Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht der Europäischen Union [1 ed.] 9783428554300, 9783428154302

Die Arbeit untersucht die vom europäischen Sekundärrecht geschaffenen Möglichkeiten für Dritte, sich im Vorfeld von Verw

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German Pages 353 Year 2018

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Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht der Europäischen Union [1 ed.]
 9783428554300, 9783428154302

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Schriften zum Europäischen Recht Band 181

Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht der Europäischen Union

Von Carina Behre

Duncker & Humblot · Berlin

CARINA BEHRE

Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht der Europäischen Union

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 181

Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht der Europäischen Union

Von Carina Behre

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-15430-2 (Print) ISBN 978-3-428-55430-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85430-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Juristi‑ schen Fakultät der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich in dieser für die Drucklegung überarbeiteten Fassung auf dem Stand von Oktober 2017. Die Arbeit entstand in meiner Zeit am Lehrstuhl von Professor Dr. Thomas Groß, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung am European Legal Studies Institute Osnabrück. Die konkrete Idee für die Untersuchung von Drittbeteiligungsformen bei Verwaltungsentscheidungen im EU‑Sekundärrecht beruht auf einem Gedankenanstoß meines Doktorva‑ ters Professor Dr. Thomas Groß. Für diesen Impuls, die gute Betreuung und die stete Unterstützung während der gesamten Promotionsdauer danke ich ihm ganz herzlich. Ein besonderer Dank gebührt zudem Professor Dr. Oliver Dörr für die An‑ fertigung des Zweitgutachtens und hilfreiche Hinweise für die Überarbeitung der Dissertation. Meine Zeit am European Legal Studies Institute habe ich stets als sehr angenehm empfunden. Die lehrstuhlübergreifende Zusammenarbeit hat mir große Freude bereitet und ich danke allen, die mich auf diesem Weg beglei‑ tet haben. Für wertvolle wissenschaftliche und motivierende Anstöße sowie die gute kollegiale Unterstützung danke ich insbesondere Dr. Lisa-Karen Mannefeld, Dr. Marco Athen, Dr. Christian Hillen, Christina Kamm, Hendrik Burke und Marja Villmer. Ebenso gebührt ein großer Dank meinen fleißigen Korrekturleserinnen Nina Augstein, Dr. Lisa-Karen Mannefeld und Wiebke Voß, welche mein Promotionsvorhaben begleitet und entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Auch meiner Familie und meinen Freunden möchte ich von Herzen danken. Sie haben mir durch steten Zuspruch den notwendigen Rückhalt zum Fertig‑ stellen dieser Arbeit gegeben. Ein besonderer Dank gebührt meinem Partner Tobias Schröder, welcher während der Promotionszeit stets an meiner Seite gestanden und mir die nötige Kraft in schwierigen Phasen gegeben hat. Ge‑ widmet ist diese Arbeit meinen Eltern Friedlinde und Manfred Behre, die mir den Weg der Promotion durch ihre bedingungslose Unterstützung erst ermög‑ licht haben und für die ein einfacher Dank daher nicht ausreichend wäre. Hannover, im Oktober 2017

Carina Behre

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Problemdarstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Entwicklung der Beteiligung im Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 a) Umweltrecht als Ausgangpunkt für die Öffentlichkeitsbeteiligung . 21 b) Sonstige Beteiligungsformen außerhalb der Öffentlichkeitsbeteili‑ gung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Uneinheitlichkeit der Beteiligungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 III. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umweltverträglichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) IE-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EH-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Störfallrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umweltaudit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Naturschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abfallrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Atomrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nukleare-Sicherheit-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entsorgung-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis: Umweltrecht als ambivalenter Rechtsbereich . . . . II. Tierschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tierversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis: Zurückhaltende Etablierung von Beteiligung . . . . . III. Gentechnikrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung im geschlossenen System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausbringung in die Umwelt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) FreisetzungsRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lebens- / Futtermittel-GenT-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis: Stufenprinzip als bestimmender Faktor für die Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 34 41 41 45 48 51 53 56 62 64 65 66 69 72 72 74 74 75 78 78 81 83 84

10 Inhaltsverzeichnis 1. Energierecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Strom- und Gasmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Strom-RL und Gas-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Strom-VO und Gas-VO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Energieinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Zwischenergebnis: Energierecht als (zweiter) ambivalenter Rechtsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Marktregulatorische Verpflichtungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Nutzungsrechte und deren Beschränkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Änderungen von Rechten und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Zwischenergebnis: Interessierte Kreise im Fokus des Telekommunikationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Fusionskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 V. Produktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Lebensmittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Health-Claims-VO und AnreicherungsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Schutz geografischer Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Qualitätsregelung-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) GMO-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Aromawein-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 dd) Spirituosen-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Zwischenergebnis: Wirtschaftliche Unternehmensinteressen, Verbraucherschutz und Schutz von bestehenden Rechten als Leitinteressen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Unionsmarken-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Marken-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Zwischenergebnis: Bemerkungen Dritter und Widerspruch als Beteiligungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Arzneimittelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Pharmakovigilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Zwischenergebnis: Information als leitende Beteiligungsfunktion . 153 4. Chemikalienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) REACH-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Pflanzenschutzmittel-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Zwischenergebnis: Einholung von Expertenwissen  . . . . . . . . . . . . 164 C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Komponenten der Beteiligung von Dritten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einzelentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Administrative Normsetzung mit unmittelbarer Drittwirkung . . . . 2. Verbindlichkeit der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 166 166 166 169 172

Inhaltsverzeichnis11 a) Fakultative Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Obligatorische Beteiligung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Beteiligungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Beteiligung ohne konkrete Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Beteiligung zu Informationszwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Beteiligung zur Einholung von Wertungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 d) Widerspruchsmöglichkeit durch Beteiligung  . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Dritte mit Beteiligungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Konkretisierung des Adressatenkreises mittels (Legal-)Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Fehlende normierte Konkretisierung des Adressatenkreises . . 189 b) Dritte ohne Beteiligungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Konkretisierung des Adressatenkreises mittels (Legal-)Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Fehlende normierte Konkretisierung des Adressatenkreises  . 196 5. Verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Mitgliedstaatliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Unionale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Zusammenschlüsse privater Akteure auf EU-Ebene . . . . . . . . . . . . 206 6. Zeitpunkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Allgemeine Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Frühzeitige Beteiligung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Angabe des Verfahrensschrittes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Angabe einer Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Vorgabe einer nicht konkretisierten Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Konkrete Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 7. Responsivität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Keine Vorgabe zur Responsivität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Nachträgliche Angabe über die Berücksichtigung  . . . . . . . . . . . . . 217 c) Berücksichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 d) Vetofunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 8. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Stufensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Hauptstufe 1: Fakultative Beteiligung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Unterstufe 1 a): Beteiligung zu reinen Informationszwecken  . . . . 229 b) Unterstufe 1 b): Einflussnahmemöglichkeit für Dritte  . . . . . . . . . . 231 c) Unterstufe 1 c): Option einer obligatorischen Beteiligung  . . . . . . 233 2. Hauptstufe 2: Obligatorische Beteiligung ohne Berücksichtigungs‑ pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

12 Inhaltsverzeichnis a) Unterstufe 2 a): Dritte mit Beteiligungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . b) Unterstufe 2 b): Dritte ohne Beteiligungsinteresse . . . . . . . . . . . . . 3. Hauptstufe 3: Obligatorische Beteiligung mit Berücksichtigungs‑ pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterstufe 3 a): Dritte mit Beteiligungsinteresse  . . . . . . . . . . . . . . b) Unterstufe 3 b): Dritte ohne Beteiligungsinteresse  . . . . . . . . . . . . 4. Hauptstufe 4: Beteiligung mit Vetofunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterstufe 4 a): Nicht konkretisierte Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . b) Unterstufe 4 b): Institutionalisierter Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten . . . . . . . . . . . . . I. Anknüpfungspunkte aus der Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze (Art. 9–12 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bürgerbeteiligung (Art. 11 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bekanntgabe und Austausch von Ansichten (Art. 11 Abs. 1 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivil­ gesellschaft (Art. 11 Abs. 2 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Betroffenenbeteiligung (Art. 11 Abs. 3 EUV) . . . . . . . . . . . . . dd) Europäische Bürgerinitiative (Art. 11 Abs. 4 EUV) . . . . . . . . . b) Teilnahme am demokratischen Leben, Offenheit und Bürgernähe (Art. 10 Abs. 3 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Offenheit (Art. 15 AEUV)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beitrag für die Optimierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bürgerbeteiligung (Art. 11 EUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offenheit und Bürgernähe (Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV) und Grundsatz der Offenheit (Art. 15 AEUV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Materielle und formelle Vorgaben des Primärrechts . . . . . . . . . . . . III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Information als grundlegende Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualitätsverbesserung und Effektivität als objektive Funktionen . . . . . 3. Subjektive Funktionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Transparenz und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Akzeptanz und Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beitrag für die Optimierungsvorschläge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Optimierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Obligatorische Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitpunkt und Einflussnahmemöglichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 238 240 240 244 246 246 247 248 248 252 252 255 258 260 263 265 266 270 273 273 279 279 280 281 283 284 284 286 288 289 290 292 293 295 298

Inhaltsverzeichnis13 4. Berücksichtigungspflicht und nachträgliche Angabe . . . . . . . . . . . . . . 5. Aktive Beteiligungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Optionen zur Umsetzung der Optimierungsvorschläge  . . . . . . . . . . . . . .

300 301 304 305

E. Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

a. F.

alte Fassung

AbfallR

Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft

ABl. Amtsblatt Abs. 

Absatz / Absätze

ACER

Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungs‑ behörden

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AK Åarhus-Konvention ALTEX

Alternatives to Animal Experimentation

AO Abgabenordnung AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

APuZ

Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament

Art. Artikel BauR

Baurecht: Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht

Bd. Band Begr.

Begründer

Berl. Münch. Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift   Tierärztl. Wochenschr. BImSchG

Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge

BR-Drs.

Drucksache des Deutschen Bundesrates

bspw. beispielsweise BT-Drs.

Drucksache des Deutschen Bundestages

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Entscheidungssammlung)

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (amtliche Entscheidungssammlung)

bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CML Rev.

Common Market Law Review

Abkürzungsverzeichnis15 CR

Computer und Recht: Zeitschrift für die Praxis des Rechts der Informationstechnologien d. h. das heißt DJT Deutscher Juristentag DÖV Die öffentliche Verwaltung: Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft DVBl Deutsches Verwaltungsblatt E.C.L.R. European Competition Law Review E.L.Rev. European Law Review ECHA Europäische Chemikalienagentur ECLI European Case Law Identifier EFFL European Food and Feed Law Review EFSA Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EG Europäische Gemeinschaft EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EMA Europäische Arzneimittelagentur EMRK Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ENTSO (Gas) Europäischer Verbund der Fernleitungsnetzbetreiber für Gas / European Network of Transmission System Operators for Gas ENTSO (Strom) Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber / European Network of Transmission System Operators for Electricity EnWZ Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft ET Energiewirtschaftliche Tagesfragen: Zeitschrift für Energie‑ wirtschaft, Recht, Technik und Umwelt etc. et cetera EU Europäische Union EuConst European Constitutional Law Review EuG Europäisches Gericht EuGH Europäischer Gerichtshof EUIPO Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum EuR Europarecht Euratom Europäische Atomgemeinschaft Euratom-Vertrag Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft EurUP Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Erwägungsgrund / Erwägungsgründe f. / ff. folgende

16 Abkürzungsverzeichnis FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fn. 

Fußnote

FS Festschrift g. g. A.

geschützte geografische Angabe / n

g. t. S.

garantiert traditionelle Spezialität / en

g. U.

geografische Ursprungsbezeichnung / en

GA Generalanwalt geänd. geändert GenTG

Gesetz zur Regelung der Gentechnik

GEREK

Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektroni‑ sche Kommunikation

GewArch

Gewerbearchiv: Zeitschrift für Wirtschaftsverwaltungsrecht

GRC

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GRUR-Prax

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht: Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

GVM

genetisch veränderte Mikroorganismen / genetisch veränder‑ ter Mikroorganismus

GVO

genetisch veränderte Organismen / genetisch veränderter Or­ ganismus

Hrsg.

Herausgeber

hrsg. herausgegeben i. d. R.

in der Regel

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

ILM

International Legal Material

insb. insbesondere JAPA

Journal of the American Institute of Planners

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JRP

Journal für Rechtspolitik

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung: Zeitschrift für Studium und Referen‑ dariat

JZ JuristenZeitung K&R

Kommunikation & Recht: Betriebs-Berater für Medien, ­Telekommunikation, Multimedia

lit.

litera

LMuR

Lebensmittel & Recht

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis17 MarkenG

Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kenn‑ zeichen

MarkenR

Markenrecht: Zeitschrift für deutsches, europäisches und internationales Kennzeichenrecht

MMR

MultiMedia und Recht: Zeitschrift für Informations-, Tele‑ kommunikations- und Medienrecht

N&R

Netzwirtschaft und Recht

NGOs

Nichtregierungsorganisationen / non-governmental organisations

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer NuR

Natur und Recht: Zeitschrift für das gesamte Recht zum Schutze der natürlichen Lebensgrundlagen und der Umwelt

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

o. ä.

oder ähnlich

OVG Oberverwaltungsgericht PharmR

Pharma Recht: Fachzeitschrift für das gesamte Arzneimit‑ telrecht

PHi

Haftpflicht international – Recht & Versicherung

PVS

Politische Vierteljahresschrift

RdE

Recht der Energiewirtschaft

RuP

Recht und Politik: Vierteljahreshefte für Rechts- und Ver‑ waltungspolitik

RECIEL

Review of European Community & International Environmental Law

RL Richtlinie Rn. 

Randnummer

Rs.

Rechtssache / n

S. 

Satz / Seite

Slg.

Sammlung

sog.

sogenannte / r / s

StoffR

Zeitschrift für das Stoffrecht

Teilbd. Teilband TKMR

Telekommunikations- & MedienRecht

u. a.

und andere / unter anderem

UAbs.

Unterabsatz / Unterabsätze

UPR

Umwelt- und Planungsrecht: Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis

US

United States

usw.

und so weiter

18 Abkürzungsverzeichnis verb. verbundene VerwArch Verwaltungsarchiv: Zeitschrift für Verwaltungslehre, Ver‑ waltungsrecht und Verwaltungspolitik vgl. vergleiche VO Verordnung Vorb. Vorbemerkung VV Verfassungsvertrag VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staats‑ rechtslehrer VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WeinG Weingesetz WiVerw. Wirtschaft und Verwaltung: Themenheft zum Gewerbe‑ archiv z. B. zum Beispiel ZfP Zeitschrift für Politik ZfZ Zeitschrift für Zölle und Verbrauchersteuern ZG Zeitschrift für Gesetzgebung ZIB Zeitschrift für Internationale Beziehungen ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZLR Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZNER Zeitschrift für Neues Energierecht ZParl Zeitschrift für Parlamentsfragen ZPB Zeitschrift für Politikberatung ZPol Zeitschrift für Politikwissenschaft / Journal of Political Science zul. zuletzt ZUR Zeitschrift für Umweltrecht

A. Einleitung „Heute kann [die Europäische Union] […] ihre Legitimität nur aus Teilhabe und Einbindung beziehen. Das alte lineare Modell, bei dem die Politik von oben herab verkündet wird, muss durch einen circulus virtuosus ersetzt werden, einen Spiral‑ prozess, der – von der Gestaltung bis zur Durchführung der Politik – auf Rückkop‑ pelung, Netzwerken und Partizipation auf allen Ebenen beruht.“1

Dies stellt die Europäische Kommission in dem von ihr 2001 verabschie‑ deten Weißbuch „Europäisches Regieren“ fest. Teilhabe, Einbindung und Partizipation sind für die Verwirklichung der Europäischen Union also von besonderer Bedeutung. Die EU ist darauf angewiesen, dass sie von den Bür‑ gern ge- und unterstützt wird. Das Konzept der Europäischen Union kann nur verwirklicht werden, wenn die Bürger von diesem auch überzeugt sind. Allerdings wird diese Überzeugung von den Bürgern in der EU nicht aus‑ nahmslos geteilt. Die Institution der EU wird immer noch und gerade in den heutigen Zeiten des Brexit und der aufkommenden Tendenz hin zu verstärk‑ ter Nationalstaatlichkeit skeptisch gesehen. Es wird der EU vorgeworfen, bürgerfern zu sein. Daher ist die Europäische Union bemüht, die aufgezeigte Kluft zwischen ihr und ihren Bürgern zu überbrücken. Dies soll u. a. durch Partizipation erreicht werden. Die unionale Ebene ist gegenüber Einbezie‑ hungen und Beteiligungen offen ausgestaltet und der Bürger soll aktiv in den Integrationsprozess der Europäischen Union einbezogen werden. Durch die Beteiligung soll die EU nicht nur auf übergeordneter, sondern auch auf nied‑ rigster Ebene Wirkung entfalten und die europäische Integration für den Ein‑ zelnen erfahrbar und zu seinem persönlichen Anliegen machen. Dahinter steht die Idee von einem „Europa der Bürger“.2 Es soll erreicht werden, dass die Bürger von dem Konzept der EU überzeugt werden bzw. das Vertrauen in die EU gestärkt wird. Gerade Beteiligung bezweckt gesteigerte Akzeptanz und einen gerechten Interessenausgleich.3 Der Beteiligung kommt somit eine Überzeugungskraft zu, die die aufgezeigte Kluft zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgern reduziert. 1  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (8). 2  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 2; vgl. auch die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Europäischen Union vom 10.07.1975, ABl. C 179 vom 06.08.1975, S. 23 (30); vertiefend zur Idee vom „Europa der Bürger“ Wollenschläger, Grundfreiheiten ohne Markt, S. 90 ff. 3  Zu den Funktionen der Beteiligung näher unter D. III.

20 Einleitung

I. Problemdarstellung Um eine solche Überzeugungskraft durch die Beteiligung zu vermitteln, ist diese auf der europäischen Ebene in ganz unterschiedlicher Art und Weise etabliert worden. So wird das Europäische Parlament bereits seit dem Jahr 1979 direkt gewählt (siehe Art. 22 Abs. 2 AEUV) und den Bürgern wird seit dem Vertrag von Lissabon ermöglicht, eine Europäische Bürgerinitiative ein‑ zureichen (Art. 11 Abs. 4 EUV); auch kommt ihnen ein Petitionsrecht zu (Art. 227 AEUV) und es besteht für sie die Möglichkeit beim Europäischen Bürgerbeauftragten Beschwerde einzureichen (Art. 228 AEUV). Neben diesen primärrechtlich verankerten Beteiligungsmöglichkeiten er‑ öffnet aber auch das Sekundärrecht der EU Optionen zur Beteiligung. Auf sekundärrechtlicher Ebene wird vom europäischen Gesetzgeber ermöglicht, dass die Allgemeinheit, Dritte oder bestimmte Gruppen in unterschiedlicher Art und Weise bei der Durchführung des EU-Rechts mitwirken können. Der partizipationsoffene Weg der EU wurde in vielen Bereichen des europäischen Sekundärrechts weitergeführt, und zwar auch im administrativen Bereich. Dritte werden in vielfältiger Weise in den Entscheidungsprozess der Verwal‑ tung einbezogen. Ausgemacht werden kann die Beteiligung mittlerweile in vielen Rechtsbereichen. Die Entwicklung der Beteiligungsmöglichkeiten gibt bereits Aufschluss darüber, wie unterschiedlich die Beteiligungsformen in den verschiedenen Rechtsbereichen bis zum heutigen Zeitpunkt ausgestaltet worden sind.

1. Entwicklung der Beteiligung im Sekundärrecht Die Etablierung von Beteiligungsformen im Sekundärrecht der EU begann Mitte der 1980er Jahre. Das Umweltrecht ist der klassische Bereich der ­Öffentlichkeitsbeteiligung und Ausgangspunkt für die Etablierung von Betei‑ ligungsformen im Sekundärrecht.4 Projekte und Pläne wirken sich zwangs‑ läufig auf die Umwelt und damit auch auf die Öffentlichkeit aus. Die Öffentlichkeit kann durch ihre Beteiligung sachnähere Informationen und ­ Einschätzungen der Behörde übermitteln.5 Der Beteiligungsform der Öffent‑ lichkeitsbeteiligung im Umweltrecht kommt damit eine besondere Stellung im Rahmen der Entwicklung der Beteiligung auf europäischer Ebene zu.

Martin, Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit, S. 52. Ein Programm der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maß‑ nahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, ABl. C 138 vom 17.05.1993, S. 5 (13). 4  Siehe 5  Vgl.



I. Problemdarstellung 21

a) Umweltrecht als Ausgangpunkt für die Öffentlichkeitsbeteiligung Die Einführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung im europäischen Umwelt‑ recht wurde bereits in den 1970er Jahren diskutiert, allerdings erst 1985 mit der UVP-RL eingeführt.6 Ausgangspunkt für die Einführung von Beteili‑ gungsvorschriften waren die Umweltaktionsprogramme der Union, welche seit den 1970er Jahren erlassen wurden. Dem ersten Aktionsprogramm von 1973 folgend ergriff die Kommission eine Initiative für eine Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), welche sich an der US-amerikani‑ schen Rechtsentwicklung orientierte.7 Aufgrund umfassender Vorarbeiten und schwieriger Verhandlungen konnte die UVP-RL aber erst 1985 erlassen werden.8 Die UVP-RL war damit die erste unionale Regelung, welche eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsah.9 Diese war zwar nicht primärer Zweck der Richtlinie, konnte aber dennoch als zentraler Baustein des Verfahrens der Umweltverträglichkeitsprüfung angesehen werden.10 Die Öffentlichkeitsbe‑ teiligung sollte der Verbesserung der Informationsbasis der entscheidenden Stelle und einer Akzeptanzerhöhung der behördlichen Entscheidung dienen.11 Es sollte dabei auf die unmittelbar berührte Bevölkerung zurückgegriffen und die Beziehung zwischen Behörde und Bevölkerung verbessert werden.12 Mit der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde daher ein Instrument koopera‑ tiven Umweltschutzes geschaffen.13 Nach der Normierung einer fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung in der FFH-RL im Jahr 1992 wurde eine für die Mitgliedstaaten obligatorische Öf‑ fentlichkeitsbeteiligung erst wieder 1996 mit Erlass der IVU-RL eingeführt. Wegen der inhaltlichen Nähe zur UVP-RL wurden auch die Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung ähnlich ausgestaltet.14

6  Müller,

Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 10 f. Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 3. 8  Siehe Cupei, UVP, S. 72 ff. 9  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 9; Wiesinger, Innovation im Verwaltungs‑ recht durch Internationalisierung, S. 117. 10  Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 117. 11  Kommissionsbegründung zum Vorschlag einer Richtlinie über die Umweltver‑ träglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben, abgedruckt in Cupei, UVP, S. 300 (301, 311). 12  Kommissionsbegründung zum Vorschlag einer Richtlinie über die Umweltver‑ träglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben, abgedruckt in Cupei, UVP, S. 300 (311). 13  Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 5. 14  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 118. 7  Siehe

22 Einleitung

Die UVP-RL und die IVU-RL wurden durch das internationale Überein‑ kommen der Åarhus-Konvention15 aus dem Jahr 1998 im Bereich der Öffent‑ lichkeitsbeteiligung ergänzt und erweitert. Die EU hat – neben den meisten Mitgliedstaaten – die Åarhus-Konvention 1998 unterzeichnet und 2005 ge‑ nehmigt.16 Damit ist die Union an die Åarhus-Konvention gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV gebunden und zur Umsetzung verpflichtet. Die Åarhus-Kon‑ vention enthält in Art. 6–8 die Verpflichtung, die Öffentlichkeit bei bestimm‑ ten umweltbezogenen Vorhaben zu beteiligen.17 Hierbei wird sowohl eine Informationspflicht als auch eine Pflicht zur Einräumung einer Stellungnah‑ memöglichkeit bestimmt. Außerdem wird in Art. 9 AK die Möglichkeit ge‑ richtlichen Schutzes zur Geltendmachung der in der Konvention garantierten Rechte für die Vertragsstaaten vorgeschrieben. Um eine vollständige Konformität mit der Åarhus-Konvention zu erreichen,18 wurde vom Europäischen Parlament und vom Rat 2003 die ÖffB-RL erlassen.19 Die durch diese Richtlinie hervorgerufenen Änderungen führten zu einer Verstärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung in der UVP-RL und der IVU-RL.20 Es wurden Definitionen der Adressaten normiert und da‑ durch eine Gleichstellung von NGOs, die sich für den Umweltschutz einset‑ zen, mit der betroffenen Öffentlichkeit erzeugt. Die Beteiligungsvorschriften wurden entsprechend dieser Adressatendefinitionen angepasst und ausge‑ dehnt.21

15  Convetion on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters, Doc. ECE/CEP/43 vom 21.04.1998, abgedruckt in ILM 38 (1999), 517 ff. 16  Beschluss des Rates vom 17.02.2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungs‑ verfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 124 vom 17.05.2005, S. 1. 17  Aus dem Völkergewohnheitsrecht folgt zwar eine Pflicht zur Umweltverträg‑ lichkeitsprüfung, allerdings ist davon keine allgemeine Pflicht zur Öffentlichkeitsbe‑ teiligung erfasst (IGH, Urteil vom 20.04.2010 – Pulp Mills, ICJ Reports 2009/2010, 28 Rn. 216, abgedruckt in Dörr, Kompendium völkerrechtlicher Rechtsprechung, S. 965 ff.). Daher kann die Kodifikation der Öffentlichkeitsbeteiligung in der ÅarhusKonvention als wichtiger Schritt angesehen werden. 18  EWG Nr. 11 ÖffB-RL. 19  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 119. 20  Vgl. KOM(2000) 839 endgültig vom 18.01.2011, ABl. C 154 vom 29.05.2001, S. 123; Wood, Environmental Impact Assessment, S. 38. 21  Die IVU-RL sah in der Fassung von 1996 noch die Stellungnahmemöglichkeit für die allgemeine Öffentlichkeit vor. Durch die Änderung der ÖffB-RL konnte aber nur noch die betroffene Öffentlichkeit Stellung nehmen. Ob diese Änderung tatsäch‑ lich eine Eingrenzung des Adressatenkreises der Öffentlichkeitsbeteiligung vorneh‑ men sollte, ist hingegen nicht eindeutig. Der Zielsetzung nach Art. 1 lit. b ÖffB-RL



I. Problemdarstellung 23

Neben den Änderungen durch die ÖffB-RL konnte nach Erlass der Åar‑ hus-Konvention der Trend einer Zunahme von Öffentlichkeitsbeteiligungsre‑ gelungen im Umweltrecht beobachtet werden.22 Im Jahr 2000 wurde mit der WR-RL eine weitere Öffentlichkeitsbeteiligung eingeführt. Bereits in den 1970er Jahren war die Einführung eines ganzheitlichen Prüfverfahrens für Politikbereiche, wie Agrar-, Verkehrs- und Energiepolitik, angedacht.23 Dies wurde aber erst durch die SUP-RL im Bereich der Umweltprüfung bei Plä‑ nen und Programmen 2001 wieder aufgegriffen.24 Es folgten weitere Richtli‑ nien, durch die die Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess miteinbezo‑ gen wurde, z. B. 2002 die Umgebungslärm-RL oder 2006 die BergbauabfallRL. Neben der steigenden Zahl von Öffentlichkeitsbeteiligungsvorschriften nach dem Erlass der Åarhus-Konvention wurden Definitionen von Öffent‑ lichkeit und betroffener Öffentlichkeit nach dem Vorbild der Åarhus-Kon‑ vention eingeführt. So glich die Neufassung der Seveso‑III‑RL die Bestim‑ mungen der Richtlinie an die Åarhus-Konvention an,25 so dass das 1996 in die damals noch geltende Seveso-II-RL eingeführte Anhörungsrecht durch Definitionen der Adressaten gestärkt wurde. Diese Entwicklung zeigt, dass das Umweltrecht eine Vorreiterrolle innehat und als Ausgangspunkt für die Öffentlichkeitsbeteiligung ausgemacht werden kann. Eine normative Verankerung wurde erstmals in diesem Bereich auf Sekundärrechtsebene vorgenommen.26 Durch die Åarhus-Konvention wurde die Öffentlichkeitsbeteiligung gestärkt, so dass die Vorschriften klar und ein‑ deutig sind. Die Aufnahme in die Sekundärrechtsakte im Bereich des Um‑ weltrechts führte dazu, dass in diesem Bereich die Öffentlichkeitsbeteiligung für die Einzelnen, aber auch für die Verbände ein starkes Partizipationsrecht darstellt. b) Sonstige Beteiligungsformen außerhalb der Öffentlichkeitsbeteiligung Auch wenn die Entwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung hervorzuheben ist, ist diese nur eine von mehreren Beteiligungsformen, die in dieser Arbeit lässt sich aber entnehmen, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung verbessert und nicht eingeschränkt werden sollte. 22  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung Assistententagung, 119 (126). 23  Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S.  118 f. 24  Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S.  118 f. 25  Siehe EWG Nr. 21 Seveso-III-RL; Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfäl‑ len mit gefährlichen Stoffen, KOM(2010) 781 endgültig vom 21.12.2010 S. 11. 26  Martin, Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit, S. 52.

24 Einleitung

untersucht werden. In anderen Rechtsbereichen außerhalb des Umweltrechts hat sich ebenfalls teilweise schon sehr früh eine Beteiligung etabliert. Eng verknüpft mit dem Umweltrecht ist der Bereich des Gentechnikrechts. In diesem Rechtsbereich findet sich eine zur Öffentlichkeitsbeteiligung sehr ähnli‑ che Öffentlichkeitsanhörung. Dennoch unterscheiden sich diese beiden Betei‑ ligungsformen in ihrer Ausgestaltung und den gewährten Rechten. Die Öffent‑ lichkeitsanhörung wurde bereits 1990 in der FreisetzungsRL 90 / 220 / EWG27 und in der System-RL 90 / 219 / EWG28 verankert. Im Jahr 2003 wurde die Le‑ bens- / Futtermittel-GenT-VO erlassen. Diese Verordnung sieht im Bereich der genetisch veränderten Lebens- oder Futtermittel ebenfalls eine Öffentlich‑ keitsbeteiligung vor. Im wirtschaftlichen Bereich finden sich Beteiligungen zu einem ähnlich frühen Zeitpunkt wie beim Gentechnikrecht. Die Fusionskontroll-VO (EWG) Nr. 4064 / 8929 enthielt bereits 1989 mit Art. 18 einen eigenständigen Artikel zur Beteiligung bei Zusammenschlüssen von gemeinschaftsweiter Bedeu‑ tung. Im Telekommunikationsrecht wurde 2002 ein umfassendes Richtlinienpa‑ ket erlassen, welches auch Beteiligungsmöglichkeiten vorsieht. Dabei wurde Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL als eine zentrale Vorschrift für die Betei‑ ligung von interessierten Kreisen geschaffen. Neu eingeführt in 2009 wurde die fakultative Beteiligung der interessierten Kreise vom Gremium Europäi‑ scher Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK). Auch im Jahr 2009 wurde das dritte Energiebinnenmarktpaket erlassen. Davon umfasst waren die Strom-VO und Gas-VO sowie die Strom‑RL und Gas-RL. All diese Sekundärrechtsakte sehen seither verschiedene Beteili‑ gungsformen vor; teilweise detailliert, teilweise nur wenig konkret ausgestal‑ tet. Neu erlassen wurde 2013 die Energieinfrastruktur-VO. Diese löste die Entscheidung Nr. 1364 / 2006 / EG30 ab. Die Beteiligung der Öffentlichkeit, 27  Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23.  April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt, ABl. L 117 vom 08.05.1990, S. 15. 28  Richtlinie 90/219/EWG des Rates vom 23.  April 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, ABl. L 117 vom 08.05.1990, S. 1. 29  Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21.  Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1. 30  Entscheidung Nr. 1364/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Ener‑ gienetze und zur Aufhebung der Entscheidung 96/391/EG und der Entscheidung Nr. 1229/2003/EG, ABl. L 262 vom 22.09.2006, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung einiger Verordnungen und Beschlüsse in den Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, Gesellschafts‑



I. Problemdarstellung 25

welche in der Entscheidung von 2006 nur anklang, erhielt in der Energieinf‑ rastruktur-VO einen eigenständigen Artikel. Im Bereich des Produktrechts fand sich eine Beteiligung erstmals 1992, und zwar im Bereich der geografischen Bezeichnungen. Die Verordnungen (EWG) Nr. 2081 / 9231 und (EWG) Nr. 2082 / 9232 regelten die Eintragung von garantiert traditionellen Spezialitäten, geografischen Angaben und Ursprungs‑ bezeichnungen und ermöglichten eine Beteiligung mittels eines Einspruchs‑ verfahrens. Die Verordnungen wurden im Jahr 2012 in der QualitätsregelungVO zusammengeführt. Die Qualitätsregelung-VO stellt dabei eine Grund­ verordnung dar. In den speziellen Bereichen des Wein-, Aromawein- und Spirituosensektors wird die Eintragung geografischer Bezeichnungen in ge‑ sonderten Sekundärrechtsakten geregelt, welche das Einspruchsverfahren für Dritte ebenso normieren. Ebenfalls früh wurde eine Beteiligung im Bereich des Markenrechts einge‑ führt. Die Gemeinschaftsmarken-VO (EG) Nr. 40 / 9433 aus dem Jahr 1994 statuierte innerhalb eines eigenen Abschnitts für Dritte die Möglichkeit, vor Eintragung einer Gemeinschaftsmarke Bemerkungen vorzubringen oder Wi‑ derspruch zu erheben. Seit der Neufassung der Marken-RL im Jahr 2015 enthält diese auch die Möglichkeiten zur Einreichung von Bemerkungen und Einlegung von Widersprüchen. Die Einführungen der Beteiligungen im Markenrecht sowie im Bereich des Schutzes geografischer Bezeichnungen hatten ihren Ursprung bereits in den 1990er Jahren und wurden in den folgenden Jahren kontinuierlich ausgebaut. In den übrigen Bereichen des Produktrechts, die in dieser Arbeit untersucht werden, wurde die Beteiligung erst ab dem Jahr 2006 eingeführt. So wurde im Bereich der Werbung mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Health-Claims-VO von 2006 die Möglichkeit geschaffen, dass Interessen‑ gruppen oder Vertreter der Öffentlichkeit sich beteiligen können. Gemeinsam mit der Health-Claims-VO wurde die AnreicherungsVO erlassen, die den Zu‑ recht, Wettbewerbspolitik, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflan‑ zengesundheit, Verkehrspolitik, Energie, Steuern, Statistik, transeuropäische Netze, Justiz und Grundrechte, Recht, Freiheit und Sicherheit, Umwelt, Zollunion, Außenbe‑ ziehungen, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Organe aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien, ABl. L 158 vom 10.06.2013, S. 1. 31  Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14.  Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Le‑ bensmittel, ABl. L 208 vom 24.07.1992, S. 1. 32  Verordnung (EWG) Nr. 2082/92 des Rates vom 14.  Juli 1992 über Bescheini‑ gungen besonderer Merkmale von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln, ABl. L 208 vom 24.07.1992, S. 9. 33  Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.  Dezember 1993 über die Ge‑ meinschaftsmarke, ABl. L 11 vom 14.01.1994, S. 1.

26 Einleitung

satz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln regelt. Betroffene Gruppen und Interessengruppen können sich nach dieser Verordnung beteiligen. Auch im Jahr 2006 wurde die REACH-VO erlassen, die im Bereich des Chemikalienrechts einen einheitlichen Rechtsrah‑ men schaffte.34 Die Beteiligungen in dieser Verordnung bei der Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Stoffen sind vielfältig. Herangezogen wer‑ den interessierte Kreise und Dritte. Ebenfalls im Bereich des Chemikalien‑ rechts führte die Pflanzenschutzmittel-VO im Jahr 2007 eine Beteiligung bei der Genehmigung von Wirkstoffen ein. Als letzter Rechtsbereich führte das Arzneimittelrecht in 2010 eine Beteiligung ein. Im Bereich der Pharmakovigi‑ lanz, d. h. der Arzneimittelüberwachung nach Zulassung,35 können öffentliche Anhörungen durchgeführt werden.

2. Uneinheitlichkeit der Beteiligungsvorschriften Die Entwicklung zeigt bereits wie uneinheitlich die Beteiligungsvorschrif‑ ten im Laufe der Zeit auf europäischer Ebene ausgestaltet worden sind. Im Bereich des Umweltrechts hat sich früh die Beteiligungsform der Öffentlich‑ keitsbeteiligung herausgebildet und im Laufe der Jahre verfestigt. Insbeson‑ dere die Åarhus-Konvention hat die Öffentlichkeitsbeteiligung gestärkt und dadurch das Sekundärrecht grundlegend beeinflusst. Nichtsdestotrotz finden sich auch im Umweltrecht weitere Beteiligungsformen neben der Öffentlich‑ keitsbeteiligung. Dazu zählen z. B. die wenig konkreten Beteiligungen im Atomrecht oder die Beschwerden von interessierten Kreisen nach der EMASIII-VO. Eine stringente Entwicklung kann daher im Umweltrecht nicht aus‑ gemacht werden. In den sonstigen Bereichen haben sich ebenfalls nur vereinzelt einheitliche Beteiligungsvorschriften herausgebildet. Die Beteiligungen wurden – wie im Umweltrecht – teilweise schon früh etabliert. Die Fusionskontroll-VO schuf bereits 1989 eine bis heute bestehende Beteiligung. Auch im Bereich des Gentechnikrechts und des Produktrechts wurden Anfang der 1990er Jahre erste Beteiligungen eingeführt. Das Gentechnikrecht wurde wegen seiner Nähe zum Umweltrecht an die dort vorherrschende Öffentlichkeitsbeteili‑ gung angeglichen. Allerdings konnte bis heute keine gleichwertige sekundär‑ rechtliche Beteiligung gebildet werden. Hingegen konnte sich beim Schutz von geografischen Bezeichnungen ein Einspruchsverfahren herausbilden, welches wie die Öffentlichkeitsbeteiligung homogen in den verschiedenen Sekundärrechtsakten etabliert wurde. In den übrigen Bereichen wurde aber 34  Ingerowski,

Die REACh-Verordnung, S. 91. Rechtliche Regulierung der Umweltrisiken von Human- und Tierarznei‑ mitteln, S. 116; Lorenz, Das gemeinschaftliche Arzneimittelzulassungsrecht, S. 349. 35  Kern,



II. Ziel der Untersuchung27

keine einheitliche Beteiligungsform wie die Öffentlichkeitsbeteiligung oder das Einspruchsverfahren herausgeformt, auch wenn die Tendenz ausgemacht werden kann, dass ab dem Jahr 2000 die Normierung von Beteiligungen in den Sekundärrechtsakten stetig zugenommen hat. Diese Vielfältigkeit der Beteiligungsmöglichkeiten erschwert es, die se‑ kundärrechtliche Beteiligung in ihrer Gesamtheit überblicken zu können. Welche Beteiligungsform in welchem Sekundärrechtsbereich vorkommt und wie diese auszugestalten ist, lässt sich nicht ohne weiteres erkennen. Auch wird nur schwer ersichtlich, in welchem Verhältnis die Beteiligungen zuein‑ ander stehen. Ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltrecht dasselbe wie die Drittbeteiligung bei der Fusionskontrolle? Hat das Widerspruchsver‑ fahren im Markenrecht dieselbe Wirkung wie das Einspruchsverfahren bei der Eintragung von geografischen Bezeichnungen im Lebensmittelrecht? Eine systematisierte Beteiligungsstrategie fehlt.

II. Ziel der Untersuchung Die bestehende Uneinheitlichkeit bei den Beteiligungsvorschriften er‑ schwert es, die Beteiligungsrechte zu überblicken. Für Dritte, die partizipie‑ ren können, wird nur schwer ersichtlich, in welchem Rechtsbereich ihnen welche Beteiligungsrechte zu kommen. Eine einheitliche Beteiligungsform im europäischen Sekundärrecht wurde nicht normiert, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Beteiligungsformen etabliert. Diese Unübersichtlich‑ keit macht es erforderlich, die sekundärrechtlichen Normen, welche eine Par‑ tizipation ermöglichen, zu systematisieren. Systematisieren bedeutet „zusam‑ menstellen, gliedern, ordnen.“36 Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, durch eine Systematisierung der Partizipationsmöglichkeiten einen Überblick über die verschiedenen Beteiligungsformen zu schaffen. Damit wird ermöglicht, die Beteiligung auf sekundärrechtlicher Ebene erkennen und in Anspruch nehmen zu können, was letztendlich zu deren Wirksamkeit beiträgt. Diese Systematisierung soll rechtsbereichsübergreifend vorgenommen werden. Bisherige Abhandlungen konzentrieren sich entweder lediglich auf den Bereich des Umweltrechts37 oder beziehen die Drittbeteiligung nur am Rande in die zwar bereichsübergreifende Arbeit ein, nehmen aber keine ver‑ tiefte Untersuchung der Partizipationsformen vor.38 Eine bereichsübergrei‑ fende Untersuchung der Beteiligungsvorschriften fehlt. Eine umfassende 36  Rittner/Dreher,

Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 45. z. B. Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung; Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfahren. 38  So Bredemeier, Kommunikative Verfahrenshandlungen im deutschen und euro‑ päischen Verwaltungsrecht. 37  So

28 Einleitung

Untersuchung von verschiedenartigen Rechtsbereichen ist aber erforderlich, um die Vielfältigkeit der Beteiligungen auf europäischer Sekundärrechts­ ebene abbilden und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfiltern zu kön‑ nen. Bei der Beschränkung auf einen Rechtsbereich können leicht einheitliche Terminologien und Strukturen für die Beteiligung ausgemacht werden.39 Bei einer bereichsübergreifenden Untersuchung ist dies aufgrund der Uneinheit‑ lichkeit der Beteiligungsformen aber nicht ohne weiteres möglich. Das Ziel dieser Arbeit ist daher darauf ausgerichtet, rechtsbereichsunabhängige Zu‑ sammenhänge zu erkennen und herauszustellen. Dies stellt den Mehrwert der Arbeit gegenüber anderen Untersuchungen, die auf einen Rechtsbereich kon‑ zentriert sind bzw. die Beteiligung nicht vertieft behandeln, dar. Wurden diese rechtsbereichsunabhängigen Zusammenhänge herausgefil‑ tert, kann daran anknüpfend eine Optimierung der Beteiligungsvorschriften vorgenommen werden. Es sollen Vorschläge zur Verbesserung der Beteili‑ gung auf sekundärrechtlicher Ebene unterbreitet werden, die auf alle Rechts‑ bereiche angewendet werden können. Dadurch soll die Drittbeteiligung im Sekundärrecht insgesamt und nicht nur in einem Rechtsbereich vorangetrie‑ ben werden. Die Arbeit zielt damit auf eine Stärkung der Beteiligungsrechte von Dritten bei Verwaltungsentscheidungen im EU-Sekundärrecht.

III. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes Um eine bereichsübergreifende Untersuchung der Beteiligungsformen vor‑ nehmen zu können, muss ein geeigneter Untersuchungsrahmen festgelegt werden. Die Arbeit zielt darauf ab, möglichst viele, verschiedenartige Rechts‑ bereiche zu untersuchen und deren Beteiligungsformen herauszustellen. Die Beteiligungsformen sind dabei sehr vielfältig und können in ganz unter‑ schiedlicher Art und Weise ausgestaltet sein. In den Sekundärrechtsakten finden sich Beteiligungsformen, die einer Entscheidung vor- oder nachgela‑ gert sind, Einzelentscheidungen oder administrative Normsetzungen betref‑ fen oder bei einer Entscheidung mit unmittelbarer oder bloß mittelbarer Wir‑ kung durchgeführt werden. Zwar soll eine möglichst breite bereichsübergrei‑ fende Untersuchung angestrebt werden, allerdings ist diese nur zielführend, wenn der Untersuchungsgegenstand bezüglich gewisser Aspekte begrenzt wird. Damit wird die Vergleichbarkeit und schlichtweg auch die Handhab‑ barkeit und Praktikabilität der Materie gewährleistet. Der gewählte Untersu‑ chungsgegenstand soll als exemplarischer bzw. typischer Bereich die Vielfalt der Beteiligungsformen auf Ebene des europäischen Sekundärrechts reprä‑ sentieren. 39  Siehe die Modelle von Wickrath, Bürgerbeteiligung im Recht der Raumordnung und Landesplanung, S. 20 ff.; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 83.



III. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes 29

Hier werden die Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidun‑ gen im Sekundärrecht der Europäischen Union untersucht. Der Titel der Ar‑ beit enthält damit bereits vier Komponenten, die für den Untersuchungsge‑ genstand näher bestimmt werden müssen: die Beteiligung(sformen), die Verwaltungsentscheidungen, die Dritten und das europäische Sekundärrecht. Letztere Komponente bezieht sich auf die Rechtsquelle der zu untersu‑ chenden Beteiligungsvorschriften. Eingegrenzt ist diese zunächst auf das Se‑ kundärrecht der EU. Die Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung von Verordnungen und Richtlinien i. S. v. Art. 288 Abs. 2, 3 AEUV, welche ver‑ bindlich sind und für die Dritten den wohl größten Einfluss haben. Die eben‑ falls verbindlichen Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 AEUV enthalten nur selten Beteiligungsformen und werden daher aus dem Untersuchungsgegen‑ stand ausgenommen; ebenso werden die nicht verbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen nach Art. 288 Abs. 5 AEUV ausgeklammert. Für die im Titel dieser Arbeit genannten Beteiligungsformen muss weiter ermittelt werden, was vom Begriff der Beteiligung umfasst ist. Beteiligung und Partizipation sind sehr weite Terminologien, die größtenteils äquivalent benutzt werden. Der Begriff Partizipation wird aus dem lateinischen pars (Teil) und participare (teilhaben) hergeleitet und bedeutet die „Teilhabe, die Beteiligung, die Mitwirkung und […] Mitbestimmung an Entscheidungen […]“40. Ausschlaggebend ist somit, dass eine Teilnahme an einer Entschei‑ dung ermöglicht und keine Alleinentscheidung durch den Entscheidungsträ‑ ger getroffen wird.41 Der Begriffsbestimmung ist immanent, dass die Beteili‑ gung der Entscheidung vorgelagert sein muss. Ansonsten läge keine Beteili‑ gung an einer Entscheidung vor. Die Beteiligung muss der Entscheidung also stets voraus gehen. Grundsätzlich wird zwar ein weites Verständnis von Be‑ teiligung in dieser Arbeit angelegt, das viele Partizipationsformen ganz un‑ terschiedlicher Art umfasst. Allerdings bedeutet Mitwirkung und Teilnahme, dass reine Informationsrechte nicht unter den Beteiligungsbegriff fallen. Diese sind zwar Grundbedingung für die Ausübung der Teilnahmemöglich‑ keiten und der Beteiligung denknotwendig vorgelagert,42 werden aber im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht. Ausgeblendet werden auch de‑ mokratische Teilhaberechte, wie Wahlen, Volksinitiativen, Petitionsrechte, 40  Von Alemann, in: Heun/Honecker/Morlok/Wieland, Evangelisches Staatslexi‑ kon, S. 1749. 41  Siehe Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31 (35). 42  Siehe Hendler, Die bürgerschaftliche Mitwirkung an der städtebaulichen Pla‑ nung, S. 15; Epiney, in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff, Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, insb. im Umweltschutz, 26. Trierer Kollo‑ quium zum Umwelt- und Technikrecht, 27 (29); Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31 (61).

30 Einleitung

etc. Diese eher politischen Beteiligungsformen gehen über den Begriff der Verwaltungsentscheidung hinaus und werden deshalb nicht einbezogen. Aus der Auslegung des Beteiligungsbegriffs, der sich auf Entscheidungen bezieht, wird schon ersichtlich, dass sich die Komponenten der Beteili­ gung(sform) und der Verwaltungsentscheidungen unumgänglich überschnei‑ den; eine trennscharfe Differenzierung soll aber auch nicht vorgenommen werden. Die Entscheidung, bei der die Beteiligung ermöglicht wird, ist grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Form begrenzt.43 Für die vorliegende Untersuchung soll die Beteiligung aber auf die Mitwirkung bzw. Teilnahme an sekundärrechtlichen Verwaltungsentscheidungen beschränkt werden.44 Unter den Terminus der Verwaltungsentscheidungen sollen nur solche Ent‑ scheidungen fallen, die von mitgliedstaatlichen Stellen oder von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der EU getroffen werden, um die se‑ kundärrechtlichen Bestimmungen zu vollziehen. Der Vollzug des Sekundär‑ rechts erfolgt entweder auf Ebene der Mitgliedstaaten durch die nationalen Verwaltungsorgane (sog. indirekter Vollzug) oder auf europäischer Ebene durch die Unionsorgane (sog. direkter Vollzug).45 Diese beiden Ebenen wer‑ den durch eine dritte Ebene, die sog. Kooperations- oder Verbundverwaltung, ergänzt, auf welcher der Vollzug gemeinsam durch mitgliedstaatliche und unionale Organe erfolgt.46 Diese drei Vollzugsebenen werden gleichermaßen in die Untersuchung einbezogen. Eine Eingrenzung wird allerdings bei der Wirkung der Entscheidung, die nach dem jeweiligen Sekundärrechtsakt getroffen wird, vorgenommen. Die Arbeit beschränkt sich auf solche Verwaltungsentscheidungen, denen eine unmittelbare Drittwirkung zukommt. Ausgeklammert werden also solche Maßnahmen, die nur an einen Mitgliedstaat bzw. eine mitgliedstaatliche Stelle oder an ein EU-Organ gerichtet sind und daher nur mittelbare Wirkung für Bürger oder sonstige Dritte erzeugen. So werden z. B. Pläne und Pro‑ gramme ausgeschlossen. Dadurch soll zum einen die Vergleichbarkeit der Beteiligungsvorschriften sichergestellt werden. Beteiligungen bei vorgelager‑ ten Plänen ohne direkte Auswirkungen auf Dritte sind in der Regel struktu‑ rell anders ausgestaltet und verfolgen auch andere Zielrichtungen. Zum ande‑ ren gewährleistet die Beschränkung auf Entscheidungen mit unmittelbarer Drittwirkung, dass die jeweilige Entscheidung für die Dritten direkt erfahrbar wird und für diese die Beteiligung dadurch eine gesteigerte Relevanz erhält. Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (231 f.). auch Begriffsbestimmungen bei Hendler, Die bürgerschaftliche Mitwir‑ kung an der städtebaulichen Planung, S. 7; Walter, in: VVDStRL 31 (1973), S. 147 (151). 45  Augsberg, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 6 Rn. 14. 46  Augsberg, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 6 Rn. 15. 43  Siehe 44  Vgl.



III. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes 31

Unter diese Entscheidungen mit unmittelbarer Drittwirkung fallen sowohl Einzelentscheidungen als auch administrative Normsetzungen, so dass z. B. Beteiligungen bei Einzelgenehmigungen, aber auch Änderungen von Listen oder Anhängen eines Sekundärrechtsaktes mittels eines Komitologieverfah‑ rens untersucht werden. Der Gleichsetzung von Einzelentscheidungen und administrativen Normsetzungen mit unmittelbarer Drittwirkung liegt der Ge‑ danke zugrunde, dass durch die Eingrenzung auf die unmittelbare Drittwir‑ kung gerade keine relevante Unterscheidung mehr zwischen diesen beiden Entscheidungsarten besteht. Ob eine Genehmigung mittels einer Einzelent‑ scheidung erlassen wird oder von vornherein abstrakt-generell durch den Rechtsakt vorgegeben wird, welche Maßnahmen zulässig sind und dadurch eine Einzelentscheidung obsolet wird, ist gleichgültig. Die Wirkung ist bei beiden Entscheidungen dieselbe. Schließlich muss noch festgelegt werden, wer unter die Komponente des Dritten und damit unter den Adressatenkreis der Beteiligung gefasst wird. Dritte müssen zunächst von den Adressaten der Entscheidung abgegrenzt werden. Die Beteiligungsmöglichkeit von Antragstellern oder sonstigen Per‑ sonen, die den Erlass der Entscheidung selbst initiieren, wird ausgeklammert. Der Dritte steht somit zunächst außerhalb des Kreises der im Entscheidungs‑ verfahren unmittelbar einbezogenen Parteien, kann aber trotzdem ein rechtli‑ ches oder anders geartetes Interesse an der Entscheidung haben. Auch vom Begriff des Dritten ausgeklammert werden (nationale) Behörden. Die Behör‑ denbeteiligung findet nur dann Eingang in die Untersuchung, wenn der Se‑ kundärrechtsakt eine Partizipation von Behörden gemeinsam mit der von anderen Dritten regelt. Vorschriften, bei denen keine klare Trennung der Be‑ hördenbeteiligung von der Drittbeteiligung vorgenommen werden kann, wer‑ den somit in die Untersuchung einbezogen. Darüber hinaus ist die Termino‑ logie des Dritten weit zu verstehen und umfasst bspw. natürliche und juristi‑ sche Personen, Gruppierungen und Verbände, aber auch interessierte Kreise. Wer im Detail beteiligt wird, divergiert aber teilweise von Sekundärrechtsakt zu Sekundärrechtsakt. Zusammenfassend ist der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit damit auf Beteiligungsformen festgelegt, die außerhalb von demokratischen Teil‑ habe- und Informationsrechten auf die Mitwirkung und Teilnahme von Drit‑ ten, die nicht Adressaten oder Behörden sind, im Vorfeld von Verwaltungs‑ entscheidungen mit unmittelbarer Drittwirkung mitgliedstaatlicher oder uni‑ onaler Stellen beim Vollzug von Verordnungen oder Richtlinien bezogen sind.

32 Einleitung

IV. Gang der Untersuchung Um eine bereichsübergreifende Untersuchung der Drittbeteiligungsformen vornehmen zu können, sollen die Rechtsbereiche des Sekundärrechts, die eine Beteiligung von Dritten bei Verwaltungsentscheidungen enthalten, zu‑ nächst ermittelt und im Rahmen dessen die Bedeutung und die Auslegung der Beteiligungsvorschriften für den jeweiligen Rechtsbereich bzw. Sekun‑ därrechtsakt aufgezeigt werden (B.). In einem zweiten Schritt werden die ermittelten Beteiligungsvorschriften systematisiert (C.). Für die Beteiligungs‑ vorschriften soll dies anhand bestimmter Komponenten – z. B. der Adressa‑ ten oder der Responsivität – erfolgen (C. I.). Ziel der Systematisierung ist dabei, die verschiedenen Beteiligungsformen zueinander in ein bestimmtes Verhältnis zu setzen. Dazu wird ein Stufensystem gebildet, welches anhand einer steigenden Einflussnahme die Beteiligungsvorschriften erfasst (C. II.). Schließlich kann auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse aus der Syste‑ matisierung eine Optimierung der Beteiligungsformen auf europäischer Ebene angestrebt werden (D.). Dabei dienen bestimmte Beteiligungsvor‑ schriften als Vorbilder und es wird sowohl an die bisherige Entwicklung der Beteiligungsvorschriften (D. I.), an die primärrechtlichen Vorgaben zur Be‑ teiligung (D. II.) als auch an die Beteiligungsfunktionen angeknüpft (D. III.), um abschließend konkrete Optimierungsvorschläge für die Beteiligung von Dritten zu unterbreiten (D. IV.).

B. Bestandsaufnahme Ausgehend vom Untersuchungsgegenstand finden sich 34 Sekundärrechts‑ akte, die Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen nor‑ mieren. Die Rechtsakte lassen sich in fünf Rechtsbereiche einordnen, wobei diese in der Regel nur das Oberthema angeben und weitere spezifische Un‑ terbereiche aufweisen, in denen die Beteiligungsvorschriften im Einzelnen dargestellt werden.

I. Umweltrecht Die Anfänge der Beteiligung von Dritten liegen auf sekundärrechtlicher Ebene im Umweltrecht.1 Das Umweltrecht stellt einen typischen Bereich dar, in welchem die Beteiligung durch die europäischen Vorgaben eine be‑ sondere Rolle spielt.2 Sowohl der Gerichtshof als auch die Kommission in‑ strumentalisieren bereits seit längerer Zeit den interessierten Bürger als Wächter zur Einhaltung des europäischen Umweltrechts, indem dieser be‑ stimmte Rechte erhält. Dadurch ist eine Trias von Information, Partizipation und Gerichtszugang entstanden.3 Auch auf internationaler Ebene findet sich diese Trias in der Åarhus-Konvention wieder. Die Rechte des Bürgers wer‑ den im Umweltrecht mithin sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene als wichtig angesehen.4 Auf unionaler Ebene wurde im Primärrecht das Unionsziel des Umwelt‑ schutzes in der Querschnittsklausel des Art. 11 AEUV verankert.5 Zudem findet sich im AEUV ein eigener Titel für den Bereich der Umwelt (Art. 191 ff. AEUV). Zur Erreichung der in dem Titel genannten Ziele muss der Umweltbegriff weit gewählt werden, so dass die Ziele auch tatsächlich Wirkung entfalten können (effet utile).6 Nach den sekundärrechtlichen Be‑ 1  Siehe

A. I. 1. a).

2  Fraenkel-Haeberle,

Die Verwaltung 47 (2014), 271 (273). in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 2 EU-Umwelt‑ recht, Rn. 158. 4  Vgl. Calliess, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 2 EU-Um‑ weltrecht, Rn. 160. 5  Groß, NVwZ 2011, 129 (131). 6  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 34; Meßerschmidt, Europäi‑ sches Umweltrecht, § 1 Rn. 129. 3  Calliess,

34

B. Bestandsaufnahme

stimmungen7 der Art. 3 Abs. 1 UVP-II-RL, Art. 3 Nr. 2 IE-RL und Art. 2 Abs. 1 lit. f) AK-VO zählen zum europäischen Umweltrecht solche rechtli‑ chen Steuerungsinstrumente, die den Schutz der Umwelt vor Gefährdungen durch die Beeinträchtigung, Modifizierung und / oder Gefährdung der natürli‑ chen Lebensgrundlagen erfassen. Dieser Definition unterfallen z. B. die Be‑ reiche der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes, der Abfallwirtschaft, des Naturschutzes in Form des Schutzes von Flora und Fauna, des Lärmschutzes und des Schutzes vor gefährlichen Substanzen.8 Der Klimaschutz zählt ebenfalls zum europäischen Umweltrecht.9 Nur bedingt zählt der Tierschutz dazu. Tiere sind als Teil der natürlichen Umwelt auch von Art. 191 Abs. 1 AEUV umfasst. Allerdings wird das Wohl‑ ergehen des Tieres als fühlendes Wesen eigenständig durch Art. 13 AEUV geschützt und steht damit neben der umweltrechtlichen Querschnittsklausel aus Art. 11 AEUV. Der pathozentrische bzw. ethologische Aspekt des Tier‑ schutzes fällt also nicht in den Bereich des europäischen Umweltrechts.10

1. Umweltverträglichkeitsprüfung Bereits 1985 wurde die Öffentlichkeitsbeteiligung durch die sekundär‑ rechtlichen Regeln zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingeführt. Die UVPRL ist somit Ausgangspunkt der Einbeziehung von Dritten in umweltrechtli‑ che Verwaltungsverfahren.11 Wie die ursprüngliche UVP-RL enthält auch die Neufassung der UVP-IIRL aus dem Jahr 2011 großteils Bestimmungen verfahrensrechtlicher Natur.12 7  Die Definition des europäischen Umweltrechts sollte zwar nicht aus den sekun‑ därrechtlichen Bestimmungen entnommen werden, da dies aufgrund der normenhier‑ achischen Beziehung zum Primärrecht problematisch ist und eine Einbeziehung der primärrechtlichen Umweltbestimmungen erfolgen muss. Dennoch lässt sich die Ter‑ minologie anhand des Sekundärrechts konkretisieren, Epiney, Umweltrecht der Euro‑ päischen Union, S. 36. 8  So Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 40; vgl. auch Calliess, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 2 EU-Umweltrecht, Rn. 11; Schröder, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, § 9 Rn. 17. 9  Siehe Krämer/Winter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 26 Rn. 6. 10  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 13 AEUV Rn. 2; Calliess, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 2 EU-Umweltrecht, Rn. 11; Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 39 f.; Meßerschmidt, Europäisches Umwelt‑ recht, § 1 Rn. 133; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi‑ schen Union, Art. 191 AEUV Rn. 52. 11  Siehe bereits unter A. I. 1. a). 12  Schink, DVBl 2014, 877 (878); zu den vorherigen Fassungen siehe Classen, Die Verwaltung 31 (1998), 307 (320); Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, Einleitung



I. Umweltrecht35

Die mitgliedstaatlichen Umweltstandards sind zunächst Ausgangspunkt für das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung und werden durch das euro‑ päische Sekundärrecht der UVP-II-RL ergänzt.13 Dennoch wird auch ein ma‑ terieller Gehalt in den Regelungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung gese‑ hen, da die Ergebnisse der Prüfung bei der Entscheidung der Behörde zumin‑ dest berücksichtigt werden müssen.14 Eine Definition der Umweltverträglichkeitsprüfung findet sich seit der Änderungsrichtlinie 2014 / 52 / EU15 in Art. 1 Abs. 2 lit. g) UVP-II-RL. Da‑ nach besteht die Umweltverträglichkeitsprüfung aus verschiedenen Verfah‑ rensschritten, wozu auch Konsultationen zählen.16 Die Umweltverträglich‑ keitsprüfung soll gewährleisten, dass vor der Durchführung von Projekten deren Umweltauswirkungen in einem rechtlich geordneten und transparenten Verfahren geprüft werden, so dass die Ergebnisse bei der Genehmigung Be‑ rücksichtigung finden (vgl. EWG Nr. 2 und 7).17 Bei der Prüfung der Um‑ weltauswirkungen wird durch die Umweltverträglichkeitsprüfung ein inte­ grativer, medienübergreifender Ansatz verfolgt, so dass die einzelnen Um‑ weltmedien nicht gesondert, sondern in einer Gesamtschau betrachtet wer‑ den, um deren Wechselbeziehungen untereinander zu erkennen (vgl. Art. 3 UVP-II-RL).18 Dieser integrative Ansatz wird zudem durch die Einbeziehung der Öffent‑ lichkeit deutlich. Die Einbeziehung setzt eine übergreifende Betrachtung der Rn. 8; Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 33; Scheidler, NVwZ 2005, 863 (864) m. w. N. 13  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 33; vgl. Faßbender, NVwZ 2005, 1122 (1123). 14  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 33; Erbguth, NuR 1997, 261 (265); Heitsch, NuR 1996, 453 (455); Scheidler, NVwZ 2005, 863 (864); Schink, DVBl 2014, 877 (878); Schink, NuR 2003, 647 (649); vgl. auch Sellner, in: Dolde, Umwelt‑ recht im Wandel, 401 (406 f.); Beckmann, DVBl 1991, 358 (360); Soell/Dirnberger, NVwZ 1990, 705 (707); Ausführlich zu dem Streitstand Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, S. 91 ff. 15  Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Ap‑ ril 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeits‑ prüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 124 vom 25.04.2014, S. 1. 16  Der Einführung der Definition kommt allerdings nur deklaratorische Bedeutung zu, da die bereits zuvor bestehenden Verfahrensschritte nur beschrieben und keine neuen hinzugefügt wurden, Schink, DVBl 2014, 877 (878). 17  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 298 f.; Feldmann, in: Renge‑ ling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, § 34 Rn. 5. 18  Feldmann, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umwelt‑ recht, Bd. I, § 34 Rn. 5; Schoeneberg, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 18; Calliess, NuR 2006, 601 (605); Scheidler, WiVerw. 2008, 3 (13).

36

B. Bestandsaufnahme

Interessen des Projektträgers und der Öffentlichkeit voraus.19 Diese interes‑ senübergreifende Betrachtung von Projektträgern, Behörden und der Öffent‑ lichkeit ist für eine umfassende Untersuchung der Umweltauswirkungen er‑ forderlich und ermöglicht eine gesteigerte Berücksichtigung von Umweltbe‑ langen bei der Entscheidung.20 Die Öffentlichkeitseinbeziehung ist dabei die zuverlässigste Bewertungsmethode.21 Der Öffentlichkeit kommt die Funktion eines Kontrollhelfers (watchdog) zu. Aufgrund des fehlenden Verwaltungs‑ unterbaus der EU müssen andere Mechanismen zur Umsetzung des EURechts in den Mitgliedstaaten greifen, welche in der Folge in der Einbezie‑ hung der Öffentlichkeit erkannt wurden.22 Die nicht (immer) erreichbare materielle Richtigkeit von Entscheidungen bei einem komplexen Verwal‑ tungsverfahren wird mit der durch die Öffentlichkeitsbeteiligung erzeugten Verfahrensrichtigkeit ausgeglichen.23 Damit kann der Umweltschutz durch das Verfahren erreicht werden.24 Beteiligungen von Dritten finden sich innerhalb der Umweltverträglich‑ keitsprüfung bei Projekten i. S. v. Art. 4 UVP-RL. Nach dieser Bestimmung ist für Projekte nach Anhang I eine Umweltverträglichkeitsprüfung obliga‑ torisch, während die Mitgliedstaaten bei Projekten i. S. v. Anhang II über die Durchführung aufgrund einer Einzelfalluntersuchung oder anhand von fest‑ gelegten Schwellenwerten bzw. Kriterien entscheiden können.25 Art. 6 Abs. 2–7 UVP-II-RL regelt die Beteiligung von Dritten, welche im Um‑ weltrecht typischerweise als Öffentlichkeitsbeteiligung bezeichnet wird. Nach Art. 6 Abs. 2 UVP-II-RL erhält die Öffentlichkeit Informationen über das Projekt, damit eine wirksame Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit an den Entscheidungsverfahren gewährleistet wird. Diese Informationen sol‑ len, sobald sie der Behörde vorliegen, zur Verfügung gestellt werden.26 Nach Art. 6 Abs. 3 UVP-II-RL werden der betroffenen Öffentlichkeit wei‑ tergehende Informationen über das Projekt zugänglich gemacht. Die betrof‑ fene Öffentlichkeit erhält nach Art. 6 Abs. 4 UVP-II-RL frühzeitig und in 19  Vgl. Scheidler, WiVerw. 2008, 3 (13); Volkmann, VerwArch 89 (1998), 363 (370). 20  Cupei, UVP, S. 163; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 121 f.; vgl. auch Weber, UPR 1988, 206 (207). 21  Begründung der Kommission zum Vorschlag für eine UVP-Richtlinie, abge‑ druckt in BR-Drs. 413/80, S. 13; skeptisch Steinberg, NuR 1983, 169 (176). 22  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 90. 23  Lippert, ZUR 2013, 203 (206); Schink, EurUP 2014, 112 (115); Schink, UPR 2014, 408 (408); Wahl, DVBl 2003, 1285 (1290). 24  Calliess, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 2 EU-Umwelt‑ recht, Rn. 159; Schink, EurUP 2014, 112 (114). 25  Vgl. Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 301 f. 26  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 103.



I. Umweltrecht37

effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entschei‑ dungsverfahren zu beteiligen. Zu diesem Zweck hat sie das Recht, der zu‑ ständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, und zwar wenn alle Optionen noch of‑ fen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag ge‑ troffen wird. Dadurch wird ein sog. Trichtermodell festgelegt: Im ersten Verfahrensschritt wird die Öffentlichkeit informiert, sodann werden der be‑ troffenen Öffentlichkeit weitergehende Informationen zur Verfügung ge‑ stellt. Nur die betroffene Öffentlichkeit erhält im Anschluss die Möglich‑ keit, sich zu beteiligen.27 Legaldefinitionen von Öffentlichkeit und betroffener Öffentlichkeit finden sich in Art. 1 Abs. 2 UVP-II-RL. Danach werden unter der Öffentlichkeit „eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstim‑ mung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen“ (Art. 1 Abs. 2 lit. d) UVP-II-RL) verstanden. Nach Art. 1 Abs. 2 lit. e) UVP-II-RL umfasst die betroffene Öffentlichkeit „die von umweltbezogenen Entscheidungsver‑ fahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse“. Dabei ist eine Beeinträchtigung von Rechten nicht notwendig, sondern es genügt jedes Berühren von Belangen.28 Die Definitionen wurden durch die ÖffB-RL eingeführt und sind der ÅarhusKonvention entnommen.29 Durch die Implementierung in der UVP-II-RL, zum Zeitpunkt der Einführung noch die UVP-RL, wurde eine Erweiterung des Adressatenkreises erzeugt. Zudem wurde auch das Verfahren der Öffent‑ lichkeitsbeteiligung durch die ÖffB-RL ausdifferenziert und detailliert nor‑

27  Cupei, UVP, S. 161; Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 17; Wu, Öffentlichkeits‑ beteiligung, S. 124; vgl. auch BVerwGE 98, 339 (360 f.); Meßerschmidt, Europäi‑ sches Umweltrecht, § 8 Rn. 97. 28  Epiney, in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff, Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, insb. im Umweltschutz, 26. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 27 (61); Erbguth/Schink, UVPG, § 9 Rn. 12; Bunge, ZUR 2004, 141 (143), der allerdings noch herausstellt, dass man der Vorschrift nicht ent‑ nehmen kann, ob ein objektives Betroffensein oder ein subjektives Interesse voraus‑ gesetzt wird. 29  Vgl. die englischsprachige Fassung von Art. 1 Abs. 2 lit. d), e) UVP-II-RL und Art. 2 Nr. 4, 5 AK. Siehe auch statt vieler Epiney, in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff, Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, insb. im Um‑ weltschutz, 26. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 27 (61); Hendler/Wu, DVBl 2014, 78 (80).

38

B. Bestandsaufnahme

miert, so dass eine Angleichung an die Åarhus-Konvention vorgenommen wurde, vgl. Art. 3 ÖffB-RL.30 Art. 6 Abs. 5 S. 1 UVP-II-RL räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, genauere Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit festzulegen. S. 2 von Art. 6 Abs. 5 UVP-II-RL verpflichtet zum elektronischen Zugang zu den einschlägigen In‑ formationen und stellt dabei die Mindestanforderung, diese über ein zentrales Portal oder über einfach zugängliche Zugangspunkte zu veröffentlichen. Nach Abs. 6 müssen angemessene Zeitrahmen für die verschiedenen Phasen gewählt werden, damit ausreichend Zeit für die Information der Öffentlich‑ keit sowie die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Diese Regelung soll der Verfahrensbeschleunigung um jeden Preis entgegen‑ wirken und einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Verfah‑ rensbeteiligten schaffen.31 Durch die Änderungsrichtlinie 2014 / 52 / EU neu eingeführt wurde Art. 6 Abs. 7 UVP-II-RL. Danach muss die Frist, innerhalb der die betroffene Öffentlichkeit zu dem UVP-Bericht zu konsultieren ist, mindestens 30 Tage betragen. Nach Art. 7 Abs. 3 UVP-II-RL werden bei grenzüberschreitenden Auswir‑ kungen des Projektes die Behörden und die betroffene Öffentlichkeit im Ho‑ heitsgebiet des möglicherweise von dem Projekt erheblich betroffenen Mit‑ gliedstaats informiert; diese erhalten ebenfalls das Recht, Stellungnahmen an den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Projekt durchgeführt werden soll, vor Genehmigung innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben. Durch die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung in Art. 7 UVP-II-RL wurde die Espoo-Konvention32, welche die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Raum regelt, umgesetzt.33 Die grenzüberschrei‑ tende Beteiligung soll die Gleichbehandlung von Behörden und der Öffent‑ lichkeit in den beteiligten Mitgliedstaaten so weit wie möglich gewährleis‑ ten.34 Damit hat neben der Åarhus-Konvention ein zweites internationales Übereinkommen die Bestimmungen der UVP-II-RL geprägt. Die zeitlich vor der Åarhus-Konvention erlassene Espoo-Konvention regelt dabei aber nur 30  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 126 ff. Allerdings weicht die UVP-II-RL von Art. 6 AK ab, da nur der betroffenen und nicht, wie in der AK vorgegeben, der allgemeinen Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Stel‑ lungnahme eingeräumt wird, Hendler/Wu, DVBl 2014, 78 (81); Schink, EurUP 2014, 112 (118). 31  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 109. 32  Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context vom 25.02.1991, in Kraft seit 10.09.1997, United Nations Treaty Series, Vol. 1989, S. 309 Nr. 34028, abgedruckt in ILM 30 (1991), 800 ff. 33  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 308 (Fn. 289). 34  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 112.



I. Umweltrecht39

den spezifischen Bereich der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeits‑ prüfung, während die Bestimmungen der Åarhus-Konvention auf Umweltan‑ gelegenheiten allgemein abzielen und Vorgaben für Informations-, Beteili‑ gungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten schaffen. Die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung wurde somit zunächst 1997 auf Grundlage der Espoo-Konvention konkretisiert.35 Infolge der Åarhus-Konvention erfolgte neben der Einführung gerichtlichen Rechtsschutzes eine weitere Konkretisie‑ rung 2003 durch die ÖffB‑RL in den Bereichen der Informations- und Betei‑ ligungsrechte der Öffentlichkeit aus dem genehmigenden Mitgliedstaat. Nach Art. 8 UVP-II-RL sind die Ergebnisse der Konsultation beim Geneh‑ migungsverfahren gebührend zu berücksichtigen. Durch die Änderungsricht‑ linie 2014 / 52 / EU wurde der Begriff „gebührend“ ergänzt. Diese Neufassung von Art. 8 UVP-II-RL impliziert aber lediglich, dass Umweltbelange nach ihrem tatsächlichen und rechtlichen Stellenwert zu berücksichtigen sind. Eine Vorrangigkeit oder gesteigerte Gewichtung von Umweltbelangen ist da‑ mit nicht beabsichtigt. Zudem muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ge‑ wahrt werden.36 Für die Berücksichtigung ist eine bloße Kenntnisnahme der Konsultationsergebnisse durch die Behörde nicht ausreichend.37 Vielmehr müssen die Ergebnisse bei Entscheidungen einbezogen werden und die Be‑ hörde muss sich mit diesen inhaltlich beim Entscheidungsfindungsprozess auseinandersetzen.38 Es erfolgt eine bewertende Abwägung der Umweltbe‑ lange39 bzw. eine Prüfung, ob die Ergebnisse bei einer gebundenen Entschei‑ dung einem Rechtsanspruch entgegenstehen oder sonst rechtlich relevant sind.40 Dennoch ist die Behörde nicht an die Ergebnisse der Öffentlichkeits‑ beteiligung gebunden, sondern kann auch aufgrund anderer Belange die Ein‑ wände der Öffentlichkeit überwinden.41 Schließlich müssen die Ergebnisse aus der Umweltverträglichkeitsprüfung auch zu einer Verweigerung der Ge‑ nehmigung führen können, damit die Durchführung der Umweltverträglich‑ keitsprüfung nicht ad absurdum geführt wird.42 Nach Art. 11 UVP-II-RL, welcher die Anforderungen der Åarhus-Konven‑ tion umsetzt, stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen zur Espoo-Konvention Rietzler, NVwZ 2015, 483 ff. DVBl 2014, 877 (884). 37  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 309; Schink, EurUP 2014, 112 (119). 38  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 308 f.; Meßerschmidt, Europä‑ isches Umweltrecht, § 8 Rn. 114. 39  Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 127 f.; Schink, EurUP 2014, 112 (119). 40  Schink, EurUP 2014, 112 (119). 41  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 309; Meßerschmidt, Europäi‑ sches Umweltrecht, § 8 Rn. 20. 42  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 308 f. 35  Ausführlich 36  Schink,

40

B. Bestandsaufnahme

Rechtsvorschriften sicher, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit mit einem ausreichendem Interesse oder unter Geltendmachung einer Rechts‑ verletzung Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen, auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen, unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrecht‑ liche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlich‑ keitsbeteiligung gelten. Dazu zählen sowohl die Vorschriften über die Veröf‑ fentlichung von Entscheidungen nach Art. 4 Abs. 5 und Art. 9 UVP-II-RL als auch die über die Öffentlichkeitbeteiligung gemäß Art. 6 Abs. 3–7 und Art. 7 Abs. 3 UVP-II-RL und deren Berücksichtigung (Art. 8 UVP-II-RL).43 Zu‑ dem können NGOs nach Art. 11 Abs. 3 UVP-II-RL bereits eine Überprüfung verlangen, wenn die Organisation die Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 2 UVP-II-RL erfüllt, wodurch eine Privilegierung erzeugt wird. Im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung wird durch die UVP-II-RL somit eine sehr ausdifferenzierte und effektive Beteiligung von Dritten gere‑ gelt. Insbesondere durch die Åarhus-Konvention wurde die Beteiligung de‑ taillierter ausgestaltet, so dass die Beteiligung möglichst frühzeitig und da‑ durch effektiv durchgeführt wird. Ebenso wurden der Kreis einzubeziehender Dritter durch die Definitionen der Öffentlichkeit und der betroffenen Öffent‑ lichkeit gestärkt und auch Vereinigungen einbezogen, was für Umweltver‑ bände einen enormen Zugewinn darstellt. Auch die explizit normierte Be‑ rücksichtigungspflicht der Konsultationsergebnisse ist hervorzuheben. Zudem ist die Möglichkeit des Rechtsschutzes vor nationalen Gerichten oder gleich‑ wertigen Stellen bei Verstoß gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung bemerkens‑ wert. Daher bietet die UVP-II-RL einen weitgehenden Schutz für Dritte, obwohl die Rechtsform der umsetzungsbedürftigen Richtlinie gewählt wurde. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist somit ein „Musterbeispiel für die Zielsetzung des EU-Rechts, durch Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Auswirkungen eines Projektes auf die Umwelt auf Grund konkreter Angaben des Projektträgers eine objektive, faire und transparente Entscheidungsvorbe‑ reitung zu gewährleisten und damit zugleich zur Akzeptanz des Entschei‑ dungsergebnisses beizutragen“44. Aufgrund des fortwährenden Ausbaus der Öffentlichkeitsbeteiligung auf EU-Ebene wird auch von einem Triumph der partizipatorischen Demokratie über die technokratischen Wurzeln der Um‑ weltverträglichkeitsprüfung gesprochen.45

43  Bunge,

ZUR 2004, 141 (143). UPR 2014, 408 (408); vgl. auch Meßerschmidt, Europäisches Umwelt‑ recht, § 8 Rn. 18. 45  Holder/Lee, Environmental Protection, Law and Policy, S. 548. 44  Schink,



I. Umweltrecht41

2. Immissionsschutzrecht a) IE-RL Im Bereich des europäischen Immissionsschutzrechts enthält die IE-RL ein umfassendes Regelungskonzept für Industrietätigkeiten.46 Sie regelt die inte‑ grierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (Art. 1 IERL). Nach EWG Nr. 2 muss dafür ein allgemeiner Rahmen für die Kontrolle der wichtigsten Industrietätigkeiten aufgestellt werden. Dieser allgemeine Rahmen wurde durch die Zusammenführung der IVU-II-RL mit sechs weite‑ ren sektoralen Richtlinien47 in der IE-RL geschaffen.48 Durch diese Verbin‑ dung der sieben Richtlinien, welche Umweltanforderungen an Industrieanla‑ gen bislang nur sektorbezogen und gesondert voneinander regelten, sollten bestehende Umsetzungs- und Vollzugsdefizite beseitigt werden.49 Wie auch bei der IVU-RL und IVU-II-RL wird durch die IE-RL ein integ‑ rativer Ansatz verfolgt.50 Nach Art. 1 IE-RL sieht die Richtlinie Vorschriften zur Vermeidung und Verminderung von Emission in Luft, Wasser und Boden und zur Abfallvermeidung vor, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen. Durch die Richtlinie soll eine ganzheitliche, medien‑ übergreifende Betrachtung erfolgen, so dass die Umweltmedien nicht isoliert, sondern auch deren Wechselwirkungen untereinander berücksichtigt werden. Durch den Schutz eines Umweltmediums soll eine Verlagerung der Umwelt‑ belastung auf ein anderes Medium gerade nicht geschehen.51 Fokussiert ist die IE-RL auf den Betrieb und die Genehmigung besonders umweltrelevanter Industrieanlagen, wodurch ein Zusammenhang mit der 46  Vgl. Braunewell, UPR 2011, 250 (250); Scheidler, WiVerw. 2013, 167 (167); Traulsen, DÖV 2011, 769 (770). 47  IVU-II-RL, AbfallverbrennungsRL, Großfeuerungsanlagen-RL, Lösemittel-RL und drei Richtlinien zur Titandioxidherstellung (RL 78/176/EWG (ABl. L 54 vom 25.02.1978, S. 19), RL 82/883/EWG (ABl. L 378 vom 31.12.1982, S. 1), RL 92/112/EWG (ABl. L 409 vom 31.12.1992, S. 11)). 48  Jans/Vedder, European Environmental Law, S. 363; Braunewell, UPR 2011, 250 (250); Falke, ZUR 2011, 155 (155); Röckinghausen, UPR 2012, 161 (162); Scheidler, UPR 2013, 121 (121); Stüer/Buchsteiner, DVBl 2013, 92 (94); Traulsen, DÖV 2011, 769 (770); vgl. auch EWG Nr. 1 IE-RL. 49  KOM(2007) 844 endgültig vom 21.12.2007, S. 5; Calliess, in: Hansmann/Sell‑ ner, Grundzüge des Umweltrechts, 2 EU-Umweltrecht, Rn. 130. 50  Scheidler, UPR 2013, 121 (121). 51  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 350 f.; siehe auch Krämer/ Winter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 26 Rn. 153. Zur IVU-RL Feldhaus, ZUR 2002, 1 (2); Kugelmann, DVBl 2002, 1238 (1240); Scheidler, WiVerw. 2008, 3 (14 f.).

42

B. Bestandsaufnahme

UVP-II-RL erzeugt wird.52 Grundsätzlich sind alle Anlagen, Feuerungsanla‑ gen und Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen genehmigungspflichtig (Art.  4 Abs. 1 IE-RL). Bei Anlagen nach Anhang I, d. h. Tätigkeiten im Bereich der Energiewirt‑ schaft, der Herstellung und Verarbeitung von Metallen, der mineralverarbei‑ tenden und chemischen Industrie, der Abfallbehandlung und bei sonstigen Tätigkeiten, die gleichwertige Auswirkungen aufweisen, gelten die Vorschrif‑ ten des Kapitels II. Dieses Kapitel hat die Bestimmungen der IVU‑II‑RL aufgenommen. Nach Art. 24 Abs. 1 IE-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit erhält, sich zu beteiligen, und zwar bei der Erteilung und Aktu‑ alisierung einer Anlagengenehmigung. Für die Beteiligung gilt das in Anhang IV genannte Verfahren. Dabei ist die Öffentlichkeitsbeteiligung wie in der UVP-II-RL ausgestaltet. Nach An‑ hang IV Nr. 1 erhält die Öffentlichkeit frühzeitig Informationen hinsichtlich der Genehmigung. Der betroffenen Öffentlichkeit sind nach Nr. 2 des An‑ hangs IV noch weitere, über Nr. 1 hinausgehende Informationen zugänglich zu machen. Die betroffene Öffentlichkeit hat zudem das Recht, der zuständi‑ gen Behörde gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, be‑ vor eine Entscheidung getroffen wird (Anhang IV Nr. 3). Wie die UVP‑II-RL folgt auch die IE-RL somit dem sog. Trichtermodell.53 Ebenfalls im Gleich‑ lauf zur UVP-II-RL bestimmt die IE-RL, was unter den Begriffen der Öffent‑ lichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit zu verstehen ist. Die Legaldefini‑ tionen in Art. 3 Nr. 16, 17 IE-RL orientieren sich an der Åarhus-Konvention54 und wurden durch die ÖffB-RL eingeführt (siehe Art. 4 ÖffB-RL). Mittels dieser Definitionen wird der Kreis der Beteiligten erweitert, so dass die Åar‑ hus-Konvention positiven Einfluss auf die IE-RL hat.55 Die Ergebnisse der Konsultationen sind bei der Entscheidung in angemes‑ sener Weise zu berücksichtigen (Anhang IV Nr. 4). Die Behörde muss die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und sich inhaltlich damit auseinanderset‑ zen. Dennoch liegt keine rechtliche Bindung vor und die Ergebnisse können überwunden werden.56 52  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 350; Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 118. 53  Noch zur IVU-II-RL Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 97 f. 54  Shirvani, NuR 2010, 383 (385). 55  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 126; zum Einfluss der Åarhus-Konvention auf die IE-RL und UVP-II-RL Hendler/Wu, DVBl 2014, 78 ff.; Peters, EurUP 2014, 185 ff.; Rodenhoff, RECIEL 2002, 343 ff. 56  Zur IVU-II-RL Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 114 f.



I. Umweltrecht43

Nr. 5 von Anhang IV räumt den Mitgliedstaaten Spielräume bei der Ge‑ staltung der Öffentlichkeitsbeteiligung ein. Danach können die Mitgliedstaa‑ ten genaue Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit treffen. Nach der Entscheidung über die Genehmigung werden nach Art. 24 Abs. 2, 3 IE-RL der Öffentlichkeit Informationen zugänglich gemacht, wel‑ che u. a. den Inhalt und die Gründe der Entscheidung sowie die Konsultati‑ onsergebnisse und deren Berücksichtigung betreffen. Außerdem bestimmt Art. 24 Abs. 2 und 3 IE-RL, dass bestimmte Informationen auch über das Internet abrufbar sein müssen. Nach Art. 26 Abs. 2 IE-RL ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei grenz‑ überschreitenden Auswirkungen vorgesehen. Bei dem Betrieb einer Anlage mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaates sorgen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer bilateralen Be‑ ziehungen dafür, dass der Öffentlichkeit des möglicherweise betroffenen Mit‑ gliedstaates Anträge für den Betrieb zugänglich gemacht werden, damit sie dazu Stellung nehmen kann, bevor die zuständige Behörde ihre Entscheidung trifft. Abgestellt wird ausdrücklich auf die bilateralen Beziehungen der Mit‑ gliedstaaten, was im Vergleich zur grenzüberschreitenden Konsultation bei der UVP-II-RL eine strengere Anforderung darstellt. Die UVP-II-RL nor‑ miert einen solchen Vorbehalt nicht.57 Nach Art. 26 Abs. 3 IE-RL berück‑ sichtigt die zuständige Behörde die Ergebnisse der Konsultation, wenn sie über den Antrag entscheidet. Wie bereits die IVU-II-RL ermöglicht auch die IE-RL nach Art. 25 Abs. 1 IE-RL der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu Gericht. Diese Bestimmung gewährleistet wiederum die Umsetzung der Åarhus-Konvention.58 In Art. 25 Abs. 3 UAbs. 2 IE-RL werden die NGOs herausgehoben und deren Klage‑ recht wird mittels einer Fiktion begründet.59 Die Öffentlichkeitsbeteiligung in Kapitel II der IE-RL ist somit in weiten Teilen gleichlaufend mit der nach der UVP-II-RL ausgestaltet worden.60 Dies lässt sich hauptsächlich auf die ÖffB-RL zurückführen, welche die Vorausset‑ zungen der Åarhus-Konvention in das europäische Sekundärrecht implemen‑ tiert und ähnliche Voraussetzungen für beide Richtlinien geschaffen hat.61 IVU-II-RL Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 112. Art. 4 ÖffB-RL. 59  Shirvani, NuR 2010, 383 (385). 60  Siehe Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 10 Rn. 93; Wiesinger, Inno‑ vation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 118. 61  Vgl. dazu Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisie‑ rung, S. 126; Shirvani, NuR 2010, 383 (385); Stüer/Buchsteiner, DVBl 2013, 92 (95). Allerdings wird wie bei der UVP-II-RL (B. I. 1. Fn. 30) auch bei der IE-RL disku‑ 57  Zur

58  Vgl.

44

B. Bestandsaufnahme

Nichtsdestotrotz liegen auch Abweichungen vor, etwa bei der Information nach der Entscheidung oder der grenzüberschreitenden Konsultation. Eine weitere Einbeziehung von Dritten bei der IE-RL findet sich bei den Sondervorschriften für Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen in Kapitel IV, wel‑ ches die Regelungen der AbfallverbrennungsRL modifiziert.62 Nach Art. 55 Abs. 1 IE-RL werden Anträge auf neue Genehmigungen für Abfall(mit‑)ver‑ brennungsanlagen der Öffentlichkeit für einen angemessenen Zeitraum an einem oder mehreren Ort(en) zugänglich gemacht, um dieser vor der Ent‑ scheidung der zuständigen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Anträgen zu geben. Die Entscheidung mit mindestens einer Abschrift der Genehmigung und alle späteren Aktualisierungen müssen der Öffentlichkeit ebenfalls zugänglich gemacht werden. Die Vorschrift des Art. 55 Abs. 1 IERL wurde aus der AbfallverbrennungsRL ohne Veränderungen übernommen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit in Art. 55 IE-RL ist jedoch im Verhältnis zu Art. 24 ff. IE-RL nur in Grundzügen geregelt. Die wesentlich detaillierte‑ ren Vorschriften in Kapitel II räumen den Mitgliedstaaten einen einge‑ schränkteren Umsetzungsspielraum ein und ermöglichen dadurch einen ein‑ heitlichen Schutzstandard, wodurch die Rechtsharmonisierung vorangetrie‑ ben wird. Bemerkenswert ist aber, dass Art. 55 Abs. 1 IE-RL keine Begren‑ zung der Beteiligung auf die betroffene Öffentlichkeit vorsieht, sondern für die allgemeine Öffentlichkeit ein Stellungnahmerecht einräumt. Damit gehen die Vorschriften von Kapitel IV über Art. 24 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV IE-RL hinaus. Dies wird aber dadurch relativiert, dass bei der Beteiligung nach Ka‑ pitel IV eine ausdrückliche Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse nicht vorgeschrieben ist, die zuständige Behörde also die Stellungnahmen nicht in ihre Erwägungen einbeziehen muss. Bei der Beteiligung nach Art. 24 IE-RL ist zumindest eine Berücksichtigung gefordert. Die beiden verschiede‑ nen Beteiligungsformen in Kapitel II und IV sind somit nicht aufeinander abgestimmt und eine einheitliche verfahrensrechtliche Verknüpfung fehlt. Die Zusammenführung der verschiedenen Richtlinien ist in diesem Punkt missglückt. Der europäische Gesetzgeber hätte die Chance gehabt, einen ein‑ heitlichen Rahmen – wie er ihn in EWG Nr. 3 ausdrücklich als Ziel dekla‑ riert – auch in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung zu schaffen.

tiert, ob die Anforderungen der Åarhus-Konvention erfüllt sind, da nach der IE-RL nur der betroffenen Öffentlichkeit Äußerungs- und Anhörungsrechte eingeräumt wird, während die Åarhus-Konvention solche für die allgemeine Öffentlichkeit vorsieht. Dazu Shirvani, NuR 2010, 383 (385) m. w. N. 62  Siehe Röckinghausen, UPR 2012, 161 (162).



I. Umweltrecht45

b) EH-RL Der Anwendungsbereich der IE-RL überschneidet sich mit dem der EH-RL. Letztere setzt die Pflichten aus dem Kyoto-Protokoll zum Rahmenüberein‑ kommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen63 um, welches die EU neben den Mitgliedstaaten genehmigt hat (vgl. EWG Nr. 4 und 5 EH-RL).64 Das Kyoto-Protokoll verpflichtet die Vertragsparteien u. a. dazu, die Emissio‑ nen von Treibhausgasen, insbesondere CO2, zu reduzieren.65 Zur Reduzierung von Emissionen wurde durch die 2003 erlassene EH-RL ein unionsweites Emissionshandelssystem etabliert (EWG Nr. 5 EH-RL). Zunächst wurde dafür eine Emissionshöchstmenge für bestimmte Treibhausgase, anfangs nur für CO2, im Folgenden aber auch für andere Treibhausgase, festgelegt, welche in Einzelemissionsrechte aufgeteilt wurde, die kostenlos an die Marktteilnehmer verteilt wurden.66 Dieses Vorgehen erfolgte in den ersten beiden Handelsperi‑ oden von 2005 bis 2007 und 2008 bis 2012.67 In der laufenden dritten Han‑ delsperiode von 2013 bis 2020 wird die kostenlose Vergabe von Zertifikaten schrittweise durch deren Versteigerung ersetzt.68 Das hinter dem Emissions‑ handelssystem stehende Konzept erlegt den emittierenden Anlagen eine Ge‑ nehmigungspflicht auf. Nur bei erteilter Genehmigung dürfen Emissionen überhaupt ausgestoßen werden. Eine solche Genehmigung wird aber nur er‑ teilt, wenn die Emissionszertifikate von den Anlagenbetreibern in der Höhe des Ausstoßes zurückgegeben werden (siehe Art. 6 Abs. 2 lit. e) EH-RL).69 Der Anwendungsbereich der EH-RL wird in Art. 2 Abs. 1 EH-RL festge‑ legt. Danach unterfallen alle Tätigkeiten aus Anhang I (z. B. Verbrennung 63  Kyoto Protocol to the United Nations Framework Convention on Climate Change, FCCC/CP/1997/7/Add. 1, S. 7 ff. vom 11.12.1997. Neue Klimaziele wurden im sog. Paris-Abkommen festgelegt, welches 2020 in Kraft treten und das KyotoProtokoll ablösen soll. Näher zum Paris-Abkommen Ekardt, NVwZ 2016, 355 ff. 64  Siehe auch Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 16 Rn. 30 f.; Adolf/ Berg, EurUP 2004, 2 (2); Cosack, EurUP 2007, 40 (41); Groß, ZUR 2011, 171 (172). 65  Art. 2, 3 Kyoto-Protokoll. Siehe auch Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 491; Schlüter, Emissionshandel in der dritten Handelsperiode, S. 25; Epiney, ZUR 2010, 236 (236). 66  Kloepfer, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder, Emissionszertifikate und Umweltrecht, 19. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 71 (87 f.); Shirvani, VerwArch 104 (2013), 83 (87). 67  Überblick über die ersten drei Handelsperioden bei Schlüter, Emissionshandel in der dritten Handelsperiode. 68  Hartmann, NVwZ 2016, 189 (190); siehe auch Erling/Waggershauser, UPR 2008, 175 (176); Wegener, ZUR 2009, 283 (284 ff.); ausführlich Hartmann, ZUR 2011, 246 (247 ff.). 69  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 491; Epiney, ZUR 2010, 236 (236 f.).

46

B. Bestandsaufnahme

von Brennstoffen, Herstellung von Metallen) und alle Emissionen nach An‑ hang II (u. a. CO2 und Methan) dem Emissionshandelssystem. Nach Art. 2 Abs. 2 EH-RL gilt die Richtlinie unbeschadet der Anforderungen der IERL,70 d. h. die Tätigkeiten der EH-RL müssen auch den Anforderungen der IE-RL entsprechen.71 Der Überschneidungsbereich dieser beiden Richtlinien ist groß, da Anlagen nach der EH-RL in der Regel auch unter den Anwen‑ dungsbereich der IE-RL fallen.72 Dennoch unterscheiden sich die Regelungs‑ ansätze der Richtlinien. Die IE-RL verfolgt einen ordnungsrechtlichen An‑ satz, um Anlagenbetreiber zu verpflichten, die Emissionen niedrig zu halten, während die EH-RL durch das Handelssystem eine gesamtwirtschaftliche Kostensenkung anstrebt.73 Die IE-RL zielt damit auf anlagenbezogene Emis‑ sionsgrenzen ab, wohingegen die EH-RL einen Gesamtemissionsgrenzwert bestimmt.74 Die Beteiligung von Dritten findet sich in der EH-RL in Art. 27, der sog. Opt-out-Klausel. Grundsätzlich bedarf nach Art. 4 EH-RL jede Anlage, wel‑ che Tätigkeiten nach Anhang I durchführt, einer Genehmigung, um emittie‑ ren zu dürfen, es sei denn, die Anlage wurde nach Art. 27 EH-RL von dem System ausgeschlossen. Nach letzterem können kleine Anlagen, d. h. solche mit Emissionen von weniger als 25.000 t CO2-Äquivalenten und einer Feue‑ rungswärmeleistung von weniger als 35 MW, aus dem Emissionshandelssys‑ tem ausgeschlossen werden, wenn dafür ein gleichwertiger Beitrag zur Emis‑ sionsminderung vorgenommen wird. Gründe für einen solchen Ausschluss von kleinen Unternehmen sind zum einen die Verringerung des Verwaltungs‑ aufwandes und zum anderen die Tatsache, dass Anlagen mit solch niedrigen Emissionswerten nur im geringen Maße zur Gesamtmenge der Treibhausgase beitragen.75 7 % der größten Anlagen emittieren 60 % aller Emissionen, während die 1400 kleinsten Anlagen, was 14 % aller Anlagen entspricht, nur für 0,14 % der Gesamtemission verantwortlich sind.76 Das dadurch entste‑ hende Missverhältnis zwischen dem klimaschutzrelevanten Ertrag und dem

70  Art. 2 Abs. 2 EH-RL bezieht sich noch auf die IVU-RL, welche in der IE-RL aufgegangen ist [siehe B. I. 2. a)]. 71  Kerth, Emissionshandel im Gemeinschaftsrecht, S. 299. 72  Becker, EuR 2004, 857 (867); Epiney, ZUR 2010, 236 (241). 73  Becker, EuR 2004, 857 (869). 74  Kerth, Emissionshandel im Gemeinschaftsrecht, S. 297. 75  Vgl. Rodi, in: Schulze-Fielitz/Müller, Europäisches Klimaschutzrecht, 189 (192, 195). 76  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EUSystems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten, KOM(2008) 16 end‑ gültig vom 23.01.2008, S. 5.



I. Umweltrecht47

Verwaltungsaufwand soll durch Art. 27 EH-RL ausgeglichen werden.77 Da‑ her schuf die Änderungsrichtlinie 2009 / 29 / EG78 die Opt-out-Klausel in ih‑ rer aktuellen Fassung für die dritte Handelsperiode. Die Klausel war bereits in der ersten Handelsperiode vorgesehen, jedoch nur bis zum Ende derselben befristet. Mit der Aufnahme einer unbefristeten Opt-out-Klausel79 wurde die vorherige Fassung ergänzt. Aus Gründen der Fairness sowie zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen müssen nunmehr zusätzlich gleichwertige Maßnahmen erbracht werden, damit auch aus dem System ausgeschlossene Anlagen einen Beitrag zur Gesamtreduktion der Emissionen leisten.80 Diese gleichwertigen Maßnahmen können z. B. steuerlicher Art sein.81 Für den Ausschluss einer kleinen Anlage aus dem System muss der jewei‑ lige Mitgliedstaat der Kommission den beabsichtigten Ausschluss mitteilen, Überwachungsvorkehrungen vorsehen und bei Überschreiten der Grenzwerte die Einbeziehung der Anlage in das System zusichern (siehe Art. 27 Abs. 1 lit. a)–c) EH-RL). Zudem muss der Mitgliedstaat nach Art. 27 Abs. 1 lit. c) EH-RL diese Informationen veröffentlichen, damit die Öffentlichkeit Stel‑ lung nehmen kann. Wer von der Öffentlichkeit umfasst ist, legt die Legalde‑ finition des Art. 3 lit. i) EH-RL fest. Danach zählen zur Öffentlichkeit „eine oder mehrere Personen sowie gemäß den nationalen Rechtsvorschriften oder der nationalen Praxis Zusammenschlüsse, Organisationen oder Gruppen von Personen“. Nach Art. 27 Abs. 2 EH-RL gilt die Ausnahme als angenommen, wenn die Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Dreimo‑ natsfrist keine Einwände erhebt. Die Dreimonatsfrist läuft ab dem Tag, an dem die Mitteilung zur Stellungnahme der Öffentlichkeit erfolgt ist. Im Ge‑ gensatz zur Opt-out-Klausel aus der ersten Handelsperiode ist eine direkte Berücksichtigung der Stellungnahmen der Öffentlichkeit nicht vorgesehen. Art. 27 Abs. 2 EH-RL a. F. sah vor, dass „[…] die Kommission nach Berück‑ sichtigung etwaiger Bemerkungen der Öffentlichkeit zu d[em] Antrag […]“ 77  EWG Nr. 11 Änderungsrichtlinie 2009/29/EG; Rodi, in: Schulze-Fielitz/Müller, Europäisches Klimaschutzrecht, 189 (192); Epiney, ZUR 2010, 236 (238); Wegener, ZUR 2009, 283 (285). 78  Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.  April 2009 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausgasemissions‑ zertifikaten, ABl. L 140 vom 05.06.2009, S. 63. 79  Auch in der vierten Handelsperiode soll die Opt-out-Klausel unverändert über‑ nommen werden, siehe Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Inves‑ titionen in CO2-effiziente Technologien, KOM(2015) 337 endgültig vom 15.07.2015, S.  11 f. 80  Erling/Waggershauser, UPR 2008, 175 (176). 81  EWG Nr. 11 Änderungsrichtlinie 2009/29/EG.

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B. Bestandsaufnahme

den Ausschluss feststellt. Die aktuelle Formulierung in Art. 27 Abs. 2 EH-RL impliziert allerdings nur indirekt durch die Bezugnahme auf den Zeitraum für die Stellungnahme von der Öffentlichkeit, dass eine Berücksichtigung stattfindet. Eine klare Formulierung wie in Art. 27 Abs. 2 EH-RL a. F. wäre wünschenswert gewesen. Die Beteiligung im Rahmen der EH-RL ist somit nur untergeordneter Na‑ tur und nimmt nicht wie bei der UVP-II-RL oder IE-RL einen großen Stel‑ lenwert ein. Lediglich bei der Bewilligung einer Ausnahme und nicht bei der regulären Genehmigung ist eine Beteiligung durchzuführen. c) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO Eine weitere sekundärrechtliche Norm, welche unter das Immissionsschutz‑ recht fällt, ist die FlughafenbetriebsbeschränkungsVO. Diese Verordnung um‑ fasst den Bereich des Lärms als Immission. Die Verordnung enthält Vorschrif‑ ten für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen für Flughäfen, um zur Verbesse‑ rung der Lärmsituation beizutragen und die Auswirkungen des Fluglärms für erheblich betroffene Menschen zu begrenzen bzw. zu reduzieren (vgl. Art. 1 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO). Die Verordnung löste die Richtlinie 2002 / 30 / EG82 ab. Diese schuf erstmals einen Rahmen für unionale Restrikti‑ onen im Bereich des Flughafenlärms.83 Außerdem sollten mit der Richtlinie die Lärmstandards aus dem Chicagoer Abkommen84 umgesetzt und das Kon‑ zept des sog. ausgewogenen Ansatzes (balanced approach) der International Civil Aviation Organization (ICAO)85 übernommen werden.86 Nach der FlughafenbetriebsbeschränkungsVO werden Dritte in zwei Be‑ reichen beteiligt. Zum einen können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO Maßnahmen zur Gewährleistung des ausgewogenen Ansatzes zur Bekämpfung von Fluglärm auf Flughäfen, bei denen ein Lärmproblem ermittelt wurde, durchführen (sog. Lärmminderungs‑ maßnahmen). Unter dem ausgewogenen Ansatz versteht die Verordnung nach der Legaldefinition des Art. 2 Nr. 3 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO „das 82  Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. März 2002 über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. L 85 vom 28.03.2002, S. 40. 83  Eifert, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 640. 84  Convention on International Civil Aviation, Doc 7300 vom 07.12.1944, letzte überarbeitete neunte Version Doc 7300/9 vom 30.09.1977. 85  Festgelegt in der 33. Generalversammlung der ICAO, Assembly Resolutions in Force, Doc. 9790 vom 05.10.2001, S. I-38 ff. 86  Stoffel, in: Ziekow, Beschränkungen des Flughafenbetriebes – Planfeststel‑ lungsverfahren – Raumordnungsrecht, 49 (51 ff.) mit weiteren Erläuterungen.



I. Umweltrecht49

von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation entwickelte Verfahren, bei dem die möglichen Maßnahmen, insbesondere Reduzierung des Fluglärms an der Quelle, Flächennutzungsplanung und -verwaltung sowie lärmmin‑ dernde Betriebsverfahren und Betriebsbeschränkungen, in einheitlicher Weise geprüft werden, um das Lärmproblem auf einem einzelnen Flughafen auf die kosteneffizienteste Weise zu lösen“. Der Ausdruck „insbesondere“ legt dabei nahe, dass die Aufzählung nicht abschließend ist und die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Lösung des Lärmproblems vornehmen müssen.87 Bevor solche Maßnahmen erlassen werden, stellen die Mitgliedstaaten aber sicher, dass die interessierten Parteien auf transparente Weise zu den geplan‑ ten Maßnahmen angehört werden (Art. 5 Abs. 2 lit. e) Flughafenbetriebsbe‑ schränkungsVO). Zum anderen werden Dritte beim Erlass von Betriebsbeschränkungen betei‑ ligt. Eine Betriebsbeschränkung ist „eine Lärmminderungsmaßnahme, die den Zugang zu einem Flughafen oder seine Betriebskapazität einschränkt, ein‑ schließlich Betriebsbeschränkungen, durch die knapp die Vorschriften erfül‑ lende Luftfahrzeuge von bestimmten Flughäfen abgezogen werden sollen, sowie partieller Betriebsbeschränkungen, die zum Beispiel für eine bestimmte Tageszeit oder nur für bestimmte Start- und Landebahnen des Flughafens gelten“88. Es können somit Betriebsbeschränkungen aller Art vorgenommen werden.89 Nach Art. 6 Abs. 1 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO wird die Lärmsituation an Flughäfen regelmäßig einer Bewertung unterzogen. Geht aus dieser Bewertung hervor, dass neue betriebsbeschränkende Maßnahmen erforderlich sein könnten, gewährleistet die zuständige Behörde, dass u. a. eine Zusammenarbeit zwischen Flughafen-, Luftfahrzeugbetreibern und Flug‑ sicherungsdienstleistern eingerichtet wird und Anwohner oder ihre Vertreter sowie einschlägige lokale Behörden gehört werden und diese technische In‑ formationen über Lärmminderungsmaßnahmen erhalten (Art. 6 Abs. 2 lit. b) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO). Zudem muss nach Art. 6 Abs. 2 lit. d) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO eine Anhörung interessierter Parteien, die in Form eines Mediationsverfahrens durchgeführt werden kann, rechtzei‑ tig und in fundierter Weise so durchgeführt werden, dass Offenheit und Trans‑ parenz hinsichtlich der Daten und der Berechnungsmethoden gewährleistet werden. Interessierte Kreise haben mindestens drei Monate Zeit zur Stellung‑ nahme, bevor die neuen Betriebsbeschränkungen erlassen werden. 87  Heitsch, EurUP 2005, 75 (83) zur Legaldefinition nach Art. 2 lit. g) Vorgänger‑ richtlinie 2002/30/EG, welche aber der Legaldefinition von Art. 2 Nr. 4 Flughafenbe‑ triebsbeschränkungsVO ähnelt. 88  Legaldefinition aus Art. 2 Nr. 6 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO. 89  Vgl. für die Legaldefinition von Art. 2 lit. e) Vorgängerrichtlinie 2002/30/EG Heitsch, EurUP 2005, 75 (82).

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B. Bestandsaufnahme

Im Weiteren enthält die Bestimmung Mindestanforderungen an den Kreis der zu beteiligenden Personen. Zu den interessierten Kreisen gehören danach mindestens vom Fluglärm betroffene Anwohner in Flughafennähe oder ihre Vertreter und die einschlägigen lokalen Behörden, die Vertreter von in Flug‑ hafennähe ansässigen örtlichen Unternehmen, deren Betrieb durch den Flug‑ verkehr und den Flughafenbetrieb betroffen ist, die betreffenden Flughafen‑ betreiber, die Vertreter der von Lärmminderungsmaßnahmen möglicherweise betroffenen Luftfahrzeugbetreiber, die betreffenden Flugsicherungsdienstleis‑ ter, der Netzmanager und gegebenenfalls der benannte Zeitnischen-Koordi‑ nator. Zum Erlass von Betriebsbeschränkungen müssen die Regeln nach Art. 8 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO eingehalten werden, so dass die Betriebsbeschränkungen sechs Monate im Voraus den Mitgliedstaaten, der Kommission und den interessierten Parteien zur Kenntnis gebracht werden sollen (Abs. 1). Die Kommission kann die Betriebsbeschränkung dann über‑ prüfen, ohne dass ihr allerdings ein Vetorecht zukommt (siehe Art. 8 Abs. 3 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO). Auffällig sind die verschiedenen Terminologien bezüglich der zu Beteili‑ genden in der Verordnung. Sie spricht von der Einbeziehung von interessier‑ ten Parteien, Anwohnern und ihren Vertretern sowie interessierten Kreisen, wozu auch die Anwohner gezählt werden. Ob daraus eine unterschiedliche Behandlung von verschiedenen Personenkreisen resultiert, lässt die Verord‑ nung offen. Die begriffliche Unterscheidung von interessierten Parteien und Kreisen kann zumindest vernachlässigt werden, da in den anderen Sprachfas‑ sungen der Verordnung eine einheitliche Terminologie verwendet wird (z. B. im Englischen interested parties oder im Französischen parties intéressées). Daher werden interessierte Parteien und interessierte Kreise gleichzusetzen sein. Die Anwohner können als eine besondere Gruppe der interessierten Par‑ teien angesehen werden, was aus der in Art. 6 Abs. 2 lit. d) Flughafenbetriebs‑ beschränkungsVO zugrunde gelegten Systematik deutlich wird. Nach diesen Mindestanforderungen sind Anwohner von den interessierten Kreisen und mithin auch von den gleichzusetzenden interessierten Parteien umfasst. Eine Aufnahme von Legaldefinitionen in Art.  2 Flughafenbetriebsbeschrän‑ kungsVO hätte allerdings für Klarheit gesorgt. Das Fehlen einer solchen ist vor dem Hintergrund der in der Vorgängerrichtlinie vorhandenen Definition der Betroffenen90 nicht nachvollziehbar. In diesem Bereich erfolgt durch die FlughafenbetriebsbeschränkungsVO ein Rückschritt. Nichtsdestotrotz enthält die Verordnung ein im Verhältnis zur Vorgängerrichtlinie ausdifferenzierteres Verfahren zur Beteiligung Dritter. Nach Art. 10 RL 2002 / 30 / EG war lediglich vorgesehen, dass ein Verfahren zur Konsultation der Betroffenen bei Betriebs‑ beschränkungen eingeführt werden muss. Detaillierte Regelungen fehlten. 90  Art. 2

lit. f) RL 2002/30/EG.



I. Umweltrecht51

3. Störfallrecht Das Störfallrecht schützt Menschen und Umwelt vor Risiken, die aus schweren Unfällen resultieren.91 Die Regelungen im Bereich des Störfall‑ rechts stellen Anforderungen an die Anlagen- und Betriebssicherheit, die um‑ gebende Landnutzung und die Notfallplanung bzw. Katastrophenvorsorge.92 Solche Bestimmungen enthält auch die Seveso-III-RL93, welche daher dem Bereich des Störfallrechts zugeordnet wird. Die Richtlinie legt zum einen Bestimmungen für die Verhütung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen fest und begrenzt zum anderen Unfallfolgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt (Art. 1 Seveso-III-RL). Dabei wird ein Drei-Säulen-Ansatz durch die Richtlinie verfolgt. In der ersten Säule wird ein aktiver Störfall‑ schutz durch den Betreiber bestimmt, um die Anlagen- und Betriebssicher‑ heit und die Begrenzung von Störfallfolgen zu gewährleisten. Der passive Störfallschutz der zweiten Säule wird insbesondere durch den Träger der raumbezogenen Planung vollzogen, so dass u. a. Unfallfolgen durch gewisse Anforderungen an die umgebende Landnutzung begrenzt werden. In der drit‑ ten Säule findet sich die Notfallplanung durch die Behörde als Teil der Kata‑ strophenvorsorge.94 Die Beteiligung von Dritten ist in der zweiten Säule im Bereich des passi‑ ven Störfallschutzes verankert und wird – wie bei der UVP-II-RL und IERL – als Öffentlichkeitsbeteiligung betitelt.95 Nach Art. 15 Abs. 1 SevesoIII-RL sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig Gelegenheit erhält, ihren Standpunkt zu spezifischen einzelnen Projekten darzulegen. Art. 15 Abs. 2–4 Seveso-III-RL normiert wie die Rege‑ lungen der UVP-II-RL und IE-RL ein Trichtermodell, so dass die Öffentlich‑ keit informiert wird, die betroffene Öffentlichkeit weitere Informationen enthält und im weiteren Schritt Kommentare und Stellungnahmen übermit‑ teln kann. Wie schon die UVP-II-RL und die IE-RL enthält auch die SevesoIII-RL Legaldefinitionen von Öffentlichkeit und betroffener Öffentlichkeit in 91  Köck,

NVwZ 2012, 1353 (1354); vgl. auch EWG Nr. 1 und 2 Seveso-III-RL. NVwZ 2012, 1353 (1354). 93  Die Richtlinie ist nach dem norditalienischen Ort Seveso benannt, in welchem sich im Jahr 1976 eine Explosion in einer Chemiefabrik ereignete, was zur Freiset‑ zung einer giftigen Dioxinwolke führte. Dieser Unfall wurde als Anlass zum Erlass der ursprünglichen Richtlinie 82/501/EWG (ABl. L 230 vom 05.08.1982, S. 1) ge‑ nommen, Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 19 Rn. 257; vgl. auch Jans/ Vedder, European Environmental Law, S. 358; Wettig, PHi 2000, 2 (3). 94  Zum Vorangehenden Köck, NVwZ 2012, 1353 (1355). 95  Siehe Überschrift von Art. 15 Seveso-III-RL. Außer Betracht bleibt Art. 15 Abs. 6 Seveso-III-RL, da dieser lediglich eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei Plänen und Programmen und nicht bei Entscheidungen mit unmittelbarer Drittwirkung regelt. 92  Köck,

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B. Bestandsaufnahme

Art. 3 Nr. 17 und 18 Seveso-III-RL. Die Definitionen übernehmen die Anfor‑ derungen der Åarhus-Konvention und ähneln daher auch den Definitionen aus der UVP-II-RL und der IE-RL. Die Ergebnisse der Konsultationen müssen bei der Entscheidung angemes‑ sen berücksichtigt werden. Nach Erlass der Entscheidung werden der Öffent‑ lichkeit der Inhalt und die Gründe für die Entscheidung sowie die Ergebnisse der Konsultationen und eine Erklärung, wie diese im Rahmen der Entschei‑ dung berücksichtigt wurden, zugänglich gemacht (Art. 15 Abs. 5 Seveso-IIIRL). Die genauen Vorkehrungen für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit legen die Mitgliedstaaten fest. Dabei muss in jedem Fall aber eine ausreichende Zeit für die verschiedenen Phasen zur Verfügung stehen (Art. 15 Abs. 7 Seveso-III-RL). Nach Art. 23 lit. b) Seveso-III-RL erhält die betroffene Öffentlichkeit im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften in den Fällen nach Art. 15 Abs. 1 Seveso-III-RL Zugang zu den in Art. 11 UVP-II-RL eingerichteten Überprü‑ fungsverfahren. Auch diese Vorschrift dient der Angleichung an die ÅarhusKonvention.96 Die Öffentlichkeitsbeteiligung aus Art. 15 Seveso-III-RL wurde somit an die Voraussetzungen der Åarhus-Konvention angeglichen.97 Die nur sehr oberflächliche Regelung des Art. 13 Abs. 5 Seveso-II-RL wurde durch eine ausführliche, detaillierte und klare Öffentlichkeitsbeteiligung abgelöst. Es erfolgt eine wesentliche Ausweitung der Öffentlichkeitsbeteiligung.98 Da‑ durch erhält die subjektive Komponente des Störfallrechts eine noch stärkere Betonung.99 Die gesteigerte Einbindung der Öffentlichkeit stärkt vor allem den Dialog zwischen Anlagenbetreibern und der durch einen möglichen Un‑ fall betroffenen Bevölkerung, so dass zur Katastrophenvorsorge beigetragen und diese verbessert wird.100 Die Öffentlichkeitsbeteiligung der Seveso-IIIRL ist parallel zu Öffentlichkeitsbeteiligung nach der UVP-II-RL und nach Art. 24 IE-RL ausgestaltet, was auch aus der Verweisung auf Art. 11 UVP-IIRL in Art. 23 Seveso-III-RL ersichtlich wird. Die Vorschriften gleichen sich somit in hohem Maße.

96  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, KOM(2010) 781 endgültig vom 21.12.2010 S. 13. 97  Siehe EWG Nr. 21 Seveso-III-RL; Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfäl‑ len mit gefährlichen Stoffen, KOM(2010) 781 endgültig vom 21.12.2010 S. 11. 98  Grüner, UPR 2014, 161 (166). 99  Jarass Cohen, NVwZ 2014, 902 (905). 100  Wettig, PHi 2000, 2 (10).



I. Umweltrecht53

4. Umweltaudit Ein Umweltauditverfahren etabliert auf europäischer Ebene die EMAS‑III‑VO, auch bezeichnet als Öko-Audit-VO oder UmweltauditVO.101 „EMAS“ steht nach Art. 1 EMAS-III-VO für die Kurzform der eng‑ lischen Bezeichnung Environmental Management and Audit Scheme.102 Durch die Verordnung wird ein Gemeinschaftssystem für das Umweltma‑ nagement und die Umweltbetriebsprüfung geschaffen, an dem sich Organi‑ sationen innerhalb und außerhalb der Union freiwillig beteiligen können (Art. 1 EMAS-III-VO). Die ursprüngliche Fassung der EMAS-VO aus dem Jahr 1993 enthielt erstmals Regelungen für eine freiwillige Einrichtung eines betrieblichen Umweltmanagements.103 Seitdem wurde die Verordnung zwei Mal reformiert und bis hin zur aktuellen Fassung der EMAS-III-VO104 stetig erweitert. Die Besonderheit dieser Verordnung ist ihre im System angelegte Freiwil‑ ligkeit.105 Die Unternehmen werden gerade nicht zur Einhaltung von be‑ stimmten Verhaltensregeln zur Verringerung der Umweltbelastungen ge‑ zwungen, sondern durch die Verordnung werden Anreize zum freiwilligen Engagement zur Verbesserung des Umweltschutzes geschaffen.106 Dahinter steht ein System gesellschaftlicher Selbstregulierung.107 Die Freiwilligkeit grenzt die EMAS-III-VO von der UVP-II-RL ab. Während die Umweltver‑ träglichkeitsprüfung nach der UVP-II-RL zwingend vorgeschrieben ist, um ein bestimmtes Projekt auf seine Umweltauswirkungen zu prüfen, zielt die EMAS-III-VO darauf ab, das umweltrelevante Verhalten eines Betriebes als Gesamtes zu verbessern (vgl. Art. 1 EMAS-III-VO). Dies soll durch eine freiwillige Teilnahme am System erzeugt werden. Zudem ist der Anwen‑ dungsbereich wesentlich breiter als bei der Umweltverträglichkeitsprüfung.108 101  Kenzler, Das umweltrechtliche und vergaberechtliche Pivilegierungspotential des EMAS, S. 23; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 11 Rn. 1. 102  Jarass, DVBl 2003, 298 (299). 103  Kenzler, Das umweltrechtliche und vergaberechtliche Pivilegierungspotential des EMAS, S. 23. 104  Zu den Neuerung der EMAS-III-VO Schmidt-Räntsch, EurUP 2010, 123 ff. 105  Jarass, DVBl 2003, 298 (299). 106  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 333; Kenzler, Das umwelt‑ rechtliche und vergaberechtliche Privilegierungspotential des EMAS, S. 23 f.; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 11 Rn. 16. 107  Leifer, Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS als Element gesell‑ schaftlicher Selbstregulierung, S. 188; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 11 Rn. 16; ebenso Schmidt-Preuß, in: FS Kriele, 1157 (1162), der von einem Sys‑ tem der Selbstkontrolle spricht. 108  Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 100e.

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B. Bestandsaufnahme

Die für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand relevante Öffentlich‑ keitsbeteiligung findet sich in Art. 12 und 13 EMAS-III-VO. Möchten Unter‑ nehmen an dem EMAS-System teilnehmen, müssen sich diese zunächst re‑ gistrieren (siehe Art. 3 ff. EMAS-III-VO). Die zuständigen Stellen der Mit‑ gliedstaaten legen dafür Verfahren fest (Art. 12 EMAS-III-VO). Diese müs‑ sen u. a. ermöglichen, dass Bemerkungen interessierter Kreise, einschließlich Akkreditierungs- und Zulassungsstellen, zuständige Durchsetzungsbehörden und Vertretungsgremien der Organisationen, zu Antrag stellenden oder regis‑ trierten Organisationen berücksichtigt werden (Art. 12 Abs. 1 lit. a) EMASIII-VO). Damit eine Organisation registriert werden kann, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, die Art. 13 Abs. 2 EMAS-III-VO auflistet. Dabei wird u. a. vorausgesetzt, dass keine Beschwerden von interessierten Kreise vorliegen dürfen bzw. Beschwerden positiv geklärt worden sein müssen (Art. 13 Abs. 2 lit. d) EMAS-III-VO). Soll eine EMAS-Registrierung verlän‑ gert werden, so muss diese Bedingung des Nichtvorliegens bzw. der positi‑ ven Klärung von Beschwerden ebenfalls erfüllt sein (Art. 14 Abs. 1 lit. e) EMAS-III-VO). Die Beschwerde kann mithin Hinderungsgrund sein, so dass dieser eine Vetofunktion zukommt. Die Beteiligung geht bezüglich ihrer Wir‑ kung damit über alle bisher dargestellten Sekundärrechtsakte hinaus. Diese Vetofunktion wurde erst mit der Neufassung der EMAS-III-VO eingeführt. So sehr die gesteigerte Einflussnahme von Dritten auch zu begrüßen ist, wurde aber weder im Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene zur neuen EMAS-III-VO noch bei der Implementierung der neuen Verordnung in das deutsche Umweltauditgesetz eine Begründung für die Vetomöglichkeit der Dritten gegeben.109 Warum Dritte also einen solch starken Einfluss im Zertifizierungsverfahren erhalten haben, bleibt offen. Auch ist trotz normierter Vetofunktion fraglich, ob eine Beschwerde die Zertifizierung in der Praxis tatsächlich verhindern kann. Ein Negativbeispiel dafür ist die Beschwerde des BUND (Landesverband Sachsen) gegen die Zertifizierung des Unternehmens Feralpi Stahl Riesa. Trotz eingelegter Be‑ schwerde wurde dem Unternehmen das EMAS-Zertifikat erteilt. Eine posi‑ tive Klärung der Beschwerde fehlt aber wohl, da der BUND (Landesverband Sachsen) die Tatsachenlage als nicht hinreichend geklärt ansieht und daher nicht von einer Ausräumung der eingereichten Beschwerdepunkte im Sinne einer positiven Klärung ausgegangen werden kann.110 109  In der Gesetzesbegründung zur Änderung des Umweltauditgesetzes wird bei § 33 Umweltauditgesetz lediglich von einer redaktionellen Anpassung der Verweise und der Terminologien gesprochen, siehe Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Ent‑ wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umweltauditgesetzes, BT-Drs. 17/6611 vom 15.07.2011, S. 14. 110  Siehe zur Sachlage Schreiben des BUND (Landesverband Sachsen) vom 17.07.2013 (abrufbar unter http://www.bund-sachsen.de/uploads/media/Feralpi1.pdf



I. Umweltrecht55

Die bei der EMAS-III-VO einzubeziehenden Dritten sind beschränkt auf die interessierten Kreise. Schon aus Art. 1 EMAS-III-VO wird deutlich, dass die interessierten Kreise von der Öffentlichkeit differenziert werden. Der Arti‑ kel spricht von der „Öffentlichkeit und andere[n] interessierte[n] Kreise[n]“111 und stellt letztere ausdrücklich neben die Öffentlichkeit. Zudem werden bei den Informationspflichten der Unternehmen112 nur die Öffentlichkeit, bei der Registrierung aber wiederum nur die interessierten Kreise einbezogen. Eine eigenständige Definition der interessierten Kreise fehlt jedoch. Anhand der Aufzählung in Art. 12 Abs. 1 lit. a) EMAS-III-VO wird allerdings deutlich, dass auch Behörden umfasst sind und damit ein breiter Adressatenkreis ange‑ nommen wird. Dieser unterscheidet sich vom Adressatenkreis, der durch den Begriff der Öffentlichkeit vorgegeben wird und keine Behörden erfasst. Die interessierten Kreise sind daher nicht Teil der Öffentlichkeit,113 sondern umge‑ kehrt kann die Öffentlichkeit als Teil der interessierten Kreise angesehen wer‑ den. Unter den Terminus der interessierten Kreise können z. B. Beschäftigte der Organisation, Anteilseigner, Kunden, Behörden, Nachbarn oder auch Ver‑ sicherungen, Banken und die Wissenschaft fallen.114 Dennoch fehlt eine da‑ hingehende Klarstellung in der Verordnung, was unter den Begriffen zu ver‑ stehen ist. In diesem Punkt macht die EMAS-III-VO im Verhältnis zur EMASII-VO einen Rückschritt.115 Art. 2 lit. p) EMAS-II-VO gab eine Definition für interessierte Kreise vor. Danach waren „Personen oder Gruppen, auch Behör‑ den, die die Umweltleistung einer Organisation betrifft oder die hiervon be‑ rührt sind“, umfasst. Diese Definition war angelehnt an die Begriffsbestim‑ mung aus der privaten internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001:1996 und wurde in die EMAS-II-VO als Neuerung eingeführt.116 Für (Stand: 23.03.2017)) und vom 18.07.2013 (abrufbar unter http://www.bund-sachsen. de/uploads/media/Feralpi2.pdf (Stand: 23.03.2017)) sowie die Pressemitteilung des BUND (Landesverband Sachsen) vom 30.01.2014 (abrufbar unter http://www.bundsachsen.de/fileadmin/bundgruppen/bcmslvsachsen/PDFs//140130__PM_EMAS.pdf (Stand: 23.03.2017); Feralpi Stahl Riesa ist aktuell immer noch nach der EMAS-IIIVO zertifiziert, siehe EMAS-Register der Kommission http://ec.europa.eu/environ ment/emas/register/search/registration.do?registrationId=535013 (Stand: 23.03.2017) und Registrierungsurkunde der Feralpi Stahl Riesa (abrufbar unter http://www.feralpi. de/downloads/zertifikate_qualitaet_energie_umwelt/EMAS_Geprueftes_Umweltma nagement_-_Registrierungsurkunde.pdf (Stand: 19.10.2017)). 111  EWG Nr. 17, Art. 1, Art. 2 Nr. 18 und 19, Anhang II B.5. EMAS-III-VO. 112  Z. B. Art. 10 Abs. 3, Art. 34 EMAS-III-VO. 113  A. A. Langerfeldt, Das novellierte Environmental Management and Audit Scheme (EMAS-II), S. 163. 114  Theis, in: FS Nagel, 211 (216). 115  Siehe Entsprechungstabelle in Anhang VIII EMAS-III-VO, welche keine ent‑ sprechende Vorschrift für Art. 2 lit. p) EMAS-II-VO vorsieht. 116  Langerfeldt, Das novellierte Environmental Management and Audit Scheme (EMAS-II), S. 163 Fn. 557.

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B. Bestandsaufnahme

die Herausnahme dieser Definition aus der EMAS-III-VO ist kein Grund er‑ sichtlich. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beteiligung der interes‑ sierten Kreise in der EMAS-III-VO ausgebaut und gestärkt wurde, ist nicht verständlich, warum diese Definition nicht übernommen wurde. Im Gegensatz zur EMAS-II-VO, wonach die interessierten Kreise lediglich angehört wur‑ den, damit die Behörde eine Entscheidungsgrundlage hatte (Art. 6 Nr. 5 EMAS-II-VO), ist nach der EMAS-III-VO die Beschwerde von interessierten Kreisen als Veto ausgestaltet worden. Bei einer solch gewichtigen Position der interessierten Kreise wäre eine Definition in der Verordnung angebracht.

5. Naturschutzrecht Auf der europäischen Ebene gehört die FFH-RL neben der VogelschutzRL und der Artenschutz-VO zu den Kernelementen des Naturschutzrechts.117 Die für die Untersuchung relevante FFH-RL zielt auf die Sicherung der Ar‑ tenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild‑ lebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten ab (Art. 2 Abs. 1 FFH-RL). Dafür stellt die Richtlinie ein Schutzgebietssystem auf, das sog. Natura 2000, welches ein zusammenhängendes, gebietsüber‑ greifendes Netz von besonderen Schutzgebieten schafft und ebenfalls die Schutzgebiete der Vogelschutz-RL umfasst.118 Zur Errichtung von Natura 2000 weist jeder Mitgliedstaat besondere Schutzgebiete nach den Bestim‑ mungen von Art. 4 FFH-RL aus.119 Für diese von den Mitgliedstaaten ausge‑ wiesenen Schutzgebiete legt Art. 6 FFH-RL den Schutzstatus fest. Dabei ist die wichtigste Rechtsfolge der Ausweisung, dass nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL Pläne und Projekte, die solche Gebiete erheblich beeinträchtigen könnten, einer Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen (sog. FFHVerträglichkeitsprüfung).120 Diese FFH-Verträglichkeitsprüfung ist von der Umweltverträglichkeitsprü‑ fung nach der UVP-II-RL zu unterscheiden. Der medienübergreifende Ansatz der Umweltverträglichkeitsprüfung wird von der FFH-Verträglichkeitsprü‑ fung nicht verfolgt. Es werden lediglich die für das besondere Schutzgebiet festgelegten Erhaltungsziele überprüft, so dass einmedial auf die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege abgestellt wird. Eine Prüfung der 117  Gellermann, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 10 Natur‑ schutzrecht, Rn. 11. 118  Art. 3 Abs. 1 FFH-RL; Gellermann, Natura 2000, S. 11; Meßerschmidt, Euro‑ päisches Umweltrecht, § 13 Rn. 47. 119  Art. 3 Abs. 2 FFH-RL. 120  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 13 Rn. 73 ff.



I. Umweltrecht57

Wechselwirkung mit anderen Umweltmedien findet nicht statt.121 Zudem sind bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung keine besonderen Verfahrensregeln durch die Richtlinie festgelegt worden, so dass detaillierte Bestimmungen zur Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung oder zu nötigen Angaben durch den Projektträger fehlen.122 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist die erste von insgesamt drei Stufen bei der Prüfung von Plänen und Projekten auf ihre Verträglichkeit mit dem besonderen Schutzgebiet. Als zweite Stufe entscheidet die Behörde unter Be‑ rücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung, bevor sie auf der letzten Stufe bei Vorliegen einer Unverträglichkeit eine Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL erwägen kann.123 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist wie die Umweltverträglichkeitsprüfung, ein Verfahrensinstrument, welches integrierter Bestandteil des jeweiligen Zulassungsverfahrens ist. Zudem wird eine Verträglichkeitsprüfung auch bei vorweg laufenden Fachplanungen oder raumordnerischen Gesamtplanungen und Flächennutzungsplanungen durch‑ geführt, was dem Anwendungsbereich der SUP-RL entspricht.124 Wie die Verträglichkeitsprüfung ausgestaltet werden soll, wird in der Richtlinie nicht vorgegeben, so dass den Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht ein weiter Gestal‑ tungsspielraum eröffnet wird.125 Die Verträglichkeitsprüfung wird bei Plänen und Projekten durchgeführt. Definitionen dieser Begrifflichkeiten finden sich in der Richtlinie nicht. Die Literatur fasst unter die Pläne alle Akte, die die Bodennutzung bzw. die räumliche Entwicklung betreffen und somit vorbereitend für ein Projekt sind.126 Die Pläne gehen also der Projektzulassung voraus, so dass auf eine vorgelagerte Entscheidungsebene abgezielt wird.127 Damit haben Pläne im Sinne der FFH-RL noch keine unmittelbare Wirkung für Dritte und fallen aus dem Untersuchungsgegenstand der Arbeit heraus. Von Relevanz für die Un‑ 121  Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 100b; Schink, NuR 2003, 647 (649); Stollmann, GewArch 2001, 318 (326 Fn. 104). 122  Zum Vorangehenden Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 100b; Stollmann, Gew­ Arch 2001, 318 (326 Fn. 105). 123  Europäische Kommission, Natura 2000 – Gebietsmanagement. Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2000, S. 32 (abrufbar unter http:// ec.europa.eu/environment/nature//management/docs/art6/provision_of_art6_de.pdf (Stand: 19.10.2017)). 124  Schink, NuR 2003, 647 (649). 125  Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 530; Verwiebe, Umweltprü‑ fungen auf Plan- und Programmebene, S. 143. 126  Epiney, in: Epiney/Gammenthaler, Das Rechtsregime der Natura 2000-Schutz‑ gebiete, S. 98; Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 527 m. w. N.; von Keitz, Rechtsschutz Privater gegen FFH-Gebiete, S. 78. 127  Verwiebe, Umweltprüfungen auf Plan- und Programmebene, S. 132.

58

B. Bestandsaufnahme

tersuchung sind allerdings die möglichen Projekte in einem besonderen Schutzgebiet. Der Projektbegriff zielt gerade auf die Durchführung von Ein‑ zelvorhaben ab,128 wodurch eine Entscheidung über das Projekt für den ein‑ zelnen Projektträger unmittelbare Wirkung entfaltet. Für die Bestimmung des Projektbegriffs wird auf die weite Definition aus Art. 1 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Anhang I UVP-II-RL abgestellt.129 Der Projektbegriff der FFH-RL ist somit sehr weit gefasst.130 Bei der Beurteilung, ob die Verträglichkeitsprüfung eines Projektes – und auch eines Plans – positiv oder negativ ausfällt, können Dritte einbezogen werden. Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL legt fest, dass die zuständige einzelstaat‑ liche Behörde dem Projekt bzw. Plan nur zustimmt, wenn festgestellt wurde, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem gegebe‑ nenfalls die Öffentlichkeit angehört wurde. Als Dritter wird hier somit die Öffentlichkeit beteiligt, allerdings ist die Beteiligung nur fakultativ ausge‑ staltet. Diese fakultative Einbeziehung trage der Tatsache Rechnung, dass nicht alle Öffentlichkeitsmeinungen für ein bestimmtes Projekt hilfreich seien, weil die Verträglichkeitsprüfung sehr technisch sei. Zudem trage der sog. NIMBY-Effekt131 dazu bei, dass die Einwendungen oft zu emotional und allgemein seien anstatt speziell auf die Ziele des Schutzgebietes einzu‑ gehen.132 Diese Argumente für eine fakultative Beteiligung kommen aber nicht nur bei der FFH-RL, sondern auch bei anderen Sekundärrechtsakten

128  Verwiebe,

Umweltprüfungen auf Plan- und Programmebene, S. 132. Rs. C-127/02, Slg. 2004 I-7405, ECLI:EU:C:2004:482, Rn. 23 ff.  – Herzmuschelfischerei; Epiney, in: Epiney/Gammenthaler, Das Rechtsregime der Na‑ tura 2000-Schutzgebiete, S. 95; Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 528; Erb, Untersuchungsumfang und Ermittlungstiefe in Umweltprüfungen, S. 51 f.; Gellermann, Natura 2000, S. 76; von Keitz, Rechtsschutz Privater gegen FFH-Gebiete, S. 77; Freytag/Iven, NuR 1995, 109 (113); Hösch, UPR 2014, 290 (291); Jarass, ZUR 2000, 183 (185). 130  Siehe Europäische Kommission, Natura 2000 – Gebietsmanagement. Die Vor‑ gaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2000, S. 33; Epiney, Um‑ weltrecht der Europäischen Union, S. 528; Erb, Untersuchungsumfang und Ermitt‑ lungstiefe in Umweltprüfungen, S. 50; Füßer, ZUR 2005, 458 (461); Hösch, UPR 2014, 290 (291); Jarass, NuR 2007, 371 (372); Jarass, ZUR 2000, 183 (185). Epiney, in: Epiney/Gammenthaler, Das Rechtsregime der Natura 2000-Schutzgebiete, S. 95, lässt daher die abstrakte Gefährdung des Schutzgebietes ausreichen und plädiert für die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung auch wenn der Eingriff keine blei‑ benden Spuren in Natur und Landschaft zur Folge hat. 131  NIMBY steht für „not in my back yard“. 132  EC Study on evaluating and improving permitting procedures related to Natura 2000 requirements under Article 6.3 of the Habitats Directive 92/43/EEC, November 2013, S. 62 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/ma nagement/docs/AA_final_analysis.pdf (Stand: 19.10.2017)). 129  EuGH



I. Umweltrecht59

(z. B. UVP-II-RL) zum Tragen. Eine hinreichende Begründung, warum die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der FFH-RL im Ermessen steht, fehlt also. Die Reichweite der fakultativen Öffentlichkeitsbeteiligung des Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL kann allerdings unterschiedlich verstanden werden. Auf‑ grund des weiten Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Verträglichkeitsprüfung könnte davon ausgegangen werden, dass es auch in seinem Ermessen steht, die Öffentlichkeit zu beteiligen.133 Er müsste dann nicht zwingend eine Vorschrift für die Einbeziehung vorsehen. Dem steht aber der Wortlaut der Richtliniennorm entgegen. Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL zieht ausdrücklich die Behörde heran und legt in ihr Ermessen, ob die Öffentlichkeit angehört werden soll. Daher muss vom nationalen Gesetz‑ geber zunächst die Möglichkeit geschaffen werden, die Öffentlichkeit zu be‑ teiligen. Das Ermessen in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung ist somit nur für die Behörde vorgesehen. Dies wird aus der englischsprachigen Fas‑ sung von Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL noch deutlicher,134 welche wie folgt lautet: „[…] and, if appropriate, after having obtained the opinion of the general public“. Der Wortlaut ist somit auf eine Öffentlichkeitsbeteiligung in Einzelfällen nach Ermessen der Behörde gerichtet.135 Zudem wäre der Hin‑ weis auf eine mögliche Einbeziehung der Öffentlichkeit in Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL andernfalls überflüssig, denn die Mitgliedstaaten können ohnehin immer vorsehen, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Einer gesonderten Auf‑ nahme in den Artikel hätte es somit nicht bedurft, wenn die Beteiligung in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers gestellt worden wäre. Dies ent‑ spricht auch der Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltrecht,136 welcher gerade durch die Åarhus-Konvention eine wichtige Funktion zu‑ kommt.137 Daher ist die Öffentlichkeitsbeteiligung in den Mitgliedstaaten gesetzlich vorzusehen, die Behörde kann aber nach ihrem Ermessen davon 133  So Freytag/Iven, NuR 1995, 109 (113); Iven, NuR 1996, 373 (378); MüllerTerpitz, NVwZ 1999, 26 (28); Thyssen, DVBl 1998, 877 (879 f.); ebenso Epiney, UPR 1997, 303 (308), die allerdings in späterer Veröffentlichung das Ermessen des Gesetzgebers verneint und von einem Behördenermessen bei Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFHRL ausgeht, siehe B.I.5. Fn. 138. 134  Gellermann, Natura 2000, S. 88; Gellermann, NuR 1996, 548 (552 Fn. 37); siehe auch Frenz, Europäisches Umweltrecht, Rn. 389 Fn. 36. 135  Berg, Europäisches Naturschutzrecht und Raumordnung, S. 128; Verwiebe, Umweltprüfungen auf Plan- und Programmebene, S. 144. 136  Epiney, in: Epiney/Gammenthaler, Das Rechtsregime der Natura 2000-Schutz‑ gebiete, S. 117. 137  Vgl. Europäische Kommission (GD Umwelt), Prüfung der Verträglichkeit von Plänen und Projekten mit erheblichen Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete, Me‑ thodik-Leitlinien zur Erfüllung der Vorgaben des Artikels 6 Absätze 3 und 4 der Ha‑ bitat-Richtlinie 92/43/EWG, November 2001, S. 42 (abrufbar unter http://ec.europa. eu/environment/nature/natura2000/management/docs//natura_2000_assess_de.pdf

60

B. Bestandsaufnahme

absehen oder diese durchführen.138 Von diesem Standpunkt geht auch die Kommission aus, welche in ihren „Leitlinien zur Erfüllung der Vorgaben des Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Habitat-Richtlinie 92 / 43 / EWG“ festhält, dass der Prüfbericht nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung den einschlägi‑ gen Naturschutzbehörden und der Öffentlichkeit zu Konsultationszwecken zugeleitet werden soll.139 Dadurch wird impliziert, dass grundsätzlich die Möglichkeit einer Beteiligung eröffnet sein muss. Ist die FFH-Verträglich‑ keitsprüfung in eine Umweltverträglichkeitsprüfung integriert, so ist die Öf‑ fentlichkeitsbeteiligung hingegen obligatorisch und steht nicht im Ermessen der zuständigen Behörde. In diesem Fall muss nach der UVP-II-RL ohnehin die Öffentlichkeit einbezogen werden.140 Bei der Beurteilung der Behörde, ob die Öffentlichkeit beteiligt werden soll, werden das Ausmaß der Beeinträchtigung und die durch die Beteiligung zu erwartenden Erkenntnisse relevant sein. Dafür dürfte auch die vorherige Festlegung von Kriterien möglich sein, um eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Einzelfall durchzuführen oder abzulehnen.141 Die Öffentlichkeitsbeteili‑ gung ist nach der Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL als Anhörung ausgestaltet. Im Gegensatz zur UVP-II-RL ist somit eine Stellungnahme oder Meinungsäußerung nicht zwingend.142 Wer zur Öffentlichkeit nach der FFH(Stand: 19.10.2017)), welche die Wichtigkeit der Öffentlichkeitsbeteiligung in der Åarhus-Konvention hervorhebt und damit einen Bezug zur FFH-RL herstellt. 138  So auch Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 1; Berner, Der Habitatschutz im europäi­ schen und deutschen Recht, S. 117; Epiney, in: Epiney/Gammenthaler, Das Rechtsre‑ gime der Natura 2000-Schutzgebiete, S. 117; Erb, Untersuchungsumfang und Ermitt‑ lungstiefe in Umweltprüfungen, S. 61; Gellermann, Natura 2000, S. 88; Verwiebe, Umweltprüfungen auf Plan- und Programmebene, S. 144; Gellermann, NuR 1996, 548 (552 f.); Jarass, ZUR 2000, 183 (186); Stollmann, GewArch 2001, 318 (327); Wirths, ZUR 2000, 190 (192 f.). 139  Europäische Kommission (GD Umwelt), Prüfung der Verträglichkeit von Plä‑ nen und Projekten mit erheblichen Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete, Metho‑ dik-Leitlinien zur Erfüllung der Vorgaben des Artikels 6 Absätze 3 und 4 der HabitatRichtlinie 92/43/EWG, November 2001, S. 28. 140  Europäische Kommission, Natura 2000 – Gebietsmanagement. Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2000, S. 42; zur Öffentlichkeitsbe‑ teiligung nach der UVP-II-RL siehe B. I. 1. Ebenfalls ergibt sich eine zwingende Öffentlichkeitsbeteiligung bei Plänen und Programmen nach der SUP-RL. Art. 3 Abs. 2 lit. b) SUP-RL sieht vor, dass eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Pro‑ grammen durchgeführt wird, bei denen angesichts ihrer voraussichtlichen Auswirkun‑ gen auf Gebiete eine Prüfung nach Art. 6 oder 7 FFH-RL für erforderlich erachtet wird. Bei der Umweltprüfung nach der SUP-RL muss die Öffentlichkeit nach Art. 6, 7 SUP-RL beteiligt werden. Damit überlagern die Bestimmungen der SUP-RL die Öffentlichkeitsbeteiligung aus der FFH-RL. Siehe dazu Verwiebe, Umweltprüfungen auf Plan- und Programmebene, S. 144. 141  Jarass, ZUR 2000, 183 (186). 142  Vgl. Erbguth/Schink, UVPG, Einl. Rn. 100b.



I. Umweltrecht61

RL zählt, wird durch die Richtlinie nicht festgelegt. Eine Legaldefinition, wie etwa bei der UVP-II-RL, fehlt. Die Kommission unterscheidet aber zwi‑ schen der Öffentlichkeit und den NGOs. Während der Öffentlichkeit das nö‑ tige Wissen und die Expertise fehlt, um wissenschaftliche Einflüsse auf das Ziel des Schutzgebietes zu beurteilen, können die NGOs z. B. durch lokales Wissen und Expertise über die betroffenen Spezies und Standorte einen Bei‑ trag leisten, damit etwa Mechanismen zur Risikominimierung gefunden wer‑ den können.143 Trotz der fakultativen Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung und der in der Praxis wohl überwiegenden Einbeziehung von NGOs statt der breiten Öffentlichkeit ist die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der FFH-RL wichtig. Sie erwirkt einen offeneren, transparenten und inklusiven Prozess, beugt Missverständnissen vor und fördert die Akzeptanz des Projektes.144 Die Legitimation und Überzeugungskraft einer vorgenommenen Verträglich‑ keitsprüfung wird gestärkt.145 Eine Beteiligung führt nur in manchen Fällen zu einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens. Allerdings verzögert eine Beteiligung in einem späten Verfahrensstadium in der Regel die Geneh‑ migung.146 Insgesamt zeichnet sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung aber u. a. durch eine regelmäßige Öffentlichkeitsbeteiligung aus.147 Die FFH-RL wurde in den letzten zwei Jahren von der Kommission einem sog. „Fitness Check“ unterzogen.148 Die Garantien der Richtlinie sollen auch weiterhin bestehen bleiben, Defizite wurden aber bei den Investitionen der Natura 2000-Netzwerke und der Erteilung von Projektgenehmigungen ausge‑ macht. Zur effektiveren Umsetzung der Richtlinie hat die Kommission einen Aktionsplan ausgearbeitet.149 Dieser Aktionsplan enthält zwar auch Maßnah‑ 143  EC Study on evaluating and improving permitting procedures related to Natura 2000 requirements under Article 6.3 of the Habitats Directive 92/43/EEC, November 2013, S. 63. 144  EC Study on evaluating and improving permitting procedures related to Natura 2000 requirements under Article 6.3 of the Habitats Directive 92/43/EEC, November 2013, S. 62. 145  Siehe Jarass, ZUR 2000, 183 (186 Fn. 46). 146  EC Study on evaluating and improving permitting procedures related to Natura 2000 requirements under Article 6.3 of the Habitats Directive 92/43/EEC, November 2013, S.  62 f. 147  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 13 Rn. 75. 148  Weiterführende Informationen zum „Fitness Check“ abrufbar unter http://ec. europa.eu/environment/nature/legislation/fitness_check/index_en.htm (Stand: 19.10.2017). 149  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Euro‑ päischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Auschuss der Regionen – Ein Aktionsplan für Menschen, Natur und Wirtschaft, KOM(2017) 198 endgültig vom 27.04.2017.

62

B. Bestandsaufnahme

men zur Verbesserung der Öffentlichkeitsinformation und -kommunikation,150 eine Auswirkung auf die sekundärrechtliche Regelung des Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL enthält der Aktionsplan aber nicht. Die fakultative Öffentlichkeits‑ beteiligung bleibt weiterhin bestehen.

6. Abfallrecht Das Abfallrecht auf europäischer Ebene ist sehr differenziert und detail‑ liert ausgestaltet.151 Neben dem allgemeinen Abfallrecht, welches insbeson‑ dere die Abfallrahmen-RL umfasst, bestehen besondere Regelungen für be‑ stimmte Arten von Abfällen. Eine solche spezielle Norm bildet die Bergbau‑ abfall-RL. Durch die Bergbauabfall-RL wurde ein einheitlicher Regelungs‑ rahmen für die Abfallbewirtschaftung aus der mineralgewinnenden Industrie geschaffen,152 so dass die Abfallrahmen-RL nicht länger für diesen Bereich anwendbar ist.153 Der Geltungsbereich erstreckt sich nach Art. 2 Abs. 1 Berg‑ bauabfall-RL auf die Bewirtschaftung von Abfällen, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Lagern von mineralischen Rohstoffen sowie beim Betrieb von Steinbrüchen entstehen. Alle Abfälle, die entweder nach Art. 2 Abs. 2 Bergbauabfall-RL vom Geltungsbereich ausgenommen werden oder nicht unter den Abs. 1 fallen, sind weiterhin dem allgemeinen Abfall‑ recht unterstellt.154 Für die Sammlung oder Lagerung von Bergbauabfällen werden Abfallent‑ sorgungseinrichtungen tätig.155 Für den Betrieb einer solchen bedarf es nach Art. 7 Bergbauabfall-RL einer Genehmigung durch die zuständige nationale Behörde. Bevor allerdings eine Genehmigung erteilt wird, wird die Öffent‑ lichkeit nach Art. 8 Bergbauabfall-RL beteiligt. Die Öffentlichkeitsbeteili‑ gung ist damit eine formelle Voraussetzung.156 In Art. 8 Abs. 1–4 Bergbauab‑ fall-RL wird die Beteiligung wie bei der UVP-II-RL, der IE-RL und der Se‑ veso-III-RL durch ein Trichtermodell regelt, d. h. die betroffene Öffentlich‑ keit erhält nach Information der Öffentlichkeit weitergehende Informationen 150  Maßnahmen 3, 6 und 13–15 des Aktionsplans. Erläuterungen zu den Maßnah‑ men finden sich in den Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen – Factsheets mit Details zu den Maßnahmen des Aktionsplans für Menschen, Natur und Wirtschaft, SWD(2017) 139 endgültig vom 27.04.2017. 151  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 18 Rn. 7. 152  Frenz, NuR 2004, 207 (208). 153  Siehe Art. 2 Abs. 2 lit. d) Abfallrahmen-RL. 154  Siehe Frenz, NuR 2004, 207 (208); Marder-Bungert/von Mäßenhausen, Ab‑ fallR 2008, 266 (266). 155  Vgl. die Legaldefinition der Abfallentsorgungseinrichtung nach Art. 3 Nr. 15 Bergbauabfall-RL. 156  Siehe Frenz, NuR 2004, 207 (208).



I. Umweltrecht63

und kann Bemerkungen und Standpunkte mitteilen. Auch die Legaldefinitio‑ nen für die Öffentlichkeit und die betroffene Öffentlichkeit in Art. 3 Nr. 22, 23 Bergbauabfall-RL sind gleichlaufend zu denen aus der UVP-II-RL, IE-RL und Seveso-III-RL ausgestaltet. Nach Art. 8 Abs. 5 Bergbauabfall-RL werden die Konsultationsergebnisse bei der Entscheidungsfindung gebührend berücksichtigt. Zudem unterrichtet die zuständige Behörde die Öffentlichkeit nach der Entscheidungsfindung und informiert diese über den Entscheidungsinhalt und die Entscheidungs‑ gründe und -erwägungen (Art. 8 Abs. 6 Bergbauabfall-RL). Nach Abs. 7 legt der Mitgliedstaat die Einzelheiten der Beteiligung fest, wobei gewährleistet sein muss, dass der betroffenen Öffentlichkeit eine effektive Vorbereitung und Beteiligung zukommt. Bei grenzüberschreitenden Auswirkungen einer Abfallentsorgungseinrich‑ tung wird der Genehmigungsantrag einer solchen Abfallentsorgungseinrich‑ tung auch der betroffenen Öffentlichkeit des voraussichtlich betroffenen Mit‑ gliedstaates zur Verfügung gestellt, damit diese das Recht auf Stellungnahme wahrnehmen kann, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird (Art. 16 Abs. 2 Bergbauabfall-RL). Dabei stellt die Bestimmung wie Art. 26 Abs. 2 IE-RL auf die bilateralen Beziehungen der Mitgliedstaaten ab. Die Öffentlichkeitsbeteiligung der Bergbauabfall-RL soll, wie bereits bei der UVP-II-RL und der IE-RL, die Voraussetzungen der Åarhus-Konvention umsetzen157 und ist daher auch ähnlich zu den Verfahren dieser Richtlinien ausgestaltet.158 Allerdings ist die Öffentlichkeitbeteiligung nach der Bergbau‑ abfall-RL unabhängig von der Art und Größe der Abfallentsorgungseinrich‑ tung durchzuführen.159 Damit geht die Richtlinie über die UVP-II-RL und IE-RL hinaus, welche nur bestimmte Abfallentsorgungseinrichtungen umfas‑ sen (siehe jeweils Anhang I der UVP-II-RL und IE-RL).160 Im Gegensatz dazu ist die Bergbauabfall-RL beim Rechtsschutz gegenüber der UVP-II-RL und IE-RL schwächer ausgestaltet. Ein Äquivalent zu Art. 11 UVP-II-RL 157  EWG Nr. 17 Bergbauabfall-RL; siehe auch Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie, KOM(2003) 319 endgültig vom 02.06.2003, S. 21. 158  Überschneidungen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach der UVP-II-RL und der Bergbauabfall-RL können sich aber bei großen Projekten wie dem Steinkohlebergbau ergeben, da dort ohnehin eine Umweltverträglichkeitsprüfung und mithin auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach den ins nationale Recht umgesetzten Vorschriften der UVP-II-RL durchgeführt wird. Die Öffentlichkeitsbeteiligung nach der Bergbauab‑ fall-RL wird in diesem Fall nicht gesondert durchgeführt, Lenz, in: Frenz, Bergbau­ liche Abfälle und Emissionshandel, 7. KBU – Kolloquium zu Wirtschaft und Um‑ weltrecht, 35 (39). 159  Attendorn, NuR 2008, 153 (159); von Mäßenhausen, AbfallR 2004, 50 (54). 160  Von Mäßenhausen, AbfallR 2004, 50 (54).

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B. Bestandsaufnahme

bzw. Art. 25 IE-RL findet sich in der Bergbauabfall-RL nicht und auch eine Verweisung wie in der Seveso-III-RL fehlt, so dass keine Überprüfungsver‑ fahren bei fehlender oder fehlerhafter Öffentlichkeitsbeteiligungen vorgese‑ hen sind.

7. Atomrecht Unter das Atomrecht – oder auch Nuklearrecht – fallen alle Normen, wel‑ che die Tätigkeit mit nuklearer Energie und radioaktiver Strahlung regeln, um den Menschen, das Eigentum und die Umwelt ausreichend zu schüt‑ zen.161 Dadurch wird ein Rechtsrahmen für das Handeln von natürlichen oder juristischen Personen, einschließlich Staaten, mit spaltbarem Material, radioaktiver Strahlung oder Ausbeutung von radioaktiven Stoffen geschaf‑ fen.162 Das Atomrecht ist weder im EUV noch im AEUV geregelt, sondern wurde in dem Euratom-Vertrag aufgenommen. Durch die Auflösung der Säu‑ lenstruktur mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Euratom aus dem Dach‑ verband der EU ausgegliedert und steht nunmehr als unabhängige internatio‑ nale Organisation neben der EU, ist aber dennoch institutionell mit ihr ver‑ bunden.163 Der Euratom-Vertrag ist Teil des Primärrechts164 und die von der Euratom erlassenen Akte dem Sekundärrecht zugehörig,165 wobei allerdings sowohl der Euratom-Vertrag als auch das auf seiner Grundlage erlassene Se‑ kundärrecht leges speciales sind.166 Der Euratom stehen nach Art. 288 AEUV i. V. m. Art. 106a Abs. 1 Euratom-Vertrag dieselben Handlungsinstrumente wie der EU zur Verfügung, welche daher auch dieselbe Wirkung haben.167 Die Mitgliedstaaten sind daran in gleicher Weise gebunden wie an das Se‑ kundärrecht der EU.168 Von Relevanz für die Beteiligung von Dritten im Atomrecht sind die Nuk‑ leare-Sicherheit-RL aus dem Jahr 2009 und die Entsorgung-RL von 2011.

161  Schärf,

Europäisches Atomrecht, S. 7. Europäisches Atomrecht, S. 5; Stoiber/Baer/Pelzer/Tonhauser, Hand‑ book on Nuklear Law, S. 4. 163  BVerfGE 123, 267 (282 f.); Schärf, Europäisches Atomrecht, S. 246, siehe auch Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 4731. 164  Roßegger, AbfallR 2011, 276 (277). 165  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV Rn. 30. 166  Siehe Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 4746; Roßegger, AbfallR 2011, 276 (277). 167  Schärf, Europäisches Atomrecht, S. 262; Frenz/Ehlenz, ZNER 2010 539 (542). 168  Vgl. Schärf, Europäisches Atomrecht, S. 4. 162  Schärf,



I. Umweltrecht65

a) Nukleare-Sicherheit-RL Die Nukleare-Sicherheit-RL zielt auf einen Gemeinschaftsrahmen zur Auf‑ rechterhaltung und Förderung der kontinuierlichen Verbesserung der nuklea‑ ren Sicherheit und der Regulierung auf diesem Gebiet ab (Art. 1 lit. a) Nuk‑ leare-Sicherheit-RL). Zudem soll gewährleistet werden, dass die Mitglied‑ staaten geeignete innerstaatliche Vorkehrungen für ein hohes Niveau der nu‑ klearen Sicherheit zum Schutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung treffen (Art. 1 lit. b) Nukleare-Sicherheit-RL). Durch die Regelungsmaterie tangiert die Richtlinie zwar den den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Bereich der nuk‑ learen Sicherheit; dies wird aber durch weite Gestaltungsspielräume in den einzelnen Vorschriften der Richtlinie kompensiert.169 Eine Beteiligung von Dritten findet sich in Art. 8 Nuklear-Sicherheit-RL bei der Genehmigung von kerntechnischen Anlagen. Nach Art. 8 Abs. 1, 2 Nuklear-Sicherheit-RL werden die Arbeitskräfte und die Bevölkerung über die nukleare Sicherheit von kerntechnischen Anlagen informiert. Darüber hi‑ naus müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 4 Nuklear-Sicherheit-RL sicherstellen, dass der Öffentlichkeit angemessene Möglichkeiten gegeben werden, sich im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und in‑ ternationalen Instrumenten an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Genehmigung kerntechnischer Anlangen effektiv zu beteiligen. Diese Beteiligung wurde erst durch die Änderungsrichtlinie 2014 / 87 / Euratom170 eingeführt. Zuvor war Art. 8 Nuklear-Sicherheit-RL nur auf die reine Infor‑ mation der Arbeitskräfte und der Bevölkerung beschränkt. Die Ausweitung des Art. 8 Nuklear-Sicherheit-RL soll nunmehr auch den Genehmigungsinha‑ ber als Hauptverantwortlichen in die Pflicht nehmen. Die Öffentlichkeit kann bei Einbeziehung in die Entscheidung eine sehr wichtige Rolle spielen. Dies entspricht auch den Vorgaben der Åarhus-Konvention.171 Allerdings fehlt eine Definition der Öffentlichkeit, so dass unmittelbar nicht erkennbar ist, wer nach Art. 8 Abs. 4 Nuklear-Sicherheit-RL zu beteili‑ 169  Karpenstein, RdE 2010, 170 (179). Kritisch zur Nuklearen-Sicherheit-RL hin‑ gegen Faßbender, ZUR 2012, 267 (273), der einen Fortschritt durch die Richtlinie im Bereich der nuklearen Sicherheit vermisst. Die Safety Requirements und Safety Guides der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) seien in die Richtlinie nicht aufgenommen worden, so dass die Bestrebungen der IAEO unterlaufen würden. 170  Richtlinie des Rates 2014/87/Euratom vom 8.  Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Si‑ cherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. L 219 vom 25.07.2014, S. 42. 171  Zum Vorangehenden: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nuk‑ leare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, KOM(2013) 715 endgültig vom 17.10.2013, S.  9 f.

66

B. Bestandsaufnahme

gen ist. Der Systematik der Richtlinie kann aber entnommen werden, dass von der Öffentlichkeit die Arbeitskräfte und die Bevölkerung umfasst sind. Nach Art. 8 Abs. 1 Nuklear-Sicherheit-RL sind diese beiden Gruppen zu in‑ formieren. Abs. 2 stellt für die Informationspflicht nach Abs. 1 nur noch grundsätzlich auf die Öffentlichkeit ab, ohne nochmals die beiden Gruppen zu differenzieren. Ebenfalls bezog sich die Überschrift des Art. 8 NuklearSicherheit-RL a. F. allgemein auf die Öffentlichkeit, um im Folgenden von den Arbeitskräften und der Bevölkerung zu sprechen. Dieser Zweiklang von Arbeitskräften und Bevölkerung findet sich auch an anderen Stellen der ak‑ tuellen Richtlinie,172 so dass daraus und aus dem Vorausgehenden geschlos‑ sen werden kann, dass die Terminologie Öffentlichkeit als Oberbegriff fun‑ giert, unter den sowohl die Arbeitskräfte als auch die Bevölkerung fallen.173 Die weitere Ausgestaltung der Beteiligung wird durch die Richtlinie nicht festgelegt und muss somit von den Mitgliedstaaten präzisiert werden. Es liegt im Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, wie die Öffentlichkeit be‑ teiligt wird (z. B. durch Anhörung, Stellungnahme, usw.). Allerdings muss die Beteiligung effektiv sein, was eine Berücksichtigung der Konsultations‑ ergebnisse bei der Entscheidung als Mindestvoraussetzung impliziert.174 b) Entsorgung-RL Die Entsorgung-RL schafft einen Regelungsrahmen für die verantwor‑ tungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioak‑ tiver Abfälle (Art. 1 Abs. 1 Entsorgung-RL). Die Mitgliedstaaten müssen geeignete innerstaatliche Vorkehrungen für ein hohes Sicherheitsniveau bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zum Schutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung treffen (Art. 1Abs. 2 Entsor‑ gung-RL). Darüber hinaus gewährleistet die Richtlinie die erforderliche Unterrich‑ tung und Beteiligung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Entsor‑ gung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Art. 1 Abs. 3 Entsorgung-RL). Für diese Unterrichtung und Beteiligung der Öffentlichkeit wurde ein eigenständiger Transparenzartikel eingeführt: Art. 10 Abs. 1 Ent‑ sorgung-RL legt fest, dass die Arbeitskräfte und die Bevölkerung über die Entsorgung durch die Mitgliedstaaten informiert werden. Nach Abs. 2 müs‑ 172  Z. B.

Art. 1 lit. b), Art. 3 Nr. 2 Nuklear-Sicherheit-RL. Karpenstein, RdE 2010, 170 (173), welcher nur die Bevölkerung unter die Öffentlichkeit fasst. 174  Siehe Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicher‑ heit kerntechnischer Anlagen, KOM(2013) 715 endgültig vom 17.10.2013, S. 10. 173  Anders



I. Umweltrecht67

sen die Mitgliedstaaten der Öffentlichkeit im erforderlichen Umfang die Möglichkeit geben, sich in Einklang mit dem nationalen Recht und internati‑ onalen Verpflichtungen an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung effektiv zu beteiligen. Die Richtlinie konkretisiert allerdings nicht, welche Entscheidungen um‑ fasst sein sollen. Der Begriff Entscheidungsfindung kann zunächst weit aus‑ gelegt werden, so dass auch die Festlegung von nationalen Politiken nach Art. 4 Entsorgung-RL darunter fallen könnte. Ob dieser Begriff allerdings derart umfassend ausgestaltet werden sollte, ist fraglich. EWG Nr. 31 bezieht sich auf die Transparenzbestrebung der Richtlinie und spricht von der Betei‑ ligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen. Diese Begrifflichkeit ist für die Richtlinie vorzugswürdiger, da sich in der englischen Sprachfas‑ sung keine Unterscheidung zwischen der Entscheidungsfindung und den Ent‑ scheidungsprozessen findet, sondern einheitlich von decision-making process gesprochen wird. Überdies spricht auch die Kommissionsdienststelle in ihren Arbeitsunterlagen von der Beteiligung an Entscheidungsprozessen.175 Der Begriff des Entscheidungsprozesses dürfte aber enger als der der Entschei‑ dungsfindung zu verstehen sein. Nationale Politiken nach Art. 4 EntsorgungRL sind vorgelagerte Entscheidungen, welche erst umgesetzt werden müssen, bevor die eigentliche Entsorgung stattfinden kann.176 Ein Prozess im Sinne eines sich über eine gewisse Zeit erstreckenden Vorgangs, bei dem sich et‑ was herausbildet,177 kann in dem konkreten Zusammenhang der Richtlinie nur bei der eigentlichen Durchführung der Entsorgung und nicht schon bei den vorgelagerten Politiken angenommen werden. Art. 10 Entsorgung-RL zielt damit auf den nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen der Entsorgung nach Art. 5 Entsorgung-RL und die dort aufgezählten Berei‑ che. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfah‑ ren, die Öffentlichkeitsbeteiligung nur auf die Ausarbeitung und Überarbei‑ tung der nationalen Programme178 und mithin nur auf den aktuellen Art. 5 Abs. 1 lit. a) Entsorgung-RL zu beschränken, wurde in der endgültigen Fas‑ sung der Richtlinie nicht aufgenommen. Daher muss Art. 10 Abs. 2 Entsor‑ 175  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststelle, Zusammenfassung der Folgen‑ abschätzung, Begleitdokument zum überarbeiteten Vorschlag für eine Richtlinie (Eu‑ ratom) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, KOM(2010) 618, SEK(2010) 1289, S. 3. 176  Vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. a) Entsorgung-RL. 177  Definition „Prozess“ nach dem Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/ Prozess (Stand: 19.10.2017). 178  Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Juni 2011 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brenn‑ elemente und radioaktiver Abfälle (KOM(2010) 618), ABl. C 390 E vom 18.12.2010, S.  172 f.

68

B. Bestandsaufnahme

gung-RL auf alle in Art. 5 Abs. 1 Entsorgung-RL genannten Bereiche An‑ wendung finden. Davon ist auch das Genehmigungssystem für Anlagen und / oder Tätigkeiten zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radio‑ aktiver Abfälle des Art. 5 Abs. 1 lit. c) Entsorgung-RL als Entscheidungspro‑ zess erfasst. Zumindest dieser Bereich hat unmittelbare Wirkung für Dritte und ist in die vorliegende Untersuchung einzubeziehen. Außerdem bleibt offen, wer tatsächlich nach Art. 10 Abs. 2 Entsorgung-RL zu beteiligen ist. Abgestellt wird auf die Öffentlichkeit, ohne dass die Richt‑ linie eine Definition hierfür gibt. Aus dem Zusammenspiel mit Abs. 1 von Art. 10 Entsorgung-RL wird deutlich, dass – wie bei der Nuklear-SicherheitRL – darunter zumindest die Arbeitskräfte und die Bevölkerung fallen. Dem‑ gegenüber ist die Aufzählung der zu beteiligenden Akteure im EWG Nr. 31 weiter ausgestaltet. Danach sind sowohl alle betroffenen Interessengruppen, einschließlich der lokalen Gebietskörperschaften, als auch die Öffentlichkeit zu beteiligen. Im Kommissionsentwurf der Richtlinie wurde in den Erwä‑ gungsgründen179 hingegen nur auf die Beteiligung der betroffenen Interes‑ sengruppen abgestellt, während die Beteiligung in Art. 12 des Kommissions‑ entwurfs die Öffentlichkeit umfasste.180 In diesem Stadium lag somit eine noch erheblichere Differenz zwischen dem Erwägungsgrund und der in dem Artikel ausgestalteten Beteiligung vor, indem die Öffentlichkeit in den Erwä‑ gungen gar nicht aufgenommen wurde. Die Fassung des geltenden EWG Nr. 31 wurde vom Europäischen Parlament vorgeschlagen und durch den Einschluss der lokalen Gebietskörperschaften und der Öffentlichkeit er‑ gänzt.181 Um dem sensiblen Bereich der Entsorgung abgebrannter Brennele‑ mente und radioaktiver Abfälle Rechnung zu tragen, empfiehlt es sich, den Adressatenkreis der Beteiligung weit auszulegen und damit auch betroffene Interessengruppen, einschließlich lokaler Gebietskörperschaften, neben den Arbeitskräften und der Bevölkerung einzubeziehen.182 Die weitere Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung ist in der Richtli‑ nie nicht geregelt und daher den Mitgliedstaaten überlassen. Möglich ist so‑ mit eine bloße Anhörung oder eine weitergehende Mitwirkungsmöglichkeit. 179  EWG Nr. 35 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung ab‑ gebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, KOM(2010) 618 vom 03.11. 2010. 180  Siehe Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, KOM(2010) 618 vom 03.11.2010. 181  Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Juni 2011 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brenn‑ elemente und radioaktiver Abfälle (KOM(2010) 618), ABl. C 390 E vom 18.12.2010, S. 155. 182  Anders wohl Roßegger, AbfallR 2011, 276 (282), der von einer „Öffentlich‑ keit/Bürgerbeteiligung“ spricht und damit den Adressatenkreis enger fassen möchte.



I. Umweltrecht69

Die Heraushebung des Art. 10 Abs. 2 Entsorgung-RL hinsichtlich einer ef‑ fektiven Beteiligung gibt aber vor, dass die Ergebnisse der Beteiligung zu‑ mindest bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Die Beteiligung soll u. a. die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen bei der Entsorgung fördern,183 so dass eine fehlende Berücksichtigung der Konsultationsergeb‑ nisse ein falsches Zeichen setzen würde. Die Berücksichtigungspflicht wurde beim Gesetzgebungsverfahren vom Europäischen Parlament ausdrücklich vorgesehen,184 hat in die letztlich erlassene Fassung der Richtlinie aber kei‑ nen Eingang finden können. Dennoch wird dadurch die Intention zur Be‑ rücksichtigung deutlich. Zudem ist Art. 10 Abs. 2 Entsorgung-RL sehr ähn‑ lich zu Art. 8 Abs. 4 Nukleare-Sicherheit-RL ausgestaltet. Letzterer stellt in gleichem Maße auf eine effektive Beteiligung ab, die nach Ansicht der Kom‑ mission eine Berücksichtigung voraussetzt.185 Die Beteiligung der Entsorgung-RL ist somit ähnlich gefasst wie die der Nuklear-Sicherheit-RL. Der Adressatenkreis ist nur durch systematische Aus‑ legung zu bestimmen und die Ausgestaltung der Beteiligung selbst bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Dennoch ist die Nuklear-Sicherheit-RL bezogen auf den Gegenstand der Beteiligung präziser, da ausdrücklich auf die Geneh‑ migung kerntechnischer Anlagen verwiesen wird.

8. Zwischenergebnis: Umweltrecht als ambivalenter Rechtsbereich Die Einbeziehung von Dritten im Umweltrecht ist historischer Ausgangs‑ punkt für die (spezielle) Öffentlichkeitsbeteiligung. Diese ist im Laufe der Jahre zum „Baustein des modernen Umweltrechts“186 geworden. Durch die Einbeziehung soll die Öffentlichkeit als Kontrollinstanz gegenüber der Ver‑ waltung auftreten.187 Der Einzelne übernimmt Verantwortung für den Um‑ weltschutz und treibt damit einen effektiven Vollzug auf Seiten der nationa‑ Roßegger, AbfallR 2011, 276 (282). Vorschlag des Art. 12a Abs. 2 lit. c) in der legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Juni 2011 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, ABl. C 390E vom 18.12.2012, S. 147. 185  Siehe unter B. I. 7. a). 186  Shirvani, NuR 2010, 383 (383). 187  Albin, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, S. 139; Engelhardt, Die Umsetzung der IVU-Richtlinie in Deutschland, S. 169; Masing, Die Mobi‑ lisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 21 f.; Schmidt-Aßmann/ Ladenburger, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umwelt‑ recht, Bd. I, § 18 Rn. 27; Schröder, NVwZ 2006, 389 (393); Shirvani, NuR 2010, 383 (383); Werres, DVBl 2005, 611 (614). 183  Vgl.

184  Siehe

70

B. Bestandsaufnahme

len Behörden an.188 Dadurch sollen Vollzugsdefizite beseitigt und die Durchsetzung des dezentralen europäischen Umweltrechts vorangetrieben werden.189 Vor diesem Hintergrund wäre eine einheitliche und detaillierte Ausgestal‑ tung der Einbeziehung von Dritten im Umweltrecht eine logische und not‑ wendige Konsequenz. Das tatsächliche Bild sieht aber anders aus: Das Um‑ weltrecht ist bei der Beteiligung an Entscheidungen mit unmittelbarer Dritt‑ wirkung vielmehr ambivalent ausgestaltet. Einerseits finden sich bei vier Richtlinien einheitliche Regelungen, welche die Beteiligung hervorheben und dafür einen eigenständigen detaillierten Ar‑ tikel vorsehen. Ausgangspunkt ist dabei die UVP-II-RL, an der sich die IERL190 bzw. schon die IVU-II-RL, die Seveso-III-RL und die BergbauabfallRL orientieren. In all diesen Richtlinien finden sich zunächst Bestimmungen über die Information der allgemeinen Öffentlichkeit und darüber hinausge‑ hende Informationen für die betroffene Öffentlichkeit. Auch ist allen Bestim‑ mungen gemein, dass nur die betroffene Öffentlichkeit Stellung nehmen kann; dies erfolgt frühzeitig. Bei der Bergbauabfall-RL ist die Frühzeitigkeit der Beteiligung durch die betroffene Öffentlichkeit allerdings nicht eindeutig genannt. Vielmehr ist nur auf eine frühzeitige Information der allgemeinen Öffentlichkeit abgestellt worden. Da die Information notwendigerweise der Beteiligung vorgelagert ist, kann aber davon ausgegangen werden, dass sich die anschließende Beteiligung eng an die Information angliedert und dadurch eine frühzeitige Beteiligung auch bei der Bergbauabfall-RL gewährleistet wird. Ausdrücklich gefordert wird in allen Richtlinien aber eine Berücksich‑ tigung der Konsultationsergebnisse. Zudem muss der Öffentlichkeit die Ent‑ scheidung im Nachhinein zugänglich gemacht werden, wobei auch über die Art und Weise der Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse informiert werden muss. Die Vorgaben in den Richtlinien sind mithin detailliert. Den‑ noch ist die weitere Ausgestaltung der Konsultation explizit den Mitglied‑ staaten überlassen worden. Allerdings muss der zeitliche Rahmen derart aus‑ gestaltet sein, dass die Vorbereitung und Beteiligung effektiv wahrgenommen werden kann. Alle vier Richtlinien enthalten Legaldefinitionen der Öffent‑ lichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit, so dass der Adressatenkreis der Beteiligung bestimmt werden kann. Bei grenzüberschreitenden Auswirkun‑ 188  Röckinghausen, EurUP 2008, 210 (211); vgl. auch Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 51. 189  Shirvani, NuR 2010, 383 (383); von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (273); Werres, DVBl 2005, 611 (614). 190  Allerdings gilt dies nur für Anlagen nach Anhang I der IE-RL. Abfall(mit‑) verbrennungsanlagen unterliegen einer gesonderten abweichenden Öffentlichkeitsbe‑ teiligung. Siehe dazu B. I. 2. a).



I. Umweltrecht71

gen sind Beteiligungen außer bei der Seveso-III-RL vorgesehen. Im Rahmen der Genehmigungen von Projekten nach der UVP-II-RL, bei der Genehmi‑ gung von Anlagen nach Anhang I der IE-RL und bei der Genehmigung von Abfallentsorgungseinrichtungen nach der Bergbauabfall-RL wird auch die Öffentlichkeit des möglicherweise betroffenen Mitgliedstaates einbezogen. In der UVP-II-RL, der IE-RL und der Seveso-III-RL finden sich außerdem noch explizite Rechtsschutzmöglichkeiten bei einer fehlenden bzw. fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung. Diese vier Richtlinien weisen also deutlich ein einheitliches Bild für die Öffentlichkeitsbeteiligung auf, was letztlich auf die Åarhus-Konvention zurückzuführen ist. Andererseits stehen dieser einheitlich ausgestalteten Beteiligungsform die sechs weiteren Sekundärrechtsakte des Untersuchungsgegenstandes aus dem Umweltrecht gegenüber. Bei Zusammenschau dieser Verordnungen und Richtlinien wird ein heterogener Eindruck vermittelt: Die Angaben zur Ein‑ beziehung von Dritten sind nur sehr oberflächlich festgeschrieben und im Rahmen der jeweiligen Entscheidungen verortet, ohne eine gesonderte Stel‑ lung in einem eigenständigen Artikel einzunehmen. Der Adressatenkreis ist nicht mehr einheitlich auf die betroffene Öffentlichkeit begrenzt, sondern es werden die (allgemeine) Öffentlichkeit, aber auch interessierte Kreise oder Parteien einbezogen. Nur drei Rechtsakte (namentlich die IE-RL in Bezug auf die Beteiligung bei Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen, die EH-RL und die FlughafenbetriebsbeschränkungsVO) geben eine Definition des Adressaten‑ kreises vor. Eine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht der Konsultationen ergibt sich nur aus der EMAS-III-VO, wobei die Form eines Vetos gewählt wurde, was sogar über die Anforderungen der UVP-II-RL und der äquivalent ausgestalteten Richtlinien hinausgeht. Im Gegensatz dazu sieht die FFH-RL nur eine fakultative Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Eine einheitliche Linie lässt sich diesen sechs Rechtsakten also nicht entnehmen. Die im Umweltrecht so prominent hervorgehobene Stellung der Öffent‑ lichkeitsbeteiligung lässt sich daher nur in einem Teilbereich ausmachen. In den Bereichen, in denen nicht (nur) von einer Öffentlichkeitsbeteiligung ge‑ sprochen werden kann, sondern auch andere Dritte einbezogen werden, sind die Auswirkungen der Åarhus-Konvention nicht zu spüren. Für eine umfas‑ sende Betrachtung des Umweltrechts müssen aber nicht nur die „klassischen“ Sekundärrechtsakte, wie die UVP-II-RL, IE-RL oder Seveso-III-RL, heran­ gezogen,191 sondern alle Bereiche berücksichtigt werden, die eine Entschei‑ dung mit unmittelbarer Drittwirkungen begründen. Nur bei einer Gesamt‑ 191  So etwa Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, die ihren Untersuchungsgegenstand aber auf die Fachplanung beschränkt. Deutlicher in die Richtung geht Müller, Öffent‑ lichkeitsbeteiligung, welche zwar andere Richtlinien und Verordnungen erkennt, aber nur vertieft auf die (hier relevanten) UVP-II-RL und IVU-II-RL eingeht.

72

B. Bestandsaufnahme

schau im Umweltrecht kann das Defizit erkannt werden, dass auch in diesem Rechtsbereich die Beteiligungen von Dritten teilweise stark voneinander ab‑ weichen.

II. Tierschutzrecht Das Tierschutzrecht hat durch den Vertrag von Lissabon eine politische Aufwertung erfahren, indem in Art. 13 AEUV der Tierschutz in einer Quer‑ schnittsklausel verankert und als allgemeine Bestimmung vor die Klammer gezogen wurde.192 Der Wortlaut wurde zum Großteil dem dem Vertrag von Amsterdam beigefügten Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere193 entnommen, so dass keine rechtliche, sondern nur eine politische Aufwertung durch die Aufnahme in den AEUV erzeugt wurde.194 Die Vor‑ schrift des Art. 13 AEUV stellt das Wohlergehen des Tieres als fühlendes Wesen heraus und ist daher nicht Teil des Umweltrechts. Anders als beim Artenschutz steht nicht der Erhalt der Gesamtpopulation im Fokus, sondern die körperliche und mentale Verfassung des einzelnen Tieres.195 Durch die Regelung soll ein artgerechter Zustand für die Tiere gewährleistet werden, sowohl für Wildtiere als auch für Haus- und Nutztiere.196

1. Tierversuche Zur Gewährleistung dieses Schutzes aus Art. 13 AEUV bezweckt die Neu‑ fassung der Tierversuch-RL aus dem Jahr 2010 den Schutz von Tieren bei Verwendungen zu wissenschaftlichen oder Bildungszwecken (Art. 1 Abs. 1 Tierversuch-RL).197 Da in der Vorgängerrichtlinie 86 / 609 / EWG lediglich 192  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 13 AEUV Rn. 1; Calliess, NuR 2012, 819 (819). 193  ABl. C 340 vom 10.11.1997, S. 110. 194  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 13 AEUV Rn. 1, 3. 195  Caspar, Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht, S. 78; Calliess, NuR 2012, 819 (819); vgl. auch Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 13 AEUV Rn. 7. 196  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 13 AEUV Rn. 3; Calliess, NuR 2012, 819 (819). 197  Siehe Binder, ALTEXethik 2010, 11 (12, 22); Gärditz, in: Löwer/Gärditz, Wis‑ senschaft und Ethik, 97 (120); Hartung, ALTEX 2010, 285 (285). Kompetenzgrund‑ lage ist Art. 13 AEUV für die Richtlinie aber nicht, da aus der Querschnittsklausel eine solche nicht abgeleitet werden kann. Vielmehr stützt sich die Richtlinie auf Art. 114 AEUV. Siehe zu dieser Thematik mit kritischen Anmerkungen zur Kompe‑ tenzgrundlage Gärditz, in: Löwer/Gärditz, Wissenschaft und Ethik, 97 (121 ff.), der im Ergebnis von einem kompetenzwidrigen Erlass der Richtlinie ausgeht, sowie Cal-



II. Tierschutzrecht73

eine Anzeigepflicht vorausgesetzt wurde und nur bei erheblich belastenden‑ den Vorhaben eine Genehmigungspflicht bestehen konnte, sollte zur einheit‑ lichen Umsetzung in den Mitgliedstaaten durch die Neufassung ein standar‑ disiertes Genehmigungsverfahren vorgeschrieben werden.198 Dieses Genehmigungsverfahren ist in Art. 36 ff. Tierversuch-RL festgelegt. Bei einem Projekt, welches die Verwendung von Tieren vorsieht,199 muss zunächst ein Antrag auf Genehmigung gestellt werden (Art. 37 TierversuchRL). Nach Art. 36 Abs. 1 Tierversuch-RL muss für die Durchführung eines Projektes eine Genehmigung von Seiten der Mitgliedstaaten zwingend vor‑ liegen. Die Durchführung erfordert eine positive Projektbeurteilung (Art. 36 Abs. 2 Tierversuch-RL). Bei der Projektbeurteilung nach Art. 38 TierversuchRL wird in Abs. 4 die Transparenz des Verfahrens betont. Die Beurteilung erfolgt daher vorbehaltlich der Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums und der vertraulichen Informationen auf unparteiische Weise und gegebenen‑ falls unter Einbeziehung der Stellungnahmen unabhängiger Dritter. Diese Vorschrift ist auch bei einem vereinfachten Verwaltungsverfahren für Pro‑ jekte mit geringen Belastungen für Tiere nach Art. 42 Abs. 2 lit. b) Tierver‑ such-RL anwendbar. Wird die Projektbeurteilung geändert oder erneuert, muss nach Art. 44 Abs. 2 Tierversuch-RL ebenfalls eine positive Projektbeur‑ teilung vorliegen, d. h. auch bei diesem Verfahren können Stellungnahmen unabhängiger Dritter einbezogen werden. Durch die in der Projektbeurteilung eingeführte Transparenz, welche auch durch die Beteiligung Dritter erreicht wird, soll zum einen die Selbstver‑ pflichtung verstärkt werden und zum anderen die Nichtbefolgung frühzeitig ermittelt werden können.200 Die Beteiligung von Dritten ist nur fakultativ ausgestaltet. Aus der Formulierung des Art. 38 Abs. 1 Tierversuch-RL („einer der Art des jeweiligen Projektes angemessenen Detailliertheit“) wird deut‑ lich, dass die Behörde im Einzelfall entscheidet, ob eine Einbeziehung von Dritten sinnvoll erscheint.201 Wer unabhängiger Dritter nach der TierversuchRL ist, ist nicht klar. Zumindest setzt aber die Eigenschaft der Unabhängig‑ keit eine Distanz zu den Projekten und / oder den Unternehmen voraus, die einen Tierversuch planen. Ob hier auch Konkurrenten gegen Projekte vorge‑ liess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 191 AEUV Rn. 9 und Art. 13 AEUV Rn. 12; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 13 AEUV Rn. 8. 198  Binder, ALTEXethik 2010, 11 (14); vgl. auch EWG Nr. 1 Tierversuch-RL. 199  Nach Art. 12 Abs. 2 Tierversuch-RL dürfen Verfahren, d. h. Verwendungen ei‑ nes Tieres zu Versuchszwecken, anderen wissenschaftlichen Zwecken oder Ausbil‑ dungszwecken (siehe Legaldefinition in Art. 3 Nr. 1 Tierversuch-RL), nur im Rahmen eines Projektes durchgeführt werden. 200  Hartung, ALTEX 2010, 285 (299). 201  Pyczak, Berl. Münch. Tierärztl. Wochenschr. 2011, 376 (379).

74

B. Bestandsaufnahme

hen und damit zu einer Verlangsamung oder gar einer Verhinderung beitra‑ gen können, ist sehr fraglich. Die durch Art. 38 Abs. 4 Tierversuch-RL ver‑ ankerte Transparenz zielt darauf ab, den Tierschutz zu gewährleisten und Missstände offenzulegen. Dies legt nahe, dass konkurrierende Unternehmen nicht mehr die nötige Distanz zu einem Projekt besitzen, wenn sie nur aus bloßem wettbewerblichen Anreiz handeln. Die Berücksichtigung der Stellungnahmen Dritter ist in Art. 38 Abs. 4 Tierversuch-RL nicht geregelt. Diese Bestimmung gibt lediglich vor, dass die Projektbeurteilung gegebenenfalls unter Einbeziehung der Stellungnahmen erfolgt. Wenn die Behörde sich dafür entscheidet, Dritte einzubeziehen, wer‑ den deren Stellungnahmen bei der Projektbeurteilung wohl auch zum Tragen kommen. Eine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht fehlt aber.

2. Zwischenergebnis: Zurückhaltende Etablierung von Beteiligung Im Bereich des Tierschutzrechts hat die Beteiligung von Dritten lediglich im Bereich der Tierversuche Eingang in das Sekundärrecht gefunden. Die Beteiligungsvorschrift des Art. 38 Abs. 4 Tierversuch-RL ist eine relativ neue Vorschrift, die erst im Jahr 2010 geschaffen wurde. Die Regelung ist nur oberflächlich ausgestaltet und lässt Fragen in Bezug auf die Beteiligungsad‑ ressaten offen. Zudem zielt sie durch die fakultative Einbeziehung auf einen wenig ausgeprägten Ansatz zur Kooperation mit Dritten ab. Hervorzuheben ist aber die Unabhängigkeit der zu Beteiligenden. Die Beteiligung im Tier‑ schutzrecht steht somit noch am Anfang. Es bleibt abzuwarten, ob diese wei‑ ter ausgebaut wird.

III. Gentechnikrecht Gentechnik202 ist die Isolierung und Neukombination genetischen Materi‑ als und dessen Einbringung in andere Organismen.203 Durch die gentechni‑ schen Verfahren sollen Organismen, welche nicht auf einzelne Arten be‑ 202  Die Gentechnik wird oft gleichbedeutend mit dem Begriff der Gentechnologie verwendet. Die Terminologie Technik umfasst das Verfahren, die Arbeitsweise oder die Methode einer Vorgehensweise. Unter Technologie wird die Gesamtheit der Pro‑ zesse und der Methoden zur Gewinnung oder Bearbeitung von Stoffen in einem be‑ stimmten Herstellungs- bzw. Forschungsbereich verstanden, Kauch, Gentechnikrecht, B. Rn. 3. 203  Mechel, in: Koch, Umweltrecht, § 11 Rn. 1; ähnlich auch Appel, in: Ehlers/ Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 51 Rn. 3; Kauch, Gentechnik‑ recht, B. Rn. 4; Rengeling, Europäisches Stoffrecht, § 8 Rn. 67.



III. Gentechnikrecht75

schränkt sind, künstlich verändert werden, so dass sie mit bestimmten Eigen‑ schaften ausgestattet oder bestehende Eigenschaften verstärkt oder abgemil‑ dert werden.204 Die Endprodukte eines gentechnischen Verfahrens werden als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) bezeichnet.205 Die untersuchten Sekundärrechtsakte im Bereich des Gentechnikrechts sind Teil der sog. grünen Gentechnik bzw. Agrogentechnik, worunter die Be‑ reiche der Ernährung, Landwirtschaft und Entsorgung gefasst werden.206 Da‑ bei ist eine Überschneidung mit dem Umweltrecht unumgänglich: Bei der grünen Gentechnik handelt es sich zum einen um Anlagenzulassungsrecht, zum anderen sollen umweltgefährdende Handlungen kontrolliert werden.207 Im europäischen Gentechnikrecht hat sich ein Stufenprinzip für den Ab‑ lauf gentechnischer Verfahren herausgebildet. Auf der ersten Stufe werden die Regelungen für Arbeiten mit GVO im geschlossenen System erfasst. Die Freisetzung von GVO in die Umwelt als zweite Stufe setzt erfolgreiche Tests im Labor, d. h. im geschlossenen System, voraus. Schließlich muss die ab‑ sichtliche Freisetzung ohne gravierende Risiken möglich sein, bevor auf der letzten Stufe die GVO in den Verkehr gebracht werden können.208

1. Anwendung im geschlossenen System Die System-RL regelt Maßnahmen über die Anwendung von genetisch ver‑ änderten Mikroorganismen (GVM)209 in geschlossenen Systemen (Art. 1 Sys‑ tem-RL). Die System-RL erfasst lediglich Mikroorganismen, Viren und Viro‑ ide, so dass höhere Organismen nicht in den Anwendungsbereich fallen.210 204  Drescher, in: Kimminich/von Lersner/Strom, HdUR, I. Bd., S. 862; Mechel, in: Koch, Umweltrecht, § 11 Rn. 1; Schenek, Das Gentechnikrecht der Europäischen Ge‑ meinschaft, S. 32.; vgl. Bericht der Enquête-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“, BT-Drs. 10/6775 vom 06.01.1987, S. 7 (59). 205  Kauch, Gentechnikrecht, B. Rn. 4; Mechel, in: Koch, Umweltrecht, § 11 Rn. 1. 206  Mechel, in: Koch, Umweltrecht, § 11 Rn. 1; so auch Appel, in: Ehlers/Fehling/ Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 51 Rn. 4 m. w. N.; Kauch, Gentechnik‑ recht, B. Rn. 14. 207  Kauch, Gentechnikrecht, C. Rn. 4. 208  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 192 AEUV Rn. 214; Calliess/Korte, DÖV 2006, 10 (14) mit weiteren Ausführun‑ gen zur Begründung dieses Stufenprinzips anhand der Normen der FreisetzungsRL; Sinn/Groß, JuS 2011, 797 (797). 209  Legaldefinition von Mikroorganismus und genetisch verändertem Mikroorga‑ nismus in Art. 2 lit. a), b) System-RL. 210  Voß, Die Novelle der Freisetzungsrichtlinie, S. 182; siehe auch Di Fabio/Kreiner, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. II 1. Teilbd., § 63 Rn. 57.

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B. Bestandsaufnahme

Eine Anwendung im geschlossenen System liegt nach Art. 2 lit. c) System-RL vor, wenn GVM unter Vornahme spezifischer Einschließungsmaßnahmen ver‑ wendet werden, damit der Kontakt mit der Umwelt begrenzt wird. Die Sys‑ tem-RL ist somit abzugrenzen von der absichtlichen Freisetzung und dem In‑ verkehrbringen nach der FreisetzungsRL211, welche die Ausbringung von GVO in die Umwelt regeln (vgl. Art. 1 FreisetzungsRL). Diese Abgrenzung kommt auch in Art. 3 Abs. 3 System-RL deutlich zum Ausdruck.212 Durch diese Bestimmung wird zudem das Stufenverhältnis zwischen der Anwendung im geschlossenen System, der absichtlichen Freisetzung und dem Inverkehr‑ bringen normiert. Für Tätigkeiten, welche unter die FreisetzungsRL fallen, ist keine Genehmigung nach der System-RL notwendig, vorausgesetzt die Bedin‑ gungen der FreisetzungsRL werden eingehalten. Umgekehrt gilt dies aber nicht für GVM nach der System-RL, die nach der Herstellung im Labor ab‑ sichtlich freigesetzt oder in den Verkehr gebracht werden. In diesem Fall ist eine Genehmigung nach der FreisetzungsRL erforderlich, was sich zum einen aus dem Fehlen einer Art. 3 Abs. 3 System-RL entsprechenden Bestimmung in der FreisetzungsRL und zum anderen aus der in Art. 4 Abs. 1 S. 2 Freiset‑ zungsRL festgelegten Notwendigkeit des Einklangs von GVO mit den Zulas‑ sungs- und Genehmigungsvorschriften der FreisetzungsRL ergibt. Dies ist die notwendige Konsequenz des Stufenprinzips, wonach die Anwendung der nächsthöheren Stufe, welche eine weitere Lockerung der Einschließung zur Folge hat, einer positiven Bewertung der vorherigen Stufe und der Risiken der nächsten Stufe bedarf.213 Wird eine Anwendung im geschlossenen System beabsichtigt, meldet der Anwender bei erstmaliger Anwendung in einer Anlage dies bei der zuständi‑ gen Behörde an (Art. 6 System-RL). Nach Art. 4 Abs. 3 System-RL wird die Anwendung im geschlossenen System in vier Klassen eingeteilt, wobei von Klasse 1 bis Klasse 4 das Risiko der Tätigkeit zunimmt und daraus resultie‑ rend Einschließungsmaßnahmen erhöht werden. Bei GVM der Klasse 1 ist eine weitere Anmeldung nach erstmaliger Anmeldung i. S. v. Art. 6 SystemRL nicht mehr notwendig.214 Für Anwendungen der Klassen 2, 3 und 4 sind 211  Eine Abgrenzung zur Lebens-/Futtermittel-GenT-VO ergibt sich bereits aus der Abgrenzung zur FreisetzungsRL, da – wie unter B. III. 2. a) dargestellt – die Lebens-/ Futtermittel-GenT-VO eine lex specialis-Regelung zur FreisetzungsRL ist, so dass auch bei dieser Verordnung dasselbe Verhältnis zur System-RL vorliegt wie zwischen System-RL und FreisetzungsRL. 212  Zur Abgrenzung siehe auch Appel, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Ver‑ waltungsrecht, Bd. 2, § 51 Rn. 26; Di Fabio/Kreiner, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. II 1. Teilbd., § 63 Rn. 22, 59; Voß, Die Novelle der Freisetzungsrichtlinie, S. 183. 213  Zum Vorangehenden Voß, Die Novelle der Freisetzungsrichtlinie, S. 184 sowie zum Stufenprinzip S. 244 ff. 214  Art. 7 System-RL.



III. Gentechnikrecht77

Anmeldungen vor jeder Anwendung notwendig (Art. 8, 9 System-RL). An‑ wendungen der Klasse 3 und 4 dürfen nicht ohne vorherige Zustimmung der Behörde vorgenommen werden (Art. 9 Abs. 2 System-RL). Im Rahmen dieses Anmelde- bzw. Zustimmungssystems kann ein Mit‑ gliedstaat nach Art. 12 System-RL, wenn er es für angebracht hält, vorbehalt‑ lich vertraulicher Angaben die Anhörung der Öffentlichkeit zu bestimmten Aspekten der vorgeschlagenen Anwendung in geschlossenen Systemen vor‑ schreiben. Eine Definition der Öffentlichkeit ist in der Richtlinie nicht vor‑ handen, allerdings wird vertreten, dass wegen des Zusammenhangs mit dem Umweltrecht und der Åarhus-Konvention auf die Definition des Art. 2 Abs. 1 ÖffB-RL zurückgegriffen werden kann,215 so dass natürliche oder juristische Personen und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschrif‑ ten oder der innerstaatlichen Praxis deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen umfasst sein sollen. Mangels ausdrücklicher Verweisung ist dieser Rückgriff aber anzuzweifeln. EWG Nr. 18 umschreibt, dass die Anhörung der Öffentlichkeit sich als zweckmäßig herausstellen könnte. Durch die Beteiligung sollen die Interes‑ sen der Allgemeinheit und insbesondere der Nachbarn berücksichtigt wer‑ den.216 Die Nachbarn der geplanten Anlage sollen ihre betroffenen Belange frühzeitig geltend machen können.217 Damit wird sowohl Akzeptanz als auch behördlicher Informationsgewinn und eine erhöhte Richtigkeitsgewähr der Entscheidung bewirkt.218 Wie bei der Vorgängerrichtlinie 90 / 219 / EWG wird die Beteiligung ins Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Allerdings wäre für eine Erzielung gleicher Wettbewerbsbedingungen in der EU eine obligatorische Beteiligung von Dritten vorzugswürdig.219 Der Klausel zur Beteiligung kommt somit aber nur ein rein deklaratorischer Charakter zu.220 Darüber hinaus ist die Beschränkung der Anhörung auf bestimmte Aspekte der Anwendung eine zusätzliche Verkürzung der Beteiligungsrechte.221 215  Noch zur Vorgängerrichtlinie Palme, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, GenTR/BioMedR, RL 90/219/EWG, Einleitung Rn. 76. 216  Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 6 Rn. 451. 217  Pottschmidt, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 13 Gentech‑ nikrecht, Rn. 104. 218  Appel, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 51 Rn. 94. 219  So bereits zur Vorgängerrichtlinie Schenek, Das Gentechnikrecht der Europäi‑ schen Gemeinschaft, S. 217. 220  Noch zur Vorgängerrichtlinie Jarass, NuR 1991, 49 (50). 221  Noch zur Vorgängerrichtlinie Palme, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, GenTR/BioMedR, RL 90/219/EWG, Einleitung Rn. 77.

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B. Bestandsaufnahme

2. Ausbringung in die Umwelt Soll eine GVO in die Umwelt ausgebracht werden, kann dies entweder durch eine absichtliche Freisetzung oder durch das Inverkehrbringen in ei‑ nem Produkt bzw. als ein Produkt vorgenommen werden. Die absichtliche Freisetzung ist die der Anwendung im geschlossenen System nachfolgende zweite Stufe. Diese wird durch die FreisetzungsRL regelt. Das Inverkehr‑ bringen als letzte Stufe wird ebenfalls durch die FreisetzungsRL, aber auch sektorspezifisch durch die Lebens- / Futtermittel-GenT-VO normiert. a) FreisetzungsRL Die FreisetzungsRL trifft, wie bereits erläutert, Regelungen für die ab‑ sichtliche Freisetzung und das Inverkehrbringen von GVO222 in die Um‑ welt.223 Im Unterschied zur System-RL ist die FreisetzungsRL nicht auf Mi‑ kroorganismen beschränkt. Unter der absichtlichen Freisetzung wird dabei die absichtliche Ausbringung eines GVO in die Umwelt ohne spezifische Einschließungsmaßnahmen verstanden (Art. 2 Nr. 3 FreisetzungsRL). Das Inverkehrbringen umfasst die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung für Dritte, Art. 2 Nr. 4 FreisetzungsRL. Die FreisetzungsRL ist horizontal und verfahrensbezogen ausgestaltet. Bei produktspezifischen Verfahren fin‑ det die Richtlinie allerdings keine Anwendung.224 Die Lebens- / FuttermittelGenT-VO, die vertikal den Bereich der genetisch veränderte Lebens- oder Futtermittel regelt,225 steht ebenfalls in einem lex specialis-Verhältnis zur FreisetzungsRL.226 Der FreisetzungsRL kommt in diesem Bereich also nur eine Auffangfunktion für nicht von der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO er‑ fassten Fällen zu.227 222  Legaldefinition von Organismus und genetisch verändertem Organismus in Art. 2 Nr. 1, 2 FreisetzungsRL. 223  Art. 1 FreisetzungsRL. 224  Di Fabio/Kreiner, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. II 1. Teilbd., § 63 Rn. 68. 225  Erbguth/Schlacke, Umweltrecht, § 14 Rn. 7; Schulte/Apel, in: Schulte/Schrö‑ der, Handbuch des Technikrechts, S. 515; Ittershagen/Runge, NVwZ 2003, 549 (553 f.). 226  Appel, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 51 Rn. 37; Mechel, in: Koch, Umweltrecht, § 11 Rn. 54; Calliess/Korte, DÖV 2006, 10 (13); Schwabenbauer, NuR 2011, 694 (696); ebenso EuGH GA Mengozzi, verb. Rs. C-58/10 bis C-68/10, Slg. 2011 I-7763, ECLI:EU:C:2011:170, Rn. 32–45  – Monsanto; a. A. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 20 Rn. 34. 227  Calliess/Korte, DÖV 2006, 10 (13); so auch Mechel, in: Koch, Umweltrecht, § 11 Rn. 54; siehe auch Art. 5 Abs. 5 S. 2 und Art. 17 Abs. 5 S. 2 Lebens-/Futtermit‑ tel-GenT-VO.



III. Gentechnikrecht79

Eine Beteiligung Dritter findet sich in der FreisetzungsRL bei der absicht‑ lichen Freisetzung einer GVO (Art. 5 ff. FreisetzungsRL) und beim Inver‑ kehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten (Art. 12 ff. Freiset‑ zungsRL). Bei der absichtlichen Freisetzung ist im Standardverfahren nach Art. 6 FreisetzungsRL eine Anmeldung bei der zuständigen nationalen Be‑ hörde erforderlich.228 Bevor die Behörde über die absichtliche Freisetzung entscheidet, sind die Öffentlichkeit und gegebenenfalls Gruppen nach Art. 9 Abs. 1 FreisetzungsRL zu der vorgeschlagenen Freisetzung anzuhören. Die Mitgliedstaaten legen Regeln für die Anhörung einschließlich einer angemes‑ senen Frist fest, damit die Gelegenheit zur Stellungnahme für die Öffentlich‑ keit und gegebenenfalls Gruppen besteht. Darüber hinaus wird die Öffent‑ lichkeit nach Art. 9 Abs. 2 FreisetzungsRL über die absichtliche Freisetzung unterrichtet. Die Zeitspanne für die Anhörung wird bei der Berechnung der Frist für die endgültige Abgabe der Zulassung durch die Behörde nicht be‑ rücksichtigt; allerdings kann nur eine Maximalfrist von 120 Tagen ausgereizt werden (Art. 6 Abs. 6 lit. b) FreisetzungsRL). Parallel zur absichtlichen Freisetzung muss auch beim Inverkehrbringen von GVO ein Anmeldeverfahren durchlaufen werden (Art. 13 Freiset‑ zungsRL). Allerdings wird anders als bei der absichtlichen Freisetzung ein Verfahren in Zusammenarbeit mit der Kommission durchgeführt. Die zu‑ ständige Behörde gibt einen Bewertungsbericht nach Art. 14 FreisetzungsRL an die Kommission weiter, welche den Bericht an die anderen Mitgliedstaa‑ ten übermittelt. Die Bewertungsberichte nach Art. 14 Abs. 3 lit. a) Freiset‑ zungsRL, d. h. solche, die eine positive Bewertung für das Inverkehrbringen vorsehen, werden der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Zu diesen Bewer‑ tungsberichten kann die Öffentlichkeit bei der Kommission innerhalb von 30 Tagen Bemerkungen vorbringen, welche die Kommission umgehend an die zuständige Behörde weiterleitet (Art. 24 Abs. 1 FreisetzungsRL).229 Die zuständige nationale Behörde entscheidet anschließend über das Inverkehr‑ bringen, wobei kein begründeter Einwand der Kommission oder eines ande‑ ren Mitgliedstaates vorliegen darf (Art. 15 Abs. 2, 3 FreisetzungsRL). Eine 228  Nach Art. 7 FreisetzungsRL besteht auch noch die Möglichkeit, ein vereinfach‑ tes Verfahren bei bestimmten GVO durchzuführen, bei welchem die Öffentlichkeit nach Abs. 2 ebenfalls Bemerkungen abgeben kann. Allerdings muss die Kommission einen Beschluss über die Anwendung dieses Verfahrens erlassen, welcher einer Um‑ setzung durch die Mitgliedstaaten bedarf. Daher fällt diese Beteiligung aus dem Un‑ tersuchungsgegenstand heraus. 229  Eine weitere Beteiligung der Öffentlichkeit findet sich in Art. 16 Abs. 3 Frei‑ setzungsRL. Dabei handelt es sich aber um eine Beteiligung bei der Festlegung von allgemeinen Kriterien und Informationen bzgl. der Anmeldung, die an Stelle der An‑ forderungen aus Art. 13 Abs. 2 FreisetzungsRL treten. Aufgrund der fehlenden unmit‑ telbaren Wirkung ist diese Beteiligung aber nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst.

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B. Bestandsaufnahme

ausdrückliche Regelung zur Berücksichtigung der Einwände der Öffentlich‑ keit besteht aber nicht. Dennoch können diese Einwände auch wirksam zur Geltung kommen. Art. 15 Abs. 2, 3 FreisetzungsRL bindet die Behörde nicht an den ursprünglichen Bewertungsbericht, sondern räumt durch den weiten Wortlaut („entscheidet die zuständige Behörde“) eine davon losge‑ löste Beurteilung ein, bei welcher die Einwände berücksichtigt werden kön‑ nen.230 Im Fall von Einwänden, die nicht beseitigt werden können, wird das Verfahren nach Art. 18 FreisetzungsRL auf die Unionsebene gehoben. Eine Entscheidung über das Inverkehrbringen wird im Prüfverfahren getroffen (Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 30 Abs. 2 FreisetzungsRL). Die abschließende schriftliche Zustimmung der zuständigen nationalen Behörde ist generelle Voraussetzung für das Inverkehrbringen der GVO (Art. 19 Abs. 2 Freiset‑ zungsRL). Die beiden Möglichkeiten für die Öffentlichkeit, sich bei der absichtlichen Freisetzung und bei dem Inverkehrbringen nach Art. 9 und 24 FreisetzungsRL zu beteiligen, wurden in dieser Form erst durch die neu erlassene Freiset‑ zungsRL im Jahr 2001 eingeführt. In der Vorgängerrichtlinie 90 / 220 / EWG war die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der absichtlichen Freisetzung für die Mitgliedstaaten nur fakultativ und nicht obligatorisch ausgestaltet.231 An‑ ders als bei der System-RL entschied sich der europäische Gesetzgeber bei der FreisetzungsRL somit für eine gesteigerte Beteiligung von Dritten. Beim Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten war in der Vor‑ gängerrichtlinie überhaupt keine Beteiligung vorgesehen. Somit wird der Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Transparenz deutlich erwei‑ tert, indem auch Einzelpersonen Einwände gegen Produktzulassungen erhe‑ ben können.232 Dies entspricht der hinter der neuen FreisetzungsRL stehen‑ den Intention, Genehmigungsverfahren transparenter auszugestalten, indem u. a. die Öffentlichkeitsbeteiligung erweitert wurde.233 Daher stellt EWG Nr. 10 heraus, dass die Öffentlichkeit während der Ausarbeitung von Maß‑ nahmen entweder von der Kommission oder von den Mitgliedstaaten konsul‑ tiert und informiert werden muss, damit ein umfassender und transparenter Rechtsrahmen sichergestellt werden kann. Durch die Einbeziehung der Öf‑ 230  Di Fabio/Kreiner, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. II 1. Teilbd., § 63 Rn. 90. 231  Art. 7 FreisetzungsRL 90/220/EWG; siehe auch Di Fabio/Kreiner, in: Renge‑ ling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. II 1. Teilbd., § 63 Rn. 76; Ittershagen/Runge, NVwZ 2003, 549 (551). 232  Ittershagen/Runge, NVwZ 2003, 549 (551 f.). 233  Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 90/220/EWG über die absichtliche Frei‑ setzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt KOM(1998) 85 endgültig vom 23.02.1998, S. 11, 21.



III. Gentechnikrecht81

fentlichkeit kann eine angemessene und sachgerechte Risikobeurteilung er‑ langt werden.234 Dennoch bleibt offen, wer von der Öffentlichkeit umfasst ist. Eine Legal‑ definition gibt die Richtlinie nicht vor. Zwar kann – wie bei der SystemRL – ein Rückgriff auf das Umweltrecht vorgenommen und die Öffentlich‑ keit nach den Legaldefinitionen der UVP-II-RL oder IE-RL bestimmt wer‑ den; allerdings würde weiter offen bleiben, welche Adressaten unter die Gruppen nach Art. 9 FreisetzungsRL fallen, die gegebenenfalls neben der Öffentlichkeit beteiligt werden können. Würde man die Begriffsbestimmun‑ gen aus dem Umweltrecht heranziehen, wären davon auch schon Gruppen nach dem innerstaatlichen Recht bzw. nach der innerstaatlichen Praxis um‑ fasst. Letztlich wäre dann durch die FreisetzungsRL nur eine Heraushebung dieser Gruppen als wichtige Adressaten vorgenommen worden, welche aber auch nur gegebenenfalls und mithin nach mitgliedstaatlichem Ermessen be‑ teiligt werden können. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Öf‑ fentlichkeitsbegriff enger zu fassen ist als im Umweltrecht.235 Im Gegensatz zur absichtlichen Freisetzung stellt Art. 24 FreisetzungsRL nur auf die Öf‑ fentlichkeit ab, so dass die FreisetzungsRL offensichtlich auf verschiedene Adressatenkreise bei den beiden Beteiligungsmöglichkeiten abzielt. Eine Klärung durch den europäischen Gesetzgeber ist daher mehr als notwendig. Auch ist in den Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 9 und Art. 24 FreisetzungsRL eine ausdrückliche Pflicht zur Berücksichtigung der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgeschrieben.236 Die zuständige nationale Behörde hat lediglich die Möglichkeit, die Bemerkungen der Öffentlichkeit in ihre Entscheidung einzubeziehen. Eine explizite Verpflichtung zur Berück‑ sichtigung wäre für die Transparenz der FreisetzungsRL aber gerade förder‑ lich. Dadurch könnte sich die Öffentlichkeit vergewissern, welchen Einfluss sie auf die Entscheidung genommen hat. b) Lebens- / Futtermittel-GenT-VO In den Anwendungsbereich der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO fallen Le‑ bens- und Futtermittel, die genetisch verändert wurden. Umfasst sind GVO, die zur Verwendung als Lebens- oder Futtermittel oder in Lebens- oder Fut‑ termitteln bestimmt sind, Lebens- oder Futtermittel, die GVO enthalten, aus solchen bestehen oder daraus hergestellt werden, und Lebensmittel, die aus 234  Voß,

Die Novelle der Freisetzungsrichtlinie, S. 363. Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 41. 236  Optimistischer sprechen Calliess/Korte, DÖV 2006, 10 (21) davon, dass die weitreichende Öffentlichkeitsbeteiligung auffiele, indem die Öffentlichkeit innerhalb der Verfahren berücksichtigungspflichtige Stellungnahmen abgeben dürfe. 235  Siehe

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B. Bestandsaufnahme

GVO hergestellte Zutaten enthalten (Art. 3 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Le‑ bens- / Futtermittel-GenT-VO). Die Verwendung von genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln muss ausdrücklich zugelassen worden sein (Art. 4 Abs. 2 bzw. Art. 16 Abs. 2 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO). Zunächst wird nach Art. 5 Abs. 2 bzw. Art. 17 Abs. 2 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO der Antrag auf Zulassung an die zuständige nationale Behörde gerichtet, welche diesen an die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übermittelt. Die EFSA gibt nach Art. 6 bzw. Art. 18 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO eine Stellungnahme zu dem Antrag ab. Zu dieser Stellungnahme kann die Öffentlichkeit binnen 30 Tagen nach deren Veröffentlichung gegenüber der Kommission Stellung nehmen (Art. 6 Abs. 7 bzw. Art. 18 Abs. 7 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO). Die Kommission legt nach Art. 7 bzw. Art. 19 Lebens- / Futtermittel-GenTVO dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit einen Entscheidungsentwurf vor. Über den Zulassungsantrag wird dann im Prüfverfahren entschieden. Bei der Änderung von Zulassungsbedingungen (Art. 9 Abs. 2 bzw. Art. 21 Abs. 2 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO) und der Erneuerung von Zulassungsbedingungen (Art. 11 Abs. 3 bzw. Art. 23 Abs. 3 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO) erfolgt eine Verweisung auf die Zulassungs‑ verfahren, so dass auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Stellung‑ nahme der EFSA durchgeführt wird. Bei der Überprüfung, ob ein Lebens- bzw. Futtermittel den Anforderungen der Verordnung noch entspricht, gibt die EFSA wiederum eine Stellung‑ nahme ab, zu welcher die Öffentlichkeit innerhalb von 30 Tagen nach deren Veröffentlichung gegenüber der Kommission Stellung nehmen kann (Art. 10 Abs. 1 bzw. Art. 22 Abs. 1 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO). Auch hier wird auf die Bestimmungen der Zulassungsverfahren verwiesen (Art. 10 Abs. 3 bzw. Art. 22 Abs. 3 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO). Dabei ist wegen der ausdrücklich geregelten Öffentlichkeitsbeteiligung in Art. 10 Abs. 1 bzw. Art. 22 Abs. 1 Lebens- / Futtermittel-GenT-VO der Verweis auf die Öffent‑ lichkeitbeteiligung aus Art. 6 Abs. 7 bzw. Art. 18 Abs. 7 Lebens- / Futtermit‑ tel-GenT-VO aber obsolet. Wie bei der FreisetzungsRL ist auch bei der Lebens- / Futtermittel-GenTVO keine Definition der Öffentlichkeit vorgegeben. Jedenfalls zieht die Le‑ bens- / Futtermittel-GenT-VO nur die Öffentlichkeit als Adressaten der Betei‑ ligung heran und stellt – im Gegensatz zu Art. 9 FreisetzungsRL – nicht noch auf Gruppen ab. Ob bei der Verordnung auf einen umweltrechtlichen Begriff der Öffentlichkeit – etwa aus der UVP-II-RL – abgestellt werden kann, er‑ scheint fragwürdig. Die Lebens- / Futtermittel-GenT-VO steht dem Lebens‑ mittelrecht näher als dem Umweltrecht, was dafür sprechen könnte, dass eine Übertragung von Begrifflichkeiten nicht dem Willen des europäischen Ge‑



III. Gentechnikrecht83

setzgebers entspricht. Allerdings steht die Verordnung in Zusammenhang mit der FreisetzungsRL, indem sie für einen speziellen Sektor derselben Rege‑ lungen trifft. Dies könnte eine Heranziehung eines umweltrechtlichen Öffent‑ lichkeitsbegriffs rechtfertigen. Letztlich ist auch hier wieder der europäische Gesetzgeber aufgefordert, für begriffliche Klarheit zu sorgen. Ebenfalls ist keine explizite Berücksichtigungspflicht der Öffentlichkeits‑ beteiligung bei der Zulassung von Lebens- oder Futtermitteln im Text der Verordnung aufgenommen worden.237 Zwar scheint es geboten, dass die Kommission bei ihrer Entscheidung die Stellungnahmen der Öffentlichkeit berücksichtigt,238 allerdings hätte auch hier für mehr Rechtsklarheit und Transparenz eine ausdrückliche Pflicht in die Verordnung aufgenommen wer‑ den sollen. Unüblich ist bei der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO, dass die Öffentlichkeit sich an der Stellungnahme der EFSA beteiligen kann, die Stel‑ lungnahmen der Öffentlichkeit aber an die Kommission gerichtet werden. Die Behörde, welche die Information herausgibt, und die, welche die Stel‑ lungnahmen entgegennimmt, sind somit nicht identisch.239

3. Zwischenergebnis: Stufenprinzip als bestimmender Faktor für die Beteiligung Die Beteiligungen von Dritten im Gentechnikrecht sind an das Stufenprin‑ zip angepasst. Während bei der Anwendung im geschlossenen System eine fakultative Öffentlichkeitsbeteiligung geregelt ist, ist auf den zwei nachfol‑ genden Stufen der absichtlichen Freisetzung und des Inverkehrbringens die Beteiligung durch die Neufassung der FreisetzungsRL und den Erlass der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO obligatorisch ausgestaltet. Bei der Ausbrin‑ gung in die Umwelt ist die Öffentlichkeit direkt tangiert von den GVO und muss daher auch einbezogen werden. Das bestehende Maß an Verfahren‑ stransparenz durch die Anhörung der Öffentlichkeit ist somit konsequent.240 Dabei unterscheiden sich die Ebenen, auf denen die Beteiligung stattfin‑ det. Bei der Anwendung im geschlossenen System und bei der absichtlichen Freisetzung erfolgt das Verfahren auf rein nationaler Ebene, so dass die Öf‑ fentlichkeit von der zuständigen nationalen Behörde angehört wird – bei der Anwendung im geschlossenen System aber nur, falls diese es für erforderlich 237  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 29; zu Art. 6 Abs. 7 Lebens-/FuttermittelGenT-VO Zipfel/Rathke/Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, Art. 6 Rn. 5. 238  So Dederer, ZLR 2005, 307 (318). 239  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 29. 240  Siehe auch Ittershagen/Runge, NVwZ 2003, 549 (550).

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B. Bestandsaufnahme

hält. Beim Inverkehrbringen von GVO in Produkten oder als Produkte sowie bei genetisch veränderten Lebens- oder Futtermitteln gibt die Öffentlichkeit gegenüber der Kommission ihre Stellungnahme ab. Dabei ergibt sich nach der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO noch die Besonderheit, dass informie‑ rende und entgegennehmende Behörde nicht identisch sind. Bei allen Verfahren wird aber die Öffentlichkeit als zur Beteiligung be‑ rechtigt angesehen. Eine Legaldefinition für den Begriff der Öffentlichkeit findet sich in keiner der gentechnischen Regelungen. Auch eine Verweisung auf eine Legaldefinition aus dem Umweltrecht liegt nicht vor. Diese hätte zumindest nachträglich eingefügt werden können und würde für Rechtsklar‑ heit sorgen. Nach der FreisetzungsRL können auch Gruppen einbezogen werden. Wie der Begriff der Gruppe dabei von dem der Öffentlichkeit abzu‑ grenzen ist, ist aber nicht klar. Auch fehlt in allen drei Sekundärrechtsakten eine Bestimmung, wie die Beteiligung bei der endgültigen Entscheidung be‑ rücksichtigt wird.

IV. Wirtschaftsrecht Das Wirtschaftsrecht soll eine gesamtwirtschaftliche Ordnung schaffen und wirtschaftsbezogene Prinzipien sowie Regeln unabhängig von der Zu‑ ordnung zum Öffentlichen oder Privatrecht zur Geltung bringen.241 Vom Un‑ tersuchungsgegenstand umfasst sind die sekundärrechtlichen Bestimmungen, welche dem Energierecht, dem Telekommunikationsrecht und der Fusions‑ kontrolle als Teil des Kartellrechts zuzuordnen sind.

1. Energierecht Vom Energierecht sind jedenfalls der Strom- und der Gassektor umfasst (sog. Energierecht im engeren Sinne). Zusätzlich zählen zum Energierecht im weiteren Sinne alle Wertschöpfungsstufen der Energieversorgung, die Nutzung einzelner Energiequellen, Speicherung, Energieumwandlung und -transport sowie der Bereich des Umweltrechts.242 Es besteht somit eine Überschneidung zwischen dem Energierecht als Teil des Wirtschaftsrechts und als Teil des Umweltrechts.243 Aus dem Bereich des Energierechts sind 241  Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 47, 51, 54, 56; Ruffert, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 1 Rn. 29 f. 242  Pielow, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 22 Rn. 2. 243  Siehe auch Schafhausen/Zenke/Telschow, in: Zenke/Schäfer, Energiehandel in Europa, § 8, welche das Emissionshandelsrecht als Teil des Energierechts untersuchen. Ebenso Ludwigs, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 5 Rn. 17 ff.



IV. Wirtschaftsrecht85

für die Untersuchung von Relevanz die Strom-RL, die Gas-RL, die StromVO, die Gas-VO, die Energieinfrastruktur-VO und die EH-RL. Zur Einord‑ nung dieser Sekundärrechtsakte ist die Zielrichtung der jeweiligen Kompo‑ nente des Energierechts entscheidend. Die EH-RL als Teil des europäischen Energieumweltrechts wird angesichts ihres Schwerpunktes im Umweltrecht diesem Bereich zugeordnet. Wegen der wirtschaftlichen Zielrichtung werden die Strom-RL, die Gas-RL, die Strom-VO, die Gas-VO und die Energieinf‑ rastruktur-VO im Bereich des Energierechts als Teil des Wirtschaftsrechts untersucht. a) Strom- und Gasmarkt Zur Regulierung des Strom- und Gasmarktes hat die EU sekundärrechtli‑ che Regelungen getroffen. Dabei fallen die Strom-RL, die Gas-RL, die Strom‑VO und die Gas-VO in den Untersuchungsgegenstand der Arbeit. Diese Rechtsakte wurden durch das sog. Dritte Binnenmarktpaket 2009 ein‑ geführt. Durch dieses Binnenmarktpaket sollten bestehende Wettbewerbsde‑ fizite beseitigt werden.244 Erreicht werden sollte dies einerseits durch weitere Entflechtungen des Netzbetriebes von der Produktion, geregelt in der StromRL und der Gas-RL.245 Andererseits sollte eine stärke Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Netzbetreibern durch die Gründung des sog. ENTSO (Strom) (Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber / European Network of Transmission System Operators for Electricity) mittels der Strom-VO und des sog. ENTSO (Gas) (Europäischer Verbund der Fernlei‑ tungsnetzbetreiber für Gas / European Network of Transmission System Operators for Gas) mittels der Gas-VO etabliert werden.246 aa) Strom-RL und Gas-RL Nach Art. 1 Strom-RL umfasst die Richtlinie gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, -übertragung, -verteilung und -versorgung und den damit in Verbindung stehenden Verbraucherschutz. Die Gas-RL schafft gemeinsame Vorschriften für die Fernleitung, Verteilung, Lieferung und Speicherung von Erdgas (Art. 1 Abs. 1 Gas-RL). Beide Richtlinie treffen zu‑ dem Vorgaben für den Betrieb des Übertragungs- bzw. Fernleitungsnetzes 244  Siehe EWG Nr. 4 ff. Strom-RL, EWG Nr. 4 ff. Gas-RL, EWG Nr. 3 ff. StromVO, EWG Nr. 11 ff. Gas-VO. 245  EWG Nr. 9 Strom-RL, EWG Nr. 6 Gas-RL. Ebenso Ludwigs, in: Hatje/MüllerGraff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 5 Rn. 11; Gundel/Germelmann, EuZW 2009, 763 (763). 246  EWG Nr. 6 f. Strom-VO, EWG Nr. 15 f. Gas-VO.

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B. Bestandsaufnahme

(Art. 9 ff. Strom-RL bzw. Gas-RL). Dabei geben die Richtlinien drei mögli‑ che Entflechtungssysteme vor, die von den Mitgliedstaaten gewählt werden können. Den Regelfall bildet nach Art. 9–12 Strom-RL bzw. Art. 9–13 Gas‑RL das sog. Ownership Unbundling.247 Dieses führt zu einer vollständi‑ gen Trennung zwischen dem Netzbetrieb auf der einen und der Produktion und dem Vertrieb auf der anderen Seite.248 Eine solche Trennung hat zur Folge, dass ein und derselben Person nicht gleichzeitig die Kontrolle von Stromerzeugung oder -vertrieb bzw. Gasgewinnung und -vertrieb und die Kontrolle des Netzbetreibers obliegen darf und auch sonstige Rechte, wie Stimmrechte oder Organbesetzung, von dieser Person nicht ausgeübt werden dürfen (Art. 9 Abs. 1, 2 Strom-RL bzw. Gas-RL).249 Bevor der Netzbetreiber seine Tätigkeit aufnehmen darf, muss er von der nationalen Regulierungsbe‑ hörde und der Kommission nach Art. 10 Strom-RL bzw. Gas-RL zertifiziert werden und dafür nachweisen, dass er den Anforderungen des Art. 9 StromRL bzw. Gas-RL genügt. Dieses Verfahren müssen auch Netzeigentümer oder -betreiber, die von einer oder mehreren Personen aus einem oder meh‑ reren Drittländern kontrolliert werden, durchlaufen. Das Vorgehen ist dafür in Art. 11 Strom-RL bzw. Gas-RL geregelt. Diese sog. Gazprom-Klausel250 hat den Charakter einer Gegenseitigkeitsklausel.251 Die Versorgung der EUBürger mit Elektrizität bzw. Erdgas über funktionsfähige Netze spielt für die öffentliche Sicherheit, die Wettbewerbsfähigkeit und das Wohl der Bürger eine große Rolle. Zur Sicherstellung der Energieversorgungssicherheit sind die Unabhängigkeit des Netzbetriebs, der Abhängigkeitsgrad der EU und ein‑ zelner Mitgliedstaaten und die Bedingungen für den Energiehandel mit Un‑ ternehmen aus Drittländern entscheidend. Daher sollen Drittlandunternehmen dieselben Anforderungen wie in der EU ansässige Unternehmen erfüllen.252 Zudem sollte der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Drittlandunterneh‑ men aus einem staatlich geschützten Markt die Kontrolle über Übertragungs‑ 247  Kühling/Pisal,

RdE 2010, 161 (163). N&R 2009, 214 (214); Mayen/Karpenstein, RdE 2008, 33 (34); Schmidt-Preuß, ET 2009, 82 (82). 249  Schmidt-Preuß, ET 2009, 82 (82). 250  Die Klausel wurde vor allem wegen des russischen Unternehmens Gazprom geschaffen, Möllinger, Eigentumsrechtliche Entflechtung der Übertragungsnetze, S.  232 f. Gazprom ist ein Unternehmen, welches auf die Förderung von Erdgas spezi‑ alisiert ist. Daher lässt sich der Name ursprünglich der Gas-RL zuordnen. Wegen der identischen Normen in Art. 11 Gas-RL und Art. 11 Strom-RL wird der Begriff aber auch bei der Strom-RL verwendet. 251  Däuper, N&R 2009, 214 (215); siehe auch Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, KOM(2007) 528 endgültig vom 19.09.2007, S. 8. 252  EWG Nr. 25 Strom-RL und EWG Nr. 22 Gas-RL. 248  Däuper,



IV. Wirtschaftsrecht87

netze in der EU erlangen und dadurch diskriminierend zum Nachteil von entflochtenen EU-Unternehmen handeln können.253 Nach Art. 11 Abs. 3 Strom-RL bzw. Gas-RL verfasst die nationale Regulie‑ rungsbehörde zunächst einen Entwurf einer Zertifizierungsentscheidung eines Drittlandunternehmens. Bevor die Regulierungsbehörde die Entscheidung über die Zertifizierung annimmt, wird eine Stellungnahme von der Kommis‑ sion bezüglich der Einhaltung der Anforderungen aus Art. 9 Strom-RL bzw. Gas-RL und einer möglichen Gefährdung der Energieversorgungssicherheit der EU eingeholt (Art. 11 Abs. 5 Strom-RL bzw. Gas-RL). Nach Art. 11 Abs. 6 UAbs. 1 Strom-RL bzw. Gas-RL hat die Kommission für diese Stellungnahme zwei Monate Zeit. Diese Frist verlängert sich um zwei Monate nach UAbs. 2, wenn die Kommission zur Ausarbeitung der Stellungnahme die Standpunkte der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), des betroffenen Mitgliedstaates sowie interessierter Kreise einholt. Eine Beteiligung von Dritten ist bei der Strom‑RL und der Gas-RL somit in das Ermessen der Kommission gestellt. Allerdings wird zumindest ein ausrei‑ chender Zeitraum vorgesehen, indem die Frist bei der Durchführung von Kon‑ sultationen verlängert wird. Dadurch kann gewährleistet werden, dass die Kommission ausreichend Zeit für eine effektive Beteiligung hat und nicht auf‑ grund von Zeitdruck die in das Ermessen gestellte Beteiligung gar nicht vor‑ nimmt, was zu deren faktischen Ausschluss führen würde. Die für die Untersuchung relevanten interessierten Kreise werden in der Strom-RL bzw. Gas-RL allerdings nicht weiter konkretisiert. Die Richtlinien benutzen lediglich in Art. 13 Abs. 5 Strom-RL bzw. Art. 14 Abs. 5 Gas-RL den Begriff der interessierten Parteien. In den englischen und französischen Sprachfassungen wird aber keine Unterscheidung zwischen interessierten Kreisen und interessierten Parteien gemacht, sondern einheitlich auf interested parties und parties intéressées abgestellt. Daher kann eine äquivalente Auslegung der Begriffe interessierter Kreise und interessierter Parteien vor‑ genommen werden. Art. 13 Abs. 5 Strom-RL bzw. Art. 14 Abs. 5 Gas-RL bezieht bei den interessierten Parteien zumindest auch die unabhängigen Netzbetreiber ein und gibt eine ansatzweise Konkretisierung. Allerdings ist dies für die Auslegung des Begriffs in Art. 11 Abs. 6 Strom-RL bzw. Gas-RL nicht relevant, da Art. 13 Strom-RL bzw. Art. 14 Gas-RL ein alternatives Modell zu Entflechtung vorgibt, wenn sich der Mitgliedstaat gegen das Ownership Unbundling entscheidet. Der Kontext der beiden Normen ist daher ein anderer und für eine Auslegung nicht zielführend. Was unter den interes‑ sierten Kreisen zu verstehen ist, bleibt also unklar. 253  Lecheler/Germelmann, Zugangsbeschränkungen für Investitionen aus Drittstaa‑ ten im deutschen und europäischen Energierecht, S. 77; siehe auch Däuper, N&R 2009, 214 (215).

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B. Bestandsaufnahme

Inwieweit die Standpunkte der interessierten Kreise auf die Entscheidung über die Zertifizierung überhaupt Einfluss nehmen können, bleibt ebenfalls offen. Zunächst müsste die Kommission die Standpunkte bei ihrer Stellung‑ nahme überhaupt einarbeiten und berücksichtigen. Eine Verpflichtung dazu besteht allerdings nicht, was bereits die erste Hürde zur Einflussnahme dar‑ stellt. Außerdem regelt Art. 11 Abs. 8 Strom-RL bzw. Gas-RL nur, dass die nationale Regulierungsbehörde in ihrer endgültigen Entscheidung der Stel‑ lungnahme der Kommission „so weit wie möglich“ Rechnung trägt. Die Re‑ gulierungsbehörde kann sogar ausdrücklich von der Stellungnahme abwei‑ chen.254 Bei einem Abweichen von der Stellungnahme bei der endgültigen Entscheidung der Mitgliedstaaten muss die Begründung dafür mitgeteilt und veröffentlicht werden. In Art. 11 Abs. 10 Strom-RL bzw. Gas-RL wird der Kommission die Mög‑ lichkeit gegeben, Leitlinien für die Einzelheiten des Verfahrens über die Zer‑ tifizierung von Drittlandunternehmen zu erlassen. Allerdings wurde davon noch kein Gebrauch gemacht, so dass eine Chance zur Konkretisierung der Beteiligungsvorschrift nicht wahrgenommen wurde. Insgesamt sind Dritte bei der Strom-RL und der Gas-RL nur in geringem Maße zu beteiligen. Auch bleibt unklar, warum die Richtlinien die Dritten nur bei der Entflechtung von Drittlandunternehmen und nicht von EU-ansäs‑ sigen Unternehmen einbeziehen. Zwar ist das Entflechtungssystem bei EUansässigen Unternehmen hauptsächlich auf der mitgliedstaatlichen Ebene verortet; die Kommission hat lediglich die Möglichkeit, das Zertifizierungs‑ verfahren einzuleiten und wird nachträglich über die Zertifizierung informiert (siehe Art. 10 Abs. 4–6 Strom-RL bzw. Gas-RL). Allerdings wird die Ent‑ scheidung der nationalen Regulierungsbehörde erst nach Abschluss des Überprüfungsverfahrens durch die Kommission wirksam (Art. 10 Abs. 5 Strom-RL bzw. Gas-RL). Dieses Verfahren ist in Art. 3 Strom-VO bzw. GasVO verortet und ermöglicht ebenso wie Art. 11 Abs. 6 Strom-RL bzw. GasRL, dass die Kommission für die Erarbeitung ihrer Stellungnahme eine Stel‑ lungnahme der ACER beantragen kann, was zu einer Fristverlängerung führt.255 Warum im Gleichlauf zur Entflechtung von Drittlandunternehmen die interessierten Kreise keine Standpunkte einbringen können, ist nicht nachvollziehbar.

254  So auch Ludwigs, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energie‑ wirtschaft, Kapitel 31 Rn. 30; Gundel/Germelmann, EuZW 2009, 763 (769); a. A. Möllinger, Eigentumsrechtliche Entflechtung der Übertragungsnetze, S. 234, welcher davon ausgeht, dass der Kommission ein Vetorecht zusteht, da ansonsten der Stel‑ lungnahme der Kommission nicht entsprochen werde. 255  Siehe Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Strom-VO.



IV. Wirtschaftsrecht89

bb) Strom-VO und Gas-VO Mit Neuregelung der Strom-VO und der Gas-VO durch das Dritte Binnen‑ marktpaket wurde ein neuer Rahmen für den Strom- und Gasmarkt in Bezug auf grenzüberschreitende Angelegenheiten erlassen.256 Durch die Verordnun‑ gen sollen Instrumente für einen fairen Zugang zu knappen, grenzüberschrei‑ tenden Übertragungskapazitäten und für deren Nutzung geschaffen werden (vgl. Art. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO).257 Art. 4 Strom-VO bzw. Gas-VO ver‑ pflichtet die Übertragungsnetzbetreiber bzw. Fernleitungsnetzbetreiber zum Zusammenschluss auf EU-Ebene zu einem Europäischen Verbund, dem sog. ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas)258. Diese Zusammenschlüsse sollen eine optimale Verwaltung der Netze gewährleisten.259 Aufgabe des ENTSO (Strom) bzw. des ENTSO (Gas) ist es, Netzkodizes auszuarbeiten (siehe Art. 8 Strom-VO bzw. Gas-VO). Diese Netzkodizes ent‑ halten technische Vorgaben.260 Darüber hinaus legen sie aber auch marktbezo‑ gene und damit regulatorische bis hin zu harmonisierenden Regelungen fest (vgl. Art. 8 Abs. 6 Strom-VO bzw. Gas-VO).261 Damit besteht die Besonder‑ heit, dass die Netzkodizes von denjenigen ausgearbeitet werden, die auch un‑ mittelbar von ihnen betroffen sind (sog. regulierte Selbstregulierung262).263 Das Verfahren zur Festlegung von Netzkodizes ist in Art. 6 Strom-VO bzw. Gas-VO festgelegt. Dabei sind drei Phasen erkennbar: die Vorstruktu‑ 256  Fischerauer,

ZNER 2012, 453 (453). RdE 2010, 161 (167). 258  ENTSO steht für die Abkürzung der englischen Terminologie European Network of Transmission System Operators [for Electricity/Gas], Gundel, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 23 Rn. 48; Däuper, N&R 2009, 214 (217). 259  EWG Nr. 7 Strom-VO und EWG Nr. 16 Gas-VO. 260  Ludwigs, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 5 Rn. 146; Däuper, N&R 2009, 214 (217). 261  Schneider, in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, § 2 Rn. 73; Dross/Bovet, ZNER 2014, 430 (435); Fischerauer, ZNER 2012, 453 (454). 262  Fischerauer, ZNER 2012, 453 (453). 263  Wegen dieser weitreichenden Befugnis des ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) wird die Verlagerung der Rechtsetzung in dessen eigene Zuständigkeit teilweise kritisch gesehen. Eine Interessenneutralität könne nicht mehr vollständig gewährleis‑ tet werden. Allerdings führe der rechtliche Rahmen wiederum zu einer Kontrolle durch die ACER und die Kommission, so dass diesem Problem durch die Verordnung begegnet werde. Siehe zur Kritik Gundel, in: Danner/Theobald, Energierecht, Euro­ päi­sches Energierecht Rn. 61; Ludwigs, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europa‑ recht, Bd. 5, § 5 Rn. 146; Schneller, in: Gundel/Lange, Die Umsetzung des 3. Ener‑ giebinnenmarktpakets, 25 (34 f.); Däuper, N&R 2009, 214 (218); Gundel, WiVerw. 2010, 127 (131); Neveling, ZNER 2007, 378 (379). 257  Kühling/Pisal,

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B. Bestandsaufnahme

rierungsphase, die Ausarbeitungsphase und schließlich die Kontrollphase.264 Für die Untersuchung relevante Beteiligungen finden sich in der Ausarbei‑ tungs- und Kontrollphase. In der Ausarbeitungsphase werden die in der Vorstrukturierungsphase fest‑ gelegten Rahmenrichtlinien durch die Erstellung von Netzkodizes umgesetzt. Dazu wird der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) von der Kommission aufgefordert, der ACER innerhalb von zwölf Monaten einen Netzkodex vor‑ zulegen (Art. 6 Abs. 6 Strom-VO bzw. Gas-VO). Der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) entwirft zunächst einen Netzkodex. Sowohl der ENTSO (Strom) als auch der ENTSO (Gas) führen in diesem Stadium bereits infor‑ melle, nicht in der Verordnung vorgesehene Konsultationsverfahren durch,265 welche unterschiedlich ablaufen. Beim informellen Konsultationsverfahren des ENTSO (Strom) können zum einen Diskussionen mit interessierten Akteuren (interested stakeholders) in Abhängigkeit von deren Betroffenheit durchgeführt werden.266 Zum anderen werden ein oder mehrere Workshops in einem frühen Stadium mit allen interessierten Akteuren (interested stakeholders) vorgenommen, die vorher in einem öffentlichen Newsletter angekündigt werden.267 Dabei stellt der ENTSO (Strom) auf einen weiten Adressatenkreis ab und möchte mög‑ lichst alle interessierten Parteien auch schon bei den Workshops miteinbe‑ ziehen.268 In den Workshops sollen wichtige Details des auszuarbeitenden Netzkodex behandelt werden. Es ist auch möglich, einen weiteren, darüber hinausgehenden Bereich in Abhängigkeit vom Thema zu diskutieren.269 Den beteiligten Parteien wird eine angemessene, an die Komplexität des Themas 264  Fischerauer,

ZNER 2012, 453 (455). Ausführungen im Dokument des ENTSO (Strom), ENTSO-E Consulta‑ tion Process vom 28.06.2011, S. 3 (abrufbar unter https://www.entsoe.eu/fileadmin/ user_upload/_library/Association/‌110628_Consultation_Process_Description.pdf (Stand: 19.10.2017)) und des ENTSO (Gas), ENTSOG Guidelines on Stakeholder Interaction during Network Code Development Process, DOC007-11 vom 03.02.2011 (abrufbar unter http://www.entsog.eu/public/uploads/files/publications/ %20Network% 20Code/2012/110203_DOC007-11_Guildelines_on_Stakeholder_Process_clean‌.pdf (Stand: 19.10.2017)). 266  In 2015 wurden insgesamt zwölf öffentliche Konsultation und darüber hinaus eine Vielzahl von bilateralen Treffen durchgeführt, ENTSO-E, Annual Report 2015 – Electricity without borders, S. 8 (abrufbar unter https://www.entsoe.eu/Documents/ Publications/ENTSO-E %20general %20/ENTSO-E_AR15_FINAL.pdf?Web=1 (Stand: 19.10.2017)). 267  19 Workshops wurden im Jahr 2015 abgehalten, ENTSO-E, Annual Report 2015 – Electricity without borders, S. 8. 268  ENTSO (Strom), ENTSO-E Consultation Process vom 28.06.2011, S. 4. 269  ENTSO (Strom), ENTSO-E Consultation Process vom 28.06.2011, S. 5. 265  Siehe



IV. Wirtschaftsrecht91

angepasste Frist zum Antworten eingeräumt, welche mindestens vier Wo‑ chen beträgt.270 Beim informellen Konsultationsverfahren des ENTSO (Gas) werden sog. Stakeholders Joint Working Sessions abgehalten, welche zur Sammlung von Ideen und Reaktionen und für Formulierungshilfen von Vorschlägen und de‑ ren Überprüfung eingesetzt werden. Diese Sitzungen werden von dem ENSTO (Gas) und gegebenenfalls unter Mithilfe anderer Akteure geleitet. Alle interessierten Parteien können daran teilnehmen, wovon Interessenver‑ treter (stakeholders), Fernleitungsnetzbetreiber, Aufsichtsbehörden und Mi‑ nisterien umfasst sind. Bei den Interessenvertretern sollte sich möglichst frühzeitig eine Kerngruppe bilden, welche sich hauptsächlich mit der Ausge‑ staltung beschäftigt und die wichtigsten Vertreter umfasst. Davon erhofft sich der ENTSO (Gas) eine wesentliche Mitwirkung an den Beiträgen und der Entwicklung des Netzkodex. Zudem hält der ENTSO (Gas) die Interessen‑ vertreter ausdrücklich dazu an, sich an der Ausarbeitung frühzeitig zu betei‑ ligen, damit der Netzkodex effektiv ausgestaltet werden kann.271 Eine Stakeholders Joint Working Session muss mindestens 14 Tage im Voraus angekün‑ digt werden und nach einer vorher übermittelten Tagesordnung ablaufen. Die Sitzung sollte ermöglichen, dass alle Parteien ihre Meinungen abgeben kön‑ nen und eine faire Diskussion entsteht.272 Zudem ermöglicht der ENTSO (Gas), dass sich Interessenvertreter bei ihm beschweren können, wenn nach ihrer Meinung die Konsultation oder der Prozess nicht korrekt ablaufen.273 Nach diesen informellen Konsultationsverfahren wird ein Entwurf eines Netzkodex vorgelegt und ein formelles, an den Anforderungen von Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO ausgerichtetes Konsultationsverfahren durchge‑ führt.274 Nach Art. 10 Abs. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO werden umfassend, frühzeitig und auf offene und transparente Weise alle betroffenen Marktteil‑ nehmer, insbesondere die Organisationen, die alle Akteure vertreten, konsul‑ tiert. Abs. 1 konkretisiert den Adressatenkreis und fasst darunter die nationa‑ len Regulierungsbehörden und andere nationale Behörden, Versorgungs- und Erzeugungsunternehmen bzw. Gewinnungsunternehmen, Netznutzer, ein‑ schließlich der Kunden, Verteilernetzbetreiber sowie die relevanten Bran‑ chenverbände, technischen Gremien und Foren der Interessengruppen. Zu‑ 270  ENTSO

(Strom), ENTSO-E Consultation Process vom 28.06.2011, S. 4. (Gas), ENTSOG Guidelines on Stakeholder Interaction during Net‑ work Code Development Process, DOC007-11 vom 03.02.2011, S. 3. 272  ENTSO (Gas), ENTSOG Guidelines on Stakeholder Interaction during Net‑ work Code Development Process, DOC007-11 vom 03.02.2011, S. 4 f. 273  ENTSO (Gas), ENTSOG Guidelines on Stakeholder Interaction during Net‑ work Code Development Process, DOC007-11 vom 03.02.2011, S. 6. 274  Fischerauer, ZNER 2012, 453 (457). 271  ENTSO

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B. Bestandsaufnahme

dem räumt Art. 10 Abs. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO ausdrücklich ein, dass auf die Einholung der Standpunkte und Vorschläge aller relevanten Kreise wäh‑ rend des Entscheidungsprozesses abgezielt wird. Das formelle Konsultations‑ verfahren intendiert somit eine Rückmeldung zum Entwurf des Netzkodex. Dafür werden den Dritten die Konsultationsdokumente auf der Website des ENTSO (Strom) zur Verfügung gestellt und es besteht die Möglichkeit, die Standpunkte und Vorschläge über das Internet einzureichen.275 Für die Mitteilung der Standpunkte und Vorschläge soll den betroffenen Marktteil‑ nehmern eine Zweimonatsfrist eingeräumt werden, welche verkürzt, aber maximal auf einen Monat reduziert werden kann.276 Der ENTSO (Gas) setzt eine Frist für die Konsultation in dem jeweiligen Konsultationsdokument. Späte Rückmeldungen fließen aber schwerer in den Ausarbeitungsprozess ein. Die Rückmeldungen aus der Beteiligung werden veröffentlicht sowie in einem Bericht zusammengeführt.277 Dieser Bericht ent‑ hält auch den Einfluss auf den geplanten Netzkodex durch die Rückmeldun‑ gen. Die Zahl der eingebrachten Rückmeldungen beschränkt sich z. B. bei der Gas-VO auf wenige. So beteiligten sich in den Jahren 2014 und 2015 zwischen acht und 45 verschiedene Akteure bei den jeweiligen Konsultationen.278 Nach Art. 10 Abs. 3 Strom-VO bzw. Gas-VO muss der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) mitteilen, wie die Stellungnahmen aus der Konsultation berücksichtigt wurden, und im Fall einer fehlenden Berücksichtigung dafür eine Begründung abgeben. Die Ausarbeitungsphase schließt mit der Über‑ mittlung des ausgearbeiteten Netzkodex an die ACER ab. In der Kontrollphase (Art. 6 Abs. 7–12 Strom-VO bzw. Gas-VO) gibt die ACER zunächst innerhalb von drei Monaten eine Stellungnahme zu dem 275  ENTSO

(Strom), ENTSO-E Consultation Process vom 28.06.2011, S. 5. (Strom), ENTSO-E Consultation Process vom 28.06.2011, S. 4. 277  Z. B. Initial Draft Network Code on Harmonised Transmission Tariff Structures for Gas – Consultation Responses Report, TAR0335-14 vom 11.09.2014, aktualisiert am 25.09.2014 (abrufbar unter http://www.entsog.eu/public/uploads/files/publications/ Tariffs/2014/TAR0335_140911_ %20Response %20Report_Summary_250914_AK. pdf (Stand: 19.10.2017)). 278  Siehe z. B. Consultation Responses Document Incremental Proposal, INC0018714 vom 31.07.2014 (abrufbar unter http://www.entsog.eu/public/uploads/files/publica tions//INC00187-14_140730_Responses %20to %20INC %20Public %20Consultation‌. pdf (Stand: 19.10.2017)); Business Requirement Specification CAM & CMP – Report on Public Consultation Responses, CAP00578-15 vom 09.04.2015 (abrufbar unter http://www.entsog.eu/public/uploads/files/publications/CMP/CAP00578-15_150409_ Report %20on %‌analysis %20of %20consultation %20responses_final.pdf (Stand: 19.10. 2017)); Initial Draft Network Code on Harmonised Transmission Tariff Structures for Gas – Consultation Responses Report, TAR0335-14 vom 11.09.2014, aktualisiert am 25.09.2014, S.  4 f. 276  ENTSO



IV. Wirtschaftsrecht93

Netzkodex ab und kann dafür eine förmliche Anhörung der betroffenen Ak‑ teure durchführen (Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO). Durch diese wei‑ tere Möglichkeit zur Konsultation können Einwände, die bei der vorherigen (informellen oder formellen) Konsultation des ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) erhoben, aber nicht berücksichtigt wurden, einbezogen werden.279 Wie diese Anhörung ausgestaltet ist, wird durch die Strom-VO bzw. Gas‑VO aber nicht geregelt. Allerdings enthält Art. 10 ACER-VO eine eigenständige Be‑ stimmung für Konsultationen, die von der ACER bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durchgeführt werden, insbesondere bei der Ausarbeitung von Rah‑ menleitlinien und bei dem Vorschlag zur Änderung von Netzkodizes. Diese Bestimmung hebt zwar besonders die Ausarbeitung der Rahmenleitlinien und die Änderungsvorschläge von Netzkodizes hervor, durch den Wortlaut „insbe‑ sondere“ wird aber deutlich, dass dieses nicht abschließende Beispiele sind. Ganz allgemein spricht die Norm von der Wahrnehmung der Aufgaben der ACER und könnte somit auch bei der Wahrnehmung der Kontrolle von der durch den ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) vorgeschlagenen Netzkodizes anwendbar sein. Allerdings ist die Beteiligung nach Art. 10 ACER-VO obliga‑ torisch, während nach Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas‑VO eine förmliche Anhörung nach dem Ermessen der ACER durchgeführt werden kann. Damit unterscheiden sich die beiden Beteiligungsvorschriften bereits deutlich. Zu‑ dem ist die Anwendung von Art. 10 ACER-VO bei Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO aus systematischen Gründen nicht haltbar. Art. 7 Abs. 2 StromVO bzw. Gas‑VO, welcher die Änderung von Netzkodizes normiert, ver‑ pflichtet die ACER zur Konsultation aller Interessenvertreter in Übereinstim‑ mung mit Art. 10 ACER-VO. Es erfolgt somit eine ausdrücklich Verweisung, die beim Erlass der Netzkodizes hingegen fehlt. Das förmliche Anhörungsver‑ fahren bestimmt sich demnach nicht nach Art. 10 Abs. 1 ACER-VO. Konkre‑ tisierungen der fakultativen Anhörungsmöglichkeit aus Art. 6 Abs. 7 StromVO bzw. Gas-VO können also nicht dem Sekundärrecht entnommen werden. Im Anschluss an die Kontrolle durch die ACER und nach einer möglichen Änderung durch den ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) geht die Kontrolle auf die Kommission über, welche den Netzkodex annehmen oder ablehnen kann (Art. 6 Abs. 8, 9 Strom-VO bzw. Gas-VO). Alternativ zu diesem regulären Verfahren280 ermöglicht die Verordnung noch besondere Verfahren für den Erlass von Netzkodizes: den sog. Kom‑ missionskodex nach Art. 6 Abs. 11 Strom-VO bzw. Gas-VO und den sog. Agenturkodex nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO.281 Letzterer ist 279  Fischerauer,

ZNER 2012, 453 (457). nach Fischerauer, ZNER 2012, 453 (458). 281  Baur, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Ka‑ pitel 13 Rn. 97. 280  Begriff

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B. Bestandsaufnahme

einschlägig, wenn der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) innerhalb der Zwölfmonatsfrist des Art. 6 Abs. 6 Strom-VO bzw. Gas-VO keinen Netzko‑ dex erstellt und die Kommission die ACER zur Ausarbeitung auffordert. Im Rahmen dieses Verfahrens kann die ACER, während sie einen Entwurf er‑ stellt, eine weitere Konsultation282 einleiten. Wer in diesem Fall beteiligt wird, wird durch die Verordnung nicht konkretisiert. Ein Rückgriff auf Art. 10 ACER-VO bleibt aus denselben Gründen wie bei Art. 6 Abs. 7 StromVO bzw. Gas-VO verwehrt. Der Erlass eines Kommissionskodex ist nach Art. 6 Abs. 11 UAbs. 1 Alt. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO möglich, wenn der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) keinen Netzkodex ausgearbeitet hat. In diesem Fall kann die Kommis‑ sion selbst einen Kodex erstellen. Zudem besteht diese Möglichkeit, wenn die ACER keinen Entwurf nach Abs. 10 vorgelegt hat (Art. 6 Abs. 11 UAbs. 1 Alt. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO). Bei einem Kommissionskodex konsultiert die Kommission die ACER, den ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) und alle betroffenen Akteure innerhalb eines Zeitraums von mindes‑ tens zwei Monaten zu dem Entwurf (Art. 6 Abs. 11 UAbs. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO). Weitere Konkretisierungen fehlen jedoch. UAbs. 2 geht aber eben‑ falls darauf ein, dass bei einem Kommissionskodex ein Komitologieverfah‑ ren durchzuführen ist. Mit der Durchführung des Komitologieverfahrens erlangt zumindest der Kommissionskodex Rechtsverbindlichkeit283 und hat für Dritte, insbesondere für andere Marktteilnehmer,284 unmittelbare Wirkung. Eine Einbeziehung in den Untersuchungsgegenstand ist also zu bejahen. Ob diese Rechtsverbind‑ lichkeit auch bei dem regulären Verfahren zum Erlass von Netzkodizes und bei den Agenturkodizes gilt, wird durch die Verordnung nicht eindeutig gere‑ gelt, so dass die Relevanz für die vorliegende Untersuchung zunächst unklar ist. Nach EWG Nr. 6 Strom-VO und EWG Nr. 15 Gas-VO sollen die Netz‑ betreiber ihre Netze nur nach den Kodizes betreiben, eine ausdrückliche Pflicht ist aber nicht regelt.285 Außerdem entsprechen die Netzkodizes den in der Vorgängerverordnung geregelten Good Practice Guidelines, welchen nur 282  Die Gas-VO spricht von „Konsultationen“, während die Strom-VO auf „Anhö‑ rungen“ abstellt. Damit ist aber kein unterschiedlicher Maßstab für die Drittbeteili‑ gung bezweckt worden. Die englischen und französischen Sprachfassungen der bei‑ den Verordnungen sprechen einheitlich von consultation. Es sollen somit keine Unter‑ schiede bei der Form der Beteiligung gemacht werden, was auch der parallelen Ausgestaltung des Strom- und Gasmarktes im Dritten Binnenmarktpaket entspricht. 283  Vgl. Fischerauer, ZNER 2012, 453 (458). 284  Dross/Bovet, ZNER 2014, 430 (435); Fischerauer, ZNER 2012, 453 (460). 285  Ludwigs, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kapitel 31 Rn. 41; Fischerauer, ZNER 2012, 453 (454).



IV. Wirtschaftsrecht95

eine faktische Bindungswirkung zukam.286 Die Netzkodizes hätten also die Funktion von soft law.287 Erst durch das Komitologieverfahren entsteht eine Rechtsverbindlichkeit. Allerdings ist das Komitologieverfahren nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 11 UAbs. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO nur auf die Kommissionskodizes anwendbar.288 Im Gesetzgebungsverfahren wurde ein Vorschlag des Europäischen Parlaments zur Stärkung der ACER von der Kommission und vom Rat abgelehnt. Nach Ansicht des Parlaments sollte die ACER ebenfalls verbindliche Netzkodizes festlegen können. Dagegen führte die Kommission unter Berufung auf die Meroni-Doktrin an, dass eine Über‑ tragung von Ermessensbefugnissen an die ACER nicht möglich ist.289 Zudem ist nur bei den Kommissionskodizes der Zweck des Komitologieverfahrens gegeben, welcher sich in der Kontrolle der Kommission durch die Mitglied‑ staaten erstreckt. Eine solche Kontrolle im regulären Verfahren ist nicht not‑ wendig, da die Ausarbeitung durch eine Zusammenarbeit von ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas), ACER und Kommission vollzogen wird und mithin die Verantwortung nicht allein bei letzterer liegt.290 Dies lässt darauf schließen, dass nur den Kommissionskodizes eine Rechtsverbindlichkeit zu‑ kommt; den Netzkodizes des ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) und der Agentur ist somit nicht zwingend eine unmittelbare Drittwirkung einzuräu‑ men.291 Nichtsdestotrotz besteht für die Kommission die Möglichkeit, auch 286  Fischerauer,

ZNER 2012, 453 (454). Pritzsche/Reimers, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Ener‑ giewirtschaft, Kapitel 17 Rn. 37; Fischerauer, ZNER 2012, 453 (454); Gundel/Germelmann, EuZW 2009, 763 (767 Fn. 50). 288  Haller, Der Verwaltungsverbund in der Energieregulierung, S. 93; Fischerauer, ZNER 2012, 453 (458). 289  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhe‑ bung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel, KOM(2008) 904 endgültig vom 12.01.2009, S. 4 f. Nach der Meroni-Doktrin kann die Kommission keine Ermessensbefugnisse auf eine andere Körperschaft übertragen, siehe EuGH Rs. 9/56, Slg. 1958 11, ECLI:EU:C:1958:7, S. 40 ff. – Meroni. 290  Fischerauer, ZNER 2012, 453 (458). 291  So Haller, Der Verwaltungsverbund in der Energieregulierung, S. 93; Ludwigs, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kapitel 31 Rn. 41; Schneller, in: Gundel/Lange, Die Umsetzung des 3. Energiebinnenmarktpa‑ kets, 25 (32); Dross/Bovet, ZNER 2014, 430 (435 Fn. 50); Fischerauer, ZNER 2012, 453 (454); a. A.: Gundel, in: Danner/Theobald, Energierecht, Europäisches Energie‑ recht Rn. 60 Fn. 3, der davon ausgeht, dass trotz fehlender ausdrücklicher Regelung des Komitologieverfahrens bei nach Art. 6 Abs. 9 Strom-VO angenommenen Netz­ kodizes ein solches durchzuführen ist, da die Änderungen von Netzkodizes nach Art. 7 Strom-VO ein Komitologieverfahren vorsehen. Die Rechtsverbindlichkeit ver‑ sagt Gundel dann aber solchen Netzkodizes, die von der Kommission nicht angenom‑ 287  So

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B. Bestandsaufnahme

bei den anderen Netzkodizes ein Komitologieverfahren durchzuführen und damit eine Rechtsverbindlichkeit für diese zu schaffen.292 Daher sind für die vorliegende Untersuchung zumindest all solche Netzkodizes von Interesse, die durch ein Komitologieverfahren Rechtsverbindlichkeit erlangt haben. Weniger problematisch gestaltet sich die Änderung von Netzkodizes nach Art. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO. Nach Art. 7 Abs. 3 Strom-VO bzw. Gas‑VO werden die Änderungen in jedem Fall im Komitologieverfahren vorgenom‑ men und erlangen dadurch Rechtsverbindlichkeit. Bei der Änderung eines Netzkodex konsultiert die ACER alle Interessenträger in Übereinstimmung mit Art. 10 ACER-VO. Nach Abs. 1 des Art. 10 ACER-VO konsultiert die ACER bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, insbesondere bei der Ausarbei‑ tung von Rahmenleitlinien und bei dem Vorschlag zur Änderung von Netz‑ kodizes, ausführlich und frühzeitig auf offene und transparente Art und Weise die Marktteilnehmer, Übertragungs- / Fernleitungsnetzbetreiber, Verbraucher, Endnutzer und gegebenenfalls Wettbewerbsbehörden, und zwar unbeschadet ihrer jeweiligen Zuständigkeit, insbesondere wenn die Aufgaben die Übertra‑ gungs- / Fernleitungsnetzbetreiber betreffen. Zusätzlich enthält der Abs. 3 von Art. 10 ACER-VO speziell für die Rahmenleitlinien und Änderungsvor‑ schläge eine Regelung, wonach die ACER angeben muss, wie den bei den Konsultationen gemachten Beobachtungen Rechnung getragen wurde, und eine Begründung abgeben muss, wenn diese nicht berücksichtigt wurden. Im Anschluss an die Konsultation kann die ACER der Kommission mit Gründen versehene Änderungsvorschläge unterbreiten, welche auch die Vereinbarkeit mit den Zielen aus Rahmenleitlinien beinhaltet (Art. 7 Abs. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO). Die Kommission kann die Änderungen mittels Durchführung des Komitologieverfahrens annehmen, wobei dem Vorschlag der ACER Rechnung getragen werden muss (Art. 7 Abs. 3 Strom-VO bzw. Gas-VO). Ausdrücklich klargestellt wird in Abs. 4, dass sich das Komitologieverfahren nur auf zu ändernde Aspekte des Netzkodex bezieht. Bei der Ausarbeitung und Änderung von Netzkodizes werden somit auf vielfältige Weise und in verschiedenen Verfahrensstadien Dritte einbezogen. Mit dieser Beteiligung soll den Belangen anderer Marktteilnehmer als den men wurden oder die der ENTSO (Strom) aus eigener Initiative nach Art. 8 Abs. 2 Strom-VO erarbeitet hat. Diese Unterscheidung ist aber so nicht in der Verordnung angelegt und daher nicht nachvollziehbar. 292  Dross/Bovet, ZNER 2014, 430 (435 Fn. 50); Fischerauer, ZNER 2012, 453 (455). Siehe dazu bspw. Art. 1 Beschluss 2012/413/EU der Kommission vom 19.07.2012 zur Aufstellung jährlicher Prioritätenlisten für die Ausarbeitung von Netz‑ kodizes und Leitlinien für 2013, ABl. L 192 vom 20.07.2012, S. 32, in welchem die Kommission für bestimmte Bereiche ausdrücklich den Erlass im Komitologieverfah‑ ren vorsieht. Zu dieser Möglichkeit kritisch Haller, Der Verwaltungsverbund in der Energieregulierung, S. 146.



IV. Wirtschaftsrecht97

Netzbetreibern entsprochen werden.293 Dadurch kommt den anderen Markt‑ teilnehmern in Bezug auf den ENTSO (Strom) und den ENTSO (Gas) eine gewisse Kontrollfunktion zu.294 Letztere müssen die Standpunkte zumindest berücksichtigen, was einer einseitigen Regelung zu Gunsten der Netzbetrei‑ ber entgegenwirkt.295 Dass dadurch das Verfahren zur Ausarbeitung von Netzkodizes unverhältnismäßig verzögert wird, ist nicht ersichtlich.296 b) Energieinfrastruktur Der Aufbau einer Energieinfrastruktur auf europäischer Ebene wurde lange Zeit nur langsam vorangetrieben, was sich bei grenzüberschreitenden Projek‑ ten u. a. auf die Ineffizienz von Planungs- und Genehmigungsverfahren und den damit einhergehenden Widerstand der Öffentlichkeit gegen solche Pro‑ jekte zurückführen ließ.297 Mit dem Erlass der Energieinfrastruktur-VO be‑ zweckte die Kommission, bei Vorhaben von gemeinsamem Interesse die Dauer des Genehmigungsverfahrens zu verkürzen und die Beteiligung der Öffentlichkeit sowie die Akzeptanz bezüglich dieser Vorhaben zu verbes‑ sern.298 Dabei ergeben sich zwangsläufig Überschneidungen mit dem Um‑ weltrecht, insbesondere mit der Planung im Bereich der UVP-II-RL und der FFH-RL.299 Die Verordnung macht daher das Verhältnis zu diesen umwelt‑ rechtlichen Richtlinien deutlich und lässt diese grundsätzlich nebeneinander bestehen.300 Vorhaben von gemeinsamem Interesse müssen nach der Legaldefinition des Art. 2 Nr. 4 Energieinfrastruktur-VO zum einen für die vorrangigen Ener‑ gieinfrastrukturkorridore und -gebiete, aufgeführt in Anhang I, erforderlich sein und zum anderen auf der Unionsliste nach Art. 3 Energieinfrastruktur293  Fischerauer,

ZNER 2012, 453 (456). ZNER 2012, 453 (459). 295  Fischerauer, ZNER 2012, 453 (454). 296  Fischerauer, ZNER 2012, 453 (460). 297  Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Leit‑ linien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entschei‑ dung Nr. 1364/2006/EG, KOM(2011) 658 endgültig vom 19.10.2011, S. 4. 298  Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Leit‑ linien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entschei‑ dung Nr. 1364/2006/EG, KOM(2011) 658 endgültig vom 19.10.2011, S. 3. Siehe auch Art. 1 Abs. 2 lit. b) Energieinfrastruktur-VO. 299  Siehe auch Europäische Kommission, Guidance Document „Streamlining envi‑ ronmental assessment procedures for energy infrastructure ‚Projects of Common Inte‑ rest‘ (PCIs)“ (abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/eia/pdf/PCI_guidance. pdf (Stand: 19.10.2017)). 300  Siehe Art. 7 Abs. 8, Art. 9 Abs. 2, 4 Energieinfrastruktur-VO. 294  Fischerauer,

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B. Bestandsaufnahme

VO stehen. Als Konsequenz der Ausweisung eines Vorhabens als Vorhaben von gemeinsamem Interesse kann ein Vorrangstatus gegenüber sonstigen Vorgaben geltend gemacht werden (vgl. Art. 7 Energieinfrastruktur-VO). Die Privilegien bezwecken dabei die zügige Umsetzung des Projektes.301 Das Genehmigungsverfahren für Vorhaben von gemeinsamem Interesse ist in Art. 8 ff. Energieinfrastruktur-VO geregelt, welches nach Art. 10 Abs. 1 Energieinfrastruktur-VO zwei Abschnitte umfasst: den Vorantragsabschnitt (lit. a) und den formalen Genehmigungsabschnitt (lit. b). Der Vorantragsab‑ schnitt erstreckt sich auf den Zeitraum zwischen dem Beginn des Genehmi‑ gungsverfahrens und der Annahme der eingereichten Antragsunterlagen.302 Der formale Genehmigungsabschnitt umfasst den Zeitraum ab dem Datum der Annahme der eingereichten Antragsunterlagen bis zum Erlass einer um‑ fassenden Entscheidung.303 Eine Beteiligung von Dritten an dem Genehmigungsverfahren von Vorha‑ ben von gemeinsamem Interesse findet nur in dem ersten Genehmigungsab‑ schnitt, dem Vorantragsabschnitt, statt. Die Verordnung stellt besondere An‑ forderungen bezüglich der Transparenz und der Beteiligung der Öffentlich‑ keit in Art. 9 Energieinfrastruktur-VO heraus.304 Durch diese Regelung soll‑ ten zu den bereits bestehenden Standards zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei ökologischen Entscheidungsfindungen zusätzliche Maßnahmen für einen höchstmöglichen Standard bezüglich Transparenz und Öffentlichkeitsbeteili‑ gung geschaffen werden (EWG Nr. 30). Die Verordnung spricht somit bereits in der Überschrift des Artikels von der Öffentlichkeitsbeteiligung und kon‑ kretisiert damit den Adressatenkreis der Beteiligung. Nach Art. 9 Abs. 1 Energieinfrastruktur-VO geben die Mitgliedstaaten je‑ weils ein Verfahrenshandbuch für das Genehmigungsverfahren heraus. Darin enthalten sind mindestens die Angaben aus Anhang VI Nr. 1, was u. a. die Phasen und Instrumente für die Beteiligung der Öffentlichkeit an dem Ver‑ fahren umfasst. Dieses Verfahrenshandbuch ist allerdings nicht rechtsver‑ bindlich. Art. 9 Abs. 2 Energieinfrastruktur-VO schreibt generell vor, dass alle am Genehmigungsverfahren beteiligten Parteien die Grundsätze aus Anhang VI Nr. 3, welche die Öffentlichkeitsbeteiligung betreffen, befolgen müssen. Diese Grundsätze halten fest, dass die von einem Vorhaben von gemeinsamem Inte‑ resse betroffenen Kreise, darunter relevante nationale, regionale und lokale 301  Kment,

(71).

302  Art. 10

UPR 2014, 81 (82 f.), vgl. auch Erbguth/Schubert, EurUP 2014, 70

Abs. 1 lit. a) Energieinfrastruktur-VO. Abs. 1 lit. b) Energieinfrastruktur-VO. 304  Dross/Bovet, ZNER 2014, 430 (434). 303  Art. 10



IV. Wirtschaftsrecht99

Behörden, Grundbesitzer und Bürger, die in der Nähe des Vorhabens leben, die Öffentlichkeit und deren Verbände, Organisationen oder Gruppen, umfas‑ send informiert und frühzeitig auf offene und transparente Weise zu einem Zeitpunkt angehört werden, zu dem etwaige Bedenken der Öffentlichkeit noch berücksichtigt werden können. Dabei ist eine Unterstützung der Vorhabenträ‑ ger durch die zuständige Behörde möglich (Anhang VI Nr. 3 lit. a)). Weiter gibt Anhang VI Nr. 3 lit. b) als Grundsatz vor, dass die Anhörungs‑ verfahren möglichst in Gruppen zusammengefasst werden. Jede Anhörung erstreckt sich auf alle Themen, die für die jeweilige Verfahrensphase relevant sind, wobei als Begrenzung eine Anhörung für ein Thema gesetzt wird. Diese eine Anhörung kann jedoch an mehreren geografischen Standorten stattfin‑ den. Die Themen der Anhörung werden in der dazugehörigen Mitteilung klar angegeben. Zuletzt statuiert Anhang VI Nr. 3 lit. c) noch, dass Kommentare und Ein‑ wände nur vom Beginn der Anhörung der Öffentlichkeit bis zum Ablauf der Frist zulässig sind. Worauf sich diese Fristbestimmung bezieht, bleibt zu‑ nächst unklar, da eine Konsultationsfrist in Art. 9 Energieinfrastruktur-VO selbst nicht festgelegt ist.305 Allerdings kann geschlossen werden, dass der jeweilige Vorhabenträger eine solche Frist schafft. Dieser muss nach Art. 9 Abs. 3 Energieinfrastruktur-VO innerhalb einer indikativen Frist von drei Monaten ein Konzept für die Öffentlichkeitsbeteiligung aufstellen und von der zuständigen Behörde genehmigen lassen. Dieses Konzept muss zum ei‑ nen dem erlassenen Verfahrenshandbuch des Mitgliedstaates und zum ande‑ ren den Leitlinien aus Anhang VI entsprechen. Nach Anhang VI Nr. 4 müs‑ sen mindestens Informationen über die angesprochenen betroffenen Kreise, die geplanten Maßnahmen, das Personal und den zeitlichen Rahmen enthal‑ ten sein. Die Vorgabe eines zeitlichen Rahmens in irgendeiner Art legt nahe, eine Frist für die Konsultation zu setzen, so dass nach Anhang VI Nr. 3 lit. c) die Kommentare und Einwände bis zum Ablauf dieser Frist eingereicht wer‑ den können.306 Die zuständige Behörde kann das vorgeschlagene Konzept unter Berücksichtigung im Vorhinein durchgeführter Öffentlichkeitsbeteili‑ gungen entweder genehmigen oder Änderungen verlangen.307 Art. 9 Abs. 4 Energieinfrastruktur-VO spezifiziert den Abs. 2 und schreibt mindestens eine Anhörung der Öffentlichkeit durch den Vorhabenträger oder gegebenenfalls durch die zuständige Behörde, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist, vor. Diese Anhörung muss vor der Einreichung der endgülti‑ Vogt/Maaß, RdE 2013, 151 (155). übersehen Vogt und Maaß die Regelung zum Konzept in Anhang VI Nr. 4 lit. c) und legen eine ergänzende mitgliedstaatliche Regelung nahe, Vogt/Maaß, RdE 2013, 151 (155). 307  Art. 9 Abs. 3 Energieinfrastruktur-VO. 305  Vgl.

306  Insoweit

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B. Bestandsaufnahme

gen und vollständigen Antragsunterlagen nach Art. 10 Abs. 1 lit. a) Energiein‑ frastruktur-VO erfolgen. Die in Anhang VI Nr. 3 lit. a) genannten betroffenen Kreise sind frühzeitig über das Vorhaben zu informieren und die Mindestan‑ forderungen aus Anhang VI Nr. 5 sind zu berücksichtigen. Nach letzterer ist eine Informationsbroschüre von maximal 15 Seiten zu veröffentlichen, alle betroffenen Kreise sind über die Website des Vorhabenträgers oder der natio‑ nalen Behörde308 und sonstige geeignete Informationsmittel über das Vorha‑ ben zu informieren und schriftlich zu speziellen Sitzungen, auf denen die An‑ liegen erörtert werden, einzuladen. Da Art. 9 Abs. 4 UAbs. 1 Energieinfra‑ struktur-VO von mindestens einer Anhörung spricht, steht es den Mitglied‑ staaten frei, noch weitere Anhörungen durchzuführen.309 Die Anhörungen tragen dazu bei, den am besten geeigneten Standort oder die am besten geeig‑ nete Trasse und die in den Antragsunterlagen zu behandelnden relevanten Themen festzustellen. Dieses Ziel ist ausdrücklich in Art. 9 Abs. 4 UAbs. 1 Energieinfrastruktur-VO festgehalten. Vor dem Hintergrund dieses Ziels muss bei der Frühzeitigkeit der Anhörung davon ausgegangen werden, dass bereits vor der Festlegung der Antragsunterlagen die Beteiligung stattfinden muss. Sind die Antragsunterlagen bereits ausgearbeitet worden, enthalten sie schon den konkreten Trassenverlauf und ein Einwirken der Öffentlichkeit ist nicht mehr möglich. Um eine möglichst breite Öffentlichkeit einzubinden und eine transparente Trassenbestimmung aufzustellen, wäre eine Beteiligung vor dem Vorantragsabschnitt bereits sinnvoll.310 Letztlich steht dies aber im Ermessen des Vorhabenträgers bzw. der zuständigen Behörde. Die Anhörungen finden auch bei grenzüberschreitenden Vorhaben, d. h. solche Vorhaben mit Grenzüberquerung von zwei oder mehr Mitgliedstaaten, in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von maximal zwei Mona‑ ten nach Beginn der ersten Anhörung der Öffentlichkeit statt (Art. 9 Abs. 5 Energieinfrastruktur-VO). Nach Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 Energieinfrastruktur-VO erstellt der Vorhaben‑ träger einen Bericht mit den Ergebnissen der Öffentlichkeitsbeteiligung, wel‑ cher bei der umfassenden Entscheidung über das Vorhaben von gemeinsa‑ mem Interesse gebührend berücksichtigt werden muss. Dieses detaillierte Verfahren in Art. 9 i. V. m. Anhang VI Energieinfrastruk‑ tur-VO ermöglicht zwar eine Beteiligung von Dritten im hohen Maße, den‑ noch sind die Begrifflichkeiten der Adressaten der Beteiligung nicht eindeutig 308  Die Pflicht zur Einrichtung einer solchen Website besteht nach Art. 9 Abs. 7 Energieinfrastruktur-VO. 309  Schadtle, ZNER 2013, 126 (130). 310  Zum Vorangehenden Vogt/Maaß, RdE 2013, 151 (155). Für eine bereits dem Beginn des Genehmigungsverfahrens vorgelagerte Öffentlichkeitsbeteiligung Schadtle, ZNER 2013, 126 (131 f).



IV. Wirtschaftsrecht101

bzw. stringent in der Verordnung benannt worden. Zunächst wird in Art. 9 Energieinfrastruktur-VO auf die Öffentlichkeit abgestellt. Die Verordnung geht offenbar von einem weiten Verständnis der Öffentlichkeit aus. Die Be‑ stimmung in Anhang VI Nr. 3 lit. a) konkretisiert den Adressatenkreis und stellt die Öffentlichkeit neben die anderen aufgeführten Akteure, was verwun‑ dern mag, da auch Bürger aus der Umgebung von der Öffentlichkeit umfasst sein dürften. Im Weiteren, d. h. im Anhang VI und Art. 9 EnergieinfrastrukturVO, spricht die Verordnung nur noch von der Öffentlichkeit. Dass damit eine Begrenzung der Beteiligung auf die Öffentlichkeit als solche und ein Aus‑ schluss der sonstigen in Anhang VI Nr. 3 lit. a) aufgeführten Adressaten er‑ zeugt werden soll, widerspricht der Systematik der Verordnung. So legt zwar lit. a) fest, wer sich beteiligen kann, bestimmt aber im gleichen Satz, dass die Bedenken der Öffentlichkeit noch berücksichtigt werden können müssen. Eine Reduktion auf die Öffentlichkeit im engeren Sinne würde gerade dem Zweck einer Berücksichtigung entgegenstehen, da die sonstigen Adressaten ebenfalls in gleicher Weise zum Vorhaben beitragen können und deren Standpunkte so‑ mit auch beachtlich sein müssen. Nach Anhang VI Nr. 5 sind die relevanten betroffenen Kreise zu informieren und einzuladen, während Art. 9 Abs. 4 Energieinfrastruktur-VO allgemein von der Anhörung der Öffentlichkeit spricht. Welche betroffenen Kreise relevant sind und ob damit der Adressaten‑ kreis eingeschränkt werden soll, klärt der Anhang aber nicht. Auch bei diesen Begrifflichkeiten ist offenbar eine Trennung der Öffentlichkeit im engeren Sinne von den relevanten betroffenen Kreisen nicht gewollt, da eine Informa‑ tion und Einladung nur sinnvoll ist, wenn sich diese auch beteiligen können. Die Formulierungen der Adressaten in der Verordnung sind zwar nicht trenn‑ scharf gelungen, allerdings sollen von dem Begriff Öffentlichkeit – wie er in Art. 9 Energieinfrastruktur-VO benutzt wird – offensichtlich alle in Anhang VI Nr. 3 lit. a) aufgeführten Adressaten umfasst werden. Durch die Verordnung wurde insgesamt ein Rahmen geschaffen, der zum einen die zügige Genehmigung von Vorhaben von gemeinsamem Interesse und zum anderen die Akzeptanz durch die Öffentlichkeit ermöglicht. Die kurzen Fristen bei den Genehmigungsverfahren sollen aber in keinem Fall zu einer Verringerung der Öffentlichkeitsbeteiligung führen (EWG Nr. 32). Erst durch die Einbindung der Öffentlichkeit lässt sich die Akzeptanz erzeugen und die Einhaltung von kurzen Fristen ermöglichen.311 Durch eine frühzei‑ tige Erarbeitung von Alternativen und Konsultationen sollen Widerstände schon im Vorfeld aus dem Weg geräumt werden.312 Mit Art. 9 Energieinfra‑ 311  Noch zum Kommissionsentwurf Nettesheim, in: Giegerich, Herausforderungen und Perspektiven der EU, 77 (102 f.). 312  Nettesheim, in: Giegerich, Herausforderungen und Perspektiven der EU, 77 (94); Schadtle, ZNER 2013, 126 (130); vgl. auch Vorschlag für Verordnung des Eu‑

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B. Bestandsaufnahme

struktur-VO wurde vom europäischen Gesetzgeber ein eigenständiger Artikel für die Beteiligung geschaffen, welcher ausführliche Vorgaben schafft. Das detaillierte Verfahren in Art. 9 i. V. m. Anhang VI Energieinfrastruktur-VO soll eine Struktur für die Standpunkte und Meinungen der Öffentlichkeit vor‑ geben, damit diese verfahrensbegleitend und kontinuierlich einbezogen wird. Dadurch soll auch der Bestand der Entscheidung gesichert werden.313 Insge‑ samt lässt sich die Öffentlichkeitsbeteiligung als ein Kernelement der Ener‑ gieinfrastruktur-VO herausstellen, da erhöhte Anforderungen gestellt werden und das Verfahren sehr detailliert ausgestaltet ist.314 Die Mitgliedstaaten kön‑ nen nur in geringem Maße von den Vorgaben abweichen.315 c) Zwischenergebnis: Energierecht als (zweiter) ambivalenter Rechtsbereich Das Energierecht ist ein Rechtsgebiet, welches bezogen auf die Beteili‑ gung von Dritten – wie das Umweltrecht auch – ambivalent ausgestaltet ist. Die Richtlinien in diesem Bereich stellen die Beteiligung lediglich in das Ermessen der Kommission und legen daher nur einen geringen Wert auf die Beteiligung. Außerdem sind die Beteiligungsvorschriften nur bei der Geneh‑ migung von Drittlandunternehmen vorgesehen. Der Anwendungsbereich ist mithin gering, was zu einer weiteren Abschwächung der Beteiligung führt. Bei der Genehmigung von EU-ansässigen Übertragungs- und Fernleitungs‑ netzbetreiber wäre eine weitergehende Einbeziehung der Öffentlichkeit aber sinnvoll, da die Konsultationen als Mittel zur Beseitigung von Informations‑ asymmetrien auf Seiten der Behörde dienen. Die Regulierungsbehörde ist sonst nur auf die Angaben der Netzbetreiber angewiesen und muss sich auf deren Richtigkeit verlassen. Dadurch können die Netzbetreiber ihre Interes‑ ropäischen Parlaments und des Rates zu Leitlinien für die transeuropäische Energiein‑ frastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG, KOM(2011) 658 endgültig vom 19.10.2011, S. 3. 313  Noch zum Kommissionsentwurf Nettesheim, in: Giegerich, Herausforderungen und Perspektiven der EU, 77 (103). 314  Dietrich/Steinbach, DVBl 2014, 488 (489). 315  Erbguth/Schubert, EurUP 2014, 70 (78), welche allerdings darauf abstellen, dass den Öffentlichkeitsbeteiligungsbestimmungen kein Mehrwert im Vergleich zur UVP-II-RL und SUP-RL zukommt. Dabei verkennen die Autoren allerdings, dass die Verfahren bei umweltrechtlichen Verfahren weniger detailliert sind und auf ein Ver‑ fahrenshandbuch oder ein zu genehmigendes Konzept verzichten. Zudem macht Art. 9 Abs. 2 Energieinfrastruktur-VO gerade deutlich, dass die Anforderungen aus der Åarhus- und der Espoo-Konvention, welche durch die umweltrechtlichen Sekun‑ därrechtsakte umgesetzt werden, unbeschadet gelten und die Energieinfrastruktur-VO darüber hinausgehende Bestimmungen enthält.



IV. Wirtschaftsrecht103

sen zu ihren Gunsten durchzusetzen versuchen.316 Bei der Entflechtung von Netzbetrieb und Produktion / Vertrieb können Dritte ebenfalls nötige Informa‑ tionen liefern. Warum dies aber nur bei der Entflechtung von Drittlandunter‑ nehmen möglich ist, ist nicht nachvollziehbar. Zu begrüßen ist demnach die Ausgestaltung der Drittbeteiligung in der Strom-, Gas- und Energieinfrastruktur-VO. Dennoch ist hervorzuheben, dass zwar bei der Ausgestaltung von Netzkodizes die Öffentlichkeit in mehreren Abschnitten beteiligt wird, die Regelungen der Strom-VO bzw. Gas-VO al‑ lerdings weniger detailliert als in der Energieinfrastruktur-VO sind. Für den ENTSO (Strom) und den ENTSO (Gas) enthält der jeweilige Art. 10 StromVO bzw. Gas-VO eine eigenständige Bestimmung für die Konsultation, al‑ lerdings nur für das formelle Verfahren. Die vorgelagerten informellen Ver‑ fahren finden sich nur in den Dokumenten der Europäischen Verbünde. Die Konsultationen durch die ACER und die Kommission sind hingegen einge‑ bettet in den Artikel über das Verfahren zur Festlegung der Netzkodizes (Art. 6 Strom-VO bzw. Gas-VO). Auch sind die Verbindungen zur ACERVO unklar ausgestaltet und nur durch Auslegung zu ermitteln. Eine klarstel‑ lende Regelung der Beteiligung von Dritten in einem eigenständigen Artikel mit konkreten Bezügen zu anderen Sekundärrechtsakten würde zur Rechtssi‑ cherheit beitragen. Die Regelung des Art. 9 Energieinfrastruktur-VO ist daher zu befürworten, da übersichtlich in einem Artikel die Beteiligung normiert wird. Dabei sind die Verpflichtungen zum Erlass von Verfahrenshandbüchern und zur Erstel‑ lung von Beteiligungskonzepten hervorzuheben. Auch die Aufnahme von Details in den Anhang VI der Verordnung gewährleistet die Übersichtlichkeit des Art. 9 Energieinfrastruktur-VO und führt dazu, diesen nicht zu überladen. Dennoch ist der Artikel in sich nicht vollends gelungen strukturiert. Gerade die allgemeine Bestimmung in Abs. 2 und die spezielle Regelung des Abs. 4 wären vorteilhafter hintereinander zu normieren und ihr Verhältnis zueinan‑ der deutlich zu machen gewesen. Die Verortung des Konzeptes durch den Vorhabenträger in Abs. 3 wirkt „dazwischen geschoben“ und unterbricht die Systematik. Sicherlich hatte der europäische Gesetzgeber damit den chrono‑ logischen Ablauf der Anhörung im Blick, allerdings wäre die formelle Anfor‑ derung einer Konzepterstellung besser an den Anfang des Artikels zu stellen gewesen. Zudem fehlt in der Verordnung eine ausdrückliche Definition der Öffentlichkeit. Zwar wird durch Anhang VI Nr. 3 lit. a) ein Adressatenkreis vorgegeben, dennoch sind die Begrifflichkeiten hier nicht aufeinander abge‑ stimmt und es ist unglücklich, dass die Öffentlichkeit neben den anderen 316  Zu dieser Problematik und der Lösung durch Konsultationen Bauer, EnWZ 2012, 71 ff.

104

B. Bestandsaufnahme

Akteuren zu stehen scheint. Insgesamt ist die Ausgestaltung der Öffentlich‑ keitsbeteiligung in der Energieinfrastruktur-VO aber gelungen und vor allem wegen ihrer Detailliertheit ein wichtiger Schritt zur Akzeptanz. Dies hängt auch mit dem Zusammenhang der Energieinfrastruktur mit dem Bereich des Umweltrechts zusammen.317 Die Akzeptanz von Planungsvorhaben ist für deren Realisierung ein entscheidender Faktor. Das Energierecht weist somit ein breites Spektrum an Beteiligungsformen auf, welches von der Beteiligung im Ermessen bis zu einer obligatorischen Beteiligung mit vielen vorgelagerten Maßnahmen (Verfahrenshandbuch, Be‑ teiligungskonzept) reicht.

2. Telekommunikationsrecht Das europäische Telekommunikationsrecht ist ein Rechtsgebiet, welches sich von seinen Anfängen 1986 bis in die jetzige Zeit zu einem ausgereiften und konsolidierten Rechtsgebiet entwickelt hat.318 Die im Folgenden behan‑ delten Sekundärrechtsakte wurden in einem Richtlinienpaket im Jahr 2002 erlassen und umfassen die Kommunikationsrahmen-RL, die ZugangsRL, die GenehmigungsRL sowie die Universaldienst-RL. Die Kommunikationsrah‑ men-RL stellt einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommu‑ nikationsnetze und -dienste auf und bildet damit eine Basis bzw. einen allge‑ meinen Teil, auf welchem die anderen Einzelrichtlinien aufbauen, diesen ausfüllen und ergänzen.319 Die GEREK-VO wurde erst 2009 erlassen. Die Verordnung ist Teil des sog. „Review 2009“, welches auch das Richtlinien‑ paket aus 2002 überarbeitete und die genannten Richtlinien änderte.320 a) Marktregulatorische Verpflichtungen Im Bereich der Marktregulierung, einer Kernaufgabe der Regulierungsbe‑ hörden nach der Kommunikationsrahmen-RL, sollen der Wettbewerb geför‑ dert und Wettbewerbsbeschränkungen effektiv beseitigt werden.321 Das 317  Siehe auch Europäische Kommission, Guidance Document „Streamlining envi‑ ronmental assessment procedures for energy infrastructure ‚Projects of Common Inte‑ rest‘ (PCIs)“. 318  Kühling, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 24 Rn. 7, welcher im Folgenden einen historischen Überblick gibt. 319  Klotz, in: Säcker, TKG, Einl. II Rn. 55; Damjanovic/Holoubek/Kassai/Lehofer/ Urbantschitsch, Handbuch des Telekommunikationsrechts, S. 26. 320  Kühling, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 24 Rn. 14, 20. 321  Klotz, in: Säcker, TKG, Einl. II Rn. 70.



IV. Wirtschaftsrecht105

Marktregulierungsverfahren ist dreischrittig aufgestellt.322 Zunächst wird durch die nationale Regulierungsbehörde mittels einer Marktdefinition ermit‑ telt, ob überhaupt ein relevanter Markt vorliegt (vgl. Art. 15 Kommunikati‑ onsrahmen-RL). Liegt schon kein relevanter Markt nach der Marktdefinition vor, unterliegt der Bereich ausschließlich allgemeinen kartellrechtlichen Wettbewerbskontrollen.323 Alle Märkte, die durch die Marktdefinition als re‑ gulierungsbedürftig eingestuft wurden, werden im zweiten Schritt durch die Regulierungsbehörde einer Marktanalyse unterzogen (Art. 16 Kommunikati‑ onsrahmen-RL). Durch die Marktanalyse wird ermittelt, ob auf einem rele‑ vanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht.324 Folgt aus der Marktanalyse, dass Unternehmen allein oder gemeinsam über beträchtliche Macht auf dem Markt verfügen, d. h. besteht eine wirtschaftlich starke Stellung, die ein Ver‑ halten unabhängig von Wettbewerbern, Kunden und Verbrauchern ermöglicht und somit einer Beherrschung gleichkommt,325 erlegt die Regulierungsbe‑ hörde diesen Unternehmen im dritten Schritt geeignete spezifische Verpflich‑ tungen auf bzw. ändert oder behält diese bei, wenn sie bereits bestehen (Art. 16 Abs. 4 Kommunikationsrahmen-RL). Dabei greift die Regulierungs‑ behörde auf Verpflichtungen, die in Art. 16 Abs. 2 KommunikationsrahmenRL genannt sind, zurück. Von diesen marktregulatorischen Verpflichtungen sind zum einen Verpflichtungen auf Vorleistungsmärkten gemäß Art. 8 Zu‑ gangsRL und zum anderen solche auf Endnutzermärkten gemäß Art. 17 Universaldienst-RL umfasst.326 Bei der Regulierung durch diese Verpflichtungen werden Dritte vor deren Erlass nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL beteiligt (siehe Art. 16 Abs. 6 Kommunikationsrahmen-RL). Nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL stel‑ len die Mitgliedstaaten sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden in‑ teressierten Kreisen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stel‑ lungnahme zum Entwurf von Maßnahmen geben, die beträchtliche Auswir‑ kungen auf den betreffenden Markt haben werden.327 Dieses Verfahren wurde 322  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Te‑ lekommunikation, S. 79; Koenig/Loetz/Neumann, Telekommunikationsrecht, S. 112 f.; Kühling, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 4 Rn. 31. 323  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 80. 324  Siehe Art. 16 Abs. 2 Kommunikationsrahmen-RL. 325  Siehe Definition in Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 Kommunikationsrahmen-RL. 326  Kühling, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 4 Rn. 48; Koenig/Winkler, TKMR 2003, 171 (171). 327  Der Anwendungsbereich von Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ist somit weit ausgestaltet und umfasst nicht nur die marktregulatorischen Verpflichtungen, sondern auch andere Maßnahmen, z. B. die Beschränkung von Nutzungsrechten für Funkfre‑ quenzen (Art. 7 Abs. 1 lit. b) GenehmigungsRL). Die Marktregulierung ist aber der

106

B. Bestandsaufnahme

eingeführt, um möglichen Abweichungen von Regulierungspraktiken der Mitgliedstaaten untereinander, hervorgerufen durch das eingeräumte weite Ermessen, vorzubeugen.328 Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL hält fest, dass eine Beteiligung zum Entwurf der Maßnahme stattfindet. Damit wird sichergestellt, dass die Betei‑ ligung auf die Maßnahme, d. h. im konkreten Fall die geplante Verpflichtung, noch Einfluss nehmen kann.329 Wann Maßnahmen beträchtliche Auswirkun‑ gen auf den Markt haben können, wird durch die Richtlinie nicht erläutert.330 Bei einer Verpflichtung für Unternehmen, die zu einem wirksamen Wettbe‑ werb und mithin zu einer Beseitigung der beherrschenden Marktmacht der Unternehmen führen soll, kann eine beträchtliche Marktauswirkung aber an‑ genommen werden.331 Zu beteiligen sind nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL interessierte Kreise. Die Richtlinie und auch die Einzelrichtlinien und die Marktanalyse‑ leitlinien geben keine Definition vor. EWG Nr. 15 KommunikationsrahmenRL spricht lediglich davon, dass die interessierten Parteien angehört werden sollen. Die begriffliche Unterscheidung zwischen Kreisen und Parteien hat allerdings keine Relevanz, da in der englischen und französischen Sprachfas‑ sung einheitlich von interested parties bzw. parties intéressées gesprochen wird. Der Erwägungsgrund stellt heraus, dass alle interessierten Parteien ein‑ bezogen werden müssen, was einen breiten Adressatenkreis impliziert.332 Allerdings lassen sich nach der Systematik der Richtlinie einige Adressaten vom Anwendungsbereich des Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ausschlie‑ Hauptanwendungsfall des Konsultationsverfahrens, Hermeier, Der Europäische Re‑ gulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 87. EWG Nr. 15 Kommunikationsrahmen-RL hält aber ausdrücklich fest, dass nur bei einem Verweis auf Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL dieser auch angewendet wird. In Ansätzen so auch Kurth, MMR 2009, 818 (821). Zu wenig differenziert hingegen Kühling, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 4 Rn. 115, welcher sämtliche Maßnahmen, die unter die Voraussetzungen von Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL fallen, umfassen möchte. 328  Damjanovic/Holoubek/Kassai/Lehofer/Urbantschitsch, Handbuch des Tele‑ kommunikationsrechts, S. 27; vgl. auch Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. C 165 vom 11.7.2002, S. 6 (Rn. 22); Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, 139 (146). 329  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 88. 330  Scherer, K&R 2002, 273 (279). 331  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 90, der ebenfalls die Folgen der Marktdefinition und der Marktanalyse als beträchtliche Auswirkungen ansieht. 332  Gurlit, in: Säcker, TKG, § 12 Rn. 9 Fn. 13.



IV. Wirtschaftsrecht107

ßen. Zum einen enthält die Richtlinie mit dem Konsolidierungsverfahren in Art. 7 Abs. 3–5 Kommunikationsrahmen-RL ein eigenständiges Beteiligungs‑ verfahren zu geplanten Verpflichtungen für die Kommission, das GEREK333 und die anderen nationalen Regulierungsbehörden. Zum anderen sieht Art. 3 Abs. 4 S. 2 Kommunikationsrahmen-RL vor, dass Konsultationen der und Zusammenarbeit mit den Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörden möglich sind. Daher sind in diesen beiden Bereichen bereits besondere Be‑ teiligungsverfahren vorgesehen, so dass von dem Begriff der interessierten Kreise die in Art. 7 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 4  S. 2 KommunikationsrahmenRL aufgeführten Adressaten nicht umfasst sind. Nach Ausschluss dieser Ad‑ ressaten zielt die Kommunikationsrahmen-RL hauptsächlich auf Träger von privaten Interessen, insbesondere auf Marktteilnehmer und Interessenvertre‑ ter, ab.334 Weiter offen bleibt, welches Interesse die Adressaten vorbringen müssen. Nicht erforderlich ist, dass ein rechtlich geschütztes Interesse beeinträchtigt sein muss.335 Dies würde dem grundsätzlich weit angelegten Verständnis bei der Anhörung aus EWG Nr. 15 Kommunikationsrahmen-RL widersprechen. Eine solche weite Auslegung lässt sich auch aus dem Verhältnis zu Art. 16 Abs. 3 S. 2 Kommunikationsrahmen-RL begründen. Nach dieser Bestim‑ mung ist betroffenen Parteien die Aufhebung einer Verpflichtung anzukündi‑ gen. Unter die betroffenen Parteien fallen alle Unternehmen, die der aufzuhe‑ benden Verpflichtung unterliegen, sowie deren Wettbewerber. In Abgrenzung zu den interessierten Kreisen muss bei den betroffenen Parteien aber ein Mehr vorliegen, was allerdings schon bei faktischer und nicht erst rechtlicher Betroffenheit einschlägig ist.336 Fallen bereits faktisch betroffene Parteien unter Art. 16 Abs. 3 S. 2 Kommunikationsrahmen-RL, spricht dies erst recht für eine weite Auslegung des Begriffs der interessierten Kreise nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL. Der Adressatenkreis der interessierten Kreise ist somit weiter als der der betroffenen Parteien und verlangt keine Rechtsbe‑ troffenheit.337 Zudem kann ein Vergleich zum System im Kartellrecht gezo‑ 333  Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK), EWG Nr. 6 GEREK-VO. 334  Zum Vorangehenden Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EGRechtsrahmen für Telekommunikation, S. 92. 335  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 93; Schumacher, Das EU-Richtlinienpaket zur Neuordnung der Telekommunikationsmärkte und seine Umsetzung im TKG 2004, S. 159; Franzius, EuR 2002, 660 (683); Ladeur, K&R 2002, 110 (113). 336  Zum Vorangehenden Hombergs, Europäisches Verwaltungskooperationsrecht auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation, S. 173 f. 337  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 94; Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, 139 (140), die eine Gleichsetzung der interessierten Parteien mit den Beteiligten nach § 134 TKG

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B. Bestandsaufnahme

gen werden. In diesem Bereich, der anwendbar ist, wenn schon kein relevan‑ ter Markt definiert werden kann und daher vergleichbar mit dem Telekom‑ munikationsbereich ist, wird eine Unterscheidung zwischen Beteiligten, die ein berechtigtes und damit in der Regel ein rechtliches Interesses haben, und anderen Personen mit einem ausreichenden Interesse vorgenommen.338 In Anlehnung daran müssen auch die interessierten Kreise nach Art. 6 Kommu‑ nikationsrahmen-RL ein weites Interesse geltend machen können, welches über die Rechtsbetroffenheit hinausgeht.339 Um dem aufgezeigten weiten An‑ wendungsbereich von Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL zu entsprechen, müssen auch mittelbar durch die Verpflichtung berührte Adressaten als inter‑ essierte Kreise angesehen werden. Nur so lassen sich auch Verbraucher‑ schutzverbände erfassen, welche wichtige Interessen der Verbraucher vor‑ bringen, die auf Dienste und Leistungen des Marktes angewiesen sind.340 Wird eine Konsultation durchgeführt, gibt Art. 6 KommunikationsrahmenRL vor, dass die Regulierungsbehörden ihre nationalen Konsultationen veröf‑ fentlichen müssen. Zudem müssen die Mitgliedstaaten eine einheitliche In‑ formationsstelle, bei der eine Liste aller laufenden Konsultationen ausliegt, einrichten. Die Kommunikationsrahmen-RL schweigt allerdings dazu, wie der Entwurf zu veröffentlichen ist. Eine allgemeine Veröffentlichung auf ei‑ ner Website oder im Amtsblatt ist nicht vorgesehen, so dass ausreichend ist, wenn der Entwurf auf Antrag herausgegeben wird.341 Weitere Verfahrensanforderungen lassen sich den Marktanalyseleitlinien der Kommission342 entnehmen. Zunächst sollte der Entwurf die zugrunde gelegte Marktdefinition aufführen und begründen, Beweise für die Existenz beträchtlicher Marktmacht vortragen und die Unternehmen mit einer sol‑ chen Marktmacht nennen sowie umfassende Einzelheiten zu den bereichs‑ ablehnen; a. A. Kirchner/Käseberg, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 12 Rn. 10, die den Begriff der interessierten Parteien mit dem Begriff der Beteiligten nach § 134 TKG gleichsetzen. Differenzierter Gurlit, in: Säcker, TKG, § 12 Rn. 9 ff. 338  Siehe Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 773/2004 (ABl. L 123 vom 27.04.2004, S. 18). 339  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 94; Schumacher, Das EU-Richtlinienpaket zur Neuordnung der Telekommunikationsmärkte und seine Umsetzung im TKG 2004, S. 159. Zum Vergleich mit dem Kartellrecht Scherer, K&R 2002, 273 (279). 340  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 94. 341  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 95. 342  Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikati‑ onsnetze und -dienste, ABl. C 165 vom 11.7.2002, S. 6 (Rn. 144 f.).



IV. Wirtschaftsrecht109

spezifischen Verpflichtungen und eine Bewertung der Verhältnismäßigkeit darlegen.343 Für die Konsultation soll nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL eine an‑ gemessene Frist bestehen. Die Kommission hält eine Frist von zwei Monaten für angemessen, damit die Entscheidung der Regulierungsbehörde nicht übermäßig verzögert wird und dadurch die Entwicklung des Marktes behin‑ dert werden könnte.344 Von dieser Frist kann nach Ansicht der Kommission aber in begründeten Fällen abgewichen und damit eine Verlängerung ermög‑ licht werden. Auch eine Verkürzung der Frist ist denkbar, wenn bereits eine frühere Konsultation durchgeführt wurde.345 Inwieweit die Ergebnisse der Konsultation bei dem Erlass der Maßnahme zu berücksichtigen sind, wird weder durch Art. 6 KommunikationsrahmenRL noch durch die Marktanalyseleitlinien vorgegeben. In Art. 6 Kommunika‑ tionsrahmen-RL werden die nationalen Regulierungsbehörden lediglich ver‑ pflichtet, die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Allerdings stellt EWG Nr. 15 Kommunikationsrahmen-RL als wichtig heraus, „dass die nationalen Regulierungsbehörden alle interessierten Parteien zu vorgeschla‑ genen Beschlüssen konsultieren und ihre Stellungnahmen berücksichtigen, ehe sie einen endgültigen Beschluss fassen.“ Somit entspricht es dem Sinn und Zweck der Konsultation, bei Verpflichtungen, über die die Regulierungs‑ behörde beschließt, die Konsultationsergebnisse zu berücksichtigen.346 Eine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht in Art. 6 KommunikationsrahmenRL wäre aber – insbesondere vor dem Hintergrund des Erwägungsgrundes – sinnvoll.347 Dem Konsultationsverfahren nachgeschaltet ist das Konsolidierungsver‑ fahren nach Art. 7 Abs. 3–5 Kommunikationsrahmen-RL.348 Dabei handelt es sich um ein Verfahren, welches zwischen der Kommission, dem GEREK und den nationalen Regulierungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten abgehal‑ ten wird und darauf abzielt, Stellungnahmen dieser Akteure zu den geplanten 343  Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunika­ tionsnetze und -dienste, ABl. C 165 vom 11.7.2002, S. 6 (Rn. 144). 344  Zum verfahrensbedingten Verzögerungspotenzial durch die Konsultation Huppertz, Die SMP-Konzeption, S. 374 ff. 345  Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikati‑ onsnetze und -dienste, ABl. C 165 vom 11.7.2002, S. 6 (Rn. 145). 346  Vgl. auch Franzius, EuR 2002, 660 (683 Fn. 152). 347  So auch Nikolinakos, E.C.L.R. 99 (2001), 93 (99). 348  Siehe Art. 7 Abs. 3 Kommunikationsrahmen-RL.

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B. Bestandsaufnahme

Maßnahmen einzuholen. Ein spezifisches Verfahren für den Erlass von marktregulatorischen Verpflichtungen sieht Art. 7a KommunikationsrahmenRL vor, welches anstelle des Vetoverfahrens nach Art. 7 Abs. 4, 5 Kommuni‑ kationsrahmen-RL durchgeführt wird.349 Bei dem Konsolidierungsverfahren gibt das GEREK ebenfalls eine Stel‑ lungnahme ab.350 Bevor diese verabschiedet wird, konsultiert das GEREK gemäß Art. 17 GEREK-VO gegebenenfalls die interessierten Kreise und gibt ihnen Gelegenheit, innerhalb einer angemessenen Frist Bemerkungen vorzu‑ bringen. Die Konsultationsergebnisse werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch die GEREK-VO enthält keine Definition der interessierten Kreise. Allerdings stellt Art. 18 GEREK-VO die interessierten Kreise neben die Öffentlichkeit, so dass zumindest eine Einengung hinsichtlich des Adres‑ satenkreises vorzunehmen ist und nicht jede beliebige (natürliche oder juris‑ tische) Person konsultiert wird, sondern nur solche, die ein Interesse aufwei‑ sen. Für das Interesse dürfte aber keine andere Auslegung als bei der Kom‑ munikationsrahmen-RL sinnvoll sein. Der Regulierungsrat hat für das Kon‑ sultationsverfahren eine Entscheidung erlassen, welche die Vorhaben des Art. 17 GEREK-VO spezifiziert.351 Die Entscheidung spricht dabei von stakeholders, gibt aber keine weitere Ausgestaltung des Adressatenkreises vor. Allerdings macht die Entscheidung Angaben darüber, wann eine schriftliche Stellungnahme und / oder eine mündliche Anhörung erforderlich sind und be‑ stimmt für die Konsultation eine Maximalfrist von 20 Arbeitstagen. Auch legt die Entscheidung fest, dass das GEREK eine Zusammenfassung veröf‑ fentlichen muss, wie die Beteiligung in der finalen Stellungnahme berück‑ sichtigt wurde, ohne dabei jedoch auf eine Berücksichtigungspflicht abzu‑ stellen. Bei diesen marktmachtabhängigen Verpflichtungen nach Art. 16 Kommu‑ nikationsrahmen-RL i. V. m. Art. 8 ZugangsRL bzw. Art. 17 UniversaldienstRL besteht somit die Möglichkeit, die interessierten Kreise zwei Mal zu 349  Siehe Kühling, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 4 Rn. 69. 350  Das GEREK gibt zum einen Stellungnahmen für die Verpflichtungen nach Art. 9–13 ZugangsRL ab, nimmt zum anderen aber auch zu Sondermaßnahmen, d. h. bei Verpflichtungen, die nicht unter Art. 9–13 ZugangsRL fallen, Stellung. Siehe Art. 8 Abs. 3 ZugangsRL, Art. 3 Abs. 1 lit. a), lit. h) GEREK-VO. 351  BEREC Procedures for public consultation held by BEREC, BoR (10) 27 final (abrufbar unter http://berec.europa.eu/eng/news_consultations/ (Stand: 19.10.2017)). Diese Entscheidung konkretisiert die Art. 16 der Rules of Procedure of the Board of Regulators, BoR (14) 67 (abrufbar unter http://berec.europa.eu/eng/document_regis ter/subject_matter/berec/rules_of_procedure/4462-rules-of-procedure-of-the-board-ofregulators (Stand: 19.10.2017)), welcher bereits Vorgaben für die Konsultation vor‑ gibt.



IV. Wirtschaftsrecht111

konsultieren, wobei aber nur das Verfahren nach Art. 6 Kommunikationsrah‑ men-RL zwingend und die Einholung von Bemerkungen durch das GEREK lediglich fakultativ ist. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, marktmachtunabhängige Ver‑ pflichtungen zu erlassen. Im Gegensatz zu marktmachtabhängigen Verpflich‑ tungen besteht keine beträchtliche Marktmacht, sondern es wird auf das In‑ nehaben eines natürlichen Monopols abgestellt.352 Eine solche marktmach‑ tunabhängige Verpflichtung sieht Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 ZugangsRL vor. Da‑ nach werden kleine Anschluss- bzw. Teilnehmernetzbetreiber, die den Zugang zu ihren Endnutzern kontrollieren, zur Zusammenschaltung von Netzen und Gewährleistung der Interoperabilität ihrer Dienste sowie zur Zugangsgewäh‑ rung zu gewissen Einrichtungen verpflichtet. Bevor eine solche Verpflich‑ tung erlassen werden kann, müssen ebenfalls die Verfahren nach Art. 6, 7, 7a Kommunikationsrahmen-RL angewendet werden (Art. 5 Abs. 2 ZugangsRL). Eine weitere marktmachtunabhängige Verpflichtung ist in Art. 12 Kommu‑ nikationsrahmen-RL statuiert. Dabei geht es um Maßnahmen in Bezug auf schwer duplizierbare Infrastrukturen und Netzelemente, z. B. Kabelschächte oder Verteilerkästen (siehe Art. 12 Abs. 1 Kommunikationsrahmen-RL).353 Es geht also um die gemeinsame Nutzung von Telekommunikationsanlagen durch verschiedene Unternehmen.354 Nach Art. 12 Abs. 2 Kommunikations‑ rahmen-RL können die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Nutzung von Ein‑ richtungen oder Grundstücken oder Maßnahmen für eine Koordinierung öf‑ fentlicher Bauarbeiten vorschreiben. Vor dem Erlass einer solchen Verpflich‑ tung muss eine öffentliche Konsultation von angemessener Dauer durchge‑ führt worden sein, bei der alle interessierten Kreise Gelegenheit zur Meinungsäußerung erhalten müssen. Die Mitgliedstaaten stellen nach Art. 12 Abs. 3 Kommunikationsrahmen-RL sicher, dass nationale Behörden den Ei‑ gentümer bzw. Inhaber nach einer identisch ausgestalteten öffentlichen Kon‑ sultation zu einer gemeinsamen Nutzung von Verkabelungen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilungspunkt verpflichten. Offen lässt Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL das Verhältnis zu Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL. Letzterer ist nur anwendbar, wenn ausdrücklich eine Verweisung auf diesen vorgenommen wird. Dies wird in EWG Nr. 15 Kommunikationsrahmen-RL explizit festgehalten. Die Anwendbarkeit von Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL neben Art. 12 KommunikationsrahmenRL ist somit ausgeschlossen. Allerdings sind die Konsultationsverfahren in Art. 12 Abs. 2, 3 Kommunikationsrahmen-RL sehr ähnlich zum Verfahren 352  Kühling,

in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 4 Rn. 51. in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 4 Rn. 51. 354  Stelkens, TKG-Wegerecht, Europarechtliche Vorgaben Rn. 33. 353  Kühling,

112

B. Bestandsaufnahme

nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ausgestaltet. In beiden Verfahren sind die interessierten Kreise zu beteiligen, so dass sich hinsichtlich des Ad‑ ressatenkreises grundsätzlich kein Unterschied ergibt. Allerdings wird beim Erlass der Verpflichtungen nach Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL kein Konsolidierungsverfahren durchgeführt, so dass der Ausschluss der Kommis‑ sion und des GEREK von den interessierten Kreisen nicht einschlägig sein kann. Nationale Regulierungsbehörden und Wettbewerbs- und Verbraucher‑ schutzbehörden erhalten aber weiterhin nach Art. 3 Abs. 4 S. 2 Kommunika‑ tionsrahmen-RL die Möglichkeit, eigenständige, von Art. 12 Kommunikati‑ onsrahmen-RL gesonderte Konsultationen abzuhalten. Hinsichtlich des gel‑ tend gemachten Interesses besteht keine Divergenz zu Art. 6 Kommunikati‑ onsrahmen-RL. Abweichend spricht Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL nicht von Stellungnahmen, sondern von Meinungsäußerungen und gibt für die Konsultation eine angemessene Dauer statt einer angemessenen Frist vor. Dennoch sind die Elemente der Konsultation miteinander vergleichbar, wes‑ wegen das Konsultationsverfahren aus Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL nicht von dem aus Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL abweichen dürfte.355 Letztlich stellt sich aber die Frage, warum der europäische Gesetzgeber in Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL keinen Verweis auf Art. 6 Kommunika‑ tionsrahmen-RL vorgenommen hat, wenn die Verfahren nur leicht voneinan‑ der abweichen. Die abweichenden Normadressaten – Mitgliedstaaten bei Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL und nationale Regulierungsbehörden bei Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL – dürften keine hinreichende Begründung sein, da auch bei anderen Maßnahmen nach der GenehmigungsRL der Mit‑ gliedstaat als Normadressat herausgestellt und dennoch auf Art. 6 Kommuni‑ kationsrahmen‑RL verwiesen wird.356 Allerdings wird bei Art. 6 Kommuni‑ kationsrahmen-RL auf Maßnahmen abgestellt, die beträchtliche Auswirkun‑ gen auf den Markt haben werden. Die gemeinsame Nutzung von Telekom‑ munikationsanlagen nach Art.  12 Kommunikationsrahmen-RL hat zwar Auswirkungen für die jeweiligen Unternehmen und damit (indirekt) auch auf den Markt, von einer beträchtlichen Auswirkung auf den Markt kann aber nicht die Rede sein. Durch Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL ist eine rein organisatorische Regelung getroffen worden. Eine Verweisung auf Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL wäre also nicht zielführend gewesen, so dass gesonderte Konsultationsvorschriften nötig waren. Daher finden sich in der Kommunikationsrahmen-RL zwar zwei geson‑ derte Beteiligungsverfahren bei dem Erlass von marktregulatorischen Ver‑ pflichtungen, diese decken sich aber hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen. 355  Stelkens, 356  Art. 7

TKG-Wegerecht, Europarechtliche Vorgaben Rn. 46. Abs. 1 lit. b) Kommunikationsrahmen-RL. Näher dazu sogleich.



IV. Wirtschaftsrecht113

b) Nutzungsrechte und deren Beschränkungen Die Konsultationsverfahren nach Art. 6 und 7 Kommunikationsrahmen-RL finden durch Verweisung auch bei der GenehmigungsRL Anwendung, und zwar bei der Einräumung von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen und Nummern nach Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 GenehmigungsRL sowie bei deren Be‑ schränkung nach Art. 7 Abs. 1 lit. b GenehmigungsRL. Die GenehmigungsRL schafft ein System, in dem Individualgenehmigungen nicht mehr notwendig sind, sondern stattdessen für die Unternehmen eine Allgemeingenehmigung erteilt werden kann.357 Während der Verweis auf Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL bei Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 GenehmigungsRL eindeutig ist, scheint der Verweis bei Art. 7 GenehmigungsRL einschränkend zu sein. Abgestellt wird bei Art. 7 Abs. 1 lit. b GenehmigungsRL auf Beteiligte und nicht auf interessierte Kreise. Allerdings stellt dies eine rein begriffliche Unterscheidung dar, die keine inhaltliche Änderung des Adressatenkreises im Verhältnis zu Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL begründet. In der englischen und französischen Fassung von Art. 7 Abs. 1 lit. b) GenehmigungsRL wird von interested parties bzw. les parties intéressées gesprochen. Diese Terminologien decken sich also mit dem Adressatenkreis aus Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL. Bei Art. 7 Abs. 1 lit. b) GenehmigungsRL werden allerdings ausdrücklich Nutzer und Verbraucher einbezogen. Wer unter die Nutzer und Verbraucher fällt, wird von den Legaldefinitionen des Art. 2 lit. h), i) Kommunikations‑ rahmen-RL i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GenehmigungsRL vorgegeben. Danach sind natürliche und juristische Personen, die öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste entweder zu gewerblichen, beruflichen oder zu rein privaten Zwecken in Anspruch nehmen, erfasst. Warum diese Adressaten aber ausdrücklich in die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 lit. b) Genehmi‑ gungsRL aufgenommen wurden, bleibt zunächst unklar, zumal das nachzu‑ weisende Interesse nach Art. 6 Kommunikationsrahmen‑RL weit zu verste‑ hen ist und auch mittelbare Interessen ausreichend sind. Anzunehmen ist daher, dass durch die Aufnahme der Nutzer und Verbraucher in den Adressa‑ tenkreis gewährleistet werden soll, dass diese Adressaten auch bei fehlendem Interesse beteiligt werden.

357  Siehe Damjanovic/Holoubek/Kassai/Lehofer/Urbantschitsch, Handbuch des Telekommunikationsrechts, S. 28; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 14 Rn. 5; Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, 139 (142).

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B. Bestandsaufnahme

c) Änderungen von Rechten und Pflichten Eine dritte Kategorie im Telekommunikationsrecht ist die Änderung von Rechten und Pflichten nach der GenehmigungsRL. Art. 14 Abs. 1  S. 1 Ge‑ nehmigungsRL sieht vor, dass Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Rechte, Bedingungen und Verfahren im Zusammenhang mit Allgemeingenehmigun‑ gen und Nutzungsrechten oder Rechten zur Installation von Einrichtungen nur in objektiv gerechtfertigten Fällen und unter Wahrung der Verhältnismä‑ ßigkeit geändert werden können. Eine solche Änderungsabsicht wird gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GenehmigungsRL in geeigneter Weise angekündigt und den interessierten Kreisen, einschließlich Nutzern und Verbrauchern, eine ausreichende Frist eingeräumt, um ihre Standpunkte zu den geplanten Ände‑ rungen darzulegen. Ausgenommen ist diese Ankündigung und Konsultation nach der Norm bei geringfügigen Änderungen, die mit dem Inhaber verein‑ bart wurden. Wie Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL spricht auch Art. 14 Genehmi‑ gungsRL von interessierten Kreisen, ohne allerdings auf Art. 6 Kommunika‑ tionsrahmen-RL zu verweisen. Die Auslegung der interessierten Kreise ist – wie auch bei Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL – weit vorzunehmen. Nach EWG Nr. 33 GenehmigungsRL müssen alle interessierten Parteien ihre Standpunkte darlegen können. Wie bei der Kommunikationsrahmen-RL ist eine Unterscheidung von Kreisen und Parteien nicht von Relevanz, da die englischen und französischen Sprachfassungen einheitlich auf interested parties bzw. parties intéressées abstellen. Daher ist der Adressatenkreis weit angelegt und soll für eine umfassende Konsultation alle interessierten Kreise einbeziehen. Darunter sind wie bei der Kommunikationsrahmen-RL zumin‑ dest alle Träger von privaten Interessen zu fassen. Auch auf Art. 14 Geneh‑ migungsRL dürfte Art. 3 Abs. 4 S. 2 Kommunikationsrahmen-RL anwendbar sein, so dass für die nationalen Regulierungsbehörden und die Wettbewerbsund Verbraucherschutzbehörden weiterhin eine über den Art. 14 Genehmi‑ gungsRL hinaus bestehende Koordination geregelt ist. Wie Art. 6 Kommuni‑ kationsrahmen-RL zielt der Art. 14 GenehmigungsRL somit vorrangig auf private Interessen ab, so dass sich die Adressatenkreise decken und auch bezüglich des nachzuweisenden Interesses keine Abweichungen bestehen dürften. Allerdings hebt Art. 14 GenehmigungsRL – wie Art. 7 Abs. 1 lit. b) GenehmigungsRL – die Nutzer und Verbraucher hervor und sieht sie als aus‑ drücklich von der Norm umfasst an. Wie bei Art. 7 Abs. 1 lit. b) Genehmi‑ gungsRL dürfte dadurch gewährleistet werden, dass die Nutzer und Verbrau‑ cher sich auch bei fehlendem Interesse beteiligen können. Die Frist für die Konsultation wird in der Richtlinie konkretisiert und be‑ trägt, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, mindestens vier Wo‑ chen.



IV. Wirtschaftsrecht115

Durch Art. 14 GenehmigungsRL wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Kommunikationsnetze und -dienste seit Einführung der Richtlinie 2002 keiner Individualgenehmigung mehr bedürfen, sondern eine Allgemeinge‑ nehmigung ausreichend ist. Damit ist eine nachträgliche Kontrollbefugnis notwendig geworden, welche sich in Art. 14 GenehmigungsRL findet.358 Die dabei abgehaltene Konsultation ermöglicht diese Kontrolle in effektiver Weise, indem Standpunkte einbezogen und dadurch weitere Informationen für die Kontrollausübung geliefert werden. d) Zwischenergebnis: Interessierte Kreise im Fokus des Telekommunikationsrechts Durch die umfassenden Konsultationsprozesse im Telekommunikations‑ recht wurden wichtige Impulse für transparente und partizipationsoffene Ent‑ scheidungsverfahren gegeben.359 Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ist die zentrale Vorschrift für die Betei‑ ligung von Dritten. Dies wird daraus ersichtlich, dass die Bestimmung in der Kommunikationsrahmen-RL verortet und damit in den allgemeinen Teil „vor die Klammer“ gezogen wurde. Sie gilt für sämtliche Maßnahmen, die in den Einzelrichtlinien reguliert sind. Allerdings muss ein ausdrücklicher Verweis für die Anwendbarkeit vorliegen (siehe EWG Nr. 15 Kommunikationsrah‑ men-RL). Der weite Adressatenkreis der Konsultation ermöglicht den natio‑ nalen Regulierungsbehörden, eine Vielzahl von Stellungnahmen zu berück‑ sichtigen, um die Maßnahme und deren Eignung und Angemessenheit ab‑ schließend korrekt zu bewerten.360 Die zusätzliche Möglichkeit für das GE‑ REK, nochmals interessierte Kreise einzubeziehen, steht zwar nur im Ermessen, bietet aber zu der obligatorischen Beteiligung aus Art. 6 Kommu‑ nikationsrahmen-RL eine weitere Chance, die Maßnahmen umfassend zu prüfen. Die sonstigen Beteiligungen im Telekommunikationsrecht, namentlich Art. 12 Abs. 2, 3 Kommunikationsrahmen-RL und Art. 14 GenehmigungsRL, sind sehr ähnlich zu Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ausgestaltet und er‑ möglichen somit im Bereich von Maßnahmen, die keine beträchtliche Aus‑ wirkung auf den Markt haben, eine Einbeziehung von Dritten und damit eine ebensolche Wissenseinholung und Transparenz der Entscheidung.

358  Husch/Kemmler/Ohlenburg,

MMR 2003, 139 (142). in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 24 Rn. 65. 360  Siehe Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S. 97. 359  Kühling,

116

B. Bestandsaufnahme

3. Fusionskontrolle Die Fusionskontroll-VO in ihrer aktuellen Fassung aus dem Jahr 2004 ist auf einen wirksamen Wettbewerb ausgerichtet.361 Dabei statuiert die Verord‑ nung das Prinzip der präventiven Fusionskontrolle mit grundsätzlichem Voll‑ zugsverbot. Nach diesem Prinzip müssen Zusammenschlüsse von gemein‑ schaftsweiter Bedeutung grundsätzlich vor der Realisierung von den Unter‑ nehmen angemeldet und von der Kommission geprüft und freigeben werden (siehe Art.  4 ff. Fusionskontroll-VO).362 Die Fusionskontrolle umfasst dabei verschiedene Phasen. Zunächst wird ein informelles Vorverfahren durchgeführt,363 sog. Pränotifikationsverfahren364 bzw. pre-notification contacts365. Dabei handelt es sich um ein Verfahren mit informellen Kontakten vor dem förmlichen, in der Verordnung festgelegten Verfahren.366 Art. 6 Fu‑ sionskontroll-VO umschreibt die erste (förmliche) Phase der Fusionskont‑ rolle, das sog. Vorverfahren. In dieser Phase prüft die Kommission zunächst, ob sie zuständig ist und ob ernsthafte Bedenken gegen den Zusammenschluss bestehen.367 Nur wenn die Kommission ernsthafte Bedenken gegen den Zu‑ sammenschluss hat, wird die zweite Phase, das Hauptverfahren, eingeleitet (siehe Art. 6 Abs. 1 lit. c) Fusionskontroll-VO). Im Hauptverfahren unter‑ sucht die Kommission den geplanten Zusammenschluss vertieft und einge‑ hend und trifft eine Entscheidung nach Art. 8 Fusionskontroll-VO.368 Der Zusammenschluss wird danach von der Kommission entweder genehmigt (Vereinbarkeitsentscheidung), gegebenenfalls verbunden mit Bedingungen und Auflagen, oder die Kommission untersagt den Zusammenschluss, da eine Vereinbarkeit mit dem Wettbewerb nicht gewährleistet werden kann (Unvereinbarkeitsentscheidung).369 Bei jedem dieser drei Verfahrensschritte können Dritte beteiligt werden. 361  Siehe

EWG Nr. 5 und 6 Fusionskontroll-VO. in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 2, Art. 1 FKVO Rn. 6; siehe auch Hacker, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbe‑ werbsrecht, Einl. VO Nr. 139/2004 Rn. 5 ff. 363  Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 141. 364  Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 6 FKVO Rn. 2. 365  Rosenthal/Thomas, European Merger Control, S. 287. 366  Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 6 FKVO Rn. 2; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 141. 367  König, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 6 VO Nr. 139/2004 Rn. 1. 368  König, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 8 VO Nr. 139/2004 Rn. 1; Fuchs, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europa‑ recht, Bd. 4, § 11 Rn. 27 ff. 369  Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 6 FKVO Rn. 19. 362  Hahn,



IV. Wirtschaftsrecht117

Für das Hauptverfahren statuiert die Fusionskontroll-VO in Art. 18 einen eigenständigen Artikel für die Anhörung Beteiligter und Dritter. Neben den direkten Adressaten und betroffenen Parteien der Zusammenschlussentschei‑ dung nach Art. 18 Abs. 1–3 Fusionskontroll-VO370 ermöglicht Abs. 4 Dritten, sich an dem Verfahren zu beteiligen.371 Konkretisiert wird die Anhörung durch Art. 11–16 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004372. Nach Art. 18 Abs. 4 S. 1 Fusionskontroll-VO können die Kommission oder die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auch andere natürliche oder juristische Personen anhören, wenn sie es für erforderlich halten. S. 2 sieht vor, dass, wenn natürliche oder juristische Personen, die ein hinreichen‑ des Interesse darlegen, und insbesondere Mitglieder der Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen oder rechtlich anerkannte Vertreter der Arbeitneh‑ mer dieser Unternehmen einen Antrag auf Anhörung stellen, diesem Antrag stattgegeben wird. Der Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO unterscheidet da‑ mit zwei verschiedene Gruppen von Dritten: Nach S. 1 sind Dritte, die kein hinreichendes Interesse vorweisen, nur fakultativ anzuhören, während Dritte mit einem hinreichenden Interesse gemäß S. 2 obligatorisch beteiligt werden. Aufgrund des fehlenden hinreichenden Interesses bei Dritten aus S. 1 sollen diesen gerade nicht die gleichen Rechte zustehen und die Beteiligung ist le‑ diglich ins Ermessen der Kommission gestellt.373 Unter die Dritten aus S. 1 fallen beispielsweise Wirtschaftsverbände, die zur Klärung des Sachverhaltes beitragen können, allerdings vom Verfahrensausgang nicht unmittelbar be‑ troffen sind.374 Diese fakultative Beteiligung soll der Kommission insbeson‑ dere zur Einholung von Informationen dienen.375 370  Legaldefinitionen für diese Adressatenkreise finden sich in Art. 11 lit. a), b), d) Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802/2004. 371  Die von Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO erfassten Adressaten werden zwar im Normtext nicht als Dritte bezeichnet, aus der Überschrift von Art. 18 Fusionskon‑ troll-VO und der Legaldefinition in Art. 11 lit. c) Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802/2004 ergibt sich eine solche Benennung aber. 372  Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durch‑ führung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unter‑ nehmenszusammenschlüssen, ABl. L 133 vom 30.04.2004, S. 1, zul. geänd. durch Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013 der Kommission vom 5.  Dezember 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 zur Durchführung der Verord‑ nung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammen‑ schlüssen, ABl. L 336 vom 14.12.2013, S. 1. 373  Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 41. 374  Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 2, 5. 375  Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 41.

118

B. Bestandsaufnahme

Für Dritte nach Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO gibt Art. 11 lit. c) Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004 eine Legaldefinition vor. Dritte sind danach natürliche oder juristische Personen einschließlich Kun‑ den, Lieferanten und Wettbewerber, sofern diese ein hinreichendes Interesse im Sinne von Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO darlegen können. Ein solches hinreichendes Interesse liegt bereits vor, wenn wirtschaftliche Inter‑ essen der Dritten durch den Zusammenschluss beeinträchtigt werden kön‑ nen.376 Das hinreichende Interesse muss dabei weit ausgelegt werden und ist nur bei mittelbaren und sehr geringfügigen Beeinträchtigungen abzuleh‑ nen.377 Ob ein hinreichendes Interesse vorliegt, wird vom Anhörungsbeauf‑ tragten geprüft. Die Kommission hat bereits 1982 den Anhörungsbeauftrag‑ ten als unabhängigen Schiedsmann geschaffen.378 Er soll die Objektivität, Transparenz und Effizienz der Anhörungsverfahren fördern.379 Das Mandat für diesen Anhörungsbeauftragen und dessen Funktion und Aufgaben wurde in einem Beschluss geregelt.380 Neben den Personen, die ein hinreichendes Interesse geltend machen müssen, stellt Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO auf Mitglieder der Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen und rechtlich anerkannte Ver‑ treter der Arbeitnehmer dieser Unternehmen ab. Art. 11 lit. c) Durchfüh‑ rungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004 schließt zusätzlich noch Verbraucher‑ verbände ein, wenn das Zusammenschlussvorhaben von Endverbrauchern genutzte Waren oder Dienstleistungen betrifft. Die beiden Vorschriften gren‑ zen diese aufgezählten Gruppen von den Dritten mit einem hinreichenden Interesse ab und stellen sie letzteren gegenüber. Ein Nachweis für das hin‑ 376  Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 173; Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2125; vgl. auch AblasserNeuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kar‑ tellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 37; Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäi‑ sches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 4; ähnlich auch Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 7, der von einer unmittelbaren und individuellen Beschwer ausgeht, diese aber schon bei rechtlichen oder wirtschaft‑ lichen Nachteilen bejaht. 377  Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 Teil  2, FKVO, Art. 18 Rn. 58; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontroll‑ verfahren, S. 173. Die Streitfrage, ob der Kommission bei Vorliegen eines hinreichen‑ den Interesses ein Auswahlermessen bzgl. der Personen zukommt, welche angehört werden, ist aufgrund des Wortlautes von Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO zu verneinen, Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfah‑ ren, S. 179 f. mit weiteren Ausführungen. 378  EWG Nr. 4 und 8 Beschluss über Anhörungsbeauftragten (siehe B.IV.3. Fn. 380). 379  EWG Nr. 3 Beschluss über Anhörungsbeauftragten (siehe B.IV.3. Fn. 380). 380  Beschluss des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13.10.2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfah‑ ren, ABl. L 275 vom 20.10.2011, S. 29.



IV. Wirtschaftsrecht119

reichende Interesse muss nicht erbracht werden.381 Daraus ergibt sich, dass bei den aufgezählten Gruppen das hinreichende Interesse unwiderleglich vermutet wird.382 Von den Leitungsorganen umfasst sind all diejenigen Po‑ sitionen, von welchen strategische Entscheidungen getroffen werden. Dies wird bei Vorständen und Geschäftsführern, nicht jedoch bei Aktionären re‑ gelmäßig der Fall sein.383 Bei den Arbeitnehmervertretern kann zwar der Betriebsrat ein hinreichendes Interesse unwiderleglich geltend machen, Ge‑ werkschaften kommt dieses Privileg allerdings nicht zu.384 Mit der Auf‑ nahme der Verbraucherverbände in Art. 11 lit. c) Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004 bezweckt die Kommission eine intensivere Einbezie‑ hung der Verbraucher, vertreten durch die Verbraucherverbände, in die Fu‑ sionskontrolle.385 Die Verbraucherverbände sollen zu einer aktiven Mitwir‑ kung angehalten werden.386 Ausreichend ist bereits, wenn sich der Zusam‑ menschluss nur mittelbar auswirkt und Nebenwirkungen für den Verbrau‑ cher hervorruft.387 Das Verfahren für die Beteiligung von Dritten ist näher in Art. 16 Durch‑ führungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004 geregelt. Für die Anhörung von Dritten müssen diese zunächst einen Antrag stellen und darin das hinrei‑ chende Interesse darlegen (siehe Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO, Art. 5 Abs. 1 Anhörungsbeauftragtenbeschluss). Dieser Antrag muss schrift‑ 381  Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 175. 382  Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 38; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 175 m. w. N., welcher diese Personen‑ gruppe als „privilegiert Anhörungsberechtigte“ bezeichnet. Dittert, in: Schröter/Jakob/ Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 4, be‑ zeichnet sie als „qualifizierte Dritte“. 383  Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 38; Völcker, in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/ Schroeder, Frankfurter Kommentar, Art. 18 FKVO 139/2004 Rn. 9. 384  Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 38; Völcker, in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/ Schroeder, Frankfurter Kommentar, Art. 18 FKVO 139/2004 Rn. 9; Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2126; siehe auch Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/ Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 4. 385  Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 4; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 178. 386  Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2128. 387  EuG Rs. T-224/10, Slg. 2011 II-7177, ECLI:EU:T:2011:588, Rn. 43  – testachats; Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 4; Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 7.

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B. Bestandsaufnahme

lich eingereicht werden (Art. 16 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004). Er ist eindeutig als Antrag zu kennzeichnen und darf nicht bloß ein reines Informationsersuchen sein.388 Nach Ansicht des Gerichts muss der Antrag auf Anhörung nach Anmeldung des Fusionskontrollverfah‑ rens eingereicht bzw. erneuert werden, wenn bereits vorher ein Anhörungser‑ suchen gestellt wurde.389 Der Kommission komme nicht die Pflicht zu, alle vor Anmeldung eingegangenen Anträge zu prüfen und für die Anhörung zu berücksichtigen.390 Diese Ansicht ist schon vor dem Hintergrund des Wort‑ lautes von Art. 18 Abs. 4 Fusionskontrolle und von Art. 16 Durchführungs‑ verordnung (EG) Nr. 802 / 2004 problematisch, da ein Zeitpunkt für die Ein‑ reichung des Antrages nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist.391 Auch über‑ sieht das Gericht damit die Praxis, dass bereits in der Pränotifikationsphase das Fusionskontrollverfahren faktisch eingeleitet wurde.392 Im Sinne einer effektiven Fusionskontrolle sollten Dritte unabhängig von einem bloßen or‑ ganisatorischen Einreichungszeitpunkt einbezogen werden, um Erfahrungen und Informationen beizusteuern, aber auch um die Transparenz des Verfah‑ rens zu erhöhen. Daher sollte ein Antrag auf Anhörung von einem Dritten bereits vor der Anmeldung der Fusionskontrolle möglich sein, denn bereits in der informellen Pränotifikationsphase wird der Zusammenschluss ausführlich diskutiert. Es ist nicht ersichtlich, warum Dritte nach der Anmeldung noch‑ mals einen Antrag stellen müssen, wenn sie dies schon frühzeitig zur Siche‑ rung ihrer Rechte getan haben. Dies würde Dritte benachteiligen, die sich frühzeitig mit solchen Zusammenschlüssen beschäftigen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Rücksprache mit dem zustän‑ digen Direktor über den Antrag auf Anhörung. Dabei wird für das hinrei‑ chende Interesse geprüft, ob und inwiefern der Dritte von dem Verhalten, das Gegenstand des Wettbewerbsverfahrens ist, hinreichend betroffen ist, oder ob er die Anforderungen des Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO erfüllt (Art. 5 Abs. 2 Anhörungsbeauftragtenbeschluss). Bei Ablehnung eines hinreichen‑ den Interesses wird dies dem Dritten schriftlich unter Angabe der Gründe mitgeteilt und ihm eine Frist gesetzt, innerhalb der er schriftlich Stellung nehmen kann. Das Prüfungsverfahren schließt bei fehlendem hinreichenden 388  EuG Rs. T-96/92, Slg. 1995 II-1213, ECLI:EU:T:1995:77, Rn. 58  – Comité central d’entreprise de la Société générale des grandes sources; Heidenreich, Anhö‑ rungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 178. 389  Siehe EuG Rs. T-224/10, Slg. 2011 II-7177, ECLI:EU:T:2011:588, Rn. 53  – test-achats. 390  EuG Rs. T-224/10, Slg. 2011 II-7177, ECLI:EU:T:2011:588, Rn. 56  – testachats. 391  Dies erkennt auch das Gericht, EuG Rs. T-224/10, Slg. 2011 II-7177, ECLI:EU:T:2011:588, Rn. 49 – test-achats. 392  Hirsbrunner, EuZW 2012, 646 (649).



IV. Wirtschaftsrecht121

Interesse mit einem begründeten Beschluss an den Dritten ab (Art. 5 Abs. 3 Anhörungsbeauftragtenbeschluss). Hält der Anhörungsbeauftrage ein hinreichendes Interesse für gegeben, werden die Dritten nach Art. 16 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004 von der Kommission schriftlich über Art und Gegenstand des Verfahrens unterrichtet. Dafür erhalten die Dritten i. d. R. eine um Geschäfts‑ geheimnisse bereinigte Mitteilung der Beschwerdepunkte.393 Zudem setzt die Kommission den Dritten eine Frist zur Äußerung (Art. 16 Abs. 1 Durchfüh‑ rungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004). Die Äußerungen müssen von den Dritten schriftlich eingereicht werden (Art. 16 Abs. 2 S. 1 Durchführungsver‑ ordnung (EG) Nr. 802 / 2004). Außerdem kann die Kommission den Dritten, welche eine schriftliche Äußerung beantragt haben, auch die Gelegenheit zur Teilnahme an einer förmlichen mündlichen Anhörung geben (Art.  16 Abs. 2 S. 2 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004).394 Auch kann die Kommission nach ihrem Ermessen beschließen, andere natürliche oder juris‑ tische Personen aufzufordern, ihre Argumente schriftlich und mündlich, auch in einer förmlichen mündlichen Anhörung, vorzutragen (Art. 16 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004). Die Äußerungen der Dritten muss die Kommission förmlich und mit Gründen versehen beantworten.395 Ob sich Dritte bereits im Vorverfahren, d. h. in der dem Hauptverfahren vorgelagerten Phase, beteiligen können, wird unterschiedlich beurteilt.396 Al‑ 393  DG Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceed­ ings vom 20.01.2004, Rn. 36 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/mergers/ legislation/.pdf (Stand: 19.10.2017)); Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 44; Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 38; Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 3; Völcker, in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar, Art. 18 FKVO 139/2004 Rn. 21; Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2155. 394  Aufgrund der Bestimmung des Art. 16 Abs. 2 S. 2 Durchführungsverordnung muss auch die Möglichkeit zur Beantragung einer mündlichen Anhörung von einem Dritten abgelehnt werden, Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 17. So auch Völcker, in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kom‑ mentar, Art. 18 FKVO 139/2004 Rn. 42. Differenzierter Ablasser-Neuhuber, in: Loe‑ wenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 43, die allerdings zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt. 395  EuGH Rs. C-170/02 P, Slg. 2003 I-9889, ECLI:EU:C:2003:501, Rn. 29  – Schlüsselverlag J.S. Moser. 396  Für eine Beteiligung im Vorverfahren z. B. Ablasser-Neuhuber, in: Loewen‑ heim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 46; Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 11; Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 38, der eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit fordert; Heiden-

122

B. Bestandsaufnahme

lerdings spricht die Praxis der Kommission bereits für eine Beteiligung, wenn auch nur informeller und nicht wie im Hauptverfahren förmlicher Art.397 Die Kommission veröffentlicht im Amtsblatt der EU die Tatsache der Anmeldung eines Zusammenschlusses sowie bestimmte Angaben dazu (siehe Art. 4 Abs. 3 Fusionskontroll-VO). Bei dieser Veröffentlichung setzt die Kommission Dritten eine kurze Frist (i. d. R. zehn Tage), um sich schriftlich zu dem Zusammenschluss zu äußern.398 Dabei besteht zwar kein Recht auf eine mündliche Anhörung, allerdings können über die schriftliche Äußerung hinaus auch informelle Gespräche geführt werden.399 Die Generaldirektion Wettbewerb sieht in ihren Best Practices on the conduct of EC merger control proceedings sog. triangular meetings vor, bei denen die Beteiligten und die Dritten in ein Gespräch kommen können. Diese Treffen beruhen auf einer freiwilligen Basis, die eine förmliche mündliche Anhörung nicht ersetzt.400 Die Best Practices der Generaldirektion zeigen ebenfalls, dass eine frühzei‑ tige Einbeziehung von Dritten bereits im Vorverfahren sinnvoll ist, auch wenn diese nur in informeller Weise vorgenommen wird.401 In der Pränotifikationsphase ist eine Beteiligung von Dritten nicht vorge‑ sehen und wird abgelehnt.402 Dennoch können in Ausnahmefällen Dritte auch bereits in dieser Phase angehört werden, wenn dies im Interesse der Untersuchung ist.403 Diese mögliche Beteiligung kann wertvolle Anregungen reich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 181. Eine Beteiligung ablehnend Schütz, in: Müller-Henneberg/Schwartz/Hootz, Gemeinschafts‑ kommentar, EG-Fusionskontrolle, Art. 18 FKVO Rn. 4; Mülbert, ZIP 1995, 699 (711). 397  Siehe Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbs‑ recht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 11; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartellund Fusionskontrollverfahren, S. 186. 398  Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/MeyerLindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 46; Maass, in: Langen/Bunte, Kartell‑ recht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 38; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 186; Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2149. 399  Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 11; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 187. 400  DG Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceed­ ings vom 20.01.2004, Rn. 38. 401  Vgl. Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 38. 402  Siehe Ablasser-Neuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/ Meyer-Lindemann, Kartellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 47; Körber, in: Immenga/Mest‑ mäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 Teil  2, FKVO, Art. 18 Rn. 57; Heidenreich, Anhö‑ rungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 184 f. 403  DG Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceed­ ings vom 20.01.2004, Rn. 26.



IV. Wirtschaftsrecht123

bereits in einem sehr frühen Stadium des geplanten Zusammenschlusses bringen.404 Neben diesen in den verschiedenen Verfahrensphasen verorteten Beteili‑ gungsmöglichkeiten können die Dritten auf Auskunftsverlangen der Kom‑ mission antworten. Art. 11 Abs. 7 Fusionskontroll-VO ermöglicht der Kom‑ mission, alle natürlichen und juristischen Personen zum Zweck der Einho‑ lung von Informationen zu befragen. Die Befragung erfolgt telefonisch oder über andere elektronische Mittel und muss die Rechtsgrundlage und den Zweck erkennen lassen. Die Generaldirektion Wettbewerb sieht diese Befra‑ gung als primären Weg für die Dritten zur Mitwirkung.405 Die Regelungen der Fusionskontroll-VO zur Beteiligung von Dritten an der Entscheidung, ob ein Zusammenschluss mit dem Wettbewerb vereinbar ist, sind vielfältig und in den verschiedenen Phasen der Kontrolle unter‑ schiedlich stark ausgeprägt. Im Hauptverfahren werden Dritte am intensivs‑ ten in den Prozess einbezogen, indem sie sich förmlich schriftlich äußern und nach dem Ermessen der Kommission zudem in den mündlichen Anhö‑ rungen beteiligen können. Die Ausgestaltung des Art. 16 Durchführungsver‑ ordnung (EG) Nr. 802 / 2004 zielt darauf ab, die Dritten möglichst in den Prozess einzubeziehen, und zwar sowohl im schriftlichen als auch im münd‑ lichen Beteiligungsabschnitt. Auch die Best Practices der Generaldirektion Wettbewerb verpflichten die Kommission zu informellen Treffen, bei denen Standpunkte ausgetauscht werden können.406 Diese informellen Treffen wer‑ den hauptsächlich im Vorverfahren verortet. In Ausnahmefällen kann auch schon in der Pränotifikationsphase eine Anhörung durchgeführt werden. Die Beteiligung der Dritten ist insbesondere für die Sachverhaltsermittlung wichtig, weswegen die Kommission substantiierte Hinweise und Anregungen mit großem Interesse entgegennimmt und in die Beurteilung des Zusammen‑ schlusses einbezieht.407 Den Dritten kommt eine wichtige Rolle zu, welche auch durch Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO deutlich wird.408 Allerdings haben die Dritten nur einen Anspruch auf schriftliche Anhörung im förmli‑ chen Verfahren im Rahmen des Hauptverfahrens. Die Beteiligung an münd‑ lichen Anhörungen liegt im Ermessen der Kommission und auch die infor‑ mellen Treffen sind nur freiwilliger Natur. Die einerseits gewollte Einbezie‑ 404  Zeise,

in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2148. Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceed­ ings vom 20.01.2004, Rn. 35. 406  Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 52 f. 407  Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2148. 408  DG Competition, Best Practices on the conduct of EC merger control proceed­ ings vom 20.01.2004, Rn. 34. 405  DG

124

B. Bestandsaufnahme

hung von Dritten, vermittelt durch die Best Practices, das andererseits aber nur mäßig förmlich ausgeprägte Beteiligungsverfahren müssen somit durch den europäischen Gesetzgeber noch in Einklang gebracht werden. Weiterge‑ hende Rechtsansprüche der Dritten auf Einbeziehung wären im Bereich der Fusionskontrolle wünschenswert.409

V. Produktrecht Unter die Kategorie des Produktrechts fallen solche Rechtsbereiche, wel‑ che Entscheidungen in Bezug auf die Zulassung, die Sicherheit oder die Kennzeichnung bzw. Bezeichnung von Produkten regeln. Die Typen der Pro‑ dukte können dabei ganz unterschiedlich sein. Erfasst sind die Bereiche des Lebensmittelrechts, des Markenrechts, des Arzneimittelrechts und des Che‑ mikalienrechts.

1. Lebensmittelrecht Das Lebensmittelrecht stellt einen Bereich dar, welcher über den bloßen Lebensmittelbegriff hinausgeht.410 Es ist anerkannt, dass die Gesamtheit der „Rechtsnormen über Gewinnung, Herstellung, Zusammensetzung, Beschaf‑ fenheit und Qualität von Lebensmitteln sowie über ihre Bezeichnung, Auf‑ machung, Verpackung und Kennzeichnung“ darunter fällt.411 Ein ähnlicher Definitionsansatz findet sich auch in Art. 3 Nr. 1 Lebensmittel-VO. Dieser enge Begriff des Lebensmittelrechts wird durch die Heranziehung von Nor‑ men ergänzt, die sich im Schwerpunkt nicht mit dem Lebensmittel als sol‑ chem beschäftigen, sondern den lebensmittelrechtlichen Bereich als Neben‑ thematik mitregeln. Dabei handelt es sich primär um Schutzgesetze für den Erzeuger, welche die Erzeugung, die Qualität und den Absatz landwirtschaft‑ licher Erzeugnisse umfassen. Durch die Förderung der Erhaltung und der Erhöhung der Qualität ergänzen diese Normen das Lebensmittelrecht im en‑ geren Sinne.412 409  So auch Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollver‑ fahren, S.  198 f. 410  Gundel, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 8 Rn. 2; eine Definition des Lebensmittels befindet sich auf EU-Ebene z. B. in Art. 2 Abs. 1 Lebensmittel-VO. 411  Zipfel/Rathke/Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, B. Einführung, Rn. 1; Streinz, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 57 Rn. 2 übernimmt diese Definition. 412  Zipfel/Rathke/Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, B. Einführung, Rn. 2a; vgl. auch Streinz, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 57 Rn. 3, welcher diese Erweiterung übernimmt.



V. Produktrecht125

Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind im Bereich des Lebensmittel‑ rechts die Health-Claims-VO, welche sich mit der Lebensmittelwerbung befasst,413 die mit der Health-Claims-VO gemeinsam erlassene Anreiche‑ rungsVO mit Regelungen zur Lebensmittelsicherheit414 sowie die Verordnun‑ gen zum Schutz geografischer Bezeichnungen, welche Etikettierungsvorga‑ ben beinhalten.415 a) Health-Claims-VO und AnreicherungsVO Der Anwendungsbereich der Health-Claims-VO erstreckt sich nach deren Art. 1 Abs. 2 auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben416 im Bereich der Werbung. Bis zum Inkrafttreten der Verordnung im Jahr 2007 galt der Grundsatz der Werbefreiheit, wonach alles, was nicht verboten, erlaubt war.417 Dieser Grundsatz wurde durch die Verordnung aufgehoben und durch ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ersetzt.418 Von Relevanz für die Beteiligung von Dritten sind die Art. 8 und 13 ff. Health-Claims-VO.419 Nach Art. 8 Abs. 1 Health-Claims-VO dürfen nähr‑ wertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn diese im Anhang aufge‑ führt sind. Nach Abs. 2 wird der Anhang nach dem Komitologieverfahren in 413  Siehe Gundel, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 8 Rn. 57. 414  Siehe Gundel, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 8 Rn. 70. 415  Siehe Gundel, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 8 Rn. 54, 56. 416  Legaldefinition von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 Health-Claims-VO. 417  Riemer, in: Frede, Handbuch für Lebensmittelchemiker, S. 47. 418  Delewski, LMuR 2010, 1 (9). 419  Für die Untersuchung außer Betracht bleiben die spezifischen Nährwertprofile nach Art. 4 Health-Claims-VO, bei deren Festlegung die Kommission Interessengrup‑ pen, insbesondere Lebensmittelunternehmen und Verbrauchverbände, anhört. Solche Nährwertprofile wurden trotz eines ausgearbeiteten Entwurfs nicht bis zu der in der Verordnung normierten Frist vom 19.01.2009 erlassen. Siehe dazu Grube/Conte-Salinas, HCVO, Art. 4 Rn. 1, 13; Rathke/Hahn, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Art. 4 Rn. 2; Meyer, EFFL 2012, 62 (63 ff.). Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 12.04.2016 zu dem Pro‑ gramm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT): Bestandsaufnahme und Ausblick (2014/2150(INI)), Rn. 47 (abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/‌getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8TA-2016-0104+0+DOC+PDF+V0//DE (Stand: 19.10.2017)) die Kommission zur Überprüfung und gegebenenfalls Streichung der Nährwertprofile aufgefordert. Damit zielt das Parlament auf eine Abschaffung der Nährwertprofile, Heidtmann, Süddeut‑ sche Zeitung vom 13.04.2016, S. 5.

126

B. Bestandsaufnahme

Form des Regelungsverfahrens mit Kontrolle geändert. Bei dem Regelungs‑ verfahren mit Kontrolle bezieht die Kommission gegebenenfalls Interessen‑ gruppen, insbesondere Lebensmittelunternehmer und Verbraucherverbände, ein, um die Wahrnehmung und das Verständnis der betreffenden Angaben zu bewerten. Die Formulierung des Art. 8 Abs. 2 Health-Claims-VO hebt zwar die Lebensmittelunternehmer und Verbraucherverbände hervor, dennoch kön‑ nen sich auch andere nationale und internationale wissenschaftliche Gruppen beteiligen.420 Die Interessengruppen können somit zwar nur nach dem Er‑ messen der Kommission in das Änderungsverfahren des Anhangs einbezogen werden, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Anregungen zur Änderung bei der Kommission eingereicht werden.421 Daran dürften vor allem Lebensmit‑ telunternehmen ein Interesse haben, damit sie zu ihren Gunsten mit weiteren nährwertbezogenen Angaben werben können.422 Die Einbeziehung zielt auf die Bewertung der Wahrnehmung und das Verständnis der betreffenden An‑ gabe ab. Damit wird deutlich, dass die Einbeziehung dieser Interessengrup‑ pen hauptsächlich zur Informationsverschaffung für die Kommission dient. Kapitel IV enthält Bestimmungen für gesundheitsbezogene Angaben. Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-VO schreibt vor, dass gesundheitsbezogene Angaben verboten sind, sofern diese nicht den Anforderungen der Verord‑ nung entsprechen, zugelassen und in die Listen der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 Health-Claims-VO aufgenommen sind. Diese Lis‑ ten wurden in den Verordnungen (EU) Nr. 432 / 2012423 und (EU) Nr. 1228 / 2014424 festgelegt. Sollen neue gesundheitsbezogene Angaben auf 420  Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Praxiskommentar, Art. 8 Rn. 114; Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Commen‑ tary, Art. 8 Rn. 104, der als Beispiele die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die Deutsche Herzstiftung und die Lebensmittelchemische Gesellschaft nennt. 421  Rathke/Hahn, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Verordnung (EG) Nr. 1924/ 2006, Art. 8 Rn. 24. 422  Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Praxiskommentar, Art. 8 Rn. 114. 423  Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festle‑ gung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern, ABl. L 136 vom 25.05.2012, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017/1407 der Kommission vom 1. August 2017 zur Berichtigung der bulgarischen, der deutschen, der finnischen, der portugiesischen und der spani‑ schen Sprachfassung der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Ge‑ sundheit von Kindern, ABl. L 201 vom 02.08.2017, S. 1. Ausführlich zu dieser Ver‑ ordnung Hahn/Hagenmeyer, ZLR 2013, 4 ff. 424  Verordnung (EU) Nr. 1228/2014 der Kommission vom 17.  November 2014 über die Zulassung bzw. Nichtzulassung bestimmter gesundheitsbezogener Angaben



V. Produktrecht127

diese Listen aufgenommen werden, muss das Zulassungsverfahren nach Art. 15 ff. Health-Claims-VO durchlaufen werden, welches je nach Art der Angabe differenziert geregelt ist.425 Im Zulassungsverfahren können nach Art. 16 Abs. 6 UAbs. 2 Health-Claims-VO Antragsteller bzw. Vertreter der Öffentlichkeit Bemerkungen zu der Stellungnahme der EFSA bei Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe abgeben. Eine Verweisung auf das Zulassungsverfahren und mithin auf die Beteili‑ gung gemäß Art. 16 Abs. 6 Health-Claims-VO erfolgt bei dem Verfahren nach Art. 18 Health-Claims-VO, welches die Zulassung aufgrund neuer wis‑ senschaftlicher Nachweise oder eines Antrages auf den Schutz geschützter Daten regelt. Ebenso wird nach Art. 19 Abs. 1 Health-Claims-VO bei Ände‑ rungen der Listen aus Art. 13 und 14 Health-Claims-VO das Zulassungsver‑ fahren der Art. 15 ff. Health-Claims-VO sinngemäß angewendet. Die Adressaten der Beteiligung bei dem Zulassungsverfahren ergeben sich aus Art. 16 Abs. 6 Health-Claims-VO. Dieser gibt vor, dass Antragsteller bzw. Vertreter der Öffentlichkeit Bemerkungen abgeben können. Diese ver‑ meintliche Gleichstellung von Antragstellern und den Öffentlichkeitsvertre‑ tern verwundert zunächst, da sich diese beiden Gruppen beträchtlich unter‑ scheiden. Nur der Antragsteller ist auch Verfahrensbeteiligter, Vertreter der Öffentlichkeit gerade nicht. Bei einem Blick in die anderen Sprachfassungen der Verordnung wird aber deutlich, dass eine Gleichstellung hier nicht ge‑ wollt ist. In der englischen und französischen Fassung findet sich ein „oder“ (or, ou),426 was verdeutlicht, dass die deutsche Übersetzung „bzw.“ miss‑ glückt ist. Die Antragsteller und Vertreter der Öffentlichkeit sind somit ge‑ trennte Adressatenkreise.427 Unter die Vertreter der Öffentlichkeit fallen bei‑ spielsweise Verbraucherschutzorganisationen, wissenschaftliche Organisatio‑ nen oder Wirtschaftsverbände.428 Inwieweit die Bemerkungen von der Kom‑ über Lebensmittel betreffend die Verringerung eines Krankheitsrisikos, ABl. L 331 vom 18.11.2014, S. 8. 425  Rathke/Hahn, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Verordnung (EG) Nr. 1924/ 2006, Vorbemerkung Rn. 7. 426  „The applicant or members of the public may make comments to the Commis‑ sion within 30 days from such publication.“; „Le demandeur ou toute autre personne peut formuler des observations auprès de la Commission dans les trente jours qui suivent cette publication.“ 427  Davon gehen auch folgende Autoren aus, ohne jedoch auf dieses sprachliche Problem der deutschen Fassung aufmerksam zu machen: Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Praxiskommentar, Art. 16 Rn. 16; Haber, in: Meisterernst/ Haber, Health & Nutrition Claims – Commentary, Art. 16 Rn. 19; van der Meulen/van der Velder, European Food Law Handbook, S. 397; Hempel, ZLR 2008, 262 (270). 428  Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Praxiskommentar, Art. 16 Rn. 16; Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims  – Com‑ mentary, Art. 16 Rn. 19; Hempel, ZLR 2008, 262 (270).

128

B. Bestandsaufnahme

mission berücksichtigt werden, macht die Verordnung nicht deutlich. Auch in der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 353 / 2008429, die Voraussetzungen für Zulassungsanträge bestimmt, finden sich keine Angaben zur Beteiligung und deren möglicher Berücksichtigung. Das Gericht setzt aber voraus, dass die Bemerkungen nach Art. 16 Abs. 6 Health-Claims-VO berücksichtigt wer‑ den müssen.430 Dafür wird in den Erwägungsgründen der jeweiligen Ände‑ rungsverordnungen angeführt, ob die Bemerkungen berücksichtigt wurden.431 Wird eine gesundheitsbezogene Angabe schließlich zugelassen, wird eine Verordnung erlassen, welche die Gemeinschaftslisten ändert und die Angabe implementiert.432 Ein dem Zulassungsverfahren ähnliches Verfahren findet sich in Art. 19 Abs. 2 Health-Claims-VO. Dabei wird eine bereits bestehende gesundheits‑ bezogene Angabe daraufhin geprüft, ob diese noch den Bedingungen der Health-Claims-VO entspricht. Auch hier kann der Antragsteller / Nutzer bzw. ein Vertreter der Öffentlichkeit Bemerkungen zu der Stellungnahme der EFSA abgeben (Art. 19 Abs. 3 UAbs. 3 Health-Claims-VO). Wie bei Art. 16 Abs. 6 Health-Claims-VO muss auch bei dieser Bestimmung eine Gleichset‑ zung des Antragstellers / Nutzers mit den Öffentlichkeitsvertretern abgelehnt werden. Die englischen und französischen Sprachfassungen setzen wiederum ein „oder“ zwischen die beiden Gruppen, so dass eine identische Auslegung wie bei Art. 16 Abs. 6 Health-Claims-VO erfolgen muss. Die Health-Claims-VO unterscheidet somit im Wesentlichen zwei ver‑ schiedene Beteiligungsformen: zum einen bei der Änderung des Anhangs zu nährwertbezogenen Angaben und zum anderen beim Zulassungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben. Beide Verfahren schließen mit einem Komi‑ tologieverfahren ab. Die Beteiligung bei den nährwertbezogenen Angaben zielt auf eine reine Informationsbeschaffung durch die Interessengruppen ab, 429  Verordnung (EG) Nr. 353/2008 der Kommission vom 18. April 2008 zur Fest‑ legung von Durchführungsbestimmungen für Anträge auf Zulassung gesundheitsbe‑ zogener Angaben gemäß Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europä‑ ischen Parlaments und des Rates, ABl. L 109 vom 19.04.2008, S. 11, zul. geänd. durch Verordnung (EG) Nr. 1169/2009 der Kommission vom 30. November 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 353/2008 zur Festlegung von Durchführungsbe‑ stimmungen für Anträge auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 314 vom 01.12.2009, S. 34. 430  EuG Rs. T-17/12, ECLI:EU:T:2014:234, Rn. 165 – Hagenmeyer/Hahn. 431  Siehe z. B. EWG Nr. 9 Verordnung (EU) Nr. 1170/2011 der Kommission vom 16.11.2011 über die Nichtzulassung bestimmter gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel betreffend die Verringerung eines Krankheitsrisikos, ABl. L 299 vom 17.11.2011, S. 1. 432  Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Praxiskommentar, Art. 17 Rn. 2, 8.



V. Produktrecht129

während im Zulassungsverfahren bei gesundheitsbezogenen Angaben eine breitere Gruppe Bemerkungen vorbringen kann. In beiden Fällen ist die Be‑ rücksichtigung der Eingaben von Dritten aber nicht geregelt. Gemeinsam mit der Health-Claims-VO wurde die im sachlichen Zusam‑ menhang stehende AnreicherungsVO erlassen,433 welche den Zusatz von Vi‑ taminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebens‑ mitteln regelt, vgl. Art. 1 Abs. 1 AnreicherungsVO. Die durch die Verord‑ nung erfassten angereicherten Lebensmittel fallen in den Bereich der sog. funktionellen Lebensmittel (Functional Foods),434 d. h. solcher Lebensmittel, die zwar gewöhnlich verzehrt werden, darüber hinaus aber auch noch zur Förderung der Gesundheit beitragen.435 Dabei werden auch mit Nährstoffen angereicherte Lebensmittel einbezogen.436 Der Anwendungsbereich der Ver‑ ordnung erstreckt sich nach Art. 1 AnreicherungsVO allgemein auf Lebens‑ mittel. Ausdrücklich ausgenommen sind aber Nahrungsergänzungsmittel nach der Nahrungsergänzungsmittel-RL (Art. 1 Abs. 2 AnreicherungsVO).437 Die Verordnung regelt den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen in Ka‑ pitel II (Art. 3–7 AnreicherungsVO), den Zusatz von anderen Stoffen in Ka‑ pitel III (Art. 8 AnreicherungsVO). Kapitel II bestimmt – wie die Health-Claims-VO – ein Verbot mit Erlaub‑ nisvorbehalt.438 Nach Art. 3 Abs. 1 AnreicherungsVO dürfen nur die in An‑ hang I aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe in den in Anhang II aufge‑ führten Formen zugesetzt werden. Die Listen in Anhang I und II werden aufgrund des Verbotsprinzips als Positivlisten bezeichnet.439 Bei der Ände‑ rung der Positivlisten führt die Kommission nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 An‑ reicherungsVO mit betroffenen Gruppen, insbesondere mit der Lebensmittel‑ industrie und Verbraucherverbänden, Konsultationen durch. In der Praxis werden die betroffenen Gruppen über die Beratende Gruppe für die Lebens‑ mittelkette sowie für die Tier- und Pflanzengesundheit konsultiert und die 433  Zum Zusammenhang der Health-Claims-VO mit der AnreicherungsVO Gersterberger, ZLR 2008, 559 (559 f.). 434  Teufer, ZLR 2007, 577 (579); Hahn/Ströhle/Wolters, Ernährung, S. 522 gehen davon aus, dass die funktionellen Lebensmittel keine definierte Lebensmittelkatego‑ rie, sondern eher einen konzeptionellen Ansatz bilden. 435  Erbersdobler, in: Erbersdobler/Meyer, Praxishandbuch Functional Food, 0.2.1; Hahn/Ströhle/Wolters, Ernährung, S. 521. 436  Erbersdobler, in: Erbersdobler/Meyer, Praxishandbuch Functional Food, 0.2.1. 437  Zur Nahrungsergänzungsmittel-RL Delewski, LMuR 2010, 1 (1 ff.). 438  Teufer, ZLR 2007, 577 (585). 439  So Gundel, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 8 Rn. 70; Breitweg-Lehmann, ZLR 2013, 373 (377); Meyer, in: FS Doepner, 257 (260); Reese/Stallberg, ZLR 2009, 137 (143); Taupitz, ZLR 2008, 291 (304); Teufer, ZLR 2007, 577 (585).

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B. Bestandsaufnahme

eingegangenen Kommentare berücksichtigt.440 Diese Beratende Gruppe ist eine Vertretung auf Ebene der EU von sozioprofessionellen Kreisen, wozu auch Verbraucherverbände gehören, um die mit der Lebensmittelkette sowie der Tier- und Pflanzengesundheit zusammenhängenden Interessen auf euro‑ päischer Ebene zu vertreten.441 Beim Zusatz von anderen Stoffen nach Art. 8 AnreicherungsVO hat sich der europäische Gesetzgeber anders als bei dem Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen für eine sog. Negativliste442 in Anhang III entschieden, d. h. die dort aufgeführten Stoffe dürfen in Lebensmitteln nicht bzw. nur einge‑ schränkt verwendet werden. Es besteht somit eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbots- bzw. Beschränkungsvorbehalt.443 In Art. 8 AnreicherungsVO selbst findet sich keine Beteiligung von Dritten, allerdings ermächtigt Art. 8 Abs. 6 AnreicherungsVO die Kommission zur Festlegung von Durchfüh‑ rungsbestimmungen. Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 307 / 2012444 gestaltet das Verfahren des Art. 8 AnreicherungsVO detailliert aus und be‑ stimmt bei der Beantragung der Aufnahme eines Stoffes in die Negativliste durch einen Mitgliedstaat, dass andere Interessengruppen der Kommission Bemerkungen zu der Stellungnahme der EFSA zum Aufnahmeantrag über‑ mitteln können (Art. 4 Abs. 5 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 307 / 2012). Aus der Systematik der AnreicherungsVO und der Durchführungsverordnung 440  Siehe die Änderungsverordnungen zum Anhang II: z. B. EWG Nr. 11 Verord‑ nung (EU) Nr. 119/2014 (ABl. L 39 vom 08.02.2014, S. 44), EWG Nr. 5 Verordnung (EU) Nr. 1161/2011 (ABl. L 296 vom 15.11.2011, S. 29), EWG Nr. 4 Verordnung (EG) Nr. 1170/2009 (ABl. L 314 vom 01.12.2009, S. 36). In den Änderungsverord‑ nungen wird aber von der Anhörung der Beteiligten gesprochen, so dass von dem Begriff der betroffenen Gruppen aus Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 AnreicherungsVO abgewi‑ chen wird. Die Beteiligten aus den Änderungsverordnungen sind aber gleichzusetzen mit den betroffenen Gruppen. Dies wird deutlich durch die anderen Sprachfassungen, in denen einheitlich von interested parties (englisch) oder les parties intéressées (französisch) gesprochen wird. 441  EWG Nr. 12 Beschluss 2004/613/EG der Kommission vom 06.08.2004 über die Einsetzung einer Beratenden Gruppe für die Lebensmittelkette sowie für Tier- und Pflanzengesundheit, ABl. L 275 vom 25.08.2004, S. 17. 442  Gundel, in: Hatje/Müller-Graff, Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, § 8 Rn. 71; Breitweg-Lehmann, ZLR 2013, 373 (377); Hagenmeyer/Loosen, EFFL 2007, 189 (196); Meyer, in: FS Doepner, 257 (260); Reese/Stallberg, ZLR 2009, 137 (143). 443  Breitweg-Lehmann, ZLR 2013, 373 (377); Meyer, in: FS Doepner, 257 (260); Möstl, ZLR 2013, 682 (689); siehe auch Gerstberger/Krabichler, LMuR 2006, 5 (14), dort auch zur grundsätzlichen Unterscheidung von Positiv- und Negativlisten. 444  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 307/2012 der Kommission vom 11. April 2012 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften für die Anwendung von Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln, ABl. L 102 vom 12.04.2012, S. 2.



V. Produktrecht131

(EU) Nr. 307 / 2012 wird deutlich, dass die anderen Interessengruppen nicht die Lebensmittelunternehmen umfassen (siehe Art. 8 Abs. 4 Anreiche‑ rungsVO, Art. 6 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 307 / 2012). Sowohl Änderungen der Positivliste als auch die Aufnahme eines Stoffes in die Negativliste werden von der Kommission nach dem Regelungsverfah‑ ren mit Kontrolle vorgenommen. Wie bei der Health-Claims-VO sind auch bei der AnreicherungsVO zwei unterschiedliche Beteiligungsformen normiert worden, wobei (Interessen‑)Gruppen für die Beteiligung einbezogen werden. Eine Besonderheit stellt aber die Beteiligung bei der Änderung von Negativ‑ listen dar, da diese nur in der Durchführungsverordnung geregelt ist. Aus Transparenz- und Einheitlichkeitsgründen wäre eine Normierung in der An‑ reicherungsVO selbst aber vorzuziehen. b) Schutz geografischer Bezeichnungen Durch den Schutz geografischer Bezeichnungen sollen sowohl die Ver‑ braucher und deren Erwartungen an das Produkt, welche durch den geografi‑ schen Bezug erzeugt werden, als auch die Produzenten vor unfairem Wettbe‑ werb durch Imitationen geschützt werden.445 Mit dem Schutz geografischer Bezeichnungen beschäftigen sich vier Verordnungen, welche vom Untersu‑ chungsgegenstand umfasst sind: Qualitätsregelung-VO, GMO-VO, Aroma‑ wein-VO und Spirituosen-VO. Diese Verordnungen gehören zum direkten Schutzsystem von geografischen Bezeichnungen, welches durch den Schutz privater Interessen der Inhaber geografischer Bezeichnungen geprägt ist.446 Alle Verordnungen regeln die Eintragung von geografischen Bezeichnungen für verschiedenartige Lebensmittel, um die Produkteigenschaften und Be‑ wirtschaftungsmerkmale hervorzuheben.447 445  Mantrov,

EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 9 f. EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 139, 141. Das in‑ direkte Schutzsystem bezieht sich auf die Allgemeininteressen durch Verbote be‑ stimmter Handlungen oder Unterlassungen im Handelsbereich. Dazu gehört u. a. die Unionsmarken-VO [dazu näher unter B. V. 2. a)], Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 139. 447  Vgl. Art. 1 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO. In Diskussion ist aktuell die Ausdeh‑ nung der Schutzbezeichnungen über den Lebensmittelbereich hinaus. Die Kommis‑ sion hat 2014 ein Grünbuch „Bestmögliche Nutzung des traditionellen Wissens Euro‑ pas: Mögliche Ausdehnung des Schutzes der geografischen Angaben der Europäi‑ schen Union auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse“, KOM(2014) 469 endgültig vom 15.07.2014, erlassen. Hierzu wurden öffentliche Konsultationen sowie eine öf‑ fentliche Konferenz durchgeführt. Der zugehörige Bericht ist abrufbar unter http:// ec.europa.eu/DocsRoom/documents/10565/attachments/1/translations/en/renditions/ native (Stand: 19.10.2017). Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 06.10.2015 zu der möglichen Ausdehnung des Schutzes der geografischen Anga‑ 446  Mantrov,

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B. Bestandsaufnahme

aa) Qualitätsregelung-VO Als Grundverordnung kann die Qualitätsregelung-VO angesehen wer‑ den.448 Nach Art. 1 Abs. 2 Qualitätsregelung-VO werden Qualitätsregelungen eingeführt, die die Grundlage für die Festlegung und gegebenenfalls den Schutz von Namen und Angaben bieten, die insbesondere Agrarerzeugnisse mit wertsteigernden Merkmalen oder Eigenschaften bezeichnen. Nach Art. 2 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO können Qualitätsregelungen für Agrarerzeug‑ nisse für den menschlichen Verzehr nach Anhang I des AEUV449 und für weitere Agrarerzeugnisse und Lebensmittel nach Anhang I QualitätsregelungVO eingetragen werden.450 Nach Abs. 2 gilt die Verordnung aber nicht für Spirituosen, aromatisierte Weine und Weinbauerzeugnisse nach der GMOVO, mit Ausnahme von Weinessig. Diese ausgeschlossenen Bereiche werden in gesonderten Verordnungen geregelt, da bereits bei Erlass der ursprüngli‑ chen Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2081 / 92 detaillierte Vorschriften für Weinbauerzeugnisse und Spirituosen bestanden und daher ein Ausschluss zweckmäßig war. Auch bei Erlass der Qualitätsregelung-VO wurden diese Ausnahmen übernommen.451 Die Bezeichnung als Grundverordnung hat den‑ noch ihre Berechtigung, da die Qualitätsregelung‑VO allgemein den Schutz von geografischen Bezeichnungen für alle sonstigen Erzeugnisse umfasst und die speziellen Verordnungen für Weine, aromatisierte Weine und Spiritu‑ osen das Eintragungsverfahren in Angleichung an die Qualitätsregelung-VO regeln (siehe z. B. EWG Nr. 92 GMO-VO). Unter dem Oberbegriff der Qualitätsregelung fallen geografische Ur‑ sprungsbezeichnungen (g. U.), geschützte geografische Angaben (g. g. A.) und garantiert traditionelle Spezialitäten (g. t. S.).452 Die g. U. knüpft dabei an den Ursprung des Erzeugnisses in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Ge‑ gend oder ausnahmsweise in einem bestimmten Land an. Dabei müssen Güte oder Eigenschaft den geografischen Verhältnissen zu verdanken sein und alle Produktionsschritte in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen ben der Europäischen Union auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse (2015/2053(INI)) (abrufbar unter http://www.europarl.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+ TA+P8-TA-2015-0331+0+DOC+PDF+V0‌//DE (Stand: 19.10.2017)) die Bestrebun‑ gen der Kommission zur Ausdehnung befürwortet. 448  Vgl. zur Vorgängerverordnung (EG) Nr. 510/2006 Lange, in: Lange, Markenund Kennzeichenrecht, Rn. 1946 f. 449  Listen zu Art. 38 AEUV. 450  Anhang I Qualitätsregelung-VO kann ergänzt werden, wobei die Beschränkung aus EWG Nr. 17 beachtet werden muss, Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EU-Qualitätsregelungen-Verordnung, Art. 2 Rn. 3. 451  Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EU-Qualitätsregelungen-Verord‑ nung, Art. 2 Rn. 16. 452  Siehe Art. 3 Nr. 1 Qualitätsregelung-VO.



V. Produktrecht133

(Art. 5 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO). Bei einer g. g. A. ist der geografische Anknüpfungspunkt an den Ursprung identisch, die Qualität, das Ansehen oder andere Eigenschaften müssen auf diesen zurückzuführen sein und wenigstens einer der Produktionsschritte muss in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen (Art. 5 Abs. 2 Qualitätsregelung-VO).453 Nach Art. 18 Abs. 1 Quali‑ tätsregelung-VO liegt eine g. t. S. vor, wenn eine traditionelle Herstellungsart, Verarbeitungsart oder eine traditionelle Zusammensetzung oder eine Herstel‑ lung aus traditionell verwendeten Rohstoffen oder Zutaten vorliegt. Die g. t. S. knüpfen somit anders als die g. U. und die g. g. A. nicht an den geogra‑ fischen Ursprung, sondern an die Tradition des Produktes an.454 Eingetragene g. U., g. g. A. und g. t. S. dürfen von jedem Wirtschaftsbetei‑ ligten verwendet werden, wenn das Erzeugnis den Produktspezifikationen entspricht (Art. 12 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO). Die Eintra‑ gung bestimmt sich nach Art. 48 ff. Qualitätsregelung-VO und setzt einen Antrag auf Eintragung voraus. Das Antragsverfahren ist als zweistufiges Ver‑ fahren zwischen Mitgliedstaat und Europäischer Kommission ausgestaltet.455 Der Antrag wird im Mitgliedstaat gestellt. Bei der Prüfung des Antrags durch den Mitgliedstaat ist dieser verpflichtet, die Möglichkeit eines nationalen Einspruchsverfahrens für jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse zu eröffnen, die in seinem Hoheitsgebiet niedergelas‑ sen oder ansässig ist (Art. 49 Abs. 3 Qualitätsregelung-VO). Für diesen Ein‑ spruch muss eine angemessene Frist gesetzt werden. Kommt der Mitglied‑ staat nach der Prüfung des Einspruchs zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Eintragung einer Qualitätsregelung den Anforderungen entspricht, leitet die‑ ser das Antragsdossier an die Kommission weiter (Art. 49 Abs. 4 Qualitätsre‑ gelung-VO). Die Kommission prüft den Antrag erneut (Art. 50 Qualitätsregelung-VO) und führt ein weiteres Einspruchsverfahren auf europäischer Ebene durch. Da‑ bei können Behörden eines Mitgliedstaates oder eines Drittlandes sowie natür‑ liche oder juristische Personen, die ein berechtigtes Interesse haben und in einem Drittland niedergelassen oder in einem anderen als dem Antragsmit‑ gliedstaat niedergelassen oder ansässig sind, bei der Kommission Einspruch erheben (Art. 51 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO). Ein berechtigtes Interesse er‑ fordert nicht zwingend eine subjektive Rechtsbeeinträchtigung, sondern kann 453  Die Definition beruht auf Art.  22 TRIPS-Übereinkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, Annex 1C of the Marrakesh Agreement Establishing the World Trade Organization vom 15.04.1994, United Na‑ tions Treaty Series, Vol. 1869, S. 299 ff. Nr. 31874.), Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 163. 454  Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EU-Qualitätsregelungen-Verord‑ nung, Vorbemerkung zu den Art. 17 bis 26 Rn. 14. 455  Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 184.

134

B. Bestandsaufnahme

auch bei jeder aktuellen oder potentiellen, nicht außerhalb jeder Wahrschein‑ lichkeit liegenden wirtschaftlichen Betroffenheit bejaht werden.456 Zukünftige Entwicklungen sind aufgrund der Schaffung eines dauerhaften Rechts durch die Eintragung für ein berechtigtes Interesse ausreichend.457 Notwendig ist aber, dass nicht nur ein privates oder ideelles, sondern ein gewerbliches Schutz­ interesse angeführt wird und nicht ausschließlich fremde Interessen vertreten werden. Populareinsprüche sind nicht gewollt.458 Der Einspruch muss inner‑ halb von drei Monaten ab der Veröffentlichung der Anträge im Amtsblatt der EU eingereicht werden und dabei eine Erklärung enthalten, dass der Antrag gegen die Qualitätsregelung-VO verstoße (Art. 51 Abs. 1 QualitätsregelungVO). Zudem muss der Einspruch begründet sein (siehe Art. 51 Abs. 2 Quali‑ tätsregelung-VO). Eine Mustervorlage für die Einspruchserklärung enthält Anhang III der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 668 / 2014459. Alle Unter‑ lagen für den Einspruch sind in einer Amtssprache der EU abzufassen (Art. 51 Abs. 5 Qualitätsregelung‑VO). Die Kommission prüft zunächst die Zulässig‑ keit des Einspruchs (Art. 51 Abs. 2 Qualitätsregelung-VO), wobei aber nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden.460 Nach der Zulässigkeitsprüfung des Einspruchs wird zusätzlich ein sog. Konsultationsverfahren zwischen dem Einsprechenden und der Behörde oder Stelle, die den Antrag eingereicht hat, durchgeführt (Art. 51 Abs. 3 Qualitätsregelung-VO). Diese direkten Gesprä‑ che zielen auf eine Einigung ab und können zur Rücknahme des Eintragungs‑ antrages oder des Einspruchs führen.461 Für die Einsprüche sind in der Verord‑ 456  Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck/Knoll/Kober-Dehm, Markengesetz, § 131 Rn. 7; Lange, in: Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rn. 1916.; Rathke/ Grimm, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EU-Qualitätsregelungen-Verordnung, Art. 51 Rn. 7. 457  So schon Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck/Knoll/Kober-Dehm, Mar‑ kengesetz, § 131 Rn. 7; ebenso Ingerl/Rohnke, in: Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 131 MarkenG Rn. 2; Rathke/Grimm, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EUQualitätsregelungen-Verordnung, Art. 51 Rn. 7; zur Vorgängerverordnung (EG) Nr. 510/2006 Lange, in: Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rn. 1908. 458  Lange, in: Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rn. 1916. 459  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 668/2014 der Kommission vom 13.  Juni 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Eu‑ ropäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 179 vom 19.06.2014, S. 36, zul. berichtigt durch Berichti‑ gung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 68/2014 der Kommission vom 13. Juni 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Eu‑ ropäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 179 vom 19.06.2014), ABl. L 297 vom 13.11.2015, S. 10. 460  Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EU-Qualitätsregelungen-Verord‑ nung, Art. 51 Rn. 14. 461  Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, EU-Qualitätsregelungen-Verord‑ nung, Art. 51 Rn. 18.



V. Produktrecht135

nung selbst Einspruchsgründe festgelegt (Art. 10, 21 Qualitätsregelung-VO). Detailliertere Regeln für die Einsprüche finden sich in Art. 9 Durchführungs‑ verordnung (EU) Nr. 668 / 2014 sowie in Art. 4 ff. delegierte Verordnung (EU) Nr. 664 / 2014462. Die Eintragung der Qualitätsregelung erfolgt schließlich durch die Kom‑ mission im Wege von Durchführungsrechtsakten (Art. 52 QualitätsregelungVO). Dabei berücksichtigt die Kommission die Ergebnisse der Konsultation. Durch die Regelung wird deutlich, dass der Einspruch auch bei nicht erfolg‑ ter Einigung in der Konsultation kein Eintragungshindernis darstellt.463 Nach Art. 53 Abs. 2 UAbs. 1 Qualitätsregelung-VO findet bei Änderungen einer Produktspezifikation das Verfahren nach Art. 49 ff. QualitätsregelungVO ebenfalls Anwendung. Eine entsprechende Anwendung erfolgt nach Art. 7 delegierte Verordnung (EU) Nr. 664 / 2014 auch bei Löschung einer eingetragenen Qualitätsregelung. Der Einspruch auf mitgliedstaatlicher und unionaler Ebene soll vor allem den Interessen von solchen Dritten dienen, denen durch die Eintragung der Qualitätsregelung ein bestehendes oder zukünftiges Recht beschnitten wird.464 Zwar erlangt der Dritte durch einen Einspruch keine selbstständige verfahrensrechtliche Stellung, sondern nur eine Möglichkeit der Mitwir‑ kung.465 Auch ist der Einspruch nicht im Sinne eines echten Individualrechts‑ behelfs zu verstehen.466 Allerdings wird durch die frühe Einbeziehung ge‑ währleistet, dass der Zusammenhang zwischen dem Produkt und seiner Her‑ kunft tatsächlich gegeben und damit schutzwürdig ist.467

462  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 664/2014 der Kommission vom 18. Dezember 2013 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parla‑ ments und des Rates im Hinblick auf die Festlegung der EU-Zeichen für geschützte Ursprungsbezeichnungen, geschützte geografische Angaben und garantiert traditio‑ nelle Spezialitäten sowie im Hinblick auf bestimmte herkunftsbezogene Vorschriften, Verfahrensvorschriften und zusätzliche Übergangsvorschriften, ABl. L 179 vom 19.06.2014, S. 17. 463  Vgl. Engelhardt, Die Verletzung EU-rechtlich geschützter geografischer Na‑ men, S. 62 zur Vorgängerregelung Art. 7 VO (EG) Nr. 510/2006. 464  Engelhardt, Die Verletzung EU-rechtlich geschützter geografischer Namen, S. 54. 465  EuG Rs. T-35/06, Slg. 2007 II-2865, ECLI:EU:T:2007:250, Rn. 45  – Miel de Provence; zur Vorgängerverordnung (EG) Nr. 510/2006 Lange, in: Lange, Markenund Kennzeichenrecht, Rn. 6496. 466  Siehe Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck/Knoll/Kober-Dehm, Markenge‑ setz, § 131 Rn. 4; anders zur Vorgängerverordnung (EG) Nr. 510/2006 Omsels, Geo‑ grafische Herkunftsangaben, S. 48 ff. 467  Siehe zur Vorgängerverordnung (EG) Nr. 510/2006 Omsels, Geografische Her‑ kunftsangaben, S.  46 f.

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B. Bestandsaufnahme

bb) GMO-VO Mit der GMO-VO wird eine gemeinsame Marktorganisation für landwirt‑ schaftliche Erzeugnisse errichtet, Art. 1 Abs. 1 GMO-VO. In Art. 92  ff. GMO-VO finden sich Regelungen für Ursprungsbezeichnungen, geografi‑ sche Angaben und traditionelle Begriffe im Weinsektor.468 Die Begriffsbestimmungen von Ursprungsbezeichnungen und geografi‑ schen Angaben in Art. 93 Abs. 1 lit. a) und b) GMO-VO entsprechen weitest‑ gehend den Definitionen für g. U. und g. g. A. aus der Qualitätsregelung-VO, angepasst an den weinrechtlichen Sektor.469 Allerdings ist die Bezeichnung des traditionellen Begriffs aus Art. 112 GMO-VO nicht identisch mit der g. t. S. aus der Qualitätsregelung-VO. Nach Art. 112 GMO-VO ist für den traditionellen Begriff die Ursprungsbezeichnung und die geografische An‑ gabe Bezugspunkt. Das Erzeugnis muss eine geschützte Ursprungsbezeich‑ nung oder geschützte geografische Angabe mit zusätzlich traditionellem Be‑ zug sein.470 Das Verfahren für die Eintragung einer g. U. oder g. g. A. nach Art. 94 ff. GMO-VO entspricht zum Großteil dem Verfahren der Art. 49 ff. Qualitätsre‑ gelung-VO. Auch hier ist eine zweistufige Ausgestaltung vorgenommen wor‑ den.471 Zunächst geht der Eintragungsantrag an den Mitgliedstaat, welcher ein nationales Einspruchsverfahren durchführt (Art. 96 Abs. 3 GMO-VO). Dafür setzt der Mitgliedstaat eine Frist von mindestens zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Antragsveröffentlichung. Der Einspruch muss mit einer ausreichend begründeten Erklärung versehen sein. Im zweiten Schritt erfolgt die Prüfung durch die Kommission, welche ein zweites unionales Ein‑ spruchsverfahren – allerdings ohne zwischengeschaltete Konsultation – er‑ möglicht (Art. 98 GMO-VO). Dafür muss der Einspruch innerhalb von zwei Monaten bei der Kommission eingereicht werden.472 Der Einspruch muss eine ordnungsgemäß begründete Erklärung zu den Bedingungen für die Inan‑ spruchnahme des Schutzes enthalten (Art. 98 GMO-VO). Die Einspruchsbe‑ rechtigung auf nationaler und europäischer Ebene ist identisch mit der Ein‑ 468  Der Weinsektor wurde erst nachträglich in die GMO-VO aufgenommen. Durch die Zusammenführung der gemeinsamen Marktorganisation für Wein mit der GMOVO wurden Schutzbezeichnungen für andere Sektoren aber nicht etabliert, Busse, ZfZ 2014, 113 (122). 469  Näher zu den inhaltsgleichen Definitionen der Vorgängerverordnung (EG) Nr. 1234/2007 Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 213 f.: Wie bei der Qualitätsregelung-VO beruht die Definition von g. g. A. auf Art. 22 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen. 470  Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, WeinG, § 22b Rn. 47 ff. 471  Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 219. 472  Art. 98 GMO-VO.



V. Produktrecht137

spruchsberechtigung aus der Qualitätsregelung-VO, so dass auch dieselben Anforderungen an diese zu stellen sind.473 Detaillierte Regeln für den Antrag und auch das Einspruchsverfahren finden sich in der Durchführungsverord‑ nung (EG) Nr. 607 / 2009474. Danach wird zunächst eine Zulässigkeitsprüfung vorgeschaltet, um daran anschließend eine materielle Prüfung mit der Mög‑ lichkeit durchzuführen, weitere Bemerkungen von Behörden oder einem Drittland (einschließlich des gegebenenfalls im Drittland ansässigen Antrag‑ stellers) einzuholen. Am Ende des Eintragungsverfahrens steht ein Durchfüh‑ rungsrechtsakt der Kommission (Art. 99 GMO-VO). Anders gestaltet sich die Eintragung eines traditionellen Begriffs. Hierfür finden sich in der Verordnung selbst keine Vorgaben. Lediglich aus den Be‑ stimmungen zum Erlass von Durchführungsrechtsakten und delegierten Rechtsakten in Art. 114–116 GMO-VO wird deutlich, dass es einen Antrag und Einspruchsmöglichkeiten geben muss. Die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009 gestaltet das Antragsverfahren aus und sieht zudem de‑ taillierte Regelungen für einen Einspruch vor (Art. 29 ff. Durchführungsver‑ ordnung (EG) Nr. 607 / 2009). Die Besonderheit liegt darin, dass die Durch‑ führungsverordnung keine Regelungen zu der ersten Stufe – dem nationalen Antragsverfahren –, sondern nur Bestimmungen hinsichtlich der zweiten Stufe – dem europäischen Verfahren – enthält. Daher werden die Mitglied‑ staaten auch nicht zu einem nationalen Einspruchsverfahren verpflichtet. Dies wird dadurch aufgefangen, dass nach Art. 37 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009 der Kreis der Einspruchsberechtigten auf europäischer Ebene erweitert wird. Einen Einspruch kann danach ein Mitgliedstaat, Dritt‑ land oder eine natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten In‑ teresse erheben. Die sonst auf europäischer Einspruchsebene ausgeschlosse‑ nen natürlichen und juristischen Personen des antragstellenden Mitgliedstaa‑ tes sind also umfasst. Der Einspruch auf europäischer Ebene ist innerhalb 473  Zu den Anforderungen siehe B. V. 1. b) aa); vgl. auch die Ausführungen zum deutschen § 22c Abs. 2 S. 2 WeinG bei Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, WeinG, § 22c Rn. 26. 474  Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durch‑ führungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse, ABl. L 193 vom 24.07.2009, S. 60, zul. geänd. durch delegierte Verordnung (EU) 2017/1353 der Kommission vom 19.  Mai 2017 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 hinsichtlich der Keltertraubensorten und ihrer Synonyme, die in der Etikettierung der Weine verwendet werden dürfen, ABl. L 190 vom 21.07.2017, S. 5. Die Durchführungsverordnung wurde noch für die VO (EG) Nr. 479/2008 (ABl. L 148 vom 06.06.2008, S. 1) erlassen, welche den Weinsektor vor der Eingliederung in die GMO-VO regelte. Dennoch gilt die Durchführungsverordnung auch für die GMO-VO in der aktuellen Fassung, siehe Schoene, ZLR 2015, 236 (240).

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B. Bestandsaufnahme

von zwei Monaten ab dem Eingang des Eintragungsantrages bei der Kom‑ mission einzureichen (Art.  37 Abs.  1 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009). Die weitere Ausgestaltung des Verfahrens ist identisch ausge‑ staltet wie bei den g. U. und g. g. A. (siehe Art. 37–39 Durchführungsverord‑ nung (EG) Nr. 607 / 2009). Zudem ist das Antragsverfahren und mithin auch das Einspruchsverfahren auf Änderungsanträge von traditionellen Begriffen anwendbar (Art. 42a Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009).475 Ob der traditionelle Begriff eingetragen wird, wird letztlich durch die Kommis‑ sion entschieden unter Berücksichtigung der vorliegenden Nachweise (Art. 39 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009). cc) Aromawein-VO Die Aromawein-VO regelt Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufma‑ chung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für diese (Art. 1 Abs. 1 Aromawein-VO). Bei aromatisierten Weinerzeugnissen ist somit nur der Schutz von geografischen Angaben und kein Schutz von Ursprungsbezeichnungen oder traditionellen Bezeichnungen möglich.476 Die Definition der geografischen Angabe in Art. 2 Nr. 3 Aromawein-VO entspricht weitestgehend der Definition aus der Qualitätsregelung-VO. Allerdings wird nicht gefordert, dass mindestens ein Produktionsschritt in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen muss. Das Eintragungsverfahren in Art. 10 ff. Aromawein-VO ist wieder zweistu‑ fig und damit parallel zur Qualitätsregelung-VO ausgestaltet. Das nationale Verfahren muss nach Art. 13 Abs. 3 UAbs. 2 Aromawein-VO wie bei der Qualitätsregelung-VO ein Einspruchsverfahren für natürliche oder juristische Personen mit einem berechtigten Interesse, die in dem Mitgliedstaat ansässig oder niedergelassen sind, vorsehen. Die Frist muss mindestens zwei Monate ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Schutzantrages betragen und der Einspruch muss eine hinreichend begründete Erklärung enthalten. Das sich 475  Inwieweit dies auch noch nach der Neufassung der GMO-VO im Jahr 2013 haltbar ist, ist fraglich, da eine entsprechende Regelung für die Änderungen von g. U. und g. g. A. aus der GMO-VO herausgenommen wurde und daher die Verweisung in Art. 20 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607/2009 obsolet geworden ist. Dennoch scheint sich der europäische Gesetzgeber grundsätzlich nicht davon abge‑ wendet zu haben, auch bei Änderungen die Antrags- und Einspruchsverfahren ent‑ sprechend anzuwenden, da sich in der Aromawein-VO aus dem Jahr 2014 in Art. 24 eine entsprechende Regelung für Änderungsverfahren findet. Es liegt somit am euro‑ päischen Gesetzgeber, die ohnehin an die neuen Regelungen der GMO-VO anpas‑ sungsbedürftige Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607/2009 zu ändern, um Klarheit zu schaffen. 476  Siehe auch EWG Nr. 15 und Kapitel III Aromawein-VO.



V. Produktrecht139

anschließende Verfahren bei der Europäischen Kommission ermöglicht eben‑ falls ein unionales Einspruchsverfahren nach Art. 15 Aromawein-VO. Inner‑ halb von zwei Monaten kann jeder Mitgliedstaat, jedes Drittland und jede natürliche oder juristische Person mit einem berechtigten Interesse, die in einem anderen als dem Antragsmitgliedstaat oder in einem Drittland ansässig oder niedergelassen ist, Einspruch mittels einer hinreichend begründeten Er‑ klärung bei der Kommission einreichen. Allerdings ist bei diesem Verfahren kein Konsultationsverfahren wie bei der Qualitätsregelung-VO vorgesehen. Mittels eines Durchführungsrechtsaktes entscheidet die Kommission über die Eintragung der geografischen Angabe (Art. 16 Aromawein-VO). Nach Art. 24 Abs. 2 und 25 Aromawein-VO gelten die Regelungen von Art. 13–16 Aromawein-VO ebenfalls für Änderungen von Produktspezifika‑ tionen und Löschung des Schutzes einer geografischen Angabe. Nach Art. 28 und 29 Aromawein-VO besteht für die Kommission die Möglichkeit, delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte u. a. über das Antrags- und Einspruchsverfahren zu erlassen, wovon allerdings noch kein Gebrauch gemacht wurde. dd) Spirituosen-VO Wie die Aromawein-VO beschränkt sich der Gegenstand der Spirituo‑ sen‑VO auf Regeln für die Begriffsbestimmung, Aufmachung und Etikettie‑ rung von Spirituosen sowie den Schutz geografischer Angaben (Art. 1 Abs. 1 Spirituosen-VO). Wie bei der Aromawein-VO ist nur die Eintragung von geografischen Angaben möglich.477 Andere Schutzbezeichnungen sind für Spirituosen nicht vorgesehen.478 Die Definition der geografischen Angabe in Art. 15 Abs. 1 Spirituosen-VO deckt sich mit der Begriffsbestimmung nach der Aromawein-VO und setzt im Gegensatz zur Qualitätsregelung-VO kei‑ nen Produktionsschritt in dem Gebiet voraus.479 Ebenfalls von der Qualitätsregelung-VO abweichend gestaltet sich das An‑ tragsverfahren für die Eintragung einer geografischen Angabe. Zwar erfolgt die Anmeldung der Eintragung einer geografischen Angabe bei dem Mit‑ gliedstaat, dieser leitet den Antrag aber nur an die Kommission weiter, ohne eine sachliche Prüfung vorzunehmen.480 Ein Einspruchsverfahren findet so‑ mit nicht auf nationaler, sondern nur auf europäischer Ebene statt. Als Kon‑ 477  Siehe

auch EWG Nr. 14 und Art. 15 ff. Spirituosen-VO. auch Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 195. 479  Die Definition beruht auf Art. 22 Abs. 1 TRIPS-Übereinkommen, Mantrov, EU Law on Indications of Geographical Origin, S. 195 f. 480  Schoene, ZLR 2015, 236 (237). 478  Siehe

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B. Bestandsaufnahme

sequenz wird die Einspruchsberechtigung – wie bei der GMO-VO – beim europäischen Verfahren weit ausgestaltet. Nach Art. 17 Abs. 7 SpirituosenVO kann jede natürliche oder juristische Person, die ein berechtigtes Inter‑ esse hat, Einspruch bei der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach der Veröffentlichung der technischen Unterlagen einlegen. Detailbestimmun‑ gen zum Antrag und zum Einspruchsverfahren finden sich in der Durchfüh‑ rungsverordnung (EU) Nr. 716 / 2013481. Die Regelungen der Art. 13–15 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 716 / 2013 sind deckungsgleich mit de‑ nen in der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009 zur GMO-VO und enthalten somit eine Zulässigkeitsprüfung und eine daran anschließende ma‑ terielle Prüfung, bei der weitere Bemerkungen eingeholt werden können. Ein Konsultationsverfahren wie in der Qualitätsregelung-VO erfolgt nicht. Die Kommission beschließt im Regelungsverfahren mit Kontrolle, ob die Eintragung der geografischen Angabe erfolgt (Art. 17 Abs. 8 SpirituosenVO). Dabei berücksichtigt sie die erhobenen Einsprüche. Soll die geografi‑ sche Angabe geschützt werden, wird diese in Anhang III der Spirituosen-VO eingetragen. Das Verfahren nach Art. 17 Spirituosen-VO gilt ebenfalls für eine Ände‑ rung der technischen Unterlagen mit den notwendigen Spezifikationen für die Spirituosen, welche bei der Antragsstellung eingereicht werden müssen. c) Zwischenergebnis: Wirtschaftliche Unternehmensinteressen, Verbraucherschutz und Schutz von bestehenden Rechten als Leitinteressen Die Vorschriften zur Beteiligung im Lebensmittelrecht zielen im Wesentli‑ chen auf drei verschiedenartige Interessen ab: wirtschaftliche Unternehmens‑ interessen, Verbraucherschutz und Schutz von bestehenden Rechten. Die wirtschaftlichen Unternehmensinteressen und der Verbraucherschutz können bei der Beteiligung von Dritten in der Health-Claims-VO und der AnreicherungsVO geltend gemacht werden. Beide Verordnungen sehen bei 481  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 716/2013 der Kommission vom 25.  Juli 2013 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Euro‑ päischen Parlaments und des Rates zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufma‑ chung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen ABl. L 201 vom 26.07.2013, S. 21, zul. geänd. durch Durchführungs‑ verordnung (EU) Nr. 1239/2014 der Kommission vom 19. November 2014 zur Ände‑ rung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 716/2013 mit Durchführungsbestim‑ mungen zur Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen, ABl. L 333 vom 20.11.2014, S. 5.



V. Produktrecht141

der Änderung von Anhängen die Einbeziehung von Interessengruppen vor und heben die Lebensmittelunternehmen und die Verbraucherverbände her‑ vor. Diese Einbeziehung soll ermöglichen, dass bei den wirtschaftlich inter‑ essanten Bereichen der Lebensmittelwerbung und der Lebensmittelanreiche‑ rung ein Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Lebensmit‑ telunternehmen an einer guten Vermarktung und den Interessen der Verbrau‑ cher an einem Schutz vor Täuschung geschaffen wird. Die Regelungen zur Beteiligung der Health-Claim-VO und der AnreicherungsVO gestalten sich ähnlich. Vor Änderung der entsprechenden Anhänge werden Interessengrup‑ pen einbezogen, die so einen Beitrag zur Gestaltung der Anhänge leisten können. Lediglich bei den nährwertbezogenen Angaben der Health-ClaimsVO steht die Beteiligung nur im Ermessen der Kommission. Beide Verord‑ nungen gehen aber nicht darauf ein, inwieweit die Bemerkungen der Interes‑ sengruppen tatsächlich berücksichtigt werden. Die vier Verordnungen, welche den Schutz geografischer Bezeichnungen vorsehen, dienen im Wesentlichen dem Schutz von bestehenden Rechten. Durch die Einspruchsverfahren auf mitgliedstaatlicher und europäischer Ebene können bereits bestehende Rechte, einschließlich Markenrechte, gel‑ tend gemacht werden. Dabei weisen die Verordnungen einen zum Großteil parallelen Aufbau auf und ermöglichen einen Einspruch auf zwei Ebenen. Le‑ diglich die traditionellen Begriffe aus der GMO-VO und die geografischen Angaben aus der Spirituosen-VO weisen die Besonderheit auf, dass nur ein auf der europäischen Ebene konzentriertes Einspruchsverfahren durchgeführt wird. Konsequent ist bei diesen beiden Ausnahmen aber, dass der Adressaten‑ kreis der Einsprechenden auch auf die Angehörigen des Antragsmitgliedstaa‑ tes ausgeweitet wird. Alle Verordnungen geben klar vor, welche Personen Ein‑ spruch erheben können, und konkretisieren in den Durchführungsverordnun‑ gen das Einspruchsverfahren. Einzig bei der neuesten Verordnung, der Aroma‑ wein-VO, fehlt bislang eine Durchführungsverordnung, so dass bei diesem Rechtsakt die Bestimmungen zum Einspruch am wenigsten detailliert sind. Der Einspruch auf europäischer Ebene folgt in der GMO-VO und der Spiritu‑ osen-VO dem Schema einer vorgeschalteten Zulässigkeitsprüfung und einer daran anschließenden materiellen Prüfung mit der Möglichkeit, weitere Be‑ merkungen einzuholen. Da die Aromawein-VO in ihrer Ausgestaltung der Be‑ stimmungen zum Einspruch deckungsgleich mit der GMO-VO und der Spiri‑ tuosen-VO ist, ist es für den europäischen Gesetzgeber ratsam, bei Erlass einer Durchführungsverordnung eine parallele Ausgestaltung vorzunehmen. Die Qualitätsregelung-VO weicht von dem Schema der GMO-VO und der Spirituosen-VO ab, indem nach der Zulässigkeitsprüfung ein Konsultations‑ verfahren zur Einigung und keine materielle Prüfung mit der Möglichkeit, Be‑ merkungen einzuholen, durchgeführt wird. Dies verwundert zunächst, da die Qualitätsregelung-VO die Grundverordnung in dem Bereich des Schutzes

142

B. Bestandsaufnahme

geografischer Bezeichnungen ist und daher ein gleichlaufendes Verfahren sinnvoll wäre. Allerdings weichen die Verfahren nicht in erheblichem Maße voneinander ab. Bei den Bemerkungen im Wein- und Spirituosensektor sind die Behörden des Mitgliedstaates oder des Drittlandes, in welchem der Antrag gestellt wurde, und der in einem Drittland ansässige Antragsteller bzw. die jeweilige Organisation einzubeziehen (siehe Art. 16 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1308 / 2013, Art. 15 Abs. 1 Durchfüh‑ rungsverordnung (EU) Nr. 716 / 2013). Beim Konsultationsverfahren nach Art. 51 Abs. 3 Qualitätsregelung-VO werden die Einsprechenden und die Be‑ hörde oder Stelle, die den Eintragungsantrag eingereicht hat, einbezogen. Die Adressatenkreise dieser beiden Verfahren weichen somit nicht in erheblichem Maße voneinander ab. Dennoch fällt auf, dass nur bei der QualitätsregelungVO der Antragsteller in jedem Fall und nicht nur, wenn dieser in einem Dritt‑ land ansässig ist, einzubeziehen ist. Auch soll beim Konsultationsverfahren durch die direkten Gespräche mit dem Einsprechenden, dem Antragsteller und der Behörde „auf Augenhöhe“ eine Einigung erzielt werden, während im Wein- und Spirituosensektor nur noch eine weitere Möglichkeit für die Kom‑ mission besteht, Bemerkungen einzuholen, bevor sie ihre Entscheidung trifft. Direkte Gespräche und eine Einigung bezwecken diese Verfahren nicht.

2. Markenrecht Im Bereich des Markenrechts werden zwei Sekundärrechtsakte für die Un‑ tersuchung einbezogen: die Unionsmarken-VO und die Marken-RL. Bereits seit Einführung des europäischen Markensystems 1993 enthält die Unions‑ marken-VO Möglichkeiten für Dritte, sich zu beteiligen.482 Seit der Neufas‑ sung Ende 2015 enthält auch die Marken-RL an die Unionsmarken-VO an‑ gelehnte Bestimmungen zur Drittbeteiligung. a) Unionsmarken-VO Die Unionsmarken-VO legt ein einheitliches, unmittelbar in allen Mitglied‑ staaten geltendes, grenzüberschreitendes Markenrecht fest.483 Nach einer Re‑ form im Jahr 2015484 wurde die Verordnung mit Wirkung zum 01.10.2017 neugefasst. 482  Art. 41 ff. Vorgängerverordnung (EG) Nr. 40/94, welche noch die Bezeichnung der Gemeinschaftsmarke enthält. 483  Fezer, in: Fezer, Markenrecht, F. Gemeinschaftsmarkenrecht, Rn. 2; Ingerl/ Rohnke, in: Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Einleitung zum Markengesetz Rn. 27. 484  Vgl. Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates



V. Produktrecht143

Die Beteiligung von Dritten bei der Unionsmarken-VO findet sich bei mehreren Eintragungsverfahren verschiedener Markenarten. Dabei wird die Beteiligung zunächst bei der Eintragung einer Unionsmarke geregelt und ist durch Verweisung auch bei anderen Markenarten anwendbar. Eine Unions‑ marke ist eine nach den Verordnungsvoraussetzungen eingetragene Marke für Waren und Dienstleistungen.485 Sie ist einheitlich, hat einheitliche Wir‑ kung für die Union und kann daher nur für das gesamte Gebiet eingetragen, übertragen, untersagt o. ä. werden.486 Hervorzuheben ist, dass sich die Betei‑ ligungen bei der Unionsmarkeneintragung in einem eigenständigen Abschnitt der Verordnung finden (Kapitel IV Abschnitt 4 „Bemerkungen Dritter und Widerspruch“). Danach besteht bei der Eintragung einer Unionsmarke die Möglichkeit für Dritte, Bemerkungen vorzubringen. Dafür bestimmt Art. 45 Unionsmarken-VO, dass natürliche oder juristische Personen sowie die Ver‑ bände der Hersteller, Erzeuger, Dienstleistungsunternehmer, Händler und Verbraucher beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)487 schriftliche Bemerkungen einreichen können. Durch die Auflis‑ tung von Verbänden neben juristischen Personen wird verdeutlicht, dass auch nicht rechtsfähige Verbände zur Einreichung von Bemerkungen befugt sind. Auch ein Rechtsschutzbedürfnis oder die Wahrnehmung von eigenen oder fremden Interessen ist nicht notwendig.488 Dabei müssen sich Dritte auf die Gründe in Art. 5 und Art. 7 Unionsmarken-VO berufen. Erstere Bestimmung regelt die Inhaberschaft von Unionsmarken, während letztere die sog. abso‑ luten Eintragungshindernisse festgelegt. Diese schützen keine privaten, son‑ dern dienen dem Schutz öffentlicher Interessen.489 Eintragungshindernisse bestehen u. a. bei eingetragenen geografischen Bezeichnungen. Seit der Re‑ form 2015 wurde dieser Schutz ausgeweitet und nach Art. 7 Abs. 1 lit. j)–k) Unionsmarken-VO ist die Eintragung von Marken ausgeschlossen, die g. U., g.A., traditionelle Bezeichnungen oder g. t. S. schützen.

über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschafts‑ marke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren, ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 21. 485  Art. 1 Abs. 1 Unionsmarken-VO. 486  Art. 1 Abs. 2 Unionsmarken-VO. 487  Vor der Reform 2015 „Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)“, kurz HABM. 488  Klingelhöfer, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht, UMV, Art. 40 Rn. 6; Schennen, in: Eisenführ/Schennen, Unionsmarken‑ verordnung, Art. 40 Rn. 5. 489  Hanf, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Marken‑ recht, UMV, Art. 7 vor Rn. 1.

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B. Bestandsaufnahme

Durch die Möglichkeit Dritter, Bemerkungen einzureichen, werden unge‑ rechtfertigte Markeneintragungen unterbunden, ohne dass im Nachhinein ein aufwändiges Nichtigkeitsverfahren eingeleitet werden müsste.490 Zudem kann zusätzlicher Sachverstand, welcher durch die Bemerkungen eingebracht werden kann, insbesondere bei technischen Spezialbegriffen hilfreich sein.491 Zwar sind die absoluten Eintragungshindernisse von Amts wegen zu berücksichtigen;492 durch die Bemerkungen wird das EUIPO aber zusätzlich auf etwaige Eintragungshindernisse aufmerksam gemacht und kann bei be‑ gründeten Zweifeln dem Anmelder eine Frist zu Entkräftung der Beanstan‑ dungen setzen.493 Werden diese Zweifel nicht ausgeräumt, wird der Antrag nach Art. 42 Unionsmarken-VO zurückgewiesen. Ansonsten wird die Anmel‑ dung zur Eintragung übermittelt.494 Das Verfahren für die Einreichung von Bemerkungen lässt sich aus der Unionsmarken-VO selbst nicht entnehmen. Da auch in der delegierten Ver‑ ordnung (EU)  2017 / 1430495 keine Vorschriften zu Anwendung von Art. 45 Unionsmarken-VO vorhanden sind, hat der Präsident des EUIPO in einer Mitteilung einen Leitfaden über das Verfahren der Bemerkungen erlassen, in welcher detaillierte Vorgaben gemacht werden.496 Die Bemerkungen müssen in einer Sprache des EUIPO oder in der Sprache der Markeneintragung ein‑ gereicht werden. Nach Eingang der Bemerkungen wird innerhalb von einem Monat entschieden, ob die Bemerkung ernsthafte Zweifel an der Eintra‑ gungsfähigkeit der Marke hegt.497 Allerdings erhält der Dritte durch das EU‑ 490  Klingelhöfer, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht, UMV, Art. 40 Rn. 1; Bender, MarkenR 2013, 129 (135). 491  Bender, MarkenR 2013, 129 (135). 492  Hanf, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Marken‑ recht, UMV, Art. 7 vor Rn. 1. 493  Klingelhöfer, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht, UMV, Art. 40 Rn. 14. 494  Klingelhöfer, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht, UMV, Art. 40 Rn. 14. 495  Delegierte Verordnung (EU) 2017/1430 der Kommission vom 18.  Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Unionsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission und der Ver‑ ordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission, ABl. L 205 vom 08.08.2017, S. 1. 496  Mitteilung Nr. 2/09 des Präsidenten des Amtes vom 09.11.2009 betreffend Be‑ merkungen gemäß Artikel 40 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarken, HABM ABl. 12/2009, S. 1 (abrufbar unter https://oami.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/ guest/document_library/contentPdfs/trade_marks/_process/co2-09_de.pdf (Stand: 19.10.2017)). 497  Mitteilung Nr. 2/09 des Präsidenten des Amtes vom 09.11.2009 betreffend Be‑ merkungen gemäß Artikel 40 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarken, HABM ABl. 12/2009, S. 2; siehe auch Richtlinien für die vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) durchgeführte Prüfung – Gemeinschafts‑



V. Produktrecht145

IPO keine Mitteilung über die Behandlung seiner Bemerkung oder die end‑ gültige Entscheidung. Es wird hierfür lediglich auf die Website des EUIPO verwiesen, auf der der Dritte sich über den Stand des Verfahrens informieren kann.498 Konkretisierungen für Art. 45 Unionsmarken-VO müssen also dem Leitfaden entnommen werden. Seit der Reform schreibt aber zumindest der neu eingefügte Abs. 2 von Art. 45 Unionsmarken-VO vor, dass Bemerkungen Dritter vor Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. vor abschließender Entschei‑ dung über den Widerspruch einzureichen sind. Damit greift der geänderte Art. 45 Unionsmarken-VO ein weiteres Verfah‑ ren für die Beteiligung von Dritten bei der Eintragung von Marken auf: das Widerspruchsverfahren. Geregelt ist dieses in Art. 46 f. Unionsmarken-VO. Widerspruch können nach Art. 46 Abs. 1 Unionsmarken-VO Inhaber von äl‑ teren Marken oder Kennzeichenrechten einlegen. Diese müssen sich auf die sog. relativen Eintragungshindernisse aus Art. 8 Unionsmarken-VO stützen. Dabei wurde durch die Reform neu eingefügt, dass auch bereits angemeldete, aber noch nicht eingetragene g. U. oder g. g. A. einen Widerspruch begründen (Art. 8 Abs. 6 Unionsmarken-VO). Diese sind somit schon mit der Antrag‑ stellung gegenüber jüngeren Markenanmeldungen unter dem Vorbehalt ge‑ schützt, dass sie im Folgenden auch eingetragen werden. Dadurch soll ein späteres Nichtigkeitsverfahren vermieden werden.499 Absolute Eintragungs‑ hindernisse können hingegen nur nach Art. 45 Unionsmarken-VO als Bemer‑ kung geltend gemacht werden,500 wobei es jedoch möglich ist, die absoluten Eintragungshindernisse im Widerspruchsschriftsatz zu benennen und eindeu‑ tig als Bemerkungen zu kennzeichnen.501 Der Widerspruch muss innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung schriftlich und be‑ marken, Teil B Prüfung, Abschnitt 1: Verfahren, vom 01.08.2015, S. 6 (abrufbar unter https://oami.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/_library/contentPdfs/law_ and_practice/trade_marks_practice_manual/WP/Part-B/01-part‌_b_examination_sec tion_1_proceedings/part_b_examination_section_1_proceedings_de.pdf (Stand: 19.10.2017)). 498  Mitteilung Nr. 2/09 des Präsidenten des Amtes vom 09.11.2009 betreffend Be‑ merkungen gemäß Artikel 40 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarken, HABM ABl. 12/2009, S. 1; siehe auch Richtlinien für die vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) durchgeführte Prüfung – Gemeinschafts‑ marken, Teil B Prüfung, Abschnitt 1: Verfahren, vom 01.08.2015, S. 6. 499  Bender, MarkenR 2016, 10 (12). 500  Mitteilung Nr. 2/09 des Präsidenten des Amtes vom 09.11.2009 betreffend Be‑ merkungen gemäß Artikel 40 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarken, HABM ABl. 12/2009, S. 2. 501  Richtlinien für die vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) durchgeführte Prüfung – Gemeinschaftsmarken, Teil C Wider‑ spruchsabschnitt, Abschnitt 1: Verfahrensfragen, vom 01.02.2015, S. 6 (abrufbar unter https://oami.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/content Pdfs/law_and_practice/trade_marks_practice_manual/WP/Part-C/01-part_c_opposi

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B. Bestandsaufnahme

gründet eingereicht werden und es ist eine Widerspruchsgebühr zu entrichten (Art. 46 Abs. 1, 3 Unionsmarken-VO). Zuständig für die Prüfung ist die Widerspruchsabteilung des EUIPO (Art. 159 lit. b), 161 Unionsmarken-VO). Das Prüfungsverfahren ist in Art. 47 Unionsmarken-VO geregelt. Detaillierte Vorgaben für das Wider‑ spruchsverfahren finden sich in der delegierten Verordnung (EU) 2017 / 1430 (siehe Art. 2 ff.). Darin sind Vorgaben über die Widerspruchsschrift (Art. 2) und die Zulässigkeit eines Widerspruchs (Art. 5) normiert. Hervorzuheben ist die sog. Cooling-off-Frist in Art. 6, welche nach der Zulässigkeitsprü‑ fung, aber vor dem Beginn des Widerspruchsverfahrens für eine gütliche Einigung zwischen Anmelder und Widersprechendem innerhalb von höchs‑ tens 24 Monaten sorgen soll. Erst wenn keine gütliche Einigung erzielt wer‑ den konnte, beginnt das eigentliche Widerspruchsverfahren, bei welchem Informationen und Beweismittel durch den Anmelder und den Widerspre‑ chenden eingebracht werden (Art. 7 Abs. 1). Der Widersprechende muss auch erst in diesem Abschnitt die Widerspruchsbefugnis nachweisen (Art. 7 Abs. 2). Der Widerspruch wird dann von dem EUIPO geprüft (Art. 8). Das EUIPO hat zudem Richtlinien erlassen, welche die Markenpraxis im Bereich des Widerspruchsverfahrens niederlegen.502 Diese Richtlinien enthalten all‑ gemeine Anweisungen zu der Amtspraxis und gelten daher als wichtigste Referenzunterlagen für Nutzer und für Fachberater, müssen aber an den je‑ weiligen Einzelfall angepasst werden. Allerdings sind die Richtlinien nicht rechtsverbindlich.503 Die Eintragung einer Marke erfolgt nach Art. 51 Unionsmarken-VO, wenn die Anmeldung den Vorschriften der Verordnung entspricht und kein Wider‑ spruch erhoben wurde oder wenn dieser sich durch Zurücknahme, Zurück‑ weisung oder auf andere Weise endgültig erledigt hat. Eine Zurücknahme tion_section_1_procedural_matters/part_c_opposition_section_1__matters_de.pdf (Stand: 19.10.2017)). 502  Nach der Reform wurden zwei Richtlinien zum Widerspruchsverfahren vom EUIPO erlassen: Prüfungsrichtlinie für Unionsmarken, Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), Teil C Widerspruch, Abschnitt 0 Einführung (abruf‑ bar unter https://euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/ contentPdfs/law_and_practice/trade_marks_practice_manual/WP_2_2017/Part-C/00part_c_opposition_section_0_introduction/part_c_opposition_section_0_‌introduction_ de.pdf (Stand: 19.10.2017)) und Prüfungsrichtlinie für Unionsmarken, Amt der Euro‑ päischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), Teil C Widerspruch, Abschnitt 1 Verfahrensfragen (abrufbar unter https://euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/ guest/document_brary/contentPdfs/law_and_practice/trade_marks_practice_manual/ WP_2_2017/Part-C/01-part_c__section_1_procedural_matters/part_c_opposition_sec‑ tion_1_procedural_matters_de.pdf (Stand: 19.10.2017)). 503  Dies stellt das EUIPO ausdrücklich in seinen Erläuterungen zu den Richtlinien fest, https://euipo.europa.eu/ohimportal/de/trade-mark-guidelines (Stand: 19.10.2017).



V. Produktrecht147

erfolgt durch den Einsprechenden selbst, z. B. während der Cooling-off-Frist. Zurückgewiesen wird der Widerspruch, wenn eine oder mehrere Zulässig‑ keitsvoraussetzungen nicht vorliegen und der Widerspruch daher unzulässig ist (siehe Art. 5 delegierte Verordnung (EU)  2017 / 1430). Als unbegründet kann der Widerspruch zudem abgewiesen werden, wenn nach der Begründet‑ heitsprüfung keine Rechtsverletzung nachgewiesen werden kann (Art. 8 dele‑ gierte Verordnung (EU)  2017 / 1430). Der Widerspruch hat somit eine Veto‑ funktion. Daher soll ein etwaiger Missbrauch des Widerspruchsverfahrens durch eine Entschädigungsregelung und mit Hilfe des Kostenrechts unter‑ bunden werden.504 Gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung kann Beschwerde nach Art. 66 ff. Unionsmarken-VO eingelegt werden. Grundsätzlich können aber nur abschließende Entscheidungen angefochten werden (Art. 66 Abs. 2 Unionsmarken-VO). Dabei sind Entscheidungen über einen zulässigen Wi‑ derspruch oder Aufforderungen zur Substantiierung des Widerspruchs durch das EUIPO noch nicht abschließend,505 sondern erst die endgültige Beurtei‑ lung des Widerspruchs. Zudem muss eine Beschwer nach Art. 67 Unions‑ marken-VO vorliegen, die beim Widersprechenden nur bejaht werden kann, wenn die Eintragung der Marke vorgenommen wurde und somit das Ziel des Widerspruchs auf Verhinderung der Eintragung gescheitert ist.506 Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein Mediationsverfahren durchzuführen.507 Diese beiden Beteiligungsmöglichkeiten – Einreichung von Bemerkungen und Widerspruch – finden auch bei der Eintragung von Unionkollektivmar‑ ken (Art.  74  ff. Unionsmarken-VO), von Unionsgewährleistungsmarken (Art.  83  ff. Unionsmarken-VO) und bei internationalen Registrierungen (Art. 182 ff. Unionsmarken-VO) entsprechende Anwendung, wobei bei letz‑ terer nur die Möglichkeit des Widerspruchs und nicht der Einreichung von Bemerkungen eröffnet wird.

504  Spuhler, Das System des internationalen und supranationalen Schutzes von Marken und geographischen Herkunftsangaben, S. 228. 505  Bartos, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Mar‑ kenrecht, UMV, Art. 58 Rn. 8.1, 8.2. 506  Bartos, in: Kur/von Bomhard/Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Mar‑ kenrecht, UMV, Art. 59 Rn. 3.3. 507  Siehe dazu Beschluss Nr. 2013-3 des Präsidiums der Beschwerdekammern vom 05.07.2013 über die gütliche Beilegung von Streitfällen („Mediationsbeschluss“) (abrufbar unter https://euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_li‑ brary/contentPdfs/law_and_/presidium_boards_appeal/presidium_decision_2013-3_ de.pdf (Stand: 19.10.2017)).

148

B. Bestandsaufnahme

b) Marken-RL Als zweiter Sekundärrechtsakt wird im Bereich des Markenrechts die Marken-RL in die Untersuchung einbezogen. Bei dieser Richtlinie wurde die Beteiligung von Dritten erst durch die Reform im Jahr 2015 eingeführt. Zu‑ vor war den Mitgliedstaaten lediglich in EWG Nr. 6 Vorgängerrichtlinie 2008 / 95 / EG508 freigestellt, entsprechende Verfahrensbestimmungen, worun‑ ter beispielsweise ein Widerspruchsverfahren gefasst wurde, zu erlassen. Eine Beteiligung war in der Vorgängerrichtlinie somit nicht normiert. Mit der Neufassung der Marken-RL wurden Beteiligungsverfahren in Art. 40 und 43 Marken-RL bei der Eintragung von Marken statuiert. Art. 40 Marken-RL schafft die Möglichkeit für Dritte, Bemerkungen ein‑ zureichen. Als Dritte gelten nach Abs. 1 natürliche oder juristische Personen sowie die Verbände der Hersteller, Erzeuger, Dienstleistungsunternehmer, Händler und Verbraucher. Diese müssen die Bemerkungen schriftlich einrei‑ chen und darin erläutern, aus welchen Gründen die Marke von Amts wegen nicht eingetragen werden soll. Die absoluten Eintragungshindernisse aus Art. 4 Marken-RL können solche Gründe darstellen. Bei den absoluten Ein‑ tragungshindernissen wurden zur Gewährleistung des Schutzes eingetragener geografischer Bezeichnungen dieselben Regelungen wie bei der Unionsmar‑ ken-VO aufgenommen (siehe Art. 5 Abs. 1 lit. j)–k) Marken-RL).509 Zusätz‑ lich können sich bei Kollektivmarken und, sofern geregelt, bei Gewährleis‑ tungs- und Garantiemarken schriftliche Bemerkungen auf spezifische Zu‑ rückweisungsgründe aus Art. 31 Abs. 1, 2 Marken-RL stützen (Art. 40 Abs. 2 Marken-RL). Durch die Bemerkungen Dritter soll verhindert werden, dass Marken ungerechtfertigt eingetragen werden, damit sich die Mitgliedstaaten ein aufwändiges Nichtigkeitsverfahren sparen.510 Allerdings muss hervorge‑ hoben werden, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 40 Marken-RL nicht ver‑ pflichtet sind, Bemerkungen Dritter zu ermöglichen („Die Mitgliedstaaten können vorsehen, […]“). Im Gegensatz dazu schreibt die Richtlinie in Art. 43 die Einführung eines Widerspruchsverfahrens gegen die Eintragung aufgrund der relativen Eintra‑ gungshindernisse bzw. Nichtigkeitsgründe aus Art. 5 Marken-RL verpflich‑ tend vor. Dadurch soll ein wirksamer Markenschutz gewährleistet und in den 508  Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 299 vom 08.11.2008, S. 25. 509  EWG Nr. 15 Marken-RL. 510  Bender, MarkenR 2013, 129 (135); Bender, MarkenR 2016, 10 (18); kritisch zur Einführung von Art. 40 Marken-RL Kramer/Geiger, MarkenR 2013, 409 (414 f.), welche die Verzögerung des Verfahrens befürchten, insb. wegen der fehlenden Rege‑ lung einer Einreichungsfrist für die Bemerkungen.



V. Produktrecht149

Mitgliedstaaten, welche bislang keinen Widerspruch durchführen, das Erhe‑ ben von auf ältere Markenrechte und eingetragene geografische Bezeichnun‑ gen gestützte Einwendungen erleichtert werden.511 Art. 43 Abs. 2 Marken-RL stellt eine Mindestanforderung an die Widerspruchsbefugnis,512 indem in je‑ dem Fall die Inhaber älterer Rechte und die zur Ausübung einer geschützten geografischen Bezeichnung berechtigten Personen Widerspruch erheben kön‑ nen. In Abs. 3 wird eine Cooling-off-Frist festgelegt, welche sich schon bei der Unionsmarke bewährt hat,513 wodurch sich Kosten vermeiden lassen.514 Der Unionsgesetzgeber hat sich somit für eine direkte Regelung im Basis‑ rechtsakt entschieden, während bei der Unionsmarken-VO die Cooling-offFrist in der delegierten Verordnung vorgeschrieben wird. Dennoch bleibt auch bei dem obligatorischen Widerspruchsverfahren ein Ermessensspielraum für die Mitgliedstaaten. Es wurde nicht festgelegt, ob der Widerspruch der Eintragung vor- oder nachgeschaltet ist.515 Zwar stellt Art. 16 Abs. 2 Marken-RL auf ein nachgeschaltetes Widerspruchsverfahren ab, mit der Einführung des Widerspruchsverfahrens sollte aber gerade eine Angleichung an die Unionsmarken-VO erfolgen,516 welche ein vorgeschalte‑ tes Verfahren vorsieht. Letztlich ist es also dem nationalen Gesetzgeber über‑ lassen worden, wann das Widerspruchsverfahren nach der Marken-RL durch‑ geführt werden soll. c) Zwischenergebnis: Bemerkungen Dritter und Widerspruch als Beteiligungsformen Im Markenrecht wurden bei den Eintragungsentscheidungen zwei ver‑ schiedene Beteiligungsformen etabliert. Es besteht die Möglichkeit für Dritte, Bemerkungen vorzubringen oder Widerspruch einzureichen. Die Unionsmar‑ ken-VO schreibt die Beteiligungen bei vier Markenarten vor, wobei der eu‑ ropäische Gesetzgeber sich für ein Verweisungssystem auf die Unionsmarke als Grundform entschieden hat. Bei drei Markenarten sind beide Beteili‑ gungsformen – Bemerkungen Dritter und Widerspruch – möglich. Lediglich bei der internationalen Registrierung findet sich nur das Widerspruchsverfah‑ ren. Das Widerspruchsverfahren ist ein stark institutionalisiertes Verfahren, 511  EWG Nr. 38 Marken-RL; siehe auch Bender, MarkenR 2016, 10 (18); KunzHallstein/Loschelder, GRUR 2013, 800 (806). 512  Kramer/Geiger, MarkenR 2013, 409 (413). 513  Bender, MarkenR 2016, 10 (18), welcher auf die fast 70 %ige Erledigung von Widerspruchsverfahren ohne streitige Entscheidung des EUIPO verweist. 514  Kramer/Geiger, MarkenR 2013, 409 (413). 515  Bender, MarkenR 2013, 129 (135). 516  Siehe Lerach, GRUR-Prax 2013, 195 (196).

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B. Bestandsaufnahme

was durch die Regelungen der delegierten Verordnung deutlich wird. Es gibt eine eigene Widerspruchsabteilung beim EUIPO und die Widerspruchsprü‑ fung teilt sich in eine Zulässigkeitsprüfung und eine Prüfung der materiellen Aspekte. Auch die Cooling-off-Frist stellt eine Besonderheit dar, die darauf abzielt eine gütliche Einigung herbeizuführen. Zudem besteht die Möglich‑ keit, eine Beschwerde gegen die Entscheidung einzureichen. Über die Aus‑ wirkungen der Beteiligungsverfahren informiert das EUIPO auf seiner Web‑ site: So gehen jährlich etwa 200 bis 250 Bemerkungen nach Art. 45 Unions‑ marken-VO ein, wovon ca. 25 % zu einer erneuten Prüfung führen.517 Auch in der Marken-RL finden sich seit der Reform im Jahr 2015 beide Beteiligungsformen. Die Richtlinie wurde durch die Reform in Bezug auf die Beteiligung von Dritten gestärkt. Allerdings ist ihr Beteiligungssystem durch die fakultative Einreichung von Drittbemerkungen und das Widerspruchsver‑ fahren, was nicht explizit der Eintragung vorgeschaltet sein muss, nicht ver‑ gleichbar mit dem der Unionsmarken-VO. Der gewollte Gleichlauf der Be‑ stimmungen im Markenrecht ist somit trotz sehr ähnlicher Voraussetzungen der Beteiligungsverfahren nicht vollends gelungen.

3. Arzneimittelrecht Im Bereich des Arzneimittelrechts werden durch die europäischen Vorga‑ ben sowohl dezentrale mitgliedstaatliche als auch zentrale, auf der EU-Ebene konzentrierte Zulassungsverfahren für Human- und Tierarzneimittel geschaf‑ fen.518 Die dezentrale Ebene wird maßgeblich durch die HumanarzneimittelRL und die Tierarzneimittel-RL geregelt, wobei für den Untersuchungsge‑ genstand nur Bestimmungen aus der Humanarzneimittel-RL relevant sind. Letztere Richtlinie bündelt in einem Rechtsakt Vorschriften für Humanarz‑ neimittel wie Genehmigung, Herstellung, Kennzeichnung, Einstufung, Ver‑ trieb und Werbung.519 Daher nimmt die Richtlinie eine zentrale Stellung ein.520 Die Arzneimittel-VO regelt hingegen die zentrale Zulassungsebene und ermöglicht, dass jedes unbedenkliche Arzneimittel möglichst schnell auf dem EU-Markt zugelassen werden kann.521 517  Siehe Alicante News 3/2015, S. 7 ff. (abrufbar unter https://euipo.europa.eu/ tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/contentPdfs/about_euipo/alicante_ news/alicantenewsMarch2015_en.pdf (Stand: 19.10.2017)). 518  Siehe Meier, in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, § 1 Rn. 18. 519  Dieners/Heil, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, § 1 Rn. 71; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, Einführung Rn. 24. 520  Dieners/Heil, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, § 1 Rn. 71. 521  Dieners/Heil, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, § 1 Rn. 64.



V. Produktrecht151

a) Pharmakovigilanz Eine Beteiligung von Dritten findet sich im Arzneimittelrecht erst bei der Pharmakovigilanz. Als Pharmakovigilanz oder auch Nachmarktkontrolle wird die Arzneimittelüberwachung nach Zulassung bezeichnet.522 Das Sys‑ tem der Pharmakovigilanz schreibt eine zentrale Sammlung von Informatio‑ nen über mögliche Gefährdungen vor und zielt damit auf die Aufdeckung von Risiken und Nebenwirkungen, welche bei der Zulassung noch nicht er‑ sichtlich waren bzw. unentdeckt geblieben sind.523 Bei der Überwachung eines nach der Arzneimittel-VO zentral zugelasse‑ nen Arzneimittels kann die Kommission nach Art. 20 Abs. 1 UAbs. 2 Arznei‑ mittel-VO Maßnahmen treffen, wenn diese aufgrund von Pharmakovigilanzoder Überwachungstätigkeiten nach der Humanarzneimittel-RL erforderlich sind. Voraussetzung für den Erlass solcher Maßnahmen ist die vorherige Einholung eines Gutachtens der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), wenn die Dringlichkeit dem nicht entgegensteht (Art. 20 Abs. 2 ArzneimittelVO). Wird das Verfahren aufgrund der Bewertung von Pharmakovigilanzda‑ ten eingeleitet, wird das Gutachten auf Grundlage einer Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz, welcher der EMA angehört, durch die EMA verabschiedet (Art. 20 Abs. 8 S. 1 Arzneimit‑ tel-VO). Dabei findet Art. 107j Abs. 2 Humanarzneimittel-RL Anwendung (Art. 20 Abs. 8 S. 2 Arzneimittel-VO). Nach Art. 107j Abs. 2 Humanarzneimittel-RL kann der Ausschuss für Risi‑ kobewertung im Bereich Pharmakovigilanz „öffentliche Anhörungen durch‑ führen, wenn er es, besonders wegen des Ausmaßes und der Schwere der Sicherheitsbedenken, für gerechtfertigt hält“524. Anhörungen müssen nach dem von der EMA angegebenen Verfahren durchgeführt und über das euro‑ päische Internetportal für Arzneimittel angekündigt werden, wobei auch eine Angabe der Teilnahmemodalität erfolgen muss. Allerdings schließt Art. 107j Abs. 2 Humanarzneimittel-RL die Möglichkeit einer Anhörung aus, wenn die Angelegenheit dringlich ist. Vertrauliche Angaben können dem Ausschuss in einer nichtöffentlichen Anhörung vorlegt werden. Dieses Anhörungsverfahren wurde erst durch die Pharmakovigilanz-RL im Jahr 2010 in die Humanarzneimittel-RL eingefügt, um die Transparenz beim Patienten zu stärken.525 Details zum Anhörungsverfahren hat der Aus‑ schuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz in den Rules of 522  Kern, Rechtliche Regulierung der Umweltrisiken von Human- und Tierarznei‑ mitteln, S. 116; Lorenz, Das gemeinschaftliche Arzneimittelzulassungsrecht, S. 349. 523  Rehmann, in: Rehmann, AMG, Vorbemerkung zu §§ 62–63j, Rn. 5. 524  Art. 107j Abs. 2 UAbs. 3 Humanarzneimittel-RL. 525  Natz, PharmR 2011, 430 (431).

152

B. Bestandsaufnahme

procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC)526 festgelegt. Durch diese Rules of procedure wird verdeutlicht, dass in die öffentlichen Anhö‑ rungen jedermann, d. h. alle Mitglieder der Öffentlichkeit, einbezogen wer‑ den und mithin so viele Bürger wie möglich Zugang zum Anhörungsverfah‑ ren haben sollen. Dabei können diese aktiv als Redner oder passiv als Beob‑ achter agieren.527 Zudem besteht die Möglichkeit, Vertreter der Patienten, Verbraucher, im Gesundheitswesen Tätige und Wissenschaftler als Experten einzuladen und die Medien als Beobachter hinzuzuziehen.528 Zur Koordinie‑ rung bedarf es gewisser organisatorischer Maßnahmen.529 Die Ankündigung der Anhörung sowie Unterlagen über das Arzneimittel und allgemeine Infor‑ mationen werden auf der Website der EMA veröffentlicht.530 Die Anhörung läuft nach einem geordneten Verfahren ab.531 Zudem legen die Rules of procedure fest, dass die Informationen aus der Anhörung anschließend im Aus‑ schuss diskutiert und die Stellungnahmen berücksichtigt werden. Ein Bewer‑ tungsbericht am Ende des Entscheidungsverfahrens soll schließlich über den Einfluss der öffentlichen Anhörung auf die Entscheidung des Ausschusses informieren.532 Durch die Verweisung auf Art. 107j Abs. 2 Humanarzneimittel-RL findet also auch im Rahmen der Arzneimittel-VO eine Beteiligung statt. Im Gegen‑ satz zu den umsetzungsbedürftigen Entscheidungen nach der Humanarznei‑ 526  EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016 (abrufbar unter http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_li brary/Regulatory_and_‌procedural_guideline/2016/04/WC500204895.pdf (Stand: 19.10.2017)). 527  EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016, S. 4. 528  EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016, S. 2, 5. 529  Siehe EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/ 363479/2015 vom 13.04.2016, S. 2. 530  EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016, S. 3 f. 531  Siehe EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/ 363479/2015 vom 13.04.2016, S. 6 f. 532  EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016, S. 7.



V. Produktrecht153

mittel-RL wird die endgültige Entscheidung über die Maßnahmen nach Art. 20 Abs. 1 Arzneimittel-VO von der Kommission im Prüfverfahren erlas‑ sen und bedarf daher keiner weiteren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten. Solche Maßnahmen nach der Arzneimittel-VO sind somit vom Untersu‑ chungsgegenstand umfasst. b) Zwischenergebnis: Information als leitende Beteiligungsfunktion Die Beteiligung von Dritten im Arzneimittelbereich ist auf den Bereich der Pharmakovigilanz beschränkt. Dies erscheint sinnvoll, denn erst in die‑ sem Stadium kann die breite Öffentlichkeit Informationen und Erfahrungen zu dem Medikament mitteilen. Die Beurteilung von Auswirkungen eines Medikaments vor dessen Zulassung muss notwendigerweise auf der Exper‑ tise von Wissenschaftlern beruhen. Die Öffentlichkeit kann in diesem Sta‑ dium keine Angaben machen. Dennoch ist die Beteiligung bei der Nach‑ marktkontrolle des Arzneimittels nur ins Ermessen des Ausschusses gestellt. Dieser kann entscheiden, ob Dritte überhaupt einbezogen werden. Hervorzu‑ heben ist aber, dass die EMA in den Rules of procedure ausführliche Verfah‑ rensstandards angelegt hat, welche zu einer geordneten und effektiven Anhö‑ rung führen. Das Anhörungsverfahren dient im Bereich des Arzneimittel‑ rechts aber vorrangig zur Sammlung von Informationen und weniger zur Schaffung von Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Die EMA betont dies in ih‑ ren Rules of procedure,533 was zumindest erklärt, warum ein Ermessen be‑ züglich der Durchführung der Beteiligung besteht. Nur wenn der Ausschuss noch weitergehende Informationen benötigt, scheint eine Anhörung sinnvoll zu sein.534

533  EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016, S. 2. 534  EMA, Questions & answers on Urgent Union Procedures (Article 107i of Di‑ rective 2001/83/EC), EMA/720443/2012 Rev. 3 vom 03.03.2015, Question 16 (abruf‑ bar unter: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Regulatory_and_ procedural_guideline/2012/12/WC500136146.pdf (Stand: 19.10.2017)); vgl. auch die Elemente, welche bei der Entscheidung über das Abhalten einer Anhörung durch den Ausschuss einbezogen werden, EMA, Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC), EMA/363479/2015 vom 13.04.2016, S. 3.

154

B. Bestandsaufnahme

4. Chemikalienrecht Vom Bereich des Chemikalienrechts sind die REACH-VO und die Pflan‑ zenschutzmittel-VO umfasst, welche ihre Regelungsschwerpunkte auf das jeweilige Produkt ausgerichtet haben.535 a) REACH-VO Die REACH-VO enthält Bestimmungen für die Herstellung, das Inver‑ kehrbringen und die Verwendung von Stoffen und Gemischen und bezweckt ein hohes Schutzniveau sowie den freien Verkehr von Stoffen im Binnen‑ markt bei gleichzeitiger Wettbewerbs- und Innovationsverbesserung (Art. 1 REACH-VO). Für eine einheitliche Verwaltung und die wirksame Handha‑ bung technischer, wissenschaftlicher und administrativer Aspekte wird durch die Verordnung eine Europäische Chemikalienagentur (ECHA) errichtet.536 Die ECHA ist überwiegend im Vollzugsbereich tätig.537 Vom Anwendungs‑ bereich der Verordnung umfasst sind „alle Stoffe, die als solche in Zuberei‑ tungen oder Erzeugnissen hergestellt, importiert, als Zwischenprodukte ein‑ gesetzt oder auf den Markt gebracht werden“538. Daraus wird der sehr breite Anwendungsbereich der Verordnung ersichtlich.539 Die Verordnung erfasst somit grundsätzlich alle Stoffe, welche nicht unter die Ausnahmen nach Art. 2 REACH-VO fallen.540 Die Verordnung legt vier grundlegende Verfahren für den Umgang mit Stoffen fest: Registrierungen von Stoffen in Titel II, Bewertungen in Titel VI, Zulassungen in Titel VII und Beschränkungen für die Herstellung, das Inver‑ kehrbringen und die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische 535  Vgl. Art. 1 Abs. 2 REACH-VO, Art. 1 Abs. 1 Pflanzenschutzmittel-VO; siehe auch Funke, Grundprobleme der Zulassung besonders gefährlicher Stoffe in der REACH-Verordnung, S.  35 f. 536  EWG Nr. 15, Art. 75 Abs. 1 REACH-VO. 537  Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 232; von Holleben/ Scheidmann, StoffR 2009, 176 (176). Ausführlich zur ECHA Riedel, in: Fluck/Fi‑ scher, REACH + Stoffrecht, REACH, Vorbem. Art. 75. 538  REACH – kurz gefasst, angelehnt an das englischsprachige Dokument „REACH in brief“ der Generaldirektion „Umwelt“ vom Oktober 2007, in: REACH + GHS, S. 13. 539  REACH – kurz gefasst, angelehnt an das englischsprachige Dokument „REACH in brief“ der Generaldirektion „Umwelt“ vom Oktober 2007, in: REACH + GHS, S. 13. 540  Wichtige Ausnahmen aus Art. 2 REACH-VO sind radioaktive Stoffe, Stoffe unter zollamtlicher Überwachung, nicht-isolierte Zwischenprodukte, Abfall sowie Arznei- und Lebensmittel.



V. Produktrecht155

und Erzeugnisse in Titel VIII.541 Eine Beteiligung von Dritten findet sich bei der Bewertung, der Zulassung und der Beschränkung von Stoffen. In dem der Bewertung vorgelagerten Bereich der Registrierung von Stof‑ fen legt Art. 5 REACH-VO fest, dass Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen, nur dann in der Union hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie registriert wurden. Die Überschrift von Art. 5 REACH-VO „Ohne Daten kein Markt“ (englisch: No data, no market) impli‑ ziert somit schon eine allgemeine Registrierungspflicht, allerdings nur bei einer bestimmten Mengenanzahl des Stoffes.542 Für die Registrierung ist die Einreichung eines Registrierungsdossiers (Art. 7 Abs. 1 REACH-VO) erfor‑ derlich. Dieses enthält sowohl ein technisches Dossier mit bestimmten Infor‑ mationen über den Hersteller, den Stoff, dessen Herstellung und Wirkung sowie einen Stoffsicherheitsbericht (Art. 10 REACH-VO). Im technischen Dossier sind u. a. Versuchsvorschläge anzugeben (Art. 10 lit. a) ix) REACHVO). Bei der Bewertung von Versuchsvorschlägen nach Art. 40 REACH-VO prüft die ECHA alle Versuchsvorschläge, die in einer Registrierung543 enthal‑ ten sind. Bei Vorschlägen mit Versuchen an Wirbeltieren veröffentlicht die ECHA auf ihrer Website den Stoffnamen und den Gefahren-Endpunkt (Art. 40 Abs. 2 REACH-VO). Sie fordert Dritte auf, wissenschaftlich fun‑ dierte Informationen und Studien, die sich auf die veröffentlichten Daten beziehen, innerhalb von 45 Tagen nach der Veröffentlichung vorzulegen. Der Termin für die Einreichung von Informationen wird von der ECHA ebenfalls auf ihrer Website veröffentlicht. Wer unter den Begriff der Dritten fällt, wird von der Verordnung nicht festgelegt. Allerdings legt die ECHA ein weites Verständnis zugrunde und fasst darunter Bürger, Organisationen, Wissen‑ schaftler, Unternehmen und Behörden, wenn diese nicht Registranten544 541  Diese Bereiche werden bereits durch die Bezeichnung als REACH-VO deut‑ lich. REACH steht für die englischen Bezeichnungen registration, evaluation, authorisation und restriction (siehe http://echa.europa.eu/web/guest/regulations/reach/un derstanding-reach (Stand: 19.10.2017)); Fischer, DVBl 2007, 853 (853); Siegel, ­EurUP 2007, 106 (106)) und gibt damit bereits die Struktur sowie die inhaltlichen Regelungen wieder. 542  Siehe Art. 6 REACH-VO, wonach mindestens eine Tonne jährlich hergestellt oder eingeführt werden muss. 543  Ebenfalls kann ein Versuchsvorschlag auch in der Mitteilung eines nachge‑ schalteten Anwenders aufgeführt worden sein (dazu Art. 37 ff. REACH-VO). Auf den nachgeschalteten Anwender sei beim Versuchsvorschlag immer mitverwiesen, wenn auf den Registranten bzw. die Registrierung abgestellt wird. 544  Ein Registrant ist nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 7 REACH-VO ein „Hersteller oder Importeur eines Stoffes oder Produzent oder Importeur eines Erzeug‑ nisses, der ein Registrierungsdossier für einen Stoff einreicht“.

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B. Bestandsaufnahme

sind.545 Dieser weite Adressatenkreis wird dadurch eingeengt, dass nur wis‑ senschaftlich fundierte Informationen und Studien eingereicht werden kön‑ nen, und daher die Dritten eher eine Fachöffentlichkeit546 sind. Das durch die ECHA vorgeschaltete Prüfungsverfahren in Art. 40 REACH-VO soll garan‑ tieren, dass Versuche nach den Anhängen IX und X, bei denen es sich zum Großteil um Wirbeltierversuche handelt, soweit wie möglich vermieden wer‑ den.547 Dies soll auch durch die Beteiligung von Dritten erreicht werden (EWG Nr. 64). Daher wurde durch das Europäische Parlament die Bestim‑ mung in Art. 40 Abs. 2 REACH-VO eingeführt.548 Zudem sollen solche Stu‑ dien und Informationen erfasst werden, die nicht durch das Informationsfo‑ rum SIEF549 abgedeckt wurden.550 Die Zahl der Einreichungen von Dritten nimmt die ECHA in ihren jährlichen Fortschrittsbericht auf.551 Die Einreichungen werden bei der Vorbereitung von Entscheidungen nach Art. 40 Abs. 3 REACH-VO berücksichtigt. Abs. 3 räumt der ECHA die Be‑ fugnis ein, eine Entscheidung über den Versuchsvorschlag zu treffen. Dabei kann die ECHA den Registranten zur Versuchsdurchführung – auch in abge‑ änderter oder erweiterter Form oder in Zusammenarbeit mit mehreren Regis‑ tranten – verpflichten. Ebenfalls kann die ECHA den Vorschlag ablehnen. Das Zulassungsverfahren in Titel VII schreibt ein grundsätzliches Vollzugs‑ verbot für zulassungsbedürftige Stoffe vor.552 Nach Art. 56 Abs. 1 REACHVO dürfen Stoffe, die in Anhang XIV aufgenommen wurden, nicht ohne Zu‑ 545  Definition „Dritte“ auf der Homepage der ECHA, http://echa.europa.eu/de/re‑ gulations/reach//actors (Stand: 19.10.2017). 546  Begriff nach Führ, in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff, Perspektiven des Stoff‑ rechts, 27. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 79 (83). 547  Von Holleben, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 40 Rn. 7; von Holleben/Scheidmann, StoffR 2009, 176 (177). 548  Von Holleben, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 40 Rn. 6. 549  SIEF steht für Substance Information Exchange Forum (siehe http://echa.eu ropa.eu/regulations/reach/registration/data-sharing/pre-registration (Stand: 19.10. 2017); Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 19 Rn. 143). Das SIEF ist eine Möglich‑ keit für potenzielle Registranten des gleichen Stoffes, sich nach der Vorregistrierung über die Einsicht von Kontaktangaben in REACH-IT zu einem Forum zum Austausch von Stoffinformationen zusammenzuschließen und sich bezüglich der Gleichheit ihres Stoffes zu einigen (http://echa.europa.eu/de/regulations/reach/registration/data-shar ing/pre-registration (Stand: 19.10.2017)); Becker/Tiedemann, Chemikalienrecht, Rn. 124). 550  Von Holleben, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 40 Rn. 42; von Holleben/Scheidmann, StoffR 2009, 176 (179). 551  Fortschrittsberichte abrufbar unter http://echa.europa.eu/regulations/reach/eva luation (Stand: 19.10.2017). Zwischen 2008 und 2014 wurden insgesamt 782 Einga‑ ben gemacht, Fortschrittsbericht 2014 vom 26.02.2015, S. 26 (abrufbar unter http:// echa.europa.eu/documents/10162/13628/_report_2014_de.pdf (Stand: 19.10.2017)). 552  Siegel, EurUP 2007, 106 (113).



V. Produktrecht157

lassung in den Verkehr gebracht werden. Bezwecken soll das Verfahren, dass risikoreiche Stoffe beherrscht und durch geeignete Alternativstoffe oder -tech‑ nologien ersetzt werden (Art. 55 REACH-VO). Durch die Aufnahme von Stoffen auf die Liste in Anhang XIV sollen erhebliche Anreize für Hersteller geschaffen werden, umweltfreundliche und damit nicht von der Zulassungs‑ pflicht umfasste Alternativstoffe zu entwickeln oder zu verwenden.553 Die Zulassung gestaltet sich zweistufig.554 Zunächst wird auf der ersten Stufe die Zulassungsbedürftigkeit ermittelt.555 Bei dieser Stufe wird entschie‑ den, welche Stoffe in Anhang XIV aufgenommen werden und damit zulas‑ sungspflichtig sind. Dafür wird eine sog. Kandidatenliste556 nach Art. 59 REACH-VO aufgestellt. Für diese Liste können sowohl die ECHA als auch die Mitgliedstaaten ein Dossier für Stoffe ausarbeiten, die aufgenommen werden sollen. Nach Art. 59 Abs. 4 REACH-VO veröffentlicht die ECHA einen Hinweis zu dem ausgearbeiteten Dossier auf ihrer Website und fordert alle interessierten Kreise zur Vorlage von Bemerkungen an die ECHA inner‑ halb einer bestimmten Frist auf. Das weitere Vorgehen für die Aufnahme auf die Kandidatenliste richtet sich nach Art. 59 Abs. 6–10 REACH-VO. Wenn keine Bemerkungen eingehen, nimmt die ECHA den Stoff in die Kandidaten‑ liste auf. Gehen hingegen Bemerkungen ein, wird ein Einigungsverfahren im Ausschuss der Mitgliedstaaten durchgeführt. Hat die ECHA schließlich einen Stoff auf die Kandidatenliste gesetzt, er‑ folgt die eigentliche Aufnahme eines Stoffes erst nach Art. 58 REACH553  Rehbinder, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, Neues europäisches Chemi‑ kalienrecht (REACH), 23. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 35 (69); vgl. auch die Ausführungen bei Köck, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 23. Trierer Kolloquium zum Um‑ welt- und Technikrecht, 133 (137 f.). 554  Siehe Fischer, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, Einführung zu REACH, Rn. 64 f.; Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 230; Rengeling, Europäisches Stoffrecht, § 4 Rn. 41 ff.; siehe auch Pache, in: Koch, Umweltrecht, § 12 Rn. 92; Rehbinder, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 11 Stoffrecht, Rn. 99 ff. 555  Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 230. 556  Bezeichnung benutzt bei Fischer, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, Ein‑ führung zu REACH, Rn. 64; Führ, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwal‑ tungsrecht, Bd. 2, § 58 Rn. 65; Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 235 f.; Köck, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder, Neues europäisches Chemikalienrecht (REACH), 23. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 133 (136); Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 19 Rn. 100; Pache, in: Koch, Umweltrecht, § 12 Rn. 94; Rehbinder, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 11 Stoffrecht, Rn. 100; Fischer, DVBl 2007, 853 (859); so auch REACH – kurz gefasst, angelehnt an das englischsprachige Dokument „REACH in brief“ der Generaldirek‑ tion „Umwelt“ vom Oktober 2007, in: REACH + GHS, S. 12, 21. Kritisch zur Kan‑ didatenliste wegen der Vorverurteilung von Stoffen ohne notwendige Risikobewer‑ tung Lulei/Fink/Hanschmidt, StoffR 2007, 21 (26).

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B. Bestandsaufnahme

VO.557 Bevor die Kommission die Stoffaufnahme im Regelungsverfahren mit Kontrolle erlässt, empfiehlt die ECHA der Kommission prioritär aufzu‑ nehmende Stoffe. Vor der Übermittlung an die Kommission wird diese Emp‑ fehlung auf der Website der ECHA veröffentlicht. Die ECHA fordert alle interessierten Kreise auf, insbesondere zu Verwendungen, die von der Zulas‑ sungspflicht ausgenommen werden sollen, Bemerkungen innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung abzugeben. Die eingegangenen Bemer‑ kungen werden durch Aktualisierung der Empfehlung berücksichtigt (Art. 58 Abs. 4 REACH-VO). Wurden die Stoffe in die Liste in Anhang XIV aufgenommen, ist die zweite Stufe des Zulassungsverfahrens die Prüfung der Zulassungsfähig‑ keit.558 Die Zulassungserteilung bestimmt sich nach Art. 60 ff. REACH-VO. Das Verfahren ist festgelegt in Art. 64 REACH-VO. Nach Antragseingang macht die ECHA umfangreiche Informationen über die Verwendung zugäng‑ lich und setzt eine Frist, bis zu der interessierte Kreise Informationen über Alternativstoffe und -technologien übermitteln können (Art.  64 Abs.  2 REACH-VO). Die Ausschüsse der ECHA für Risikobeurteilung und für so‑ zioökonomische Analysen geben zu dem Antrag einen Entwurf ihrer Stel‑ lungnahme ab. Dabei kann der Ausschuss für sozioökonomische Analysen den Antragsteller oder Dritte auffordern, Informationen über mögliche Alter‑ nativstoffe oder -technologien zu übermitteln, welche der Ausschuss berück‑ sichtigt (Art. 64 Abs. 3 REACH-VO). Außerdem muss in dem Stellungnah‑ meentwurf eine Beurteilung der nach Abs. 2 vorgebrachten Beiträge interes‑ sierter Kreise enthalten sein. Zu den Stellungnahmen der beiden Ausschüsse kann der Anmelder sich äußern, bevor die Kommission eine Entscheidung über die Zulassung nach dem Prüfverfahren erlässt. Zudem werden die inte‑ ressierten Kreise bei der Überprüfung der Zulassung nach Art. 61, 64 Abs. 2 REACH-VO zur Übermittlung von Bemerkungen aufgefordert.559 Bei der Zulassung werden somit in den verschiedenen Verfahrensstufen auf vielfältige Weise Dritte beteiligt. Die REACH-VO unterscheidet dabei zwischen interessierten Kreisen und Dritten. Konkretisiert wird die Beteili‑ gung in den Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags der ECHA560 aus dem Jahr 2011. Dabei setzt die ECHA die Begriffe der interessierten 557  Siegel,

EurUP 2007, 106 (114). Die REACh-Verordnung, S. 230. 559  Siehe ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 121 (abrufbar unter https://echa.europa.eu/documents/10162/23036412/authorisation_ application_de.pdf/cb991b72-7ea7-40a7-a869-765426e5b247 (Stand: 19.10.2017)). 560  ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 117 ff. Zudem können Dritte auch einen Beitrag zu einer sozioökonomischen Ana‑ lyse leisten. Dazu näher in den Leitlinien zur Erstellung sozioökonomischer Analysen für Zulassungsanträge, Januar 2011, S. 15 ff. (abrufbar unter https://echa.europa.eu/ 558  Ingerowski,



V. Produktrecht159

Kreise und der Dritten gleich und geht offensichtlich davon aus, dass inter‑ essierte Kreise und Dritte einen identischen Adressatenkreis haben.561 Dritte im Zulassungsverfahren sind nach der ECHA „alle anderen Organisationen, Personen, Behörden oder Unternehmen als der Antragsteller oder die Agen‑ tur / Kommission, die potenziell an der Vorlage von Informationen über Al‑ ternativen interessiert sind, bspw. Lieferanten von Alternativstoffen oder -technologien, Hochschulangehörige / Erfinder, die einen Alternativstoff oder eine Alternativtechnologie entwickelt haben oder entsprechende Kenntnisse besitzen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, Regierungs‑ agenturen und zwischenstaatliche Agenturen sowie nachgeschaltete Anwender.“562 Die ECHA hält fest, dass die Eingaben von Dritten grund‑ sätzlich zu berücksichtigen sind, betont aber, dass die Informationen von den Dritten in gut strukturierter, logischer Form dargestellt werden sollen, um eine angemessene Berücksichtigung der Argumente und Informationen zu gewährleisten. Auch sollen die Dritten ihr Interesse an dem Zulassungs‑ verfahren benennen.563 Das Beschränkungsverfahren nach Art. 67 ff. REACH-VO sieht vor, dass ein Stoff, für den eine Beschränkung nach Anhang XVII gilt, nur unter Maß‑ gabe dieser Beschränkung in den Verkehr gebracht oder verwendet werden darf. Die Änderung des Anhang XVII erfolgt nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle, nachdem die Anforderungen der Art. 69–73 REACH-VO ein‑ gehalten wurden. Dabei sollte es „eine gute Zusammenarbeit, Koordinierung und Information zwischen den Mitgliedstaaten, der Agentur, anderen Ein‑ richtungen der Gemeinschaft, der Kommission und interessierten Kreisen geben“564. Für einen Vorschlag zur Aufnahme einer Beschränkung fordert die Kommission die ECHA zur Ausarbeitung eines Dossiers auf (Art. 69 Abs. 1 REACH-VO). Zudem kann ein Mitgliedstaat von sich aus ein Dossier ausar‑ documents/10162/23036412/sea_authorisation_de.pdf/96a0b858-f68d-4fbe-a3c4e45868b114da (Stand: 19.10.2017)). 561  Siehe ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 120 und ECHA, Leitlinien zur Erstellung sozioökonomischer Analysen für Zulas‑ sungsanträge, Januar 2011, S. xiii. Siehe auch Au/Rühl, REACH-Verordnung, Erläute‑ rungen zur REACH-VO  – Titel VII, Rn. 8; Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 264; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 19 Rn. 100. 562  ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 117. Siehe auch die Definition bei ECHA, Leitlinien zur Erstellung sozioökonomischer Analysen für Zulassungsanträge, Januar 2011, S. xiii. Diese deckt sich ebenfalls mit der Definition der interessierten Kreise auf der Homepage der ECHA unter http:// www.echa.europa.eu/de/web/guest/regulations//authorisation/applications-for-authori sation/authorisation-process/actors (Stand: 19.10.2017). 563  Siehe ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 121. 564  EWG Nr. 88 REACH-VO.

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B. Bestandsaufnahme

beiten (Art. 69 Abs. 4 REACH-VO). Nach Art. 69 Abs. 6 REACH-VO veröf‑ fentlicht die ECHA alle Dossiers auf ihrer Website und fordert alle interes‑ sierten Kreise auf, sich einzeln oder gemeinsam innerhalb von sechs Mona‑ ten zu dem Dossier und den vorgeschlagenen Beschränkungen zu äußern sowie eine sozioökonomische Analyse mit Vor- und Nachteilen oder entspre‑ chende Informationen für eine solche Analyse zu übermitteln. Dies soll aus Gründen der Transparenz durchgeführt werden (EWG Nr. 92).565 Durch die Beteiligung soll zum einen die vorgeschlagene Beschränkung angemessen ausgestaltet werden, zum anderen soll – wie bereits beim Zulassungsverfah‑ ren – zur Herstellung oder Verwendung von Alternativstoffen angeregt wer‑ den.566 Parallel zu dieser Beteiligung von Dritten gibt der Ausschuss für Ri‑ sikobeurteilung eine Stellungnahme zum Dossier ab und berücksichtigt dabei die Äußerungen der interessierten Kreise (Art. 70 REACH-VO). Ebenfalls gleichlaufend verfasst der Ausschuss für sozioökonomische Analysen eine Stellungnahme, wobei er die sozioökonomischen Analysen bzw. Informatio‑ nen berücksichtigt. Der Stellungnahmeentwurf dieses Ausschusses wird wie‑ derum auf der Website der ECHA veröffentlicht und die interessierten Kreise werden zur Äußerung innerhalb von 60 Tagen aufgefordert, was durch den Ausschuss bei der endgültigen Stellungnahme berücksichtigt wird (Art. 71 Abs. 1, 2 REACH-VO). Die Stellungnahmen der Ausschüsse werden der Kommission übermittelt, welche eine endgültige Entscheidung trifft (Art. 72, 73 REACH-VO). Dabei kann die Kommission auch von den Stellungnahmen der Agentur und mithin auch von den Äußerungen der interessierten Kreisen abweichen, muss dann allerdings eine ausführliche Erklärung der Gründe für die Abweichung anfügen (Art. 73 Abs. 1 UAbs. 2 REACH-VO). Wie bei den vorherigen Beteiligungsverfahren lässt die REACH-VO eine Legaldefinition des Adressatenkreises vermissen. Die ECHA fasst bei der Beschränkung unter die interessierten Kreise grundsätzlich jeden, auch aus Drittstaaten. Am ehesten interessiert sein dürften Unternehmen, Organisatio‑ nen, die die Industrie oder Zivilgesellschaft vertreten, einzelne Bürger sowie Behörden.567 Grundsätzlich besteht eine Äußerungsmöglichkeit für die inter‑ essierten Kreise, allerdings gibt Art. 69 VI lit. b) REACH-VO vor, dass auch sozioökonomische Analysen eingereicht werden können. Da aber viele Ad‑ ressaten der interessierten Kreise nicht über die finanziellen und organisato‑ 565  Siehe auch Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 68 Rn. 10. 566  Kommission, The REACH Proposal – Process description, Juni 2004, S. 73 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/11797?locale=en (Stand: 19.10.2017)); Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 276. 567  http://www.echa.europa.eu/de/web/guest/regulations/reach/restriction (Stand: 19.10.2017). Siehe auch Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 69–73 Rn. 22.



V. Produktrecht161

rischen Mittel einer solchen Analyse verfügen, kann diese Beteiligung nur in geringem Maße wahrgenommen werden und es genügt, wenn sachdienliche Informationen für eine Analyse eingereicht werden.568 b) Pflanzenschutzmittel-VO Die Pflanzenschutzmittel-VO bezweckt nach Art. 1 Abs. 3 – in ähnlicher Weise wie die REACH-VO – die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sowie die Funkti‑ onsfähigkeit des Binnenmarkts durch Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.569 Die Verordnung gilt für Pflanzenschutz‑ mittel, die aus bestimmten (Wirk‑)Stoffen bestehen oder diese enthalten, vgl. Art. 2 Pflanzenschutzmittel-VO. Die Pflanzenschutzmittel-VO sieht ein zweistufiges Zulassungsverfahren vor.570 Die Wirkstoffe werden nach Art. 4 ff. Pflanzenschutzmittel-VO zu‑ nächst auf europäischer Ebene genehmigt. Im zweiten Schritt werden die Pflanzenschutzmittel, welche aus den Wirkstoffen bestehen oder solche ent‑ halten, auf mitgliedstaatlicher Ebene nach Art. 28 ff. PflanzenschutzmittelVO zugelassen. Eine Beteiligung von Dritten wird nur auf der ersten Stufe durchgeführt. Bei der Zulassung wird durch die Verordnung hingegen keine Beteiligung vorgegeben.571 Das Genehmigungsverfahren für Wirkstoffe ist ein Antragsverfahren.572 Nach Art. 7 Abs. 1 Pflanzenschutzmittel-VO legt der Hersteller eines Wirk‑ 568  Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 69–73 Rn. 22. 569  Siehe auch EWG Nr. 8 Pflanzenschutzmittel-VO. 570  Führ, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 58 Rn. 145; Garçon, in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff, Perspektiven des Stoffrechts, 27. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 131 (135); Krämer/Winter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 26 Rn. 297; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 19 Rn. 244; Pache, in: Koch, Umweltrecht, § 12 Rn. 164, 179 ff.; Rehbinder, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 11 Stoffrecht, Rn. 161; siehe zur Vorgängerrichtlinie 91/414/EWG Rengeling, Europäisches Stoffrecht, § 5 Rn. 15. 571  Sonderfall in Art. 48 Pflanzenschutzmittel-VO: Danach muss für eine Zulas‑ sung von Pflanzenschutzmitteln, die GVO enthalten, eine schriftliche Zustimmung nach Art. 19 FreisetzungsRL vorliegen. Diese Zustimmung nach Art. 19 Freiset‑ zungsRL wird aber nur nach vorherigem Zulassungsverfahren mit Öffentlichkeitsbe‑ teiligung erteilt [siehe dazu unter B. III. 2. a)]. Eine Beteiligung findet sich somit zwar nicht in der Pflanzenschutzmittel-VO selbst, muss aber durch die parallele An‑ wendung der FreisetzungsRL nach dieser durchgeführt werden. 572  Garçon, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, VO 1107/2009, Rn. 18.

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B. Bestandsaufnahme

stoffes einem Mitgliedstaat, welcher dadurch zum berichterstattenden Mit‑ gliedstaat wird, einen Antrag auf Genehmigung vor. Der berichterstattende Mitgliedstaat prüft die Zulässigkeit des Antrages (Art. 9 Pflanzenschutzmit‑ tel-VO) und arbeitet einen Entwurf eines Bewertungsberichts aus, aus dem hervorgeht, ob die Genehmigungskriterien erfüllt sind; diesen übermittelt der Mitgliedstaat an die Kommission und die EFSA (Art. 11 Abs. 1 Pflanzen‑ schutzmittel-VO). Den Bewertungsbericht macht die EFSA der Öffentlich‑ keit zugänglich und gewährt eine Frist von 60 Tagen für die Übermittlung schriftlicher Stellungnahmen (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1, 2 Pflanzenschutzmit‑ tel-VO). Darüber hinaus kann die EFSA gegebenenfalls eine Konsultation mit Experten organisieren (Art. 12 Abs. 2 Pflanzenschutzmittel-VO).573 Auf der Homepage der EFSA können die laufenden Konsultationen eingesehen und Informationen zum Ablauf der Konsultation entnommen werden.574 Nachdem die EFSA eine Schlussfolgerung zu der Erfüllung der Genehmi‑ gungskriterien getroffen hat, wird die Genehmigung des Wirkstoffs durch die Kommission mittels einer Genehmigungsverordnung erlassen (Art. 13 Pflan‑ zenschutzmittel-VO). Eine solche Verordnung wird sowohl bei der Annahme als auch bei der Ablehnung der Genehmigung verabschiedet. Durch den Er‑ lass einer Verordnung hat die Wirkstoffgenehmigung allgemeine Geltung, so dass jeder Hersteller sich auf die Genehmigung des Wirkstoffes berufen kann und für die Zulassung in einem Pflanzenschutzmittel keine gesonderte Ge‑ nehmigung beantragen muss.575 Die genehmigten Wirkstoffe werden in die sog. Positivliste576 aufgenommen. Diese Liste befindet sich im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540 / 2011577. 573  Dieses explizit in der Verordnung vorgeschriebene Beteiligungsverfahren wurde erst durch die Neufassung der Verordnung im Jahr 2007 geschaffen. Die Vor‑ gängerrichtlinie sah lediglich in deren Durchführungsverordnung (EG) Nr. 737/2007 (ABl. L 169 vom 29.06.2007, S. 10) vor, dass gegebenenfalls ein Peer-Review des Bewertungsberichts veranlasst werden kann (Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 Durchführungs‑ verordnung (EG) Nr. 737/2007). Eine Ausgestaltung dieses Verfahrens war in der Durchführungsverordnung selbst nicht vorhanden, die Öffentlichkeit konnte aber in‑ nerhalb von 40 Tagen Kommentare abgeben, Pache, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, PflSchR, Rn. 23; zum Peer-Review-Verfahren siehe auch http://www.efsa. europa.eu/en//pesticidespeerreview (Stand: 19.10.2017). 574  Exemplarisch für den Wirkstoff „Clopyralid“ http://www.efsa.europa.eu/de/ consultations/call/‌170823 (Stand: 19.10.2017). 575  Garçon, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, VO 1107/2009, Rn. 27. Diese Geltung wird auch dadurch unterstrichen, dass der Antragsteller in Bezug auf die Genehmigungsverordnung Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV erheben kann, siehe Garçon, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, VO 1107/2009, Rn. 33. 576  Rehbinder, in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 11 Stoffrecht, Rn. 161. 577  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25.  Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parla‑



V. Produktrecht163

Die Erstgenehmigung eines Wirkstoffes gilt für höchstens zehn Jahre (Art. 5 Pflanzenschutzmittel-VO). Soll die Genehmigung erneuert werden, ist ebenfalls ein ähnlich ausgestaltetes Antragsverfahren nach Art. 13  ff. Pflanzenschutzmittel-VO erforderlich. Detaillierte Angaben finden sich in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844 / 2012578. Nach Art. 12 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844 / 2012 macht die EFSA den Erneue‑ rungsentwurf der Öffentlichkeit zugänglich und räumt gemäß Abs. 3 für die Einreichung schriftlicher Stellungnahmen eine Frist von 60 Tagen ein. Die Stellungnahmen sind der EFSA zu übermitteln, welche diese zusammenstellt und gemeinsam mit einer eigenen Stellungnahme an die Kommission über‑ mittelt. Die Verfahren für die Erstgenehmigung und die Erneuerung der Genehmi‑ gung finden ebenfalls bei der Genehmigung von sog. Safenern und Syneris‑ ten Anwendung. Dies sind Stoffe, die als solche nur eine beschränkte oder keine Wirkung haben, sich durch den Zusatz in Pflanzenschutzmitteln aber auf diese auswirken, siehe Art. 2 Abs. 3 Pflanzenschutzmittel-VO. Durch die Aufnahme dieser Stoffe wird der weite Anwendungsbereich der Verordnung deutlich.579 Die Pflanzenschutzmittel-VO sieht im Ergebnis ein Beteiligungsverfahren für drei bzw. vier Konstellationen vor: bei der erstmaligen Genehmigung und der Erneuerung der Genehmigung von Wirkstoffen sowie bei der Erst- und Erneuerungsgenehmigung von Safenern und Syneristen. Die Öffentlichkeit kann schriftlich Stellung nehmen und hat jeweils eine Frist von 60 Tagen einzuhalten. Offen bleibt allerdings, wer unter die Öffentlichkeit zu fassen ist. Weder die Pflanzenschutzmittel-VO noch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844 / 2012 machen dazu Angaben. Lediglich EWG Nr. 12 Durchfüh‑ rungsverordnung (EU) Nr. 844 / 2012 enthält einen Ansatzpunkt. Danach soll‑ ten der Antragsteller, die Mitgliedstaaten – ausgenommen der berichterstat‑ tende Mitgliedstaat – und die Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme ments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe, ABl. L 153 vom 11.06.2011, S. 1, zul. geänd. durch Durchführungsverordnung (EU) 2017/1531 der Kommission vom 7. September 2017 zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Imazamox als Substitutionskandidat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/ 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission, ABl. L 232 vom 08.09.2017, S. 6. 578  Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 der Kommission vom 18.  Sep‑ tember 2012 zur Festlegung der notwendigen Bestimmungen für das Erneuerungsver‑ fahren für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. L 252 vom 19.9.2012, S. 26. 579  Jans/Vedder, European Environmental Law, S. 457.

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B. Bestandsaufnahme

bei der Erneuerung der Genehmigung erhalten. Aus dieser Aufzählung der verschiedenen Akteure nebeneinander wird deutlich, dass von der Öffentlich‑ keit zumindest nicht der Antragsteller und die Mitgliedstaaten umfasst wer‑ den. Eine weitere Konkretisierung des Öffentlichkeitsbegriffs ist jedoch nicht möglich und wird auch durch die EFSA bei den Aufforderungen zur Konsul‑ tation auf ihrer Website nicht vorgenommen. Auch schweigen die Pflanzen‑ schutzmittel-VO und ihre Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844 / 2012 zu der Berücksichtigung der Stellungnahmen durch die EFSA. Eine Pflicht zur Berücksichtigung besteht daher nicht. c) Zwischenergebnis: Einholung von Expertenwissen Die REACH-VO und Pflanzenschutzmittel-VO normieren die Beteiligung in ganz unterschiedlicher Art und Weise. Allerdings ist ihnen gemein, dass explizit auch Expertenwissen vorgebracht werden kann bzw. soll. Bei der REACH-VO findet sich in vielfältiger Weise eine Beteiligung von Dritten. Interessierte Kreise und Dritte werden in den verschiedenen Verfah‑ ren einbezogen, allerdings ohne dass bei einem Verfahren in der Verordnung geklärt wäre, wie genau der Adressatenkreis ausgestaltet ist. Die ECHA macht zwischen den interessierten Kreisen und den Dritten keinen Unter‑ schied, sondern setzt diese gleich. Fraglich ist, warum in der Verordnung dann überhaupt unterschiedliche Terminologien benutzt werden. Hervorzuhe‑ ben ist, dass in drei Fällen besondere Anforderungen an die Eingaben ge‑ macht werden: Bei der Beteiligung an den Versuchsvorschlägen müssen wis‑ senschaftlich fundierte Informationen und Studien vorgelegt werden, bei der Zulassung werden Informationen über Alternativstoffe oder -technologien gefordert und bei der Beschränkung können sozioökonomische Analysen übermittelt werden. Diese Anforderungen an die Beteiligung sind hoch und können daher nur von einem Teil der zu beteiligenden Dritten erfüllt wer‑ den.580 Abgezielt wird also auf Fachwissen von Experten. Auch besteht die Gefahr, dass die Konkurrenten der Unternehmen vordergründig die Beteili‑ gung wahrnehmen, um den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu verzögern und den Unternehmen zu schaden.581 Dennoch wurde durch die REACH-VO zumindest eine einheitliche Regelung geschaffen, die sich um eine Einbezie‑ hung der Öffentlichkeit bemüht. Die ECHA sieht die Beteiligung von Dritten 580  Ebenfalls kritisch Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 418; vgl. auch Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 19 Rn. 119, der die verschiedenen Ausge‑ staltungen der Informationen, welche von den Dritten eingereicht werden müssen, hinterfragt. 581  Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 418 f.; Lahl, StoffR 2006, 238 (241).



V. Produktrecht165

als wichtig an.582 Allerdings verbleiben insbesondere in Bezug auf die Adres‑ saten und die hohen Anforderungen an die Eingaben offene Fragen. Bei der Pflanzenschutzmittel-VO findet sich die Beteiligung lediglich bei der Genehmigung von Wirkstoffen auf der ersten Stufe des Zulassungsver‑ fahrens für Pflanzenschutzmittel. Die Öffentlichkeit kann Stellungnahmen abgeben, eine Konkretisierung des Adressatenkreises kann jedoch nicht vor‑ genommen werden. Neben der Öffentlichkeit können aber auch Experten beim Genehmigungsverfahren herangezogen werden. Damit stellt die Pflan‑ zenschutzmittel-VO wie zum Teil auch die REACH-VO darauf ab, Fachwis‑ sen einzuholen.

582  Siehe ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 117.

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts Anknüpfend an die Darstellung der untersuchten Rechtsbereiche werden die Beteiligungsformen in den 34 Sekundärrechtsakten systematisiert. Eine solche Systematisierung stellt eine Herausforderung dar, da die Beteiligungsvor‑ schriften vielfältig ausgestaltet sind. In Bereichen, in denen eine zusammen‑ hängende Thematik behandelt wird, ähneln sie sich teilweise sehr. Dennoch sind auch bei einheitlichen Thematiken zum Teil große Abweichungen bei den Beteiligungsnormen vorhanden. Um einen Überblick über die Beteiligungs‑ formen bei Verwaltungsentscheidungen auf Ebene des EU-Sekundärrechts zu schaffen, werden die Komponenten losgelöst vom Rechtsbereich, in welchem die Beteiligung verankert ist, gebildet und die Beteiligungen kategorisiert. Da‑ ran anschließend kann als Ergebnis ein Stufensystem für Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht gebildet werden.

I. Komponenten der Beteiligung von Dritten Zur Kategorisierung der Beteiligungsvorschriften werden verschiedene Komponenten herangezogen, worunter sich die Normierungen einordnen las‑ sen. Dazu zählen die Art der Entscheidung, die Beteiligungsdurchführung, die Art der Einbeziehung ins Verfahren, die Adressaten und Verpflichteten der Beteiligung, der Zeitpunkt der Beteiligung, die Responsivität und schließ‑ lich die vorhandenen Rechtsbehelfsmöglichkeiten.

1. Art der Entscheidung In diesem Abschnitt wird dargelegt, welche Entscheidung, auf die das Ver‑ fahren hinausläuft, getroffen wird. Es stehen entweder Einzelentscheidungen oder Akte administrativer Normsetzung mit unmittelbarer Drittwirkung am Ende des Verfahrensprozesses. a) Einzelentscheidungen Unter die Einzelentscheidungen fallen Verfahren, die mit einer Genehmi‑ gung, Eintragung oder Beschränkung abschließen. Darüber hinaus gibt das



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 167

Sekundärrecht andere Entscheidungen mit der Beteiligung von Dritten vor, die der Genehmigung nahestehen, die Terminologie der Genehmigung aber nicht verwenden. Mit einer Genehmigung schließen sieben Sekundärrechtsakte ab. Dazu zählen die Genehmigungen eines Projektes für Tierversuche, Genehmigun‑ gen eines Projektes, bei welchem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch‑ geführt werden muss, Genehmigungen von Anlagen nach der IE-RL (sowohl für Anlagen nach Anhang I als auch für Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen), Genehmigungen von Abfallentsorgungseinrichtungen nach der Bergbauab‑ fall-RL, Genehmigungen kerntechnischer Anlagen, Genehmigungen von An‑ lagen bzw. Tätigkeiten zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und ra‑ dioaktiver Abfälle und Genehmigungen von Vorhaben von gemeinsamem Interesse nach der Energieinfrastruktur-VO. Genehmigungen ist inhärent, dass das Verfahren mit einem Antrag beginnt. Dieser wird in der Regel nach eventueller Weiterreichung an die zuständige Stelle veröffentlicht, so dass sich Dritte informieren und anschließend effek‑ tiv beteiligen können. Unter den Oberbegriff der Genehmigung lassen sich in die Kategorie der Einzelentscheidung noch weitere Verfahren aus anderen Sekundärrechtsakten einordnen, die zwar nicht explizit auf eine Genehmigung abzielen, deren Verfahren aber mit dem Genehmigungsverfahren vergleichbar ist. Den Ver‑ fahren ist gemein, dass ein Antrag gestellt und im Anschluss eine konkretindividuelle Entscheidung getroffen wird, so dass eine bestimmte Maßnahme, Handlung oder Tätigkeit erlaubt ist. So stellen im Gentechnikrecht die Sys‑ tem-RL und FreisetzungsRL auf eine Zustimmung ab. Nach der System-RL muss die Verwendung eines GVM in einem geschlossenen System angemel‑ det werden und bei bestimmten Gefahrklassen muss eine schriftliche Zustim‑ mung erfolgen. Gegebenenfalls kann dabei eine Beteiligung durchgeführt werden. In der FreisetzungsRL werden bei der absichtlichen Freisetzung und dem Inverkehrbringen ebenfalls Dritte beteiligt, bevor die schriftliche Zu‑ stimmung erteilt wird. Nach der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO müssen die Lebens- bzw. Futtermittel zugelassen werden, bevor sie in den Verkehr ge‑ bracht werden können. Im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens wird die Öffentlichkeit beteiligt. In eine ähnliche Richtung geht die Zertifizierung von Drittlandunternehmen nach der Strom-RL und der Gas-RL. Danach ist eben‑ falls ein vorheriger Antrag notwendig, bevor über die Zertifizierung entschie‑ den wird und Dritte bei der Kommissionsstellungnahme nach dem Ermessen der Kommission beteiligt werden können. Ebenso sind die Vereinbarkeitsbzw. Unvereinbarkeitsentscheidungen der Kommission bei der Fusionskont‑ rolle zu beurteilen. Die geplanten Zusammenschlüsse, die unter die Fusions‑ kontroll-VO fallen, müssen angemeldet werden, um das Verfahren der mehr‑ phasigen Kontrolle mit anschließender Freigabe zu durchlaufen. Auch die

168

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Seveso-III-RL stellt begrifflich nicht auf eine Genehmigung, sondern nur auf eine Entscheidung ab. Faktisch läuft die Entscheidung aber auf eine Geneh‑ migung des Projektes hinaus. Ebenfalls wird nach der REACH-VO eine Ent‑ scheidung bei der Bewertung der eingereichten Versuchsvorschläge getrof‑ fen, so dass die Versuchsvorschläge gegebenenfalls mit vorgeschriebenen Änderungen durchgeführt werden können oder dies untersagt wird (Art. 51 Abs. 3 und 6 REACH-VO). Diese Entscheidungen sind mit einem Wider‑ spruch (Art. 91–93 REACH-VO) angreifbar und daher auch als Einzelent‑ scheidungen einzuordnen. Zwei Sonderfälle, die zwar einen Antrag voraussetzen, sich aber dennoch von den vorherigen Sekundärrechtsakten unterscheiden, bilden die Entschei‑ dungen nach der EH-RL und der EMAS-III-VO. Bei ersterer erfolgt eine Beteiligung beim Ausschluss von kleineren Anlagen aus dem Emissionshan‑ delssystem. Zielrichtung ist somit nicht wie bei den anderen Verordnungen und Richtlinien, für eine Maßnahme oder Tätigkeit ausdrücklich eine Erlaub‑ nis zu erhalten, sondern aus einem verpflichtenden System ausgeschlossen zu werden und dafür eine gleichwertige Maßnahme zu leisten. Bei dem frei‑ willigen System nach der EMAS-III-VO, welches das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung umfasst, ist eine Registrierung notwendig, bei welcher Dritte Beschwerden erheben können. Erst wenn diese Beschwer‑ den positiv geklärt wurden, kann ein Unternehmen in das System aufgenom‑ men und registriert werden. Die Besonderheit liegt darin, dass die Teilnahme an dem System freiwillig ist und im Gegensatz zu den übrigen Sekundär‑ rechtsakten kein Ordnungsrecht vorliegt. Eine weitere Kategorie neben der Genehmigung sind die Eintragungen. Auch diese sind von der rechtlichen Wirkung einer Genehmigung ähnlich, indem infolge der Eintragung Rechte bzw. Bezeichnungen geführt werden dürfen. Ebenso ist eine Anmeldung erforderlich. Von diesem Bereich umfasst ist das Markenrecht, d. h. die Eintragung von Unionsmarken und deren Mo‑ difikationen nach der Unionsmarken-VO sowie die Eintragung von Marken und Kollektivmarken nach der Marken-RL. Abzugrenzen von den Genehmigungen und den Eintragungen sind die Be‑ schränkungen. Diesen geht gerade kein Antrag voraus, da sie bestehende Rechte einschränken und damit für die Rechtsinhaber keinen Vorteil, sondern einen Nachteil bringen. Solche Nachteile müssen zum einen bei den Lärm‑ minderungsmaßnahmen und den Betriebsbeschränkungen nach der Flugha‑ fenbetriebsbeschränkungsVO hingenommen werden, wobei Dritte mit in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Zum anderen werden im Tele‑ kommunikationssektor Beschränkungen vorgenommen. Sowohl die markt‑ machtabhängigen als auch die marktmachtunabhängigen Regulierungsver‑ pflichtungen nach der Kommunikationsrahmen-RL (i. V. m. der ZugangsRL



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 169

bzw. Universaldienst-RL) weisen für die jeweiligen Betroffenen einen rechts‑ beeinträchtigenden Charakter auf. Zudem sieht die GenehmigungsRL bei den Allgemeingenehmigungen vor, dass Rechte, Bedingungen und Verfahren ge‑ ändert werden können, wobei im Vorfeld dieser Änderungsentscheidungen auch Dritte beteiligt werden. Auch im Arzneimittelrecht können beschrän‑ kende Maßnahmen auferlegt werden. Im Rahmen der Pharmakovigilanz wird das Arzneimittel, nachdem es auf den Markt gebracht wurde, einer erneuten Kontrolle unterzogen. Dabei können Anhörungen durchgeführt werden, um zu beurteilen, ob die Genehmigung des Arzneimittels aufrechterhalten, geän‑ dert, ausgesetzt, verlängert oder widerrufen wird. b) Administrative Normsetzung mit unmittelbarer Drittwirkung Aufgrund der eingangs erläuterten Beschränkung des Untersuchungsge‑ genstandes sind Akte administrativer Normsetzung nur heranzuziehen, wenn diese unmittelbare Drittwirkung haben. Diese Eingrenzung soll als „Umkehr‑ schluss“ zur Einzelfallentscheidung dienen: Es soll gerade keine Differenzie‑ rung zwischen einer Genehmigung nach einer Einzelfallentscheidung und einer Norm, die dieses Genehmigungsverfahren gewissermaßen vorweg‑ nimmt, vorgenommen werden. Es ist gleichgültig, ob die zuständige Stelle eine Genehmigung im Einzelfall vorsieht oder im Vorhinein bestimmt hat, welche Maßnahmen darunter fallen, so dass ohne einen weiteren Vollzugsakt unmittelbare Wirkung für den Dritten eintritt. Die administrative Normsetzung findet sich hauptsächlich im Lebensmit‑ telrecht. In diesem Bereich können alle untersuchten Sekundärrechtsakte die‑ ser Kategorie zugeordnet werden. Der Anhang der Health-Claims-VO enthält nährwertbezogene Angaben, mit denen Unternehmen werben können. Bei einer Änderung dieses Anhangs kann gegebenenfalls eine Beteiligung durch‑ geführt werden. Bei gesundheitsbezogenen Angaben gestaltet sich das Ver‑ fahren anders. Es bestehen Listen mit gesundheitsbezogenen Angaben, fest‑ gelegt in den zwei Verordnungen (EU) Nr. 432 / 2012 und (EU) Nr. 1228 / 2014. Sollen gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 13 Abs. 5 und Art. 14 Abs. 1 Health-Claims-VO in die Liste aufgenommen werden, wird zunächst ein Zu‑ lassungsverfahren durchgeführt, wobei eine Beteiligung stattfindet. Das Zu‑ lassungsverfahren endet mit dem Erlass einer Verordnung, welche die Ge‑ meinschaftslisten ändert. Zusätzlich findet dieses Zulassungsverfahren – und mithin auch die Beteiligung – bei der Änderung, der Aussetzung und dem Widerruf der Listen statt. Diese Regelung gilt unabhängig von Art. 14 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 5 Health-Claims-VO, so dass auch bei Änderungen im Zu‑ sammenhang mit gesundheitsbezogenen Angaben nach Art. 13 Abs. 1 HealthClaims-VO eine Beteiligung vorgenommen wird. Der Erlass der Liste mit den Angaben nach Art. 13 Abs. 1 Health-Claims-VO erfolgt aber ohne Betei‑

170

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

ligung (siehe Art. 13 Abs. 3 Health-Claims-VO). Ein Grund für diese Unter‑ scheidung ist nicht ersichtlich. Nichtsdestotrotz wirkt sich diese Diversität nur in geringem Maße aus, da nach dem einmaligen Erlass der Liste nach Art. 13 Abs. 3 Health-Claims-VO jede nachträgliche Änderung mit einer Be‑ teiligung vollzogen wird. Ein weiteres Verfahren, welches zur Änderung der Listen nach Art. 13 und Art. 14 Health-Claims-VO führen kann, ist das Über‑ prüfungsverfahren, am Ende dessen entschieden wird, ob die gesundheitsbe‑ zogene Angabe noch immer den Bedingungen der Verordnung entspricht. Bei diesem Verfahren können ebenfalls Dritte Bemerkungen abgeben, bevor die Änderung der Liste durch eine Verordnung vorgenommen wird. Bei der AnreicherungsVO finden sich Positivlisten in Anhang I und II. Diese legen fest, welche Vitamine und Mineralstoffe in welcher Form einem Lebensmittel zugesetzt werden dürfen. Der Anhang III stellt eine Negativ‑ liste für den Zusatz von anderen Stoffen auf. Sowohl bei der Änderung der Positiv- als auch der Negativliste werden Dritte beteiligt. Die Änderung er‑ folgt mittels Änderungsverordnungen. Die geografischen Bezeichnungen, d. h. spezielle Bezeichnungen nach der GMO-VO im Weinsektor, der Aromawein-VO und der Spirituosen-VO sowie alle sonstigen Bezeichnungen nach der Qualitätsregelung-VO, werden von der Kommission nach vorheriger Anmeldung eingetragen. Die Bezeichnun‑ gen werden mittels eines Durchführungsrechtsaktes bzw. bei der SpirituosenVO in den Anhang III eingetragen, so dass sie von jedem Marktteilnehmer verwendet werden können, der die Produktspezifikationen einhält (siehe Art. 12 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO, Art. 103 Abs. 1 GMOVO, Art. 20 Abs. 1 Aromawein-VO, Art. 15 Abs. 4 Spirituosen-VO). Damit ist die Eintragung zwar letztendlich auf einen administrativen Rechtsakt ge‑ richtet, allerdings erinnert das Anmeldeverfahren stark an eine Einzelfallent‑ scheidung.1 Bei der GMO-VO und der Qualitätsregelung-VO wird auch ermöglicht, grenzüberschreitende Anträge bzw. gemeinsame Anträge auf Ein‑ tragung einer geografischen Bezeichnung zu stellen. Nach Art. 13 Durchfüh‑ rungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009 zur GMO-VO und Art. 4 delegierte Verordnung (EU) Nr. 664 / 2014 zur Qualitätsregelung-VO müssen die natio‑ nalen Einspruchsverfahren in allen betroffenen Mitgliedstaaten bzw. Dritt‑ staaten durchgeführt werden. Neben dem Lebensmittelrecht finden sich im Wirtschaftsrecht, genauer im Energierecht, zwei Sekundärrechtsakte, welche die Beteiligung bei einem Akt administrativer Normsetzung mit unmittelbarer Drittwirkung vorsehen. Die Strom-VO und die Gas-VO ermöglichen die Festlegung von Netzkodizes durch den ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) oder alternativ durch die 1  Siehe

C. I. 1. a).



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 171

ACER (sog. Agenturkodizes) sowie durch die Kommission (sog. Kommissi‑ onskodizes). Die Netzkodizes gelten unmittelbar für die Netzbetreiber, wel‑ che in den Verbünden des ENTSO (Strom) und des ENTSO (Gas) zusam‑ menarbeiten. Damit liegt in diesem Bereich der Sonderfall einer regulierten Selbstregulierung vor. Der administrative Akt wird durch diejenigen geschaf‑ fen, die davon unmittelbar betroffen sind. Dieser relevante Unterschied zu den Sekundärrechtsakten aus dem Lebensmittelrecht wird aber dadurch abge‑ schwächt, dass diese nur rechtliche Verbindlichkeit erlangen, wenn eine sol‑ che durch das Komitologieverfahren erwirkt wird. Das Komitologieverfahren bei den Netzkodizes der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) und bei den Agenturkodizes wird aber nicht vorausgesetzt und steht nur im Ermessen der Kommission. Verpflichtend ist es hingegen bei den sog. Kommissionskodi‑ zes. Ebenfalls mittels eines Komitologieverfahrens werden die Netzkodizes geändert, wodurch die Änderungen rechtsverbindlich werden. Der Anwen‑ dungsbereich für die vorliegende Untersuchung ist daher nur auf solche Netzkodizes beschränkt, die ein Komitologieverfahren durchlaufen haben. Die Akte administrativer Normsetzung im Energie- und Lebensmittelrecht ähneln sich also. Bei beiden Rechtsbereichen werden die Akte mittels Komi‑ tologieverfahren verabschiedet und mithin ein Verfahren unter Mitwirkung der Kommission und der Ausschüsse durchgeführt. Ebenfalls sieht das Chemikalienrecht die Beteiligung an Akten administra‑ tiver Normsetzung vor. Nach der Pflanzenschutzmittel-VO werden Genehmi‑ gungen von Wirkstoffen nach Art. 13 Abs. 2 Pflanzenschutzmittel-VO mittels Komitologieverfahren in eine Verordnung aufgenommen. Nach der REACHVO können bei der Bewertung sowohl Einzelentscheidungen getroffen als auch Akte administrativer Normsetzung erlassen werden. Neben den Einzel‑ entscheidungen nach Art. 51 Abs. 3 und Abs. 6 REACH-VO sieht Abs. 7 vor, dass ein Prüfverfahren mit Erlass eines Durchführungsaktes erlassen wird, sobald keine Einigung im Ausschuss der Mitgliedstaaten erreicht werden kann. Bei der Zulassung werden sowohl die Aufnahme von Stoffen in An‑ hang XIV als auch die konkrete Zulassungserteilung nach dem Komitologie‑ verfahren erlassen. Stoffe, die einer Beschränkung des Anhang XVII unter‑ liegen, dürfen nur unter Einhaltung dieser Beschränkung in den Verkehr ge‑ bracht werden. Soll dieser Anhang geändert werden, erfolgt dies im Komito‑ logieverfahren. Die REACH-VO ist damit der einzige Sekundärrechtsakt, welcher sowohl Einzelfallentscheidungen als auch Akte administrativer Normsetzung mit unmittelbarer Drittwirkung vorsieht. Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Untersuchung also auf Normen mit einer Einzelfallentscheidung als Abschluss, was sich aber auf den festgeleg‑ ten Untersuchungsgegenstand mit der Einschränkung auf alle Entscheidun‑ gen mit unmittelbarer Drittwirkung zurückführen lässt.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

2. Verbindlichkeit der Beteiligung Bei der Verbindlichkeit der Beteiligung soll dargestellt werden, inwieweit die Sekundärrechtsakte die Beteiligung als obligatorisch vorschreiben oder lediglich eine fakultative Beteiligung vorsehen. Eine fakultative Beteiligung ist bei 14 Beteiligungsvorschriften auszumachen. Häufiger sind hingegen ob‑ ligatorische Beteiligungen, d. h. die Beteiligungsdurchführung ist verbindlich vorgeschrieben. Die meisten Sekundärrechtsakte enthalten solche obligatori‑ schen Beteiligungen neben den Beteiligungen, die im Ermessen stehen. a) Fakultative Beteiligung Ist die Durchführung der Beteiligung im Sekundärrechtsakt nur fakultativ ausgestaltet, liegt es im Ermessen des Mitgliedstaates, der nationalen Be‑ hörde, der Kommission oder der Agentur bzw. des zuständigen Ausschusses, ob Dritte in das Verfahren einbezogen werden und partizipieren können. Im Umweltrecht schreibt lediglich die FFH-RL eine fakultative Beteili‑ gung vor. Nach Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL kann die Behörde bei der FFHVerträglichkeitsprüfung gegebenenfalls die Öffentlichkeit zu dem geplanten Projekt anhören. Es liegt somit in ihrem Ermessen.2 Im Tierschutzrecht normiert nur ein Sekundärrechtsakt eine Drittbeteili‑ gung und diese auch nur fakultativ. Bei der Projektbeurteilung von Tierver‑ suchen können nach Art. 38 Abs. 4 Tierversuch-RL Stellungnahmen unab‑ hängiger Dritter einbezogen werden. Im Bereich des Wirtschaftsrechts finden sich fakultative Beteiligungen häufig. Bei der Zertifizierung von Drittlandunternehmen nach der Strom‑RL und der Gas-RL nimmt die Kommission zu den Entscheidungsentwürfen der nationalen Regulierungsbehörden Stellung. Bei dieser Stellungnahme kann die Kommission Standpunkte interessierter Kreise einholen (Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Strom-RL bzw. Gas-RL). Beim Erlass von Netzkodizes nach der Strom-VO und Gas-VO sind meh‑ rere Beteiligungsmöglichkeiten gegeben, die zum Teil obligatorisch, zum Teil fakultativ ausgestaltet sind. Die informellen Konsultationen in der Aus‑ arbeitungsphase weisen zwangsläufig einen fakultativen Charakter auf. Da diese nicht gesetzlich normiert wurden, kann eine Pflicht zur Durchführung der Beteiligung nicht bestehen. Fakultativ sind auch die Konsultationen in der Kontrollphase. Die ACER kann nach Vorlage des Netzkodex eine förm‑ liche Konsultation durchführen (Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO). Ein 2  Zur a.  A., wonach auch dem nationalen Gesetzgeber ein Ermessensspielraum zukommt, siehe B. I. 5.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 173

Ermessen kommt der ACER auch hinsichtlich der Konsultation beim Erlass von Agenturkodizes nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO zu. Im Telekommunikationsrecht enthält Art. 17 GEREK-VO eine fakultative Beteiligung. Beim Erlass von marktregulatorischen Verpflichtungen findet nach den obligatorischen Beteiligungen im Konsultationsverfahren ein Kon‑ solidierungsverfahren statt, bei dem das GEREK eine Stellungnahme abge‑ ben kann. Dabei steht es im Ermessen des GEREK, ob es vor Abgabe dieser Stellungnahme interessierte Kreise konsultiert. Bei der Fusionskontrolle sieht Art. 11 Abs. 7 Fusionskontroll-VO vor, dass die Kommission alle natürlichen und juristischen Personen zum Zweck der Informationseinholung befragen kann. Daneben ist die Beteiligung nach Art. 18 Abs. 4 S. 1 Fusionskontroll-VO fakultativ ausgestaltet. Abs. 4 von Art. 18 Fusionskontroll-VO unterscheidet zwischen zwei Beteiligungsadres‑ saten: Den obligatorisch anzuhörenden Dritten mit einem hinreichenden Inte‑ resse nach S. 2 und den Dritten ohne hinreichendes Interesses nach S. 1. Letztere kann die Kommission oder die zuständige nationale Behörde anhö‑ ren, wenn sie es für erforderlich halten. Im Bereich des Produktrechts bestimmt die Health-Claim-VO in Art. 8 Abs. 2, dass bei der Änderung der Liste mit nährwertbezogenen Angaben die Kommission gegebenenfalls Interessengruppen, insbesondere Lebensmittel‑ unternehmer und Verbraucherverbände, einbezieht, um die Wahrnehmung und das Verständnis der betreffenden Angaben bewerten zu können. Die Be‑ teiligung ist somit fakultativ, während bei der Zulassung und Überprüfung von gesundheitsbezogenen Angaben bzw. der Änderung der Liste mit ge‑ sundheitsbezogenen Angaben Dritte obligatorisch einzubeziehen sind. Im Arzneimittelrecht steht die Einbeziehung ebenfalls im Ermessen. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz kann öffentli‑ che Anhörungen durchführen (siehe Art. 107j Abs. 2 Humanarzneimittel-RL i. V. m. Art. 20 Abs. 8 S. 2 Arzneimittel-VO). Gleichfalls im Ermessen eines Ausschusses steht die Beteiligung nach Art. 64 Abs. 3 REACH-VO im Rahmen der Zulassung von Chemikalien. Der Ausschuss für sozioökonomische Analysen kann, wenn er es für erforderlich hält, Dritte auffordern, innerhalb einer bestimmten Frist zusätzliche Informa‑ tionen über mögliche Alternativstoffe oder Alternativtechnologien zu über‑ mitteln. Eine Besonderheit weisen die Beteiligungen in Art. 12 System-RL und Art. 40 Abs. 1 Marken-RL auf: Bei diesen beiden Vorschriften besteht das Ermessen nicht auf Seiten der entscheidenden Stelle, sondern kommt dem nationalen Gesetzgeber zu. Dieser kann bei der Umsetzung der Richtlinien‑ bestimmungen entscheiden, ob eine Beteiligung in das nationale Recht auf‑

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

genommen werden soll. Hat der nationale Gesetzgeber eine Beteiligung nor‑ miert, kommt der ausführenden Stelle kein Ermessen mehr hinsichtlich der Durchführung der Beteiligung zu. Das Ermessen wird somit in dem der Ver‑ waltungsentscheidung vorgelagerten Schritt ausgeübt. Nach Art. 12 SystemRL kann der Mitgliedstaat, wenn er es für angebracht hält, vorschreiben, dass die Öffentlichkeit bei Anwendung von GVM im geschlossenen System ange‑ hört werden soll. Art. 40 Abs. 1 Marken-RL schafft für die Mitgliedstaaten ein Ermessen in Bezug auf die Einreichung von Bemerkungen. Die Mitglied‑ staaten können vorsehen, dass vor der Eintragung einer Marke schriftliche Bemerkungen eingereicht werden können. Wird eine entsprechende Rege‑ lung für die Bemerkungen erlassen, können die Dritten unabhängig von ei‑ nem Ermessen der nationalen Behörde Bemerkungen einreichen. b) Obligatorische Beteiligung Neben den fakultativen Beteiligungen bestimmen die Sekundärrechtsakte in einer Vielzahl ihrer Vorschriften eine Beteiligung, die obligatorisch ausge‑ staltet ist. Die Durchführung der Beteiligung ist also für die entscheidende Stelle zwingend. Bis auf die Beteiligung nach der FFH‑RL verpflichten alle übrigen um‑ weltrechtlichen Beteiligungsvorschriften zu Beteiligung. So bestehen obliga‑ torische Beteiligungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-II-RL, im Immissionsschutzrecht bei der IE-RL, EH-RL und Flugha‑ fenbetriebsbeschränkungsVO, im Bereich des Störfallrechts nach der SevesoIII-RL, beim Umweltaudit gemäß der EMAS-III-VO, im Abfallrecht nach der Bergbauabfall-RL sowie bei den beiden Richtlinien im Atomrecht (Nuk‑ leare-Sicherheit-RL und Entsorgung-RL). Im Gentechnikrecht schreiben die FreisetzungsRL und die Lebens‑ / Futter‑ mittel-GenT-VO verpflichtende Beteiligungen vor. Nach Art. 9 Abs. 1 Frei‑ setzungsRL sind die Öffentlichkeit und gegebenenfalls Gruppen bei der ab‑ sichtlichen Freisetzung von GVO anzuhören. Beim Inverkehrbringen von GVO kann die Öffentlichkeit nach Art. 24 Abs. 1 FreisetzungsRL bei der Kommission Bemerkungen zu dem Bewertungsbericht über die GVO vor‑ bringen. Bei der Zulassung von genetisch veränderten Lebens- und Futter‑ mitteln kann die Öffentlichkeit zur Stellungnahme der EFSA gegenüber der Kommission Stellung nehmen (Art. 6 Abs. 7, Art. 18 Abs. 7 Lebens- / Futter‑ mittel-GenT-VO). Das Wirtschaftsrecht enthält die meisten fakultativ ausgestalteten Beteili‑ gungsvorschriften. Daneben finden sich aber auch viele Beteiligungen, die zwingend durchzuführen sind. Bei der Strom-VO bzw. Gas-VO ist eine Be‑ teiligung obligatorisch, wenn der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) den



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 175

Netzkodex ausarbeitet (siehe Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO), ein Netzko‑ dex geändert wird (siehe Art. 10 ACER-VO) oder die Kommission einen Kommissionkodex nach Art. 6 Abs. 11 Strom-VO bzw. Gas-VO erlässt. Die Beteiligung nach Art. 9 Energieinfrastruktur-VO ist ebenfalls zwin‑ gend und schreibt vor, dass mindestens eine Anhörung der Öffentlichkeit durchzuführen ist. Beim Telekommunikationsrecht bestimmt die zentrale Vorschrift des Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL, dass interessierten Kreise die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden muss. Auch bei dem Erlass marktmacht­ unabhängiger Verpflichtungen nach Art. 12 GenehmigungsRL erhalten inte­ ressierte Kreise die Gelegenheit zur Meinungsäußerung. Bei der Änderung von Rechten und Pflichten aus der Allgemeingenehmigung wird gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GenehmigungsRL den interessierten Kreisen eine ausrei‑ chende Frist zur Standpunktdarlegung eingeräumt. Diese Beteiligung ist ebenfalls verpflichtend durchzuführen. Die Fusionskontroll-VO enthält in Art. 11 Abs. 7 und Art. 18 Abs. 4  S. 1 fakultative Beteiligungsvorschriften. Hingegen ist die Anhörung von Dritten mit einem hinreichenden Interesse nach Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskont‑ roll‑VO in jedem Fall durchzuführen und damit obligatorisch. Im Lebensmittelrecht sind die Beteiligungsvorschriften – mit Ausnahme von Art. 8 Abs. 2 Health-Claims-VO – obligatorisch ausgestaltet. Bei der Zu‑ lassung, Überprüfung und Änderung gesundheitsbezogener Angaben nach Art. 10 ff. Health-Claims-VO, bei der Änderung der Positiv- und Negativlis‑ ten aus der AnreicherungsVO sowie bei der Eintragung von geografischen Schutzbezeichnungen werden Beteiligungen vorgeschrieben, die zwingend durchzuführen sind. Im Markenrecht wird den Mitgliedstaaten bei Bemerkungen nach Art. 40 Marken-RL ein Ermessen eingeräumt, verpflichtend sind hingegen die Be‑ merkungen nach Art. 45 Unionsmarken-VO. Zudem sind die Widerspruchs‑ möglichkeiten im Markenrecht obligatorisch und stehen nicht im Ermessen (siehe Art. 43 Marken-RL, Art. 46 Unionsmarken-VO). Bei der REACH-VO ist lediglich im Rahmen der Zulassung von Chemika‑ lien nach Art. 64 Abs. 3 eine fakultative Beteiligung vorgesehen. Bei den restlichen Beteiligungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Zulassung (Art. 58 Abs. 4, Art. 59 Abs. 4, Art. 64 Abs. 2 REACH-VO) sowie bei der Bewertung und Beschränkung von Chemikalien sind die Beteiligungen ver‑ pflichtend. Dies trifft ebenso auf die Beteiligung nach der Pflanzenschutz‑ mittel-VO zu.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

3. Beteiligungsarten Unter der Komponente der Beteiligungsart wird analysiert, in welcher Form sich Dritte in das Verfahren einbringen können. Dabei kann die Diffe‑ renzierung nach der Zielsetzung vorgenommen werden: Die Beteiligung zielt entweder auf die bloße Informationsbeschaffung ab oder es sollen wertende oder sogar widersprechende Ansichten des Dritten vorgebracht werden. Al‑ lerdings finden sich auch Beteiligungsarten, die keine Zielsetzung für die Beteiligung vorgeben. a) Beteiligung ohne konkrete Zielsetzung In der ersten Kategorie werden solche Rechtsakte zusammengefasst, die auf‑ grund ihrer allgemeinen Formulierung keine konkrete Zielsetzung für die Be‑ teiligung vorsehen. Von den Richtlinien und Verordnungen werden die Begriffe Beteiligung, Konsultation oder Anhörung verwendet. Die am unbestimmtesten gehaltene Terminologie ist dabei die der Beteiligung. Eine solche findet sich in den beiden Richtlinien des Atomrechts (Art. 8 Abs. 4 Nukleare-SicherheitRL und Art. 10 Abs. 2 Entsorgung-RL). Dabei wird nur auf eine effektive Be‑ teiligung nach dem nationalen Recht oder den internationalen Vorschriften ver‑ wiesen. Eine echte Beteiligung wird daher nur durch die Verbindung der Richt‑ linie mit den nationalen oder internationalen Voraussetzungen etabliert. Werden in den Sekundärrechtsakten die Begriffe Anhörung oder Konsul‑ tation verwendet, hat dies in der Regel denselben Bedeutungsgehalt. Dies wird aus der Zusammenschau der deutschen Formulierung mit den anderen Sprachfassungen der Sekundärrechtsakte deutlich. So werden in der engli‑ schen und französischen Fassung der System-RL, der Flughafenbetriebsbe‑ schränkungsVO, der Strom-VO sowie der Gas-VO einheitlich für das deut‑ sche Wort Anhörung die Begrifflichkeit consultation bzw. die Verbformen consulted und consulté(es) verwendet. Diese Sekundärrechtsakte zielen alle darauf ab, Dritte in das Verfahren einzubeziehen, allerdings ohne konkret eine Angabe zur Zielsetzung vorzugeben. Dennoch impliziert die Konsulta‑ tion bzw. Anhörung eine gewisse Modalität gegenüber der bloßen Beteili‑ gung. Die Beteiligung stellt auf das schlichte Mitwirken ab,3 während bei der Konsultation eine Einbeziehung von Dritten vorgenommen wird, um ei‑ nen bestimmten Rat einzuholen.4 In einem solchen Rat kann sich bereits 3  Siehe Bedeutung „Beteiligung“ nach dem Duden, abrufbar unter http://www. duden.de/rechtschreibung/Beteiligung (Stand: 19.10.2017). 4  Abgeleitet von dem lateinischen consultatio, was Beratschlagung bedeutet, Duden „Konsultation“ http://www.duden.de/rechtschreibung/Konsultation (Stand: 19.10.2017).



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 177

eine gewisse Wertung finden, so dass der Übergang zu Beteiligungen, die auf die Einholung einer Wertung abzielen, fließend sein kann. Dennoch ma‑ chen die Begrifflichkeiten Konsultation und Anhörung weniger deutlich, dass tatsächlich schon eine Meinung eingeholt werden soll. Ein Rat kann auch aufgrund einer rein objektiven Beurteilung losgelöst vom eigenen Standpunkt erfolgen. Die System-RL spricht in Art. 12 von Anhörung der Öffentlichkeit. In der Strom-VO und der Gas-VO finden sich bei der Erstel‑ lung der Netzkodizes (förmliche) Anhörungen und Konsultationen nach dem jeweiligen Art. 6, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 10 ACER-VO. Nach der FlughafenbetriebsbeschränkungsVO werden Anhörungen bei Lärmminderungs- und Betriebsbeschränkungsmaßnahmen vorgenommen, wobei ­ allerdings nach Art. 6 Abs. 2 lit. d) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO die Besonderheit besteht, dass auf die Möglichkeit eines Media­tionsverfahrens ausdrücklich hingewiesen wird. Nach der FFH-RL wird gegebenenfalls eine Anhörung der Öffentlichkeit bei der Verträglichkeitsprüfung eines Projektes durchgeführt und die AnreicherungsVO ermöglicht in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 eine Konsultation von betroffenen Gruppen bei der Änderung der Positivlis‑ ten im Anhang. b) Beteiligung zu Informationszwecken In der zweiten Kategorie lassen sich solche Beteiligungsarten verorten, die auf die bloße Einholung von Informationen durch die Beteiligung zielen. Ein solcher Informationszweck ist in vier Sekundärrechtsakten festgelegt. Im Arzneimittelrecht wird die Beteiligung bei der Pharmakovigilanz durchgeführt. Bei dieser Nachmarktkontrolle sollen Informationen über mög‑ liche Gefahren, Risiken und Nebenwirkungen des zugelassenen Arzneimit‑ tels aufgedeckt werden, damit die Genehmigung entweder verlängert, geän‑ dert oder widerrufen werden kann. Solche Informationen können u. a. durch die Einbeziehung von Dritten eingeholt werden. Die Einholung steht dabei aber im Ermessen. Gleichermaßen im Ermessen steht bei der Health-Claims-VO nach Art. 8 Abs. 2 die Einbeziehung von Interessengruppen bei der Änderung des An‑ hangs mit den nährwertbezogenen Angaben. Die Beteiligung soll dazu die‑ nen, die Wahrnehmung und das Verständnis der betreffenden Angabe bewer‑ ten zu können. Durch die Interessengruppen sollen also nur Informationen hinsichtlich der nährwertbezogenen Angabe eingereicht werden, damit die Kommission im Anschluss daran aus diesen Informationen eine eigene Be‑ wertung vornehmen kann. Die REACH-VO sieht an mehreren Stellen die Beteiligung zu Informati‑ onszwecken vor. Zunächst werden bei der Bewertung von Versuchsvorschlä‑

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

gen nach Art. 40 Abs. 2 REACH-VO Dritte aufgefordert, wissenschaftlich fundierte Informationen und Studien, die sich auf die veröffentlichten Daten beziehen, vorzulegen. Des Weiteren können Dritte bei der Zulassung von Stoffen nach Art. 64 Abs. 2 und Abs. 3 REACH-VO Informationen über Al‑ ternativstoffe und -technologien übermitteln. Schließlich findet sich bei der Bewertung noch eine Informationsübermittlung in Form von Einreichungen von sozioökonomischen Analysen nach Art. 69 Abs. 6 lit. b) REACH-VO. Die REACH-VO stellt somit auf wissenschaftlich versierte Dritte ab und for‑ dert explizit nur zur Übermittlung von wissenschaftlichen Informationen auf. Im Kontrast dazu steht der vierte in diese Kategorie fallende Sekundär‑ rechtsakt. Die Fusionskontroll-VO aus dem Wirtschaftsrecht ermöglicht der Kommission in Art. 11 Abs. 7 Fusionskontroll-VO, alle natürlichen und juris‑ tischen Personen in jedem Verfahrensstadium der Fusionskontrolle zu befra‑ gen. Die Befragung bezweckt die Einholung von Informationen über einen bestimmten Untersuchungsgegenstand. Der Anwendungsbereich ist somit sehr breit ausgestaltet und die Informationen können jeglichen Inhalt haben. Weiter dient die Beteiligung von Dritten nach Art. 18 Abs. 4 S. 1 Fusions‑ kontroll-VO der Informationsgewinnung. Danach können Dritte, die kein hinreichendes Interesse haben, von der Kommission oder den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten angehört werden, wenn diese es für erforder‑ lich halten. Bei der Anhörung der Dritten mit einem hinreichenden Interesse nach Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO ist hingegen mehr als eine In‑ formationseinholung beabsichtigt, so dass diese Beteiligung in eine andere Kategorie eingeordnet wird.5 c) Beteiligung zur Einholung von Wertungen Innerhalb der dritten Kategorie finden sich Beteiligungsarten, die die Ein‑ holung von Wertungen bezwecken. Die Dritten sollen nicht bloß zu Informa‑ tionszwecken beteiligt oder angehört bzw. konsultiert werden, sondern es wird ausdrücklich festgeschrieben, welche Art der Eingabe gemacht werden muss, damit eine Meinung vorgebracht werden kann. Diese Kategorie bezieht sich auf die Begriffe Stellungnahmen, Bemerkungen, Standpunkte, Kommentare und (Meinungs‑)Äußerungen in den jeweiligen Sekundärrechtsakten. Auf die Stellungnahmen stellt die Lebens- / Futtermittel-GenT-VO ebenso wie die EHRL und die Tierversuch-RL ab. Die Pflanzenschutzmittel-VO sieht ebenfalls die Stellungnahmemöglichkeit vor, konkretisiert aber, dass diese schriftlich übermittelt werden muss. Die FlughafenbetriebsbeschränkungsVO sieht ne‑ ben den Beteiligungsarten ohne konkrete Zielsetzung für die interessierten Kreise auch die Möglichkeit vor, Stellungnahmen abzugeben. 5  Siehe

C. I. 3. c).



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Art. 9 FreisetzungsRL spricht von Anhörungen, damit die Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Daneben sieht die Richtlinie in Art. 24 FreisetzungsRL noch die Möglichkeit vor, Bemerkungen abzugeben. Eben‑ falls zwei Beteiligungsarten aus der dritten Kategorie enthält die UVP-II-RL. Bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung werden Stellungnahmen und Mei‑ nungsäußerungen abgegeben, bei grenzüberschreitenden Auswirkungen wird die Beteiligung aber auf Stellungnahmen beschränkt. Bei der IE-RL ist diese Regelung bei der Genehmigung von Anlagen nach Anhang I und deren mög‑ lichen grenzüberschreitenden Auswirkungen identisch. Bei Genehmigungen für Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen nach Art. 55 IE-RL können aber nur Stellungnahmen eingereicht werden. Gleichfalls auf Stellungnahmen und Meinungsäußerungen stellt die Kommunikationsrahmen-RL ab. Nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL werden Konsultationen in Form von Stellung‑ nahmen abgehalten, während Art. 12 Abs. 2, 3 Kommunikationsrahmen-RL auf öffentliche Konsultationen mittels Meinungsäußerungen abstellt. Die Seveso-III-RL legt für die betroffene Öffentlichkeit die Übermittlung von Kommentaren und Stellungnahmen fest. Bei der Bergbauabfall-RL sind in Art. 16 bei grenzüberschreitenden Auswirkungen Stellungnahmen als Beteili‑ gungsart normiert worden. In Art. 8 Abs. 4 Bergbauabfall-RL findet sich da‑ rüber hinaus bei der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit des Mitglied‑ staates, in dem die Abfallentsorgungseinrichtung genehmigt werden soll, die Mitteilung von Bemerkungen und Standpunkten. Standpunkte können ebenfalls bei dem Zertifizierungsverfahren von Dritt‑ landunternehmen nach der Strom-RL und der Gas-RL von der Kommission nach ihrem Ermessen eingeholt werden. Nach der Strom-VO und der GasVO werden Konsultationen in Form der Abgabe von Standpunkten und Vor‑ schlägen abgehalten. Im Rahmen der informellen Konsultationen bei den beiden Verordnungen werden Diskussionen und Workshops (bei der StromVO) bzw. Stakeholders Joint Working Sessions (bei der Gas-VO) durchge‑ führt. Diese zielen gerade auf die Äußerungen von Wertungen ab. Die Ge‑ nehmigungsRL sieht in Art. 14 bei der Änderung der Rechte, Bedingungen und Verfahren im Zusammenhang mit der Allgemeingenehmigung ebenso die Darlegung von Standpunkten vor. Bemerkungen finden sich im Markenrecht in der Unionsmarken-VO und der Marken-RL sowie in der GEREK-VO. Bei der AnreicherungsVO werden Bemerkungen bei der Änderung der Negativliste eingeholt. Damit unter‑ scheidet die AnreicherungsVO zwischen den Beteiligungsarten bei der Ände‑ rung von Positiv- und Negativlisten. Bei der Positivliste werden nur allge‑ meine Konsultationen ohne konkrete Zielsetzung durchgeführt. Die HealthClaims-VO stellt bei den gesundheitsbezogenen Angaben ebenfalls die Mög‑ lichkeit zur Einbringung von Bemerkungen auf (siehe Art. 16 Abs. 4, Art. 19 Abs. 2 UAbs. 3 Health-Claims-VO) und divergiert damit von den nährwert‑

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

bezogenen Angaben, bei welchen eine Beteiligung nur zu Informationszwe‑ cken durchgeführt werden kann. Die EMAS-III-VO legt ebenso fest, dass Registrierungsverfahren Bemerkungen interessierter Kreise vorschreiben müssen. In der REACH-VO können Bemerkungen zu der Kandidatenliste im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgegeben werden (Art. 59 Abs. 4, Art. 58 Abs. 4 REACH-VO) und Äußerungen im Rahmen des Bewertungsverfahrens nach Art. 69 Abs. 6 lit. a) REACH-VO zum Beschränkungsdossier und nach Art. 71 Abs. 1 REACH-VO zur Stellungnahme des Ausschusses für sozio‑ ökonomische Analysen getätigt werden. Auf Äußerungen stellt auch die Fusionskontroll-VO ab, indem Anhörun‑ gen im Hauptverfahren in Form von schriftlichen Äußerungen durchgeführt werden. Zusätzlich steht im Ermessen der Kommission die Teilnahme an der förmlichen mündlichen Anhörung. Durch diese Ausgestaltung in der Verord‑ nung und der entsprechenden Durchführungsverordnung lässt sich bereits schließen, dass eine gewisse Wertung der Dritten bei der Entscheidung auf‑ genommen werden soll. Schriftliche Äußerungen werden beim Fusionskont‑ rollverfahren auch schon bei der informellen Konsultation neben informellen Gesprächen und triangular meetings ermöglicht. Die EnergieinfrastrukturVO sieht bei der Genehmigung von Vorhaben von gemeinsamem Interesse in Art. 9 zunächst allgemein eine Anhörung vor, konkretisiert dies im An‑ hang VI Nr. 3 lit. c) aber, indem sie statuiert, dass Kommentare und Ein‑ wände6 vorgebracht werden können. Die verschiedenen Begrifflichkeiten Stellungnahmen, Bemerkungen, Standpunkte, Kommentare und (Meinungs‑)Äußerungen unterscheiden sich nicht. Dies zeigt sich an den Sekundärrechtsakten aus dem Umweltrecht, wo‑ nach die Bergbauabfall-RL, die UVP-II-RL und der Art. 24 IE-RL zwar fast identisch hinsichtlich der Beteiligung ausgestaltet worden sind, dennoch Art. 8 Abs. 4 Bergbauabfall-RL auf die Möglichkeit von Bemerkungen und Standpunkte für die betroffene Öffentlichkeit, Art. 6 Abs. 4 UVP-II-RL und Art. 24 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV Nr. 3 IE-RL aber auf Stellungnahmen und Meinungsäußerungen abstellen. Dass die Bergbauabfall-RL sich dadurch von der UVP-II-RL und der IE-RL abgrenzen und eine andere Beteiligungsart bezwecken wollte, ist aber nicht ersichtlich und fernliegend. Dies wird auch durch die Seveso-III-RL gestützt, welche eine gleichgestaltete Beteiligungs‑ regelung wie die UVP-II-RL, der Art. 24 IE-RL und die Bergbauabfall-RL normiert, allerdings auf die Übermittlung von Kommentaren und Stellung‑ 6  Einwände könnten auch in die vierte Kategorie (Widerspruchsmöglichkeit durch Beteiligung) eingeordnet werden. Nichtsdestotrotz liegt der Fokus der Beteili‑ gungsvorschrift nicht darauf, das Missfallen vordergründig aufzudecken, sondern wertende Eingaben von Dritten zu bekommen, was eine Einordnung in die dritte Kategorie vorzugswürdiger erscheinen lässt.



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nahmen abstellt. Auch im Wirtschaftsrecht zeigt die Kommunikationsrah‑ men-RL, dass bei dem Erlass von marktregulatorischen Verpflichtungen in den sehr ähnlich ausgestalteten Beteiligungsverfahren des Art. 6 und Art. 12 zwar eine begriffliche Unterscheidung zwischen den Stellungnahmen und Meinungsäußerungen gemacht wurde, dadurch aber keine differenzierte Be‑ teiligungsart festgehalten werden sollte. Die verschiedenen Begrifflichkeiten zielen also alle auf die Einholung einer Bewertung der Dritten. In die dritte Kategorie lassen sich insgesamt 25 Sekundärrechtsakte ein‑ ordnen. Damit stellt die dritte Kategorie die größte Kategorie der Beteili‑ gungsarten dar. d) Widerspruchsmöglichkeit durch Beteiligung Sieben Sekundärrechtsakte finden sich in der letzten Kategorie. In diese werden Beteiligungsarten aufgenommen, die zum Ausdruck bringen, dass Dritte mit der angestrebten Entscheidung nicht einverstanden sind, und die Beteiligungen daher nicht nur zur Einholung einer Wertung durchgeführt werden, sondern darüber hinaus eine Widerspruchsmöglichkeit eingeräumt wird. Dabei werden die Terminologien Widerspruch, Einspruch und Be‑ schwerde verwendet. Widerspruchsvorschriften finden sich im Markenrecht bei der Unions‑ marken-VO und der Marken-RL. Damit umfassen beide Rechtsakte nicht nur eine Beteiligung zur Einholung von Wertungen in Form von Bemer‑ kungen, sondern es werden auch Widerspruchsmöglichkeiten durch Beteili‑ gungen geschaffen. Vor der beabsichtigten Eintragung einer Unionsmarke kann unter Geltendmachung von relativen Eintragungshindernissen Wider‑ spruch eingelegt werden (Art. 46 Unionsmarken-VO). Konkretisierungen zur Einreichung des Widerspruchs und detaillierte Verfahrensvorschriften finden sich in Art. 46 Abs. 3, Art. 47 Unionsmarken-VO und den Art. 2 ff. delegierte Verordnung (EU)  2017 / 1430. Weniger detailliert, da ein Umset‑ zungsermessen der Mitgliedstaaten besteht, ist der Widerspruch nach Art. 43 Marken-RL. Bei diesem ist allerdings auch unklar, ob er zwingend vorgelagert sein muss. Weil Art. 43 Marken-RL dies nicht vorsieht, kann durch die Mitgliedstaaten auch ein nachträgliches Widerspruchsverfahren geregelt werden. Einspruchsverfahren finden sich bei der Eintragung von geografischen Be‑ zeichnungen nach der Qualitätsregelung-VO, der GMO-VO, der AromaweinVO und der Spirituosen-VO. Die Einsprüche sind kein Individualrechtsbe‑ helf, da nicht über den Einspruch als solchen, sondern vielmehr über den Schutzantrag entschieden wird. Der Einspruch stellt eher ein Aufgebotver‑ fahren dar, welches dazu dient, umfassende Sachkenntnisse zu vermitteln,

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

damit über den Schutzantrag korrekt entschieden werden kann.7 Die Vor‑ schriften sehen – bis auf die Spirituosen-VO – ein zweistufiges Einspruchs‑ verfahren auf mitgliedstaatlicher und anschließend auf europäischer Ebene vor. Die Vorschriften zum Einspruch sind teilweise bereits in dem Sekundär‑ rechtsakt selbst sehr detailliert geregelt (so Art. 51 Qualitätsregelung-VO) und / oder werden in den jeweiligen Durchführungsverordnungen konkreti‑ siert (so bei der GMO-VO und Spirituosen-VO). Lediglich bei der im Jahr 2014 erlassenen Aromawein-VO findet sich noch keine konkretisierende Durchführungsverordnung. Herauszuheben ist bei diesen Einspruchsvor‑ schriften das Konsultationsverfahren nach Art. 51 Abs. 3 QualitätsregelungVO, welches auf eine Einigung abzielt. Schließlich schreibt die EMAS-III-VO bei der Registrierung von Unter‑ nehmen im EMAS-System vor, dass keine Beschwerden vorliegen dürfen bzw. diese positiv geklärt werden müssen. Anders als das Markenrecht und das Gebiet der geografischen Bezeichnungen enthält die EMAS-III-VO aber keinerlei Details zu dieser Beschwerde. Erklärt werden kann dies anhand der Freiwilligkeit und der Zielrichtung des EMAS-Systems. Die Beschwerde bei der Registrierung dient nicht – wie bei der Eintragung von Marken oder geo‑ grafischen Bezeichnungen – dazu, Rechte zu sichern, sondern soll lediglich in dem freiwilligen Zusammenschluss der Unternehmen für eine gewisse Homogenität sorgen. Wie diese Homogenität erzeugt wird und unter welchen Voraussetzungen dies erfolgen soll, bedarf aber keiner detaillierten Regelung im Sekundärrechtsakt. Widerspruch, Einspruch und Beschwerde sind nach nationalem Verständ‑ nis der Verwaltungsentscheidung in der Regel nachgelagert und erfüllen eine Rechtsschutzfunktion.8 In den aufgezeigten europäischen Sekundärrechtsak‑ ten werden diese Begriffe aber gerade für Beteiligungsverfahren benutzt, welche der Entscheidung vorgelagert sind. Mit Ausnahme der Beschwerde aus der EMAS-III-VO sind die Beteiligungen mit einer Widerspruchsmög‑ lichkeit am detailliertesten von den vier Kategorien ausgestaltet. Es finden sich konkrete Angaben zur Einreichung, zum Verfahren und zur Prüfung.

4. Adressaten In den Sekundärrechtsakten werden in unterschiedlicher Art und Weise die Adressaten der Beteiligung bestimmt. Zum Teil erfolgt in den Sekundär‑ rechtsakten eine genaue Aufzählung der Adressaten, wovon natürliche und 7  Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck/Knoll/Kober-Dehm, Markengesetz, § 131 Rn. 4. 8  Siehe bspw. Widerspruch nach § 68 VwGO, Einspruch nach § 347 AO, Be‑ schwerde nach § 146 VwGO.



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juristische Personen, Vereinigungen und Verbände, Unternehmen sowie Be‑ hörden umfasst sein können. Der Adressatenkreis wird also hinreichend be‑ stimmt. Bei anderen Sekundärrechtsakten wird hingegen nur sehr allgemein von Dritten oder interessierten Kreisen bzw. Parteien gesprochen, wobei mit Blick auf die englischen und französischen Sprachfassungen keine Unter‑ scheidung zwischen interessierten Kreisen und interessierten Parteien ge‑ macht werden kann.9 In den untersuchten Sekundärrechtsakten findet sich somit ein weites Spektrum an Adressaten. Zur Systematisierung dieser Adressaten lassen sich die Sekundärrechtsakte in zwei Kategorien aufteilen, die auf das Interesse abstellen, welches bei den Adressaten für die Beteiligung vorliegen bzw. nicht vorliegen muss. Dieser Ansatz findet sich schon im Umweltrecht. In diesem Rechtsbereich wird beim Kreis der zu beteiligenden Adressaten oft zwischen der Popular- und Betroffenenbeteiligung bzw. der Popular-, Interes‑ sen- und Rechtsbetroffenenbeteiligung unterschieden und eine gestufte Betei‑ ligungsmöglichkeit hervorgehoben, die sich an den verschiedenen Adressa‑ tenkreisen orientiert.10 Es wird auf die Legaldefinitionen der Öffentlichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit in den Richtlinien, wie etwa der UVP‑II‑ RL, abgestellt und damit ein vereinheitlichendes Bild geprägt. Eine Homoge‑ nität der Beteiligungsadressaten im Umweltrecht liegt aber bei Betrachtung aller für diese Untersuchung relevanten Rechtsakte gerade nicht vor. Das Umweltrecht ist hinsichtlich der Beteiligungsvorschriften bei Verwaltungs‑ entscheidungen mit unmittelbarer Drittwirkung ein ambivalentes Rechtsge‑ biet.11 Die zum Teil sehr ausführlichen Beteiligungsvorschriften, die zwi‑ schen der Öffentlichkeit und der betroffenen Öffentlichkeit unterscheiden und dafür Legaldefinitionen vorgeben, stehen solchen Normierungen gegen‑ über, die nur sehr oberflächlich und ohne hinreichende Konkretisierung die Beteiligung ermöglichen. Daher zeigen bereits die untersuchten Rechtsakte im Umweltrecht, dass ein Verhältnis mit der einfachen Differenzierung zwi‑ schen Popular- und Betroffenenbeteiligung de lege lata nicht sinnvoll ist und für eine bereichsübergreifende Systematisierung nicht herausgebildet werden kann. Die Differenzierung nach der Betroffenheit des Adressatenkreises aus dem Umweltrecht muss vielmehr abgewandelt werden. In den untersuchten Se‑ 9  So wird z. B. bei der Strom-RL, der Gas-RL, der Kommunikationsrahmen-RL, der GenehmigungsRL und der FlughafenbetriebsbeschränkungsVO einheitlich auf interested parties bzw. parties intéressées abgestellt. 10  Siehe Schmitt Glaeser, in: Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfah‑ ren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 35 (53 f.); Salzborn, Das umwelt‑ rechtliche Kooperationsprinzip auf unionaler Ebene, S. 228; Wu, Öffentlichkeitsbetei‑ ligung, S. 73 f.; Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31 (36 ff.). 11  Siehe dazu unter B. I. 8.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

kundärrechtsakten wird eine Vielzahl von Adressaten genannt, die nur zum Teil genauer bestimmt werden. Fehlen normierte Konkretisierungen, kann die Beteiligung zwar in einigen Bereichen näher bestimmt werden, etwa durch die Systematik oder durch Erläuterungen in ausführenden Dokumenten oder auf der Homepage einer Institution. Bei anderen Rechtsakten lässt sich wiederum überhaupt keine Konkretisierung vornehmen. Kategorien der Po‑ pular- und Betroffenenbeteiligung, die auf einen durch den Sekundärrechts‑ akt definierten Adressatenkreis abstellen, können also nicht gebildet werden. Vielmehr differieren die untersuchten Sekundärrechtsakte hinsichtlich eines besonderen Interesses in Bezug auf die Beteiligung: Unterschieden wird da‑ nach, ob die Dritten für die Beteiligung entweder ein besonderes Interesse nach- bzw. aufweisen müssen, um partizipieren zu können, oder ob ein solch besonderes Interesse nicht benötigt wird. Diese grundlegende Unterschei‑ dung hinsichtlich des Interesses hat zur Konsequenz, dass der Adressaten‑ kreis in dem jeweiligen Rechtsakt entweder weit – bei Beteiligungsmöglich‑ keiten ohne besonderes Interesse – oder beschränkt – beim Nachweis eines Beteiligungsinteresses – ist. Begrifflich wird dabei allgemein auf Dritte als Adressaten abgestellt. Entsprechend dem Untersuchungsgegenstand ist diese Terminologie weit zu verstehen, so dass alle Adressaten aus den untersuchten Sekundärrechtsakten umfasst werden können. Die Terminologie des Dritten ist insoweit neutral und nicht für einen Rechtsbereich charakteristisch, wie dies z. B. für die Öffentlichkeit im Umweltrecht der Fall ist. a) Dritte mit Beteiligungsinteresse Einen beschränkten Adressatenkreis geben 19 der untersuchten Sekundär‑ rechtsakte vor, indem diese für die Beteiligung ein Beteiligungsinteresse for‑ dern. Bei diesen Sekundärrechtsakten wird der Adressatenkreis somit verengt auf solche Dritte, die ein Interesse für die Beteiligung geltend machen kön‑ nen. Wie dieses Interesse ausgestaltet sein soll, wird in den Sekundärrechts‑ akten nicht bzw. nur in Ansätzen bestimmt. Dies divergiert zum Teil von Sekundärrechtsakt zu Sekundärrechtsakt. Allerdings können bei Rechtsakten aus einem Themenbereich Überschneidungen der Ausgestaltungen des Betei‑ ligungsinteresses ausgemacht werden. Wird ein solches Beteiligungsinteresse von den Sekundärrechtsakten ge‑ fordert, weisen diese in Bezug auf den Adressatenkreis Unterschiede bei de‑ ren Konkretisierungen auf. Bei 14 der von dieser Kategorie umfassten Se‑ kundärrechtsakte kann der Adressatenkreis mittels einer (Legal‑)Definition der Verordnung oder der Richtlinie entnommen werden. Bei den übrigen Beteiligungsbestimmungen fehlt eine normierte Konkretisierung in Bezug auf den Adressatenkreis.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 185

aa) Konkretisierung des Adressatenkreises mittels (Legal-)Definition Eine (Legal-)Definition zur Konkretisierung des Adressatenkreises wird in unterschiedlichen Rechtsbereichen vorgegeben. Dabei werden die Terminolo‑ gien der betroffenen Öffentlichkeit, der natürlichen und juristischen Perso‑ nen, der Dritten sowie der interessierten Kreise bzw. Parteien gebraucht. Die betroffene Öffentlichkeit kann sich bei der UVP-II-RL, der Se‑ veso‑III‑RL, der Bergbauabfall-RL und der IE-RL beteiligen, bei letzterer allerdings nur bei der Genehmigung von Anlagen nach Anhang I gemäß Art. 24 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV Nr. 3 IE-RL. Diese Rechtsakte aus dem Umweltrecht geben Legaldefinitionen für die betroffene Öffentlichkeit vor, welche sich – angepasst an die jeweilige Vorschrift – decken. Die Definitio‑ nen sind am Anfang der Richtlinien bei den Begriffsbestimmungen verortet. Sie setzen die vorgeschaltete Legaldefinition der Öffentlichkeit voraus, wo‑ nach eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und Vereinigun‑ gen, Organisationen und Gruppen nach dem nationalen Recht bzw. der nati‑ onalen Praxis umfasst sind.12 Für die betroffene Öffentlichkeit legen die Richtlinien fest, dass darunter die Öffentlichkeit, die von der jeweiligen rele‑ vanten Entscheidung der Richtlinie betroffen oder wahrscheinlich betroffen ist oder ein Interesse daran hat, fällt (siehe Art. 1 Abs. 2 lit. e) UVP-II-RL, Art. 3 Nr. 17 IE-RL, Art. 3 Nr. 18 Seveso-III-RL, Art. 3 Nr. 23 Bergbauab‑ fall-RL). Für die Betroffenheit reicht aus, dass Belange in irgendeiner Art berührt sind, eine Beeinträchtigung von Rechten wird nicht gefordert.13 Zu‑ dem legen die Legaldefinitionen fest, dass NGOs, die sich für den Umwelt‑ schutz einsetzen und alle nationalen Voraussetzungen erfüllen, stets ein sol‑ ches Interesse an der jeweiligen Entscheidung haben. Den Umweltverbänden wird damit eine Sonderrolle eingeräumt.14 Diese Stärkung der Stellung der Umweltverbände ist auf die ÖffB-RL und die Åarhus-Konvention zurückzu‑ führen.15 12  Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. d) UVP-II-RL, Art. 3 Nr. 16 IE-RL, Art. 3 Nr. 17 Se‑ veso-III-RL, Art. 3 Nr. 22 Bergbauabfall-RL. 13  Epiney, in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff, Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, insb. im Umweltschutz, 26. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht, 27 (61); Erbguth/Schink, UVPG, § 9 Rn. 12; Michael, in: Blankenagel/Pernice/Schulze-Fielitz, Liber Amicorum für P. Häberle, 435 (440); Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31 (40 f.); siehe auch Bunge, ZUR 2004, 141 (143), der allerdings noch herausstellt, dass man der Vorschrift nicht entnehmen kann, ob ein objektives Betroffensein oder ein subjektives Interesse vorausgesetzt wird. 14  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 101. 15  Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfah‑ ren, S. 45; zu den Regelungen der Åarhus-Konvention und deren Einfluss auf das

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Für den Bereich des Umweltrechts ist typisch, dass auch die Öffentlichkeit des benachbarten Mitgliedstaates betroffen sein kann, weil die Auswirkungen von Anlagen oder Projekten nicht an der Grenze haltmachen. Da eine Ein‑ bringung ins Genehmigungsverfahren für die ausländische Öffentlichkeit aber aufgrund von Informationsdefiziten oder Sprachbarrieren oft schwierig ist, werden im Umweltrecht Regelungen zur Gleichstellung von inländischer und ausländischer Öffentlichkeit geschaffen, die eine Beteiligung in dem möglicherweise betroffenen Mitgliedstaat vorsehen.16 Allerdings ermögli‑ chen nur die UVP-II-RL und die Bergbauabfall-RL eine solche Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit bei grenzüberschreitenden Auswirkungen. Auf die Einbeziehung von natürlichen und juristischen Personen, die ein Beteiligungsinteresse aufweisen müssen, stellen sechs Sekundärrechtsakte ab. Dazu zählen die Bestimmungen zum Schutz geografischer Bezeichnun‑ gen, die Rechtsakte aus dem Markenrecht und die Fusionskontroll-VO. Nach letzterer werden gemäß Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO zwei verschie‑ dene Gruppen von natürlichen und juristischen Personen bei der Fusionskon‑ trolle einbezogen, die nach der Überschrift als Dritte gekennzeichnet werden. In S. 1 können zunächst andere natürliche und juristische Personen als die in S. 2 benannten nach dem Ermessen der Kommission oder der mitgliedstaat‑ lichen Behörde angehört werden. Dieser Adressatenkreis muss kein besonde‑ res Interesse aufweisen, was aus dem Verhältnis zu S. 2 von Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO deutlich wird. Nach S. 2 muss einem Anhörungsantrag einer natürlichen oder juristischen Person mit einem hinreichenden Interesse stattgegeben werden. S. 2 stellt somit – im Gegensatz zu S. 1 – ausdrücklich auf ein hinreichendes Interesse ab. Konkretisiert wird Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO durch Art. 11 lit. c) Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004. Danach sind Dritte natürliche oder juristische Personen ein‑ schließlich Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern, sofern diese ein hinrei‑ chendes Interesse im Sinne von Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO dar‑ legen können. Dieses hinreichende Interesse wird weit ausgelegt und schon wirtschaftliche Interessen reichen aus, nicht jedoch nur mittelbare oder ge‑ ringfügige Beeinträchtigungen.17 Ein solches Interesse wird bei Mitgliedern der Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen und rechtlich anerkannten europäische und deutsche Recht Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechts‑ schutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, S. 265 ff. 16  Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31 (49). 17  Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontrollverfahren, S. 173; Zeise, in: Schulte, Handbuch Fusionskontrolle, Rn. 2125; vgl. auch AblasserNeuhuber, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kar‑ tellrecht, Art. 18 FKVO Rn. 37; Dittert, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäi‑ sches Wettbewerbsrecht, Art. 18 VO Nr. 139/2004 Rn. 4; ähnlich auch Maass, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Bd. 2, Art. 18 FKVO Rn. 7, der von einer unmittelbaren



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 187

Vertretern der Arbeitnehmer dieser Unternehmen sowie bei Verbraucherver‑ bänden vermutet, wenn das Zusammenschlussvorhaben von Endverbrauchern genutzte Waren oder Dienstleistungen betrifft (siehe Art. 11 lit. c) Durchfüh‑ rungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004). Bei der Fusionskontrolle können so‑ mit nur die Dritten nach Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO in diese Kategorie eingeordnet werden. Ebenfalls auf natürliche und juristische Personen mit einem besonderen Interesse stellen die Sekundärrechtsakte ab, welche die Eintragung von geo‑ grafischen Bezeichnungen regeln. Die Qualitätsregelung-VO, die GMO-VO und die Aromawein-VO sehen jeweils ein zweistufiges Einspruchsverfahren auf nationaler und europäischer Ebene vor. Dementsprechend unterscheiden sich die Adressaten auf der jeweiligen Ebene. Beim nationalen Einspruchs‑ verfahren können nur die natürlichen und juristischen Personen mit einem berechtigten Interesse, die in dem Mitgliedstaat niedergelassen oder ansässig sind, Einspruch erheben (Art. 49 Abs. 3 UAbs. 1 Qualitätsregelung-VO, Art. 96 Abs. 3 UAbs. 2 GMO-VO, Art. 13 Abs. 3 UAbs. 2 Aromawein-VO). Auf europäischer Ebene haben diese Adressaten aber nicht mehr die Mög‑ lichkeit, Einspruch einzulegen, sondern die Einspruchsberechtigung ist be‑ schränkt auf natürliche oder juristische Personen, die ein berechtigtes Inter‑ esse haben und entweder in einem Drittland oder in einem anderen als dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf Eintragung einer geografischen Be‑ zeichnung eingereicht wurde, niedergelassen oder ansässig sind (Art. 51 Abs. 1 Qualitätsregelung-VO, Art. 98 GMO-VO, Art. 15 Aromawein-VO).18 Das Beteiligungsinteresse ist für die verschiedenen Einspruchsverfahren so‑ mit an unterschiedliche Adressatenkreise geknüpft. Bei der Eintragung von traditionellen Begriffen nach der GMO-VO und bei der Spirituosen-VO be‑ steht allerdings die Besonderheit, dass keine Vorgaben für ein nationales, sondern nur für ein europäisches Einspruchsverfahren normiert sind. Das Einspruchsverfahren ist somit nur einstufig ausgestaltet. Konsequenz daraus ist, dass sich die Adressatenkreise ändern. Sowohl bei der Eintragung von traditionellen Begriffen nach der GMO-VO als auch bei Eintragungen nach der Spirituosen-VO können alle natürlichen oder juristischen Personen mit einem berechtigten Interesse Einspruch erheben (Art. 37 Abs. 1 Durchfüh‑ rungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009 zur GMO-VO, Art. 17 Abs. 7 Spirituo‑ sen-VO).19 Auf eine örtliche Beschränkung wird also bewusst verzichtet und eine Differenzierung hinsichtlich des Adressatenkreises besteht nicht. und individuellen Beschwer ausgeht, diese aber schon bei rechtlichen oder wirtschaft‑ lichen Nachteilen bejaht. 18  Zusätzlich können noch Mitgliedstaaten und Drittländer bzw. deren Behörden Einspruch erheben. 19  Die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607/2009 zur GMO-VO ermöglicht auch einem Mitgliedstaat oder einem Drittland die Einreichung eines Einspruchs.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Auch die Widerspruchsmöglichkeiten der Unionsmarken-VO und der Mar‑ ken-RL zielen auf natürliche und juristische Personen sowie auf Vereinigun‑ gen als Adressaten ab. Zwar wird in diesen Sekundärrechtsakten nicht aus‑ drücklich auf natürliche oder juristische Personen abgestellt, es können aber all diejenigen, die ein relatives Eintragungshindernis geltend machen können, Widerspruch einlegen. Davon umfasst sind Inhaber einer älteren Marke oder einer geografischen Bezeichnung (siehe Art. 46 Abs. 1 i. V. m. Art. 8 Unions‑ marken-VO, Art. 43 Abs. 1, 2 i. V. m. Art. 5 Marken-RL), denen damit ihr Recht an der Marke bzw. der geografischen Bezeichnung als Beteiligungsin‑ teresse zukommt. Diese Adressaten sind notwendigerweise natürliche oder juristische Personen oder Vereinigungen. Denn Inhaber von Marken können nach Art. 5 Unionsmarken-VO alle natürlichen oder juristischen Personen sein; eine Eintragung von geografischen Bezeichnungen können entweder natürliche Personen oder Vereinigungen beantragen (Art. 49 Abs. 1 Qualitäts‑ regelung-VO), wobei unter die Vereinigungen sogar jegliche Zusammen‑ schlüsse ungeachtet der Rechtsform gefasst werden (Art. 3 Nr. 2 Qualitätsre‑ gelung-VO). Auf interessierte Kreise bzw. Parteien als Beteiligungsadressaten stellt die FlughafenbetriebsbeschränkungsVO ab. Diese können sich bei dem Erlass von Lärmminderungsmaßnahmen und Betriebsbeschränkungen beteiligen. Die Terminologien sind dabei uneinheitlich, eine Unterscheidung zwischen interessierten Kreisen und Parteien ist mit Blick auf die englische und die französische Sprachfassung aber nicht gewollt. In der Verordnung findet sich in Art. 6 Abs. 2 lit. d) eine Konkretisierung für die interessierten Kreise bzw. Parteien, so dass von diesen mindestens die vom Fluglärm betroffenen An‑ wohner in Flughafennähe oder ihre Vertreter und die einschlägigen lokalen Behörden, die Vertreter von in Flughafennähe ansässigen örtlichen Unterneh‑ men, deren Betrieb durch den Flugverkehr und den Flughafenbetrieb betrof‑ fen ist, die betreffenden Flughafenbetreiber, die Vertreter der von Lärmmin‑ derungsmaßnahmen möglicherweise betroffenen Luftfahrzeugbetreiber, die betreffenden Flugsicherungsdienstleister, der Netzmanager und gegebenen‑ falls der benannte Zeitnischen-Koordinator umfasst sind (Art. 6 Abs. 2 lit. d) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO). Durch die Aufzählung wird deutlich, dass zwar einerseits eine Vielzahl von Dritten (und Behörden) erfasst ist, al‑ lerdings müssen diese Dritten ein besonderes Interesse für die Anhörung gel‑ tend machen. Die Anwohner, Unternehmen und Betreiber müssen entweder durch den Fluglärm oder die geplante Betriebsbeschränkung betroffen und damit in einem Interesse beeinträchtigt sein. Eine ähnlich detaillierte Aufzählung einzelner Akteure, die betroffen sein müssen, findet sich bei dem Erlass von Netzkodizes nach der Strom-VO und der Gas-VO. In den unterschiedlichen Stadien und bei den verschiedenen Arten der Netzkodizes werden divergierende Adressaten beteiligt. Nach



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 189

Art. 10 Abs. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO können bei der formellen Konsulta‑ tion durch den ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) alle betroffenen Markt‑ teilnehmer, insbesondere die Organisationen, die alle Akteure vertreten, Standpunkte und Vorschläge einbringen. Abs. 1 konkretisiert diesen Adressa‑ tenkreis, so dass die nationalen Regulierungsbehörden und andere nationale Behörden, Versorgungs- und Erzeugungsunternehmen bzw. Versorgungs- und Gewinnungsunternehmen, Netznutzer, einschließlich der Kunden, Verteiler‑ netzbetreiber sowie die relevanten Branchenverbände, technischen Gremien und Foren der Interessengruppen einbezogen werden. Der Adressatenkreis ist damit weit ausgestaltet und bezieht auch Behörden ausdrücklich mit ein. Art. 10 Abs. 1 Strom-VO bzw. Gas‑VO normiert aber ausdrücklich die Be‑ troffenheit der Dritten, so dass auch diese ein besonderes Interesse für die Beteiligung aufweisen müssen. Bei der Änderung der Netzkodizes gibt Art. 7 Abs. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO die Konsultation von allen Interessenträgern bzw. Interessengruppen an und verweist auf Art. 10 ACER-VO. Letztere Be‑ stimmung gibt vor, dass Marktteilnehmer, Übertragungs- / Fernleitungsnetz‑ betreiber, Verbraucher, Endnutzer und gegebenenfalls Wettbewerbsbehör‑ den – und zwar unbeschadet ihrer jeweiligen Zuständigkeit, insbesondere wenn die Aufgaben die Übertragungs- / Fernleitungsnetzbetreiber betreffen  – beteiligt werden müssen. Dadurch wird zunächst ein breiter, nicht beschränk‑ ter Adressatenkreis nahe gelegt. Art. 7 Abs. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO stellt aber ausdrücklich auf Interessenträger bzw. Interessengruppen ab. In der englischen Sprachfassung wird von stakeholders, in der französischen Fas‑ sung von les parties intéressées bzw. les parties prenantes gesprochen. Da‑ durch wird deutlich, dass von der Beteiligung nur solche Adressaten erfasst werden sollen, die ein Interesse aufweisen können. Die Beteiligung zielt also nicht allgemein auf alle Dritten, sondern ist auf einen beschränkten Adressa‑ tenkreis zugeschnitten. Auch hier muss also ein besonderes Interesse für die Beteiligung geltend gemacht werden. bb) Fehlende normierte Konkretisierung des Adressatenkreises Neben den Dritten mit einem Beteiligungsinteresse, die mittels einer (Le‑ gal‑)Definition konkretisiert werden, setzten weitere Bestimmungen zwar ein besonderes Interesse für die Beteiligung voraus, weisen aber keine normierte Konkretisierung des Adressatenkreises auf. Unter diese Kategorie fällt der Bereich des Telekommunikationsrechts, welcher insbesondere auf interessierte Kreise als Adressaten abstellt. Nach der Kommunikationsrahmen-RL werden beim Erlass marktregulatorischer Verpflichtungen interessierte Kreise zur Beteiligung herangezogen – unab‑ hängig davon, ob es sich um marktmachtabhängige (siehe Art. 6 Kommuni‑ kationsrahmen-RL) oder marktmachtunabhängige Verpflichtungen (siehe

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL) handelt. Nach Art. 6 Kommunikations‑ rahmen-RL ist der Adressatenkreis der interessierten Kreise nicht näher kon‑ kretisiert, lässt sich aber anhand systematischer Auslegung bestimmen. EWG Nr. 15 Kommunikationsrahmen-RL zielt zunächst auf einen breiten Adressa‑ tenkreis. Davon ausgenommen werden aber die Kommission, das GEREK und die anderen nationalen Regulierungsbehörden sowie Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörden, da für diese Institutionen eigenständige, neben Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL geregelte Beteiligungsmöglichkeiten be‑ stehen (siehe Art. 7 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 4  S. 2 KommunikationsrahmenRL). Die übrigen, nicht näher bestimmten Adressaten müssen nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ein Interesse für die Beteiligung aufweisen. Als Interesse muss nicht zwingend ein rechtliches Interesse betroffen sein, auch eine mittelbare Beeinträchtigung genügt.20 Im dem Konsultationsverfahren nachgelagerten Konsolidierungsverfahren besteht nochmals die Möglichkeit, nach Art. 17 GEREK-VO interessierte Kreise heranzuziehen. Dabei ergibt sich aus der Systematik der GEREK-VO, dass von den interessierten Kreisen nicht die breite Öffentlichkeit umfasst sein soll. Die bei Art. 6 Kommunika‑ tionsrahmen-RL ausgeschlossenen Adressaten (die Kommission, die anderen nationalen Regulierungsbehörden sowie Wettbewerbs- und Verbrauchschutz‑ behörden) werden bei Art. 17 GEREK-VO hingegen einbezogen. Hinsicht‑ lich des Interesses gelten dieselben Anforderungen wie bei Art. 6 Kommuni‑ kationsrahmen-RL. Bei dem Erlass marktmachtunabhängiger Verpflichtungen nach Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL kann die Terminologie der interessierten Kreise gleichermaßen ausgelegt werden. Allerdings wird beim Erlass dieser Ver‑ pflichtungen kein Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Abs. 3 Kommunika‑ tionsrahmen-RL durchgeführt, so dass der Ausschluss der Kommission und des GEREK von den interessierten Kreisen nicht einschlägig sein kann. Na‑ tionale Regulierungsbehörden sowie Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbe‑ hörden erhalten aber weiterhin nach Art. 3 Abs. 4 S. 2 Kommunikationsrah‑ men-RL die Möglichkeit, untereinander zusammen zu arbeiten und Konsul‑ tationen abzuhalten. Hinsichtlich des geltend gemachten Interesses besteht aber keine Divergenz zu Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL. Bei der Beschränkung von Nutzungsänderungen nach Art. 7 Genehmi‑ gungsRL besteht zwar grundsätzlich eine Verweisung auf Art. 6 Kommunika‑ tionsrahmen-RL21, allerdings wird der Adressatenkreis durch Art. 7 Abs. 1 20  Hermeier, Der Europäische Regulierungsverbund im EG-Rechtsrahmen für Telekommunikation, S.  93 f. 21  Eine solche Verweisung auf Art.  6 Kommunikationsrahmen-RL ergibt sich auch bei marktmachtunabhängigen Verpflichtungen nach Art. 5 Abs. 2 ZugangsRL und der Vergabe von Nutzungsrechten für Nummern von außerordentlichem wirt‑



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 191

lit. b) GenehmigungsRL erweitert, indem ausdrücklich Nutzer und Verbrau‑ cher neben die interessierten Kreisen22 in die Beteiligungsvorschrift aufge‑ nommen wurden. Wer als Nutzer oder Verbraucher gilt, kann den Legaldefi‑ nitionen des Art. 2 lit. h), i) Kommunikationsrahmen-RL i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GenehmigungsRL entnommen werden. Umfasst sind natürliche und juristi‑ sche Personen, die öffentlich zugängliche elektronische Kommunikations‑ dienste entweder zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken oder zu rein privaten Zwecken in Anspruch nehmen. Durch die zusätzliche Erfassung von Nutzern und Verbrauchern wird deutlich, dass diese auch bei fehlendem Be‑ teiligungsinteresse partizipieren können. Durch die Definition von Nutzern und Verbrauchern enthält Art. 7 GenehmigungsRL somit eine teilweise nor‑ mierte Konkretisierung, so dass sich eine Überschneidung mit der vorherigen Kategorie ergibt. Zudem müssen Nutzer und Verbraucher kein Beteiligungs‑ interesse nachweisen, so dass eine Einordnung in die nachfolgenden Katego‑ rien ebenfalls möglich wäre. Entscheidend für die Einordnung sind aber die interessierten Kreise als Adressaten. Die Nutzer und Verbraucher werden le‑ diglich ipso iure mit diesen interessierten Kreisen gleichgestellt und gelten aufgrund des Wortlauts („einschließlich Nutzern und Verbrauchern“) nicht als Hauptadressaten. Wegen der fehlenden normierten Konkretisierung der interessierten Kreise nach Art. 6 Kommunikationsrahmen‑RL wird daher eine Einordnung in diese Kategorie vorgenommen. Dasselbe Einordnungsproblem ergibt sich bei der Änderung von Rechten und Pflichten aus der Allgemeingenehmigung nach Art. 14 GenehmigungsRL. Interessierte Kreise, einschließlich Nutzer und Verbraucher, erhalten die Möglichkeit, Standpunkte einzureichen. Die Legaldefinition des Art. 2 lit. h), i) Kommunikationsrahmen-RL i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GenehmigungsRL ist auch bei Art. 14 GenehmigungsRL heranzuziehen. Dennoch geht Art. 14 Ge‑ nehmigungsRL vordergründig auf interessierte Kreise ein. Dabei müssen die‑ selben Überlegungen wie bei Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL angestellt werden. EWG Nr. 33 GenehmigungsRL impliziert einen breiten Adressaten‑ kreis. Wie bei Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL können allerdings nur nationale Regulierungsbehörden und Wettbewerbs- und Verbraucherschutz‑ behörden vom Adressatenkreis ausgeschlossen werden. Das geltend gemachte Interesse deckt sich aber mit den Voraussetzungen des Art. 6 Kommunika­ tionsrahmen-RL. schaftlichem Wert nach Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 GenehmigungsRL, so dass sich bei diesen Entscheidungen hinsichtlich der Beteiligungsadressaten keine Unterschiede zu den marktmachtabhängigen Verpflichtungen ergeben. 22  Der deutsche Wortlaut spricht nicht von interessierten Kreisen, sondern von Beteiligten. Unter Zugrundelegung der englischen und französischen Sprachfassung zielt Art. 7 Abs. 1 lit. b) GenehmigungsRL aber auf interessierte Kreise i. S. v. Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ab, siehe dazu B. IV. 2. b).

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Im Bereich des Energierechts wurden die betroffenen Marktteilnehmer als Beteiligungsadressaten nach Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO bereits der vor‑ herigen Kategorie zugeordnet, da diese Bestimmung den Adressatenkreis konkretisiert. Demgegenüber sehen die Verordnungen bei den Konsultationen der ACER nach Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO und der Kommission nach Art. 6 Abs. 11 UAbs. 1 Alt. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO nur vor, dass betroffene Akteure einbezogen werden, ohne dass eine Begriffsbestimmung vorgenommen wird.23 Durch die Aufnahme der Betroffenheit bei der Betei‑ ligung wird aber ein besonderes Interesse vorausgesetzt. Ohne eine nähere Bestimmung des Adressatenkreises stellen auch die Strom-RL und die Gas-RL bei der Zertifizierung von Drittlandunternehmen auf eine mögliche Einbeziehung von interessierten Kreisen ab. Es wird also ein Interesse für die Beteiligung gefordert, auch wenn nicht bestimmt wird, wie dieses Interesse ausgestaltet sein muss. Der Begriff der interessierten Kreise zielt aber darauf ab, den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, nicht immer die breite Öffentlichkeit, sondern nur relevante Adressaten heranziehen zu müssen. All diejenigen, die mit der Entscheidung einen Berührungspunkt aufweisen, können sinnvolle Informationen vorbringen. Der Adressatenkreis soll also beschränkt werden. Gleiche Überlegungen können auch für die EMAS-III-VO, die HealthClaims-VO und die AnreicherungsVO angestellt werden. Die EMAS-III-VO stellt ebenfalls auf interessierte Kreise ab. Eine Definition sieht die Verord‑ nung – im Gegensatz zur Vorgängerverordnung – nicht vor. Allerdings wer‑ den z. B. Beschäftigte der Organisation, Anteilseigner, Kunden, Behörden, Nachbarn oder auch Versicherungen, Banken und die Wissenschaft erfasst.24 Bei der Änderung von nährwertbezogenen Angaben nach der HealthClaims-VO werden Interessengruppen einbezogen, wobei insbesondere auf die Lebensmittelunternehmer und Verbraucherverbände abgestellt wird. Dar‑ über hinaus können sich aber auch andere nationale und internationale wis‑ senschaftliche Gruppen beteiligen.25 Bei der AnreicherungsVO wird eben‑ 23  Normierte Begriffsbestimmungen fehlen auch bei den informellen, nicht nor‑ mierten Konsultationen des ENTSO (Strom) und ENTSO (Gas) bei dem Erlass von Netzkodizes. Bei diesen Beteiligungen finden zum einen interessierte Akteure (interested stakeholders) die Möglichkeit, sich einzubringen (so bei dem informellen Ver‑ fahren des ENTSO (Strom)), zum anderen aber auch interessierte Parteien, wovon Interessenvertreter (stakeholders), Fernleistungsnetzbetreiber, Aufsichtsbehörden und Ministerien umfasst sind (so für das informelle Verfahren des ENTSO (Gas)). 24  Theis, in: FS Nagel, 211 (216). 25  Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims  – Praxiskommentar, Art. 8 Rn. 114; Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims – Commen‑ tary, Art. 8 Rn. 104, der als Beispiele die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die Deutsche Herzstiftung und die Lebensmittelchemische Gesellschaft nennt.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 193

falls auf betroffene Gruppen und Interessengruppen abgestellt. Vor der Ände‑ rung der Positivlisten, welche zusetzungsfähige Vitamine und Mineralstoffe aufführen, werden betroffene Gruppen, insbesondere die Lebensmittelindust‑ rie und Verbrauchverbände, konsultiert. Die Verordnung zielt somit, wie die Health-Claims-VO, durch die Hervorhebung offensichtlich auf Vereinigun‑ gen ab. Dies kann auch bei der Änderung der Negativlisten mit anderen Stof‑ fen als Vitaminen und Wirkstoffen angenommen werden, da nur darauf abge‑ stellt wird, dass andere Interessengruppen Bemerkungen vorbringen können. Aus der Systematik kann geschlossen werden, dass durch die Formulierung „andere“ Interessengruppen nicht die Lebensmittelunternehmen erfasst wer‑ den. Im Gegensatz zu den vorherigen Sekundärrechtsakten wird in der Health-Claims-VO und der AnreicherungsVO aber nicht auf interessierte Kreise bzw. Parteien, sondern auf Interessengruppen bzw. betroffene Grup‑ pen als Beteiligungsadressaten abgestellt. Allerdings ist diese terminologi‑ sche Differenzierung mit Blick auf die englischen und französischen Fassun‑ gen der Verordnungen zu vernachlässigen. In diesen Sprachfassungen wird einheitlich von interested parties bzw. les parties intéressées gesprochen, was der deutschen Terminologie der interessierten Kreise bzw. Parteien ent‑ spricht. Daher sind die Beteiligungsadressaten nach der Health-Claims-VO und der AnreicherungsVO nicht auf Gruppen beschränkt. Ein Beteiligungsin‑ teresse muss ebenfalls vorliegen, um diese von der breiten Öffentlichkeit abgrenzen zu können. Die REACH-VO bezieht bei den verschiedenen Beteiligungsverfahren so‑ wohl interessierte Kreise als auch Dritte mit ein. Bei zulassungsbedürftigen Stoffen werden Dritte sowie interessierte Kreise benannt, die sich beteiligen können. Die ECHA geht dabei von einem einheitlichen Adressatenkreis aus und differenziert nicht nach Dritten und interessierten Kreisen, sondern fasst allgemein unter die Dritten alle anderen Organisationen, Personen, Behörden oder Unternehmen als den Antragsteller oder die Agentur / Kommission, die potenziell an der Vorlage von Informationen über Alternativen interessiert sind, bspw. Lieferanten von Alternativstoffen oder ‑technologien, Hochschul‑ angehörige / Erfinder, die einen Alternativstoff oder eine Alternativtechnolo‑ gie entwickelt haben oder entsprechende Kenntnisse besitzen, NGOs und Gewerkschaften, Regierungsagenturen und zwischenstaatliche Agenturen so‑ wie nachgeschaltete Anwender.26 Ein potentielles Interesse an der Beteili‑ gung muss demnach bestehen. Trotz fehlender normierter Konkretisierung 26  ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 117. Siehe auch die Definition bei ECHA, Leitlinien zur Erstellung sozioökonomischer Analysen für Zulassungsanträge, Januar 2011, S. xiii. Dies deckt sich ebenfalls mit der Definition der interessierten Kreise auf der Homepage der ECHA unter http:// www.echa.europa.eu/de/web/guest/regulations//authorisation/applications-for-authori sation/authorisation-process/actors (Stand: 19.10.2017).

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

der Dritten kann für die Beteiligungen bei der Zulassung nach der REACHVO somit ein besonderes Interesse als Beteiligungsvoraussetzung ausge‑ macht werden. b) Dritte ohne Beteiligungsinteresse Bei 20 der untersuchten Sekundärrechtsakten können sich Dritte ohne Gel‑ tendmachung eines besonderen Interesses beteiligen. Einige dieser Sekundär‑ rechtsakte wurden bereits in der vorherigen Kategorie aufgeführt, da diese ebenfalls Bestimmungen mit einem Beteiligungsinteresse enthalten. Auch in dieser Kategorie kann unterschieden werden zwischen Bestimmungen mit einer Konkretisierung des Adressatenkreises mittels einer (Legal-)Definition und Bestimmungen ohne weitere normierte Konkretisierungen. aa) Konkretisierung des Adressatenkreises mittels (Legal-)Definition Bei der IE-RL, der EH-RL und der Energieinfrastruktur-VO wird auf die Öffentlichkeit als Beteiligungsadressat abgestellt. Die IE-RL hält in Art. 3 Nr. 16 fest, dass von der Öffentlichkeit „eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen“ umfasst sind. Diese Öffentlichkeit wird bei der Genehmigung von Anlagen aus Anhang I mit grenzüberschreitenden Auswirkungen nach Art. 26 IE-RL und bei der Genehmigung von Abfall(mit‑) verbrennungsanlagen nach Art. 55 IE-RL beteiligt. Bei der Genehmigung von Anlagen aus Anhang I muss beachtet werden, dass nach Art. 24 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV Nr. 3 IE-RL zunächst nur die betroffene Öffentlichkeit des Mitgliedstaates, in welchem die Anlage genehmigt werden soll, Stellung neh‑ men und Meinungen äußern kann. Erst bei möglichen grenzüberschreitenden Auswirkungen der Anlage wird nach Art. 26 Abs. 2 IE-RL der Adressaten‑ kreis weiter gezogen und die Öffentlichkeit des möglicherweise betroffenen Mitgliedstaates beteiligt, ohne eine Einschränkung hinsichtlich der Betrof‑ fenheit und mithin des Interesses vorzunehmen. Bei der EH-RL ist die Definition der Öffentlichkeit ähnlich zur IE-RL. Nach Art. 3 lit. i) EH-RL zählen zur Öffentlichkeit „eine oder mehrere Perso‑ nen sowie gemäß den nationalen Rechtsvorschriften oder der nationalen Pra‑ xis Zusammenschlüsse, Organisationen oder Gruppen von Personen“. Dieser Adressatenkreis kann zum Ausschluss kleiner Anlagen aus dem Emissions‑ handelssystem Stellung nehmen. Die Definitionen bei der IE-RL und der EH-RL ziehen somit dieselben Ad‑ ressaten bei der Beteiligung mit ein. Sie ähneln auch sehr den Legaldefinitio‑



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 195

nen aus anderen umweltrechtlichen Sekundärrechtsakten (siehe z. B. Art. 1 Abs. 2 lit. d) UVP-II-RL, Art. 3 Nr. 17 Seveso-III-RL oder Art. 3 Nr. 22 Berg‑ bauabfall-RL). Die EH-RL weist lediglich die Besonderheiten auf, dass nicht ausdrücklich auf natürliche und juristische Personen abgestellt wird. Die Beteiligung der Öffentlichkeit in der Energieinfrastruktur-VO ist hin‑ gegen anders ausgestaltet. In Art. 9 Energieinfrastruktur-VO wird zunächst nur allgemein auf die Öffentlichkeit als Adressat der Beteiligung verwiesen. Die Konkretisierung der Beteiligung in Anhang VI Nr. 3 lit. a) Energieinfra‑ struktur-VO stellt eine Definition dar, ohne allerdings als Legaldefinition zu gelten. Offensichtlich wird die Öffentlichkeit gleichgesetzt mit den betroffe‑ nen Kreisen, worunter relevante nationale, regionale und lokale Behörden, Grundbesitzer und Bürger, die in der Nähe des Vorhabens leben, die Öffent‑ lichkeit und deren Verbände, Organisationen oder Gruppen fallen. Dabei ist es allerdings nicht gelungen, die Öffentlichkeit mit in die Begriffsbestim‑ mung aufzunehmen, da dadurch der Anschein einer Verengung des Öffent‑ lichkeitsbegriffs hervorgerufen werden könnte. Die Verordnung spricht im Weiteren aber nur noch von der Öffentlichkeit als Beteiligungsadressat und legt einen weiten Adressatenkreis zugrunde. Aus der Systematik muss daher geschlossen werden, dass von der Öffentlichkeit alle in Anhang VI Nr. 3 lit. a) Energieinfrastruktur-VO genannten Adressaten umfasst sind. Die Ener‑ gieinfrastruktur-VO gibt damit aber eine Definition vor, die auf die betroffe‑ nen Kreise abstellt. Es könnte daher auf ein besonderes Interesse für die Beteiligung abgezielt werden. Allerdings wählt die Verordnung in den weite‑ ren Bestimmungen zur Beteiligung lediglich den weiten Begriff der Öffent‑ lichkeit, so dass davon ausgegangen werden kann, dass ein besonderes Inte‑ resse für die Dritten nicht bestehen muss, um partizipieren zu können. Dies wird auch aus der englischen und französischen Sprachfassung von An‑ hang VI Nr. 3 lit. a) der Energieinfrastruktur-VO deutlich. Bei der Definition der betroffenen Kreise wird u. a. auf the general public bzw. le public en général abgestellt. Eine Einschränkung des Adressatenkreises würde diesem Wortlaut aber entgegenstehen. Offen bleibt, wer von den relevanten betroffe‑ nen Kreisen in Anhang VI Nr. 5 lit. c) Energieinfrastruktur-VO umfasst sein und ob damit eine Einschränkung des Adressatenkreises vorgenommen und eine Vorgaben für ein Beteiligungsinteresse gemacht werden soll. Auf Dritte als Adressaten stellen die Vorschriften aus dem Markenrecht ab. Neben den Widersprüchen, bei welchen ein Beteiligungsinteresse geltend ge‑ macht werden muss, können Dritte nach Art. 45 Unionsmarken-VO und Art. 40 Marken-RL Bemerkungen einreichen und sich dadurch beteiligen. Die Überschriften der jeweiligen Norm stellen auf Dritte ab, der jeweilige Abs. 1 konkretisiert diesen Begriff und in der Richtlinie und Verordnung werden gleichlaufend natürliche oder juristische Personen sowie die Ver‑ bände der Hersteller, Erzeuger, Dienstleistungsunternehmer, Händler und

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Verbraucher als Dritte festgeschrieben, sodass keine Einschränkung des Ad‑ ressatenkreises durch ein Beteiligungsinteresse vorgenommen wird. Dritte bezieht auch die Fusionskontroll-VO bei der Beteiligung ein. Wie bereits festgestellt, werden Dritte nach Art. 18 Abs. 4 S. 1 FusionskontrollVO als natürliche und juristische Personen ohne ein hinreichendes Interesse klassifiziert. Zudem sieht Art. 11 Abs. 7 Fusionskontroll-VO vor, dass alle natürlichen und juristischen Personen in jedem Stadium des Fusionskontroll‑ verfahrens befragt werden können.27 bb) Fehlende normierte Konkretisierung des Adressatenkreises Ohne eine normierte Konkretisierung des Adressatenkreises regeln 13 Be‑ stimmungen die Beteiligung von Dritten, die kein besonderes Interesse nach‑ weisen müssen. Auf die Öffentlichkeit als Adressatenkreis stellen die Bestimmungen aus dem Gentechnikrecht, dem Atomrecht und dem Arzneimittelrecht sowie die Pflanzenschutzmittel-VO und die FFH-RL ab. Bei den Sekundärrechtsakten des Gentechnikrechts wird ein Rückgriff auf die Legaldefinitionen der Öf‑ fentlichkeit aus der ÖffB-RL bei der System-RL wegen der Nähe zum Um‑ weltrecht und der Åarhus-Konvention vertreten.28 Dem muss aber entgegen‑ gehalten werden, dass dafür eine ausdrückliche Verweisung, die im Bereich des Umweltrechts unüblich ist, gerade fehlt. Der Rückgriff auf die umwelt‑ rechtliche Legaldefinition kann also angezweifelt werden. Bei der Freiset‑ zungsRL und der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO scheint dieser Rückgriff noch fernliegender. Die Lebens- / Futtermittel-GenT-VO setzt ihren Schwer‑ punkt auf das Lebensmittel- und nicht auf das Umweltrecht, so dass eine Legaldefinition aus dem Umweltrecht ohne explizite Verweisung nicht die korrekten, an die Thematik angepassten Adressaten umfassen könnte. Proble‑ matisch bei der FreisetzungsRL ist die mögliche Einbeziehung von Gruppen neben der Öffentlichkeit. Die Legaldefinition der ÖffB-RL umfasst bei der Öffentlichkeit bereits Gruppen, so dass die gesonderte Nennung in der Frei‑ setzungsRL überflüssig wäre. Völlig offen lässt die Pflanzenschutzmittel-VO bei der Genehmigung von Wirkstoffen, wer von der Öffentlichkeit umfasst sein soll. Auch die Sekundärrechtsakte aus dem Atomrecht (Nukleare-Sicherheit-RL und Entsorgung-RL) stellen nur darauf ab, dass die Öffentlichkeit nach dem 27  Bei der informellen Konsultation bei der Fusionskontrolle wird hingegen nicht genauer vorgegeben, wer von den Dritten, die zu beteiligen sind, erfasst sein soll. 28  So noch zur Vorgängerrichtlinie Palme, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, GenTR/BioMedR, RL 90/219/EWG, Einleitung Rn. 76.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 197

nationalen Recht oder den internationalen Vorschriften zu beteiligen ist. An‑ hand der Systematik der jeweiligen Richtlinie lässt sich aber konkretisieren, wer zumindest erfasst sein muss. Bei der Nukleare-Sicherheit-RL wird aus der Zusammenschau der Beteiligungsvorschrift in Art. 8 Abs. 4 NukleareSicherheit-RL mit Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nukleare-Sicherheit-RL deutlich, dass zumindest Arbeitskräfte und die Bevölkerung zu beteiligen sind. Glei‑ chermaßen werden diese beiden Gruppen auch bei der Entsorgung-RL von dem Adressatenkreis umfasst und zusätzlich zur Gewährleistung eines brei‑ ten Anwendungsbereichs betroffene Interessengruppen, einschließlich lokaler Gebietskörperschaften, einbezogen. Die Betroffenheit der Interessengruppen könnte zwar ein Beteiligungsinteresse nahe legen. Allerdings wird durch die Richtlinie ein breiter Anwendungsbereich festgelegt und die Öffentlichkeit in EWG Nr. 31 neben die betroffenen Interessengruppen gestellt. Wie bei der Energieinfrastruktur-VO ist somit aus systematischen Gründen und der Ziel‑ richtung der Entsorgung-RL nicht von einer Beschränkung mittels eines Be‑ teiligungsinteresses auszugehen. Bei der FFH-RL stellt die Kommission hauptsächlich auf die Expertise von NGOs bei der Beteiligung im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung ab und zielt weniger auf eine breite Öffentlichkeit, obwohl sich eine solche Einschränkung Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL nicht entnehmen lässt. Dieser spricht allgemein von der Öffentlichkeit. Einschränkend gibt die Health-Claims-VO hingegen bei den gesundheits‑ bezogenen Angaben vor, dass Vertreter der Öffentlichkeit konsultiert werden müssen. Es wird dabei vor allem auf Vereinigungen wie Verbraucherschutz‑ organisationen, wissenschaftliche Organisationen oder Wirtschaftsverbände abgezielt.29 Demgegenüber soll im Arzneimittelrecht bei der Pharmakovigilanz die breite Öffentlichkeit Informationen zum bereits zugelassenen Arzneimittel liefern. Allerdings wird dies erst anhand der Rules of Procedure der EMA deutlich. In der Humanarzneimittel-RL selbst wird nur von einer öffentlichen Anhörung gesprochen, ohne dass der Adressatenkreis konkretisiert wird. Dritte als Adressaten geben die Tierversuch-RL, die REACH-VO und die Fusionskontroll-VO vor. Nach der Tierversuch-RL können bei der Projektbeur‑ teilung eines Wirbeltierversuchs gegebenenfalls unabhängige Dritte einbezo‑ gen werden. Wer davon umfasst ist, bleibt unklar. Allerdings wird die Unab‑ hängigkeit ausdrücklich hervorgehoben, es muss somit eine gewisse Distanz zum Projekt vorliegen. Für Konkurrenten ist diese Distanz aber anzuzweifeln.30 29  Siehe Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims  – Praxiskom‑ mentar, Art. 16 Rn. 16; Haber, in: Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims  – Commentary, Art. 16 Rn. 19; Hempel, ZLR 2008, 262 (270). 30  Dazu siehe B. II. 1.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Die REACH-VO bezieht bei den verschiedenen Beteiligungsverfahren so‑ wohl interessierte Kreise als auch Dritte mit ein. Die Bestimmungen für die Zulassung von Stoffen sehen ein Beteiligungsinteresse vor und wurden daher bereits in einer vorherigen Kategorie verortet. Bei der Bewertung von Ver‑ suchsvorschlägen nach Art. 40 Abs. 2 REACH-VO werden Dritte aufgefor‑ dert, bestimmte Informationen einzureichen. Eine Konkretisierung in der Verordnung wird nicht vorgenommen, die ECHA geht aber von einem weiten Adressatenkreis aus und zählt dazu Bürger, Organisationen, Wissenschaftler, Unternehmen und Behörden, wenn diese nicht Registranten sind.31 Es wird also auf ein besonderes Interesse verzichtet. Von einem solchen Interesse wird auch bei den Beschränkungsverfahren der REACH‑VO abgesehen. Bei den Beschränkungen für Chemikalien werden zwar interessierte Kreise her‑ angezogen (Art. 69 Abs. 6, 71 Abs. 1 und 2 REACH‑VO). Der Wortlaut der Normen legt daher das Vorliegen eines Beteiligungsinteresses nahe. Aller‑ dings ist nach Auffassung der ECHA bei der Beteiligung im Zusammenhang mit der Stoffbeschränkung grundsätzlich jeder erfasst, einschließlich Adres‑ saten aus Drittstaaten. Das größte Interesse an der Beteiligung schreibt die ECHA den Unternehmen, Organisationen, die die Industrie oder Zivilgesell‑ schaft vertreten, einzelnen Bürgern sowie Behörden zu.32 Die Erläuterungen der ECHA bezwecken also keine Einschränkung des Adressatenkreises durch ein Beteiligungsinteresse und stehen damit dem Normwortlaut entgegen. Wie dieser Dissens aufzulösen ist, bleibt offen. Allerdings dürfte die Praxis der ECHA für die Beteiligung entscheidend sein, da sich diese tatsächlich auf die Beteiligung der Dritten auswirkt, so dass von einem weiten Adressatenkreis ohne Beschränkung durch ein Beteiligungsinteresse ausgegangen werden muss. Offen bleibt auch, wer beim Erlass der Agenturkodizes nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO beteiligt werden soll. Die Bestimmung gibt nur vor, dass weitere Anhörungen durchgeführt werden können, ohne einen Adressa‑ tenkreis zu nennen. Ob bei diesen unbestimmten Vorschriften, die eine Betei‑ ligung durch die ACER ermöglichen, auf den Art. 10 ACER-VO zurückge‑ griffen werden soll, bleibt durch die Verordnung offen. Dies sollte aber auf‑ grund der Systematik abgelehnt werden.

31  Definition „Dritte“ auf der Homepage der ECHA, http://echa.europa.eu/de/re gulations/reach/‌evaluation/actors (Stand: 19.10.2017). 32  http://www.echa.europa.eu/de/web/guest/regulations/reach/restriction (Stand: 19.10.2017). Siehe auch Aubel-Pump, in: Fluck/Fischer, REACH + Stoffrecht, REACH, Art. 69–73 Rn. 22.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 199

5. Verpflichtete Aus den jeweiligen Beteiligungsvorschriften lässt sich eindeutig entneh‑ men, wer durch den Sekundärrechtsakt verpflichtet wird bzw. wer eine Betei‑ ligung nach seinem Ermessen vornehmen kann. Es kann dabei grundsätzlich zwischen der mitgliedstaatlichen und der europäischen Ebene unterschieden werden. Eine Sonderstellung kommt den Zusammenschlüssen ENTSO (Strom) und ENTSO (Gas) zu. a) Mitgliedstaatliche Ebene Ein Großteil der Sekundärrechtsakte regelt eine mitgliedstaatliche Zustän‑ digkeit bei der Beteiligung von Dritten. Darunter fallen vor allem Richtli‑ nien, was auf deren Umsetzungsbedürftigkeit zurückgeführt werden kann. Allerdings sehen auch einige Verordnungen die Mitgliedstaaten als Beteili‑ gungsverpflichtete vor. Die Sekundärrechtsakte geben zum Teil nur ganz all‑ gemein an, dass der Mitgliedstaat die Beteiligung durchführen muss bzw. kann, stellen zum Teil aber auch auf die jeweils zuständige Behörde ab. In‑ haltliche Unterschiede ergeben sich dadurch aber nicht, sondern es entsteht eher der Eindruck, dass die Formulierung nach dem Gestaltungsspielraum des europäischen Gesetzgebers vorgenommen wurde und von dessen Inten‑ tion der jeweiligen Vorschrift abhängt. Allgemein den Mitgliedstaat in die Pflicht zur Beteiligung nehmen die Se‑ kundärrechtsakte aus dem Bereich des Atomrechts. Nach Art. 8 Abs. 4 Nuk‑ leare-Sicherheit-RL und Art. 10 Abs. 2 Entsorgung-RL müssen die Mitglied‑ staaten für die Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Beteiligung nach dem na­ tionalen und internationalen Recht gewährleisten. Ebenfalls nur auf den Mitgliedstaat stellt die GenehmigungsRL in Art. 14 bei der Beteiligung zur Änderung von Rechten und Pflichten aus der Allgemeingenehmigung ab. Dies trifft auch auf die EH-RL, die Bergbauabfall-RL und die System-RL zu. Sekundärrechtsakte aus dem Bereich der geografischen Bezeichnungen – Qualitätsregelung-VO, GMO-VO und Aromawein-VO – legen aufgrund des zweistufigen Einspruchsverfahrens sowohl Beteiligungsadressaten auf mit‑ gliedstaatlicher als auch auf unionaler Ebene fest. Für das nationale Ein‑ spruchsverfahren sehen die drei Verordnungen allgemein den Mitgliedstaat als Beteiligungsverpflichteten vor. Bei der FreisetzungsRL findet sich eine Unterscheidung der Verpflichteten auf mitgliedstaatlicher und europäischer Ebene gleichermaßen – differenziert nach der absichtlichen Freisetzung und dem Inverkehrbringen von GVO. Nach Art. 9 Abs. 1 FreisetzungsRL hört der Mitgliedstaat die Öffentlichkeit und gegebenenfalls Gruppen bei der absicht‑ lichen Freisetzung an, während Art. 24 Abs. 1 FreisetzungsRL die unionale Ebene beim Inverkehrbringen verpflichtet.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Bei der Genehmigung von Anlagen nach Anhang I gemäß Art. 24 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV Nr. 3 IE-RL und der Genehmigung von Abfall(mit‑)ver‑ brennungsanlagen nach Art. 55 IE-RL wird explizit auf die zuständige Be‑ hörde des Mitgliedstaates Bezug genommen, während bei den grenzüber‑ schreitenden Konsultationen nach Art. 26 IE-RL nur allgemein auf die Mit‑ gliedstaaten als Verpflichtete verwiesen wird. Bei der Flughafenbetriebsbe‑ schränkungsVO divergieren die Formulierungen bei dem Erlass einer Lärmminderungsmaßnahme und einer Betriebsbeschränkung. Bei Lärmmin‑ derungsmaßnahmen müssen die Mitgliedstaaten eine Anhörung der interes‑ sierten Parteien gewährleisten, während bei den Betriebsbeschränkungsmaß‑ nahmen ausdrücklich darauf abgestellt wird, dass die zuständige Behörde den entsprechenden Adressaten die Möglichkeit zur Beteiligung gibt. Bei der Kommunikationsrahmen-RL werden die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL zur Konsultation bei marktregulato‑ rischen Verpflichtungen und der Vergabe von Nutzungsrechten für wertvolle Nummern verpflichtet. Nach Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL können marktmachtunabhängige Verpflichtungen getroffen werden, wobei allerdings die Verpflichtung zur gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen, Grundstü‑ cken oder zu Maßnahmen für eine Koordinierung öffentlicher Bauarbeiten nach Abs. 2 nur allgemein an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, während bei der Verpflichtung zur gemeinsamen Nutzung von Verkabelungen nach Abs. 3 auf die nationale Behörde als Beteiligungsverpflichtete abgestellt wird. Nur auf die national zuständigen Behörden stellen die UVP-II-RL, die Seveso-III-RL, die FFH-RL, die Tierversuch-RL und die Marken-RL ab. Letztere erwähnt explizit in Art. 40, 43 Marken-RL das nationale Marken‑ amt. Im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-II-RL ist bei der grenzüberschreitenden Konsultation herauszuheben, dass die Stel‑ lungnahmen an die zuständige Behörde des Mitgliedstaates zu richten sind, in dessen Hoheitsgebiet das Projekt durchgeführt werden soll. Es wird also klargestellt, welcher Mitgliedstaat in die Verantwortung gezogen wird, wenn grenzüberschreitende Auswirkungen bestehen können. Bei der EMAS-III-VO greift die Besonderheit der Freiwilligkeit des EMAS-Systems, so dass nicht notwendigerweise eine Behörde als Verpflich‑ tete herangezogen, sondern auf die zuständige nationale Stelle verwiesen wird, was auch eine private Stelle sein könnte.33 Ein weiterer Sonderfall fin‑ det sich in der Energieinfrastruktur-VO. Nach Art. 9 Abs. 4 Energieinfra‑ struktur-VO wird die Anhörung entweder durch den Vorhabenträger oder, falls dies im nationalen Recht so festgelegt ist, von der zuständigen Behörde durchgeführt. Die Energieinfrastruktur-VO stellt also auch die Möglichkeit 33  Siehe Art. 3 Abs. 1 EMAS-III-VO, welcher – anders als die übrigen Sekundär‑ rechtsakte – nur auf eine zuständige Stelle ohne die Behördeneigenschaft abstellt.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 201

auf, dass eine Privatperson Beteiligungsverpflichteter sein kann. Damit sind EMAS-III-VO und Energieinfrastruktur-VO Sekundärrechtsakte, welche die Beteiligung durch Private ermöglichen. b) Unionale Ebene Wird die Beteiligung auf unionaler Ebene durchgeführt, werden als Ver‑ pflichtete entweder allgemein die Kommission oder eine spezielle Agentur bzw. ein Ausschuss derselben herangezogen. Die meisten Sekundärrechts‑ akte, die Beteiligungsverpflichtete auf unionaler Ebene vorsehen, sind dabei Verordnungen. Diese gelten unmittelbar und können daher das Beteiligungs‑ verfahren auf zentraler Ebene verorteten, um eine Homogenität der Beteili‑ gung zu gewährleisten. Nichtsdestotrotz finden sich auch drei Richtlinien, die Verpflichtete auf unionaler Ebene vorsehen, obwohl sich Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ausdrücklich nur an Mitgliedstaaten richten. Die Be‑ teiligung innerhalb dieser Richtlinien ist allerdings in einem mitgliedstaatli‑ chen Genehmigungssystem verortet, innerhalb dessen die Kommission ein‑ geschaltet und dabei zur Beteiligung verpflichtet wird. Die abschließende Entscheidung obliegt den Mitgliedstaaten. Das durch die Richtlinie vorgege‑ bene Genehmigungsverfahren muss also letztendlich von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene umgesetzt werden und dabei auch die auf Unionsebene verankerte Beteiligung umfassen. Die Richtlinien sind aber – wie Art. 288 Abs. 3 AEUV es vorsieht – an die Mitgliedstaaten adressiert und geben für diese ein umsetzungsbedürftiges Ziel vor. aa) Kommission Eine von der Kommission durchgeführte Beteiligung wird im Rahmen der Health-Claims-VO und der AnreicherungsVO vorgesehen. Bei diesen beiden Verordnungen werden Akte administrativer Normsetzung mittels einer Ver‑ ordnung erlassen. Dafür ist die Kommission unter Anwendung des Komitolo‑ gieverfahrens zuständig. Wenn die Kommission bereits für den Erlass der je‑ weiligen Verordnungen zuständig ist, ist es konsequent diese Zuständigkeit auch bei der Beteiligung beizubehalten und die Kommission selbst dazu zu verpflichten. Die Zulassung sowie deren Änderung, Aussetzung und Widerruf von genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln nach der Lebens- / Fut‑ termittel-GenT-VO liegt ebenfalls im Zuständigkeitsbereich der Kommission, so dass diese auch für die Durchführung der Beteiligungsverfahren verant‑ wortlich ist. Ebenfalls allgemein auf die Kommission als Verpflichtete der Be‑ teiligung wird bei der Strom-RL und der Gas-RL abgestellt, wobei treffender nicht von einer Verpflichtung, sondern einer Berechtigung zur Beteiligung zu sprechen ist, da die Einbeziehung von Dritten im Ermessen der Kommission

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

liegt. Das Fusionskontrollverfahren weist in den verschiedenen Verfahrensstu‑ fen mehrere Möglichkeiten zur Beteiligung auf, wobei aber bei jeder die Kommission für die Durchführung verantwortlich ist. Eine Besonderheit ist die Einsetzung eines Anhörungsbeauftragten, welcher als unabhängiger Schiedsmann bei der Anhörung bestimmte Verfahrensschritte übernimmt, wie z. B. die Entscheidung über das Vorliegen des hinreichenden Interesses. Bei den Verordnungen, welche die Eintragung von geografischen Bezeich‑ nungen vorsehen, wird zwischen nationalem und europäischem Einspruchs‑ verfahren differenziert. Auf Ebene des europäischen Einspruchsverfahrens ist die Kommission bei der Qualitätsregelung-VO, der GMO-VO und der Aro‑ mawein-VO verpflichtet, das Einspruchsverfahren durchzuführen. Die Ein‑ tragung von traditionellen Begriffen nach der GMO-VO und die Eintragung geografischer Angaben nach der Spirituosen-VO sehen nur ein Einspruchs‑ verfahren auf europäischer Ebene vor, wobei aber im Gleichlauf mit den übrigen Bestimmungen zur Eintragung geografischer Bezeichnungen die Kommission als Verpflichtete für den Einspruch herangezogen wird. Die FreisetzungsRL sieht ebenso zwei Beteiligungen vor, die auf den Ebenen der Mitgliedstaaten und der EU verortet sind. Neben der Beteiligung durch den Mitgliedstaat bei der absichtlichen Freisetzung ermöglicht die Kommission beim Inverkehrbringen von GVO nach Art. 24 FreisetzungsRL der Öffent‑ lichkeit, Bemerkungen zu dem Bewertungsbericht vorzubringen. Hervorzu‑ heben ist dabei, dass diese Bemerkungen umgehend von der Kommission an den Mitgliedstaat weitergeleitet werden. Es erfolgt eine Verknüpfung der mitgliedstaatlichen mit der unionalen Ebene. Bei der Strom-VO und der Gas-VO wird zwischen den verschiedenen Be‑ teiligungsmöglichkeiten differenziert, wonach sowohl der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas), die ACER und die Kommission als Verpflichtete heran‑ gezogen werden. Die Kommission konsultiert lediglich bei dem Erlass von sog. Kommissionskodizes alle einschlägigen Akteure. bb) Agenturen Bestimmte Agenturen und ein Agenturausschuss werden ebenfalls als Ver‑ pflichtete für die Beteiligung herangezogen. Dies ist in den Bereichen der Fall, in denen eine Agentur gegründet wurde, die sich thematisch speziali‑ siert hat und daher besonders geeignet für die Durchführung der Beteiligung ist. Davon machen vier Sekundärrechtsakte aus dem Produktrecht und zwei aus dem Energierecht Gebrauch. Bei diesen sechs Sekundärrechtsakten wer‑ den dezentrale Agenturen34 als Verpflichtete für die Beteiligung herangezo‑ 34  Oft werden die dezentralen Agenturen auch als Regulierungsagenturen be‑ zeichnet, so Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 298 AEUV Rn. 4; Frenz,



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 203

gen. Solche dezentralen Agenturen sind über das gesamte Territorium der EU verteilt und sollen Unterstützung für die EU-Institutionen bei der Umsetzung von Strategien und der Entscheidungsfindung leisten.35 Durch die Schaffung von Regelungen in bestimmten Sektoren tragen die dezentralen Agenturen zur Wahrnehmung von Exekutivfunktionen bei.36 Im Chemikalienrecht wird bei der REACH-VO bei allen Beteiligungsver‑ fahren im Bereich der Bewertung, Zulassung und Beschränkung die Europä‑ ische Chemikalienagentur (ECHA) verpflichtet, Konsultationen durchzufüh‑ ren. Die ECHA wurde durch die REACH-VO 2006 errichtet und erteilt den Mitgliedstaaten sowie den EU-Organen den bestmöglichen wissenschaftli‑ chen und technischen Rat bezüglich Fragen zu chemischen Stoffen (Art. 77 Abs. 1 REACH-VO). Bei der Pflanzenschutzmittel-VO wird die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) herangezogen. Da die Pflanzen‑ schutzmittel-VO mit der REACH-VO eng verbunden ist, ist zunächst nicht ersichtlich, warum nicht die ECHA als zuständige Agentur für die Zulassung von Wirkstoffen zuständig ist. Allerdings wirkt sich der Einsatz von Pflan‑ zenschutzmitteln gerade auf die damit behandelten Lebens- und Futtermittel aus, so dass bei deren Verzehr Rückstände vermieden oder für unbedenklich eingestuft werden müssen. Daher ist die Pflanzenschutzmittel-VO auch eng mit den Bestimmungen zum Lebensmittelrecht und der Lebensmittel-VO als Grundverordnung des Lebensmittelrechts verknüpft.37 Die EFSA, welche aufgrund dieser Grundverordnung errichtet wurde, trägt nach Art. 22 Abs. 3 Lebensmittel-VO u. a. zur Pflanzengesundheit bei und umfasst dafür ein wis‑ senschaftliches Gremium für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände (Art. 28 Abs. 4 lit. c) Lebensmittel-VO). Die EFSA ist somit auf den Bereich der Pflanzenschutzmittel-VO spezialisiert und muss bei der Zulassung eines Wirkstoffes einbezogen werden. Das Beteiligungsverfahren wird bei ihr zen‑ tralisiert. Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 480. Allerdings ist in Abgrenzung zu den USamerikanischen agencies mit weiterreichenden Befugnissen die Terminologie der de‑ zentralen Agenturen zu bevorzugen, Groß, Die Legitimation der polyzentralen EUVerwaltung, S. 60; vgl. auch Augsberg, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europäi‑ schen Union, § 6 Rn. 74; Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 462 ff.; Groß, EuR 2005, 54 (57); Masing, AöR 128 (2003), 558 ff. 35  https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/decentralised-agencies_de (Stand: 19.10.2017); vgl. auch Augsberg, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der Europä‑ ischen Union, § 6 Rn. 74; Groß, Die Legitimation der polyzentralen EU-Verwaltung, S. 60. 36  Mitteilung der Kommission – Rahmenbedingungen für die europäischen Regu‑ lierungsagenturen, KOM (2002) 718 endgültig vom 11.12.2002, S. 4; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 13 EUV Rn. 34; Groß, EuR 2005, 54 (56). 37  Siehe z.  B. EWG Nr. 12 Pflanzenschutzmittel-VO und auch die Zielbestim‑ mung in Art. 5 Abs. 1 Lebensmittel-VO.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Bei der Strom-VO und der Gas-VO nimmt außerdem die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) die Aufgabe wahr, Beteiligungen durchzuführen. Die ACER wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 713 / 2009 gegründet. Als Aufgabe kommt ihr die Unterstützung der nationalen Regulierungsbehörden bei ihren Regulierungsaufgaben im Be‑ reich von Strom und Gas und gegebenenfalls die Koordinierung von Maß‑ nahmen zu (Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 713 / 2009). Die ACER führt die Beteiligung allerdings nur im Hauptverfahren beim Erlass von Netzkodi‑ zes, beim Erlass sog. Agenturkodizes und bei der Änderung von Netzkodizes durch. Bei den übrigen Verfahrensschritten, welche eine Beteiligung vorse‑ hen, wird der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) und bei den Kommissi‑ onskodizes die Kommission herangezogen. Bei der Unionsmarken-VO agiert das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als dezentrale Agentur. Das EUIPO nimmt im Wesentlichen Aufgaben im Bereich des Markensystems und des Geschmacks‑ mustersystems der EU wahr (siehe Art. 151 Abs. 1 Unionsmarken-VO), wo‑ bei für die Untersuchung nur der Bereich des Markenrechts von Relevanz ist. Dritte können nach der Unionsmarken-VO an das EUIPO Bemerkungen richten; es ist zudem zuständig für Widersprüche in Bezug auf Unionsmar‑ ken. Als Teil einer dezentralen Agentur wird im Arzneimittelrecht der Aus‑ schuss für Risikobewertungen im Bereich der Pharmakovigilanz herangezo‑ gen. Dieser Ausschuss wurde durch die Änderungsverordnung (EU) Nr. 1235 / 201038 geschaffen, ist der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) unterstellt und kann bei der Nachmarktkontrolle von Arzneimitteln Informationen von Dritten einholen. Im Arzneimittelbereich wird somit nicht allgemein eine sich auf den Rechtsbereich konzentrierende Agentur, sondern ein auf die Pharmakovigilanz spezialisierter Ausschuss zur Beteiligung ver‑ 38  Verordnung (EU) Nr. 1235/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Fest‑ legung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen ArzneimittelAgentur hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln und der Verord‑ nung (EG) Nr. 1394/2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien, ABl. L 348 vom 31.12.2010, S.  1, zul. berichtigt durch Berichtigung der Verordnung (EU) Nr. 1235/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.  Dezember 2010 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschafts‑ verfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur hinsichtlich der Pharma‑ kovigilanz von Humanarzneimitteln und der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien ( ABl. L 348 vom 31.12.2010 ), ABl. L 201 vom 27.07.2012, S. 138.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 205

pflichtet, wobei herausgestellt werden muss, dass die Beteiligung im Ermes‑ sen des Ausschusses steht. Nicht eindeutig als Agentur lässt sich das Gremium Europäischer Regulie‑ rungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) einordnen. Das GEREK ist ein Forum für die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Re‑ gulierungsbehörden und der Kommission, besitzt aber keine eigene Rechts‑ persönlichkeit und soll nicht als Unionsagentur qualifiziert werden (EWG Nr. 6 GEREK-VO). Es stellt einen Zusammenschluss von nationalen Akteu‑ ren dar, welche auf europäischer Ebene zusammenarbeiten sollen.39 Das GEREK wird administrativ und professionell von dem Büro des GEREK unterstützt (Art. 4 Abs. 11 GEREK-VO). Dieses Büro hat aber wiederum ei‑ gene Rechtspersönlichkeit (Art. 6 GEREK-VO) und dessen Aufgaben decken sich mit denen von dezentralen Agenturen.40 Das GEREK-Büro wird daher von der Kommission auch als Unionsagentur bezeichnet und anerkannt.41 Diese zweideutige Stellung zwischen bloßem Zusammenschluss auf EUEbene und Agentur ermöglichen keine klare Einordnung des Beteiligungs‑ verpflichteten. Art. 17 GEREK-VO sieht vor, dass das GEREK vor Stellung‑ nahmen interessierte Kreise konsultieren kann, was dafür spricht, das GE‑ REK – und nicht das GEREK-Büro – als bloßes Gremium als Beteiligungs‑ 39  Zu

dieser weiteren Kategorie bei den Beteiligungsverpflichteten sogleich. Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 504 Fn. 813. Säcker, in: Säcker, TKG, § 3 Rn. 25 stellt darauf ab, dass dem GEREK-Büro hingegen keine nennens‑ werten, im Außenverhältnis bedeutenden Handlungsbefugnisse zukommen. 41  Siehe Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 2 zum Gesamthaushalts‑ plan 2010, Einnahmen und Ausgaben nach Einzelplänen, Einzelplan III – Kommis‑ sion Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss Einzelplan VII – Ausschuss der Regionen (Vorlage der Kommission), KOM(2010) 108 endgültig vom 19.03.2010, S. 6; vgl. ebenfalls Anhang I der Zusammenfassung der Ergebnisse der jährlichen Prüfungen 2014 des Hofes betreffend die Europäischen Agenturen und sonstigen Einrichtungen, ABl. C 409 vom 09.12.2015, S. 1, wonach das GEREKBüro als Agentur aufgeführt wird; siehe auch https://europa.eu/european-union/abouteu/agencies/berec_de (Stand: 19.10.2017); zurückhaltend Attendorn, CR 2011, 721 (724), welcher das GEREK-Büro lediglich als Gemeinschaftseinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit bezeichnet. Haller, Der Verwaltungsverbund in der Energieregu‑ lierung, S. 141 Fn. 729 stellt EWG Nr. 6 GEREK-VO einerseits und die Kategorisie‑ rung als Agentur, vorgenommen durch die Kommission, andererseits ebenfalls heraus, differenziert aber nicht hinreichend zwischen dem GEREK und dem GEREK-Büro. Mayrhofer, in: Raschauer, Europäische Agenturen, 41 (45), stellt zwar heraus, dass das GEREK nicht als Agentur eingerichtet werden sollte, schreibt ihm aber in organi‑ satorischer und funktioneller Hinsicht die Eigenschaft einer Agentur zu. In dieselbe Richtung geht Schilchegger, in: Raschauer, Europäische Agenturen, 111 (113, 125), der dem GEREK zwar keine Agentureigenschaft zuschreibt, aber dennoch die agen‑ turähnlichen Strukturen hervorhebt. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 298 AEUV Rn. 7 und Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 13 EUV Rn. 38 ordnen das GEREK unproblematisch als Agentur ein. 40  Frenz,

206

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

verpflichteten anzusehen. Art. 16 Abs. 5 der Rules of Procedure of the Board of Regulators42 legt aber fest, dass das GEREK-Büro die Konsultation in Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der relevanten Sachverständigen-Ar‑ beitsgruppe oder des Regulierungsrates organisiert. Die Konsultation wird somit sowohl durch eine Agentur – das GEREK-Büro – als auch durch ein bloßes Gremium als Zusammenschluss ohne eigene Rechtspersönlichkeit durchgeführt. c) Zusammenschlüsse privater Akteure auf EU-Ebene Eine Sonderrolle spielen Zusammenschlüsse von privaten nationalen Ak‑ teuren auf EU-Ebene, die weder klar der mitgliedstaatlichen noch der unio‑ nalen Ebene zugeordnet werden können, da diese Zusammenschlüsse keine mitgliedstaatlichen oder EU-Institutionen sind. Dazu zählen im Bereich des Energierechts der ENTSO (Strom) und der ENTSO (Gas). Nach der Strom‑VO und Gas-VO erlassen der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) Netzkodizes und führen dabei in der Ausarbeitungsphase Konsultationen durch. Der ENTSO (Strom) und der ENTSO (Gas) sind Zusammenschlüsse der Übertragungsnetzbetreiber bzw. der Fernleitungsnetzbetreiber, um auf der EU-Ebene zusammenzuarbeiten. Dadurch sollen die Vollendung und das Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarktes bzw. des Erdgasbinnenmarktes und der grenzüberschreitende Handel gefördert werden (siehe Art. 4 StromVO, Art. 4 Gas-VO). Diese Zusammenschlüsse sind somit zwar institutiona‑ lisiert, dennoch konsultieren letztendlich private Netzbetreiber. Neben der EMAS-III-VO und der Energieinfrastruktur-VO finden sich mit der StromVO und der Gas-VO somit insgesamt vier Sekundärrechtsakte, die eine von Privaten durchgeführte Beteiligung ermöglichen.

6. Zeitpunkt Aufgrund des definierten Untersuchungsgegenstandes wird die Beteiligung stets vor Erlass der Verwaltungsentscheidung durchgeführt. Der Zeitpunkt ist auf eine vorgelagerte Beteiligung festgelegt. Dieser für alle Sekundärrechts‑ akte bestehende allgemeine Zeitpunkt lässt sich anhand der Vorgaben der Sekundärrechtsakte aber noch weiter differenzieren. Es kann unterschieden werden zwischen Rechtsakten, die lediglich einen Zeitpunkt im Verfah‑ rensablauf angeben, und Rechtsakten, die eine Frist für die Beteiligung vor‑ geben.

42  Rules

of Procedure of the Board of Regulators, BoR (14) 67.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 207

a) Verfahrensablauf Wird der Zeitpunkt der Beteiligung in Bezug auf den Verfahrensablauf festgelegt, sehen die Sekundärrechtsakte entweder nur allgemeine Vorgaben vor, stellen auf die Frühzeitigkeit der Beteiligung ab oder geben konkret den Verfahrensschritt an, in welchem die Beteiligung durchgeführt werden soll. Daher können drei Kategorien gebildet werden. aa) Allgemeine Vorgaben Zur ersten Kategorie zählen all solche Sekundärrechtsakte, welche nur all‑ gemeine Vorgaben hinsichtlich des Beteiligungszeitpunkts enthalten. Es wird lediglich ersichtlich, dass die Beteiligung allgemein vor der Verwaltungsent‑ scheidung durchgeführt werden sollte. Dies ist bei den administrativen Normsetzungen nach der HealthClaims‑VO und der AnreicherungsVO gegeben, welche aber nicht in ihrer Gesamtheit dieser Kategorie zugeordnet werden können. Lediglich bei der Änderung des Anhangs über nährwertbezogene Angaben nach Art. 8 HealthClaims-VO und bei der Änderung der Positivlisten nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 AnreicherungsVO werden keine genauen zeitlichen Vorgaben ge‑ macht. Die anderen Beteiligungsverfahren enthalten speziell festgelegte Fris‑ ten. Bei Art. 8 Health-Claims-VO wird sogar nur aus dem Kontext der Vor‑ schrift ersichtlich, dass die Beteiligung vor Änderung des Anhangs abgehal‑ ten werden soll, damit die Kommission die Informationen über die nährwert‑ bezogene Angabe überhaupt noch berücksichtigen kann. Auch die FFH-RL, die EMAS-III-VO, die Nukleare-Sicherheit-RL, die Entsorgung-RL, die System-RL sowie Art. 5 Abs. 2 lit. e), Art. 6 Abs. 2 lit. b) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO und Art. 11 Fusionskontroll-VO geben lediglich vor, dass eine Beteiligung vor der jeweiligen Entscheidung durch‑ geführt wird bzw. werden kann, wenn diese im Ermessen steht. Bei der Fu‑ sionskontroll-VO ist neben der Beteiligung aus Art. 11 noch die Beteiligung nach Art. 18 Abs. 4 möglich, wobei aber eine Beteiligungsfrist vorgegeben wird und diese Beteiligungsform daher einer anderen Kategorie zuzuordnen ist.43 Bei den Betriebsbeschränkungen nach der Flughafenbetriebsbeschrän‑ kungsVO besteht zudem nach Art. 6 Abs. 2 lit. d) Flughafenbetriebsbeschrän‑ kungsVO eine spezifische Frist für die Beteiligung, so dass diese Verordnung ebenso in zwei Kategorien eingeordnet werden kann.44

43  Siehe 44  Siehe

C. I. 6. b) aa). dazu unter C. I. 6. b) bb).

208

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Ebenfalls allgemein vor dem Erlass der Verwaltungsentscheidung wird bei der Marken-RL die Beteiligung in Form von Bemerkungen vor Eintragung der Marke durchgeführt. Nicht eindeutig aus der Richtlinie geht allerdings hervor, ob der Widerspruch der Eintragungsentscheidung vor- oder nachgela‑ gert werden muss. Die Marken-RL macht insoweit keine Vorgabe und kann nur für den Fall eines vorgelagerten Widerspruchs in diese Kategorie einge‑ ordnet werden. bb) Frühzeitige Beteiligung Zwar keinen genauen Verfahrensschritt, aber eine möglichst frühzeitige Beteiligung sehen drei Richtlinien aus dem Umweltrecht vor. Nach der Se‑ veso-III-RL muss die Beteiligung so frühzeitig erfolgen, dass noch eine Be‑ rücksichtigung der Ergebnisse aus der Konsultation erfolgen kann (siehe Art. 15 Abs. 1, 4 Seveso-III-RL). Bei der Genehmigung von Anlagen aus Anhang I der IE-RL gilt nach Art. 24 Abs. 1 IE-RL ebenfalls, dass sich die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig beteiligen kann. Anhang IV Nr. 5 IE-RL konkretisiert dies und fordert von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie eine ausreichende Zeit zur Information für eine effektive Vorberei‑ tung und Beteiligung. Die UVP-II-RL macht in Art. 6 Abs. 4 deutlich, dass die Beteiligung vor der Genehmigungsentscheidung, wenn noch alle Optio‑ nen offen stehen, abgehalten werden muss. Wie die IE-RL sieht auch die UVP-II-RL in Art. 6 Abs. 6 vor, dass eine ausreichende Zeit zur Information sowie für die Vorbereitung und effektive Beteiligung von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Umsetzungsregeln eingeräumt werden muss. Zudem gibt Art. 6 Abs. 7 UVP-II-RL vor, dass die Frist für die Beteiligung mindestens 30 Tage umfassen muss. Damit gibt die UVP-II-RL bereits eine Mindestfrist vor und überschneidet sich daher mit den Kategorien der Fristangaben.45 Neben den Bestimmungen aus dem Umweltrecht enthalten drei Verord‑ nungen aus dem Energierecht Vorgaben für eine frühzeitige Beteiligung. Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO sieht vor, dass der ENTSO (Strom) bzw. der ENTSO (Gas) frühzeitig alle betroffenen Marktteilnehmer beim Erlass von Netzkodizes konsultieren muss. Bei der Änderung von Netzkodizes wird die ACER einbezogen, welche nach Art. 7 Abs. 2 Strom-VO bzw. Gas-VO i. V. m. Art. 10 ACER-VO die Öffentlichkeit frühzeitig konsultieren muss. Bei der Energieinfrastruktur-VO müssen die Dritten ebenfalls so frühzeitig konsultiert werden, dass etwaige Bedenken gegen das zu genehmigende Vor‑ haben von gemeinem Interesse noch berücksichtigt werden können. Die Be‑ teiligung ist in dem Vorantragsabschnitt und damit in einem frühen Zeitraum zwischen Beginn des Genehmigungsverfahrens und der Annahme der einge‑ 45  Siehe

C. I. 6. b) aa).



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 209

reichten Antragsunterlagen verortet. Die Frist für die Beteiligung wird dabei von dem Vorhabenträger im Konzept für die Beteiligung der Öffentlichkeit festgelegt. Quert das Vorhaben die Grenzen eines anderen Mitgliedstaates, findet die Anhörung der Öffentlichkeit in dem betroffenen Mitgliedstaat in‑ nerhalb von maximal zwei Monaten nach Beginn der ersten Anhörung im Mitgliedstaat, in dem das Vorhaben von gemeinsamem Interesse genehmigt werden soll, statt. Wie bei der UVP-II-RL wird bei der EnergieinfrastrukturVO auf eine Frist – entweder festgelegt durch den Vorhabenträger oder im Sinne einer Maximalfrist – Bezug genommen, so dass eine Einordnung in die Kategorie der Fristenangabe ebenfalls möglich ist.46 Die Betonung der Frühzeitigkeit der Beteiligung bei diesen Sekundär‑ rechtsakten führt dazu, dass das jeweilige Entscheidungsverfahren zum Zeit‑ punkt der Beteiligung noch ergebnisoffen sein muss und die Verortung im endgültigen und abschließenden Entscheidungsstadium nicht ausreichend ist.47 cc) Angabe des Verfahrensschrittes Der dritten Kategorie können solche Rechtsakte zugeordnet werden, die zumindest das jeweilige Verfahrensstadium bzw. den jeweiligen Verfahrens‑ schritt, in dem die Beteiligung durchgeführt wird, und damit eine gewisse zeitliche Eingrenzung vorgeben. Dies ist bei der Tierversuch-RL, dem Groß‑ teil des Energierechts, namentlich der Strom-RL und der Gas-RL sowie der Strom-VO und der Gas-VO, und beim Arzneimittelrecht der Fall. Die Tierversuch-RL sieht die Projektbeurteilung als für die Beteiligung maßgebliches Stadium an. Strom-RL und Gas-RL sehen vor, dass bei der Zertifizierung von Dritt‑ landunternehmen der Entwurf der Zertifizierungsentscheidung, welcher von den nationalen Regulierungsbehörde aufgesetzt wird, der Kommission zuge‑ leitet wird, die wiederum zum Entwurf Stellung nehmen kann. Bei dieser Stellungnahme kann die Kommission Dritte einbeziehen. Werden Dritte be‑ teiligt, verlängert sich die Frist für die Stellungnahme der Kommission um zwei Monate (siehe Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Strom-RL bzw. Gas-RL). Bei der Strom-VO und der Gas-VO unterscheiden sich die Beteiligungs‑ zeitpunkte anhand der verschiedenen Arten der Netzkodizes, welche erlassen werden. Bei den Agenturkodizes nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. GasVO kann die ACER Konsultationen einleiten, während sie einen Entwurf für 46  Siehe

C. I. 6. b) aa). Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 80 f.; zur UVP-II-RL z. B. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 68. 47  Vgl.

210

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

den Netzkodex erarbeitet. Damit ist die Beteiligung zumindest auf einen ge‑ wissen zeitlichen Rahmen begrenzt, ohne aber genaue Vorgaben zu machen. Ähnlich gestaltet sich die Beteiligung im Rahmen des Arzneimittelrechts. Wird aufgrund der vorhandenen Daten aus der Pharmakovigilanz ein Verfah‑ ren zum Erlass von Maßnahmen eingeleitet, werden die EMA und deren Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz einbezogen. Letzterer gibt eine Empfehlung ab und kann dabei öffentliche Anhörungen durchführen. Mithin wird zumindest der genaue Verfahrensschritt ersichtlich, in welchem die Beteiligung stattfindet. b) Angabe einer Frist Neben dem Zeitpunkt der Beteiligung hinsichtlich des Verfahrensablaufs werden auch Fristen für die Beteiligung angeben. Dabei können die Fristen entweder konkret den Zeitraum für die Beteiligung vorgeben oder es wird nur allgemein das Einhalten einer Frist vorausgesetzt. Es erfolgt daher eine Einteilung in zwei Kategorien. aa) Vorgabe einer nicht konkretisierten Frist Bei der ersten Kategorie geben die Sekundärrechtsakte zwar keine kon‑ krete Frist mit einem exakt festgelegten Zeitraum vor, dennoch enthalten diese Rechtsakte die Vorgabe, dass eine Frist eingehalten werden muss. Zum Teil wird dabei die Frist noch als ausreichend oder angemessen deklariert. Zu dieser Kategorie zählen die Bemerkungen Dritter, welche nach Art. 45 Unionsmarken-VO möglich sind. Diese Bemerkungen müssen vor Ablauf der Widerspruchsfrist, welche drei Monate ab Veröffentlichung der Anmel‑ dung beträgt, bzw. vor abschließender Entscheidung über den Widerspruch eingereicht werden, so dass ein gewisser zeitlich begrenzter Rahmen vorge‑ geben ist, der aber nicht mit einer exakten Frist vergleichbar ist. Ein solcher Rahmen wird auch bei der UVP-II-RL und der Energieinfrastruktur-VO vor‑ gegeben. Beide Sekundärrechtsakte stellen zwar vordergründig auf die Früh‑ zeitigkeit der Beteiligung ab und beziehen sich damit auf den Verfahrensab‑ lauf. Art. 6 Abs. 7 UVP-II-RL gibt aber einer Mindestfrist von 30 Tagen für die Beteiligung vor. Bei Vorhaben von gemeinsamem Interesse nach der Energieinfrastruktur-VO muss der Vorhabenträger eine Frist für die Beteili‑ gung festlegen. Bei grenzüberschreitenden Vorhaben wird in Art. 9 Abs. 5 Energieinfrastruktur-VO eine Maximalfrist von zwei Monaten für die Öffent‑ lichkeitsanhörung vorgegeben. Dass eine in irgendeiner Weise bestehende Frist eingehalten werden muss, geben auch die REACH-VO und die Fusionskontroll-VO vor. Letztere be‑



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 211

stimmt in der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802 / 2004, dass die Kom‑ mission den Dritten eine Frist zur Äußerung setzt, ohne jedoch auf einen Mindest- oder Höchstzeitraum abzustellen.48 Bei der REACH-VO sind für die verschiedenen Beteiligungen bei der Bewertung, Zulassung und Be‑ schränkung von Stoffen unterschiedlich genaue Zeitpunkte vorgegeben, so dass eine Einordnung in zwei Kategorien möglich ist. Bei der Zulassung von Stoffen bestimmen Art. 59 Abs. 4 und Art. 64 Abs. 2, 3 REACH-VO, dass eine Fristsetzung für die Beteiligung erfolgen muss bzw. sich innerhalb einer bestimmten Frist Dritte beteiligen können. Nähere Angaben zur Frist fehlen, während Art. 40 Abs. 2, Art. 58 Abs. 4, Art. 69 Abs. 6 lit. a), b) und Art. 71 Abs. 1 REACH-VO einen konkreten Zeitraum vorgeben.49 Eine ausreichende Frist soll für das nationale Einspruchsverfahren nach Art. 49 Abs. 3 Qualitätsregelung-VO ausgestaltet werden. Auch in Art. 14 GenehmigungsRL wurde eine ausreichende Frist für die Beteiligung bei der Änderung von Rechten, Bedingungen und Verfahren im Zusammenhang mit der Allgemeingenehmigung etabliert. Diese Frist beträgt, abgesehen von au‑ ßergewöhnlichen Umständen, mindestens vier Wochen. Nach der Bergbauab‑ fall-RL müssen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten der Beteiligung so fest‑ legen, dass der betroffenen Öffentlichkeit eine effektive Vorbereitung und Beteiligung ermöglicht wird (Art. 8 Abs. 7 Bergbauabfall-RL). Dies impli‑ ziert zumindest, dass eine ausreichende Frist gesetzt werden muss und diese nicht so kurz gewählt werden darf, dass faktisch die Beteiligung ausgeschlos‑ sen wird. Art. 16 Bergbauabfall-RL bestimmt bei grenzüberschreitenden Aus‑ wirkungen, dass die Anträge für einen angemessenen Zeitraum der betroffe‑ nen Öffentlichkeit des voraussichtlich betroffenen Mitgliedstaates zur Verfü‑ gung stehen müssen, damit diese Stellung nehmen kann. Auf die Angemes‑ senheit zielt auch die FreisetzungsRL in Art. 9 ab. Bei der absichtlichen Freisetzung bestimmt die Richtlinie zwar lediglich, dass die Öffentlichkeit und gegebenenfalls Gruppen angehört werden sollen, schreibt aber weiter vor, dass die Mitgliedstaaten eine angemessene Frist festlegen müssen (Art. 9 Abs. 1 FreisetzungsRL). Eine solche angemessene Frist muss auch für die Beteiligungen bei grenzüberschreitenden Wirkungen nach Art. 7 UVP-II-RL und Art. 26 IE-RL sowie bei den Konsultationen nach der Kommunikations‑ rahmen-RL und der GEREK-VO vorliegen. Die IE-RL sieht zudem in Art. 55 bei der Zulassung von Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen vor, dass die An‑ träge für einen angemessenen Zeitraum der Öffentlichkeit zugänglich ge‑ macht werden müssen, damit diese Stellung nehmen kann. Wann eine Frist 48  Art. 16 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 802/2004. Bei der informellen Konsultation, welche nicht in der Fusionskontroll-VO aufgenommen ist, wird i. d. R. eine Frist von zehn Tagen für die Einreichung von schriftlichen Äußerungen von der Kommission vorgegeben. 49  Dazu unter C. I. 6. b) bb).

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

angemessen bzw. ausreichend ist, wird mit Ausnahme der GenehmigungsRL, die eine Mindestfrist vorsieht, nicht näher bestimmt. Nichtsdestotrotz kann aufgrund der Funktion der Beteiligung von Dritten, am Entscheidungspro‑ zess teilzuhaben und Einfluss nehmen zu können, geschlossen werden, dass zumindest eine solche Frist angesetzt werden muss, innerhalb derer die Drit‑ ten sich ausreichend informieren und die Beteiligung vorbereiten können.50 bb) Konkrete Frist Ungefähr die Hälfte aller Sekundärrechtsakte gibt eine konkrete Frist in Tagen oder Monaten an, welche für die Beteiligung von Dritten eingehalten werden muss. Dabei sind diese Sekundärrechtsakte aber nur zum Teil strin‑ gent dieser Kategorie zuzuordnen. Bei vielen der im Folgenden aufgeführten Rechtsakte wurden die übrigen Beteiligungen bereits in den vorherigen Ka‑ tegorien verortet. Die kürzesten Fristen werden beim Inverkehrbringen von GVO nach Art. 24 Abs. 1 FreisetzungsRL, bei der Zulassung genetischer Lebens- und Futtermittel nach der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO, bei der Zulassung oder Änderung von gesundheitsbezogenen Angaben nach der Health-Claims-VO und bei der Änderung von Negativlisten nach der AnreicherungsVO vorgese‑ hen. Bei diesen vier Sekundärrechtsakten wird jeweils nur eine Dauer der Beteiligung von 30 Tagen angeordnet. Eine etwas längere Frist in Tagen sieht die REACH-VO bei der Bewertung des Versuchsvorschlages vor, in‑ dem Dritte innerhalb von 45 Tagen wissenschaftlich fundierte Informationen und Studien vorlegen können (Art. 40 Abs. 2 REACH-VO). Eine Frist von 60 Tagen ist in der REACH-VO bei der Beschränkung von Stoffen im Rah‑ men der Stellungnahme des Ausschusses für sozioökonomische Analyse nach Art. 71 Abs. 1 etabliert worden. Eine solche 60‑Tagesfrist gilt ebenfalls bei der Genehmigung von Wirkstoffen nach der Pflanzenschutzmittel-VO. Die Monatsfristen erstrecken sich in den verschiedenen Sekundärrechtsak‑ ten von zwei bis auf sechs Monate. Diese Bandbreite findet sich bei den Rechtsakten zum Schutz geografischer Bezeichnungen. Während die GMOVO und die Aromawein-VO für die nationalen und europäischen Einspruchs‑ verfahren eine Frist von zwei Monaten vorsehen, schreibt die Qualitätsrege‑ lung-VO für das unionale Einspruchsverfahren eine Dreimonatsfrist vor, die 50  Vgl. die Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Kon‑ sultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 20; siehe auch die Begründung des ReNEUAL zu Art. III-25 des Musterentwurfs für ein EU-Verwaltungsverfahren, Schneider/Hofmann/Ziller, Re‑ NEUAL, Erläuterungen Buch III Rn. 91.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 213

Spirituosen-VO sogar einen Zeitraum von sechs Monaten. Diese Abweichung bei den Fristen in den sonst sehr ähnlich ausgestalteten Einspruchsverfahren erscheint ungewöhnlich. Ebenfalls unterschiedliche Monatsfristen sieht die REACH-VO neben den Tagesfristen und den allgemeinen nicht konkretisierten Fristen vor. Nach Art. 58 Abs. 4 REACH-VO haben Dritte drei Monate Zeit, um sich im Rah‑ men der Zulassung eines Stoffes bei dessen Aufnahme auf die Kandidaten‑ liste zu beteiligen. Bei der Beschränkung eines Stoffes können sich die Drit‑ ten innerhalb von sechs Monaten zu den Beschränkungen äußern, bevor eine Weiterleitung an die Ausschüsse erfolgt. Auch bei der Strom-VO und der Gas-VO differieren die Beteiligungsfris‑ ten nach der Art der Netzkodizes. Bei solchen, die von dem ENTSO (Strom) bzw. dem ENTSO (Gas) erlassen werden, kann nach Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO die ACER förmliche Konsultationen innerhalb von drei Mona‑ ten durchführen. Bei den Kommissionskodizes nach Art. 6 Abs. 11 StromVO bzw. Gas-VO konsultiert die Kommission innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten die Dritten.51 Eine Dreimonatsfrist sehen schließlich die Flughafenbetriebsbeschrän‑ kungsVO bei dem Erlass von Betriebsbeschränkungen nach Art. 6 Abs. 2 lit. d) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO, die Unionsmarken‑VO bei der Einreichung von Widersprüchen und auch die EH-RL vor. Bei letzterer wird diese Frist allerdings nur indirekt erwähnt. Bei der eigentlichen Beteiligungs‑ vorschrift in Art. 27 Abs. 1 lit. d) EH-RL findet sich zunächst keine Fristan‑ gabe. Dennoch bestimmt Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 EH‑RL, dass der Ausschluss der Anlage aus dem Emissionshandelssystem als angenommen gilt, wenn die Kommission nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf einer Dreimo‑ natsfrist Einwände erhebt.

7. Responsivität Der Begriff der Responsivität umschreibt in der Politikwissenschaft die „Rückkoppelung des politischen Handelns der Regierenden, der Administra‑ tion und der Repräsentanten an die Interessen der von ihnen regierten, ver‑ walteten und repräsentierten Menschen“52. Vordergründig bezieht sich die politische Responsivität auf das Verhältnis zwischen politischen Repräsen‑ 51  Zudem werden beim Erlass von Netzkodizes nach der Strom-VO bzw. nach der Gas-VO in der Ausarbeitungsphase noch informelle Konsultationen durchgeführt, die bei der Strom-VO mindestens vier Wochen umfassen müssen. Für die Gas-VO exis‑ tiert eine solche zeitliche Vorgabe nicht. 52  Uppendahl, ZParl 1981, 123 (127).

214

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

tanten und der Bevölkerung53, so dass der Begriff für den vorliegenden Un‑ tersuchungsgegenstand nicht zutreffend zu sein scheint. Dennoch kann die Responsivität als Reflex zur partizipativen Demokratie verstanden werden und schafft insoweit einen Ausgleich zur vorherrschenden repräsentativen Demokratie, indem die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung Wirkung entfalten sollen.54 Damit soll die Verwirklichung der partizipativen Demo‑ kratie vorangetrieben werden, so dass ein steigenendes Niveau der Responsi‑ vität auch eine steigende Etablierung von partizipativ-demokratischen Ele‑ menten bedeutet. Daher wird die Responsivität auch bei Beteiligungen von Dritten gebraucht.55 In diesem Kontext wird darunter „die Einbringung der Ergebnisse der Beteiligung in das weitere Verfahren, die Offenlegung, in welcher Weise dies geschieht und wie mit den Beteiligungsbeiträgen umge‑ gangen wird, sowie die Verdeutlichung, in welcher Weise die Beurteilungs‑ beiträge das weitere Verfahren und die abschließende Entscheidung beein‑ flusst haben“56, verstanden. Die Responsivität in den untersuchten Sekundärrechtsakten wird dabei an‑ hand der rechtlichen Vorgaben in den jeweiligen Normen untersucht; die Untersuchung von faktischen Wirkungen der Beteiligung i. S. v. Statistiken o. ä. kann hingegen nicht geleistet werden. Nach Analyse der Sekundär‑ rechtstexte können vier unterschiedliche Kategorien in Bezug auf die Res‑ ponsivität gebildet werden. Dabei steigt der Grad der Responsivität von der ersten bis zur vierten Kategorie. In der ersten Kategorie finden sich solche Sekundärrechtsakte, die keine Angabe zur Responsivität machen. Innerhalb der zweiten Kategorie sind solche Rechtsakte aufgeführt, die eine Angabe über die Berücksichtigung fordern, ohne allerdings von einer Berücksichti‑ gungspflicht auszugehen. Letztere findet sich erst bei den Rechtsakten der dritten Kategorie. Schließlich kommt der Beteiligung in zwei Sekundär‑ rechtsakten noch eine Vetofunktion in Bezug auf die Entscheidung zu, was in der vierten Kategorie verortet wird.

Geißel, ZPol 2004, 1235 (1236). Ausführungen bei Uppendahl, ZParl 1981, 123 (124 ff.). Siehe auch von Alemann, ZParl 1981, 438 ff. 55  So Albrecht/Kohlrausch/Kubicek/Lippa/Märker/Trénel/Vorwerk/Westholm/Wiedwald, E-Partizipation, S. 10, 142; Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltre‑ levanten Zulassungsverfahren, S. 360 ff.; Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 79 f. 56  Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 79 f.; siehe auch Albrecht/Kohlrausch/ Kubicek/Lippa/Märker/Trénel/Vorwerk/Westholm/Wiedwald, E-Partizipation, S. 142. 53  Siehe 54  Vgl.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 215

a) Keine Vorgabe zur Responsivität Ein Großteil der Sekundärrechtsakte enthält keine Vorgabe darüber, ob die Ergebnisse der Beteiligung in den Entscheidungsprozess eingezogen werden müssen. Die Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse wird nicht vorge‑ schrieben. Nichtsdestotrotz sollten die jeweiligen Entscheidungsträger die Einwände, Äußerungen und Stellungnahmen der Dritten zumindest zur Kennt‑ nis nehmen und bei ihrer Entscheidung möglichst einbeziehen. Bei umset‑ zungsbedürftigen Richtlinien sollten die Mitgliedstaaten dazu angehalten wer‑ den, aus Gründen der Klarheit entsprechende Regelungen zu schaffen. Zu dieser ersten Kategorie zählen die EH-RL, die Flughafenbetriebsbe‑ schränkungsVO, die FFH-RL, die Tierversuch-RL, die Vorschriften aus dem Gentechnikrecht (System-RL, FreisetzungsRL, Lebens- / Futtermittel-GenTVO), die Strom-RL, die Gas-RL, die GenehmigungsRL und die Pflanzen‑ schutzmittel-VO. Die AnreicherungsVO selbst sieht weder bei Änderung der Positiv- noch bei Änderung der Negativlisten eine Einbeziehung der Beteili‑ gungsergebnisse vor, allerdings wird in den Erwägungsgründen der jeweili‑ gen Änderungsverordnungen zu den Positivlisten die Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse aufgeführt, so dass in der Praxis eine Einbeziehung erfolgt. In der Health-Claims-VO finden sich zwar keine expliziten Vor‑ schriften bezüglich der Responsivität. Dennoch wird vom Gericht eine Be‑ rücksichtigung zumindest bei Art. 16 Abs. 6 Health-Claims-VO vorausge‑ setzt57 und diese auch von der Kommission in den Änderungsverordnungen festgehalten. Auch bei der Fusionskontroll-VO wird weder in Art. 11, Art. 18 Abs. 4 noch in der Durchführungsverordnung eine Angabe zur Responsivität gemacht.58 Der Gerichtshof schreibt allerdings vor, dass die Kommission mittels einer förmlichen und begründeten Antwort auf die vorgebrachten Äu‑ ßerungen reagieren muss.59 Damit besteht zwar weiterhin keine Pflicht zur Berücksichtigung, es wird aber zumindest impliziert, dass sich die Kommis‑ sion mit den Äußerungen inhaltlich auseinander setzen muss. Bei weiteren Rechtsakten kann keine einheitliche Zuordnung zur ersten Kategorie erfolgen, da verschiedene Beteiligungsverfahren mit unterschiedli‑ chen responsiven Ausgestaltungen kenntlich gemacht werden können, so dass eine Einordnung in zwei Kategorien notwendig wird. Die Strom-VO und die Gas-VO enthalten beim Erlass und bei der Ände‑ rung von Netzkodizes sowohl Konsultationen durch den ENTSO (Strom) Rs. T-17/12, ECLI:EU:T:2014:234, Rn. 165 – Hagenmeyer/Hahn. werden bei der informellen Konsultation im Vorverfahren keine Anga‑ ben zur Responsivität gemacht. 59  EuGH Rs. C-170/02 P, Slg. 2003 I-9889, ECLI:EU:C:2003:501, Rn. 29  – Schlüsselverlag J.S. Moser. 57  EuG

58  Ebenso

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

bzw. den ENTSO (Gas) als auch durch die ACER und die Kommission. Die Konsultation durch den ENTSO (Strom) bzw. den ENTSO (Gas) nach Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO und die Konsultation bei der Änderung von Netzkodizes durch die ACER gemäß Art. 10 ACER-VO enthalten die Vor‑ gabe, dass eine Angabe über die Berücksichtigung gemacht werden muss, und können somit der zweiten Kategorie zugeordnet werden. Bei der Kon‑ sultation durch die ACER in der Kontrollphase nach Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO und beim Erlass von Agenturkodizes nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO sowie beim Erlass von Kommissionskodizes nach Art. 6 Abs. 11 Strom-VO bzw. Gas-VO finden sich aber keine Vorgaben hin‑ sichtlich der Responsivität, so dass diese Vorschriften unter diese erste Ka‑ tegorie fallen. Die REACH-VO kann hinsichtlich der Responsivität der ersten und der dritten Kategorie zugeordnet werden. Lediglich bei der Zulassung von Che‑ mikalien im Rahmen der Beteiligung am Dossier für die Kandidatenliste nach Art. 59 Abs. 4 REACH-VO werden keinerlei Angaben bezüglich einer Einbeziehung der Konsultationsergebnisse gemacht. Bei den restlichen Verfahren(sschritten) wird eine Berücksichtigung vorausgesetzt, so dass eine zusätzliche Zuordnung zur dritten Kategorie erfolgt.60 Ebenfalls von der ers‑ ten und dritten Kategorie wird die IE-RL erfasst. Während bei der Genehmi‑ gung von Anlagen nach Anhang I der IE-RL eine Berücksichtigung vorge‑ schrieben ist, findet sich eine solche Vorgabe bei der Genehmigung von Abfall(mit‑)verbrennungsanlagen nach Art. 55 IE-RL nicht. Ambivalent ge‑ stalten sich auch die Regelungen für die Genehmigungen von Abfallentsor‑ gungseinrichtungen nach der Bergbauabfall-RL. Diese sehen zunächst eine Beteiligung in Art. 8 Bergbauabfall-RL mit Berücksichtigungspflicht vor, bei der grenzüberschreitenden Konsultation gemäß Art. 16 Bergbauabfall-RL fin‑ det sich aber keine Vorgabe zur Responsivität. Bei der Kommunikationsrah‑ men-RL hat der europäische Gesetzgeber bei den Regelungen zum Erlass von marktregulatorischen Verpflichtungen nach Art. 6 und 12 Kommunikati‑ onsrahmen-RL zwar auf Vorgaben zur Responsivität verzichtet. Für die Ver‑ pflichtungen nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL gibt EWG Nr. 15 aller‑ dings vor, dass eine Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse erfolgen soll. Daher kann auch eine Zuordnung zur dritten Kategorie erfolgen. Ebenfalls in zwei Kategorien kann die Unionsmarken-VO eingeordnet werden. Diese Verordnung wird neben der Einordnung in die erste Kategorie zusätzlich der vierten Kategorie zugeordnet. Nach der Verordnung besteht für Dritte zum einen die Möglichkeit, Bemerkungen nach Art. 45 UnionsmarkenVO einzureichen, und zum anderen die Widerspruchsmöglichkeit nach Art. 46 Unionsmarken-VO. Bei ersterer enthält die Verordnung keine Be‑ 60  Siehe

dazu unter C. I. 7. c).



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 217

stimmung hinsichtlich der Responsivität, allerdings werden die Bemerkun‑ gen dem Antragsteller übermittelt, welcher dazu Stellung nehmen kann, so dass zumindest eine Kenntnisnahme vorausgesetzt wird. Inwieweit die Be‑ merkungen aber bei der Eintragungsentscheidung der Unionsmarke einbezo‑ gen werden, ist nicht vorgeschrieben. Demgegenüber kommt dem Wider‑ spruch eine Vetofunktion zu. Bei der Marken-RL finden sich ebenfalls die Möglichkeiten zur Einreichung von Bemerkungen und zur Erhebung eines Widerspruchs. Allerdings sieht die Marken-RL bei beiden Möglichkeiten keine Bestimmung zur Responsivität vor. Dennoch muss zumindest beim Widerspruch nach der Marken-RL davon ausgegangen werden, dass diesem nach dessen Wortsinn und Telos ebenfalls eine Vetofunktion zukommen muss. Die Richtlinie bleibt in diesem Punkt aber unklar. b) Nachträgliche Angabe über die Berücksichtigung Der zweiten Kategorie sind solche Rechtsakte zugeordnet, die zwar keine Berücksichtigungspflicht vorsehen, allerdings vorschreiben, dass eine An‑ gabe über die Berücksichtigung der jeweiligen Konsultationsergebnisse ge‑ macht werden muss. Somit enthält die zweite Kategorie im Gegensatz zur ersten Kategorie zumindest eine Ausgestaltung der Responsivität und führt durch die nachträgliche Angabe über die Berücksichtigung mittelbar zu einer gewissen Aufwertung der Konsultation. Die mitgliedstaatlichen oder europä‑ ischen Institutionen werden dadurch indirekt dazu angehalten, sich mit den Konsultationsergebnissen auseinanderzusetzen. Eine ausdrückliche Berück‑ sichtigungspflicht findet sich in den Sekundärrechtsakten aber nicht. Die Angabe über die Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse ist vor allem im Energierecht vorgesehen. Beim Erlass von Netzkodizes wird in der Ausarbeitungsphase eine Konsultation von dem ENTSO (Strom) bzw. dem ENTSO (Gas) durchgeführt. Die Anforderungen für diese förmliche Konsul‑ tation richten sich nach Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO. Nach dessen Abs. 3 muss der ENTSO (Strom) bzw. der ENTSO (Gas) vor Verabschiedung der Netzkodizes mitteilen, wie die im Rahmen der Konsultationen erhaltenen Stellungnahmen berücksichtigt wurden. Wurden die Stellungnahmen nicht berücksichtigt, muss der ENTSO (Strom) bzw. der ENTSO (Gas) sogar eine Begründung abgeben. Eine entsprechend ausgestaltete Regelung findet sich auch in Art. 10 Abs. 3 ACER-VO. Bei der Änderung von Netzkodizes legt die ACER Vorschläge zur Änderung vor und konsultiert nach Art. 10 ACERVO ebenfalls Dritte. Bevor diese Vorschläge aber unterbreitet werden, gibt die ACER an, wie den bei den Konsultationen gemachten Beobachtungen Rechnung getragen wurde. Außerdem wird eine Begründung abgegeben, wenn die Beobachtungen nicht berücksichtigt wurden. Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO und Art. 10 ACER-VO enthalten mittelbar durch diese Ausge‑

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

staltung eine Berücksichtigungspflicht, ohne dass der Wortlaut der Verord‑ nungen explizit darauf abstellt. Die GEREK-VO enthält zunächst keine Angaben über die Responsivität. Allerdings muss nach der Entscheidung über das Verfahren zur Öffentlich‑ keitsbeteiligung, welche vom Regulierungsrat erlassen wurde, veröffentlicht werden, wie die Konsultationsergebnisse berücksichtigt wurden. Anders als im Energierecht ist dabei aber keine Begründung abzugeben, wenn die Kon‑ sultationsergebnisse nicht berücksichtigt wurden. c) Berücksichtigungspflicht Bei der dritten Kategorie der Responsivität schreiben die jeweiligen Se‑ kundärrechtsakte vor, dass die Konsultationsergebnisse berücksichtigt wer‑ den müssen. Eine solche Berücksichtigungspflicht ist vor allem im Umwelt‑ recht verbreitet.61 Die jeweiligen Regelungen unterscheiden sich dabei nach der Ausgestaltung der Berücksichtigung. Teilweise wird nur vorausgesetzt, dass die Stellungnahmen, Äußerungen o. ä. berücksichtigt werden, während in anderen Rechtsakten von angemessener oder gebührender Berücksichti‑ gung gesprochen wird. Auf eine angemessene Berücksichtigung stellen die IE-RL bei der Geneh‑ migung von Anlagen aus Anhang I und die Seveso-III-RL ab. Eine gebüh‑ rende Berücksichtigung findet sich in Art. 8 UVP-II-RL, Art. 8 Bergbauab‑ fall-RL und Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 Energieinfrastruktur-VO. Die Unterschei‑ dung zwischen angemessener und gebührender Berücksichtigung ist dabei rein terminologischer Art und bleibt ohne Auswirkungen auf die inhaltliche Ausgestaltung der Berücksichtigungspflicht. Dies wird aus dem Vergleich mit den anderen Sprachfassungen der Rechtsakte deutlich. In den englischen Fassungen wird einheitlich die Formulierung duly taken into account bzw. due account gewählt. Die französischen Fassungen benutzen gleichartig die Wendung être dûment pris en compte. Die sprachliche Differenzierung findet sich somit nur in den deutschen Fassungen. Eine angemessene bzw. gebüh‑ rende Berücksichtigung bezweckt somit dasselbe. Ob mit der Bestimmung der Berücksichtigung als angemessen oder gebührend allerdings eine gestei‑ gerte Berücksichtigungspflicht im Verhältnis zur bloßen Berücksichtigung erfolgen soll, ist zu bezweifeln. Besteht eine Berücksichtigungspflicht, muss gewährleistet werden, dass die Konsultationsergebnisse nicht bloß zur Kennt‑ nis genommen werden, sondern eine inhaltliche Auseinandersetzung er‑ 61  Vgl. Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 45. Ebenso in den einzelnen Ab‑ schnitten zu den jeweiligen Richtlinien bei Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 127, 136, 144.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 219

folgt.62 Wird nun eine angemessene oder gebührende Berücksichtigung ge‑ fordert, bedeutet dies nicht, dass sich die jeweilige Institution inhaltlich tiefergehender oder umfassender mit den Konsultationsergebnissen befassen muss. Die Maßstäbe bei einer Berücksichtigung und einer angemessenen bzw. gebührenden Berücksichtigung sollen vielmehr einheitlich sein. Dies wird am Beispiel der UVP-II-RL deutlich. In Art. 8 UVP-II-RL wurde erst im Jahr 2014 eine gebührende Berücksichtigung aufgenommen. Vorher fand sich lediglich die Terminologie der Berücksichtigung. Dennoch wurde damit keine inhaltliche Änderung der Berücksichtigungspflicht vorgenommen.63 Die Neufassung kann somit als rein symbolische Aufwertung der Norm an‑ gesehen werden und soll lediglich die Mitgliedstaaten bzw. deren Behörden zur Berücksichtigung anhalten und die Wichtigkeit der Öffentlichkeitsbeteili‑ gung unterstreichen. Besonders herauszuheben sind aber dennoch die UVP-II-RL, die IE-RL und die Seveso-III-RL, die zusätzlich zur Berücksichtigungspflicht auch noch eine nachträgliche Angabe über die Berücksichtigung vorsehen (Art. 9 Abs. 1 lit. b) UVP-II-RL, Art. 24  II lit. c) IE-RL und Art. 15 Abs. 5 lit. b) Seveso-III-RL). Eine Pflicht zur Berücksichtigung ohne nähere Konkretisierung gibt die REACH-VO vor. Bei der Bewertung von Versuchsvorschlägen berücksich‑ tigt die ECHA nach Art. 40 Abs. 2 S. 4 REACH-VO die wissenschaftlich fundierten Informationen und Studien, die durch die Dritten übermittelt wur‑ den. Auch bei der Zulassung von Stoffen berücksichtigt die ECHA beim endgültigen Erlass der Kandidatenliste die Bemerkungen der interessierten Kreise nach Art. 58 Abs. 4 UAbs. 2 REACH-VO. Bei der konkreten Zulas‑ sung eines Stoffes ist eine explizite Berücksichtigung nicht aufgeführt, aller‑ dings gibt der Ausschuss für sozioökonomische Analyse eine Beurteilung der durch die interessierten Kreise vorgebrachten Beiträge ab und berück‑ sichtigt Informationen, die von Dritten übermittelt wurden (Art. 64 Abs. 3, Abs. 4 lit. b) REACH-VO). Ebenso werden bei der Beschränkung von Stof‑ fen die Äußerungen, Analysen und Informationen durch den Ausschuss für Risikobeurteilung und den Ausschuss für sozioökonomische Analyse be‑ rücksichtigt. Bei der EMAS-III-VO müssen für die Registrierung von Unternehmen im EMAS-System Regeln aufgestellt werden, die die Bemerkungen von interes‑ sierten Kreisen berücksichtigen (Art. 12 Abs. 1 lit. a) EMAS-III-VO). Die Verordnungen aus dem Bereich des Schutzes geografischer Bezeich‑ nungen gestalten die Berücksichtigungspflicht in den Rechtstexten zwar un‑ 62  Siehe 63  Siehe

Ausführungen bei der UVP-II-RL und der IE-RL in B. I. B. I. 1.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

terschiedlich aus, laufen im Endeffekt aber alle darauf hinaus, dass der von Dritten eingereichte Einspruch in den Entscheidungsprozess einbezogen wer‑ den muss. Bei der Qualitätsregelung-VO wird im nationalen Einspruchsver‑ fahren der Einspruch bewertet und entschieden, ob der Antrag an die Kom‑ mission weitergereicht werden soll (Art. 49 Abs. 4 Qualitätsregelung-VO). Auf zweiter Stufe, der unionalen Ebene, werden bei der endgültigen Ent‑ scheidung über die Eintragung die auf europäischer Ebene eingereichten Ein‑ sprüche einbezogen (siehe Art. 52 Qualitätsregelung-VO). Bei der GMO-VO und der Aromawein-VO findet sich bei den nationalen Einspruchsverfahren zwar keine explizite Prüfungsvorgabe für die Mitgliedstaaten; bei den euro‑ päischen Einspruchsverfahren werden die Entscheidungen über die Eintra‑ gung der Bezeichnung aber auf Grundlage der Informationen bzw. der Nach‑ weise, die nach Abschluss des Einspruchsverfahrens vorliegen, getroffen (Art. 99 GMO-VO, Art. 16 Abs. 3, Art. 39 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EG) Nr. 607 / 2009, Art. 16 Aromawein-VO). Eine Berücksichtigung ist aus‑ drücklich bei der Spirituosen-VO in Art. 17 Abs. 8 festgehalten, so dass die Einsprüche, die bei dieser Verordnung nur auf europäischer Ebene einge‑ reicht werden können, beachtet werden müssen. Nicht direkt in den Bestimmungen zur Beteiligung, sondern nur in EWG Nr. 15 wird bei der Kommunikationsrahmen-RL eine Berücksichtigung der Konsultationsergebnisse aus Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL vorausge‑ setzt. Entsprechende Angaben fehlen bei den Rechtsakten aus dem Arzneimittel‑ recht gänzlich. Allerdings enthalten die Rules of procedure Vorgaben für eine Berücksichtigungspflicht. Die Informationen aus der öffentlichen Anhörung müssen diskutiert und die Stellungnahmen bei der Entscheidung berücksich‑ tigt werden. Zudem wird vorgeschrieben, dass am Ende ein Bericht über den Einfluss der Beteiligung auf die Entscheidung abgefasst werden muss. Berücksichtigungspflichten im Atomrecht lassen sich nur indirekt ableiten. Nach Art. 8 Abs. 4 Nukleare-Sicherheit-RL und Art. 10 Abs. 2 EntsorgungRL müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass sich die Öffentlichkeit effektiv beteiligen kann. Eine Beteiligung kann nur dann als effektiv angese‑ hen werden, wenn deren Ergebnisse zumindest berücksichtigt und in die Ent‑ scheidung einbezogen werden. d) Vetofunktion Die vierte Kategorie umfasst solche Sekundärrechtsakte, bei denen der Be‑ teiligung eine Vetofunktion zukommt. Terminologisch handelt es sich bei den Beteiligungsarten um Beschwerden oder Widersprüche. Nur wenn diese nicht erhoben bzw. positiv geklärt wurden, erfolgt eine Entscheidung. Ansonsten



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 221

verhindert die Beteiligung die Entscheidung. Diese Kategorie hat damit die am stärksten ausgeprägte und effektivste Responsivität. Der Widerspruch als vorgelagerte Beteiligungsmöglichkeit findet sich im Markenrecht. Während bei der Marken-RL nicht eindeutig ist, ob dieser zwingend vorgelagert ist, und auch nicht klar ersichtlich wird, ob ihm tat‑ sächlich eine Vetofunktion zukommt, kann beides für den Widerspruch aus der Unionsmarken-VO aufgrund der eindeutigen Bestimmungen bejaht wer‑ den. Die Widerspruchsprüfung teilt sich in eine Zulässigkeitsprüfung und eine Prüfung der materiellen Aspekte (siehe Art. 5 ff. delegierte Verordnung (EU)  2017 / 1430). Bei der Zulässigkeitsprüfung werden die formellen Vor‑ aussetzungen geprüft. Ist eine der formellen Voraussetzungen nicht erfüllt (z. B. fehlende Widerspruchsbegründung oder fehlende Übersetzung der Wi‑ derspruchsschrift), weist die Widerspruchsabteilung des EUIPO den Wider‑ spruch als unzulässig zurück. Ist der Widerspruch zulässig und innerhalb der Cooling-off-Frist erfolgt keine Rücknahme durch den Markenanmelder und den Widersprechenden, werden in einem weiteren Schritt die materiellen Rechte des Widersprechenden geprüft. Weist dieser die Existenz seines Rechts nicht substantiiert nach, wird der Widerspruch als unbegründet abge‑ wiesen. Gelingt ihm der Nachweis, wird die angemeldete Marke nicht einge‑ tragen. Dies geht aus Art. 51 Unionsmarken-VO hervor, welcher bestimmt, dass die Eintragung einer Unionsmarke nur vorgenommen werden kann, wenn die Anmeldung den Vorschriften der Unionsmarken-VO entspricht und innerhalb der Widerspruchsfrist von drei Monaten kein Widerspruch erhoben wurde oder sich ein erhobener Widerspruch durch Zurücknahme, Zurückwei‑ sung oder auf andere Weise endgültig erledigt hat. Beschwerden können nach der EMAS-III-VO bei der Registrierung und der Verlängerung von Registrierungen von Unternehmen im EMAS-System eingereicht werden. Die zuständige Stelle kann nach Art. 13 Abs. 2 EMASIII-VO nur bei Erfüllung kumulativer Bedingungen eine erstmalige Regist‑ rierung von Organisationen vornehmen. Zu diesen Bedingungen zählt u. a. nach lit. d), dass keine Beschwerden von interessierten Kreisen vorliegen bzw. Beschwerden positiv geklärt wurden. Eine entsprechende Regelung fin‑ det sich auch in Art. 14 Abs. 1 lit. e) EMAS-III-VO, wenn die Registrierung verlängert werden soll.

8. Rechtsbehelfe Die letzte Komponente bei der Systematisierung des untersuchten Sekun‑ därrechts sind die in den Rechtsakten normierten Rechtsbehelfe. Wird eine Beteiligung von Dritten nicht oder fehlerhaft durchgeführt, stellt sich die Frage, ob und wie Dritte sich dagegen wehren können. Sowohl gerichtliche

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

als auch außergerichtliche Rechtsbehelfe werden dafür analysiert. Nichtsdes‑ totrotz sind solche Möglichkeiten nur sehr selten innerhalb des untersuchten Sekundärrechts. Das Umweltrecht ist in diesem Bereich herauszuheben. In Art. 11 UVPII‑RL, Art. 25 IE-RL und Art. 23 lit. b) Seveso-III-RL sind explizite Vor‑ schriften für die Möglichkeit von Rechtsbehelfen bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Öffentlichkeitsbeteiligung aus den jeweiligen Richtlinien normiert. Art. 11 UVP-II-RL und Art. 25 IE-RL sind inhaltlich identisch aus‑ gestaltet. Dies resultiert daraus, dass beide Vorschriften bzw. deren Vorgän‑ gervorschriften zur Umsetzung der Åarhus-Konvention durch die ÖffB-RL eingeführt wurden.64 Die Seveso-III-RL sieht in Art. 23 lit. b) eine Verwei‑ sung auf Art. 11 UVP-II-RL vor, so dass ebenfalls keine inhaltlichen Abwei‑ chungen bestehen. Die Richtlinien bestimmen, dass die betroffene Öffent‑ lichkeit die Möglichkeit erhalten muss, „Zugang zu einem Überprüfungsver‑ fahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle [zu] haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entschei‑ dungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestim‑ mungen […] über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.“65 Dabei lassen die Richtlinien den Mitgliedstaaten die Wahl, ob die betroffene Öffentlichkeit entweder ein ausreichendes Interesse vorweisen oder eine Rechtsverletzung geltend machen muss. In jedem Fall muss der weite Zugang zu Gerichten für die betroffene Öffentlichkeit gewahrt bleiben. Bei Umweltverbänden wird ein ausreichendes Interesse sowie die Fähigkeit, Träger von Rechten zu sein und damit eine Rechtsverletzung geltend machen zu können, vorausge‑ setzt (Art. 11 Abs. 3 UVP-II-RL, Art. 25 Abs. 3 IE-RL). Dadurch erhalten die Umweltverbände zwar kein eigenständiges Klagerecht, allerdings wer‑ den sie mittels der Fiktion innerhalb der betroffenen Öffentlichkeit privile‑ giert.66 Diese Privilegierung greift bei allen Vorhaben, die einer Umweltver‑ träglichkeitsprüfung bedürfen, und zwar unabhängig von der Geltendma‑ chung eines ausreichenden Interesses oder einer Rechtsverletzung.67 Die Rechtsbehelfsregelungen sind sowohl bei einer unterbliebenen als auch bei einer fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung einschlägig.68 Grundsätz‑ lich sind mit den Regelungen der Art. 11 UVP-II-RL und Art. 25 IE-RL alle Verfahrensfehler angreifbar, allerdings führt nicht jeder Fehler zu einer Auf‑ 64  Siehe

Art. 3, 4 ÖffB-RL. Abs. 1 UVP-II-RL. 66  Gärditz, NVwZ 2014, 1 (6). 67  Siehe EuGH Rs. C-115/09, Slg. 2011 I-3673, ECLI:EU:C:2011:289, Rn. 45 ff. – Trianel; Besprechung des Urteils von Groß, JURA 2012, 386 ff. 68  EuGH Rs. C-72/12, Slg. ECLI:EU:C:2013:712, Rn. 37 f. – Altrip. 65  Art. 11



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 223

hebung der Entscheidung. Der Gerichtshof hat ein Kausalitätserfordernis zwischen dem Fehler und der Entscheidung prinzipiell gebilligt, aber ein‑ schränkend vorgegeben, dass die Beweislast in keinem Fall dem Rechtsbe‑ helfsführer aufgebürdet werden darf.69 Schwerwiegende Verstöße bei der Öffentlichkeitsbeteiligung stellen in jedem Fall einen entscheidungserhebli‑ chen Fehler dar.70 Eine materielle Präklusion hält der Gerichtshof aber für unvereinbar mit der UVP-II-RL und der IE-RL; missbräuchliches und un‑ redliches Verhalten kann dennoch vom Mitgliedstaat für unzulässig erklärt werden.71 Im Markenrecht finden sich sowohl außergerichtliche als auch gerichtliche Rechtsbehelfe. Bei der Unionsmarken-VO ist neben der Einbringung von Bemerkungen auch die Einreichung eines Widerspruchs möglich. Die Ent‑ scheidungen über den Widerspruch können mit einer Beschwerde nach Art. 66 Unionsmarken-VO angefochten werden. Nach Art. 67 Unionsmar‑ ken-VO können alle am (Widerspruchs‑)Verfahren Beteiligten, die durch die Entscheidung beschwert sind, Beschwerde einlegen. Diese muss innerhalb von zwei Monaten nach der (Widerspruchs‑)Entscheidung schriftlich beim EUIPO eingereicht und die Beschwerdegebühr entrichtet werden. Zudem ist die Beschwerde in der Verfahrenssprache des Ausgangsverfahrens, d. h. des Widerspruchsverfahrens, zu fassen und spätestens innerhalb von vier Mona‑ ten nach der Entscheidung schriftlich zu begründen (Art. 68 Abs. 1 Unions‑ marken-VO). Zulässig ist eine Beschwerde nur gegen eine endgültige oder gegen eine nicht verfahrensabschließende Entscheidung, wenn diese zusam‑ men mit der Endentscheidung angefochten wird. Eine gesonderte Anfechtung der vorläufigen Entscheidung kann aber zugelassen werden (Art. 66 Abs. 2 Unionsmarken-VO). Die Mitteilung über die Zulässigkeit des Widerspruchs vom EUIPO ist bereits eine endgültige Entscheidung, die mit einer Be‑ schwerde angefochten werden kann.72 Für die Prüfung der Beschwerde ist die Beschwerdekammer des EUIPO zuständig (siehe Art. 70 UnionsmarkenVO). Deren Entscheidungen können nach Art. 72 Unionsmarken-VO wiede‑ rum beim Gericht angefochten werden.73 Gegen Entscheidungen des Gerichts kann nochmals Klage vor dem Gerichtshof erhoben werden.74 Zusätzlich zur Beschwerde- und Klagemöglichkeit besteht bei der Unionsmarken-VO auch Rs. C-137/14, ECLI:EU:C:2015:683, Rn. 57, 62 – KOM/Deutschland. in: Gross, Public Participation in Infrastruc‑ ture Planning, 363 (367); Bunge, NuR 2014, 305 (309); Schlacke, NVwZ 2014, 11 (14), die beide auf eine unterbliebene Öffentlichkeitsbeteiligung abstellen. 71  EuGH Rs. C-137/14, ECLI:EU:C:2015:683, Rn. 75 ff. – KOM/Deutschland. 72  EuGH Rs. C-402/11 P, ECLI:EU:C:2012:649, Rn. 53 – REDTUBE. 73  Ausführlich zu Art. 72 Unionsmarken-VO von Bomhard, in: Kur/von Bomhard/ Albrecht, Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht, UMV, Art. 65. 74  Siehe Preglau/Neuffer, MarkenR 1999, 41 (42). 69  EuGH

70  Behre/Gross/Mannefeld/Mindach,

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

noch die Option eines Mediationsverfahrens. Letzteres kann in jedem Sta‑ dium des Beschwerdeverfahrens vorgenommen werden, um eine gütliche Einigung zu erzielen.75 Der Mediationsbeschluss des Präsidiums der Be‑ schwerdekammer gibt gewisse Vorgaben für den Ablauf der Mediation und die Mediatoren.76 Zudem wurde durch die Änderungsverordnung (EU)  2015 / 2424 in Art. 170 Unionsmarken-VO die Möglichkeit zur Errich‑ tung eines Mediationszentrums geschaffen. Innerhalb der Gas-VO ist zwar ein Rechtsbehelf nicht explizit normiert, allerdings besteht nach den Guidelines on Stakeholder Interaction during Network Code Development Process des ENTSO (Gas) die Möglichkeit für ein Beschwerdeverfahren.77 Dieses ermöglicht den Interessenvertretern (stakeholders), sich im Rahmen der informellen Beteiligung in der Ausarbei‑ tungsphase an den Subject Manager oder General Manager des ENTSO (Gas), welcher für das laufende Management des ENTSO (Gas) verantwort‑ lich ist, zu wenden und Beschwerden vorzubringen. Der General Manager setzt sich mit den vom Interessenvertreter vorgebrachten Aspekten auseinan‑ der und gibt eine Empfehlung an den jeweiligen Vorsitzenden der Konsulta‑ tionstreffen (Stakeholders Joint Working Sessions) und den Interessenvertre‑ ter, der die Beschwerde eingelegt hat. Bei den übrigen Sekundärrechtsakten finden sich keine Rechtsbehelfe, die in Bezug auf die Beteiligung geltend gemacht werden können. Allerdings kann jeweils die Überlegung angestellt werden, ob eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV oder ein nationales Verfahren einschlägig sein kann. Bezüglich der Nichtigkeitsklage würde für die Dritten die Möglichkeit einer Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV in Frage kommen, wenn die Entscheidung von einem EU-Organ erlassen wurde und entweder die Dritten unmittelbar und individuell betrifft oder einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter dar‑ stellt, der Dritte unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Eine solche Nichtigkeitsklage kann beispielsweise bei der Beteiligung nach Art. 18 Abs. 4 Fusionskontroll-VO von den Konkurrenten des angemeldeten Zusammenschlusses erhoben werden. Dabei kann zwar nicht die Entscheidung über einen Antrag nach Art. 18 Abs. 4 Fusionskont‑ roll-VO oder die des Anhörungsbeauftragten angegriffen werden, aber die endgültige Entscheidung der Kommission, bei welcher die Verfahrensrechte

75  Art. 1 Abs. 1 Beschluss Nr. 2013-3 des Präsidiums der Beschwerdekammern vom 05.07.2013 über die gütliche Beilegung von Streitfällen („Mediationsbeschluss“). 76  Beschluss Nr. 2013-3 des Präsidiums der Beschwerdekammern vom 05.07.2013 über die gütliche Beilegung von Streitfällen („Mediationsbeschluss“). 77  ENTSO (Gas), ENTSOG Guidelines on Stakeholder Interaction during Net‑ work Code Development Process, DOC007-11 vom 03.02.2011, S. 6.



I. Komponenten der Beteiligung von Dritten 225

inzident geprüft werden.78 Das Gericht hat die unmittelbare und individuelle Betroffenheit bei einer unterlassenen Anhörung nach Art. 18 Abs. 4 Fusions‑ kontroll-VO angenommen, da die Überprüfung der Verfahrensgarantie an‑ sonsten nicht geltend gemacht werden kann.79 Auch die Eintragung von geo‑ grafischen Schutzbezeichnungen kann mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden. Die geografischen Bezeichnungen werden mittels eines Durchfüh‑ rungsrechtsaktes von der Kommission bzw. mittels einer Änderung des An‑ hangs III bei der Spirituosen-VO eingetragen. Diese Maßnahmen stellen Rechtsakte mit Verordnungscharakter dar, betreffen diejenigen, die einen Einspruch erhoben haben, auch unmittelbar und ziehen keine Durchführungs‑ maßnahme nach sich.80 Die Geltendmachung der Beteiligungsverfahren vor nationalen Gerichten erscheint ebenfalls möglich. Bei der Kommunikationsrahmen-RL sieht Art. 4 vor, dass gegen Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden ein wirksamer Rechtsbehelf vor einer unabhängigen Beschwerdestelle bestehen muss. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang anerkannt, dass die Beteili‑ gungsrechte nach Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ebenfalls mit einem solchen Rechtsbehelf geltend gemacht werden können.81 Auch wird auf deutscher Ebene angenommen, dass das Anhörungsverfahren nach der Frei‑ setzungsRL, umgesetzt in § 18 GenTG, drittschützenden Charakter hat82 und insoweit eingeklagt werden kann, wenn die Verletzung dieser Verfah‑ rensvorschrift beachtlich ist, die unterbliebene Anhörung sich also auf die Entscheidung ausgewirkt hätte.83 Ebenfalls angreifbar sind in Deutschland die Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamtes in Bezug auf die Einsprüche bei der Eintragung von g. U. und g. g. A. mittels einer Be‑ schwerde beim Bundespatentgericht und einer Rechtsbeschwerde beim Bun‑ desgerichtshof nach § 133 MarkenG.84

78  Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 Teil  2, FKVO, Art. 16 Rn. 35; Heidenreich, Anhörungsrechte im EG-Kartell- und Fusionskontroll‑ verfahren, S. 255 ff.; Motyka, EuZW 2007, 463 (464). 79  EuG Rs. T-224/10, Slg. 2011 II-7177, ECLI:EU:T:2011:588, Rn. 29, 36 f. – testachats. 80  Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck/Knoll/Kober-Dehm, Markengesetz, § 130 Rn. 121; Lange, in: Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rn. 5614. 81  EuG Rs. T-109/06, Slg. 2007 II-5151, ECLI:EU:T:2007:384, Rn. 116 ff. – Voda­ fone. 82  Siehe z. B. OVG Berlin, NVwZ 1999, 96 (99). 83  Beaucamp, NuR 2002, 332 (333). 84  Ausführlich dazu Hacker, in: Ströbele/Hacker/Kirschneck/Knoll/Kober-Dehm, Markengesetz, § 133 Rn. 1 ff.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

II. Stufensystem Nachdem die Komponenten der untersuchten Sekundärrechtsakte heraus‑ gestellt und kategorisiert wurden, lässt sich als Ergebnis der Systematisie‑ rung ein Stufensystem der Beteiligung bilden. Dabei werden die verschiede‑ nen Komponenten miteinander kombiniert, wobei für ein sinnvolles Stufen‑ system nicht alle Komponenten in gleicher Gewichtung bzw. überhaupt ein‑ bezogen werden können. Ziel des Stufensystems ist, die Beteiligung von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe anhand der Einflussnahme zu systematisieren. Auf niedrigster Stufe stehen solche Beteiligungsformen, die geringen Einfluss auf die end‑ gültige Entscheidung haben. Das System erstreckt sich bis hin zur letzten Stufe mit dem größtmöglichen Einfluss. Dabei wird der Einfluss an den rechtlichen Voraussetzungen, die die Sekundärrechtsakte vorgeben, gemessen und nicht anhand einer tatsächlichen Einflussnahme. Die Feststellung der tatsächlichen Einflussnahme im Sinne von belegbaren Zahlen und Statistiken kann für diese rechtsbereichsübergreifende Untersuchung nicht geleistet wer‑ den. Zudem ist die Untersuchung der rechtlichen Ausgestaltung der Beteili‑ gung insoweit vorzugswürdiger, als daran erkennbar wird, wie sehr vom eu‑ ropäischen Gesetzgeber intendiert ist, Dritte einzubeziehen; hieran anknüp‑ fend können in einem nächsten Schritt die Beteiligungsvorschriften optimiert werden.85 Hauptanknüpfungspunkt für das Stufensystem ist die Komponente der Re‑ sponsivität. Dieser Anknüpfungspunkt wurde bereits von Arnstein 1969 her‑ angezogen.86 Arnstein schuf das Modell einer Beteiligungsleiter mit acht Stufen, welche aufsteigend den Umfang der bürgerlichen Einflussnahme bzw. Macht abbildet.87 Ebenso kategorisierte Schmitt Glaeser die Formen der Partizipation bei Verwaltungsentscheidungen anhand der Intensität der Betei‑ ligung.88 Auch in der Fachplanung wurden diese von Arnstein und Schmitt Glaeser geschaffenen Systematisierungsformen übernommen.89 Allerdings legen die Autoren bestimmte Beteiligungsarten als verbindliche Begrifflich‑ keit für die verschiedenen Stufen fest, so dass z. B. die Anhörung stets unter‑ halb der Erörterung und die Mitentscheidung als stärkste Beteiligungsform 85  Siehe

D. IV. Arnstein, JAPA 35 (1969), 216 ff. 87  Arnstein, JAPA 35 (1969), 216 (217). 88  Schmitt Glaeser, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 (183). 89  Siehe Hammerschmidt, Beteiligungsrechte und Rechtsschutz in der städtebau­ lichen Planung, S. 10; Schneider, Verwaltungskoordinierung im Rahmen der Fluss­ gebietsbewirtschaftung, S. 42 ff.; Wickrath, Bürgerbeteiligung im Recht der Raumord‑ nung und Landesplanung, S. 20; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 83. 86  Siehe



II. Stufensystem227

stets oberhalb steht. Zwischen diesen Einteilungen werden Beratungen, Ein‑ wendungen oder Stellungnahmen verortet.90 Allerdings kann bei der Breite des Untersuchungsgegenstandes, welcher nicht auf ein Rechtsgebiet festge‑ legt ist, eine solch starre Begriffsbestimmung der Stufen nicht erfolgen. Es müssen vielmehr Oberbegriffe gefunden werden, die losgelöst von einer be‑ stimmten Beteiligungsart, wie der Anhörung, Stellungnahme oder Erörte‑ rung, sind. Zusätzlich zur Responsivität werden noch weitere Komponenten für das Stufensystem herangezogen. Entscheidend für die Bildung der Stufen ist ne‑ ben der Responsivität die Ausgestaltung der Beteiligungsdurchführung. Die Differenzierung zwischen fakultativer und obligatorischer Beteiligung findet sich als maßgebender Faktor im Stufensystem wieder, wobei der obligatori‑ schen Beteiligung ein größerer Einfluss zugeschrieben wird. Zudem wird den Dritten eine gesteigerte Einflussnahme zugeschrieben, wenn diese nicht nur zu reinen Informationszwecken beteiligt werden und dadurch zur Tatsachen- und Sachverhaltsaufklärung beitragen, sondern wenn sie auch eigene Wertungen äußern und dadurch die Entscheidung durch ihrer Meinungen und Standpunkte steuern können. Auch der Zeitpunkt der Beteiligung gibt Aufschluss über die Einfluss‑ nahme. In einem möglichst frühen Verfahrensstadium kann eine Beteiligung in einem höheren Maß die zukünftige Entscheidung beeinflussen als eine Beteiligung gegen Ende des Verfahrens. Ist bereits eine vorläufige (End‑) Entscheidung getroffen worden, können Dritte nur noch ihre Meinung offen‑ legen, eine Mitgestaltung ist aber nur sehr eingeschränkt möglich. Dennoch kann es auch sinnvoll sein, für die Beteiligung zumindest ein gewisses fort‑ geschrittenes Entscheidungsstadium erreicht zu haben, damit die Auswirkun‑ gen der Entscheidung auf Dritte überhaupt schon absehbar sind. Anknüp‑ fungspunkt ist letztendlich eine Optionenoffenheit91, d. h. eine Beteiligung ist in dem Verfahrensstadium am sinnvollsten, in dem noch alle Optionen offen sind.92 Darüber hinaus ist für die Dritten die Einbeziehung in die Verwaltungsent‑ scheidung transparenter, wenn aus dem Sekundärrechtsakt selbst entnommen werden kann, wer beteiligt wird und unter welchen Voraussetzungen dies geschieht. Damit wird zum einen für die Dritten deutlicher, welche Rechte und Möglichkeiten ihnen zustehen, zum anderen werden den Beteiligungs‑ verpflichteten Vorgaben auferlegt, die sie einhalten müssen und nicht umge‑ 90  Siehe die Modelle von Wickrath, Bürgerbeteiligung im Recht der Raumord‑ nung und Landesplanung, S. 20 ff.; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 83. 91  Begriff nach Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 80 f. 92  Vgl. Schink, DVBl 2011, 1377 (1383 f.); Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (588).

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

hen können. Durch Transparenz bei der Auswahl der Adressaten wird letzt‑ lich eine effektive „Oberaufsicht des Publikums“93 gewährleistet,94 was zum Ausbau der Demokratie beiträgt.95 In Verbindung mit der Konkretisierung und der Responsivität steht das Vorliegen eines Beteiligungsinteresses. Aus den untersuchten Sekundär‑ rechtsakten wird erkennbar, dass häufig die Einflussnahme von Dritten mit Beteiligungsinteresse steigt: Bei vielen Beteiligungsbestimmungen, die ein besonders Interesse für die Beteiligung aufgenommen haben, ist die Ein‑ flussnahme der Dritten, z. B. wegen einer ausdrücklichen Berücksichtigungs‑ pflicht, größer als bei Beteiligungsvorschriften, die ein solches Beteiligungs‑ interesse nicht fordern. Wird ein Beteiligungsinteresse gefordert und erhalten die Dritten durch ihre Beteiligung normierten Einfluss auf die Entscheidung, ist der Adressatenkreis vorwiegend durch den Sekundärrechtsakt konkreti‑ siert. Auch wenn diese Ergebnisse nicht auf alle Beteiligungsnormen zutref‑ fen, finden sie dennoch Eingang in das Stufensystem und werden in den Bereichen eingebaut, in denen die Auswirkungen des Beteiligungsinteresses sinnvoll zum Tragen kommen. Von Bedeutung ist dies bei den Beteiligun‑ gen, die hinsichtlich der Responsivität identische Vorgaben schaffen. Grund‑ sätzlich ist bei Beteiligungsvorschriften, die die Responsivität identisch aus‑ gestalten, davon auszugehen, dass einem Adressatenkreis, der kein zusätzli‑ ches Beteiligungsinteresse aufweisen muss, im Verhältnis zu einem Adressa‑ tenkreis, der ein solches Interesse nachweisen muss, die Einflussnahme erleichtert wird: Es erfolgt keine Einschränkung des Adressatenkreises, da diesem nicht auferlegt wird, ein besonderes Interesse für die Beteiligung aufzuweisen. Auch die Möglichkeit, nachträglich gerichtliche oder außergerichtliche Rechtsbehelfe einlegen zu können, führt dazu, dass die Durchsetzung der Beteiligung effektuiert und von vornherein korrekt ausgeführt wird. Unter Berücksichtigung dieser Komponenten können vier Hauptstufen ge‑ bildet werden. Diese Hauptstufen weisen weitere Unterstufen auf, so dass innerhalb einer Stufe noch weitere aufsteigende Einflussmöglichkeiten der Dritten bestehen.

93  Bentham, Tactik oder Theorie des Geschäftsganges der deliberierenden Volks‑ ständeversammlungen, S. 11. 94  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 23; vgl. auch Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 21. 95  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 23.



II. Stufensystem229

1. Hauptstufe 1: Fakultative Beteiligung Die erste Hauptstufe ist zugleich die Stufe mit der geringsten Einfluss‑ nahme auf die Entscheidung. Den Beteiligungsformen dieser Stufe ist ge‑ mein, dass die Beteiligung fakultativ ist, d. h. im Ermessen des jeweiligen Beteiligungsverpflichteten steht. Da die Beteiligung nur durchgeführt wird, wenn der Verpflichtete es für erforderlich hält, ist die Einflussnahme von vornherein eingeschränkt. Die Dritten haben es schon nicht in der Hand, ob sie die Entscheidungen überhaupt in irgendeiner Weise mitbestimmen kön‑ nen. Das Vorliegen eines Beteiligungsinteresses auf dieser Hauptstufe wird in sieben Sekundärrechtsakten gefordert, wobei aber keiner dieser Rechtsakte eine normierte Konkretisierung aufweist.96 Daher werden auf der Stufe der fakultativen Beteiligung Unterstufen gebildet, welche nicht anhand der Ad‑ ressatenkomponenten, sondern an die Beteiligungsart und das Umsetzungser‑ messen des nationalen Gesetzgebers anknüpfen. Aus diesen beiden Kompo‑ nenten ergeben sich auf der ersten Hauptstufe drei Unterstufen, die verschie‑ dene Einflussnahmemöglichkeiten aufweisen. a) Unterstufe 1 a): Beteiligung zu reinen Informationszwecken Die erste Unterstufe umfasst solche Beteiligungen, die zu reinen Informa‑ tionszwecken abgehalten werden. Damit steht die Beteiligung nicht nur im Ermessen der Verpflichteten, sondern es sollen zudem lediglich weitere In‑ formationen eingeholten werden, ohne die subjektiven Standpunkte der Drit‑ ten mit in die Entscheidung einfließen zu lassen. Damit können die Dritten zwar, wenn die Beteiligung durchgeführt werden soll, durch die Informatio‑ nen die Entscheidung sachlich beeinflussen, es ist aber rechtlich nicht ge‑ wollt, dass die Entscheidung von Meinungen gestützt wird. Eine Akzeptanz der Entscheidung wird durch die Beteiligung gar nicht oder nur nachrangig verfolgt. Dieser Stufe lässt sich die Beteiligung nach Art. 11 Abs. 7 FusionskontrollVO zuordnen. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission alle natürli‑ chen und juristischen Personen zum Zweck der Informationseinholung befra‑ gen. Weiter wird konkretisiert, dass diese Befragung telefonisch oder mit anderen elektronischen Mitteln erfolgen kann und die Kommission die Rechtsgrundlage und den Zweck bei der Befragung angeben muss. Auch wenn die Generaldirektion Wettbewerb diese Beteiligung als die primäre Mitwirkungsmöglichkeit für die Dritten im Bereich der Fusionskontrolle an‑ 96  Siehe Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO, Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Strom-RL bzw. Gas-RL Art. 17 GEREK-VO, Art. 8 Abs. 2 Health-Claims-VO und Art. 64 Abs. 3 REACH-VO.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

erkennt, ist die rechtliche Ausgestaltung vom europäischen Gesetzgeber nur schwach vorgenommen worden. Neben Art. 11 Abs. 7 Fusionskontroll-VO findet sich in Art. 18 Abs. 4 S. 1 Fusionskontroll-VO eine weitere fakultative Einbeziehung, die auf Informationseinholung abzielt. Diese Beteiligung ist im Hauptverfahren der Fusionskontrolle verortet, bevor die Zusammen‑ schlussentscheidung getroffen wird. Der Abs. 4 von Art. 18 FusionskontrollVO unterscheidet zwischen zwei Beteiligungsadressaten: den obligatorisch anzuhörenden Dritten mit einem hinreichenden Interesse nach S. 2 und den fakultativ anzuhörenden Dritten ohne hinreichendes Interesses nach S. 1. Letztere kann die Kommission oder die zuständige nationale Behörde anhö‑ ren, wenn sie es für erforderlich halten. Diese Anhörung dient – im Gegen‑ satz zur Konsultation der Dritten aus Art. 18 Abs. 4 S. 2 FusionskontrollVO – nur der Informationseinholung. Ebenfalls lässt sich eine Beteiligung aus der REACH-VO unter diese Un‑ terstufe fassen. Bei der Zulassung von Chemikalien kann nach Art. 64 Abs. 3 REACH-VO der Ausschuss für sozioökonomische Analysen, wenn er es für erforderlich hält, Dritte auffordern, innerhalb einer bestimmten Frist zusätzli‑ che Informationen über mögliche Alternativstoffe oder Alternativtechnolo‑ gien zu übermitteln. Die Health-Claim-VO sieht in Art. 8 Abs. 2 vor, dass bei der Änderung der Liste mit nährwertbezogenen Angaben die Kommission gegebenenfalls Inte‑ ressengruppen, insbesondere Lebensmittelunternehmer und Verbraucherver‑ bände, einbezieht, um die Wahrnehmung und das Verständnis der betreffen‑ den Angaben bewerten zu können. Der Zweck der Beteiligung zielt vorder‑ gründig auf eine Informationseinholung ab, um die nährwertbezogene An‑ gabe, welche in die Liste aufgenommen werden soll, richtig beurteilen zu können. Schließlich wird auch die Beteiligung im Arzneimittelrecht bei der Phar‑ makovigilanz auf dieser Stufe eingeordnet. Bei dieser Nachmarktkontrolle kann der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz, zu‑ gehörig zur EMA, „öffentliche Anhörungen durchführen, wenn er es, beson‑ ders wegen des Ausmaßes und der Schwere der Sicherheitsbedenken, für gerechtfertigt hält“97. Risiken und Nebenwirkungen sollen nach der zentralen Zulassung eines Arzneimittels auf europäischer Ebene durch die Anhörung eingeholt werden. Diese öffentliche Anhörung dient der Informationseinho‑ lung und weniger der Akzeptanzsteigerung. Dennoch ist das Verfahren für die Anhörung in den Rules of procedure on the organisation and conduct of public hearings at the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee 97  Art. 107j Abs. 2 Humanarzneimittel-RL i. V. m. Art. 20 Abs. 8  S. 2 Arzneimit‑ tel-VO.



II. Stufensystem231

(PRAC), die die EMA herausgegeben hat, ausführlich ausgestaltet worden, so dass zumindest Transparenz bezüglich des Verfahrens für die Dritten besteht. Dadurch hebt sich das Arzneimittelrecht von den übrigen Sekundärrechtsak‑ ten auf dieser Unterstufe ab, welche keine Konkretisierung der Beteiligung vorsehen. b) Unterstufe 1 b): Einflussnahmemöglichkeit für Dritte Auf der zweiten Unterstufe finden sich solche Beteiligungen, die nicht bloß zu Informationszwecken durchgeführt werden, sondern entweder allge‑ mein von Konsultationen bzw. Anhörungen sprechen oder ausdrücklich die Einholung einer Wertung bezwecken. Angeknüpft wird also an die Beteili‑ gungsarten. Während Beteiligungen zu Informationszwecken nur geringe Mitgestaltungsmöglichkeiten aufweisen, wird mit den Beteiligungsarten, die mehr als reine Informationszwecke verfolgen – d. h. allgemeine Formulierun‑ gen enthalten oder auf die Einholung von Wertungen abzielen – verdeutlich, dass der europäische Gesetzgeber eine gewisse Einflussnahme durch die Dritten beabsichtigt, auch wenn die Beteiligung grundsätzlich im Ermessen steht. Beim Erlass von marktregulatorischen Verpflichtungen wird zunächst ein Konsultationsverfahren durchgeführt, das obligatorische Beteiligungen vor‑ sieht. Im Anschluss findet ein Konsolidierungsverfahren statt, bei dem das GEREK eine Stellungnahme abgeben kann. Dem GEREK ist es nach Art. 17 GEREK-VO überlassen, ob es vor Abgabe dieser Stellungnahme interessierte Kreise konsultiert. Entscheidet sich das GEREK für eine Konsultation, muss den interessierten Kreisen Gelegenheit zum Vorbringen von Bemerkungen innerhalb einer angemessenen Frist gegeben werden. In der Strom-RL und der Gas-RL findet sich bei der Zertifizierung von Drittlandunternehmen ebenfalls eine fakultative Beteiligung. Die nationalen Regulierungsbehörden fassen bereits einen Entscheidungsentwurf bezüglich der Zertifizierung, der an die Kommission zur Stellungnahme weitergereicht wird. Die Kommission kann bei der Stellungnahme Standpunkte interessier‑ ter Kreise einholen (Art. 11 Abs. 6 UAbs. 2 Strom-RL bzw. Gas-RL). Ge‑ schieht dies, verlängert sich die Frist für die Stellungnahme der Kommission. Die fakultativen Entscheidungen nach der GEREK-VO und der Strom-RL bzw. der Gas-RL finden alle in einem fortgeschrittenen Stadium der Ent‑ scheidung statt. Bei allen Verfahren sind bereits Teile des Entscheidungspro‑ zesses abgelaufen und die Entscheidung ist schon zu einem gewissen Grad vorbestimmt. Bei der Zertifizierung von Drittlandunternehmen nach der Strom-RL bzw. der Gas-RL besteht bereits ein Entscheidungsentwurf, zu welchem die Kommission Stellung nehmen kann. Nur zu dieser Stellung‑

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

nahme können die Standpunkte von Dritten eingeholt werden, so dass der Einfluss auf die Entscheidung nur mittelbar und daher sehr gering ausgestal‑ tet ist. Eine ähnliche Konstellation findet sich bei Art. 17 GEREK-VO. Beim Erlass marktregulatorischer Verpflichtungen hat bereits ein verpflichtendes Konsultationsverfahren stattgefunden, bevor das GEREK zu der geplanten Verpflichtung eine Stellungnahme abgeben kann. Dritte konnten also bereits im Vorfeld Einfluss nehmen. Die Konsultation des GEREK zu dessen Stel‑ lungnahme ist somit nur nachrangig und kann lediglich mittelbar die Ent‑ scheidung beeinflussen. Allerdings muss das GEREK zumindest nachträglich noch angeben, wie die Beteiligung bei der Stellungnahme berücksichtigt wurde, ohne dass allerdings eine Berücksichtigungspflicht besteht. Auf einen früheren Zeitpunkt stellt hingegen das Naturschutzrecht ab. Die FFH-RL schreibt eine fakultative Öffentlichkeitsbeteiligung bei der FFH-Ver‑ träglichkeitsprüfung vor. Nach Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL kann die Behörde gegebenenfalls die Öffentlichkeit zu dem geplanten Projekt anhören. Es liegt somit in ihrem Ermessen.98 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist die erste von insgesamt drei Stufen bei der Prüfung eines Projektes, so dass die Beteiligung, wenn sie durchgeführt wird, zu einem frühen Zeitpunkt stattfindet und direkt auf die Entscheidung gerichtet ist. Die Einflussnahme kann höher eingestuft werden als bei der GEREK-VO und der Strom-RL bzw. der Gas-RL. Vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten weisen die Strom-VO bzw. die Gas-VO beim Erlass von Netzkodizes auf. Einige Beteiligungen sind verpflichtend, andere aber auch nur fakultativ. Be‑ reits in der Ausarbeitungsphase finden sich nicht geregelte informelle Kon‑ sultationen von dem ENTSO (Strom) bzw. dem ENTSO (Gas), die einen fakultativen Charakter aufweisen. Ob diese bei der Strom-VO in Form von Diskussionen und Workshops durchgeführt werden, hängt von dem jeweili‑ gen Netzkodex ab.99 Bei informellen Konsultationen des ENTSO (Gas) müs‑ sen bestimmte Anforderungen erfüllt werden, die in den Guidelines on Stakeholder Interaction during Network Code Development Process des ENTSO (Gas) festgelegt sind. Außerdem besteht die Besonderheit, dass ein Be‑ schwerdeverfahren durchgeführt werden kann. Durch das Beschwerdeverfah‑ ren wird trotz des informellen Charakters dieser Beteiligung eine Einfluss‑ nahme gesteigert. Durch die Möglichkeit, Beschwerden einzureichen, wird der ENTSO (Gas) schon bei der Durchführung der Beteiligung dazu angehal‑ ten, diese korrekt abzuhalten. Die Beschwerde hat damit bereits einen Vor‑ wirkungseffekt. Die informellen Konsultationen des ENTSO (Gas) sind als Kernelement für die Beteiligung von interessierten Akteuren von dem 98  Zur a.  A., wonach auch dem nationalen Gesetzgeber ein Ermessensspielraum zukommt, siehe B. I. 5. 99  Vgl. ENTSO (Strom), ENTSO-E Consultation Process vom 28.06.2011, S. 4.



II. Stufensystem233

ENTSO (Gas) anerkannt,100 was zwar einen obligatorischen Charakter der Beteiligung nahe legen könnte. Allerdings sind diese Konsultationen nicht in der Gas-VO normiert, so dass weiterhin von einer fakultativen und nicht von einer obligatorischen Beteiligung ausgegangen werden muss. Fakultativ sind auch die Konsultationen in der Kontrollphase ausgestaltet. Nach Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO kann die ACER nach Vorlage des Netzkodex eine förmliche Konsultation durchführen. Ebenfalls im Er‑ messen der ACER steht die Konsultation beim Erlass von Agenturkodizes nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO. Die fakultativen Beteiligungen aus Art. 6 Abs. 7, 10 Strom-VO bzw. Gas-VO geben allerdings keinen Auf‑ schluss darüber, welche Beteiligungsart vorliegt. Es wird lediglich auf eine Konsultation abgestellt. Auch ist der Einfluss bei Art. 6 Abs. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO wohl geringer einzustufen als bei der informellen Konsulta‑ tion, da der Netzkodex an sich schon verfasst wurde. Erst nachdem der Netz‑ kodex feststeht, findet die fakultative Beteiligung statt. Anders beurteilt sich die Beteiligung nach Art. 6 Abs. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO. Grund für den Erlass von Agenturkodizes ist, dass der ENTSO (Strom) bzw. ENTSO (Gas) keinen Netzkodex erlassen konnte. Die ACER tritt somit an dessen Stelle und verfasst einen Kodex. Bei der Ausarbeitung des Entwurfs kann die ACER eine Beteiligung durchführen. Wenn die Dritten beteiligt werden, ist deren Einflussnahme daher gesteigert, da der endgültige Netzkodex noch nicht feststeht, sondern in der Ausarbeitungsphase noch Einfluss ausgeübt werden kann. Dies ähnelt der Beteiligung bei der informellen Konsultation. Kein expliziter Zeitpunkt der Beteiligung lässt sich im Tierschutzrecht ausmachen. Bei der Projektbeurteilung von Tierversuchen können nach Art. 38 Abs. 4 Tierversuch-RL Stellungnahmen unabhängiger Dritter einbe‑ zogen werden. Dabei kann aus der Vorschrift geschlossen werden, dass, wenn die Dritten einbezogen werden, die Stellungnahmen sinnvollerweise auch berücksichtigt werden. Anderenfalls wäre eine Einbeziehung überflüs‑ sig. Eine solche Berücksichtigung findet in der Praxis auch statt. Dennoch besteht keine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht im Text des Sekundär‑ rechtsaktes. Die Einflussnahme bleibt daher eher gering. c) Unterstufe 1 c): Option einer obligatorischen Beteiligung Auf der dritten Unterstufe werden zwei Sekundärrechtsakte verortet, die in dem jeweiligen Normentext zwar eine fakultative Beteiligung vorsehen, al‑ lerdings nicht der entscheidenden Stelle, sondern dem nationalen Gesetzge‑ 100  ENTSO (Gas), ENTSOG Guidelines on Stakeholder Interaction during Net‑ work Code Development Process, DOC007-11 vom 03.02.2011, S. 3.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

ber Ermessen einräumen. Diesem ist es überlassen, ob eine Regelung zur Beteiligung im nationalen Recht erlassen wird oder nicht. Wurde eine solche Regelung verabschiedet, kann diese für die entscheidende Stelle mit oder ohne Ermessen ausgestaltet werden. In letzterem Fall läge keine fakultative Beteiligung mehr vor, sondern eine obligatorische. Die in dem Sekundär‑ rechtsakt niedergelegte fakultative Beteiligung würde sich durch den Erlass von nationalen Beteiligungsvorschriften in eine obligatorische Beteiligung umwandeln. Liegt eine solche Umwandlung vor, kommt den Dritten der größte Einfluss innerhalb dieser Hauptstufe zu. Wegen der Umwandlung be‑ steht aber auch schon eine Überschneidung mit den nächsten Hauptstufen, unter welche obligatorische Beteiligungen gefasst werden. Dennoch erfolgt eine Zuordnung zur ersten Hauptstufe, da die rechtliche Anknüpfung im Se‑ kundärrechtsakt und nicht im umgesetzten nationalen Recht liegt. Die Um‑ wandlung ist schließlich nur eine Option für den nationalen Gesetzgeber und kann mit oder ohne Ermessen für die Behörde ausgestaltet werden. Zu dieser Unterstufe zählt zum einen das Gentechnikrecht, allerdings nur der Bereich der geschlossenen Systeme nach der System-RL. Die Öffentlich‑ keit kann bei Anwendung von GVM im geschlossenen System angehört wer‑ den (Art. 12 System-RL). Das Ermessen ist dem Mitgliedstaat eingeräumt worden. Wenn dieser es für angebracht hält, kann er die Anhörung zu be‑ stimmten Aspekten vorschreiben. Schreibt der nationale Gesetzgeber die An‑ hörung vor, hat die jeweilige nationale Stelle kein Ermessen mehr bezüglich der Beteiligung, sondern muss diese durchführen. Ebenfalls im Ermessen der Mitgliedstaaten stehen die Bemerkungen Drit‑ ter nach der Marken-RL. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 40 Abs. 1 Marken-RL vorsehen, dass schriftliche Bemerkungen in Bezug auf die bean‑ tragte Marke eingereicht werden können, mit denen absolute Eintragungshin‑ dernisse geltend gemacht werden können. Wird eine entsprechende Regelung für die Bemerkungen erlassen, können die Dritten unabhängig von einem Ermessen der nationalen Behörde Bemerkungen einreichen.

2. Hauptstufe 2: Obligatorische Beteiligung ohne Berücksichtigungspflicht Auf der zweiten Hauptstufen sind solche Beteiligungen verortet, die obli‑ gatorisch durchgeführt werden müssen, aber keine Angaben über die Res‑ ponsivität vorweisen. Ob die Ergebnisse berücksichtigt werden oder nicht, lässt sich aus den jeweiligen Sekundärrechtsakten nicht entnehmen. Daher ist für die Dritten zwar im Verhältnis zur Hauptstufe 1 die Einflussnahme ge‑ steigert, da eine Beteiligung nicht mehr im Ermessen steht, dennoch ist durch eine fehlende Berücksichtigungspflicht nicht zwingend vom europäischen



II. Stufensystem235

Gesetzgeber vorgeschrieben, dass die Beteiligung auch in die Entscheidung mit einfließen muss. Diese Hauptstufe lässt sich in zwei Unterstufen unterteilen. Dabei wird an den Adressatenkreis angeknüpft. Die Unterscheidung hinsichtlich Dritter mit und ohne Beteiligungsinteresse kommt dabei zum Tragen. Das Verhältnis von Vorschriften, die ein besonderes Interesse fordern, und solchen, die ohne ein Beteiligungsinteresse auskommen, ist dabei nahezu ausgeglichen: Acht Sekundärrechtsakte umfassen Beteiligungsvorschriften, die für die Dritten ein besonderes Interesse fordern. Ohne ein Beteiligungsinteresse normieren neun Rechtsakte eine Drittbeteiligung. a) Unterstufe 2 a): Dritte mit Beteiligungsinteresse Auf der ersten Unterstufe werden solche Beteiligungen von Dritten veror‑ tet, die einen eingeschränkten Adressatenkreis aufweisen, da ein besonderes Interesse für die Beteiligung vorliegen muss. Die Vorschriften ermöglichen also nur ausgewählten Dritten die Beteiligung. Durch das Vorliegen eines Beteiligungsinteresses wird eine zusätzliche Voraussetzung für die Partizipa‑ tion vorgegeben. Die Einflussnahme kann daher als geringer angesehen wer‑ den als bei solchen Dritten, die keine Beteiligungsinteresse aufweisen müs‑ sen und sich in jedem Fall beteiligen können. Die Chance zur Beteiligung wird durch das Beteiligungsinteresse verringert. Die Sekundärrechtsakte auf dieser Unterstufe weisen aber Unterschiede hinsichtlich der Konkretisierung auf. Zum Teil werden keinerlei Vorgaben zur Beteiligungsdurchführung oder zum Adressatenkreis aufgestellt. Zum Teil finden sich immerhin Fristen und die genauen Verfahrensstadien, was zumindest eine Vorhersehbarkeit erzeugt und damit zur Transparenz der Be‑ teiligung beiträgt. Weitere Rechtsakte geben wiederum eine normierte Kon‑ kretisierung des Adressatenkreises vor, so dass kenntlich ist, welche Dritten sich beteiligen können, was wiederum zu einer hohen Transparenz der Betei‑ ligung führt. Ohne Konkretisierungen bestimmen Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 lit. b) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO die Beteiligung bei dem Erlass von Lärmminderungsmaßnahmen und Betriebsbeschränkungen. Es wird lediglich auf die Anhörung der interessierten Parteien und der Anwohner abgestellt. Im Gegensatz dazu ist die Anhörung nach Art. 6 Abs. 2 lit. d) Flughafenbe‑ triebsbeschränkungsVO konkreter. Danach erfolgt eine Anhörung interessier‑ ter Parteien rechtzeitig und in fundierter Weise. Die Offenheit und Transpa‑ renz bezüglich der Daten und Berechnungsmethoden muss gewährleistet werden. Die Frist für die Einreichung von Stellungnahmen der interessierten Kreise beträgt mindestens drei Monate. Zudem ermöglicht die Vorschrift

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

auch, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Schließlich gibt der Art. 6 Abs. 2 lit. d) FlughafenbetriebsbeschränkungsVO selbst vor, wer zu den inte‑ ressierten Kreisen zählt. Bei der AnreicherungsVO sind die Beteiligungen ebenfalls unterschiedlich konkret ausgestaltet worden. Bei der Änderung von Positivlisten nach Art. 3 AnreicherungsVO findet zwar eine obligatorische Beteiligung statt, aller‑ dings fehlen nähere Ausführungen dazu. In den jeweiligen Änderungsverord‑ nungen für die Positivlisten wird aber eine Angabe über die Berücksichti‑ gung der jeweiligen Beteiligungsergebnisse aufgeführt. Bei der Änderung der Negativlisten ist in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 307 / 2012 die Beteiligung konkreter ausgestaltet. Es sind eindeutig das Verfahrensstadium und der Ablauf ersichtlich. Nach Antrag zur Änderung der Negativlisten bei der Kommission veröffentlicht diese den Antrag und die EFSA kann eine wissenschaftliche Stellungnahme abgeben. Wenn diese Stellungnahme veröf‑ fentlicht wurde, läuft eine 30-Tagesfrist, innerhalb derer Interessengruppen Bemerkungen übermitteln können, bevor die Entscheidung über die Ände‑ rung getroffen wird. Wer zu den Interessengruppen zählt, wird durch die Verordnung aber nicht vorgegeben. Auch bei Art. 6 Abs. 11 Strom-VO bzw. Gas-VO wird der Adressatenkreis nicht näher bestimmt. Die Kommission konsultiert nach Art. 6 Abs. 11 Strom-VO bzw. Gas-VO neben der ACER und dem ENTSO (Strom) bzw. dem ENTSO (Gas) alle betroffenen Akteure innerhalb eines Zeitraums von mindestens zwei Monaten zu dem jeweiligen Entwurf des Kodex. Immerhin wird damit eine Frist für die Konsultation vorgegeben. Ebenfalls Vorgaben hinsichtlich des Zeitpunkts der Beteiligung finden sich in Art. 14 GenehmigungsRL und Art. 12 Kommunikationsrahmen-RL. Wer‑ den Rechte der Allgemeingenehmigung nach Art. 14 GenehmigungsRL geän‑ dert, können interessierte Kreise, einschließlich Nutzer und Verbraucher, zu den geplanten Änderungen innerhalb einer ausreichenden Frist Standpunkte darlegen. Diese Frist muss mindestens vier Wochen betragen. In Bezug auf den Adressatenkreis wird zumindest eine Legaldefinition der Nutzer und Ver‑ braucher normiert. Wer unter die interessierten Kreise fällt, wird aber nicht näher bestimmt. Dies bleibt ebenfalls bei Art. 12 KommunikationsrahmenRL offen. Art. 12 Abs. 2, 3 Kommunikationsrahmen-RL ermöglicht Mei‑ nungsäußerungen interessierter Kreise beim Erlass von marktmachtunabhän‑ gigen Verpflichtungen. Dabei bezieht sich die Vorschrift nicht auf eine exakte Frist, sondern nur auf eine angemessene Dauer. Weiter ist nur noch bestimmt, dass die Konsultation vor dem Erlass durchgeführt werden soll, andere Be‑ stimmungen fehlen. Daher ist die Einflussnahme eher gering. Größer dürfte der Einfluss bei der Beteiligung nach Art. 59 Abs. 4 REACH‑VO einzustufen sein. Diese Beteiligung ist im Bereich der Zulas‑



II. Stufensystem237

sung von Chemikalien innerhalb eines sehr frühen Zeitpunktes verortet. Das zweischrittige Zulassungsverfahren setzt zunächst eine Aufstellung einer Kandidatenliste voraus, um die Zulassungsbedürftigkeit eines Stoffes zu klä‑ ren, bevor auf zweiter Stufe über die Zulassung einer konkreten Chemikalie entschieden werden kann. Bei der Ermittlung der Stoffe, welche auf die Kan‑ didatenliste gesetzt werden sollen, können die interessierten Kreise nach Art. 59 Abs. 4 REACH-VO innerhalb einer bestimmten Frist Bemerkungen vorlegen. Durch diese frühe Einbeziehung können die Dritten die Kandida‑ tenliste noch mitgestalten und Einfluss ausüben. Zwar fehlt bei Art. 59 Abs. 4 REACH-VO eine normierte Konkretisierung des Adressatenkreises, die ECHA bestimmt allerdings in ihren Leitlinien, wer unter die interessierten Kreise fällt. Eine normierte Konkretisierung der Dritten bestimmen hingegen die Berg‑ bauabfall-RL und die Fusionskontroll-VO. Durch diese Normierungen wird vorgegeben, wer sich beteiligen kann, was wiederum zur Transparenz bei‑ trägt. Durch die Vorhersehbarkeit der Adressaten wird die Beteiligung aufge‑ wertet. Der europäische Gesetzgeber hat damit ein gewisses Maß an Rechts‑ sicherheit erzeugt und auch die Bedeutung der Beteiligung unterstrichen. Bei der Bergbauabfall-RL besteht neben der Beteiligung in Art. 8 mit einer aus‑ drücklichen Berücksichtigungspflicht die Möglichkeit, bei grenzüberschrei‑ tendenden Auswirkungen Beteiligungen durchzuführen. Nach Art. 16 Abs. 2 Bergbauabfall-RL erhält die betroffene Öffentlichkeit des voraussichtlich betroffenen Mitgliedstaates das Recht auf Stellungnahme, bevor eine endgül‑ tige Entscheidung getroffen wird. Die Legaldefinition der betroffenen Öf‑ fentlichkeit ist in Art. 3 Nr. 23 Bergbauabfall-RL vorgegeben. Weitere detail‑ lierte Ausgestaltungen zur Beteiligung fehlen aber. Im Gegenteil dazu ist die Beteiligung von Dritten mit einem hinreichenden Interesse nach Art. 18 Abs. 4 S. 2 Fusionskontroll-VO in der Durchführungs‑ verordnung (EG) Nr. 802 / 2004 detailliert ausgestaltet. Die Bestimmung des Adressatenkreises gibt Art. 11 lit. c) Durchführungsverordnung vor. In Art. 16 Durchführungsverordnung wird vorausgesetzt, dass eine schriftliche Äuße‑ rung stattfinden muss, zusätzlich aber auch ermöglicht, dass eine Einbezie‑ hung in die mündliche Anhörung erfolgen kann. Die Kommission setzt je‑ weils eine Frist zur Äußerung. Zudem ist bei dieser Beteiligung hervorzuhe‑ ben, dass das Amt eines Anhörungsbeauftragten geschaffen wurde, der u. a. für die Beurteilung des hinreichenden Interesses verantwortlich ist. Der An‑ hörungsbeauftragte stellt damit eine institutionalisierte Vorprüfungsinstanz dar. Die Fusionskontroll-VO gibt damit genaue und detaillierte Vorgaben für die Beteiligung vor, so dass dadurch die Transparenz und mithin auch die Einflussnahme steigen. Bei der Bergbauabfall-RL ist zwar eine Vorherseh‑ barkeit der Beteiligungsadressaten gegeben, weitere Konkretisierungen feh‑ len aber, so dass die Einflussnahme als geringer eingeschätzt werden kann.

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C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

b) Unterstufe 2 b): Dritte ohne Beteiligungsinteresse Keine Einschränkungen durch ein Beteiligungsinteresse liegen bei den Vorschriften auf der zweiten Unterstufe vor. Die Adressaten können sich be‑ teiligen, ohne ein besonderes Interesse nachweisen zu müssen. Dadurch wer‑ den ihnen die Teilnahme und auch das Einwirken auf die Entscheidung er‑ leichtert. Ihnen kommt damit größerer Einfluss als den Dritten mit Beteili‑ gungsinteresse auf der ersten Unterstufe zu. Auch auf dieser Unterstufe divergieren die Beteiligungsvorschriften hin‑ sichtlich ihrer Konkretisierung. Zum Teil werden der Adressatenkreis und / oder das Beteiligungsverfahren ausdrücklich in der Verordnung oder der Richtlinie vorgegeben, zum Teil kann dem jeweiligen Sekundärrechtsakt aber keinerlei Konkretisierung entnommen werden. Ohne Vorgaben zur Beteiligung bestimmen die Rechtsakte aus dem Atom‑ recht in Art. 8 Abs. 4 Nukleare-Sicherheit-RL und Art. 10 Abs. 2 EntsorgungRL, dass der Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Beteiligung gegeben sein muss, und zwar nach den nationalen sowie den internationalen Regelungen. Weitere Konkretisierungen fehlen aber. Eine angemessene Frist wird in Art. 9 FreisetzungsRL vorausgesetzt. Die Anhörung der Öffentlichkeit und gegebenenfalls Gruppen bei der absichtli‑ chen Freisetzung von GVO ist obligatorisch vorgeschrieben, den Mitglied‑ staaten ist aber eine Ausgestaltung der weiteren Bestimmungen für die Betei‑ ligung überlassen worden. Allerdings betont Art. 9 Abs. 1 FreisetzungsRL, dass eine angemessene Frist vorgesehen werden muss. Die Beteiligung nach Art. 24 Abs. 1 FreisetzungsRL ist hingegen bestimmter. Beim Inverkehrbrin‑ gen von GVO muss vorher eine Anmeldung bei der nationalen Behörde er‑ folgen, welche an die Kommission weitergeleitet wird. Diese gibt einen Be‑ wertungsbericht ab. Zu diesem Bericht kann die Öffentlichkeit innerhalb von 30 Tagen Bemerkungen vorbringen. Diese Bemerkungen werden an die nati‑ onale Behörde weitergeleitet, welche letztendlich über das Inverkehrbringen entscheidet. Ein ähnliches Verfahren wie bei der FreisetzungsRL findet sich bei der Zulassung von genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln sowie den Änderungen, Aussetzungen oder Widerrufen dieser Zulassungen nach der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO. Nach dem Antrag bei der nationalen Be‑ hörde und der Weiterleitung an die EFSA nimmt diese dazu Stellung. Zu der Stellungnahme der EFSA kann innerhalb von 30 Tagen die Öffentlichkeit Stellung nehmen, bevor die Kommission einen Zulassungsentwurf erlässt. Wer unter die Öffentlichkeit zu fassen ist, bestimmen aber weder die Frei‑ setzungsRL noch die Lebens- / Futtermittel-GenT-VO.



II. Stufensystem239

Dies lässt ebenso die Pflanzenschutzmittel-VO offen. Bei der Genehmi‑ gung (und der Erneuerung der Genehmigung) eines Wirkstoffes nach der Pflanzenschutzmittel-VO wird der auf nationaler Ebene eingereichte Antrag an die EFSA weitergeleitet, damit diese einen Bewertungsbericht anfertigen kann, aufgrund dessen die Kommission über die endgültige Genehmigung entscheidet. Zum Entwurf des Bewertungsberichts können innerhalb von 60 Tagen Stellungnahmen der Öffentlichkeit übermittelt werden. Die EFSA wird auch bei der Health-Claims-VO einbezogen. Bei der Zu‑ lassung von gesundheitsbezogenen Angaben gibt die EFSA eine Stellung‑ nahme zum zunächst national eingereichten Antrag ab, welcher 30 Tage für Bemerkungen offensteht. Bemerkungen können von den Vertretern der Öf‑ fentlichkeit eingebracht werden, ohne dass dieser Adressatenkreis näher be‑ stimmt wird. Dieses Verfahren findet sich auch bei der Änderung, Ausset‑ zung und dem Widerruf der Zulassung. Zwar hat das Gericht eine Berück‑ sichtigungspflicht für die Bemerkungen anerkannt, allerdings ist dies in den Sekundärrechtsakten selbst nicht festgehalten. Zumindest wird aber in den Änderungsverordnungen für die Liste der gesundheitsbezogenen Angaben eine Angabe über die Berücksichtigung getätigt. Der FreisetzungsRL, der Lebens- / Futtermittel-GenT-VO, der Pflanzen‑ schutzmittel-VO und der Health-Claims-VO ist gemein, dass die Beteiligung zwar konkretisiert wurde, indem Fristen und das genaue Verfahrensstadium bestimmt wurden, die Beteiligung allerdings nie auf die Entscheidung selbst zielt, sondern immer nur zu einer Stellungnahme bzw. einem Bericht der EFSA oder der Kommission durchgeführt wird. Die Einflussnahme bei die‑ sen Sekundärrechtsakten kann daher als eher gering angesehen werden. Auch wenn bei der Health-Claims-VO in der Praxis eine Berücksichtigung der Be‑ teiligungsergebnisse stattfindet, wird dadurch der Einfluss nicht aufgewertet, da eine ausdrückliche Regelung in der Verordnung selbst fehlt. Einen höheren Stellenwert kann hingegen der Beteiligung aus der EH-RL und der IE-RL zugemessen werden. Bei diesen Richtlinien findet sich eine Legaldefinition für den Adressatenkreis am Anfang des jeweiligen Rechtsak‑ tes. Bei der EH-RL kann die Öffentlichkeit beim Ausschluss kleinerer Unter‑ nehmen aus dem Emissionshandelssystem nach Art. 27 Abs. 1 lit. d) Stellung nehmen. Wer unter die Öffentlichkeit zu fassen ist, bestimmt Art. 3 lit. i) EHRL. Zwar ist der Adressat der Beteiligung bei der EH-RL bestimmt, dennoch fehlen weitere Anforderungen zur Beteiligung. Ebenfalls auf die Öffentlichkeit stellt die IE-RL ab. Auf dieser Unterstufe lässt sich zwar nicht die Beteiligung bei der Genehmigung von Anlagen aus Anhang I, wohl aber die Beteiligung bei der Genehmigung von Abfall(mit‑) verbrennungsanlagen nach Art. 55 Abs. 1 IE-RL verorten. Die Öffentlichkeit kann vor der Entscheidung der Genehmigung dazu Stellung nehmen. Der

240

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Adressatenkreis der Öffentlichkeit lässt sich aus der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 16 IE-RL entnehmen. Auch bei der Beteiligung nach Art. 55 IE-RL fehlen weitere Konkretisierungen. Bei der Unionsmarken-VO lassen sich hingegen einige Verfahrensvorga‑ ben für die Einreichung von Bemerkungen gemäß Art. 45 Unionsmarken-VO herausfiltern. Neu eingefügt wurde eine gewisse zeitliche Vorgabe. Die Be‑ merkungen müssen vor Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. vor abschließen‑ der Entscheidung über den Widerspruch getätigt werden. Wer als Dritter gilt, bestimmt Art. 45 Abs. 1 Unionsmarken-VO. Ansonsten gibt aber weder die Unionsmarken-VO noch die zugehörige delegierte Verordnung genauere Vo‑ raussetzungen für die Beteiligung vor. Diese finden sich allerdings in einem Leitfaden des EUIPO. Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass die Unions‑ marken-VO als einziger Rechtsakt einen eigenständigen Abschnitt für die Beteiligung vorgesehen hat, wodurch deren Wichtigkeit unterstrichen wird. Nichtsdestotrotz ist die Bemerkung nach Art. 45 Unionsmarken-VO vom eu‑ ropäischen Gesetzgeber weniger detailliert ausgestaltet worden als das ein‑ flussreiche Widerspruchsverfahren nach Art. 46 Unionsmarken-VO.101

3. Hauptstufe 3: Obligatorische Beteiligung mit Berücksichtigungspflicht Auf der dritten Hauptstufe sind solche Beteiligungen verortet, deren Er‑ gebnisse zu berücksichtigen sind. Die Sekundärrechtsakte enthalten aus‑ drückliche Regelungen über eine Berücksichtigungspflicht. Die Beteiligungs‑ ergebnisse fließen in die jeweilige Entscheidung ein, so dass ein gegenüber der vorherigen Hauptstufe 2 gesteigerter Einfluss festgestellt werden kann. Auch auf dieser Hauptstufe können zwei Unterstufen mit unterschiedlich ausgestalteter Einflussnahme ausgemacht werden, die – wie bei der Haupt‑ stufe 2 – an das Beteiligungsinteresse und mithin an den Adressatenkreis anknüpfen. Im Verhältnis zur zweiten Hauptstufe lassen sich auf der dritten Hauptstufe 14 – und damit signifikant mehr – Sekundärrechtsakte ausma‑ chen, die ein besonderes Interesse für die Beteiligung fordern. Zudem sind diese Vorschriften mit Beteiligungsinteresse in der Regel hinsichtlich des Adressatenkreises konkretisiert. a) Unterstufe 3 a): Dritte mit Beteiligungsinteresse Wie bei der zweiten Hauptstufe weisen auch die Unterstufen der dritten Hauptstufe Unterschiede hinsichtlich der Konkretisierung der Adressaten‑ 101  Dazu

unter C. II. 4. b).



II. Stufensystem241

kreise, der Beteiligungsverfahren und der Fristen auf. Bei einer fehlenden Konkretisierung ist die Einflussnahme nur schwach, während für die Dritten höhere Transparenz bezüglich der Beteiligung herrscht, wenn zumindest eine – konkrete oder auch nicht konkretisierte – Frist bestimmt ist und die Verfahrensschritte ersichtlich werden. Die (zusätzliche) Konkretisierung des Adressatenkreises trägt zudem zur Vorhersehbarkeit bei. Bei der Zulassung von Chemikalien enthält die REACH-VO Beteiligungs‑ möglichkeiten, welche für die Dritten ein besonderes Interesse fordern. Im ersten Schritt der Chemikalienzulassung, der Ermittlung der Zulassungsbe‑ dürftigkeit, ist bereits im frühen Stadium der Aufstellung der Kandidatenliste eine Beteiligung vorhanden, die nicht zwingend berücksichtigt werden muss (siehe Art. 59 Abs. 4 REACH-VO) und daher auf der vorherigen Hauptstufe verortet wurde.102 Daneben sieht Art. 58 Abs. 4 REACH-VO noch eine wei‑ tere Beteiligung bei der Empfehlung zur Aufnahme von Stoffen auf die Kan‑ didatenliste der ECHA an die Kommission vor. Bevor die Empfehlung an die Kommission übermittelt wird, fordert die ECHA alle interessierten Kreise auf, innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Empfehlung ins‑ besondere zu Verwendungen, die von der Zulassungspflicht ausgenommen werden sollen, Bemerkungen abzugeben. Die Agentur aktualisiert im An‑ schluss daran ihre Empfehlung unter Berücksichtigung der eingegangenen Bemerkungen. Im zweiten Schritt des Zulassungsverfahrens, der konkreten Zulassung einer Chemikalie, setzt die ECHA nach Art. 64 Abs. 2 REACHVO eine Frist, innerhalb der interessierte Kreise Informationen über Alterna‑ tivstoffe oder -technologien übermitteln können. Bei dem Entwurf der Stel‑ lungnahme der ECHA gibt diese eine Beurteilung der vorgebrachten Beiträge der interessierten Kreise ab, welche beim Ausschuss für sozioökonomische Analyse eingereicht wird (Art. 64 Abs. 4 lit. b) REACH-VO). Die Informati‑ onen der Dritten werden durch diese Beurteilung mithin berücksichtigt. Die zu beteiligenden interessierten Kreise beim Zulassungsverfahren werden durch die REACH-VO selbst nicht konkretisiert, die ECHA hat allerdings eine Definition in ihre Leitlinien aufgenommen. Aus dieser Definition wird auch ersichtlich, dass ein besonderes Interesse für die Beteiligung vorliegen muss. Auch wenn die Beteiligung nur auf einzelne Verfahrensschritte und nicht auf die endgültige Entscheidung gerichtet ist und dadurch die Einfluss‑ nahme geringer erscheinen könnte, sind dies wichtige Verfahrensschritte bei der Zulassung, die vor der endgültigen Entscheidung durchlaufen werden müssen. Der Einfluss bei der Zulassung kann daher als moderat angesehen werden. Weiter in diese Kategorie eingeordnet werden kann Art. 6 Kommunika­ tionsrahmen-RL. Vor dem Erlass von marktregulatorischen Verpflichtungen 102  Siehe

C. II. 2. a).

242

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

und der Genehmigung von Nutzungsrechten, einschließlich deren Beschrän‑ kungen, nach der GenehmigungsRL müssen nach Art. 6 Kommunikations‑ rahmen-RL interessierte Kreise innerhalb einer angemessenen Frist Gelegen‑ heit zur Stellungnahme zu der geplanten Verpflichtung haben. Die Berück‑ sichtigung der Beteiligungsergebnisse wird hingegen nicht in Art. 6 Kommu‑ nikationsrahmen-RL genannt. Allerdings stellt EWG Nr. 15 darauf ab, dass es wichtig ist, alle interessierten Parteien zu konsultieren und ihre Stellung‑ nahmen zu berücksichtigen. Somit kommt auch beim Erlass von marktregu‑ latorischen Verpflichtungen und der Genehmigung von Nutzungsrechten den nationalen Regulierungsbehörden eine Berücksichtigungspflicht zu. Dennoch wäre eine explizite Regelung in Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL für die Transparenz der Beteiligung sinnvoll. Ohne eine solche büßt die Beteiligung an Einflussnahme ein. Zudem fehlt eine normierte Konkretisierung des Ad‑ ressatenkreises. Im Bereich des Umweltaudits weist die EMAS-III-VO zwei verschiedene Arten von Beteiligungen auf, die auf dieser und auf der nächsten Hauptstufe verortet werden. Die Beteiligung auf dieser Stufe findet sich in Art. 12 EMAS-III-VO. Nach Abs. 1 legen die Mitgliedstaaten Verfahren für die Re‑ gistrierung von Unternehmen im freiwilligen EMAS-System fest. Dabei müssen sie u. a. ermöglichen, dass Bemerkungen interessierter Kreise be‑ rücksichtigt werden. Zudem schreibt der Art. 12 Abs. 1 EMAS-III-VO vor, wer zumindest von den interessierten Kreisen umfasst werden soll, nämlich nationale Behörden oder Gremien der zu registrierenden Organisation. Dies steckt in gewisser Weise den Adressatenkreis ab. Allerdings ist eine konkrete Definition nicht gegeben. Durch die Angaben zum Adressatenkreis ist die Transparenz der Beteiligung aber höher als bei der KommunikationsrahmenRL und die Einflussnahme kann als größer eingeschätzt werden. Bei den Sekundärrechtsakten über die geografischen Bezeichnungen sind die Adressatenkreise hingegen eindeutig aus den Verordnungen zu entneh‑ men. Unterschiede bestehen aber bei der Ausgestaltung der jeweiligen Ein‑ spruchsverfahren. Gemein ist der Qualitätsregelung-VO, der GMO-VO, der Aromawein-VO und der Spirituosen-VO, dass ein Einspruch gegen die beab‑ sichtigte Eintragung erhoben werden kann und geprüft werden muss, wo‑ durch dieser bei der Entscheidung Berücksichtigung findet. Zudem ist so‑ wohl bei den nationalen als auch bei den europäischen Einspruchsverfahren vorgegeben, wer einspruchsberechtigt ist, namentlich natürliche und juristi‑ sche Personen mit einem besonderen Interesse. Die Adressaten sind damit konkretisiert. Auch das Einspruchsverfahren ist in den Sekundärrechtsakten und den zugehörigen Durchführungsverordnungen – mit Ausnahme der Aro‑ mawein-VO, bei welcher noch keine Durchführungsverordnung existiert – detailliert dargestellt. Es besteht somit eine Vorhersehbarkeit der verschiede‑ nen Verfahrensschritte. Einzig die Fristen für die Einreichung des Einspruchs



II. Stufensystem243

differieren. Diese erstrecken sich von zwei Monaten in der GMO-VO und der Aromawein-VO über drei Monate in der Qualitätsregelung-VO bis hin zu sechs Monaten in der Spirituosen-VO. Lediglich beim nationalen Einspruchs‑ verfahren nach der Qualitätsregelung-VO fordert die Regelung nur eine aus‑ reichende Frist. Eine Vereinheitlichung mit den übrigen Rechtsakten würde aber mehr Rechtssicherheit erzeugen. Weniger deutlich wird das Konsultationsverfahren bei Art. 10 und Art. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO. Nach Art. 10 Abs. 1 Strom-VO bzw. Gas-VO kon‑ sultiert der ENTSO (Strom) bzw. der ENTSO (Gas) in der Ausarbeitungs‑ phase umfassend, frühzeitig und auf offene und transparente Weise alle be‑ troffenen Marktteilnehmer. Wer zu den Marktteilnehmern zählt, führt Abs. 1 im Folgenden aus. Abs. 3 von Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO verpflichtet den ENTSO (Strom) bzw. den ENTSO (Gas) dazu, mitzuteilen, wie die Stel‑ lungnahmen berücksichtigt wurden, und, wenn diese nicht berücksichtigt wurden, eine Begründung abzugeben. Damit wird die Berücksichtigungs‑ pflicht der Beteiligungsergebnisse deutlich. Durch die Konkretisierung der Adressaten und die Betonung der Frühzeitigkeit sowie der Offenheit und Transparenz der Beteiligung in Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO ist die Ein‑ flussnahme der Dritten bei der Beteiligung hoch einzuschätzen. Der europäi‑ sche Gesetzgeber hat sich bemüht, die Beteiligung für die Dritten auszuge‑ stalten, auch wenn der genaue Ablauf der Konsultation selbst nicht in den Sekundärrechtsakten zu finden ist. Sehr ähnlich zu Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO ist Art. 10 ACER-VO normiert, welcher über Art. 7 Strom-VO bzw. Gas-VO bei der Änderung von Netzkodizes anwendbar ist. Die ACER ist für die Änderung von Netzkodizes zuständig und konsultiert nach Art. 10 Abs. 1 ACER-VO ausführlich und frühzeitig sowie auf offene und transparente Art und Weise die aufgeführten Dritten. Damit gibt die Verordnung eine Bestim‑ mung des Adressatenkreises vor. Nach Abs. 3 muss die ACER angeben, wie den Konsultationsergebnissen bei der Entscheidung Rechnung getragen wurde und, wenn keine Berücksichtigung stattgefunden hat, eine Begrün‑ dung dafür abgeben. Damit kommt der Beteiligung aus Art. 10 ACER-VO derselbe Einfluss wie Art. 10 Strom-VO bzw. Gas-VO zu. Ebenfalls eine große Einflussnahme für die Dritten normieren vier Richtli‑ nien aus dem Umweltrecht. Die UVP-II-RL, IE-RL, Seveso-III-RL und Bergbauabfall-RL regeln alle in einem gesonderten Artikel die Beteiligung von Dritten. Dabei ist stets die betroffene Öffentlichkeit zu beteiligen. Eine Legaldefinition der betroffenen Öffentlichkeit findet sich am Anfang der je‑ weiligen Richtlinie. Der betroffenen Öffentlichkeit wird die Möglichkeit zur Stellungnahme und Meinungsäußerung (Art. 6 Abs. 4 UVP-II-RL, Art. 24 i. V. m. Anhang IV Nr. 3 IE-RL), zur Übermittlung von Kommentaren und Stellungnahmen (Art. 15 Abs. 4 Seveso-III-RL) bzw. zur Mitteilung von Be‑ merkungen und Standpunkten (Art. 8 Abs. 4 Bergbauabfall-RL) eröffnet.

244

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

Auch wird der Zeitpunkt vorgegeben, so dass die Beteiligung frühzeitig er‑ folgen muss. Alle Richtlinien sehen auch die ausdrückliche Berücksichti‑ gungspflicht vor. Mit Ausnahme der Seveso-III-RL wird bei grenzüberschrei‑ tenden Auswirkungen ebenfalls der betroffenen Öffentlichkeit des voraus‑ sichtlich betroffenen Mitgliedstaates die Möglichkeit zur Konsultation einge‑ räumt. Die IE-RL ermöglicht dies sogar für die breite allgemeine Öffentlichkeit. Allerdings fehlt eine ausdrückliche Berücksichtigungspflicht bei der Bergbauabfall-RL bei der grenzüberschreitenden Konsultation, so dass diese Bestimmung bereits der vorherigen Hauptstufe zugeordnet wur‑ de.103 Schließlich enthalten bis auf die Bergbauabfall-RL alle Richtlinien Bestimmungen zum Rechtsschutz. Der europäische Gesetzgeber hat in die‑ sen Bereichen des Umweltrechts mit Blick auf die Åarhus-Konvention den Dritten eine einflussreiche Beteiligung eingeräumt. b) Unterstufe 3 b): Dritte ohne Beteiligungsinteresse Auch auf der zweiten Unterstufe, die Dritte ohne Beteiligungsinteresse er‑ fasst, lassen sich unterschiedliche Konkretisierungen der Beteiligungen aus‑ machen. Auf dieser Unterstufen können nur zwei Sekundärrechtsakte veror‑ tet werden. Die REACH-VO schreibt bei der Zulassung zwar ein Beteiligungsinter‑ esse vor, im Rahmen der Bewertung und der Beschränkung wird ein solches Interesse aber nicht vorausgesetzt. Nach Art. 40 Abs. 2 REACH-VO fordert die ECHA bei der Prüfung von Versuchsvorschlägen Dritte auf, innerhalb von 45 Tagen nach der Veröffentlichung der Versuchsvorschläge wissen‑ schaftlich fundierte Informationen und Studien vorzulegen, die sich auf den jeweiligen Stoff und Gefahren-Endpunkt beziehen, der Gegenstand des vor‑ geschlagenen Versuchsprogramms ist. Die vorgelegten Informationen und Studien werden bei der Vorbereitung der Entscheidung berücksichtigt. Aller‑ dings wird nicht vorgegeben, wer unter die Dritten nach Art. 40 Abs. 2 REACH-VO zu fassen ist. Dies wird erst aus den Erläuterungen auf der Homepage der ECHA deutlich. Im Rahmen der Stoffbeschränkung besteht nach Art. 69 Abs. 6 lit. a) REACH-VO für die interessierten Kreise die Gelegenheit, sich innerhalb von sechs Monaten zu den Dossiers und den vorgeschlagenen Beschränkungen zu äußern. Die Auffassungen der interessierten Kreise werden bei der Stel‑ lungnahme des Ausschusses für Risikobewertung zu den Beschränkungen berücksichtigt (Art. 70 REACH-VO). Zudem fordert die ECHA gemäß Art. 69 Abs. 6 lit. b) REACH-VO alle interessierten Kreise auf, innerhalb 103  Siehe

C. II. 2. a).



II. Stufensystem245

von sechs Monaten nach der Veröffentlichung zu den Beschränkungsdossiers eine sozioökonomische Analyse einzureichen, in der die Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Beschränkungen untersucht werden, oder Informationen zu übermitteln, die für eine solche Analyse verwendet werden können. Wer‑ den Analysen oder Informationen eingereicht, werden diese von dem Aus‑ schuss für sozioökonomische Analyse bei der Erstellung der Stellungnahme der ECHA zur Beschränkung des Stoffes berücksichtigt (Art. 71 Abs. 1 REACH-VO). Außerdem werden Dritte bei der Beschränkung von Stoffen zur Stellungnahme des Ausschusses für sozioökonomische Analyse herange‑ zogen. Nach Art. 71 Abs. 1 REACH-VO gibt der Ausschuss nach der Veröf‑ fentlichung der Beschränkungsdossiers einen Stellungnahmeentwurf ab. Die ECHA fordert interessierte Kreise dazu auf, sich zu diesem Entwurf inner‑ halb von 60 Tagen nach dessen Veröffentlichung zu äußern. Der Ausschuss nimmt die Stellungnahme im Folgenden an und berücksichtigt dabei die ein‑ gereichten Äußerungen (Art. 71 Abs. 2 REACH-VO). Bei der Beschränkung können sich interessierte Kreise in vielfältiger Weise beteiligen. Allerdings fehlt – wie bei der Bewertung und Zulassung – eine Definition des Adressa‑ tenkreises in der REACH-VO. Konkretisiert wird dieser durch die Erläute‑ rungen auf der ECHA-Homepage, wobei deutlich wird, dass trotz der Termi‑ nologie der interessierten Kreise ein besonderes Interesse für die Beteiligung nicht vorliegen muss, sondern vielmehr auf einen weiten Adressatenkreis abgezielt wird. Eine Konkretisierung des Adressatenkreises liegt dagegen bei der Ener‑ gieinfrastruktur-VO vor. Durch die Bestimmungen des Art. 9 i. V. m. An‑ hang VI Nr. 3 lit. a) Energieinfrastruktur-VO wird erkennbar, wer von der Öffentlichkeit erfasst werden soll, auch wenn der Zusammenhang mit den betroffenen Kreisen dabei nicht ausreichend deutlich gemacht wurde. Zudem bestimmt Art. 9 Abs. 4 i. V. m. Anhang  VI Nr. 3 lit. a) EnergieinfrastrukturVO, dass die Adressaten frühzeitig und auf offene und transparente Weise zu einem Zeitpunkt angehört werden, zu dem etwaige Bedenken der Öffentlich‑ keit noch berücksichtigt werden können. Quert das Vorhaben die Grenzen von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten, legt Art. 9 Abs. 5 Energieinfra‑ struktur-VO fest, dass eine solche frühzeitige, offene und transparente Anhö‑ rung nach Abs. 4 in jedem betroffenem Mitgliedstaat durchzuführen ist. Bei der Energieinfrastruktur-VO hat der europäische Gesetzgeber durch die Be‑ tonung der Frühzeitigkeit sowie der Offenheit und Transparenz der Beteili‑ gung hohen Wert zugesprochen und sogar eine Beteiligung bei grenzüber‑ schreitenden Vorhaben festgelegt. Nichtsdestotrotz ist der Adressatenkreis der Beteiligung nicht völlig unproblematisch zu bestimmen, da sich die Ter‑ minologien der Öffentlichkeit und der betroffenen Kreise aus Art. 9 und An‑ hang VI überschneiden und in keinem klaren Verhältnis zueinander stehen.

246

C. Systematisierung des untersuchten Sekundärrechts

4. Hauptstufe 4: Beteiligung mit Vetofunktion Auf der letzten Hauptstufe finden sich solche Beteiligungen, welchen eine Vetofunktion zukommt. Die Entscheidungen können durch die Beteiligung der Dritten verhindert werden, so dass die Dritten eine Vetokompetenz104 innehaben. Diese Hauptstufe unterteilt sich in zwei Unterstufen, obwohl nur zwei Sekundärrechtsakte dieser Stufe zugeordnet werden können. a) Unterstufe 4 a): Nicht konkretisierte Beschwerde Eine Vetofunktion kommt den Beschwerden im freiwilligen EMAS-Sys‑ tem zu. Bei der Registrierung bzw. der Verlängerung der Registrierung von Unternehmen kann die Entscheidung nur erfolgen, wenn bestimmte Voraus‑ setzungen kumulativ erfüllt werden. Eine dieser Voraussetzungen ist nach Art. 13 Abs. 2 lit. d), Art. 14 Abs. 1 lit. e) EMAS-III-VO, dass keine Be‑ schwerde von interessierten Kreisen vorliegt bzw. Beschwerden positiv ge‑ klärt wurden. Damit wurde eine Vetofunktion normiert. Allerdings ist frag‑ lich, ob diese auch tatsächlich durchgesetzt wird. Das Negativbeispiel der Beschwerde vom BUND (Landesverband Sachsen) gegen die Zertifizierung von Feralpi Stahl Riesa zeigt, dass in der Praxis trotz vorliegender Be‑ schwerde eine Zertifizierung erfolgt.105 Weitere Bestimmungen, die diese Beschwerde konkretisiert, gibt die EMAS-III-VO aber nicht vor. Wer unter die interessierten Kreise zu fassen ist, lässt sich nur der Systematik der Verordnung entnehmen. Auch die Vor‑ aussetzungen für die Einreichung einer Beschwerde und deren Ablauf wer‑ den nicht normiert. Zwar sind die jeweiligen nationalen zuständigen Stellen für die Beschwerde zuständig, dennoch wäre vor dem Hintergrund der recht‑ lichen Wirkung wünschenswert, diesen einen gewissen Rahmen vorzugeben. So besteht die Gefahr, dass den Dritten beim Beschwerdeverfahren hohe na‑ tionale Voraussetzungen, wie z. B. ein enges Beteiligungsinteresse oder zu kurze Fristen, aufgebürdet werden, die eine Beschwerde faktisch unmöglich machen können.

104  Begriff nach Hendler, Die bürgerschaftliche Mitwirkung an der städtebaulichen Planung, S. 16. 105  Näher zu diesem Beispiel unter B. I. 4.



II. Stufensystem247

b) Unterstufe 4 b): Institutionalisierter Widerspruch Ebenfalls eine Vetokompetenz kommt den Dritten bei der Eintragung von Unionsmarken bzw. anderen Markenarten nach der Unionsmarken-VO zu.106 Dritte können vor der Eintragung Widerspruch einlegen. Die Vetofunktion des Widerspruchs wird in Art. 51 Unionsmarken-VO normiert. Nur wenn der Widerspruch sich durch Zurücknahme, Zurückweisung oder auf andere Weise endgültig erledigt hat bzw. erst gar kein Widerspruch erhoben wurde, kann die Unionsmarke eingetragen werden. Im Gegensatz zur Beschwerde nach der EMAS-III-VO ist das Wider‑ spruchsverfahren nach der Unionsmarken-VO stark institutionalisiert. Die Unionsmarken-VO widmet der Beteiligung von Dritten einen eigenständigen Abschnitt, wodurch bereits deren Wichtigkeit deutlich gemacht wird. Zudem besteht beim EUIPO eine eigenständige Widerspruchsabteilung, die für die Prüfung zuständig ist. Das Widerspruchsverfahren unterteilt sich in eine Zu‑ lässigkeitsprüfung und eine materielle Prüfung. Die Verordnung schreibt in Art. 41 vor, dass relative Eintragungshindernisse geltend gemacht werden müssen, so dass sich bereits daraus ergibt, dass Inhaber von Marken oder Kennzeichenrechten widerspruchsberechtigt sind. Zudem sind Frist- und Formvorschriften vorgegeben und es muss eine Widerspruchsgebühr entrich‑ tet werden. Auch bestimmt die Verordnung bzw. deren Durchführungsverord‑ nung detailliert, wie die Prüfung der Zulässigkeit und die materielle Prüfung abläuft und welche Nachweise in welcher Art und Weise vom Widersprechen‑ den vorgebracht werden müssen. Hervorzuheben ist die sog. Cooling-off-Frist, die im Anschluss an die Zulässigkeitsprüfung folgt, um eine gütliche Einigung zu erzielen, bevor die materielle Prüfung des Widerspruchs beginnt. Schließ‑ lich wird auch festgelegt, welche Entscheidung die Widerspruchsabteilung im Widerspruchsverfahren treffen kann. Gegen die Entscheidung der Wider‑ spruchsabteilung kann bei der Beschwerdekammer des EUIPO nach Art. 66 Unionsmarken-VO Beschwerde eingereicht werden. Weiter ist der Rechtsweg zum Gerichtshof mittels einer Anfechtung gegen die Entscheidung der Be‑ schwerdekammer eröffnet (Art. 72 Unionsmarken-VO). Das Widerspruchsverfahren ist somit detailliert normiert worden. Durch die bereits im Sekundärrechtsakt angelegte Transparenz und die rechtliche Wirkung eines Vetos ist die Unionsmarken-VO der Rechtsakt mit der größt‑ möglichen Einflussnahme und damit die höchste Stufe im Stufensystem. 106  Auch auf dieser Stufe könnte das Widerspruchsverfahren nach der Marken-RL aufgeführt werden. Allerdings finden sich in der Richtlinie selbst keine Angaben zur Responsivität und es bleibt offen, ob der Widerspruch der Entscheidung vor- oder nachgelagert ist. Daher kann eine eindeutige Zuordnung nicht erfolgen. Nach dem Sinn und Zweck eines solchen Widerspruchverfahrens wäre eine Vetokompetenz für die Dritten aber zweckmäßig.

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten Nach Darlegung und Systematisierung der verschiedenen Drittbeteili‑ gungsformen bei Verwaltungsentscheidungen im Sekundärrecht sollen im Folgenden Vorschläge unterbreitet werden, wie die Regelungen zur Beteili‑ gung optimiert werden können. Die Optimierung soll dabei am Maßstab der partizipativen Demokratie erfolgen und die Verwirklichung dieses Demokra‑ tiekonzeptes auf sekundärrechtlicher Ebene effektuieren. Um das partizipative Demokratiekonzept der EU vollständig zu erfassen, werden zum einen die bisherigen Entwicklungen sowohl im Sekundärrecht als auch in den allgemeinen Programmen der EU einbezogen und gewisse Aspekte als Vorbild für die Vorschläge herangezogen. Zum anderen sollen die Vorschläge an das im Primärrecht vorzufindende Konzept der partizipati‑ ven, assoziativen und deliberativen Demokratie rückangebunden werden, welches in den Art. 10 Abs. 3, Art. 11 EUV und Art. 15 AEUV verortet ist. Auch die Funktionen der Beteiligung sollen insoweit berücksichtigt werden, so dass Optimierungsvorschläge nicht gegenläufig zu den zu erreichenden Zwecken ausgestaltet werden.

I. Anknüpfungspunkte aus der Entwicklung Die bisherige Entwicklung der Beteiligung seit Mitte der 1980er Jahre zeigt, dass eine stetige Zunahme von Beteiligungsvorschriften nunmehr zu einer festen Etablierung von Drittbeteiligungen geführt hat.1 Das Umwelt‑ recht als Ausgangspunkt für die Öffentlichkeitsbeteiligung setzte mit Einfüh‑ rung der UVP-RL 1985 den Anfang für die Beteiligung von Dritten. Die ebenfalls frühe Einführung der Beteiligung im Gentechnik-, Wirtschafts- und Produktrecht Anfang der 1990er Jahre setzte auch in den übrigen Bereichen Meilensteine für die Etablierung von Drittbeteiligungsvorschriften. In allen Rechtsbereichen kann dabei der schrittweise Ausbau und die damit einherge‑ hende stetige Verfestigung der Beteiligung ausgemacht werden. Dies wird dadurch deutlich, dass die Beteiligungsvorschriften im Laufe der Zeit kon‑ kretisiert wurden und in den Sekundärrechtsakten einen prominenteren Stel‑ lenwert erhalten haben. Fakultative Beteiligungsvorschriften wurden in obli‑ 1  Zur

Entwicklung siehe A. I. 1.



I. Anknüpfungspunkte aus der Entwicklung 249

gatorische umgewandelt (z. B. bei der FreisetzungsRL), Definitionen wurden etabliert und konkretisiert (so im Umweltrecht durch Umsetzung der ÅarhusKonvention oder im Bereich der Fusionskontrolle) und Berücksichtigungs‑ pflichten und Rechtsschutzmöglichkeiten wurden eingeführt. Auch die seit Anfang der 2000er Jahre zunehmende Einführung von Beteiligungen in den verschiedenen Rechtsbereichen bei mehreren Sekundärrechtsakten prägte die Verfestigung der Beteiligung im EU-Recht. Diese Entwicklung kann auch anhand bestimmter (unverbindlicher) Pro‑ gramme und Mitteilungen der EU-Organe aufgezeigt werden. Diese Pro‑ gramme und Mitteilungen stellten die Beteiligung, Partizipation und Einbe‑ ziehung der Bürger, der Öffentlichkeit aber auch der Gruppierungen und Vereinigungen schrittweise in den Fokus. Zunächst wurden die Bürger im Bereich des Umweltrechts einbezogen. Seit dem Erlass des ersten Umwelt‑ aktionsprogramms 19732 wurde die Öffentlichkeit immer mehr in den Blick genommen. Die Programme waren zunächst aber noch nicht auf eine expli‑ zite Beteiligung ausgerichtet. Erst das fünfte3 und das sechste4 Umweltakti‑ onsprogramme aus den Jahren 1993 und 2002 enthielten eindeutige Bezüge zur Beteiligung.5 Das Prinzip der Öffentlichkeitsbeteiligung ist spätestens durch das fünfte Umweltaktionsprogramm zum Wesensmerkmal der EU-Po‑ litik geworden.6 Die Bürger wurden in diesem Umweltprogramm aufgefor‑ dert, sich aktiv an dessen Durchführung zu beteiligen.7 Im sechsten Umwelt‑ aktionsprogramm wurde die Öffentlichkeitsbeteiligung explizit aufgenom‑ men und als Beteiligungsform anerkannt bzw. herausgestellt.8 Angefangen 2  Erklärung des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der im Rat Verei‑ nigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 22. November 1973 über ein Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz, ABl. C 112 vom 20.12.1973, S. 1. 3  Ein Programm der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Maßnah‑ men im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, ABl. C 138 vom 17.05.1993, S. 5. 4  Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemein‑ schaft, ABl. L 242 vom 10.09.2002, S. 1. 5  Überblick über die Bezugnahme auf die Bürger in den verschiedenen Umwelt‑ programmen bei Martin, Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit, S.  64 ff. 6  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 117. 7  Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 01.02.1993 über ein Gemeinschaftsprogramm für Umwelt‑ politik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Ent‑ wicklung, ABl. C 138 vom 17.05.1993, S. 1 (4). 8  Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Eu‑ ropäischen Gemeinschaft, ABl. L 242 vom 10.09.2002, S. 1.

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

bei den Umweltaktionsprogrammen schuf die Kommission im Weiteren los‑ gelöst von einem bestimmten Rechtsbereich z. B. das Weißbuch „Europäi‑ sches Regieren“9, Mindeststandards für die Konsultation10 und die Transpa‑ renzinitiative11. Im Weißbuch „Europäisches Regieren“ wurden die Offenheit und die Partizipation ausdrücklich als demokratisch-rechtsstaatliche Prinzi‑ pien ausgewiesen.12 Auch die Zivilgesellschaft in ihrer Gesamtheit wurde einbezogen, d. h. neben den Bürgern war die Beteiligung von Gewerkschaf‑ ten, Arbeitgeberverbänden, NGOs, Berufsverbänden, gemeinnützigen Ein‑ richtungen, gesellschaftlichen Basisgruppen und Organisationen, über die sich die Bürger am lokalen und kommunalen Leben beteiligen, insbesondere Kirchen und Religionsgemeinschaften, möglich.13 Auch die aufgrund des Weißbuches erlassenen Mindeststandards für die Konsultation verdeutlichen das Bestreben nach gesteigerter Einbeziehung von Dritten. Konsultationen der Kommission sollen offen und transparent sein und erkennen lassen, wel‑ che Mechanismen angewendet werden, wer warum konsultiert und wie die Entscheidung beeinflusst wird. Zudem soll eine effektive Konsultation so frühzeitig durchgeführt werden, dass noch Einfluss genommen werden kann.14 Über die Internetplattform „Ihre Stimme in Europa“ sollen Informa‑ tionen bei einer zentralen Anlaufstelle zur Verfügung stehen.15 Abschließend wird die Veröffentlichung der Konsultationsergebnisse gefordert.16 Im Rah‑ 9  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1. 10  Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002. 11  Grünbuch – Europäische Transparenzinitiative, KOM(2006) 194 endgültig vom 03.05.2006. 12  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (7). 13  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (11 Fn. 9). 14  Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S.  17 f. 15  Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 20. 16  Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 21.



I. Anknüpfungspunkte aus der Entwicklung 251

men der Transparenzinitiative wurde insbesondere die Stellung von Interes‑ senvertretern, d. h. der Lobbyistengruppen, geregelt, so dass für die Öffent‑ lichkeit nachvollziehbar ist, wann diese beteiligt werden.17 Das Weißbuch, die Mindeststandards für die Konsultation und die Transparenzinitiative zie‑ len aber eher auf die Beteiligung bei der Rechtsetzung bzw. bei den allge‑ meinen Politiken und nicht konkret auf die Beteiligung bei Verwaltungsent‑ scheidungen in den Sekundärrechtsakten.18 Zudem verpflichten diese nur die EU-Organe und vor allem die Kommission, so dass die Bereiche des mit‑ gliedstaatlichen Vollzugs nicht erfasst sind. Nichtsdestotrotz können die uni‑ onalen Bestrebungen als Anknüpfungspunkte auch für die Optimierungsvor‑ schläge herangezogen werden. Die EU ist bemüht, möglichst bürgernah zu sein, und lässt den Willen zur Beteiligung von Dritten erkennen. Dies wird nicht nur aus den bisherigen Entwicklungen der Sekundärrechtsakte, sondern auch aus den Programmen und Mitteilungen deutlich. Grundsätzlich steht die EU dem Prozess der Beteiligung also offen gegenüber. Auch Masing hat be‑ reits 1997 festgehalten, dass die Mobilisierung des Bürgers ein Prinzip ist, das sich auf europäischer Ebene herausbilden sollte und wird. Er fußt dabei die Beteiligung vornehmlich auf den Zweck der Kontrolle und hebt die nach‑ träglichen Rechtsschutzmaßnahmen, wobei er sich dabei insbesondere auf das Umweltrecht bezieht, hervor, so dass die Mobilisierung des Bürgers zur Durchsetzung des Unionsrechts dient. Davon umfasst sind gerade auch die Richtlinienbestimmungen aus dem Sekundärrecht.19 Zusammenfassend kann der bisherigen Entwicklung entnommen werden, dass Konkretisierungen hinsichtlich der Gestaltung des Verfahrens (früher Zeitpunkt, Berücksichtigungspflichten, Veröffentlichung der Ergebnisse) und die Bestimmung des Adressatenkreises sinnvoll sind. Durch die schrittweise Einführung von Beteiligungsvorschriften in ganz unterschiedlichen Berei‑ chen konnte sich bisher keine einheitliche Form herausbilden. Gewisse Ver‑ einheitlichungen für alle Rechtsbereiche sind aber durchaus sinnvoll, damit für die Bürger der EU eine Übersichtlichkeit entsteht, wie diese sich einbrin‑ 17  Siehe Mitteilung der Kommission – Folgemaßnahmen zu dem Grünbuch „Eu‑ ropäische Transparenzinitiative“, KOM(2007) 127 endgültig vom 21.03.2007 sowie die Schaffung des Transparenz-Registers durch die Vereinbarung zwischen dem Euro‑ päischen Parlament und der Europäischen Kommission über die Einrichtung eines Transparenz-Registers für Organisationen und selbstständige Einzelpersonen, die sich mit der Gestaltung und Umsetzung von EU-Politik befassen, ABl. L 191 vom 22.07.2011, S. 29. 18  Vgl. Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsul‑ tation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Kon‑ sultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 3 f., 15 f. 19  Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S.  50 ff.

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

gen können. Der aufgezeigte Entwicklungsweg soll durch die Optimierungs‑ vorschläge also fortgesetzt und dabei eine gewisse vereinheitlichende Linie vorgegeben werden.

II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht Neben den Anknüpfungspunkten aus der bisherigen Entwicklung sollen die Optimierungsvorschläge auch an das Demokratiekonzept aus dem Pri‑ märrecht rückangebunden werden. Einerseits wird die Demokratie gerade (auch) dadurch gefördert, dass Bürgerrechte gestärkt werden, wozu ebenso die Beteiligungsrechte im Sekundärrecht der EU zählen.20 Eine gesteigerte Teilhabe der Büger am Entscheidungsprozess fördert die gleichberechtigte Willensbildung und Mitbestimmung als Ausfluss der Demokratie. Anderer‑ seits wird durch die Rückanbindung an die primärrechtlichen Regelungen die rechtliche Basis der Beteiligung von Dritten in den sekundärrechtlichen Be‑ stimmungen verstärkt. Die maßgeblichen primärrechtlichen Regelungen für die Ausgestaltung von Beteiligungsvorschriften finden sich zum einen in den Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze in Art. 9–12 EUV. Zum anderen gibt der Grundsatz der Offenheit aus Art. 15 AEUV primärrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung der Beteiligungsvorschriften vor.

1. Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze (Art. 9–12 EUV) Seit dem Lissabon-Vertrag finden sich im EUV in einem eigenen Abschnitt unter dem Titel II „Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze“ Konkretisierungen des europäischen Demokratieprinzips.21 Erstmalig wur‑ den damit Leitprinzipien der Demokratie in gebündelter Form am Anfang des Vertragswerkes aufgenommen.22 20  Siehe Calliess, in: Bauer/Huber/Sommermann, Demokratie in Europa, 281 (312); vgl. auch Röckinghausen, EurUP 2008, 210 (211); zur Einbindung der Bürger in die Verwaltung nach dem Konzept der deliberativen Demokratie vgl. Nabatchi, The American Review of Public Administration 40 (2010), 376 ff.; kritisch gegenüber der Einordnung jeder Äußerungsmöglichkeit unter die deliberative Demokratie Nettesheim, in: Giegerich, Herausforderungen und Perspektiven der EU, 77 (103 f.). 21  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 22. 22  Schönberger, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 9 EUV Rn. 1.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 253

Zum Verständnis des europäischen Demokratieprinzips ist von Bedeutung, dass das Demokratieverständnis seinen Ursprung in den einzelnen National‑ staaten hat.23 Daher sieht das Demokratieprinzip auf den Nationalstaat ange‑ passte Voraussetzungen vor – wie das Volk als Legitimationssubjekt, die Wahl anhand von bestimmten Wahlrechtsgrundsätzen oder die demokrati‑ sche Rückkopplung der verschiedenen Organe.24 Dieses nationale Demokra‑ tieverständnis kann nicht unverändert auf die EU übertragen werden, da diese gerade keine Staatenqualität besitzt.25 Das Konzept der Demokratie muss an die Besonderheiten der EU als Staatenverbund angepasst und mo‑ difiziert werden. Daher muss ein unionspezifischer Demokratiebegriff gebil‑ det werden.26 Gemäß Art. 10 Abs. 1 EUV beruht die Arbeitsweise der Europäischen Union auf der repräsentativen Demokratie. Dabei wird von Art. 10 Abs. 2 EUV eine duale Legitimation statuiert. Die Bürger sind zum einen durch die Direktwahl des Europäischen Parlaments unmittelbar in diesem vertreten, zum anderen werden die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat und im Rat repräsentiert, wodurch eine mittelbare Legitimation erfolgt. Diese seit dem Lissabon-Vertrag verankerte27 repräsentative Demokratie kann nicht im nationalen Sinne verstanden werden.28 Wie die Ausprägungen der repräsentativen Demokratie auf europäischer Ebene verstanden werden müssen, wird im Einzelnen aber unterschiedlich beurteilt. So wird bereits der Begriff der Repräsentation verschiedenartig aufgefasst und es werden ihm unterschiedliche Bedeutungen beigemessen; dabei reicht das Meinungsspekt‑ rum von einer substanziellen über eine idealistische bis hin zu einer realisti‑ schen Sichtweise der Repräsentation.29 23  Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 20; Robertson, JRP 2010, 133 (137). 24  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 136–138; in Bezug auf das Volk ebenso Oeter, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 73 (99). 25  Nettesheim, in: Bauer/Huber/Sommermann, Demokratie in Europa, 143 (146); Mross, Bürgerbeteiligung am Rechtsetzungsprozess in der Europäischen Union, S. 34 f.; Lenaerts, in: FS Bryde, 631 (637); Robertson, JRP 2010, 133 (137). 26  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 20; Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 9 EUV Rn. 2; Cilo, Europäische Bür‑ gerinitiative und demokratische Legitimität der EU, S. 25; Nicolaysen, Europarecht I, S. 111; Robertson, JRP 2010, 133 (137). 27  Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 1 f.: Die Vorschrift wurde bereits im VV eingeführt und nach dessen Scheitern in den Lissabon-Vertrag übernommen. 28  Lienbacher/Kröll, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EUV Rn. 6. 29  Näher dazu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi‑ schen Union, Art. 10 EUV Rn. 57.

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Auch das Subjekt der Repräsentation bleibt auf europäischer Ebene un‑ klar.30 Es besteht kein einheitliches Staatsvolk auf Ebene der EU,31 daher bleibt offen, wer repräsentiert werden soll. Während Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 EUV ausdrücklich normiert, dass die Bürger durch das Europäische Parla‑ ment vertreten werden, spricht das Bundesverfassungsgericht in seinem Lis‑ sabon-Urteil von einer Vertretung der Völker.32 Zudem wird die Legitimationsvermittlung durch das Europäische Parla‑ ment kritisch gesehen. Es wird betont, dass das Europäische Parlament nicht alleiniges Legitimationsorgan sein kann. Grund dafür ist die mit der Wahl zum Europäischen Parlament nicht (vollständig) erreichbare Gewährleistung der Wahlgleichheit.33 Es soll vielmehr eine „Legitimationsabstützung“ durch das Europäische Parlament erfolgen, um die Legitimationsvermittlung durch den Europäischen Rat und den Rat sowie die nationalen Parlamente zu unter‑ stützen.34 Diese Legitimationsrückbindung vor allem an die mitgliedstaatli‑ chen Strukturen wird zunehmend aber als unzureichend deklariert und der Legitimationsvermittlung durch das Europäische Parlament ein höherer Stel‑ lenwert zugemessen.35 Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund bedeutend, dass auch die Legitimationsvermittlung durch den Europäischen Rat und den Rat nur mittelbar erfolgt und die Legitimationskette lang und teilweise lü‑ ckenhaft ist.36 Primär fußt die Europäische Union damit auf einer repräsentativen Demo‑ kratie, deren inhaltlicher Gehalt im Einzelnen noch nicht abschließend ge‑ klärt ist. Ergänzt wird die repräsentative Demokratie auf europäischer Ebene 30  Groß,

in: FS Bryde, 157 (171). 123, 267 (371 f.); Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 30; Lienbacher/Kröll, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EUV Rn. 6; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 59; ausführlich zum Bestehen eines Volkes auf Ebene der EU Augustin, Das Volk der Europäischen Union; vgl. auch Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 160 ff. 32  BVerfGE 123, 267 (372); kritisch zur Auffassung des Bundesverfassungsge‑ richts Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 59; Groß, in: FS Bryde, 157 (166). 33  BVerfGE 123, 267 (372); Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 31; Lienbacher/Kröll, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EUV Rn. 6; ausführlich zum Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit auf europäischer Ebene Frenz, Handbuch Euro‑ parecht, Bd. 6, Rn. 170 ff. 34  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 30. 35  So z. B. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 71 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäi‑ schen Union, Art. I-46 Rn. 4, 6; Oeter, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfas‑ sungsrecht, 73 (107); differenzierend Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S. 172. 36  Siehe Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 75; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 200 ff. 31  BVerfGE



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 255

durch die partizipative, assoziative und deliberative Demokratie.37 Mit dem Vertrag von Lissabon wurden erstmals in Art. 11 EUV Bestimmungen zur Bürgerbeteiligung verankert. Die Vorschrift ist – wie die übrigen Vorschriften im Titel II – sehr detailliert und konkret ausgestaltet und geht über die der Verfassungen der meisten Mitgliedstaaten hinaus.38 Diese sind eher zurück‑ haltend gegenüber der Verankerung von partizipativen, assoziativen und de‑ liberativen Demokratieelementen.39 Neben dem Art. 11 EUV als maßgebliche Bestimmungen aus Titel II, gibt auch Art. 10 Abs. 3 EUV Vorgaben für die Ausgestaltung der partizipativen Demokratie vor und ist damit für die Optimierung der Beteiligung auf sekun‑ därrechtlicher Ebene von Relevanz. Dagegen ist Art. 9 S. 1 EUV nur mittelbar für die Beteiligungsvorschriften von Bedeutung. Dieser Artikel regelt die Gleichheit der Bürger und stellt keine Implementierung des partizipativ-demokratischen Konzepts dar. Es soll nicht zu mehr Teilhabe berechtigt werden. Allerdings normiert Art. 9 S. 1 EUV ein Handlungsgebot für die Union, allen Bürgern die gleiche Aufmerk‑ samkeit und die gleichen Rechte zukommen zu lassen.40 Durch eine Verbin‑ dung des Gleichheitssatzes mit den Bestimmungen aus Art. 11 und Art. 10 Abs. 3 EUV kann die Durchsetzung von partizipativen Elementen aber zu‑ mindest gefördert werden, so dass Art. 9 S. 1 EUV für die Beteiligung eben‑ falls – zumindest mittelbar – relevant ist. a) Bürgerbeteiligung (Art. 11 EUV) Die Vorschrift des Art. 11 EUV lässt sich auf die Bemühungen zurückfüh‑ ren, das aufgezeigte Defizit der repräsentativ-demokratischen Legitimation durch dazu alternative Konzepte demokratischer Legitimation zu beseiti‑ gen.41 Der durch das Weißbuch „Europäisches Regieren“ eingeschlagene Weg zur Einbeziehung privater Akteure wird durch die Schaffung von Art. 11 EUV fortgesetzt; Partizipation, Deliberation und Assoziation als weitere legi‑ timationsbegründende Demokratiekonzepte werden damit aufgegriffen.42 37  Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 22; Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 7; Mendes, CML Rev. 2011, 1849 (1858). 38  Vgl. Kluth, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 5 Rn. 4. 39  Siehe Behre/Gross/Mannefeld/Mindach, in: Gross, Public Participation in Inf‑ rastructure Planning, 363 (371 f.). 40  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 122. 41  Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 2. 42  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 7; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 2.

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Diese Konzepte beruhen auf beteiligungszentrierten Demokratietheorien. Dabei stellen die Theorien auf die Teilnahme und Teilhabe im Rahmen einer politischen Beteiligung ab.43 Die partizipative Demokratietheorie zielt vor allem auf mehr und umfassendere Beteiligungsrechte.44 Vertreter dieser Theorie gehen davon aus, dass durch eine aktive Teilnahme der Bürger letzt‑ lich eine transparente und fundierte Entscheidung getroffen wird, wobei der Fokus nicht auf der Entscheidung selbst, sondern auf dem Entscheidungspro‑ zess liegt.45 Die deliberative Demokratietheorie bezweckt eine „argumenta‑ tiv bewältigende, verständigungsorientierte Beratschlagung“46. Die Berat‑ schlagung vor einer Entscheidung wird bei der Deliberation in den Fokus gerückt47 und soll die Überzeugung kraft Argumentation bewirken.48 Unter die beteiligungszentrierten Demokratietheorien fällt auch die Lehre von der assoziativen Demokratie, nach welcher die mittlere Ebene zwischen Staat und Gesellschaft, etwa durch Selbstverwaltung und Dezentralisierung, demo‑ kratisiert werden soll.49 Um die Zielrichtungen der verschiedenen beteiligungszentrierten Demo‑ kratietheorien durchsetzen zu können, gehen die Theorievertreter von einem optimistischen Staatsbürgermodell aus, welches den durchschnittlichen Bür‑ ger als zu mehr und besserer Beteiligung befähigt ansieht.50 Diese Annahme ist auch der Hauptkritikpunkt, da das Menschenbild als viel zu optimistisch einge- und die Bürgerkompetenz überschätzt werde.51 Auch wird bemängelt, dass eine Übermobilisierung eintreten könne, die zu einer Destabilisierung führe. Weitere Kritikpunkte sind z. B. die Ignoranz der demokratischen Pfad­ abhängigkeit oder eine mögliche wachsende politische Ungleichheit.52 43  Schmidt,

Demokratietheorien, S. 236. Demokratietheorien, S. 237. 45  Roth, in: Festschrift von Arnim, 761 (762 f.). 46  Schmidt, Demokratietheorien, S. 237. 47  Bohman, Public Deliberation, S. 4 f.; Elster, in: Elster, Deliberative Democracy, 1 (8); Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, Art. I-47 Rn. 4; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 5; siehe SchmalzBruns, ZIB 6 (1999), 185 (204 ff.). 48  Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, Art. I-47 Rn. 3; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 5; siehe dazu auch Nettesheim, in: Bauer/Huber/Sommermann, Demokratie in Europa, 143 (151 f.). 49  Schmidt, Demokratietheorien, S. 237; näher zur assoziativen Demokratie ­Cohen/ Rogers, in: Politics & Society 20 (1992), 393 ff. 50  Schmidt, Demokratietheorien, S. 240 f. 51  Diese Kritik findet sich z. B. bei Elster, in: Elster/Hylland, Foundations of So‑ cial Choice Theory, 103 ff.; vgl. Roth, in: Festschrift von Arnim, 761 (763); Schmidt, Demokratietheorien, S.  246 f. 52  Einen Überblick zu den Kritikpunkten gibt Schmidt, Demokratietheorien, S.  246 ff. 44  Schmidt,



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 257

Trotz dieser Kritik an den beteiligungszentrierten Theorien hat die partizi‑ pative, assoziative und deliberative Demokratie in das Unionsrecht Eingang gefunden. Der Grundsatz der partizipativen Demokratie auf europäischer Ebene bezweckt die Einbindung von Betroffenen, Interessierten, Verbänden und sonstigen Trägern der Zivilgesellschaft in den Prozess der Entschei‑ dungsfindung, damit Akzeptanz hinsichtlich der Entscheidung gefördert wird.53 Dabei wird ein dynamisches Verständnis der partizipativen Demo‑ kratie vorausgesetzt, welches auf die Vertiefung und den Ausbau von Mitwir‑ kungsmöglichkeiten der Unionsbürger ausgerichtet ist.54 Den Grundsatz der Partizipation führte die Kommission bereits 2001 in ihrem Weißbuch „Euro‑ päisches Regieren“55 auf. Danach sind die Grundsätze der Offenheit, Parti‑ zipation, Verantwortlichkeit, Effektivität und Kohärenz als demokratischrechtsstaatliche Prinzipien herausgestellt worden. Durch eine offene Arbeits‑ weise soll erkennbar werden, wie Entscheidungen entstehen, was eine Stär‑ kung des Vertrauens bezweckt. Eine verstärkte Teilhabe soll ebenfalls bewirken, dass größeres Vertrauen in die Entscheidungen und Institutionen selbst entsteht.56 „Partizipation bedeutet […] wirkungsvollere Politikgestal‑ tung auf der Grundlage frühzeitiger Konsultationen und der Erfahrungen der Vergangenheit.“57 Die Kommission sieht die Einbindung der Zivilgesell‑ schaft, worunter auch NGOs fallen, als eine Möglichkeit zur Verwirklichung der Unionsziele an58 und greift damit auch die Demokratie durch Assozia‑ tion auf.59 Auf Grundlage dieses Weißbuches wurden im Unionsrecht nach und nach immer mehr Teilhaberechte eingeführt und die partizipative, asso‑ ziative und deliberative Demokratie verstärkt bis schließlich die Bestimmung des Art. 11 EUV in den Vertrag von Lissabon aufgenommen wurde.60 Die 53  Huber,

in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 2. in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 4. 55  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1. 56  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (7). 57  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (12). 58  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (12). 59  Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 4. 60  Art. 11 EUV steht unter der Überschrift der Bürgerbeteiligung, was der Auf‑ wertung der partizipativen Demokratie nicht gerecht wird. Die Vorläufernorm des Art. I-47 VV war mit „Grundsatz der partizipativen Demokratie“ betitelt. Da die Bestimmungen aus Art. I-47 VV nahezu identisch in Art. 11 EUV übernommen wor‑ den, ergeben sich aber keine inhaltlichen Abweichungen, so dass die Garantien der partizipativen Demokratie aus Art. I-47 VV auch in den Vertrag von Lissabon einge‑ führt wurden. Vgl. auch Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 5, der auch bei Art. 11 EUV vom Grundsatz der partizipativen Demokratie spricht. 54  Huber,

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

verschiedenen Absätze von Art. 11 EUV gestalten die partizipative, delibera‑ tive und assoziative Demokratie in unterschiedlicher Art und Weise aus. aa) Bekanntgabe und Austausch von Ansichten (Art. 11 Abs. 1 EUV) Nach Art. 11 Abs. 1 EUV geben die Organe den Bürgern und den repräsen‑ tativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten öffent‑ lich bekannt zu geben und auszutauschen. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, für Bürger und Verbände einen Raum zur Bekanntgabe und zum Aus‑ tausch von Ansichten zu schaffen.61 Die Entfaltung der europäischen Öffent‑ lichkeit soll dadurch gefördert werden.62 Allerdings gibt Art. 11 Abs. 1 EUV keine Pflicht der Organe vor.63 Durch die offen gehaltene Formulierung „in geeigneter Weise“ wird weder deutlich, in welcher Form, noch in welchem Umfang die Kommunikationsmöglichkeit eingeräumt werden soll.64 Den Or‑ ganen wird lediglich aufgetragen, im Interesse der Kommunikationsförderung und der Entfaltung der europäischen Öffentlichkeit tätig zu werden.65 Der Begriff der Organe als Verpflichtete sollte dabei nicht in den engen Grenzen des Art. 13 Abs. 1 EUV verstanden werden, da ansonsten andere Einrichtungen wie Agenturen oder der Wirtschafts- und Sozialausschuss aus‑ geschlossen wären. Diese tragen aber ebenfalls zur Umsetzung des Förder‑ auftrages aus Abs. 1 bei. Wiederum andere, ausdrücklich als Organe ausge‑ staltete Institutionen wie der Rechnungshof können nur in sehr begrenztem Maße die Kommunikation fördern. Daher ist der Organbegriff in Art. 11 Abs. 1 – und auch in Abs. 2 – EUV weit zu verstehen und es sind alle Ein‑ richtungen, die die Verpflichtungen aus Art. 11 EUV nach deren Funktion umsetzen können, als umfasst anzusehen.66 Als Berechtigte wird bei Art. 11 Abs. 1 EUV auf die Unionsbürger und die repräsentativen Verbände abgestellt. Die Unionsbürgerschaft bestimmt sich nach Art. 9 S. 2 EUV, Art. 20 AEUV. Die repräsentativen Verbände sind hin‑ gegen nicht im Vertragsrecht konkretisiert. Allerdings darf ähnlich wie bei den verpflichteten Organen kein enges Begriffsverständnis zugrunde gelegt wer‑ 61  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 9. 62  Siehe Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 13. 63  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 10; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 7. 64  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 10; vgl. auch Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 10. 65  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 10. 66  Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 9.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 259

den. Der Zweck des Art. 11 Abs. 1 EUV, die europäische Öffentlichkeit zu fördern, impliziert, dass die Kommunikation unabhängig von jeglicher Beein‑ flussung durch die EU und selbstbestimmt durch die Bürger ablaufen soll.67 Durch Art. 11 EUV soll die wachsende politische und gesellschaftliche Be‑ deutung der Zivilgesellschaft mit ihren verschiedenen Gruppen aufgegriffen werden und den Bürgern sowie den gesellschaftlich relevanten Verbänden er‑ möglicht werden, ihre Standpunkte mittzuteilen und dadurch bürgerschaftli‑ ches Engagement beim Dialog mit den EU-Organen unmittelbar, spezialisiert und sachbezogen einzubringen.68 Vor dem Hintergrund dieser verfolgten Ziele sind Verbände als repräsentativ anzusehen, wenn sich Unionsbürger – nicht nur vorübergehend – zusammengeschlossen haben, um politische Interessen im weitesten Sinne gemeinsam wahrzunehmen.69 Abgebildet werden soll also die breite Bevölkerung bei politischen Abwägungen und Kompromissen, um deren Teilhabe zu fördern.70 Abs. 1 überschneidet sich durch die Bezugnahme auf repräsentative Verbände bereits mit Abs. 2 von Art. 11 EUV, welcher zu einem Dialog mit der Zivilgesellschaft und den repräsentativen Verbänden auffordert.71 Die Intention der primärrechtlichen Bestimmung des Art. 11 EUV liegt also darin, alle nicht völlig unbedeutenden Gruppierungen in allen gesellschaftlichen Bereichen einzubeziehen und in Dialog mit diesen zu tre‑ ten.72 Dieser Gedanke wurde schon im Weißbuch „Europäisches Regieren“ verankert und durch die Regelung des Art. 11 EUV vertieft.73 Zwar kann der Bürger mangels allgemeiner Pflicht der Organe kein Indi‑ vidualrecht aus Art. 11 Abs. 1 EUV ableiten,74 allerdings besteht durch eine Verknüpfung mit Art. 9 S. 1 EUV zumindest ein Recht auf chancengleiche Berücksichtigung beim Zugang zu den von Organen abgehaltenen Diskus­ sionsforen, Kongressen, Internetplattformen, usw.75 67  Huber,

in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 13. in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Art. 11 EUV Rn. 2. 69  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 13; siehe auch Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 7. 70  Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 7; kritisch ge‑ genüber der Einbeziehung von repräsentativen Verbänden Janowski, ZPol 2005, 793 (813 ff.). 71  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 10. 72  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 15. 73  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 7; siehe auch Janowski, ZPol 2005, 793 (814 f.). 74  Bievert, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 11 EUV Rn. 2; Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Art. 11 EUV Rn. 6. Anders nimmt Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 10, aber eine ausdrückliche Holschuld für die Einbeziehung der Verbände an. 75  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 11. 68  Kaufmann-Bühler,

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

bb) Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft (Art. 11 Abs. 2 EUV) Art. 11 Abs. 2 EUV stellt auf einen offenen, transparenten und regelmäßi‑ gen Dialog der Organe mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilge‑ sellschaft ab. Durch diese Regelung soll ein bürgernäheres Europa erzeugt und eine europäische Öffentlichkeit gebildet werden. Interessen sollen bei der europäischen Rechtsetzung als Input und Expertise als Output genutzt werden. Zudem wird durch den zivilgesellschaftlichen Dialog eine gewisse Kontrolle ausgeübt.76 Im Gegensatz zu Art. 11 Abs. 1 EUV wird in Abs. 2 nicht auf den Einzel‑ nen, sondern auf Gruppierungen der repräsentativen Verbände und der Zivil‑ gesellschaft Bezug genommen.77 Was unter der Zivilgesellschaft zu verstehen ist, wird vom Primärrecht nicht geregelt. Auch wenn keine anerkannte Defini‑ tion der Zivilgesellschaft existiert,78 kann zumindest eine Eingrenzung dieser Begrifflichkeit anhand einer Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialaus‑ schusses aus dem Jahr 199979 vorgenommen werden.80 In der Stellungnahme werden bestimmte Voraussetzungen und Funktionen der Zivilgesellschaft her‑ ausgestellt, so dass der Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Konkretisierung des Begriffs vornimmt: „Abstrakt gesprochen läßt sich die organisierte Zivil‑ gesellschaft definieren als Gesamtheit aller Organisationsstrukturen, deren Mitglieder über einen demokratischen Diskurs- und Verständigungsprozeß dem allgemeinen Interesse dienen und welche auch als Mittler zwischen öf‑ fentlicher Gewalt und den Bürgern auftreten.“81 Unter diese Konkretisierung fallen Sozialpartner, Vertretungsorganisationen im sozialen und wirtschaftli‑ chen Bereich, NGOs, Community-Based Organisations – d. h. Organisationen, die aus der Mitte und von der Basis der Gesellschaft her entstehen und mit‑ gliederorientierte Ziele verfolgen – und alle Organisationen, über die die Bür‑ ger am Leben in den Kommunen teilnehmen können.82 Vermieden werden

76  Freise,

Forschungsjournal NSB 2/2008, 16 (17). Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 14. 78  Siehe Grünbuch – Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Drogenpolitik der Eu‑ ropäischen Union, KOM(2006) 316 endgültig vom 26.06.2006, S. 6. 79  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“, ABl. C 329 vom 17.11.1999, S. 30. 80  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 15. 81  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“, ABl. C 329 vom 17.11.1999, S. 30 (33). 77  Vgl.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 261

sollte aber eine einseitige Begrenzung auf Gruppierungen mit bestimmten po‑ litischen Richtungen.83 Dieses durch die EU-Organe regelmäßig übernommene weite Verständnis von der Zivilgesellschaft lässt aber Überschneidungen mit den repräsentati‑ ven Verbänden zu.84 Repräsentative Verbände wie Gewerkschaften oder Ar‑ beitgeberverbände sind auch Sozialpartner im Sinne der Zivilgesellschaft.85 Die begriffliche Unterscheidung in Art. 11 Abs. 2 EUV ist damit nicht nach‑ vollziehbar, lässt sich aber durch die Praxis der Kommission erklären, wel‑ che Interessenverbänden und Lobbygruppen stets eine Sonderrolle ein‑ räumt.86 Trotz dieser begrifflichen Differenzierung ist das Ziel des Art. 11 Abs. 2 EUV aber eindeutig. Es soll einer nicht völlig unbedeutsamen Grup‑ pierung die Möglichkeit eines offenen, transparenten und regelmäßigen Dia‑ logs eingeräumt werden.87 Als wichtigster Partner für die Kommunikation lässt sich die Kommission ausmachen, indem dieser sowohl das Initiativmonopol nach Art. 17 Abs. 2 EUV als auch die Vertretung der EU nach außen gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV zukommt. Zudem übt sie die Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwal‑ tungsfunktionen aus (Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV) und besitzt einen großen Be‑ amtenapparat.88 Ist geklärt, welche Berechtigten und Verpflichteten unter Art. 11 Abs. 2 EUV fallen, muss im Weiteren bestimmt werden, wann ein Dialog offen, transparent und regelmäßig ist. Auch dies wird im Primärrecht nicht konkre‑ tisiert. Offenheit eines Dialoges bedeutet, dass dieser nicht auf eine konkrete Entscheidung ausgerichtet sein soll, sondern die Kommunikation beständig abgehalten wird. Auch muss gewährleistet werden, dass die vorgebrachten Argumente und Meinungen gehört werden und nach Abwägung bei endgülti‑ ger Entscheidung berücksichtigt werden.89 Mit der Offenheit in direkter Ver‑ bindung steht die Transparenz des Dialogs.90 Vom Transparenzgrundsatz wird sowohl die Offenlegung der Beziehungen zwischen den Organen und 82  Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“, ABl. C 329 vom 17.11.1999, S. 30 (33 f.). 83  Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 9. 84  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 15. 85  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 16. 86  Seeger/Chardon, ZPB 2008, 341 (350). 87  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 15. 88  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 25. 89  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 20. 90  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 22.

262

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

den Interessenvertretern als auch des Auswahlprozesses umfasst. Durch die Transparenz bei der Auswahl wird gewährleistet, dass diese fehlerfrei ab‑ läuft, indem sie für alle einsehbar und nachvollziehbar ist.91 In Bezug auf den Auswahlprozess kommt auch Art. 9 S. 1 EUV zum Tragen, wonach die Organe ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit garantieren müssen.92 Die Re‑ gelmäßigkeit des Dialogs zielt auf eine kontinuierliche und verstetigte Kom‑ munikationsbeziehung ab. Nur durch einen konstanten Austausch zwischen den Organen und der Zivilgesellschaft bzw. den repräsentativen Verbänden kann ein Vertrauensverhältnis entstehen.93 Durch den zivilgesellschaftlichen Dialog in Art. 11 Abs. 2 EUV und die damit einhergehende Einbindung von verschiedenen Gruppierungen wird das Konzept der assoziativen Demokratie auf Ebene des Primärrechts einge‑ führt.94 Als „intermediäres Polster“ zwischen dem Bürger und der EU tragen die Zivilgesellschaften und Verbände zu einer Aufrechterhaltung des demo‑ kratischen Prozesses auch außerhalb von Wahlen bei.95 Die Interessengrup‑ pen sollen als Assoziationsgesellschaft verstanden werden, die die repräsen‑ tative Demokratie durch Elemente der assoziativen Demokratie stärken.96 Durch die Einbindung der Zivilgesellschaft und die damit durchgeführte Beratschlagung wird aber auch ein Element der deliberativen Demokratie eingeführt.97 Nichtsdestotrotz birgt die Fokussierung auf den Dialog mit Gruppierungen die Gefahr, den Einzelnen nur noch als Angehörigen einer Gruppe zu sehen und damit eine vollständige Mediatisierung zu erzeugen. Daher sollte zur Vermeidung von Abstrichen in der Freiheit, Gleichheit und Selbstbestim‑ mung des Einzelnen der zivilgesellschaftliche Dialog keine Einschränkung von Mitwirkungsmöglichkeiten des Einzelnen rechtfertigen dürfen.98 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 23. in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 23. 93  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 24. 94  Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 9. 95  Schuppert, in: Klein/Schmalz-Bruns, Politische Beteiligung und Bürgerengage‑ ment in Deutschland, 114 (117, 125); noch zu Art. I-47 VV Ruffert, in: Calliess/Ruf‑ fert, Verfassung der Europäischen Union, Art. I-47 Rn. 10; zum aktuellen Art. 11 EUV Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 10. 96  Siehe Habermas, Faktizität und Geltung, S. 445; Schuppert, in: Klein/SchmalzBruns, Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland, 114 (125 ff.); noch zu Art. I-47 VV Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäischen Union, Art. I-47 Rn. 10; zum aktuellen Art. 11 EUV Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 10, vgl. auch Schmitter, in: Streeck, Staat und Ver‑ bände, 160 ff. 97  Vgl. Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikula‑ rismus, S. 267. 98  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 16, 18. 91  Vgl.

92  Huber,



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 263

cc) Betroffenenbeteiligung (Art. 11 Abs. 3 EUV) Art. 11 Abs. 3 EUV gewährleistet eine Betroffenenbeteiligung, explizit durchgeführt von der Kommission. Nach dieser Vorschrift führt die Kommis‑ sion umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch, um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten. Der Zweck der Anhörung – kohärentes und transparentes Unionshandeln zu gewährleisten – wurde damit in die Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 EUV selbst aufgenommen. Durch die Kohärenz soll eine Widerspruchsfreiheit und konzeptionelle Stim‑ migkeit geschaffen werden.99 Die Transparenz zielt, wie schon bei Art. 11 Abs. 2 EUV, auf die Nachvollziehbarkeit des Unionshandelns.100 Das Han‑ deln der Kommission, welches in nicht-öffentlichen Sitzungen beschlossen wird, soll also nachvollziehbar sein.101 Die Vorschrift des Art. 11 Abs. 3 EUV zielt durch die Betonung der Kohärenz und Transparenz des Unionshandelns auf eine höhere Akzeptanz bezüglich der Entscheidung durch die Bürger ab. Durch Nachvollziehbarkeit, Stimmigkeit, eine höhere Qualität des Outputs unionaler Politik und eine weitgehend kommunikative und dialogische Ein‑ beziehung der Bürger in den Entscheidungsprozess dient die Anhörung letzt‑ lich der Teilhabe.102 Damit steht bei dieser Bestimmung die Deliberation im Vordergrund, welche die Richtigkeit der Entscheidung erhöhen soll.103 Wie auch bei Art. 11 Abs. 1 EUV lässt sich aus Abs. 3 aber kein individu‑ eller Anspruch des Einzelnen auf Durchführung einer konkreten Anhörung ableiten.104 Die Kommission wird lediglich dazu angehalten, entsprechende Anhörungsverfahren vorzusehen.105 Dabei ist der Begriff der Anhörung nicht in einem engen Sinn zu verstehen. Wie die englische und französische Sprachfassung nahe legen, muss von einem breiten Verständnis ausgegangen 99  Mit Verweis auf Art. 5 EUV a. F. Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularismus, S. 252, unter Heranziehung von Blanke, in: Cal‑ liess/Ruffert, EUV/EGV 3. Auflage, Art. 3 EUV Rn. 5. 100  Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularis‑ mus, S. 252. 101  Vgl. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 27. 102  Siehe Entstehungsmaterialien der Norm aus dem Verfassungskonvent, Ände‑ rungsantrag zu Art. 34 VV (abrufbar unter http://european-convention.europa.eu/docs/ Treaty/pdf/34/Art34BeresFR.pdf (Stand: 23.03.2017)); Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularismus, S. 252, 267; vgl. auch Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 30. 103  Siehe Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 8. 104  Noch zu Art. I-47 VV Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäi‑ schen Union, Art. I-47 Rn. 8; zu Art. 11 Abs. 3 EUV Assenbrunner, Europäische De‑ mokratie und nationalstaatlicher Partikularismus, S. 253. 105  Noch zu Art. I-47 VV Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Verfassung der Europäi‑ schen Union, Art. I-47 Rn. 8.

264

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

werden. Im Englischen und Französischen wurde die Begrifflichkeit consultations gewählt. Eine Anhörung im Sinne einer schriftlichen oder auch mündlichen Äußerungsmöglichkeit106 als eine Beteiligungsform ist somit zu eng gefasst. Konsultationen umfassen vielfältige Möglichkeiten, sich zu be‑ teiligen; die Anhörung ist nur eine davon. Abs. 3 weist auch mit dem zivilgesellschaftlichen Dialog des Abs. 2 ge‑ wisse Überschneidungen auf. So kann die geforderte Anhörung in Abs. 3 entweder im Rahmen eines zivilgesellschaftlichen Dialogs oder bei einer uni‑ onalen Maßnahme abgehalten werden.107 Letztere Variante der Anhörung bezieht sich auf die konkreten Adressaten der Maßnahme, d. h. alle Adressa‑ ten oder Drittbetroffenen der konkreten Maßnahme müssen angehört werden. Dafür muss allerdings nicht zwingend die Bestimmung des Art. 11 Abs. 3 EUV herangezogen werden, da die Pflicht zur Anhörung bereits aus dem betroffenen Recht selbst folgt.108 Relevanter für die Ausgestaltung der partizipativen Demokratie ist die An‑ hörung im Rahmen eines zivilgesellschaftlichen Dialogs unabhängig von der Rechtsbetroffenheit. Diese Variante der Anhörung konkretisiert zu Teilen die Bestimmung des Art. 11 Abs. 2 EUV, indem sie zum zivilgesellschaftlichen Dialog zumindest auch umfangreiche Betroffenenanhörungen zählt.109 Der Terminus der Betroffenen ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Dies wird durch die englischen und französischen Sprachfassungen von Art. 11 Abs. 3 EUV impliziert, welche auf parties concerned bzw. parties concernées abstellen.110 Umfasst sind Kreise oder Parteien, die ein Interesse aufweisen.111 Dieses Interesse kann auch ein nicht rechtliches Interesse sein.112 Wer zu den interessierten Betroffenen gehört, ist stets vom Einzelfall abhängig, muss jedoch anhand der sachlichen Gegebenheiten kohärent be‑ stimmt werden.113 Die Kommission hat bereits im Jahr 2002, d. h. weit vor Einführung des Art. 11 Abs. 3 EUV, in einer Mitteilung gewisse Mindeststan‑ dards für die Konsultation festgelegt.114 Diese Standards setzen den Weg des 106  Siehe

z. B. die deutschen Regelungen der §§ 28, 73 VwVfG. in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 26. 108  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 31. 109  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 27. 110  Siehe Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partiku‑ larismus, S. 249. 111  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 28; Assenbrunner, Europäi‑ sche Demokratie und nationalstaatlicher Partikularismus, S. 249. 112  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 30. 113  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 28. 114  Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 107  Huber,



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 265

Weißbuchs „Europäisches Regieren“ fort und beziehen sich hauptsächlich auf die Konsultation bei der Rechtsetzung.115 Dies entspricht auch der Pra‑ xis, wonach Konsultationen insbesondere bei Gesetzesinitiativen, auf Grund‑ lage von Weiß- und Grünbüchern und bei politischen Strategien und Pro‑ grammen abgehalten werden.116 Darüber hinaus fallen aber auch die dele‑ gierten Rechtsakte nach Art. 290 AEUV unter den Anhörungsgegenstand des Art. 11 Abs. 3 EUV. Zudem sind solche Tätigkeiten umfasst, die der Kom‑ mission in verwaltender Funktion durch das Sekundärrecht eingeräumt wer‑ den, wie ein umfangreiches Planungsermessen oder verbindliche Entschei‑ dungskompetenzen.117 Letzteres ist für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse. Die Rolle der Kommission bei der Ausübung von aus dem Sekundärrecht vorgegebenen Verwaltungskompetenzen ist ein entschei‑ dender Aspekt dieser Untersuchung. dd) Europäische Bürgerinitiative (Art. 11 Abs. 4 EUV) Die Bestimmungen in Art. 11 Abs. 1–3 EUV gewähren für den Bürger keine Individualrechte.118 Die Europäische Bürgerinitiative nach Art. 11 Abs. 4 EUV eröffnet hingegen eine gesteigerte Einflussmöglichkeit.119 Nach der Bestimmung in Abs. 4 können Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million beträgt und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheb‑ lichen Anzahl von Mitgliedstaaten handelt, die Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürger eines Rechtsaktes der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen. Auch wenn die Europäische Bürgerinitiative dazu beiträgt, mehr europäi‑ sche, transnationale Debatten anzuregen und eine europäische Meinung zu bilden,120 und dadurch die deliberativ-demokratische Funktion der Bürgerin‑ 11.12.2002. Diese Mindeststandards wurden 2012 einem Review unterzogen, siehe SWD(2012) 422 endgültig vom 12.12.2012. 115  Siehe Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsul‑ tation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Kon‑ sultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 3 f., 15 f. 116  Vgl. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 29; Assenbrunner, Eu‑ ropäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularismus, S. 249 f. 117  Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularis‑ mus, S. 250. 118  Bieber, in: Beneyto/Pernice, Europe’s Constitutional Challenges, 229 (234). 119  Folz, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäischer Verfassungsvertrag, Art. I-47 Rn. 3; vgl. auch Lintschinger, Die Europäisches Bürgerinitiative, S. 7. 120  Hornung, RuP 2011, 94 (101).

266

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

itiative zum Ausdruck kommt,121 spielt diese für die Optimierung des Sekun‑ därrechts keine Rolle. Eine solche Bürgerinitiative ist nicht auf die Beteili‑ gung bei einer konkreten Verwaltungsentscheidung gerichtet, sondern soll vielmehr eine Initiative der Kommission zu einem bestimmten Thema anre‑ gen.122 Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit nimmt aber solche For‑ men der Beteiligung ausdrücklich aus. b) Teilnahme am demokratischen Leben, Offenheit und Bürgernähe (Art. 10 Abs. 3 EUV) Neben Art. 11 EUV ist auch Art. 10 Abs. 3 EUV für partizipative, assozia‑ tive und deliberative Demokratie von Interesse. Art. 10 Abs. 3 EUV umfasst zwei Garantien. In S. 1 wird allen Bürgern das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen, eingeräumt. S. 2 verpflichtet dazu, Entschei‑ dungen so offen und bürgernah wie möglich zu treffen. Von den Teilnahmerechten nach S. 1 sind z. B. die Möglichkeit der europä‑ ischen Bürgerinitiative nach Art. 11 Abs. 4 EUV, aber auch das Petitions‑ recht, das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41 GRC) und auf Zugang zu Dokumenten (Art. 42 GRC) und das repräsentativ-demokratische Wahlrecht umfasst.123 Damit zielt die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 S. 1 EUV nicht nur auf die Etablierung der partizipativen Demokratie, sondern umfasst we‑ gen der offenen Formulierung des „demokratischen Lebens“ auch repräsen‑ tativ-demokratische Elemente.124 Die in S. 1 niedergelegte Garantie dient vor allem dem Ausschluss von Fremdbestimmungen bei politischen Entscheidun‑ gen. Den Bürgern soll die Möglichkeit eingeräumt werden, demokratisch mitwirken zu können. Würde einem Einzelnen oder einer Gruppe von Bür‑ gern die Teilnahme am demokratischen Leben untersagt werden, würde dies gegen die Garantie des Art. 10 Abs. 3 S. 1 EUV verstoßen, was zugleich eine Unwirksamkeit des jeweiligen Aktes zur Folge hätte. Eine solche Unwirk‑ samkeit müsste auch angenommen werden, wenn bspw. vor dem Hintergrund 121  Vgl. Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikula‑ rismus, S. 267. 122  Welche Rechtswirkung einer Bürgerinitiative zukommt, ist umstritten, vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 27, der einen Überblick über den Streitstand gibt. 123  Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 10 Rn. 11; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 43; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 10 EUV Rn. 12. 124  Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 12; anders Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 43, der von der Etablierung der partizipativen Demokratie spricht, allerdings im Nachfolgenden auch auf das reprä‑ sentativ-demokratische Wahlrecht abstellt.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 267

von Art. 9 S. 1 EUV eine ungleiche Repräsentation der Unionsbürger Aus‑ wirkungen auf die Abstimmungen des Europäischen Parlaments hätte und damit die demokratische Teilhabe der Bürger verzerrt würde.125 Die in Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV niedergelegte Offenheit und Bürgernähe zielt vor allem auf die Transparenz der Entscheidung. Bereits in der Präam‑ bel des EUV und in Art. 1 Abs. 2 EUV sind die Offenheit und die Bürger‑ nähe verankert.126 Art. 11 Abs. 2, 3 EUV ziehen ebenfalls die Transparenz und Offenheit heran. Auch gehört die Offenheit zu einem der demokratischrechtsstaatlichen Grundsätze nach dem Weißbuch „Europäisches Regieren“.127 Durch die Aufnahme der Offenheit und Bürgernähe in Art. 10 EUV, der aus‑ weislich seiner Überschrift die demokratischen Grundsätze regelt, werden diese in den Rang demokratischer Elemente gehoben. Der Offenheit und Bürgernähe kommen damit demokratische Bedeutungen zu.128 Für die Partizipation spielt daher nicht nur S. 1 von Abs. 3, sondern auch S. 2 eine Rolle. Aufgrund seiner systematischen Stellung ist aber fraglich, ob Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV auch auf Verwaltungshandeln Anwendung findet. Das Transparenz- bzw. Offenheitsprinzip aus Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV ist in die Bestimmung über die demokratischen Grundsätze der EU eingebettet, welche auf die Organe des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rates und des Rates sowie auf die politischen Parteien abzielen. Damit sind vor‑ rangig legislativ tätige Organe umfasst. Dennoch ist das Transparenz- bzw. Offenheitsprinzip in Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV sowohl auf die Normgesetzge‑ bungsverfahren als auch auf die Verwaltungsverfahren anwendbar.129 Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV steht im Zusammenhang mit Art. 11 EUV und Art. 15 AE‑ UV.130 Diese Bestimmungen sind nach deren Wortlaut („Organe“ bzw. „Or‑ 125  Zum Vorangehenden Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 12. 126  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 82. 127  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001) 428 endgültig, ABl. C 287 vom 12.10.2001, S. 1 (7). 128  Siehe Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 92; siehe auch Lienbacher/Kröll, in: Schwarze, EU-Kom‑ mentar, Art. 10 EUV Rn. 18. 129  Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 10 Rn. 16; siehe auch die Ausführungen von Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 99 ff., der auch das Gerichtsverfahren als um‑ fasst ansieht. 130  Siehe Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 10 Rn. 14 f., 18; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 48; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 90, 97.

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

gane, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union“) an einen breiten Adres‑ satenkreis gerichtet und umfassen auch Verwaltungshandeln. Dieser Zusammenhang der Vorschriften wird aus der Entwicklung von Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV deutlich. Bei der Erarbeitung des Verfassungsvertra‑ ges wurden die Bestimmungen zur repräsentativen Demokratie, wie sie nun in Art. 10 EUV zu finden sind, zunächst nicht aufgenommen, sondern es fand sich lediglich eine Vorschrift über die partizipatorische Demokratie, welche bereits Bestimmungen zu Transparenz und Offenheit enthielt, ohne auf ein bestimmtes Organ beschränkt zu sein.131 Erst im Laufe der weiteren Arbeiten zum Verfassungsvertrag wurde ein eigenständiger Artikel über die repräsentative Demokratie geschaffen, welcher schließlich in der Fassung des Art. I-45 VV mündete und Art. 10 EUV entspricht. Dabei fanden offensicht‑ lich auch die Bestimmungen aus dem vorherigen Artikel zur partizipatori‑ schen Demokratie Einfluss in die Ausgestaltung. Dies legt der Änderungsan‑ trag des Mitglieds des Verfassungskonvents Kaufmann nahe. In diesem An‑ trag wurde die Streichung des Transparenz- bzw. Offenheitsprinzips in Art. I-45 VV vorgeschlagen, da dieser nicht die repräsentative Demokratie betreffe und sein Gehalt bereits in Art. I-46 und I-49 (den heutigen Art. 11 EUV und Art. 15 AEUV) enthalten sei.132 Bereits bei der Entwicklung wurde somit offensichtlich auf die weiten Adressatenkreise von Art. 11 EUV und Art. 15 AEUV abgezielt, so dass auch das Verwaltungshandeln umfasst sein sollte. Dass das Transparenz- bzw. Offenheitsprinzip in Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV dennoch Eingang gefunden hat und nicht gestrichen wurde, kann nichts an der dahinterstehenden Intention, einen weiten Adressatenkreis einzubezie‑ hen, ändern. Auch der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass durch die Transparenz in Art. 10 EUV eine bessere Beteiligung am Entscheidungsverfahren ermög‑ licht und eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwal‑ tung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System garantiert wird.133 Durch die Transparenz werden mithin die Voraussetzungen einer effektiven Partizipation auch bei Verwaltungshandeln gesichert.134 Die von Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV umfasste Transparenz steht in unmittel‑ baren Zusammenhang z. B. mit den verschiedenen Bestimmungen des Art. 11 131  Siehe Art. 34 des Entwurfs über Teil I der Verfassung, Titel VI: Das demokra‑ tische Leben der Union, CONV 650/03 vom 02.04.2003. 132  Änderungsantrag für Art. I-45 von Sylvia-Yvonne Kaufmann (abrufbar unter http://european-convention.europa.eu/docs/Treaty/pdf/3599/3599_Art %20I %20 45 %20Kaufmann %20DE.pdf (Stand: 23.03.2017)). 133  EuGH verb. Rs. 92/09 und 93/09, Slg. 2010 I-11063, ECLI:EU:C:2010:662, Rn. 68 – Schecke und Eifert. 134  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 46.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 269

EUV oder dem Zugang zu Dokumenten nach Art. 42 GRC sowie den be‑ reichsspezifischen Richtlinien, die die Mitgliedstaaten zu transparenten Ver‑ waltungsverfahren bewegen sollen (z. B. UmwInfo-RL).135 Dem Offenheits‑ grundsatz wohnt somit insbesondere eine prozedurale Komponente inne. Die Entscheidungsfindung muss zugänglich und offen sein.136 Für den Bürger muss die Willensbildung vor einer Entscheidung sichtbar und verständlich sein. Die Entscheidungsabläufe müssen nachvollziehbar sein und die Verant‑ wortlichen erkennen lassen.137 Es soll eine Vermittlung und Rückkopplung der politischen Entscheidungen erfolgen, wodurch das Vertrauen der Bürger in die Verwaltung gestärkt werden soll.138 Zudem muss der Bürger die Mög‑ lichkeit haben, seine Meinungen und Ansichten effektiv in den Entschei‑ dungsprozess einbringen zu können. Nur dann ist das Verfahren wirklich offen. Dabei dürfen aber keine übermäßigen Hindernisse prozeduraler, for‑ maler oder finanzieller Art aufgestellt werden. Außerdem muss der Zeit‑ punkt für die Einbringung der Meinungen so gewählt sein, dass diese die Entscheidung noch beeinflussen können. Hinsichtlich des Adressatenkreises der Beteiligungsberechtigten lässt das Primärrecht dem europäischen Gesetz‑ geber aber einen weiten Gestaltungsspielraum, so dass ein Verstoß gegen das Transparenz- bzw. Offenheitsprinzip erst in schwerwiegenden Fällen an‑ zunehmen ist.139 Schließlich muss nicht nur der Entscheidungsprozess, son‑ dern auch die Entscheidung selbst transparent sein. Die Beweggründe für die Entscheidung müssen kenntlich gemacht sowie klar und nachvollziehbar dargelegt werden, wobei auch die jeweilige Prioritätensetzung offengelegt werden muss.140 Damit kann Kontrolle ausgeübt und politische Verantwort‑ lichkeit nachvollzogen werden, wodurch die Organe an politischem Oppor‑ tunismus gehindert werden.141 Neben der prozeduralen Komponente wird mit der Offenheit und Bürger‑ nähe – wie schon in der Präambel des EUV verdeutlicht – auch die Subsidi‑ 135  Huber,

in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 48. in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 90. 137  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 93; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 13; vgl. auch von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 13 (67). 138  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 91. 139  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 100. 140  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 96. 141  Mandt, ZfP 1997, 1 (7). 136  Nettesheim,

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

arität verknüpft.142 Dadurch, dass Entscheidungen möglichst bürgernah ge‑ troffen werden sollen, kann die Distanz zum Entscheidungsträger, die in der EU durch deren Größe zwangsläufig besteht, minimiert werden. Diese demo‑ kratische Schwäche wird durch das Subsidiaritätsprinzip ausgeglichen.143 Regelungen auf unionaler Ebene sollen also nur dann getroffen werden, wenn die Bürger die Entscheidung nicht selbst oder nicht in geeigneter Weise treffen können.144 Die beiden Garantien in Art. 10 Abs. 3 EUV tragen somit zur Etablierung der partizipativen, assoziativen und deliberativen Demokratie im Primärrecht bei. Insbesondere der Transparenzgrundsatz aus S. 2 ermöglicht den Bürgern, die Entscheidungen mitzugestalten und nachzuvollziehen.

2. Grundsatz der Offenheit (Art. 15 AEUV) Mit Art. 11 und Art. 10 Abs. 3 EUV in Verbindung steht der Grundsatz der Offenheit aus Art. 15 AEUV.145 Nach Art. 15 Abs. 1 AEUV handeln die Or‑ gane, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit, um eine verantwortungsvolle Ver‑ waltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen. Durch die Heranziehung der Beteiligung der Zivilgesellschaft zielt die Be‑ stimmung auf Art. 11 Abs. 2 EUV ab.146 Aber auch der Meinungsaustausch nach Art. 11 Abs. 1 EUV, die Betroffenenanhörung nach Art. 11 Abs. 3 EUV und die Einreichung einer europäischen Bürgerinitiative nach Art. 11 Abs. 4 EUV sind nur möglich, wenn die Arbeitsweise der europäischen Organe transparent und offen ausgestaltet ist.147 Der Offenheitsgrundsatz bezieht sich insbesondere – wie bei Art. 10 Abs. 3 EUV – auf die Offenlegung von Entscheidungsprozessen.148 Dennoch be‑ 142  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 47; Lienbacher/Kröll, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EUV Rn. 19; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettes‑ heim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 10 EUV Rn. 86 ff. 143  Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 13. 144  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 47. 145  Vgl. Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 1; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 1. 146  Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 4; Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 15 AEUV Rn. 11. 147  Siehe Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi‑ schen Union, Art. 15 AEUV Rn. 11. 148  Vgl. Schoo/Görlitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 15 AEUV Rn. 8 mit Verweis auf die Kommentierung von Art. 10 EUV in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 271

steht auch bei Art. 15 Abs. 1 AEUV aufgrund fehlender ableitbarer Individu‑ alrechte keine Möglichkeit zur Einklagbarkeit.149 Die Förderung einer ver‑ antwortungsvollen Verwaltung nach Art. 15 Abs. 1 AEUV begrenzt den An‑ wendungsbereich des Offenheitsgrundsatzes allerdings nicht nur auf die Verwaltung im Sinne der Administrative. In der englischen Sprachfassung wird der Begriff des governance gebraucht, was nicht nur administrative, sondern auch gubernative Tätigkeiten, einschließlich der Rechtsetzung um‑ fasst.150 Diese Auslegung deckt sich mit dem Verständnis des Weißbuches „Europäisches Regieren“, welches in englischer Sprachfassung unter dem Titel „European Governance“ Grundsätze des guten Regierens (good governance) für die demokratische Legitimation vorgibt.151 Auch systematisch lässt sich der Offenheitsgrundsatz nicht auf die Verwaltung beschränken. Art. 15 Abs. 2 und 3 AEUV beziehen sich auch auf die Legislative und Judi‑ kative, so dass der Offenheitsgrundsatz für alle unionalen Handlungen gelten soll.152 Nichtsdestotrotz muss er nur weitestgehend gewährleistet werden, so dass andere wichtige Grundsätze und Werte der EU damit abgewogen wer‑ den müssen. Die fundamentale Bedeutung des Offenheitsgrundsatzes, die durch die besonderen Regelungen im Primärrecht entsteht, muss aber stets beachtet werden.153 Neben dem allgemeinen Offenheitsgrundsatz aus Art. 15 Abs. 1 AEUV enthält der Artikel in Abs. 2 und 3 weitere Konkretisierungen dieses Grund‑ satzes.154 Für die Partizipation von Interesse ist dabei der Zugang zu Doku‑ menten in Abs. 3, da nur durch ausreichende Informationen überhaupt eine Teilnahme am demokratischen Leben möglich ist.155 Art. 15 Abs. 3 UAbs. 3 AEUV greift auch die Transparenz auf und schreibt diesbezüglich vor, dass Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen die Transparenz ihrer Tätigkeit gewährleisten müssen. Zum Großteil wird darauf abgestellt, dass der Trans‑ parenzgrundsatz der übergeordnete Grundsatz sei, der sowohl die Bürger‑ 149  Schoo/Görlitz,

in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 15 AEUV Rn. 7. in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 15 AEUV Rn. 10; Assenbrunner, Europäische Demokratie und national‑ staatlicher Partikularismus, S. 202; anders Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 2, der legislative Aktivitäten als nicht umfasst ansieht. 151  Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 15 AEUV Rn. 10. 152  Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 2. 153  Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 5. 154  Epping, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäischer Verfassungsvertrag, Art. I-50 Rn. 2; Schoo/Görlitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 15 AEUV Rn. 6. 155  Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 273; Mendes, Participation in EU Rule-Making, S. 293. 150  Krajewski/Rösslein,

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

nähe als auch die Offenheit umfasse.156 Transparenz soll damit der Oberbe‑ griff zu Offenheit und Bürgernähe sein. Allerdings ist dieses Verhältnis aus dem Primärrecht so nicht ersichtlich. Vielmehr wird durch die verschiede‑ nen Regelungen deutlich, dass die Offenheit als Oberbegriff zur Transpa‑ renz verstanden wird.157 Transparenz ist vom Wortverständnis her auf die Nachvollziehbarkeit und Durchschaubarkeit gerichtet,158 während die Offen‑ heit weiter geht und die Aufgeschlossenheit und unvoreingenommene Aus‑ einandersetzung mit etwas oder jemanden umfasst.159 Dieses Verständnis folgt auch aus einem Umkehrschluss aus Art. 15 Abs. 3 UAbs. 4 AEUV: Der Transparenzgrundsatz ist nach dieser Ausnahme für den Gerichtshof, die Europäischen Zentralbank und die Europäischen Investitionsbank nur bei administrativen Tätigkeiten anwendbar. Diese Ausnahme bezieht sich aber nur auf die Transparenz aus Abs. 3. Der Offenheitsgrundsatz ist weiter‑ hin anwendbar und greift somit ganz allgemein für alle Angelegenheiten.160 Dadurch wohnt dem Offenheitsgrundsatz ein „Mehr“ inne, was über die Transparenz hinausgeht. Zudem stellt das Primärrecht in Art. 11 Abs. 2 EUV Offenheit und Transparenz nebeneinander und macht dadurch – wie auch schon Art. 15 AEUV – eine Unterscheidung dieser beiden Grundsätze deutlich.161 Allerdings erweist sich die Entstehungsgeschichte des Art. 15 AEUV zu‑ nächst als nicht eindeutig in Bezug auf das Verhältnis von Offenheit und Transparenz. Die Vorgängernorm des Art. I-50 VV war mit der Überschrift „Transparenz der Arbeit der Organe der Union“ versehen.162 Dennoch unter‑ schied die Vorgängervorschrift zu Art. 11 Abs. 2 EUV zu diesem Zeitpunkt schon zwischen Offenheit und Transparenz. Schließlich wurde für Art. 15 AEUV der „Grundsatz der Offenheit“ als Titel gewählt. Es ist somit davon auszugehen, dass doch eine bewusste Trennung der Begrifflichkeiten vorge‑ 156  Siehe Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rn. 3; Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Euro‑ päischen Union, Art. 15 AEUV Rn. 3; Schoo/Görlitz, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 15 AEUV Rn. 3; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 274 ff. 157  So auch Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Parti‑ kularismus, S. 201; Alemanno, E.L.Rev. 2014, 72 (81). 158  Definition „Transparenz“ nach dem Duden, http://www.duden.de/rechtschrei bung/Transparenz (Stand: 19.10.2017). 159  Definition „Offenheit“ nach dem Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/ Offenheit (Stand: 19.10.2017). 160  Alemanno, E.L.Rev. 2014, 72 (76 Fn. 33; 77). 161  Vgl. Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikula‑ rismus, S. 200. 162  Art. I-50 Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl. C 310 vom 16.12.2004, S. 1.



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nommen werden sollte.163 Die Offenheit ist somit – wie auch in Art. 10 Abs. 3 S. 1 und S. 2 EUV angelegt – als Zugänglichkeit und Inklusivität der Transparenz übergeordnet.164 De facto ist dieses Verhältnis für die Partizipa‑ tion und Teilnahme an den Entscheidungen aber nur nachrangig. In jedem Fall müssen ein zugänglicher und nachvollziehbarer Entscheidungsprozess und eine transparente und offene Entscheidung vorliegen.

3. Beitrag für die Optimierungsvorschläge Die Bestimmungen aus Art. 11, Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV zeigen, dass die partizipative, assoziative und deliberative Demokratie mitt‑ lerweile ins Primärrecht Eingang gefunden hat. Die Mitgliedstaaten haben die Wichtigkeit dieser Konzepte erkannt und aufgenommen. Durch die Ver‑ ankerung am Anfang der jeweiligen Verträge wurde ihnen eine wichtige Rolle eingeräumt. Die verschiedenen Bestimmungen im Primärrecht tragen in unterschiedlicher Art und Weise zur Optimierung der Drittbeteiligung im Sekundärrecht bei. a) Bürgerbeteiligung (Art. 11 EUV) Der Art. 11 EUV zur Bürgerbeteiligung trägt mit seinen verschiedenen in‑ haltlichen Ausprägungen materiell zur Förderung der Beteiligung im Sekun‑ därrecht bei. Durch den europäischen Gesetzgeber wurde in Art. 11 EUV ein Gebot zur Stärkung der Bürgerbeteiligung normiert, welches nach den in Abs. 1–3 festgelegten Maßgaben auch in die sekundärrechtlichen Regelun‑ gen Eingang finden muss. Art. 11 Abs. 1 EUV sieht vor, dass EU-Organe den Bürgern und repräsen‑ tativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit geben, ihre Ansichten in allen Bereichen des Unionshandels öffentlich bekannt zu geben und aus‑ zutauschen. Diese Vorschrift zielt auf einen Kommunikationsraum ab, der zum freien Austausch von Meinungen geschaffen werden soll. Durch einen Kommunikationsraum wird die demokratische Selbstbestimmung des Einzel‑ nen im Gefüge eines Kollektivs garantiert. Insbesondere auf europäischer Ebene ist das Vorhandensein eines solchen Kommunikationsraumes aber pro‑ blematisch, da zum einen der EU vorgeworfen wird, nur die Eliten einzube‑ ziehen, zum anderen auch die Sprachbarriere durch die in der EU vorherr‑ 163  Vgl. die Ausführungen bei Assenbrunner, Europäische Demokratie und natio‑ nalstaatlicher Partikularismus, S. 199 f. 164  Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularis‑ mus, S. 201.

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schende Sprachenvielfalt unüberbrückbar erscheint.165 Um dieses Defizit zu beseitigen, müssen die Vorgaben des Art. 11 Abs. 1 EUV auch im Rahmen des Sekundärrechts verankert werden. Durch die Beteiligung von Dritten im Vorfeld von Entscheidungen wird die Möglichkeit gegeben, Ansichten mitzu‑ teilen und sowohl mit den EU-Organen als auch anderen Beteiligten in Kon‑ takt zu treten. Die Bildung eines Kommunikationsraumes wird dadurch ge‑ fördert. Nach der weiten Fassung des Art. 11 Abs. 1 EUV kommt den Bür‑ gern und Verbänden nicht nur allgemein die Möglichkeit zu, sich an den europäischen Handlungen zu beteiligen, sondern der Austausch im konkreten Fall vor dem Erlass einer Verwaltungsentscheidung ist Teilaspekt des großen Gefüges „Kommunikationsraum“. Als einer von mehreren Bausteinen soll die Drittbeteiligung vor Verwaltungsentscheidungen gestärkt werden. Dabei begründet die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 i. V. m. Art. 9 S. 1 EUV auch einen Anspruch auf diskriminierungsfreie Teilhabe an den Maßnahmen der EU-Organe.166 Dies impliziert, dass die Beteiligung ebenfalls diskriminie‑ rungsfrei, ohne Bevorzugung einer speziellen Gruppe ohne ersichtlichen Grund durchgeführt werden muss. Die Maßgabe des Art. 11 Abs. 1 EUV be‑ deutet für die Drittbeteiligung somit eine Förderung der Beteiligungsrechte im Sekundärrecht, wobei diese diskriminierungsfrei gestaltet sein müssen. Nach Abs. 2 von Art. 11 EUV pflegen die Organe einen offenen, transparen‑ ten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivil‑ gesellschaft. Prominent ist das damit zum Ausdruck kommende Kooperations‑ prinzip vor allem im Umweltrecht.167 Dies zeigt sich z. B. anhand der UVP-IIRL und EMAS-III-VO. Die EMAS-III-VO zielt vorwiegend auf die Koopera‑ tion mit Wirtschaftsteilnehmern ab, während die UVP-II-RL neben der Wirtschaft mittels öffentlicher Beteiligung auch die gesellschaftliche Partizipa‑ tion durch private Beiträge zur Umweltverträglichkeitsprüfung im Blick hat.168 Aber auch in anderen Rechtsbereichen kommt dem in Art. 11 Abs. 2 EUV vor‑ gesehen Dialog eine besondere Bedeutung zu. Durch die Verankerung im Pri‑ märrecht wird die Einbeziehung von Verbänden und der Zivilgesellschaft posi‑ tiv besetzt und den Akteuren wird eine größere Bedeutung eingeräumt.169 165  Zum Vorangehenden Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 8. 166  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 11. 167  Appel, in: Koch, Umweltrecht, § 2 Rn. 45; Meßerschmidt, Europäisches Um‑ weltrecht, § 3 Rn. 162; siehe auch Epiney, Umweltrecht der Europäischen Union, S. 141, die das Kooperationsprinzip allerdings nur als angedeutet und nicht als aus‑ drücklich in Art. 11 EUV geregelt betrachtet. 168  Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 3 Rn. 166; vgl. auch Epiney, Um‑ weltrecht der Europäischen Union, S. 142 mit Fn. 30. 169  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 29; Seeger/Chardon, ZPB 2008, 341 (350).



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Wichtigster Kommunikationspartner ist dabei die Kommission, auch im Bereich der Exekutivfunktion nach Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV.170 Dadurch er‑ langt Art. 11 Abs. 2 EUV auch eine Verknüpfung zu den sekundärrechtlichen Bestimmungen zur Drittbeteiligung. Der vorgesehene Dialog mit den Ver‑ bänden und der Zivilgesellschaft wird ebenfalls im Bereich der vollziehen‑ den Aufgaben der Kommission eingeordnet, d. h. auch bei der Vollziehung der Sekundärrechtsakte. Die Dialogbereitschaft aus Art. 11 Abs. 2 EUV muss somit auch Ausdruck in den sekundärrechtlichen Bestimmungen finden. Ein solcher Dialog kann durch die Beteiligung von Verbänden vor Erlass von Verwaltungsentscheidungen gefördert werden. Indem Verbände und die Ad‑ ressaten der Zivilgesellschaft einbezogen werden, tritt die EU mit diesen in Kontakt, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Abs. 2 ist ähnlich zu Abs. 1 durch die breite Formulierung auf einen allgemeinen Dialog gerichtet, der durch die konkrete Drittbeteiligung vor Verwaltungsentscheidungen ausge‑ baut werden kann. Eine Vielzahl der untersuchten Rechtsakte bezieht bereits Interessengruppen, Verbände oder auch interessierte Kreise oder Parteien ein, so dass die richtige Richtung bereits eingeschlagen wurde. Art. 11 Abs. 2 EUV dient aber auch der primärrechtlichen Verankerung der Lobbyarbeit.171 Starke Interessengruppen können durchaus viel Einfluss innerhalb der EU ausüben, was sich auch auf die sekundärrechtliche Drittbeteiligung vor Ver‑ waltungsentscheidungen auswirken könnte. Daher muss auch bei der Beteili‑ gung vor Verwaltungsentscheidungen immer noch gewährleistet werden, dass die Bürger in den Adressatenkreis der Beteiligung einbezogen werden, um ein Gegengewicht zu den Verbänden mit ihren Eigeninteressen zu erzeu‑ gen.172 Eine Beteiligung von Verbänden und Interessengruppen vor dem Hin‑ tergrund des Art. 11 Abs. 2 EUV kann nicht als ausreichend angesehen wer‑ den. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn Abs. 2 zusammen mit Abs. 1 von Art. 11 EUV bei den Optimierungsvorschlägen betrachtet wird, so dass Bürger ebenfalls in ihren Beteiligungsrechten gestärkt werden.173 Schließlich muss die Anhörung Betroffener nach Art. 11 Abs. 3 EUV für die Optimierungsvorschläge herangezogen werden. Die Kommission soll umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durchführen, um die Kohärenz und Transparenz des Unionshandelns zu gewährleisten. Während Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 EUV eher allgemein vorgeben, Bürger, Verbände oder die 170  Huber,

in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 25. in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 17; Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-Verträge, Art. 11 EUV Rn. 7. 172  Vgl. auch die Kritik von Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 18. 173  Kritisch hinsichtlich der Verbände und der Zivilgesellschaft als Adressatenkreis auch Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 16; Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 29; Seeger/ Chardon, ZPB 2008, 341 (356). 171  Huber,

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Zivilgesellschaft einzubeziehen, ist Abs. 3 explizit auf Anhörungen von Be‑ troffenen gerichtet. Davon sind auch Anhörungen Betroffener, die an einem konkreten Vorhaben interessiert sind, aber kein rechtlich geschütztes Inter‑ esse ausweisen, umfasst.174 Zudem ist von einem weiten Verständnis des Anhörungsbegriffs auszugehen, welcher auf die allgemeine Form der Kon‑ sultation abzielt. Die Anhörungen werden beim Erlass von Grün- und Weiß‑ büchern oder Mitteilungen vor Rechtsetzung durchgeführt, aber auch beim Erlass delegierter Rechtsetzungsakte nach Art. 290 AEUV.175 Wichtigster Anwendungsfall für die vorliegende Untersuchung ist die Anhörung bei der Erfüllung von verwaltenden Aufgaben durch die Kommission, die durch das Sekundärrecht vorgegeben sind und bei denen der Kommission ein umfang‑ reiches Planungsermessen und verbindliche Entscheidungskompetenzen mit einem breiten Kreis möglicher Betroffener eingeräumt werden.176 Insoweit ist Art. 11 Abs. 3 EUV bereits konkret auf die Beteiligung zugeschnitten und umfasst nicht nur wie Abs. 1 und Abs. 2 einen Meinungsaustausch oder eine Dialogbereitschaft. Fraglich ist aber, ob die Bestimmung des Art. 11 EUV auf alle sekundär‑ rechtlichen Drittbeteiligungsbestimmungen angewendet werden kann. Art. 11 EUV ist auf die EU-Organe bzw. in Abs. 3 nur auf die Kommission gerichtet. Auch wird auf das Handeln der EU abgestellt. Der Abs. 1 verpflichtet die EU-Organe, in allen Bereichen des Unionshandels die Möglichkeit zum Mei‑ nungsaustausch einzuräumen. Auch Abs. 2 bezieht die Organe ein, während Abs. 3 die Kommission dazu anhält, Konsultationen durchzuführen, damit das Unionshandeln kohärent und transparent ist. Von den Bestimmungen in den Abs. 1–3 ist zwar vor allem die Rechtsetzung umfasst,177 allerdings sind diese nicht darauf beschränkt. Die weiten Formulierungen von Art. 11 Abs. 1 und Abs. 3 EUV nehmen allgemein das Unionshandeln in den Blick. Daher ist auch die Rechtsausführung des Sekundärrechts durch die Kommission oder Agenturen vor dem Hintergrund des Art. 11 EUV durchzuführen.178 Der Organbegriff des Art. 11 EUV ist weit zu verstehen und umfasst z. B. auch Agenturen. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck von Art. 11 174  Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 30; ebenso Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularismus, S. 249. 175  Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikularis‑ mus, S.  249 f. 176  Siehe Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partiku‑ larismus, S. 250. 177  Vgl. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 29; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 10, 14. 178  Vgl. Assenbrunner, Europäische Demokratie und nationalstaatlicher Partikula‑ rismus, S. 250.



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EUV die Kommunikation und Teilhabe zu fördern. Eine solche Förderung kann aber nicht durch alle in Art. 13 Abs. 1 EUV genannten Organe erfolgen. So ist der Rechnungshof nur in sehr begrenztem Maße zur Kommunikations‑ förderung angehalten. Agenturen nehmen hingegen einen wichtigen Platz für die Teilhabe- und Kommunikationsförderung ein, obwohl sie nicht in Art. 13 Abs. 1 EUV genannt sind. Dies wird auch durch Art. 298 Abs. 1 AEUV ver‑ deutlicht, welcher die Agenturen als „sonstige Stellen“ als Teil der europäi‑ schen Verwaltung umfasst. Wenn Art. 11 EUV (auch) auf Verwaltungshan‑ deln und die dabei angestrebte Teilhabe- und Kommunikationsförderung zielt, müssen auch die Agenturen als Teil der Administrative diese Ziele von Art. 11 EUV verwirklichen. Kommission oder Agenturen sind somit beim Erlass von Verwaltungsentscheidungen angehalten, Bürgern und repräsentati‑ ven Verbänden einen Austausch zu ermöglichen, einen Dialog mit Verbänden und der Zivilgesellschaft zu führen und Anhörungen von Betroffenen abzu‑ halten, wobei letzteres ausdrücklich nur für die Kommission gilt. Die Sekun‑ därrechtsakte, die als Beteiligungsverpflichtete europäische Institutionen vorsehen, sind somit vom Wirkungskreis des Art. 11 EUV erfasst. Bei Sekundärrechtsakten, die mitgliedstaatliche Institutionen zur Beteili‑ gung verpflichten, d. h. insbesondere Richtlinien, könnte dies aber angezwei‑ felt werden. Art. 11 EUV bezieht sich gerade nur auf die Organe (im Sinne eines weiten Verständnisses) bzw. die Kommission sowie auf Unionshandeln. Bei solchen Drittbeteiligungen, die aber im mitgliedstaatlichen Vollzug auf Grundlage nationalen Rechts, was zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurde, durchgeführt werden, agieren weder EU-Organe oder die Kommis‑ sion, noch stellt dies direktes Handeln der Union dar. Es handeln nationale Behörden. Dennoch müssen die Vorgaben von Art. 11 EUV auch bei diesen Sekundärrechtsakten garantiert werden. Zwar sind Adressaten von Art. 11 Abs. 1–3 EUV die EU-Institutionen. Allerdings muss die Vorschrift des Art. 11 EUV in Zusammenhang mit den Regelungen der Art. 10 Abs. 3 EUV, Art. 15 AEUV betrachtet werden, um die Konzepte der partizipativen, asso‑ ziativen und deliberativen Demokratie vollständig zu erfassen. Der Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 EUV ist – im Gegensatz zu Art. 11 EUV – nicht auf die Organe bzw. die Kommission als Verpflichtete begrenzt, so dass auch mit‑ gliedstaatliche Institutionen an diese Vorschrift gebunden sind. Der primär‑ rechtliche Zweck, welcher hinter Art. 10 Abs. 3, Art. 11 EUV und Art. 15 AEUV steht, würde aber konterkariert, wenn Art. 11 EUV losgelöst von den anderen Regelungen ausschließlich für die Unionsebene gelten würde. Die infolge dieser Regelungen auf Primärrechtsebene verankerten Konzepte der partizipativen, assoziativen und deliberativen Demokratie bezwecken die Förderung der Teilhabe und Kommunikation. Für deren Durchsetzung sind die Mitgliedstaaten – wie aus Art. 10 Abs. 3 EUV deutlich wird – auch ver‑ antwortlich. Dies lässt sich einerseits aus dem Grundsatz der loyalen Zusam‑

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

menarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV ableiten. Andererseits müssen die Mitglied‑ staaten nach dem effet utile-Grundsatz die Kommunikation und Teilhabe ebenfalls fördern, damit dieses primärrechtlich durch Art. 10 Abs. 3, Art. 11 EUV und Art. 15 AEUV vorgegebene Gebot verwirklicht werden kann. Schließlich kann auch die Regelung des Art. 197 Abs. 1 EUV herangezogen werden, wonach die effektive Durchführung des Unionsrechts durch die Mit‑ gliedstaaten als Frage von gemeinsamem Interesse anzusehen ist. Entschei‑ den die Mitgliedstaaten also im indirekten Verwaltungsvollzug, muss inner‑ halb dessen – neben den Bestimmungen der Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV – auch die Regelung des Art. 11 EUV als Teil des gemeinsamen Inte‑ resses Anwendung finden und dadurch die Kommunikation und Teilhabe gefördert werden. Der Telos von Art. 11 EUV, eine Vertiefung der Bürgerbe‑ teiligung zu erreichen, muss somit umfassend sowohl von den europäischen als auch von den mitgliedstaatlichen Institutionen gewährleistet werden. Die EU ist durch Art. 11 EUV nicht nur zu einer Stärkung der beteili‑ gungszentrierten Demokratiekonzepte im Vorfeld der Rechtsetzung angehal‑ ten, sondern durch die weite Formulierung ohne Beschränkung auf ein be‑ stimmtes Handeln kann auch in den Sekundärrechtsakten eine solche Garan‑ tie verankert werden, so dass die Mitgliedstaaten zu einer drittfreundlichen Ausgestaltung der Beteiligung beim Vollzug angehalten werden sollten.179 Daher müssen auch die Sekundärrechtsakte, die mitgliedstaatliche Institutio‑ nen zur Beteiligung verpflichten, die Garantien des Art. 11 EUV bei Verwal‑ tungsentsheidungen erfüllen. Art. 11 EUV gibt somit für die sekundärrechtlichen Drittbeteiligungsvor‑ schriften das Gebot, eine Vertiefung der Beteiligungsrechte anzustreben. Zwar sehen Art. 11 Abs. 1–3 EUV keine ausdrücklichen Pflichten vor, nichts‑ destotrotz müssen diese Bestimmungen bei der Optimierung von Beteili‑ gungsvorschriften einbezogen und die materiellen Anforderungen und Ziele gewährleistet werden.180

179  Vgl. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 3 Rn. 166, der das durch Art. 11 EUV normierte Kooperationsprinzip in der UVP-II-RL anerkennt und damit impliziert, dass auch bei solchen Sekundärrechtsakten, die sich an die Mitgliedstaaten wenden, die Vorgaben von Art. 11 EUV Eingang finden. 180  Anders Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, S. 86; kritisch gegenüber der Auswirkungen von Art. 11 EUV Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 11 EUV Rn. 7; Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S.  24 f.



II. Rückbindung an das Demokratiekonzept im Primärrecht 279

b) Offenheit und Bürgernähe (Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV) und Grundsatz der Offenheit (Art. 15 AEUV) Im Rahmen des Art. 10 Abs. 3 EUV ist insbesondere S. 2 für die Optimie‑ rung der Beteiligungsvorschriften entscheidend. Diese Bestimmung enthält wie Art. 15 AEUV formelle Vorgaben, die bei der sekundärrechtlichen Dritt‑ beteiligung Eingang finden sollen. Nach Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV müssen die Entscheidungen so offen und bürgernah wie möglich getroffen werden. Dies umfasst ein zugängliches und nachvollziehbares Entscheidungsverfahren, bei dem die Willensbildung in Bezug auf die Entscheidung sichtbar wird und die Verantwortlichen klar erkennbar werden. Damit die Entscheidungen wirklich offen und bürgernah sind, muss der Bürger die Möglichkeit haben, seine Standpunkte effektiv in den Entscheidungsprozess einzubringen. Hohe pro‑ zedurale, formale oder finanzielle Hindernisse dürfen ihm nicht aufgebürdet werden. Zudem muss der Zeitpunkt für die Einbringung von Standpunkten so gewählt sein, dass die Entscheidung noch beeinflusst werden kann. Die abschließende Entscheidung muss transparent sein und Gründe und Prioritä‑ tensetzung kenntlich machen. Ein solch nachvollziehbarer und offener Entscheidungsprozess sowie eine transparente Entscheidung als Abschluss des Verfahrens werden auch durch den Offenheitsgrundsatz in Art. 15 Abs. 1 AEUV und die konkretisierenden Transparenzbestimmungen aus Art. 15 Abs. 3 AEUV vorgegeben. Die Vorga‑ ben decken sich mit den Bestimmungen des Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV. Sowohl Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV als auch Art. 15 AEUV müssen für die Ausgestaltung der formellen Voraussetzungen der Drittbeteiligungsvorschrif‑ ten herangezogen werden. Wie bei Art. 11 EUV müssen die Bestimmungen aus Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV und Art. 15 AEUV im Zusammenhang betrach‑ tet werden, was eine Anwendung auf der mitgliedstaatlichen Vollzugsebene ermöglicht, um das primärrechtliche Gebot der Offenheit verwirklichen zu können (siehe Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 197 Abs. 1 AEUV und den effet utileGrundsatz). Dies wird durch den offenen Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 EUV sowie die in Art. 10 Abs. 3, Art. 11 EUV und Art. 15 AEUV primärrechtlich niedergelegten Konzepte der partizipativen, assoziativen und deliberativen Demokratie impliziert. c) Materielle und formelle Vorgaben des Primärrechts Im Primärrecht finden sich für die Optimierung der sekundärrechtlichen Beteiligungsvorschriften somit sowohl materielle als auch formelle Vorga‑ ben. Art. 11 Abs. 1–3 EUV gibt materiell vor, die Beteiligung zu verstärken, und bezieht dafür sowohl die Bürger als auch die Verbände und die Zivilge‑ sellschaft ein. Ganz allgemein wird dies in Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 EUV

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

normiert. Konkreter auf die Anhörung von Betroffenen ist Art. 11 Abs. 3 EUV zugeschnitten, der sich an die Kommission richtet. Formelle Anforde‑ rungen geben Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV und Art. 15 AEUV vor. Diesen Be‑ stimmungen können Vorgaben für die Gestaltung des Verfahrens und der endgültigen Entscheidung entnommen und für eine Optimierung herangezo‑ gen werden. Insgesamt lässt sich seit dem Vertrag von Lissabon eine Stär‑ kung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Unionsbürger ausmachen. Durch die Vorschriften des EUV wird auf deren Vertiefung und Ausbau gedrängt.181 Dieser Weg soll durch die Etablierung der Prinzipien in den sekundärrechtli‑ chen Bestimmungen weitergeführt werden, so dass nicht nur abstrakt eine primärrechtliche Garantie besteht, sondern konkret für den Bürger erfahrbare Vertiefungen erzeugt werden.

III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung Die Optimierungsvorschläge sollen schließlich auch an die Beteiligungs‑ funktionen rückgebunden werden. Der Sekundärrechtsakt kann selbst kon‑ kret angeben, welche Funktionen mit der Beteiligung erfüllt werden (z. B. in den Erwägungsgründen182). Darüber hinaus wohnen einer Beteiligung unab‑ hängig von der sekundärrechtlichen Vorgabe aber auch bestimmte allgemeine Funktionen inne. Diese allgemeinen Funktionen lassen sich zum einen aus den primärrechtlichen Bestimmungen der partizipativen, assoziativen und deliberativen Demokratie herleiten. Zum anderen kommt auch das auf Pri‑ märrechtsebene verankerte Rechtsstaatsprinzip durch die Beteiligungsfunkti‑ onen zum Ausdruck. Auf die einzelnen Elemente des Rechtsstaatsprinzips wird innerhalb der verschiedenen Funktionen näher eingegangen. Die allgemeinen Funktionen differieren in Abhängigkeit von der jeweili‑ gen Beteiligung und werden unterschiedlich stark gewichtet bzw. können zum Teil auch nicht auf jede Beteiligungsform angewendet werden.183 So können bei der Öffentlichkeitsbeteiligung, die insbesondere im Umwelt- und Planungsrecht vorgesehen ist, die allgemeinen Funktionen relativ klar her‑ ausgestellt werden. Diese eindeutigen Funktionen müssen aber relativiert werden, wenn andere Dritte, wie z. B. interessierte Parteien oder Kreise, von der Beteiligung angesprochen werden. Auch bei Gruppierungen, z. B. Orga‑ nisationen oder Verbänden, ist fraglich, ob die Beteiligung tatsächlich jede 181  Huber,

in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 4. EWG Nr. 7 UVP-II-RL, der auf die Ergänzung von Angaben über die Um‑ weltauswirkungen durch die Öffentlichkeit und damit auf die Informationsfunktion abstellt. 183  Ähnlich in Bezug auf die Bürgerbeteiligungen Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 18. 182  So



III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung281

Funktion erfüllen kann. Ebenso sind die verschiedenen Rechtsbereiche in unterschiedlichem Maße sensibel, so dass z. B. bei einer Beteiligung im Um‑ weltrecht andere Funktionen in den Fokus gerückt werden als bei einer Be‑ teiligung im Telekommunikationsrecht. Zudem stellt sich die Schwierigkeit, dass die Funktionen nicht rein national verstanden werden können, sondern auch die Besonderheiten der europäischen Ebene mit einbezogen werden müssen. Letztendlich lassen sich folgende allgemeine Funktionen für die Beteili‑ gungen herausstellen: Information, Qualitätsverbesserung, Effektivität, Trans­ parenz, Kontrolle, Akzeptanz, Legitimation, Interessenausgleich und Rechts‑ schutz. Diese Funktionen greifen teilweise ineinander und lassen sich daher nicht immer strikt voneinander trennen. Dennoch können sie in Gruppen zusammengefasst werden.

1. Information als grundlegende Funktion Eine allgemeine Funktion von Beteiligung, die unabhängig von den ver‑ schiedenen Beteiligungsformen oder den Rechtsbereichen besteht, ist die In‑ formation. Durch die Beteiligung soll die jeweilige Behörde bzw. das EUOrgan Informationen erhalten.184 Einerseits sollen Angaben, die vorher noch nicht bekannt waren, an die zuständige Stelle getragen werden. Fakten, ins‑ besondere für die Sachverhaltsermittlung, sowie Interessen und Werte sollen durch das Verfahren ermittelt werden.185 Andererseits sollen durch die Über‑ mittlung von Informationen bereits vorliegende Angaben überprüft wer‑ den.186 Dahinter steht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die Entscheidung, welche von der Verwaltung getroffen wird, soll richtig und rechtmäßig sein,187 was durch das Erlangen von weiteren Informationen infolge der Beteiligung gefördert wird. Dieser Grundsatz ist Ausfluss des 184  Siehe Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 50 ff.; Zschiesche, Öffentlichkeits‑ beteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfahren, S. 58; Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362); Gärditz, GewArch 2011, 273 (275); Gurlit, JZ 2012, 833 (834); Schink, ZG 2011, 226 (230); vgl. auch Hellmann, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 141 ff., der allerdings nicht von einer Informations-, sondern von einer Rationalisierungsfunktion spricht, darunter aber die Wissenserweiterung durch das Vorbringen von Informatio‑ nen fasst. 185  Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 9 (41). 186  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 51. 187  Siehe EuGH Rs. C-682/15, ECLI:EU:C:2017:373, Rn. 51 – Berlioz Investment Fund; Rs. C-94/00, Slg. 2002 I-9011, ECLI:EU:C:2002:603; Rn. 27  – Roquette Frères; verb. Rs. 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, ECLI:EU:C:1989:337, Rn. 19 – Hoechst; Rs. 113/77, Slg. 1979, 1185, ECLI:EU:C:1979:91, Rn. 21  – NTN Toyo Bear­ing Company.

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Rechtsstaatsprinzips.188 Eine geschriebene primärrechtliche Verankerung des Grundsatzes fehlt, er wird aber als allgemeiner Rechtsgrundsatz dem unge‑ schriebenen Primärrecht zugeordnet.189 Welche Informationen an die jeweilige zuständige Stelle übermittelt wer‑ den, hängt im Wesentlichen von dem Beteiligungsadressaten ab. Beteiligen sich Einzelne, ist eher davon auszugehen, dass diese subjektive Ansichten und damit Wirkungen der jeweiligen Maßnahme bzw. Entscheidung vorbrin‑ gen anstatt fundiertes Fachwissen vorzutragen.190 Bei Gruppierungen mit ei‑ ner gewissen Institutionalisierung und vorhandenem Expertenwissen dürften vordergründig sachliche Informationen und damit Sachwissen eingebracht werden.191 In jedem Fall wird als Folge der Kenntniserweiterung der zustän‑ digen Stelle die Qualität der Entscheidung verbessert,192 was auch zur rechts‑ staatlichen Richtigkeitsgewähr beiträgt. Allerdings nützt die Informationsfunktion nicht nur der zuständigen Stelle, sondern auch den Beteiligten.193 Die Informationen fließen nicht nur einsei‑ tig von dem Beteiligungsadressaten zur zuständigen Stelle, sondern nach dem Gegenstromprinzip auch zum Adressaten selbst.194 Dieser erhält Infor‑ mationen von der zuständigen Stelle über die konkrete Maßnahme bzw. die geplante Entscheidung.195 Dadurch wird dem primärrechtlichen Offenheits‑ grundsatz aus Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV entsprochen, da eine Entscheidung überhaupt nur dann transparent und offen sein kann, wenn In‑ formationen für die Beteiligungsadressaten vorhanden sind, aufgrund derer 188  Schweitzer/Hummer/Obwexer, Europarecht, Rn. 1118; Siegel, Entscheidungs‑ findung im Verwaltungsverbund, S. 262. 189  Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 263; Streinz, Europa‑ recht, Rn. 803. 190  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 51. 191  Siehe BVerwGE 102, 358 (361); Schmidt-Aßmann/Ladenburger, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, § 18 Rn. 25; von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (273 f.). 192  Siehe Begründung der Kommission zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Än‑ derung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates, KOM(2000) 839 endgültig, ABl. C  154E vom 29.05.2001, S. 123; Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 88; von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274); vgl. auch Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (239). 193  Vgl. Guckelberger, DÖV 2006, 97 (100); Rossi, JöR 62 (2014), 159 (164); Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 16 f. 194  Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfah‑ ren, S. 58. 195  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 52.



III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung283

sich beteiligt werden kann. Adressaten und zuständige Stellen sind damit gleichermaßen Informationsrezipienten und -lieferanten.196 Aufgrund dieser Ausprägungen der Informationsfunktion kommt dieser der Charakter einer grundlegenden Funktion zu, auf der andere Beteiligungs‑ funktionen, wie die Qualitätsverbesserung, Transparenz, Kontrolle und der Interessenausgleich, fußen.197 Nur wenn die notwendigen Informationen auf beiden Seiten vorhanden sind, können die anderen Funktionen tatsächlich erfüllt werden.

2. Qualitätsverbesserung und Effektivität als objektive Funktionen Die Funktionen der Qualitätsverbesserung und der Effektivität zielen auf die objektive Entscheidung und den Entscheidungsprozess ab. Sie haben we‑ niger das Subjekt des Dritten im Blick. Es besteht eine enge Verbindung zur Informationsfunktion. Durch die Einholung von Informationen bei der Betei‑ ligung soll auch die inhaltliche Qualität der Entscheidung verbessert wer‑ den.198 Durch die Erweiterung der Sachkenntnisse der nationalen Behörde oder des EU-Organs wird vermieden, dass sachliche und rechtliche Aspekte bei der Verwaltungsentscheidung unberücksichtigt bleiben.199 Die Richtigkeit der Entscheidung soll also erzeugt werden:200 Die Funktion der Qualitätsver‑ besserung wird somit – wie bereits die Informationsfunktion – durch den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Ele‑ ment des Rechtsstaatsprinzips determiniert.201 Insbesondere auf der europäischen Ebene wird durch die Beteiligung nicht nur die Richtigkeit und Qualität der Entscheidung verbessert, sondern auch die Rechtsverwirklichung effektuiert. Das dahinterstehende Effektivitätsge‑ bot bzw. Gebot der Wirksamkeit des Rechts wird auch dem Rechtsstaatsprin‑ zip zugeordnet.202 Der Adressat der Beteiligung wird zur Durchsetzung ge‑ 196  Gurlit,

JZ 2012, 833 (834). diesen Verbindungen mit der Informationsfunktion siehe die folgenden Aus‑ führungen. 198  Siehe D. III. 1. 199  Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (239). 200  Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362); Schink, ZG 2011, 226 (230); siehe auch Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, S. 78; Rossi, JöR 62 (2014), 159 (164 f.). 201  Vgl. Berger, VerwArch 2017, 71 (81). 202  So Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 56 ff.; für die deutsche Ebene Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 172 ff.; 438 ff.; 197  Zu

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

wünschter Effekte auf europäischer Ebene instrumentalisiert.203 Im Bereich des europäischen Umweltrechts soll diese Effektivität z. B. durch die Öffent‑ lichkeitsbeteiligung zur Durchsetzung von Umweltschutzbelangen erzeugt werden.204 Auch kann die Beteiligung vor der endgültigen Entscheidung den Prozess als solchen effektuieren.205 Einwände von Dritten können durch die Beteiligung aufgedeckt und geklärt werden, wodurch Konflikte bereits im Vorfeld vermieden bzw. gelöst werden können.206 Diese Effektivität des Pro‑ zesses wirkt sich auch auf die Akzeptanz der Entscheidung bzw. des Verfah‑ rens aus und erfüllt so eine Befriedigungsfunktion.207

3. Subjektive Funktionen Bei der Qualitätsverbesserung und der Effektivität stehen also der objek‑ tive Entscheidungsprozess und das Ergebnis im Vordergrund. Hingegen knüpfen Transparenz, Kontrolle, Akzeptanz, Legitimation, Interessenaus‑ gleich und Rechtsschutz eher an den Dritten als Subjekt direkt an. a) Transparenz und Kontrolle Durch die Offenlegung des Entscheidungsverfahrens, seines Zwecks und seiner Auswirkungen wird Transparenz erzeugt.208 Die Transparenz fußt da‑ a. A. Hilf/Hörmann, in: FS Tomuschat, 913 (915), die das Effektivitätsgebot wegen seiner Wertungsfreiheit als allgemeines Rechtsprinzip einordnen. 203  Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 16. Siehe auch Masing, Die Mobili‑ sierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 19 ff. 204  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 58; dazu auch Martin, Das Steuerungs‑ konzept der informierten Öffentlichkeit, S. 153. 205  Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 88; von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (273). Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 212 relativiert die Effektivi‑ tätsfunktion und stellt für deren Erfüllung auf die Kompromissfähigkeit der Interes‑ sen, Rechte und Beteiligten ab; kritisch gegenüber der Effektivität Rossen-Stadtfeld, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 29 Rn. 104, der die Ansicht vertritt, dass die Gefahr einer Behinderung der Entscheidungseffizienz und -effektivität auf der Hand liege. 206  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 53; von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (273); Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606 (611). 207  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 53. 208  Vgl. Schink, ZG 2011, 226 (231); zur Transparenz bei der REACH-VO siehe Ingerowski, Die REACh-Verordnung, S. 412 ff. Fisahn, Demokratie und Öffentlich‑ keitsbeteiligung, S. 211 f. spricht der Transparenz – und auch der Kontrolle – hinge‑ gen keinen eigenständigen Funktionscharakter zu, sondern erkennt diese nur als An‑ nex zum „Hauptrecht“ Beteiligung an.



III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung285

mit auch auf der grundlegenden Funktion der Information.209 Die Transpa‑ renz umfasst insbesondere die Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsprozes‑ ses.210 Dies entspricht den Vorgaben der primärrechtlichen Demokratiebe‑ stimmungen aus Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV. Durch die Offenle‑ gung des Verfahrens können Dritte von der geplanten Maßnahme Kenntnis erlangen, soweit dies noch nicht geschehen ist,211 und sich über die weiteren Verfahrensschritte sowie eventuelle Auswirkungen informieren. Auch die ab‑ schließende inhaltliche Begründung der getroffenen Ergebnisse gilt als Teil der Transparenzfunktion.212 Durch die Beteiligung entsteht also eine Verfahrens- und Ergebnistransparenz.213 Die Transparenz ist eng verknüpft mit der Kontrolle.214 Durch ein transpa‑ rentes Verfahren wird die Möglichkeit für die Dritten eröffnet, die entschei‑ dende Stelle zu kontrollieren.215 Dabei ist die Kontrolle nicht zwangsläufig nur auf das Ziehen von Konsequenzen oder Treffen von Entscheidungen ge‑ richtet, sondern kann auch das bloße Einfordern und Herstellen von Transpa‑ renz umfassen.216 Die entscheidende Stelle wird durch die Offenlegung dazu angehalten, ihre eigene Entscheidung zu reflektieren und zu kontrollieren. Sie soll prüfen, ob alle wichtigen Belange berücksichtigt wurden.217 Insbesondere auf europäischer Ebene kommt der Kontrolle dabei eine be‑ sondere Bedeutung zu. Denn das Unionsrecht wird sowohl zentral auf euro‑ päischer Ebene als auch dezentral durch die Mitgliedstaaten vollzogen. Die Kontrolle des Vollzugs kommt grundsätzlich der Kommission zu, was diese beim dezentralen Vollzug angesichts der Fülle dezentral zu vollziehender Rechtsakte aber nicht bewerkstelligen kann. Daher werden Dritte eingesetzt, 209  Siehe Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungs‑ verfahren, S. 59; Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 17. 210  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 47; Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteili‑ gung in umweltrelevanten Zulassungsverfahren, S. 59; Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (238). 211  Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfah‑ ren, S. 59. 212  Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (238). 213  Gurlit, JZ 2012, 833 (834 f.). 214  Siehe Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (238); Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 17. 215  Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfah‑ ren, S. 59; Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362); siehe auch Gärditz, GewArch 2011, 273 (274). 216  Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (238). 217  Hellmann, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 148; Zschiesche, Öffentlichkeitsbetei‑ ligung in umweltrelevanten Zulassungsverfahren, S. 59; Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 17; siehe auch Groß, DÖV 2011, 510 (511).

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

um die Durchsetzung zu kontrollieren. Damit kommt den Bürgern eine Wächterfunktion zu. Die Kontrollverantwortung des Bürgers ist Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, in dem durch die Kontrolle wiederum die Gesetz‑ mäßigkeit des Verwaltungshandelns gewährleistet werden soll.218 Dieses Konzept findet sich vor allem im europäischen Umweltrecht. Es ist aber nicht auf diesen Rechtsbereich beschränkt, sondern wird universell in allen unional regelten Bereichen verfolgt.219 b) Akzeptanz und Legitimation Neben der Transparenz und der Kontrolle lassen sich auch die Akzeptanz und Legitimation in die Gruppe der subjektiven Funktionen einordnen. Transparenz und Kontrolle sind zunächst die wichtigsten Voraussetzungen für die Funktion der Akzeptanz.220 Akzeptanz wird als eine der zentralen Funktionen der Beteiligung angesehen.221 Sie ist im europäischen Demokra‑ tieprinzip begründet und stützt sich primärrechtlich insbesondere auf Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV.222 Eine bürgernahe Entscheidung liegt nur vor, wenn diese akzeptiert wird. Eine Entscheidung soll dann akzeptiert werden, wenn diese in einem offenen und nachvollziehbaren Prozess getroffen wird, bei dem die Dritten ihre Interessen einbringen können.223 Akzeptanz im Sinne eines Ein‑ verständnisses wird aber schwer zu erzeugen sein, so dass lediglich davon ausgegangen werden kann, dass eine Hinnahme eines Ergebnisses, ohne Ge‑ genmaßnahmen anzustreben, erzielt wird.224 Es stellt sich aber die Frage, ob eine solche Akzeptanz der Entscheidung tatsächlich durch die Beteiligung 218  Siehe Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, S.  377  f. sowie S. 396 ff. zur Verbindung von Verantwortung und Rechtsstaatlichkeit mit Bezügen zum europäischen Umweltrecht. 219  Zum Vorangehenden Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bür‑ gers, S. 92 ff.; zum europäischen Umweltrecht siehe Schmidt-Aßmann/Ladenburger, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, § 18 Rn. 27; zur nationalen Perspektive vgl. Rossen-Stadtfeld, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 29 Rn. 82. 220  Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (238). 221  Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (236); Schink, ZG 2011, 226 (232); Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 17; vgl. auch Voß, Die Novelle der Freisetzungsricht‑ linie, S. 363 ff., die die Wichtigkeit der Akzeptanzförderung bei der FreisetzungsRL betont. 222  Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 284; vgl. auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, § 5 Rn. 58. 223  Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (237); Schink, ZG 2011, 226 (232). 224  So Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 48; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 109 Rn. 36; Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (236).



III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung287

hervorgerufen werden kann. Eine Entscheidung als Ergebnis des Verfahrens kann häufig nicht die Akzeptanz aller auf sich vereinen, da kritische Ansich‑ ten und Standpunkte gegenüber der Entscheidung durch die Beteiligung nicht zwangsläufig in eine Zustimmung umgewandelt werden. Somit ist statt von einer Entscheidungsakzeptanz treffender von einer Verfahrensakzeptanz durch die Beteiligung auszugehen.225 Verfahrensakzeptanz bedeutet, dass die Dritten ihre Interessen und Gesichtspunkte in einem offenen und nachvoll‑ ziehbaren Verfahren einbringen können und damit das Verfahren als fair empfinden, auch wenn das Ergebnis nicht individuell präferiert wird.226 Die Beteiligung führt also – in Anlehnung an Luhmann – zur „Akzeptanz durch Verfahren“.227 Eine solche Verfahrensakzeptanz kann nicht nur bei einzelnen Bürgern, sondern auch bei Gruppierungen, die ein Interesse in institutionali‑ sierter Form vertreten, erzeugt werden. In letzterem Fall dürfte aber weniger von der Akzeptanz der jeweiligen Gruppierung selbst, sondern vielmehr von der Schaffung der Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit ausgegangen wer‑ den, die durch die Gruppierungen vermittelt wird. Durch die Akzeptanz des Verfahrens wird dieses und in einem gewissen Maße auch die Entscheidung als solche legitimiert. Die Beteiligung erzeugt eine verbreiterte Legitimationsbasis für das Verfahren und die getroffene Entscheidung.228 Für die nationale Perspektive ist diese demokratische Legi‑ timation der Beteiligung ebenso anerkannt.229 Die Beteiligung führt dazu, die grundsätzliche Akzeptanz zu steigern und durch diese Befriedungsfunk‑ tion zusätzliche Legitimation zu schaffen.230 Die Entscheidung wird zumin‑ dest in Kenntnis der durch diese unmittelbar oder mittelbar Betroffenen ge‑ fällt, so dass die Schwächen der repräsentativen Demokratie ausgeglichen werden können. Der Exekutive kommen bei der Umsetzung der Gesetze 225  So Peters, DÖV 2015, 629 (632); Ziekow, NVwZ 2013, 754 (755); angedeutet auch bei Gurlit, JZ 2012, 833 (835), die aber nur darauf eingeht, dass eine Entschei‑ dungsakzeptanz vielfach nicht hervorgerufen werden kann. 226  Ziekow, NVwZ 2013, 754 (755). 227  Siehe dazu Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (237); vgl. auch Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362); Erbguth, DÖV 2012, 821 ff.; kritisch gegenüber den Ausführun‑ gen von Luhmann ist Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 215 f.; Schomerus, EurUP 2014, 196 (197) spricht von Akzeptabilität statt Akzeptanz, lehnt die Sichtweise von Luhmann ebenfalls ab und schließt sich dem deliberativen Ver‑ ständnis von Habermas an. 228  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 49. 229  Vgl. Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 292 ff.; Gross, in: Gross, Public Participation in Infrastructure Planning, 107 (114 f.); Haug, Die Verwal‑ tung 2014, 221 (234 ff.); Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 18; a. A. Schmitt Glaeser, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 (214 ff.); Gärditz, GewArch 2011, 273 (274 f.). 230  Schink, ZG 2011, 226 (232).

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D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Spielräume zu, die vom demokratisch gewählten Gesetzgeber vorgegeben werden. Durch die Rückbindung an die Bürger mittels Beteiligung wird die Legitimation der exekutiven Entscheidung verbreitert.231 Diese Legitimati‑ onsfunktion ist unabhängig davon erfüllt, ob sich die Einwände der Dritten im Verfahren auf das Ergebnis ausgewirkt haben.232 Es wird damit eine Er‑ gänzung, aber kein Ersatz der durch die repräsentative Demokratie bereits geschaffenen Legitimation bezweckt.233 Allerdings muss auf unionaler Ebene zwischen den Vollzugsebenen unterschieden werden. Beim dezentralen Voll‑ zug wird gerade nicht das europäische Legitimationsdefizit beseitigt, da die Beteiligung auf mitgliedstaatlicher Ebene durchgeführt wird. Es erfolgt viel‑ mehr nur eine indirekte Legitimation durch die Beteiligung.234 Beim Vollzug auf EU-Ebene kann hingegen eine Legitimation durch die Beteiligung ent‑ stehen. Nichtsdestotrotz muss bei der Beteiligung von Gruppierungen die Legiti‑ mationsfunktion relativiert werden. Organisierte Gruppen, die nicht repräsen‑ tative Interessen, sondern Partikularinteressen vertreten, tragen weniger zur Legitimation des Verfahrens und der Entscheidung bei.235 c) Interessenausgleich Auch im Zusammenhang mit der Informationsfunktion steht der durch die Beteiligung bezweckte Interessenausgleich. Nur wenn überhaupt eine Infor‑ mation über die Interessen und die jeweiligen Anliegen der Dritten vorliegt, kann die nationale Behörde bzw. das zuständige EU-Organ eine Abwägung der verschiedenen Interessen vornehmen und diese zu einem Ausgleich brin‑ gen.236 Dabei geht es zum einen um den Ausgleich zwischen den Interessen des Antragstellers und der Dritten. Die Beteiligung soll ein Gegengewicht zu den Interesseneinflüssen des Antragstellers erzeugen.237 Zum anderen kommt den zuständigen entscheidenden Stellen durch deren Wissensvorsprung und Entscheidungsmacht eine ungleich stärkere Ausgangsposition als den Dritten zu. Durch die Beteiligungsrechte müssen die entscheidenden Stellen ihre 231  Zum Vorgehenden siehe Hellmann, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 100; ebenso Rossen-Stadtfeld, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 29 Rn. 10; Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 18. 232  Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362). 233  Dolde, NVwZ 2013, 769 (770); Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 18. 234  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 49 f.; zur Legitimation bei der Durchset‑ zung der FreisetzungsRL Voß, Die Novelle der Freisetzungsrichtlinie, S. 360 f. 235  Dolde, NVwZ 2013, 769 (770); Posch, in: FAZ vom 04.05.2012, S. 11. 236  Müller, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 51. 237  Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362); Schink, ZG 2011, 226 (230).



III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung289

Handlungen erklären und rechtfertigen können sowie die Interessen der Drit‑ ten berücksichtigen. Dadurch wird ein Ausgleich zwischen den unterschied‑ lichen Ausgangs- und Machtpositionen geschaffen.238 d) Rechtsschutz Schließlich lässt sich auch als subjektive Funktion der Rechtsschutz auf‑ führen. Dadurch, dass durch die Beteiligung die Individualrechte gesichert werden sollen, knüpft die Funktion unmittelbar an den Dritten als Subjekt an. Der Beteiligung kommt also eine individualrechtsbezogene Funktion zu.239 Für diejenigen Dritten, die durch die Entscheidung in ihren materiellen Rechtspositionen beeinträchtigt werden, erfolgt bereits durch die Beteiligung ein präventiver Rechtsschutz.240 Es soll sich somit um einen vorgelagerten Rechtsschutz handeln.241 Diese Bezeichnung scheint den Rechtsschutz aber nur auf judikativer Ebene einzubeziehen, obgleich auch die Administrative an die Rechte gebunden ist und damit bereits originär zur Rechtsverwirkli‑ chung beiträgt.242 Daher muss bei der Rechtsschutzfunktion ein weites Ver‑ ständnis zugrunde gelegt werden, welches den Rechtsschutzbegriff nicht auf den gerichtlichen Rechtsschutz beschränkt, sondern auch die administrative Rechtsverwirklichung umfasst. Der Rechtsschutz ist ein weiteres Element des Rechtsstaatsprinzips.243 Die Rechtsschutzfunktion knüpft hinsichtlich des gerichtlichen Rechtsschutzes an Art. 47 GRC an, welcher primärrechtlich das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verankert. Zudem lässt sich aus den Verfassungsüberlieferun‑ gen der Mitgliedstaaten sowie den Art. 6 und 13 EMRK ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte ableiten.244 Dies gilt ebenso für 238  Haug,

Die Verwaltung 2014, 221 (238). ZG 2011, 226 (231). 240  Gurlit, JZ 2012, 833 (834); siehe auch Schink, ZG 2011, 226 (230 f.); von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274). 241  Siehe BVerfGE 53, 30 (60); BVerwGE 60, 297 (306). 242  Für die nationale Ebene Gross, in: Gross, Public Participation in Infrastructure Planning, 107 (115 f.), was aber auch auf die europäische Ebene übertragen werden kann, da die Kommission und die Agenturen als Beteiligungsverpflichtete an die Rechte der Unionsbürger gebunden sind. 243  Siehe Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 2 EUV Rn. 35; Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, Rn. 220; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungs‑ idee, S. 47. 244  EuGH Rs. C-432/05, Slg. 2007 I‑2271, ECLI:EU:C:2007:163, Rn. 37  – Unibet; verb. Rs. C‑402/05 P und C-415/05 P, Slg. 2008 I-6351, ECLI:EU:C:2008:461, Rn. 335 – Kadi. 239  Schink,

290

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

die Ausgestaltung des nationalen gerichtlichen Rechtsschutzes.245 Auch der originäre Rechtsschutz durch die Verwaltung ist als Teil des Rechtsstaatsprin‑ zips anzusehen, indem die Rechtsverwirklichung durch die Administrative ein rechtmäßiges und gerechtes Verwaltungsverfahren gewährleistet,246 was dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns entspricht. Die jeweiligen Rechtspositionen, die geschützt werden sollen, richten sich auf europäischer Ebene nach den sekundärrechtlichen oder primärrechtlichen Bestimmungen.247 Auf nationaler Ebene wird häufig auf die Grundrechte ab‑ gestellt.248 Allerdings muss in Bezug auf die Beteiligung von solchen Dritten, die durch die Entscheidung in keinem Recht betroffen sind, sondern lediglich z. B. aufgrund eines tatsächlichen Interesses beteiligt werden, die Funktion des Rechtsschutzes relativiert werden. In solchen Fällen kommt der Beteili‑ gung keine Rechtsschutzfunktion zu, da keine individuellen, einklagbaren Rechte bestehen, die entweder von der Administrative oder den Gerichten gewahrt werden müssten.249

4. Beitrag für die Optimierungsvorschläge Die verschiedenen Funktionen von Beteiligung fließen bei den Optimie‑ rungsvorschlägen für die Drittbeteiligung im Sekundärrecht in unterschiedli‑ cher Gewichtung ein und tragen damit zur Verwirklichung des Demokratieund Rechtsstaatsprinzips bei. Die grundlegende Informationsfunktion muss bei der Beteiligung in jedem Fall erfüllt sein. Informationen sind für die Dritten von großer Bedeutung, da sich diese nur bei ausreichend vorhandenen Informationen effektiv beteiligen können. Dabei müssen all die Informationen vorliegen, die notwendig sind. In der Regel dürften davon die Informationen bezüglich der konkreten Maß‑ nahme und deren möglichen Auswirkungen und die Information über die Beteiligungsmöglichkeiten selbst umfasst sein. Für die Dritten muss also er‑ kennbar sein, wer sich wann und wie beteiligen kann, und es sollte aus den 245  Siehe Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV; EuGH Rs. C-432/05, Slg. 2007 I‑2271, ECLI:EU:C:2007:163, Rn. 38 – Unibet. 246  Vgl. Schmitt Glaeser, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 (244 f.). Angedeutet wird dies auch bei Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 280. 247  Z. B. ist nach der UVP-II-RL nicht der Rechtsschutz, sondern die Optimierung und Effektuierung primäre Funktion, Martin, Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit, S. 153. 248  Siehe z. B. Wu, Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 87; Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362); Haug, Die Verwaltung 2014, 221 (240); Schink, ZG 2011, 226 (231). 249  Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 15.



III. Rückbindung an die Funktionen von Beteiligung291

vorliegenden Informationen ersichtlich werden, ob eine Beteiligung für den einzelnen Dritten überhaupt von Interesse ist. Dies trägt auch zur Akzeptanz des Verfahrens bei,250 da durch Offenlegung möglichst vieler Informationen die Dritten dem Verfahren gegenüber positiv eingestellt sind und nicht das Gefühl vermittelt bekommen, ausgeschlossen zu werden. Auch die Verfah‑ renstransparenz wird durch die Offenlegung gestärkt. Das Verfahren wird nachvollziehbarer, wenn alle wichtigen Informationen für die Dritten zu‑ gänglich sind. Durch die Beteiligung wird aber auch ermöglicht, dass die entscheidende Stelle Informationen erhält und eine fundierte Entscheidung treffen kann.251 Die mit der Beteiligung übertragenen Informationen gewährleisten die Rich‑ tigkeit der Entscheidung und tragen zur Verbesserung der Qualität bei.252 Auch wird garantiert, dass alle von der Maßnahme betroffenen Interessen erkannt und in einen Ausgleich gebracht werden. Ein Mehr an Beteiligung befördert letztendlich die abschließende Entscheidung. Die Akzeptanz ist für die Beteiligung eine entscheidende Funktion. Durch die Erzeugung von Akzeptanz kann die demokratische Legitimation der Ent‑ scheidung bestärkt werden.253 Zur Steigerung der Akzeptanz sollte die Betei‑ ligung in einem Stadium stattfinden, in welchem noch Einfluss auf den Ent‑ scheidungsprozess genommen werden kann.254 Nur wenn die Beteiligung nicht als bloße pro forma am Ende eines Entscheidungsprozesses steht, um der Maßnahme noch einen Anschein von gesteigerter Legitimation zuzumes‑ sen, kann die Beteiligung als glaubwürdig angesehen werden. Im Zusammenhang mit der Einflussnahmemöglichkeit stehen die Berück‑ sichtigungspflicht und die anschließende Offenlegung der Beteiligungsergeb‑ nisse. Damit die Akzeptanz und die Kontrolle effektiv gewährleistet werden können, muss die Beteiligung bei der Entscheidung auch Berücksichtigung finden. Nur wenn die zuständige Stelle tatsächlich dazu verpflichtet wird, die Beteiligungsergebnisse einzubeziehen, wird dadurch eine hohe Akzeptanz Würtenberger, NJW 1991, 257 (260). auch Calliess, in: Bauer/Huber/Sommermann, Demokratie in Europa, 281 (311 f.). 252  Vgl. für das Umweltrecht Röckinghausen, EurUP 2008, 210 (211, 219). 253  Siehe Peters, DVBl 2015, 808 (809); Seibert-Fohr, VerwArch 104 (2013), 311 (311 f.); vgl. auch Kloepfer, in: Kloepfer, Die transparente Verwaltung, 9 (19); Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 106 f. 254  So z. B. Groß, VerwArch 104 (2013), 1 (17); Knauff, DÖV 2012, 1 (7); Schink, DVBl 2011, 1377 (1383 f.); Würtenberger, NJW 1991, 257 (260); kritisch Lippert, ZUR 2013, 203 (210 f.), der das Stadium, in welchem die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Genehmigung von konkreten Vorhaben durchgeführt wird, als zu spät ansieht. Der Einfluss sei nicht mehr realisierbar, was zur Abschwächung der Legitimations‑ wirkung führe. 250  Vgl.

251  Siehe

292

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

erzeugt. Aber auch die Kontrollfunktion wird dadurch gefördert. Durch die Beteiligung können die Dritten die Rechtsdurchsetzung kontrollieren,255 wo‑ rauf die EU insbesondere beim dezentralen Vollzug angewiesen ist. Hat die Beteiligung in jedem Fall Einfluss auf den Entscheidungsprozess, ist diese Kontrolle insoweit sichergestellt, als dass Einwände, die im Rahmen der Be‑ teiligung geltend gemacht wurden, um die Rechtsdurchsetzung zu garantie‑ ren, nicht im luftleeren Raum stehen bleiben, sondern mit der abschließenden Entscheidung verbunden werden und Eingang bei der Beurteilung finden. Dadurch wird auch die Effektivität des Prozesses gesichert. Sicherlich wäre die Akzeptanz- und Kontrollfunktion am effektivsten gewährleistet, wenn die Entscheidung durch die Beteiligung nicht nur beeinflusst werden kann, son‑ dern dieser sogar eine Vetofunktion zukommt. In letzterem Fall wird die Rechtsdurchsetzung effektiv kontrolliert und auch das Verfahren vollends akzeptiert. Dennoch ist ein Veto nicht in allen Bereichen sinnvoll, da dadurch Verfahren blockiert oder verlangsamt werden können. Sinnvoll erscheint es hingegen bei solchen Maßnahmen mit Auswirkungen auf die breite Öffent‑ lichkeit, die nicht rückgängig gemacht werden können. Fraglich ist aber, ob dies politisch letztlich gewollt und durchsetzbar ist, da dadurch die Abkehr von repräsentativ-demokratischen hin zu direkt-demokratischen Elementen befördert wird. Die Berücksichtigungspflicht scheint daher eher realisierbar. Eine solche Pflicht in allen Bereichen verstärkt die Beteiligungsfunktionen und soll eingefordert werden. Als Kehrseite der Berücksichtigungspflicht soll die Offenlegung der Betei‑ ligungsergebnisse erfolgen. Mit der abschließenden Entscheidung sollte kundgetan werden, in welcher Art und Weise die Beteiligungsergebnisse be‑ rücksichtigt wurden und damit Einfluss auf die Entscheidung genommen haben. Wurden Aspekte der Beteiligung nicht berücksichtigt, sollten Gründe dafür dargelegt werden. Dies trägt wiederum zur Akzeptanz bei und garan‑ tiert, dass die Kontrolle effektiv ausgeübt wird. Zudem wird dadurch eine Ergebnistransparenz erzeugt. Schließlich lässt die Offenlegung erkennen, ob der Interessenausgleich korrekt vorgenommen und die rechtsschützende Auf‑ gabe der Administrative erfüllt wurde.

IV. Optimierungsvorschläge Aus der bisherigen Entwicklung, dem Primärrecht und den Funktionen las‑ sen sich gewisse Vorgaben für die Optimierungsvorschläge der sekundär‑ rechtlichen Beteiligungsvorschriften herausfiltern, um die Beteiligung von Dritten weiterzuentwickeln. Zunächst sollen konkrete Optimierungsvor‑ 255  Martin,

Das Steuerungskonzept der informierten Öffentlichkeit, S. 77 f.



IV. Optimierungsvorschläge293

schläge unterbreitet werden, die sowohl formeller als auch materieller Art sind. Diese Optimierungsvorschläge resultieren aus den Ergebnissen der Sys‑ tematisierung des untersuchten Sekundärrechts.256 Rechtliche Defizite in den Sekundärrechtsakten sollen beseitigt werden. Dazu werden die Aspekte auf‑ gegriffen, die in den Rechtsbereichen als sinnvoll zur Stärkung der Beteili‑ gung beurteilt werden können. Auch die Vorgaben aus der bisherigen Ent‑ wicklung, dem Primärrecht und den Beteiligungsfunktionen können herange‑ zogen werden, um diese Defizite auszugleichen. Es wird versucht, die vorge‑ schlagenen Aspekte für alle Bereiche zu verallgemeinern. Dabei soll aber eine zu starke Formalisierung der Beteiligungsverfahren vermieden und nur grundlegende Aspekte sollen verallgemeinert werden. Eine stärkere Formali‑ sierung erzeugt nicht zwangsläufig eine effektivere Beteiligung.257

1. Obligatorische Beteiligungen In einigen Bereichen ist die Beteiligung nur fakultativ ausgestaltet und damit in das Ermessen der zuständigen europäischen oder mitgliedstaatli‑ chen Stelle gestellt. Allerdings wäre in den meisten Bereichen eine obliga­ torische Beteiligung sinnvoller. Der Beteiligung sollte ein hohes Maß an Verlässlichkeit zukommen, so dass eine fakultative Beteiligung grundsätz‑ lich kritisch zu sehen ist.258 Gerade bei Einzelentscheidungen, die an ein konkretes Verfahren gebunden sind, ist eine zwingende Beteiligung zu be‑ fürworten.259 Ein Beispiel, bei dem die Änderung der fakultativen in eine obligatorische Beteiligung zu favorisieren wäre, ist die FFH-RL. Diese sieht seit ihrem Er‑ lass im Jahr 1992 noch immer eine nur fakultative Beteiligung bei der Ver‑ träglichkeitsprüfung vor. Dabei wird sogar unterschiedlich beurteilt, ob die Beteiligung in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers oder der zuständi‑ gen nationalen Behörde gestellt wird.260 Klarheit bezüglich dieser Uneinig‑ keit würde eine obligatorische Beteiligung also in jedem Fall bringen. Aber auch die Wichtigkeit der Verträglichkeitsprüfung nach der FFH-RL berech‑ tigt dazu, eine obligatorische Beteiligung vorzusehen. Die vorgebrachte Be‑ gründung, dass durch die fakultative Beteiligung die emotionalen Einwen‑ 256  Siehe

C. Bauer, EnWZ 2012, 71 (75); siehe auch Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 133. 258  Siehe Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 62; vgl. auch Groß, BauR 2012, 1340 (1342), der dem fakultativ ausgestalteten § 25 Abs. 3 VwVfG kritisch gegen‑ übersteht. 259  Siehe Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 133. 260  Siehe dazu unter B. I. 5. 257  Vgl.

294

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

dungen vermieden261 werden sollen, kann diese Beteiligungsform nicht hin‑ reichend rechtfertigen. Auch in anderen Bereichen des Umweltrechts finden sich ähnliche Konstellationen und dennoch ist die Beteiligung verpflichtend vorgeschrieben. So können bei der Umweltverträglichkeitsprüfung auch per‑ sönliche Empfindungen betroffen sein, die Beteiligung ist aber bereits seit der Erstfassung der UVP-RL aus dem Jahr 1985 obligatorisch ausgestaltet. Auch ist eine fakultative Beteiligung bei solchen Sekundärrechtsakten nicht nachvollziehbar, bei denen diese neben weiteren obligatorisch durchzuführen‑ den Beteiligungen stehen. So sind im Bereich des Energierechts uneinheitlich die Dritten entweder fakultativ oder obligatorisch zu beteiligen. Während in der Strom-RL und in der Gas-RL nur eine fakultative Beteiligung bei der Zer‑ tifizierung von Drittlandunternehmen geregelt wurde, ist innerhalb der StromVO und der Gas-VO beim Erlass von Netzkodizes zum Teil eine fakultative Beteiligung, zum Teil eine obligatorische Beteiligung vorgesehen. Freilich sind die unterschiedlichen Zeitpunkte und Verfahrensstadien zu berücksichti‑ gen, in denen die Beteiligung stattfindet. In einem fortgeschrittenen Verfah‑ rensstadium und insbesondere nach einer bereits durchgeführten Beteiligung ist der Ertrag einer anschließenden Beteiligung nicht mehr so hoch, so dass diese im Ermessen stehen kann. Es kann daher nachvollzogen werden, dass die anfänglichen Beteiligungen obligatorisch, während Beteiligungen am Ende der Entscheidung fakultativ sind. Allerdings wird dadurch in ein und demselben Rechtsakt Uneinheitlichkeit bezüglich der durchzuführenden Be‑ teiligungen erzeugt. Für den Dritten sind die Beteiligungsmöglichkeiten bei ein und derselben Entscheidung damit intransparenter und die Teilnahme wird erschwert. Dadurch kann auch Frustration und mithin weniger Akzeptanz ent‑ stehen. Klarheit und Transparenz besteht nur, wenn die Beteiligungen stets einheitlich obligatorisch wären. Eine solche uneinheitliche Regelung findet sich auch in der REACH-VO und der Health-Claims-VO. Bei letzterer steht die Beteiligung bei der Aufnahme von nährwertbezogenen Angaben im Er‑ messen, während bei der Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben die Beteiligung durchgeführt werden muss. Warum der Beteiligung bei den ge‑ sundheitsbezogenen Angaben aber mehr Bedeutung zugewiesen wird, ist nicht ersichtlich. Auch bei der REACH-VO findet sich eine fakultative Beteiligung im Rahmen der Zulassung von Chemikalien, obwohl im selben Zulassungs‑ verfahren weitere obligatorische Beteiligungen vorgeschrieben sind. Eine ein‑ heitliche Linie sollte auch hier geschaffen werden. Der europäische Gesetzgeber sollte also dazu angehalten werden, die Be‑ teiligung in den Sekundärrechtsakten zu reflektieren und dort obligatorische 261  So EC Study on evaluating and improving permitting procedures related to Natura 2000 requirements under Article 6.3 of the Habitats Directive 92/43/EEC, November 2013, S. 62.



IV. Optimierungsvorschläge295

Beteiligungen zu schaffen, wo diese sinnvoll sind. Damit würden Unklarhei‑ ten beseitigt. Eine obligatorische Beteiligung entspricht auch den primär‑ rechtlichen Prinzipien in Art. 11 Abs. 1–3 EUV, die den Ausbau von Beteili‑ gungen anstreben. Nur wenn die Beteiligung nicht lediglich im Ermessen steht, sondern verpflichtend durchgeführt werden muss, kann ein Kommuni‑ kationsraum zum Austausch von Meinungen sowie ein Dialog entstehen.

2. Beteiligungsadressaten Bei der Systematisierung der Beteiligungsadressaten konnte zwischen Dritten mit und ohne Beteiligungsinteresse unterschieden werden. Wie aus dem Stufensystem deutlich wird, haben Dritte, die kein besonderes Interesse für die Beteiligung nachweisen müssen, einen größeren Einfluss als solche Adressaten, die ein Beteiligungsinteresse als zusätzliche Voraussetzung für die Partizipation geltend machen müssen. Die Chance der Beteiligung wird durch ein Beteiligungsinteresse geschmälert. Ein uneingeschränkter Adressa‑ tenkreis könnte daher die Beteiligung in den jeweiligen Sekundärrechtsakten stärken und für die Optimierung herangezogen werden. In diesem Sinne schlägt Ziekow bei der Planung und Zulassung von Pro‑ jekten auf nationaler Ebene vor, grundsätzlich die allgemeine Öffentlichkeit für Beteiligungen heranzuziehen, ohne zwischen der betroffenen und der all‑ gemeinen Öffentlichkeit zu unterscheiden.262 Allerdings ist das Abstellen auf die Öffentlichkeit als Beteiligungsadressat für die vorliegende Untersuchung nicht geeignet: Der Begriff der Öffentlichkeit wird überwiegend im europäi‑ schen Umweltrecht benutzt, wobei nur zum Teil eine Legaldefinition nach dem Vorbild der Åarhus-Konvention vorgegeben ist (siehe z. B. Art. 3 Nr. 16 IE-RL). Zudem wird auch in anderen Rechtsbereichen die Terminologie der Öffentlichkeit verwendet, wobei der Adressatenkreis entweder von der um‑ weltrechtlichen Legaldefinition abweicht (siehe Art. 9 Energieinfrastruk‑ tur‑VO) oder sich nicht bestimmen lässt (z. B. in Art. 9 Abs. 1 Freiset‑ zungsRL). Der Begriff der Öffentlichkeit wird auf europäischer Ebene in den verschiedenen Rechtsbereichen also uneinheitlich verwendet. Bereits diese Uneinheitlichkeit zeigt, dass bei der vorliegenden, rechtsbereichsübergreifen‑ den Untersuchung nicht eine Terminologie für die Beteiligungsadressaten festgelegt werden kann. Vielmehr kann lediglich der Oberbegriff des Dritten für den Adressatenkreis gewählt werden. Die Terminologie des Dritten ist allgemein gehalten. Dadurch können jegliche Adressaten – wie natürliche und juristische Personen, Vereinigungen, Verbände oder Unternehmen – er‑ fasst werden. 262  Ziekow,

Gutachten D zum 69. DJT, S. D 134.

296

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Anknüpfend an die Dritten als Oberbegriff stellt sich die Frage, ob beim Adressatenkreis eine Unterscheidung zwischen interessierten Dritten und Dritten allgemein oder eine Vereinheitlichung des Adressatenkreises auf Dritte ohne ein Beteiligungsinteresse sinnvoll erscheint. Ein breiter Adressatenkreis ohne Einschränkung durch ein Beteiligungsin‑ teresse kann erstrebenswert sein. Ein solcher fördert die Akzeptanz des Be‑ teiligungsverfahrens.263 Es wird gewährleistet, dass unabhängig von dem Nachweis eines Interesses alle Standpunkte eingebracht werden und damit eine große Anzahl von Meinungen in die endgültige Entscheidung einfließen kann. Auch Art. 11 Abs. 1 und 2 EUV legen einen möglichst breiten Kreis von Adressaten nahe. Die Partizipation der Bürger, der repräsentativen Ver‑ bände und der Zivilgesellschaft soll gefördert werden, ohne dass von den Bestimmungen auf ein bestimmtes Interesse abgestellt wird. Allerdings lässt Art. 11 EUV auch eine Beschränkung des Adressatenkrei‑ ses durch ein Beteiligungsinteresse zu. Aus Abs. 3 von Art. 11 EUV wird deutlich, dass eine Einschränkung des Adressatenkreises auf Betroffene mög‑ lich ist. Von der Bestimmung aus Abs. 3 ist nicht nur die Rechtsbetroffenheit erfasst, sondern unter den Begriff der Betroffenen fallen auch solche Dritte, die an der Entscheidung interessiert sind, ohne dass sie ein rechtliches Inter‑ esse geltend machen müssen. Art. 11 Abs. 3 EUV legt somit nahe, dass eine Begrenzung auf ein – wie auch immer ausgestaltetes – Interesse möglich ist. Daher kann ebenfalls in Erwägung gezogen werden, den Adressatenkreis nicht allgemein für alle Dritten zu öffnen, sondern auf eine allgemeine Inte‑ ressenbetroffenheit abzustellen, die nicht zwingend eine Rechtsbetroffenheit voraussetzt.264 Dadurch könnte vermieden werden, Beteiligungsverfahren durch eine Vielzahl von Einwendungen, Standpunkten oder Meinungsäuße‑ rungen zu verkomplizieren.265 Ein solches allgemeines Interesse müsste weit gefasst werden und könnte tatsächlicher, ideeller oder wirtschaftlicher Art sein. Allerdings ist keiner der beiden aufgezeigten Wege – Einbeziehung aller Dritten oder Beteiligungsmöglichkeit für interessierte Dritte – für die vorlie‑ gende Untersuchung zu präferieren. Wird der Adressatenkreis auf Dritte mit einem Interesse eingeschränkt, wird die Beteiligungschance begrenzt und in die Entscheidung fließen nicht alle Gesichtspunkte, die benötigt oder von der Allgemeinheit als wichtig empfunden werden, ein. Dies ist z. B. bei den Be‑ teiligungsbestimmungen des Arzneimittelrechts nicht zweckmäßig. Im Rah‑ men der Pharmakovigilanz soll ein breiter Adressatenkreis Informationen Seibert-Fohr, VerwArch 104 (2013), 311 (323). Seibert-Fohr, VerwArch 104 (2013), 311 (323). 265  Vgl. Stender-Vorwachs, NVwZ 2012, 1061 (1062). 263  Vgl.

264  Siehe



IV. Optimierungsvorschläge297

einbringen, um die Risiken und Nebenwirkungen eines Medikaments umfas‑ send einschätzen zu können. Hingegen ist eine Öffnung des Adressatenkrei‑ ses für Dritte allgemein in allen Rechtsbereichen ebenfalls nicht sinnvoll. So ist im Markenrecht die Widerspruchsmöglichkeit für andere als Inhaber eines kollidierenden Markenrechts nicht zielführend. Der Widerspruch soll zur Rechtswahrung beitragen und nicht jeden Standpunkt aus der Allgemeinheit aufgreifen. Die in den jeweiligen Sekundärrechtsakten unterschiedlichen Beteiligungs‑ adressaten mit und ohne Beteiligungsinteresse können daher nur schwer ver‑ einheitlicht werden. Somit ist die Entscheidung des europäischen Gesetzge‑ bers hinsichtlich der Differenzierung von Dritten mit oder ohne Beteiligungs‑ interesse sinnvoll. Durch eine Vereinheitlichung würde den Eigenarten der verschiedenen Rechtsbereiche nicht entsprochen werden. Allerdings zeigt die Systematisierung, dass bei Dritten mit einem Beteili‑ gungsinteresse häufiger eine Berücksichtigungspflicht hinsichtlich der Betei‑ ligung vorgegeben wird. Dadurch wird gewährleistet, dass Dritte, die explizit ein Interesse an der Beteiligung haben und dieses nachweisen können, auch auf die endgültige Entscheidung einwirken können. Der Beteiligung wird also eine größere Bedeutung zugemessen. Die Beteiligungspflicht sollte da‑ her zumindest bei Beteiligungen solcher Adressaten vorgeschrieben werden, die ein besonderes Interesse für die Beteiligung geltend machen müssen.266 Zudem wird aus der Untersuchung ersichtlich, dass der Adressatenkreise bei Dritten mit Beteiligungsinteresse in der Regel durch den Sekundärrechts‑ akt konkretisiert wird. Auch wenn die Unterschiede hinsichtlich des Beteili‑ gungsinteresses nicht aufgehoben werden können, ist eine Konkretisierung des Adressatenkreises für alle Beteiligungsvorschriften anzuraten. Dies trägt zur Transparenz bei, da erkennbar wird, wer sich beteiligen kann. Es sollte daher eindeutig durch den jeweiligen Sekundärrechtsakt vorgesehen werden, wer zu beteiligen ist.267 Dies könnte vor allem dadurch erreicht werden, dass entweder eine Legaldefinition des Adressatenkreises eingeführt oder dieser zumindest hinreichend in den Beteiligungsbestimmungen konkretisiert wird. Hinsichtlich der konkreten Adressaten, die bei den Entscheidungen betei‑ ligt werden, kann ebenfalls eine Optimierung vorgenommen werden. In den jeweiligen Sekundärrechtsakten wird auf natürliche und juristische Personen, Verbände, Vereinigungen oder Unternehmen abgestellt. Nicht in allen Rechts‑ akten werden aber auch alle Adressaten einbezogen. Allerdings ist vor dem Hintergrund von Art. 11 EUV ein breiter Adressatenkreis geboten. Die pri‑ märrechtliche Bestimmung stellt sowohl auf Bürger, als auch auf repräsenta‑ 266  Ausführlicher 267  Vgl.

zur Optimierung der Berücksichtigungspflicht unter D. IV. 4. Appel, NVwZ 2012, 1361 (1362).

298

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

tive Verbände und die Zivilgesellschaft ab. Aus Art. 11 i. V. m. Art. 9 EUV lässt sich zudem eine diskriminierungsfreie Teilhabe an der Partizipation entnehmen, so dass Chancengleichheit für die Beteiligungsadressaten beste‑ hen sollte. Dies ist insbesondere dort problematisch, wo Verbände entweder direkt durch den Sekundärrechtsakt oder auch nur faktisch aufgrund der ins‑ titutionellen Aufstellung und deren Expertenwissen bevorzugt werden. Der Einzelne sollte nicht vollständig mediatisiert werden.268 Auch wird das Le‑ gitimationsniveau des Verfahrens und der Entscheidung durch die ausschließ‑ liche Beteiligung von Interessengruppen nur gering gesteigert.269 Die Betei‑ ligungsrechte des Einzelnen sollten daher gestärkt und deren Stellung inner‑ halb des Adressatenkreises ausdrücklich hervorgehoben werden. Ob sich der Einzelne tatsächlich auch verstärkt beteiligt, bleibt aber in dessen Verantwor‑ tungsbereich. Letztlich werden sich nur solche Adressaten beteiligen, die von der Beteiligung auch Gebrauch machen wollen.270

3. Zeitpunkt und Einflussnahmemöglichkeit Die Beteiligung der Dritten sollte zu einem möglichst frühen und sinnvol‑ len Zeitpunkt durchgeführt werden.271 D. h. jedoch nicht, dass die Beteili‑ gung zwingend zu Beginn des Verfahrens erfolgen muss. Vielmehr muss diese zu einem solchen Zeitpunkt durchgeführt werden, in dem schon hinrei‑ chend konkrete Informationen über die Maßnahme vorliegen und daher die Beteiligung sinnvoll auf das Verfahren einwirken kann.272 Das Verfahrens‑ stadium muss so gewählt werden, dass die Beteiligung das Verfahren und die Entscheidung noch beeinflussen kann.273 Es sollte eine Optionenoffenheit bestehen.274 Mit der frühzeitigen Beteiligung geht auch die Frühzeitigkeit der Information einher. Die Informationen müssen bereits veröffentlicht sein, um eine effektive Beteiligung zu gewährleisten. Den Dritten müssen also die notwendigen Informationen über die Maßnahme, deren mögliche Auswirkun‑ gen und die Beteiligungsmöglichkeit rechtzeitig zur Verfügung stehen, so dass diese die Beteiligung ausreichend vorbereiten und gegebenenfalls ei‑ 268  Huber,

in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 11 EUV Rn. 16. NVwZ 2013, 769 (770); Posch, in: FAZ vom 04.05.2012, S. 11; ähn­ licher Gedanke auch bei Seibert-Fohr, VerwArch 104 (2013), 311 (323) in Bezug auf den Ausschluss von bestimmten Interessengruppen. 270  Vgl. Knauff, DÖV 2012, 1 (2), der den Begriff der „interessierten Öffentlich‑ keit“ benutzt. 271  Siehe Schmitt Glaeser, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 (239). 272  Siehe Schink, DVBl 2011, 1377 (1383 f.); Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (588). 273  Siehe Saurer, DVBl 2012, 1082 (1088); Schink, DVBl 2013, 1347 (1355); vgl. auch Groß, BauR 2012, 1340 (1342). 274  Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 80 f. 269  Dolde,



IV. Optimierungsvorschläge299

gene Nachforschungen anstellen können. Zudem sollte zur Vermeidung von Frustration den Dritten deutlich gemacht werden, welchen Einfluss sie auf die konkrete Entscheidung ausüben können.275 Wann die Beteiligung durchgeführt werden muss, beurteilt sich von Maß‑ nahme zu Maßnahme unterschiedlich. Ein allgemeingültiger Zeitpunkt für alle Rechtsbereiche kann nicht bestimmt werden. Die vom Untersuchungsge‑ genstand nicht erfasste Planungsebene ist bei Maßnahmen, denen ein Plan vorausgeht, sicherlich bereits der richtige zeitliche Anknüpfungspunkt.276 Dennoch sollte auch beim Erlass der konkreten Maßnahme eine erneute früh‑ zeitige Beteiligung durchgeführt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle betroffenen und interessierten Dritten auch vor der konkreten Ent‑ scheidung die Möglichkeit hatten, ihre Standpunkte vorzutragen. Schließlich sollte für die Beteiligung nicht nur ein möglichst frühzeitiger Zeitpunkt gewählt, sondern auch eine ausreichende Frist gesetzt werden. Aus den meisten Sekundärrechtsakten geht nicht hervor, welcher Zeitraum für die Beteiligung eingeräumt wird. Dies würde aber zur Rechtssicherheit beitra‑ gen. Ein zu kurzer Zeitraum kann die Beteiligung faktisch aushebeln, da die Dritten keine Chance haben, die Beteiligung ausreichend vorzubereiten. Nur wenn ein ausreichend langer Zeitraum vorgesehen ist, wird den Dritten er‑ möglicht, ihr Beteiligungsrecht voll auszuschöpfen. Dieser Gedanke wurde bereits in den Mindeststandards für die Konsultation verankert.277 Dabei wurde zunächst eine Frist von acht Wochen als regelmäßig ausreichend an‑ gesehen, welche dann allerdings als zu kurz empfunden und nunmehr auf zwölf Wochen angehoben wurde.278 Eine zwölfwöchige Frist könnte also als grundsätzlicher Maßstab herangezogen werden, dennoch ist letztendlich die Fristbestimmung von Sekundärrechtsakt zu Sekundärrechtsakt unterschied‑ lich zu beurteilen und muss an die konkrete Thematik angepasst werden. Bei einer konkreten Einzelentscheidung erscheint eine Frist von zwölf Wochen als zu lang, da dadurch das Verfahren stark in die Länge gezogen wird. In jedem Fall sollte eine Frist zur Rechtssicherheit in allen Sekundärrechtsakten oder in den entsprechenden Durchführungsrechtsakten bestimmt werden. 275  Siehe Renn/Köck/Schweizer/Bovet/Benighaus/Scheel/Schröter, ZUR 2014, 281 (283); Schütte, ZUR 2011, 169 (170); Wulfhorst, DÖV 2011, 581 (589). 276  Siehe zur umweltrechtlichen Planung z.  B. die positive Sicht von Lippert, ZUR 2013, 203 (210). 277  Vgl. die Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 20. 278  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirt‑ schafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Intelligente Regulie‑ rung in der Europäischen Union“, KOM(2010) 543 endgültig vom 08.10.2010, S. 11.

300

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

4. Berücksichtigungspflicht und nachträgliche Angabe Wie bereits aus den Funktionen deutlich wurde, ist eine Berücksichti‑ gungspflicht der Beteiligungsergebnisse für die Beteiligung erstrebenswert. Nur dadurch entsteht Akzeptanz und die Kontrolle kann sinnvoll ausgeübt werden. Eventuelle Verfahrensverzögerungen durch die Berücksichtigungs‑ pflicht sind in Anbetracht dieser Funktionensteigerungen hinzunehmen.279 Vorbildfunktion kommt dabei den Bestimmungen in der UVP-II-RL, der IERL, der Seveso-III-RL, der Bergbauabfall-RL und der EnergieinfrastrukturVO zu. Diese Sekundärrechtsakte schreiben ausdrücklich vor, dass die Betei‑ ligungsergebnisse angemessen bzw. gebührend berücksichtigt werden müs‑ sen. Diese Bestimmungen sollten unabhängig vom Rechtsbereich in alle Beteiligungsvorschriften aufgenommen werden, um damit auch die Bestim‑ mungen in Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV zu erfüllen. Die Berück‑ sichtigungspflicht befördert eine offene und bürgernahe Entscheidung. Zudem muss im Nachhinein auch darüber informiert werden, wie die Be‑ teiligungsergebnisse berücksichtigt wurden.280 Wurden diese nicht berück‑ sichtigt, ist dies mit entsprechenden Gründen zu versehen. Dadurch wird die Entscheidung transparent, was wiederum den Bestimmungen aus Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV entspricht. Eine solche Angabe über die Be‑ rücksichtigung kann entweder mit der Entscheidung gemeinsam erlassen werden oder gesondert nach Veröffentlichung der Entscheidung. In jedem Fall ist wichtig, dass die Information über die Berücksichtigung leicht zu‑ gänglich ist und im Idealfall den beteiligten Dritten direkt mitgeteilt wird, soweit dies logistisch möglich ist. Als sekundärrechtliche Vorbildregelung kann Art. 10 Abs. 3 Strom-VO bzw. Gas-VO herangezogen werden. In dieser Bestimmung wird ausdrücklich geregelt, dass angegeben werden muss, wel‑ che Stellungnahmen eingegangen sind und wie diese berücksichtigt wurden. Wurden die Stellungnahmen nicht berücksichtigt, muss der ENTSO (Strom) bzw. der ENTSO (Gas) eine Begründung abgeben. Damit die Akzeptanz und Transparenz in hohem Maße gesteigert wird, sollte sowohl eine Berücksichtigungspflicht als auch eine Verpflichtung zur anschließenden Information über die Berücksichtigung in den Sekundär‑ rechtsakten festgeschrieben werden. Art. 9 Abs. 1 lit. b) UVP-II-RL, Art. 24 Abs. 2 lit. c) IE-RL und Art. 15 Abs. 5 lit. b) Seveso-III-RL kombinieren die Berücksichtigungspflichten mit der nachträglichen Angabe über die Berück‑ Schink, ZG 2011, 226 (247). Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 139; ebenso Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Par‑ teien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 21. 279  Siehe 280  Vgl.



IV. Optimierungsvorschläge301

sichtigung. Dennoch wird nicht einheitlich eine Begründung gefordert, wenn die Beteiligungsergebnisse nicht berücksichtigt wurden (siehe z. B. Art. 8 Abs. 5, 6 Bergbauabfall-RL, Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 Energieinfrastruktur-VO, Art. 17 Abs. 8 Spirituosen-VO, Art. 40 Abs. 2 S. 4 REACH-VO). Eine solche trägt aber gerade zur Transparenz bei und sollte daher zwingend in die Se‑ kundärrechtsakte aufgenommen werden.

5. Aktive Beteiligungshilfe Unter der aktiven Beteiligungshilfe281 sollen solche Elemente gefasst werden, die die Beteiligung erleichtern. Schmitt Glaeser fasst hierunter u. a. eine problembezogene Partizipationshilfe. Es soll eine Informationsspezifi‑ zierung bis hin zu persönlichen Beratungen bestehen, wodurch nicht nur eine Chancengleichheit, sondern vielmehr eine „materiale[…] oder wirkliche[…] Gleichheit“ erzeugt werden soll.282 Eine solche Gleichheit könnte für die untersuchten Sekundärrechtsakte durch Schaffung einer zentralen Beteili‑ gungsstelle hervorgerufen werden.283 Diese Stelle sollte zum einen Informa‑ tionsstelle sein, bei der alle notwendigen Informationen für die Beteiligung gebündelt abrufbar sind, zum anderen aber auch Anlaufstelle für die Beteili‑ gung selbst. Die Beteiligung würde über diese Stelle koordiniert, Unterlagen könnten bei ihr eingereicht werden und Informationen an die Dritten würden von dieser Stelle weitergeleitet. Damit sollte eine verbesserte Kommunika‑ tion geschaffen werden. Bezweckt wird also, die Dritten in einem frühzeiti‑ gen Verfahrensstadium zu erreichen, zur Beteiligung zu motivieren und wäh‑ rend des gesamten Entscheidungsprozesses mit Informationen zu versor‑ gen.284 Aber auch das Vertrauen in die Beteiligung kann dadurch befördert werden.285 Zudem wird eine Stabilität und Kontinuität erzeugt, damit ein dauerhafter Dialog entsteht.286 Eine zentrale Beteiligungsstelle würde somit 281  Begriff nach Schmitt Glaeser, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 (239) „aktive Partizipationshilfe“. 282  Schmitt Glaeser, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 (239). 283  Zu einer solchen Idee auf nationaler Ebene auch schon Groß, VerwArch 104 (2013), 1 (19); Gurlit, JZ 2012, 833 (840); Stender-Vorwachs, NVwZ 2012, 1061 (1065); Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 131 f.; vgl. auch den Rückgriff auf „Ihre Stimme in Europa“ durch die Kommission in der Mitteilung der Kommission „Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission“, KOM(2002) 704 endgültig vom 11.12.2002, S. 20. 284  Siehe auch die Ausführungen von Appel, NVwZ 2012, 1361 (1366) zur Bür‑ gerbeteiligung im Umweltrecht. 285  Siehe Ziekow, Gutachten D zum 69. DJT, S. D 132. 286  Vgl. Gurlit, JZ 2012, 833 (840).

302

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

auch die Bestrebungen aus Art. 11 EUV fördern, indem sie einen Kommuni‑ kationsraum schaffen würde und die Dialogbereitschaft jederzeit eingefordert werden könnte. Damit würde die bisherige Praxis, die z. B. auf europäischer Ebene bei der Beteiligung der Agenturen herrscht, verbessert. Sind bestimmte Agenturen für die Beteiligung zuständig, wird auf deren Homepage die Konsultation veröffentlicht.287 Für jeden thematischen Bereich muss der Dritte zunächst erkennen, welche Agentur zuständig ist, und die jeweilige Veröffentlichung auf der Internetseite finden. Jedoch ist diese Veröffentlichung auf jeder Agenturhomepage unterschiedlich ausgestaltet. Eine zentrale Homepage ei‑ ner primären Beteiligungsstelle würde einen Überblick über alle Konsultati‑ onen bereichsübergreifend schaffen und eine gewisse Kontinuität ermögli‑ chen. Der Dritte müsste nur noch eine Stelle anlaufen. Das Beteiligungsver‑ fahren würde damit vereinfacht werden. Als Vorbild für eine solche zentrale Beteiligungsstelle kann der Anhörungsbeauftragte bei der Fusionskontrolle dienen. Dieser ist ein unabhängiger Schiedsmann, der Objektivität, Transpa‑ renz und Effizient der Anhörungsverfahren fördert.288 Er nimmt wesentliche Aufgaben bei der Anhörung wahr und hat verfahrensbezogene Entschei‑ dungsbefugnisse. Er erleichtert also die Durchführung der Beteiligung. Würde eine zentrale Beteiligungsstelle nach dem Vorbild des Anhörungs‑ beauftragten geschaffen, so könnten für die verschiedenen Rechtsbereiche auch verschiedene Beauftragte ernannt werden, die sich in dem jeweiligen Rechtsbereich vertieft auskennen und damit für die Beteiligung der richtige Ansprechpartner wären. Damit gäbe es zwar wiederum unterschiedliche An‑ sprechpersonen für unterschiedliche Beteiligungsverfahren, allerdings unter der Schirmherrschaft der zentralen Beteiligungsstelle, so dass für die Dritten zumindest die allgemeine Stelle als Anlaufpunkt diene, die den Kontakt zum jeweils zuständigen Beauftragen herstellen würde. Ob dabei einheitlich auf eine europäische Beteiligungsstelle für die mitgliedstaatliche und die europä‑ ische Durchführung zurückgegriffen werden sollte oder jeder Mitgliedstaat eine eigene zentrale Beteiligungsstelle schaffen soll, sollte aber dem Gestal‑ tungsspielraum der Mitgliedstaaten überlassen werden Lässt sich die Schaffung einer zentralen Beteiligungsstelle politisch weder auf europäischer noch auf mitgliedstaatlicher Ebene durchsetzen, sollte aber zumindest eine Verbesserung der Informationspolitik vorgenommen werden. Bei den einzelnen Sekundärrechtsakten, in denen sich einen Beteiligung fin‑ 287  Z. B. bei der EFSA unter http://www.efsa.europa.eu/de/calls/consultations (Stand: 19.10.2017). 288  EWG Nr. 3, 4 und 8 Beschluss des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13.10.2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimm‑ ten Wettbewerbsverfahren, ABl. L 275 vom 20.10.2011, S. 29.



IV. Optimierungsvorschläge303

det, sollten z. B. über die Plattform EUR-Lex289 Durchführungsvorschriften, Mitteilungen oder auch nur Homepages verlinkt werden, die weiterführende Informationen über die Beteiligung vermitteln. In einigen Bereichen ist das Auffinden von Beteiligungsinformationen trotz des leicht zugänglichen Me‑ diums Internet sehr schwierig. So wird z. B. erst aus der Durchführungsver‑ ordnung zur AnreicherungsVO ersichtlich, dass auch bei der Aufnahme von anderen Stoffen als Vitaminen und Mineralstoffen auf die Negativliste eine Beteiligung möglich ist. Aus dem Sekundärrechtsakt selbst geht dies aber nicht hervor. Das Auffinden der Durchführungsverordnung gelingt zwar ebenso wie das Auffinden der AnreicherungsVO bei EUR-Lex, eine direkte Verlinkung würde den Prozess aber vereinfachen. Dabei schlägt die EURLex-Plattform nunmehr einen richtigen Weg ein. Bei einigen Sekundärrechts‑ akten ist bereits eine direkte Verlinkung zu den Durchführungsrechtsakten, den delegierten Rechtsakten und den internen Verfahren, die eine beabsich‑ tige Änderung des Sekundärrechtsaktes aufzeigen, vorgenommen worden.290 Diese Verknüpfung findet sich aber nicht bei allen Rechtsakten. Zur Schaf‑ fung von Transparenz sollte dieser Weg konsequent bei allen Sekundärrechts‑ akten fortgesetzt werden. Ein weiteres Beispiel für die direkte Verlinkung auf EUR-Lex ist die Konkretisierung des Adressatenkreises bei der REACH-VO. Eine Erläuterung zu den Beteiligungsadressaten wird lediglich in den Leitli‑ nien der ECHA vorgenommen, die auf der Homepage der ECHA abrufbar sind.291 Eine direkte Verlinkung mit der REACH-VO bei EUR-Lex könnte aber ohne viel Aufwand vorgenommen werden. Durch diese Vereinfachung beim Informationszugriff würde der Zugang für die Dritten zur Beteiligung erleichtert und die Beteiligung würde an Transparenz gewinnen. Schließlich kann auch als aktive Beteiligungshilfe erwogen werden, eine Art Vermittlungsverfahren bei der Beteiligung einzuführen. Dieses kann ent‑ weder nach dem Vorbild der Mediation oder konkret nach den Vorbildern des Konsultationsverfahrens bei der Qualitätsregelung-VO und der Cooling-offFrist aus dem Markenrecht gebildet werden. Das Konsultationsverfahren bzw. das in der ersten Fassung der Qualitätsregelung-VO aus dem Jahr 1992 noch treffender bezeichnete Einigungsverfahren sieht vor, dass beim Ein‑ spruch auf europäischer Ebene innerhalb einer Maximalfrist von sechs Mo‑ naten ein Verfahren zur Einigung zwischen den beteiligten Personen und Stellen durchgeführt wird. In dieselbe Richtung geht die im Markenrecht normierte Cooling-off-Frist bei der Eintragung von Unionsmarken bzw. nati‑ 289  http://eur-lex.europa.eu/(Stand:

19.10.2017). bei der Aromawein-VO, siehe http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ ALL/?uri‌=CELEX:32014R0251&qid=1487764759296 (Stand: 19.10.2017)). 291  Siehe ECHA, Leitlinien zur Erstellung eines Zulassungsantrags, Januar 2011, S. 120 und ECHA, Leitlinien zur Erstellung sozioökonomischer Analysen für Zulas‑ sungsanträge, Januar 2011, S. xiii. 290  Z. B.

304

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

onalen Marken. Während des Widerspruchsverfahrens soll auf eine gütliche Einigung hingewirkt werden. Solche Verfahren könnten auch in den übrigen Rechtsbereichen eingeführt werden, so dass durch eine Einigung die Ein‑ wände bereits sinnvoll aus dem Weg geräumt werden können, ohne dass es dabei zu einer Verfahrensverzögerung kommen würde. Die Bedenken einer möglichen Verfahrensverzögerung können vielmehr damit widerlegt werden, dass bei einer erfolgreichen Einigung das weitere Beteiligungsverfahren ab‑ gekürzt werden kann. So werden fast 70 % der Widersprüche während der Cooling-off-Frist bei der Unionsmarken-VO beendet, so dass es nicht mehr zu einer Entscheidung des EUIPO kommt.292 In jedem Fall könnte ein Ver‑ mittlungsverfahren zu gesteigerter Akzeptanz des Verfahrens führen.

6. Rechtsbehelfe Schließlich könnte der Rechtsschutz für die Beteiligungsvorschriften opti‑ miert werden. Gerichtliche Rechtsbehelfe existieren in ausgeprägter Form bereits in Teilen des Umweltrechts. Aufgrund der Åarhus-Konvention wur‑ den in der UVP-II-RL, der IE-RL und der Seveso-III-RL Klagemöglichkeiten normiert, die bei einer unterbliebenen oder fehlerhaften Öffentlichkeitsbetei‑ ligung in Anspruch genommen werden können. Zudem sieht z. B. die Uni‑ onsmarken-VO auch ein außergerichtliches Beschwerdeverfahren vor. Solche Rechtbehelfe sind aber bislang nur selten sekundärrechtlich verankert; nichts‑ destotrotz würde eine Steigerung gerichtlicher oder außergerichtlicher Rechtsbehelfe den Rechtsschutz der Dritten bezüglich der Beteiligungsrechte fördern und die Konsultationen aufwerten. Wenn sich der Dritte gegen ein fehlerhaftes oder unterbliebenes Beteiligungsverfahren vor einer Stelle weh‑ ren könnte, würde dies zusätzliche Kontrolle, Akzeptanz und auch Transpa‑ renz schaffen. Die Einführung gerichtlichen Rechtsschutzes nach dem Vor‑ bildern der UVP-II-RL, der IE-RL und der Seveso-III-RL ist zwar grundsätz‑ lich zu befürworten293 und findet auch beim Gerichtshof Rückhalt,294 aller‑ dings ist die politische Durchsetzbarkeit sehr fraglich. Leichter sollte hingegen die Einführung von außergerichtlichen Rechtsbehelfen im Sinne Bender, MarkenR 2016, 10 (18 Fn. 47). auch Gärditz, NVwZ 2014, 1 (3 f.). 294  Vgl. z. B. EuGH Rs. C-137/14, ECLI:EU:C:2015:683, Rn. 92  – KOM/ Deutschland; Rs. C‑570/13, ECLI:EU:C:2015:231, Rn. 48 ff. – Gruber; Rs. C-115/09, Slg. 2011 I-3673, ECLI:EU:C:2011:289, Rn. 48, 50 – Trianel, der bezüglich der Kla‑ gerechte allgemein auf die Verletzung einer Vorschrift, die aus dem Unionsrecht her‑ vorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, abstellt. Damit muss sich nicht mehr zwingend auf spezifisch umweltrechtliche Normen bezogen werden, der An‑ wendungsbereich des Klagerechts wird also gelockert, siehe Lippert, ZUR 2013, 203 (207 f.). 292  Siehe 293  Vgl.



V. Optionen zur Umsetzung der Optimierungsvorschläge 305

eines Beschwerdeverfahrens sein. Enthalten die Sekundärrechtsakte Bestim‑ mungen zu einer Beschwerde, sollte diese bereits vor der endgültigen Ent‑ scheidung möglich sein. Nur dann kann noch effektiv auf die Entscheidung eingewirkt werden. Im besten Fall sollte der Beschwerde dafür eine aufschie‑ bende Wirkung zukommen. Jedenfalls sollte aber auch nach Erlass der Ent‑ scheidung die Möglichkeit einer Beschwerde eröffnet sein. Dabei könnten sich die Dritten u. a. auf die abschließenden Informationen zur Berücksichti‑ gung der Beteiligung stützen. Dieser eingeschlagene Weg zur Optimierung sollte also durch die Rechtsbehelfsverfahren fortgesetzt werden.

V. Optionen zur Umsetzung der Optimierungsvorschläge Die aufgezeigten Optimierungsvorschläge für das EU-Recht können in un‑ terschiedlicher Art und Weise umgesetzt werden. In Erwägung gezogen werden kann, die Optimierungsvorschläge als allge‑ meingültige Vorschriften in ein allgemeines Verwaltungsverfahrensrecht der Europäischen Union einzugliedern. Die Bestrebung zum Erlass eines solchen einheitlichen Rechts hat das Europäische Parlament nunmehr aufgegriffen und eine Entschließung zur Empfehlung an die Kommission verabschiedet.295 Da‑ nach wird die Kommission aufgefordert, auf Grundlage von Art. 298 AEUV einen Vorschlag für eine Verordnung über ein europäisches Verwaltungsver‑ fahrensrecht zu unterbreiten. Ein Musterentwurf für ein EU-Verwaltungsver‑ fahrensrecht296 wurde bereits 2014 vom Research Network on EU Administrative Law (ReNEUAL) unterbreitet. Die Optimierungsvorschläge könnten also in diesen Musterentwurf eingebaut werden. Buch II des Musterentwurfs ent‑ hält bereits unter Art. II-4 eine eigenständige Bestimmung zu Konsultationen und Partizipation bei Erlass, Änderung oder Aufhebung von Rechtsakten ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung, wozu auch Rechtsakte nach Art. 290 und Art. 291 AEUV gehören. Die untersuchten Beteiligungen bei ad‑ ministrativer Normsetzung könnten also in Buch II eingefügt werden. Art. II-4 und Art. II-5 enthalten bereits viele von den Vorschlägen aufgegrif‑ fene Punkte. So soll eine zentrale EU-Website für Konsultationen geschaffen werden. Dadurch soll die Kommentierung von Rechtsaktentwürfen für die 295  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2013 mit Emp‑ fehlungen an die Kommission zu einem Verwaltungsverfahrensrecht der Europäischen Union (2012/2024(INL)), ABl. C 440 vom 30.12.2015, S. 17. 296  In englischer Fassung abrufbar unter http://www.reneual.eu/images/Home/Re NEUAL-Model_Rules-Compilation_BooksI_VI_2014-09-03.pdf (Stand: 19.10.2017). Eine deutsche Übersetzung wurde veröffentlicht in Schneider/Hofmann/Ziller, Re‑ NEUAL.

306

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Bürger erleichtert und die bisherige uneinheitliche Praxis mit vielen verschie‑ denen Websites vereinheitlicht werden.297 Auf dieser zentralen Website wer‑ den nach Art. II-4 Abs. 2 Rechtsaktentwürfe und erläuternde Begleitdoku‑ mente, Einladungen an jedermann zur elektronischen Abgabe von Stellung‑ nahmen, Informationen zum weiteren Verfahren und benötigte Studien, Daten oder weitere Materialien zur Verfügung gestellt. Nach dem Vorbild der Min‑ deststandards für die Konsultation298 wird eine Beteiligungsfrist von zwölf Wochen gewährt. Art. II-4 Abs. 3 sieht zudem vor, dass voraussichtlich betrof‑ fene Personen direkt von der EU-Behörde ermittelt und zur Stellungnahme aufgefordert werden können. Dadurch steht neben der offenen Ausschreibung an die allgemeine Öffentlichkeit eine gezielte Kontaktaufnahme zu Personen, deren Interessen möglicherweise berührt sein könnten.299 Art. II-5 Abs. 1 sieht vor, dass ein mit Gründen versehener Bericht abgefasst werden muss, in wel‑ chem angeben wird, wie die Stellungnahmen berücksichtigt bzw. weshalb diese nicht beachtet wurden. Die EU-Behörde wird also zur aktiven Überprü‑ fung der Stellungnahmen verpflichtet.300 Diese in Art. II-4 und Art. II-5 nor‑ mierten Vorgaben für die Konsultation sind zu begrüßen und verbessern einige der aufgezeigten Schwachpunkte aus dem untersuchten Sekundärrecht, aller‑ dings nur für den Bereich der administrativen Normsetzung. Für Einzelfallentscheidungen nach Buch III gelten andere Konsultations‑ vorschriften, die die Beteiligung weniger vorantreiben. Art. III-25 sieht die Konsultation der interessierten Öffentlichkeit vor. Dabei ist positiv zu bewer‑ ten, dass Art. III-2 Abs. 4 eine Legaldefinition der interessierten Öffentlich‑ keit bestimmt und darunter „jede natürliche oder juristische Person sowie andere Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen, die Interesse an dem Verwaltungsverfahren bekunden“ fasst. Der Adressatenkreis ist somit weit ausgestaltet.301 Allerdings ist die Konsultation des Art. III-25 lediglich fa‑ kultativ. Begründet wird dies damit, dass zwar das sektorspezifische Recht sowohl obligatorische als auch fakultative Beteiligungsvorschriften vorsehe, der Beurteilungsspielraum der EU-Organe vor dem Hintergrund von Art. 11 EUV aber gewahrt bleiben müsse. Art. 11 Abs. 1 EUV spreche nur davon, den Meinungsaustausch „in geeigneter Weise“ zu ermöglichen. Auch die Auslegung des Gerichtshofes zu Art. 11 Abs. 1 EUV sei noch nicht klar. So‑ mit sei wegen des derzeitigen Entwicklungsstandes des EU-Rechts die fakul‑ tative Beteiligung ratsam.302 297  Schneider/Hofmann/Ziller,

ReNEUAL, Erläuterungen Buch II Rn. 40. ReNEUAL, Erläuterungen Buch II Rn. 42. 299  Schneider/Hofmann/Ziller, ReNEUAL, Erläuterungen Buch II Rn. 44. 300  Schneider/Hofmann/Ziller, ReNEUAL, Erläuterungen Buch II Rn. 48. 301  Vgl. Schneider/Hofmann/Ziller, ReNEUAL, Erläuterungen Buch III Rn. 9. 302  Schneider/Hofmann/Ziller, ReNEUAL, Erläuterungen Buch III Rn. 89. 298  Schneider/Hofmann/Ziller,



V. Optionen zur Umsetzung der Optimierungsvorschläge 307

Bei den Einzelfallentscheidungen weicht die Beteiligung im Musterent‑ wurf somit von der Konsultation bei der administrativen Normsetzung ab. Zwar wird betont, dass Art. III-25 enge Bezüge zu Buch II hat,303 dennoch werden die Konsultationen verschieden ausgestaltet – nicht nur hinsichtlich des Ermessens. Art. III-25 sieht keine zentrale EU-Website für die Konsulta‑ tion vor, sondern verweist auf offizielle Internetseiten, die zwar übersicht‑ lich, einfach und leicht zu benutzen sein müssen. Allerdings ist nicht nach‑ vollziehbar, warum nicht auf die durch Art. II-4 geschaffene zentrale Website zurückgegriffen werden soll. Die damit bezweckte Vereinfachung wird kon‑ terkariert. Auch wird von Art. III-25 nicht ausdrücklich eine Berücksichti‑ gungspflicht und ein anschließender Bericht vorgeschrieben. Die gelungenen Bestimmungen in Buch II zur Konsultation werden in Buch III leider nicht aufgegriffen. Daher kann die Eingliederung der Optimierungsvorschläge in den Musterentwurf für ein EU-Verwaltungsverfahrensrecht des ReNEUAL zwar als Option herangezogen werden, bietet sich aber nicht vollends für die in dieser Arbeit unterbreiteten Vorschläge an. Am naheliegendsten ist, die verschiedenen Optimierungsvorschläge in die bereits vorhandenen Sekundärrechtsakte durch eine oder mehrere entspre‑ chende Änderungsverordnungen bzw. -richtlinien einzuführen. Ähnlich wie bei der ÖffB-RL für die Umsetzung der Åarhus-Konvention könnten aus ei‑ nem Rechtsbereich mit derselben Kompetenzgrundlage Änderungen der ein‑ zelnen Sekundärrechtsakte vorgeschrieben werden. Gerade die sekundär‑ rechtlichen Regelungen, die bezüglich der Drittbeteiligung keine weiteren Angaben machen, sollten gefördert und die Optimierungsvorschläge einge‑ baut werden. Letztlich kann der europäische Gesetzgeber durch die Einglie‑ derung der Optimierungsvorschläge Einheitlichkeit bei der Beteiligung rechtsbereichsübergreifend erzeugen. Vor allem sollte die Bedeutung der Drittbeteiligung klar gestellt und die Rolle der Beteiligung – z. B. in den Er‑ wägungsgründen – verdeutlicht werden. Allerdings sollte auch bei Beteili‑ gungen, die schwach ausgestaltet sind und in der Praxis bislang keine Aus‑ wirkungen gezeigt haben, eine Revision vorgenommen werden, was einen Rückbau von Beteiligungsvorschriften nicht zwingend ausschließt. Nicht in allen Bereichen ist die Einführung von Beteiligungen tatsächlich zweckmä‑ ßig und zielführend. In jedem Fall müsste der EU aber die Kompetenz für die Umsetzung sol‑ cher Optimierungsvorschläge zustehen. Dies lässt sich in den Bereichen mit bereits existierenden Beteiligungsvorschriften bejahen. Die Optimierungsvor‑ schläge fußen auf bereits existierenden Normierungen, so dass die EU keine Kompetenzen überschreitet, sondern auf die jeweiligen sektorspezifischen 303  Schneider/Hofmann/Ziller,

ReNEUAL, Erläuterungen Buch III Rn. 89.

308

D. Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung von Dritten

Rechtsgrundlagen zurückgreifen kann (z. B. Art. 192 AEUV für das Umwelt‑ recht). Die Rechtsgrundlage wird nach ständiger Rechtsprechung des Ge‑ richtshofes anhand des Schwerpunktes des Gesetzgebungsaktes gewählt,304 so dass bei bloßen Veränderungen in den Verfahrensvorschriften ohne Ände‑ rung der materiellen Garantien noch immer der inhaltliche Schwerpunkt auf der jeweiligen sektorspezifischen Thematik liegt. Lediglich bei der Einführung allgemeingültiger Vorschriften, wie der Schaffung einer zentralen Beteiligungsstelle, müssten die mitgliedstaatlichen Befugnisse beachtet werden. Wie beim Musterentwurf des ReNEUAL könnte aber auf Art. 298 AEUV abgestellt werden.305 Anknüpfungspunkt wäre die Terminologie der europäischen Verwaltung. Die Interpretation dieser Begriff‑ lichkeit kann entweder eng gefasst werden und so nur die interne Verwal‑ tungsorganisation der Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der EU umfassen. Möglich ist aber auch eine extensive Auslegung, so dass aufgrund der Pluralisierung von nationalen und unionalen Verwaltungsbehörden bei der Umsetzung von EU-Recht und der Rechtsprechung des Gerichtshofes sowohl die mitgliedstaatliche als auch die europäische Ebene unter die euro‑ päische Verwaltung fallen und daher auch mitgliedstaatliche Behörden bei der Durchführung von EU-Recht umfasst sind.306 Letztendlich muss den EU‑Organen und Mitgliedstaaten überlassen sein, welche Interpretations‑ möglichkeit sie vorziehen und ob der Wille für eine Vereinheitlichung auf Grundlage von Art. 298 AEUV besteht. Das europäische Parlament scheint aber die enge Interpretation ohne Einbeziehung der mitgliedstaatlichen Ver‑ waltungsbehörden vorzuziehen. Es stellt in seiner Entschließung mit Emp‑ fehlung an die Kommission für ein Verfahrensrecht der EU nur auf die Or‑ gane, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der EU ab.307

304  EuGH Rs. C-155/07, Slg. 2008 I-8103, ECLI:EU:C:2008:605, Rn. 34  – EP/ Rat; Rs. C-91/05, Slg. 2008 I-3651, ECLI:EU:C:2008:288, Rn. 106  – KOM/Rat; Rs. C-338/01, Slg. 2004 I-4829, ECLI:EU:C:2004:253, Rn. 54 f. – KOM/Rat; Rs. C-36/98, Slg. 2001 I-779, ECLI:EU:C:2001:64, Rn. 58 f. – Spanien/Rat; Rs. C-155/91, Slg. 1993 I-939, ECLI:EU:C:1993:98, Rn. 19, 21 – KOM/Rat. 305  Siehe Schneider/Hofmann/Ziller, ReNEUAL, Einführung in den ReNEUALMusterentwurf, Rn.  37 ff. 306  Zu diesen verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten Schneider/Hofmann/ Ziller, ReNEUAL, Einführung in den ReNEUAL-Musterentwurf, Rn. 42 ff. 307  Empfehlung 1 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Ja‑ nuar 2013 mit Empfehlungen an die Kommission zu einem Verwaltungsverfahrens‑ recht der Europäischen Union (2012/2024(INL)), ABl. C 440 vom 30.12.2015, S. 17 (20).

E. Zusammenfassung und Fazit Die Arbeit hat die Formen der Drittbeteiligung bei Verwaltungsentschei‑ dungen im Sekundärrecht der Europäischen Union untersucht. Die Ergeb‑ nisse sollen im Folgenden zusammengefasst und ein abschließendes Fazit gegeben werden. Die Drittbeteiligung bei Verwaltungsentscheidungen findet sich in ver‑ schiedenen Rechtsbereichen des Sekundärrechts. Durch die Entwicklung bis zum heutigen Zeitpunkt wird insbesondere die Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltrecht herausgestellt. Die umweltrechtliche Öffentlichkeitsbeteiligung ist Ausgangspunkt der Beteiligung auf sekundärrechtlicher Ebene und – auch wegen der Umsetzung der Åarhus-Konvention – rechtsschutzintensiv ausge‑ staltet. Aber auch in den übrigen Rechtsbereichen hat sich schon früh eine Beteiligung etabliert und im Laufe der Zeit konkretisiert. Vor allem seit den 2000er Jahren lässt sich im EU‑Sekundärrecht ein Zuwachs von Beteili‑ gungsvorschriften verzeichnen. Im Rahmen dieser Entwicklung bildete sich aber keine einheitliche Betei‑ ligungsform heraus, sondern es wurden in den verschiedenen Sekundär‑ rechtsakten und Rechtsbereichen ganz unterschiedliche Normierungen hin‑ sichtlich der Partizipation erlassen. Diese Vielfältigkeit der Beteiligungsmög‑ lichkeiten führt zu einer Uneinheitlichkeit der Drittbeteiligung auf europäi‑ scher Sekundärrechtsebene und macht eine Systematisierung erforderlich, um durch einen Überblick die Partizipationsformen erkennen und wahrneh‑ men zu können, was zu deren Wirksamkeit beiträgt. Ziel der Untersuchung ist daher eine rechtsbereichsübergreifende Systematisierung der Beteiligungs‑ vorschriften. Nur durch die Einbeziehung von vielen verschiedenen Rechts‑ bereichen und ohne die Beschränkung auf einen bestimmten Bereich kann die Vielfältigkeit der Beteiligungsvorschriften auf Ebene des Sekundärrechts abgebildet und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgefiltert werden. Zur Erreichung dieses Zieles wurden zunächst die Beteiligungsnormen he‑ rausgestellt. Ausgehend vom Untersuchungsgegenstand, der auf Beteiligun‑ gen von Dritten, d. h. Nicht-Adressaten, bei Verwaltungsentscheidungen mit unmittelbarer Drittwirkung festgelegt wurde, haben sich in fünf Rechtsberei‑ chen Formen der Beteiligung von Dritten bei Verwaltungsentscheidungen in 34 verschiedenen Sekundärrechtsakten ausmachen lassen. Im Umweltrecht finden sich teilweise sehr detaillierte Formen der Beteili‑ gung. Die Öffentlichkeitsbeteiligung sticht hervor und wurde in mehreren

310

E. Zusammenfassung und Fazit

Sekundärrechtsakten verankert. UVP-II-RL, IE-RL, Seveso-III‑RL und Berg‑ bauabfall-RL bestimmen detailliert die Öffentlichkeitsbeteiligung unter Zu‑ grundelegung von Legaldefinitionen, frühestmöglichen Zeitpunkten zur Be‑ teiligung, Berücksichtigungspflichten und zum Teil Rechtsschutzmöglichkei‑ ten. Allerdings wird diese Linie nicht einheitlich fortgesetzt. Die übrigen sechs umweltrechtlichen Bestimmungen sind teilweise sehr ungenau hin‑ sichtlich der Beteiligung oder setzen diese sogar nur ins Ermessen der zu‑ ständigen Stelle. Es kann kein einheitliches Bild ausgemacht werden. Daher ist das Umweltrecht ein ambivalenter Rechtsbereich, bei welchem zum Teil effektive Beteiligungsvorschriften normiert wurden, die Chance zur Ein‑ heitlichkeit und damit Effektuierung der Beteiligung aber bislang nicht wahr‑ genommen wurde. Im Tierschutzrecht als zweitem Rechtsbereich findet sich nur in der Tierver‑ such-RL eine Beteiligung. Der Adressatenkreis ist dabei auf unabhängige Dritte festgelegt, ohne eine Konkretisierung dafür vorzunehmen. Auch ist die Beteiligung nur fakultativ. Eine Auslegung der Beteiligungsvorschrift ist da‑ mit nur schwer möglich. Es wird lediglich deutlich, dass die Transparenz bei der Genehmigung von Tierversuchen auch durch die Drittbeteiligung geför‑ dert werden soll. Die Beteiligungsmöglichkeit wurde erst 2010 aufgenommen. Insgesamt steht die Drittbeteiligung im Tierschutzrecht noch ganz am Anfang. Eng mit dem Umweltrecht verbunden ist der dritte Bereich des Gentech‑ nikrechts. Bei diesem Rechtsbereich findet sich ein Stufenprinzip der Betei‑ ligung. Anknüpfend an die Art des Gebrauchs von genetisch veränderten (Mikro‑)Organismen findet in den Bereichen, in denen die Öffentlichkeit in Kontakt mit den genetisch veränderten Organismen kommt, eine gesteigerte Beteiligung statt. Beteiligungen bei Verfahren zur Genehmigungen im ge‑ schlossenen System sind nur fakultativ, während bei der absichtlichen Frei‑ setzung und dem Inverkehrbringen die Beteiligung zwingend ist. Aus dem vierten Bereich, dem Wirtschaftsrecht, wurden drei speziellere Rechtsbereiche betrachtet: das Energierecht, das Telekommunikationsrecht und die Fusionskontrolle. Das Energierecht ist – wie auch schon das Um‑ weltrecht – ambivalent ausgestaltet. Die Beteiligungsformen variieren stark. In der neusten Energieinfrastruktur-VO findet sich ein eigenständiger detail‑ lierter Artikel zur Beteiligung, während in der Strom-VO bzw. Gas-VO bei ein und derselben Entscheidung mehrere, aufeinander nicht abgestimmte Be‑ teiligungen – teils fakultativ, teils obligatorisch – durchgeführt werden. Im Ermessen steht die Beteiligung bei der Strom-RL bzw. Gas-RL. Im Telekom‑ munikationssektor werden durch die sekundärrechtlichen Bestimmungen vor allem interessierten Kreise als Beteiligungsadressaten einbezogen. Art. 6 Kommunikationsrahmen-RL ist die zentrale Konsultationsvorschrift für den Telekommunikationsbereich und bei Verweisung anwendbar. Bei der Fusi‑



E. Zusammenfassung und Fazit311

onskontrolle finden sich in den verschiedenen Verfahrensstadien unterschied‑ lich stark ausgeprägte Beteiligungen. Hervorzuheben ist die – auch durch die Durchführungsverordnung – konkretisierte Beteiligung von Dritten im Haupt­verfahren und die Etablierung eines Anhörungsbeauftragten. Der letzte Rechtsbereich, das Produktrecht, umfasst neben dem Lebens‑ mittelrecht auch das Marken-, das Arzneimittel- und das Chemikalienrecht. Beim Lebensmittelrecht stehen unterschiedliche Interessen bezüglich der Be‑ teiligung im Vordergrund, wobei bei allen Sekundärrechtsakten die Entschei‑ dung durch eine administrative Normsetzung erfolgt. Der Schutz wirtschaft‑ licher Unternehmensinteressen und der Verbraucherschutz werden durch die Beteiligungen bei der Health-Claims-VO und der AnreicherungsVO gewähr‑ leistet. Um diese Interessen zu schützen und zu garantieren, werden Interes‑ sengruppen bei der Änderung der Verordnungsanhänge einbezogen. Beim Schutz geografischer Bezeichnungen dienen die Einspruchsverfahren der Si‑ cherung bestehender Rechte. Die Einspruchsverfahren sind bei den vier Ver‑ ordnungen dieses Bereiches sehr ähnlich ausgestaltet. Im Markenrecht findet sich zum einen die Gelegenheit für Dritte, Bemerkungen vorzubringen, zum anderen besteht auch die Möglichkeit, einen vorgelagerten Widerspruch ein‑ zureichen. Bei der Unionsmarken-VO sind diese beiden Beteiligungsformen schon mit dem Erlass der ersten Fassung 1994 eingeführt worden, während bei der Marken-RL erst seit ihrer Änderung im Jahr 2015 Bemerkungen und Widersprüche ermöglicht wurden. Das Arzneimittelrecht kennt erst seit 2010 eine Beteiligung in Form von öffentlichen Anhörungen. Diese öffentlichen Anhörungen sind auf den Bereich der Pharmakovigilanz beschränkt, dienen der Informationseinholung und liegen im Ermessen. Besonderheit ist hier, dass die Beteiligung nur über eine Verweisung von der Arzneimittel-VO in die Humanarzneimittel-RL Anwendung findet. Im Chemikalienrecht ist bei der REACH-VO charakteristisch, dass eine Vielzahl von Beteiligungen bei den verschiedenen Verfahren verortet wurde. Deren Ausgestaltung ist sowohl hinsichtlich des Adressatenkreises, der Beteiligungsart als auch der fakultati‑ ven oder obligatorischen Durchführung unterschiedlich. Demgegenüber nor‑ miert die Pflanzenschutzmittel-VO als weiterer Sekundärrechtsakt des Che‑ mikalienrechts nur eine Beteiligung bei der Genehmigung von Wirkstoffen. Es wird eine 60-Tagesfrist für die Einreichung von schriftlichen Stellungnah‑ men für die Öffentlichkeit eingeräumt. Eine Konkretisierung des Adressaten‑ kreises bleibt aber offen. Nach Herausarbeitung der Beteiligungsvorschriften in den verschiedenen Rechtsbereichen haben sich diese Beteiligungsformen anhand verschiedener Komponenten systematisieren lassen. Bei der Komponente der Entscheidungsart wurde untersucht, welche Se‑ kundärrechtsakte eine administrative Normsetzung mit unmittelbarer Dritt‑

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E. Zusammenfassung und Fazit

wirkung und welche eine Einzelentscheidung vorschreiben. Letzteres ist bei den untersuchten Sekundärrechtsakten häufiger, nur etwa ein Drittel der Rechtsakte schreiben eine administrative Normsetzung mit unmittelbarer Drittwirkung vor. Bei der zweiten Komponente wurde die Beteiligungsdurchführung be‑ trachtet. Die Beteiligung im Sekundärrechtsakt steht entweder im Ermessen, d. h. sie ist fakultativ ausgestaltet, oder muss obligatorisch durchgeführt wer‑ den. Dabei ist in den untersuchten Sekundärrechtsakten die obligatorische Beteiligungsdurchführung häufiger als die fakultative vorzufinden. Die Beteiligungsarten erstrecken sich von Beteiligungen ohne konkrete Zielsetzungen bis hin zu Beteiligungen in der Form eines Widerspruchs. Bei letzteren können Dritte zum Ausdruck bringen, dass sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Auf einer niedrigeren Ebene finden sich Beteiligun‑ gen, die zur Einholung einer Wertung durchgeführt werden, d. h. es wird vor‑ gesehen, dass Dritte ihre Ansichten und Standpunkte mitteilen können. Diese Beteiligungsart kommt am häufigsten in den Sekundärrechtsakten vor. Ein Teil der Sekundärrechtsakte zielt auf die Einholung von bloßen Informatio‑ nen ab, ohne dass dabei eine Wertung der Dritten vorgebracht werden soll. Schließlich finden sich Beteiligungen ohne eine konkrete Zielsetzung. Es wird nicht ersichtlich, ob lediglich eine Information, Wertung oder ein Wi‑ derspruch mit der Beteiligung zum Ausdruck gebracht werden soll. Die Adressatenkreise sind in den Sekundärrechtsakten sehr unterschiedlich ausgestaltet. Unterschieden werden können die Beteiligungsadressaten hin‑ sichtlich des Beteiligungsinteresses. In den Beteiligungsvorschriften wird entweder für die Beteiligung ein bestimmtes, wie auch immer ausgestaltetes Interesse gefordert oder der Adressatenkreis wird durch das Vorliegen eines solchen Interesses nicht beschränkt. Dabei kann sowohl bei den Beteili‑ gungsvorschriften, die für die Dritten ein Beteiligungsinteresse fordern, als auch bei den Normen, die die Beteiligung ohne eine solche Beschränkung ermöglichen, differenziert werden, ob der Adressatenkreis mittels einer (Le‑ gal‑)Definition konkretisiert wurde oder ob nähere Bestimmungen zu den Adressaten fehlen. Bei der Komponente der Beteiligungsverpflichteten lässt sich klar zwi‑ schen den Mitgliedstaaten und der EU unterscheiden. Eine Besonderheit die‑ ser Komponente sind die Zusammenschlüsse privater nationaler Akteure auf EU-Ebene, wozu der ENTSO (Strom) und der ENTSO (Gas) gehören. Eine Zuordnung zur mitgliedstaatlichen oder unionalen Ebene kann dabei nicht erfolgen. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Beteiligung konnte unterschieden werden, ob Angaben bezüglich des Verfahrensablaufs gemacht werden oder ob eine Frist für die Beteiligung vorgesehen ist. Ist eine Frist für die Beteiligung



E. Zusammenfassung und Fazit313

einzuhalten, muss diese nicht zwingend konkretisiert sein. Eine konkrete Frist ist aber immerhin in etwa der Hälfte aller Sekundärrechtsakte verankert. Wird auf den Verfahrensablauf Bezug genommen, kann entweder der genaue Verfahrensschritt ausgemacht werden, in welchem die Beteiligung durchzu‑ führen ist, oder es wird nur ersichtlich, dass die Beteiligung frühzeitig abge‑ halten werden muss bzw. kann. Einige Sekundärrechtsakte lassen sogar nur ganz allgemein erkennen, dass die Beteiligung vor dem Erlass der Entschei‑ dung stattfindet, ohne weitere Konkretisierungen hinsichtlich des Zeitpunktes vorzunehmen. Die Komponente der Responsivität beschreibt die Einbringung der Beteili‑ gungsergebnisse in das Entscheidungsverfahren und die Offenlegung dieser Einbeziehung sowie der Entscheidungsbeeinflussung. Ein Großteil der Se‑ kundärrechtsakte enthält gar keine Vorgaben zur Responsivität. Wenige Se‑ kundärrechtsakte enthalten zumindest die Vorschrift, nachträglich die Be‑ rücksichtigung der Beteiligungsergebnisse offenzulegen. Weiter können Se‑ kundärrechtsakte ausgemacht werden, die eine ausdrückliche Berücksichti‑ gungspflicht enthalten. Dazu gehören auch die UVP-II-RL, die IE-RL und die Seveso-III-RL, die neben der ausdrücklichen Berücksichtigungspflicht auch die Offenlegung fordern. Nur in zwei Sekundärrechtsakten kommt der Beteiligung eine Vetofunktion als stärkste Ausprägung der Responsivität zu. Schwach ausgeprägt ist die letzte Komponente der Rechtsbehelfe. Im Um‑ weltrecht sind die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten nach dem Vorbild der Åarhus-Konvention hervorzuheben. Im Markenrecht gibt es ein außerge‑ richtliches Beschwerdeverfahren und auch die Gas-VO sieht bei der informel‑ len Konsultation ein solches vor, allerdings nur in den Guidelines und nicht im Sekundärrechtsakt selbst. Ansonsten bleibt die Möglichkeit, über Art. 263 Abs. 4 AEUV oder die nationalen Verfahren Rechtsbehelfe einzulegen. Als Ergebnis der Systematisierung konnte ein Stufensystem anhand der rechtlichen Einflussnahme gebildet werden. Hauptanknüpfungspunkt ist die Responsivität. Es ließen sich vier Hauptstufen mit verschiedenen Unterstufen bilden. Bei der fakultativen Beteiligung als erste Hauptstufe mit der geringsten Einflussnahme können verschiedene Abstufungen ausgemacht werden. Am wenigsten Einfluss kommt den Beteiligungen auf der ersten Unterstufe zu, die nur zu Informationszwecken eingeholt werden. Eine gewisse Einfluss‑ nahme wird bei Vorschriften auf der zweiten Unterstufe vorgesehen. Diese Beteiligungen ermöglichen trotz fakultativer Ausgestaltung den Dritten, ihre Ansichten und Standpunkt einbringen zu können. Auf der dritten Unterstufe kann sich durch die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers die fakulta‑ tive in eine obligatorische Beteiligung umwandeln. Möglich ist dies bei der System-RL und der Marken-RL.

314

E. Zusammenfassung und Fazit

Der fakultativen Beteiligung der Hauptstufe 1 folgend werden obligatori‑ sche Beteiligungen ohne Berücksichtigungspflicht innerhalb der Hauptstufe 2 und mit Berücksichtigungspflicht innerhalb der Hauptstufe 3 verortet. Bei diesen beiden Hauptstufen wird zwischen solchen Unterstufen unterschieden, die für die Dritten ein Beteiligungsinteresse fordern oder ein solches Inter‑ esse nicht vorsehen. Letzterer kommt dabei eine größere Einflussnahme zu. Auf letzter und einflussreichster Stufe finden sich die Beteiligungen, de‑ nen eine Vetofunktion zukommt. Auf dieser vierten Hauptstufe können nur zwei Sekundärrechtsakte eingeordnet werden: die EMAS-III-VO und die Unionsmarken-VO, wobei letztere die Beteiligung wesentlich detaillierter normiert und diese damit institutionalisiert. Anknüpfend an die Systematisierung konnten Vorschläge zur Optimierung der Beteiligung im EU-Sekundärrecht unterbreitet werden. Dabei wurden die Vorschläge an die sekundärrechtliche Entwicklung der Beteiligung rückangebunden. Die Entwicklung zeigt den partizipationsoffe‑ nen Weg, den die EU eingeschlagen hat, und drängt auf die Verfestigung, Konkretisierung und Vereinheitlichung der Beteiligungsvorschriften. Des Weiteren können aus den primärrechtlichen Demokratiebestimmun‑ gen, die die partizipativen, assoziativen und deliberativen Demokratiekon‑ zepte etablieren, Vorgaben für die sekundärrechtliche Drittbeteiligung gezo‑ gen werden. Die der Beteiligung von Dritten zugrundeliegenden Demokratie‑ konzepte der partizipativen, assoziativen und deliberativen Demokratie fußen auf den Gedanken der Teilnahme und Teilhabe an Entscheidungsprozessen. Sie ergänzen die vorherrschende repräsentative Demokratie und sind durch den Vertrag von Lissabon gestärkt worden. Im Primärrecht haben die partizi‑ pative, assoziative und deliberative Demokratie in verschiedenen Bestim‑ mungen Eingang gefunden. Hervorzuheben ist Art. 11 EUV. Dieser fordert in Abs. 1–3 die Stärkung der Beteiligung durch die Förderung des Meinungs‑ austausches mit den Bürgern und Verbänden, die Dialogbereitschaft mit der Zivilgesellschaft und die Anhörung Betroffener durch die Kommission. Aber auch die in Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 15 AEUV niedergelegten Grund‑ sätze der Offenheit, Bürgernähe und Transparenz befördern die Teilnahme und Teilhabe auf primärrechtlicher Ebene. Aus diesen primärrechtlichen De‑ mokratiebestimmungen lassen sich für die Optimierung der Beteiligung im Sekundärrecht formelle und materielle Vorgaben herausfiltern. Durch Rückgriff auf die Beteiligungsfunktionen kann die Drittbeteiligung im Sekundärrecht ebenfalls optimiert werden. Eine Beteiligung erfüllt neun wesentliche Funktionen: Information, Qualitätsverbesserung, Effektivität, Transparenz, Kontrolle, Akzeptanz, Legitimation, Interessenausgleich und Rechtsschutz. Grundlegend ist die Informationsfunktion. Ohne ausreichende Informationen ist eine Beteiligung nicht durchführbar. Zudem ist die Infor‑



E. Zusammenfassung und Fazit315

mation Grundlage für alle übrigen Funktionen. Nur wenn ausreichende Infor‑ mationen vorliegen, können durch die Drittbeteiligung die Qualität des Ver‑ fahrens und der Entscheidung verbessert und die Rechtsverwirklichung ef‑ fektuiert werden. Auch die Transparenzfunktion setzt Informationen voraus. Eine Verfahrens- und Ergebnistransparenz wird durch die Offenlegung von entscheidungsrelevanten Aspekten erzeugt. Die Möglichkeit zur Wahrneh‑ mung der Teilnahme wird damit vergrößert. Dadurch kann ebenfalls die Kontrolle als weitere Funktion realisiert werden. Die wichtigste Funktion der Beteiligung ist die Akzeptanz, wobei eine Ergebnisakzeptanz nur schwer zu erzeugen sein wird, so dass vielmehr auf eine Verfahrensakzeptanz hinzuwir‑ ken ist. Durch die Akzeptanz werden das Verfahren und die Entscheidung zusätzlich legitimiert. Dies wird vor allem durch eine Berücksichtigungs‑ pflicht der Beteiligungsergebnisse erzeugt. Anknüpfend an die sekundärrechtliche Entwicklung, das Primärrecht und die Funktionen nehmen die Vorschläge die durch die Systematisierung ge‑ wonnenen Erkenntnisse auf und filtern besondere Regelungen als Vorbilder heraus. Die Optimierungsvorschläge fordern, das Ermessen hinsichtlich der Beteiligung zu reduzieren, den Adressatenkreis zu konkretisieren, Zeitpunkte und Fristen festzulegen, Berücksichtigungspflichten und die anschließende Information über die Berücksichtigung einzuführen, aktive Beteiligungshil‑ fen in Form einer zentralen Beteiligungsstelle und eines Vermittlungsverfah‑ rens zu entwickeln und außergerichtliche Rechtsbehelfe in Form von Be‑ schwerden zu etablieren. Eingliedern lassen sich diese Vorschläge am besten in die jeweiligen Sekundärrechtsakte. Die Arbeit hat gezeigt, dass die Beteiligung von Dritten bei Verwaltungs‑ entscheidungen mittlerweile in einer Vielzahl von Rechtsbereichen auf euro‑ päischer Sekundärrechtsebene verankert wurde, was positiv zu bewerten ist. Die Ausgestaltungen sind aber sehr unterschiedlich. Die Spannbreite der Vor‑ schriften erstreckt sich von stark konkretisierten bis hin zu wenig ausgepräg‑ ten Drittbeteiligungen. Eine bereichsübergreifende Systematisierung lohnt sich also, um die positiven Normierungen zu erkennen und die bislang schwach ausgestalteten Beteiligung zu optimieren. Damit soll die Beteili‑ gung gestärkt und eine gewisse Vereinheitlichung bereichsübergreifend er‑ zeugt werden. Die Beteiligung soll für die Dritten erleichtert werden, und zwar in allen Rechtsbereichen gleichermaßen. Der europäische Gesetzgeber würde mit Einführung der Optimierungsvorschläge die primärrechtlichen Vorgaben weiter mit Leben füllen und den partizipationsoffenen Weg der Union fortsetzen. Die EU hat sich im Laufe der Zeit also den Bürgern gegen‑ über geöffnet. Die Idee eines „Europa der Bürger“ wird gerade auch durch die Beteiligung von Dritten bei Verwaltungsentscheidungen verwirklicht.

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte Abfallrahmen-RL: Richtlinie 2008 / 98 / EG des Europäischen Parlaments und des Ra‑ tes vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richt­ linien, ABl. L 312 vom 22.11.2008, S. 3, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 997 des Rates vom 8. Juni 2017 zur Änderung von Anhang III der Richtli‑ nie 2008 / 98 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die gefahrenrelevante Eigenschaft HP 14 „ökotoxisch“, ABl. L 150 vom 14.06.2017, S. 1 AbfallverbrennungsRL: Richtlinie 2000 / 76 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen, ABl. L 332 vom 28.12.2000, S. 91, aufgehoben durch Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissio‑ nen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17 ACER-VO: Verordnung (EG) Nr. 713 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ABl. L 211 vom 14.08.2009, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) Nr. 347 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364 / 2006 / EG und zur Änderung der Verord‑ nungen (EG) Nr. 713 / 2009, (EG) Nr. 714 / 2009 und (EG) Nr. 715 / 2009, ABl. L 115 vom 25.04.2013, S. 39 AK-VO: Verordnung (EG) Nr. 1367 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Ra‑ tes vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Überein‑ kommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbetei‑ ligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltange‑ legenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. L 264 vom 25.09.2006, S. 13 AnreicherungsVO: Verordnung (EG) Nr. 1925 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mi‑ neralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln, ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 26, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 1203 der Kommis­ sion vom 5. Juli 2017 zur Änderung der Richtlinie 2002 / 46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1925 / 2006 des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Verwendung von organi‑ schem Silicium (Monomethylsilantriol) und Calcium-Phosphoryl-Oligosacchari‑ den (POs-Ca®) als Zusatz zu Lebensmitteln und bei der Herstellung von Nah‑ rungsergänzungsmitteln, ABl. L 173 vom 06.07.2017, S. 9



Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte317

Aromawein-VO: Verordnung (EU) Nr. 251 / 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und zur Aufhe‑ bung der Verordnung (EWG) Nr. 1601 / 91 des Rates, ABl. L 84 vom 20.03.2014, S. 14, zul. berichtigt durch Berichtigung der Verordnung (EU) Nr. 251 / 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Begriffs‑ bestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1601 / 91 des Rates (ABl. L 84 vom 20.03.2014 ), ABl. L 105 vom 08.04.2014, S. 12 Artenschutz-VO: Verordnung (EG) Nr. 338 / 97 des Rates vom 9.  Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels, ABl. L 61 vom 03.03.1997, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 160 der Kommission vom 20. Januar 2017 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 338 / 97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels, ABl. L 27 vom 01.02.2017, S. 1 Arzneimittel-VO: Verordnung (EG) Nr. 726 / 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Er‑ richtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl. L 136 vom 30.04.2004, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) Nr. 1027 / 2012 des Europäischen Parla‑ ments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726 / 2004 hinsichtlich der Pharmakovigilanz, ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 38 Bergbauabfall-RL: Richtlinie 2006 / 21 / EG des Europäischen Parlaments und des Ra‑ tes vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralge‑ winnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004 / 35 / EG, ABl. L 102 vom 11.04.2006, S. 15, zul. geänd. durch Verordnung (EG) Nr. 596 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 zur Anpassung einiger Rechtsakte, für die das Verfahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Be‑ schluss 1999 / 468 / EG des Rates in Bezug auf das Regelungsverfahren mit Kon­ trolle – Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Vierter Teil, ABl. L 188 vom 18.07.2009, S. 14 EH-RL: Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszer‑ tifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32, zul. geänd. durch Beschluss (EU) 2015 / 1814 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2015 über die Einrichtung und Anwendung einer Marktstabilitätsreserve für das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union und zur Änderung der Richtlinie 2003 / 87 / EG, ABl. L 264 vom 09.10.2015, S. 1 EMAS-III-VO: Verordnung (EG) Nr. 1221 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 über die freiwillige Teilnahme von Organisa‑ tionen an einem Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbe‑

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte

triebsprüfung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 761 / 2001, sowie der Beschlüsse der Kommission 2001 / 681 / EG und 2006 / 193 / EG, ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 1505 der Kommission vom 28. August 2017 zur Änderung der Anhänge I, II und III der Verordnung (EG) Nr. 1221 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die freiwil‑ lige Teilnahme von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für Umwelt‑ management und Umweltbetriebsprüfung (EMAS), ABl. L 222 vom 29.08.2017, S. 1 Energieinfrastruktur-VO: Verordnung (EU) Nr. 347 / 2013 des Europäischen Parla‑ ments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364 / 2006 / EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713 / 2009, (EG) Nr. 714 / 2009 und (EG) Nr. 715 / 2009, ABl. L 115 vom 25.04.2013, S. 39, zul. geänd. durch delegierte Verordnung (EU) 2016 / 89 der Kommission vom 18.  November 2015 zur Ände‑ rung der Verordnung (EU) Nr. 347 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse, ABl. L 19 vom 27.01.2016, S. 1 Entsorgung-RL: Richtlinie 2011 / 70 / Euratom des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abge‑ brannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, ABl. L 199 vom 02.08.2011, S. 48 FFH-RL: Richtlinie 92 / 43 / EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der na‑ türlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.07.1992, S. 7, zul. geänd. durch Richtlinie 2013 / 17 / EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Umwelt aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien, ABl. L 158 vom 10.06.2013, S. 193 FlughafenbetriebsbeschränkungsVO: Verordnung (EU) Nr. 598 / 2014 des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002 / 30 / EG, ABl. L 173 vom 12.06.2014, S. 65 FreisetzungsRL: Richtlinie 2001 / 18 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Orga‑ nismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90 / 220 / EWG des Rates, ABl. L 106 vom 17.04.2001, S. 1, zul. geänd. durch Richtlinie (EU) 2015 / 412 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Änderung der Richtlinie 2001 / 18 / EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen, ABl. L 68 vom 13.03.2015, S. 1 Fusionskontroll-VO: Verordnung (EG) Nr. 139 / 2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontroll‑ verordnung“), ABl. L 24 vom 29.01.2004, S. 1 Gas-RL: Richtlinie 2009 / 73 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003 / 55 / EG, ABl. L 211 vom 14.08.2009, S. 94



Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte319

Gas-VO: Verordnung (EG) Nr. 715 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernlei‑ tungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775 / 2005, ABl. L 211 vom 14.08.2009, S. 36, zul. geänd. durch Beschluss (EU) 2015 / 715 der Kommis‑ sion vom 30. April 2015 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen, ABl. L 114 vom 05.05.2015, S. 9 GenehmigungsRL: Richtlinie 2002 / 20 / EG des Europäischen Parlaments und des Ra‑ tes vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnet‑ ze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.04.2002, S. 21, zul. geänd. durch Richtlinie 2009 / 140 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.  November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002 / 21 / EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002 / 19 / EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikations‑ netzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002 / 20 / EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikations‑ netze und -dienste, ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37 GEREK-VO: Verordnung (EG) Nr. 1211 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Re‑ gulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros, ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 1 GMO-VO: Verordnung (EU) Nr. 1308 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für land‑ wirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922 / 72, (EWG) Nr. 234 / 79, (EG) Nr. 1037 / 2001 und (EG) Nr. 1234 / 2007, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671, zul. geänd. durch delegierte Verordnung (EU) 2016 / 1226 der Kommission vom 4.  Mai 2016 zur Änderung des Anhangs IX der Verordnung (EU) Nr. 1308 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die fakultativen vorbehaltenen Angaben für Olivenöl, ABl. L 202 vom 28.07.2016, S. 5 Großfeuerungsanlagen-RL: Richtlinie 2001 / 80 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft, ABl. L 309 vom 27.11.2001, S. 1, zul. geänd. durch Richtlinie 2009 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Än‑ derung der Richtlinie 85 / 337 / EWG des Rates sowie der Richtlinien 2000 / 60 / EG, 2001 / 80 / EG, 2004 / 35 / EG, 2006 / 12 / EG und 2008 / 1 / EG des Europäischen Par‑ laments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 1013 / 2006, ABl. L 140 vom 05.06.2009, S. 114, aufgehoben durch Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissio‑ nen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17 Health-Claims-VO: Verordnung (EG) Nr. 1924 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9, zul. geänd. durch

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte

Verordnung (EU) Nr. 1047 / 2012 der Kommission vom 8.  November 2012 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1924 / 2006 in Bezug auf die Liste der nähr‑ wertbezogenen Angaben, ABl. L 310 vom 09.11.2012, S. 36 Humanarzneimittel-RL: Richtlinie 2001 / 83 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67, zul. geänd. durch Verord‑ nung (EU) 2017 / 745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.  April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001 / 83 / EG, der Ver‑ ordnung (EG) Nr. 178 / 2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223 / 2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90 / 385 / EWG und 93 / 42 / EWG des Rates, ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 1 IE-RL: Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Ver‑ minderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17, zul. berichtigt durch Berichtigung der Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäischen Parla‑ ments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrier‑ te Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010), ABl. L 158 vom 19.06.2012, S. 25 IVU-RL: Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrier‑ te Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. L 257 vom 10.10.1996, S. 26, zul. geänd. durch Verordnung (EG) Nr. 166 / 2006 des Europäi‑ schen Parlaments und des Rates vom 18. Januar 2006 über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters und zur Ände‑ rung der Richtlinien 91 / 689 / EWG und 96 / 61 / EG des Rates, ABl. L 33 vom 04.02.2006, S. 1, aufgehoben durch Richtlinie 2008 / 1 / EG des Europäischen Par‑ laments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. L 24 vom 29.01.2008, S. 8 IVU-II-RL: Richtlinie 2008 / 1 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umwelt‑ verschmutzung, ABl. L 24 vom 29.01.2008, S. 8, zul. geänd. durch Richtlinie 2009 / 31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.  April 2009 über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richt‑ linie 85 / 337 / EWG des Rates sowie der Richtlinien 2000 / 60 / EG, 2001 / 80 / EG, 2004 / 35 / EG, 2006 / 12 / EG und 2008 / 1 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 1013 / 2006, ABl. L 140 vom 05.06.2009, S. 114, aufgehoben durch Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Ver‑ meidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17 Kommunikationsrahmen-RL: Richtlinie 2002 / 21 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elek‑ tronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.04.2002, S. 33, zul. geänd. durch Richtlinie 2009 / 140 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002 / 21 / EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommuni‑ kationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002 / 19 / EG über den Zugang zu elek­



Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte321 tronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002 / 20 / EG über die Genehmigung elek‑ tronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37

Lebens- / Futtermittel-GenT-VO: Verordnung (EG) Nr. 1829 / 2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel, ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EG) Nr. 298 / 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.  März 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1829 / 2003 über ge‑ netisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel im Hinblick auf die der Kom‑ mission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. L 97 vom 09.04.2008, S. 64 Lebensmittel-VO: Verordnung (EG) Nr. 178 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittel­ sicherheit, ABl. L 31 vom 01.02.2002, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.  April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001 / 83 / EG, der Verordnung (EG) Nr. 178 / 2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223 / 2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90 / 385 / EWG und 93 / 42 / EWG des Rates, ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 1 Lösemittel-RL: Richtlinie 1999 / 13 / EG des Rates vom 11.  März 1999 über die Be‑ grenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, die bei bestimm‑ ten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Verwendung organischer Lö‑ sungsmittel entstehen, ABl. L 85 vom 29.03.1999, S. 1, zul. geänd. durch Richt­ linie 2008 / 112 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 zur Änderung der Richtlinien 76 / 768 / EWG, 88 / 378 / EWG und 1999 / 13 / EG des Rates sowie der Richtlinien 2000 / 53 / EG, 2002 / 96 / EG und 2004 / 42 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates zwecks ihrer Anpassung an die Verord‑ nung (EG) Nr. 1272 / 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, ABl. L 345 vom 23.12.2008, S. 68, aufgehoben durch Richtlinie 2010 / 75 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Ver‑ minderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17 Marken-RL: Richtlinie (EU) 2015 / 2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitglied‑ staaten über die Marken, ABl. L 336 vom 23.12.2015, S. 1, zul. berichtigt durch Berichtigung der Richtlinie (EU) 2015 / 2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 336 vom 23.12.2015), ABl. L 110 vom 26.04.2016, S. 5 Nahrungsergänzungsmittel-RL: Richtlinie 2002 / 46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel, ABl. L 183 vom 12.07.2002, S. 51, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 1203 der Kommission vom 5. Juli 2017 zur Änderung der Richtlinie 2002 / 46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1925 / 2006 des Europäischen Parlaments

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte

und des Rates im Hinblick auf die Verwendung von organischem Silicium (Mono‑ methylsilantriol) und Calcium-Phosphoryl-Oligosacchariden (POs-Ca®) als Zu‑ satz zu Lebensmitteln und bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln, ABl. L 173 vom 06.07.2017, S. 9 Nukleare-Sicherheit-RL: Richtlinie 2009 / 71 / Euratom des Rates vom 25.  Juni 2009 über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer An‑ lagen, ABl. L 172 vom 02.07.2009, S. 18, zul. geänd. durch Richtlinie des Rates 2014 / 87 / Euratom vom 8.  Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009 / 71 / Eur­ atom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. L 219 vom 25.07.2014, S. 42 ÖffB-RL: Richtlinie 2003 / 35 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung be‑ stimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richt­ linien 85 / 337 / EWG und 96 / 61 / EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbe‑ teiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. L 156 vom 25.06.2003, S. 17, zul. geänd. durch Richtlinie (EU) 2016 / 2284 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, zur Änderung der Richtlinie 2003 / 35 / EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2001 / 81 / EG, ABl. L 344 vom 17.12.2016, S. 1 Pflanzenschutzmittel-VO: Verordnung (EG) Nr. 1107 / 2009 des Europäischen Parla‑ ments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflan‑ zenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79 / 117 / EWG und 91 / 414 / EWG des Rates, ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 1432 der Kommission vom 7. August 2017 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1107 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf die Kriteri‑ en für die Genehmigung von Wirkstoffen mit geringem Risiko, ABl. L 205 vom 08.08.2017, S. 59 Qualitätsregelung-VO: Verordnung (EU) Nr. 1151 / 2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarer‑ zeugnisse und Lebensmittel, ABl. L  343 vom 14.12.2012, S. 1; zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vor‑ schriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzen‑ schutzmittel, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 999 / 2001, (EG) Nr. 396 / 2005, (EG) Nr. 1069 / 2009, (EG) Nr. 1107 / 2009, (EU) Nr. 1151 / 2012, (EU) Nr. 652 / 2014, (EU) 2016 / 429 und (EU) 2016 / 2031 des Europäischen Par‑ laments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 1 / 2005 und (EG) Nr. 1099 / 2009 des Rates sowie der Richtlinien 98 / 58 / EG, 1999 / 74 / EG, 2007 / 43 / EG, 2008 / 119 / EG und 2008 / 120 / EG des Rates und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 854 / 2004 und (EG) Nr. 882 / 2004 des Europäischen Par‑ laments und des Rates, der Richtlinien 89 / 608 / EWG, 89 / 662 / EWG, 90 / 425 / EWG, 91 / 496 / EEG, 96 / 23 / EG, 96 / 93 / EG und 97 / 78 / EG des Rates und des Beschlusses 92 / 438 / EWG des Rates (Verordnung über amtliche Kontrol‑ len), ABl. L 95 vom 07.04.2017, S. 1



Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte323

REACH-VO: Verordnung (EG) Nr. 1907 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Be‑ schränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agen‑ tur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999 / 45 / EG und zur Auf‑ hebung der Verordnung (EWG) Nr. 793 / 93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488 / 94 der Kommission, der Richtlinie 76 / 769 / EWG des Rates sowie der Richtlinien 91 / 155 / EWG, 93 / 67 / EWG, 93 / 105 / EG und 2000 / 21 / EG der Kom‑ mission, ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2017 / 1510 der Kommission vom 30. August 2017 zur Änderung der Anlagen zu Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907 / 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemi‑ scher Stoffe (REACH) betreffend CMR-Stoffe, ABl. L 224 vom 31.08.2017, S. 110 Seveso-III-RL: Richtlinie 2012 / 18 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefähr­ lichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96 / 82 / EG des Rates, ABl. L 197 vom 24.07.2012, S. 1 Spirituosen-VO: Verordnung (EG) Nr. 110 / 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufma‑ chung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Anga‑ ben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576 / 89, ABl. L 39 vom 13.02.2008, S. 16, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2016 / 1067 der Kommission vom 1. Juli 2016 zur Änderung von Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 110 / 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Begriffsbestim‑ mung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen, ABl. L 178 vom 02.07.2016, S. 1 Strom-RL: Richtlinie 2009 / 72 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003 / 54 / EG, ABl. L 211 vom 14.08.2009, S. 55 Strom-VO: Verordnung (EG) Nr. 714 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüber‑ schreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228 / 2003, ABl. L 211 vom 14.08.2009, S.  15, zul. geänd. durch Verordnung (EU) Nr. 543 / 2013 der Kommission vom 14. Juni 2013 über die Übermittlung und die Veröffentlichung von Daten in Strommärkten und zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 714 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 163 vom 15.06.2013, S. 1 SUP-RL: Richtlinie 2001 / 42 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. L 197 vom 21.07.2001, S. 30 System-RL: Richtlinie 2009 / 41 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in ge‑ schlossenen Systemen, ABl. L 125 vom 21.05.2009, S. 75 Tierarzneimittel-RL: Richtlinie 2001 / 82 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte

Tierarzneimittel, ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1, zul. geänd. durch Verordnung (EG) Nr. 596 / 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.  Juni 2009 zur Anpassung einiger Rechtsakte, für die das Verfahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Beschluss 1999 / 468 / EG des Rates in Bezug auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Vierter Teil, ABl. L 188 vom 18.07.2009, S. 14 Tierversuch-RL: Richtlinie 2010 / 63 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwen‑ deten Tiere, ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33, zul. berichtigt durch ABl. L 168 vom 25.06.2016, S. 19 Umgebungslärm-RL: Richtlinie 2002 / 49 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungs‑ lärm – Erklärung der Kommission im Vermittlungsausschuss zur Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. L  189 vom 18.07.2002, S. 12, zul. geänd. durch Richtlinie (EU) 2015 / 996 der Kommission vom 19. Mai 2015 zur Festlegung gemeinsamer Lärmbewertungsmethoden gemäß der Richtlinie 2002 / 49 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 168 vom 01.07.2015, S. 1 UmwInfo-RL: Richtlinie 2003 / 4 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformatio‑ nen und zur Aufhebung der Richtlinie 90 / 313 / EWG des Rates, ABl. L 41 vom 14.02.2003, S. 26 Unionsmarken-VO: Verordnung (EU) 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke, ABl. L 154 vom 16.06.2017, S. 1 Universaldienst-RL: Richtlinie 2002 / 22 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektroni‑ schen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.04.2002, S. 51, zul. geänd. durch Verordnung (EU) 2015 / 2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnah‑ men zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002 / 22 / EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kom‑ munikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531 / 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union, ABl. L 310 vom 26.11.2015, S. 1 UVP-RL 1985: Richtlinie 85 / 337 / EWG des Rates vom 27.  Juni 1985 über die Um‑ weltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 175 vom 05.07.1985, S. 40, aufgehoben durch Richtlinie 2011 / 92 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Um‑ weltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.01.2012, S. 1 UVP-RL 1997: Richtlinie 85 / 337 / EWG des Rates vom 27.  Juni 1985 über die Um‑ weltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 175 vom 05.07.1985, S. 40, geänd. durch Richtlinie 97 / 11 / EG des Rates vom 3.  März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85 / 337 / EWG über die Umwelt‑



Verzeichnis der abgekürzt zitierten Sekundärrechtsakte325 verträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 73 vom 14.03.1997, S. 5, aufgehoben durch Richtlinie 2011 / 92 / EU des Euro­ päi­schen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltver‑ träglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.01.2012, S. 1

UVP-II-RL: Richtlinie 2011 / 92 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öf‑ fentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.01.2012, S. 1, zul. geänd. durch Richtlinie 2014 / 52 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011 / 92 / EU über die Umweltverträg‑ lichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 124 vom 25.04.2014, S. 1 Vogelschutz-RL: Richtlinie 2009 / 147 / EG des Europäischen Parlaments und des Ra‑ tes vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 20 vom 26.01.2010, S. 7, zul. geänd. durch Richtlinie 2013 / 17 / EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Um‑ welt aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien, ABl. L 158 vom 10.06.2013, S. 193 WR-RL: Richtlinie 2000 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Ge‑ meinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1, zul. geänd. durch Richtlinie 2014 / 101 / EU der Kommission vom 30. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2000 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Be‑ reich der Wasserpolitik, ABl. L 311 vom 31.10.2014, S. 32 ZugangsRL: Richtlinie 2002 / 19 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie), ABl. L 108 vom 24.04.2002, S. 7, zul. geänd durch Richtlinie 2009 / 140 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002 / 21 / EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektroni‑ sche Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002 / 19 / EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002 / 20 / EG über die Geneh‑ migung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37

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Sachverzeichnis Åarhus-Konvention  22, 33, 37, 42, 52, 59, 63, 185, 222, 295, 304, 307 Agenturen –– Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER)  87, 90, 204 –– Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)  143, 204 –– Europäische Arzneimittelagentur (EMA)  151, 204 –– Europäische Behörde für Lebensmit‑ telsicherheit (EFSA)  82, 127, 203 –– Europäische Chemikalienagentur (ECHA)  154, 203 Anhörung  38, 43, 49, 52, 60, 77, 79, 93, 99, 107, 117, 151, 176, 263, 302 Arzneimittelrecht  150, 230, 296 Atomrecht  64, 238 Auslegung  69, 87, 107, 128, 271 Begründung  88, 92, 217, 300 Beteiligung  29 –– Adressaten  182 –– Art  176 –– fakultative  172, 229 –– obligatorische  174, 234, 240 –– Verpflichtete  199 –– Zeitpunkt  206 Betroffenheit  90, 107, 134, 183, 225, 263 Bundesverfassungsgericht –– Lissabon-Urteil  64, 254 Bürgerinitiative  265 Chemikalienrecht  154 Delegierte Verordnung  135, 144, 170

Demokratie  252 –– assoziative  256 –– deliberative  256 –– partizipative  256 –– repräsentative  253 Dialog  260 Durchführungsverordnung  117, 128, 130, 134, 137, 140, 162, 163 effet utile  33, 278, 279 Einspruch  133, 136, 138, 140, 141, 242 Emissionshandel  45, 239 Energierecht  84, 102 Espoo-Konvention  38 Europäischer Gerichtshof –– Altrip  222 –– Berlioz Investment Fund  281 –– Europäisches Parlament/Rat  308 –– Gruber  304 –– Herzmuschelfischerei  58 –– Hoechst  281 –– Kadi  289 –– Kommission/Deutschland  223, 304 –– Kommission/Rat  308 –– Meroni  95 –– Monsato  78 –– NTN Toyo Bearing Company  281 –– REDTUBE  223 –– Roquette Frères  281 –– Schecke und Eifert  268 –– Schlüsselverlag J. S. Moser  121, 215 –– Spanien/Rat  308 –– Trianel  222, 304 –– Unibet  289 Europäisches Gericht –– Comité central d‘entreprise de la Société générale des grandes sources 120

Sachverzeichnis351 –– Hagenmeyer/Hahn  128, 215 –– Miel de Provence  135 –– test-achats  119, 120, 225 –– Vodafone  225

Offenheitsgrundsatz  270 Öffentlichkeit  37, 42, 47, 51, 55, 58, 63, 65, 67, 77, 79, 82, 98, 162 Optimierung  248, 252, 273, 290, 292

Funktionen  280 –– Akzeptanz  286, 296, 300, 304 –– Effektivität  283 –– Information  281, 301 –– Interessenausgleich  288 –– Kontrolle  285, 300, 304 –– Legitimation  286 –– Qualitätsverbesserung  283 –– Rechtsschutz  289, 304 –– Transparenz  284, 294, 297, 300, 303, 304 Fusionskontrolle  116, 229, 237

Partizipation  29, 255, 301 Primärrecht  33, 64, 252, 280

Genehmigung  37, 41, 61, 62, 65, 76, 98, 113, 162, 167 Gentechnikrecht  75, 234, 238 Geografische Bezeichnungen  131, 242 Immissionsschutzrecht.  s. IE-RL, EH-RL, Flughafenbetriebsbeschrän‑ kungsVO Kodex –– Agenturkodex  93 –– Kommissionskodex  93 –– Netzkodex  90 Komitologie  94, 125, 171 Kommunikation  258, 261, 301 Konsultation  231, 236, 243 Lebensmittelrecht.  s. AnreicherungsVO, Health-Claims-VO, Geografische Bezichnungen Markenrecht  142, 221 Mediation  49, 147, 303 Naturschutzrecht  56, 232 Nichtregierungsorganisation  40, 43, 257, 260

Rechtsbehelfe  221, 304 Rechtsstaatsprinzip  280, 282, 283, 286 Responsivität  213, 226 Richtlinien –– Bergbauabfall-RL  62, 237, 243 –– Entsorgung-RL  66, 238 –– FFH-RL  56, 232 –– FreisetzungsRL  78, 238 –– Gas-RL  85, 231 –– GenehmigungsRL  113, 114, 236 –– Humanarzneimittel-RL  151 –– IE-RL  41, 239, 243 –– Kommunikationsrahmen-RL  105, 113, 236, 241 –– Marken-RL  148, 234 –– Nukleare-Sicherheit-RL  65, 238 –– Seveso-III-RL  51, 243 –– Strom-RL  85, 231 –– System-RL  75, 234 –– Tierversuch-RL  72, 233 –– UVP-II-RL  34, 243 –– ZugangsRL  105 Sekundärrecht  33, 293, 307 Telekommunikationsrecht  104 Tierschutzrecht  72, 233 Transparenzgrundsatz  261, 270, 271 Umweltaudit  53, 242 Umweltrecht  21, 33, 248 Umweltverträglichkeitsprüfung  34 Unionsbürger  258, 265 Verbände  91, 99, 118, 126, 143, 148, 250, 258, 260

352 Sachverzeichnis Verfassungsvertrag  268, 272 Verordnungen –– AnreicherungsVO  129, 236 –– Aromawein-VO  138, 242 –– Arzneimittel-VO  150 –– EMAS-III-VO  53, 242, 246 –– Energieinfrastruktur-VO  97, 245 –– FlughafenbetriebsbeschränkungsVO  48, 235 –– Fusionskontroll-VO  116, 229, 237 –– Gas-VO  89, 232, 236, 243 –– GEREK-VO  110, 231 –– GMO-VO  136, 243 –– Health-Claims-VO  125, 239 –– Lebens-/Futtermittel-GenT-VO  81, 238 –– Pflanzenschutzmittel-VO  161, 239 –– Qualitätsregelung-VO  132, 242

–– REACH-VO  154, 230, 236, 241, 244 –– Spirituosen-VO  139, 242 –– Strom-VO  89, 232, 236, 243 –– Unionsmarken-VO  142, 240, 247 Veto  54, 147, 246 Vollzug –– direkter  30 –– indirekter  30, 277, 279 –– mitgliedstaatlicher.  s. indirekter Vollzug Weißbuch Europäisches Regieren  19, 250, 257, 267 Wirtschaftsrecht.  s. Energierecht, Telekommunikationsrecht, Fusions‑ kontrolle Zivilgesellschaft  257, 259, 260, 270