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German Pages 557 Year 2001
Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit Festschrift für Klaus Malettke zum 65. Geburtstag
Historische Forschungen Band 71
Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem Festschrift für Klaus Malettke zum 65. Geburtstag
Herausgegeben von Sven Externbrink und Jörg Ulbert
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit : Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem ; Fests~hrift für Klaus Malettke zum 65. Geburtstag I Hrsg.: Sven Externbrink; Jörg Ulbert.- Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Historische Forschungen; Bd. 71) ISBN 3-428-10277-0
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 3-428-10277-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Vorwort Die Geschichte der internationalen Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-französischen Verhältnisses bildet seit langem den Schwerpunkt der Forschungen Klaus Malettkes. Ebenso unermüdlich wie sein wissenschaftliches Wirken war sein Engagement in bilateralen Forschungsprojekten und sein Einsatz fiir den europäischen Studentenaustausch. In diesem Zusammenhang erschien es den Herausgebern nur folgerichtig, einer ihrem akademischen Lehrer überreichten Festschrift den Titel Formen der internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit- Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem zu geben. Wie die vom Werk Klaus Malettkes ausgegangenen Impulse in der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft Wirkung zeitigen, ist an den hier anläßtich seines 65. Geburtstages von seinen Freunden, Kollegen und Schülern verfaßten Beiträgen abzulesen. Danken möchten die Herausgeber all denen, die zum Gelingen der Festschrift beigetragen haben: Frau Petra Holz, M.A., und Herrn Christian Tacke, M.A., filr ihre wichtige Hilfe bei den Korrekturen, Frau Waltraut Malettke und Frau Cornelia Oepen filr ihren hilfreichen Beistand beim Zusammentragen aller notwendigen Informationen sowie Herrn Prof. Dr. Peter Krüger fiir seine Beratung bei der Konzeption der Festschrift. Ein besonderer Dank gilt zudem Herrn Prof. Dr. Sirnon fiir die Aufnahme der Festschrift in das Programm des Verlags Duncker & Humblot sowie Frau Heike Frank filr ihre Hilfe bei der Gestaltung des Bandes. Marburg, Lorient im Februar 2001
Sven Externbrink Jörg Ulbert
Inhaltsverzeichnis Einleitung Klaus Malettke. Eine Würdigung Von Henning Köhler, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Internationale Beziehungen - Verfassung - Perzeption Von Peter Krüger, Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
I. Internationale Beziehungen als Thema der Geschichte der Frühen Neuzeit Die Fonnationsphase der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen: Christian Gottfried Hoffmanns Entwurf! einer Einleitung zu dem Erkänntniß des gegenwärtigen Zustandes von Europa von 1720 Von Heinz Duchhardt, Mainz . . .......................... ................... . .... L'autre Europe: les "bouts du monde". Les puissances maritimes moderne. Essai d'une typologie
37
a l'epoque
Par Jean Meyer, Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Des princes europeens distingues par le pape: roses d'or, epees et chapeaux benits Par Lucien Bely, Paris . . . . . . . . . . .. . . . . ...... ... . . . . . . . . ... . .. . . ....... . . . . .. . . . . . . 55
II. Frankreich und das Alte Reich: Internationale Beziehungen als geistige Auseinandersetzung a) Grundsatzdebatten über Verfassung, Recht und Staatswissenschaft
Montesquieu im Deutschland des 18. Jahrhunderts: Bemerkungen zur Rezeptionsgeschichte Von Horst Möller, München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Inhaltsverzeichnis
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Naturrecht in der Encyclopedie Von Peter Schröder, Paris!London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
August Ludwigs Schlözers vielseitige Sicht auf Frankreich Von Mactin Peters, Marburg/Bonn .. . .. . . . . .. . .. . .. . . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . .. . . 93
b) Geschichte als Perzeption, Legitimierung von Ansprüchen und politische Belehrung
,,Rubicon de I' Allemagne" und "anciennes limites des Gaules". Eine humanistische Interpretation der französischen Wahrnehmung des Westen des Reiches in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges Von Wolfgang Hans Stein, Koblenz ............................................. 107
Die erste französische Darstellung der deutschen Geschichte. Jean Royer de Prades L'Histoire d'Allemagne (1677) und ihr Beitrag zum französischen Deutschlandbild des Ancien Regime ,Von Jürgen Voss, Paris . . . . .. . .. ........... .. .... . ..... . ..... . . . .. . . .. .... . . .... .. 121
Fleury et l'heritage franc: France, Lorraine et Germanie dans !'Abrege de l'histoire de France ecrit pour Louis XV (1717-1718) Par Chantal Grell, Versailles ............ .. .......... .. ................... .. .. .. .. 135
L'Universite protestante de Strasbourg entre France et Empire de 1681
a1789
Par Bemard Vogler, Strasbourg . .. ..... . ........ . .. . ... . ................. .... . ... 149
DI. Zugehörigkeit als Kategorie europäischer Ordnung: Individuelle Erfahrung internationaler Verflechtung Bemerkungen zu zwei deutschen Juristen im Umfeld des päpstlichen Hofes in Avignon im 14. Jahrhundert: Johannes Henrici (von Seeland) und Wilhelm Horborch Von Knut Schulz, Berlin .. ... . .......... .... ......................... .. .. . ....... 159
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Inhaltsverzeichnis
Le conn~table de Bourbon ou une m~taphysique de 1' action Par Denis Crouzet, Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Elisabeth d'Espagne vu par Brantöme Par Jacques Perronnett .......... ................. .... ...................... .. ... 209 Points de vue sur Skaga (S.J.)
l'unit~
de Ia religion
chr~tienne:
Juste Lipse et Piotr
Par Daniel Tollet, Paris ................................ ........................... 215 Das Selbstporträt eines Diplomaten im 17. Jahrhundert. Giustiniano Priandis Memorandum für Desmarets de Saint-Sorlin aus dem Jahre 1644 Von Sven Extembrink, Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Die Reise LandgrafWilhelms VI. von Hessen-Kassel nach Paris im Jahre 1647 Von Eva Bender, Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Guerre, diplomatie et bienfaisance au XVII" siecle. Mare Otto (1600-1674), archiviste, diplomate et philanthrope, repr~sentant de Ia R~publique de Strasbourg au Congres de Westphalie (1645-1648) Par Georges Livet, Strasbourg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Der Leiter der preußischen Außenpolitik Heinrich Rüdiger von IIgen (16541728) als Informant der französischen Diplomatie. Anwerbung - Bezahlung - Gegenleistung Von Jörg Ulbert, Lorient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
IV. Frankreichs Beziehungen zum Reich und zu den Reichsständen Das Haus Brandenburg und die französische Kaiserkandidatur 1519. Neue Dokumente zur Rolle der Kurfürsten von Brandenburg und Mainz im Kaiserwahlkampf zwischen Habsburg und Frankreich Von Wilhelm Ernst Winterhager, Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299
Inhaltsverzeichnis
6
La France et le Saint Empire Pologne
a l'6poque de l'6lection d'Henri de Valois en
Par Maciej Serwanski, Poznan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Les relations entre la France et le Brandebourg durant la guerre de la Ligue d' Augsbourg Par Jean B6renger, Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Und wo bleibt Europa?- Kategorien politischen Handeins mindermächtiger Reichsstände am Beispiel der Braunschweiger Frankreichpolitik nach dem Westfälischen Frieden Von Meike Hollenbeck, Bremen .. .. .. . . .. .. . . .. . .. . .. .. . . . . .. .. .. .. . . . .. . . .. . .. . 367 Rheinisches Reich und Frankreich im 18. Jahrhundert Von Anton Schindling, Tübingen ...................................... .. ........ 379
V. Europäische Ordnungs· und Machtstrukturen im Wandel Wende des böhmisch-pfälzischen Krieges. Wie Frankreich und England 1620 die Großmachtposition Habsburgs retteten Von Axel Gotthard, Erlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Diplomatie auf Umwegen? Gedanken zu Struktur und Effizienz diplomatischer Beziehungen im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges Von Anja Victorine Hartmann, Mainz .. .. . . . . . . . . .. . . .. . .. . .. . .. . . . . . .. .. . . . . .. . 419 Evangelisches Kirchenlied als Mittel zur Popularisierung des Friedensvertrags von Osnabrück im Sommer 1648 Von Konrad Repgen, Bonn .. .. . .. . .. .. .. .. . . .. .. . .. .. . .. . .. . .. . .. . .. .. .. . .. .. . .. . 431 "Securitas Publica" und "Status Praesens": Das Sekuritätsgutachten von Gottfried Wilhelm Leibniz (1670) Von Kirsten Hauer, Marburg . .. . .. .. . .. . .. .. . . .. . .. . .. .. . .. .. . . .. .. . . . .. .. .. .. .. . 441
Inhaltsverzeichnis
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Frankreich und die Erste Polnische Teilung Von IIja Mieck, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 Die niederländische Patriotenbewegung, die Brabanter Umwälzung und die Revolution in Lüttich. Eine vergleichende Betrachtung Von Klaus Vetter, Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 Das Ende der französischen Herrschaft in Köln 1814. Einige Beobachtungen Von Hans Lemberg, Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . •. . 505
Anhang Schriftenverzeichnis Klaus Malettke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
Tabula Gratulatoria ............ . ... . ........................ . .............. . ....... . . 547
Abkürzungsverzeichnis AAE
Archives du Ministere des Affaires etrangeres, Paris
AMS-AST
Archives du chapitre de Saint Thomas, deposees aux Archives municipales de Strasbourg
Annales E.S.C.
Annales Economies Socil:tes Civilisations
Annales H.S.S.
Annalse Histoire Science sociales
AN
Archives Nationales, Paris
APW
Acta Pacis Westfalicae
BNF
Bibliotheque Nationale de France, Paris
C.P.
Correspondance politique
EHR
English Historical Review
fol.
Folio
HRG
Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte
ibid.
lbidem
Jb WestdtLdg
Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte
LHNSA
Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Landesarchiv Magdeburg, mit Außenstelle Wernigerode
M.D.
Memoires et Documents
Ms
Manuscrit
ND
Nachdruck
o.D.
ohne Datum
o.O.
ohne Ort
QFIAB
Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken
r
Recto
RH
Revue Historique
RTNJR
Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe
Suppl.
Supplement
üb.
Übersetzt
10
Abkürzungsverzeichnis
V
Verso
ZHF
Zeitschrift filr Historische Forschung
ZRGKA
Zeitschrift der Savigny-Stiftung filr Rechtsgschichte, Kanonistische Abteilung
Einleitung
Klaus Malettke - eine Würdigung Von Henning Köhler, Berlin Klaus Malettke gehört zu einer Generation, die ihren Weg allein finden mußte - im Leben wie in der Wissenschaft. Generation ist hier in dem Sinne zu verstehen, wie Egon Bahr ihn - in einem ganz anderen Zusammenhang, aber dennoch zutreffend - definiert hat: "In einem Abstand von zehn Jahren folgen bei uns Generationen mit völlig unterschiedlichen Erlebnissen und Erinnerungen"1 . Es ist eine vaterlose Generation gewesen, zu der Malettke gehörte. Die prägenden Vorbilder fehlten. Es galt, selbst etwas aus sich zu machen, mit all den damit verbundenen Risiken. Klaus Malettke hatte das Glück, schon als Gymnasiast das Thema seines Lebens gefunden zu haben, dem er seitdem treu blieb - Frankreich. Dabei wird jeder, der ihn kennt, zugeben, daß er von seiner Lebensart und allgemeinem Verhalten her nicht den Vorstellungen entspricht, die man gemeinhin mit Frankophilie verbindet. Als Sohn eines ostpreußischen Vaters und einer westfiilischen Mutter zeichnet ihn große, manchmal übergroße Korrektheit und Solidität aus. Die Leichtigkeit und Eleganz, mit der man in Frankreich manche Dinge zu erledigen pflegt, ist ihm fremd, aber man kann nicht sagen, daß sie ihm zuwider sei, denn eine gewisse Bewunderung fiir die Erledigung von Angelegenheiten, die ihm selbst so nicht möglich ist, scheint bei ihm durchaus vorhanden. Wahrscheinlich gibt sein Temperament, seine Fähigkeit zur schnellen Reaktion, die Präsenz eines weitgespannten exakten Wissens den besten Hinweis darauf, daß hier doch eine geistige Nähe vorhanden ist. Schon während der Schulzeit konnte er Frankreich kennen- und liebenlemen, als er, als Ergebnis einer intensiv gefiihrten Brieffreundschaft, zum Aufenthalt nach Nancy eingeladen wurde. Das Studium der Geschichte und Romanistik fiihrte ihn nach Frankreich, zuerst nach Dijon, dann nach Paris zum Studium an der Sorbonne. Er wohnte in der Cite Universitaire, in der damaligen Maisan d'Allemagne, der späteren Fondation Heinrich Heine. Er suchte sich dort seine Freunde unter den französischen Studenten, um wirklich Land und Leute kennenzulemen, statt dem typischen Drang deutscher Studenten zu folgen und in der homogenen, in diesem Fall also deutschen Gruppe Schutz und Geborgenheit zu suchen. Um den Bezug zu Frankreich in biographischer 1
Egon Bahr, Zu meiner Zeit, München 1996, S. 188.
2 FS Malettke
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Hinsicht abzurunden: Auch seine Frau lernte er in Paris kennen, die geduldig das nicht immer leichte Leben an der Seite eines so dynamischen Forschers teilte. Da ihre Mutter aus einer alten elsässischen Familie stammt, erschloß sich ihm damit zugleich ein besonderer Aspekt der deutsch-französischen Beziehungen. Das Studium an der Sorbonne war sehr erfolgreich. Pierre Renouvin, der Doyen, der allseits respektierte Sprecher der französischen Historiker, nahm ihn in sein Seminar auf. Renouvin hatte wie einige andere Historiker diesseits und jenseits des Rheins am Ersten Weltkrieg teilgenommen und hatte ihn schwer verwundet überlebt. Es blieb ftlr sein ganzes Leben das beherrschende Thema seiner historischen Forschung. Darüber hinaus entdeckte und förderte er, gerade auch im Blick auf den wissenschaftlichen Nachwuchs, einen historischen Schwerpunkt, die Zeitungsforschung, also die systematische Auswertung von Zeitungen und Zeitschriften als historische Quellen. Für diese Fragestellung war Paris ein einzigartig günstiger Platz. Die Stadt war seit dem 19. Jahrhundert bis zum Ende der III. Republik ein Paradies der Zeitungsleser mit einer Unzahl von Zeitungen gewesen, die die Stünne der Zeit in der Bibliotheque Nationale ohne Schaden überstanden hatten. Denn selbst Ansätze zur Zeitgeschichte im Sinne der Definition von Hans Rothfels gab es damals in Frankreich noch nicht. Die Aktenbestände waren entweder gesperrt oder mußten als Folge der Kriegsereignisse noch restauriert werden. So waren die Zeitungen die einzigen Quellen, die ohne Beschränkungen benutzt und ausgewertet werden konnten. Vor diesem Hintergrund war es naheliegend, daß Klaus Malettke sich diese damals in Blüte stehende Forschungsrichtung fiir seine Dissertation auswählte. Den insgesamt fast zweijährigen Aufenthalt in Paris nutzte er zum intensiven Studium der Zeitungen und - soweit zugänglich - auch der Archive. Pierre Renouvin erwies sich auch hier als besonders hilfreich. Er sorgte dafiir, daß der begabte und hochmotivierte deutsche Student ein Stipendium erhielt, aber - mehr noch - er öffnete ihm den Zugang zum Archiv des Quai d'Orsay und den Archives Nationales. Klaus Malettke hatte sich ein ehrgeiziges, weitgestecktes Ziel gesetzt, wollte er doch den gesamten Zeitraum von 1862, der Ernennung Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten, bis zur Reichsgründung im Spiegel der Pariser Presse darstellen und so das Urteil über Bismarck ebenso herausarbeiten wie die Einstellung der meinungsbildenden Presseorgane zur deutschen Einigung beleuchten. Klaus Malettke ging mit unglaublicher Energie und dem festen Willen an die Arbeit, aus den Zeitungsmassen das Wesentliche herauszufiltern und zur Darstellung zu bringen. Die quantitative Erfassung sollte die Voraussetzung ftlr die Analyse der sich wandelnden Einstellungen der Presse geben. Ein solches Vorhaben aber sprengte, wie sich bald herausstellen sollte, den zeitlichen Rahmen fiir eine Dissertation. Daher behandelte Klaus Malettke den Zeitraum
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von 1862 bis zum preußisch-österreichischen Krieg von 1866. Es gelang ihm, die unterschiedlichen politischen Einstellungen der Zeitungen ebenso herauszuarbeiten wie die Reaktionen auf die preußische Innenpolitik und natürlich in besonderem Maße auf die Außenpolitik, die ein verwirrendes Bild bot: Da war einmal die Vertretung französischer Interessen, zudem inspiriert von der Regierung, dann die Beurteilung der Politik Preußens und Österreichs und nicht zuletzt deren Rückwirkung auf die Beziehungen zu Italien. Gleichsam als Leitmotiv fiihrt durch die Arbeit das Urteil der Presse über Bismarck. Es war durchaus differenziert und keineswegs einseitig und unterlag vielen Schwankungen. Aber im Laufe der Jahre förderte die Beobachtung Bismarcks die Erkenntnis, daß der preußische Ministerpräsident eine politische Strategie verfolgte, die sich der Presse meist erst im Nachhinein erschloß, was die Kritik an dem "rücksichtslosen Machtpolitiker" nur verschärfen konnte. Die Mischung von scharfer Kritik und mitunter gezeigter widerwilliger Bewunderung verfiihrte Klaus Malettke zu dem Schlußsatz - und Schlußsätze in Dissertationen sind oft sehr aufschlußreich: "Man konnte seit 1864 aus dem Verhalten einzelner Pariser Zeitungen gegenüber der Politik des preußischen Staatsmannes den Eindruck gewinnen, daß man Bismarck bewundert und geehrt hätte, wenn er ein Franzose gewesen wäre"2.
Die Dissertation wurde der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität zu Marburg eingereicht, die Drucklegung erfolgte zwei Jahre später. Die Rezensionen waren überwiegend positiv; nur ein Berliner Historiker vermißte in einer überzogenen Kritik das, was jeder gern aus pressegeschichtlichen Arbeiten lernen würde und was er selbst in seiner eigenen pressegeschichtlichen Dissertation auch nicht geleistet hatte. Gilbert Ziebura vermißte die Analyse der "sozialen Basis" der Pariser Presse und bemängelte den Verzicht auf "quantifizierende Methoden"3 - Wunschvorstellungen, die heute ein Meinungsforschungsinstitut mit viel Geld fiir die zeitgenössische Presse liefern könnte, was aber fiir die Presse des 19. Jahrhunderts unmöglich zu leisten ist. Nicht zuletzt auf Grund der in der Quellenbasis liegenden Begrenzungen hat die historische Presseforschung - vielleicht etwas zu stark - in der Zwischenzeit an Interesse verloren. Für den frisch Promovierten erschlossen sich jedenfalls neue Perspektiven. In den sechziger Jahren gewann die Geschichte der Frühen Neuzeit ein eigenes Profil. Angesichts der Unmöglichkeit, das ganze Gebiet der Neuzeit noch überblicken zu können und verstärkt durch die Notwendigkeit, durch Errichtung neuer Lehrstühle der Studentenflut Herr zu werden, wurde die Frühe Neuzeit zu einem eigenen Schwerpunkt, dessen Ausbau freilich in der Anfangszeit unter dem Mangel qualifizierter Fachvertreter litt und nur langsam vorankam. 2 Klaus Malettke, Die Beurteilung der Außen- und Innenpolitik Bismarcks von 1862-1866 in den großen Pariser Zeitungen, Lübeck/Hamburg 1966, S. 232. 3 Jahrbuch fiir die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 17 (1968), S. 379-380.
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Als es galt, nach der Promotion ein neues großes Thema fiir die Habilitation auszuwählen und die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit auf einem anderen Feld unter Beweis zu stellen, hatte Klaus Malettke in dieser Hinsicht keinerlei Schwierigkeiten. Vielleicht hatte die überzogene Kritik Zieburas ihn davor bewahrt, deutsch-französische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert weiter zu erforschen. Das wäre mit Sicherheit eine Sackgasse gewesen, denn die französische und deutsche Geschichte sind seit dem Aufkommen des Nationalismus konträr verlaufen, so daß derartige Forschungen nur die Gegensätze aufzeigen. Zugleich bedeutet es, daß die Rezeption der Forschungsergebnisse auf der anderen Seite durchaus zu wünschen übrig läßt. Klaus Malettke faßte den Entschluß, sich schwerpunktmäßig mit der französischen Geschichte der Frühen Neuzeit zu beschäftigen, und er hatte ein Thema gefunden, das sich als großer Wurf herausstellen sollte. Er hatte inzwischen zu dem renommierten Historiker Roland Mousnier Kontakt aufgenommen. Im wissenschaftlichen Austausch mit dem souveränen Kenner des Ancien Regime nahm sein Habilitationsthema Gestalt an: die Opposition gegen Ludwig XIV. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde er wissenschaftlicher Assistent bei Fritz Dickmann, einem Seiteneinsteiger, der es geschafft hatte, neben seiner Tätigkeit als Oberstudiendirektor mit einer bahnbrechenden Arbeit über den Westfälischen Frieden sich in Marburg zu habilitieren. Diese wissenschaftlich imponierende Leistung brachte ihm den Ruf auf den Lehrstuhl von Carl Hirnichs am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin ein, den nach dem frühen Tod von Hirnichs Stephan Skaiweit wenige Jahre innegehabt hatte. Das war übrigens der erste Lehrstuhl, der schon 1954 ausschließlich fiir das Fach Frühe Neuzeit geschaffen worden war. Für Klaus Malettke hatte die Zusammenarbeit mit Dickmann große Bedeutung. Er schätzte außerordentlich die menschlich noble Art seines Professors, der keine Ordinarienallüren hatte, aber darüber hinaus auch seine fachliche Kompetenz, die filr ihn wichtig wurde. Obwohl kein Spezialist auf dem Gebiet der französischen Geschichte, verfugte er doch durch seine Forschungen zum Westfälischen Frieden über ein sicheres Urteil hinsichtlich der Stellung Frankreichs und seiner Außenpolitik. Daher traf Klaus Malettke die Nachricht von seinem plötzlichen Tod im August 1969 außerordentlich schwer. Der Verlust dieses Mannes, auf den er sich stets verlassen konnte und der ihm so etwas wie eine Stütze war, war nicht leicht zu verkraften. Negative Folgen fiir die Habilitation ergaben sich daraus freilich nicht. Denn die Qualität seiner Habilitationsleistungen und vor allem die durch das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Professoren und Mittelbau des Friedrich-Meineckelnstituts erhalten gebliebene Stabilität des Fachbereiches garantierten ein Verfahren, das die wissenschaftlichen Standards hochhielt und nicht dem Zeitgeist Konzessionen machte.
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Die Habilitationsschrift trug den Titel Opposition und Konspiration unter Ludwig XIV. 4 • Damit deutete sich bereits eine Überraschung an, denn das Bild des Sonnenkönigs war zwar von der neueren Forschung schon dahingehend korrigiert worden, daß dieser Herrscher nicht mehr als so exemplarisch absolutistisch verstanden wurde wie in früherer Zeit, aber dennoch war bisher niemand auf die Idee gekommen, Derartiges schon für die erste Hälfte seiner Regierungszeit anzunehmen. Man wußte zwar allgemein, daß es seit den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts Äußerungen und Bestrebungen kritischer Art gegeben hatte. Nun aber stellte Klaus Malettke die These auf, daß in den ersten Jahrzehnten seiner Herrschaft, also in der Blütezeit des persönlichen Regiments gerade das, was man bisher für diesen Zeitraum ausgeschlossen hatte, nämlich Opposition und Konspiration, doch existiert hatten. Der Nachweis wurde auf drei Ebenen geführt. Zuerst behandelte er eine Fülle von zeitgenössischen Traktaten, die sich mit der Theorie und Praxis des Absolutismus kritisch auseinandersetzten und teilweise sogar ein Widerstandsrecht bejahten. Auf die Darlegung dieser, zwar nicht zahlreichen, aber doch ins Gewicht gefallenen kritischen Schriften folgte die minutiöse Darlegung von Adelsverschwörungen in verschiedenen Teilen von Frankreich. Von ihnen ist das Unternehmen des Chevaliers de Rohan am besten dokumentiert, zugleich auch von der Anlage und der möglichen Bedeutung des Unternehmens und dem beteiligten Personenkreis am interessantesten. Durch minutiöse Forschungen, das Durcharbeiten großer disparater Sammlungen wie den Melanges Colbert und dem Fonds Fram;ais in der Bibliotheque Nationale, in verschiedenen anderen Archiven und vor allem auch mit der Durchsicht der umfangreichen Correspondance de Louvois im damaligen Kriegsarchiv in Vincennes wurde eine solide Quellengrundlage geschaffen. Es war ein "ocean de pieces non inventoriees"5, wie ein Rezensent bewundernd feststellte. Hierbei wurde ein bis dahin nur oberflächlich bekannter Sachverhalt gründlich aus den Quellen dargestellt. Bei den Verschwörungen handelte es sich um ständische Unternehmungen von zumeist hugenottischen Adligen, die gegen den Absolutismus von Ludwig XIV. gerichtet, die Wiedereinsetzung der Stände in ihre Rechte forderten und letztlich auf eine Republik ständischen Charakters hinausliefen. Was diesen Plänen zusätzliche Bedeutung verlieh, war die Tatsache, daß die Verschwörer Verbindungen zum Königreich Spanien und den Niederlanden aufnahmen, mit denen Frankreich sich damals im Krieg befand. In den Archiven in Belgien, Holland und Spanien konnten diese Kontakte und Verhandlungen einwandfrei . nachgewiesen werden. Die Verschwörungen bedeuteten freilich keine Gefahr für die Monarchie, da die damals schon sehr effektive Überwachung die 4 Klaus Malettke, Opposition und Konspiration unter Ludwig XIV. Studien zu Kritik und Widerstand gegen System und Politik des französischen Königs während der ersten Hälfte seiner persönlichen Regierung (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts fiir Geschichte 49), Göttingen 1976. 5 Rene Pillorget, in: Francia 7 (1979), S. 763 .
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Regierung in Stand setzte, rasch zuzugreifen, die vier Hauptverschwörer vor ein Sondergericht zu stellen und sie unverzüglich ohne viel Authebens 1674 hinzurichten. Es war also mit der Habilitationsschrift gelungen, nicht nur oppositionelle Einstellungen und Widerstandsaktivitäten gegen das absolute Königtum fiir einen bestimmten Zeitraum aufzudecken, sondern Klaus Malettke konnte auch wahrscheinlich machen, daß in diesen Unternehmungen eine Kontinuität zu der Zeit der Fronde existierte. Zugleich wurde eine Verbindung zu den kritischen Bestrebungen um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert glaubhaft. Damit wurde auch der Nachweis fiir das Weiterleben ständischer Traditionen gefiihrt. Die Rezeption des Werkes war überwiegend positiv. Die Annales sahen darin zwar den falschen Ansatz, weil zuviel Adelsgeschichte betrieben und nicht die soziale Krise dieser Jahre thematisiert wurde, aber das war nicht anders zu erwarten6 . Die Revue Historique allerdings nahm von dem Werk keine Notizwohl aus einer Haltung heraus, die in souveräner Beschränkung nur das ihr wesentlich Erscheinende zur Kenntnis nehmen wollte. Wenige Jahre nach Veröffentlichung der Habilitationsschrift erschien in der bekannten Göttinger Reihe eine knappe, aber konzentrierte Biographie über Colbert7 , den wichtigsten Minister Ludwigs XIV., der durch sein Finanz- und Steuersystem, genauer dessen Reform und Leistungssteigerung, den absolutistischen Regierungsstil seines Herrschers erst ermöglicht hatte. Standen zuvor im Zentrum seiner Forschungen die Außenseiter, die Kritiker und Rebellen, so richtete er nun sein Augenmerk nicht auf den Theoretiker, sondern den Praktiker Colbert, der die Finanzen in Ordnung brachte und unablässig bemüht war, auf wirtschaftspolitischem Gebiet neue Wirkungsmöglichkeiten zu erschließen. Deshalb schritt er etwa zur Gründung der "Compagnie des Indes Orientales", um dem Staat neue Einnahmen zu erschließen. Das Unternehmen scheiterte jedoch - anders als im wagemutigeren England - an der Vorsicht der Pariser Bourgeoisie, die ihr Geld lieber in sicheren Immobilien anlegte. Aber auch die Härte des Kampfes um die Macht, die einen skrupellosen Colbert zeigt, dessen Charakter keine Ähnlichkeit mit dem Ebenmaß seines Schlosses in Sceaux aufwies, wurde nicht verdeckt. Nach seiner Habilitation setzte Klaus Malettke seine Forschungen im internationalen Rahmen fort. Die damals bestehenden üppigen finanziellen Möglichkeiten ausnutzend, organisierte er einen "Forschungsprojektschwerpunkt" - wie die Geld bringende Organisationsform damals hieß - über Amterkäujlichkeit im 17. und 18. Jahrhundert und veranstaltete eine Tagung mit prominenter internationaler Besetzung, die dieses von der deutschen Geschichtswissenschaft Annales E.S.C. 34 (1979), S. 800-802. Klaus Malettke, Jean-Baptiste Colbert. Aufstieg im Dienste des Königs (Persönlichkeit und Geschichte 99/100), Göttingen/Zürich/Frankfurt/M. 1977. 6
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weitgehend unberücksichtigte Phänomen und die dadurch ermöglichte soziale Mobilität zum ersten Mal umsichtig darstellte und zugleich den Vergleich suchte, bevor dieser mit dem modischen Begriff der Komparatistik inflationiert wurde 8 . Ein gemeinsam mit Jürgen Voss 1987 veranstaltetes deutsch-französisches Colloquium über Humanismus und höfisch-ständische Eliten im 16. Jahrhundert stellte in gewisser Weise eine Fortsetzung oder Nachklang zum Projekt der Ämterkäuflichkeit dar. Der Tagungsband fand ein so positives Echo, daß schon ein Jahr danach eine Neuauflage erforderlich wurde9 . In der Beschaffung von Drittmitteln zeigte Klaus Malettke überhaupt erstaunliche Erfolge, die aber nur dadurch möglich waren, daß er die zu fördernden Projekte auch erfolgreich abschloß, was ja nicht immer der Fall ist. Nur vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß er das große Projekt der Edition der Richelieu-Papiere Anfang der neunziger Jahre, die von der Kommission der Monumenta Europae Historica betreut wird, in Angriff nehmen konnte. Unter seiner Leitung wurde die Edition der Korrespondenzen mit dem Kaiser und den Kurfilrsten fortgeführt und neue Quellenkomplexe erschlossen. Mit diesen Projekten haben wir jedoch vorgegriffen. Im Jahre 1980 erhielt er den Ruf an die Universität Marburg als Nachfolger Gerhard Oestreichs, der ebenfalls aus Berlin gekommen war und mit seinen Studien über Lipsius einen neuen Forschungsansatz zur Staatstheorie im Deutschland der frühen Neuzeit entwickelt hatte. In Marburg und von Marburg aus entwickelte Klaus Malettke intensive Forschungsaktivitäten in verschiedene Richtungen. Natürlich blieb die Geschichte Frankreichs sein Hauptbetätigungsfeld, was auch die institutionalisierte Zusammenarbeit mit der Sorbonne untermauerte. Daneben veröffentlichte er Beiträge zur Geschichte des Alten Reiches, zur Entwicklung der Burschenschaft, zu Preußen und auch zur Geschichte Hessens, denn als echter Historiker konnte Klaus Malettke nicht die Region übersehen, die ihm seit zwei Jahrzehnten zur Heimat geworden ist. Nur einige Felder seines Forschens können hier vorgestellt werden. Da sind immer wieder Ansätze zur Beschäftigung mit Ludwig XIV., die dann 1994 zur Veröffentlichung einer Biographie fiihrte, die auf verschiedenen Vorarbeiten beruhte und wirtschaftliche, finanzpolitische und soziale Aspekte stärker berücksichtigte, als dies gemeinhin der Fall ist 10 . Ein weiteres, immer wieder auf8 Klaus Malettke (Hg.), Ämterkäuflichkeit Aspekte sozialer Mobilität im europäischen Vergleich (17. und 18. Jahrhundert) (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 32}, Berlin 1980. 9 Klaus Malettke/Jürgen Voss (Hg.), Humanismus und höfisch-städtische Eliten im 16. Jahrhundert (Pariser Historische Studien 27), Bonn 2 1990. 1 Klaus Malettke, Ludwig XIV. von Frankreich (1643-1715). Leben, Politik und Leistung (Persönlichkeit und Geschichte 142/143/ 144), Göttingen/Zürich 1994.
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gegriffenes Thema war das Reich des 17. und 18. Jahrhunderts und die Vorstellungen, die darüber in Frankreich im Schwange waren, vor allem aber die Herausarbeitung der präzisen Kenntnisse, die französische Juristen von der Reichsverfassung besaßen, wie sie etwa in erstaunlicher Genauigkeit bei Theodore Godefroy nachgewiesen werden. Schließlich darf angesichts des preußischen Hintergrundes Malettkes in dieser Würdigung das Eingehen auf das alte Preußen, auf die preußisch-französischen Beziehungen unter Friedrich Wilhelm I. und deren "genauere Liaison" nicht fehlen. Hier ist zugleich der relativ selten gewordene Fall zu verzeichnen, daß ein etablierter Professor noch einmal ins Archiv zurückkehrt und aus den Akten des Quai d'Orsay heraus die preußisch-französischen Beziehungen, die weitaus intensiver waren als bis dahin angenommen, herausgearbeitet und nachgewiesen hat, wie aufmerksam der französische Hof den Aufstieg dieses seltsamen Staates zu einem eigenständigen Machtfaktor im europäischen Staatensystem verfolgt hat. In seinem Beitrag über Frankreich und Friedrich den Großen gelang ihm ein spannungsreiches Portrait, das von den gegensätzlichen Perzeptionen des "roi philosophe" und des "roi conquerant" bestimmt ist, was jedoch kein Hinderungsgrund war, daß Friedrich sich in Frankreich einer beachtlichen Popularität erfreute 11 . Den 65. Geburtstag zum Anlaß zu nehmen, um eine wissenschaftliche Bilanz zu ziehen, ist im Falle Malettkes fehl am Platze. Denn von ihm ist noch einiges zu erwarten - in naher wie in ferner Zukunft. Denn was in den Jahren zuvor in Einzelstudien herausgearbeitet wurde, wird nun in großen Werken zusammengefaßt, die in Vorbereitung und sogar bis zur Drucklegung gediehen sind. Dazu gehört das große Werk über die deutsch-französische Geschichte im 17. Jahrhundert, das bei Honore Champion erscheinen wird, ebenso wie der dritte Band des Handbuches der Geschichte der internationalen Beziehungen. So kann Klaus Malettke seinen 65 Geburtstag in dem befriedigenden Bewußtsein feiern, nicht nur als Hochschullehrer seine Pflichten in Lehre und akademischer Selbstverwaltung mit Geschick und Energie erfiillt zu haben, sondern er kann auch auf eine bemerkenswert intensive Forschungstätigkeit zurückblicken, die ihn in Deutschland als besten Kenner Frankreichs in der frühen Neuzeit ausweist. Diese Tatsache hat nicht zuletzt in der Ehrenpromotion an der Sorbonne ihren adäquaten Ausdruck gefunden.
11 Beide Beiträge abgedruckt in: Klaus Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge zum Einfluß französischer politischer Theorie, Verfassung und Außenpolitik in der Frühen Neuzeit (Marburger Studien zur Neueren Geschichte 4), Marburg 1994, S. 332-361 und 362-372.
Internationale Beziehungen - Verfassung - Perzeption Von Peter Krüger, Marburg Eine nähere Betrachtung der Schriften Klaus Malettkes erschließt zwei sachliche - Frankreich und das Alte Reich im europäischen Zusammenhang - und drei systematisch-konzeptionelle Schwerpunkte: Internationale Beziehungen Verfassung - Perzeption. Dabei umfassen in seiner Sicht internationale Beziehungen über das viel:taltige, komplizierte Verhältnis zwischen Frankreich und dem Reich hinaus die Untersuchung der Anflinge internationaler Politik und Systemstrukturen, vor allem im 17. Jahrhundert unter den Erfordernissen des Ausbaus von Staat und Herrschaft samt den ihm entgegenwirkenden Kräften und Rechtsverhältnissen. Verfassung bedeutet daher in weitem Verständnis die Entfaltung von inneren Ordnungsstrukturen und Funktionsmechanismen, von Herrschaft und Regierung bis in konkrete Verwaltungsfragen, aber auch ihr mehr oder weniger großes Potential an Intensivierungs- und Veränderungsvermögen. Perzeption schließlich meint die - meist wechselseitige Wahrnehmung von Individuen, Gruppen, Staaten, Institutionen jeder Art und jeden Umfangs. Aus internationalen Beziehungen, Verfassung und Perzeption als einem auch ihre Wechselwirkungen erfassenden Forschungsgegenstand entstanden die Grundgedanken und Leitlinien dieser Festschrift. Sie kann zwar die übliche breite Streuung der Themen nicht leugnen, ein Zustand, der sich nur durch rigorose, den Kreis der Beiträger beträchtlich einengende thematische Konzentration und Vorgaben hätte vermeiden lassen. Das war nicht beabsichtigt. Aber es wurden doch Schwerpunkte gesetzt, die mit Hilfe einer systematischen, obgleich breit geflicherten Gliederung Übersicht und Einordnungen erlauben und von den vielfaltigen historischen Strukturen her begründete Differenzierungen erschließen. Infolgedessen wird in dieser Einleitung durchaus konsequent und unvermeidbar nur ein, aufs Ganze gesehen allerdings wesentlicher, Aspekt der Beiträge hervorgehoben. Es handelt sich also in diesen knappen einfUhrenden Bemerkungen keinesfalls darum, den Beiträgen in der ganzen Breite ihrer Bezugnahmen gerecht zu werden.
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I. Ausgangspunkte Internationale Beziehungen, Verfassung und Perzeption: jeder dieser Begriffe enthält in sich ein weitgespanntes Forschungsprogamm, und wenigstens Facetten davon, einzelne Problemfelder und Beispiele sollen in diesem Band vorgestellt werden. Doch es geht um mehr, um Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen internationalen Beziehungen, Verfassung und Perzeption. Deswegen zunächst ein kurzer Blick auf das Verständnis dieser drei Begriffe und der bewegenden Kräfte, die darin zum Ausdruck kommen. Der Begriff "internationale Beziehungen" ist mit Bedacht in seiner sich öffnenden Breite gewählt worden, bedarf aber gerade deswegen gewisser Abgrenzungen. Die eigentliche Herausforderung kommt in den Abgrenzungen nur implizit zum Ausdruck, nämlich die Frage nach der relativen Eigenständigkeit einer geschichtswissenschaftliehen Teildisziplin im Bereich der auswärtigen Beziehungen und Politik. Daher sei dies der Ausgangspunkt. Zugespitzt geht es um die Frage, ob es sich nur noch um eine Verlängerung oder Erweiterung von Sozial-, Mentalitäts-, Kulturgeschichte etc. in die transnationale oder internationale Dimension handelt. Dann aber liegt der Schwerpunkt bei diesen Disziplinen, und es gibt daneben keine Eigenständigkeit einer "internationalen" Disziplin. Man könnte demgegenüber an die verknüpfende, die verschiedenen eben angedeuteten Bereiche korrelierende oder gar integrierende Funktion der Geschichte der internationalen Beziehungen denken. Dadurch verlagert sich das Problem nur; denn es wäre angesichts der infolgedessen drohenden Beliebigkeit von Verknüpfungen trotzdem, über eine solche Funktion hinaus und zu ihrer Orientierung, ein eigener wissenschaftlicher Schwerpunkt erforderlich. Ihn könnte vor allem die Geschichte der internationalen Politik bilden. Sie bietet einen Gegenpol und vermag mit wissenschaftlichen Gründen eine gewisse fachliche Eigenständigkeit zu beanspruchen und die Beiträge anderer Disziplinen, soweit angebracht, in sich aufzunehmen. Auf Grund dessen könnte man auch zu einer abgestuften Begrifflichkeit gelangen: Geschichte der internationalen Politik (also internationale politische Regelungen aller Art unter Einbeziehung der ihnen zugrunde liegenden Perzeptionen, Strukturen und Prozesse und aller Kräfte, die darauf einwirken), Geschichte der internationalen Beziehungen (eine Erweiterung internationaler Politik um alle Formen transnationaler und internationaler Kontakte über die politische und Regierungsebene hinaus) und internationale Geschichte (die auch über die Beziehungen hinausgehend alle Sachverhalte auf internationalem Gebiet umfaßt, vom Regierungshandeln über völkerrechtliche Fragen, transnationale Institutionen, Verflechtungen und Wechselwirkungen von Wirtschaft und Verkehr, über Wissenschaft, Literatur, bildende Kunst, Musik und Theater bis zu bestimmten Formen von Bildung, Ausbildung und Migrationen).
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Internationale Beziehungen befassen sich also mit grenzüberschreitenden Verhältnissen unterschiedlicher Art, jedoch unter dem leitenden Gesichtspunkt geschichtswissenschaftlicher Untersuchung der Politik und der auf sie einwirkenden Kräfte. Sie sind in der Frühen Neuzeit insbesondere auch Ausdruck von Machtbildung und Machtstabilisierung als Bedingung des sich in langwierigen Prozessen entwickelnden souveränen Staates und, damit untrennbar verbunden, zugleich Ausdruck des daraufhin unumgänglich werdenden Staatensystems, des Ringens um neue, der Souveränität, Gleichberechtigung und einigermaßen ausgewogenen Machtverteilung adäquate zwischenstaatliche Ordnungsstrukturen, in verstärktem Maße seit der Mitte des 17. 1ahrhunderts. Aufbau des modernen Staates und Entstehung des modernen Staatensystems sind dementsprechend zwei Seiten einer Medaille. Machtbildung bedeutete daher auch, dem Staat mit wachsender Intensität, systematischer Erfassung und Konzentrierung alle vorhandenen oder erreichbaren Ressourcen für die auswärtige Politik tatsächlich verfügbar zu machen. Um so klarer tritt angesichts dieses gewaltigen, fundamentalen Umgestaltungsprozesses europäischer Staatlichkeit das Sperrige, Andersartige von in diesem Sinne vormodernen Ordnungsstrukturen zutage, wie sie das Reich als Verbund einer vielgliederigen und vielgestaltigen, hierarchisch aufgebauten Rechts-, Schutz-, Friedens- und Gemeinwohlordnung im wahren Sinne des Wortes verkörperte. In Anbetracht dieser Entwicklungen war es nur folgerichtig, wenn allmählich auch an den Universitäten Geschichte und Ausgestaltung von Staatensystem sowie internationaler Politik als eigenständige, auch die Ressourcen als meßbare Größe staatlichen Machtpotentials statistisch erfassende Disziplin etabliert wurde, wie sie vor allem der Göttinger Historiker Amold Heeren, die Entwicklung am Ende der Frühen Neuzeit zusammenfassend, vertrat 1• Nun zur Verfassung: Verfassungsgeschichtliche Gesichtspunkte in der Analyse internationaler Beziehungen vermögen eine in sich schlüssige Verknüpfung, ein Bindeglied zwischen innerer Entwicklung und auswärtiger Politik herzustellen, und zwar nicht nur im geradezu klassischen Sinne der für außenpolitische Kraftanstrengungen, vor allem auf militärischem Gebiet, erforderlichen Organisation des Staates. Das gilt sowohl für Strukturfragen beider Bereiche als auch für die vertiefte Erklärung bestimmter Situationen und Ereignisse. Für die Behandlung innerer wie auswärtiger Angelegenheiten bietet die Verfassung wesentliche strukturelle Voraussetzungen, ebenso wie umgekehrt die unaufhebbare Spannung zwischen Kontinuität und Wandel in den laufenden Geschäften und demzufolge das Erfordernis rechtzeitiger Anpassung und damit des Wandels, da unentbehrlich für die Stabilität von Herrschaft und Regierung, auf die Verfassung zurückwirkt. Außerdem aber ist die Verfassung oder 1 Arnold Herrmann Ludwig Heeren, Handbuch der Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Colonien, in: Ders., Historische Werke, Bde. 8 u. 9, Göttingen 4 1822.
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genauer die Verfassungswirklichkeit von erheblichem Erklärungswert fiir die Rahmenbedingungen konkreter Entscheidungsprozesse und Verhaltensweisen in der Außenpolitik. Dabei liegt eine besondere Variante dieses Verhältnisses, die zugleich auf das Gebiet der Perzeption übergreift, in den französischen Beziehungen zum Reich: Sie spielen - und das schlägt sich in vielen Beiträgen dieses Bandes nieder - auch deshalb eine bemerkenswerte historische Rolle, weil die möglichst präzise Kenntnis und Beurteilung der komplizierten Verfassungsstrukturen des Reiches ausschlaggebend war fiir die Erweiterung des französische Einflusses dort. Überhaupt läßt sich die möglichst zutreffende Beurteilung anderer Länder zur zweckdienlichen Ausrichtung der eigenen Politik vornehmlich über die tatsächliche Verfassungsstruktur gewinnen. Deren Konkretisierung in Regierung und Verwaltung ist dabei ebenso aufschlußreich wie die Beachtung gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen. Zum Nutzen historischer Untersuchung, vor allem der Geschichte der internationalen Beziehungen, setzt dies alles einen möglichst weit gefaßten Begriff von Verfassung und Verfassungsgeschichte2 voraus, und zwar im Sinne politisch-rechtlicher Ordnung fiir Staat und Gesellschaft und deren Institutionen. Zur Erhellung auch der Hintergründe von Außenpolitik und internationalen Beziehungen ist Verfassungsgeschichte dann in der Lage, mehr zu leisten als die Sozial- oder Kulturgeschichte je fiir sich, auf deren Ergebnisse, soweit sie politisch relevant sind, sie selbstverständlich nicht verzichten kann. Verfassung, so verstanden, reguliert politische und gesellschaftliche Funktionsmechanismen und Handlungsspielräume, Entscheidungsprozesse und Aktionsformen. Verfassungsgeschichte vermag daher nicht nur "Funktionsweise und Träger internationaler Politik in der Frühen Neuzeit" 3 zu umfassen, sondern stellt eine Brücke zwischen internationalen Beziehungen, Außenpolitik und innerer politischer sowie gesellschaftlicher Entwicklung her, und es gibt ja auch eine Verknüpfung mit der Erforschung von Bewußtseinsbildung und Perzeption über den sie prägenden Einfluß von Verfassungswirklichkeit und innerer Ordnung. Perzeption, aufschlußreich fiir Selbst- und Fremdwahrnehmung, die Wahrnehmung anderer Länder, ihrer Verfassung und Außenpolitik, Europas und der europäischen Machtverhältnisse, der Dynastien, Erbfolgeprobleme und der Reputation starken und guten Regiments in der Frühen Neuzeit - die Perzeption also verweist auf die allgemeinen kulturellen Prägungen, auf Denktraditionen, Lebensordnung, Recht und politisches Bewußtsein. 2 "Verfassungsgeschichte ist die Geschichte der rechtlichen Regeln und Strukturen, die das Gemeinwesen und damit die politische Ordnung prägen". Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, München 2 1992, S. VII. 3 Dies der Titel eines beachtenswerten Aufsatzes von Holger Th. Gräf, Funktionsweisen und Träger internationaler Politik in der Frühen Neuzeit, in: Jens Spiegelberg/Klaus Schlichte (Hg.), Strukturwandel nationaler Beziehungen, Wiesbaden 2000, S. 105-123.
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Für die Geschichte der internationalen Beziehungen ist darüber hinaus die vergleichende zeitgenössische Wahrnehmung etwa zwischen eigenem und fremdem Staat oder fremder Staaten untereinander von Interesse - von ihrer Verfassung, geistigen Grundlagen und Kultur, ihren Ressourcen und Aussichten bis zu den konkreten Intentionen der Herrscher und Regierungen, ihrer Politik und ihrem Verhalten. Dazu gehört auch die Frage, wie weit und unter welchen Umständen ein Beobachter, etwa ein Gesandter in der von Staat zu Staat unterschiedlich langen Übergangsphase zu einem voll ausgebildeten, professionalisierten auswärtigen Dienst in der Frühen Neuzeit in der Lage war, Strukturen, Ereignisabläufe und tiefere Ursachen und Zusammenhänge der Politik anderer Staaten zu durchschauen, wie weit also Vorbildung, Fähigkeiten und Erfahrungen dafiir vorhanden waren. Zu den Bedingtheiten von Perzeption gehören ohnehin kollektive Traditionen, Weltbilder, Normen, Regelungen, Vorurteile und konkrete Vorstellungen. Bei der historischen Analyse derartiger allgemeiner Voraussetzungen von Perzeption lohnt es sich - was gelegentlich übersehen wird - diejenigen konkreten Ereignisse zu berücksichtigen, die filr den Historiker besonders aufschlußreich sind wegen ihrer Reaktionen herausfordernden Wirkung. Damit erhält der Untersuchungsgegenstand erst seine von Entscheidungssituationen geprägte Intensität und spezifische, den Umständen zu verdankende Wendung. Sie kann in extremen Fällen zu einem veränderten individuellen oder kollektiven Wahrnehmungsmodus gegenüber einem anderen Land, Herrscher oder sonstigen Machtfaktor und Einfluß fiihren. Unter diesen Voraussetzungen ist der Konnex und die Sequenz von Wahrnehmung - Beurteilung - Konzeption - Handlungsentscheidung bei der Beobachtung von Konfliktpotentialen, Konflikten und Konfliktzonen fiir den Historiker auch methodisch aussagekräftig. Denn in solchen Fällen können Perzeption und Reaktion darauf eng zusammeruilcken und lassen genauere Schlußfolgerungen zu, etwa auf Konfliktbereitschaft oder Konfliktvermeidung, auf den kritischen Punkt der Aufgabe bestimmter Leitvorstellungen unter dem Druck der Ereignisse oder das Offenbarwerden unausgesprochener Auffassungen und Voraussetzungen, und - dies vor allem - auf Veränderungen im individuellen und kollektiven Verständnis von den Normen, Regeln und als legitim geltenden Zielen und Methoden in der internationalen Politik. Den Hintergrund bildet die Wahrnehmung der eigenen Stellung, sofern sie tatsächlich erfolgt. Dies zu untersuchen, verspricht auch einen interessanten Ansatz fiir die Untersuchung des immer noch unterschätzten Spannungsverhältnisses zwischen Kontinuität und Wandel. Nicht wenige der Beiträge dieses Bandes liefern auch dafiir in ihrer Anlage, der Kombination von exemplarischer Fallstudie und allgemeiner Aussage, günstige Ausgangspunkte. Internationale Beziehungen, Verfassung und Perzeption bilden nicht nur in sich wichtige Forschungsfelder, sondern sie schaffen maßgebende weitere Forschungsfelder durch ihre Wechselwirkungen und Zusammenhänge. Die fol-
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genden Beiträge legen davon in der einen oder anderen Form Zeugnis ab, allerdings entsprechend den unterschiedlichen Intentionen auch in unterschiedlicher Intensität. Die vorangegangenen allgemeinen Überlegungen und die sich nun anschließenden Hinweise auf die Gliederung und die Beiträge im einzelnen sollen dafilr einige Anhaltspunkte geben.
II. Internationale Beziehungen, Verfassung und Perzeption als Bezugspunkt Die Gliederung des Bandes folgt, abgesehen von den Vorgaben der beiden Herausgeber, dem Angebot der Beiträger. Sie ist demnach erst herauszupräparieren aus dem Überblick über die einzelnen Abhandlungen und einer gewissen Logik der Erfassung und Einordnung dessen, was sie verbindet. So ergibt sich eine Abfolge, deren Entfaltung vom Gegenstand des Gesamtthemas und seiner Konstituierung ausgeht (1), grundlegende Sachverhalte und wechselseitige deutsch-französische Perzeption behandelt: internationale Beziehungen als geistige Auseinandersetzung um Verfassung, Recht, Staatsverständnis, Geschichte und Legitimierung von Ansprüchen {II), übergeht zur methodisch wichtigen Kategorie der Zugehörigkeit als Voraussetzung erfolgreichen Wirkens in internationalen, insbesondere gesellschaftlich schon bemerkenswert stark verflochtenen Strukturen - des Rechts, der Diplomatie, der Normen und der Kultur - unter schichtenspezifischen Gesichtspunkten der Elitenbildung und unter biographischen Ansätzen; die dem methodisch entsprechende Kategorie der Fremdheit wurde leider nicht aufgegriffen (III), dann die Ebene der Ereignisse, Reaktionen und Verhaltensweisen, der Einflußfaktoren und Prozesse außenpolitischen Handeins im Verhältnis zwischen Frankreich, dem Reich und den Reichsständen betont (IV) und ausklingt in Erkundungen des Wandels europäischer Ordnungs- und Machtstrukturen bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts (V). Die Beiträge von Teil I beschäftigen sich mit Betrachtungsweisen und Aspekten der Geschichte der Frühen Neuzeit, in denen Europa und die internationalen Beziehungen innerhalb Europas zu Facetten eines vielgestaltigen, umfassenden, die Geschichtswissenschaft herausfordernden Themas werden: Zunächst 1720 der Vorstoß zu einer eigenen Wissenschaftsdisziplin von den internationalen Beziehungen (Heinz Durchhardt). Sie stellte von Beginn an auf die Bedeutung ab, die der Verfassung der Staaten filr deren Außenpolitik zukommt, beanspruchte unbegrenzte Untersuchungskompetenz und bildet zugleich ein anschauliches Beispiel sowohl filr den großen Umfang dessen, was internationale Beziehungen umfassen, als auch filr Bewußtsein und Perzeption zwischenstaatlich relevanter Tatbestände. Daß es eigentlich in Ergänzung derartiger sich als großer Fortschritt bedeutender - rationalistischer Kriterien filr die außenpolitische Haltung der Staaten einer gewissen Differenzierung bedarf,
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etwa nach geographischer und verkehrsmäßiger Lage, was an geopolitische Kriterien4 erinnert, macht der Essay von Jean Meyer über eine Typologie der europäischen Staaten und Regionen klar, die nicht von den mitteleuropäischen Verhältnissen ausgeht, sondern von den der See und den Wasserwegen zugewandten Regionen, von den Seemächten vor allem. Und in europäische hierarchische und konfessionelle Ordnungen, Klientele, Gemeinsamkeiten und spezielle Formen einer Rang und Einfluß betonenden Wahrnehmung führt Lucien Belys Beitrag über päpstliche Auszeichnungen an europäische Fürsten als internationalem, gleichsam europäischem politischem Instrumentarium und Anspruch ein. Internationale Beziehungen als geistige Auseinandersetzung - damit ist im Teil II auch ein neuer methodischer Ansatz oder Ausgangspunkt fiir die Forschung in der Geschichte der internationalen Beziehungen gemeint. Es geht vor allem um einen wesentlichen Bereich wechselseitiger Wahrnehmung von Franzosen und Deutschen in Bezug auf die Grundlagen von Staat und Verfassung. Die drei Fallstudien, die sich mit prinzipiellen Fragen von Verfassung, Rechtsordnung und Staatswissenschaften befassen (Horst Möller über die deutsche Rezeption Montesquieus, Peter Sehröder über Naturrecht und Encyclopedie, Martin Peters über Schlözers Sicht der politischen Lage in Frankreich am Ende des Ancien Regime), sind nicht zuletzt eine bemerkenswerte Demonstration der engen Verknüpfung von internationalen Beziehungen (in Form geistiger Auseinandersetzung und Strukturen), Verfassung (in Form der Erörterung von Konzeptionen für die Ordnung von Staat und Gesellschaft) und wechselseitiger Perzeption als Voraussetzung prinzipieller Diskussion. Abgerundet wird dieses Kapitel durch die Betrachtung einer Wissenschaftskultur der Zwischentöne auch in der Wahrnehmung -, die sich aus einer regionalen und geistigen Zwischen- und Mittlerstellung zwischen Frankreich und Deutschland nährt (Bernard Vogler über die protestantische Straßburger Universität 1681-1689). Die übrigen Beiträge (Wolfgang H. Stein, Jürgen Voss, Chantal Grell), bewußt als besondere Unterabteilung hervorgehoben, geben implizit Beispiele für die Bedeutung von Verfassung, Recht und Legitimierung als Voraussetzung außenpolitischen Handelns, seiner Absicherung und Beurteilung. Sie konzentrieren sich auf einen speziellen Aspekt geistiger Auseinandersetzung, nämlich Geschichte als Modus und Medium von Perzeption, verbunden mit zuweilen recht handfesten Interessen und Mitteln zu deren wirkungsvoller, auch unter Umständen propagandistisch zu nutzender Begründung sowie, mit entsprechender Ausgestaltung, als politische Belehrung: Wahrnehmung des anderen - hier des Reiches - und Wahrnehmung als Einflußnahme auf die Wahrnehmung anderer, als- autoritativ gemeinte - Deutung von Geschichte,
4 /rene Diekmann/Peter Krüger/Julius H. Schoeps (Hg.), Geopolitik- Grenzgänge im Zeitgeist, 2 Bde., Potsdam 2000.
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die das Instrument zur Einflußnahme liefert, ganz abgesehen von einer besonderen Form der Wahrnehmung in der Sache, der territorialen Abgrenzung von Herrschaftsbereichen an Hand zunächst noch nicht natürlicher, sondern historisch-rechtlicher Grenzen am Rhein. Zugehörigkeit könnte fiir die internationalen Beziehungen eine wesentliche analytische Kategorie werden. Das gilt vornehmlich fiir eine unter europäischem Aspekt durchgefilhrte Untersuchung je spezifischer, Grenzen überschreitender ständischer und beruflicher Verflechtung, bestimmter Aktionsfelder, normativer Vorgaben, kultureller Regeln und gemeinsamer Lebens- und Rechtsformen, auswärtiger Politik und Geschäftsinteressen. Das ist wieder "schichtenspezifisch". Aber- mehr als das- dieses Schema wird zugleich bestätigt und durchbrachen von hierarchischen Wertordnungen und Kommunikationsformen, von Zentren abgestufter Repräsentations- und Arbeitszusammenhänge wie der Höfe, insgesamt also ein auch internationales Gefiige, das bei aller Vielfalt und begrenzten Eigenständigkeit der Staaten, Institutionen, Korporationen etc. ausging von einer häufig prekären, aber unentbehrlichen Zugehörigkeit der Akteure und von bestimmten Formen der Rekrutierung und Akzeptanz ihrer Repräsentanten. Dieses Gefiige beruhte geradezu auf akzeptierten Prozeduren und Beweisen der Kommunikations- und Handlungsfahigkeit (etwa im allmählich sich festigenden, professioneller werdenden diplomatischen Verkehr der Frühen Neuzeit). Es beruhte auf der Einordnung nach Rang, Status, Expertenturn und Funktion. Ein wesentliches Element historischer Darstellung ist deswegen der biographische Zugang zu diesem Untersuchungsfeld. Er kommt fiir die Beiträge dieses - III. - Themenblocks in Anwendung: Deutsche Juristen werden in der Führung der Geschäfte fiir ihre Auftraggeber am päpstlichen Hof von Avignon und im fachspezifischen Netzwerk ihres Berufs und ihrer Reputation untersucht (Knut Schutz). Ein faszinierendes Bild vielschichtiger Verhaltensmotivation entsteht am Beispiel des Connetable de Bourbon. Es ist das Panorama eines kunstvoll überhöhten Kampfes, der das zeitgenössische Kriegstheater zur Bühne macht, eines Kampfes um die geachtete Zugehörigkeit gleich zu mehreren Welten (der militärischen und politischen wie der geistigen und literarischen, von der Gewalt der Aktion zu der des Wortes) in kaum noch zu steigernder Zuspitzung, eines Kampfes um Ehre und Reputation fiir die Erinnerung der Nachwelt als Bestätigung auch einer immer noch ritterlich geprägten Ordnung (Denis Crouzet). Wie eine spannungsreiche Zugehörigkeit zu rivalisierenden Ländern auf Grund dynastischer Verbindung ausgeglichen wurde, zeigte die Betonung höchster Abkunft bei Elisabeth von Spanien als Basis ihrer unverlierbaren Zugehörigkeit zu Frankreich - "vraie fille de France" - , eine schon national gefarbte Perzeption und Apotheose des französischen Königtums (Jacques Perronnet). Religiöse Spaltung und die Übertragung ihrer Lösung auf den Staat, eine Entwicklung, die auch vom Konzept der Einigung der gesamten
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Christenheit nicht mehr zu überwinden war, außerdem aber, über die konfessionelle Kluft hinweg, die Zugehörigkeit zweier markanter Verfechter der gegensätzlichen Positionen, Peter Skaga und Justus Lipsius, zur europäischen Gelehrtenrepublik werden in einer Diskursanalyse erkennbar (Daniel Tollet). Die übrigen Beiträge dieses Teils bewegen sich im außenpolitischen Bereich. In der aufschlußreichen Methode einer Fallstudie über die Selbstwahrnehmung eines Diplomaten aus der Beobachtung seiner Umwelt, seiner Verflechtung in Verwaltung, auswärtige Angelegenheiten und die gelehrte Welt und aus der doppelten Unsicherheit seiner abgeleiteten Zugehörigkeit zur diplomatisch-administrativen Elite, abhängig von Klientelsystemen und von seiner Verwendung für die ihrerseits um Zugehörigkeit zum französischen Hochadel bemühten Gonzaga in Frankreich, enthüllt sich der lange, mühsame Weg zum fest verankerten auswärtigen Dienst (Sveh Externbrink). In dieselbe Zeit, wenige Jahre vor Ende des Dreißigjährigen Krieges, fällt ein Aufnahmeritus in die Zugehörigkeit jüngerer Mitglieder des Hochadels zu den regierenden dynastischen Häusern von politischer Bedeutung, untersucht anläßlich der Kavaliers- und Bildungsreise des jungen Wilhelm VI. von Hessen-Kassel nach Paris (Eva Bender). Es folgt eine Skizze über die Rolle, die der Vertreter Straßburgs auf dem Friedenskongreß von Münster spielte, wobei auch grundsätzliche Fragen europäischer Politik wie frühe Gleichgewichtsvorstellungen - auch in konfessionellen Fragen - erörtert werden (Georges Livet). Zugehörigkeit zu mehreren Funktionsbereichen und Ausprägungen von Eliten setzte sich generell in der Frühen Neuzeit durch. Ein weiteres, neuere Forschungsrichtungen vertiefendes Beispiel bietet die Untersuchung des preußischen Außenministers IIgen: Er war Repräsentant des neuen Typs der hohen Bürokratie unter Friedrich Wilhelm I. und zugleich herausragendes Mitglied eines Informantenund Kommunikationsnetzes im Solde des französischen Königs, in jedem Falle aber ein wichtiges, von der französischen Ausrichtung preußischer Politik überzeugtes Bindeglied zwischen beiden Staaten (Jörg Ulbert). Ein vielfältiges und trotzdem thematisch konzentriertes Bild der Internationalen Beziehungen im Sinne auswärtiger Angelegenheiten und zwischenstaatlicher Verhältnisse entfaltet sich in Teil IV. Auch in den laufenden Geschäften treten die Beziehungen zwischen Frankreich, dem Reich und den Reichsständen als ein Kernbereich europäischer Ordnung hervor - von den Auswirkungen auf die kleineren und größeren Reichsstände bis zur konfessionellen Subtilität und europäischen Dimension französischer Diplomatie. Alle Beiträge bezeugen implizit die Bedeutung der zentralen geographisch-politischen Lage des Reiches, ebenso die über Reformation, Glaubenskriege und konfessionelle Auseinandersetzungen hinaus wichtige konfessionelle Balance und das immer stärker sich Ausdruck verschaffende Erfordernis pragmatischer Toleranz - auch als Voraussetzung und Instrument einer beweglicheren, quasi sich emanzipierenden Politik. Außerdem deutet sich insgesamt gerade für die kleineren Staaten 3 FS Malettke
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ein kaum lösbares Sicherheitsdilemma an, das nur von einer starken und stabilen, allgemein akzeptierten Rechts- und Sicherheitsordnung, nicht aber von prekären, rasch wechselnden Allianzen oder zu schwachen und viel zu begrenzten, ebenfalls Gegenwirkungen heraufbeschwörenden, multilateralen Zusammenschlüssen vorübergehender Art zu bewältigen war. All dies begründete ein grundsätzliches, zentrales Interesse Frankreichs an der lockeren Verfaßtheit des Reiches, ein Interesse, das sich unter anderen Bedingungen, aber im Einklang mit dem allgemeinen europäischen Bedürfnis einer aufgelockerten mitteleuropäischen Ordnung während des Deutschen Bundes seit 1815 fortsetzte. Daher kam auch eine außenpolitische Konsequenz struktureller Gegebenheiten darin zum Ausdruck, daß die französische Regierung die Verfassung des Reiches im Interesse der Reichsstände und zum eigenen Nutzen zu wahren und gerade die mindermächtigen und die protestantischen unter ihnen zu diesem Zweck gegen jede drohende Übermacht des Kaisers, also der Habsburger, zu unterstützen suchte. Wie sehr diese Reichsstände auch immer der Absicherung und darüber hinaus der Wahrung ihres stets begrenzten regionalen Einflusses bedurften, eines wurde ebenfalls deutlich: ihr struktureller Rückhalt an Kaiser und Reich, selbst wenn sie in Opposition dazu standen. In diesem Rückhalt lag eine - wenn auch nicht risikolose - Bedeutungssteigerung gegenüber Frankreich, die sie andernfalls nicht gehabt hätten. Daraus ergab sich ein vielfiiltig gebrochenes, von den Verfassungsgegebenheiten nicht zu trennendes und oft nicht völlig zu kontrollierendes politisches und diplomatisches Spiel. Dieses Spiel war im übrigen, wie ebenfalls in den einzelnen Beiträgen klar wird, in erhöhtem Maße auf möglichst genaue Perzeption und deren richtige Auswertung angewiesen. Viele der erwähnten Tendenzen sind schon früh erkennbar (Wilhelm Winterhager über die Haltung Kurbrandenburgs zur französischen Kaiserkandidatur 1519). Es fand eine Ausweitung des Ringens um Einfluß zwischen dem von den Habsburgem gefiihrten Reich und Frankreich auf andere internationale Schauplätze statt, wofiir polnische Thronwechsel, die stets eine große europäische Angelegenheit waren, anschauliche Beispiele bieten, besonders 1572 (Maciej Servanski). Die Sicherheitsproblematik war in ihrer ganzen Tragweite schon wahrgenommen worden, wie die Untersuchung der Frankreichpolitik Braunschweigs nach 1648, methodisch auf mehreren Ebenen vorangebracht Region, Reich und Europa, im einzelnen belegt - die Rückwirkungen europäischer Verflechtungen und eines europäischen Blickfeldes der französischen Politik, das eine konstante, fiir die kleineren Reichsstände verläßliche Reichspolitik kaum erwarten ließ, eingeschlossen (Meike Hollenbeck). Derartige europäische Verflechtungen, Rücksichtnahmen und Abhängigkeiten auswärtiger Politik und die dementsprechenden Perzeptionen treten noch stärker in Erscheinung in der Analyse des brandenburgisch-französischen Verhältnisses während des Pfälzischen Erbfolgekrieges (Jean Berenger).
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Gerade aus dem Blickwinkel einer kleineren Macht zeigt sich die Instabilität des werdenden europäischen Staatensystems und die Unübersichtlichkeit regional rasch wechselnder Machtverhältnisse, die es geraten erscheinen ließen, den großen europäischen Krieg zu vermeiden, eine Einstellung, die im 19. Jahrhundert noch konsequenter und umfassender die internationale Politik beherrschte. Solche Verflechtungen und Unwägbarkeiten werden fiir das nach geographischer Lage, politischer und kultureller Gestaltungsvielfalt sowie nach wirtschaftlicher, strategischer und politischer Bedeutung zu den wichtigsten europäischen Regionen zählende "rheinischen Reich" und sein Verhältnis zu Frankreich im 18. Jahrhundert untersucht. Das geschieht unter Berücksichtigung der Verschlingungen von internationalen Beziehungen, Machtverhältnissen, V erfassungstatbeständen und Perzeptionen, unter besonderer Betonung des Reichsrechts - und dementsprechender Bewußtseinsbildung - als Sicherheitsrückhalt sowie unter Einbeziehung der österreichisch-französischen Allianz seit 1756, die veränderte Rahmenbedingungen schuf und innere und äußere Anpassung oder modernisierende Neuorientierung erforderlich machte (Anton Schindling). Der letzte Teil (V) nimmt nicht nur Themen der vorangegangenen Teile unter einem übergreifenden Gesichtspunkt wieder auf. Vielmehr weist die darin formulierte Frage nach Wendepunkten, strukturellen Neuformierungen, Phasen und dementsprechenden Widerspiegelungen des Wandels im europäischen Ordnungs- und Machtgefiige darüber hinaus: über die bisher behandelten Themen, letztlich aber auch über die Frühe Neuzeit. Denn die Veränderungen wurden schließlich als so tiefgreifend wahrgenommen, daß sie ein neues Zeitalter ankündigten. In bemerkenswerter Weise traten dabei Tendenzen des Wandels zutage, die zum einen aus der Entfaltung des modernen Staates und Staatensystems und den damit verbundenen Bedürfuissen, zum anderen aus der geistigen Kraft und freieren Regsamkeit entstanden, die sich seit Humanismus und Reformation durchsetzten. Dies fiihrte auch zu neuen Vorstellungen und Konzeptionen in den internationalen Beziehungen, zur neuen Wahrnehmung der Probleme und zu neuen Lösungen, Handlungszwängen und Handlungsspielräumen. Die Beiträge setzen ein mit einem leichten Paukenschlag: einer Neuinterpretation des Ulmer Vertrags und ausschlaggebender Entscheidungen von 1620 selten tritt der folgenreiche Einfluß von Perzeptionen so klar hervor - in der internationalen Politik, eine Art früher französischer und britischer Gleichgewichtsstrategie, die dem Krieg von 1618 eine folgenreiche Wendung gab (Axel Gotthard). In einem weiteren Schritt der Neubewertung und des Eingehens auf Forschungsdefizite werden die strukturellen Mängel der europäischen Diplomatie im Dreißigjährigen Krieg, der Übergang zum multilateralen Verhandlungsmodell des Kongresses als Ausweg und dessen ob seiner Schwerflilligkeit schließlich doch nur begrenzte Brauchbarkeit analysiert (Anja V.
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Hartmann). Die Herausforderung, weitgehende Verbesserungen des diplomatischen Verkehrs einzuführen, blieb übrigens bis in die Gegenwart bestehen wegen der sich ständig erweiternden Aufgaben und der sich beschleunigenden und vertiefenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, die einen generellen und steten Wandel der internationalen Beziehungen herbeiführten. Ein anderes Gebiet des langfristigen Wandels deutete sich ebenfalls im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden an: die als gravierend wahrgenommene Notwendigkeit, mehr als bisher zur nachhaltigen Verankerung und Akzeptanz der umfangreichen, komplizierten und direkt oder indirekt weite Teile Europas betreffenden Bestimmungen zu tun. Ein ungewohnter Seitenblick fallt dabei auf das evangelische Kirchenlied als Mittel zu deren Popularisierung (Konrad Repgen). Stabilisierung der internationalen Beziehungen wie des Staatensystems erwies sich überhaupt als fundamentales Problem - auch dies bis heute. In seiner vorübergehenden Beschäftigung in Mainz am Sitz des Erzbischofs und Kanzlers des Reiches hat Leibniz eine tiefe Prägung seiner Perzeption des Reiches und Europas empfangen. Deswegen erblickte er die Lösung der langfristigen Sicherheits- und Stabilitätsprobleme gegenüber Frankreich nur in einer Kombination von Reichsreform - auf föderativer Basis im Sinne eines Verbunds zu innerer und äußerer Sicherheitund umfassender und dauerhafter europäischer Regelung und verfaßte 1670 entsprechende Vorschläge, die insgesamt auf eine Art kollektives Sicherheitssystem hinausliefen und in seltener Klarheit Perzeption, Verfassung und internationale Beziehungen verbanden (Kirsten Hauer). Das war im einzelnen realitätsfern, im Prinzip aber, der Verknüpfung von innerer und äußerer Reform unter dem Vorrang von Sicherheit, Stabilität und allgemeiner Akzeptanz und Mitwirkung ein immer wieder diskutierter Lösungsweg, der zum ersten Mal auf dem Wiener Kongreß in Ansätzen verwirklicht wurde. Die übrigen Beiträge stehen schon unter dem Vorzeichen tiefgreifender Veränderungen in Europa vom späten 18. bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts. Dafür stehen die polnischen Teilungen, deren erste unter neuen Gesichtspunkten der französischen Gleichgültigkeit, Ablenkung, Versäumnisse und einer unzulänglichen Perzeption der damit heraufziehenden Gefahren für das Staatensystem untersucht wird (Ilja Mieck). Der Unfähigkeit, den schwerwiegenden Mängeln des Staatensystems abzuhelfen, entsprach die Unfähigkeit, deren Verknüpfung mit den inneren Reformnotwendigkeiten adäquat wahrzunehmen. Entsprechend hilflos fielen die Reaktionen der Mächte auf die ersten Revolutionen und Aufstände vor 1789 im Nordwesten Europas aus; ein Vergleich der Abläufe und der Reaktionen darauf macht das deutlich (Klaus Vetter). Erst als die entfesselte Kriegsdynamik bis zur Kulmination in der Ära Napoleons und die fundamentalen inneren Veränderungen der Verfassungs- und Gesellschaftsordnung im Gefolge der französischen Revolution und ihrer Vorgänger und Nachwirkungen zutreffend als ein gemeinsames, nur europäisch zu lösendes Neuordnungsproblem wahrgenommen wurden, gelang der Sieg über
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Napoleon, die Neueinrichtung des europäischen Staatensystems, die Stabilisierung der Staaten und Regierungen und die Gewährleistung von Sicherheit auch fiir die kleineren Länder. Die dabei in unterschiedlichen Formen und äußeren Einwirkungen sich vollziehenden strukturellen Umgestaltungen kommen überraschend aussagekräftig in einer der Alltagsgeschichte sich nähemden Darstellung des Endes der "Franzosenzeit" in Köln 1814 zur Geltung (Hans Lemberg), zugleich eine Darstellungsform, die es vermag, die vorübergehende Offenheit der Situation am Beginn des Wiener Kongresses zum Ausdruck zu bringen- kein ungeeigneter Schluß fiir diese Festschrift.
I. Internationale Beziehungen als Thema der Geschichte der Frühen Neuzeit
Die Formationsphase der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen Christian Gottfried Hoffmanns Entwurf/ einer Einleitung zu dem Erkdntniß des gegenwdrtlgen Zustandes von Europa von 1720 Von Heinz Duchhardt, Mainz
Die Etablierung dessen, was man heute "Internationale Beziehungen" nennt, an den Universitäten der Vormodeme war ein zäher Prozeß 1. Generell galt der Bereich der Staatenbeziehungen lange als ein "arcanum", dessen Analyse oder auch nur Darstellung allein schon deswegen an den Hohen Schulen nichts verloren habe, weil der Wille und die Entscheidung des Fürsten - Kern jeder Außenpolitik im Ancien Regime - sich ebenso des Hinterfragens wie der Analyse entzögen: des Hinterfragens, weil der universitäre Staatsdiener offene oder verschlüsselte Kritik an seinem Fürsten nicht zu üben hatte, der Analyse, weil der etwaige Nachweis von Inkonsequenz oder Sprunghaftigkeit nicht im Staatsinteresse liegen konnte. Die systematische Analyse der in letzter Zeit stark beachteten "politischen" Literatur des 17. Jahrhunderts2 bestätigt diese Beobachtung indirekt, weil auch fiir sie die innere Politik der Fürsten absolute Priorität hatte und die äußeren Beziehungen der Staaten "vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Stabilisierung im Inneren gesehen" wurden3 . Es hat deswegen - nicht zufallig - bis in den Ausgang des 17. Jahrhunderts gedauert, bis im Deutschen Reich - nur von ihm ist hinfort zu handeln - die ersten Veröffentlichungen erschienen, die die zwischenstaatliche Politik gezielt in den Blick nahmen - in den Fürstenspiegeln oder den Arbeiten zur Regierungs-
1 Es sind zumindest zwei Gesichtspunkte, die mich bewogen haben, dem Jubilar diese kleine Studie zu dedizieren: Zum einen sein Interesse an den internationalen Beziehungen namentlich des 17. Jahrhunderts, die er in vielfacher Hinsicht - etwa was Richelieus außenpolitische Konzeptionen betrifft - erhellt hat, und zum anderen sein methodischer Ansatz, nach den Wegen und Medien des Transfers von abstraktem Recht in die Öffentlichkeit- sei es in die des Nachbarlandes, sei es an die Universitäten - zu fragen. 2 Wolfgang Weber, Prudentia gubernatoria. Studien zur Herrschaftslehre in der deutschen politischen Wissenschaft des 17. Jahrhunderts, Tübingen 1992. 3 Ibid., S. 353.
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lehre4 war das zwar auch nie völlig ausgeklammert worden, war alles in allem aber doch höchst randständig geblieben. Conring, Boecler und Bose sind hier insbesondere zu nennen, die seit den mittleren Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts mit staatenkundliehen Arbeiten aufWarteten - Conring (1606-1681 ), der die "empirische Bestandsaufnahme und die Statusbeschreibung zum eigentlichen Metier seines Forschensund Sammelns" machte 5 , der ganz gezielt in seinen seit 1660/61 gehaltenen Privatvorlesungen dem angehenden Staatsmann Grundkenntnisse in "internationaler Politik" zu vermitteln suchte, dem es aber letztlich an einem geschlossenen Weltbild hinsichtlich der internationalen Politik mangelte6, der Straßburger Professor Johann Heinrich Boecler und nicht zuletzt der Jenenser Johann Andreas Bose, der noch vor Conring eine einschlägige Vorlesung Notitia orbis hodierni historico-geographico politicam hielt (1656) und zum zweiten "founding father" der Disziplin Statistik wurde 7 . Daß es sich bei den genannten Gelehrten ausschließlich um Angehörige von Artisten-, also Philosophischen Fakultäten handelte, wo rein quantitativ immer ja auch die meisten Studierenden erreicht werden konnten, sei hier nur im Vorbeigehen erwähnt. Aber insgesamt war das Deutsche Reich kein besonders guter Nährboden fiir die Entwicklung einer Disziplin "Internationale Beziehungen", vor allem deswegen nicht, weil die Juristen und Historiker in ihrer überwiegenden Mehrzahl der Geschichte und Gegenwart des Reiches verhaftet blieben und die Öffentlichkeit alles in allem nur ein begrenztes Interesse an der Dynamik zwischenstaatlicher Beziehungen hatte, in denen das Reich seiner Struktur wegen ja keinen prägenden Part spielen konnte. Immerhin läßt sich feststellen, daß nach dem Spanischen Erbfolgekrieg eine neue Annäherung an Fragen der zwischenstaatlichen Beziehungen stattfand, die z.B. in den ersten einschlägigen deutschsprachigen Vorlesungen an den Universitäten - erneut machte hier Jena den Anfang8 - faßbar wird. In diesen Kontext gehört die hier vorzustellende kleine Schrift9 .
4 Hans-Otto Mühleisen/Theo Stammen (Hg.), Politische Tugendlehre und Regierungskunst Studien zum Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit, Tübingen 1990. 5 Johannes Kunisch, Hermann Conrings mächtepolitisches Weltbild, in: Michael Stolleis (Hg.), Hermann Conring (1606-1681). Beiträge zum Leben und Werk, Berlin 1983, S. 237-254, hier S. 237. 6 Ibid., S. 254. 7 Harm Klueting, Die Lehre von der Macht der Staaten. Das außenpolitische Machtproblem in der "politischen Wissenschaft" und in der praktischen Politik im 18. Jahrhundert, Berlin 1986, S. 45-46. 8 lbid., S. 49. 9 Ich habe sie zuerst kurz paraphrasiert in meinem Buch: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700-1785, Paderborn 1997, S. 2-3.
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I. Ihr Verfasser, Christian Gottfried Hoffinann, ist der Forschung kein Unbekannter10. 1692 in der Oberlausitz geboren, hatte Hoffmann seit 1711 in Leipzig die Jurisprudenz studiert, war als Hofmeister zweier dort studierender Fürsten Galizin tätig gewesen und hatte 1716 in Halle den Grad eines Doktors beider Rechte erworben. Schon 1718, also 26jährig, hatte er in Leipzig eine Professur fiir Natur- und Völkerrecht übernommen. 1723 als Nachfolger von Heinrich Cocceij nach Frankfurt/Oder berufen, war Hoffmann längere Zeit bei der Erstbesetzung der juristischen Professuren an der neu zu gründenden Universität Göttingen im Gespräch 11 , starb aber, bevor es dazu kam, unverheiratet im September 1735. Sein Biograph in der Allgemeinen Deutschen Biographie hebt hervor, daß von den Zeitgenossen besonders seine staatsrechtlichen Arbeiten und Editionen geschätzt worden seien, obwohl auch sie "gleich den übrigen eines bleibenden Werthes" entbehrten und "der Reichtum der Production der Gründlichkeit bisweilen Eintrag gethan" habe 12 . Hoffmanns nur einen Druckbogen umfassende Schrift mit dem ausladendbarocken Titel Entwurf! einer Einleitung zu dem Erkäntniß des gegenwärtigen Zustandes von Europa, warinnen von denen hier zu nöthigen Wissenschafften überhaupt geurtheilet, in Sonderheit aber der Ursprung von denen wichtigsten Krieges- und Friedens-Angelegenheiten dieser Zeit vorgesteilet und zu dem Grunde eines Collegii Privati geleget wird, erschien 1720 im Leipziger Verlag Friedrich Lanck Erben. Schon der knappe Umfang von 16 Seiten läßt ahnen, daß hier nicht eine nach allen Seiten hin abgesicherte Studie, sondern nur eine Skizze zu erwarten ist - eine Skizze, die zu dem eigentlichen Anliegen hinfUhren soll, einen Plan fiir ein einschlägiges Kolleg vorzulegen (das mit seinen Kapitelüberschriften im Anhang dann in der Tat mitgeteilt wird). Hoffmann widerspricht gleich am Beginn seiner Schrift der verbreiteten Ansicht, daß die nähere Kenntnis des gegenwärtigen Zustands Europas, also der Zeitgeschichte und der politischen Strukturen, keine Disziplin sei, die man auf den Universitäten vermitteln "könne und solle". Man könne sogar zu der Ansicht kommen, es sei eine "Verwegenheit", darüber an Hohen Schulen zu dozieren, ja, dies als "undienlich, unnöthig auch wo! als unmöglich" ansehen. Aber seit Conring, Boecler und Bose und ihrer Beförderung des "Studium Juris naturae & gentium" habe sich die Situation entscheidend geändert, man spreche "nicht mehr mit Furcht 10 Zu seiner Biographie vgl. vor allem den Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie 12, Leipzig 1880, S. 574-575. In der Neuen Deutschen Biographie fehlt ein Artikel über Hoffmann. ll Vgl. Notker Hammerstein, Jus und Historie. Ein Beitrag zur Geschichte des historischen Denkens an deutschen Universitäten im späten 17. und im 18. Jahrhundert, Göttingen 1972, S. 321. 12 Allgemeine Deutsche Biographie (wie Anm. 10).
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und Zittern von denen Affairen der Welt", sondern habe es als eine Notwendigkeit erkannt, den Studierenden den Weg zu zeigen, "wie sie den gegenwärtigen Zustand der Welt erkennen und den Grund derer vornehmsten Händel begreiffen". Denn man müsse die jungen Leute, die nicht ewig auf der Universität bleiben könnten, mit einem Gespür fiir die Beschaffenheit der Tagespolitik und der zwischenstaatlichen Strukturen entlassen. Und das sei im Prinzip ja auch gar keine Illusion, da die wichtigsten Dokumente und Schilderungen der "vornehmsten Begebenheiten" im Druck vorlägen und nur darauf warteten, "mit einem guten Methodo" anderen vermittelt zu werden. Er, Hoffinann, habe sich dies in seiner universitären Praxis immer angelegen sein lassen und entsprechende Einführungen gegeben. Das sei in der Vergangenheit durchaus zu seinem Nachteil ausgeschlagen, weil böse Zungen behauptet hätten, seiner deutlichen Neigung zur Geschichte wegen sei er zu solchen Kursen eigentlich nicht qualifiziert. Solche Kritik schrecke ihn aber überhaupt nicht ab, auch nicht davor, mit seiner Schrift seine Gedanken öffent lieh zu machen. Denn die Universität bilde schließlich Leute aus, die irgendwann "in die wichtigsten Chargen der Welt" einrückten, für die eine Übersicht über das politische Tableau der Gegenwart "eine vor andere höchstnothwendige Wissenschafft" sei. Ja, auch diejenigen Absolventen, die nach dem Universitätsbesuch vornehmlich mit dem bürgerlichen Leben zu tun hätten, seien gut beraten, sich im Bereich der "publiquen Affairen" Grundkenntnisse anzueignen, die freilich ihre natürlichen Grenzen hätten. Was aber mache den Bereich der "publiquen Affairen" denn eigentlich aus? Da sei zunächst die Verfassung der Staaten wichtig, also die Untersuchung der Frage, wer- ein typisches Bild für die Zeit 13 - "die Machine des politischen Cörpers" führe: das meine die Personen und die Institutionen, aber auch die Grundgesetze. Da letztere nicht zu häufig verändert würden, müßten - bei allen Bedenken - auch die neuesten Zeitungen und politischen Journale mit in die Analyse einbezogen werden. Zum zweiten müsse die Religionsverfassung der Staaten ins Auge gefaßt werden, also die Verschränkung von weltlicher und geistlicher Gewalt, aber auch die Einflüsse der Römischen Kurie und die Beziehungen zwischen der jeweiligen Staatsspitze und dem Stuhl Petri. Drittens müsse es um die "Macht" der Staaten gehen: ihren Reichtum, ihre Ressourcen, ihren Kommerz, vor allem aber ihre militärische Potenz, die sich danach bemesse, ob sie, ohne das Land auszusaugen, eine angemessene Kriegsmacht unter Waffen halten könnten. Weiterhin gehe es um die "bürgerlichen Geseze" der Staaten, ihr materielles Recht und ihre entsprechenden Organe, wiewohl dieser Komplex in aller Regel nur beiläufig behandelt werde (und werden könne).
13 Barbara Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaates, Berlin 1986.
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Während alle diese Punkte in den Bereich der Innenpolitik der Staaten einschlügen, komme der auswärtigen Politik selbstverständlich kein geringerer Rang zu. Hier seien die Vertragsbeziehungen der Staaten mit- und untereinander von Belang, und zwar auch diejenigen dritter Staaten mit anderen, ferner die aktuellen Streitigkeiten und Prätentionen, unter denen diejenigen wegen des Zeremoniells und der Präzedenz besondere Aufmerksamkeit verdienten, die geradezu den Rang einer eigenen Wissenschaft beanspruchen könnten. Seit Conrings und Boses Zeiten habe die so definierte und zu definierende Wissenschaft von den öffentlichen Angelegenheiten Europas als eine eigene Disziplin gegolten. Der springende Punkt sei die Verknüpfung vieler Disziplinen miteinander: des allgemeinen Natur- und Völkerrechts, der Geschichte, der "Prudentia Politica". Ihm, Hoffmann, sei völlig klar, daß sein Entwurfnoch unvollkommen sei, aber: "Es muß in allen Sachen ein Anfang seyn, und ich werde mir das gröste Vergnügen daraus machen, wenn ich auch nur und dem andern einigen Geschmack von dieser höchstnützlichen und angenehmen Wissenschafft softe erwecket haben".
II. Wir wissen es nicht, ob die Hörerzahlen in Hoffmanns einschlägigen Vorlesungen in Leipzig bzw. an der Viadrina nach der Publikation dieser Schrift emporschnellten, wir wissen (vorläufig) auch nicht, ob die in der Schrift mehrmals angesprochenen wissenschaftlichen Gegner reagierten und alternative Entwürfe vorliegen. Aber klar ist, daß Hoffmann mit seinem flicher- und damit fakultätenübergreifenden Ansatz der jungen Disziplin einen neuen Rahmen gegeben hat, der sich zwar von den Ansätzen seiner Vorläufer deutlich abhebt, der sich aber von dem modernen (politikwissenschaftlichen oder geschichtswissenschaftliehen) Zugriff, internationale Beziehungen zu erforschen, nicht grundlegend unterscheidet. Hermann Conring ging es in einem hochdifferenzierten Gedankengebäude, faßbar insbesondere in seinem Examen rerum publicarum potiorum totius orbis, vor allem um die Verifizierung der Gesetzmäßigkeiten des politischen Lebens durch die "res gestae"; trotz seiner wegweisenden historischen Arbeiten war Conring sicher erst in zweiter Linie ein Historiker. Und als Philosophen und Politikwissenschaftler interessierten ihn zwar die Ordnungskriterien der Staaten, aber weniger ihr dynamisches Spiel von Abstoßung und Anziehung, das Hoffmann ganz augenscheinlich bewegt und dem er multiperspektivisch und interdisziplinär- eben auch unter Berücksichtigung des Völkerrechts oder der "öffentlichen Meinung" - auf die Spur zu kommen sucht. Hoffmanns "Modernität" kann selbstredend nur tentativ erfaßt werden. Seit dem "klassischen" und programmatischen Aufsatz von Arnold Bergstraesser über Internationale Politik als Zweig der Politischen Wissenschafi 14 aus dem
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Jahre 1960 haben sich zwar die Verfahren und Methoden der politikwissenschaftlichen Subdisziplin "Internationale Beziehungen" unendlich ausdifferenziert - nicht zuletzt in Richtung einer Mathematisierung der Disziplin -, und entsprechend der sprunghaft angewachsenen Zahl supranationaler Einrichtungen, weltweiter Verflechtungen, der Zwänge . der Weltöffentlichkeit und der Notwendigkeit, über Instrumente zur globalen Krisenbewältigung zu verfUgen, haben sich sicher auch die Schwerpunkte dieser politikwissenschaftlichen Disziplin verschoben. Aber die Grundaussagen Bergstraessers haben nach wie vor Gültigkeit, und sie entsprechen mutatis mutandis auch Hoffmanns Positionen: "Das nach außen gerichtete politische Handeln eines Staates vollzieht sich im Rahmen der gegebenen politischen Konstellation und wird von weltpolitischen Grundideen, staatenpolitischen Interessen und verfügbaren Mitteln der Einwirkung her bestimmt".
Und auch die von Bergstraesser formulierte Legitimation der Subdisziplin, das "Vorausdenken fiir das auswärtige Handeln", das Aufzeigen und Bewerten von "Wirkungszusammenhängen und Wirkungschancen, von deren Beurteilung die Auffassung der eigenen Handlungsmöglichkeit [... ] abhängt", kann ohne größere Mühe bereits bei Hoffmann und den Wissenschaftlern seiner Generation konstatiert werden, die sich, wie etwa sein Zeitgenosse Rousset 15 , um nichts mehr bemühten als um die jeweiligen "Prätentionen" der Fürsten und Staaten, in denen sie den Kern aller zukünftigen Konflikte erblickten. Daß sich seit dem frühen 18. Jahrhundert das Spektrum der möglichen Ursachen von Konflikten in vielfacher Hinsicht erweitert hat, ist kein Grund, das ernsthafte Bemühen der Wissenschaftler jener Epoche, die zwischenstaatlichen Beziehungen methodisch in den Griff zu bekommen, zu verkleinern. Die Verbindung von staatsrechtlichen, ökonomischen, militärischen und sozialen Faktoren mit dem Vertragsvölkerrecht und den jeweiligen bilateralen Beziehungen und "Bildern" (Klischees, Stereotypen) - auch wenn Hoffmann sie selbstverständlich nicht so benennt - wird die moderne Forschung als "essentials" jederzeit teilen können, und daß sie heute weiteren Faktoren - etwa der Qualität der Diplomatie, den Mentalitäten, den Interessen nongouvernementaler Gruppen, geostrategischen Aspekten usw. - Gewicht beimißt, nimmt Hoffmanns Überlegungen nichts von ihrem Reiz: dem Versuch, eine noch in ihrer Formationsphase befindliche Disziplin zu definieren und zugleich populärer zu machen. In der Ahnengalerie der deutschen Wissenschaft von der Internationalen Beziehungen kommt Hoffmann ein Platz zu, auch wenn es vielleicht nicht der direkt neben Conring sein mag.
In: Politische Vierteljahrschrift I (1960), S. 106-119. Jean Rousset, Les Interets presens et les pretensions des puissances de I'Europe, Den Haag 1733, 2 1736. 14
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L'autre Europe: les "bouts du monde" Les puissances maritimes a l'epoque moderne. Essai d'une typologie Par Jean Meyer, Paris C'etait pendant Je colloque organise par Je professeur Roland Mousnier: "Un nouveau Colbert". Panni !es intervenants il y avait Je professeur Klaus Malettke, de l'universite de Marburg. On lui avait confie l'ardu sujet de mise au point de Ia bibliographie ancienne, et surtout recente. Ce fut monument d'erudition, mais d'erudition maitrisee, lumineuse. Je me souviens d'avoir pense: "II faudra compter avec lui". Le deuxieme contact- Je decisif- eut lieu a Wolfenbüttel: autre colloque de cette bibliotheque ou a toujours souffie l'esprit, relayant d'ailleurs un autre colloque de l'universite de Marburg, sur !es villes et !es societes urbaines de l'epoque humaniste. Ce fut notre rencontre: nous devinmes amis. Nos epouses avaient communie dans Ia musique et le chant. Tout Je monde sait combien !es amities universit;:tires peuvent se reveler fugaces. Que vaut cependant l'amitie qui ne perdure? La nötre s'est averee stable, heureuse, point lumineux dans Ia grisaille des täches universitaires. A Ia verite, tout nous rapprochait d'emblee, tout nous rapproche. A Ia base une experience commune de Ia vie: jeunesses difficiles, differemment certes, amour commun de l'histoire, necessite si profondement ressentie d'etablir des Iiens de plus en plus etroits entre les jeunesses universitaires de nos deux pays. En surplus, une certaine joie de vivre et d'apprehender- en consequence - l'histoire. Chacun d'entre nous a, certes, ses propres sujets de recherche. Mais, coiffant le toutqui n'est pas mince -, l'intense plenitude que suscite l'amour du beau, sous toutes ses formes, et d'abord - peut-etre meme avant tout - celui du legs durable de ce que nos ancetres, devenus poussiere d'archives, nous ont transmis en heritage de ce qu'ils possedaient de meilleur. Chacun, sans doute, a ses preferences: Klaus Malettke adore peinture, toiles, arts graphiques, cartes, estampes sous toutes !es formes. II ne recuse nullement musique, l'opera et tant d'autres revelations de Ia vie d'antan. Soit ce qui a donne Je piment, Ia saveur, parfois si äcre, parfois si douce, toujours difficile des vies des siecles a jamais passees. Sans quoi toute histoire n'est que torse, soubassement, avec quoi l'on arrive a saisir Ia specificite, Je propre, l'essence de l'histoire du passe, et, n'en deplaise a d'aucuns, Ia fragrance des temps, de tous les temps, y compris des temps presents.
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Nous nous sommes entendus sur presque tout. Klaus m'a ete, m'est le~on permanente, souvent Je rectificatif de ma pensee par trop abrupte par moments, Je nkonfort surtout de se savoir compris - bien au-dela des modes si passageres. Car il en est de l'histoire comme du vetement, des modes: d'aucunes sont seyantes, d'autres ineptes- d'autres enfm inutiles, voire nuisibles. C'est pourquoi je lui dedis ces pages, qui ne Je surprendront pas, en fidele amitie.
Introduction II n'est pas de pages plus revelatrices que celle que Thucydide a consacrees a l'analyse des origines de Ia guerre du Peloponnese. En quelques phrases il definit, mieux que tous !es grands - et moins grands - theoriciens de Ia Strategie navale, !es points vraiment decisifs. Pas de pages, non plus, plus poetiques que celles qu'Ezechiel a lancees en anatheme contre Ia ville de Tyr: "Toi qui disait: je suis un navire/ merveilleux de beaute./ En haute mer s'etendit ton empire/ mes constructeurs t' ont faite/ merveilleuse de beaute./ En cypn!s de I' Hermon ils ont construits tous tes bordages./ Ils on pris un cedre du Liban/ pour te faire un mät. [... ] Tous Ies navires de Ia mer et leurs marins etaient chez toi pour faire du commerce. [... ] Tu etais donc riche et glorieusel au creur des mers./ En haute mer tu fus conduite/ par tes rameurs./ Le vent d'Orient t'a brisee/ au creur des mers." (Ezechiel, XXVII, 136).
Thucydide place dans Ia bouche de Pericles un admirable discours. Comparant !es moyens dont dispose un Etat terrien avec ceux d'un Etat maritime, il constate: "Ni [IeurJ Etat, ni Ies particuliers ne possedent de reserves financieres. Ils n'ont pas non plus l'experience des guerres longues, ni celle des campagnes outre-mer, car Ia penurie qui regne chez eux ne Ieur perrnet de faire que de courtes expeditions. [... ] Des gens comme ceux-la ne peuvent foumir !es equipages d'une flotte, ni multiplier Ies actions offensives de leurs forces terrestres. [... ] De plus, Ia mer Ieur est fermee. Or ce sont !es reserves d'argent qui nourrissent !es guerres. [...] Voici Je plus important: ils se trouveront paralyses par le manque d'argent, chaque fois que !es delais necessaires pour qu'ils s'en procurent !es contraindront d'ajoumer leurs Operations. Or, en temps de guerre, !es occasions n'attendent pas" (Thucydide, I, 140-143).
Ce pourrait etre, a peu de choses pres, Je commentaire d'une bonne partie de l'histoire europeenne de l'epoque moderne. Car, du point de vue de Sirius, l'explosion volcanique de l'Europe conquerante des XVI•-xvm• siecles presente un vrai mystere, que J.F. Labourdette a parfaitement resume dans son histoire du Portugal. Cette explosion a, en effet place Ia "Republique des princes" qu'a ete l'Europe devant un formidable casse-tete diplomatique et militaire: "Un systeme demeure: dans l'expansion portugaise, comment un petit peuple a-t-il pu mener a bien cette gigantesque epopee coloniale?" Or l'on peut, aussi bien,
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remplacer Je nom Portugal par celui de l'Espagne, et, a plus forte raison par ceux des semi-republiques urbaines fran~aises de l'ouest (Dieppe, Fecamp, Saint-Malo, Granville, La Rochelle, Royan, voire Le Havre, Dunkerque ou Je Marseille medieval), de Ia Hollande, du Danemark, et de maniere bien plus ample, I' Angleterre. En tous ces cas, il s' agit soit de "finisterres", soit, du moins aux origines, de veritables "culs-de-sac" economiques, en un mot des "bouts du monde", "balcons sur l'infini" de l'Ocean (Eugenio d'Ors, a propos du baroque). Ce que !es thalassocraties grecques n'etaient pas, ni Corinthe, ni Corcyre, ni plus encore, Athenes. Mais ce qu'etaient acculees a Ia montagne du Liban, et Tyr, et Sidon, et Byblos. Le monde mediterraneen, avec sa mer a Ia mesure de l'homme-rameur, etait arpente de Iongue date et il n'est guere, PontEuxin mis a part (et encore) pas de veritable "bouts du monde" mediterraneen, !es villes dites pheniciennes mises a part. Ce sont, en Europe, !es frontieres terrestres qui sont vagues: l'expression geographique "Europe" bute, d'emblee, entre Je vne et Je v• siecles av. J.-C., sur cet indetermine extensif qui deplace ses limites au Dniepr ou a une Baltique a vrai dire encore perdue dans !es brumes nordiques redoutees. II est vrai qu'au "Moyen Äge", d'Amalfi a Venise ou a Genes, apparaissent des vraies thalassocraties, successives ou paralleles, perdurables. Elles ne sont cependant pas comparables aux "bouts du monde" des rivages atlantiques. Avant d'en tenter de comprendre mecanismes et modes de formation - ou d'echecs- retenons cependant de Thucydide trois remarques majeures. 1) Pour lui, seules !es puissances navales peuvent s'agrandir durablement par Ia guerre maritime: "Sur terre, il n'est pas d'exemples d'une guerre qui ait permis a quelque Etat que ce soit d'accroitre sa puissance". Verite d'autrefois, rapidement "dementie" par !'extravagante epopee d' Alexandre Je Grand- et plus tard par Ia deferlante bedouine islamique medievale. On peut cependant arguer en faveur de Ia these de Thucydide, les annexions reussies de Louis XIV; elles n'ont pas donne, dans !'immediat, une puissance substantiellement accrue pour tenir tete a Ia coalition des Etats maritimes. Probleme pose qui meriterait de plus longs developpements. 2) Expliquant, de maniere tres critique, !es donnees foumies par Homere a propos de Ia guerre de Troie, il constate que Ia faiblesse numerique des Grecs s'explique moins par Ia pauvrete en hommes que par Je manque d'argent. Ce qui vaut, indirectement, pour les colonisations des XVIe-xvne siecles. Les effectifs a projeter par dela !es mers sont determines par l'insuffisance des subsistances a emporter, car "il ne faut emmener que Je nombre d'hommes qui seraient en mesure de trouver leur subsistance sur place". Voila l'une des clefs du mystere. Elle est, en elle-meme, insuffisante. 3) Un Etat maritime doit posseder de "beaucoup de metiers". A savoir des "meilleurs pilotes" - et en grand nombre - des meilleurs marins, des meilleurs 4 FS Malettke
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navires, des meilleurs constructeurs de navires, des meilleurs "strateges". Consequemment, il faut savoir changer les techniques, partant, les tactiques voire les strategies. A Salamine, les trieres atheniennes etaient encore lourdes, difficilement maniables (23 septembre 480 av. J.-C.). A Rhion (429 av. J.-C.) Je stratege Phormion dispose de trieres devenues beaucoup plus legeres, plus maniables. L'on ne pouvait donc, a Salamine, que provoquer, dans un espace reduit, Ia "melee", donc transposer le combat de terre sur mer gräce aux 40 hoplites de chaque navire. Les deux victoires de Phormion (Rhion, puis Naupacte) sont dues, en depit d'une ecrasante superiorite numerique des Peloponnesiens (77 contre Ia douzaine d'atheniennes) a )'extreme manreuvrabilite de l'escadre de Phormion. Car cette legerete leur permet de disposer de beaucoup plus d' espace, de maniere a ce que Ia tritlre, prenant du champ, puisse disposer de l'espace necessaire pour s'elancer atoute vitesse, "faire Ia percee", frapper avec l'eperon, puis se degager (Thucydide, XI, 83-85). L'abordage est remplace par Ia visee a "longue" distance, pour provoquer l'effet de choc. II serait loisible d'appliquer ces quelques regles d'or: en tout temps, il faut avoir "Ia science" d'evoluer, d'adapter et de s'adapter aux capacites au rapport des nombres, a Ia disposition geographique des lieux, des possibilites inherentes au materiel, etc. Toutes considerations, qui, en realite, ne font qu'accroitre Je mystere evoque par J.F. Labourdette. Pourquoi donc ces brutales "montees en puissance" de "bouts du monde" souvent meprises, negliges? Et pourquoi ces cycles- a Ia verite tres differencies - de croissances fulgurantes, suivies d'apogees, parfois prolongees, de reculs enfin, car les decadences brutales sont rares dans l'Europe moderne. On peut, en effet, dire que l'apogee portugaise s'arrete en 1580, l'apogee hollandaise au milieu du siecle suivant, mais qu'elle ne se "casse" vraiment qu'avec les trois guerres anglo-hollandaises (1652-1654, 1665-1667, 1672-1674) dont les effets devastateurs sont encore aggraves par Ia guerre franco-neerlandaise dite de Hollande de 1672 a 1678: desormais Ia Hollande ne peut plus mener Ia guerre navale seule, mais aucun Etat europeen continental adversaire de Ia France de Louis XIV ne peut soutenir, voire envisager une guerre sans l'argent hollandais. Relevons, au passage que nulle autre epoque de l'histoire du monde n'a vu guerres navales aussi generalisees, de Ia Baltique aux detroits turcs, sans parler des campagnes Outre-Europe. II est donc des cycles d'evolution des divers bouts du monde tres differents !es uns des autres. Ce qui n'a rien de tres surprenant. Le "mystere" demeure du comment et du pourquoi de toutes ces emergences atlantiques. Car elles brouillent totalement les cartes du premier "equilibre" europeen, et creent de singuliers desequilibres se resolvant en autres nouveaux equilibres.
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Les ecbecs et les viviers indirects Abordons Ia question d'autre maniere. Car il est desfinis terrae qui n'emergent pas. Vidal de La Blache a fait, autrefois, un sort aux iles aux vocations non maritimes (tout comme Lucien Febvre). On sait Ia vanite de certaines hypotheses par trop deterministes. Regardons-y cependant de pn!s. Soit Je cas corse. De courtes periodes mises apart, l'ile n'a dispose de marine de commerce qu'a de bienrares moments. On ne peut cependant en deduire l'absence de vocation maritime. Existe, en effet, une intense emigration corse, precoce, durable vers d'autres horizons. La Corse fournit en elites navales, equipages et soldats aussi bien Marseille, la Provence et... les Etats barbaresques. Il est donc des "viviers" indirects dont il faut tenir compte: Corse, Sardaigne, Sicile, mais aussi, sous Ia banniere du grand Turc, l'ensemble des lies de Ia mer Egee, voire les hassins fluviaux du... sud de la Russie. Autre cas Iimite: l'Irlande. Cette lle a meme esquisse Je debut d'un phenomene explosif de projection atlantique, d'abord avec ses moines qui, a l'instar de saint Brandan, ont decouvert l'Islande avant ou en meme temps que les Vikings de Norvege. Transformee en veritable colonie anglaise au xvn· siecle- et colonie d'experimentation par excellencel'Irlande a suivi la "voie" corse. Elle a fourni a Ia France comme a l'Espagne nombre de grands negociants, de matelots, puis au xvm• siede, une bonne partiedes equipages de Ia Royal Navy, opposant, sur les champs mouvants des rencontres navales, des Irlandais a d'autres Irlandais. Le processus de montee en puissance autonome a ete, en ce cas, draine par des canaux differents d'autres finisterres. Iei Je retard politique et en partie Ia faiblesse de Ia vie urbaine, la differenciation religieuse ont annihile les tendances latentes. Apparait en ces deux cas un facteur limitatif specifique: il faut que la base demographique soit non seulement quantitativement suffisante, mais qu'elle Je soit au "bon moment".
Le dynamisme des finisterres europeens Distinguons trois grandes familles chronologiquement superposees: I) Ies finisterres a base demographique limitee (en gros les deux millions d'habitants de Ia Hollande, du Portugal comme du Danemark); 2) les finisterres dependants de grands Etats (France, Espagne); 3) Je finisterre anglais. Soit, en definitive, l'invraisemblable cöte a cöte des "petits" et des "grands", qui fut Ia caracteristique prolongee de l'ouest europeen. Entre eux, Je destin a longtemps hesite. Epuisante course-relais; les petits dominants (relativement) Je xvr• et Ia premiere moitie du xvn• siede. Le resultat final cependant s'inverse apres 1660 - pour peu de temps. Au xvm• siecle, c'est Je plus "petit": I'Angleterre, qui gagne Ia course. On a simplement change d'echelles de grandeur respective.
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C'est voir les choses avec l'reil des "prophetes du passe" qui savent Ia suite et le resultat... qui ne furent certains qu'apres l'epuisant duel de Ia "deuxieme guerre de cent ans", en 1815. Le xv1• siecle ouvrit Ia marche, en ouvrant I' immensite oceanique, a Ia suite du Portugal, dominant de leurs poignees de fer, sur fond de choc microbien et viral: le XVI• siecle est iberique, leguant son baroque, le ravitaillant tout au long des deux siecles suivants en heritage magnifie jusqu'au sublime, a toute l'Amerique latine. Eugenio d'Ors avait raison. A-t-on cependant assez remarque que les trois autres "bouts du monde", autres balcons sur l'infini imposerent a I'Amerique du Nord comme, en partie aux Carai'bes, les porte-drapeaux de ce qu'on a appele, faute de mieux, peut-etre, Je "classicisme" en partie neo-palladien? Est-il, en histoire, expression plus pertinente que Ia metaphore du balcon, pour Ia France en tout cas? Le semis urbain des grandes villes fran~aises a ete, en ce pays, peripherique maritime - et, paradoxalement, le demeure. Et c'est meme vrai, en partie, pour "les Allemagnes" du Saint Empire romain germanique ou les villes hanseatiques, heritieres durables de Ia civilisation hollandaise, s'etendant d'Amsterdam a Riga, prolongent, des siecles durant, et jusque y compris dans le II" Reich allemand, les fastes discrets des ports des "Buddenbrooks" (Thomas Mann) et du "Sommer in Lesmona" (Marga Berck). Aussi face a l'immensite des oceans et des mers "toujours recommencees", I'Europe s'est brodee une incomparable Iisiere de villes maritimes. Car ces finisterres, ces bouts du monde ont ete Ies butoirs auxquels, en fin de course, Ies peuples europeens ont cale, contre lesquels cette Europe en sa massivite continentale s'est heurtee, s'est mesuree, au moins dans les "premiers temps". Car demeure cet ocean, que faute de pouvoir encore traverser, Celtes et lberiques, gens de Bristol ou de Saint-Malo ont reve, y pla~ant les paradis a jamais perdus des outre-tombes enchanteresses, qu'illustrent, au musee Staedel de Francfort, le Paradisgärtlein de !'anonyme peintre du Haut-Rhin. Quitte d'ailleurs ä trouver Ia contre-partie magique et cependant realiste, dans "l'etemel" retour du mythe de Tristan vivant son amour- illegitime - dans sa mort, et retrouve trop tard par Yseult Ia blonde. La bordure europeenne a cree le premier grand mythe proprement europeen, et il est maritime. Ce ne fut, en realite, possible que parce que ces finisterres ont ete, de fait, perles enfilees cöte ä cöte sur le collier de Ia grande route, sans cesse gontlee au fil des siecles, joignant le nord au sud. C'etait l'echange des cereales, des poissons, des bois, des "foumitures navales" (on a dit alors des "munitions navales"), des fourrures, des metaux (cuivre, etain, fer) du Nord contre Je sei, l'huile d'olive, Ies vins, l'alun, et enfin, et peut-etre surtout, ces produits sophistiques du Sud-mirage de Ia Mediterranee occidentale: agrumes, oranges, citrons, statues de marbre d'une Italie de reve, mais de reve plutöt, en sa profondeur, sentimental (que l'on songe au romantisme allemand) d'Europe centrale. II y avait Ia de quoi, en fin de compte, irriguer et desenclaver lateralement des bouts du monde, ces rivages
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si souvent incertains. Rien de plus stable, en effet, tout au long de l'histoire, que ces sites de refuge et de defense decrits par Jules Cesar (!es Venetes au nom si proehe de l'Italie du nord-est). Le cas Je plus evident (pour ne pas tenir compte du site venitien) est Je "refuge" de Hollande - Je pays creux -, retranche töt, avec !es "gueux de Ia mer'' derriere !es marais de tourbe en premiere ligne de defense, cöte terre; des polders inondables en demier ressort. Sans cesse menaces par !es grandes catastrophes d'invasion marine, par !es transgressions ancestrales, ces paysages mouvants de refuge ont offert leurs abris difficilement attaquables. Saint-Malo a ete ile et La Rochelle s'est longtemps garde derriere ses remparts (enceinte double meme) retranches derrieres des marais plus ou moins organises. Qui dit sites naturels de defense, dit, a Ia longue, accumulation de richesses: ces bouts du monde etaient tout prets a recueillir l'or et l'argent des pillages d'Outre-Atlantique: ce sont autant de conditions prealables a l'envol par dessus !es ondes, comme, ensuite, au "decollage" economique et social, sur place, ulterieur. Thucydide avait raison: !es bouts du monde qui ont reussi a imposer leur deroutante suprematie ont ete ceux de populations faibles, mais denses, avec derriere elles, un continent en pleine ascension. Ces defenses naturelles renforcees avaient une bien autre efficacite que !es "longs murs atheniens". Font quelque peu exception !es "deux", voire !es "trois colonnes" des royaumes nordiques. Ce jusqu'a !'extreme. A l'oree de Ia Baltique, le double royaume du Danemark-Norvege se decompose en deux unites au fond disparates: I) le Danemark, gardien des detroits, sites strategiques par excellence, et d'autant plus menaces, contrölant longtemps, par !es peages du "Sund", Ia porte d'entree et de sortie de cette Baltique qui fut, en quelque maniere, l'equivalent de "notre" Proche-Orient petrolier; 2) accolee a lui, Ia Norvege, terre de matelots intrepides par excellence, par accumulation d'experience pluri-seculaires, sorte de Chili etire en mince bordure littorale d'un invraisemblable lacis d'archipels d'iles, de jardins d'ecueils. En un mot: Ia platitude du Jutland et de son archipel accole a !'abrupt montagnard glaciaire tombant tout droit dans Ies eaux si calmes de fjords pour plus sürement deboucher dans l'une des pires mers du globe (a l'exception de l'ocean glacial antarctique).
A Ia fin des fins, politiquement parlant, ce furent les Flächenstaaten nationaux, dynastiques qui l'emporterent, mais sans cesse reequilibres par le levain des bouts du monde devenus tremplin a l'echelle du globe. Ces demier ont logiquement developpe Ies diverses formes des capitalismes modernes et contemporains. Ne, ou ressuscite d'abord dans I'Italie des XIV• et xv• siecles, transmis par l'intermediaire d' Anvers par la dorsale rhenane et Ies convois cötiers de Venise (ou de Genes) a Ia Flandre, l'ouest europeen n'a cesse de Je (de les) developper: l'ouest toujours recommence. L'histoire de notre continent est, en verite, incessant mouvement de bascule entre Ies mondes aux contours vagues des mouvants espaces terriens toujours
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ouverts par Ia "porte des peuples" aux nomadismes ancestraux d'origine asiatiques ou encore, arabiques, renouvelee par !es grands et moins grands empires, et, face a eux, ces bouts du monde qui eux, ont su s'emparer des clefs d'OutreAtlantique, d'outre-mer. Ces bouts du monde ont apprehende, maitrise Je globe. La diplomatiedes divers equilibres europeens n'a ete, peut-etre, que Ia tentative desesperee, paradoxalement parfois- souvent- reussie, de stabiliser l'instable, l'opposition entre ces deux types d'Europe, l'une "massive", l'autre desenclavee, desenclavante.
L'avortement des Thalassocraties lies et finisterres peuvent permettre Je debut d'une projection de forces explosives, qui ne sont pourtant capitales qu'a nos yeux d'historiens- retrospectivement, j'ailais ecrire sentimentalement. En 700 les Norvegiens atteignent l'archipel des Shetland, puis en 800, les iles Faroe, en 874, l'Islande, et enfin, autour de l'an 984 le Groenland, et enfin, autour de l'an 1000, avec une centaine de personnes, Terre-Neuve (peut-etre anse aux Maedows? Vinland?). Les deux colonies de Ia pointe sud-ouest du Groenland (etablissement occidental) survecurent pendant cinq siecles pour disparaitre a Ia fin du Moyen äge sans laisser de traces ecrites, dans l'oubli de l'histoire. Les raisons de ce drame sont patentes: faiblesse extreme de Ia base demographique islandaise (30 000 habitants?) et groenlandaise (moins de 5000, dans le meilleur des cas), devalorisation des fondements des echanges (eiders, fourrures, ivoire etc., produits chers et peu volumineux), qui subissent des Ia fin du xm• siecle a Ia fois les consequences de l'affaiblissement generat de Ia Hanse comme Ia severe concurrence des produits similaires (fourrures) de l'espace russe. S'y ajoutent les consequences du refroidissement climatique provoquant l'avance des glaciers groenlandais comme de Ia banquise arctique (tout comme le rechauffement climatique des vr• au XI" siecle avait favorise Ia traversee de Ia "Mediterranee nordique"). Peut-etre, enfin, Ia "percee" economique des textiles europeens (des "industries" europeennes) a-t-eile fait disparaitre Ia raison d'etre de Ia decouverte comme du maintien des relations. Pour coiffer le tout, les inter-mariages ont joue leur röte en affaiblissant les "qualites" genetiques (?). Quoi qu'il en soit, il ne suffit nuilement de projeter au loin des groupes de populations, fussent-eiles nombreuses: au fond, le Canada originel jusque vers 1660 ne compte pas plus d'habitants que le Groenland norvegien. Il faut encore que le flux d'entretien demographique soit continu, que Ia natalite soit forte (eile depend en grande partie des possibilites familiales d'expansion alimentaire), que le climat s'y prete, qu'il existe assez de produits transportables rentables. L'on serait tente de comparer cette evolution regressive avec le developpement de Ia "Mediterranee atlantique" (Canaries, Acores et Madere). Ces archipels ont connu et ont ete connus et des Carthaginois (probablement) et des Ro-
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mains (sfirement) comme des "Andalous". Mais il n'en est rien resulte- moins que pour le Groenland, et a fortiori l'lslande. Faute, peut-etre, de motivations economiques suffisantes, ces archipels n'ayant rien d'autre a offrir que du bois, et un climat favorable. Il a fallu, au xv• siede, le moteur "sucre" pour Jancer ces archipels sucriers - et avec Je sucre, la traite negriere africaine. Du moins cette "Mediterranee" atlantique a-t-elle permis de mettre au point la navigation hauturiere par Je procede de Ia volta.
Contre-epreuve: I'Europe de I'Est Les espaces terriens de l'Europe de I'Est. Russes et Autrichiens sont des tard-venus parmi les puissances "maritimes", ce sous Ia houlette exclusive d'Etats centralises puissants. Ces deux empires ont cree comme point de depart obligatoire des flottilles de plus en plus puissantes de navires fluviaux. Exception la encore: en Russie, l'episode viking a pu etre qualifie de "projection par couloirs fluviaux", qui donnent naissance au royaume ephemere de Kiev. Les Varegues (de provenance suedoise) sont les createurs de Ia grande route commerciale nord-sud dite "route des Varegues aux Grecs" puis du royaume de Rus (VIII0 -XIe siecles), puis a l'apogee du royaume fluvial de Kiev (980-1054) qui disparaitra sous les coups des invasions successives des nomades de l'est, surtout des Mongois (123 7-1245), mais aussi par suite des morcellements internes. La regression qui s'ensuit ne laisse l'independance qu'a la ville de Novgorod "hanseatique". Puis tout s'efface au profit du royaume plus que terrien et contiDental de la Moscovie. Cette fois la percee a travers de l'immensite russe, avec son Opposition de plus en plus brutale entre !es sedentaires de la foret (et proteges par elle des raids de Ia cavalerie nomade) et Ies steppes, domaine par excellence du nomadisme, ne se fait plus du nord au sud, mais le noyau d'expansion initial est Ia region de Moscou. D'ou une double et- et parallele - demarche: vers le sud une ouverture fluviale le long de Ja Volga vers Ia Caspienne (1556-1590) et plus tard en direction du golfe de Finlande. L'empire hyper continental russe debouche, avec Pierre le Grand, sur Ia Baltique, mais d'abord par Ia maitrise fluviale et lacustre de ses flottilles de pirogues et de cannonieres du lac Palpus, du lac Ladoga et de leurs effluents ( 1702). La volonte de fer du prince cree Saint-Petersbourg, volonte affichee de rattacher Ia Russie, non seulement, comme on le dit toujours, au monde occidental, ses lois et ses genres de vie, mais au moins autant de la lier au grand commerce maritime international (ce que Ia Caspienne ne pouvait offrir). D'ou Ia naissance de Ia double marine russe: marine de "galere" de l'armee (de terre) de Finlande, et escadre de baute mer (idem en Suede, mais pour de toutes autres raisons). Plus que partout ailleurs, Ia volonte maritime du prince prime tout, et le sens du mouvement est tres clair: de l'interieur vers !es cötes aux eaux Jibres de glaces, au moins quelques mois, donc vers Ia haute mer, que ce soit Ia Baltique, et a Ia
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fin du xvm• siecle Ia mer Noire, toutes deux cependant mers interieures, dependantes etroitement des detroits des Belt ou du Bosphore. La volonte maritime est issue de l'imperieuse logistique terrestre: en ces espaces immenses, Je gel hivemal offre de loin meilleures possibilites de communication (face aux "raspoutitsas" des saisons intennediaires), !es fleuves sont !es seules routes susceptibles de ravitailler regulierement de grandes armees terrestres. Jamais l'impenneabilite - relative - des grandes masses terrestres n'est mieux apparue. Demonstration absolue. II en va de meme dans Ia monarchie habsbourgeoise de Ia peninsule balkanique. La reconquete de Ja Hongrie turque a partir de Vienne (siege de Vienne en 1683) et de Ia Hongrie autrichienne utilise Je reseau danubien. D'ou, comme en Russie, une flottille double: 1) de ravitaillement des armees terrestres dont l'avance meme est on ne peut plus etroitement conditionnee, comme dans !'Ukraine, par Je Danube, et 2) une flottille de rupture des points fortifies par des forts de barrage doubles des galeres fluviales de combat. Tout au long des xvm•, XIX• siecles et meme Ja premiere moitie du xx•, ces deux types de flottilles jouerent un röle capital, toujours mesestime; d'abord dans Ja conquete de Ia forteresse de Buda (1686), puis dans celle de Belgrade (1688). Rien de tel, absolument, quelques rares episodes mis apart (siege de Parisen 1870171, l'intervention prevue sur Je Pö etant rendue inutile par l'armistice de Villa-Franca en 1859), !es flottilles fluviales ont ete, en revanche, l'un des moyens de penetration coloniale idealen Afrique (au Senegal avec celle de Faidherbe) et l'exploit - sans Iendemain - de Marehand en I 898 a Fachoda. Ces flottilles ont joue de meme un röle eminent en Amerique du Sud, surtout dans !es guerres entre Je Bresil et I' Argentine d'une part, Je Paraguay de l'autre (1864- I-.870). Cette fois cependant, ces monitors cuirasses furent l'emanation des escadres maritimes. L'episode Je plus important fut cependant celui de Ja guerre de Secession americaine ( 1861-1865) pendant Jaquelle les combats !es plus decisifs se deroulerent sur Je Mississipi, et d'abord sur ses affluents (6 fevrier 1862 prise de Fort Donelson sur Je Columbia). L'Etat federe est coupe en deux par un mouvement convergeant du nord au sud et du sud au nord (prise au nord de l'ile fortifiee n° I 0: 7 avril 1862; rupture du barrage maritimo-fluvial par Je capitaine Faragut des forts de Ja Nouvelle-Orleans du 24 avril 1862). La jonction des deux branches du ciseau intervient avec Ia longue bataille de Vicksbourg ( 15 juillet 1862 au 4 juillet 1863) aboutissant au contröle absolu du Mississippi complete a partir de marsmai 1864 par l'aventure dramatique de la remontee de Ia Red River (affluent texan du Mississippi). Ces combats, negliges souvent dans !es histoires generales, ont ete, par moments encore plus acharnes, et a certains egards plus rapidement decisifs, que !es batailles navales maritimes proprement dites. Comme en Russie, Autriche ou au Bresil, ces campagnes remontent Je plus souvent de Ia mer vers I' interieur des terres; Ia difference entre cuirasses cötiers et monitors de rivieres etant des plus floues. D'ou leur emploi en 1914 sur les cötes de Flandres ou entre 1940 et 1942 de "l'Inshore Squadron" en Egypte et en Libye.
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Rien de plus oppose, en realite, au processus de projection explosif de force dans l'au-dela de l'ocean des "bouts du monde" analyse ci-dessus. Ce qui souligne l'importance de Ia mutation medievale. Les Varegues ont pu fonder leur route sur les drakkars et knörrs simplifies aptes non seulement a naviguer sur !es fleuves, mais encore a supporter le transfert par dela !es interfluves, il est vrai, de faible pente et de faible altitude.
En guise de conclusion... toujours provisoire S'opposent ainsi les "noyaux" maritimes a tres fortes opposition de caracteristiques, d'une part, et ceux des "couloirs fluviaux longitudinaux" de l'autre. Les seconds sont typiques des puissances continentales solidement etablies. Ils procedent des memes logiques et aboutissent aux memes consequences: logistique lourde liee aux difficultes de maitriser un espace terrestre de grandes plaines, terrain ideal pour les raids de cavalerie, terrain impossible pour les grandes armees (avant le chemin de fer); et ruptures de barrages fluviaux. L'on aboutit ainsi, a la constitution de deux types de penetration: 1) de l'interieur vers Ia mer: flottilles en quelque sorte d'exutoire et d'accompagnement et 2) de penetration plus logique de Ia mer vers l'interieur des terres. Resultat final: Ia formation de flottes cötieres issues des flottilles fluviales. Cette logique ne s'applique guere, en revanche, aux pays "equilibres" de l'Europe occidentale atlantique "moyens" (a nos yeux) des Flächenstaaten nationaux et dynastiques de l'ouest, voire du Saint Empire. Cas particulier que celui de Ia Hollande. Parce que pacifique, elle n'a pas eherehe a faire remonter a ses flottilles eventuelles de combat !es hassins fluviaux paralleles du Guadalquivir a Ia Neva: elle pouvait, en tout temps, compenser Ia perte de l'un par le remplacementdes autres. Les hauts fonds de ses deltas et de Ia Mer du Nord ont seulement impose la Iimitation des tirants d'eau des vaisseaux de ligne, partant de la puissance de leur artillerie. /dem pour le Danemark. En pariant sur le choix, technologiquement "meilleur", I' Angleterre et la France, optant sur des tirants d'eau eleves, ont de ce fait, Iimite drastiquement le nombre des ports de "secours" et de recueil en cas de defaite navale. II nous faut redire ici l'avantage ainsi assure au Royaume Uni ou abondent, tant en Manche que sur !es cötes de Ia Mer du Nord, les sites en eaux profondes aises a amenager. Rien de comparable en face, en France: rien a l'est de Brest. Au Havre, Colbert enregistre un echec total. II faut, a Dunkerque tout le genie de Vauban pour obvier au comblement nature[ de la fosse de Mardyck. C'etait, de fait, combinaison ingenieuse de plans de feux terrestres et de forts plaques en mer, ainsi que d'inondations virtuelles terrestres, pour permettre Ia projection au-dela de Ia fosse de Mardyck d'escadres eventuelles au !arge sans qu'une escadre de blocus puisse l'en empecher. Chef d'reuvre absolu - et de coüt
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proportionnel- a finalite de guerre de course d'escadres de navires ne depassant pas !es 50 canons. On comprend que ce pistolet braque sur Je creur du commerce de Ia Tamise ait determine l'Angleterre a exiger au traite d'Utrecht (1713) Ia destruction de Ia forteresse -l'une des plus coüteuse de France, parce qu'a Ia fois terrestre et maritime. Chef d'reuvre de portee limitee face aux rades de Plymouth et de Portsmouth. La nature est offre virtuelle: elle ne donne son plein rendement que dans des fourchettes technologiques plus ou moins !arges - ou etroites. Ce qui explique maintes erreurs et maints echecs. Le "mystere" souleve par Labourdette trouve cependant ici une autre clef. Les villes semi-independantes fran~aises ne disposaient, en realite, ni des capitaux, et encore moins de possibilites d'offrir des tirants d'eau suffisants pour pouvoir soutenir longtemps Ia concurrence des Etats-Nations. Ce furent, dans un premier temps, le Portugal de Henri le Navigateur et l'Espagne ... castillane; puis, dans un deuxieme temps !es provinces-villes unies des Pays-Bas, et, enfm, dans un troisieme temps le grand Etat suedois metallurgique, et bien plus encore, I' Angleterre et Ia France qui recueillirent l'heritage. C'est bousculement logique des rapports de forces sans cesse changeantes, vives, qui ne sont pas que materielles. Ce qui fit Ia force des petits noyaux explosifs (basque, breton, normand, hollandais, rochellais) s'est retourne contre eux, Ia technique evoluant de plus en plus rapidement. Les points de rupture: apparition, plus progressive qu'on ne l'a parfois dit, du vaisseau de ligne (1635-1690), puis le passage de celui-ci au cuirasse blinde a obus explosifs ( 1857-1890, voire 1905), enfin Ia montee en puissance de Ia combinaison du porte-avions couple au sous-marin nucleaire ( 1920-1970) marque, de plus en plus, Ia revanche des hyperpuissances (parce que continentales) sur !es bouts du monde autrefois si inventifs. Finalement se sont, plus probablement !es marines, tant de guerre que de commerce, qui ont, plus que !es armees de terre, modifies, au plus profond, !es rapports de force (toujours l'argent de Thucydide ... ), !es relations interetatiques des Europes, puis du monde "unifie" ou en train de tenter de Ia devenir, dans une diversite qui est Je contrepoids de Ja domination financiere, fiscale et technologique des tres grands Etats d'apres 1950, et d'apres 1989 (?). En attendant... parce que tout evolue, et comme l'affirmait Je philosophe grec, "tout coule" (panta rei).
Des princes europeens distingues par le pape: roses d'or, epees et chapeaux benits Par Lucien Bely, Paris Les structures politiques de I'Europe, pour l'epoque moderne surtout, sont au creur de l'reuvre de Klaus Malettke. II a etudie Ia conscience que les hommes d'autrefois avaient de l'Europe 1 et desrelationsentre les Etats, entre les nations, entre les princes2 • Dans l'Europe moderne, les souverains constituaient encore une forme de "societe"3• Si l'unite de Ia chretiente avait pris fin avec Ja Reforme, le souverain pontife continuait a exercer en Europe un röle important meme s'il declinaitl. Dans le petitmondedes princes catholiques, le pape appa-
Voir en particulier: Klaus Malettke (edit. ), Imaginer I'Europe, Paris 1998. Klaus Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge zum Einfluß und Außenpolitik in der Frühen Neuzeit, Marburg 1994; Klaus Malettke (edit.), Frankreich und Hessen-Kassel zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westtalischen Friedens, Marbourg 1999. 3 Lucien Bely, La Societe des princes, Paris 1999. 4 Sur Je souverain pontife, on pourra se referer a: Paolo Prodi, II sovrano pontifice, Bologna 1982. La cour pontificale est etudiee par: Henry Dietrich Fernandez, The Patrimony of St Peter. The Papal Courtat Rome ca. 1450-1700, in: John Adamson (edit.), The Princely Courts ofEurope 1500-1750. Ritual, Politics and Culture under the Ancien Regime, Londres 1999, pp. 140-163. Pour Ia diplomatie pontificale, voir: Bernard Barbiche, La diplomatie pontificale au XVUO siecle, in: Arrnees et diplomatie dans l'Europe du XVII" siecle. Actes du colloque de 1991 (Association des historiens modernistes des Universites, Bulletin 16), Paris 1992, pp. I 09-127; ainsi que: Alexander Koller (edit.), Kurie und Politik. Stand und Perspektiven der Nuntiaturberichtsforschung, Tübingen 1998. On aura aussi recours a: Pierre Biet, Histoire de Ia representation diplomatique du Saint-Siege, des origines a l'aube du xrx• siecle, Cite du Vatican 1982; et bien sfir a: Konrad Repgen, Die römische Kurie und der Westtalische Friede. Papst, Kaiser und Reich 1521-1644, Tübingen 1962. Pour l'evocation d'un conclave: Abbe Fr. Duffo, Un abbe diplomate, Paris 1928. Sur Je m!potisme, voir: 0/ivier Poncet, Antonio Barberini (1608-1671) et Ia papaute. Reflexions sur un destin individuel en cour de Rome au XVII" siecle, in: Melanges de I'Ecole fran~aise de Rome. Italie et Mediterranee 108 (1996), pp. 407-442. Dans son article, Olivier Poncet rappelle ces deux fonctions decrites parWolfgang Reinhardetrend hommage aux travaux de cet historien: Wolfgang Reinhard, Nepotismus. Der Funktionswandel einer papstgeschichtlichen Konstante, in: Zeitschrift fiir Kirchengeschichte 86 (1976), pp. 87-108; Wolfgang Reinhard, Papaute, confessions, modernite, Paris 1998; Wolfgang Reinhard, Papstfinanz und Nepotismus unter Paul V. (1605-1621). Studien und Quellen zur Struktur 1
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raissait encore comme le "Pere commun" qui donnait secours et conseils, transcendant !es interets individuels, regionaux ou nationaux, prenant en campte au moins l'Europe catholique, l'ensemble de I'Europe chretienne aussi, voire Je monde entier, adoptant une Iangue universelle qui repondait ainsi a Ia vocation universelle de Rome5 . Le pape distinguait egalement les princes et !es princesses chretiens en leur offrant une rose d'or, et destinait aux princes l'epee ou le chapeau benits. La rose d'or etait en effet donnee par le pape en signe de particuliere devotion a des sanctuaires ou a des cathedrales, mais aussi comme marque d'estirne et d'affection paterneUe a des souverains Oll a des souveraines, a des princes et a des princesses, a des capitaines ou a des personnages ayant bien merite du Saint-Siege, voire a des republiques ou a des cites illustres6 . Uneenquete a ete engagee par Charles Bums sur Ia rose d'or. Il n'est question ici que de suggerer une interrogation: les choix du souverain pontife permettent-ils, ou permettraient-ils, dans le cadre d'une recherche systematique, de deceler l'evolution des relations internationales en Europe? Cette distinction revelait-elle !es engagements de Rome dans l'Europe moderne?
A l'origine, Ia rose etait en or, teinte de rouge pour imiter Ia fleur naturelle, puis un rubis fut ajoute et ensuite d'autres pierreries; enfin cela devint un rameau epineux, avec du feuillage et au sommet une rose plus grande. II y avait aussi une petite cuspide cachee parmi les petales dans laquelle, pendant Ia benediction, le pape mettait le baume et le musc pour evoquer le parfum de Ia rose. und zu quantitativen Aspekten des päpstlichen Herrschaftssystems, 2 vol., Stuttgart 1974. Voir aussi: Vollcer Reinhardt, Kardinal Scipione Borghese (1605-1633). Vermögen, Finanzen und sozialer Aufstieg eines Papstnepoten, Tübingen 1984; Madeleine Laurain-Portemer, Absolutisme et nepotisme. La surintendance de !'Etat ecclesiastique, in: Etudes mazarines, Paris 1981, pp. 403-479. Pour connaitre !es rapports entre Ia France et Rome, deux theses magistrales: Alain Talion, La France et Je concile de Trente (1518-1563), Rome 1997; et: 0/ivier Poncet, La Papaute et Ia provisiondes abbayes et des eveches franr;:ais de 1595 a 1661, these preparee SOUS Ia direction deM. Yves-Marie Berce, et soutenue a l'Universite de Paris-Sorbonne (Paris-IV) Je 15 mai 1998. 5 Lucien Bely, Les princes et Je Pere commun, in: Gilles Deregnaucourt (edit.), Societe et religion en France et aux Pays-Bas, XV"-Xtx• siecle. Melanges en l'honneur d' Alain Lottin, Arras 2000. 6 Rosa d'Oro, in: Gaetano Moroni, Dizionario di erudizione storico-ecclesiastica, vol. LIX, Venise 1852. Je remercie vivement Philippe Boutry de m'avoir indique ce precieux article. Voir aussi: Charles Burns, articles "Chapeau et epee benits", "Rose d'or" in: Philippe Levillain, Dictionnaire historique de Ia papaute, Paris 1994; voir aussi : Charles Burns, Golden Rose and Blessed Sword Papal Gifts to Scottish Monarchs, Glasgow 1970; E. Müntz, Les epees d'honneur distribuees par !es papes pendant !es XIV•, xv• et XVI• siecles, in: Revue de l'art chretien 39 (1889), pp. 408-411; 40 (1890), pp. 281-292; E. Müntz, Les roses d'or pontificales, in: Revue de l'art chretien 44 ( 190 I), pp. 1-11; Elisabeth Cornides, Rose und Schwert im päpstlichen Zeremoniell. Von den Anilingen bis zum Pontifikat Gregors XIII., Vienne 1967; Lord Twining, European Regalia., Londres 1967.
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La fleur etait placee dans un vase d'or ou d'argent dore et, aux dires de Moroni, Ia base et les pieds de eet objet avaient des fonnes variees. La valeur de Ia rose ehangeait: Clement IX envoya par exemple a Ia reine de France et au dauphin une rose, fort lourde et fort chere, avee un preeieux saphir.
Le dimanche de Ia Rose Le pape, selon un rite qui remonterait a Leon IX (1049-1054), benissait Ia rose d'or Je dimanehe dit de Laetare, le quatrieme dimanehe de Careme, qui etait un jour d'allegresse. Ce dimanche prit aussi le nom de dimanehe de Ia Rose, en raison meme de Ia benediction de Ia rose d'or. Dans son Iivre sur Ia rose d'or de 1681, Carlo Cartari indiquait7 que Je pape, avant de quitter son appartement, appelait des eardinaux pour !es consulter afin de deeider a qui serait fait le present. La benediction avait lieu en presenee du Saere College des eardinaux, des ambassadeurs et des prelats. Selon Moroni, Ia rose aurait ete Iongtemps ointe de ehreme - il y avait eonseeration - et ee fut Je eas pour celle qui fut envoyee a Henri VIII, roi d'Angleterre. Mais Paul III mit fin a eet usage, rempla~ant Je chreme par Je musc, Je baume et l'encens- qui symbolisaient Ia bonne odeur du Christ. Elle etait aspergee d'eau benite- il y avait benedietion8 • Le pape se rendait dans Ia ehapelle sixtine ou dans Ia ehapelle pauline. Carlo Cartari indiquait que de son temps, Ia fin du XVII• siecle, il avait toujours vu Je pape porte sur Ia sedia gestatoria pour cette eeremonie. Il tenait alors Ia rose dans Ia main gauehe, pour, de Ia droite, benir les assistants ou Je peuple. Generalement une indulgenee pleniere etait oetroyee le jourOll Ia rose d'or etait remise. Le don de Ia rose s'aeeompagnait parfois d'un sennon, comme eelui d'lnnoeent III sur le dimanche de Laetare ou de Ia Rose, en tout eas d'une lettre a Ia prineesse ou au prinee distingue, qui mettait en valeur Ia signifieation symbolique de cette distinetion. C'est aNoel que l'epee etait benie par le pape, et souvent elle etait eonservee jusqu'au momentOll une deeision etaitprise quant a son destinataire- iJJa recevait donc l'annee qui suivait Ia bem!dietion. II n'est pas question de ehereher les origines de ees pratiques en suivant les deduetions de Moroni par exemple, mais plutöt d'emprunter les exemples qu'il a donnes pour l'äge moderne. Lui-meme avait utilise l'ouvrage de Carlo Cartari,
La Rosa d'oro pontificia, raconto istorico consagrato a Papa Innocenzo XI (Rome 1681 ). Cartari avait ete avocat eonsistorial et prefet des arehives du
7 Carlo Cartari, La Rosa d'oro pontificia, raconto istorico consagrato a Papa lnnocenzo XI, Rome 1681, p. 23. 8 Dans l'ouvrage de Cartari, p. 24, une citation de Christopharo Marcelli qui publia un "Ceremonial au temps de Leon X" evoque deja le baume, le musc et l'encens.
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Chateau Saint-Ange. L'autre reference etait Ie jesuite Antonio Baidassarri, La Rosa d'oro ehe si benedice nella IV domenica di quaresima da/ sommo Pontefice (Venise 1709).
Entre maison de France et maison d 'Aragon En 1490, Innocent VIII avait donne a I'envoye des rois catholiques une rose pour Ia reine de Castille, Isabelle, et non pour le roi d' Aragon, son epoux9• En 1491, Je roi d'Ecosse re9ut ce present, et l'annee suivante, ce fut Ie tour d'AIbert de Saxe et Ia Iettre pontificale voyait en lui Ia main droite de !'Empire. Guillaume de Hesse, revenant d'un pelerinage a Jerusalem, re9ut a Noel 1491 l'epee benite. Des son avenement en 1492, Alexandre VI donna, ou voulut donner, la rose d'or a I'empereur, et il se serait appuy~ -sur une tradition, tres hypothetique, seIon Iaquelle Ia premiere rose d'un pontificat etait accordee a I'empereur. En 1494, Ie roi de France Charies VIII eut cet honneur: il s'agissait de fortifier I'idee de combattre Ies Turcs et de l'eioigner de ses projets italiens. En 1495, ce fut Ie tour du doge Agostino Barbarigo. Il s'agissait encore d'une petite rose. En 1496, Fran9ois II Gonzague, marquis de Mantoue, fut aussi recompense pour sa Iutte contre Charies VIII. L'annee suivante, 1497, Gonzaive de Cordoue, "ii gran capitano", qui avait chasse Ies Fran9ais du royaume de Naples et pris Ostie, re9ut de grands honneurs a Rome. Seion une tradition, il aurait ete conduit au pape en consistoire et Ie pape Iui aurait donne Ia rose d'or en hommage a sa vaieur 10• En 1498, il sembie que Ie fils de I'empereur Maximilien, Philippe, ait ete Ie destinataire de Ia fleur d'or. Lors de l'annee sainte 1500, un grand cortege de cardinaux et d'ambassadeurs accompagna le pape qui alla a Ia rencontre de son fils Cesar Borgia, le declara porte-etendard (Vexillifer) et gonfalonier de I'Eglise, et, dans Ia chapelle pontificaie, Iui remit Ia rose d'or. L'octroi d'une rose a I'Egiise de Ia Vierge a Halle en Flandre est une tradition qui semble peu fondee, a moins que ce n'ait ete celle destinee a Philippe, Je fils de I' empereur Maximilien II. Alexandre VI donna l' epee et Je chapeau benits a Frederic d'Aragon, fils de Ferdinand Ier d'Aragon, plus tard roi de Sicile (1492), a Maximilien (1493), qui devenait empereur a Ia mort de son pere, a Ferdinand, duc de Calabre (1495) pour montrer que Je pape restait du cöte des Napoiitains face aux Fran9ais. En 1496, l'archiduc d'Autriche Philippe re9ut l'epee, puis en 1497, Ie duc de Pomeranie, qui revenait de Terre sainte. En 9 En 1493, soit un an apres Ia chute de Grenade, selon Moroni, en 1490, selon Carlo Cartari. 10 Elisabeth Cornides rappelle cette tradition mais conteste que Cordoba ait rer;u Ia rose. II Cornides, Rose und Schwert (voir note 6), p. 103.
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1498, Louis XII re9ut l'epee alors qu'il venait de monter sur Je tröne de Franee. Sous Alexandre VI, selon Elisabeth Comides, Je ehoix pour ees presents preeieux trahissait l'hesitation entre Ia Franee et I' Aragon, mais Je pape distinguait aussi ses parents, des personnages qui avaient un röle eertain dans Ies affaires italiennes (Mantoue, Venise), des membres de Ia maison de Habsbourg, pour honorer l'empereur et les siens.
L'echo des guerres d'ltalie Jules II donna Ia rose d'or, en 1504, a Ia republique de Genesdontune ambassade etait venue Je feliciter pour son exaltation, d'autant qu'il etait ne pres de Genes et de Savone. Ce pape distingua aussi Je roi de Pologne, Alexandre I"r (1505), Je roi de Portugal, Manuel (1506), pour Ia propagation et Ia defense de Ia foi eontre Tures et Sarazins, et Je due de Ferrare, Alphonse I"r (1508). En 1507, le pape distingua Ferdinand d' Aragon et aurait meme voulu le reneontrer a Ostie. L'annee suivante, Jules II offrit Ia rose au due de Ferrare, Je troisieme mari de Luereee Borgia. En 1509, Ia rose fut donnee au roi d'Espagne: ee geste etait peut-etre destine a Je rassurer sur Ia politique future de Ia papaute au moment oit eelle-ci s'engageait dans Ia ligue de Cambrai. En 1510, Henri VIII roi d' Angleterre fut honore de Ia rose d' or et e' etait pour Je pape un moyen de ehereher une proteetion eontre Ia puissanee fran9aise en Italie 12 . En 1512 enfin, Ia rose fut destinee a l'empereur Maximilien, mais il n'est pas sO.r qu' elle lui ait ete finalement attribuee. Quanta l'epee, Jules II l'offrit a Philippe d'Autriehe (1503) fils de l'empereur. Les annees suivantes, peut-etre fut-elle envoyee a Louis XII, puis a Henri VII d' Angleterre, avee l'idee de l'eneourager a Ia eroisade. L'epee, benie en 1506, parvint a Jaeques IV d'Eeosse en 1507 13 . Charles III de Savoie (1507), Je marquis de Montferrat (1508), Je roi de Hongrie Ladislas II (1509) furent d'autres destinataires de l'epee. Le pape etant tombe malade, il proeeda en 1511 a une double eeremonie, destinant une epee au eardinal Sehiner qui eommandait les troupes suisses 14 et une autre au viee-roi espagnol Raymond de Cordoue qui luttait eontre les Fran9ais. Leon X offrit Ia rose a Manuel du Portugal (1514). En 1515, Ia rose d'or aurait ete destinee a Fran9ois I"r, au moment oit il signait un traite de paix avee Je pape. Le pontife jugea que Ia rose n'etait pas digne de I'empereur et qu'il vaudrait mieux lui envoyer une epee. Une reeherehe fut menee pour savoir si
12 Ibid., p. 105; Carlo Cartari indique p. 98 que c'est Leon X qui a donne Ia rose d'or a Henri VIII alors que Maroni parle de Jules II. 13 Elle se trouve au musee d'Edimbourg. 14 Elle est au Landesmuseum de Zurich.
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Jules II avait vraiment honore ainsi l'empereur, mais finalement le pape ne fut pas convaincu, et Ia rose fut peut-etre destinee a Charles III, duc de Savoie ( 1517). En I 518, ce fut le tour de Frederic, duc de Saxe ( 1518), Je protecteur de Luther, et c'est un paradoxe. II s'agissait sans doute pour Je pape d'intervenir dans !es affaires de !'Empire et peut-etre dans l'election imperiale. Luther a rapporte que Frederic dechira le bref pontifical. En 1521, le duc de Savoie fut honore et une rose fut peut-etre envoyee a Henri VIII au moment oll il fut declare Defensor Fidei, Defenseur de Ia Foi. Une grande incertitude demeure quant aux choix faits au temps de Leon X: cela traduirait les hesitations du pontife, mais aussi Je caractere singulier de cette ceremonie. L'epee fut envoyee a Henri VIII (1513), au roi du Portugal, a Florence (1515), peut-etre a Fran~ois 1•r (1516) et, en 1517, eile fut portee par le cardinal Cajetan a l'empereur qui promit de se mettre, malgre son äge, en route contre !es Infideles. Jacques V eut peut-etre aussi une epee du pape 15 . Adrien VI aurait adresse Ia rose au roi de Pologne Sigismond 1•' (1523), ainsi qu'a l'archiduc Ferdinand d'Autriche qui allait gouvemer le Tyrol. Le pape destina l'epee a son ancien eleve, Charles Quint, en 1523. Clement VII distingua de nouveau Henri VIII (1524), Jean III de Portugal (1525) et, selon Cartari, Charles III de Savoie. En 1526, ce fut pour une confratemite qui se chargeait de celebrer Ia Passion du Christ par de grands spectacles, destines a frapper et a emouvoir Je peuple. L'annee suivante, le sac de Rome bouleversa le cours des choses. II fallut attendre 1532 pour une nouvelle ceremonie destinee a Ia Sainte Chapelle Saneta Sanctorum. L'epee fut offerte Ia premiere annee du pontificat a l'envoye imperial a Ia cour pontificale, qui avait grandement contribue a l'exaltation de Clement VII. En 1525, l'epee fut destinee au roi de Pologne. Pour 1526, ce fut l'envoye du roi du Portugal qui re~ut l'epee et pour 1528, Ie vice-roi de Naples, Philibert d'Orange. A Noel 1529, le pape et l'empereur Charles Quint se rencontrerent a Bologne: pour montrer qu'il voulait defendre Ia foi, Charles brandit trois fois son epee et il chanta "satis intellegibili voce" I'Evangile de Noel. Pour 1530, son frere Ferdinand, Ie roi de Romains, re~ut l'epee.
La Iutte contre les protestants Sous Paul III, Frederic II de Mantoue re~ut la rose en 1537 et le duc de Baviere en 1539 pour sa Iutte contre les lutheriens. Hereule II de Ferrare l'eut en 1543, ainsi que l'epee et le chapeau benits. Le pape s'etait rendu a Ferrare pour etre plus pres du lieu Oll se reunissait le concile. En 1548, un nonce fit ce present precieux a Catherine de Medicis ou a son beau-frere Fran~ois, frere aine du
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Burns, Golden Rose (voir note 6).
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futur Henri II, et cela traduisait une volonte de rapprochement avec Ia France. L'epee fut destinee au doge et a Venise pour 1535. L'epee destinee a Jacques V d'Ecosse lui fut envoyee en 1537, et pour 1537, le pape distingua Sigismond Ier de Pologne. Pour 1538, le pape hesita entre le marquis del Vasto qui s'etait illustre contre les Turcs et le duc de Baviere contre les lutheriens, le premier eut l'epee, le second Ia rose d'or. En 1547, Philippe d'Espagne, le fils de Charles Quint, eut l'epee. Autemps de Jules III, outre l'aine de Jean III du Portugal (1551), ce fut Marie Tudor qui eut Ia rose d'or et Je titre de Fidei Defensatrix, tandis que Philippe II avait l'epee et Je chapeau, octroyes pour 1554. Elisabeth Cornides voit Ia le moment clef: Ia rose serait desonnais destinee plutöt a une princesse, dont il s'agissait generalement de saluer lajeunesse, et l'epee irait aun prince. Paul IV donna Ia rose a Ia duchesse d' Albe afin de rendre hommage a son mari pour Ia guerre faite dans Ia campagne romaine. Sous Pie IV, en 1561, l'envoye Canobio gagna Vienne pour offrir Ia rose a Ia reine de Boheme, mais il avait surtout a mener des negociations en Allemagne a propos du concile. La Republique de Lucques eut ensuite ce grand honneur (1564) et Ia rose etait conservee dans un tabernacle avec deux clefs. Enfin ce fut le tour de Ia reine de France: Moroni evoque Je temps de Charles IX, mais il s'agit de Marie Stuart qui Ia re~ut le 17 aoiit 1560, a Fontainebleau. Le pape envoya une epee a Philippe II, a l'empereur Ferdinand et a l'infant Don Carlos. Pie V envoya Ia rose d'or a Jeanne, duchesse de Toscane, fille de l'empereur Ferdinand I•', ce qui montrait !es excellentes relations avec !es Medicis. En effet Je pape declara solennellement Cöme 1•' grand-duc de Toscane dans Ia chapelle Sixtine Je 5 mars 1570, lui donna, malgre Ia protestation de l'envoye imperial, Ia couronne ducale et Je sceptre, et enfin Ia rose d'or. Cöme 1•' offrit au pontife un calice d'or, cree par Benvenuto Cellini. Pie V envoya en 1567 l'epee qu'il avait benie a Nol!l 1566, a Sebastien de Portugal: l'epee symbolisait l' idee de croisade. Pie V etait soucieux de combattre l'heresie, en particulier apres le soulevement dans !es Pays-Bas en 1566. Comme !es gueux et Guillaume de Nassau avaient ete vaincus par le duc d' Albe, le pape envoya a ce dernier l'epee et Je chapeau benits en 1568. Maisen meme temps, face a Ia politique de terreur exercee par Je duc, il proposalt l'arnnistie 16 . Gregoire XIII souhaita recompenser Henri d' Anjou, elu roi de Pologne, Je futur Henri III, roi de France (1573), Je doge de Venise, Sebastien Venier (1577) mais il voulut aussi distinguer sa propre ville, Bologne, en 1578. Puis Je present alla a Marguerite d' Autriche, duchesse de Parme et de Plaisance ( 1579), et au sanctuaire de Lorette (1584). Eleonore de Medicis (Ia fille du grand-duc 16 Nicole Lemaitre, Saint Pie V, Paris 1994. ll ne semble pas qu'il ait envoye une rose d'or a Ia duchesse d'Aibe. Pastor aurait confondu celle-ci avec Ia duchesse d'Aibuquerque, epouse du gouverneur du Milanais qui re~ut Je present pontifical en 1569. S FS Malettke
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de Toscane) obtint Ia rose a l'occasion de son mariage avec Vincent Ier duc de Mantoue en 1584. Enfin, sans certitude, Elisabeth de Valois, reine d'Espagne, troisieme epouse de Philippe li, eut le precieux present. Le meme pape offrit peut-etre l'epee a Charles IX, roi de France, en tout cas au duc de Cleves, Charles-Frederic, a Nol!l 1575, peut-etre a l'empereur Rodolphe II, et des chapeaux furent donnes a Ferdinand de Tyrol en 1567 et 1581. Sixte Quint aurait envoye Ia rose a Ia veuve du grand-duc Cöme Ier (1586), et en 1589, il envoya epee et chapeau benits a Ferdinand I•r de Medicis, qui avait renonce a la pourpre, et epousait Christine de Lorraine, petite-fiile de Catherine de Medicis qui avait organise ce mariage 17 • La mariee eut une rose d'or. Peutetre fut-elle donnee aussi a Ia Casa de Lorette et a Jacoba, duchesse de ClevesJuliers. Sixte Quintdonna l'epee a Alexandre Famese (1587-1588), au grandduc de Toscane Ferdinand I•r (1589) et a Sigismond II1 de Pologne (1589). Gregoire XIV envoya l'epee a l'infant d'Espagne, plus tard Philippe III, en 1591, et Clement VIII fit de meme.
Le poids de Ia maison d' Autriche Sous Je pontificat de Clement VIII, Ia rose d'or aurait ete envoyee a l'imperatrice Anne d'Autriche 18, puis en 1593 au grand-duc de Toscane, Ferdinand 1•r. Ayant appris que Venise preparait Je couronnement solennel de Ia dogaresse Morasina Morosini, epouse du doge Marino Grimani, Je pape decida de lui envoyer une rose d'or. Un camerier secret, avec Je titre d'intemonce, Ia presenta Ia veille du couronnement, dans Ia basilique Saint-Mare. La dogaresse Ia garda chez eile, mais, apres sa mort, Je senat ordonna qu'eile fiit portee dans Je tresor de la basilique avec les autres roses offertes a des doges. En 1598, Clement VIII alla prendre possession du duche de Ferrare, et il celebra Je mariage de Philippe III d'Espagne, qui etait absent, et de Marguerite d' Autriche, fille de Charles de Styrie, qui, eile, etait Ia. Ce fut aussi l'occasion de celebrer le mariage de l'archiduc Albert qui etait present avec l'infante Isabelle-CiaireEugenie, fiile de Philippe li, qui etait, eile, absente, et Albert representait aussi Je nouvel epoux de Marguerite. Le pape s'avan~a vers l'autel sur Ia sedia gestatoria qui fut placee au milieu de l'autel. La reine fut appetee et eile s'agenouilla sur un coussin pour recevoir Ia rose 19• II offrit aussi en 1601 une rose a Ia Casa de Lorette, puis a Ia basilique vaticane.
17 Guy Antonetti, Medicis, in: Franfi:ois Bluche (edit.), Dictionnaire du Grand Siecle, Paris 1990, pp. llll-lll2. 18 Selon Moroni, mais il est difficile de savoir de qui il s'agit: l'archiduchesse Anne d' Autriche (1585-1618) n'epousa Matthias, Je futur empereur, qu'en 1611. 19 Cartari, La Rosa d'oro (voir note 7), p. 139.
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Paul V ne semble avoir offert des roses d'or qu'a des sanctuaires, mais il envoya une epee a Louis XIII (1615) et a Philippe IV d'Espagne (1618). Urhain VIII distingua Henriette-Marie de France: eile devait epouser CharJes 1•r d' Angleterre, Je fils de Jacques I"r, et avait deja quitte Paris: Ja rose lui fut presentee a Amiens. Dans ce demier cas, il s'agissait d'un encouragement pour favoriser Ia conversion des Anglais: "Quoique ils ne soient pas peu nombreux ceux qui, dans ce pays, se sont separes de Ia religion romaine, il n'en manque pas qui pourtant venerent l'autorite apostolique magistrale deIaverite divine".
La rose signalait que Ia reine Henriette avait une mission a accomplir pour l'Eglise universelle20. Ferdinand II, grand-duc de Toscane, eut Ia rose et lors de la ceremonie a Saint-Pierre tint Ia traine du manteau pontifical (Ia date donnee par Moroni ne correspond pas a celle donnee par Elisabeth Comides: 1624). Et en 1628, Ia rose fut pour Madeleine d' Autriche, Ia mere du grand-duc qui avait ete regente, avec sa belle-mere Christine de Lorraine. En 1631, ce fut le tour de Marie-Anne d' Autriche, fille de Philippe III d'Espagne, et epouse du futur Ferdinand III, empereur en 163721 : Ia rose lui fut presentee a Naples avant qu'elle ne passät sur les terres de l'Etat ecclesiastique. En 1631, Urbain VIII l'offrit a son neveu Taddeo qu'il avait fait prefet de Rome. En 1634, ce fut Ia basilique vaticane et l'annee suivante, on envoya le comte Antonio di Carpegna pour l'offrir a l'archiduchesse Marie-Anne d' Autriche, fille de l'empereur Ferdinand II, qui epousait son oncle, frere de sa mere, l'electeur de Baviere Maximilien. Urbain VIII envoya l'epee benite a Ladislas IV de Pologne. lnnocent X, en 1649, s'empressa d'envoyer Ia rose a Marie-Anne d'Autriche, fille de l'empereur Ferdinand III, qui passait a Milan avant de rejoindre Philippe IV d'Espagne qui devenait son mari. Le cardinal Ludovisi qui avait ete envoye a Milan fit un recit colore de Ia reception qui lui fut reservee. A l'entree de Ia ville, il quitta son carrosse et monta sur sa mule, il fut re9u avec faste et conduit a Ia cathedrale. La reine elle-meme, lui rapporta-t-on, etait passee dans une maison contigue de son palais pour voir passer le cortege. La cavalcade fut superbe et tous les corps constitues de Ia cite accompagnaient le Iegat. La reine etait sous un baldaquin, appuyee sur des coussins; le siege du Iegat fut place a Ia meme hauteur que celui de Ia reine. Il semble que ce ne soit qu'a Ia troisieme audience que le Iegat offrait !es presents du pape, car, avec Ia rose, Ia reine re9ut un "corps saint" et une couronne de Iapis-lazuli. La reine de Pologne, Louise-Marie eut Ia rose, et son second mari, Jean-Casimir, qui avait renonce a
20 "Quamvis enim non pauci isthic reperiantur, qui a Romana religione discesserint, non desunt tarnen multi qui divinae veritatis magistram Apostolicam authoritatem venerentur". Archivio Segreto Vaticano, Epistolae ad Principes 39, fol. 282v-283', cite par: Bums, Golden Rose (voir note 6), p. 45. 21 Carlo Cartari en faisait l'epouse d'Ernest, fils de Ferdinand li, et soulignait qu'elle etait fille, sreur, niece, cousine et femme de roi, et bru de l'empereur.
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Ia pourpre, eut l'epee et le Chapeau benits. Lucrezia Barberini qui epousait le duc de Modene en 1654 eut le meme honneur, ce qui montrait bien qu'alors Innocent X s'etait reconcilie avec Ja famille de son predecesseur. Dans Ia grande tourmente qui a frappe l'Europe, il semblerait que Ia papaute ffit plus encline a distinguer des princesses de Ia maison de Habsbourg. A travers ce geste symbolique, il faut deviner l'attention que portait Ia papaute a l'egard de l'action religieuse des princes, surtout dans cette nebuleuse des Habsbourg qui, au XVII" siecle, s'engageait dans Ia voie de Ia reconquete catholique dans !'Empire et dans les domaines hereditaires.
Les attentions a Ia maison de France Alexandre VIIdonna Ia rose asa patrie, Sienne. Ce pape offrit par l'intermediaire de son neveu, le cardinal Chigi, une rose a Marie-Therese et des langes benits pour le dauphin. 11 avait sans doute profite de Ia mission par laquelle le Iegat a latere avait presente ses excuses a Louis XIV pour l'affaire de Ia garde corse. En 1668, Clement IX envoya une rose d'or a Marie-Therese et cette fois pour le dauphin aussi qui avait ete baptise et dont le pape etait le parrain. 11 distingua aussi une eglise de sa patrie, Pistoia. Clement X fit porter Ia rose a Eleonore, reine de Pologne, et l'epee au roi Michel de Pologne. En 1684, Innocent XI, pour montrer sajoie apres Ia Iiberation de Vienne, qui avait ete assiegee par Ies Turcs et liberee en grande partie gräce a I' action de Jean Sobieski, envoya Ia rose d'or a Ia femme de celui-ci, Marie-Casimire de Ia Grange d' Arquien, et l'epee a Jean Sobieski lui-meme. Alexandre VIII envoya l'epee au doge Francesco Morosini. Innocent XII fit de meme en 1699 pour Amalia de Brunswick-Lunebourg qui epousait le roi des Romains, Joseph, fils de l'empereur Leopold I"r, et qui se trouvait aModene chez sa sreur. Le cardinal Boncompagno gagna cette ville avec une suite de 340 personnes. En arrivant sur sa mule, il fut re~u par le duc, au son des cloches et de l'artillerie. A Ia cathedrale, un TeDeum fut chante, puis ce fut Ia rencontre avec Amalia qui etait sous un dais et fit quelques pas au-devant de l'envoye pontifical: ils s'assirent sur des sieges egaux. Autre mariage, celui de Marie-Louise-Gabrielle de Savoie et de Philippe V, le nouveau roi d'Espagne: au nom de Clement XI, le cardinal Archinto fut charge de Ia saluer a Nice, mais attendit Ia troisieme audience pour lui donner Ia rose. Plus tard, en 1714, Ia seconde femme de Philippe V, Elisabeth Famese re~ut a son tour Ia rose d'or. La puissance encombrante de Louis XIV, puis Ia presence de Ia maison de Bourbon a travers ses rameaux d'Espagne, de Parme et de Naples, contraignirent peut-etre les papes a honorer plus souvent des princesses d'origine fran~aise. Clement XI offrit l'epee au prince Eugene de Savoie qui s'etait illustre contre les Turcs. Les papes auraient continue aussi a
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distinguer des villes et leur cathedrale: Innocent XII Naples, Clement XI Urbino, Benoit XIII, Benevent (1725), Capoue (1726), Urbino (1728), Genes (1729). En 1727, Ia belle-sceur du grand-duc de Toscane, Violante-Beatrice de Bavit!re, re~ut Ia rose de Monseigneur del Bufalo della Valle, generat de Ia poste pontificale. Ce demier re~ut de Ia princesse un service de campagne pour Je chocolat et Je cafe. Benoit XIII distingua d'une epee benite le grand maitre de !'Ordre de Malte, Vilhena (1725) et en 1726 Auguste de Saxe, roi de Pologne. Clement XII envoya Ia rose a Marie-Therese en 1739, fille de l'empereur Charles VI, future reine de Hongrie. En 1740, Benol't XIV voulut rendre hommage au roi Charles de Naples, fils de Philippe V, et il n'attendit pas le dimanche de Laetare: il envoya Ia rose a sa femme Marie-Amelie de Saxe, au moment ou cette demiere donnait naissance a une princesse. Le meme Benoit XIV gratifia du meme honneur sa ville de Bologne. Il distingua aussi le grand maitre de !'Ordre de Malte, Fonseca (1747), tandis que Clement XIII faisait de meme avec Venise et Je doge Fran~ois Loredan. Une meme ceremonie marqua en 1770 Ia reconciliation de Ia cour de Rome et de celle du Portugal, de Clement XIV et de Joseph de Portugal. Clement XIV distingua encore un grand maitre de Malte.
Trois archiduchesses Pie VI gratifia du meme present Parchiduchesse d' Autriche Marie-Christine qui etait venu a Rome avec son mari Albert de Saxe-Teschen en 1776, puis en 1780 l'archiduc Ferdinand, gouvemeur du Milanais et sa femme Marie-Beatrice de Modene, et encore en 1784, Parchiduchesse Marie-Amelie, sceur de l'empereur Joseph II, femme du duc de Parme, Ferdinand. En 1791, Je roi des Deux-Siciles Ferdinand IV et sa femme, Marie-Caroline d' Autriche, vinrent assister aux ceremonies de Ia Semaine Sainte, et Pie VI donna une rose d' or: ce pape avait ainsi donne trois roses d'or a trois archiduchesses d'Autriche. Il faut aussi rappeler que Ia politique religieuse et culturelle de Joseph li avait provoque des tensions entre Rome et Vienne. Pie VI en 1782 avait decide de faire Je voyage de Vienne: "L'accueil populaire fut un triomphe, tandis que Ia cour manifestait une deference polie et que Kaunitz faisait grise mine"22 . Le souverain pontife obtint le maintien de Ia bulle Unigenitus, montrant par Ia sa primaute en matiere doctrinale, et ne demanda pas l'abolition des reformes. La rose d'or avait ainsi conserve au cours des siecles sa place dans !es relations entre Je pape et !es maisons souveraines. L'objet etait beni, mais n'etait
22 Jean Berenger, Histoire de l'empire des Habsbourg, 1273-1918, Paris 1990, p. 512.
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pas sacre. II apportait aux politesses europeennes une touche de poesie narve que venait approfondir le symbolisme large de la fleur. La distinction que faisait le pontife etait d'ordre religieux et moral pour saluer une grande äme chretienne, mais les intentions politiques n'etaient pas absentes, qu'elles fussent exprimees ou sous-entendues. La decision pontificale saluait une action, une personnaHte ou un evenement a travers une personne, ce qui supposait une enquete dans le monde des princes. Et, meme si eile etait libre, cette decision subissait l'influence de l'histoire europeenne. La remise de la rose etait enfin l'objet de belles ceremonies ou l'Eglise employait un Iegat et ou eile savait entrainer un prince ou une princesse dans un espace singulier entre le rituel religieux et la ceremonie politique, comme dans le renouvellement d'une alliance mystique et particuliere entre le vicaire de Jesus-Christ et la puissance souveraine.
II. Frankreich und das Alte Reich: Internationale Beziehungen als geistige Auseinandersetzung a) Grundsatzdebatten über Verfassung, Recht und Staatswissenschaft
Montesquieu im Deutschland des 18. Jahrhunderts Bemerkungen zur Rezeptionsgeschichte
Von Horst Möller, München
Montesquieu war im Deutschland des 18. Jahrhunderts kein Unbekannter', ganz im Gegenteil zählte er zu den bekanntesten französischen Autoren: Französisch war die Sprache der Gebildeten und der Höfe, auch außerhalb Frankreichs wurden seine Werke meist in der Originalsprache gelesen. Die Aufklärung war eine europäische, eine kosmopolitische Bewegung, ihre großen Denker gehörten zwar einem spezifischen nationalen, zugleich aber einem umfassenderen, vor nationalen Grenzen nicht haltmachenden Diskurs an. Das Gespräch der Intellektuellen gewann kulturpolitisch eine ungleich größere Bedeutung als es offizielle bilaterale Beziehungen vennochten, die von dynastisch geprägter Machtpolitik innerhalb des europäischen Staatensystems geleitet waren. "Auswärtige Kulturpolitik" konnte es unter diesen Voraussetzungen nicht geben, sie war aber auch nicht notwendig, weil die "Gelehrtenrepublik" nicht national verengt war2• Übersetzungen sind ein zusätzliches Indiz dafiir, wie verbreitet ein Autor war. So erschien, wenngleich mit einer Generation Verspätung, 1760 eine Übersetzung der Lettres persanes ( 1721 ), der später eine Reihe weiterer folgten. Die Considerations sur /es causes de Ia grandeur des Romains et de /eur decadence (1734) erlebten nach der Erstübersetzung von 1786 zehn weitere deutschsprachige Ausgaben. Sein Hauptwerk De l'esprit des Iais (1748), das 1751 zunächst indiziert wurde, erfuhr die erste Übersetzung in die deutsche Sprache bereits wenige Jahre nach Erscheinen - unmittelbar, nachdem das Werk wieder vom Index genommen worden war, nämlich 1753. 1782 erfolgte eine weitere Übersetzung, und auch im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedene deutsche Editionen publiziert.
1 Rudolf Vierhaus, Montesquieu in Deutschland. Zur Geschichte seiner Wirkung als politischer Schriftsteller im 18. Jahrhundert, in: Ders., Deutschland im 18. Jahrhundert. Ausgewählte Aufsätze, Göttingen 1987, S. 9-32; Frank Herdmann, Montesquieurezeption in Deutschland im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, Hildesheim/Zürich/New York 1990. 2 Vgl. grundsätzlich mit neuerer Literatur: Horst Möller, Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1986 (4 1997).
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Schon lange vor den Übertragungen aber erschienen Rezensionen, lange vorher zitierten zahlreiche deutsche Autoren Montesquieus Werke. So brachte die Göttingisehe Zeitung von den gelehrten Sachen bereits ein Jahr nach der Publikation von De l'esprit des Iais eine Rezension. Von den frühen Aufklärern bis zu Hege) und dem Liberalismus des deutschen Vormärz ist Montesquieus Einfluß nachweisbar. Als Christoph Martin Wieland 1758 den Plan einer Akademie zu Bildung des Verstandes und Herzens junger Leute veröffentlichte, wies er der Lektüre Montesquieus einen prominenten Platz zu: Den Schülern der Akademie sollte der Esprit des Lois erklärt werden als ein Werk, "welches die wahren Schlüssel zu allen Gesetzen, die gründlichste Politik und beinahe Alles enthält, was von der Staatsverfassung, den Gesetzen, Sitten und der Religion aller Völker in allen Zeiten zu wissen der Mühe werth ist"3 . Goethe hat in seinen Anmerkungen zur Übersetzung von Le neveu de Rameau bemerkt, in welchem Maße es Montesquieu verstanden habe, den "Gehalt" und die "glückliche Behandlung desselben" zu verbinden, woran sich schon der Geist angekündigt habe, der den Esprit des lois hervorbringen sollte. Obwohl Montesquieu sich in seinem Erstlingswerk "einer leichten Hülle" bediene, mache er schon in den Lettres persanes seine Nation "auf die bedeutendsten, ja gefährlichsten Materien aufmerksam"4 . Und Hegel nannte in seiner Schrift Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts (1802/3) den Esprit des Iais ein "unsterbliches Werk", das auf "die Anschauung der Individualität und des Charakters der Völker gegründet" sei. Für Hege] bestand der Rang des Werkes darin, daß Montesquieu die "lebendige Individualität eines Volkes" in einer dialektischen Beziehung zur "allgemeineren Notwendigkeit" begriffen habe 5 . Hegels Montesquieu-Interpretation filhrte zu der späteren, durch Friedrich Meinecke rekonstruierten Entwicklungsgeschichte historischen Verstehens: Hier gehört Montesquieu neben Voltaire zu den Wegbereitem des modernen Geschichtsdenkens6 . Demgegenüber beurteilt das Staatslexikon von Rotteck und Welcker - das Grundwerk des deutschen Liberalismus in der Mitte des 19. Jahrhunderts - zwar Montesquieu kritischer, weil er die "ewigen Gesetze des Staates nicht erkannt [... ] die organischen und sittlichen Bande, welche 3
Christop Martin Wieland, Wieland's Werke, hg. von Heinrich Düntzer, 40. Theil,
Berlin o.J., S. 746.
4 Johann Wolfgang von Goethe, Gesamtausgabe der Werke und Schriften in zweiundzwanzig Bänden, Stuttgart o.J. (1950-1963), Bd. 14, S. 776. 5 Georg Wilhelm Friedrich Hege!, Werke in 20 Bänden, Red. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a.M. 1971, Bd. 2, S. 524. 6 Vgl. Friedrich Meinecke, Die Entstehung des Historismus, München 21946,
s. 118-120.
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Obrigkeit und Volk zusammenhalten, nicht durchschaut" habe. Doch sieht der Autor andererseits den Esprit des /ois als "unvergängliches Denkmal des Ruhms" von Montesquieu an7• Seiner Lehre von der Gewaltenteilung staatlicher Herrschaftsausübung (separation des pouvoirs) wird bleibende Bedeutung in den modernen Rechtsstaaten attestiert, insofern zählt der deutsche Liberalismus Montesquieu zu seinen Vätern, er- so urteilt das Staatslexikon- gehöre zu den Protagonisten fiir die Humanisierung des Staates und staatlicher Gewalt. Mit diesen Fundamentalprinzipien wurde Montesquieu ein herausragender Wegbereiter des modernen Rechtsstaats. Während des 18. Jahrhunderts gab es allerdings auch kritische Blicke auf Montesquieu. Sie betrafen vor allem seine Kirchenkritik, den Mangel an einem ausgefeilten System und schließlich seine Interpretation der Geschichte. Beispiele bilden etwa Johann Gottfried Herder und Justus Möser. Herder berichtete am 4. November 1769 aus Nantes: "Eben setzte ich mich in den Reisewagen nach Paris und lese nichts als Montesquieu unterwegens". Aus Herders Kritik an der Aufklärung entwickelte sich dann jedoch eine nachhaltige Auseinandersetzung mit ihren französischen Repräsentanten 8 . Bei Möser finden sich zahlreiche Hinweise auf die Lektüre von Montesquieus Hauptwerk, die teils zustimmend, teils kritisch sind, und sich dann meist auf historische Interpretationen beziehen9. In Deutschland galt und gilt Montesquieu aber nicht allein als einer der Vorreiter von Historismus und Liberalismus, sondern zugleich als glänzender Schriftsteller, der mit seinen Lettres persanes Europa begeisterte, zugleich aber die eurozentrische bzw. jeweilige nationale Perspektive durchbrach. Die Aufklärer bewunderten in Montesquieu den scharfen Satiriker der europäischen Gesellschaft des Ancien regime und Mitbegründer der indirekten politischen Kritik an der höfischen Gesellschaft und absolutistischen Herrschaft. Montesquieu galt insofern auch in der deutschen Aufklärung als ein Wegbereiter der politisch definierten Öffentlichkeit. Wie reagierten darauf die Fürsten? "Les rois seront peut-etre les demiers qui me liront; peut-etre meme ne me liront-ils point du tout. Je sais cependant qu'il en est un dans le monde qui m'a Iu et M. de Maupertuis m'a mande qu'il avoit trouve des choses ou il n'etoit pas de mon avis. Je lui ai repondu que je parierois bien que je mettrois Je doigt sur ces choses",
7 Kar/ von Rottec/(/ Kurt Welc/cer (Hg.), Das Staats- Lexikon. Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften fiir alle Stände, Bd. 10, Leipzig 3 1864, S. 214, das Zit. S. 219. 8 Johann Gottfried Herder, Journal meiner Reise im Jahre 1769, historisch-kritisch Ausgabe, hg. von Katharina Mommsen unter Mitarbeit von Momme Mommsen und Georg Wachert, Stuttgart 1976, S. 295-296; zu seiner kritischen Sicht von Montesquieu und der französischen Aufklärung: ibid., S. 232-234 (Nachwort). 9 Vgl. etwa Justus Mösers, Sämtliche Werke, 3. Abt., Geschichte und historische Einzelschriften, historisch-kritische Ausgabe, Bd. 12, I, Harnburg 1964, S. 280.
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so schrieb Montesquieu am 12. März 1750 an Guasco 10• Montesquieu spielte hier auf Friedrich II. von Preußen an. Montesquieu war ein Kritiker seines Vaters, Friedrich Wilhelm 1., dessen Militarisierung des preußischen Staates er auf seiner Deutschlandreise 1731 beobachtete und zutiefst mißbilligt hatte, er attackierte ihn heftig in seinen Reisetagebüchern 11 . Seinen Sohn und Nachfolger Friedrich II., den Philosophen auf dem Königsthron, bewunderte er jedoch. Leider kam es nie zu einer persönlichen Begegnung, nie auch zu Anziehung und Abstoßung dieser beiden Großen, wie etwa zwischen Friedrich und Voltaire. Ihr Gespräch blieb indirekt und markiert doch eine Zeitenwende: Denn wie anders kann man die tiefdringende Auseinandersetzung eines absoluten Monarchen mit dem Staatsdenker deuten, der die absolute Macht beschränken und ein Gleichgewicht der Gewalten herstellen wollte? Welche Rolle spielt die Verfassung des alten deutschen Reiches für einen solchen Diskurs? Haben wir mit Elie Carcassones Buch Montesquieu et le problerne de Ia constitution jran9aise au XVIIf siecle 12 schon seit langem ein fundamentales Werk für den unmittelbaren verfassungspolitischen Kontext Frankreichs unter Ludwig XV., in dem Montesquieus Werk entstand, so fehlt eine solche Untersuchung für Deutschland, obwohl auch die deutsche Diskussion über Montesquieu jeweils von der realen verfassungspolitischen Konstellation geprägt ist 13 . Tatsächlich weist auch die landständische bzw. reichsständische Verfassungsstruktur des Alten Reiches Analogien zum vorabsolutistischen Frankreich auf. Die Durchsetzung des fürstlichen Absolutismus vollzog sich in Deutschland in den Territorialstaaten, nicht aber im Reich. Die Berufung auf Montesquieu im Deutschland des 18. Jahrhundert beschränkte sich nicht auf seine Gesellschaftskritik, sondern konzentrierte sich mehr und mehr auf seine verfassungspolitischen Maximen. Dabei begegnet uns ein Paradox, in dem sich auf eigentümliche Weise traditionalistisches und modernes Denken verschränken: Als Kritiker des Absolutismus gilt Montesquieu zugleich als Vertreter landständischer Rechte. Im Alten Reich hieß das: der "teutschen Libertät", auf die sich die Stände, auch die Fürsten gegenüber dem Kaiser beriefen. Indem diese ständischen Freiheiten aber unter dem Aspekt der Gewaltenteilungslehre inter-
10 In: Montesquieu, ffiuvres completes, hg. von. Andre Masson, Paris 1955, S. 1289 (Nr. 536). 11 Montesquieu, Voyages, in: ffieuvres completes, hg. von Roger Caillois, Bd. I (Bibliotheque de Ia Pleiade), Paris 1949 (ND 1996), S. 847; vgl. auch Louis Desgraves, Montesquieu, Frankfurt a.M. 1992 (zuerst Paris 1986), S. 218. 12 Paris 1927. 13 Vgl. grundsätzlich Klaus Malettke, Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge zum Einfluß französischer politischer Theorie, Verfassung und Außenpolitik in der Frühen Neuzeit (Marburger Studien zur neueren Geschichte 4), Marburg 1994, insbes. S. 373-375; Ders., Altes Reich und Reichsverfassung in der französischen Enzyklopädie, in: ZNR 9 (1987), S. 129-151.
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pretiert wurden, bereiteten sie den modernen Verfassungsstaat auch in Deutschland vor. Montesquieus Kritik am Absolutismus besaß also eine doppelte Zielrichtung. Friedrich der Große war ein Bewunderer Montesquieus. Schon 1746 hatte er in einem frühen Fragment seiner Histoire de mon temps erklärt: Die Zeitgenossen hätten keinen Geschichtsschreiber, der Thukydides gleichwertig sei. Indes habe Frankreich einige historische Werke von Rang hervorgebracht, "surtout !es raisons de Ia decadence de l'empire romain, sont d'une beaute achevee. Ce demier ouvrage est Ia quintessence de tout ce que l'esprit humain peut imaginer de plus philosophique sur Ia politique romaine, il explique Ia raison de tout; ce Iivre et !es Jettres persanes, tous deux du meme auteur, sont peut-etre !es uniques au monde ou il y ait moins de mots que de pensees, et qui soient aussi petillants d'esprit sans se dementir jamais"l 4 .
Es ist bemerkenswert, daß noch im 20. Jahrhundert einer der fuhrenden deutschen Althistoriker, Alfred Heuss, zu dem Schluß gelangte: "Montesquieus Fragestellung und zum Teil auch die Antworten sind trotz mangelnder Unterbauung durch empirische Forschung noch heute aktuell" 15 • Noch mehrere Jahrzehnte nach seiner ersten Lektüre der Considerations beschwor der preußische König in der Streitschrift De Ia Iitterature allemande 1780 das Vorbild Montesquieus: "Les Fran.yois pourront nous foumir !es Pensees de La Roche-Foucault, les Jettres Persanes, !'Esprit des lois. Tous ces Iivres que je propose, Ia plupart ecrits en style sententieux, obligeront ceux qui !es traduiront, a fuir !es termes oiseux et !es paroles inutiles" 16
Weiche Begeisterung Friedrich der Große fiir die Lettres persanes hegte, ging allein schon daraus hervor, daß er sich noch im Alter von 72 Jahren 1784 ein neues Exemplar besorgen ließ, da das alte zer'lesen war 17 . Die Considerations gehörten zu denjenigen Werken, die sich der greise und kranke König noch im Jahr vor seinem Tode 1785 vorlesen ließ, ohne die gewöhnlich fiir ihn charakteristischen kritischen Bemerkungen zu machen 18 .
14 Frederic Jl, Histoire de mon temps (Redaktion von 1746), hg. von Max Posner, Leipzig 1879, Bd. 5, S. 195-196. 15 Alfred Heuss, Römische Geschichte, Braunschweig 2 1964, S. 512. 16 Oe Ia Iitterature allemande, Berlin 1780, S. 18 (ND Darmstadt 1969 u.d.T.: Friedrich der Große, Oe Ia Iitterature allemande). 17 Lothar Schuckert, Einleitung, in: Charles de Secondat, Baron de Ia Brede et de Montesquieu, Größe und Niedergang Roms. Mit den Randbemerkungen Friedrichs des Großen, übers. u. hg. von Lotbar Schuckert, ergänzte Neuausg., Frankfurt a.M. 1980, S. XXII. 18 lbid., S. XXIII.
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Auf Vorschlag von Maupertuis, ihrem Präsidenten, nahm Friedrich II. Montesquieu am 30. Juni 1746 in die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften auf1 9 . Durch Johann Peter Süßmilch, Begründer der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland, wurde Montesquieu aber auch selbst zum Thema der Akademiearbeit, hielt dieser doch 17 59 einen Vortrag Über Montesquieu 's Behauptung, betreffs der Population Deutschlands zur Zeit Julius Caesar 's20. Dies war insofern nicht verwunderlich, als Süßmilchs bahnbrechende Arbeiten durch Montesquieu, insbesondere sein Hauptwerk De l'esprit des lois, Anregungen erfahren hatten. Eine besonders intensive Beschäftigung Friedrichs II. läßt sich fiir die Considerations nachweisen, hat er seine Ausgabe, die auf abenteuerliche Weise nach Frankreich gelangte, doch fortlaufend mit Marginalien versehen. Die Lektüre Montesquieus und eigene historisch-politische Versuche Friedrichs II. standen in Wechselwirkung: So korrespondieren die 1734 publizierten Considerations sur /'etat present de /'Europe, die Friedrich 1738 als preußischer Kronprinz verfaßte, mit den Considerations von Montesquieu (1734). Der 1740 anonym mit Modifikationen und einem Vorwort von Voltaire publizierte AntiMacchiave/1 verschaffte Friedrich sogleich die Anerkennung der zeitgenössischen Kritiker des Absolutismus und leitete eine Reihe von Texten Friedrichs ein, die beweisen, daß er so intensiv wie kein zweiter König seiner Zeit über Wesen und Formen monarchischer Herrschaft reflektierte21 . Solche Überlegungen berührten die Thematik des 1748 publizierten Hauptwerks Montesquieus. Allerdings war Friedrich inzwischen nicht mehr Kronprinz, sondern selbst König, der das Spannungsverhältnis von Aufklärung und Absolutismus in der eigenen Herrschaft verkörperte. Die Kritik, die er noch 1738 und 1740 an Ruhmsucht und Eitelkeit der Herrscher geübt hatte, machte nach der Thronbesteigung 1740 einer nüchterneren Betrachtung Platz, die von Zynismen nicht frei war. Da Friedrich II. Montesquieus Considerations mehrfach gelesen hat, lassen sich seine Marginalien nicht genau datieren22 , doch spricht einiges dafiir, daß sie aus verschiedenen Jahren stammen, seiner Rheinsherger Kronprinzenzeit und den ersten Jahren seines Königtums. Friedrichs li. Marginalien zu den Considerations sind in dialogischer Form verfaßt, die fiir viele Autoren der deutschen Aufklärung, beispielsweise Lessing, 19 Adolf Harnack, Geschichte der Königlich preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. I, I, Berlin 1900, S. 474. 20 Ibid., S. 460. 21 Vgl.: Horst Möller, Friedrich der Große und der Geist seiner Zeit, in: Johannes Kunisch (Hg.), Analeeta Fridericiana (ZHF Beiheft 4), Berlin 1987, S. 68. 22 Vgl. : Schuckert, Einleitung (wie Anm. 17), S. XIII-XV (auf der Grundlage von Forschungen Max Posners).
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charakteristisch ist. Kaum zufällig hat der preußische König selbst seine Werke einmal mit "Tischgesprächen" verglichen. Die Dialogform begegnet im doppelten Sinn, einmal im Formalen der Anrede: Immer wieder kommt es vor, daß Friedrich in seinen Marginalien Montesquieu direkt anredet, beispielsweise in bezug auf dessen kritische Einschätzung Caesars, die Friedrich II. ganz und gar nicht teilt, wie mehrere Marginalien belegen: "Lisez Bayle, Vie de Cesar; vous y trouverez des raisons curieuses"23 . Zum anderen läßt sich Friedrich, fiir den Lesen Denken bedeutete, durch die Lektüre zu eigenen Werken anregen. Dies gilt nicht allein fiir Voltaire, mit dem er in ständigem schriftlichen und persönlichen Austausch stand, sondern auch fiir Montesquieu, den er nie gesehen und dem er nie geschrieben hat. Trotzdem aber finden sich korrespondierende Passagen in Montesquieus Considerations und in Friedrichs Antimachiave!f24 . Montesquieus Hauptwerk De l'esprit des Iais hat den König zu seiner Abhandlung Über die Gründe, Gesetze einzuführen oder abzuschaffen (1749)25 angeregt. Zur gleichen Zeit hat er seinem Rechtsreformer Cocceji den Auftrag erteilt, den Entwurf eines Allgemeinen Landrechts fiir die Preußischen Staaten zu erarbeiten. Wenngleich diese Rechtskodifikation erst nach Jahrzehnten in vielfach modifizierter Form realisiert wurde, so bildete die aufgrund königlicher Direktive später öffentlich gefiihrte Diskussion über das Gesetzeswerk doch einen Markstein in der Aufklärung des Absolutismus 26 . Die insgesamt 53 Marginalien Friedrichs des Großen, die er durch zahlreiche Anstreichungen ergänzte, sind mit Ausnahme vor allem der schon erwähnten kritischen Bemerkungen zum Caesar-Bild Montesquieus in der Regel zustimmend. Charakteristisch aber ist, daß Friedrich mit vergleichbarer Prägnanz wie Montesquieu immer wieder historische Analogien nennt. Sie stehen im Zusammenhang mit Friedrichs Neigung, aus historischen Beispielen abstrahierend generelle Maximen abzuleiten. Sie dienen der politischen Nutzanwendung aus der Geschichte, war Friedrich doch - wie die meisten Aufklärer überzeugt - die Geschichte sei die Lehrmeisterin der Könige. Ciceros Devise "Historia magistra vitae" findet sich in mannigfachen Formen immer wieder in
23 Max Posner, Die Montesquieu-Noten Friedrich's li., in: HZ 47 (1882), S. 193288, hier S. 275. 24 Vgl. Gustav Berthold Volz (Hg.), Die Werke Friedrichs des Großen, Bd. 7, Berlin 1912, S. 48, ibid.; Kap. XII und: Charles-Louis de Secondat de Montesquieu. Considerations sur les causes de Ia grandeur des Romains et de leur decadence, Paris 1734, Kap. XI über die Überlegenheit der aus Bürgerkriegen hervorgehenden Staaten. 25 Ibid., Bd. 8, Berlin 1913, S. 22-39. 26 Vgl. u.a. : Horst Möller, Wie aufgeklärt war Preußen, in: Hans-Jürgen Puhle/HansUirich Wehler (Hg.), Preußen im Rückblick (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 6), Göttingen 1980, S. 176-201.
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seinen Texten. Und ebenso teilt Friedrich Montesquieus auf den Historismus vorausweisende Einsicht, daß jeder Staat seine spezifischen historischen Bedingungen besitze. Das große Lehrstück des 18. Jahrhunderts bildet von Montesquieu bis zu Friedrich dem Großen und Edward Gibbon der Aufstieg und Untergang des Römischen Reiches. Wie seine politischen Traktate und zum Teil seine Politischen Testamente enthalten die Marginalien Friedrichs oftmals Sentenzen, die dem Genre der frühneuzeitlichen "Fürstenspiegel" zugehören. Die historisch-politischen Erfahrungen werden reflektiert, auf Analogien hin überprüft und zu Maximen fiir das politische Handeln geformt. Ein Beispiel dafur bildet die Marginalie 38:
"Maxime excellente, et qui se reduit a ne jamais changer rien dans un gouvemement, avant que de savoir par l'experience ce qui pourrait convenir a Ia nature de cet Etat ou ce qui lui pourrait etre contraire; ne se point preoccuper pour ou contre ce qui est etabli; voir tout par ses yeux, juger par soi-meme et n'introduire ensuite que ce que Ia raison veut qu'on change ou qu'on se corrige" 27 .
Ohne Zweifel wäre es reizvoll gewesen, die beiden Großen im unmittelbaren Gespräch, im unmittelbaren Briefwechsel zu erleben. Vielleicht wäre es dazu gekommen, wenn Montesquieu seine 1748 gegenüber Maupertuis geäußerte Absicht wahrgemacht hätte, dem König ein Faß Wein aus eigener Produktion zu senden. Doch verschob er dies immer wieder: "Comme Je vin n'etait pas pour lors de bonne quallite, jay differe jusqua present que je crois l'annee melieure" (14. Mai 1748).
27 Vgl. im übrigen grundsätzlich: Stephan Skalweit, Frankreich und Friedrich der Große. Der Aufstieg Preußens in der öffentlichen Meinung des "ancien regime" (Bonner Historische Forschungen 1), Bonn 1952.
Naturrecht in der Encyclopedie• Von Peter Schröder, Paris/London Das ,moderne' Naturrecht, das vor allem durch Hugo Grotius, Samuel Pufendorf, Christian Thomasius und Christian Wolff ausgearbeitet worden ist, war von prägendem Einfluß auf die staatsrechtlichen, politischen und moralphilosophischen Theorien des 17. und 18. Jahrhunderts. Wie kein anderer deutscher Gelehrter hat Pufendorf die europäische Rechtsphilosophie des 17. und frühen 18. Jahrhunderts beeinflußt, und es greift zu kurz, wenn man behauptet, "l'originalite de Pufendorf est d'occuper en son siecle Ia place d'un mediateur" 1• Denn neben der letztlich zwischen Hobbes und Grotius vermittelnden Position Pufendorfs war es auch die selbständige Bedeutung seines Werkes2, die ihm einen signifikanten und vermutlich den nachhaltigsten Einfluß der deutschen Naturrechtslehrer auf die Moral- und Staatsrechtsphilosophie französischer Provenienz einräumte. Zur ungewöhnlich weiten Verbreitung von Pufendorfs Werk in Frankreich trugen insbesondere die Übersetzungen des hugenottischen Flüchtlings Jean Barbeyrac bei3 .
* Die notwendigen Recherchen fiir diese Studie wurden m1r 1m Rahmen eines Stipendiums durch das Deutsche Historische Institut Paris ermöglicht. FUr die gastfreundliche Aufuahme am Institut, sowie fiir die materielle Förderung möchte ich an dieser Stelle ausdrUcklieh danken. 1 Sirnone Goyard-Fabre, Pufendorfet le droit nature!, Paris 1994, S. 44. 2 Vgl. aus der umfangreichen Literatur zum wesentlichen Diskussionsstand der Forschung vor allem: Hans Wetze/, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, Berlin 1958; Leonard Krieger, The Politics of Discretion: Pufendorf and the Acceptance of Natural Law, Chicago, London 1965; Horst Denzer, Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf. Eine geistes- und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung zur Geburt des Naturrechts aus der Praktischen Philosophie, München 1972; Fiammetta Palladini, Samuel Pufendorf Discepolo di Hobbes. Per una reinterpretazione del Giusnaturalismo modemo, Bologna 1990; Thomas Behme, Samuel von Pufendorf: Naturrecht und Staat, Göttingen 1995; Detlef Döring, Pufendorf-Studien. Beiträge zur Biographie Samuel von Pufendorfs und zu seiner Entwicklung als Historiker und theologischer Schriftsteller, Berlin 1992; und Fiammetta Palladini!Gera/d Hartung (Hg.), Samue1 von Pufendorf und die europäische Frühaufklärung, Berlin 1996. 3 Vgl. Sieglinde C. Othmer, Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa. Kultur- und sozialgeschichtliche Studien zu Jean Barbeyracs Pufendorf-Übersetzungen und eine Analyse seiner Leserschaft, Berlin 1970; Klaus Luig, Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 60 (1972), S. 539-557 6 FS Malettlte
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Peter Sehröder
Der fiir die deutsche Entwicklung wichtige Hallenser Gelehrte Christian Thomasius, der einer der engsten Schüler und Freunde Pufendorfs war, hat mit seinem Werk dagegen kaum über den deutschen Sprachraum hinaus gewirkt!. Desto auffälliger ist es daher, wenn nicht Pufendorf sondern Thomasius in der Encyclopedie ein besonderes Lemma von über zehn Seiten gewidmet wird, in welchem sein Werk langatmig besprochen wird 5 . Die Ausführlichkeit und die Autorschaft dieses Artikels ist nicht zu erklären. Daß es sich bei dem Text in der Encyclopedie um eine Übersetzung und Zusammenfassung von Johann Jakob Bruckers Historia critica philosophiae handelt, scheint mir hingegen von Häusser überzeugend nachgewiesen6 . Warum aber dieser schwerfällige Artikel in die Encyclopedie überhaupt aufgenommen wurde, "remains a mystery" 7 . Für den hier diskutierten Zusammenhang ist nur allgemein festzustellen, daß sich in ihm keine bemerkenswerten Einlassungen zum Naturrecht finden, abgesehen von der Tatsache, daß auch hier die Kontinuität der modernen Naturrechtstradition von Grotius, über Pufendorfzu Thomasius aufgezeigt wird8 . Nicht zuletzt durch die Übersetzungen Barbeyracs muß Pufendorf - und nicht etwa Thomasius, wie das aufgrund des Artikels über ihn naheliegen könnte - als der maßgebliche Autor angesehen werden, der die konkreten rechtsphilosophischen Inhalte für die Rezeption des Naturrechts in der Encyclopedie durch seine Werke bereit stellte9 . Das Verhältnis zwischen Pufendorf
und Timothy Hochstrasser, Conscience and Reason: The Natural Law Theory of Jean Barbeyrac, in: The Historical Journal 36 (1993), S. 289-308. 4 Vgl. allerdings die wichtigen Hinweise von Dufour, der auf "die bisher wenig beachtete Einwirkung von Thomasius (... ], die vor allem bei den BegrUndem der ,Ecole romande', Barbeyrac und Burlamaqui, zutage tritt" aufmerksam machte. A/fred Dufour, Die Ecole romande du droit nature! - ihre deutschen Wurzeln, in: H. Thieme (Hg.), Humanismus und Naturrecht in Brandenburg-Preußen, Berlin 1979, S. 133-143, hier S. 136. Allgemein zu Thomasius vgl. Friedrich Vo/lhardt (Hg.), Christian Thomasius (1655-1728). Neue Forschungen im Kontext der Frtihaufklärung, TUbingen 1997 und Peter Schröder, Christian Thomasius zur Einfiihrung, Harnburg 1999. 5 (Anonym], Thomasius, in: Encyclopedie, ou Dictionnaire raisonne des sciences, des arts et des metiers, Bd. 16, Neuchätel 1765, S. 284-294. 6 Hartmut Häusser, The Thomasius' article in the Encyclopedie, in: Studies on Voltaire and the eighteenth century 81 ( 1971 ), S. 177-206. V gl. auch Max Fleischmann, Christi an Thomasius. Leben und Lebenswerk, Halle 1931, S. 159f. 7 Häusser, The Thomasius' article (wie Anm. 6), S. 205. 8 Vgl. (Anonym], Thomasius (wie Anm. 5), S. 284. 9 Jacques Proust, La contribution de Diderot a l'Encyclopedie et !es theories du droit nature!. in : Annales historiques de Ia Revolution franyaise 35 (1963), S 257-286, behauptet S. 274 etwas vereinfachend, .,il n 'est pas necessaire d'insister tn!s longuement sur !es autres jurisconsultes que Diderot a Jus ou a pu Iire. La plupart des idees qu'on rencontre dans leurs ecrits sont en effet dans Grotius et dans Pufendorf".
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und seinem französischen Übersetzer gilt es hierbei zu beachten1°; zu diesem Fragenkomplex liegt mit der Studie Othmers bereits eine hervorragende Arbeit vor. Insgesamt wird das allgemeine Urteil, daß die Tradition des Naturrechtsdenkens in Frankreich lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt habe, zu modifizieren sein. Es trifft zwar zu, daß vor allem in England, Schottland und Deutschland das Naturrecht eine fundamentale Bedeutung für die Entwicklung säkularer Gesellschafts- und Moralvorstellungen hatte, aber es läßt sich ebenfalls zeigen, daß diese Tradition auch für den philosophischen und moralwissenschaftlichen ,Diskurs' in Frankreich von entscheidender, wenn auch sublimer angelegter Bedeutung warll. In dem hier verbleibenden Raum soll der Einfluß und die spezifische Rezeption des Naturrechts beziehungsweise naturrechtlicher Versatzstücke bei einigen der bedeutendsten Autoren der französischen Encyclopedie untersucht werden. Denn obwohl in der Forschung "die Einzigartigkeit'