Empfänger Landbesitz, also ganz konkrete ,Gebietsherrschaft', wenn man so will. Daß die Bannwälder vom neuen Besitzer genutzt werden konnten, wie es ihm beliebte, scheint außer Frage zu stehen. Alle Eigenschaften, die für Wildbänne fraglich erscheinen, wird man für die Bannwälder voraussetzen dürfen. Umso bezeichnender ist es, daß diese oft jahrhundertelang als mehr oder weniger geschlossene Waldgebiete überdauerten und kaum jemals systematisch gerodet worden zu sein scheinen. Damit verweisen sie auf den Stellenwert, den die Erhaltung und damit die Nutzung des Waldes besaß. Im übrigen mag es durchaus sein, daß selbst die Bannwälder zunächst in erster Linie als Jagdgebiete von Interesse waren. Die Jagd und der Tierfang im allgemeinen müssen eine sehr große Bedeutung besessen haben, und ihr verdankten auch die Wildbänne ihre Existenz. Die detaillierten Bestimmungen für den Trierer Forst von 897 bzw. 949 zeichnen ein anschauliches Bild von den erstaunlich komplexen Organisationsformen, die für den Tierfang entwickelt werden konnten. Die Wildbannverleihungen mögen in Konfliktsituationen entstanden sein, in denen sich das Interesse verschiedener Seiten darauf richtete, eine Verfügung über den Tier-

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bestand zu erlangen. Darauf deuten zumindest die beiden frühesten Wildbannverleihungen hin, für Mondsee von 829 und für Brixen (bzw. Säben) von 893, die beide von Konflikten um die Jagd und den Fischfang begleitet worden sein müssen. Waren die Wildbannverleihungen von der Jagd veranlaßt, so kann die Frage nicht ausbleiben, weshalb denn gerade geistliche Institutionen so großes Interesse an ihnen zeigten. Man darf zum einen sicher davon ausgehen, daß die hohe Geistlichkeit, selbst zum großen Teil dem Adel entstammend, adlige Lebensgewohnheiten wie die Jagd pflegte. 1 D e r Fall des Eichstätter Bischofs G u n z o , der weiter unten noch zu behandeln sein wird, spricht hier eine deutliche Sprache. Zum anderen ist zu bedenken, daß mit der Möglichkeit, über Jagdgenehmigungen zu entscheiden, dem jeweiligen Empfänger ein W e r t an die H a n d gegeben wurde, der bei politischen oder Besitzgeschäften in die Waagschale geworfen werden konnte oder mit dem man die adlige U m w e l t daran interessieren konnte, gute Beziehungen zum Hochstift bzw. Kloster zu pflegen. Anreiz oder Gegenleistung hätten in der Aussicht gelegen, am Jagdertrag beteiligt oder mit dem Wildbann belehnt zu werden. Eindeutige Hinweise in den Quellen sind selten. J e d o c h ist die Verlehnung für den Basler Wildbann im Breisgau für das 13. Jahrhundert belegt, und die Überlassung von Jagdwild im Paderborner Reinhardswald öffnet ein Fenster in die ottonisch-salische Zeit. Ein weiteres Beispiel ist die Belehnung Heinrichs des L ö w e n mit dem Wildbann im Harz. 2 N i c h t auszuschließen ist schließlich auch, daß im Interesse der adligen Verwandschaft von Bischöfen, Äbten, Mönchen oder Domkanonikern gehandelt wurde. D o c h nicht nur um sie in eigener Person auszuüben lag das Augenmerk von Geistlichen auf der Jagd. Das dürften hinlänglich die zwölf Hirsche zeigen, die jährlich an die Äbtissin von Elten abzuliefern waren. 3 Dahinter könnten Motive gestanden haben, die von der Forschung gerade auch in jüngerer Zeit wiederholt falsch eingeschätzt worden sein mögen. D e n n was die materielle Seite der Jagd angeht, so wird diese gern abgetan mit dem Hinweis auf die geringe Rolle, die das Wild offenbar in der Ernährung spielte. Hier ist übrigens schon zu fragen, ob die reine Quantität überhaupt der richtige Bewertungsmaßstab ist, denn die Menge des verzehrten Wildes kann ja in einem umgekehrten Verhältnis zu seiner Wertschätzung gestanden haben. 5 Ubersehen wird auch und vor allem der wohl nicht geringe Nutzen

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Vgl. z. B. Lindner, Die Jagd im frühen Mittelalter, S. 412-420. D D F I 199 (1158): wiltpan, quem in foresto harz a nobis in beneficio habet. Nach dem inhaltlich zugehörigen D F I 200 (1158) hatte bereits Konrad II. Graf Udo von Katlenburg und dessen Erben mit dem Forst im Harz belehnt; vgl. hierzu auch die Vorbemerkung zu diesem Diplom. Vgl. Nr. 17. So z. B. Morsel, Jagd und Raum, S. 257f.; 278. Wofür Morsel selbst Beispiele aus dem Spätmittelalter gibt: ebd., S. 279f.

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der Jagd als Lieferant von Rohmaterialien (Fell, Häute, Horn). 6 Aber noch ein weiterer Gesichtspunkt mag in Rechnung zu stellen sein; vor allem Fairon hat nachdrücklich auf ihn aufmerksam gemacht. Fairons Erklärungsansatz ruht ganz auf der Möglichkeit, daß der Wildbannherr die untersagte Jagd nicht notwendigerweise hätte ausüben müssen. Das Jagdverbot könnte vielmehr einfach die Aufgabe besessen haben, die Jagd grundsätzlich zu unterbinden, um Jagdschäden am Kulturland zu verhindern. 7 Besonders bei Wildbannverleihungen, die sich auf den Besitz des Empfängers beziehen, wird man das nicht ausschließen können. Der Wildbann hätte dann unerwünschte Störungen der Landwirtschaft beseitigt; ein Hilfsmittel, um Kultivierung und Landesausbau allein dem Wildbannherrn vorzubehalten, wäre er aber auch in diesem Szenario nicht gewesen. Zu den auffälligsten Eigenarten der Wildbannverleihungen des 9. bis 11. Jahrhunderts zählt der Umstand, daß es sich in den wenigsten Fällen sagen läßt, wie lange der jeweilige Wildbann bestand. Die meisten Wildbänne sind nur durch die Verleihungsurkunde selbst belegt. Hinweise darauf, daß eine Wildbannverleihung zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Bedeutung verloren hatte, sind ebenfalls selten und eher indirekt; hier wären die Würzburger Wildbänne zu nennen. Es ist auch nicht etwa festzustellen, daß später Maßnahmen ergriffen wurden, um Wildbannverleihungen des Untersuchungszeitraums zu ersetzen, weil sie obsolet geworden waren. Selbst bei unveränderter Interessenlage hörte man auf, sich der königlichen Privilegien zu bedienen. So löste sich die Ausübung des Wildbanns im weiteren Verlauf des Mittelalters einfach von der königlichen Verleihung, bezeichnenderweise eben auch dort, wo Wildbannverleihungen vorlagen. Ein anschauliches Beispiel liefert wiederum der Würzburger Fall. Das Hochstift Würzburg hatte im 11. und 12. Jahrhundert zahlreiche Wildbannverleihungen im fränkischen Raum erhalten. U m seinem Anspruch auf den Wildbann Geltung zu verschaffen, berief sich der Bischof im frühen 14. Jahrhundert jedoch nicht auf diese Verleihungen, sondern auf sein fränkisches ,Herzogtum', das bedeutet faktisch: auf seine Stellung als Gerichtsherr. Angesichts der Wildbannprivilegien war diese Begründung unnötig indirekt und unspezifisch. Der Verzicht auf die Erwähnung der alten Privilegien ist umso bemerkenswerter, als andere Empfänger von Wildbannverleihungen ihre Privilegien auch im Spätmittelalter durchaus noch ins Felde führten. Das Hochstift Augsburg pochte beispielsweise noch im 15. Jahrhundert auf die Einhaltung des Wildbanns, der ihm im 11. Jahrhundert verliehen worden war. Das läßt vermuten, daß die Würzburger Wildbannprivilegien im frühen 14. Jahrhundert bereits keine praktische

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Ein Beispiel für die Bedeutung von Hirschgeweih als Werkstoff für Beinschnitzer und seine kommerzielle Verwendung schildert Werner Meyer, Jagd und Fischfang aus der Sicht der Burgenarchäologie, S. 488—490. Fairon, Les donations de forêts, S. 103-107.

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Rolle mehr spielten, wenn sie nicht selbst beim Empfänger völlig in Vergessenheit geraten waren. Auch im Augsburger Fall hielt sich die Wirksamkeit des Wildbanns im Spätmittelalter in engen Grenzen. Selbst eine erneute herrschliche Bestätigung konnte es nicht verhindern, daß dem Hochstift die Kontrolle der Jagd, der Inhalt des Privilegs, streitig gemacht wurde. Uberhaupt fehlen glaubhafte Belege dafür, daß die Wildbannprivilegien im Spätmittelalter ihren Inhabern noch nennenswerte Dienste leisteten. Sofern ihrer in späterer Zeit überhaupt noch gedacht wird, zeigen die Begleitumstände eher, daß es mit ihrer Nützlichkeit nicht weit her war; neben dem Augsburger Fall sei hier nur an das Ellwanger Beispiel erinnert. Der Forst Forehahi ging dem Hochstift Worms trotz der königlichen Bestätigungen des späten dreizehnten Jahrhunderts sogar ganz verloren. Auch dieser Befund kratzt an der Vorstellung von der herrschaftsbildenden Kraft der Privilegien, die ja anderenfalls ein durchgehend wirksames herrschaftliches Instrument hätten sein müssen. Diese weitgehende Bedeutungslosigkeit dürfte auf dieselben Gründe zurückgehen wie das recht unvermittelte Auslaufen der Wildbannverleihungen um 1080. Das abrupte Ende ist umso augenfälliger angesichts der Regelmäßigkeit, die diese Verleihungen erreicht hatten. Es scheint zu plötzlich, als daß man sich mit der Vermutung zufriedengeben könnte, die Nachfrage sei gesättigt, die Zahl möglicher Interessenten erschöpft gewesen. Diese Annahme vertrüge sich auch nicht so recht mit der Beobachtung, daß die Zäsur nicht allein für die Ausstellung neuer Privilegien gilt; ebenfalls zum Erliegen kommt zur selben Zeit auch die Bestätigung früherer Verleihungen. 8 Selbst wenn kein Bedarf an neuen Verleihungen mehr bestanden haben sollte, hätte das den Bedarf an der Bestätigung alter Privilegien doch nicht berührt. Und in dieser Hinsicht ist eine Sättigung wohl noch viel weniger anzunehmen, denn die Zahl der Bestätigungen blieb im Verhältnis zu den Verleihungen doch recht gering. Vielmehr dürften beide Sachverhalte - die Einstellung der Wildbannverleihungen und ihre weitgehend fehlende spätere Geschichte zumindest teilweise demselben Faktor geschuldet sein. Es handelt sich um die Rolle des Königtums bei den Wildbannverleihungen. Mit der Verleihung versicherte sich der Empfänger der königlichen Rückendeckung für seine Interessen. Beim Trierer Fall von 973 beispielsweise wird dies recht deutlich. Die Stellungnahme des Herrschers durch die Bannverleihung ermöglichte es dem Erzbischof, seine privilegierte Stellung bei der Waldnutzung gut fünfzig Jahre gegen den Widerstand der betroffenen Mitnutzer aufrechtzuerhalten. Der Wert der Verleihung für den Empfänger hing also vor allem von der königlichen Autorität ab und der grundsätzlichen Möglichkeit, sie für eigene Zwekke zu aktivieren. Sobald diese Möglichkeit fraglich und die königliche Autorität angegriffen war, mußte der Wert der Wildbannverleihungen sinken und 8

Vgl. T a b e l l e 2.

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damit auch das Interesse an ihnen. Genau das war jedoch die Situation in der Zeit, in welcher die große Wildbannwelle ihre letzten Regungen zeigte. Es ist jedenfalls auffällig und dürfte kaum Zufall sein, daß die Wildbannverleihungen abrupt in dem Moment aufhören, in dem das Königtum in schweres Wetter gerät und in schwere Konflikte gerade mit einem großen Teil der potentiellen Wildbannempfänger. Hinzu kommt, daß in dieser Situation auch nicht mehr unbedingt im jeweils gegnerischen Lager um Verleihungen nachgesucht oder Gesuchen von zweifelhaften Kandidaten stattgegeben worden wäre. So dürften auch die Wildbannverleihungen ein Opfer der schweren Krisen geworden sein, die das Königtum im späten 11. Jahrhundert schüttelten. Soweit Wildbannprivilegien im Untersuchungszeitraum bestätigt wurden, fügen sie sich ebenfalls in dieses Muster. Die Bestätigungen brechen gleichermaßen in der Regierungszeit Heinrichs IV. ab, und zwar wiederum vor dem Jahr 1080. Sie setzen dann erst unter Lothar III. wieder ein und überholen zahlenmäßig die bis 1190 erfolgten neuen Verleihungen, und das mit einer Anzahl von gerade einmal fünf Stück. 9 Daß vier von ihnen gerade in die Zeit Friedrichs I. fallen, scheint nur zu bestätigen, daß die Autorität des Königtums für den Wert der Wildbannverleihungen und das Interesse an ihnen ausschlaggebend war. Ob die Wildbannverleihungen mehr waren als ein eventuell recht kurzlebiges Behelfsmittel, das weniger längerfristigen Planungen diente als den Bedürfnissen des Augenblicks, darf jedoch schon für die Zeit vor dem Ende der großen Verleihungen gefragt werden. Daß die Bedeutung eines Privilegs nicht auf den Zeitpunkt der Verleihung beschränkt war, sondern sich noch über einen längeren Abschnitt des Untersuchungszeitraums erstreckte, ist für gerade einmal 19 Wildbannurkunden belegt, nimmt man als Kriterium das Vorliegen einer herrscherlichen Bestätigung, die sich ausdrücklich auf eine bestimmte Verleihung bezieht.10 Auch eine einmalige Nachricht des Anonymus Haserensis rät zu größerer Vorsicht, bevor eine „herrschaftsstrategische" Funktion unterstellt wird, wie es gerade bei den Wildbannverleihungen gerne geschieht. Es handelt sich um den Bericht über die Erwerbung des Jagdreviers (•venatio) Stöttera (Stederach) durch den Eichstätter Bischof Gundekar I. (auch Gunzo; ca. 1015-1019). Der Bischof tauschte es zu Beginn des 11. Jahrhunderts

9 Ebd. Gezählt wurde hier jeweils der A k t der Bestätigung; im Falle der erzstiftisch bremischen Privilegien, die 1 1 5 8 bestätigt wurden, bezieht sich die eine darüber ausgestellte Urkunde gleich auf vier Verleihungen. 10 Die geringe Zahl scheint bezeichnend, doch kann sie selbstverständlich bestenfalls einen grundlegenden Trend andeuten. Zu den Zahlenverhältnissen siehe Tabelle 2. Eingeschlossen sind hier auch das von Karl dem Großen geschaffene St. Bertiner Jagdgebiet (vgl. die einleitende Bemerkung zu Tabelle 1 im Anhang) und die undatierbare Verleihung, die nur durch die Salzburger Bestätigung von 1030 überliefert ist.

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vom Regensburger Bischof gegen Besitz zu Nördlingen ein." Der Anonymus Haserensis betont, daß Gunzos Nachfolger im Bischofsamt keinen Nutzen aus dem Besitz des Jagdreviers mehr zogen; diesen Nutzen mißt die Quelle übrigens interessanterweise allein an finanziellen Werten. 12 Dem Anonymus zufolge hatte sich Gundekar das Jagdgebiet dagegen aus rein persönlichen M o t i v e n v e r s c h a f f t , quia

uenationibus

ultra

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deditus

erat."

Ein der-

artiges Interesse fehlte seinen Nachfolgern ganz offensichtlich. Das läßt vermuten, daß es um die Existenz eines Wildbanns schlecht bestellt war, wenn hinter ihr nicht mehr stand als ein personen- oder situationsgebundenes Interesse. Wurde der Wildbann nicht mehr ausgeübt, so hörte er auf zu bestehen. Es ist unmöglich zu sagen, inwieweit der Fall des Eichstätter Jagdgebiets zu Stöttera typisch ist bzw. überhaupt Rückschlüsse auf königliche Wildbannverleihungen erlaubt. 14 Auch läßt sich nicht feststellen, wie die weitere Geschichte des Jagdgebiets zu Stöttera tatsächlich aussah. Die Quellen geben aber keinen deutlicheren Hinweis auf das Schicksal, mit dem man wohl zumindest für einen Teil der Wildbänne rechnen muß, die vom 9. bis zum 12. Jahrhundert verliehen wurden.

11 Weinfurter, Die Geschichte der Eichstätter Bischöfe des Anonymus Haserensis, S. 55: Propter [Heidingsfelder in Regesten der Bischöfe von Eichstätt, S. 54, Nr. 149, verbessert in praeter] hoc inlaudabile concambium idem episcopus fecit et aliud ecclesie nostre non mediocre dampnum. Nam quia uenationibus ultra modum deditus erat, regalem curiam in Retia sitam, Nordelingen dictam, Ratisponensi episcopo pro uenatione quadam Stederacb uocata prope Vngariam sita delegauit; de qua venatione omnes post eum episcopi ne unius quidem oboli pretium babuerunt. Zur Lokalisierung von Stederacb vgl. Weinfurter, Geschichte der Eichstätter Bischöfe, S. 146, Anm. 118. Heidingsfelder, Regesten der Bischöfe von Eichstätt, S. 54, Nr. 149, möchte den Tausch lieber dem Eichstätter Bischof Megingaud zuschreiben und reiht ihn vor Oktober 1014 ein. Vgl. ebd. zu den Besitzverhältnissen zu Nördlingen. 12 Weinfurter, Die Geschichte der Eichstätter Bischöfe des Anonymus Haserensis, S. 55: de qua venatione omnes post eum episcopi ne unius quidem oboli pretium babuerunt. 13 Ebd. 14 Eine solche ist für Stöttera zumindest nicht überliefert.

V . Anhang Zu Tabelle 1: Zeitliche Verteilung der Privilegien Die folgende Tabelle stellt den Versuch dar, sämtliche Forst- und Wildbannverleihungen im Untersuchungszeitraum systematisch zu erfassen. Dabei können Abgrenzungsprobleme nicht ausbleiben. Welche Fälle aufgenommen wurden, entschieden die Kriterien, die in der Einleitung genannt sind. Lediglich der Gesichtskreis erweitert sich, denn es wurden für die Aufstellung alle Herrscherdiplome berücksichtigt, unabhängig von der geographischen Lage. Hinzu kommen dementsprechend Empfänger im ganzen heutigen Frankreich (zumindest für die karolingische Zeit vor 843) und in Reichsitalien. Ein unanfechtbarer Anspruch darauf, mitgezählt zu werden, kann grundsätzlich nur Beispielen zugestanden werden, bei denen der Gegenstand der Verleihung in der Urkunde bereits mit dem Substantiv .Forst' oder .Wildbann' bezeichnet wird. Um grundlegende Muster deutlich werden zu lassen, wurde dieses Prinzip für die in Teil III untersuchten Fälle jedoch mehrfach durchbrochen. Namentlich wurden reine Jagdprivilegien aufgenommen, die die wesentlichen Kennzeichen von Wildbannverleihungen aufweisen, ohne daß jedoch von einem solchen oder einem Forst gesprochen würde. Diese Beispiele wurden auch in die Tabelle übernommen. Einer dieser Fälle verdient es, daß näher auf ihn eingegangen wird, denn es könnte sich um den frühesten bekannten Ahnen der Wildbannverleihungen handeln. Die Rede ist von D Karol. I 191 für das Kloster St. Bertin vom Jahr 800 (die Urkunde ist nur abschriftlich überliefert, ebenso wie eine Bestätigung Ludwigs des Frommen von 820; vgl. Regesta Imperii, I, S. 293, Nr. 726 [702]). Dort wird dem Empfänger für dessen eigene Wälder die licentia venationem exercere zugesichert; ausgenommen bleiben sollen dabei die forestae nostrae des Ausstellers, die also offensichtlich innerhalb der klösterlichen Wälder lagen. Das entspricht späteren Fällen, in denen dem Empfänger der Wildbann über dessen eigenen Besitz verliehen wird. Sollte die Urkunde zumindest inhaltlich tatsächlich echt sein, dann muß dieser Fall möglicherweise als die erste überlieferte Wildbannverleihung angesprochen werden. Daß sich das Jagdprivileg auf Waldbesitz des Empfängers beschränkte, muß dabei nicht viel heißen, denn es finden sich später voll ausgebildete, in der Urkunde selbst so bezeichnete Wildbannverleihungen, die sich auf Besitz des Empfängers bezogen (man vgl. namentlich den Brixner Wildbann von 1073 in Krain). Nicht unproblematisch ist mitunter auch die zeitliche Einordnung der Verleihung. Eine extreme Lösung wäre, den Problemfall gar nicht mitzuzählen. Dadurch würde das Gesamtbild aber ebenfalls verzerrt. Somit ist eine Entscheidung für die eine oder andere zeitliche Alternative erforderlich, die jedoch in gewissem Maße ebenfalls willkürlich bleiben muß, denn das Di-

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lemma besteht ja gerade darin, daß keine eindeutigen Anhaltspunkte vorliegen oder die Urkunde fragwürdig ist. So wurde etwa der Merseburger Wildbann nach dem Diplom von 974 datiert, der Konstanzer Wildbann der Regierungszeit Heinrichs III. zugeschlagen und der Trierer Forst im Hunsrück König Zwentibold zugerechnet (was die zugrundeliegende Problematik angeht, sei auf die entsprechenden Fallstudien verwiesen). Der Salzburger Sausal wurde als Forst in die Zeit Ottos I. gestellt. Einzeln für sich gezählt wurde in der Tabelle einer der beiden Bamberger Forste, die in der entsprechenden Einzeluntersuchung unter einer Abschnittsnummer behandelt werden. Jeweils einzeln gezählt wurden auch die beiden Mindener Forste Stioringouuald und Huculinhago von 991 und der Speyerer Forst Lußhardt und seine Erweiterung. Somit beträgt die Gesamtzahl der untersuchten Fälle in der Tabelle 87, gegenüber 85 Einzelabschnitten in Teil III der Untersuchung.

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Zu Tabelle 2: Bestätigungen von Forstprivilegien im Untersuchungszeitraum Auch die hier beabsichtigte Darstellung birgt Zuordnungsprobleme, vor allem zeitlicher Art. So ist von einigen Bestätigungen lediglich die Tatsache bekannt, daß sie stattfanden, ohne daß Anhaltspunkte vorliegen, die es erlauben würden, sie eindeutig in die Tabelle einzuordnen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn Nachurkunden auf eine nicht erhaltene Bestätigungsurkunde Bezug nehmen (Basler Wildbann im Hardtwald). Auch kommt es vor, daß die ursprüngliche Verleihungsurkunde nicht überliefert ist (Kölner Wildbann von 973, Salzburger Wildbannbestätigung von 1030, Konstanzer Besitzbestätigung von 1155). Bis auf den Salzburger Wildbann reichen die Angaben jedoch für eine näherungsweise, wenn letzten Endes auch willkürliche Einordnung aus. Zur Gesamtzahl der Bestätigungen ist also noch das Salzburger Beispiel hinzuzuzählen.

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