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German Pages 157 Year 1973
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 220
Finanzverfassung und Autonomie der Hochschule Hochschulfinanzierung im Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat Von Wolfgang Zeh
Duncker & Humblot · Berlin
WOLFGANG ZEH
Finanzverfassung und Autonomie der Hochschule
Schriften
zum
öffentlichen
Band 220
Recht
Finanzverfassung u n d Autonomie der Hochschule Hochschulfinanzierang i m Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
Von D r . Wolfgang Z e h
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1973 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1973 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 02956 9 D 21
I n h a l ts verzeich nis Einleitung
9
Erster Teil Mittelversorgung und Finanzverfassung der Hochschule A. Hochschulfinanzierung
als Staatsaufgabe
I. Einführung u n d historischer Hintergrund
12 12 12
1. Erste Abgrenzung. Stellenwert des Problems
12
2. Hochschule als Veranstaltung des Staates
15
I I . Trennung von Wissenschaft u n d Politik i m Hochschulwesen
17
1. Dualismus der Hochschul Verwaltungen
17
2. Auseinanderentwicklung der Hochschul Verwaltungen
18
I I I . Allgemeine Grundlagen des Haushaltsrechts 1. Die Rolle des Haushaltsrechts i n Verfassung u n d V e r w a l t u n g des Staates
21 23
2. Charakterisierung der Reichshaushaltsordnung (RHO)
24
3. Wichtige Grundsätze des geltenden Haushaltsrechts
26
4. Praxis des Haushaltsplanverfahrens i m Hochschulwesen
30
B. Das staatliche
Haushaltsrecht
in der Hochschulfinanzierung
I. M i t t e l Versorgung u n d Effizienz I I . A n n u i t ä t u n d Planung
32 32 35
1. Planung i n Wissenschaft u n d Hochschule
35
2. Das Jährlichkeitsprinzip a) Ursprung u n d Zweck b) Probleme f ü r die Hochschulen c) Ubertragbarkeit
37 37 38 40
I I I . Spezialität u n d Beweglichkeit
42
1. Titelbewilligung als Kontrolle
42
2. Probleme f ü r die Hochschulen
43
3. Deckungsfähigkeit der Hochschulmittel
45
Inhaltsverzeichnis
6
I V . Einige weitere Haushaltsgrundsätze
48
1. Haushaltsklarheit, Genauigkeit, Einheitlichkeit der gung, Vollständigkeit u n d Ausgeglichenheit
Veranschla-
2. Gemeinsame Problematik
48 50
V. Sparsamkeit u n d Wirtschaftlichkeit
51
1. Die Begriffe und ihre Anwendung
51
2. Problematik der Maßstäbe f ü r den Hochschulbereich
52
V I . Rechnungsprüfung u n d Selbstverwaltung
54
1. Kontrolle u n d Eingriff
54
2. Entwicklung u n d Status der Rechnungsprüfung
56
C. Die Gesamtwirkungen rung
des geltenden
Systems der
Hochschulfinanzie-
I. Entmündigung der Hochschulselbstverwaltung I I . Verzögerung von Reformen
58 60
Zweiter
Teil
Die Hochschule i m Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat A. Die Autonomie
58
der Hochschule
I. Überleitung u n d Zielsetzung I I . Die verschiedenen Aspekte des Autonomiebegriffs
62 62 62 64
1. Das Grundrecht aus A r t . 5 Abs. 3 Grundgesetz a) Freiheit von Forschung und Lehre b) Institutionelle Garantie c) Selbstgesetzgebung, Selbstverwaltung, Selbständigkeit
64 64 66 68
2. Schutz gegen den Staat
70
3. Protektion durch den Staat a) Eingriffe der Gesellschaft b) „ D r i t t w i r k u n g " der Wissenschaftsfreiheit
71 71 73
I I I . Grundlagen u n d K r i t i k des Autonomiebegriffs
75
1. Das traditionelle Wissenschaftsverständnis a) Die Rolle der Geisteswissenschaften b) Selbstverständnis u n d Autonomie
76 76 77
2. Einheit von Forschung u n d Lehre a) Begriffswandel b) B i l d u n g durch Wissenschaft?
78 78 80
Inhaltsverzeichnis 3. Kulturstaat u n d verwissenschaftlichte Zivilisation a) Wissenschaft als kultivierende K r a f t b) Wissenschaft zur Selbsterhaltung c) Identifizierung von Staat u n d Gesellschaft
81 81 82 84
4. Zusammenfassung
86
B. Die Zukunft
der Hochschulautonomie
86
I. Funktionen der Wissenschaftsfreiheit
86
1. Tauglichkeit des Begriffs
86
2. Verwertungsinteressen u n d langfristiger Ansatz a) Nutzen f ü r die Gesellschaft b) Langfristiger Ansatz durch Autonomie
88 88 90
3. Humanisierung u n d Kontrolle a) Technologie u n d Sozialität b) Kontrolle durch Autonomie
91 91 92
4. Einheit v o n Forschung u n d Lehre als Einheit der Institution
94
I I . Wissenschaft als autonome politische Kraft?
96
1. Wissenschaft u n d politische Praxis
97
2. Verlust der Unbestechlichkeit
99
I I I . Autonomie als F u n k t i o n wissenschaftlicher Verantwortung
100
1. Zusammenfassung der Ausgangslage u n d Schlußfolgerungen
100
2. Voraussetzungen der V e r w i r k l i c h u n g
101
Dritter
Teil
Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem A. Hochschulfinanzierung
und Haushaltsreform
105 105
I. Die neuen Haushaltsgesetze u n d die Reformüberlegungen zur Hochschulfinanzierung 106 1. Stand der Gesetzgebung u n d i h r Zweck a) Haushaltsreform durch Bundeskompetenz b) Allgemeine Bedeutung f ü r die Hochschulfinanzierung 2. Beurteilung der Reformmöglichkeiten nach dem H G r G a) Stellung der Hochschulen i m Haushaltssystem b) Die Systematik des H G r G c) Handlungsfreiheit der Hochschulen nach dem H G r G 3. Zusammenfassung I I . Hochschulgesetzgebung u n d Finanzverfassung 1. Stand der Hochschulgesetzgebung
106 106 108 109 109 110 113 114 115 116
8
Inhaltsverzeichnis 2. Hochschulrahmengesetz, Finanzverfassung u n d Autonomie Hochschule a) Grundkonzeption: Allgemeine Aufgaben der Hochschule b) Rechtsstellung, Aufsicht, Kooperation c) Haushaltswesen, Planung, Leitung d) Weitere Einzelbestimmungen 3. Zusammenfassung u n d K r i t i k a) K a p i t u l a t i o n vor dem Massenproblem b) Management durch den Staat c) Hochschulrahmengesetz u n d Finanz Verfassung
der
118 119 121 123 126 127 127 128 130
4. Stand der Ländergesetzgebung u n d der Reformdiskussion a) Hochschulgesetzgebung der Länder b) Die Situation i n der Reformdiskussion
131 131 132
5. Zusammenfassung
133
B. Vorschläge und Hochschulsystems
Anregungen
zur
Finanzierung
eines
autonomen
I. Einführung u n d Grundlinien I I . Das Finanzierungsmodell 1. Aufgaben, Arbeitsweise u n d Aufbau des Hochschulkomitees a) A b w i c k l u n g der Finanzierung b) Ausgabenkontrolle c) Planungsaufgaben d) Weitere Funktionen e) Besetzung des Hochschulkomitees f) Problematische Punkte
135 135 136 138 138 140 140 141 142 143
2. Wirksamkeit auf Bundesebene
145
3. Weitere Teile des Modells
147
I I I . Zusammenfassung u n d Schluß
Literaturverzeichnis
149
150
Einleitung Über Geld zu sprechen war i n der Diskussion u m die Hochschulreform lange Zeit nicht üblich. Angehörige der Hochschulen konnten ihre Reformvorschläge nicht durchrechnen, und die staatlichen Instanzen schienen sich mit mutmaßlich kostspieligen Reformkonzepten lieber nicht allzu eingehend befassen zu wollen. Inzwischen spricht man laut und deutlich vom Geld. Dabei bewegt man sich i n Größenordnungen, die noch vor kurzer Zeit unvorstellbar waren und die auch heute noch eher Orientierungsdaten und Zielvorstellungen weit diesseits einer gesicherten Verwirklichung darstellen 1 . Indessen streitet sich fast niemand mehr u m ein paar Milliarden Mark hin oder her; Einigkeit herrscht darin, daß derartige Summen für das Bildungssystem und innerhalb dessen zu einem erheblichen Teil für die Hochschulen aufgebracht werden müssen. Aufbringen muß sie die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, denn das Hochschulwesen w i r d fast ganz vom Staat aus Steuergeldern finanziert. Notfalls sollen die Bürger zugunsten eines weiterentwickelten Bildungswesens auf andere Annehmlichkeiten verzichten. Die seit langem i n der Öffentlichkeit geforderten Prioritätensetzungen des Staates zugunsten der Bildung werden derzeit konkreteren Planungen zugrundegelegt. Angesichts dieser Entwicklung muß sich die Frage mit noch größerer Schärfe stellen als bisher, wer eigentlich über die Verwendung dieser M i t t e l für das Hochschulwesen entscheidet. Ohne Zweifel sind es staatliche Institutionen, die die Grundlinien und Zielvorstellungen festlegen und die auch die globale Planung des Mitteleinsatzes leisten. Aber schon auf der nächsten Ebene w i r d die Beantwortung der Frage schwieriger; Ministerien der Länder geben Geld für die bis vor kurzer Zeit noch ganz ihrer Kulturhoheit unterstellten Hochschulen aus, Organe dieser Hochschulen geben ihrerseits Geld aus. Dabei kann nicht nur die Höhe, sondern auch der Verwendungszweck und der Gegenwert dieser Gelder sehr unterschiedlich beurteilt werden. Deshalb w i l l die vorliegende Arbeit einmal aufzeigen, wer i m Hochschulwesen Geld ι Vgl. Der Bundesminister f ü r Bildung u n d Wissenschaft (Hrsg.), Bildungsbericht 70, Die bildungspolitische Konzeption der Bundesregierung, Bonn 1970, S. 13: Der voraussichtliche finanzielle Bedarf w i r d f ü r Anfang der achtziger Jahre auf 70 bis 95 Mrd. D M f ü r das Bildungswesen insgesamt, davon 26 bis 36 Mrd. D M f ü r das Hochschulwesen, geschätzt; diese Zahlen werden inzwischen als zu niedrig angesehen.
10
Einleitung
nach welchen rechtlichen Regeln ausgibt, wer die M i t t e l bewilligt und ihre Verwendung kontrolliert und welche Rolle die Hochschule innerhalb des Systems ihrer Finanzierung spielt. Die weitere Zielsetzung der Arbeit ergibt sich ebenfalls unmittelbar aus der aktuellen Situation des Hochschulwesens. Der vorgesehene sprunghafte Anstieg der Bildungsinvestitionen hängt zusammen mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen, die i m Bildungssystem, insbesondere aber an den Hochschulen zu krisenhaften Verhältnissen geführt haben. Unter dem Stichwort Hochschulreform werden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland Fragen des Bildungsbegriffs und des Wissenschaftsverständnisses, der Verwaltungstruktur der Hochschulen und ihrer Rechtsbeziehungen zum Staat, Fragen von Forschung, Lehre und Studium bis hin zu Problemen der Hochschuldidaktik und viele andere mehr i n bunter Fülle diskutiert. Diese Fragen wurden mit wachsenden Studentenzahlen einerseits und mit wachsendem Bedarf der Gesellschaft an hochqualifizierten Arbeitskräften andererseits immer drängender. I n dem Maße, i n dem die benötigten Geldsummen für das Hochschulwesen steigen bzw. noch steigen sollen, zeigt sich immer deutlicher, daß hinter fast allen Einzelproblemen der Reformdiskussion ein gemeinsames Grundproblem steckt: Die Unklarheit über das rechte Verhältnis von Staat und Hochschule und über die zutreffende Einordnung des Hochschulsystems i n das Kräftedreieck von Gesellschaft, Wissenschaft und Staat. Ohne einen wenigstens grundsätzlichen Konsens i n der Frage der Standortbestimmung unseres Hochschulwesens werden weder die Hochschulen selbst noch staatliche Instanzen noch auch interessierte Gruppen i n der Gesellschaft brauchbare Kriterien finden, nach denen langfristige Reformkonzepte für das Hochschulwesen entwickelt werden könnten. Deshalb w i r d i n dieser Arbeit der Versuch gemacht, die Position der Hochschulen zu Gesellschaft und Staat neu zu orten. Gerade am Komplex der Hochschulfinanzierung läßt sich dieses Grundproblem besonders deutlich aufzeigen und behandeln, weil wohl kein anderer Teilbereich der Verfassung des Hochschulwesens m i t den Problemen der Beziehungen zum Staat so eng zusammenhängt; i n der wirtschaftlichen Versorgung liegt der bedeutendste Begegnungspunkt zwischen Hochschulen und staatlichen Behörden, und hier treten die widerstreitenden Interessen und Bedürfnisse markant hervor. Deshalb ist es auch wichtig, die spezifischen Fragen um die Finanzverfassung der Hochschule vor eben diesem Hintergrund zu sehen und zu behandeln. Deshalb führt der Weg der Untersuchung von den eigentlichen haushaltsrechtlichen Regelungen i m Hochschulbereich und der Finanzverfassung der Hochschule über eine Untersuchung der Auswirkungen
Einleitung
dieser Regeln i n der Praxis der Hochschulfinanzierung und eine K r i t i k dieses Systems vom Besonderen der Finanzierungsprobleme zum Allgemeinen der Probleme i n den Beziehungen zu Staat und Gesellschaft, um schließlich nach einer umfassenden Bestimmung des Standorts der Hochschule zu Gesellschaft und Staat zu konkreten Vorschlägen für die Finanzierung der zutreffend eingeordneten Hochschule zu kommen. Diesem Ansatz entspricht der Aufbau der Arbeit. I m ersten Teil werden die historischen und rechtlichen Grundlagen dargestellt, die zum Verständnis der heutigen Situation der Hochschulfinanzierung erforderlich sind, und es w i r d eine allgemeine K r i t i k des geltenden Haushaltsrechts mit seinen Wirkungen auf das Hochschulwesen vorgetragen. Der zweite Teil leitet auf die hinter den Finanzierungsfragen stehenden Grundprobleme über und behandelt unter dem Stichwort Hochschulautonomie die wesentlichen Fragen dieses Komplexes. Unter Berücksichtigung der so gewonnenen Erkenntnisse greift der dritte und letzte Teil beides noch einmal auf: Den neuesten Stand der haushaltsrechtlichen Entwicklung und den neuesten Stand der Hochschulgesetzgebung, beides unter der Fragestellung nach den Aussichten für eine Neuordnung der Hochschulfinanzverfassung auf der Grundlage einer zeitgemäßen Zueinanderordnung von Gesellschaft, Hochschulsystem und Staat. Nach einer Bewertung der Zukunftsaussichten nach dem Stand der Gesetzgebungen folgen zuletzt Vorschläge für die Hochschulfinanzierung i n der Form eines Modells, die einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Reformvorstellungen liefern sollen.
Erster
Teil
Mittelversorgung und Finanzverfassung der Hochschule A . Hochechulfinanzierung als Staatsaufgabe I . Einführung und historischer H i n t e r g r u n d 1. Erste Abgrenzung. Stellenwert des Problems
Hochschulfinanzierung bezeichnet in dieser Arbeit den gesamten Komplex der wirtschaftlichen Versorgung des Hochschulwesens. Der Ausdruck umfaßt die eigentliche Alimentierung ebenso wie die Verwendung der Mittel und ihre Kontrolle. Der Schwerpunkt des Begriffs liegt — wie der der Untersuchung selbst — ganz auf der staatlichen Finanzierung der Hochschulen. Damit ist sogleich der Staat als der überragend wichtige Geldgeber namhaft gemacht; und gerade der Tatbestand der fast ausschließlich staatlichen Finanzierung ist der Kristallisationspunkt der Probleme, die den wesentlichen Gegenstand dieser Arbeit bilden. „Über Hochschulfinanzierung zu sprechen, heißt ein zentrales Thema der Hochschulreform berühren 1 ." Die Gültigkeit eines solchen Satzes ist erst in jüngster Zeit allgemeiner bewußt geworden, nachdem die früher oft theoretische Diskussion über Ausbau und Weiterentwicklung des Bildungswesens mit Zahlen angereichert wurde, nämlich Zahlen bezüglich der i n Zukunft erforderlichen Geldmittel, die schon von den Größenordnungen her die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf sich ziehen. Dadurch ist das Thema Finanzierung zwar merklich i n den Mittelpunkt gerückt, aber es ist bisher meist unter volkswirtschaftlichen und fiskalpolitischen Gesichtspunkten dargestellt worden 2 — dies gerade wegen einer gewissen Bestürzung, die die Höhe der erfor1 Oppermann, Hochschulfinanzierung — Status, Tendenzen u n d Chancen, Referat für die 62. Plenarversammlung der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) i n Saaarbrücken, 20.—22. M a i 1968; überarbeitete Fassung i n WissR 1969, S. 1 ff. 2 E i n Beispiel für diese A r t der Darstellung, die besonders das Steueraufkommen, das Bruttosozialprodukt, verschiedene Wachtstumsraten usw. einbezieht, ist die von Boppel, Bildungsreform u n d Bildungsfinanzierung, D U Z 1970 Nr. 17/18, S. 4 ff.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
13
derlichen Summen ausgelöst hat. Dagegen ist das Thema Finanzierung für den Hochschulbereich nicht nur i m Hinblick auf die Geldmenge ein zentrales Reformthema, sondern besonders wegen der Frage, wie die Verfügungsbefugnis über die Geldmittel zwischen den Hochschulen und den staatlichen Instanzen zu verteilen ist. Diese Frage stellt sich angesichts der wachsenden Summen mit zunehmender Schärfe; i m Grunde ist sie aber schon längst und immer neu gestellt, aber nie endgültig beantwortet worden. Anders als staatliche M i t t e l für Bildungseinrichtungen, die nicht Hochschulen sind — also etwa Schulen des Primär- und Sekundarbereichs, Vorschulen, andere Bildungseinrichtungen —, können die staatlichen M i t t e l für das Hochschulwesen nicht von staatlichen Instanzen allein verplant und ausgegeben werden. Die Hochschulen sind vielmehr mit ihren Verwaltungen i n einem bestimmten Umfang an der Steuerung des Mitteleinsatzes beteiligt. Deshalb muß die Diskussion über M i t t e l für das Hochschulwesen möglichst bald abgehoben werden von der Diskussion über Bildungsfinanzierung allgemein; denn die Frage, was mit dem Geld erreicht werden kann, ist ganz besonders i m Hochschulbereich nicht nur eine Frage der Höhe von Summen, sondern eine des zweckgerechten Einsatzes der Mittel. Hochschulreform lautet der Anspruch, mit dem alle Gesetzentwürfe und sonstigen Regelungsmaßnahmen für das Hochschulwesen auftreten, aber diese Reform kann nicht vom Staat alleine verordnet werden, wie das i n anderen Bereichen des Bildungswesens möglich sein mag. Wenn wirklich Reformen i m Hochschulwesen bezahlt werden sollen durch Hinlenkung höherer Summen an diese Stelle, so ist zunächst die Frage abzuklären, wer die Gelder am sinnvollsten einsetzen kann: Die einzelne Hochschule, eine staatliche Behörde, oder möglicherweise Gremien zwischen diesen beiden. Hochschulfinanzierung heißt daher erheblich mehr als Bereitstellung und Verplanung von Geldmitteln durch den Staat; es heißt vor allem, eine Form der Aufgabenverteilung zwischen Hochschule und Staat für die wirtschaftliche Seite des Hochschulwesens zu entwickeln und zu praktizieren, die dem sehr problematisch gewordenen Verhältnis von Staat und Hochschule entsprechen kann. Die Diskussion darf also nicht i n erster Linie über die Höhe der Summen geführt werden, die das Hochschulwesen kosten soll, sondern über das, was mit dem Geld geschehen soll und auf welche Weise es geschehen soll. I n dieser Weise ist freilich schon früher über Hochschulfinanzierung gesprochen worden. Eine Reihe von Mängeln des derzeitigen Finanzierungssystems sind schon seit geraumer Zeit bekannt und wurden i m Rahmen der Hochschulreformdiskussion angesprochen. Zwar nehmen die Ausführungen zu diesem Punkt i n der Regel keinen großen
14
1. Teil: M i t t e l Versorgung u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
Raum ein i n den vielfältigen Konzepten und Stellungnahmen zu Fragen der Hochschulreform, aber die meisten Beiträge berührten die Problematik der Hochschulfinanzierung immerhin i n Form von K r i t i k an den geltenden Regelungen und von Vorschlägen zu bestimmten Gegenständen dieser Regelungen 3 . Insgesamt erscheint der Bereich der Finanzierung dem Leser von Reformkonzepten, Programmen, Gesetzentwürfen und Einzelstellungnahmen aber immer als verhältnismäßig weniger bedeutsam, als ein Punkt von vielen, der eben auch anders geregelt werden sollte, als das bisher der Fall war. Dieser Eindruck dürfte auf die Magerkeit der Begründungen zurückzuführen sein, die solchen Äußerungen zu Finanzierungsfragen beigegeben zu werden pflegten. M i t der Berufung auf die Autonomie der Hochschule als meist einzigem Gesichtspunkt wurden ganz unterschiedliche Vorschläge für die Finanzverfassung der Hochschulen, wie z.B. Globalhaushalte oder hochschuleigene Haushalte oder eine andere Form der Ausgabenkontrolle, begründet. Jedenfalls täuscht dieser Eindruck. Hochschulfinanzierung hat i n Wahrheit mit den höchsten Stellenwert unter sämtlichen Teilbereichen der Reformaufgaben, und das nicht nur von den unmittelbaren Aufgaben der Finanzierung insbesondere i m Hinblick auf die Bewältigung des Massenproblems her, sondern darüber hinaus auch i m Hinblick darauf, daß die Finanzierungsproblematik i n zweifacher Hinsicht bestimmend ist für andere Teilbereiche der Hochschulreform: Einmal hängt eine ganze Reihe von Gegebenheiten i m Hochschulbereich direkt von der Ausgestaltung des Finanzierungssystems ab (ζ. B. die Selbstverwaltungsorgane) und ist deshalb nur i m Zusammenhang mit gleichzeitiger Neugestaltung des Finanzierungssystems sinnvoll reformierbar, und zum anderen bildet der Problemkreis der Hochschulfinanzierung den Prüfstein und die Schaltstelle für die Auffassungen, die jeweils zur Standortbestimmung der Hochschule i n Gesellschaft und Staat vertreten werden. Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Verbesserung des Systems der Hochschulfinanzierung 9 Eine Darstellung der L i t e r a t u r k a n n i n diesem Zusammenhang unterbleiben, da K r i t i k u n d Reformvorschläge zum Thema Finanzverfassung der Hochschule weiter unten i n dieser A r b e i t i m m e r wieder i m einzelnen aufgenommen werden müssen. Außerdem würde eine Aufzählung schnell den Umfang einer Bibliographie annehmen, da der Haushaltsprobleme tatsächlich fast überall gedacht wurde, w e n n a u d i n u r am Rande. Es sollen aber hier einige Autoren genannt werden, die f ü r die Diskussion der Hochschulfinanzierung maßgeblich geworden sind: Pley er, Die Vermögens- u n d Personalverwaltung der deutschen Universitäten; Bley, Die Universitätskörperschaft als Vermögensträger; Oppermann, Gutachten f ü r die W R K zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform des Bundes, u n d Hochschulfinanzierung . . . zit. i n Note 1, sowie Kulturverwaltungsrecht. Bildung — Wissenschaft — Kunst, Tübingen 1969; Becker - Kluge, K u l t u r p o l i t i k u n d Ausgabenkontrolle; Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik; Hall, Z u r Finanzverfassungsreform der Hochschulen.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
15
allerdings „nicht nur unter die wesentlichen, sondern unter die vorrangig wesentlichen Probleme der Hochschulreform" zu rechnen 4 . Bei dieser Einschätzung des Stellenwerts der Finanzierungsproblematik muß die vorliegende Arbeit sowohl eine Darstellung und K r i t i k der bisherigen wie der für die nächste Zukunft zu erwartenden Hochschulfinanzierung leisten als auch die Diskussion u m die Beziehungen zwischen Hochschule, Wissenschaft, Gesellschaft und Staat aufnehmen, um die Grundlegung für ein verbessertes Finanzierungssystem unternehmen zu können. 2. Hochschule als Veranstaltung des Staates
Die Situation, i n der sich die Hochschulfinanzierung heute befindet, erklärt sich aus bestimmten historischen Bedingungen, die die W i r t schaf ts- und Personal Verwaltung der Universitäten geformt haben. Die A r m u t der vielen kleinen und kleinsten Territorialstaaten auf deutschem Boden, eine Folge politischer Zersplitterung, brachte es mit sich, daß die Universitäten m i t wachsender Bedeutung für Staat und Gesellschaft und mit wachsender personeller und organisatorischer Größe die Möglichkeit zur Eigenfinanzierung aus Honoraren und Zuwendungen verloren, damit auch der früher körperschaftlichen Verfassung verlustig gingen und schließlich zu „Kostgängern des Staates" (Werner Thieme) wurden 5 . Diese finanzielle Abhängigkeit beschleunigte die Entwicklung der Universitäten zu öffentlichen Schulen, eine Entwicklung, auf die das wachsende Interesse von Gesellschaft und Staat an einem effizienten Bildungssystem ohnehin gerichtet war. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) enthielt schließlich die Formulierung, mit der die Rechtsnatur der Hochschule lange Zeit hindurch unbestritten festgeschrieben war: „Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates, welche den Unterricht der Jugend i n nützlichen Kenntnissen und Wissenschaften zur Absicht haben 6 ." Die Formel von der „Veranstaltung" w i r d noch heute zur kurzen Charakterisierung der Problematik der Rechtsgestalt der Hochschule verwendet, und es war auch lange nach dem A L R die Figur einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die als die passende Rechtsform für die Universitäten angesehen wurde. I n vollkommenem Maße galt das für die Wirtschafts- und Personalverwaltung, und auch später, als sich unter dem Zeichen von Wissenschaftsfreiheit und Selbstverwaltung die körperschaftliche Rechtsnatur durchsetzte, bedurfte es Konstruktionen 4
Oppermann, Hochschulfinanzierung — Status, Tendenzen u n d Chancen. Eine gute Übersicht über diese Entwicklung findet sich bei Bley, Die Universitätskörperschaft als Vermögensträger, S. 12 ff. 6 § 1 I I 12 pr. A L R (zit. nach Waibel, Die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts seit 1945). 5
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1. Teil: M i t t e lVersorgung u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
wie der von der „Doppelnatur" 6 a der Hochschule (halb Körperschaft, halb Anstalt), u m sichtbar zu machen, daß der wirtschaftliche Bereich der Hochschulverwaltung ganz beim Staat geblieben war. Ohne die Gründe für diese Entwicklung i n den Einzelheiten darzulegen, kann jedenfalls festgestellt werden, daß sie durchaus folgerichtig ist: Die immer mehr zunehmende und zuletzt praktisch ausschließliche Finanzierung des Universitätswesens durch den Staat, also durch Steuergelder auch all der Bürger, die die Universitäten nicht unmittelbar selbst i n Anspruch nahmen, mußte zu dem legitimen Wunsch nach öffentlicher Kontrolle über diese M i t t e l führen. Das Problem i n diesem Sachverhalt ergab sich erst nach und nach aus dem Verhältnis der Materie, der die Finanzierung diente — Wissenschaft i n einem hier noch nicht untersuchten Sinne —, zu den unmittelbaren Interessen des Geldgebers Staat, die er mit seiner Alimentierung verband. Aus dieser Spannung erwuchs die Lage, i n der sich die Wirtschaftsverwaltung der Hochschule heute befindet, und diese Lage ist nicht erst seit heute problematisch. Schon sehr früh wurde gesehen, daß die vom Staat zu liefernden äußeren Bedingungen für die Beschäftigung mit der Wissenschaft dieser abträglich seien; freilich war da zunächst wohl nur an einen Gegensatz von organisatorischen Zwängen und schöpferischer Ungebundenheit und noch nicht an einen Konflikt zwischen Wissenschaftsfreiheit und Staatsraison gedacht 7 . I m Zuge der vollständigen Übernahme des wirtschaftlichen Teils der Universitätsverwaltung durch den Staat entwickelte sich eine akademische Verwaltung, die von einer entsprechenden Einschätzung der Funktion einer universitätseigenen Verwaltung ausging. Nachdem an dem Grundtatbestand der staatlichen Finanzierung nicht vorbeigegangen werden konnte, bildete sich nach Ausklammerung des wirtschaftlichen Teils der Universitätsverwaltung die Vorstellung eines Reservates, i n welchem nun, ganz unbelastet von finanziellen und organisatorischen Sorgen, der Gelehrte der Wissenschaft obliegen konnte, i n deren Zielsetzungen und Methoden der Staat gar nicht eingreifen konnte — er sorgte ja nur für den äußeren Rahmen. Vor dem Hintergrund eines 6a Diese K o n s t r u k t i o n entwickelte Wolff , Hans J., Die Rechtsgestalt der Universität, Köln-Opladen 1956, bes. S. 19; dort auch Hinweis auf Werner Weber, der von der Hochschule als einem „Doppelwesen" sprach. 7 Aus der Denkschrift über die innere u n d äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten i n B e r l i n von 1810 (Humboldt-Denkschrift, abgedruckt bei Harnack, Geschichte der Akademie der Wissenschaften Band 1, S. 361—367): „Möge er (der Staat) n u r nie vergessen, daß die Sache ohne i h n unendlich v i e l besser gehen würde, daß jene äußeren Formen u n d M i t t e l nachteilig einwirken, u n d möchte er darum stets das innere Wesen vor Augen haben, u m gutzumachen, was er selbst, wenngleich ohne eigene Schuld, verdirbt oder gehindert hat." (Zit. nach Becker - Kluge, K u l t u r p o l i t i k u n d Ausgabenkontrolle, S. 14).
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
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fürsorgerischen Staatsverständnisses mußte eine solche Regelung als die denkbar vernünftigste erscheinen: Der Staat sollte nur die M i t t e l bereitstellen und verwalten, die Gelehrten aber m i t diesen Dingen verschonen, damit diese sich ihrer eigentlichen Aufgabe ungestört annehmen könnten 8 . I I . Trennung von Wissenschaft und Politik im Hochschulwesen 1. Dualismus der Hochschulverwaltungen
Aus dem oben skizzierten Konzept ergab sich zweierlei. Das eine war ein Dualismus von staatlicher Wirtschafts- und Personalverwaltung einerseits und akademischer Selbstverwaltung andererseits. Der Staat sollte über das durch die Organisationsaufgaben gebotene Maß an „äußerlichem" Eingriff nicht hinausgehen, während die Verwaltung dessen, was die Wissenschaft unmittelbar betraf, von den Mitgliedern der Gelehrtenkorporation selbst geleistet werden sollte. Die Auffassung, daß diese beiden Bereiche auseinandergehalten werden können mittels einer Trennung der Verwaltungen, führte sodann m i t zu der zweiten Folge dieses Konzepts: zu einer Isolierung der Gelehrtenkorporation von der politischen Praxis; nicht von der wissenschaftlichen Politik, sondern von der Beschäftigung mit System und Methoden staatlicher Verwaltung, wie sie für die Universität wirksam war, und damit von der Möglichkeit, Interessen der Korporation auch dann zu vertreten, wenn sie i m Bereich der Wirtschaftsverwaltung lagen. Wer glauben konnte, daß sich die Finanzierung, für die Entscheidungen i m staatlichpolitischen Raum getroffen wurden, von der wissenschaftlichen Aufgabenstellung trennen lassen würde, der mußte auch m i t Recht darauf vertrauen, daß er sich u m die politischen Entscheidungsprozesse hinter den Finanzierungsfragen nicht zu kümmern brauche. A n dem Dualismus von Wirtschafts- und Personalverwaltung einerseits und akademischer „Wissenschaftsverwaltung" andererseits hat sich bis heute nicht sehr viel geändert. Auch neuere Hochschulgesetze der Bundesländer bzw. Entwürfe zu solchen Gesetzen haben noch bis vor kurzem die Trennung der beiden Verwaltungen formuliert—Rechtsaufsicht bei akademischen Angelegenheiten, Fachaufsicht bei solchen der Wirtschafts- und Personalverwaltung — 9 , und erst i n den Entwürfen und Gesetzen der letzten zwei Jahre w i r d diese A r t der Formu8 Schelsky, Einsamkeit u n d Freiheit. Idee u n d Gestalt der deutschen Universität u n d ihrer Reformen, Hamburg 1963, bringt eine ausführliche Darstellung dieser Entwicklung, S. 44 ff. 9 ζ. B. § 56 u n d § 13 HochschulG Baden-Württemberg v. 19. 3.1968, §§ 3 ff. Hochschulgesetz Hessen v. 16. 5.1966, §§ 2 u n d 4 Universitätsgesetz Hamburg v. 25. 4.1969, §§ 36, 39 Universitätsgesetz B e r l i n v. 16. 7.1969 u. a. m.
2 Zeh
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1. Teil: M i t t e l Versorgung und F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
lierung ζ. T. bewußt vermieden, ohne daß sich i n der Sache selbst jedesmal viel geändert hätte; meist werden Eingriffsmöglichkeiten für staatliche Instanzen m i t etwas anderen Formulierungen gesichert 10 . Damit haben die Gesetzgeber bewußt kaum etwas von dem aufgenommen, was i n der Diskussion u m die Hochschulreform seit langem erkannt ist: daß, zum einen, zwischen den beiden Verwaltungsbereichen enge Zusammenhänge bestehen, so daß sich aus dem Dualismus Mängel i n der Effizienz der Verwaltungen ergeben können, und daß außerdem gerade die wirtschaftliche Versorgung und Verwaltung der Hochschule die entscheidenden Auswirkungen auf Inhalte und Methoden wissenschaftlicher Tätigkeit hat („wer zahlt, schafft an") 1 1 . M i t unterschiedlicher Schärfe ist i n praktisch allen Stellungnahmen zu Reformproblemen der Hochschulverwaltung immer wieder gesagt worden, daß eine „Wissenschaftsverwaltung" ohne erheblichen Einfluß auf Finanzierung und Wirtschaftsverwaltung keine sachgerechte Selbstverwaltung sein könne 12 . 2. Auseinanderentwicklung der Hochschulverwaltungen
Der Dualismus der Hochschulverwaltung hatte unmittelbar zur Folge, daß jede Seite sich nur um ihren Anteil an den Verwaltungsaufgaben zu kümmern brauchte. Den staatlichen Behörden erschien die Hochschule hauptsächlich als Anstalt, deren Finanzierung, Personalverwaltung und Organisation ebenso wie die anderer Anstalten geregelt werden mußte. Dafür boten sich ganz selbstverständlich die für Anstalten üblichen staatlichen Methoden der Wirtschaftsverwaltung an. Ein Antrieb, sich mit Hochschul- und Wissenschaftsspezifika zu befassen, war so für die staatliche Verwaltung nicht gegeben, und damit bestand 10 ζ. B. besteht i m Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen v. 17.3.1970 keine Unterscheidung mehr zwischen akademischen u n d Wirtschafts- u n d Personalangelegenheiten, § 40 sieht aber Kontrollmöglichkeiten durch staatliche Stellen vor. I m Gesetz über die Hochschule des Saarlandes v o m 29. A p r i l 1970 (ABL S. 510) w i r d eine Unterscheidung ebenfalls vermieden; § 11 des Gesetzes spricht n u r von Rechtsauf sieht, § 12 („staatliche M i t w i r k u n g " ) schränkt diesen Grundsatz aber wieder ein. Ganz deutlich insoweit § 8 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetz-Entwurfs der Bundesregierung: E i n Landesgesetz kann die Beschränkung auf Rechtsaufsicht i n Abs. 1 aufheben. 11 Vgl. etwa Reinhardt, Autonomie, Selbstverwaltung, Staatsverwaltung i n der Universität, i n WissR 1968, S. 6 ff., S. 21; Haldmann, Die Universität zwischen Proporz u n d Autonomie, i n D U Z 1969 Nr. 1, S. 4; Rotter, Staatlicher Dirigismus statt freiheitlicher Hochschulverwaltung, i n D U Z 1966 Nr. 7/8, S. 61 ; Mallmann i n Materialien zur Diskussion u m das hessische Hochschulgesetz, F r a n k f u r t 1966, Heft 1, S. 20; Becker - Kluge, S. 75; Oppermann, Hochschulfinanzierung . . . (WRK-Vortrag). 12 Die hier angezogene Problematik gehört zentral i n die Autonomiediskussion, w i e sie heute geführt w i r d u n d w i r d daher an dieser Stelle nicht weiterverfolgt, sondern n u r berührt; T e i l I I der Arbeit greift diesen K o m plex ausführlich auf.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgabe
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keine Notwendigkeit, einen ganz eigenen, auf das Hochschulwesen zugeschnittenen Finanzierungs- und Verwaltungsstil zu entwickeln 1 3 . Es flöß auf diese Weise wenig oder nichts „Akademisches" i n die W i r t schaftsverwaltung ein, um so weniger, solange sie von der akademischen Verwaltung auch personell weitgehend abgetrennt w a r 1 4 . A n der Trennung der Verwaltungszweige wurde aber auch von der Hochschulkorporation gleichermaßen konsequent festgehalten, von dieser Seite vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß dieser der Hochschule zustehende Raum von staatlichen Einflüssen ganz freigehalten werden sollte, damit er echte Selbstverwaltung zuließ. Freilich war das eine Selbstverwaltung, die sich von vornherein beschränkte auf das, was der Staat übrigließ; aus dem Umstand aber, daß diese A r t der akademischen Verwaltung von Angehörigen der Hochschule allein geleistet wurde, ließ sich immerhin das Gefühl ziehen, man habe es m i t einem Sektor selbständiger, eigenverantwortlicher Wahrnehmung zu tun. So wurden auch auf Seiten der Hochschulen keine besonderen Qualifikationen für Probleme der Finanzierung und der Wirtschaftsverwaltung entwickelt; da i m Grunde niemand aus der Mitgliedschaft der Hochschule entscheidend daran Anteil nehmen konnte, brauchte man sich auch nicht i n fachmännischer Weise um diese Fragen zu bemühen. So befaßte sich keine der beiden Seiten — Universitätskörperschaft und staatliche Behörden — i n ausreichendem Maße m i t Motiven, Methoden und Vorstellungen der anderen. Die Situation kann etwas überspitzt so charakterisiert werden, daß auf der Seite der Hochschule Gelehrte saßen, die mangels Ausbildung und Interesse i n verwaltungstechnischen Methoden sich gar nicht sinnvoll hätten an der staatlichen Verwaltung beteiligen können, während i n den Ministerien und Behörden die Fachleute saßen, die keinen rechten Einblick i n die besonderen Bedingungen wissenschaftlicher Arbeit und ihrer Voraussetzungen hatten 1 5 . Die Entwicklung dieser Verhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg hat keine entscheidenden Neuerungen gebracht. Zwar wandelte sich m i t der Geltung des Grundgesetzes das Verständnis von Selbstverwaltung und 13 Schuster/Stenbock - Fermor, Überlegungen zur Eigenart der Hochschulverwaltung, WissR 1968, 28 ff., 29, 32 w o l l e n den Sachbereich Hochschulverwaltung möglichst ganz aus der hergebrachten juristischen Betrachtungsweise lösen, u m so zu einem neuen Verständnis dieses Typs zu gelangen. 14 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 347 weist aber auf die „stille" Stärkung der akademischen Selbstverwaltung hin, die durch Miterledigung auch staatlicher Aufgaben eintrat. 15 Die Darstellung ist hier stark verkürzt; die Entwicklung verlief p r a k tisch w e i t differenzierter, als es hier den Anschein haben könnte. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 97 ff. u n d S. 321 ff. bringt genaue Beschreibungen u n d Analysen; zur I l l u s t r a t i o n vgl. auch Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 72 ff.
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
staatlicher Eingriffsverwaltung, von Rechtsaufsicht und Fachaufsicht i n Richtung auf eine stärkere Liberalisierung. Aber gerade da, wo Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung von rein staatlichen Organen i n den Universitäten — Kurator oder entsprechende Organe — auf solche Organe übertragen wurden, die mit Angehörigen der Körperschaft besetzt waren, um dort als Auftragsverwaltung wahrgenommen zu werden, da zeigte sich die oben entwickelte Problematik nun mit um so größerer Schärfe. Die akademischen Organe erwiesen sich nämlich als nicht immer ganz in der Lage, Wirtschaftsverwaltung wirklich effizient zu leisten. Das trat immer mehr zutage, je größer die Universitätshaushalte — i m nichttechnischen Sinn — wurden und je längerfristig Organisation, Planung und Entwicklung konzipiert werden mußten 1 6 . Es fehlte i n den Gremien der Universität an Fachleuten für solche Aufgaben, und das bedeutet nicht nur, daß es an Kenntnissen oder Ausbildung fehlte — das hätte nachgeholt werden können —, sondern i n erster Linie, daß die Träger dieser Auftragsverwaltung, also meistens die Hochschullehrer, von der zeitlichen Inanspruchnahme wie vom wissenschaftlichen Arbeitsstil her nicht zugleich noch ein optimales Management für die Verwaltung leisten konnten. Die angesichts dieser Doppelrolle der Hochschullehrer immer wieder geäußerte Befürchtung, m i t derartiger Fesselung von Zeit. Engagement und Interesse könnte die wissenschaftliche Qualität und damit das gesamte Niveau des deutschen Hochschulwesens absinken, scheint nicht übertrieben, wenn man sich die „Berufswirklichkeit" des Hochschullehrers i n einer einschlägigen Publikation 1 7 einmal vorführen läßt. Beiläufig sei erwähnt, daß infolge der Komplizierung und Verlängerung der Entscheidungsabläufe i n den neuen, paritätischen Hochschulgremien in der Regel nirgendwo eine Entlastung, sondern eine Verschlimmerung dieses Sachverhalts eingetreten ist. Hinter den Initiativen der Gesetzgeber i n den letzten Jahren spürt man denn auch überdeutlich die Besorgnis um den richtigen Einsatz der steigenden Summen i n den Hochschulhaushalten und das Interesse an größerer Effizienz der Verwaltung. Was oben als Ursache der Verwaltungsprobleme genannt wurde, gilt für den Haushalt der Hochschule i m engeren Sinne, um den die W i r t schafts- und Finanzverwaltung der Hochschule zentriert 1 8 , i n noch 16 Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 36 ff. spricht von einer „Verwaltungsunfähigkeit" als T e i l des „Versagens der Professoren", m i t welcher die „Reformunfähigkeit" sowie die „ P o l i t i k u n f ä h i g k e i t " zusammenhänge; er sieht den Hauptgrund hierfür allerdings i n der S t r u k t u r von Kollegialorganen überhaupt. Schelsky, Beruffsbild u n d Berufswirklichkeit des Professors, Vortrag vor dem Gründungsausschuß f ü r die Universität Bielefeld, 1965; entspr. i n : Abschied . . . , S. 37. 18 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 350.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
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höherem Maße. Hier ist der Graben zwischen Haushaltsexperten und Politikern in Ministerien und Parlamentsausschüssen einerseits und Hochschulmitgliedern ohne intime Kenntnis von Haushaltsplanungsund Rechnungsprüfungsmethoden andererseits eher noch tiefer; denn auf diesem Sektor haben die staatlichen Behörden weit weniger von ihren Entscheidungsbefugnissen aufgegeben als auf dem der Verwaltung i m Detail 1 9 . Für die Finanzierung ist die Universität Anstalt geblieben, wenn sich die Theorie auch von der rechtlichen Doppelnatur ab- und der einheitlichen Selbstverwaltungskörperschaft unter differenzierten Aufsichtsgraden zugewandt hat. Die Finanzierungspraxis i m Hochschulwesen w i r d heute bestimmt von der Spannung zwischen den überkommenen Auffassungen und Methoden staatlichen Haushaltsrechts und den sich schnell wandelnden Vorstellungen von Aufgaben und Bedeutung der Wissenschaft und des Hochschulwesens i m hochtechnisierten Industriestaat. Diese Spannung ist ihrerseits wiederum nur ein Aspekt des insgesamt fragwürdig gewordenen Verständnisses von Funktion und Stellenwert unseres hergebrachten Bildungssystems und von der Rolle des Staates i n diesem System. Nach diesem einleitenden Überblick ist festzuhalten, daß die Probleme der Hochschulverwaltung zu einem wesentlichen Teil i n einer Trennung zwischen Verwaltungs- und politischer Praxis einerseits und in sich selbst ruhender Wissenschaftlichkeit andererseits begründet sind; diese Trennung ist ihrerseits verursacht durch bestimmte historische Bedingungen, die das Verhältnis des Staatsapparates zum Hochschulwesen geformt haben. Daraus läßt sich zunächst die Vermutung ableiten, daß der Weg zur Veränderung der Hochschulverwaltung, zu ihrer Reform, über die Veränderung dieses Verhältnisses von Staat und Hochschule führen müßte 2 0 . I I I . Allgemeine Grundlagen des Haushaltsrechts Nachdem i m vorigen Abschnitt ausgeführt worden ist, daß und weshalb die Finanz- und Wirtschaftsverwaltung der Hochschule nach staatlichen Methoden geführt wird, sollen nunmehr die Methoden konkret dargestellt werden. M i t Rücksicht darauf, daß präzise Erläuterungen zum Haushaltsrecht i n der Hochschulreformdiskussion nur sehr selten vorkommen, soll hier einiges Grundlegende dieser Materie 19 Oppermann, ebd., der auch für die Hochschulen m i t eigenem Haushalt u n d Globalzuschuß wie Saarbrücken u n d B e r l i n einen sehr erheblichen Einfluß der staatlichen Hochschulverwaltung konstatiert. Vgl. zur Praxis Schelsky, Abschied v o n der Hochschulpolitik, S. 91 ff. 20 Diese grundsätzlichen Fragen werden i n T e i l I I wieder aufgenommen und diskutiert.
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1. Teil: M i t t e l Versorgung u n d Finanz Verfassung der Hochschule
wenigstens umrissen werden 2 1 . Nur so w i r d es möglich sein, bestimmte Tatsachen des geltenden haushaltsrechtlichen Systems durchsichtig zu machen, ohne deren Kenntnis die Technik des staatlichen Haushaltsverfahrens i n ihrer Anwendung auf den Hochschulbereich nur um so rätselhafter erscheinen müßte. Nur so läßt sich auch eine realistische Einschätzung der Reformmöglichkeiten i n diesem Komplex gewinnen. Erst danach folgt dann eine Darstellung und K r i t i k der Hochschulfinanzierung und ihrer Wirkungen i m einzelnen. Eine weitere Vorbemerkung ist erforderlich. Das Haushaltsrecht befindet sich zur Zeit i n der Reform. Seit Anfang 1970 sind zwei neue Haushaltsgesetze i n Kraft, die für den Bund sofort und für die Länder ab 1972 die Reichshaushaltsordnung (RHO) von 1922 ablösen 22 . Dennoch ist die folgende Darstellung hauptsächlich an der alten RHO orientiert, ohne die neuen Gesetze wesentlich zu berücksichtigen. Das hat drei Gründe: Erstens ist das Haushaltsrecht, das die Hochschulfinanzierung bis zu ihrem heutigen Status geprägt hat, das der RHO, weshalb gerade der Status der Hochschulfinanzierung über die RHO kritisiert werden muß; zweitens sind die Änderungen i n den neuen Gesetzen bezüglich bestimmter wesentlicher Haushaltsgrundsätze nicht so sehr umwälzend gegenüber der RHO, daß sie das von der RHO i n langen Jahren Geschaffene schlagartig verändern und zu überwundener Vergangenheit machen könnten; und drittens ist es erforderlich, später i n einem veränderten Zusammenhang, nämlich vor dem Hintergrund der Autonomiediskussion, ausführlicher auf Gesichtspunkte der Haushaltsreform einzugehen, so daß es die allgemeine Darstellung von einigen Grundlagen und Voraussetzungen, wie sie an dieser Stelle der Arbeit vorgenommen werden soll, immer wieder aufhalten und nicht fördern würde, wenn schon hier auf einzelne Neuregelungen und deren mögliche Folgen für den Hochschulbereich eingegangen würde. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze und die sich daraus ergebenden Probleme werden also zunächst ohne Berücksichtigung einzelner kleinerer Modifikationen behandelt, die sich aus den Haushaltsrechtsreformen ergeben könnten; deutlichere Änderungen werden freilich angeführt. 21 Das Fehlen solcher Arbeiten beklagt besonders Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 91; i n der Tat waren es n u r Becker - Kluge u n d neuerdings Oppermann, Hochschulfinanzierung . . . , u n d : Gutachten für die W R K (zit. S. 9 Note 3, unveröffentlicht) sowie Hall, Hochschulfinanzverfassung und Haushaltsreform, Die V e r w a l t u n g 1969, S. 153 ff., u n d : Z u r Finanzverfassungsreform der Hochschulen, D U Z 1970 Nr. 19, S. 7 ff., die ausführlicher auf haushaltsrechtliche Probleme eingegangen sind. 22 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) v. 19.8.1969 (BGBl. I S. 1273) und Bundeshaushaltsordnung (BHO) v. 19.8.1969 (BGBl. I S. 1284). Über Z u standekommen, Zweck u n d Erheblichkeit dieser Reformgesetze für die Hochschulreform ist erst später (Dritter Teil) ausführlich zurückzukommen.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
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1. Die Rolle des Haushaltsrechts in Verfassung und Verwaltung des Staates
„ I m Budgetrecht ist die überkommene Dogmatik so tief wie i n wenigen anderen Bereichen i n der Verfassungsgeschichte verwurzelt 2 3 ." Eine solche Feststellung überrascht nicht allzusehr; denn die Verfügung über die Staatsfinanzen nimmt eine entscheidende Stelle i m System der innerstaatlichen Machtverteilung ein, so daß das Verfassungsrecht sich mit haushaltsrechtlichen Grundentscheidungen immer beschäftigen wird. Die Verfassung, deren Aufgabe unter anderem die wenigstens formelle Systematisierung und Festschreibung dieser innerstaatlichen Machtverteilung ist, steht deshalb immer i n einer besonders engen Beziehung zum Budgetrecht. Diese Beziehung ergibt sich einmal unmittelbar daraus, daß in unserem budgetrechtlichen System die Haushaltsbewilligung durch die Volksvertretungen mit förmlichem Gesetz dazu dient, die Regierungsgewalt zu begrenzen und zu kontrollieren. Die politische Funktion des Haushaltsrechts i m Kampf zwischen Regierungen und Volksvertretungen ist für die Entwicklung dieser Materie i n Deutschland besonders charakteristisch 24 . Zum anderen geht jene Beziehung aber über diesen unmittelbaren Zusammenhang ebenso hinaus wie über das Grundsätzliche, das i n der Verfassung über das Finanzwesen ausdrücklich statuiert ist (Art. 104 a bis 115 Grundgesetz). Hier sind nur die Grundlinien einer rechtsstaatlichen, sozialstaatlichen und föderalistischen Haushaltsverfassung aufgezeichnet. Die Strukturierung der haushaltsrechtlichen Normen unterhalb des Verfassungsrangs und die Haushaltspraxis stellen aber ein sehr wichtiges Mittel zur Lenkung der gesamten Staatstätigkeit dar. Deshalb w i r k t sich das Haushaltsrecht unmittelbar auf die Verfassungswirklichkeit aus, und umgekehrt muß von Zeit zu Zeit versucht werden, Wandlungen i m Staatsverständnis und in sonstigen grundsätzlichen Vorstellungen zur Verfassung i n das Budgetrecht einfließen zu lassen; sonst w i r ken sich überkommene Regelungen i n Haushaltsgesetzen und Nebenbestimmungen als Bremsen für Innovationen aus 25 . Besonders deutlich w i r d die Erheblichkeit des Budgetrechts für alle Bereiche staatlicher Tätigkeiten an den Problemen der Finanzverfassungsreform des Bundes, die schon seit vielen Jahren betrieben w i r d und die so gewichtige Punkte wie die Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit dem entsprechenden finanziellen Entscheidungsspielraum i m Rahmen des Steueraufkommens, die Einrichtung bzw. 23 Friauf, Der Staatshaushaltsplan i m Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung, Band I. Bad Homburg, Berlin, Zürich 1968. 24 Maunz - Diirig - Herzog, Grundgesetz, Kommentar, Band I I , zu A r t . 110 GG. 25 Vgl. zu diesem P u n k t die K r i t i k bei Becker - Kluge.
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1. Teil: M i t t e lVersorgung und Finanz Verfassung der Hochschule
Ausweitung des Kooperationsbereichs zwischen Bund und Ländern („Gemeinschaftsaufgaben") und den Ubergang auf eine moderne Finanzpolitik i m Zusammenhang m i t einer Neuakzentuierung der Wirtschaftsordnung (Globalsteuerung) zu ihrem Aufgaben- und Zielkatalog zählt 2 6 . Diese Reform versucht einerseits, die Finanzverfassung anzupassen an Veränderungen i n den Auffassungen zu verschiedenen Bereichen öffentlicher Funktionen, aber sie w i l l auch ihrerseits nicht etwa nur reagieren, sondern selbst Entwicklungen i n Gang setzen oder verstärken. Zu jeder Verfassung gehört daher ein verfassungskonformes Haushaltsrecht, und zwar verfassungskonform nicht nach dem Buchstaben der Normen, die Budgetsätze mit Verfassungsrang regeln, sondern nach der Wirklichkeit und den Einzelregelungen des Finanzierungssystems. Das Haushaltsrecht muß, um einen haushaltstechnischen Ausdruck zu verwenden, fortgeschrieben werden m i t der Interpretation und Weiterentwicklung der Verfassung. 2. Charakterisierung der Reichshaushaltsordnung (RHO)
Für die Hochschulfinanzierung ist die Reichshaushaltsordnung (RHO) vom 31.12.1922 von grundlegender Bedeutung gewesen. Die RHO ist seit 1936 für die Länder verbindliches Recht. Die Länder führen eigene Haushalte (Art. 109 GG), und sie sind es bis vor kurzem alleine gewesen, denen die Sorge für die Hochschulen zukam. Da, wie schon ausgeführt, die Hochschulen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Seite als staatliche Anstalten angesehen wurden, kam nur eine staatsunmittelbare Finanzierung i n Betracht: Die Hochschulen wurden als unselbständige Anstalten i m Sinne des § 9 Abs. 2 Ziff. 3 RHO behandelt. Infolgedessen stellen die Hochschulen keinen eigenen Haushaltsplan auf 2 7 , sondern bringen nur Anregungen und Wünsche in 26 Z u m H i n t e r g r u n d der Haushaltsreform Oppermann, Gutachten f ü r die W R K , S. 5 u n d die dort zitierte L i t e r a t u r : Gr awert, Finanzreform u n d B u n desstaatsreform, Der Staat 1968, S. 63 ff.; Franz Klein, Gemeinschaftsaufgaben zur Bewältigung der Staatsaufgaben i m föderativen Staatsaufbau, DÖV 1968, S. 153 ff.; Hüttl, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, DVB1.1968, 673 ff. 27 Sonderfälle sind die Regelungen i n B e r l i n (§§46, 37 Gesetz über die Universitäten des Landes B e r l i n v. 16. 7.1969) u n d i m alten Hochschulgesetz f ü r Saarbrücken (§ 3 Saarländisches Universitätsgesetz v o m 26.3.1957). I m neuen Gesetz über die Hochschule des Saarlandes v o m 29. A p r i l 1970 (ABl. S. 510) lautet § 9 : „Der Haushalt der Hochschule bildet i m Landeshaushalt ein K a p i t e l i m Einzelplan des Ministers f ü r Kultus, Unterricht u n d Volksbildung." Die i n B e r l i n noch bestehende F o r m der Hochschulfinanzierung könnte als „staatsmittelbare" bezeichnet werden: Die Hochschule stellt einen eigenen Haushaltsplan auf u n d erhält v o m L a n d global einen Zuschuß, der freilich wieder nach den Grundsätzen staatlicher Haushaltsführung zu bewirtschaften ist; der Staatseinfluß ist durch Vertreter i n den kollegialen Kuratorien gesichert, vgl. hierzu Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 350.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
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Form eines Voranschlages i n einen Teil des Einzelplanes des Kultusministers ein, der wieder Teil des Landeshaushalts ist. Somit werden die Hochschulen direkt über den Staatshaushalt finanziert, besitzen also keine eigene Etathoheit. Das bedeutet, daß die Systematik der RHO für die Hochschulfinanzierung unmittelbar bedeutsam ist, und zwar hinsichtlich der Veranschlagung wie der späteren Bewirtschaftung der staatlichen Mittel durch Hochschulbehörden i m Auftrag des Landes: Jedesmal sind es die Regeln der RHO und einiger Nebenbestimmungen, die maßgeblich sind. Die RHO-Bestimmungen sind auch nicht für den Hochschulbereich irgendwie modifiziert; Sonderregelungen gibt es nicht, ebensowenig wie i n dem neuen Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), nach dem die Länder ihr Haushaltsrecht richten mußten. Hochschulfinanzierung w i r d also nach staatlicher Systematik betrieben 28 . Das macht es erforderlich, aber auch lohnend, einen Blick auf die RHO insgesamt und auf ihre Grundsätze zu werfen. Die RHO gehört m i t ihren Grundsätzen und mit ihrer Systematik noch i n die klassische öffentliche Finanzpolitik der Bedarfsdeckung. Ihre Methoden sind entwickelt worden, bevor die RHO selbst erlassen war: Sie spiegeln das traditionelle Verständnis staatlichen Wirkens als übergeordnetes Regeln und Eingreifen wieder. Nur schwer und langsam fand das veränderte Staatsverständnis i m Zeichen von Leistungsverwaltung, Sozialstaatlichkeit, Daseinsvorsorge, wie es etwa hinter dem Grundgesetz der Bundesrepublik steht, Eingang i n die Methoden und das Selbstverständnis der Verwaltung. Dabei ist feilich nicht zu verkennen, daß Leistungsverwaltung und Daseinsvorsorge ihrerseits regelnd und eingreifend i n Erscheinung treten; der Staat kann nichts geben, was er nicht vorher nimmt, er verteilt lediglich, aber Volumen und Zielrichtungen des staatlichen Engagements sind doch gewandelt. Die tatsächlichen Anforderungen an die Funktionen der 28 Vgl. zu dieser Situation allgemein z.B. Bley, S. 43 ff.; Waibel, S. 112 ff.; Pley er, S. 150 ff.; v. Heppe, Die Finanzierung der Hochschulen, D U Z 1956 Nr. 11, S. 6 ff.; Haldmann, D U Z 1969 Nr. 1, S. 4 ff.; Gerber, Universitäten und Hochschulen I, H D S W Bd. 10, S. 471 ff. (1959); Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 1956, S. 80; Hall, Z u r Finanzverfassungsreform der Hochschulen, D U Z 1970 Nr. 19, S. 7; Viaion, Haushaltsrecht, Haushaltspraxis, Kommentar zur Haushaltsordnung (RHO) u n d zu den Finanzbestimmungen des Bonner Grundgesetzes, 2. A u f l . B e r l i n u. F r a n k f u r t / M . 1959. Beispiele f ü r die Ausprägung dieses Sachverhalts i n der Gesetzgebung: §§4, 56 ff. Hochschulgesetz Baden-Württemberg u n d die Regelung i n §§ 10 u n d 11 Hochschulgesetz Hessen v o m 12. M a i 1970 (GVB1.1 S. 315; geänd. durch G v o m 9. März 1971, GVB1.1 S. 59), wo ausgesprochen ist, daß das L a n d den Finanzbedarf der Hochschulen deckt, diese einen Voranschlag aufstellen u n d Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, falls das Landeskuratorium hiervon abweichen w i l l . (Ähnlich auch schon i n §§ 3—5 des früheren Gesetzes von 1966). Weitere Stellungnahmen u n d Reformvorschläge, die an anderer Stelle zitiert werden, gehen ebenfalls von diesem Sachverhalt aus, ohne i h n i m einzelnen zu beschreiben.
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g und F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
Staatstätigkeit wandelten sich schneller als die überkommenen Strukturen der Verwaltung, die sich den an sie herantretenden Sachaufgaben noch nicht überall angepaßt hat 2 9 . Noch weniger als die Verwaltung hat das Haushaltsrecht den veränderten Bedingungen bisher Rechnung getragen. Die RHO paßt besser zu einem Etat früherer A r t , zu einem Alimentationsplan für die staatliche Beamten- und A n staltshierarchie, als zu Finanzierungsaufgaben, wie das heutige Hochschulwesen sie stellt: mittelfristige und langfristige Planung, Studienförderung, Forschungsfinanzierung und anderes mehr. Nachdem gerade auf dem Sektor der Bildungspolitik zur Zeit wieder ein Schub von Wandlungen mancher hergebrachter Vorstellungen zu beobachten ist, erhebt sich schon unter den genannten allgemeinen Gesichtspunkten der Verdacht, daß die RHO mit ihrer i n der inneren Verwaltung entwickelten und perfektionierten Methodik gerade hinter der Entwicklung des Bildungs- und des Hochschulwesens besonders weit zurückbleibt. U m einen solchen Verdacht verifizieren zu können, werden nunmehr einige wesentliche Prinzipien des geltenden Haushaltsrechts kurz dargestellt. 3. Wichtige Grundsätze des geltenden Haushaltsrechts
Die wichtigsten Grundsätze des Budgetrechts sind i n den Art. 109 ff. GG zu Verfassungsrang erhoben. Das erklärt sich aus der politischen Bedeutung, die das Haushaltsrecht „ i m Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung" 3 0 hat. Die Haushaltsbewilligung stellt eine mehr oder weniger wirksame Begrenzung der Regierungsgewalt dar, und von diesem Gesichtspunkt aus erhält auch der erste Grundsatz seine Bedeutung: Die Veranschlagungspflicht, auch Grundsatz der Vollständigkeit genannt. Danach darf keine Einnahme und keine Ausgabe bei der Aufstellung des Haushalts unberücksichtigt bleiben; umgekehrt dürfen nur solche Einnahmen und Ausgaben eingestellt werden, die mit Sicherheit zu erwarten sind. Ein anderes Verfahren würde eine Verfassungsverletzung bedeuten, da andere Ausgaben dann nicht i m Gesetzgebungsverfahren von der Volksvertretung (Parlament) bew i l l i g t wären. So soll besonders politische Kontrolle, aber auch sachliche und wirtschaftliche Nachprüf barkeit gewährleistet werden 3 1 .
29 Vgl. Becker - Kluge, S. 20 u n d 26, aber auch ihre an der Rechnungsprüfung ansetzende K r i t i k der geltenden Systematik des Haushaltsrechts insgesamt. 30 So der T i t e l der i n Note 23 zitierten Arbeit von Friauf. 31 Hierzu u n d i m folgenden vgl. besonders Viaion, Haushaltsrecht, bes. S. 87 ff., 254 ff., 386 ff., 554 ff., 1118 ff., sowie Maunz - Dürig - Herzog, G r u n d gesetz, bes. zu A r t . 110 GG.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsaufgbe
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Ähnlichen verfassungsgeberischen Motivationen entspringt der Grundsatz der Jährlichkeit, „Annuität" genannt. Allerdings ist hier festzustellen, daß nach der Änderung des A r t . 110 GG durch das 20. ÄndG vom 12.5.1969 die Formulierung des früheren A r t . 110 Abs. 1 GG ( „ . . . müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt . . . " ) modifiziert worden ist: Art. 110 Abs. 2 GG läßt nunmehr auch eine Aufstellung des Haushaltsplans für mehrere Rechnungsjahre, freilich nach Jahren getrennt, zu. Aber die RHO ging i n §§2 und 30 von einer Rechnungsperiode i n der Länge eines Kalenderjahres aus (seit 1960 deckt sich das Rechnungsjahr auch mit dem Kalenderjahr, während es zuvor vom 1. A p r i l bis zum 31. März lief — daher „Märzausgaben"). Auch das HGrG und die neue Bundeshaushaltsordnung (BHO) machen von der Auflockerung des neuen A r t . 110 Abs. 2 GG nur i n sehr geringem Umfang Gebrauch: § 12 Abs. 1 BHO und § 9 Abs. 1 HGrG lassen gleichlautend nur einen fakultativen Zweijahres-Haushalt zu, nach Rechnungsjahren getrennt. Das bedeutet, daß i n der Regel auch weiterhin alle Ausgaben und Einnahmen für die Dauer eines Jahres kalkuliert und geplant werden müssen, und zwar auch dann, wenn es sich bei der zu finanzierenden Materie u m ein über mehrere Jahre reichendes einheitliches Projekt handelt; i n diesem Fall ist der jährliche Anteil ratenweise zu veranschlagen (anders nur, wenn es sich u m „außerordentliche" Ausgaben handelt; dazu aber erst später Einzelheiten). Auch hinter diesem Grundsatz steht der Wunsch nach einer politischparlamentarischen Kontrolle, die der Finanzpolitik der Regierung nicht die Zügel schießen läßt. Auch überkommene Vorstellungen von einer unternehmerischen Kassen- und Rechnungslegung mit einer A r t Jahresabschluß haben hier ihren Niederschlag gefunden 32 . I n der Haushaltspraxis bedeutet das, daß nicht verbrauchte M i t t e l mit dem Ende des Rechnungsjahres verfallen und nicht etwa i m folgenden Jahr ausgegeben werden können. Sparsam wirtschaftende Behörden sparen somit nicht für sich, sondern für den Staat. Durchbrochen w i r d das Annuitätsprinzip von der Übertragbarkeit von Mitteln, also von der Möglichkeit, nicht verwendete M i t t e l i m folgenden Jahr zu dem betreffenden Titel hinzuzunehmen. Schon von Gesetzes wegen übertragbare Bewilligungen sind solche für einmalige und außerordentliche Ausgaben (entsprechend i n § 15 HGrG und § 19 BHO), so daß die M i t t e l des außerordentlichen Haushalts immer übertragbar sind, ebenso diejenigen des § 4 RHO. Ferner können M i t t e l für übertragbar erklärt werden; das ist nach § 6 Abs. 4 der Reichswirtschaftsbestimmungen (RWB) nur dann erlaubt, wenn auf diese Weise nachweislich eine besonders sparsame Bewirtschaftung ermöglicht wird. I n HGrG und BHO w i r d der Nachweis nicht mehr verlangt; die sparsame Bewirtschaftung muß nur noch einfach 32 Dazu auch Becker - Kluge,
S. 19 ff.
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g und F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
„gefördert" werden. Diese Übertragbarkeitserklärung w i r d als „gekorene", die von Gesetzes wegen als „geborene" Übertragbarkeit bezeichnet. Sehr bedeutsam ist weiterhin der Grundsatz der Spezialität, m i t dem sich die §§ 30 ff. RHO befassen. Er besagt, daß die Haushaltsmittel nicht als zusammengerechnete Summe, global, bewilligt werden dürfen, und zwar auch nicht i n der Größenordnung von Kapiteln oder gar Teil- und Einzelplänen, sondern allein aufgegliedert nach Titeln. Das bewirkt, daß jede Bewilligung an einen bestimmten Verwendungszweck gebunden ist und nur für diesen auch die entsprechenden M i t t e l ausgegeben werden dürfen. Mittel, die für den vorgesehenen Zweck wider Erwarten nicht, gebraucht werden, lassen sich also nicht etwa für irgendeinen neuen Zweck oder zur Verstärkung eines anderen Titels heranziehen. Neben dem Gedanken einer klaren Übersicht über sachgerechte und sparsame Verwendung der M i t t e l ist es auch das Interesse an der absoluten Integrität der inneren Verwaltung, das hinter diesem Grundsatz steht. Die Ausnahme von diesem Prinzip ist die Deckungsfähigkeit: Bewilligte Mittel für einen Titel können für einen anderen oder zwei für einander (gegenseitige Deckungsfähigkeit) eintreten. I n § 31 RHO ist für bestimmte Fälle eine Deckungsfähigkeit innerhalb eines Kapitels vorgesehen, die nach § 34 RHO nicht mit einer Ubertragbarkeit kombiniert werden darf. Die entsprechenden neuen Bestimmungen sind § 15 Abs. 2 HGrG und § 20 BHO, die hier leichte Liberalisierungen bringen. Die Deckungsfähigkeit, besonders die gegenseitige, erhöht die Beweglichkeit der Verwaltung bei der Bewirtschaftung des Haushalts. Zuviel von solcher Beweglichkeit scheint besonders unerwünscht zu sein; nach der Zielsetzung der RHO ist die Deckungsfähigkeit die Ausnahme und die genaue Zweckbindung die Regel. Eine Reihe weiterer Grundsätze soll hier nur noch kurz notiert werden, um den Überblick zu vervollständigen; zwar sind sie ebenfalls von Bedeutung, entwickeln diese aber erst i m Zusammenhang m i t anderen Prinzipien oder erst für ein späteres Stadium der Haushaltspraxis, die Ausgabenkontrolle, so daß sie nicht so sehr i m Mittelpunkt der Reformdiskussion stehen wie die obengenannten. Zu nennen ist das Gebot der Einheit des Haushaltsplans, wonach alle Ausgaben und Einnahmen aller Betriebe und Verwaltungen i n einem einzigen Plan zusammenzufassen sind, also keine selbständigen Einzelpläne aufgestellt werden dürfen. Vom Haushaltsplan w i r d möglichste Genauigkeit der Veranschlagung verlangt. Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit sollen Verschleierungen und bewußte oder unbewußte Über- bzw. Unterschätzungen der Ansätze verhindern. Der i n diesem Zusammen-
. H o c h s u l f i n a n z i e r u n g als Staatsaufgbe
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hang geforderten Übersichtlichkeit des Haushaltsplans w i r d gegebenenfalls durch Erläuterungen aufgeholfen, die dem Plan als Anlagen beizufügen sind. Weiter gelten für den Plan bestimmte Gliederungsvorschriften, vor allem die Trennung von Einnahmen und Ausgaben, auch i n bezug auf alle Einzelbereiche (das „Bruttoprinzip", also keine Saldi von Einnahmen und Ausgaben), weiter die Trennung von Personalund Sachbedarf, von ordentlichen und außerordentlichen, d. h. wiederkehrenden und einmaligen Ausgaben und Einnahmen sowie schließlich der verschiedenen Verwaltungszweige und Sachgebiete voneinander. Endlich soll der Haushaltsplan aufgestellt und festgestellt werden, bevor die i n i h m ausgewiesenen M i t t e l umgesetzt zu werden beginnen — sogenannte Vorherigkeit —, wobei die Nichteinhaltung dieser Vorschrift aber keine besonderen Folgen, etwa der Nichtigkeit, zeitigt; die Ausgabenpolitik steht nach A r t . 111 GG lediglich unter gewissen Beschränkungen. Schließlich besteht die Pflicht, den Haushaltsplan i n Einnahmen und Ausgaben auszugleichen (Art. 110 Abs. 1 GG); das gilt, wohlgemerkt, nur für den Plan, während es bei den tatsächlichen Umsätzen i n der Regel nicht zu verwirklichen wäre. Diese Ausgeglichenheit ist von Bedeutung für die Stabilität staatlicher Finanzwirtschaft und, wie die meisten haushaltsrechtlichen Vorschriften es zumindest m i t sind, für die Kontrollierbarkeit und Vergleichbarkeit des staatlichen Finanzgebarens. Ein letzter wichtiger Grundsatz soll seiner Bedeutung wegen besonders erwähnt werden: der der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Diese Forderung steht an und für sich über dem gesamten finanziellen Gebaren aller Verwaltungen beim Haushaltsvollzug, und sie ist auf den ersten Blick auch selbstverständlich: Die von den Staatsbürgern als Steuern aufgebrachten M i t t e l sollen möglichst wirkungsvoll und ohne jede Verschwendung eingesetzt werden. Indessen sind diese beiden Forderungen i n hohem Maße angewiesen auf die richtige Interpretation. Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind nämlich die grundlegenden Kriterien einer der wichtigsten Institutionen i m System des Haushaltsrechts: Das sind die Rechnungshöfe, die mit diesen Kriterien das Finanzgebaren der staatlichen Einrichtungen nachträglich überprüfen und gegebenenfalls beanstanden. Das bedeutet, daß die Ausgabenkontrolle sich nicht damit begnügt, die formale Richtigkeit i m Sinne einer exakten Orientierung an den Bestimmungen des bewilligten und damit gesetzesförmigen Haushalts nachzuprüfen — das wäre die Entsprechung zu den staatlichen Kontrollmöglichkeiten bei der Rechtsaufsicht —, sondern daß eine Sachprüfung nach den genannten Grundkriterien vorgenommen w i r d entsprechend den Möglichkeiten einer Fachaufsicht: Die einzelne Maßnahme i m Haushaltsvollzug kann auf Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit usw. untersucht werden. I m Hinblick auf die Besonder-
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
heiten wissenschaftlicher Arbeitsweisen und Planungsmöglichkeiten kann sich zwischen Sparsamkeit einerseits und Wirtschaftlichkeit andererseits eine Spannung, vielleicht sogar eine Unvereinbarkeit ergeben, obwohl die Begriffe sich eigentlich ergänzen sollen; es hängt von der Definition dieser Begriffe ab, ob sie i n der Hochschulfinanzierung sinnvoll sind. Diese kurz umrissenen Grundsätze sind es hauptsächlich, die das Haushaltsrecht des Bundes und das der Länder 3 3 bestimmen. Die i n den Verfassungen statuierten Grundsätze werden von RHO bzw. BHO und HGrG jeweils aufgenommen und genauer oder i n modifizierter Form normiert. Diese Grundsätze sind, wie schon erwähnt, für die Hochschulfinanzierung voll maßgeblich. Freilich lassen sich aus dieser kursorischen Darstellung noch keine Probleme i n der konkreten Anwendung auf die Hochschulen erkennen. Das soll der K r i t i k dieses Haushaltsrechts i n seinen Wirkungen auf das Hochschulwesen i m folgen Kapitel vorbehalten sein 3 3 a . Zuvor w i r d aber noch als weitere Einführung und zugleich zur Veranschaulichung i n großen Zügen beschrieben, welchen Weg ein einzelner Finanzierungswunsch aus der Universität über Hochschulorgane und Apparate der Landesverwaltung i n der Regel zurücklegt, bis er als Bewilligung i n die Hochschule zurückgelangt. 4. Praxis des Haushaltsplanverfahrens im Hochschulwesen34
Das Planungsverfahren für den Haushalt der einzelnen Hochschule ist langwierig, vor allem deshalb, weil die M i t t e l für die Hochschulen eines Landes zusammen i m Einzelplan des Kultusministers erscheinen und dort mit anderen Finanzierungsbereichen konkurrieren. I m Herbst oder gegen Ende eines Jahres ergehen i n der Regel Aufforderungen an Institute, Fachbereiche und sonstige Einrichtungen von Forschung und Lehre i n der Hochschule, ihre Anträge auf Mehrbedarf für das übernächste Jahr einzureichen. Dabei bleibt beim Personalbedarf Bestehendes erhalten, so daß nur der Bedarf an zusätzlichen Stellen angemeldet werden muß. Das Rektoramt stellt den Mehrbedarf zusam33 Die Landesverfassungen enthalten entsprechende A r t i k e l zum Finanzwesen, z. B. A r t . 79 bis 84 Verfassung Baden-Württemberg. 33a Eine allgemeine, auch rechtsvergleichende Untersuchung haushaltsrechtlicher Probleme i n der V e r w a l t u n g bietet Siedentopf, Wirtschaftlichkeit i n der öffentlichen Verwaltung, Baden-Baden 1969, bes. S. 14 ff., S. 91 ff. 34 Diese Darstellung orientiert sich i m wesentlichen an den Verhältnissen i n Baden-Württemberg u n d k a n n daher nicht auf jedes Bundesland u n d auf jede Hochschule genau zutreffen; es geht hier aber mehr u m prinzipielle Probleme, die auch bei etwas anderen Abläufen auftauchen, so daß diese Darstellung zur Veranschaulichung i n jedem Falle nützlich sein dürfte.
Α. Hochschulfinanzierung als Staatsauf gäbe
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men und legt die Anträge dem Senat vor, wo sie koordiniert werden sollen. Dort können Lehrstuhlinhaber, Institutsdirektoren, Fachschaftssprecher und weitere Beteiligte ihre Anträge vertreten und Stellungnahmen abgeben. Der Senat kann freilich als übergeordnetes Organ schon nicht mehr jedes einzelne Detail hinter jeder Bedarfsanmeldung aus den sehr verschiedenen Fachrichtungen sachkundig beurteilen; er stellt deshalb i n erster Linie eine Dringlichkeitsfolge auf. Nachdem so die ersten internen Konflikte ausgetragen sind, macht der Senat dem Verwaltungsrat oder dem entsprechenden Gremium anderen Namens einen Vorschlag für den Haushaltsvoranschlag. Der Verwaltungsrat oder das entsprechende Organ (wobei ein solches Organ nicht unbedingt als ein gesondertes bestehen muß, gelegentlich ist die Wahrnehmung staatlicher Verwaltungsaufgaben i m Bereich der W i r t schafts- und Personalverwaltung auch auf akademische Organe übertragen, die gemischt besetzt sind 35 ) stellt sodann den Haushaltsvoranschlag auf und leitet ihn an das Kultusministerium weiter. Dort laufen die Voranschläge aller Hochschulen des Landes zusammen. Der Kultusminister stellt den Bedarf insgesamt zusammen. Das besorgt i n der Regel eine Hochschulabteilung i m Kultusministerium, die zwischen den Hochschulen und den Parlamenten und Ministerien vermittelt; sie t r i t t der Universität als Staat gegenüber und soll dem Staat gegenüber die Interessen der Universitäten vertreten. Diese Abteilung bzw. der Hochschulreferent führt auch Verhandlungen mit den Hochschulen und für die Hochschulen 36 . Die Hochschulabteilung kann auch zwischen den einzelnen Hochschulen des Landes bestimmte Anforderungen ausgleichen, so daß die einzelne Hochschule ζ. B. nicht weiß, wieviele Personalstellen ihr zugebilligt werden, und folglich nicht festlegen kann, wen sie wo anstellen soll; eine Austauschmöglichkeit zwischen Personal- und Sachstellen ist nicht gegeben, da auch die mittelfristige Finanzplanung den Zuwachs getrennt nach Sachund Personalausgaben festlegt. Die einzelne Hochschule versucht i n diesem Stadium, durch Verhandlungen, die der Rektor (oder sonstige Leiter der universitätseigenen Verwaltung) m i t der Hochschulabteilung i m Kultusministerium führt, ihre Interessen zu vertreten und ihre Position i m Wettbewerb mit den anderen Hochschulen zu verbessern. Nach Abschluß dieser Phase stellt der Kultusminister seinen Entwurf für seinen Einzelplan auf, von welchem die Hochschulabteilung einen Teil stellt. Dieser Vorentwurf des Kulturressorts als ganzen geht nun 35 Z u den verschiedenen Ausgestaltungen der Hochschulbürokratie, die der Hochschule als „Staat" gegenübertritt, vgl. besonders Oppermann, K u l t u r verwaltungsrecht, S. 344 ff. 36 Bei Becker - Kluge, S. 80 ff., findet sich eine kritische Würdigung der Hochschulabteilung; s. auch dort die Anmerkungen 9 u n d 11, S. 254—256 i m Anhang.
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1. Teil: M i t t e l Versorgung u n d Finanz Verfassung der Hochschule
zum Finanzminister — der seinen Einfluß schon vorher i n der Phase der Verhandlungen bei der Hochschulabteilung geltend gemacht hat —, der i h n dem Ministerrat weiterreicht, und dieser verabschiedet i h n nunmehr. Zuletzt legt der Finanzminister dem Parlament den Plan für den gesamten Landeshaushalt vor, i n dem der Kulturhaushalt mit dem Hochschulhaushalt enthalten ist. I n diesem Stadium findet eine Vertretung der Hochschulen, etwa eine Anhörung vor dem Parlament, nicht mehr statt; die Universität kann allenfalls versuchen, ohne irgendein förmliches Verfahren an einzelne Abgeordnete des Landtags bzw. der Bürgerschaft heranzutreten, u m i n der „grauen Zone" des Bewilligungsverfahrens durch persönlichen oder politischen Einfluß etwas zu erreichen. Das Parlament beschließt den Haushalt eines Tages, und erst jetzt laufen die Bewilligungen den Weg über die Behörden (Hochschulabteilung, Verwaltungsrat, Kanzler usw.) zurück an die Stellen, von wo die Anforderungen ausgingen: Nun können die M i t t e l umgesetzt werden. Mehr als ein Jahr ist vergangen; das Verfahren selbst aber muß wegen des Jährlichkeitsgrundsatzes jedes Jahr von neuem beginnen. Dieser Ablauf zeigt schon, daß die derzeitige Situation der Hochschulen weder von der Struktur ihrer Selbstverwaltung noch vom Haushaltsrecht alleine her begriffen und kritisiert werden kann. Die folgende K r i t i k soll zeigen, inwieweit die Probleme der Hochschulverwaltung vom Haushaltsrecht und dieses wieder von dem problematischen Verhältnis zwischen Staat und Hochschule überhaupt bestimmt sind. B. Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung I . Mittelversorgung und Effizienz
Eine K r i t i k der Finanzierungsmethoden nach dem geltenden Haushaltsrecht muß zwei Aspekte berücksichtigen. Einmal ist zu untersuchen, was diese Methoden bei der Mittelversorgung der Hochschule selbst leisten; die Frage für diesen engeren Ansatz ist die, wie wirksam die derzeitige Finanzierungsmethodik i m Verhältnis zum gesamten Mitteleinsatz ist. Die K r i t i k stellt also insoweit fest, welchen Anforderungen die derzeitige A r t und Weise der Finanzierung etwa nicht genügt, und sie bleibt zum Teil „systemimmanent", indem sie auch aufzeigt, inwieweit die Hochschulfinanzierung heute ihrem eigenen Anspruch nicht genügt, die Hochschulen rational und zweckmäßig mit Geldmitteln zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auszustatten. Der zweite Aspekt ist der der Nebenwirkungen: Es ist zu zeigen, welche Aus-
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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Wirkungen die derzeitige Hochschulfinanzierung mit ihren Mängeln auf die Hochschulen — d. h. auf ihre Selbstverwaltung, auf das Selbstverständnis ihrer Mitglieder, auf ihre Einstellung zu Gesellschaft und Staat — hat oder haben kann. Dabei spielen Folgerungen aus den Feststellungen zum ersten Aspekt eine gewisse Rolle; deshalb w i r d i n diesem Kapitel eine Untersuchung und K r i t i k der Finanzierung nach dem geltenden Recht unternommen, bei der die einzelnen Institute des Haushaltsrechts näher beleuchtet werden, und erst i m darauffolgenden eine Untersuchung der Auswirkungen insgesamt. I n den vergangenen drei Jahren ist die Forderung nach größeren finanziellen Aufwendungen des Staates für das Hochschulwesen (und für das Bildungssystem i m ganzen) Allgemeingut geworden. Inzwischen beginnen die politischen Instanzen auch, der oft an sie gerichteten Aufforderung Folge zu leisten, sie möchten doch die Bedeutung des Bildungswesens erkennen und aus dieser Erkenntnis eine neue Prioritätensetzung i n den öffentlichen Aufgaben ableiten 37 . Es mag sein, daß die Probleme der Universitäten wenigstens zum Teil finanzielle Probleme sind und daß die notwendigen Reformen infolge fehlender Gelder nicht i n Angriff genommen wurden 3 8 . Jedoch w i r d es i m Zusammenhang mit den hier interessierenden Problemen nicht so sehr darauf ankommen, wieviel Geld eigentlich vorhanden sein müßte, als vielmehr darauf, was mit dem Geld erreicht werden kann und erreicht wird. Die Mittel dürften auch i n Zukunft bei noch so großzügiger Ausstattung der Hochschulen — was allen Planungen zum Trotz noch keineswegs sicher ist — dennoch immer knapp sein i m Verhältnis zu den Wünschen der Hochschulen selbst wie zu den Forderungen der Gesellschaft an sie. Deshalb wird, wie überall beim Einsatz von Geldmitteln für bestimmte Zwecke, das „Wirtschaften" eine wichtige Rolle spielen: der optimale Einsatz knapper Mittel. Die Frage, mit welchen Maßnahmen und durch welche Institutionen am besten gewirtschaftet werden kann, w i r d ihre Bedeutung also nicht dadurch verlieren, daß für das Hochschulwesen mehr Geld bereitstehen wird. I m Gegenteil: Falls es zutreffen sollte, daß die gegenwärtige Hochschulfinanzierung Effizienzmängel aufweist, so würde eine solche i m System steckende Fehlerquote beim Verbrauch wachsender Summen ebenfalls immer 37 Die Forderung nach veränderter Prioritätensetzung, notfalls unter I n kaufnahme von Konsumverzicht zugunsten des Bildungswesens, ist besonders als Folge der „Studentenrevolte" allseits übernommen worden; inzwischen dürfte es sich herausgestellt haben, daß die Hoffnung auf baldige Befriedung der Hochschulen durch mehr Geld auf einer falschen Einschätzung dieser Revolte (als von materiellen Engpässen verursacht) beruht. 38 Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 91, ist der Meinung, die vorhandenen M i t t e l hätten bei sachgerechtem Einsatz für eine Reformierung der Hochschulen ausgereicht.
3 Zeh
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1. Teil: M i t t e l Versorgung u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
erheblicher. Deshalb muß es bei Verstärkungen der M i t t e l für das Hochschulwesen um so mehr darum gehen, daß die M i t t e l auch richtig eingesetzt werden und nicht zu einem Teil „verpuffen" wie der Brennstoff i n einer Maschine m i t ungünstigem Heizwert. I n der Diskussion u m die Erweiterung der Bildungsinvestitionen ist auf Seiten des Staates auch immer wieder die Besorgnis herauszuhören, daß die i n die Hochschule investierten Summen keinen proportionalen Anstieg an hochqualifizierten Arbeitskräften, an konkurrenzfähigen Forschungsprojekten, kurz, an zukunftssicherndem Wissen und Können erbringen möchten 39 . Freilich w i r d an dieser Stelle schon wieder das Problem spürbar, das hinter den meisten Einzelfragen steckt; i n diesem Zusammenhang würde die Frage lauten müssen: Kommt es auf „Effizienz" überhaupt an? Darf der Staat die Steigerung von Aufwendungen für das Hochschulwesen praktisch davon abhängig machen, daß die allein von ihm für die am wichtigsten gehaltenen Zwecke wirksamer verfolgt werden — mittels von i h m verordneter Hochschulreform? Unabhängig von dieser Problematik (die noch eingehend behandelt werden wird) läßt sich aber festhalten, daß die Frage nach dem Erfolg eingesetzter M i t t e l immer gestellt werden muß, unabhängig davon, wer die Zwecke setzt; so bleibt es jedenfalls sinnvoll nachzuprüfen, wie sich innerhalb der bestehenden Haushaltssystematik von der Hochschule wirtschaften läßt. Die Effizienz des Mitteleinsatzes i n der Hochschule bezeichnet also, unabhängig von der Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel, das Verhältnis zwischen angestrebtem und eingetretenem Ergebnis einer Finanzierungsmaßnahme. Sie ist abhängig von der Richtigkeit von Planungen und Prognosen, von der Qualität der Verwaltung, von der Möglichkeit zu flexibler Reaktion auf sich ändernde und das Ziel in Frage stellende Verhältnisse und von dem Informationsstand aller mit der Mittel Verwendung befaßten Stellen. Freilich läßt sich Effizienz je nach Standpunkt verschieden bewerten. Deshalb muß der Bereich einer individuellen oder partikularen Wertung ausgeschieden werden. Es sind natürlich beliebig viele Meinungen darüber möglich, welche bestimmte A r t der Mittelverwendung i m Einzelfall sinnvoll und wirkungsvoll ist, und gerade i m Hochschulbereich 39 Vgl. ζ. B. die Einführung zum Hochschulgesamtplan Baden-Württemberg i n B i l d u n g i n neuer Sicht, Schriftenreihe des Kultusministeriums BadenWürttemberg zur Bildungsforschung, Bildungsplanung, Bildungspolitik Reihe A Nr. 5, 1967, von Kultusminister Hahn: Der Weg i n eine neue Hochschullandschaft, S. 11 ff., bes. S. 12, 15, 16; vgl. ferner den gesamten Ansatz von Widmaier u n d Mitarbeiter, Z u r Strategie der Bildungspolitik, Bern 1968, die eine „ökonomische Theorie der Bildungspolitik" v e r m i t t e l n wollen, sowie dort S. 85 ff. Jermann, Z u r Ökonomik der Hochschule; zurückhaltend Riese, Universitätsstudium u n d ökonomischer Bedarf, i n : B i l d u n g — die Grundlage unserer Zukunft, München 1968.
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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w i r d die Wertung des Einzelnen u m so mehr von persönlichen Vorstellungen und Interessen geprägt sein, als er selbst — oder sein Arbeitsplatz, sein Institut — betroffen ist. Hier soll nur untersucht werden, welche Methoden und Maßnahmen objektiv geeignet oder weniger geeignet sind, den angestrebten Zweck zu realisieren, unabhängig davon, wie Gewichtsverteilung und Prioritätensetzung i m Einzelfall aussehen sollten. Die Wertungen, die einem Haushaltsplan zugrunde liegen, müssen ja schon lange vor der Verwendung der M i t t e l getroffen werden und drücken sich dann i n der Höhe der einzelnen Titel aus. Die Frage nach der Effizienz setzt also i n einem Stadium nach den Wertungen ein: Es muß festgestellt werden, ob die gemäß bestimmten Wertungen angestrebten Ergebnisse mit diesem Haushaltsplan, mit dieser Ausgabenpolitik und mit dieser Ausgabenkontrolle überhaupt voll erzielt werden können. Es kommt also darauf an, ob bestimmte Methoden als solche mehr oder weniger geeignet sind für die Verfolgung gerade der Zwecke, denen sie dienen sollen. Diese Methoden sind weitgehend durch das Haushaltsrecht bestimmt. Ein Haushaltsplan entsprechend dem geltenden Haushaltsrecht setzt die Schwerpunkte der Mittelverwendung; er weist nicht nur die M i t t e l aus, sondern er steuert, unterstützt durch die i h m nachfolgende Rechnungsprüfung, die A r t und Weise des Mitteleinsatzes. Deshalb ist zu prüfen, wie sich die für die Hochschule wichtigen Bestimmungen des Haushaltsrechts auf die Effizienz der Hochschulfinanzierung auswirken. I I . Annuität und Planung 1. Planung in Wissenschaft und Hochschule
Es ist oft gesagt worden, daß Wissenschaft und insbesondere wissenschaftliche Forschung heute i n einem anderen Stil betrieben w i r d und betrieben werden muß als noch vor wenigen Jahrzehnten. Der individuelle Erkenntnisdrang des einzelnen Wissenschaftlers ist nicht mehr alleine Motor und Maßstab für sein Metier; meist entscheidet er nicht mehr alleine über das Ob seiner Forschung, und ebenso häufig arbeitet er weder alleine an ihr, noch verantwortet er sie alleine 40 . Besonders i m naturwissenschaftlichen Sektor müssen heute solche Mengen an Informationen gesammelt, verfügbar gemacht und verwertet werden, daß personelle und sachliche Aufwendungen für Forschungsprojekte immer umfangreicher und kostspieliger und für den einzelnen immer weniger überschaubar werden. Das gilt für die Forschung i n den 40 Butenandt, Die Wissenschaft i n der Industriegesellschaft, Vortrag, Stuttgart 1966, weist i n diesem Zusammenhang auf die große Bedeutung hin, die die Forscherpersönlichkeit m i t weitem Horizont trotz Teamwork noch besitzt. 3*
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
Hochschulen durchaus ebenso wie für diejenige der Industrie i n eigenen Instituten oder diejenige i n Stiftungen außerhalb der Hochschulen; ein Unterschied besteht lediglich graduell wegen der meist besseren materiellen Voraussetzungen der Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen, die sich nicht außerdem m i t der wissenschaftlichen Lehre befassen müssen und die zudem in der Regel spezialisiert sind, bezogen auf die einzelne Einheit. Der Trend ist allgemein: Auf die immer neue Aufspaltung des Wissens i n immer mehr spezialisierte Zweige w i r d mit einer Konzentration der Forschung reagiert, die auf größere, besser ausgerüstete und personell differenzierter besetzte Einheiten geht, um so die Möglichkeiten teurer Datenverarbeitungsanlagen und anderer Rationalisierungseinrichtungen ausnützen zu können. Dem entspricht der Versuch, mittels interdisziplinärer Forschung die Nachteile abzugleichen, die sich aus der Auseinanderentwicklung der wissenschaftlichen Spezialgebiete ergeben, und so die großen Zusammenhänge doch noch i m Blick zu behalten; auch i n den Hochschulen werden interdisziplinäre Projekte häufiger 4 1 . Diese Entwicklung verlangt in immer höherem Maße nach Planung. Die Notwendigkeit von Planung ist heute i n einem solchen Ausmaß anerkannt, und zwar generell für alle Bereiche öffentlicher Aufgaben, daß eine nähere Begründung dieser Notwendigkeit schon müßig erscheint 42 . Auch der Entwurf der Bundesregierung für ein Hochschulrahmengesetz sieht ein vielfältiges Planungsinstrumentarium vor 4 3 . Es dürfte nur zu berechtigt sein, wenn i n neuester Zeit auch kritische Stimmen laut werden, die das totale Vertrauen i n die Planbarkeit aller Lebensbereiche zu erschüttern versuchen oder wenigstens die Probleme dieser Entwicklung berücksichtigen 44 . Jedenfalls läßt diese Entwicklung 41 Vgl. ζ. B. Vierhaus, Forschung an der Universität, Bedingungen — Möglichkeiten — Organisation, D U Z 1970 Nr. 21, S. 3 ff.; Bundesbericht Forschung I, Bonn 1965, u n d Forschung I I , Bonn 1967. 4 2 Bei Lohmar, Wissenschaftsförderung u n d Politik-Beratung, sind allein über zwanzig Schriften aufgeführt, die sich unmittelbar m i t Planungsfragen, Planungstheorien usw. befassen, bei Widmaier u n d Mitarbeiter sind es über fünfundzwanzig; die Hochschulgesamtpläne Baden-Württembergs werden w e i t h i n als vorbildlich u n d nachahmenswert angesehen (hinsichtlich der Methode, unabhängig v o m Inhalt); Beispiele aus anderen Bereichen wie Regionalplanung, mittelfristige Finanzplanung oder Landesentwicklungsplanung sind bekannt. 43 Vgl. hierzu § 10 des Entwurfs (Hochschulentwicklungsplan durch die Hochschulen), § 11 (Hochschulgesamtplan durch die Landesregierungen), dazu §5 Hochschulbauförderungsgesetz (gemeinsamer Rahmenplan auf Bundesebene) ; da die einzelnen Hochschulen nach § 59 des Entwurfs zusammenarbeiten müssen, k o m m t noch ein Hochschulentwicklungsplan der jeweils kooperierenden Hochschulen hinzu. 44 Bächler, Der Hochschulstaat i m Staate, Gedanken zum E n t w u r f des Hochschulrahmengesetzes, D U Z 1970 Nr. 15/16, S. 8 ff., steht dem Planungsinstrumentarium des Entwurfs sehr kritisch gegenüber: „ H i e r w i r d eher ein
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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sich nicht zurückdrehen, und i m Kern muß die Planung auch eine wichtige Rolle gerade dort spielen, wo es wie i m Hochschul- und Bildungswesen um grundlegende Veränderungen und Weiterentwicklungen geht. Dazu t r i t t an den Hochschulen das sog. Massenproblem für den Bereich der wissenschaftlichen Lehre. Stetig wachsende Studentenzahlen und eine ständig sich weiterentwickelnde Auffächerung des Lehrstoffs bringen erheblichen Druck auf die Kapazitäten mit sich, deren Erhöhung wiederum nach Planung ruft. Gerade hier, wo es nicht nur um die Geldmittel für solche Kapazitätserhöhung geht, sondern auch u m die Erprobung und schrittweise Einführung neuer didaktischer und anderer Arbeitsmethoden, deren endgültiges Aussehen noch niemand kennt, eischeint eine flexible Planbarkeit der damit zusammenhängenden Maßnahmen — Personal, Ausstattung, Bauten — durch die einzelne Hochschule besonders wichtig. Die Hochschulen sind also sowohl i n der Forschung wie i n der Lehre auf eigene Planungen angewiesen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. 2. Das Jährlichkeitsprinzip
a) Ursprung und Zweck Die quantitativ und qualitativ ständig umfangreicher werdenden Aufgaben i n Forschung und Lehre m i t ihrer unausweichlichen Konsequenz längerfristiger Planung sollen von den Hochschulen bewältigt werden nach einem Haushaltsrecht, i n dem der Grundsatz der Annuität, der nur einjährigen Veranschlagung und Vergabe der Mittel, eine bedeutende Rolle spielt. Dieses Prinzip wurzelt in einem haushaltstechnischen Denken, das zu dem reinen Alimentationsplan für die staatliche Beamten- und Anstaltenhierarchie gehört 45 . Dieser Plan enthielt noch i m 19. Jahrhundert i m wesentlichen feststehende Personalkosten, einige Dispositionsfonds, einzelne Vorhaben außerordentlicher A r t , die in der Regel i n sehr überschaubaren Zeiträumen und bei verhältnismäßig konstanten wirtschaftspolitischen Verhältnissen abgewickelt werden konnten. Unter derartigen Bedingungen und angesichts des überkommenen kaufmännisch-wirtschaftlichen Verständnisses des Staatshaushalts kann die Dauer eines Kalenderjahres für die Haushaltsperiode Gegeneinander von Hochschul- u n d Staatsplanung skizziert als ein echtes Zusammenwirken . . . Es schleicht sich die Befürchtung ein, daß w i r am Ende m i t Hilfe vieler Pläne i n die Planlosigkeit geraten." Vgl. auch Dahrendorf, Wer plant die Planung?, i n Die Zeit v. 3. 3.1967, ferner Lohmar, S. 46 ff., bes. S. 49, u n d die dort wiedergegebene K r i t i k . 4 5 Becker - Kluge, S. 26. Vgl. zum Ganzen Friauf, Der Staatshaushaltsplan zwischen Parlament und Regierung, Band I, Bad Homburg v. d. H.—BerlinZürich 1968.
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als ausreichend, und unter dem Gesichtspunkt einer regelmäßigen parlamentarischen Kontrolle des staatlichen Finanzgebarens als günstig gelten; größere Fehler oder gar Mißbräuche kommen nach einem Jahr ans Licht. Auch mag i n früheren Zeiten mehr unbewußt der Gedanke eines „Jahresabschlusses" oder einer „Inventur" wie beim kaufmännischen Wirtschaften für das staatliche Wirtschaften unbefragt festgehalten worden sein. Gerade die Argumentation m i t der politischen Kontrolle 4 6 verliert aber heute zunehmend ihre Uberzeugungskraft. Forschungsfinanzierung, Ausbildungsförderung, große Neubau- und Ausbauprogramme usw., wie sie heute finanziell geplant und gesichert werden müssen, lassen sich von den Einzelrechnungen und der jährlichen Abrechnung her nur noch schwer überblicken. Hinzu kommt das Problem des Spezialistentums: Parlamentarier sind i n der Regel ausschließlich auf Kommissionen, Experten und Gutachten angewiesen, wenn sie sich Vorstellungen von Finanzierungserfordernissen machen wollen, und diese orientieren sich meist an denselben Zahlen und Daten, die auch schon i n die Planungen der Regierungen eingegangen sind; die Undurchschaubarkeit der Materie begünstigt dann die Argumentation m i t Sachzwängen. So verliert die Bindung des Haushalts an ein Jahr ihre politische Bedeutung für eine Kontrolle der Regierungsgewalt. Freilich ist es auch heute das Recht und die Pflicht der Volksvertretungen, die Kostenentwicklung gerade großer Projekte i m Auge und i n der Hand zu behalten; nur ist das m i t einer bloß prophylaktischen Bremsung, zu der sich das Jährlichkeitsprinzip i m Laufe der Zeit entwickelt hat, nicht sinnvoll zu erreichen. b) Probleme für die Hochschulen Der jährliche Rhythmus war für die traditionelle Innen Verwaltung vielleicht sehr sinnvoll, und er mag es m i t Einschränkungen noch heute sein 4 7 ; bei Anwendung auf das Hochschulwesen bringt er aber Schwierigkeiten und Gefahren m i t sich, die durch eine Notwendigkeit laufender enger Kontrolle nicht aufgewogen werden können. Diese Schwierigkeiten und Widersinnigkeiten 4 8 nehmen ihren Anfang bei der Not46 Vgl. etwa Viaion, Haushaltsrecht, Haushaltspraxis, S. 87 ff., der auch gerne m i t „Erziehung" u n d „Sauberhaltung" der V e r w a l t u n g argumentiert, S. 555. 47 I m m e r h i n zeigt die Einrichtung der mittelfristigen Finanzplanung i n B u n d u n d Ländern, daß das Jährlichkeitsprinzip überall den Planungserfordernissen i m Wege steht; immer wieder werden i n den Ländern auch Überlegungen angestellt u n d wegen organisatorischer u n d k o n j u n k t u r e l l e r Schwierigkeiten häufig zurückgestellt, die auf eine Umstellung auf Z w e i jahreshaushalte gehen. 4 ® Becker - Kluge, S. 27.
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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wendigkeit, die Voranschläge für einen Jahreshaushalt schon bis zu eineinhalb Jahren vor der betreffenden Haushaltsperiode aufzustellen 49 . Maßstab für den Voranschlag und damit für die spätere Höhe der einzelnen Titel ist dadurch zunächst einmal der gegenwärtige Stand der Dinge, während die Bedürfnisse, die i n zwei Jahren gegeben sein werden, noch schwer abschätzbar sind. Also muß grob kalkuliert werden, und zwar muß i m Interesse der Funktionsfähigkeit der betreffenden Hochschuleinrichtung i m Falle eines unvorhergesehenen Engpasses durchaus zu Recht nach oben kalkuliert werden. Das wissen die Landesbehörden natürlich und machen oft ebenso automatisch Abstriche. I m Ergebnis liegt die Höhe der Bewilligung irgendwo mehr oder weniger i n der Nähe des tatsächlichen Bedarfs. Kurzfristige Maßnahmen sind wegen der Länge des Weges über die Hochschulbehörde bis zum Finanzministerium und wieder zurück nicht möglich 50 . Langfristige Planung ist aber solange nicht sinnvoll für die Hochschule, als allen Kalkulationen zum Trotz die Bewilligungen sich zunächst und grundsätzlich an der Höhe orientieren, die der Titel i m Vorjahr hatte, so daß immer nur ein „Zuschlag" erkämpft werden kann. Planung, Programmierung und Schwerpunktsetzung ist der Hochschule selbst so kaum möglich; weder die einzelne Hochschule als ganze noch ein Teil von ihr kann es sich leisten, einmal zurückzustehen — diese Zurückhaltung würde nicht etwa im nächsten Jahr ausgeglichen, sondern mit einem Festhalten an der niedrigeren Bedarfszahl bestraft —, und so setzt der Staat die Schwerpunkte alleine, während die spezifischen Probleme der einzelnen Hochschulen „irgendwie anders" gelöst werden oder aber solche Dimensionen annehmen, daß sie nicht mehr lösbar sind, umgangen und verdrängt werden müssen und i m Ergebnis das Konto der Fehlentwicklungen erhöhen. Zugleich wächst die Resignation i n den Hochschulen: Der jährliche Kleinkrieg, der K r a f t und Zeit kostet, lohnt sich nicht recht, wenn gegen die Starrheit der haushaltsrechtlichen Bestimmungen doch nicht sehr viel zu erreichen ist 5 1 . Hinzu kommt für die Hochschulverwaltungen das Problem, daß der jährliche Haushalt für die Universitäten meist verspätet genehmigt wird. I n der Regel liegt die Bewilligung erst zu Beginn des betreffenden Haushaltsjahres oder gar erst i m Frühjahr dieses Jahres vor. Das bedeutet, daß die Universitätsselbstverwaltung nicht rechtzeitig weiß, was ihr an Personalstellen genehmigt wird, und deshalb i n Berufungsverhandlungen oder in die Anwerbung sonstigen Personals erst so spät 49
Vgl. den Gang des Verfahrens oben S. 30 ff. Dazu Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 93. Vgl. zum ganzen Becker - Kluge, S. 73 ff. sowie die eindringliche Darstellung bei Schelsky, Abschied . . . , S. 93—99. 50
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1. Teil: M i t t e l Versorgung u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
eintreten kann, daß die Stelle für dieses Jahr nicht mehr besetzt werden kann 5 2 . So w i r d das Jährlichkeitsprinzip zu einem retardierenden Element i n der Entwicklung des Hochschulwesens. Die allgemein erkannte Notwendigkeit von Ausbau und Neustrukturierung des Hochschulwesens verlangt nach längerfristiger Planung des Finanzbedarfs und der Finanzierungsmöglichkeiten. Diese Planung muß jedenfalls zu einem Teil von der Hochschule selbst geleistet werden, die ihre Bedürfnisse von innen kennt und die entscheidenden Gesichtspunkte für Planungen zusammentragen könnte. Solange aber sinnvolle Initiativen i n der Mühle des alljährlichen Bewilligungs verfahr ens zerrieben werden, solange lassen sich auch — umgekehrt — Unlust und Untätigkeit innerhalb der Hochschulen jederzeit rechtfertigen; an planmäßige Hochschulpolitik und Hochschulreform ist so nicht zu denken. Auch die staatlichen Stellen können unter diesen Umständen nicht i n der Lage sein, die Planung und Finanzierung von Hochschulreformen i n eigener Regie optimal zu leisten, und zwar auch dann nicht, wenn man vom Problem der Sachkunde zunächst einmal absieht; die Erschwerung der Planbarkeit durch das Jährlichkeitsgebot t r i f f t und bindet auch die staatlichen Instanzen i n ihren Möglichkeiten. Vor allem w i r d so nämlich eine optimale Ausnutzung aller Finanzierungsmöglichkeiten innerhalb des finanziellen Rahmens (durch Anlagen, Kredite, Ausnutzung konjunktureller Chancen für die Hochschulfinanzierung) nicht möglich sein; die „guten Jahre" können ungenutzt vergehen, während ungünstige Konjunkturentwicklungen sich i n der Entwicklung der Mittel für das Hochschulwesen alsbald niederschlagen 53 . c) Übertragbarkeit Das Mittel, mit dem auch bei Beibehaltung der Annuität längerfristiges Disponieren für die Hochschulen möglich gemacht werden könnte, ist die Übertragbarkeit der Restmittel aus den Titelansätzen des vergangenen Haushaltsjahrs auf das nächste. Bisher sind solche Restmittel als Einsparungen anzusehen, die dem Geldgeber zurückgereicht werden müssen und nicht etwa dem sparsamen Verwalter zugutekommen. Fatalerweise gehen die Finanzminister aller Länder davon aus, daß eine nicht voll ausgeschöpfte Bewilligung einen geringeren Bedarf als angesetzt signalisiere, und kürzen den Titel für die betreffende 52 Schelsky, Abschied . . . , S. 93/94. 53 Bei Geissler, Die Finanzen der Universität Tübingen, Tübingen 1968, S. 21, 55 sowie i m Anhang S. 5 finden sich Tabellen, aus denen die Stagnation des Landeszuschusses vom Rezessionsjahr 1966 auf das Jahr 1967 zu ersehen ist.
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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Stelle i m Plan für das folgende Jahr. Das hat dazu geführt, daß Restmittel aus einem bestimmten Titel, der wider Erwarten nicht ganz aufgebraucht wurde, gegen Ende des Haushaltsjahres noch schnell ausgegeben werden müssen (früher sogenannte Märzausgaben, weil das Haushaltsjahr am 31. März endete). Diese Praxis ist auch durchaus rational, denn anders würde nach jeder hochschulinternen Schwankung, durch die ein Ansatz nicht voll ausgeschöpft werden konnte, ein Teil dieses Ansatzes verlorengehen; freilich ist diese Praxis heute naturgemäß auch kostspieliger als früher, weil ein mehrfaches an Mitteln i n den Hochschulhaushalten umgesetzt w i r d 5 4 . Übertragbarkeit würde nun bedeuten, daß die nicht verbrauchten Mittel eines Jahres dem entsprechenden Titel des nächsten Jahreshaushaltsplans zugeschlagen würden, freilich nicht etwa nach Kürzung des neuen Ansatzes um diesen Restbetrag, sondern als echte Zusatzmittel 5 5 . So könnten die Mittel für eine Zweckbestimmung optimal ausgeschöpft werden, was i m Zeichen des Ausbaus und Umbaus des Hochschulwesens auch sehr zu wünschen wäre. Die Übertragbarkeit würde i n vielen Fällen einen sparsamen und wirtschaftlichen Mitteleinsatz fördern, weil ein derartiger Einsatz spürbare Verbesserungen für die sparsame Person oder Einrichtung erbringen würde: eine günstigere Finanzlage i m nächsten Jahr und vor allem eine größere Beweglichkeit und Dispositionsfähigkeit i m Rahmen der betreffenden einzelnen Zweckbestimmung. Das geltende Haushaltsrecht kennt zwar die Ubertragbarkeit von Mitteln, aber i n einem Ausmaß, das für die Bedürfnisse der Hochschulverwaltung nicht ausreicht. Danach gibt es einmal die sogenannte „geborene" Übertragbarkeit, d. h. eine von Gesetzes wegen vorhandene für außerordentliche, d. h. einmalige Ausgaben; die Mittel des außerordentlichen Haushalts sind also immer übertragbar 5 6 . Ferner ist die „gekorene" Ubertragbarkeit vorgesehen: Die betreffenden Mittel müssen ausdrücklich für übertragbar erklärt werden. Das war bisher aber nur zulässig, wenn dadurch nachweislich eine sparsame Bewirtschaftung ermöglicht wurde 5 7 . Nach überkommenen Auslegungsgrundsätzen sind 54
Aus dem Protokoll des Novellierungsausschusses der Grundordnungsversammlung der Universität Tübingen v o m 9.—12. Januar 1969: „1. W i r t schaftsfragen . . . Durch flexible Haushaltspolitik werden die M i t t e l effektiver eingesetzt . . . M i t t e l für bestellte Ausrüstungen, die i m Haushaltsjahr nicht mehr geliefert werden können, werden ins nächste übertragen . . . Damit könnte die Ausgabenspitze am Haushaltsjahrende vermieden w e r den . . . („Forschungsruine")." 55 Darauf weist Oppermann, Gutachten, S. 21, hin. 56 Viaion, S. 558. 57 So noch die Formulierung der RHO. I n § 19 B H O bzw. § 15 H G r G ist das „nachweislich" weggefallen; die sparsame Bewirtschaftung muß n u r noch
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an diesen Nachweis „strengste Anforderungen" zu stellen 5 8 ; dabei dürfte ein solcher Nachweis i n der Praxis generell schwer zu führen sein, wenn man nicht von vornherein davon ausgeht, daß die Übertragbarkeit eine sparsame Bewirtschaftung immer fördert — was man i n dieser Allgemeinheit freilich nur bezüglich des Hochschulwesens t u n kann. Diese bestehenden Möglichkeiten der Ubertragbarkeit geben für die Praxis der Hochschulfinanzierung nicht genügend her. Deshalb gehört die Forderung nach weitergehender, möglichst genereller Übertragbarkeit und ihre Begründung zu den häufigsten, aber auch zu den wichtigsten Stellungnahmen i n der Diskussion um die Reform der Hochschulfinanzierung 59 . I I I . Spezialität und Beweglichkeit 1. Titelbewilligung als Kontrolle Die Bindung der Verwaltungen an die Haushaltsbewilligung, die durch das Jährlichkeitsprinzip erreicht wird, ist ergänzt und vervollkommnet durch einen weiteren wichtigen Grundsatz des Haushaltsrechts, nämlich den der Spezialität. Die Mittel, die für ein Haushaltsjahr bewilligt werden, dürfen nicht i n der Weise zur Verfügung gestellt werden, daß die einzelne Verwaltung i m Rahmen ihres Gesamtbedarfs selbst die Schwerpunktsetzung und die einzelne Zweckbestimmung zu übernehmen hätte; vielmehr w i r d Geld überhaupt nur für bestimmte und gegebenenfalls genau zu erläuternde Zwecke bewilligt. Eine globale Zuweisung von Mitteln i n der Größenordnung von Teilplänen oder Kapiteln findet nicht statt; allein eine Bewilligung nach Titeln ist zulässig 60 . Das bedeutet, daß der Bedarf schon i m Voranschlagsstadium i n Hunderte von einzelnen Positionen m i t Zweckbestimmungen aufgegliedert werden muß, getrennt nach Einnahmen und Ausgaben; die spätere Verwendung der bewilligten M i t t e l ist ebenfalls an die einzelnen Zweckbestimmungen gebunden. M i t Recht ist dieses System als „das höchsterreichbare Maß an detailliertem Veranschlagungssystem . . . , was „gefördert" werden. Freilich muß auch diese Feststellung irgendwie getroffen werden; die bloße Behauptung dürfte auch i n Z u k u n f t nicht genügen, so daß der Unterschied zum Nachweis nicht gar so groß erscheint. 58 Viaion, S. 559. 59 Vgl. ζ. B. Haldmann, D U Z 1969 Nr. 1, S. 5; Mallmann, S. 20; Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur S t r u k t u r u n d Verwaltungsorganisation der Universitäten, 1968, S. 41 ; Rotter, D U Z 1966 Nr. 7/8, S.61; Becker - Kluge, S.27; Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 10; Schelsky, Abschied . . . , S.95; ähnlich schon Pleyer, Die Vermögens- u n d Personalverwaltung der deutschen Universitäten, M a r burg 1955, S. 178. Vgl. § 30 RHO, § 12 H G r G u n d § 17 B H O m i t den jeweiligen Modifizierungen und Einschränkungen des Prinzips.
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von einem öffentlichen Haushaltswesen verlangt werden kann" bezeichnet worden 6 1 ; noch genauer dürfte es i n der Tat nicht gehen. Dieses Prinzip der Einzel- oder Titelbewilligung erlaubt es der Finanzbürokratie wie dem Parlament, Einblick zu nehmen i n die Absichten und Zwecke jedes Verwaltungszweigs und sich zu dem ganzen hinter dem Geldbedarf stehenden Katalog von Sachfragen aus dem betreffenden Arbeitsbereich Meinungen zu bilden. Diese Meinungen sind es i m Prinzip, die zu Bewilligungen, Streichungen und damit zu Umgestaltungen des Haushaltsplans führen und so die Tätigkeit der Verwaltungen schwerpunktmäßig steuern. Problematisch kann dabei sein, daß der Prozeß der Meinungsbildung auch von solchen Urteilen und Einschätzungen beeinflußt wird, die den Kern der betreffenden Sache nicht recht treffen; das kann dazu führen, daß die Auffassungen i n den Ministerien, die zusätzlich von finanziellen, konjunkturellen, aber auch allgemeinpolitischen Voraussetzungen präformiert zu werden pflegen, i m Widerstreit stehen m i t denjenigen, die am Ort des Geschehens von den m i t dem betreffenden Finanzierungsgegenstand befaßten Sachkennern gehegt werden. Es versteht sich, daß ein solcher Widerstreit nicht etwa einseitig zugunsten der partiellen Sachkunde entschieden werden kann; Ministerien und Parlamente sind sehr wohl dazu berufen, vom übergeordneten Standpunkt des Gemeinwohls aus Prioritäten zu setzen und die Partikularinteressen abzugleichen. Nur besteht als Folge der hochentwickelten Spezialität die Gefahr, daß von Ministerien und Parlamenten weit unterhalb dieses übergeordneten Gemeininteresses i n Einzelfragen der wirtschaftlichen Verwaltungen eingegriffen wird, ohne daß die Bürokratie die sachlichen Einzelprobleme voll durchschauen kann. Insgesamt muß aber davon ausgegangen werden, daß das sehr detaillierte System der Einzelbewilligung, insbesondere für den viel größeren Rahmen etwa des Bundeshaushalts, seinen guten Sinn hat, wobei freilich verschiedene Ansichten darüber möglich sind, wie streng dieses Prinzip angesichts wachsender Selbstverwaltung und Selbstverantwortung der Träger öffentlicher Funktionen heute noch durchgeführt sein muß. 2. Probleme für die Hochschulen
Die Nachteile dieses Systems treffen nun die Hochschule härter als andere Bereiche staatlicher Finanzierung etwa der Innenverwaltung. Finanzielle Schwerpunktsetzung hat bei allen Gegenständen inhaltliche 61 So Viaion, S. 97 i m Zusammenhang m i t dem Grundsatz der Genauigkeit, der zur Titelbewilligung gehört; S. 555: Die „scharfen Profile" i n den Zweckbestimmungen sind „nicht zu detalliert" u n d „nicht verwaltungsfeindlich".
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Konsequenzen, und ebenso verhält es sich bei den Gegenständen Forschung und Lehre; daß Entscheidungsbefugnis über Finanzierungsfragen zugleich Entscheidungsbefugnis über Sachfragen des Finanzierungsgegenstandes bedeutet, ist i n der Diskussion u m die Hochschulfinanzverfassung immer wieder festgestellt worden 6 2 . Abgesehen zunächst noch von der Frage nach der Berechtigung solchen Eingriffs durch staatliche Behörden i n die Aufgabenstellung der Hochschulen, stellt sich die Frage nach der Sachkunde der nicht zur Hochschule gehörenden Instanzen bei wissenschaftlichen Gegenständen mit größerer Schärfe als bei anderen. Denn der Sinn und die Nützlichkeit von Vorhaben der Universität oder einzelner Wissenschaftler in Lehre oder Forschung ist für jeden Außenstehenden, der nicht ebenfalls wissenschaftlich mit dem betroffenen Gegenstand befaßt ist, nur bedingt nachvollziehbar und nachprüfbar. Da aber die Hochschulen nach dem Voranschlagsstadium nicht mehr viele Einflußmöglichkeiten auf die endgültige Gestaltung des Haushalts haben, können — bei entsprechenden Änderungen oder Kürzungen — die Planungen und Vorhaben der Universitäten stark verändert werden 6 3 . Später, i m Stadium des Haushaltsvollzugs, sind die Hochschulen dann mehr oder weniger eng gebunden an die so zustandegekommenen Bewilligungen und müssen wirtschaften, ohne die eigenen Absichten voll realisieren zu können. Gelegentlich finden sich gewisse Möglichkeiten außerhalb der offiziellen Willensbildungsprozesse und etwas an der Grenze der RHO-Legalität, um doch noch Gelder umzulenken oder freizumachen für wichtige Vorhaben 64 . Diese Möglichkeiten sind indessen nicht so bedeutend, daß von einer Abhilfe gesprochen werden könnte; vor allem ist damit das Problem in keiner Weise befriedigend gelöst, auch wenn es manchmal gelingt, sich etwas zusätzlichen Spielraum zu verschaffen. Hinzu kommt der Umstand, daß sich i m Laufe des Haushaltsjahres kurzfristig neue Bedürfnisse ergeben können, die auch von den Hochschulen selbst nicht vorausgesehen und beim Voranschlag kalkuliert werden konnten. Solchen Veränderungen Rechnung zu tragen ist die Hochschulverwaltung infolge mangelnder Flexibilität i m Haushaltsvollzug nicht i n der Lage, weil die bewilligten Mittel an genaue — und, wie 62 z.B. Reinhardt, WissR 1968, S . 6 f f . ; Rotter, D U Z 1966 Nr. 7/8, S.60ff.; Schuster/Stenbock - Termor , WissR 1968, S. 28 ff. 63 A n dieser Stelle ist anzumerken, daß globale Kürzungen ohne ein Eingehen der staatlichen Instanzen auf sachliche Einzelfragen insofern noch günstiger wären, als bei einer proportionalen W i r k u n g der K ü r z u n g auf den gesamten Hochschulhaushalt i m m e r h i n die Profile der von den Hochschulen selbst gesetzten Zweckbestimmungen u n d Dringlichkeitsfolgen erhalten blieben; zum Globalhaushalt aber später genauer. 64 Beispiele hierfür bei Becker - Kluge, S. 73 ff. i n K a p i t e l 3 (Universität), und bei Schelsky, Abschied . . S . 91 ff.
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gesagt, nicht einmal von den Hochschulen selbständig entwickelte — Zweckbestimmungen gebunden sind. Unter diesen Umständen erfordern selbständige Βewegungsversuche der Universitätsverwaltungen unverhältnismäßig viel Aufwand an Kraft, Mühe und Zeit, was an sich schon Reibungsverluste bedeutet. I n der Praxis spielen sich diese Vorgänge zwar nicht so ungebrochen ab, wie es hier vereinfachend dargestellt wurde. Aber auch dann, wenn man berücksichtigt, daß die Hochschulverwaltungen sich gerade wegen der fehlenden Sachkenntnis i n den Ministerien einen gewissen Spielraum sichern konnten, und daß gerade die Finanzministerien mangels solcher Sachkunde und mangels Zeit und Personal lieber global kürzen mögen, als sich die Zweckbestimmungen i n allen Einzelheiten anzusehen 65 : Die Tendenz zur Verlangsamung und Erschwerung des Verwaltungshandelns i n den Hochschulen ist dennoch nicht zu übersehen. Die dadurch unvermeidliche Hemmung von wissenschaftlich oder reformerisch notwendigen Initiativen bedeutet einen Effizienzverlust bei der Wahrnehmung der Hochschulaufgaben. Das System der Einzelbewilligung w i r k t sich für die Hochschulverwaltungen nachteilig aus. 3. Deckungsfähigkeit der Hochschulmittel
I n der Reformliteratur ist gelegentlich Abhilfe durch den Globalhaushalt oder genauer Globalzuschuß für die Hochschulen gefordert worden 6 6 . Ein solches System würde das genaue Gegenteil der Titelbewilligung bringen: Der staatliche Zuschuß für die Hochschule 67 würde nur der Höhe nach bewilligt und ohne Aufgliederung der Hochschule zur Verfügung gestellt, die ihrerseits die Aufteilung vorzunehmen hätte. Diese Möglichkeit ist aber auf kritische Erwägungen gerade aus den Kreisen der Universitätsangehörigen gestoßen; besonders die Gefahr leichterer, ebenfalls globaler Kürzbarkeit dieses Zuschusses bei entsprechenden konjunkturellen oder politischen Bedingungen muß 65 So jedenfalls Schelsky, Abschied . . . , S. 97. Vgl. auch S. 81, wo von einer „den Universitätswünschen fast k r i t i k l o s folgenden Haushaltspolitik" der staatlichen Hochschulverwaltung gesprochen w i r d — freilich i m Gegensatz zu den Feststellungen auf S. 93 2. Absatz. Hierzu ferner (abweichend) Bericht der Landesrektorenkonferenz des Landes Nordrhein-Westfalen, Z u r Organisation der Hochschulselbstverwaltung, 1968, S. 17» 18. 66 ζ. B. Planung u n d Politik. Schriftenreihe des Instituts f ü r politische Planung u n d K y b e r n e t i k (IPK): Hochschulreform u n d Hochschulselbstverw a l t u n g i m demokratischen Rechtsstaat, Bonn 1963, S. 27, 42; Reinhardt, WissR 1968, S. 6 ff. ; Haldmann, D U Z 1969 Nr. 1, S.4ff., 5. 67 Der Ausdruck „Zuschuß" hat heute freilich allenfalls insofern noch eine Berechtigung, als m i t i h m die Selbständigkeit der Hochschule signalisiert werden soll; i n Wahrheit handelt es sich längst nicht mehr u m einen Z u schuß zu vorhandenen M i t t e l n , sondern u m die fast ausschließliche Finanzierung. Zur Entwicklung vgl. Bley, S. 11 ff.
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hier eher zur Ablehnung dieser Möglichkeit führen 6 8 . Außerdem w u r den auch schon Zweifel geäußert, ob die einzelne Hochschule überhaupt über die ausreichende Autorität für eine selbständige Aufteilung gegenüber ihren Mitgliedern verfüge 69 . Deckungsfähigkeit der Titel würde dagegen bedeuten, daß die Mittel der Hochschule nach wie vor nach Zweckbestimmungen einzeln aufgegliedert würden, daß aber die M i t t e l für einen bestimmten Zweck unter bestimmten Voraussetzungen auch für einen anderen zur Verfügung stünden. Würde an einer Stelle ein geringerer Bedarf auftreten als erwartet, so könnten die übrigbleibenden Mittel für einen anderen Zweck eingesetzt werden, oder ein für wichtiger erachtetes Vorhaben ließe sich auf Kosten eines weniger dringenden schwerpunktmäßig fördern. Die Dispositionsfähigkeit der Verwaltung wäre u m so größer, je mehr Titel deckungsfähig wären, und zwar gegenseitig deckungsfähig, so daß die M i t t e l des einen Titels jeweils für den anderen herangezogen werden könnten; dann wäre nur noch zu beachten, daß sich eine geplante Maßnahme unter eine vorhandene Zweckbestimmung unterbringen läßt 7 0 . Damit wären praktisch die Vorteile eines Globalhaushalts erreicht, ohne daß der Nachteil einer unbedenklicheren Kürzbarkeit m i t übernommen wäre 7 1 . Eine möglichst umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit gehört denn auch zu den wichtigsten Reformforderungen der Diskussion um die Hochschulfinanzierung 72 . Die gegenseitige Deckungsfähigkeit ist der Systematik der RHO nicht unbekannt. Sie ist aber i n den Möglichkeiten bewußt sparsam ausgeformt, damit nicht durch zu weite Deckungsfähigkeit der Grund68 So Oppermann, Hochschulfinanzierung . . . , S. 20; Kaiisch, Die Erneuerung des Hochschulrechts, DVB1.1968, S. 237 ff.; Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 7 ff., S. 10; Bachof, Überlegungen zu einer Verwaltungsreform der deutschen Hochschulen, Festschrift f ü r Jahrreis 1964, S. 5 ff.; Becker - Kluge, S.99ff.; Hess, Probleme einer neuen Universität, i n : Gerhard Schulz (Hrsg.). Was w i r d aus der Universität?, Tübingen 1969, S. 121 ff., S. 134. 69 So bei Becker - Kluge, S. 100. 70 Viaion, S. 579. Oppermann, Gutachten . . . , S. 20. 72 Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur S t r u k t u r u n d Verwaltungsorganisation der Universitäten. 1968, S. 41, u n d — zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bis 1970, 1967, S. 148; Becker - Kluge, S.95ff.; Petition der Landesrektorenkonferenz Bayern, D U Z 1966 Nr. 7/8, S. 26 ff.; Rotter, D U Z 1966 Nr. 7/8, S. 61; Bachof, S. 5 ff.; Mallmann, S. 20; Oppermann, Gutachten . . . , S. 20. Auch da, wo n u r von „größere Dispositionsmöglichkeiten f ü r die Universitäten" oder „Stärkung der Selbstverwaltung auch auf w i r t schaftlichem Gebiet" gesprochen w i r d , ist häufig sinngemäß an die gegenseitige Deckungsfähigkeit (oft zusammen m i t weiteren Maßnahmen) gedacht; so z.B. Mikat, Gedanken zur Universitätsplanung i n Nordrhein-Westfalen, i n : Grundzüge einer neuen Universität, Gütersloh 1966, S. 15; ähnlich schon Raiser, Die Universität i m Staat, S. 36.
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satz der Spezialität praktisch außer Kraft gesetzt wird. I n § 31 RHO ist niedergelegt, welche Möglichkeiten für eine Deckungsfähigkeit bestehen. Die hergebrachten Auslegungsgrundsätze zu diesem Punkt und besonders auch die Praxis von Ministerien und Rechnungshöfen lassen die Erklärung als deckungsfähig aber nur i n einem Umfang zu, der den Besonderheiten der Finanzierung von Aufgaben i n Forschung und Lehre nicht gerecht w i r d 7 3 . Eine gewisse Bewegungsfreiheit hätten die Universitätsverwaltungen dann, wenn die gegenseitige Deckungsfähigkeit da erklärt würde, wo ein „verwaltungsmäßiger oder sachlicher Zusammenhang besteht" 74 . Nur müßte eben zugestanden werden, daß die Frage nach dem sachlichen Zusammenhang dort entschieden wird, wo die entsprechende Sachkunde zur Feststellung von Zusammenhängen i n wissenschaftlichen Aufgabenstellungen zu vermuten ist, nämlich i n der Hochschule. Es müßte hierzu allerdings eine Mitwirkungsmöglichkeit der Hochschule über den Voranschlag hinaus geben, so daß bei der Aufstellung des Haushaltsplans die Erklärungen als deckungsfähig mit Hilfe hochschuleigener Sachkunde getroffen werden könnten. Weitergehend und viel einfacher wäre natürlich der Weg, bei Hochschulmitteln von vornherein von einem gewissen Zusammenhang innerhalb von bestimmten Blöcken auszugehen und eine umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit der Titel generell zuzulassen. Die Nachteile, denen m i t einer erweiterten Deckungsfähigkeit gesteuert werden könnte, wurden oben schon angesprochen und sind i n der Reformdiskussion mehrfach dargelegt worden. Es muß zusätzlich darauf hingewiesen werden, daß der Mangel der ausreichenden Deckungsfähigkeit gerade zum Gegenteil dessen ausschlägt, was das Haushaltsrecht erreichen w i l l : Eine wirtschaftliche und kontrollierte Haushaltsgestaltung, die schon i m Voranschlagsstadium beginnt, w i r d durch fehlende Dispositionsfähigkeit nicht gefördert, sondern erschwert. Denn nur bei einer gewissen Flexibilität, wie sie durch gegenseitige Deckungsfähigkeit der Titel erreicht werden kann, ist es für die einzelne Institution oder Person i n der Hochschule vertretbar, wirklich genau und knapp zu kalkulieren; treten dann Engpässe auf, so läßt sich der Fehlbedarf noch anderweitig abdecken. Beim derzeitigen Zustand müssen die Institute usw. ihre Forderungen dagegen möglichst nach oben überschätzen, um auf veränderte Verhältnisse noch reagieren und i n bescheidenem Umfang disponieren zu können und so etwas „ L u f t " i n den Voranschlag zu bringen. Da die Gelder wegen des Jährlichkeitsprinzips dann gelegentlich gewaltsam ausgekehrt werden müssen, um zu zei™ Vgl. bes. Viaion, S. 97 u n d 579 (zu § 31 RHO). 74 So auch die Formulierung i n § 15 Abs. 2 H G r G u n d § 20 Abs. 2 BHO, ohne daß freilich schon liberalere Auslegungsgrundsätze hätten entwickelt werden können.
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gen, daß jede Mark dringend nötig war, werden i m Ergebnis höhere Mittel angefordert und verbraucht, als dies bei flexibler Einsatzmöglichkeit erforderlich wäre — und das eben, ohne daß mit diesem zusätzlichen Geld etwas zusätzlich erreicht worden wäre. Ein gewisser Teil der M i t t e l muß so am echten Bedarf vorbeifließen. Es zeigt sich hier, daß das Jährlichkeitsprinzip und der Spezialitätsgrundsatz nicht nur jeder für sich hemmend wirken, sondern i n ihrem Zusammenwirken sich gegenseitig noch problematischer machen; die Summe an Effizienzverlust ist größer, als die Addition der einzelnen Hemmnisse ergeben würde. Deshalb w i r d in den Stellungnahmen zur Reform der Hochschulfinanzierung meist beides zugleich, Übertragbarkeit und gegenseitige Deckungsfähigkeit, gefordert 75 . Dazu paßt es umgekehrt, daß § 34 RHO eine Kombination von Übertragbarkeit und gegenseitiger Deckungsfähigkeit verhindern w i l l . IV. Einige weitere Haushaltsgrundsätze Was oben zu einigen besonders wichtigen Prinzipien des geltenden Haushaltsrechts ausgeführt wurde, gilt mit gewissen Differenzierungen auch für weitere, auf den ersten Blick weniger problematische Regelungen. Auch bei diesen besteht die Gefahr, daß die für die sonstigen Gebiete staatlicher Verwaltung durchaus sinnvollen Grundsätze bei undifferenzierter Übernahme i n die Hochschulfinanzierung Nachteile bringen, die i m Grunde den Intentionen des Haushaltsrechts selbst entgegenwirken. Dabei ist zu beachten, daß eine ganze Anzahl haushaltsrechtlicher Vorschriften ihre Bedeutung und ihre Wirkung erst i m Zusammenhang mit anderen offenbaren, so daß sie isoliert nur unvollkommen dargestellt und charakterisiert werden können; die einzelnen Regelungen ergänzen sich gegenseitig zu einem System, das in seiner Gesamtwirkung betrachtet werden muß. Deshalb kann die Funktion mancher Einzelregelung i n der Anwendung auf den Hochschulbereich oft nur i n der Beziehung zum ganzen haushaltsrechtlichen Konzept zutreffend bestimmt und kritisiert werden. 1. Haushaltsklarheit, Genauigkeit, Einheitlichkeit der Veranschlagung, Vollständigkeit und Ausgeglichenheit
Das gilt auch für den — an und für sich völlig akzeptablen — Grundsatz der Haushaltsklarheit. Sicherlich muß das als Grundsatz für die Hochschulen ebenso gelten wie für andere staatlich finanzierte Institutionen: Die Parlamente wie die interessierte Öffentlichkeit müssen i n den Stand gesetzt werden, einen Haushaltsplan zu verstehen, wenn sie 75 Vgl. Note 59 u n d Note 72.
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ihn lesen, damit Diskussion und K r i t i k überhaupt möglich werden. Er darf deshalb nicht i n einer Ziffern- und Fachwortsprache abgefaßt sein, die nur der Spezialist versteht; vielmehr sind i h m Erläuterungen, Pläne, Statistiken usw. beizufügen 76 . Öffentlichkeit oder Publizität, das sei i n diesem Zusammenhang erwähnt, ist ebenfalls ein Grundsatz, unter dem der Haushaltsplan i m Interesse öffentlicher Kontrolle und K r i t i k steht 77 . Jedoch darf der Wunsch nach Klarheit und damit Kontrollierbarkeit nicht abermals dazu führen, daß der hochschuleigenen Verwaltung die selbständige Beweglichkeit genommen wird. Wenn ζ. B. Institutsansätze erforderlichenfalls verstärkt werden aus einem Zentraltitel für Forschung und Lehre, so mag eine solche Finanzierung von zwei Seiten zwar die Übersicht erschweren; jedoch „stellt der Dualismus zwischen Normalfinanzierung und schwerpunktmäßiger Verstärkung die wichtigste Chance dar, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln" 7 8 . Es muß also i n jedem Einzelfall nach dem Stellenwert der betreffenden Vorschrift gefragt werden, und eine sinnvolle Wertung kann ergeben, daß das Gebot der Haushaltsklarheit gelegentlich zurückzustellen ist hinter das Erfordernis einer gewissen Dispositionsbefugnis der Hochschule. Restlose Haushaltsklarheit i n einem formalen Sinne dürfte wohl für den Hochschulhaushalt ohnehin nicht erreichbar sein, weil — überspitzt ausgedrückt — die spezielle Problematik und die eigenen Gesetzmäßigkeiten wissenschaftlicher Aufgabenstellung dem Außenstehenden einfach nicht völlig klargestellt werden können. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Gebot der Genauigkeit: Eine Uberspannung dieser Forderung geht zu Lasten der notwendigen Flexibilität. Für die Hochschulfinanzierung kann ferner der Grundsatz problematisch werden, daß Mittel für ein und denselben Zweck auch sämtlich i n ein und demselben Titel zu veranschlagen sind 7 9 . I n der Praxis werden aber ζ. B. manche Forschungsvorhaben von verschiedenen Stellen her finanziert. Der Grundsatz w i r d also umgangen, und zwar ganz zu Recht, denn viele vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wichtigen und notwendigen Forschungsprojekte könnten eben nicht stattfinden, wenn das Prinzip mit aller Strenge durchgesetzt würde. Das kann freilich zu einer Verschleierung der verschiedenen Forschungs76 Z u r Frage der Verständlichkeit von Haushaltsplänen vgl. Becker - Kluge, S. 226 ff., wo Beispiele für faktische Unübersichtlichkeit trotz formaler K l a r heit angeführt sind. 77 Viaion, S. 98 ff. 78 Becker - Kluge, S. 90, m i t Beispiel; vgl. hierzu dort auch die auf S. 98 abgedruckten Ausführungen aus der Denkschrift des Berliner Rechnungshofes für das Rechnungsjahr 1954 (s. Note 31, Anhang S. 258). 79 Vgl. § 12 Abs. 5 H G r G u n d § 17 Abs. 4 BHO, wonach die M i t t e l i n dieser Weise veranschlagt werden „sollen". 4 Zeh
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fonds führen, also zu einem Verstoß gegen die Gebote der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit 80 , die aber auch den Beteiligten die Übersicht erschwert — was das Schlimmere ist. Aber diese Schwierigkeit nimmt man i n Kauf, um zu vermeiden, daß i m Grunde Ministerien und Rechnungshöfe über Umfang und damit oft Qualität von Forschungsvorhaben entscheiden 81 . Der Grundsatz der Vollständigkeit besagt, daß i m Haushaltsplan sämtliche zu erwartenden Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen aufgeführt sein müssen; der Plan muß also die gesamte finanzielle Betätigung der Verwaltungen abdecken, ohne daß diese über irgendwelche nicht ausgewiesenen Gelder verfügen können 8 2 . Dies bestimmt auch schon die Verfassung i n A r t . 110 Abs. 1 GG an erster Stelle über den Haushaltsplan, ebenso wie das Gebot der Ausgeglichenheit von Einnahmen und Ausgaben (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG). Das sind Vorschriften, die für das geltende Haushaltssystem tragend sind und deren Geltung für die Hochschulfinanzierung auch dann nicht bestritten werden könnte, wenn sie nicht über den Staatshaushaltsplan unmittelbar vollzogen würde; freilich könnte den Hochschulen auch i n diesen Punkten manche Last abgenommen werden, indem die anderen, schon dargestellten haushaltsrechtlichen Gebote liberalisiert und angepaßt w ü r den. 2. Gemeinsame Problematik
Die Einwände gegen eine zu starre Ausrichtung der Hochschulfinanzierung an den überkommenen haushaltsrechtlichen Grundsätzen lassen sich i m wesentlichen auf einen Nenner bringen. Die Wirkung dieser Starrheit ist i m Grunde dieselbe, ob man nun die einzelne Norm ins Auge faßt oder das Zusammenwirken der Vorschriften i m ganzen System: Immer gehen die Gefahren und Nachteile von mangelnder Beweglichkeit und Planungsfähigkeit der Hochschulen bei der Aufstellung des Voranschlags wie beim Haushalts Vollzug aus. Ob die hochschuleigene Verwaltung i m Einzelfall mangels Deckungsfähigkeit der Titel oder wegen überspitzter Klarheitsanforderungen nicht optimal wirtschaften kann, der Grund liegt jedesmal i n den spezifischen, immer wieder verändert auftretenden Besonderheiten des Hochschulwesens. Daran ändert auch der Umstand nichts Entscheidendes, daß die akademischen Selbstverwaltungen es oft verstehen, m i t Taktik, geschickter Auslegung von Sachverhalten oder auch Verschleierungen sich noch eine gewisse Bewegungsfreiheit innerhalb der Zwänge des Haushaltsrechts 80
Vgl. ζ. B. Maunz - Dürig - Herzog, A r t . 110 GG, RdNr. 24. Beispiel bei Becker - Kluge, S. 91, s. auch Note 21. «2 Vgl. § 8 H G r G und § 11 BHO.
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zu verschaffen. Dieser unterschwellige Kampf w i r d bezahlt m i t unverhältnismäßigem und eigentlich auch unzumutbarem Aufwand an Zeit und Mühe, an Konflikten und Unklarheiten aller Art, die einen erheblichen Reibungsverlust darstellen 83 . V . Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit
Bisher wurden die Probleme der haushaltsrechtlichen Vorschriften für die Hochschulfinanzierung vor allem i m Bereich der Haushaltsaufstellung dargestellt. Ein außerordentlich wichtiger Abschnitt des Finanzierungsablaufs ist aber die Rechnungskontrolle, die der Verwendung der i m Haushaltsgesetz bewilligten M i t t e l nachfolgt. Dieses Institut ist es letztlich, das den Prinzipien der Haushaltsgesetze Geltung verschafft; jede A r t von Haushaltsgebaren erfährt erst von der Rechnungsprüfung, ob es zulässig und auch sachlich richtig war. Die Ausgabenkontrolle durch die Rechnungshöfe 84 ist also der Schlußstein, der das Gewölbe des Haushaltsrechts trägt. Eine wichtige Funktion der Normen etwa der RHO oder heute des HGrG ist daher die, der Rechnungsprüfung einen Katalog von Maßstäben und Richtlinien zu geben, nach denen sie ihre Kontrolle ausübt. Dementsprechend ist von einigen Autoren i n der Diskusison um die Hochschulfinanzierung besonders auch darauf hingewiesen worden, daß die Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Hochschulwesens m i t dadurch entschärft werden könnten, daß die Ausgabenkontrolle den besonderen Bedingungen von Forschung und Lehre angepaßt und insbesondere unter einer hochschulgerechten Sicht der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit vorgenommen würde 8 5 . Diese beiden Begriffe sind es nämlich, nach denen die Rechnungsprüfung arbeitet, und die i n ihnen verkörperten Forderungen werden an den Haushaltsvollzug durch die Hochschulen gestellt. 1. Die Begriffe und ihre Anwendung So selbstverständlich die Forderung nach sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung zunächst scheint, so sehr ist ihre Berechtigung abhängig von einem sinnvollen Verständnis dieser Begriffe. Nach der Definition der Begriffe ist die Frage zu stellen, ob eine allgemein zutreffende Definition und Sinngebung dem Sachbereich Wissenschaft adäquat ist. 83 Z u den Versuchen der Hochschulen, sich eine gewisse Bewegungsfreiheit zu verschaffen, vgl. die Beispiele bei Becker - Kluge, S. 84 ff., S. 89 ff., S. 95 ff., S. 107 ff., S. 132 ff., S. 216 ff. 84 Durch A r t . 114 GG zu Verfassungsrang erhoben. 85 Oppermann, Hochschulfinanzierung . . . , S. 20, sowie: Gutachten . . . , S. 22 u n d 23; Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 10 u n d 11; Becker - Kluge, S.33ff., S. 91, S. 193 ff.
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Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind grundsätzlich Aspekte ein und derselben Sache bzw. Forderung. Sparsamkeit bezeichnet den erfolgreichen Einsatz der Mittel i n Bezug auf das einzelne Objekt; sparsamer Einsatz ist dann erreicht, wenn für den bestimmten Geldbetrag ein möglichst hoher Gegenwert erzielt wird, wenn „günstig eingekauft", also besonders von mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten die wertvollste finanziert wird. Der Horizont des Begriffs Sparsamkeit ist der engere gegenüber dem der Wirtschaftlichkeit; sie betrifft die einzelne Ausgabe direkt und kurzfristig. Man kann eben das billigere Gerät kaufen und so Geld sparen. Sparsamkeit ist also ein günstiger Mitteleinsatz auf der Ebene des Kassengeschehens; Sparsamkeit ist der näherliegende und der vordergründigere Begriff, und die Forderung nach Sparsamkeit ist leichter nachprüfbar und durchsetzbar 8 6 . Demgegenüber ist Wirtschaftlichkeit der übergreifende Begriff. Er bedeutet, daß auf die Dauer und aufs Ganze gesehen m i t einem bestimmten Mitteleinsatz möglichst gerade das erreicht wird, was den Planungen und damit den der Finanzierung zugrundeliegenden Wertungen entspricht. Die zur Verfügung stehenden M i t t e l sind optimal ausgenutzt worden, wenn wirtschaftlich verwaltet wurde. Wirtschaftlichkeit setzt daher früher an als Sparsamkeit, und sie muß auf allen Ebenen des Haushaltsgeschehens verfolgt und überprüft werden, d. h. nicht erst beim Ausgeben der Gelder, sondern schon bei der Planung und bei der Koordinierung von Vorhaben und Schwerpunkten. Der Sache nach ist ein Gegensatz zwischen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwar sinnwidrig 8 7 ; wegen des engeren und weniger langfristigen Blickwinkels der Sparsamkeit kann ein Gegensatz aber doch auftreten, dergestalt, daß eine nicht sparsame Ausgabe — ζ. B. der Kauf besonders teurer Maschinen — erst nach Jahren ihre Wirtschaftlichkeit erweist. „ I m Zweifel zwischen Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ist aber Wirtschaftlichkeit das umfassendere, rationalere und deshalb ausschlaggebende Prinzip 8 8 ." 2. Problematik der Maßstäbe für den Hochschulbereich
Bei der Anwendung dieser Kriterien auf die Ausgabenkontrolle für das Hochschulwesen taucht sogleich eine für wissenschaftliche Arbeitsweise typische Schwierigkeit auf: Es läßt sich häufig nicht von vornherein absehen, ob und welche Ergebnisse zu erwarten sind. Es kommt also darauf an, was man sich von Aufwendungen für Forschungspro86 Becker - Kluge, 87 Ders., ebd. 88 Ders., S. 34.
S. 33.
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
53
jekte oder für didaktische Experimente im Bereich der Lehre verspricht; wer die Bedingungen wissenschaftlicher Arbeit nicht berücksichtigt und „für sein Geld etwas sehen" w i l l , w i r d manche auf den ersten Blick „erfolglose" Forschungsarbeit für unwirtschaftlich halten 8 9 . Es müßte daher i m Grunde der Hochschule die Entscheidung überlassen bleiben, was unter ihren Arbeitsbedingungen wirtschaftlich zu bedeuten hat. Niemand, der fachlich fremd ist — und welches Mitglied eines Rechnungshofes ist mit dem neuesten Stand ζ. B. der biochemischen Forschung vertraut —, kann nachvollziehen, welchen Sinn eine „ergebnislose" Forschungsreihe für die betreffende Disziplin hat 9 0 . Den besonderen wissenschaftlichen Arbeitsabläufen kann mit den Kriterien der Sparsamkeit und einer am nachrechenbaren Ergebnis orientierten W i r t schaftlichkeit schwerlich gefolgt werden. Hier wäre vielmehr eine Auffassung von Wirtschaftlichkeit am Platze, die den notwendigerweise am Rechnungsjahr orientierten Rechnungshöfen nur unvollkommen zugänglich sein kann. Außerdem muß der Inhalt der „Wirtschaftlichkeit" nicht nur langfristig, sondern auch unter Berücksichtigung moderner Verhältnisse bestimmt werden. Das kann zu qualitativen Differenzierungen der Gegenüberstellung von Aufwand und Erfolg führen. Für den Bereich der Forschung i n der Hochschule gilt besonders, daß hochqualifizierte Menschenkraft trotz allen Trends zur technischen Aufblähung der Institutionen auf die Dauer das Kostspieligste ist, gemessen am Erfolg, der sichtbar und berechenbar ist; auf der anderen Seite ist sie aber auch das Wertvollste und Wichtigste für die Forschritte, die die Maschinen nicht alleine machen, wovon die allbekannte Klage über den Exodus wissenschaftlicher Spitzenkräfte aus der Hochschule beredtes Zeugnis ablegt. Deshalb sollte diese hochqualifizierte Menschenkraft von solchen Verrichtungen entlastet werden, die ihren Einsatz an der geeignetsten Stelle behindern; daraus folgt, daß die technischen Hilfsmittel, insbesondere Datenverarbeitungsmaschinen, trotz ihren hohen Anschaffungskosten auf die Dauer wirtschaftlicher sind 9 1 . Freilich sieht eine solche Anschaffung nach einem Jahr weder sparsam noch w i r t schaftlich aus; die langfristige Wirtschaftlichkeit ist nur für den zu erkennen — und zwar i m voraus zu erkennen, worauf es für die Entscheids Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 11: „Daß gerade bei wissenschaftlichen Forschungsvorhaben nicht von vornherein Aussagen über Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit u n d Sparsamkeit gemacht werden können, versteht sich von selbst." m Eine Überforderung der Rechnungsprüfung durch fachliche Spezialisierung stellen Becker - Kluge, S. 25, fest. 91 Becker - Kluge, S. 33, weisen darauf hin, daß dies jedem Wirtschaftsbetrieb i n Deutschland bekannt sei, daß die Rechnungsprüfung dagegen aus historischen Gründen Menschenkraft traditionell geringschätze.
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1. Teil: M i t t e l Versorgung und F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
düngen ja ankommt —, der die Arbeitsbedingungen und -ablaufe i n der Hochschule und i n der betreffenden Fachrichtung kennt: Das ist i n aller Regel der Wissenschaftler selbst. Diese Überlegungen gelten freilich i n besonderem Maße für die Forschung i n der Hochschule. I m Zuge der immer größeren Inanspruchnahme der Hochschulen mit Aufgaben der Lehre, konkret also der Berufsvorbereitung, w i r d wahrscheinlich ein wachsender Teil der Finanzierungsgegenstände m i t Wissenschaft und Forschung unmittelbar nichts mehr zu t u n haben, so daß die Argumentation mit dem besonderen Charakter wissenschaftlicher Forschung an Gewicht jedenfalls quantitativ verlieren dürfte. Jedoch w i r d die Ausbildung i m Hochschulwesen dennoch eine Eigenart behalten müssen, die von außen nicht i n jeder Beziehung nachprüfbar sein kann; die gegenwärtig zu den schwierigsten Fragen der Hochschulreform zählenden Probleme der Hochschuldidaktik und die vorgesehenen und vorgeschlagenen Experimente zu diesem Punkt zeigen, daß auch insoweit ein Bereich bleibt, i n dem die Hochschule nur selbst sachgerecht über Schwerpunkte der Finanzierung und über die Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes entscheiden kann. Diesen Bereich zu berücksichtigen wäre übrigens auch politisch nur sinnvoll, denn zuletzt hängt es bei jedem einzelnen Gegenstand vom Verhalten und vom Selbstverständnis der Hochschulmitglieder ab, wie wirtschaftlich der Mitteleinsatz i m Ergebnis und auf lange Sicht sein wird. Auch bei einer i m Laufe der Zeit gänzlich veränderten A r t der Hochschulausbildung gegenüber der derzeitigen wissenschaftlichen Lehre würden, das sei am Rande vermerkt, die Probleme der Ausgabenkontrolle für diese Ausbildung nicht etwa verschwinden, sondern allenfalls andere Nuancen und praktische Erscheinungsformen annehmen 92 . V I . Rechnungsprüfung u n d Selbstverwaltung 1. Kontrolle und Eingriff
Von hier aus muß noch ein Blick auf die Funktion der Ausgabenkontrolle allgemein und i n der Hochschulfinanzierung geworfen werden. Die Problematik dieses wichtigen Bestandteils des Haushaltssystems beschränkt sich auch i m Hochschulbereich keineswegs auf die Auslegung der Begriffe Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit; vielmehr ergibt sich schon aus der Tatsache selbst, daß diese Begriffe überhaupt Prüfungskriterien darstellen, eine grundsätzliche Schwierigkeit für die Hochschulfinanzierung. 92 Dazu sei besonders auf die Ausführungen bei Becker - Kluge, unter „ K a p i t e l 2. Schule", S. 39 bis 72, verwiesen.
a.a.O.,
Β . Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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Die Rechnungsprüfung setzt zunächst einmal am festgestellten Haushalt an und überprüft, ob und inwieweit das Finanzgebaren der Hochschule m i t dem Haushaltsplan — d. h. dem betreffenden Kapitel — und den für seinen Vollzug maßgeblichen Bestimmungen des Haushaltsrechts i n Einklang steht. Darüberhinaus findet aber auch eine Prüfung der einzelnen Maßnahmen daraufhin statt, ob sie sachlich „richtig" war. Es findet also sowohl Rechtmäßigkeits- als auch Zweckmäßigkeitsprüfung statt 9 3 . Diese konkrete Sachprüfung w i r d durch das Prüfungskriterium „Wirtschaftlichkeit" herbeigeführt und legitimiert. Damit ist das den Rechnungshöfen mögliche Maß an Eingriff bedeutend weiter, als eine bloß formelle Kontrolle über die Einhaltung des Haushaltsrechts es erlauben würde. Es läßt sich hier ungefähr eine Analogie erkennen zu dem Verhältnis von Rechtsaufsicht und Fachaufsicht i m Bereich der öffentlichen Verwaltung: So wie die Fachaufsicht ihre Zweckmäßigkeitserwägungen und ihr Ermessen an die Stelle derer der Verwaltung setzen kann, so behandelt auch die Rechnungsprüfung das Wie der einzelnen Maßnahme i m Haushaltsvollzug. Damit treten die Rechnungshöfe den Hochschulen als Repräsentanten des Staates alter Prägung entgegen, i n einer Zeit, i n der das Prinzip der Selbstverwaltung und der Dezentralisation an Boden gewinnt 9 4 . Das w i r k t sich für die Praxis der Hochschulverwaltung dahin aus, daß die Feststellungen und Beanstandungen der Rechnungsprüfung Anordnungen gleichkommen 95 . Das liegt daran, daß die in der Hochschulselbstverwaltung tätigen Wissenschaftler keine Haushaltsexperten sind und sich m i t der Technik der Finanzierung nicht so befassen können 9 6 , daß sie als gleichstarke „Gegner" der Finanzbürokratie und der Rechnungshöfe auftreten könnten. So stehen ihre Erfahrungen m i t der Rechnungsprüfung unumstößlich i m Raum und präformieren dann die zukünftigen Entscheidungen bei den entsprechenden Sachfragen. So sind es i m Grunde die Wirkungen der Ausgabenkontrolle, die durch diesen Rückkoppelungseffekt am gravierendsten für die Selbständigkeit der Universitäten beim Haushaltsvollzug sind, und bei der Rechnungsprüfung liegt letzten Endes die Entscheidung darüber, wie liberal die Haushaltspraxis der Hochschulverwaltung sich darstellt.
93 Hierzu u n d zum Ganzen vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Kommentar, Stuttgart, Berlin, K ö l n , Mainz 1969, Stand 1971, A r t . 114 G G A n m . 25. 94 Vgl. Bachof, S. 18 ff. 95 Becker - Kluge, S. 10. 96 Schelsky, Abschied . . . , S. 91, zählt sich „ z u den wahrscheinlich 99 °/o der Hochschullehrer, die nicht i m Haushaltsrecht u n d i n der Finanzverwaltung fachlich ausgebildet sind".
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1. Teil: M i t t e l Versorgung u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule 2. Entwicklung und Status der Rechnungsprüfung
Der sachliche Eingriff als Folge einer Wirtschaftlichkeits- und Organisationsprüfung wäre als solcher nicht einmal so sehr problematisch, wenn davon auszugehen wäre, daß bei den Rechnungshöfen alle Voraussetzungen für eine zutreffende und dem Arbeitsbereich Wissenschaft adäquate Beurteilung der Sachfragen vorliegen. Das ist aber nicht der Fall. Die derzeitige Rechnungsprüfung setzt eine mehr als 250 Jahre alte Tradition fort 9 7 , und ihre Form hat sich nicht so schnell gewandelt wie Wesen und Aufgaben der Staatlichkeit i m Laufe dieser Zeit. Was sie heute verändert erscheinen lassen könnte, sind i m Grunde quantitative Aspekte. Der Ausgabenkontrolle unterliegen heute mehr und andere Bereiche als zu einer Zeit, i n der bestimmte Aufgaben von gesamtgesellschaftlicher Erheblichkeit noch gar nicht öffentlich finanziert w u r den. Das betrifft insbesondere den Kulturbereich 9 8 . Hier lagen die Initiativen weitgehend bei Trägern, die uns heute privatrechtlich erscheinen, entsprechend der markanten Trennung von „öffentlich" und „privat", die der Liberalismus i m Zuge der Absicherung des Individuums gegen staatlichen Eingriff entwickelt hat. Inzwischen werden viele Bereiche, die der liberale Staat dem Bürger zur privaten Wahrnehmung vorbehalten wollte, an den Staat zurückgereicht, einmal, weil nur er über die erforderlichen Mittel verfügt, zum anderen, weil die gesellschaftliche Relevanz vieler Bereiche nach Öffentlichkeit und Kontrolle verlangt 9 9 . I m Zuge dieser Entwicklung fielen der Rechnungsprüfung immer mehr und inhaltlich neue Bereiche staatlicher Finanzierung zur Kontrolle anheim, die Fülle der Aufgaben wurde größer, ohne daß die Prüfungsmethoden und das Selbstverständnis der Rechnungshöfe sich mit gleicher Geschwindigkeit geändert und den veränderten Prüfungsgegenständen angepaßt hätten; der Einzelfall in dieser langfristigen Entwicklung bot nie den Anlaß zur entscheidenden Neubestimmung. So konnten die hergebrachten Techniken auf den Kulturbereich übertragen werden, obwohl sie ursprünglich an den Aufgaben der inneren Verwaltung i m alten Sinne entwickelt worden waren. Eine Untersuchung der Frage, ob mit ihnen die Finanzierung des Kulturbereichs sinnvoll geleistet werden kann, fand nicht statt 1 0 0 . Diese Feststellungen für den Kulturbereich gelten i n eher noch verstärktem Maße für das Hochschulwesen 101 . Schon vom wissenschaft97 Piduch, A r t . 114 GG A n m . 31. 98 Zur Problematik der Bestimmung u n d Abgrenzung des Kulturbegriffs und zum Ganzen vgl. Abelein (Hrsg.), Deutsche K u l t u r p o l i t i k , Dokumente, Düsseldorf 1970, S. 11 ff. 99 ζ. B. Fernsehen, Rundfunk, Presse(konzentration) u. a. m. 100 Becker - Kluge, S. 9, 18, 22.
Β. Das staatliche Haushaltsrecht i n der Hochschulfinanzierung
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liehen Auftrag her ist dieses für rasche Wandlungen offen, und zur Zeit ist es Veränderungen unterworfen, die tiefgreifend sein dürften und die sehr schnell ablaufen, vergleicht man sie mit dem kulturellen Wandel anderer Bereiche i n der Gesellschaft. U m heute feststellen zu können, welche Investitionen i m Bildungs- und i m Hochschulwesen „ w i r t schaftlich" sind, muß dieser gegenwärtige Wandlungsprozeß von innen begriffen und i n Rechnung gestellt werden. Die Rechnungsprüfung aber hat, schon durch ihre traditionelle Verknüpfung mit der Verfassung schwerer beweglich als andere normative Bereiche, den Bildungs- und Kulturbereich i n ihr hergebrachtes Rollenverständnis übernommen und ihre Methoden ungeprüft unter der Generalklausel der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den davoneilenden Kulturbereich übertragen 1 0 2 . A n gesichts dessen ist es nicht wahrscheinlich, daß die Rechnungshöfe diesen Wandlungsprozeß berücksichtigen können, umso weniger, wenn davon ausgegangen wird, daß die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nur konkrete Einzeltatbestände betreffen kann, abstrakte Untersuchungen bestimmter Bereiche außerhalb eines solchen Vorgangs dagegen Beratung und nicht Prüfung darstellten 1 0 3 . Fehlentscheidungen der Rechnungsprüfung für das Hochschulwesen sind daher unvermeidlich. Andererseits ist weder zu erwarten noch zu verlangen, daß sich die Prüfungsinstanzen die Sachkenntnis aneignen, die die i n der Hochschule tätigen Personen haben. Die Forderung, M i t glieder des Rechnungshofes müßten die Sachkenntnis eines Spezialisten für die zu beurteilenden Sachbereiche besitzen, dürfte utopisch sein 1 0 4 . Vielmehr kann die Konsequenz aus der „spezifischen Unvereinbarkeit der Gesichtspunkte i m Verhältnis von Rechnungsprüfung und K u l t u r politik, die die praktische Arbeit sowohl der Rechnungsprüfung wie der K u l t u r Verwaltung belastet" 1 0 5 , nur i n einer Veränderung der Methoden und i n einer Neubestimmung des sachlich zu rechtfertigenden Eingriffs i n die Tätigkeit der Hochschulselbstverwaltung liegen. Diese Neubestimmung könnte dahin gehen, daß die Rechnungsprüfung für die Hochschulen sich auf rechtliche Gesichtspunkte des Haushaltsvollzugs beschränkt und sich solcher Sachentscheidungen enthält, für die ihr die sachliche Qualifikation fehlt. Freilich wäre es verfehlt, nur an der 101 Eine Auseinandersetzung m i t der Zuordnung der Wissenschaft zum Kulturbereich und den damit zusammenhängenden Problemen folgt erst i n Teil I I . 102 Becker - Kluge, S. 10. !03 So jedenfalls Piduch, A r t . 114 GG A n m . 26. 104 So aber Peucker, Grundfragen neuzeitlicher Finanzkontrolle, Göttingen 1952, S. 128. 105 Becker - Kluge, S. 9; sie sind der Meinung, daß zusätzliche Spezialkenntnisse die Rechnungsprüfung, obwohl sie eine Qualifikation für die Kontrollpraxis darstellten, heute zusätzlich überfordern, S. 25.
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g u n d F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
Frage der fachlichen Qualifikation allein anzusetzen; der entscheidende Gesichtspunkt, der später nochmals aufgegriffen werden wird, ist wiederum der der Wissenschaftsfreiheit und der Autonomie der Hochschule. C. D i e Gesamtwirkungen des geltenden Systems der Hochschulfinanzierung I n den vorigen Abschnitten ist hauptsächlich davon die Rede gewesen, daß die derzeitige Methode der Hochschulfinanzierung eine nur mangelhafte Effizienz aufweist und somit schon als Finanzierung erhebliche Schwierigkeiten für das Hochschulwesen bringt. Es wurde gezeigt, daß der Hauptgrund hierfür i n einer Knebelung der hochschuleigenen Planungs-, Dispositions- und Entscheidungsmöglichkeiten liegt. Daraus ergibt sich die weitere Frage: W i r k t dieser Umstand sich auf Charakter und Selbstverständnis der hochschuleigenen Verwaltung selbst aus, sind also Wirkungen festzustellen, die über die Beeinträchtigung der unmittelbaren Leistungsfähigkeit der Hochschulen in der Verwaltung hinausgehen? Beim Versuch, diese Frage zu beantworten, w i r d es nicht immer ohne weiteres möglich sein, eindeutig zu unterscheiden, was jeweils Ursache und was Wirkung ist und was etwa auf dritte Bedingungen zurückzuführen ist. Es ist aber notwendig, den engen Zusammenhang zwischen Hochschulfinanzverfassung und Hochschul „Verfassung" i n einem ganz untechnischen Sinn aufzuzeigen: einmal, weil die allgemeine Diskussion der Hochschulreform u m die zentrale Dimension der Finanzierung erweitert werden soll, und zum anderen, w e i l auf diesem Wege der gemeinsame Ausgangspunkt und Endpunkt, das Verhältnis von Hochschule und Staat, angesteuert werden kann. I . E n t m ü n d i g u n g der Hochschulselbstverwaltung
„Veränderungen i n der Gestaltung und Gebarung des Haushalts haben zugleich immer Implikationen für die innere Verwaltung der Hochschule 106 ." Das Vorkommen dieses Satzes an so „offizieller" Stelle wie dem Entwurf für den Hochschulgesamtplan Baden-Württemberg zeigt, daß die Erkenntnis der Unteilbarkeit des Verwaltungshandelns i m Wissenschaftsbetrieb gewachsen ist. Zahlreiche Stellungnahmen i n der Hochschulreform haben darauf hingewiesen, daß die „äußere", und das ist i m wesentlichen die finanzielle, Verwaltung der Hochschule Einflüsse bis in Gehalt und Bestimmung wissenschaftlicher Aufgaben106 Bericht des Arbeitskreises Hochschulgesamtplan beim Kultusminister i u m Baden-Württemberg, i n : B i l d u n g i n neuer Sicht, Reihe A Nr. 5, S. 88.
C. Die Gesamtwirkungen derzeitiger Hochschulfinanzierung
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Stellung m i t sich bringt 1 0 7 . Folgerichtig geht der Trend i n der Reformdiskussion auch, mindestens verbal und formell, auf die Einheitsverwaltung 1 0 8 . Aus der Feststellung, daß die Hochschulselbstverwaltung heute „entgegen einer offenbar weit verbreiteten Ansicht" kaum Einfluß auf die Finanzierung des Wissenschaftsbetriebs hat, wurde zutreffend gefolgert, daß eine Neuordnung der Hochschulselbstverwaltung undurchführbar sei, wenn nicht zugleich das System der Hochschulfinanzierung geändert werde 1 0 9 . Es muß aber auch gezeigt werden, warum dieser enge Zusammenhang besteht und warum das bestehende System der Hochschulfinanzierung den Reformanstrengungen entgegensteht. Es geht nämlich nicht nur u m die fehlende Planungs- und Dispositionsfähigkeit der Hochschulen i m Einzelfall. Vielmehr haben sich i m Laufe der Zeit infolge der immer möglichen und auch vorhandenen Beschneidung und Ummodelung universitärer Initiativen durch staatliche Entscheidungen 110 bestimmte Haltungen auf Seiten der Hochschulselbstverwaltungen eingenistet und verfestigt, die die derzeitige Lage der Hochschulorgane gegenüber den staatlichen Instanzen, aber auch gegenüber der eigenen Aufgabenstellung bestimmen. Diese Haltungen stammen aus den Erfahrungen der Hochschulmitglieder m i t der staatlichen Bürokratie. Die Hauptwirkung dieser Erfahrungen, die als „die verderblichste" bezeichnet worden ist 1 1 1 , ist die Uberzeugung der Hochschulangehörigen, es habe von vornherein nicht sehr viel Sinn, neue Ideen und Initiativen zu entwickeln, weil sie ja doch spätestens beim Versuch, Geld dafür bewilligt zu bekommen, scheitern würden. Bei dieser Erfahrung spielt auch der Zeitfaktor i m Zusammenhang m i t dem Jährlichkeitsprinzip eine Rolle: Bis irgendeine Anforderung den Weg durch alle Stationen der Haushaltsbewilligung durchlaufen hat, hat sich das Problem entweder anderweitig erledigt oder ist unlösbar geworden 112 . Die Folge dieser demoralisierenden Erfahrungen m i t den Schwierigkeiten des Haushaltsrechts ist nicht selten eine resignative Einsicht der Korporationsmitglieder i n scheinbare Sachzwänge oder jedenfalls Zwänge, gegen die nicht sehr viel auszurichten ist. Der oft geäußerte V o r w u r f gegen die „Ordinarienuniversität", sie habe nicht die Kraft zu einer Selbstreformierung besessen, ist deshalb problematisch; es fehlte eben gerade an 107 So Reinhardt, WissR 1968, S. 13; Mallmann, S. 20; Rotter, D U Z 1966 N. 7/8, S. 61; Haldmann, D U Z 1969 Nr. 1, S. 4. 108 So auch § 7 Abs. 3 des Entwurfs der Bundesregierung f ü r ein Hochschulrahmengesetz, s. auch Begründung dazu, i n : Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente zur Hochschulreform 1971, S. 23 Spalte 2. !09 Bericht der L R K des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 17 u n d 18. no Bericht der L R K Nordrhein-Westfalen, S. 18. m So Schelsky, Abschied . . . , S. 93. us Schelsky, Abschied . . . , S. 93 ff.
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1. Teil: M i t t e l e r s o r g u n g und F i n a n z e r f a s s u n g der Hochschule
der Kraft, die nicht delegiert wurde, und damit an einer reellen Chance für die Universitäten 1 1 3 . Gerade für Innovationen i m Hochschulwesen hätte es nicht so sehr größerer Mittel bedurft — deren grundsätzliche Erforderlichkeit besonders angesichts des „Massenproblems" nicht bestritten werden soll —, als vielmehr einer größeren Beweglichkeit der Hochschulen für Experimente, was wiederum ein gewisses Maß an Vertrauen und vielleicht an M u t zum Risiko auf Seiten des Staates vorausgesetzt hätte. I n der Begründung zum Hochschulrahmengesetzentwurf der Bundesregierung w i r d zugegeben, daß „alle wesentlichen Reformvorschläge von Hochschulangehörigen stammen" 1 1 4 ; Möglichkeiten zur wenigstens ansatzweisen oder modellhaften Verwirklichung dieser Vorstellungen sind den Hochschulen aber versagt gewesen. II. Verzögerung von Reformen Diese Umstände hinderten wiederum auch die andere Seite, den Staat, an Hochschulreformen i m Einvernehmen m i t den Hochschulen. Die Situation läßt sich leicht vereinfacht so kennzeichnen, daß der Staat, also die Länder, die Hochschulen nicht durch Delegation von Entscheidungsbefugnissen stärken und zu gleichberechtigten Partnern für die Reformaufgaben machen mochten, wofür ihnen dann nur u m so dezidierter der Autonomieanspruch der Hochschule entgegengehalten wurde. Es ist noch nicht sehr lange her, daß dem Staat das Recht zu jeglicher Hochschulgesetzgebung unter Hinweis auf die Autonomie i m Sinne von Selbstgesetzgebungsbefugnis generell bestritten wurde 1 1 5 . Freilich konnten die Hochschulen diesem umfassenden Selbstgesetzgebungsanspruch auch aufgrund des hergebrachten Selbstverständnisses und der Politikentwöhntheit ihrer Mitglieder von vornherein keine Geltung verschaffen 116 . Entscheidend war aber, daß infolge der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen die Hochschulselbstverwaltungen mit ihrem Sachverstand für Fragen von Forschung und Lehre nicht zu Reformvorhaben herangezogen werden konnten. Die Chance für Kooperation i n der Hochschulreform dürfte damit zunächst verspielt sein. Es paßt auf eine bedrückende Weise gut zu dieser Situation, daß 113 Schelsky, Einsamkeit u n d Freiheit, 1963, S. 310 ff., hielt freilich zu diesem Zeitpunkt „Hochschulreform auf eigene Faust" noch für möglich, ist aber grundsätzlich der gleichen Meinung. W R K , Dokumente zur Hochschulreform 1971, S. 19 Spalte 1. 115 So z.B. v.Lübtow, Autonomie oder Heteronomie der Universität, Thorsten, Brauchen w i r Hochschulgesetze?, D U Z 1966 Nr. 3, S. 5 ff.; neuerdings etwas überraschend wieder Deumeland, Hochschulgesetz NordrheinWestfalen (Kommentar), Opladen 1970, augenscheinlich aber m i t einem bestimmten politischen Hintergrund. 1 1 6 Was nicht etwa als erwünscht gelten könnte; zur Frage der Hochschule als politischer Machtfaktor folgen nähere Ausführungen i n T e i l I I .
C. Die Gesamt Wirkungen derzeitiger Hochschulfinanzierung
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der Rahmengesetzentwurf der Bundesregierung nunmehr die Kooperation gesetzesförmig verschreiben w i l l 1 1 7 . Angesichts der oben getroffenen Feststellung, die Universitätsangehörigen seien auch wegen fehlender Ausbildung und Spezialkenntnisse i n der Finanzverwaltung notwendigerweise schwache und unsichere Partner der staatlichen Finanzbürokratie, erscheint diese verordnete Kooperation u m so fragwürdiger; denn der Hintergrund dieses Mangels, die traditionelle Ferne der Korporation von Politik und Verwaltung infolge des problematischen Verhältnisses zum Staat, droht so nochmals perpetuiert zu werden. Haushaltsrecht und Haushaltspraxis haben somit eine konservierende und retardierende Wirkung auf den Ausbau und Umbau des Hochschulwesens gehabt und haben sie noch. Die Hochschulen sind i n einen Zustand der Unbeweglichkeit und der Bewegungsunwilligkeit versetzt worden, der heute die Legitimation für den umfassenden gesetzgeberischen Eingriff abgeben soll. Unter diesem Gesichtspunkt ist es besonders wichtig, bei allen Einzelvorschlägen zur Reform der Hochschulselbstverwaltung und zu ihrer Rechtsnatur das Finanzierungssystem als das eigentliche Skelett zu erkennen, das den Organismus Hochschule trägt, aber auch i h m die Form gibt. A n der Finanzierungsproblematik zeigt es sich, welcher Natur das Verhältnis von Hochschule und Staat i n der konkreten Regelung ist; wer die Finanzierung und damit die Hochschule verändern w i l l , muß Stellung und Funktion der Hochschule in Gesellschaft und Staat i n grundlegenden Entscheidungen bestimmen, um vor diesem Hintergrund aufbauen und umbauen zu können.
i n z.B. §§9 ff., 59, 60; dazu ausführlich i n T e i l I I I .
Zweiter
Teil
Die Hochschule im Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat A . D i e Autonomie der Hochschule I . Überleitung u n d Zielsetzung
I n der Hochschulreformdiskussion der letzten Jahre ist der Komplex der Beziehungen zwischen Hochschule und Staat unter verschiedenen Aspekten ins Auge gefaßt worden. Es war meist der Begriff „Hochschulautonomie", der dabei den wesentlichsten Angelpunkt der Überlegungen darstellte. Ob es i m Einzelfall u m das Selbstverwaltungsrecht der Hochschule ging oder u m ihr Satzungsrecht, u m Fragen der Fachoder Rechtsaufsicht, u m Finanzierungsprobleme, Planungszuständigkeiten oder Strukturreformen, regelmäßig wurde die Autonomie der Hochschule angesprochen. Inzwischen w i r d nur noch sehr selten darauf verzichtet, sich auf die Hochschulautonomie zu berufen und die Notwendigkeit ihrer Bewahrung oder Erweiterung als Begründung anzuführen, ob nun zu Prüfungsordnungen, Studiengängen, Sitzverteilungen i n Hochschulgremien, zu Fragen der Zulassungsbeschränkungen, der Lehrkörperstruktur und der Berufung oder zu allen anderen Fragen i m Bereich von Forschung und Lehre argumentiert wird. M i t dem Hinweis auf die Hochschulautonomie wurde sowohl die Unzulässigkeit staatlicher Hochschulgesetzgebung als auch ihre Notwendigkeit (zum Schutze der Autonomie gegen Kräfte innerhalb der Hochschule oder auf dritter Seite) begründet, und der Autonomieanspruch der Hochschulen w i r d teils als übertrieben, teils als unterentwickelt kritisiert. Daran zeigt sich einmal eine gewisse Unsicherheit darüber, welchen Inhalt der Begriff Hochschulautonomie heute hat oder haben soll. Zum anderen geht aber daraus hervor, und das ist der wichtigere Gesichtspunkt, daß die meisten Teilfragen der Hochschulreform tatsächlich mit dem Problem der Autonomie i n irgendeiner Weise zusammenhängen; unklar ist nur, welchen Rang die einzelne Frage einnimmt, welcher Stellenwert ihr für die Bestimmung des Autonomiebegriffs zukommt. Da die meisten Stellungnahmen zu Recht davon ausgehen, daß die Diskussion u m wünschenswerte oder abzulehnende Regelungen i n staat-
Α. Die Autonomie der Hochschule
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liehen Gesetzen geführt werden muß, beschäftigen sie sich auch i n der Regel schon implizite m i t den Beziehungen zwischen Staat und Hochschule. Besonders die zu erwartende Expansion des Hochschulwesens i m Bereich der Lehre und Ausbildung, die i n erster Linie der Erhöhung des Angebots an hochqualifizierten Arbeitskräften dient, hat den Blick für die wichtigen Funktionen des Hochschulwesens i n der Gesellschaft neu geschärft; die Unsicherheit darüber, wie die Rolle der Hochschulbildung i n der Gesellschaft zu bestimmen ist, bringt folgerichtig die Unsicherheit über die Position des Hochschulwesens i m Staat mit sich. Diese Unsicherheit läßt sich zwar nicht völlig ausräumen durch eine Behandlung dieses Komplexes i m Zusammenhang m i t der Hochschulfinanzierung. Die Hochschulfinanzierung ist aber die Nahtstelle zwischen Hochschulwesen und Staat und stellt inhaltlich und organisatorisch den Bereich dar, i n dem die beiden Bezirke sich überlagern. Deshalb ist an dieser Stelle der Einstieg für eine Klärung der Fragen zu suchen, die i m Spannungsfeld Hochschule - Gesellschaft - Staat auftreten. A n dieser Stelle w i r d auch deutlich, was eigentlich realisierbar und vernünftigerweise wünschbar ist; Interessenlagen, Zielkonflikte und Kräfteverhältnisse müssen möglichst zutreffend erkannt werden, wenn die Hochschule nicht aus einem realistischen und rationalen Verhältnis zu Gesellschaft und Staat herausmanövriert werden soll. So genügt es beispielsweise nicht, nur zu fordern, der Staat möge sich seiner Eingriffe in die Hochschule gefälligst enthalten, wenn nicht auch untersucht wird, ob und inwieweit er das überhaupt kann oder darf und welche Nebenfolgen das haben könnte. Hochschulfinanzierung bietet also den wesentlichsten Ansatzpunkt für die Untersuchung der Probleme und Konflikte i n den Beziehungen von Hochschulwesen und Staat. Andererseits lassen sich aber überzeugende Konzepte für die Hochschulfinanzierung nur entwickeln, wenn Zielvorstellungen zum Stellenwert von Wissenschaft und Hochschule i n Gesellschaft und Staat entwickelt und die auftretenden Zielkonflikte einander gegenübergestellt sind. Nur so sind dann Wertungen möglich, die das Eintreten für bestimmte Lösungen legitimieren können. Der Weg muß deshalb von der Hochschulfinanzierung zum Verhältnis von Hochschule und Staat und von da aus wieder zur Hochschulfinanzierung gehen. Der Zentralbegriff für die Untersuchung des Hochschulstandorts i m Dreieck der Beziehungen von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat ist der der Hochschulautonomie. Die Diskussion dieses Begriffs w i r d daher dargestellt, kritisiert und weiterentwickelt, u m den Inhalt von Hochschulautonomie so bestimmen zu können, daß er den Standort der Hochschule möglichst zutreffend wiedergibt; auf eine solche Abklärung erst können dann Wünsche und Vorschläge für ein dementsprechendes Finanzierungssystem folgen.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
II. Die verschiedenen Aspekte des Autonomiebegriffs 1. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz
Ausgangspunkt für die Bestimmung des Autonomiebegriffs ist heute die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit in A r t . 5 Abs. 3 GG 1 . Die Freiheit der Wissenschaft hat als solche freilich eine ältere Tradition als das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland 2 , so daß ein breites und vielschichtiges Feld von historischen und gesellschaftspolitischen Bedingungen i n den Komplex Hochschulautonomie einbezogen werden muß 3 . Von da her ist auch die Vielschichtigkeit der Autonomiediskussion zu erklären, die untersucht und zur Interpretation der Verfassungsgarantie herangezogen werden muß. Die i n Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit hat zwei Zielrichtungen, die auf denselben Schutzzweck gehen und i n bestimmter Weise voneinander abhängig sind. Dieser gemeinsame Zweck ist der Schutz der Freiheit für die Wissenschaft, den sie als unabdingbare Voraussetzung benötigt 4 . Zu diesem Zweck w i r d sowohl der Wissenschaftler als auch die hergebrachte Institution seines Wirkens geschützt. a) Freiheit
von Forschung und Lehre
Art. 5 Abs. 3 GG schützt einmal die forschende und lehrende Einzelperson vor Einflußnahmen des Staates auf den Inhalt seiner Arbeit, die diese von außen her verändern, bestimmen oder unterdrücken 1 A r t . 5 Abs. 3 G G : „ K u n s t u n d Wissenschaft, Forschung u n d Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung." 2 So bestimmt schon A r t . 142 der Weimarer Verfassung (WRV) v o n 1919: „Die Kunst, die Wissenschaft u n d ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz u n d n i m m t an ihrer Pflege teil." Aus der Formulierung sowie aus der Stellung der N o r m i m Abschnitt „ B i l d u n g u n d Schule" ergeben sich bereits andere Nuancen gegenüber dem Bonner Grundgesetz. 3 Das bedeutet nicht, daß die Interpretierbarkeit des Schutzzwecks von A r t . 5 Abs. 3 G G ihre Grenze i n der geschichtlichen E n t w i c k l u n g i n den Ländern findet, w i e Leibholz - Rinck, Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. K ö l n 1971, A r t . 5 A n m . 15, u n d Schmidt - Bleibtreu/Klein, K o m m e n t a r zum Grundgesetz, 2. A u f l . Neuwied u n d B e r l i n 1969, A r t . 5 A n m . 15, meinen. 4 Vgl. hierzu insgesamt Köttgen, Die Freiheit der Wissenschaft u n d die Selbstverwaltung der Universität, i n : Neumann - Nipperdey - Scheuner (NNS), Die Grundrechte, B e r l i n 1954, 2. Band, S. 291 ff.; Gerber, Lehrfreiheit heute, DVB1. 1954, S. 313 ff.; Bley, S. 36 ff. m. w. Nachweisen. Neuere A n sätze bei Geck, Die Stellung der Studenten i n der Universität, W D S t R L 27 (1969), S. 143 ff.; Knemeyer, Garantie der Wissenschaftsfreiheit u n d Hochschulreform, JZ 1969, S. 780 ff.; Roellecke, Wissenschaftsfreiheit als i n s t i t u t i o nelle Garantie?, J Z 1969, S. 726 ff.; Schneider, Peter, Wissenschaftstheorie u n d Verfassungsinterpretation, D U Z 1971, S. 381 ff.; Weber, Werner, Neue Aspekle der Freiheit v o n Forschung u n d Lehre, i n : Festschrift für W i l h e l m Felgentraeger, Göttingen 1969, S. 225 ff.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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könnte 5 . Schon der Hinweis auf die Treue zur Verfassung zeigt, daß die freie Lehre i m Mittelpunkt des Schutzzwecks steht, weil davon ausgegangen wurde, daß gerade an diesem Punkt, nämlich der Verbreitung von wissenschaftlich gefundenen Erkenntnissen, am ehesten die Gefahr besteht, daß der Staat unbequeme Wahrheiten zu unterdrücken versuchen könnte 6 . Wegen der Bedeutung der unabhängigen Erkenntnissuche für den kulturellen Fortschritt der Gesellschaft ist der Schutz der freien Lehre gegenüber der allgemeinen Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus A r t . 5 Abs. 1 GG besonders und weiter ausgeformt; anders wären Eingriffe i n die Lehrfreiheit viel früher und subtiler möglich (etwa über das Beamtenrecht), als es beim Grundrecht der Meinungsfreiheit und insbesondere der Pressefreiheit möglich ist. Freilich ist nicht zu verkennen, daß die Lehrfreiheit m i t der allgemeinen Meinungsfreiheit eng verknüpft ist, weil i m Bereich der schriftlichen Veröffentlichung keine Sonderrechte oder privilegierte Schutzbestimmungen für wissenschaftliche Schriften bestehen 7 . Dennoch ist die Lehrfreiheit kein Unterfall der Meinungsfreiheit; sie konstituiert, anders als die Meinungsfreiheit, einen autonomen Bereich, den der Staat um der Eigengesetzlichkeit des Sachgebiets w i l l e n respektiert 0 . Das hängt eng zusammen mit der heute wieder sehr umstrittenen Auffassung der Wissenschaft als voraussetzungslos, nicht an von außen bestimmbare Zwecke gebunden und insoweit „wertfrei"; die „Voraus-
δ Freilich ist nicht n u r der Staat i n der Lage, Einfluß oder Druck auf Wissenschaftler auszuüben; die Gefahr von Beeinträchtigungen der Wissenschaftsfreiheit von d r i t t e r Seite w i r d heute deutlicher gesehen. Deshalb fragt es sich, ob die Abwehrrichtung gegen den Staat alleine ausreicht; ob der Schutz gegen D r i t t e gekehrt werden kann, w i r d noch geprüft. β Wenn Röttgen, NNS, S. 299, zweifelt, ob Forschung i n A r t . 5 Abs. 3 G G überhaupt aktuelle Bedeutung als Schutzbezirk hat, so muß das heute allerdings differenziert gesehen u n d w o h l eindeutig bejaht werden. 7 Darauf weist Röttgen, NNS, S. 300 h i n : „Seit Anerkennung der Preßfreiheit i m deutschen Recht sind professorale Zensurprivilegien unbekannt." 8 Röttgen, NNS, S. 304. M i t dem Ausdruck „respektieren" ist allerdings noch nicht v i e l gesagt; die Frage ist, i n w i e w e i t der Staat diesen Respekt umsetzen k a n n bei der konkreten Organisation der Wissenschaftspflege, ζ. B. bei ihrer Finanzierung, u n d ob er das n u r i m Wege der Enthaltsamkeit t u n kann. Vgl. auch Bley, S. 37, u n d Waibel, Die Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts seit 1945, Freiburg 1966, S. 28 ff. Das B V e r w G hat auch i n einer neueren Entscheidung (U. v o m 4. 7.1969 — V I I C 29/67) festgestellt, A r t . 5 Abs. 3 GG schütze die Hochschule u m ihrer Zweckbestimmung w i l l e n ; die Autonomie w u r d e i n diesem Zusammenhang (studentische Krankenversicherung) vor allem als Satzungsrecht verstanden, v g l . B V e r w G E 32, 308. I m Beschluß des OVG Münster v o m 31. 5.1968 (V Β 296/68) ist ausgesprochen, daß A r t . 5 Abs. 3 G G die autonome Wissenschaft gegen Angriffe von außen schütze, vgl. OVGE 24, 82. Das B V e r f G hat f ü r die Pressefreiheit mehrfach ausgesprochen, daß sie mehr als ein U n t e r f a l l der Meinungsfreiheit sei u n d auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse gewährleiste, vgl. E 10, 118 (121); 12, 205 (260); 20, 162 (176); 21, 271 (279).
5 Zeh
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
setzungslosigkeit der Wissenschaft steht . . . i n u n l ö s l i c h e m Z u s a m m e n h a n g m i t i h r e r i n s t i t u t i o n e l l e n G a r a n t i e r u n g seitens des S t a a t e s " 9 . M i t diesem „ G r u n d r e c h t der L e h r f r e i h e i t " 1 0 s o l l die der Wissenschaft verpflichtete E i n z e l p e r s o n i n d e n S t a n d gesetzt w e r d e n , I n h a l t e , Z i e l e u n d M e t h o d e n i h r e r A r b e i t selbst oder g e m e i n s a m m i t a n d e r e n W i s s e n s c h a f t l e r n u n b e e i n f l u ß t u n d ohne B i n d u n g a n a k t u e l l e Interessen u n d O p p o r t u n i t ä t e n zu b e s t i m m e n u n d ö f f e n t l i c h zu v e r t r e t e n . b) Institutionelle
Garantie
F e r n e r e n t h ä l t A r t . 5 A b s . 3 G G das „ G r u n d r e c h t der deutschen U n i v e r s i t ä t " 1 1 . Es besteht also eine G a r a n t i e f ü r d e n B e s t a n d der I n s t i t u t i o n , i n der die Wissenschaft sich v e r f a ß t h a t , n ä m l i c h die H o c h schule 1 2 . Das b e d e u t e t n i c h t n u r , daß der sächliche u n d f i n a n z i e l l e R a h m e n f ü r das Hochschulwesen e r h a l t e n — u n d m ö g l i c h e r w e i s e auch w e i t e r e n t w i c k e l t — w e r d e n m u ß , s o n d e r n insbesondere auch, daß die Hochschule sich i m wissenschaftlichen B e r e i c h selbst die Gesetze ihres H a n d e l n s u n d i h r e r O r g a n i s a t i o n geben d a r f . Geschützt i s t also k o n k r e t das Recht auf S e l b s t v e r w a l t u n g 1 3 , das e i n i g e L a n d e s v e r f a s s u n g e n d e n Hochschulen auch a u s d r ü c k l i c h g a r a n t i e r e n 1 4 , w o b e i f r e i l i c h ü b e r das 9 Röttgen, NNS, S. 304. A u f diese Problematik w i r d noch eingegangen werden. 10 Diese Formulierung stammt aus dem bei Waibel, S. 28, Note 101 ziterten U r t e i l des V G München v. 31.1.1962; i n BVerfGE 15, 256 ff. (263) w i r d , schon erheblich weiter gefaßt, v o m „Grundrecht auf freie wissenschaftliche Betätigung" gesprochen. Vgl. die weiteren Zitate u n d Hinweise aus der Rechtsprechung sowie die Ausführungen dazu bei Waibel, S. 28 ff. 11 So lautet der ganze T i t e l bei Köttgen, Das Grundrecht der deutschen Universität, Göttingen 1959. Vgl. außerdem die eingehenden Ausführungen und Nachweise bei Bley, S. 37 ff. u n d Waibel, S. 28 ff. 12 Diese Bestandsgarantie ist i n den meisten Landesverfassungen deutlicher als i m Grundgesetz z u m Ausdruck gekommen, w e n n dort i m Zusammenhang m i t der Freiheit von Forschung u n d Lehre ausdrücklich die Hochschulen erwähnt werden u n d zudem die Verf. Baden-Württemberg den Bestand der Hochschulen ausdrücklich garantiert (Art. 85 Verf.); so Verf. Baden-Würtemberg A r t . 20 Abs. 1, Verf. Rheinland-Pfalz A r t . 39 Abs. 1, Verf. Saarland A r t . 33 Abs. 2. Bley, S. 38, 39, w a r n t vor „falschen Assoziationen": Diese Selbstverw a l t u n g könne keinesfalls als mittelbare Staatsverwaltung verstanden werden, denn der Staat könne wissenschaftliche Forschung nicht entwickeln u n d fortführen; er müsse sich gegenüber allen Aufgaben, die „ n u r durch selbstschöpferische Tat eines I n d i v i d u u m s gelöst werden können", auf „äußere" Unterstützung beschränken. Es muß als zumindest fraglich gelten, ob m i t diesem Wissenschafts- u n d besonders Forschungsbegriff heute gearbeitet werden kann. Vgl. auch Waibel, S. 32, der die Selbstverwaltung der Universität v o m hergebrachten Sinn einer an sich n u r „betreuenden" W a h r nehmung staatlicher Aufgaben abhebt u n d die Eigengesetzlichkeit des Hochschulwesens betont. 14 Die Selbstverwaltungsgarantie durch die Länder ist nicht etwa überflüssig, w e i l A r t . 5 Abs. 3 G G ohnehin einen derartigen Status erzwingen
Α. Die Autonomie der Hochschule
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Ausmaß der Selbstverwaltung noch nichts gesagt ist; gerade u m die Frage, was alles unter die früher allgemein so genannte „akademische" Selbstverwaltung fällt, geht heute die Diskussion. Die Hochschulen sind also Träger eines Grundrechts, wobei es nicht die entscheidende Rolle spielt, ob man von einem Grundrecht der Universität oder lieber von einer „institutionellen Garantie" oder von einem „verfassungsmäßig geordneten und gewährleisteten Sachbereich Wissenschaft" spricht 15 . M i t dieser besonderen verfassungsrechtlichen Ausstattung hat der Staat seinen Willen bekundet, die Hochschulen nicht wie eine seiner anderen Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu behandeln, sondern sie bewußt von sich zu distanzieren und auf eine unmittelbare Steuerung dieses politisch und gesellschaftlich außerordentlich bedeutungsvollen Bereichs zu verzichten. Damit hat der Staat Rechte abgetreten bzw. nicht an sich gezogen, w e i l sie die Organisation eines sozialen Bereichs betreffen, der m i t den überkommenen Methoden staatlichen Verwaltungshandelns inhaltlich überhaupt nicht zu bewältigen wäre und Schaden nehmen müßte, wollte man es dennoch t u n — und zwar Schaden für die Gesellschaft als ganze. Der Staat könnte sich durch eine von i h m beauftragte und gelenkte Wissenschaft und Forschung in den Hochschulen zwar kurzfristige Entwicklungsvorteile verschaffen, liefe gleichzeitig aber Gefahr, die Wissenschaft auf längere Sicht unfruchtbar zu machen für den notwendigen kulturellen Wandel 1 6 . würde. Die K u l t u r h o h e i t lag bis vor kurzem fast ausschließlich bei den Ländern, die auch i n den Hochschulgesetzen seit 1966 die wichtigsten Elemente der Verfassung u n d V e r w a l t u n g der Hochschulen grundsätzlich regelten; unter diesem Gesichtspunkt ist es sehr sinnvoll, w e n n die Landesverfassungen gewissermaßen aus größerer Nähe zur Sache die Wissenschaftsfreiheit organisationsrechtlich ausfüllen. Wie w e i t die Versprechen der Landesverfassungen bei der Hochschulgesetzgebung eingelöst wurden, ist freilich umstritten. Beispiele f ü r Garantien: Verf. B.-W. A r t . 20 Abs. 2; Bayern A r t . 38 Abs. 2; Hessen A r t . 60 Abs. 1; Nordrh.-Westf. A r t . 16 Abs. 1 u n d andere. 15 Z u r Frage, i n w i e w e i t die Hochschule als staatliche Einrichtung Träger eines Grundrechts sein kann, vgl. BVerfGE 15, 256 ff. (262). Ob die Begründung ganz befriedigt, daß das dann möglich sei, w e n n Einrichtungen des Staates Grundrechte i n einem Bereich verteidigten, i n dem sie v o m Staat unabhängig sind, mag hier dahinstehen; es ist sicher problematisch, die Trägerschaft f ü r das Grundrecht aus A r t . 5 Abs. 3 GG wegen der Unabhängigkeit aus A r t . 5 Abs. 3 GG zu bejahen. I n der Frage der Bezeichnung des Grundrechts macht Waibel, S. 29, B e denken gegen die Verwendung von „Grundrecht" u n d „institutionelle Garantie" geltend; er w i l l der „Lehre von der doppelten N a t u r des A r t . 5 Abs. 3 G G " zwar beitreten, meint aber, daß ein „Sachbereich Wissenschaft" „ganz allgemein" geschützt werde, weshalb m i t den bisher verwandten Begriffsbestimmungen gebrochen werden solle. Sein „verfassungsmäßig geordneter u n d gewährleisteter Sachbereich Wissenschaft" befriedigt aber auch n u r wenig. Eine derartige Abwägung v o n langfristigen gegen kurzfristige I n t e r essen der Gesellschaft u n d damit des Staates muß als M o t i v a t i o n des V e r fassungsgebers bei der Auslegung des A r t . 5 Abs. 3 G G deutlicher i n den *
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
A r t . 5 Abs. 3 GG schützt also sowohl den einzelnen Wissenschaftler als auch seine hergebrachte Wirkungsstätte, die Hochschule. Wie w i r k sam der Bestandsschutz für die inhaltlich freie Wissenschaftspflege tatsächlich ist, hängt von der Ausgestaltung des äußeren Rahmens und von der organisatorischen Struktur der Institution unmittelbar ab. Die Freiheit der Lehre bliebe ein geistig-sittliches Postulat ohne eine ihrerseits unabhängige Einrichtung 1 7 . c) Selbstgesetzgebung, Selbstverwaltung,
Selbständigkeit
Diese Unabhängigkeit der Wissenschaftspflegenden Einrichtung 1 8 w i r d durch ein komplexes System von rechtlichen Normen und Beziehungen realisiert, dessen Ausgestaltung i m einzelnen umstritten ist. Dazu gehört i n erster Linie die Selbstverwaltung, die allerdings nicht genauso wie die gemeinderechtliche Selbstverwaltung oder wie die anderer Verbände verstanden werden darf; die Hochschule verwaltet keine eigentlich staatlichen Aufgaben, sondern nimmt übergeordnete öffentliche Aufgaben i n eigener Verantwortung wahr, an denen der Staat zwar ein erhebliches Interesse hat, für die i h m aber die inhaltliche Kompetenz fehlt. Nach überkommener und grundsätzlich auch zu billigender Auffassung gehört zu dieser Selbstverwaltung alles, was mit Forschung und Lehre sachlich unmittelbar zusammenhängt. Der Streit geht darum, was alles „unmittelbar zusammenhängt", ob es also Gegenstände des organisatorischen Bereichs gibt, denen ein solcher Zusammenhang und damit eine Einflußmöglichkeit auf den Inhalt des Organisierten fehlt. „Die Abgrenzung des Wirkungskreises der Selbstverwaltung der Hochschule von der Hochschulverwaltung des Staates ist das Kardinalproblem des Verhältnisses zwischen Hochschule M i t t e l p u n k t gerückt werden. Solche v ö l l i g legitimen „Nützlichkeitserwägungen" haben mehr Gewicht als die Argumentation m i t „Wesen" oder „ E t h i k " des wissenschaftlichen Auftrags, die keinen Bezug zur Gesellschaft herstellt u n d der Gegenargumentation m i t angeblichen Realitäten u n d Sachzwängen zu wenig Widerstand entgegensetzen kann. Dazu später weiteres i n Abschnitt I I I . π Vgl. Bachof, S. 11. 18 „Wissenschaftspflegende Einrichtung" bedeutet i n diesem Zusammenhang i m m e r n u r Hochschule. Freilich ist nicht zu verkennen, daß heute i n großem Umfang Wissenschaft außerhalb der Universitäten betrieben w i r d , was die Garantie des A r t . 5 Abs. 3 GG problematisiert. Neuerdings hat sich Bull, Staatlich geförderte Forschung i n privatrechtlichen Institutionen, WissR 1971, S. 35 ff., m i t der Frage befaßt, ob nicht auch anderen Einrichtungen als den Hochschulen die institutionelle Freiheit eingeräumt werden muß; er bejaht das, S. 50. Oppermann, Z u r Finanzkontrolle der Stiftung Volkswagenwerk, F r a n k f u r t / M . 1972, stellt f ü r einen F a l l der Forschung außerhalb der Hochschule fest, daß zu deren „wesensmäßig notwendigen Freiheit . . . die allein v o m Aufgabenträger festzulegende A r t u n d der Umfang der M i t t e l verwendung" gehöre, S. 95.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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und Staat. Es zeigt sich vor allem auf dem Gebiet der Universitätsfinanzierung, bei der Wirtschafts- und Finanz Verwaltung 19 ." Die Eigengesetzlichkeit der Wissenschaftspflege ist auch wörtlich zu verstehen: Den Hochschulen steht eine eigene Satzungsbefugnis zu. Dabei ist umstritten, ob es sich hier u m eine originäre Rechtssetzungsgewalt handelt, die aus eigenem, vom Staat nicht verliehenen, sondern nur anerkannten und geschützten Recht abzuleiten ist 2 0 , oder ob es einer besonderen Grundlage und gesetzlichen Ermächtigung für die rechtsförmigen Regelungen der Hochschulen bedarf 21 . Jedenfalls haben die Hochschulen die Fähigkeit, „verbindliche Sätze objektiven Rechts zu schaffen" 22 . Freilich bewegt sich diese Rechtssetzungsbefugnis innerhalb der — umstrittenen — Grenzen des Selbstverwaltungsrechts, was den sachlichen Inhalt der Regelungsmaterien betrifft. Es ergeben sich i n diesem Zusammenhang eine Reihe von Schwierigkeiten i n dem Verhältnis von staatlichen Hochschulgesetzen und Hochschulsatzungen 23 . M i t der Aufnahme von schon sehr spezifizierten Regelungen i n den Entwurf der Bundesregierung für ein Hochschulrahmengesetz, die die Länder bei den von ihnen zu erlassenden Hochschulgesetzen binden werden, dürfte die Verfassungsautonomie der Hochschulen weit nach hinten geschoben oder inhaltlich entleert werden. Diese Entwicklung verläuft gerade gegen diejenige der Reformdiskussion, die sich erst seit einigen Jahren mehr und mehr der Befürwortung der Satzungsautonomie zugeneigt hat 2 4 . Die Unabgeklärtheit dieser Fragen hat dazu geführt, daß eine ganz einheitliche Formel für den Sonderstatus des Hochschulwesens sich 19 Bley, S. 39. Angesichts der schwierigen Einordnung schlagen Schuster/ Stenbock - Fermor, WissR 1968, S. 28 ff., vor, sich von der herkömmlichen Betrachtungsweise der Rechtswissenschaft zu lösen u n d den geschützten Sachbereich Wissenschaft als „eigenartiges" u n d „einheitliches" Verwaltungsgebiet aufzufassen, S. 32. Dem ist zu folgen. 20 Eine sehr dezidierte Position hat i n diesem Sinne ζ. B. v. Lübtow, Autonomie oder Heteronomie der Universitäten, F r a n k f u r t / M . 1966, eingenommen. 21 Eine ausführliche Behandlung dieser Fragen findet sich bei Waibel, S. 32 ff.; s. bes. die zahlreichen Hinweise auf die Rechtsprechung i n Note 127, S. 33. 22 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, l . B d . , A l l g . Teil, 8. A u f l . München u n d B e r l i n 1961, S. 420. 23 So beispielsweise das Problem der Genehmigungspflichtigkeit von Hochschulsatzungen, vgl. Abelein, Grundzüge der neueren Entwicklung der Hochschulgesetzgebung, WissR 1968, S. 237 ff. (245), der auch darauf hinweist, daß „die Rechtsnatur sich letztlich aus dem Wesen der Hochschule (ergibt)". Ferner ist hier auch problematisch, daß die Hochschulen zum Erlaß von Grundordnungen (Satzungen) verpflichtet sind, vgl. ζ. B. § 66 Hochschulgesetz Baden-Württemberg, so daß bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung eine Satzung oktroyiert werden kann. 24 Die älteren u n d neueren Auffassungen i n diesem P u n k t sind bei Waibel, S. 36 ff., bes. S. 37, m i t vielen Hinweisen dargestellt.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
nicht durchgesetzt hat. So w i r d neben der Autonomie der Hochschule auch von Selbständigkeit und Selbstbestimmung oder auch von Unabhängigkeit gesprochen 25 . Die Begriffe nehmen dabei verschiedene Schwerpunkte und Nuancierungen an, je nachdem, ob der Blick mehr auf die organisationsrechtliche oder auf die geistig-theoretische Seite jener Eigengesetzlichkeit der Wissenschaftspflege gerichtet ist. 2. Schutz gegen den Staat
Die Funktion, die diese rechtlichen Ausformungen der Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG haben sollen, ist herkömmlich i n erster Linie die einer Abwehr staatlicher Eingriffe und Ubergriffe. Die Autonomie ist immer dann beschworen worden, wenn i n den neuen Hochschulgesetzen der Länder bzw. i n den Entwürfen dazu „dirigistische" Tendenzen der staatlichen Regelungen erkennbar wurden 2 6 . Es mögen besonders die Erfahrungen sein, die die Universitäten mit dem Nationalsozialismus gemacht hatten, und die Vorwürfe der Nachkriegszeit, sie hätten die K r a f t und die Unabhängigkeit nicht besessen, sich entschiedener gegen den gesinnungsstaatlichen Dirigismus zur Wehr zu setzen, die die Universitäten i n einen „verspäteten Antagonismus zum Staat" 2 7 geführt haben. Die Universität, so ist diagnostiziert worden, habe zu spät und risikolos die „Staatsfeindlichkeit einer bekennenden Kirche demonstriert", indem sie glaubte, die „zurückerworbene korporative Selbständigkeit i n einer dauernden Abwehrhaltung gegen staatliche Ubergriffe bewähren zu müssen" 28 . Es ist i n diesem Zusammenhang von „Verdrängung" gesprochen worden, einer kollektiven Verdrängung des Versagens gegenüber dem Nationalsozialismus durch Uberkompensation, die gerade die Auseinandersetzung m i t dieser Zeit und m i t dem Vorwurf verhindert habe 29 . Jedenfalls war der Blick der Universität nach 1945 rückwärtsgewandt; man pflegte „Maßnahmen des Staates gegenüber der Universität m i t wachem Mißtrauen zu verfolgen und i n der staatlichen Bürokratie den geborenen und geschworenen Feind der akademischen Selbstverwaltung zu sehen" 30 . Diese Haltung bewirkte, daß mehr die Abgrenzung als die Kooperation das Verhältnis von Hochschule und Staat bestimmten, 25 Vgl. die Nachweise bei Bley, S. 38, Noten 201, 202 u n d 203. So ζ. B. Petition der L R K Bayern zum E n t w u r f eines bayerischen Hochschulgesetzes, D U Z 1966 Nr. 7/8, S. 26 ff., zum gleichen Thema auch Rotter, ebd., S. 60 ff.; zum hessischen Hochschulgesetz etwa Mallmann, S. 20. 2 7 Schelsky, Abschied . . . , S. 80. 28 So jedenfalls Schelsky, Abschied . . . , S. 80. 2 9 Topitsch, Die Freiheit der Wissenschaft u n d der politische Auftrag der Universität, Neuwied u n d B e r l i n 1968, S. 42/43. so Raiser, Die Universität i m Staat, S. 28. 26
Α. Die Autonomie der Hochschule
71
zumal auf staatlicher Seite das Selbstbild der Universitätskorporation übernommen wurde, um keinesfalls i n den Geruch totalstaatlicher Eingriff s versuche i n die Selbstregierung der Universität zu geraten 31 . So hatten die Universitäten ein weiteres Mal keine Veranlassung, sich mit modernen Verwaltungs- und Finanzierungsmethoden und Planungsstrategien zu befassen, u m eines Tages als Partner des Staates Hochschulreform betreiben zu können. Hochschulreform wurde so lange als ureigenste Angelegenheit der Hochschulen angesehen, bis die „vergeblichen Universitätsreformen aus dem Geist der Selbstverwalt u n g " 3 2 gänzlich desavouiert waren — es wurde schon oben darauf hingewiesen, daß eine echte Chance für Selbstreformierung fehlte —, und heute scheint Hochschulreform zunehmend als ureigenste Angelegenheit der Gesellschaft angesehen und vom Staat als deren Beauftragtem gefordert zu werden. Es könnte sich herausstellen, daß ein Antagonismus der Universität zum Staat erst von heute an tatsächlich gerechtfertigt wäre, gegenüber einem Staat nämlich, dessen Spielraum bei der Befolgung von Aufträgen der Gesellschaft auf N u l l abgesunken wäre 3 3 . 3. Protektion durch den Staat
a) Eingriffe
der Gesellschaft
Es war ein Nebeneffekt der „Studentenrevolte" und der in diesem Zusammenhang ablaufenden Entwicklungen an den Hochschulen, daß eine verlagerte Zielsetzung der Freiheitsgarantie des A r t . 5 Abs. 3 GG wieder an Bedeutung gewann. I n der Krise des Hochschulwesens wurde deutlich, daß die Freiheit von Forschung und Lehre durchaus nicht nur durch staatliche Übergriffe, sondern auch von dritter Seite und sogar aus den Reihen der Universitätsmitglieder heraus bedroht und i n Frage gestellt werden kann. Die Bestürzung darüber, wie Fragen der Bildungs- und Hochschulreform zu einem Brennpunkt politischer Gruppeninteressen wurden, die Befürchtung, daß die Freiheit von Forschung und Lehre von innen heraus zerstört werden könnte, die breiter werdende Diskussion u m die Rolle der Industrie i n der Forschung der Hochschule und die Überlegungen zu den Möglichkeiten nichtstaatlicher Stiftungsuniversitäten: Alles dies beginnt die Auffassung von Gehalt und Funktion der Hochschulautonomie zu verändern. Es zeigt sich jetzt, daß das Grundrecht der Universität nicht nur als Abwehrrecht gegen den Staat verstanden werden muß — der ja heute i n allen 31 Schelsky, Abschied . . . , S. 81. 32 Schelsky, Einsamkeit und Freiheit, S. 178. 33 Diese Überlegung w i r d weiter unten wieder aufgegriffen und unter A. I I I . 3. behandelt u n d belegt; eine Nutzanwendung folgt unter Β. I. 2.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
Bereichen weniger als Obrigkeit denn als Fürsorge- und Wohlfahrtseinrichtung begriffen w i r d —, sondern auch als eine Garantie des Staates gegen Eingriffe von dritter Seite. Unter diesem Aspekt des Art. 5 Abs. 3 GG w i r d der Staat geradezu zum Verbündeten von Hochschule und Wissenschaft gegen mächtige Gruppen und Kräfte i n der Gesellschaft, die die Hochschule i n Pflicht nehmen und für partiale Interessen nutzbar machen wollen 3 4 . „Die Bedrohung der Autonomie durch gesellschaftliche Gruppen ist heute genauso (oder stärker) ein Faktum wie die durch den Staat 3 5 ." Danach hätte der Staat nicht nur die Verpflichtung übernommen, sich selbst sachlicher Eingriffe i n die wissenschaftliche Arbeit der Hochschulen zu enthalten, sondern darüber hinaus die Verpflichtung, die Hochschulen durch Gesetze und Gerichte sowie mittels seiner Verwaltung zu schützen gegen Verletzungen ihres Grundrechts, gleich, von welcher Seite sie kommen mögen. Dieser Aspekt der Wissenschaftsfreiheit ist indessen nicht etwa neu. Er mußte lediglich wiederentdeckt werden gegen die ausschließlich gegen den Staat gewandte Abwehrhaltung der Universitäten nach 1945. Nun taucht hier ein Problem und i n der Praxis eine bereits gezeigte nachteilige Wirkung auf. Die Vorstellung, daß der Staat der Hochschule einen Freiraum zur Verfügung stellen und diesen gegen alle der Wahrheitssuche abträglichen Einflüsse von außen abschirmen solle, trägt ja das Humboldtsche Konzept der Wissenschaftspflege i n „Einsamkeit und Freiheit". Die Folgen dieser liberalistischen Ausgrenzung, die sich nachteilig für die Hochschule von heute ausgewirkt haben, sind die Ferne der Universitätskorporation zu Politik und Gesellschaft und die Dualität von hochschuleigener und staatlicher Verwaltung 3 6 . Es ist heute nicht zu wünschen, noch wäre es überhaupt möglich, daß die Hochschule sich i n einen abgeriegelten Freiraum, den sprichwörtlichen „Elfenbeinturm", zurückbegibt. Die Schutzfunktion des A r t . 5 Abs. 3 GG kann nicht durch staatliche Protektion herkömmlicher A r t verwirklicht werden. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Wie soll es dem Staat möglich sein, etwas für den Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre zu tun, wenn er sich andererseits aus dieser Materie möglichst heraushalten soll? Solange der Staat Finanzierung und Organisation weitgehend i n den Händen hält, ist es i h m leichter möglich, Einwirkungen von dritter Seite abzuwehren; der Rest ist geistige Auseinandersetzung, die er nicht unterdrücken, an der er höchstens teilnehmen darf. Zieht er sich 34
Vgl. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 321, Note 117. 35 Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 8; s. auch Note 10 hierzu. 36 Diese einseitige Darstellung w i l l die vorteilhaften Aspekte dieses K o n zepts keineswegs herabmindern, die i n diesem Zusammenhang jedoch ausgespart werden müssen.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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aber strukturell aus dem Hochschulwesen zurück, so besteht die Gefahr, daß andere, schwerer zu beobachtende und zu kontrollierende Kräfte der Gesellschaft i n das Vakuum drängen. Es besteht also eine Spannung zwischen den Forderungen, der Staat solle die Freiheit der Wissenschaft schützen, und er solle sich nicht i n die inneren Angelegenheiten der Hochschule einmischen. Ihre Freiheit ist eine der „innersten" Angelegenheiten der Hochschule. b) „Drittwirkung"
der Wissenschaftsfreiheit
Diese Spannung w i r d sich nicht gänzlich auflösen lassen, es sei denn, man entschiede sich für das eine oder das andere. Einer Lösung wäre aber dann näherzukommen, wenn über die Frage Klarheit erreicht werden könnte, m i t welchen M i t t e l n der Staat den gewünschten Schutz zu gewähren hat. I n der täglichen Praxis t r i t t der Staat den Hochschulen i n erster Linie als Verwaltung gegenüber; i m größeren Zusammenhang w i r d er als Gesetzgeber auf Landes- wie neuerdings auf Bundesebene tätig. Schutz gegen Eingriffe aus der Gesellschaft i n die Wissenschaftspflege kann er also auf zwei Ebenen geben: Einmal, indem er möglichst großen Einfluß für sich reserviert und damit Dritte von der Ausübung dieses Einflusses ausschließt, und zum anderen, indem er als Gesetzgeber die Einflußmöglichkeiten Dritter selbst i n die Regelungsmaterie einbezieht. Diese beiden Verfahrensweisen sind zwar nebeneinander möglich und schließen sich nicht aus 37 ; man kann sich aber zwischen ihnen mehr für die eine oder mehr für die andere entscheiden. Dabei könnte A r t . 5 Abs. 3 GG bei geeigneter Auslegung die Schlüsselrolle spielen. Geht man nämlich davon aus, daß ein Bedürfnis dafür besteht, Wissenschaftsfreiheit nicht mehr nur als ein Abwehrrecht gegen den Staat aufzufassen, dann muß die Wirkung des A r t . 5 Abs. 3 GG ausstrahlen auf die Beziehungen des Hochschulwesens zur Gesellschaft; das bedeutet, daß seine verfassungsrechtliche Wertentscheidung „eine auslegungsbestimmende Wirkung auf alle Bereiche des Rechts" 38 entfalten muß. Bezüglich der allen Bürgern zustehenden Freiheitsrechte ist weitgehend anerkannt 3 9 , daß die grundrechtlichen Wertmaßstäbe 37 Der Bundesgesetzgeber versucht i m E n t w u r f f ü r ein Hochschulrahmengesetz offensichtlich beides: Einerseits zeigen die Vorschriften der §§9, 10, 11 über die Planungsbefugnisse von Hochschulen u n d Ländern u n d § 60 über die von den Ländern zu bildenden Studienreformkommissionen eine V e r stärkung des Staatseinflusses, andererseits soll § 24 Abs. 5 (Anzeigepflicht an den Fachbereich bei von D r i t t e n finanzierter Forschung) Einflüsse von außen transparent machen. 38 Kubier, Über Wesen u n d Begriff der Grundrechte, Diss. Tübingen 1965, S. 197; vgl. BVerfGE 7, 198 ff. (205). 39 Das Bundesarbeitsgericht hat i n seiner Rechtsprechung schon f r ü h eine weite Auffassung bezüglich der E i n w i r k u n g der Grundrechte auf p r i v a t -
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
über die sogenannten „Einbruchsstellen" 40 der Grundrechte in das bürgerliche Recht, nämlich die Generalklauseln, ihren Einfluß auf das Zivilrecht ausüben; zumindest gilt das für die wichtigsten Grundrechte 41 . Auch nichtstaatliche Kräfte müssen also die Schutzwirkung der Freiheitsrechte beachten und gegen sich gelten lassen. Für das „Grundrecht der Universität" ergeben sich vor allem zwei Differenzierungen. Einmal steht dieses Grundrecht nicht allen Rechtssubjekten zu, gehört also i n diesem Sinne nicht zu jenen grundlegenden Wertentscheidungen, die als die „wichtigsten" Grundrechte zu den Grundlagen der gesamten Rechtsstaatlichkeit gehören; es könnte insofern fraglich sein, ob eine Einwirkung auf „alle Bereiche des Rechts" i n Betracht kommt. Man hätte sich möglicherweise damit zu begnügen, nur bestimmte Teilbereiche der sozialen Beziehungen von Hochschule und gesellschaftlichen Kräften unter diese Wirkung zu stellen; die zahllosen privatrechtlichen Verträge, die i m Zuge der Hochschulverwaltung geschlossen werden, dürften vielfach m i t dem Freiheitsbereich der Wissenschaftpflege nicht das geringste zu t u n haben, so daß hier ein „Einbruch" des Grundrechts nicht stattfinden kann. I n diesem Bereich ergibt sich auch die zweite Differenzierung: Die i m Sinne der Freiheitsgarantie erheblichen Begegnungen von Hochschule und Gesellschaft spielen sich nicht einfach i m Bereich des Zivilrechts ab, und die Generalklauseln des Privatrechts spielen hier nicht die Rolle wie unter Privatrechtssubjekten. Vielmehr sind diese Beziehungen vielfach gebrochen und mediatisiert durch das Auftreten von Stiftungen und wissenschaftsfördernden Einrichtungen, die unter öffentlichrechtlichen wie auch privatrechtlichen Gesichtspunkten wirksam werden; das öffentliche Recht vermittelt hier über Forschungsförderung, Stipendien, beamtenrechtliche Regelungen über Nebentätigkeit und manches andere Beziehungen, die erst in der letzten, technischen Phase der Durchführung zivilrechtlichen Charakter annehmen. N i m m t man noch die Wirksamkeit von allerlei halboffizielrechtliche Rechtsverhältnisse vertreten; vgl. U r t e i l v. 23.3.1957 — 1 A Z R 326/56 — zu A r t . 3 GG (Gleichberechtigungsgrundsatz); U. v. 23.2.1959 — 3 A Z R 583/57 — zu A r t . 5 Abs. 1 GG; U. v. 10. 5.1957 — 1 A Z R 249/56 — zu A r t . 6 Abs. 1 GG (Grundgesetzwidrigkeit einer „Zölibatsklausel"); U. v. 29.6. 1962 — 1 A Z R 343/61 — zu A r t . 12 GG (GG-Norm greift i n Privatrechtsbeziehungen ein). ™ BVerfGE 7, 198 ff. (206), „ L ü t h - U r t e i l " ; vgl. auch E 12, 124. 41 Vgl. z.B. Leibholz - Rinck, Grundgesetz, Vorbemerkungen A n m . 2, oder Schmidt - Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Vorbem. v o r A r t . 1, Anm. 6 bis 8. Z u m ganzen auch Nipperdey, Grundrechte u n d Privatrecht, i n : Festschrift f ü r E. Molitor, München—Berlin 1962, S. 17 ff.; Leisner, G r u n d rechte und Privatrechte, München 1960. Kubier, S. 197, sieht hier noch nicht die eigentliche „ D r i t t w i r k u n g s " - P r o b l e m a t i k (s. dort Note 2), stellt aber auch fest, daß „das Wertsystem des Grundrechts . . . als verfassungsmäßige G r u n d entscheidung f ü r alle Bereiche des Rechts gelten (muß) ";er weist auch darauf hin, daß auch „das Verwaltungsrecht vom Verfassungsrecht . . . überlagert und durchdrungen (wird)".
Α. Die Autonomie der Hochschule
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len Gremien und Gruppierungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft hinzu, so ergibt sich hier eine A r t von grauer Zone, ein Zwischenbereich, der den geradlinigen Zugang des Grundrechts zu den Beziehungen zwischen Hochschule und gesellschaftlichen Einflußkräften i m Sinne der „ D r i t t w i r k u n g " erschwert. Das hindert aber nicht, den Gedanken weiterzuentwickeln, daß jedermann i n seinen rechtlichen Beziehungen zum Hochschulwesen die Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 3 GG beachten und gelten lassen m u ß 4 1 a . Für den Staat würde sich aus einer solchen Auffassung vom Grundrecht der Universität ergeben, daß er bei seinen Regelungen i m Hochschulwesen versuchen muß, dieser Wirkung der Wissenschaftsfreiheit Geltung zu verschaffen und Vorschub zu leisten. Diese Forderung beträfe allerding dann nicht mehr nur den Hochschulbereich allein, sondern auch andere Bereiche, die mit Wissenschaft und Hochschule i n Beziehung stehen und m i t ihr „kontrahieren". Durch eine Orientierung am solcherart interpretierten A r t . 5 Abs. 3 GG hätte der Staat die Hochschulen i n den Stand zu setzen, sich selbst zu schützen, statt bei i h m um Schutz nachzusuchen. Er kann sich direkter Eingriffe i n das Hochschulwesen dann, aber nur dann, enthalten, wenn dafür gesorgt ist, daß sie ein rechtliches und organisatorisches Skelett besitzt, das aus eigener K r a f t haltbar und tragfähig ist. I I I . Grundlagen und K r i t i k des Autonomiebegriffs
Hinter dem Inhalt und der Funktion der Hochschulautonomie stehen bestimmte Bedürfnisse und Vorstellungen. Die Frage, wie die Hochschule heute zu Staat und Gesellschaft steht und wie ihre Beziehungen geregelt werden sollen, läßt sich nur beantworten, wenn Klarheit gewonnen ist über Aufgaben und Rolle der Wissenschaft einerseits und über das Verständnis vom Staat andererseits. I m hergebrachten Autonomiebegriff haben sich ein bestimmtes Wissenschafts- und ein bestimmtes Staatsverständnis ausgeprägt; der Versuch, Autonomie für unsere Zeit und für die nächste Zukunft so zu bestimmen, daß der Begriff inhaltlich eine Grundlage für alle Teilfragen der Beziehungen von Hochschule und Staat und einen Maßstab für alle Einzelregelungen 41a Der Gedanke einer D r i t t w i r k u n g des A r t . 5 Abs. 3 GG wurde auf der Staatsrechtslehrertagung i n Bochum v o m 2. bis 5. Oktober 1968 andiskutiert, vgl. W D S t R L 27 (1969), S. 202 (Vogel) u n d S. 212 (W. Weber). Schlink, Das Grundgesetz u n d die Wissenschaftsfreiheit, Der Staat 1971, S. 244 ff., hat gegen eine D r i t t w i r k u n g des Grundrechts aus A r t . 5 Abs. 3 GG weniger Bedenken als gegenüber der aus anderen Grundrechten, S. 253. Vgl. auch die übrigen Ausführungen zum Schutzzweck des A r t . 5 Abs. 3 GG, insbesondere die Ausgrenzung der Wissenschaft i n der Hochschule aus der gesamten Wissenschaft.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
in diesem Bereich hergibt, muß mit der Prüfung beginnen, ob die überkommenen Bedürfnisse und Vorstellungen hinter dem Autonomiebegriff noch der Realität entsprechen, u m dann entscheiden zu können, ob und inwieweit Hochschulautonomie erforderlich ist und was sie beinhalten soll. Das w i r d i m folgenden durch eine kurze Bestandsaufnahme und K r i t i k untersucht. 1. Das traditionelle Wissenschaftsverständnis
a) Die Rolle der Geisteswissenschaften Die Wissenschaftspflege, die durch die Autonomie der Hochschule geschützt wird, ist entscheidend geformt worden von der sogenannten Geisteswissenschaft. Für deren Entwicklung ist der deutsche Idealismus grundlegend geworden 42 : Die Aufklärung mit ihrer Rationalitätsgläubigkeit und ihrer abstrakten Aufgliederung der philosophischen Weltschau i n einzelne Erkenntnisbereiche entsprechend den neuen wirtschaftlichen, sozialen und intellektuellen Gegebenheiten sollte überwunden werden. Die Anzeichen der beginnenden wissenschaftlichindustriellen Revolution ließen die Wurzeln der klassischen Philosophie und Metaphysik i n der christlich-abendländischen Tradition noch einmal deutlich hervortreten, und der Idealismus versuchte, der sich ankündigenden Industrialisierung, der Funktionsdifferenzierung, dem Konkurrenzkampf und der Interessenpluralität der sich wandelnden K u l t u r einen Uberbau auf der höheren Ebene der Vernunft, eine umfassende Interpretation des Weltprozesses entgegenzustellen. So wandte sich die Geisteswissenschaft „dem überpersönlichen Tiefsinn sittlicher Ordnungen und dem Werden sittlicher Mächte zu und verdammte als böses Prinzip: Alles Willkürliche, Gemachte, Mechanische, Künstliche, bloß Formale und Abstrakte" 4 3 . So entwickelte die Geisteswissenschaft ihr Selbstverständnis als bewußtes Pendant zur Naturwissenschaft — die deutliche und bis heute fast selbstverständliche Scheidung dieser Begriffe fällt in diese Entwicklung —, und so entstand das Leitbild des Wissenschaftlers: Auf der Suche nach globaler Erkenntnis, der antiken und christlich-abendländischen Tradition verpflichtet, geprägt von einem Humanismus, der den Menschen auf die ethische Substanz seines Tuns verwies. Das hinderte nicht, daß die wissenschaftliche Bildung besonders durch Humboldt auch einen durchaus beruf praktischen Stellenwert zugewiesen erhielt: Dem so zu bildenden 42 F ü r eine genaue wissenschaftstheoretische Erörterung dieser E n t w i c k lung ist hier kein Raum; die stich wortartige Darstellung lehnt sich vor allem an Topitsch, Die Freiheit der Wissenschaft und der politische A u f t r a g der Universität, bes. S. 24 ff., S. 7 ff., an. ™ Topitsch, S. 25.
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Α. Die Autonomie der Hochschule
Staatsdiener werden.
sollten gerade jene übergreifenden
b) Selbstverständnis
Werte
vermittelt
und Autonomie
Dieses Leitbild ist nicht auf den Geisteswissenschaftler beschränkt geblieben. Es wurde verpflichtend für den Gelehrten überhaupt und prägte die Auffassung von seinem Tun und seiner Rolle i n der Gesellschaft ebenso wie die Vorstellungen von seiner Wirkungsstätte, der Universität 4 4 . Noch heute steht nicht selten i m Vordergrund der wissenschaftlichen Aufgabenstellung die individuelle Erkenntnissuche 44a , das Streben nach einer Durchdringung des Wesens, der Ursachen und Zusammenhänge der Erscheinungen der Welt. Dieses als menschliches Grundbedürfnis begriffene Streben erhält dann auch eine soziale Funktion: Die Beschäftigung mit der Wissenschaft bildet den Menschen, macht ihn autonom und setzt ihn i n den Stand, seine und seiner M i t menschen Notwendigkeiten und Bedürfnisse zu erkennen und ihren Standort i n der Welt der Ordnungen und Zusammenhänge zu bestimmen. Darin w i r d sodann die Relativität von Erkenntnissen, aber auch der Ausgangspunkt sichtbar. Endgültig und unwandelbar Wahres gibt es nicht, alle Ergebnisse bleiben vorläufig, angreifbar, widerlegbar. Das bedeutet, daß die Wissenschaft aus sich selbst heraus weiterentwickelt und fortgetrieben wird, was zu der Uberzeugung führt, daß die Wissenschaft nur aus sich selbst heraus inhaltlich zu bestimmen, zu begründen und zu rechtfertigen sei 45 . Wenn sie aber dergestalt aus sich selbst lebt, dann darf sie nicht von außen her bestimmt, beeinflußt und in Pflicht genommen werden 4 6 ; sie hat zwar politische und gesellschaftliche 44 Vgl. Schelsky, Einsamkeit u n d Freiheit, S. 65 ff., S. 79 ff. 44a Das dürfte, bei aller Team-Arbeit, auch i n Z u k u n f t insofern der F a l l sein, als die wesentliche persönliche M o t i v a t i o n für Wissenschaft immer das „Wissen-Wollen", die Suche nach Wahrheit u n d gesicherten Erkenntnissen, sein w i r d ; ob m a n dem i n ausschließlich individueller Arbeit oder i m Team zustrebt, bestimmt sich mehr aus methodischen u n d strukturellen Gesichtspunkten. 45 Es ist bekannt, daß der Marxismus diese Position als „bürgerlichen Objektivismus" u n d „bürgerlichen Relativismus" bezeichnet u n d davon ausgeht, daß auch die Wissenschaft i m m e r ihren gesellschaftlichen Hintergrund reproduziert, folglich nicht „ w e r t f r e i " sein könne, aber parteiisch sein müsse. Eine Auseinandersetzung m i t diesen Fragen ist i n diesem Zusammenhang nicht möglich. Verwiesen sei hier — stellvertretend f ü r viele — auf Bloch, Parteilichkeit i n Wissenschaft u n d Welt, i n : Aufbau, 7. Jahrg. 1951, S. 593 ff. Vgl. ferner die Positionen der „ F r a n k f u r t e r Schule", z.B. Habermas, E r kenntnis u n d Interesse, F r a n k f u r t 1968; Horkheimer, Kritische Theorie, F r a n k f u r t 1968. 46 I n letzter Zeit w i r d gelegentlich ein sog. „kritizistischer" Wissenschaftsbegriff vertreten: Der Wissenschaftler soll aus einem Ethos heraus k o n t r o l -
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
Relevanz, aber die Qualität dieser Relevanz darf nicht i n ihre Voraussetzungen eingehen. Alles, was von außen kommt, ist somit sachfremd und der Wissenschaft tendenziell abträglich. Diesem Verständnis von Wissenschaft w i l l die Autonomie der Hochschule Rechnung tragen. Aus i h m läßt sich konsequent die Forderung ableiten, der Staat habe um der „Zweckfreiheit und selbstgenügsamen Lebendigkeit der wissenschaftlichen Bildung und Forschung" 47 willen diesen Bereich einmal sich selbst, dem staatlichen Verwaltungsapparat, weitgehend auszugrenzen, und außerdem i h n vor politischen, an Machtund Verwertungsinteressen orientierten Einflüssen und Eingriffen abzuschirmen. „Diese Freiheit von der Gesellschaft w i r d i n unserem Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3, als Freiheit der Wissenschaft garantiert 4 8 ." Heute muß gefragt werden, ob die Autonomie der Hochschule noch aus diesem „Wesen" der Wissenschaft begründet werden kann, oder ob sie nicht angesichts einer tiefgreifenden Wandlung der gesellschaftlichen Rolle der Wissenschaft eine andere, vielleicht viel bedeutsamere Funktion haben muß. 2. Einheit von Forschung und Lehre
Zunächst ist auf einen Komplex einzugehen, der eine Ausprägung des oben skizzierten Wissenschaftsverständnisses darstellt, an dem sich aber auch ein wichtiger Aspekt der Autonomieproblematik aufzeigen läßt. Die Hochschule treibt ja nicht — besonders heute nicht — reine Wissenschaft i m Sinne von Erkenntnissuche, sondern sie bewerkstelligt i n dauernd wachsendem Ausmaß die Ausbildung für Berufe. Die Ausbildung soll traditionell unter Einbeziehung der wissenschaftlichen Forschung erfolgen; die Lehre stellt sich dar als Vermittlung von wissenschaftlich gefundenen und aufbereiteten Erkenntnissen. A n der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit nimmt sie gemeinsam mit der Forschung teil: Geschützt ist die „Einheit von Forschung und Lehre". a) Begriffswandel Diese Einheit hat i m Laufe der Zeit eine Wandlung erfahren. Während zur Zeit Humboldts tatsächlich bedeutende Werke besonders in lieren können, was m i t seinen Ergebnissen geschieht. Diesen Anspruch erhebt z.B. Fischer - Appelt, Wissenschaft u n d Politik, D U Z 1971, S. 325 ff. (327). Vgl. auch Wagner, Friedrich, Die Wissenschaft u n d die gefährdete Welt, München 1964; Eckert, Wissenschaft u n d Demokratie, Tübingen 1971, S. 34 (für politische K o n t r o l l e anstelle einer Verantwortung aufgrund personaler Ethik); Myrdalj Das Wertproblem i n der Sozialwissenschaft, Hannover 1965, S. 82. 47 So Schelsky, Abschied . . . , S. 155, kritisierend. 48 Schelsky, Abschied . . . , S. 183.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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der philosophischen Fakultät — etwa Fichtes, Hegels oder Schellings — als Vorlesungen produziert und auch so vermittelt wurden 4 9 , so hat sich die Einheit von Forschung und Lehre seither auf den Tatbestand zurückgezogen, daß ein und dieselbe Person sowohl forscht als auch lehrt; die Einheit ist also eine solche i n der Person. Dabei w i r d davon ausgegangen, daß der Forscher selbst am besten zur Umsetzung der Materie i n die Lehre befähigt sei, und daß umgekehrt der Zwang zur Veröffentlichung als Selbstkontrolle und Impuls für die Forschung notwendig sei 5 0 ; i n die pädagogische Befähigung des Forschers werden freilich gelegentlich Zweifel gesetzt 51 . Aber auch diese Einheit i n der Person verschwindet heute langsam: Sie w i r d von beiden Komponenten des Begriffs gesprengt. Die Forschung zeigt eine rapide Entwicklung zur immer vielfältigeren Spezialisierung, die zu immer unübersichtlicheren Mengen an Einzelinformationen führt, die teilweise nur noch mittels elektronischer Datenverarbeitung verfügbar gemacht, i n den hergebrachten Formen der Lehre aber schwerlich noch vermittelt werden können; und die Lehre erzwingt durch dauernd wachsende Studentenzahlen und ebenfalls durch inhaltliche Differenzierung eine Ausweitung der Lehrkörper und damit auch eine Änderung ihrer Struktur sowie Veränderungen in den didaktischen und technischen Methoden der Lehre. Der Versuch, an dieser personellen Einheit von Forschung und Lehre dennoch festzuhalten, sei es durch eine Aufspaltung des Lehrkörpers i n Professoren und Assistenzprofessoren, die mehr der Forschung bzw. mehr der Lehre verpflichtet sind 5 2 , sei es durch die Gewährung von Forschungssemestern für die Lehrer, droht dahin zu führen, daß die Forschung sich zunehmend aus den Hochschulen herausverlagert an Institutionen, die durch Lehraufgaben nicht behelligt werden. Schon heute w i r d ein bedeutender Teil der wissenschaftlichen Forschung außerhalb der Institution Hochschule geleistet 53 . Sollte die Hochschule sich eines Tages ganz auf die — dann nicht mehr wissenschaftliche — Lehre beschränken, so bedürfte sie der herkömmlichen Autonomie ohnehin nicht mehr, wohingegen sich die Autonomiediskus49 Vgl. Schelsky, Abschied . . . , S. 153. so Vierhaus, Forschung an der Universität, D U Z 1970 Nr. 21, S. 3 ff., zeigt die Bedingungen u n d Argumente auf u n d bezeichnet die Verbindung von Lehre u n d Forschung als „ein sachliches Erfordernis". si Schelsky, Abschied . . . , S. 154. 52 Das sieht ζ. B. § 41 Abs. 3 des Entwurfs der Bundesregierung für ein Hochschulrahmengesetz vor. 53 Vgl. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 32 ff., S. 108 bis 114, S. 410 bis 427; Bundesforschungsbericht 1967, S. 97; Handbuch „Deutsche Stiftungen für Wissenschaft, B i l d u n g u n d K u l t u r " , herausgegeben v o m Stifterverband f ü r die Deutsche Wissenschaft, Baden-Baden 1969; Beschreibung der wichtigsten Organisationen bei Abelein (Hrsg.), Deutsche K u l t u r p o l i t i k , Dokumente, S. 211 bis 486.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
sion möglicherweise auf die Einrichtungen außerhalb der Hochschule 54 verlagern könnte 5 5 . b) Bildung
durch Wissenschaft?
I m Verlust der bisherigen wenigstens personellen Einheit von Forschung und Lehre spiegelt sich der Verlust des bisher festgehaltenen Verständnisses von Sinn und Aufgabe der Hochschulausbildung: Die „Bildung durch Wissenschaft", der sittliche Erziehungswert der Beschäftigung m i t der Wissenschaft, ist für den Lernenden i n der Hochschule von heute nicht mehr gegeben, und fast ebensowenig ist sie es noch für den m i t Lehr- und Verwaltungsaufgaben überlasteten Wissenschaftler. Die einzige Humboldts Ideal noch irgendwie verwandte Position wurde von einem Teil der „Neuen Linken" vertreten m i t ihrem Verständnis der Wissenschaft als emanzipatorisch und bewußtseinsbildend. Demgegenüber hat sich sonst ein instrumentelles Verständnis von Wissenschaft durchgesetzt: Methoden und Techniken, u m bereits erkannte Phänomene besser darstellen, i n wechselnde Zusammenhänge rücken, Informationen sammeln und verfügbar machen zu können. Das betrifft freilich zunächst und i n erster Linie die Naturwissenschaften, deren Primat aber immer deutlicher wird, und zwar auch i n anderen Disziplinen durch die Hereinnahme naturwissenschaftlich entwickelter und zu handhabender Methoden. Auch dieser Vorgang ist von Bedeutung für den Inhalt des Autonomiebegriffs. Eine weitere Entfernung der Wissenschaft von der Ausbildung, die unter verschiedenen Gesichtspunkten unerwünscht sein muß 5 6 , würde den Verlust einer wichtigen Dimension nach sich ziehen: die Verantwortung für den Inhalt der Lehre an den Hochschulen. Auch wenn heute Inhalte der Lehre quantitativ und qualitativ — das läßt sich nicht trennen — mitbestimmt werden durch vorhandene Kapazitäten, durch Bedarfsprognosen und Prioritätensetzungen von außerhalb der Hochschulen her, so bleibt die Bestimmung von Inhalten und Richtungen i n den einzelnen Fragestellungen bisher doch noch i n erheblichem Umfang bei der Lehre der Universitäten, auch wenn diese sich ihrerseits nicht mehr ausschließlich an „Richtlinien" der eigenen Forschung zu halten vermag. Es fragt sich, ob Hochschulautonomie nicht gerade i m Interesse der Lehre ihren Sinn hat, freilich einen Sinn, der sich nicht mehr ohne weiteres aus dem „Wesen der Wissenschaft" herleiten läßt. 54 Das Handbuch des Stifterverbandes (s. o.) zählt 629 Institutionen auf, von denen 27 °/o eigene Programme aufstellen u n d durchführen. 55 E i n Vorstoß i n diese Richtung bei Bull, Staatlich geförderte Forschung i n privatrechtlichen Institutionen, WissR 1971, S. 35 ff. 56 Vgl. Vierhaus, D U Z 1970 Nr. 21, S. 3 ff.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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3. Kulturstaat und verwissenschaftlichte Zivilisation
Die oben i n Frage gestellte überkommene Auffassung von Wesen und Aufgabe der Wissenschaft erfährt heute Ablehnung von den verschiedensten Seiten. Das liegt daran, daß die Wissenschaft heute insgesamt eine wesentlich gewandelte Funktion i n der Gesellschaft hat gegenüber der Zeit, i n der die Grundlagen des traditionellen Wissenschaftsverständnisses gelegt wurden. Diese Wandlung betrifft die Rolle der Wissenschaft i n der Gesellschaft überhaupt, konkret aber die Rolle der wissenschaftlichen Institution Hochschule i n der Aufgabenstellung des Staates. a) Wissenschaft
als kultivierende
Kraft
Die Einschätzung der Rolle der Wissenschaft i n Gesellschaft und Staat gehört, so wie sie den hergebrachten Autonomiebegriff trägt, in die Konzeption des Kulturstaats 5 7 . Danach ist das i n sich selbst ruhende geistige Leben der Wissenschaft Teil und Movens einer sich weiterentwickelnden und versittlichenden K u l t u r ; der Staat zieht seine sittliche Existenzberechtigung letztlich aus der Förderung von K u l t u r und geistig-ethischem Fortschritt, und man hat den Staat sogar selbst als Kulturgebilde begriffen 58 , und zwar nicht als ein Kulturgebilde, sondern sogar als das eigentliche: „Es gibt keine K u l t u r , wenn nicht der Staat i n der Fülle seines Seins wiedergewonnen w i r d ; es gibt keinen Staat, wenn er nicht die Fülle der K u l t u r sich anzuverwandeln vermag; es gibt i n der modernen Welt weder K u l t u r noch Staat ohne ihre gemeinsame Selbstentfaltung i n und zum Kulturstaat 5 9 ." Indessen verbindet sich mit dem Begriff der K u l t u r traditionell eine Abgrenzung gegenüber dem Bereich dessen, was der Mensch zur Beherrschung seiner Umwelt und zur Gestaltung seines Zusammenlebens ins Werk setzt. Die als vergleichsweise „roh" gedachte politische Kraft bei der Austragung von Interessenkonflikten, bei der Ausübung von Macht über Menschen und Verhältnisse und bei der Errichtung und Konsolidierung größerer sozialer Einheiten ist dem Begriff der K u l t u r nie eingeordnet worden, auch nicht i n Begriffen wie „ K u l t u r p o l i t i k " , bei dem „die Problematik mit der Bezeichnung (beginnt)" 60 . I n diesen überhöhten und vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben abgehobenen Kulturbereich gehört die Wissenschaft traditionell 57 Vgl. insgesamt Huber, Z u r Problematik des Kulturstaats, Tübingen 1958; Köttgen, Das Grundrecht der deutschen Universität, Göttingen 1959. 58 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 16. 59 Huber, S. 6. co So Abelein (Hrsg.), Deutsche K u l t u r p o l i t i k , S. 11. 6 Zeh
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
m i t hinein. Daraus ergibt sich die Forderung nach dem Kulturstaat, der „ i n seinen staatlichen Maßnahmen gegenüber den Institutionen der Bildung und Wissenschaft diese um ihrer selbst, nicht aber um der Zwecke willen wollen und unterstützen (müsse), die der Staat aus seinen Macht- und Sozialinteressen damit verbindet" 6 1 . Der Staat, das ist wesentlich für diese Konzeption, kann seine Haltung zur Wissenschaft freiwillig bestimmen und ist aufgefordert, als ihr Förderer und Mäzen auf zutreten. b) Wissenschaft
zur Selbsterhaltung
Gleichgültig, wie weit man den Begriff der K u l t u r fassen möchte, und jenseits aller Fragen nach der eigentlichen Bedeutung dieses Begriffs muß festgestellt werden, daß die Auffassung vom Kulturstaat als der höchsten Form der Staatlichkeit und von seinem „kulturstaatlichen" Verhalten gegenüber Wissenschaft und Bildung nicht mehr m i t der Bedeutung harmoniert, die die Wissenschaft heute für Staat und Gesellschaft hat. Wissenschaft gehört nicht mehr ins Feuilleton, sondern i n den politischen Teil. Das hat seinen Grund darin, daß Wissenschaft und wissenschaftliche Methodik heute i n so vielen Lebensbereichen die entscheidende Rolle spielen, daß von einer „Verwissenschaftlichung der Gesellschaft, des Staates und der Wirtschaft" 6 2 mit Recht gesprochen werden kann. Nicht nur der Fortschritt in den Naturwissenschaften als solchen m i t seiner immensen Bedeutung für die wirtschaftliche und außenpolitische Position eines Staates 63 ist i n dieser Hinsicht bedeutsam, sondern auch die Tatsache, daß heute die wissenschaftliche Bewältigung von Informationen jeder A r t (und damit deren Verfügbarkeit), die Stäbe von Spezialisten und Beratern, die Verwertung von Erkenntnissen der Human- und Sozialwissenschaften von der Waschmittelwerbung bis zur psychologischen Kriegführung über Sein oder Nichtsein von Industrien, Parteien, Verbänden und schließlich des ganzen Staates nach innen wie i m Wettbewerb mit anderen Staaten entscheiden. Diese Entwicklung steht erst am Anfang; sie geht auf eine Durchdringung von immer weiteren Bereichen mit wissenschaftlicher Methodik und ent61 Schelsky, Abschied . . . , S. 183. 62 Schelsky, Einsamkeit u n d Freiheit, S. 204, und Abschied . . S . 180. 63 Servan - Schreiber, Die amerikanische Herausforderung, Hamburg 1968, stellt i n Kap. 7 den „Denison-Bericht" vor u n d berichtet: „Die Ausbildung ist der wichtigste Faktor. Er (Denison) setzt i h n darum an die Spitze der Wirtschaftsfaktoren der Expansion." I n einer darauf folgenden Analyse der Fachgebiete w i r d festgestellt, daß i n den USA der A n t e i l der Naturwissenschaftler an den Diplomierten über dreimal so groß ist wie i n den E W G Ländern.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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sprechendem Instrumentarium. Insofern kann von einem „Leistungszusammenhang von Wissenschaft, Staat und Wirtschaft" 6 4 gesprochen werden, auch wenn die Begriffe verschiedenen Ebenen angehören. Das zwingt dazu, Wissenschaft nicht länger als „ K u l t u r " i m Sinne eines selbstgenügsamen und „freiwilligen" Gegenstandes menschlicher Selbstverwirklichung anzusehen. Wissenschaft dient unbestreitbar bestimmten, außerhalb ihrer selbst liegenden Interessen, und sie w i r d verwertet, ganz unabhängig davon, ob man das möchte oder nicht. Weil gerade der Staat i n so hohem Maße auf ihre Ergebnisse und Methoden angewiesen ist, muß es i h m zunehmend schwerer werden, einmal sich selbst nicht der gesamten Institution Hochschule zu bemächtigen, zum anderen aber auch, sie abzuschirmen gegen die Verwertungsinteressen von Gruppen und Kräften der Gesellschaft. Denn i n einem liberalen und pluralistischen Staatsgebilde wie der Bundesrepublik Deutschland soll der Staat ja nicht als Apparat alles alleine machen, sondern es w i r d auf freies Zusammenspiel nichtstaatlicher Initiativen gesetzt; folglich muß dem Staat geradezu daran gelegen sein, daß Wissenschaft von der Gesellschaft, d. h. von ihren Mitgliedern, benutzt und verwertet wird, weil der Staat als solcher anders nicht konkurrenzfähig bleiben könnte i m Wettbewerb der modernen Leistungsgesellschaften, bei dem wissenschaftlicher Standard die Schlüsselrolle spielt: Hoher Standard w i r k t durch die sich immer mehr beschleunigende Entwicklung potenzierend, niedriger Standard bedeutet Rückschritt und wirtschaftliche sowie politische Abhängigkeit. Der Staat darf also die kulturstaatliche Neutralität nicht beibehalten. Die Wissenschaft „kann nicht erwarten, daß Staat und Gesellschaft sich ihr gegenüber neutral verhalten und sie wie die Kunst nur als geistig und sittlich läuternde Kraft verehren und pflegen. Sie muß sich vielmehr bewußt sein, daß sie Machtchancen verwaltet und fortentwickelt, auf die Staat und Gesellschaft nicht verzichten können" 6 5 . Freilich macht der Staat i n der Praxis gar kein Hehl aus seiner Nachfrage nach den „Machtchancen"; er betreibt, insbesondere auch außerhalb der Hochschulen, Forschungsförderung, t r i t t allgemein als Innovator der wissenschaftlich-technischen Entwicklung i n Erscheinung und bedient sich wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden, so gut er kann 6 6 . Die Frage ist dabei nur, welche Forderungen aus diesem Tatbestand für die Autonomiediskussion und für die Hochschulreform insgesamt gezogen werden müssen: sicherlich nicht die, der Staat möge doch die 64 Schelsky, Abschied . . . , S. 181. 65 Raiser , S. 16. 66 Dazu insgesamt Lohmar, Wissenschaftsförderung u n d Politik-Beratung, Gütersloh 1967. 6*
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Wissenschaftspflege ganz an sich ziehen, und auch nicht die entgegengesetzte, der Staat möge sie ganz den gesellschaftlichen Mächten überantworten, wenn er ihrer doch zu seiner Existenz i n so hohem Maße bedürfe. Vielmehr w i r d ein zutreffend ausformulierter Autonomiebegriff den Staat i n die Rolle eines Vermittlers zwischen den wissenschaftlichen Intitutionen und den gesellschaftlichen Ansprüchen stellen müssen. c) Identifizierung
von Staat und Gesellschaft
Es ist schon kurz festgestellt worden, daß es dem liberalen Staat schwerfallen muß, den Zugriff der gesellschaftlichen Machtgruppen auf die Wissenschaft und ihre Institutionen zu beschränken, daß er i m Gegenteil eigentlich sogar dazu animieren muß. Dieser Konflikt beruht auf einer Entwicklung, die nicht i m Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft begründet ist, sondern i n einer allgemeinen Wandlung des Staatsverständnisses; man könnte sie als „Identifizierung von Staat und Gesellschaft" bezeichnen. Dieser Vorgang muß kurz dargestellt werden, weil er das Problem verschärft 66 *. Während i n den Verfassungen der westlichen Demokratien noch vor allem die Errungenschaften des Liberalismus formuliert sind — Zurückdrängung der „Obrigkeit", Gewährleistung von Abwehrrechten gegen den Staat, Sicherung von Freiräumen für die Entfaltung individueller Interessen, Staat i n der Rolle einer neutralen Konfliktregelungsinstanz, i m übrigen Vorsorge- und Wohlfahrtseinrichtung —, hat die Entwicklung des Verhältnisses von Gesellschaft und Staat seit geraumer Zeit die Richtung geändert. Immer deutlicher t r i t t das Bedürfnis hervor, den einzelnen Bürger aus seiner Privatheit herauszuholen und ihn für öffentliche Angelegenheiten zu engagieren. Zugleich w i r d die Willensbildung in den dafür vorgesehenen Institutionen über Verbände und Gruppen zunehmend von partikularen Interessen bestimmt. Ebenfalls zugleich t r i t t infolge der wachsenden Kompliziertheit, aber auch Labilität der wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten an die Stelle der kaum noch koordinierbaren freien Einzelentscheidung zunehmend die Planung und Lenkung. Der Staat t r i t t so aus der Position der übergeordneten neutralen Instanz heraus i n die des aktiv m i t wirkenden und konkurrierenden Partners anderer Kräfte. Immer mehr Aufgabengebiete werden zu groß, als daß „private" Kräfte sie noch be66a Dazu insgesamt Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat u n d Gesellschaft i m demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, i n : Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Beilage 49 zu Das Parlament v o m 4. Dez. 1971, der i n diesem Zusammenhang eine „Identifikation von Staat u n d Wirtschaft" feststellt (S. 14) u n d i n diesem Vorgang ein „fortschreitendes Unterlaufen der Grenzlinie zwischen Staat und Gesellschaft" sieht (S. 15). Dort auch weitere Nachweise.
Α. Die Autonomie der Hochschule
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wältigen könnten, und offenbaren gleichzeitig ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz, die wiederum nach öffentlicher Wahrnehmung verlangt. Der Staat schiebt sich, und sei es zunächst nur subventionierend, über immer mehr ehemals private Bereiche gesellschaftlicher Interessen und Aktivitäten, verliert aber dabei gleichzeitig zunehmend die Legitimation und die Kraft zu selbständigen und dauerhaften Entscheidungen. Auf der anderen Seite versteht sich die Gesellschaft i n ihren Gruppierungen und „privaten" Institutionen zunehmend öffentlich, „staatlich", als Treuhänder gemeinwichtiger Aufgaben und Interessen; zudem haben bestimmte Gruppierungen ein Gewicht erreicht, das den Staat abhängig macht und ihn zur Kooperation zwingt (ein Beispiel stellt die „konzertierte Aktion" dar, ein anderes die Tatsache, daß Außen- und Entwicklungspolitik gelegentlich von Angestellten großer Wirtschaftsunternehmungen vorbereitet und betrieben wird, während der Staat umgekehrt einspringen muß, wenn solche großen Betriebe zu faillieren drohen). Die Unterscheidung von „privater" und „öffentlicher" Wahrnehmung gesellschaftlicher Zwecke verschwimmt. Für den sozialen Aufgabenbereich Wissenschaft bedeutet das, daß m i t der herkömmlichen Forderung nach Autonomie der wissenschaftlichen Institution Hochschule ein Verlangen an den Staat gerichtet wird, das er i n zweifacher Hinsicht nur höchst unvollkommen erfüllen kann: Insofern er mit mächtigen Gruppierungen und Formationen der Gesellschaft konkurrieren muß, kann der Staat sich des unmittelbaren Zugriffs auf die Wissenschaftspflege nicht enthalten, wenn er Schritt halten w i l l mit dem Machtzuwachs jener; insofern er angewiesen ist auf die politische A k t i v i t ä t dieser gesellschaftlichen Gruppierungen, kann er diese nicht am Zugriff hindern. Es ist sinnlos, dagegen etwa zu fordern, der Staat dürfe eben nicht nur jene wissenschaftlich-technologischen Fortschritts- und Wettbewerbstendenzen unterstützen, sondern müsse bewußt seine Prioritäten anders setzen; er hat derzeit weder den Auftrag noch die Kraft dazu. Freilich ist die Lage so ein wenig kraß und einseitig dargestellt; tendenziell ist diese Entwicklung aber nicht zu übersehen. Es fragt sich angesichts dessen, welche Haltung der Staat zur Wissenschaftspflege einzunehmen hat. Sicher muß es dabei bleiben, daß der Staat für die Gesellschaft da ist und nicht umgekehrt; er muß also weiterhin ihren Vorteil mehren. Auch wenn er der Wissenschaft heute nicht mehr als Kulturstaat, sondern als technischer Staat gegenübertritt, muß er zwei Dimensionen berücksichtigen, die über die unmittelbare Nutzbarmachung wissenschaftlicher Ergebnisse hinausreichen: Zum einen muß er der Gesellschaft die Vorteile langfristiger wissenschaftlicher Arbeit sichern, weil die Benutzung wissenschaftlicher Institutionen als Zulieferer, als Dienstleistungsbetrieb zur Bearbeitung kurzfristiger Auf-
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gabenstellungen sie langfristig unfruchtbar machen und auspowern könnte; zum anderen hat er die Aufgabe, der Gesellschaft einen sozialen Bezirk zu erhalten, der kraft seiner Unabhängigkeit einen Vertrauensvorschuß zugestanden erhält, der ihn zu unparteiischer, nicht relativierbarer K r i t i k an Gesellschaft und Staat und damit zur Anregung von Innovationen i n den Stand setzt. 4. Zusammenfassung
Die oben ausgeführten Wandlungen und Entwicklungen in den Bereichen von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat sind die wesentlichen Gesichtspunkte, die bei der Bestimmung des Verhältnisses von Hochschule und Staat eine Rolle spielen. Stichwortartig zusammengefaßt sind es diese: — Wandlung des Wissenschaftsverständnisses von der individuellen Erkenntnissuche zur Wahrnehmung einer sozial erheblichen Aufgabe; — Veränderung der wissenschaftlichen Aufgabenstellung von der Durchdringung der Zusammenhänge zur Instrumentalisierung für den technischen Fortschritt; — Verlagerung der Hochschulbildung von der „Bildung durch Wissenschaft" zur Ausbildung von Spezialisten; — Wissenschaft als Existenzbedingung für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft i m modernen Industriestaat; — Wandlung des Kulturstaats zum technischen Staat i m Verhältnis zu Wissenschaft und Hochschule; — Identifizierung von Staat und Gesellschaft. Von diesen Feststellungen und ihrer Bedeutung für die Regelung der Beziehungen von Hochschule und Staat ist bei der Suche nach einem sinnvollen Autonomiebegriff auszugehen. Eine Reihe weiterer Bedingungen müssen hinzugenommen werden, die sich zum Teil aus diesen folgern lassen.
B. D i e Z u k u n f t der Hochschulautonomie I. Funktionen der Wissenschaftsfreiheit 1. Tauglichkeit des Begriffs
Feststellungen über die Situation von Wissenschaft und Hochschulwesen wie die i m vorigen Abschnitt haben manche Teilnehmer an der Reformdiskussion dazu geführt, die Autonomie der Hochschule als beendet anzusehen. Diesem Urteil w i r d zum Teil der enge Begriff der
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Autonomie als eigene Rechtssetzungsbefugnis der Hochschulen zugrundegelegt, die nach der Hochschulgesetzgebung durch Länder und Bund freilich weitgehend ausgehöhlt ist 6 7 , oder es w i r d auf den faktischen Kompetenzverlust der Selbstverwaltungsgremien abgehoben 68 . Autonomie ist auch als „sozial wirkungsloses" Grundrecht von Ordinarien verstanden worden 6 9 . Diesen Auffassungen ist gemeinsam, daß sie sozusagen „klassische" Autonomiebegriffe zugrundelegen, wie sie sich m i t wechselnden Schwerpunkten i m Laufe der Zeit gebildet haben. Es ist jeweils gemeint, Autonomie i m herkömmlichen Sinne sei nicht mehr festzustellen oder nicht aufrechtzuerhalten, oder sie stehe „ i n einem höchst allgemeinen und umfassenden Sinne zur Debatte" 7 0 . Es ist sicher richtig, daß der Begriff zur Diskussion steht und daß eine Neubestimmung seiner Inhalte notwendig ist. Dabei ist aber zunächst zu fragen, ob an diesem Begriff überhaupt festgehalten werden sollte, falls er keinerlei aus dem Wort zu entnehmenden Inhalt mehr hätte; i n diesem Falle wäre es besser, nach anderen Begriffen zu suchen. Ohne i n eine Diskussion aller sprachlichen Feinheiten einzutreten, läßt sich immerhin sagen, daß der Begriff Autonomie i n der Auseinandersetzung und Diskussion schon eine Ausweitung erfahren hat, die es nicht erlaubt, i h n nur i m Sinne eines einzelnen Aspektes zu verstehen, also etwa nur auf die Selbstgesetzgebungsbefugnis oder nur auf die Lehrfreiheit abzuheben. Der „Nomos", der mittels der Autonomie „selbst" geregelt werden soll, ist eben kein „Gesetz" i m wörtlichen, rechtlichen Sinne, sondern er ist Eigengesetzlichkeit und Gesetzmäßigkeit der Materie Wissenschaft; daran knüpfen sich bestimmte Auffassungen darüber, wie dieser Eigengesetzlichkeit Rechnung getragen werden soll. Das Wort Autonomie ist deshalb durchaus tragfähig für alle, auch veränderten, Inhalte, die aus der Erkenntnis solcher Gesetzmäßigkeiten und aus dem Bedürfnis ihrer Zuordnung zu anderen Gesetzmäßigkeiten herrühren. Darüber, daß für die Institution Hochschule weiterhin ein besonderer Status, besondere Regelungen, ein besonderes Selbstverständnis u. a. m. erforderlich sind, sind sich alle einig. Deshalb ist es legitim, für das Bündel all dieser Besonderheiten den Begriff Autonomie zu verwenden, wenn er nur zutreffend definiert werden kann. Nicht die Autonomie der Hochschule ist also beendet, 67 Schelsky, Abschied . . . , S. 136. 68 Schelsky, Abschied . . . , S. 135: „Die Autonomie u n d Selbstverwaltung der Hochschulen geht zu Ende." 69 Lepsius, Die Autonomie der Universität i n der Krise, i n : Was w i r d aus der Universität?, hrsg. von Gerhard Schulz, Tübingen 1969, S. 179 ff., geht auf diese Meinung ein. 7« Lepsius, S. 180.
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sondern bestimmte Tatbestände haben sich verändert, die bisher als die Verwirklichung und Ausfüllung der Autonomie galten. „Der Autonomieanspruch der Wissenschaft begründet eine Dauerproblematik, und daher ist die Geschichte der Universität die Geschichte ihrer Reform 7 1 ." 2. Verwertungsinteressen und langfristiger Ansatz
Nachdem festgestellt ist, daß der Staat die Hochschulgesetze macht, daß der Staat über die Hochschulfinanzierung die wissenschaftlichen Aufgabenstellungen beeinflußt, daß nur noch ein kleiner Teil der wissenschaftlichen Forschung auf das Hochschulwesen entfällt 7 2 , daß Forschung und Lehre immer weiter auseinanderfallen 73 , daß die Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen bei immer größerer Beteiligung immer uneffektiver werden 7 4 — nach alledem ist es fraglich, ob Autonomie noch irgendwie möglich oder zu wünschen ist. Autonomie für die Hochschule weiterhin zu fordern ist nur sinnvoll, wenn es tatsächlich noch erhebliche Gründe für sie gibt. Diese Gründe sind vorhanden, und ihre Darlegung zeigt zugleich Inhalt und Funktion des gewandelten Autonomiebegriffs, den es zu suchen gilt. a) Nutzen für die Gesellschaft Die Bedeutung der Wissenschaften für den Entwicklungsprozeß der modernen Gesellschaften darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese unmittelbare Wirksamkeit zwar heute i n jedem Einzelbereich und bei der Lösung jeder einzelnen Aufgabe i n Erscheinung tritt, daß aber hinter der Instrumentalisierung der Wissenschaft ein globaler Wandlungsprozeß abläuft. Zwar liegt der erste und manifeste Nutzen wissenschaftlicher Forschung darin, daß die wichtigsten Aufgaben i n Politik, Wirtschaft, Verwaltung und nicht zuletzt i n den Einzelwissenschaften selbst mit wissenschaftlichem Instrumentarium schneller, und das heißt vielfach, überhaupt gelöst werden können. Auf lange Sicht muß aber bezweifelt werden, daß dieser Aspekt der Wissenschaftlichkeit irgendwohin führt; er stellt einen kurzfristigen und sich zwangsläufig immer weiter verkürzenden Ansatz dar. Wissenschaft als Technik Lepsius, S. 186. Vgl. Bundesbericht Forschung I I I , 1969: Noch 15 °/o des gesamten Budgets entfallen auf die Forschung i n Hochschulen. 73 Schelsky, Abschied . . . , S. 139: „Die Auswanderung der Forschung aus dem Hochschulsystem ist unvermeidbar." 74 Vgl. ζ. B. den Hinweis auf mögliche Folgen bei Rin und Urbach, Die Stiftungsuniversität i n der bildungspolitischen Diskussion, i n : Aus P o l i t i k und Zeitgeschichte, Beilage 37 zu Das Parlament v o m 11. Sept. 1971, S. 46. 72
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
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— Technologie — hat die Tendenz, sich immer mehr i n die Breite, i n immer feinere Verästelungen und Spezialisierungen zu entwickeln bis zu einem Grade der Differenzierung, der Zusammenhänge verschwinden und gravierende Fortschritte für die menschliche Gesellschaft unerreichbar werden läßt 7 5 . Dieser Differenzierungsgrad hat nämlich zur Folge, daß m i t der Vermehrung des gesamten Wissens der Gesellschaft eine zunehmende Ignoranz einhergeht: Der einzelne ist auf immer mehr Gebieten, auf denen er nicht Spezialist ist — das sind unendlich viele —, überhaupt nicht mehr i n der Lage, eine Meinung zu bilden und Stellungnahmen abzugeben; er muß glauben, was man ihm sagt, ohne auch nur die Erläuterung nachvollziehen zu können. Eine solche Entwicklung wäre i n Bezug auf die sozialpsychologischen Folgen aufmerksam zu beobachten 76 . Zunächst noch abgesehen von der gesellschaftspolitischen Problematik liegt hier eine Gefahr für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt selbst. Die Geschichte der Wissenschaften zeigt immer aufs Neue, daß die langfristigen Ansätze, das Suchen und fast zufällige Finden von Ergebnissen, m i t denen (noch) niemand etwas anfangen kann, die entscheidenden Durchbrüche, Richtungsänderungen oder Entwicklungsschübe gebracht hat. Interessen der alsbaldigen Verwertbarkeit und Einsetzbarkeit der Ergebnisse setzen naturgemäß kurzfristig und überschaubar an; die Projekte dagegen, die einer kalkulierbaren Verwertbarkeit noch ganz fern liegen, kann bzw. w i l l sich i n der Wettbewerbslage der verwissenschaftlichten Zivilisation niemand mehr leisten, gerade auch finanziell nicht. Die Gesellschaft als Ganze, und für sie kann letztlich nur der Staat sprechen, darf sich deshalb nicht mit einer Forschung begnügen, die zunehmend von den unmittelbaren Interessenten selbst getragen und bestimmt w i r d 7 7 . Das Interesse der Gesellschaft an der Wissenschaft muß gleichsam vor sich selbst geschützt werden, damit es nicht die Wissenschaften auf eine totale Anpassung an das Interesse programmiert. Diesen langfristigen Ansatz mit der Möglichkeit einer Befreiung von schon durch die Technik vorgegebenen Forschungsabläufen muß die Hochschule aufnehmen und verwirklichen.
75 Auch interdisziplinäre Ansätze bringen hier keine Lösung; vielmehr bilden sich zwischen den bisher getrennten Sparten n u r abermals neue Spezialisierungsfelder, die dann n u r noch dem zunächst interdisziplinär orientierten Spezialisten zugänglich sind; vgl. Spartenbildungen wie etwa „Sozio-Linguistik" oder „Rechts-Soziologie". 76 Dazu unten Β. I. 3., „Humanisierung und Kontrolle". 77 Hofmann, Die gesellschaftliche Verantwortung der Universität, i n : U n i versität, Ideologie, Gesellschaft, Beiträge zur Wissenschaftssoziologie, F r a n k furt/M. 1968, verlangt „die Interessentenfreiheit von Forschung und Lehre, w i l l diese nicht ihre innere Autonomie verspielen". S. 36.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
b) Langfristiger
Ansatz durch
Autonomie
Es wurde schon erläutert, daß und warum der moderne Staat schwerlich i n der Lage sein kann, der Verwissenschaftlichung überhaupt und der machtorientierten Verwertung der Wissenschaft zu widersprechen. Es würde daher nicht genügen, vom Staat einfach zu verlangen, daß er, hätte er die alleinige Verantwortung für die Wissenschaft, an diesen längerfristigen Ansatz denken und deshalb in die technologische Verfügung über die Wissenschaften modifizierend eingreifen müsse; dazu hätte er nicht die Möglichkeit. Hier liegt ein wichtiger Grund für die Autonomie der Hochschule. Der Staat hat i m parlamentarischen, pluralistischen System nicht viel mehr Möglichkeiten als die, solche Wünsche und Anforderungen zu realisieren und auszubalancieren, die aus der Gesellschaft — durch Gruppen i n der Gesellschaft, die sich auf unterschiedlich gewichtige Machtbasen stützen — an ihn herangetragen werden. Wissenschaft, die nicht politisch machbar und vertretbar ist, w i r d ihre immanenten Ziele nicht i n Konkurrenz m i t anderen Interessen durchsetzen können. Deshalb müssen solche Entscheidungen der wissenschaftlichen Aufgabenstellung, die i n der Gesellschaft keine Nachfrager und damit Fürsprecher m i t politischer Macht fiinden, von ihr selbst, aus ihrem Umkreis, getroffen werden können. I n der Erkenntnis, daß er der Wissenschaft nicht von Fall zu Fall politisch helfen kann, muß der Staat ihr einen gegenüber anderen Ansprüchen ausgleichenden Startvorteil geben: Raum für eine Selbstbestimmung, die sie der Notwendigkeit des politischen Kampfes enthebt. Darin muß heute eine wichtige Funktion der „institutionellen Garantie" gesehen werden: Nicht nur die Institution als materieller Rahmen ist zu garantieren, sondern insbesondere die K r a f t dieser Institution zur Selbstbehauptung. Diese Kraft kann aus politischer Praxis oder aus rechtlichen Regelungen kommen; was vorzuziehen ist, w i r d noch zu untersuchen sein. Ein solches Verhalten des Staates hätte nicht den Charakter der Protektion, und ebensowenig wäre die Hochschule von politischen und gesellschaftlichen Implikationen abgetrennt; denn der Staat hätte die wissenschaftlichen Institutionen nicht dadurch zu schützen, daß er sie verwaltet, beaufsichtigt und ihre Kontakte mit Dritten beobachtet, sondern dadurch, daß er ihnen die Unabhängigkeit und die Macht verleiht, sich selbst gegen Inpflichtnahme durch gesellschaftliche Kräfte zu wehren — ähnlich der verfassungsmäßig geschützten Unabhängigkeit der „Dritten Gewalt", der Rechtsprechung 78 . Dabei müßte bewußt in 78 Mehr i n Richtung Protektion geht der Vorschlag von Lohmar, NonProfit-Universitäten als T e i l der Hochschulreform, D U Z 170 Nr. 8, S. 16, der die Errichtung einiger Hochschulen anregt, die überhaupt nicht m i t gesell-
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Kauf genommen und gewollt werden, daß sich diese Unabhängigkeit auch gegen den Staat selbst richten kann.
3. Humanisierung und Kontrolle
Eine solche Selbstbestimmung trägt nun weiteren Dimensionen des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft Rechnung. Von der Möglichkeit einer autonomen Wissenschaft i n den Hochschulen gehen nämlich Wirkungen aus, die nicht mehr nur den inneren Kreis der Wissenschaft selbst und nicht mehr nur die Frage ihrer technologischen Einsetzbarkeit betreffen. Es geht um die Aspekte einer sittlichen Bewältigung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts und einer — geistigen — Kontrolle politischer Entwicklungen. I n diesem Bereich liegt eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Aufgaben der Wissenschaft. a) Technologie und Sozialität Die Verwissenschaftlichung unserer Zivilisation bringt eine Gefahr m i t sich, die weithin gesehen, auf die aber noch keine A n t w o r t formuliert wird. A m rapiden Forschritt von Wissenschaft und Technik i n der sozialen Praxis w i r d eine inhumane Tendenz schon konstatiert oder für die Zukunft befürchtet, die von der zunehmenden Funktionsdifferenzierung und Spezialisierung ausgeht. I n dem Maße, i n dem Entscheidungen von einem Spezialwissen und von der Verfügbarkeit massenhafter Informationen abhängen, wächst die Undurchschaubarkeit des Entscheidungsvorgangs für die betroffenen Nicht-Spezialisten 79 . Die Unmöglichkeit, eine Entscheidung beurteilen zu können, bringt für die Betroffenen ein Gefühl des Ausgeliefertseins und des Beherrschtwerdens an und durch Verhältnisse, die weder richtig durchschaut noch beeinflußt werden können; auf der anderen Seite müssen die Entscheidungsträger, zum Beispiel der Staat, sich auf aus dem Gegenstand selbst fließende „Sachzwänge" berufen oder der betreffenden Entscheidung falsche Kriterien unterlegen, um den Betroffenen die geeigschaftlichen Mächten zusammenarbeiten, insbesondere nicht m i t der I n d u strie; sozusagen „Spielwiesen" für praxisferne Arbeit. 79 Dahrendorf, Gesellschaft u n d Demokratie i n Deutschland, München 1965, S. 188 ff., sieht das Problem v o r allem darin, daß die Kompetenz des Experten ausgedehnt w i r d auf Gegenstände, i n denen Sachkunde nicht zur unangefochtenen Entscheidungsfähigkeit führen kann, „ . . . wenn man also beginnt, nach demjenigen zu suchen, der sich auf die Wahrheit, auf die Gerechtigkeit, vielleicht auf die Entscheidung versteht . . . diese Neigung (ist) i n der deutschen Gesellschaft unverkennbar . . . Wer i n allen Positionen nur Sachverständige w i l l , entzieht die Entscheidungen dem allgemeinen U r t e i l und t u t damit den ersten Schritt zur B i l d u n g einer autoritären Oligarchie".
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
neten Motivationen zu verschaffen für eine Zustimmung zu dieser Entscheidung, die aus ganz anderen Gründen getroffen wurde 8 0 . Das Individuum w i r d i n diesem Zustand zwangsläufig nicht mehr befragt, weil es keine Antwort geben kann. Das kann zur Auflehnung führen oder zur resignierenden Verinnerlichung und Vergötzung des technischen Fortschritts; bei beiden Reaktionen ist Teilnahme und M i t w i r kung am politischen Willensbildungsprozeß, wie sie gerade heute vom Staatsbürger gefordert wird, nicht gegeben. Das Gefühl der Ohnmacht und der völligen Irrelevanz der eigenen Meinung ist geeignet, Verantwortlichkeit und Sozialbindung des einzelnen aufzulösen und eine politische Instabilität herbeizuführen, die zur Hinwendung an Ideologien und irrationale Bindungen geradezu zwingt. Aus der Versuchung für den Staat, sich mittels Heilslehren und Gemeinsamkeitsideologieri zu legitimieren, droht dann Gefahr für die Freiheit. b) Kontrolle
durch
Autonomie
Derartige Entwicklungen werden freilich weit differenzierter ablaufen, als es hier skizziert werden kann. Insbesondere werden sie aber weit schwerer begriffen werden können, als es nach dieser vereinfachten Darstellung den Anschein haben könnte. Von einem dürfte aber auszugehen sein: Wenn die Erkenntnis, die Warnung, die Entwicklung von Abwehrmaßnahmen möglich, wenn dafür überhaupt ein Interesse vorhanden ist, dann nur von Seiten der Wissenschaft selbst. Sie ist von der Chance einer zutreffenden Darstellung und Vermittlung solcher Prozesse her die einzige Instanz, die dazu i n der Lage sein kann; dies aber eben nur dann, wenn sie nicht selbst auf allen Ebenen integrierter Bestandteil dieser Entwicklung ist. „Dieser Herausforderung der Technik ist durch Technik allein nicht zu begegnen 81 ." Wissenschaft braucht daher die Unabhängigkeit, die es ihr gestattet, ihre eigenen Folgen zu kritisieren. Dafür ist aber entscheidend, daß sie sich wenigstens partiell i n autonomen Institutionen abspielt, die dieser Integration i n den Verwertungsprozeß entgehen können. Wissenschaft, die sich als hauptsächlich auf die gesellschaftliche Nutzbarmachung bezogene Forschung versteht, w i r d schwerlich i n der Lage sein, an diesem ihrem T u n K r i t i k anzusetzen; ebensowenig w i r d das von einer „Wissenschaft von Staats wegen" zu erwarten sein, wenn etwa die Gefahr einer Totalisierung staatlicher Herrschaft i m oben angedeuteten Sinne auftritt. Aus diesem «ο Habermas, Technischer Fortschritt und soziale Lebens weit, i n : Technik und Wissenschaft als „Ideologie", F r a n k f u r t / M . 1968, S. 104 ff., hält eine solche Entwicklung nicht für zwangsläufig; sie kann durch „herrschaftsfreie Diskussion" abgewehrt werden, vgl. S. 116, 119. «i Habermas, S. 118.
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
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Grunde bleibt die Autonomie der Einzelhochschule wichtig, auch wenn die Autonomie dadurch vollendet und abgesichert werden muß, daß sie auf einen größeren Kreis von Trägern bezogen w i r d 8 2 ; sie fließt aus der gesellschaftlichen Verantwortung der Wissenschaft, die ihre kritische Distanz 83 nur i n unabhängigen Institutionen realisieren kann 8 4 . Diese Autonomie, die die wissenschaftlichen Institutionen zur Bewältigung des technischen Fortschritts und zur gesellschaftlichen Verantwortung befähigen soll, hat allerdings noch eine „innere" Seite. J3isher wurde ohne Frage davon ausgegangen, daß eine autonome Wissenschaftsinstitution derartige ihr zugedachte Funktionen auch von sich aus übernehmen werde, wenn man sie nur nicht daran hinderte. Kann man den Hochschulen insofern vertrauen? Die Freiheit der Institution ist zwar eine Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser gesellschaftlichen Verantwortung, muß sie aber selbst noch nicht herbeiführen. Ohne eine innere Unabhängigkeit bestünde eine Autonomie der Wissenschaft nur formal: Kontrolle und K r i t i k wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen ist der Wissenschaft nur möglich, wenn sie „wertfrei" i n einem richtig verstandenen Sinne ist. Es ist bekannt, zu welchen Mißverständnissen das Prinzip der „Wertfreiheit" geführt hat 8 5 . Diese Diskussion kann i n diesem Zusammenhang nicht aufgenommen werden. Immerhin ist festzuhalten, daß damit nicht gemeint ist, Wissenschaft und der Bereich des Werthaften, der insbesondere auch politischen Entscheidungen zugrundeliegt, hätten nichts miteinander zu tun oder die Wissenschaft sei ungeeignet, die Grundlagen von Wertungen zu überprüfen. Es kommt vielmehr darauf an, daß Wissenschaft unter das Postulat gestellt wird, unparteiisch zu sein; der Wissenschaftler muß versuchen, so voraussetzungslos als möglich Sachverhalte zu untersuchen und darf das Ergebnis nicht i m voraus kennen, also eine zunächst vorgenommene Wertung nachträglich mit „wissenschaftlicher" Methodik legitimieren. Freilich geht die K r i t i k des Marxismus am Wertfreiheitsprinzip gerade dahin, daß auch der Wissenschaftler immer nur seinen gesellschaftlichen Hintergrund reproduziere und Partei sein müsse; Neutralität könne deshalb nur das fehlende Bewußtsein von der eigenen Parteilichkeit sein, wobei die Behauptung, unparteiisch zu sein, noch ganz besonders die Parteilichkeit 82 Das fordert z.B. Lepsius, S. 194: „ . . . zusätzliche Organe als Träger der Wissenschaftsautonomie." 83 Vgl. Hofmann, S. 36. 84 Fraenkel, Universität und Demokratie, Stuttgart 1967, verlangt „autonome Organisationen", die sich i m gesellschaftlichen Raum als „pouvoirs intermédiaires" betätigen, S. 33. 85 Hierzu w i r d besonders auf die Darstellung von Topitsch Bezug genommen; vgl. bes. S. 8 ff., 18 ff., 27 ff., 45 ff., 50.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
kennzeichne 86 . Diese Position läßt sich freilich nur vertreten, wenn man als Marxist davon ausgeht, daß nach Aufhebung der Klassengegensätze und Errichtung der herrschaftsfreien Gesellschaft kein Erfordernis mehr für eine gesellschaftskritische und insofern unparteiische Wissenschaft besteht. Hienieden w i r d jedoch weiterhin davon auszugehen sein, daß ein Bedürfnis für die Selbstbehauptung wissenschaftlicher Sachlichkeit gegen die Macht von institutionalisierten Ideologien besteht. „Es gibt hier" — i n der Universität als Pflegestätte der Wissenschaft i n einer demokratischen Gesellschaft — „keine privilegierten Wahrheiten, die einer Kontrolle durch logische Analyse und erfahrungsgemäße Überprüfung entzogen wären . . . Dadurch w i r d den u m die Führung i n der Gesellschaft ringenden Gruppen zu Bewußtsein gebracht, daß die i n ihren Ideologien enthaltenen Tatsachenbehauptungen nicht endgültig, sondern jederzeit revidierbar sind, und die i n diese Ideologien eingegangenen Lebensansprüche keinen prinzipiellen Vorrang vor konkurrierenden Lebensansprüchen besitzen" 87 . Diese Unabhängigkeit der Wissenschaft i m geistigen Sinne muß i n den Autonomiebegriff eingebracht werden. Auch bezüglich dieser „inneren" Seite der Wissenschaftsfreiheit von Autonomie zu sprechen könnte sich empfehlen, um der historisch gewachsenen Problematik des Begriffs „Wertfreiheit" zu entgehen. Die Unabhängigkeit der Institutionen muß die geistige Autonomie nicht nur ermöglichen; bei der Einrichtung bzw. dem Bestehenlassen der autonomen Organisationen müssen sich Staat und Gesellschaft auch bewußt sein, daß sie damit ein Beispiel und ein Zeichen geben, an dem nicht nur die Möglichkeit, sondern das Verlangen der Gesellschaft nach geistiger Freiheit abgelesen werden kann. Zum Gebrauchmachen von jener „inneren" Autonomie muß ermuntert werden, denn: „ I n Wahrheit ist die Interessenfreiheit von Wissenschaft selbst die erste gesellschaftliche Anforderung an sie 88 ." 4. Einheit von Forschung und Lehre als Einheit der Institution
Es wurde schon oben 89 die Frage aufgeworfen, ob Hochschulautonomie nicht eine besondere Bedeutung i m Hinblick auf die Lehre habe. I n der Tat ergibt sich hier ein weiterer Umstand, m i t dem die Notwendigkeit der Autonomie begründet werden muß und der ihren Inhalt mit bestimmt. 86 „ . . . es gehört gerade zu den Herrschaftsgeheimnissen der bürgerlichen Macht, (die Wissenschaft) als neutral hinzustellen." Topitsch, S. 18, kritisierend zu Ernst Bloch. 87 So die Zusammenfassung bei Topitsch, S. 50. 88 Hofmann, S. 36. ** Unter A . I I . 2 . b ) .
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
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Es wurde schon festgestellt, daß die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 GG herkömmlich i n besonderem Maße auf die Lehre bezogen und als Lehrfreiheit verstanden w i r d 9 0 , was dadurch bisher nahegelegt war, daß der Lehre an den Hochschulen die Qualität der Wissenschaftlichkeit und damit die Teilhabe an diesem besonderen sozialen Sachbereich ohne weiteres innezuwohnen schien. Daß das den derzeitigen Gegebenheiten nicht mehr entspricht, wurde ebenfalls schon dargelegt: Die Einheit von Forschung und Lehre i m klassischen Sinn verschwindet zusehends. Kann Lehrfreiheit oder besser Autonomie der Hochschule bei der Wahrnehmung der Ausbildungsaufgaben dennoch, auch ohne die wissenschaftliche Qualität i m herkömmlichen Sinne, eine Funktion haben? Zunächst muß eine notwendige Differenzierung vorgenommen werden. I n der naturwissenschaftlichen Forschung ist der Trend zur Spezialisierung, zum Teamwork und zur Großforschung ganz signifikant, und schon von daher schwindet die Möglichkeit einer Vermittlung des Standes der Wissenschaft durch einzelne Lehrpersonen. Jedoch ist diese Entwicklung i n den anderen Disziplinen noch nicht so weit fortgeschritten, und es dürften sogar manche wissenschaftlichen Gebiete weiterhin Gegenstand individueller wissenschaftlicher Suche und Darstellung bleiben können. Freilich sind das gerade nicht jene Gebiete, an die sich die manifesten Bedürfnisse der Gesellschaft knüpfen; ob sie weniger wichtig sind, sei hier dahingestellt. Eine Fortsetzung der längst zu beobachtenden Auseinanderentwicklung der naturwissenschaftlichen und der anderen Disziplinen scheint unvermeidlich; der Blick der Gesellschaft, für die Wissenschaft Machtchancen bereithält, ist i n erster Linie auf die Bereiche gerichtet, deren Nutzen sofort sichtbar und wünschbar ist. Hochschulautonomie kann die Funktion haben, die zunehmende Verdrängung der nicht-naturwissenschaftlichen Wissensgebiete aus dem Bewußtsein der Gesellschaft und damit aus der personellen und finanziellen Förderung zu verhindern. Der Ruf nach immer intensiverer Förderung der naturwissenschaftlichen Ausbildung mag unter dem Gesichtspunkt des internationalen Wettbewerbs und der Systemkonkurrenz von West und Ost seine Berechtigung haben; aber eine sittliche Bewältigung des Fortschritts und eine Humanisierung der technisierten Welt bleibt darauf angewiesen, daß andere Disziplinen ihren Platz i m Selbstverständnis der modernen Wissenschaft und der Gesellschaft behalten. Der Schlüssel zu einer solchen Funktion aber liegt in der Lehre. 90 Vgl. etwa Röttgen, Die Freiheit der Wissenschaft u n d die Selbstverw a l t u n g der Universität, S. 299.
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat
So ergibt sich ein veränderter Begriff der Einheit von Forschung und Lehre. Bisher wurde diese Einheit für das Verhältnis von Forschung und Ausbildung innerhalb eines Faches gefordert: Der Forscher sollte es selbst sein, oder wenigstens seine engeren Mitarbeiter i n einer Einheit innerhalb der Hochschule, die auch die Ergebnisse i n die Lehre vermittelten und dort vertraten. Angesichts sowohl der Trennung von Forschung und Lehre als auch der Abkapselung der wichtigsten Hauptdisziplinen voneinander muß aber dafür gesorgt werden, daß das Hochschulwesen nicht i n einzelne beziehungslose Fachschulen zerfällt, mögen diese auch organisatorisch zu Gruppen unter gemeinsamer Verwaltung zusammengefaßt sein. A n ein und demselben Ort, d. h. i m Angebot jeder einzelnen Institution und i n ihren Studiengängen, müssen die wichtigsten Fachrichtungen nebeneinander- und einander gegenübertreten und sich gegenseitig beeinflussen, wenn die Gefahr des kommunikationslosen Spezialistentums gemildert werden soll. Das Ziel müßte sein eine inhaltlich integrierte Gesamthochschule. Eine solche Vorstellung ist natürlich gegen das Interesse von Staat und Gesellschaft an einer effizienten, d. h. massenhaften und doch finanziell tragbaren Ausbildung für qualifizierte Berufstätigkeiten gerichtet. Ihre Verwirklichung muß aber tendenziell angestrebt werden, weil sie dem langfristigen gesellschaftlichen Interesse entspricht. Dafür ist wiederum die Autonomie der Institution Hochschule erforderlich; sie braucht das Beharrungsvermögen, um auch gegenüber i m Ergebnis unabweisbaren, wenn auch durch jahrzehntelange Fehlplanung und Vernachlässigung verschärfte Bedürfnisse von Staat und Gesellschaft auf den Inhalten und Methoden zu bestehen, die sie für die Ausbildung als wesentlich erkannt und entwickelt hat. Die Einheit von Forschung und Lehre muß i n der Institution gewahrt bleiben: Autonomie bedeutet unter dem Gesichtspunkt der Lehre demnach die selbständige Bestimmung und Zueinanderordnung der Stoffe bei der Vermittlung durch die Hochschule 91 .
I I . Wissenschaft als autonome politische Kraft?
Wenn es richtig ist, daß Wissenschaft eine wohlverstandene Distanz zur Gesellschaft braucht — nicht, um „apolitisch" zu sein, sondern gerade, u m politische Entwicklungen beobachten zu können —, dann entfallen einige Möglichkeiten, die heute für die Bestimmung des Ver91 Vgl. hierzu die bei Oppermann, Hochschulfinanzierung . . . , S. 22, zitierte Frage von John Gardner: „Can we be equal and excellent too?"; i n diesem K o n f l i k t kann es der Hochschule nicht verwehrt sein, ihrerseits die Position des „excellent" zu vertreten u n d notfalls eine Verlangsamung der A u f h o l jagd nach jahrelanger Vernachlässigung durch den Staat zu verursachen.
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
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hältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft i n Betracht gezogen werden. Das hier entworfene Konzept einer Autonomie als Realisierung der gesellschaftlichen Verantwortung der Wissenschaft kann nur m i t solchen M i t t e l n praktisch dargestellt werden, die nicht den Standort von vornherein wieder verändern. 1. Wissenschaft und politische Praxis
Deshalb verbietet sich der Weg, Wissenschaft zu einem eigenständigen politischen Machtfaktor zu machen. Besonders Schelsky hat aufgrund ähnlicher Überlegungen wie den hier dargelegten u n d aus der Feststellung, die Politisierung der Universität sei ohnehin „gelungen" 9 2 , den Schluß gezogen, die Wissenschaft müsse „sich selbst als eine autonome politische K r a f t i m Gefüge der Gesellschaft organisieren u n d als solche kooperativ, aber i n politischer Selbstbestimmung und Mitbestimmung dem Staat und der Wirtschaft gegenübertreten" 9 3 . Die Freiheit der Wissenschaft und die Autonomie ihrer Institutionen sei nicht mehr von der Autonomie der Einzelhochschule her zu verstehen und zu sichern, sondern nur noch von der Autonomie des Wissenschaftssystems als ganzen 94 , und diese Freiheit müsse „ v o n den Wissenschaften selbst großorganisatorisch politisch vertreten und durchgesetzt werden" 9 5 . Z w a r entwirft Schelsky dieses Konzept hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen und sachgemäßen Wissenschaftspolitik. Indessen kann Wissenschaftspolitik i m Sinne von Prioritätensetzung, Finanzierung, Organisation, Planung und überregionaler Vertretung und Verwaltung nicht getrennt werden von Fragen der inhaltlichen Bestimmung wissenschaftlicher Arbeit; daraus ergeben sich ja unter anderem die Probleme einer unsachgemäßen Wissenschaftspolitik für die Hochschulen. D a r i n liegt aber das Problem: Sobald Wissenschaftspolitik von der Wissenschaft selbst politisch vertreten und gegen andere Interessenten i n der Gesellschaft durchgesetzt werden muß, werden auch wissenschaftliche, nicht wissenschaftspolitische, Gegenstände unter politischen Gesichtspunkten betrachtet bzw. als Gesichtspunkte und Argumente i n die Wissenschaftspolitik eingeführt werden; dann spielen Überlegungen der Durchsetzbarkeit, der finanziellen Förderungsmöglichkeiten, der Erheblichkeit (nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die selbstgemachte Wissenschaftspolitik, deren Vertretbarkeit, deren Image) und der Anpassung an das politisch Realisierbare eine äußerst wichtige Rolle. Das Argument, das sei beim bisherigen Zustand 92 93 94 95
Schelsky, Abschied . . . , S. 137 ff. u n d 51 ff. Schelsky, ebd., S. 186. Vgl. Schelsky, ebd., S. 196. (Hervorhebung von mir, W. Z.) Schelsky, ebd., S. 196.
7 Zeh
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2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
auch nicht anders, und die Vorentscheidungen i n Planung und Prioritätensetzung diesseits der wissenschaftlichen Kompetenz fänden derzeit eben außerhalb der wissenschaftlichen Institutionen und ohne deren M i t w i r k u n g statt 9 6 , geht fehl, auch wenn es zunächst einleuchtend scheint. Denn es macht einen entscheidenden Unterschied, ob solche Vorentscheidungen politisch von nichtwissenschaftlichen Institutionen und Organen getroffen werden, welche für die Wissenschaft kritisierbar sind, oder auf der Seite der Wissenschaft selbst unter Berücksichtigung der politischen Gegebenheiten gefunden werden müssen: I m letzteren Falle w i r d die Wissenschaft zur Kunst des Möglichen, und die Wissenschaft w i r d sich bei den von ihr selbst geschaffenen und erkämpften Bedingungen bescheiden müssen; K r i t i k aus der wissenschaftlichen Kompetenz an politischen Gegebenheiten hätte sie abzustimmen auf ihre eigenen politischen Absichten und zugleich den Staat aus seiner Verantwortung für die Wissenschaftspflege zu entlassen 97 . I n der Praxis würde die Problematik dadurch verschärft, daß jene „großorganisatorische politische Vertretung und Durchsetzung" von denselben Personen und Organen besorgt werden müßte, die auch den Wissenschaftsprozeß vorantreiben. U m wenigstens eine gewisse Aussicht auf Erfolge zu haben, müßte das gesamte Instrumentarium politisch-parlamentarischer Praxis, das heute schon i n den Gremien der Hochschulen den Wissenschaftsbetrieb beeinflußt, von den Wissenschaftlern eingeübt und angewandt werden: Parteipolitik, Arbeit i n Verbänden, Interessengruppen und Lobby, Verhandlungen, Koalitionen und Zweckbündnisse m i t anderen Gruppen und Kräften, Öffentlichkeitsarbeit u. a. m. Das Problem der Überlastung der Wissenschaftler durch Organisations- und Verwaltungsgeschäfte wäre damit verschärft. Dem wäre nicht abzuhelfen durch eine Professionalisierung der Funktionen, die mit der politischen Vertretung befaßt sind; das würde ja nur bedeuten, daß wiederum nichtwissenschaftliche Personen und Organe die Entscheidungen zumindest inhaltlich vorzubereiten hätten, die wegen der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaft problematisch sind, so daß die Wissenschaft doch nur vertreten wäre, nicht aber „sich" politisch durchsetzte. Wie sich das Verhältnis zum Staat bei der Realisierung dieses Konzepts gestalten würde, braucht nicht i m einzelnen untersucht zu werden; ungute Gefühle dürften berechtigt sein 98 . μ Schelsky, S. 191 i n diesem Sinne: „ D i e Wissenschaftler (haben) n u r noch die Wahl, sich selbst als . . . politische K r a f t zu verstehen . . . oder sich als . . . Experten-Dienstleistungsgremium anzusehen, mit denen andere ihre P o l i t i k machen." 97 Vgl. Oppermann, Hochschulfinanzierung . . . , S. 21: Die staatliche V e r w a l t u n g soll „ m i t i m Obligo bleiben". 98 Bächler, D U Z 1970 Nr. 15/16, S. 8 ff. (9) befürchtet i m Zusammenhang m i t Problemen der Planungskompetenzen: „Endlich stehen sich dann Hoch-
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
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2. Verlust der Unbestechlichkeit
Der wichtigste Einwand ergibt sich aber daraus, daß die Politik der Wissenschaft nicht isoliert bleiben könnte von der wissenschaftlichen Aufgabenstellung selbst. Wer Politik macht, muß sich m i t der Politik auseinandersetzen, die andere machen. Der Eintritt der Wissenschaft i n die politische „Arena" wäre gefolgt vom Einzug der Politik i n die Wissenschaft, und zwar nicht i n der Form jener geistigen Auseinandersetzung i m Sinne von K r i t i k und Kontrolle, sondern als Auseinandersetzung um die Durchsetzung von Forderungen gegen andere Forderungen. Da dieser „politischen" Wissenschaft auch die wissenschaftliche Kompetenz — zunächst noch — zu Gebote stünde, würde diese auch eingesetzt und könnte tatsächlich einen Vorteil gegenüber nichtwissenschaftlich fundierten Positionen gewähren; nach einiger Zeit aber wäre der Vertrauensvorschuß, der der Wissenschaft aufgrund ihrer Unbestechlichkeit geleistet wird, aufgebraucht, und die Wissenschaft i m Dienste politischer Interessen würde parteiisch verstanden, ihr Gebrauchswert für die Gesellschaft ebenso i n Frage gestellt werden wie ihre Kompetenz zur unabhängigen Deutung menschlicher und sozialer Probleme. Die Fremdbestimmung wissenschaftlicher Fragestellungen durch politische und gesellschaftliche Interessen würde größer, nicht kleiner als sie es schon ist; i n absehbarer Zeit würde das Bemühen, die politische Verflechtung und Verstrickung der Wissenschaft und ihrer Institutionen auf ein erträgliches Maß zu begrenzen und transparent zu machen, nach einer neuen Kontrolle durch die Öffentlichkeit verlangen, die zu viel schwerer wiegenden Eingriffen führen dürfte, als sie heute zu beobachten sind. Der Umstand, daß Politisierung i n die Hochschulen hineingetragen worden ist, gibt deshalb kein Argument her. Die Freiheit der Wissenschaft ist nicht m i t politischer Macht durchzusetzen und zu sichern. Wer um Freiheitsrechte erst politisch kämpfen muß, besitzt sie gerade nicht. Hier liegt der Unterschied zwischen Freiheit und politischer Macht: Freiheit ist Ausfluß einer bestimmten Regelung von sozialen Beziehungen und ist durch rechtliche Gewährleistungen zu sichern, hinter denen die Macht des Staates steht; die Unabhängigkeit kraft politischer Macht i m Staate ist dagegen abhängig von der Durchsetzungskraft der betreffenden Position gegenüber dem Staat und anderen politischen Mächten. Wegen ihrer gesamtgesellschaftlichen Erheblichkeit bedarf Wissenschaft der Freiheit und nicht der politischen Schlagkraft gegenüber gesellschaftlichen Teilbereichen.
schulstaat u n d Bundesrepublik direkten Schlagabtausch." 7*
i n voller
Größe gegenüber,
bereit
zum
100 2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
I I I . Autonomie als Funktion wissenschaftlicher Verantwortung 1. Zusammenfassung der Ausgangslage und Schlußfolgerungen
Die Untersuchung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit, ihrer historischen und gesellschaftspolitischen Grundlagen und ihrer rechtlich-organisatorischen Verwirklichung i n der Verfassung des Hochschulwesens hat ergeben, daß sich dieser Komplex mit der Realität von Hochschule und Wissenschaft i n der Gesellschaft nicht mehr voll deckt. Wissenschaftsfreiheit kann weder allein als Schutz gegen den Staat noch allein als Schutz durch den Staat begriffen noch allein mit den überkommenen Regeln und Begriffen des Verwaltungsrechts realisiert werden. Das hat seinen Grund i n der Wandlung der Bedingungen i n Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und der Wissenschaft selbst: M i t der Veränderung der gesellschaftlichen Anforderungen an das Wissenschaftssystem hat sich die wissenschaftliche Aufgabenstellung und das Selbstverständnis der Wissenschaft geändert; der gewandelte Stellenwert der Wissenschaft i n der Industriegesellschaft hat den Staat aus der k u l t u r staatlichen Neutralität heraus- und i n ein neues Verhältnis zu Wissenschaft und Hochschule gezwungen; dieses neue Verhältnis wurde wiederum modifiziert durch Wandlungen i m Verhältnis von Staat und Gesellschaft; und schließlich hat sich das Verhältnis von Wissenschaft und Berufsvorbereitung und die Funktionsbestimmung der Hochschulbildung verändert". Diese Wandlungen i n den wechselseitigen Beziehungen von Wissenschaft, Gesellschaft und Staat dauern an. Die aus diesen Wandlungsprozessen sich ergebenden Probleme und Konflikte provozieren das Bedürfnis, die Position von Wissenschaft und Hochschule neu zu orten. Die neue Standortbestimmung muß von bestimmten Aufgaben und Funktionen der Wissenschaftspflege ausgehen. Als solche wurden ermittelt: Die Behauptung eines langfristigen A n satzes gegen kurzfristige Verwertungsinteressen als Bestandsschutz für eine unabhängige Wissenschaft sowie als Sicherung des langfristigen gesellschaftlichen Nutzens der Wissenschaft; die geistige und sittliche Bewältigung i m Sinne einer Humanisierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts durch Selbstkontrolle der Wissenschaft; Beobachtung, Deutung und K r i t i k sozialer Zustände und politischer Entwicklungen i m Sinne unparteiischer gesellschaftlicher Kontrolle 1 0 0 . Die Wahrnehmung dieser Funktionen kann nicht Aufgabe aller wissenschaftsfördernder und -pflegender Einrichtungen i m privaten und öffentlichen Raum sein; sie muß vielmehr Hauptaufgabe des Hoch99 10
Vgl. die Zusammenstellung unter A. I I I . 4. ° Ausgeführt unter Β. I. 2 u n d 3.
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
101
schulwesens sein. Sie hängt von einer Reihe notwendiger, als einzelne aber nicht hinreichender Bedingungen ab. Als solche wurden festgestellt: Unparteilichkeit und Unbestechlichkeit der Wissenschaftler als wissenschaftliches Selbstverständnis, „innere Autonomie" ; politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Hochschule und ihrer Institutionen; Interessentenfreiheit i m Sinne selbständiger und freiwilliger Regelung der Beziehungen zu außerwissenschaftlichen Gruppierungen und Institutionen der Gesellschaft; Einheit von Forschung und Lehre als „Einheit der Institution", inhaltlich integrierte Lehre; rechtliche, nicht machtpolitische Absicherung. Das Vorhandensein dieser Bedingungen w i r d hier als Autonomie bezeichnet. Damit ist der Begriff inhaltlich bestimmt; er befähigt das Hochschulsystem zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung der Wissenschaft. Autonomie ist somit der Oberbegriff für die Charakterisierung von Stellung und Aufgaben des Hochschulsystems i n Staat und Gesellschaft. Damit zusammenhängende, bisher als Synonyme gebrauchte Begriffe — Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Selbstverwaltung, Selbständigkeit, Lehrfreiheit, Satzungsbefugnis, Verfassungsautonomie — stellen Teilaspekte, Bedingungen und rechtlichorganisatorische Ausfüllungen der Autonomie dar. 2. Voraussetzungen der Verwirklichung
Die Realisierung dieser Autonomie ist nur möglich durch ein Organisationssystem, i n dem alle Regelungen der einzelnen Teilbereiche aufeinander bezogen, miteinander abgestimmt und insgesamt an den Bedingungen für die Autonomie des Hochschulsystems gemessen werden. Das bedeutet, daß Staat und Hochschule zusammenarbeiten müssen bei der Entwicklung eines solchen Systems: Der Staat hat die Aufgabe, die i n seiner Kompetenz stehenden rechtlichen Regelungen — Verfassung und ihre Interpretation, Hochschulgesetzgebung auf Bundes- und Länderebene, gegebenenfalls M i t w i r k u n g bei Satzungen, Beamtenrecht, Haushaltsrecht — so zu treffen, daß die rechtlichen Ermächtigungen und die rechtliche Absicherung für die praktische Verwirklichung der Autonomie gegeben sind; die Hochschule hat die Aufgabe, innerhalb dieses Rahmens ihre Binnenorganisation so zu gestalten, daß von diesen Ermächtigungen der volle Gebrauch gemacht w i r d und daß ihre Regelungen so rational sind, daß sie sich nicht gegenseitig behindern oder i n Bezug auf das Autonomie-Ziel aufheben. Es hat sich i n der neueren Geschichte der Hochschulreform gezeigt, daß der Staat zu diesem Zweck neue Wege beschreiten sollte. M i t Recht wurde verschiedentlich gefordert 1 0 1 , der Staat müsse sich von den her101 Vgl. ζ. B. Schuster/Stenbock
- Termor , WissR 1968, S. 28 ff. oder Nitsch/
102 2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
gebrachten Begriffen und Instituten des Verwaltungsrechts lösen und die Wissenschaftspflege als ein ganz eigenartiges Verwaltungsgebiet begreifen, das nur mit einem besonderen Kulturrecht mit eigenen Institutionen zu regeln ist 1 0 2 . Dieses besondere Rechtsgebiet müßte dann allerdings nicht auf das Regelungsproblem Wissenschaft oder Hochschulsystem als solches beschränkt sein, sondern alle Rechtsgebiete einbeziehen, die m i t der Wissenschaftspflege zusammenhängen oder auf sie ausstrahlen. Das würde bedeuten, daß solche Materien, die das Hochschulwesen nicht allein betreffen, wegen ihrer Zusammengehörigkeit aber gemeinsam rechtlich gestaltet werden müssen, für den Bereich von Wissenschaft und Hochschule Sonderbestimmungen und eigene Abschnitte enthalten müßten. Das wäre angesichts der Bedeutung von Wissenschaft und Hochschule für die Gesellschaft, wie sie sich heute darstellen, auch dann zu vertreten, wenn damit ein größerer Aufwand und zunächst eine gewisse Unsicherheit i n der Systematik des Verwaltungsrechts verbunden sein sollten. Der Anfang muß jedoch vom Staat gemacht werden. Erst wenn der rechtliche Rahmen vorhanden ist, können die Hochschulen darangehen, ihrerseits ihre Organisations- und Verwaltungssysteme zu überprüfen und umfassend zu reformieren. Dabei hätte die Hochschule sinnvollerweise die i n ihr betriebenen modernen Organisationswissenschaften, insbesondere i n den Sparten der Wirtschaftswissenschaften und der Organisationssoziologie, zu diesem Vorhaben zu forcieren und heranzuziehen 103 . Eine solche Neuordnung sowohl des rechtlichen Uberbaus als auch der Binnenorganisation würde praktisch alle Einzelbereiche des Hochschulwesens und seines Umfeldes ergreifen. I n diesem Rahmen können deshalb nur einige der Gesichtspunkte angesprochen werden, die i m Hinblick auf die Realisierung der Autonomie zentrale Bedeutung haben 1 0 4 . Hier ist zu nennen das Beamtenrecht, das für das wissenschaftliche Personal der Hochschulen i m Sinne eines besonderen „wissenschaftlichen Arbeitsrechts" ausgeformt und vom herkömmlichen Recht Gerhardt/Offe/Preuss, Hochschule i n der Demokratie, Berlin—Neuwied 1965, bes. S. 149, 150. 102 Nitsch/Gerhardt/Offe/Preuss, S. 149; S. 150: „ D a die Hochschule aus dem heutigen (Rechts) system nicht herausgelöst werden kann, muß den hergebrachten Institutionen i m Lichte der demokratischen Verfassung ein neuer I n h a l t gegeben werden." io» Bonheim, Gedanken über Organisationswissenschaft u n d Universitätsbetrieb, D U Z 1969 Nr. 15/16, S. 1 ff., macht Vorschläge f ü r die Binnenorganisation u n d stellt wesentliche Grundsätze dafür zusammen. 104 H i e r sollen diese Gesichtspunkte i m wesentlichen n u r genannt werden; i n T e i l I I I folgen i m Zusammenhang m i t dem Finanzierungssystem noch einige konkrete Vorschläge.
Β . Die Z u k u n f t der Hochschulautonomie
103
der staatlichen Beamtenschaft abgehoben werden sollte; dabei wären Differenzierungen insofern erforderlich, als für die Wissenschaftler eine richterähnliche Unabhängigkeit von der staatlichen Verwaltung anzustreben 105 wäre, während die für eine Professionalisierung des Managements — ein weiterer Gesichtspunkt — notwendigen Kräfte besser unter der Dienstherrschaft der Hochschule stehen sollten, um schon von daher eine Kontrolle des Managements durch die Wissenschaft i m Sinne tatsächlicher Autonomie zu ermöglichen. Ferner ist hier als der wohl wichtigste Komplex die Verteilung der Verwaltungsaufgaben zwischen Staat und Hochschulen zu nennen. U m wirkliche Handlungsfreiheit für ein autonomes Hochschulsystem zu erreichen, muß die Kooperation, aber auch der Konflikt der Hochschule mit dem Staat auf eine höhere Ebene verlagert werden, als diejenige zwischen Staat und einzelner Hochschule sie darstellt. Das bedeutet praktisch, daß die Grundsatzentscheidungen gewissermaßen i m Vorfeld fallen: Partner und Gegner der staatlichen Bürokratie ist nicht mehr die einzelne Hochschule i m Einzelfall, sondern eine Vertretungs- und Kooperationseinrichtung zwischen Staat und Hochschulwesen insgesamt, etwa auf Landesebene. Dadurch wäre der staatliche Einfluß auf den Wissenschaftsbetrieb der einzelnen Institution etwas neutralisiert, ohne daß er deshalb die Entscheidungsbefugnis für die Grundlinien, die Rahmenplanung, aus der Hand geben würde; auf der anderen Seite könnte eine Vorabklärung der teilweise widerstreitenden Einzelinteressen der verschiedenen Hochschulen noch innerhalb des Hochschulsystems selbst erfolgen und so die Willensbildung zwischen Staat und Hochschulwesen rationalisiert werden 1 0 6 . I n diesem Kontext spielt nun die Finanzierung der Hochschule die Hauptrolle. Es sind i n erster Linie wirtschaftliche Fragen, auf die es i n 105 A r t . 5 Abs. 3 GG gewährt eine solche Unabhängigkeit zwar schon heute; praktisch w i r d sie aber eingeschränkt, wenn der Wissenschaftler auf persönlichen „ K a m p f " u m personelle u n d sächliche M i t t e l angewiesen ist. Geck, W D S t R L 27 (1969), S. 143 ff., erblickt i n A r t . 5 Abs. 3 GG u . a . einen — freilich nicht einklagbaren — Anspruch des Wissenschaftlers gegen den Staat auf Bereitstellung der erforderlichen Zeit- u n d Arbeitsmittel. Joe Es existiert zwar bereits i n Baden-Württemberg eine Kooperationseinrichtung auf Landesebene: Der am 23. Nov. 1970 von der „Gesamthochschulversammlung" gewählte Gesamthochschulrat. Vorausgegangen w a r ein K o n f l i k t zwischen zwei parallelen Versuchen, der durch Selbstorganisation i m Bereich der Hochschulen entstandenen „Informellen Landeshochschulkonferenz" und des v o m K u l t u s m i n i s t e r i u m konzipierten „Gesamthochschulbeirats"; der Gesamthochschulrat stellt einen Kompromiß dar. Er hat aber keine echten Befugnisse; er soll Vorschläge u n d Empfehlungen geben, die Landesregierung beraten u n d die Willensbildung der Hochschulen koordinieren, vgl. den Bericht i n D U Z 1971, S. 556: „Baden-Württemberg ein Stück weiter." Demgegenüber k o m m t es auf eine stärker formalisierte, m i t durchsetzbaren Rechten u n d Kompetenzen ausgestattete I n s t i t u t i o n an. s. hierzu die Vorschläge i m D r i t t e n Teil, Β . I I .
104 2. Teil: Das Spannungsfeld von Wissenschaft, Gesellschaft u n d Staat
der Praxis der Begegnung von Staat und Hochschule bezüglich der Verwaltung ankommt. Deshalb muß die Hauptaufgabe einer solchen Vermittlungsinstanz zwischen Hochschulwesen und Staat i n der Bewältigung der Hochschulfinanzierung liegen. Dabei hat die Vermittlung i n diesem Punkt i n beiden Richtungen zu erfolgen: Die finanziellen Bedürfnisse der einzelnen Hochschulen sind zunächst abzuklären, a b z u gleichen und zu bündeln, so daß ein Konkurrenzkampf zwischen einzelnen Hochschulen nur intern stattfinden kann, und dann an den Staat heranzutragen; umgekehrt liegt es bei dieser Zwischeneinrichtung, die Grundlinien der finanziellen Planung des Staates gegenüber den einzelnen Institutionen zu vertreten und dort zu realisieren. Der Staat müßte sich so nicht mehr m i t jeder Einzelfrage befassen, während die Einzelhochschule mehr Freiheit bei der Verwirklichung ihrer Planung und Schwerpunktsetzung in der wissenschaftlichen Aufgabenstellung hätte. Für ein solches Finanzierungssystem wären bestimmte Voraussetzungen i m Haushaltsrecht i m engeren Sinne notwendig, um es praktikabel zu machen; andere Einzelprobleme von Haushaltsrecht und Haushaltspraxis heute, die ihren Grund gerade darin haben, daß die einzelnen Hochschulen selbst an der staatlichen Haushaltsaufstellung mitwirken, ohne ausreichende Befugnisse und Kenntnisse zu haben, könnten dagegen verschwinden. I m folgenden Teil w i r d dargestellt, welche Chancen für ein autonomes Hochschulsystem auf der Grundlage der eben skizzierten Bedingungen die neuere Entwicklung des Haushaltsrechts und der Hochschulgesetzgebung bereithält. Von da aus kann der Rahmen von Bedingungen sodann an den derzeitigen Realitäten gemessen und schließlich mit konkreten Vorschlägen ausgefüllt werden.
Dritter
Teil
Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem A. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform I n den Ausführungen zum Status der Hochschulfinanzierung i m ersten Teil dieser Arbeit wurde gezeigt, daß die Hauptschwierigkeit des derzeitigen Finanzierungssystems i n einer zu starken Einschränkung der Entscheidungsbefugnisse und Handlungsfähigkeit der Hochschule liegt. Eben diese selbständigen Befugnisse sind aber auch generell erforderlich, wenn eine autonome Wissenschaftpflege durch das Hochschulwesen verwirklicht werden soll. A u f die Stellungnahmen i n der Hochschulreformliteratur, die eine Beeinträchtigung der Hochschulautonomie durch die heutige Finanzierungsform befürchten oder konstatieren, wurde schon hingewiesen. Nachdem nunmehr genauer untersucht und dargelegt ist, welchen Inhalt diese Autonomie hat und welche Bedeutung ihr zukommt, und nachdem die Hochschulfinanzierung als die praktisch wichtigste Schaltstelle zur Verwirklichung der Autonomie herausgestellt wurde, sind nun Aussagen möglich über das Aussehen einer Finanzierung, die dieser wissenschaftlichen Autonomie nicht nur nicht entgegensteht, sondern sie m i t herbeiführt und verwirklicht. A n eine solche Hochschulfinanzierung sind, von der Regelung der haushaltstechnischen Einzelfragen zunächst noch abgesehen, die folgenden Anforderungen zu stellen: Die Hochschulfinanzierung muß — die grundsätzliche Unabhängigkeit des Hochschulwesens von nichtstaatlichen Geldgebern sichern, was nicht bedeuten soll, daß die Hochschule keinerlei Mittel von dritter Seite erhalten darf, sondern daß sie ihr Verhältnis zu Interessenten i n der Gesellschaft frei gestalten kann, ohne durch finanzielle Probleme beeinflußt zu sein; — die grundsätzliche Unabhängigkeit von der staatlichen Verwaltung sichern i m Sinne größerer Freiheit der einzelnen Hochschule bei der Bestimmung der Finanzierungszwecke; — das Hochschulwesen als ganzes ebenso wie die einzelne Institution zu freierer Planung und Schwerpunktsetzung i n der wissenschaftlichen Aufgabenstellung und zu besserer Reaktionsfähigkeit auf sich ändernde Bedingungen i n den Stand setzen;
106 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
— die Hochschulen zur Kooperation mit anderen befähigen, ohne sie dazu zu zwingen oder ihre wissenschaftlichen Möglichkeiten davon abhängig zu machen; — die einzelne Hochschule aus dem Zwang zur unmittelbaren Verhandlung mit den staatlichen Behörden und aus dem materiellen Wettbewerb mit den anderen entlassen; — das Hochschulwesen durch eine sachgerechte Rechnungsprüfung zu wirtschaftlicher Haushaltsführung unter den spezifischen wissenschaftlichen Bedingungen befähigen; — eine für die Hochschulen zu durchschauende und zu handhabende einfachere Systematik bereithalten; — auf der Seite des Staates bewußt neben den anderen staatlichen Finanzierungssektoren mit spezifischen methodischen Modifizierungen geführt werden. Ob diese Anforderungen erfüllt werden, hängt nicht allein vom Haushaltsrecht i m engeren Sinne ab; dazu sind vielmehr eine Reihe weiterer Einrichtungen und Regelungen erforderlich, die dann auf die Finanzverfassung der Hochschule einwirken. Das Haushaltsrecht spielt aber eine gewichtige Rolle dabei, insbesondere dann, wenn es Sonderbestimmungen für das Hochschulwesen enthält oder wenigstens besondere Interpretationsmöglichkeiten für die Hochschulfinanzierung zuläßt. Um feststellen zu können, auf welchen Wegen eine Erfüllung dieser Anforderungen angestrebt werden kann, muß von den derzeitigen Realitäten des Haushaltsrechts ausgegangen werden; zu diesem Zweck ist zu prüfen, welche Wirkungen vom augenblicklichen Stand und der voraussichtlichen Entwicklung des allgemeinen Haushaltsrechts ausgehen und für die Entwicklung einer Hochschulfinanzierung für eine autonome Wissenschaftspflege relevant werden können. I . D i e neuen Haushaltsgesetze und die Reformüberlegungen zur Hochschulfinanzierung 1. Stand der Gesetzgebung und ihr Zweck
a) Haushaltsreform
durch
Bundeskompetenz
I n den Bundesländern w i r d eine Haushaltsreform durchgeführt, die jedenfalls grundsätzlich auch i n das System der von den Ländern vorzunehmenden Hochschulfinanzierung etwas Bewegung bringen könnte 1 . 1 Vgl. zum folgenden insgesamt Oppermann, Hochschulfinanzierung — Status, Tendenzen u n d Chancen, WRK-Papier, 1968, sowie Gutachten zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform des Bundes, 1968 (unveröff.), u n d Hall, Z u r Finanzverfassungsreform der Hochschulen, D U Z 1970 Nr. 19, S. 7 ff.,
Α. Hochschulfinanzierung u n d Haushaltsreform
107
Der Bund hat durch das 20. Änderungsgesetz zum Grundgesetz 2 Art. 109 Abs. 3 GG neu gefaßt und sich so die Möglichkeit geschaffen, „durch Bundesgesetz... für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht" 3 aufzustellen. Das ist geschehen durch das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) 4 , nach dessen § 1 Bund und Länder den Auftrag haben, „ihr Haushaltsrecht bis zum 1. Januar 1972 nach diesen Grundsätzen zu regeln". Der Bund hat sich dieser Aufgabe durch gleichzeitigen Erlaß der Bundeshaushaltsordnung (BHO) 5 sofort entledigt. Damit ist zugleich die RHO von 1922 als Bundesrecht außer K r a f t getreten, nach welcher die Länder ihr Haushaltsrecht seit 1936 ausgerichtet hatten. Für die Länder ist i n Zukunft das HGrG maßgebend, dessen Grundsätze für ihr Haushaltsrecht verbindlich sind; inwieweit sie sich darüberhinaus an Regelungen der BHO angleichen wollen, bleibt ihnen überlassen. Die wichtigsten der für die Länder wie für den Bund verbindlichen Haushaltsgrundsätze wurden außerdem i n der Verfassung festgeschrieben durch die Neufassung der Art. 110, 112 bis 115 GG 6 . Zweck dieses gesetzestechnischen Vorgehens ist die Vereinheitlichung des Haushaltsrechts i n Bund und Ländern, um „die Rechtseinheitlichkeit . . . auf dem Gebiet des Haushaltswesens zumindest i n den Grundzügen dauerhaft zu sichern und die öffentlichen Haushalte vergleichbar zu machen" 7 . Materiell zielt diese Reform auf eine grundlegende Modernisierung der öffentlichen Finanzpolitik. Sie ist zu sehen als sowie Hochschulfinanzverfassung u n d Haushaltsreform, Die V e r w a l t u n g 1969, S. 153 ff. 2 G v o m 12. 5.1969 (BGBl. I S. 357). 3 So die Formulierung i n A r t . 109 Abs. 3 GG. 4 G v o m 19. 8.1969 (BGBl. I S. 1273), i n K r a f t seit 1.1.1970. s G v o m 19. 8.1969 (BGBl. I S. 1284), i n K r a f t seit 1.1.1970. β Die Länder sind inzwischen dem A u f t r a g des § 1 H G r G nachgekommen und haben neue Haushaltsordnungen erlassen (bzw. die bestehende Haushaltsordnung entsprechend angepaßt, so i n Berlin). Landeshaushaltsordnungen (LHO) liegen v o r i n : Baden-Würtemberg, G v o m 19.10.1971 (GVB1. S.428); Bayern (BayHO), G v o m 8.12.1971 (GVB1. S.433); Berlin, 4. Ä n d G v o m 7.12.1970 (GVB1 S. 1975) zur L H O vom 29.7.1966 (GVB1. S. 1148); Bremen, G v o m 25. 5.1971 (GVB1. S. 143); Hamburg, G vom 23.12.1971 (GVB1. S.261); Hessen, G v o m 8.10.1970 (GVB1. S. 645); Niedersachsen, G v o m 7.4.1972 (GVB1. S. 181); Nordrhein-Westfalen, G v o m 14.12.1971 (GVB1. S. 397); Rheinland-Pfalz, G v o m 20.12.1971 (GVB1. 1972 S.2); Saarland, G v o m 3.11.1971 (ABl. S.733); Schleswig-Holstein, G v o m 22.4.1971 (GVB1. S. 162). Auch die Bundeshaushaltsordnung (BHO) hat bereits die erste Änderung erfahren: Ä n d G v. 23.12.1971 (BGBl. I 1971 S. 2133). 7 Vgl. „Das Parlament" Nr. 31, 31. 7.1968, S. 1, 2.
108 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
„ein Teilstück der von der Bundesregierung i n Angriff genommenen Finanz Verfassungsreform, die ihrerseits in engem Zusammenhang mit Maßnahmen zu einer gewissen Neuakzentuierung der Wirtschaftsordnung („Globalgesteuerte Marktwirtschaft") s t e h t . . . Eine wesentliche Tendenz dieser Reformbestrebungen, die sich u. a. in der Haushaltsreform besonders ausprägt, besteht i m Übergang von der klassischen öffentlichen Finanzpolitik der reinen »Bedarfsdeckung' zur modernen sog. ,Ordnungsfinanzpolitik'... Es erfolgt eine Abkehr von der reinen Fiskalpolitik, insbesondere durch vorausplanende, die konjunkturellen Schwankungen berücksichtigende Maßnahmen (§§1, 9 StabG)" 8 . Unter dieser Aufgabenstellung bringt das HGrG eine Reihe von neuen Regelungen, die ζ. B. eine Verzahnung des Haushaltsverfahrens m i t der fünfjährigen Finanzplanung nach § 9 StabG, eine größere Durchsichtigkeit und Beweglichkeit beim Haushaltsvollzug und eine Neuordnung des Zahlungs- und Buchungswesens mit dem Ziel des Einsatzes von elektronischer Datenverarbeitung ermöglichen sollen. b) Allgemeine
Bedeutung für die Hochschulfinanzierung
Die Praktizierung dieses neuen Haushaltssystems durch die staatliche Finanzwirtschaft w i r d auf den Bereich der Hochschulfinanzierung gewisse Auswirkungen haben, auch wenn dieser i n den Gesetzen keine Erwähnung findet 9. Freilich fragt es sich, ob diese Auswirkungen Fortschritte für eine reformierte Hochschulfinanz Verfassung i m Sinne der oben entwickelten Vorstellungen bringen können. Immerhin ist zu dieser Frage schon festgestellt worden: „Die Gesamttendenz dieser Haushaltsrechtsreform widerspricht den Reformvorstellungen . . . nicht, sondern kommt ihnen eher entgegen 10 ." Freilich kommt der Verfasser gleich darauf zu der Einschränkung, daß Maximalforderungen der Reformliteratur wie Globalhaushalte oder volle Etathoheit für die Hochschulen nicht zu erwarten seien, daß aber schon technische Verbesserungen durch mehr Klarheit und Transparenz Fortschritte gegenüber dem derzeitigen System darstellen. Er nennt hier mögliche günstige Auswirkungen der Rechtseinheitlichkeit, die Vorteile bei den Planungen sowie eine bessere Vergleichbarkeit und größere Einheitlichkeit von Haushaltsrecht und Haushaltsgebaren bewirken könnte; ferner könnte sich die Koordination der Finanzplanung i n Bund und Ländern verbessern und unter das Gebot einer konjunkturgerechten Haushaltswirtschaft bringen lassen, wodurch die längst erforderliche 8 Oppermann, Gutachten . . . , S. 5, 6. Vgl. auch die dort L i t e r a t u r zu diesen Zusammenhängen. 9 Oppermann, Gutachten . . . , S. 6 ff. 10 Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 9.
(S. 5) zitierte
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
109
konkretere Zusammenschau von bildungsplanerischen Absichten und ihren finanziellen Wirkungen erzielt werden könnte, und schließlich könnte sich ein Vorteil aus der besseren Ubersehbarkeit der Rolle des Bundes bei der Entwicklung des Hochschulwesens infolge der gesteigerten Einheitlichkeit des Haushaltsrechts auf Bundes- und Länderebene wegen A r t . 109 Abs. 3 GG ergeben 11 . Jedoch stellt H a l l fest, daß „ d i e . . . Reformvorstellungen für eine sachgerechte Hochschulfinanzierung von der Haushaltsreform des Bundes nicht erfüllt (werden)" 12 . Das würde bedeuten, daß allenfalls gewisse punktuelle Verbesserungen, insbesondere durch eine leichtere und schnellere Handhabung i m Verfahren, zu erwarten wären, daß die Hochschule aber grundsätzlich dem Staat i n finanziellen Dingen nicht anders gegenüberstehen würde als bisher. Eine Gegenüberstellung von Reformvorschlägen und Grundsätzen des HGrG kann zeigen, ob und inwieweit Veränderungen für die Hochschulfinanzierung durch die Ländergesetzgeber nach dem heutigen Stand dieser Grundsätze wenigstens theoretisch möglich sind und an welchen Punkten anzusetzen wäre. Dabei ist allein auf das HGrG abzuheben, weil dessen Grundsätze die Länder binden, während die eigentlich an die Stelle der RHO getretene BHO ihrerseits nur eine Ausfüllung des HGrG durch den Bundesgesetzgeber darstellt und i n der Haushaltssystematik dieser entspricht. 2. Beurteilung der Reformmöglichkeiten nach dem H G r G a) Stellung
der Hochschulen
im
Haushaltssystem
Es wurde schon i m ersten Teil dieser Arbeit erläutert, daß die Hochschulen haushaltsrechtlich als unselbständige Anstalten behandelt werden. Bisher galt deshalb für die Kapitel i n den Einzelplänen der Kultusminister, die den Hochschulhaushalt darstellen, ebenso wie für alle anderen Kapitel die Systematik der RHO; nunmehr gilt die Systematik des HGrG, ohne daß sich an der Position des Hochschulwesens innerhalb des Kultus-Etats etwas geändert hätte. Nach wie vor ist die Möglichkeit einer Etathoheit für Hochschulen zwar gegeben, und der Entwurf der Bundesregierung für ein Hochschulrahmengesetz läßt sie sogar ausdrücklich zu 1 3 , indem er auf § 48 Abs. 1 HGrG hinweist; aber das HGrG unterstellt die Hochschulen auch i n diesem Fall n Vgl. Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 9. 12 So Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 9; vgl. auch Oppermann, Gutachten . . S.34: „ I n . . . die Hochschulen besonders angehenden Reformfragen bleibt das H G r G auf halbem Wege stehen." 13 I n § 12 Abs. 5 des Entwurfs; dazu später ausführlicher.
110 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
seinen Prinzipien, so, wie es bisher nach der RHO schon bei den einzelnen Ausnahmefällen 14 geregelt war. Da die Systematik des HGrG gegenüber der der RHO nicht grundlegend verändert ist, ist ein Hauptanliegen der Reformdiskussion, nämlich eine gewisse Trennung des Finanzierungsbereichs Hochschulen von den anderen Gegenständen der staatlichen Finanzierung i m Interesse der sachgerechten Sonderbehandlung, nicht erfüllt. b) Die Systematik
des HGrG
Nach § 4 HGrG ist weiterhin vom Prinzip der Einjährigkeit auszugehen. Obwohl die Verfassung an sich Mehrjährigkeit zuläßt (Art. 110 Abs. 2 GG), „räumt § 9 HGrG nur zögernd" 15 wenigstens eine zweijährige Haushaltsperiode ein. Das hilft den Hochschulen aber nur, wenn der gesamte Landeshaushalt auf die zweijährige Periode umgestellt würde, weil ja die Möglichkeit, für das Hochschulwesen allein eine besondere Planungsperiode einzurichten, nicht gegeben ist. Wie groß die Bereitschaft der Länder zur Umstellung auf den Zweijahreshaushalt ist, kann trotz der vielfach beschriebenen Vorteile 1 6 nur als ungewiß bezeichnet werden. So hat das Land Baden-Württemberg für das Jahr 1971 einen einjährigen Haushaltsplan vorgelegt, obwohl ein Zweijahreshaushalt i m Gespräch war, von dem man sich Einsparungen für Landtag und Verwaltung erhoffte; begründet wurde das m i t der unsicheren konjunkturellen Lage. Interessanterweise waren es Sonderprogramme für die Hochschulen, die dem Landtag erst nach Bekanntgabe des Haushaltsentwurfs für 1971 vorgelegt werden konnten, mit denen dann der Verbleib beim Einjahresetat begründet wurde. Solange nur für den Fall einer sicheren konjunkturellen Lage an eine Umstellung gedacht würde, wäre für die Hochschulen nicht sehr viel zu hoffen. Die mittelfristige Finanzplanung nach § 50 HGrG i. V. m i t § 9 StabG ändert an dieser Situation nicht sehr viel. Zwar w i r d der Teil des Landeshaushalts, der sich auf das Hochschulwesen bezieht, von längerfristigen Grundentscheidungen für die Planungsperiode ebenso betroffen sein wie andere Teile 1 7 , und angesichts der für das kommende Jahrzehnt ins Auge gefaßten Summen für das Hochschulwesen sollten Fragen der Hochschulfinanzierung i m Rahmen der allgemeinen Ausrichtungsfunktion der mittelfristigen Finanzplanung sogar eine beson14 Z u den Sonderbestimmungen für die Hochschulen i n B e r l i n u n d Saarbrücken vgl. Bley, S. 45 ff. « Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 9. 16 Vgl. z.B. Neumark, Plädoyer f ü r den Zweijahreshaushalt, i n : Blick durch die Wirtschaft v. 2. November 1966, F r a n k f u r t / M . 17 Vgl. Oppermann, Gutachten . . S . 16.
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
111
dere Rolle spielen 18 , aber mangels konkreter Bindung der Verwaltung durch diese Gernerallinien w i r d für die Haushaltspraxis der Hochschulfinanzierung keine merkliche W i r k u n g zu erwarten sein. Um die bereits geschilderten problematischen Auswirkungen des Annuitätsprinzips zu mildern, w i r d i n der Diskussion eine generelle Übertragbarkeit der Restmittel auf das folgende Haushaltsjahr gefordert. Nach dem HGrG w i r d sie nicht realisiert werden können. Es führt lediglich eine Reihe sachlicher Kriterien ein, nach denen bestimmte Ausgaben leichter als nach dem alten § 30 RHO für übertragbar erklärt werden können: so, wenn die Ausgaben für eine auf mehrere Jahre sich erstreckende Maßnahme bestimmt sind und „wenn die Ubertragbarkeit eine sparsame Bewirtschaftung der Mittel fördert" (§15 Abs. 1 HGrG). Hier ist der unter der Geltung der RHO noch verlangte Nachweis einer sparsamen Bewirtschaftung weggefallen — an den auch noch „strengste Anforderungen" 1 9 zu stellen waren, ein Nachweis, der gerade i m Hochschulbereich fast unmöglich zu führen ist. Man w i r d mit Recht davon ausgehen dürfen, daß i m Hochschulbereich — ebenso wie wahrscheinlich i n manchen anderen Bereichen der K u l turverwaltung 2 0 — eine Ubertragbarkeit generell geeignet ist, die Sparsamkeit zu fördern 2 1 ; es darf aber sehr bezweifelt werden, daß sich diese Erkenntnis so allgemein bei Behörden, Parlamenten und Rechnungshöfen durchsetzen wird. Unter diesen Umständen geht § 15 HGrG nicht genügend weit. Allerdings muß gesehen werden, daß angesichts des breiten A n wendungsbereiches des Gesetzes weder verlangt noch erwartet werden kann, daß nur wegen der besonderen Bedürfnisse des Hochschulwesens eine allgemeine Übertragbarkeit i n das Gesetz geschrieben werden soll. Um spezielle Regelungen für die Hochschulen unterzubringen, hätte es hier einer Sonderbestimmung bedurft 2 2 ; eine solche ist nicht aufgenommen worden. I n § 12 Abs. 4 und 5 geht das HGrG weiterhin vom Grundsatz der Spezialität aus, was zunächst einmal unverzichtbar ist. Die sich daraus 18 Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 10, fordert sogar eine Beteiligung des Hochschulwesens bei der mittelfristigen Planung. ι 9 So Viaion, Haushaltsrecht, S. 559. 20 Hierzu nochmals Becker - Kluge, K u l t u r p o l i t i k u n d Ausgabenkontrolle, die nicht n u r f ü r die Hochschule, sondern auch f ü r Schule, Rundfunk und Theater dieser Auffassung sind. 21 So Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 10. 22 Vgl. Oppermann, Gutachten . . . , S. 21. V o n i h m ist noch i m Entwurfsstadium des H G r G eine „Hochschulklausel" vorgeschlagen worden, i n der die erforderlichen Sonderbestimmungen f ü r die Hochschulen zusammengefaßt als zusätzlicher § i n das H G r G eingebracht hätten werden können. A u f die „Hochschulklausel" ist noch zurückzukommen.
112 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
ergebenden Schwierigkeiten für die Hochschulfinanzierung könnten gemildert werden durch eine weitgehende gegenseitige Deckungsfähigkeit der Hochschulmittel. Zwar würde eine umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit einem Globalhaushalt ähneln, weil die Hochschulverwaltung wie bei diesem verhältnismäßig frei i n der Verteilung der M i t t e l wäre; das mag Behörden und Parlamente einer so weiten Ausdehnung gegenüber besonders mißtrauisch machen. Aber immerhin müssen dabei die Zweckbestimmungen i n den Haushaltsplan aufgenommen werden, was doch etwas anderes ist als eine unaufgegliederte Globalzuweisung. Sinnvoll könnte ein Mittelweg sein, bei dem nicht sämtliche Titel gegenseitig deckungsfähig sind, wohl aber die innerhalb eines größeren Blocks verwandter Zwecke, so daß gewissermaßen mit „mehreren Globalbeträgen" eine gewisse Bewegungsfreiheit der Hochschule erzielt werden könnte. § 15 Abs. 2 HGrG begnügt sich damit, die Erklärung als deckungsfähig zuzulassen, „wenn ein verwaltungsmäßiger oder sachlicher Zusammenhang besteht". Diese Formel könnte nützlich sein, falls sie „sachgerecht und großzügig" gehandhabt würde, was aber „angesichts der überkommenen Auslegungsgrundsätze" zu diesem Punkt nicht leicht fallen dürfte 2 3 . Die Beurteilung von „sachlichen Zusammenhängen" i m Rahmen wissenschaftlicher Arbeit ist von außen schwer nachzuvollziehen, und die Konsequenz aus diesem Umstand wäre, die Hochschule zu fragen, wo ein solcher Zusammenhang besteht; dazu kann das H G r G selbst allerdings nicht sehr viel beitragen. Ob für das Hochschulwesen von der Formel vom „sachlichen Zusammenhang" echte Verbesserungen ausgehen können, liegt nicht nur an der Handhabung dieser Formel, sondern auch ζ. B. am Grad der M i t w i r k u n g der Hochschule bei der Aufstellung des Haushaltsplans. Ein Globalhaushalt für die Hochschulen, wie er ebenfalls gefordert worden ist, ist i m HGrG natürlich u m so weniger vorgesehen. Dieser Vorschlag w i r d auch in letzter Zeit zurückhaltender beurteilt; dagegen w i r d geltend gemacht, daß Globalhaushalte auch global, d. h. ohne weitere Rechenschaft über die Notwendigkeiten i m einzelnen Punkt, gekürzt werden könnten, und auch, daß seine Auswirkungen auf die Struktur der Hochschulselbstverwaltung erheblich und schwer abschätzbar seien 24 .
23 Oppermann, Gutachten . . . , S. 19. 24 So z. B. Kalisch, DVB1.1968, S. 237 ff., u n d Oppermann, Gutachten . . . , S. 18. Vielleicht wäre die K o n j u n k t u r a n f ä l l i g k e i t ζ. Z. wegen der verstärkten Aufmerksamkeit f ü r das Bildungswesen u n d die entsprechenden Investitionen nicht i n so hohem Maße gegeben; das könnte sich freilich wieder ändern.
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
c) Handlungsfreiheit
113
der Hochschulen nach dem HGrG
Eine Reihe weiterer Reformforderungen, mit denen die Hochschulen selbständiger und beweglicher i n den wirtschaftlichen Angelegenheiten gemacht werden sollten, betrafen einen selbständigeren Haushaltsvollzug i m Hochschulwesen, eine veränderte A r t der Ausgabenkontrolle und eine stärkere Beteiligung bei der Haushaltsaufstellung. Da das HGrG das Hochschulwesen allgemein nicht gesondert berücksichtigt, sind auch insofern keine Neuerungen festzustellen. Eine Veranschlagung und Zuweisung der Mittel zur Selbstbewirtschaftung an die Hochschulen nach § 12 Abs. 3 HGrG kommt nicht i n Betracht, weil „diese A r t von M i t t e l n . . . wie schon i m alten § 16 RHO lediglich für begrenzte und spezielle Geschäftsbedürfnisse gedacht (ist) und nicht auf den Viel-Millionenhaushalt einer Hochschule (paßt)" 25 . Ebenso ist ein autonomes Haushaltsrecht für Hochschulen nach §§ 14 sowie 26 und 43 HGrG („Zuwendungen") nicht vorgesehen, weil die Hochschule mit ihrer Rechtsnatur als staatliche Veranstaltung bezüglich der wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht unter diese Bestimmungen fällt. Die Hochschulen sind auch weiterhin nicht maßgeblich an der Aufstellung der sie betreffenden Einzelpläne der Kultusminister beteiligt. Ebenso wenig bewirtschaften sie die Finanzmittel unter bloßer Rechtsaufsicht, sondern staatsunmittelbar. Gerade die Forderung nach einem selbständigen, zentralen Haushaltsvollzug, durch den die Hochschulen auch bei i m wesentlichen unverändert tradierten haushaltsrechtlichen Grundsätzen doch ein wenig freier gestellt werden könnten, entspricht einem allgemeineren Trend zum Abbau der Fachaufsicht über Selbstverwaltungskörperschaf ten, ζ. Β. auch i m Gemeinderecht, das seinerseits mit dem Hochschulrecht i n vieler Hinsicht nicht einmal verglichen werden kann, und einer Tendenz der modernen Verwaltung zur Dezentralisation 26 . Auch i m Bereich der Ausgabenkontrolle bringt das H G r G für das Hochschulwesen keine Verbesserungen. Die Vorschriften über die Rechnungsprüfung, §§ 42 ff. HGrG, sehen ebenfalls keine Besonderheiten für das Hochschulwesen vor. Hier kann nur wieder an die Begriffe „Sparsamkeit" und „Wirtschaftlichkeit" i n § 6 HGrG angeknüpft und gehofft werden, daß die Rechnungshöfe sich langfristig dazu bereit finden, diese Begriffe i n einer die Besonderheiten wissenschaftlicher Arbeit berücksichtigenden A r t auszulegen, eine Auslegung, die eine auf
25
Oppermann, Gutachten . . . , S. 18. 6 Vgl. dazu Mallmann, S. 20; Bachof, S. 18 ff.; Oppermann, Gutachten S. 26, sowie unter Gesichtspunkten der Demokratie Fraenkel, S. 33. 2
8 Zeh
114 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
möglichst hohen Rückfluß am Jahresende zielende Sparsamkeit sinnw i d r i g werden läßt 2 7 . 3. Zusammenfassung
Insgesamt hat der Gesetzgeber sich beim Erlaß und der Vorbereitung des HGrG m i t den besonderen Finanzierungsproblemen i m Hochschulbereich offensichtlich nicht befassen wollen, weshalb dann keinerlei explizite Regelungen zu diesem Punkt i n das Gesetz eingegangen sind. Die Reformen des HGrG scheinen zwar in den einzelnen Punkten den Wünschen zur Reform der Hochschulfinanz Verfassung objektiv nicht entgegenzustehen, weil sie gewisse Liberalisierungen nicht gerade ausschließen. Das galt aber bis zu einem gewissen Grade auch schon für die RHO, deren Probleme zu einem Teil erst i n den Auslegungsgrundsätzen und i n der Praktizierung der Normen akut wurden. Daß das HGrG angesichts der Bedeutung des Hochschulwesens für unsere Gesellschaft und angesichts der hierfür vorgesehenen finanziellen Aufwendungen es vorzieht, zu diesem Bereich keinerlei reformerische Impulse beizutragen, muß jedoch insgesamt eher als Rückschritt angesehen werden; nachdem die Hochschulen sich so lange m i t der RHO beholfen hatten, und nachdem die Problematik der Hochschulfinanzierung i n einer breiten Diskussion immer wieder angesprochen worden ist, mochte man sich ein wenig mehr i n dieser Richtung erwarten. Falls bei Vorbereitung und Erlaß der Gedanke maßgeblich gewesen sein sollte, der Bund habe weitergehende Vorschriften zuständigkeitshalber den Ländern zu überlassen, so würde das weder zum Hauptgedanken der Haushaltsreform (Vereinheitlichung) noch zur vor Verabschiedung des HGrG erworbenen Bundeskompetenz für die Grundsätze des Hochschulwesens passen 28 . Insbesondere dürfte auch der gleichzeitige Erlaß der BHO als Beispiel einer Ausfüllung der HGrG-Grundsätze die Ländergesetzgeber nicht gerade ermuntern, nun ihrerseits Sonder normen für den Hochschulbereich zu konzipieren. Sowohl vor Erlaß des HGrG wie danach wurde vonseiten der W R K versucht, solche Sondervorschriften i n das HGrG einzubringen bzw. sie den Ländern zur Aufnahme i n die von ihnen zu erlassenden Gesetze anzutragen 29 . Dabei war Rücksicht genommen worden einmal auf die Schwierigkeit, eine Ausbreitung der hochschulspezifischen Sonder27
Z u m Verhältnis der Rechnungshof-Kontrolle zu den Besonderheiten wissenschaftlicher A r b e i t vgl. Oppermann, Z u r Finanzkontrolle der Stiftung Volkswagenwerk, bes. S. 94 ff. 28 Die Hochschulkompetenz des Bundes wurde durch das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v o m 12. 5.1969 erlangt. 2 » Oppermann, Gutachten, i m Entwurfsstadium, u n d Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 7 ff.; letzterer spricht S. 11 die Landesgesetzgeber d i r e k t an.
A. Hochschulfinanzierung u n d Haushaltsreform
115
normen auf die für alle Bereiche geltenden Grundsätze des HGrG, etwa über Interpretationen, zu verhindern, als auch auf die Schwierigkeit, in einen schon fertiggestellten Entwurf an den verschiedensten Stellen Zusätze, Umformulierungen oder neue Abschnitte aufzunehmen 30 . Zu diesem Zweck wurden die wünschenswerten Sonderbestimmungen i n „Hochschulklauseln" zusammengefaßt, die an geeigneter Stelle, ζ. B. hinter § 48 HGrG über landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts, eingefügt hätten werden können. Diese als zusätzliche §§ konzipierten Klauseln enthielten unter dem Titel „Haushaltsbestimmungen für das Hochschulwesen" oder „Besondere Haushaltsgrundsätze i m wissenschaftlichen Hochschulwesen" 31 i n einigen Absätzen unter Bezugnahme auf die betreffenden §§ des HGrG die für das Hochschulwesen vorgeschlagenen Sondernormen, besonders die regelmäßige Übertragbarkeit und Deckungsfähigkeit der Mittel, die Beseitigung der zusätzlichen Bewilligung des Finanzministers i m Sinne der §§ 19 Abs. 2, 25 HGrG und die hochschulgerechte Sicht der Hochschulhaushaltsführung bei der Rechnungsprüfung 32 . Das HGrG selbst hat diesen ausführlich begründeten und zweckmäßig aufbereiteten Vorschlag nicht aufgegriffen, weil die Legislaturperiode auslief. Auch von den Ländergesetzgebern sind Erwartungen i n dieser Richtung nicht erfüllt worden. So bleibt insoweit nur zu hoffen, die Länder möchten sich „zu e i n e r . . . einheitlichen Regelung für die Hochschulfinanzverfassungen aufraffen", um die „haushaltsrechtlich besondere Stellung der Hochschulen zu verstärken, wobei Endziel eine stärkere Autonomie der Hochschulen i n diesem Bereich sein sollte" 3 3 . I I . Hochschulgesetzgebung und Finanzverfassung
Nachdem festgestellt ist, daß die Gesetze des Bundes zur Haushaltsreform einer Finanzverfassungsreform der Hochschule lediglich nicht entgegenstehen und für den Fall, daß eine solche Finanzverfassungsreform durchgeführt würde, gewisse Erleichterungen und Liberalisierungsmöglichkeiten bereithalten, ohne aber selbst entscheidende A n sätze für eine solche Reform zu bringen, ist nun zu fragen, welche sonstigen Möglichkeiten für eine neue Hochschulfinanzierung i n Sicht sind. Es wurde schon gesagt, und das zeigt auch die oben aufgestellte „Wunschliste" für eine autonomiefördernde Hochschulfinanzierung 34 , 30
Vgl. Oppermann, Gutachten . . . , S. 32. si So Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 11, u n d Oppermann, Gutachten, S. 32 32 Vgl. die Ausformulierungen der „Hochschulklauseln" i m einzelnen bei Oppermann, Gutachten . . . , S.32ff. u n d Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 11/12. 33 So Hall, a.a.O., S. 11. 34 s. oben v o r Α. I . 8·
116 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
daß wichtige Bestandteile einer reformierten Hochschulfinanzierung vom Haushaltsrecht i m engeren Sinne gar nicht geliefert werden können; hier sind vielmehr umfassende Regelungen i m Bereich der Beziehungen von Hochschulwesen und Staat erforderlich. Eine auf ein autonomes Hochschulsystem zugeschnittene Finanzverfassung muß notgedrungen einen großen Teil der i m Hochschulsystem zu regelnden Einzelsachverhalte ergreifen und beeinflussen, ohne daß deren Zusammenhang m i t der Finanzverfassung auf den ersten Blick offenkundig sein müßte. Deshalb ist zu prüfen, was von der Hochschulgesetzgebung nach ihrem augenblicklichen Stand und den erkennbaren Tendenzen für eine Erneuerung oder Verbesserung der Hochschulfinanzierung zu erwarten ist. Hochschulgesetze sind einmal der Ort, an dem die erwähnten allgemeinen Grundentscheidungen zum Standort des Hochschulwesens getroffen werden, die mit der Finanzverfassung i n enger Wechselbeziehung stehen; zum anderen können i n ihnen auch konkret haushaltsrechtliche Fragen geregelt und für das Hochschulwesen besonders bestimmt werden, wenn sie nur den allgemeinen Bestimmungen der Haushaltsgesetze nicht zuwiderlaufen, so daß die Hochschulgesetzgebung auch auf dem Boden des zurückhaltenden HGrG durch Ausnutzung des vorhandenen Rahmens durchaus zur Schaffung einer modernen Hochschulfinanzverfassung imstande ist 3 5 . Um festzustellen, welche Wege zur Zeit i n dieser Hinsicht beschritten werden und was sich daraus für die Realisierungschance bestimmter Vorstellungen ergibt, muß die Hochschulgesetzgebung unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden. 1. Stand der Hochschulgesetzgebung
Die wichtigste Entwicklung i n der Hochschulgesetzgebung der letzten Jahre stellt der Übergang von Kompetenzen für das Hochschulwesen auf den Bund dar. Auf der Grundlage des mit dem 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 36 neugefaßten A r t . 75 Abs. 1 Nr. 1 a GG 3 7 hat der Bund den Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes vorgelegt 38 . Damit ist die Diskussion um die Hochschulreform gestrafft und auf dieses 35 Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 10, geht davon aus, daß die Länder grundlegende Fragen der Hochschulfinanzverfassung „nicht außerhalb spezieller Hochschulgesetze" regeln werden. 36 G vom 12. 5.1969 (BGBl. I S. 363). 37 T e x t : „Der B u n d hat das Recht, . . . Rahmenvorschriften zu erlassen über: . . . 1 a. die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens." 38 A m 4.12.1970. Zitiert w i r d i m folgenden aus: Hochschulrahmengesetz. Westdeutsche Rektorenkonferenz, Dokumente zur Hochschulreform 1971, Bonn—Bad Godesberg, Januar 1971.
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
117
Vorhaben konzentriert worden; seit Beginn des Jahres 1971 beschäftigen sich die Diskussionsbeiträge hauptsächlich m i t diesem Fixpunkt 3 9 . Obgleich seit der Grundgesetzänderung das Erscheinen eines Entwurfs der Bundesregierung i n Sicht war und i m Jahre 1970 durch die „Leussink-Thesen" und zwei Referentenentwürfe 40 vorbereitet wurde, haben die Länder ihre eigene Hochschulgesetzgebung weiterbetrieben. Seit 1966 bestehen i n einigen Bundesländern neuere Hochschulgesetze, die zum Teil wegen der raschen Entwicklung der hochschulpolitischen Vorstellungen bald novelliert wurden 4 1 ; i n anderen sind seit dieser Zeit Hochschulgesetze neu erlassen worden 4 2 . A l l e diese Gesetze und Entwürfe haben vielerlei Anregungen der Reformdiskussion mindestens verbal aufgenommen und treten m i t dem Anspruch einer Reformierung des Hochschulwesens auf, ohne daß hier schon klar zu sehen wäre, inwieweit tatsächlich Reformen eingeleitet oder wenigstens der Weg für Verbesserungen freigegeben worden ist 4 3 . Auffallend an dieser Entwicklung insgesamt ist, daß nur gegen die ersten gesetzgeberischen Unternehmungen für das Hochschulwesen der grundsätzliche Einwand erhoben wurde, der Staat (als Bundesland) habe wegen der Autonomie der Hochschulen überhaupt nicht das Recht, Hochschulgesetze von sich aus zu erlassen 44 . Inzwischen ist diese K r i t i k fast gänzlich verstummt, und zwar so gründlich, daß auch der Umstand, daß der nunmehr als Bund zentral zugreifende Staat noch weiter von der einzelnen Hochschule abgerückt ist, allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Kulturhoheit der Länder diskutiert w i r d ; für die Autonomie der Hochschule scheint man davon jedenfalls nicht mehr zu befürchten als von der Gesetzgebung durch die Länder. Freilich ist der K r i t i k aus den Kreisen der Hochschulangehörigen das Wort insgesamt abgeschnitten worden durch den Hinweis auf ein angebliches Versagen beim Versuch der Selbstreformierung. Der entscheidende Gesichtspunkt ist 39 Die Stellungnahmen von W R K , B Ä K , H V u n d VDS werden ebenfalls nach dem i n Note 38 zitierten W R K - D o k u m e n t zitiert, das diese m i t E n t w u r f u n d Begründung zusammen abdruckt. 40 Thesen: Februar 1970; RefE v. 1.7. u n d v. 30.10.1970; E n t w u r f der Bundesregierung für ein Hochschulrahmengesetz v o m 25. Febr. 1971, B T Drucksache VI/1873. 41 So i n Baden-Württemberg (GVB1. 1969 S. 127; 1971 S. 147); B e r l i n (GVB1. 1969 S. 909; 1970 S. 1915); Hamburg (GVB1. 1969 S.61; 1970 S. 84, S. 147, S. 293; 1971 S.222); Hessen (GVB1.1 1970 S.315; 1971 S. 59, S. 109). 42 I n Bayern n u r über die Fachhochschulen (GVB1. 1970 S. 481; 1971 S. 232, S. 473); Bremen (GBl 1970 S. 101); Niedersachsen (GVB1. 1971 S.317); N o r d rhein-Westfalen (GVB1. 1970 S.254); Rheinland-Pfalz (GVB1. 1971 S.5); Saarland (ABl. 1970 S. 510; 1971 S.506); Schleswig-Holstein (nur über Fachhochschule GVB1. 1969 S. 114). 43 Vgl. Lachmann, Z u m Stand der Hochschulgesetzgebung, D U Z 1970 Nr. 8, S. 3 ff. (3). 44 Vgl. Note 115 i m Ersten Teil.
118 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
aber, daß heute allgemein akzeptiert wird, daß die Dynamik des internationalen Wettbewerbs der Industriegesellschaften auf eine einheitliche Regelung des Hochschulwesens i n einem räumlich so kleinen Land wie der Bundesrepublik drängt. Eine Auseinanderentwicklung des Hochschulwesens erscheint innerhalb dieser Größenordnung nachteilig. Für die wissenschaftliche Entwicklung müßte das erst noch nachgewiesen werden — eine Belebung durch Konkurrenz ist hier nicht ausgeschlossen —, aber für den Bereich der Ausbildung und für einen Teil der Forschung — besonders bezüglich großer Projekte — w i r d man diese Feststellung prima facie treffen dürfen. I m Sinne der hier vertretenen Autonomiekonzeption 45 stellt die Bundeskompetenz als solche keine Verschärfung der Autonomieproblematik dar; es w i r d i m Gegenteil vom Gesetzgeber verlangt, ein Regelsystem zu entwerfen und einzurichten, das die Hochschulautonomie herbeiführt und sichert, indem es den Hochschulen oder den von ihnen zu bildenden Institutionen befriedigende Selbstgestaltungsmöglichkeiten einräumt. Nicht das Tätigwerden des Bundesgesetzgebers berührt die Autonomieproblematik, sondern gegebenenfalls die Inhalte seines Normensystems für das Hochschulwesen. Bei diesem äußeren Stand der Dinge sind die Initiativen der Länder zur Hochschulgesetzgebung i n ihrer Bedeutung i n den zweiten Rang zurückgetreten. Nach Zustandekommen eines Bundesgesetzes werden abweichende Bestimmungen in Ländergesetzen wieder wegfallen oder geändert werden oder aber ganz neue Hochschulgesetze der Länder erlassen werden müssen 453 . Infolgedessen muß der Entwurf der Bundesregierung derzeit i m Mittelpunkt des Interesses stehen. Freilich darf die Vorlegung dieses Entwurfs nicht zu einer übermäßigen Verengung der Diskussion führen; bestimmte i n den Vorhaben oder Gesetzen der Länder erkennbare Tendenzen müssen ebenso wie weitere Vorschläge der Literatur zur Hochschulreform i n der Diskussion bleiben. 2. Hochschulrahmengesetz, Finanzverfassung und Autonomie der Hochschule
I m folgenden werden die wichtigsten Komplexe der Konzeption der Bundesregierung untersucht, soweit sie die Finanzfassung der Hochschule unmittelbar betreffen oder durch die Klammer der hier entwickelten Autonomieforderung mit ihr verbunden sind. Freilich berührt fast jeder Einzelpunkt dieses zentrale Thema i n irgendeiner « Vgl. i m Zweiten T e i l B. I I I . 45a Allerdings sind i n den jüngsten Hochschulgesetzen der Länder manche der i m E n t w u r f der Bundesregierung vorgesehenen Regelungen bereits berücksichtigt.
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
119
Weise; dennoch ist es i n diesem Zusammenhang nicht erforderlich, den Stellenwert aller Einzelregelungen i n diesem Kontext zu prüfen. Für die Gewinnung einer Beurteilungsgrundlage genügt die Darstellung der wichtigsten Gegenstände. a) Grundkonzeption:
Allgemeine
Aufgaben der Hochschule
„Der Entwurf", so die Begründung zum Entwurf eines Hochschulrahmengesetzes (künftig: HRG) unter A. Allgemeines 46 , „ist Ausdruck einer Hochschulpolitik, die sich vom traditionellen deutschen Hochschulsystem löst und die Hochschulen stärker i n die Entwicklung der Gesellschaft einbezieht". Und weiter: „Für ihre Arbeit muß eine Synthese zwischen dem berechtigten Anspruch aller ihrer Mitglieder auf M i t w i r k u n g an der Wahrnehmung der Hochschulaufgaben und den Erfordernissen eines leistungsfähigen Forschungs- und Studiensystem(s) gefunden werden." Diese Programmatik w i l l das HRG m i t der Grundentscheidung für die Gesamthochschule verwirklichen, die wohl das zentrale Reformziel dieser hochschulpolitischen Konzeption darstellt 4 7 . Dieses Ziel ist i n §§ 4 bis 6 HRG festgeschrieben. Der Auftrag zur Errichtung solcher Gesamthochschulen richtet sich an den Staat, also an die Länder. Sie sollen neue Hochschulen als Gesamthochschulen errichten (§ 5 Abs. 4), sie haben bestehende Hochschulen innerhalb der Frist des § 6 HRG zu solchen zusammenzuschließen. I n der Begründung zu § 5 HRG w i r d klargestellt, daß es des staatlichen Errichtungsakts bedarf 4 8 , daß also nicht etwa Hochschulen untereinander ihren Zusammenschluß vereinbaren und vollziehen können. Dagegen sind Hochschulen, die aus den i n der Begründung zu § 5 HRG genannten Gründen nicht zusammengeschlossen werden, nach § 59 HRG zur Zusammenarbeit verpflichtet, und zwar i n einem weiten Umfang, der sich aus dem Katalog i n § 59 Abs. 1 Ziff. 1 bis 8 HRG ergibt. Diese Pflicht zur Zusammenarbeit w i r d mittels einer Vereinbarung der Hochschulen „ i m Einvernehmen m i t dem Land" oder aber gleich „durch das Land" eingeleitet. Sollten Hochschulen, für eine Kooperation ausersehen, diese nicht für sinnvoll halten, so w i r d das Land eine solche anordnen, und zwar i n Gegenständen, die herkömmlich zum Selbstverwaltungsbereich der Hochschulen gehören: Erarbeitung von Studien- und Prüfungsordnungen, Abstimmung oder gemeinsame Entwicklung von Schwerpunkten i n Lehre und Forschung, gemeinsame Benutzung von Einrichtungen, wechselseitige Mitarbeit des wissenschaftlichen Personals usw. I n der 4« S. 16 (zit. nach WRK-Dokument). 47 Vgl. Lachmann, S. 4, u n d bes. Denninger, Das Hochschulrahmengesetz, Kernstück der Bildungsreform, F r a n k f u r t / M . 1972. 48 Begründung S. 23.
120 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
Begründung ist erläutert, daß durch all das eine bessere Ausnutzung der Kapazitäten erreicht werden soll. Zwar sagt die Begründung zu § 59 HRG 4 9 , hier sei nicht der Fall eines „freien Zusammenwirkens der Hochschulen" gemeint, für welches „ein Einvernehmen mit dem Land nicht erforderlich" sei; indessen ist nicht recht ersichtlich, auf welche Gegenstände sich ein solches „freies" Zusammenwirken noch beziehen soll, nachdem die Begründung zu § 6 HRG feststellt: „Für Hochschulen, die nicht oder noch nicht zusammengeschlossen werden können (zu Gesamthochschulen, W. Z.), gilt § 59 HRG 5 0 ." Das bedeutet, daß alle nicht zusammengeschlossenen Hochschulen zum Zusammenwirken m i t anderen i n den Gegenständen des § 59 HRG verpflichtet sind, so daß für eine freiwillige Kooperation denkbar wenig Raum bleibt. Die Entscheidung darüber, wann welche Hochschulen zusammengeschlossen werden, liegt nach § 6 HRG bei den Ländern 5 1 . Zweck der Gesamthochschulbildung soll es in erster Linie sein, „die bisher von Hochschulen verschiedener Aufgabenstellung wahrgenommenen Aufgaben i n Forschung, Lehre und Studium" zu verbinden und differenzierte Studiengänge und Abschlüsse i n den Fachrichtungen anzubieten 52 . Dabei steht besonders die Ausbildung ganz i m Vordergrund 5 3 . Die allgemeinen Aufgaben der Hochschule werden i n § 2 HRG bestimmt, dessen Abs. 2 auf die Freiheitsgarantie des A r t . 5 Abs. 3 GG verweist. Für die eben damit i m Zusammenhang stehende Problematik ist besonders Abs. 5 interessant, der den Hochschulen die Kooperation m i t „anderen staatlichen und staatlich geförderten Forschungs- und Bildungseinrichtungen" zur Pflicht macht, und zwar ohne erkennbare Differenzierung „bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben" 5 4 . I n der Begründung w i r d erläutert, eine stärkere Zusammenarbeit sei angezeigt „nicht nur" mit staatlichen oder staatlich geförderten Forschunginstituten, „sondern auch" mit Einrichtungen ζ. B. des Sekundarschulwesens 55 . I n Abs. 6 w i r d eine Erweiterung des Aufgabenkatalogs der Hochschulen i n das Ermessen der Länder gestellt. Zwar müssen weitere Aufgaben m i t den i n Abs. 1 genannten „zusammenhängen"; die Feststellung eines solchen Zusammenhangs liegt aber beim Land. Dabei w i r d i n Abs. 6 nicht etwa von „Landesgesetz" oder dem Landesgesetzgeber gesprochen, sondern schlicht vom „Land". 49
Begründung S. 41. Ebd. S. 23. Vgl. dazu die K r i t i k der W R K , S. 43 i m W R K - D o k u m e n t . § 4 Abs. 2 H R G ; Begründung dazu S. 21 ff. Vgl. bes. Begründung „Allgemeines", S. 17 ff. 54 Hervorhebung von mir, W. Z. 55 Begründung S. 21.
so si 52 53
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
b) Rechtsstellung, Aufsicht,
121
Kooperation
Die Rechtsstellung der Hochschule ist nach § 7 Abs. 1 HRG die einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die „zugleich staatliche Einrichtung" ist. Das entspricht dem herkömmlichen Status und betrifft über die Gesamthochschule auch solche Einrichtungen, die bisher keinen körperschaftlichen Status hatten. Die Begründung 5 6 erläutert die Staatlichkeit als „Verantwortung" des Staates für die „Funktionsfähigkeit" und „insbesondere auch die finanzielle Ausstattung" der Hochschule. I n Abs. 3 w i r d eine „Einheitsverwaltung" bestimmt, die auch die „staatlichen Angelegenheiten" wahrzunehmen hat. Damit ist die i n der Reformdiskussion seit langem erhobene Forderung nach Aufhebung des Dualismus von Angelegenheiten der Selbstverwaltung und Angelegenheiten der Wirtschafts- und Personalverwaltung aufgenommen und jedenfalls verbal verwirklicht worden. Die Begründung gebraucht noch die dualistische Ausdrucksweise von den „Angelegenheiten" 57 . Allerdings ist nirgendwo festgelegt, daß diese Aufgaben der Personal- und Wirtschaftsverwaltung den Hochschulen auch tatsächlich übertragen werden 66. Nach der Begründung „kann" das Landesrecht lediglich vorsehen, daß zu den durch die Einheitsverwaltung zu leistenden Aufgaben „z. B." Personal- und Wirtschaftsverwaltung, Haushalts- und Rechnungswesen gehören. I n § 8 HRG w i r d die Aufsicht des Landes zunächst „auf die Rechtsaufsicht beschränkt". Das entspricht ebenfalls einer alten Forderung der Reformliteratur. I n Abs. 2 w i r d der Grundsatz aber sogleich eingeschränkt: I n den „Angelegenheiten aus dem Bereich der Wirtschaftsund Personal Verwaltung und des Haushalts- und Rechnungswesens" 59 soll der Staat weiterhin Fachaufsicht ausüben können, wenn das nur „zur Wahrnehmung der Verantwortung der Landesregierung erforderlich" ist; die Begründung liefert sogleich eine Richtlinie zur Interpretation, indem sie von „bedeutsam" anstelle von „erforderlich" spricht. Angesichts der i n Zukunft wohl ständig steigenden Summen für das Hochschulwesen darf erwartet werden, daß eine Erforderlichkeit oder gar Bedeutsamkeit i n finanziellen Dingen unschwer w i r d festgestellt werden können. Die Reformforderung zu diesem Punkt ging freilich gerade dahin, daß der Staat den Hochschulen nicht nur da Handlungsfreiheit i m Interesse ihres wissenschaftlichen Auftrags einräumen soll, wo es keine besondere Rolle spielt, sonder auch da, wo es u m die sachgerechte Verwendung von Geld geht; der Einwand gegen die bisherige se 57 58 59
Begründung S. 23. Begründung S. 24. Vgl. hierzu die K r i t i k der W R K , S. 43. Begründung S. 24.
122 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
Übung war eben der, daß der Staat weniger als die Hochschule selbst in der Lage ist, die sachgerechte Verwendung der M i t t e l zu überprüfen. I m Zusammenhang mit § 7 HRG betrachtet w i r d diese generalklauselartige Regelung sogar noch gefährlicher als die bisherige strikte Trennung: Da nirgendwo bestimmt wird, was eigene und was staatliche Aufgaben der Hochschule sind, andererseits aber Einheitsverwaltung angeordnet w i r d („verantwortlich gegenüber den staatlichen Stellen ist i n diesem System die Leitung der Hochschule" 60 ), kann die Fachaufsicht noch über weitere Gebiete der Hochschulselbstverwaltung gleiten 6 1 , zumal wenn man die unlösbare Verflechtung der Hochschulaufgaben quer durch die bisher getrennt gesehenen „Angelegenheiten" bedenkt. Die Hochschulen sollen nach § 9 HRG gesetzlich verpflichtet werden, mit dem Land zusammenzuwirken, und zwar bei der „Ordnung des Studiums und der Hochschulprüfungen" und bei der „Errichtung, Änderung und Aufhebung von Fachbereichen und zentralen Einrichtungen" 6 2 , also i n Selbstverwaltungsangelegenheiten der Hochschule. I n der Begründung w i r d das als „partnerschaftliches Zusammenwirken" bezeichnet; die W R K stellt dagegen fest, daß hier „Staatsaufsicht und nicht Zusammenwirken gemeint ist" 6 3 . Interessanterweise spricht die Begründung auch davon, bestimmte anstehende Fragen könnten nicht „durch die klassischen Aufsichtsmittel" gelöst werden, geht also selbst davon aus, daß hier nichtklassische, nämlich andere und auch anders bezeichnete Aufsichtsmittel zur Debatte stehen. Nachdem in der Begründung nämlich bei der Aufzählung der i n Betracht kommenden ..Formen des Zusammenwirkens" an letzter Stelle die Versagung von Genehmigungen durch die Behörden „auch aus anderen Gründen als Rechtsgründen" genannt w i r d 6 4 , w i r d sodann i n Aussicht gestellt, daß „neue . . . Formen des Zusammenspiels zwischen Land und Hochschule (gegebenenfalls) entwickelt werden (müssen)" 65 . Als Beispiel für solche neuen Formen w i r d § 60 HRG genannt, wonach Studienreformkommissionen durch die Länder gebildet werden sollen, m i t denen der Staat dann „Empfehlungen für Studienordnungen und Prüfungsordnungen erarbeiten" soll (§ 60 Abs. 1 HRG). Immerhin sollen wenigstens nur von Hochschulen vorgeschlagene Hochschulmitglieder i n diese Kommission 60 Begründung S. 23 zu § 7 HRG. ei So die Befürchtung der W R K , S. 44. 62 So § 9 Abs. 1 Ziff. 1 u n d 2; Hervorhebung von m i r , W. Z. 63 W R K , S. 44; vgl. auch zum vorhergehenden, D U Z 1970 Nr. 22, S. 13, „Scharfe K r i t i k der Hochschulrektoren am E n t w u r f für ein Hochschulrahmengesetz." 64 Begründung S. 24. 65 Ebd.; „gegebenenfalls" beunruhigt i n diesem Zusammenhang, es könnte bedeuten „ w e n n diese anderen Formen nicht genügen oder nicht effizient genug sind".
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
123
berufen werden 6 6 . I n der Begründung zu § 9 HRG w i r d i m weiteren genauer umrissen, welche Gegenstände für dieses Zusammenwirken i n Betracht kommen, und zum Schluß heißt es, daß sich die Verpflichtungen des Landes, deren Erfüllung durch die Regelungen i n den Landeshochschulgesetzen sichergestellt werden müßten, auch aus BundLänder-Vereinbarungen ergeben könnten, „etwa" zur Förderung von Sonderforschungsbereichen (also auch aus neuen, noch nicht bestehenden, aber jederzeit zu treffenden Vereinbarungen zur Förderung oder Regelung sonstiger Gegenstände und Bereiche). c) Haushaltswesen,
Planung,
Leitung
I m Haushaltswesen der Hochschulen w i l l es der Entwurf i m wesentlichen beim status quo belassen. § 12 Abs. 1 HRG geht zunächst zutreffend von der praktisch ausschließlichen Finanzierung durch den Staat aus, die nach der Begründung zu den Aufgaben des Staates gehört 67 . I n den Absätzen 2 und 3 ist sodann dasjenige Verfahren vorgeschrieben, das auch zur Zeit i n den meisten Ländern üblich ist: Die Hochschule macht einen Voranschlag, den Haushaltsplan macht das Land als Teil des Landeshaushalts, ohne an den Voranschlag irgendwie gebunden zu sein, und bei Differenzen „kann" das Landesrecht vorsehen, daß dem Leiter der Hochschule Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Begründung zeigt 68 , daß nicht etwa an mehr Bewegungsfreiheit für die hochschuleigene Verwaltung gedacht ist, sondern daß dem Land i n noch weiterem Umfang die Unterlagen für Einblick und Eingriff zur Verfügung gestellt werden sollen: Die angeforderten Mittel müssen zu der bestehenden Ausbildungskapazität in Beziehung gesetzt werden, denn „nur so können Regierung und Parlament entscheiden, welche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, um eine bestimmte Ausbildungskapazität sicherzustellen". Zwei Absätze später in der Begründung heißt es noch deutlicher, weil aus umgekehrter Sicht: „Es sollte jedoch angesichts der Bedeutung der Ausbildungskapazität sichergestellt werden, daß das Landesparlament bei seiner Entscheidung die Vorstellungen der Hochschule, soweit sie sich m i t denen der Landesregierung nicht decken, kennt 6 9 ." Damit ist klargestellt, wer die nicht nur letzte Entscheidung hat. Das „Massenproblem" hat dazu geführt, daß die Kapazitätsfragen absolut i m Vordergrund stehen; Finance Vgl. hierzu den Protest der W R K , S. 45 („nicht annehmbar") sowie die Feststellung i n D U Z 1970 Nr. 22, S. 13, daß die Studienreformkommission auch ohne M i t w i r k u n g der Hochschulen Zustandekommen könnte. 67 Begründung S. 25. r >8 Vgl. die gesamte Begründung S. 25/26. β® Ebd. S. 26 (Hervorhebung von m i r , W. Z.).
124 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
zierung und Ausbildungskapazität hängen eng und kausal zusammen, ja, bei unbefangenem Lesen dieser Begründung müßte der Eindruck entstehen, die Ausbildung allein gebe die Rechtfertigung dafür, daß der Staat Aufwendungen für das Hochschulwesen macht. Dem entspricht die K r i t i k des Hochschulverbandes an diesem Entwurf: „Ein Gesetz der Lehre 7 0 ." Die schon erwähnte Gelegenheit zur Stellungnahme für die Hochschulleitung ist ebenfalls an die Kapazitätsfrage geknüpft und nicht einmal allgemein vorgesehen. Die Gelegenheit erhält die Hochschule nämlich nur dann, wenn „(das Landesparlament) von den Vorschlägen für die Ausbildungskapazität abweichen w i l l " 7 1 . Diese Anhörung entfällt, wenn die Hochschule nach Landesrecht einen eigenen Haushalt führen darf, was möglich ist, weil das Problem des § 12 Abs. 3 Satz 1 HRG, daß nämlich der Entwurf des Landeshaushaltsplans vom Voranschlag der Hochschule abweicht, nicht auftreten kann, da ja die Hochschule selbst den Entwurf macht und nicht nur den Voranschlag. Das erscheint etwas formalistisch, wenn man berücksichtigt, daß ein solcher eigener Entwurf nicht wesentlich anders behandelt w i r d als ein Voranschlag: Der Zuschuß, den das Land zu diesem Haushalt gibt, w i r d der Höhe nach ebenfalls ohne Bindung an die Wünsche der Hochschule vom Parlament festgesetzt. Insofern ist es nicht ohne weiteres einleuchtend, wenn die Begründung feststellt, i n diesem Falle sei die Stellungnahme der Hochschule „nicht sinnvoll"; denn auch wenn bei der Festsetzung des Zuschusses nur i n der Höhe abgewichen werden soll, könnte eine Anhörung der Hochschulleitung nützlich und, angesichts der bereits erwähnten erhöhten Konjunkturanfälligkeit unaufgegliederter Zuschüsse den betroffenen Hochschulen vielleicht noch erwünschter sein als den über den Landeshaushalt unmittelbar finanzierten 72 . I m letzten Absatz von § 12 HRG w i r d darauf hingewiesen, daß die Hochschulen als landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts unter § 48 Abs. 1 HGrG fallen, womit „bei Hochschulen die Möglichkeit für eine haushaltsrechtliche Regelung eröffnet (ist), die ihren besonderen Erfordernissen angemessen ist" 7 3 . Das bedeutet soviel, daß der Entwurf die Länder nicht hindern w i l l , ein auf ihr Hochschul70 So die Überschrift von Abschnitt 2. Stellungnahme des HV, vgl. W R K Dokument S. 52 ff. (53). Vgl. § 12 Abs. 3 Satz 2 H R G (Hervorhebung von m i r , W. Z.). 72 Es sei nochmals auf die längst allgemein geläufige Forderung hingewiesen, den Hochschulen mehr Mitsprache i m Stadium der Haushaltsplanaufstellung und der Verabschiedung wenigstens durch Anhörungsmöglichkeiten einzuräumen; z.B. Schuster/Stenbock - Fermor, S. 42, Rotter, S. 12. 73 Begründung S.26.
. Hochschulfinanzierung und Haushaltsreform
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wesen zugeschnittenes Finanzierungsmodell zu entwickeln und den Hochschulen eigene Haushalte i n der A r t der „staatsmittelbaren" Finanzierung zu geben; ob die Länder sich dazu entschließen werden, steht dahin. Insbesondere dürfte es nicht i m Sinne einer gewissen Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Hochschulfinanzierungsmethoden der Länder liegen, daß diese Frage hier zur Wahl gestellt wird. Insgesamt zeigt der Entwurf keine Neigung, für die Hochschulfinanzierung neue Wege wenigstens anzuregen. Es soll offensichtlich i m wesentlichen bei der Methode bleiben, die nun schon seit vielen Jahren i n der Hochschulreformdiskussion immer wieder K r i t i k und Gegenvorstellungen herausgefordert hat. Die Begründung enthält den sehr zutreffenden Satz: „Der Haushaltsvoranschlag steht i m Wechselbezug zur Planung der Hochschule. Die Planungsentscheidungen der Hochschule bedürfen der Umsetzung i m Haushaltsvoranschlag 74 ." Wie es m i t den Planungsentscheidungen der Hochschule bestellt ist, ergibt sich aus den §§10 und 11 HRG. Die Begründung dazu beginnt mit der Erklärung, die Hochschulen müßten mehr als bisher an den sie betreffenden Planungen beteiligt sein, während sich das i n der Stellungnahme der W R K so liest 7 5 : „Aus diesen Vorschriften des Entwurfs i m Zusammenhang mit dem Hochschulbauförderungsgesetz vom 1. 9.1969 (BGBl. I S. 90) und dem Abkommen über die Bildungsplanungskommission vom 1. 7.1970 ergibt sich, daß die Hochschulen von der M i t w i r k u n g an den sie betreffenden Planungen ausgeschlossen worden sind. Das ist für die Hochschulen unannehmbar." I n der Tat beschränkt sich die Planungskompetenz der Hochschulen nach dem Entwurf auf eine A r t der Planung, die sie schon bisher zu leisten hatten (und die ihnen wegen der finanziellen Zuständigkeiten nur zweifelhafte Erfolge brachte), nämlich eine Anmeldung ihres Finanzund Stellenbedarfs m i t entsprechender Begründung, was freilich bisher nicht unter dem anspruchsvollen Namen eines „Hochschulentwicklungsplans" getan wurde. A m Hochschulgesamtplan der Landesregierung sind die Hochschulen nur mehr durch „Beratung", die jene m i t den Hochschulen pflegen sollen, beteiligt, während auf Bundesebene eine M i t wirkung überhaupt nicht 7 6 vorgesehen ist. Da indessen schon die eigenen Pläne der Hochschulen selbst den Hochschulgesamtplan des Landes, den gemeinsamen Rahmenplan nach § 5 des Hochschulbauförderungsgesetzes und außerdem infolge der stringenten Regeln über das Zusammenwirken mit anderen Hochschulen (§ 59 HRG) auch noch die Planungen 74 Begründung S. 25. 75 Stellungnahme der W R K , S. 44. 76 Vgl. Stellungnahme der Bundesassistentenkonferenz (BÄK) S. 46 ff. i m W R K - D o k u m e n t , unter „Gesamthochschule u n d Hochschulplanung", S. 51.
126 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
anderer Hochschulen berücksichtigen müssen, kann sich i m Ergebnis schwerlich etwas von den eigenen Vorstellungen der einzelnen Hochschule bis i n die relevanten staatlichen Planungen hinein fortsetzen. M i t Recht weist die Stellungnahme der W R K auf die eigenen Erkenntnisse der Begründung hin 7 7 , wonach „alle wesentlichen Reformvorschläge von Hochschulangehörigen stammen", und bezeichnet es angesichts dessen als „unverständlich, daß die Bundesregierung glaubt, auf eine M i t w i r k u n g der Hochschulen an der Planung auf Bundesebene verzichten zu können". Für die Leitung der Hochschule sieht § 22 HRG die Präsidialverfassung vor. Auch das entspricht einer alten Forderung der Reformdiskussion, die allerdings gelegentlich differenzierter gesehen wurde 7 8 . Die hauptamtliche Leitung soll durch größere Kontinuität i n der Person des Amtsinhabers sowie durch größere Entscheidungsbefugnisse die Verwaltung effektiver bewältigen. Ferner soll dem Hochschulpräsidenten ein größerer Apparat zur Verfügung stehen 79 . Der Entwurf nennt i n § 22 keine Aufgaben dieser Hochschulspitze; der Katalog der Aufgaben für die zentralen Kollegialorgane i n § 23 HRG zeigt aber, daß die Entscheidungsvollmachten des Präsidenten i n Grenzen bleiben. d) Weitere
Einzelbestimmungen
Außer den bisher dargestellten wichtigsten Komplexen sind noch einige weitere Bestimmungen des Entwurfs für die hier i m Mittelpunkt stehende Problematik mindestens mittelbar erheblich. Dazu zählen insbesondere die Regelungen von Studienordnungen (§§ 32 ff., 60 HRG), die besonders umstritten sind und von denen die W R K die Freiheit der Universität bedroht sieht 8 0 ; ferner die Bestimmungen über die Lehrkörperstruktur (§§ 40 ff. HRG) und über die Beziehungen zwischen Fachbereich und einzelnem Wissenschaftler (§ 24 HRG) 8 1 . Eine genauere Untersuchung aller Einzelregelungen ist i n diesem Rahmen aber nicht möglich und auch nicht erforderlich. Eine Wertung der grundsätzlichen 77
Vgl. Begründung unter A . Allgemeines, S. 19. 78 So Oppermann, Hochschulfinanzierung, S. 1 : „ W i r d hier nicht . . . m i t dem Finger auf einen vermeintlich v e r z o p f t e n , . . . bremsenden Kollegialismus des akademischen Entscheidungsprozesses gewiesen, den es etwa über den schneidigen Zugriff eines m i t den nötigen Vollmachten ausgestatteten Hochschulpräsidenten zu überwinden gilt?". 70 Begründung S.29. 80 Vgl. den Bericht i n D U Z 1970 Nr. 22, S. 13. si Vgl. Stellungnahme der W R K , S. 44, u n d Bächler, D U Z 1970 Nr. 15/16, S. 8 Spalte 2.
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Entscheidungen und Absichten des Entwurfs unter der Fragestellung nach der Hochschulautonomie ist bereits möglich. 3. Zusammenfassung und Kritik
a) Kapitulation
vor dem Massenproblem
Eine Wertung des Entwurfs der Bundesregierung ergibt kein günstiges B i l d i m Sinne einer Klärung und Absicherung einer akzeptablen Autonomiekonzeption. Unter dem offenbar alles überwältigenden Druck der erforderlichen effektiveren Ausbildung ständig steigender Studentenzahlen verzichtet der Entwurf darauf, den Standort des Hochschulsystems i n den Beziehungen von Wissenschaft und Gesellschaft zutreffend zu bestimmen. Es ist i n der Tat ein „Gesetz der Lehre" vorgesehen, allerdings einer Lehre, die den Zusammenhang m i t wissenschaftlichen Fragestellungen zu verlieren droht 8 2 . Die differenzierte Gesamthochschule soll i n erster Linie das Lehrangebot differenzieren, während für eine differenzierte Behandlung der von der Aufgabenstellung her weit auseinanderliegenden wissenschaftlichen Funktionen kein Platz bleiben kann. Insgesamt scheint die Entwicklung sich eher rückwärtz zur Anstalt, zum staatlichen Dienstleistungsbetrieb hin zu bewegen 83 . Das läßt sich an den wesentlichen Stellen des Entwurfs belegen. Die geplante Neuregelung geht von einem „gesamten Hochschulbereich" i n dem Sinne aus, daß eine Differenzierung nach Hochschularten nicht mehr erfolgt 8 4 . Das hat zur Folge, daß die hinzutretenden Ausbildungssektoren wie etwa Fachhochschulen (nach früherer Terminologie), die stärker berufsbezogen sind, nicht etwa nun zu wissenschaftlichen Einrichtungen aufgewertet werden, sondern daß umgekehrt der herkömmlich stärkere staatliche Eingriff bei diesen Ausbildungseinrichtungen übernommen werden muß für die mit ihnen zusammenzuschließenden Ausbildungsbereiche der herkömmlichen wissenschaftlichen Einrichtungen (Universitäten). Der Wunsch, beispielsweise die Lehrerbildung auf die bisherige akademische Lehre zu beziehen, mit ihr zu verknüpfen und gemeinsam mit ihr i n einem neuen Gesamtkomplex zu regeln, führt ganz natürlich zu einem Bedürfnis nach genauerer Reglementierung auch des Bereichs, mit dem sie zusammengeschlossen werden soll. Dementsprechend sollen besonders auch die Aufgaben der Studienreform, die Studiengänge, Prüfungen und didaktischen Fragen näher 82 I m Gegensatz zu der Versicherung, die Gesamthochschule stelle die wissenschaftliche Grundlegung aller ihrer Studiengänge sicher, vgl. Allgemeine Begründung S. 18. 83 Vgl. die Befürchtung Oppermanns, Hochschulfinanzierung, S. 3. 84 Allgemeine Begründung S. 17.
128 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
zum Staat gezogen werden, um hier für Vereinheitlichung, Lückenlosigkeit des Angebots und optimale Kapazitätsausnutzung sorgen zu können. Dazu gehört auch das Kooperationsgebot bei genauer A n gabe der Gegenstände und Zwecke. Folgerichtig vermeidet der Entw u r f auch alles, was dieses Konzept durchkreuzen könnte: Planungen werden i m geringsten Maße von den Hochschulen geleistet; die Stellung der einzelnen Hochschule i m Landeshaushalt ist eher verschlechtert durch die engere Anbindung von finanzieller Förderung an Ausbildungskapazitäten; i n der Hochschul Verwaltung selbst w i r d trotz einem Bekenntnis zur Rechtsaufsicht die Möglichkeit staatlichen Eingreifens an besonders vage Voraussetzungen geknüpft; der einzelne Wissenschaftler w i r d durch Meldepflichten, Genehmigungsvorbehalte und Widerspruchsmöglichkeiten enger an Fachbereich und Organe gebunden, die ihrerseits vom Aufgabenkatalog her verhältnismäßig gut zu beeinflussen und zu kontrollieren sind 8 5 . Eine solche Wertung entspricht nicht etwa einem „überzogenen Autonomieanspruch" oder einer verfestigten Abwehrhaltung gegen den Staat. Vielmehr muß das bereits unter dem Stichwort „Identifizierung von Staat und Gesellschaft" behandelte Problem hier m i t aller Schärfe gesehen werden: Die säuberliche Trennung i n der Autonomiediskussion von Unabhängigkeit gegenüber dem Staat einerseits und gegenüber der Gesellschaft andererseits läßt sich dann nicht mehr durchhalten, wenn die beiden Lager tendenziell zusammenfallen. Vielleicht ist der eklatant und sichtbar eingreifende Obrigkeitsstaat weniger gefährlich für die sich dann behauptende Wissenschaft als der Vertreter und Geschäftsführer einer Gesellschaft, der keine Entscheidungsfreiheit mehr hat 8 6 . b) Management durch den Staat Die Auffassung von der Rolle des Staates i n der Hochschulreform, die hinter diesem Entwurf steht, geht nicht davon aus, daß der Staat i n einem „letzten protektionistischen A k t " als Gesetzgeber Standort und Funktion der Wissenschaft i m Hochschulsystem und i n der Gesellschaft zutreffend bestimmen und durch ein Regelsystem absichern und kräftigen soll, um sich nach einer solchen Neuformung der Grundsätze aus der Verwaltung und Gestaltung der Hochschulaufgaben i m einzelnen wieder zurückzuziehen; vielmehr t r i t t der Staat hier als der tüchtige Manager auf, der den unrationellen und unübersichtlichen Betrieb Hochschule i n Ordnung bringt und i n Schwung hält. Er möchte 85 Vgl. zum Ganzen auch Brauns, Z u m E n t w u r f eines Hochschulrahmengesetzes, ZRP 1972, S. 43 ff. 86 Vgl. die Ausführungen zur Unfähigkeit des modernen Leistungsstaates zur kulturpolitischen Neutralität, oben i m Zweiten T e i l A. I I I . 3.
. Hochschulfinanzierung u n d Haushaltsreform
129
eine wichtige Aufgabe — Massenausbildung entsprechend dem Bürgerrecht auf Bildung und dem gesellschaftlichen Bedarf — ins Werk setzen, und die Hochschulen sollen, überspitzt ausgedrückt, dabei helfen. Auch für diesen Entwurf gilt das, was Schelsky zu den Hochschulgesetzgebungsinitiativen der Länder festgestellt hat 8 7 : „ I n (den Hochschulgesetzen) zeigt es sich aber deutlich, daß die Politiker nach wie vor die Hochschulkrise nur als ein Problem der Binnenreform der Hochschulen betrachten und sich i n ihrer Gesetzgebung also schlicht an die Stelle der Autonomie der Hochschulen setzen... Die vorliegende Hochschulgesetzgebung regelt von Staats wegen, d. h. unter politischen Gesichtspunkten, eben die Angelegenheiten der Hochschule, die i n deren Verfassungsautonomie und Selbstverwaltung fallen, während sie die hochschulpolitischen Entscheidungen der politischen Führung und die allgemeinen, gesellschaftspolitischen Probleme der Hochschulkrise unbeachtet und unbewältigt läßt. Die eigentliche politische Lösung, durch hochschulpolitische und gesamtpolitische Entscheidungen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die der Hochschule i n ihrer Autonomie zustehenden und von ihr zu lösenden Aufgaben dann wieder von den Hochschulen selbst bewältigt werden konnten 8 8 , ist damit versäumt worden." Und er befürchtet: „Die Funktionsfähigkeit, d. h. die Verwaltungsfähigkeit, die Planungsfähigkeit und die Innovationsfähigkeit der Hochschulen, w i r d durch die Annahme der gegenwärtig vorliegenden Entwürfe von Hochschulgesetzen selbst noch gegenüber dem gegenwärtigen Zustand der Hochschulen auf Jahre hinaus vermindert werden 8 9 ." Inzwischen ist wenig geschehen, was diese Befürchtungen von Ende 1969 als gegenstandslos erscheinen lassen könnte. Statt vieler kann hierzu die lapidare Feststellung des Kanzlers der Universität Tübingen vom Sommer 1970 herangezogen werden: „Die Universitätsverwaltung ist nicht mehr i n der Lage, die täglichen Geschäfte zu erledigen." Indem der Entwurf der Bundesregierung die Planungen, die Ordnung des Studiums, die Gestaltung der fachlichen Struktur der Hochschulen und bis zu einem gewissen Grade auch die Bestimmung der didaktischen Methoden (Studienreformkommission) an die staatlichen Behörden heranziehen und i m übrigen durch Rationalisierung und Diversifizierung die Effizienz erhöhen w i l l , nimmt er den Hochschulen den notwendigen inneren Bezug ihrer Verwaltungstätigkeit zu den eigentlichen Gegenständen ihrer Aufgabenstellung und damit die Motivation für eine selbstverantwortliche Erledigung gerade der Verwaltung 87 Schelsky, Abschied . . . , S. 112/113. 88 Hervorhebung von mir, W. Z. 8» Schelsky, Abschied . . S . 149. 9 Zeh
130 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
weg. Die Gesamthochschule droht so zu einem unmündigen Koloß zu werden, der sich aus eigener Kraft nicht bewegen kann. c) Hochschulrahmengesetz
und Finanzverfassung
Der autonomiefeindlichen Grundtendenz des Entwurfs entspricht es, daß eine Neuordnung der Hochschulfinanzierung nicht angegangen wird. Die eigentlichen Bestimmungen zum Haushaltswesen (§12 HRG) befestigen den bestehenden Zustand. Das gilt auch insoweit, als nach dem Entwurf eigene Haushalte für die Hochschulen „zulässig" sind; das war auch bisher schon zulässig und ist i n einigen wenigen Ländern praktiziert worden (Berlin, Saarland). Allenfalls eine kleine Verbesserung läßt zwar nicht der Text des § 12 HRG, aber die Begründung dazu erkennen: Danach soll es möglich sein, daß auch i n dem offensichtlich als die Regel angenommenen Fall des § 12 Abs. 1, 2, 3 HRG, daß die Hochschule keinen eigenen Haushalt hat, sondern unmittelbar über den Landeshaushalt finanziert wird, „den Hochschulen für bestimmte Ausgabearten Globalbeträge zugewiesen werden" können 9 0 . Das kann jedenfalls theoretisch eine gewisse Erleichterung gegenüber einer bis i n jede Einzelheit hineinreichenden Zweckbindung bringen. Jedoch bleibt die Wirkung einer solchen Erleichterung ohne größere Bedeutung, falls der Entwurf Gesetz wird. Sie ist nämlich zwar geeignet, die Effektivität der Verwaltung zu verbessern; der eigentliche Sinn einer reformierten Hochschulfinanzverfassung, nämlich mehr selbständige Beweglichkeit für die Hochschulen, ist aber mit einer solchen Einzelverbesserung nicht zu erreichen, wenn die übrigen Bestimmungen dieses Komplexes dem entgegenstehen. Das ist aber besonders bei den Bestimmungen über die Planungszuständigkeiten der Fall, und nicht minder bei der oktroyierten Kooperation mit dem Land und m i t anderen Hochschulen. Damit w i r d die einzelne Hochschule i n ein Netz von Beziehungen und Abhängigkeiten eingeknüpft, das nicht sie, wohl aber der Staat übersehen kann, innerhalb dessen ihre eigenen Vorstellungen und Absichten so vielfältig modifiziert, auf andere bezogen und schließlich m i t anderen koordiniert werden (von außen, versteht sich), daß eine Motivation für selbständige Planung, Prioritätensetzung und Innovation für die einzelne Hochschule beim besten Willen nicht zu erwarten ist. Diese Gesichtspunkte stehen aber hinter den speziellen haushaltsrechtlichen Fragen; eine Finanzierung, die nur ein wenig reibungsloser, aber an einer wissenschaftlich motivierten W i l lensbildung der Hochschule vorbeiläuft, nützt weder der Hochschule noch dem Staat und der Gesellschaft. Begründung S. 25.
A. Hochschulfinanzierung u n d Haushaltsreform
131
Somit ist festzuhalten, daß die derzeitige hochschulpolitische Konzeption der Bundesregierung nicht geeignet ist, eine Reform der Finanzverfassung einzuleiten. Die Annahme, nur das HGrG sei wegen seiner Geltung für alle Bereiche staatlicher Finanzierung bezüglich der Hochschulfinanzierung zurückhaltend und die Probleme der Hochschulfinanzierung hätten der Hochschulgesetzgebung selbst vorbehalten werden sollen, ist danach nicht mehr gerechtfertigt.
4. Stand der Ländergesetzgebung und der Reformdiskussion
a) Hochschulgesetzgebung der Länder Es wurde schon darauf hingewiesen, daß der Stellenwert der Gesetzgebungsinitiativen der Länder nach der Veröffentlichung des Entwurfs der Bundesregierung geringer geworden ist, weil etwaige einem Bundeshochschulrahmengesetz entgegenstehende Lösungen i n Ländergesetzen dann doch von diesem derogiert würden. Daß dennoch i n den meisten Ländern die Neigung besteht, „sich dem strapaziösen Werk einer Hochschulgesetzgebung... zu unterziehen, ist u m so erstaunlicher" 9 1 , wenn man diese gesetzestechnische Lage bedenkt. Allerdings könnte das auch zu neuen Hoffnungen Anlaß geben, falls nämlich festzustellen wäre, daß die Länder sich bei der Konzeption der Bundesregierung nicht beruhigen wollten und nach neuen, besseren Lösungen suchten, die sie gegebenenfalls auch über ihre Vertretungen i n Bundesrat und bildungspolitischen Einrichtungen (Bund-Länder-Kommission, Kultusministerkonferenz) durchzusetzen versuchen könnten. Derlei ist aber nicht zu erkennen. Darstellungen der neueren Entwicklung 9 2 lassen vielmehr erkennen, daß sich zwar „bei aller Heterogenität i m D e t a i l . . . i n der Hochschulgesetzgebung der Länder bestimmte Trends (abzeichnen)" 93 , daß diese Trends aber i m wesentlichen i n eine ähnliche Richtung gehen wie die Vorstellungen des Bundesgesetzgebers. Gerade i n den wichtigen Gegenständen wie Planung, Aufsicht, Selbstverwaltung, Personalstruktur und Finanzierung sind grundsätzliche Unterscheidungsmerkmale nicht festzustellen; neue Initiativen für ein autonomes Hochschulsystem mit adäquater Finanzierung sind auch von den Ländergesetzgeberη nicht zu erwarten.
91 Lachmann, Z u m Stand der Hochschulgesetzgebung, D U Z 1970 Nr. 8, S. 3 ff. (3). 92 Vgl. zum Stand i n den Ländern i m einzelnen Lachmann, u n d Abelein, Grundzüge der neueren Entwicklung der Hochschulgesetzgebung, WissR 1968, S. 237 ff. 93 Lachmann, D U Z 1970 Nr. 8, S. 6.
9*
132 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
b) Die Situation
in der Reformdiskussion
I n der Diskussion ist der Entwurf der Bundesregierung auf teilweise massive K r i t i k gestoßen. Auf die Stellungnahmen der Westdeutschen Rektorenkonfrenz, des Hochschulverbands und der Bundesassistentenkonferenz ist schon Bezug genommen worden. Auch der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS), dessen frühere konstruktive Arbeit für eine Reform des Hochschulwesens erheblichen Einfluß auf die Richtung der Reformdiskussion hatte 9 4 , hat zu diesem Entwurf Stellung genommen und ihn zur Gänze abgelehnt, freilich auf dem Boden einer sehr dezidierten allgemeinpolitischen Position 95 . Dabei muß immerhin gesehen werden, daß auch von dieser Position aus die Verengung der K r i t i k auf Feststellungen wie „Formierung des Ausbildungssektors i m Interesse des Kapitals" oder „Forschungspolitik i m Interesse des direkten Kapitalinteresses" nicht ganz so leicht hätte fallen können, wenn der Entwurf sich nicht so eklatant auf die Ausbildungskapazitäten konzentrierte und alle damit zusammenhängenden Gegenstände der staatlichen Kontrolle oder gar Leitung unterstellte. Auch von einzelnen Autoren ist K r i t i k an dem Entwurf geübt worden 96 , und es ist auffällig, daß sich niemand zu einer entschiedenen Verteidigung bereitfinden mag. Insgesamt ist das frühere Engagement und die frühere Phantasie der Reformdiskussion etwas erlahmt. Das liegt daran, daß nunmehr ein Stadium erreicht ist, in dem es zunehmend schwerer wird, nach neuen Lösungen zu suchen und Vorschläge anzubringen. Mangels neuer Erfahrungen m i t den jetzt geplanten und vorgeschlagenen Lösungen ist es unvermeidlich, nunmehr zu spekulieren; dabei steht die K r i t i k an erst geplanten Vorhaben nicht auf so sicherem Boden wie die frühere, die am Bestehenden, eklatant und tagtäglich Unvollkommenen ansetzen konnte. So begnügen sich die Stellungnahmen zur Zeit neben der K r i t i k am Entwurf der Bundesregierung m i t Detailvorschlägen 97 oder treiben gelegentlich frühere Positionen weiter 9 8 . Eine Ausnahme hiervon macht die Schrift von Litten 9 9 , die eine neue Konzeption für das Ausbildungs94
VDS, Studenten u n d die neue Universität, 2. A u f l . Bonn 1966. Vgl. i m einzelnen die VDS-Stellungnahme i m W R K - D o k u m e n t (zit. Note 38), S. 56 ff. 96 Vgl. ζ. B. Bächler, Der Hochschulstaat i m Staate, D U Z 1970 Nr. 15/16, S. 8 ff. 97 Wie z.B. Lohmar, D U Z 1970 Nr. 8, S. 16: Non-Profit-Universitäten als T e i l der Hochschulreform, oder Bull, WissR 1971. 98 z.B. Deumeland, Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen, Opladen 1970, der absolute Lösung der Hochschule v o m Staat w i l l . 99 Litten, Die Sandwich-Universität oder die Hochschule für Jedermann, Hamburg 1971. 95
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system vorlegt: Nach einer Darstellung und K r i t i k der vorliegenden Gesamthochschulpläne — dem von Baden-Württemberg, dem EversPlan, dem Weizsäcker-Plan einer sog. Baukasten-Gesamthochschule — w i r d eine „Sandwich-Universität" vorgestellt. Dabei t r i t t der „Student" nach einer ihrerseits schon differenzierbaren Sekundarstufe i n Studium und Berufstätigkeit zugleich ein, indem er abwechselnd einen selbständigen Studienkurs durchläuft und berufstätig ist, wobei er i n diesem „Wechselstudium" selbst den Punkt bestimmen soll, an dem er es m i t der Ausbildung genug sein läßt 1 0 0 . Die Konsequenzen eines solchen Modells für das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft sind vom hier vertretenen Standpunkt aus jedoch sehr bedenklich. Die Arbeitgeber sollen nämlich ein Gehalt bezahlen, von dem auch die Aus- und Weiterbildung finanziert w i r d ; wenn man bedenkt, daß durch das durchaus zu unterstellende Erwerbs- und Aufstiegsstreben dieser berufstätigen Studenten die Arbeitsplatzanbieter finanzielle Anreize für den Erwerb immer höher spezialisierter Fachkenntnisse setzen können, womit eine weit engere Konzentrierung des Studiums auf ein bestimmtes Berufsoder Tätigkeitsfeld einhergehen dürfte, so läßt sich leicht denken, wer in diesem engen Leistungszusammenhang von Beruf und Ausbildung die Motivationen und die Direktiven setzt, zumal ein solches System auch eine organisatorisch sehr enge Zusammenarbeit von Arbeitsmarkt und Ausbildungsinstitutionen zu einem Funktionieren benötigen würde. Durch kritisches Bewußtsein alleine dürfte diese Gefahr jedenfalls schwerlich auszuschließen sein, und ob das mittels eines engen Netzes von Bestimmungen und Kontrollen möglich wäre, darf bezweifelt werden; i n einer solchen Kooperationsbeziehung dürfte es dem Hochschulwesen umso weniger gelingen, sich eine gewisse, wenigstens gleichberechtigte Unabhängigkeit zu bewahren, sondern es würde sich noch genauer an die Erfordernisse des Arbeitsmarktes anpassen müssen. So finden sich auch i n der Diskussion wenig Ansätze, von denen her die Möglichkeiten für ein autonomes Hochschulsystem und seine Finanzverfassung neu überdacht würden. 5. Zusammenfassung
Es hat sich gezeigt, daß die realen Gegebenheiten derzeit wenig Aussichten für eine autonomiefördernde Neuordnung des Hochschulsystems und seiner Finanzierung erkennen lassen. Die Haushaltsreform des Bundes und der Länder spart den Hochschulbereich aus und läßt in ihren i m HGrG niedergelegten Grundzügen nur geringfügige Veränderungen gegenüber dem bisherigen Zustand beobachten, die zum 100 Litten,
S. 87 ff.
134 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
Vorteil des Hochschulwesens ausschlagen könnten. Die Hochschulgesetzgebung bringt ihrerseits zum unmittelbaren Haushaltsrecht der Hochschulen keine Reformen, verweigert darüber hinaus aber auch die unverzichtbaren Voraussetzungen einer neuen Hochschulfinanzverfassung i m Sinne einer Neuordnung des Verhältnisses von Hochschulwesen und Staat, die das Hochschulsystem zur autonomen Wahrnehmung seiner aus der Wissenschaft fließenden gesellschaftlichen Verantwortung i n den Stand setzen könnte. Damit liegen für keine der oben aufgestellten Anforderungen an ein adäquates Hochschulfinanzierungssystem 101 die Voraussetzungen i m gegenwärtigen Zeitpunkt vor. Die Lage ist indessen nicht ganz so hoffnungslos, wie es danach den Anschein haben könnte. I n der Hochschulreformliteratur ist immer wieder zu spüren, daß alle Beteiligten keineswegs schon zufrieden sind m i t den Vorstellungen, die bisher artikuliert wurden, vor allem aber scheint das Bewußtsein allgemein, daß nicht mit einer großen, alles verändernden und alle Probleme beseitigenden Innovation, m i t dem „großen Wurf", gerechnet werden darf, sondern daß ein noch viele Jahre andauernder Umwandlungsprozeß m i t einer Reform der kleinen Schritte i m Hochschulwesen erwartet werden sollte 1 0 2 . Dabei w i r d es freilich darauf ankommen, daß nicht die eine Teilverbesserung der anderen i m Wege steht oder die schließliche Erreichung eines doch irgendwie einer Grundvorstellung entsprechenden Ziels verunmöglicht. Das bedeutet, daß der einzelne der kleinen Reformschritte geeignet sein muß, grundlegende und entscheidende Verbesserungen mit herbeizuführen, und das setzt voraus, daß er schon jetzt an einem wenigstens groben Katalog von Zielvorstellungen gemessen werden muß. Zwei Dimensionen müssen also i m Blickfeld bleiben: die der augenblicklich realisierbaren Einzelverbesserung und die der Einpassung dieser Einzelverbesserung i n eine längerfristige Idee. Das zwingt dazu, die genauere Richtung der Bemühungen um eine Hochschulreform erst noch zu bestimmen bzw. sie unterwegs immer wieder zu korrigieren. Deshalb ist es besser, angesichts dieser noch vorhandenen Offenheit grundsätzliche Wünsche an ein sinnvoll geregeltes Hochschulsystem nicht nur an der augenblicklichen Realisierungschance zu messen und eine Selbstbindung an die bisher erkennbaren Trends und Zwischenergebnisse zu vermeiden. Anders würde die Wissenschaft schon bei der Reform der eigenen Institutionen eine der Funktionen preisgeben, u m derentwillen sie die Autonomie besitzen muß. io* Vgl. den Katalog oben i m D r i t t e n T e i l Α., Einführung. Vgl. z.B. Schulz, Gerhard, Welche Z u k u n f t hat die Universität,, i n : Ders. (Hrsg.), Was w i r d aus der Universität?, Tübingen 1969, S. 258; Hall, D U Z 1970 Nr. 19, S. 12. 102
Β. Zur Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
135
Unter dieser Sicht der Gegebenheiten lassen sich i n der breiten Literatur zur Hochschulreform doch Ideen und Ansätze erkennen, die, teils verstreut, nur angedeutet und i n die verschiedensten Zusammenhänge gestellt, durch Sammlung und Konkretisierung zu einem Grundkonzept für das autonome Hochschulsystem verhelfen könnten. I m folgenden letzten Abschnitt dieser Arbeit soll daher versucht werden, ein System von Vorschlägen zur Erreichung dieses Ziels zu entwickeln. B. Vorschläge und Anregungen zur Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems I. Einführung und Grundlinien I m Verlauf dieser Untersuchung ist immer wieder gezeigt worden, wie eng das Gebiet der Hochschulfinanzierung i m engeren Sinne, also der Bereich des eigentlichen Haushaltsrechts, verknüpft ist m i t der gesamten Verfassung der Hochschule. Schon der Begriff der Hochschulfinanzverfassung umschreibt einen Komplex, i n dem sich m i t den Techniken des Budgetrechts allgemeinere Tatbestände der Hochschulverfassung begegnen und verbinden; darüberhinaus besteht eine unlösbare Verflechtung des wirtschaftlichen Bereichs i m Hochschulwesen, i n dem Hochschule und Staat i n erster Linie zusammentreffen, m i t der gesamten Aufgabenstellung der Hochschulen. Hier besteht eine intensive Wechselbeziehung, so daß Maßnahmen i m einen Bereich nicht ohne Auswirkungen auf den anderen bleiben. Das ist ein Grundtatbestand, der dazu zwingt, bei allen Lösungen beide Seiten i m Auge zu behalten und alle Einzelregelungen auf das Verhältnis von Staat, Hochschule und Gesellschaft zu beziehen und von dort herzuleiten. Die folgenden Vorschläge können deshalb nicht isoliert etwa an Liberalisierungsmöglichkeiten des Haushaltsrechts ansetzen, sondern sollen auf dem Boden der früher entwickelten Vorschläge zur Autonomie des Hochschulsystems den gesamten Komplex umgreifen, den die Hochschulfinanzierung tatsächlich einschließt. Das Unterfangen, beim gegenwärtigen Stand und der Fülle der zur Hochschulreform schon geleisteten Bemühungen eine A r t von Konzept anzubieten, bedarf freilich einer gewissen Einschränkung. Der A n spruch, ein wirklich umfassendes und i n allen Einzelheiten ausgearbeitetes Konzept vorzulegen, könnte nicht eingelöst werden, zumindest nicht i n diesem Rahmen. Es soll vielmehr versucht werden, eine Anzahl von grundsätzlichen Überlegungen und Vorstellungen einander zuzuordnen und i n ein System zu bringen, das m i t Realisierungsvorschlägen zu versehen ist. Sicher kann i m gegenwärtigen Zeitpunkt niemand die tatsächliche Realisierungschance solcher Vorschläge an-
136 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
geben; sie sind aber vielleicht geeignet, die Suche nach Lösungen über den augenblicklichen Stand der Gesetzgebung hinauszutreiben. Auszugehen ist von den Ergebnissen des vorigen Kapitels. I n der Gesetzgebung sind Hochschulreform und Hochschulfinanzverfassungsreform auf dem gleichen Stand: Der Status der Hochschulreform ist noch nicht soweit entwickelt, daß ein reformiertes Finanzierungsmodell eingepaßt werden könnte, und umgekehrt würde eine moderne Hochschulfinanzverfassung i m leeren Raum schweben, träfe sie zur Zeit auf ein Hochschulsystem, das nach seiner Verwaltungs- und Verfassungsstruktur nichts m i t ihr anfangen könnte. Je größer die für das Hochschulwesen aufzubringenden Geldsummen werden, desto waghalsiger scheint es den staatlichen Instanzen zu scheinen, ihre Verwendung nur am langen Zügel zu steuern. Dem Gedanken, die wissenschaftlich unterbaute, innovationsfähige und -bereite Potenz der Hochschulen bei der Mittel Verwendung bewußt einzusetzen und in Pflicht zu nehmen, scheinen staatliche Stellen nicht viel abgewinnen zu können. Hier liegt der erste Ansatzpunkt: Der Zügel der staatlichen Finanzverwaltung muß verlängert werden. U m i n diesem B i l d zu bleiben: Der Staat soll nicht mehr jede Hochschule an einem gesonderten Zügel führen, sondern nur noch einen starken Gurt i n der Hand behalten, an dessen anderem Ende die einzelnen Stränge von den Hochschulen her zusammenlaufen. Nur dadurch erhalten die Hochschulen den erforderlichen Abstand zum Staat und die nötige Bewegungsfreiheit. Die Stelle, an der die „Stränge" von den einzelnen Hochschulen zusammenlaufen, ist der entscheidende Knotenpunkt des folgenden Konzepts. I I . Das Finanzierungsmodell
Der i m folgenden zu erläuternde Vorschlag basiert auf der Einrichtung einer neuen Institution zwischen Staat und Hochschulwesen auf Landesebene. Diese Institution bildet den Kreuzungspunkt und Filter der Willensbildungsprozesse zwischen Hochschule und Staat. Sie ist keine „Konferenz" m i t nur beratender und kontaktpflegender Funktion, sondern ein Organ mit Kompetenzen für die wichtigsten Verwaltungsaufgaben; sie vermittelt die Hochschulfinanzierung und besorgt die Rechnungsprüfung für die einzelnen Hochschulen, koordiniert die Planungen der Hochschulen und bringt sie i n die Rahmenplanung des Landes ein und fungiert als Anlauf- und Clearing-Stelle für eine Reihe weiterer Aufgaben. Sie beteiligt sich nicht an der Selbstverwaltung der einzelnen Hochschulen und übt keine unmittelbaren Funktionen i m staatlichen Behördenapparat aus. Die Institution soll hier den (wahrscheinlich verbesserungsfähigen) „Arbeitstitel" Hochschulkomitee erhalten (HK).
Β . Z u r Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
137
Seit einigen Jahren taucht i n der Literatur und i n Stellungnahmen zur Hochschulreform immer wieder der Gedanke auf, eine neue Instanz zwischen Staat und Hochschulwesen einzurichten, i n der die Probleme der gegenseitigen Beziehungen geregelt werden könnten. Diese Ideen erscheinen i n den unterschiedlichsten Zusammenhängen und mit verschiedenen Zielvorstellungen, teils nur angedeutet, teils konkreter. So wurde gefordert, „Formen für eine neuartige Zusammenarbeit von Hochschule und Staat zu entwickeln" 1 0 3 oder für eine „rasche Ausbildung von zusätzlichen Trägern der Wissenschaftsautonomie" zu sorgen und „die Vermittlung von Wissenschaftsautonomie und gesellschaftlichen Einflußbedürfnissen i n Organe zu verlegen, die außerhalb der Betriebsorganisation der einzelnen Universitäten liegen" 1 0 4 . Der Wissenschaftsrat hat „die Einrichtung eines Gremiums" vorgeschlagen, „ i n dem Universität, Staatsverwaltung und Öffentlichkeit zusammenarbeiten" 1 0 5 , während die Westdeutsche Rektorenkonferenz i m Zusammenhang mit ihrem Protest gegen den Hochschulrahmengesetzentwurf des Bundes eine „zentrale Repräsentation der Hochschulen gegenüber Bund und Ländern" forderte 1 0 6 und dazu schon ein recht konkretes Konzept vorlegte. Ebenfalls schon konkreter sind verschiedene Empfehlungen, sich eine Einrichtung der englischen Hochschulverwaltung, das University Grants Committee, zum Vorbild oder als Leitgedanken zu nehmen 1 0 7 , und auch i n weiteren Beiträgen taucht der Wunsch nach einer Einrichtung zwischen Hochschule, Staat und Gesellschaft auf 1 0 8 . Diese Vorstellungen setzen an verschiedenen Punkten an; teils ist ein Gremium auf der Ebene der Einzelhochschule gemeint, i n dem Hochschule, Staat und gegebenenfalls Vertreter von dritter Seite kooperieren, teils ist an neue Organe außerhalb der Verwaltung der Hochschulen gedacht. Gemeinsam ist diesen Überlegungen aber die Erkenntnis, daß weder Gesellschaft noch Staat sich m i t ihren Bedürfnissen von der Hochschule abhalten lassen werden, und daß die Aus103 Bächler, D U Z 1970 Nr. 15/16, S. 8 ff. (9). 104 Lepsius, Die Autonomie der Universität i n der Krise, i n : Gerhard Schulz (Hrsg.), Was w i r d aus der Universität?, Tübingen 1969, S. 194 u n d 199. 105 Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur S t r u k t u r u n d Verwaltungsorganisation der Universitäten, Dezember 1968, S. 36 ff. 106 84. Plenarversammlung der W R K , 2./3. November 1970 i n Bonn—Bad Godesberg, vgl. D U Z 1970 Nr. 22, S. 14. i ° 7 Vgl. hierzu bes. Becker - Kluge, K u l t u r p o l i t i k und Ausgabenkontrolle, S. 113 ff., 29, 81, 93, u n d Kluge, Universitätsselbstverwaltung, Frankfurt/M. 1958, S. 110; ebenfalls dieser Gedanke bei Oppermann, Hochschulfinanzierung, S. 6, u n d Lepsius, S. 199. (Note 108 u n d 109 s. dort S. 196.) los z.B. I n s t i t u t f ü r politische Planung u n d Kybernetik, Hochschulreform und Hochschulselbstverwaltung i m demokratischen Rechtsstaat, Bonn 1968, S. 37.
138 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
einandersetzung und Zusammenarbeit kooperativ vonstatten gehen sollte, wobei die Hochschulen eine Position von erheblichem Gewicht haben sollten. Dieser Grundüberlegung ist zu folgen; anders führt der Weg unweigerlich zum staatlichen Management, da eine Autonomiekonzeption herkömmlicher A r t nicht mehr durchzuhalten ist. Fraglich kann nur sein, welchen Weg man einzuschlagen hat. Der hier vertretene Mittelweg einer Institution auf Länderebene 109 hat gegenüber einem Gremium auf Hochschulebene einerseits und einer bundesweiten Vertretung aller Hochschulen andererseits bzw. diesen beiden zusammen verschiedene Vorteile, die sich sogleich i m einzelnen herausarbeiten lassen, wenn Charakter und Arbeitsweise des Hochschulkomitees erläutert werden. Diese Vorteile werden sich allerdings nur dann v o l l auswirken können, wenn einige weitere ebenfalls noch darzustellende Bestandteile des hier vorgeschlagenen Finanzierungsmodells hinzukommen.
1. Aufgaben, Arbeltsweise und Aufbau des Hochschulkomitees
Die Hauptaufgabe des H K ist die Hochschulfinanzierung i m Sinne einer Vermittlung der gesamten Mittelversorgung zwischen Staat und Hochschulwesen sowie die Bewältigung der m i t der Finanzierung entscheidend verbundenen Planungsaufgaben i m Hochschulbereich. Das hat eine Entlastungsfunktion für beide Seiten: Die einzelne Hochschule w i r d von dem bisher vorhandenen ständigen Konflikt mit der staatlichen Bürokratie und von den direkten Verhandlungen m i t dieser befreit, während auf der anderen Seite der Staat davon absehen kann, sich i n dauernder Kleinarbeit mit jeder kleinen Einzelfrage, jeder Zweckbestimmung und jedem technischen Problem der Mittel Verwendung zu beschäftigen. a) Abwicklung
der
Finanzierung
110
Die Hochschulen eines Landes stellen für ihren Bereich jedes Jahr einen Finanzierungsplan auf. Er enthält den gesamten Mittelbedarf dieser Hochschule und ist aufzugliedern nach Fachbereichen, Personalund Sachmitteln, einmaligen und wiederkehrenden Ausgaben sowie nach den verschiedenen Arbeitsprogrammen. Beizufügen sind Berechnungs- und Kalkulationsgrundlagen, Erläuterungen und Absichts109 Die Länderebene ist jedenfalls der Hauptstandort des H K ; auf die Frage einer Wirksamkeit auf Bundesebene w i r d noch eingegangen. 110 Die Zusammensetzung des Gremiums w i r d deshalb erst an späterer Stelle behandelt, w e i l sie sich aus der Aufgabenstellung des H K ergeben muß u n d anders nicht verständlich wäre.
Β. Zur Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
139
erklärungen für die Entwicklung der zu finanzierenden Aufgaben für die nächsten drei Jahre nach dem dem Finanzierungsplan zugrundeliegenden Jahr. Eine weitere Spezialisierung der Ansätze findet nicht statt. Das Hochschulkomitee sammelt diese Pläne, vergleicht sie und stimmt sie i n Verhandlungen m i t den einzelnen Hochschulen aufeinander ab. Dabei liegt eine fixe Relation zwischen den Hochschulen nach ihrer Größe, Studentenzahl, gegebenenfalls fachlicher Spezialisierung usw. zugrunde, so daß es nicht vom Verhandlungsgeschick eines bestimmten Vertreters abhängt, wieviel die Hochschule überhaupt bekommt; freilich hindert die Fixzahl nicht an Schwerpunktsetzungen, so daß die Größenverhältnisse nicht für alle Zeiten festgeschrieben sind. Nach Ausgleichung der einzelnen Anforderungen stellt das H K einen Entwurf für den Haushaltsplan der Landeshochschulen insgesamt auf. Dieser Entwurf ist nach Hochschulen und ihren Teilen (ζ. B. besondere Abteilung i m Sinne früherer Fachhochschulen, falls ein Gesamthochschulbereich besteht) und nach laufenden und einmaligen Ausgaben, insbesondere Bauvorhaben, zu spezifizieren. Der Entwurf geht an die zuständige Landesbehörde 111 . Zugleich bringt das Hochschulkomitee die Finanzpläne der einzelnen Hochschulen i n eine mittelfristige Finanzplanung ein. Während das H K die Anforderungen der Hochschulen jährlich erhält, macht es aber seinerseits einen zweijährigen Haushaltsplanentwurf; so entsteht eine Zwischenfrist, innerhalb derer das H K zu Umdispositionen ermächtigt ist und die es ihm ermöglicht, seine Planung zu präzisieren. Der Entwurf des Hochschulkomitees w i r d von diesem i n Verhandlungen m i t den staatlichen Stellen, insbesondere m i t dem Finanzministerium, sowie gegenüber dem Landesparlament vertreten. Nach Bewilligung des Haushalts erfolgt die Zuweisung i n einigen globalen Blöcken an das H K . Dieses verabschiedet nun einen Zwischenhaushalt entsprechend den bei der Aufstellung des Entwurfs ausgehandelten Relationen und Zweckbestimmungen. Sodann steht das Geld den einzelnen Hochschulen über ein bewegliches Abrufverfahren zur Verfügung. Beim Vollzug sind die einzelnen Hochschulen verhältnismäßig frei. Eine gegenseitige Deckungsfähigkeit der Ansätze ergibt sich schon automatisch, soweit sie ζ. B. nur nach Personalbedarf aufgegliedert sind, innerhalb dieser Zweckbestimmung; die Hochschule ist damit beweglich bei der Anstellung von Personal, Berufungsverhandlungen usw. i m Rahmen der Gesamthöhe dieses Ansatzes. Nichtverbrauchte Mittel 111
Welche, w i r d unten noch erläutert.
140 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
verbleiben der Hochschule zur Verwendung i m darauffolgenden Jahr, sind also generell übertragbar. Der Haushaltsvollzug des Hochschulkomitees besteht i m wesentlichen i n der Weiterverteilung der global zugewiesenen Mittel entsprechend seinem Verteilungsplan und entsprechend der eigenen mittelfristigen Finanzplanung sowie der Rahmenplanung des Landes (an der es teilnimmt). Gegenseitige Deckungsfähigkeiten sind hier nur gegeben i m Rahmen derjenigen Dispositionsbefugnisse, die dem H K gegenüber den Hochschulen eingeräumt sind und an die es gebunden ist. Eine Ubertragbarkeit ist hier nicht gegeben. b) Ausgabenkontrolle Der Rechnungshof des Landes kontrolliert, ob das H K den Verteilungsplan entsprechend dem bewilligten Haushalt durchgeführt hat, ob es i n den Grenzen seiner Dispositionsbefugnisse geblieben ist und ob es seinerseits die Rechnungsprüfung bei den einzelnen Hochschulen durchgeführt hat; er vergleicht ferner den Rahmenplan des Landes, die mittelfristige Finanzplanung des H K und den Verteilungsplan. Das H K überprüft auf einer zweiten, unteren Ebene das Haushaltsgebaren der Hochschulen. Damit hat sich der Rechnungshof mit den Einzelfragen der wissenschaftlichen Aufgaben nicht mehr zu befassen; er überwacht nur das H K i m Sinne einer Rechtsprüfung. Das Hochschulkomitee ist aufgrund seiner Zusammensetzung m i t den Sonderproblemen wissenschaftlicher Arbeit vertraut und i n der Lage, sachgerechte Erwägungen anzustellen. Es kontrolliert i n erster Linie die plangemäße Mittelverwendung, also ebenfalls die formelle Rechtmäßigkeit, ist aber nicht gehindert, i n sachliche Untersuchungen einzutreten und festzustellen, ob der Mitteleinsatz i m Einzelfall sparsam und wirtschaftlich i n hochschulgerechter Sicht war. Die formelle Kontrolle findet ihre Grenze i n der Struktur des Finanzierungsplans, insbesondere i m Grad seiner Spezialisierung. Genauere Untersuchungen i n sachlicher Hinsicht sind nur statthaft bei Vorliegen von Anzeichen für Mißbrauch, Fahrlässigkeit oder evidente Fehlkalkulationen und Fehlplanungen. c) Planungsaufgaben Das Hochschulkomitee ist ferner an den Planungen des Landes wie der Hochschulen beteiligt, zwischen denen es vermittelt. Die einzelnen Hochschulen stimmen ihre Ausbau- und Entwicklungspläne zum Teil durch die Dreijahres-Perspektiven m i t dem Haushalt, zum Teil außerhalb dieses mit dem H K ab, das auf der Grundlage des Landesgesamtplans die Einzelplanungen der Hochschulen aufeinander zu beziehen und einzuspielen hat. Das H K hat die Aufgabe, die Einzelpläne m i t dem
Β. Zur Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
141
Hochschulgesamtplan des Landes zu koordinieren. Umgekehrt w i r k t das H K bei der Planung des Landes mit und vertritt dort die Interessen der Hochschulen, versucht ihre Vorstellungen i n der Rahmenplanung zu verwirklichen und einerseits zu verhindern, daß Planungen einander zuwiderlaufen und sich behindern, andererseits dafür zu sorgen, daß das Planungsgefüge sich nicht verselbständigt und für Kurskorrekturen offenbleibt. I n diesem Rahmen vertritt das H K auch das gesamte Hochschulsystem insbesondere bei gesamtwirtschaftlichen Schwerpunktverlagerungen zuungunsten des Hochschulwesens, Konjunkturschwankungen usw. d) Weitere
Funktionen
Weiter hat das Hochschulkomitee die Beziehungen zwischen den einzelnen Hochschulen und Interessenten aus dem gesellschaftlichen Bereich zu mediatisieren. Von einer bestimmten Größenordnung an müssen Zuwendungen nichtstaatlicher Geldgeber, die m i t Forschungsaufträgen verbunden sind, über das H K laufen, das sie gegen Vorlage eines äußeren Durchführungsprogramms für das Projekt an die beauftragte Hochschule weiterreicht, und zwar innerhalb dieser unmittelbar an die beauftragte Stelle oder Einrichtung. Diese Grenze für die Einschaltung des H K darf allerdings nicht zu niedrig angesetzt werden 1 1 2 . Andererseits hat das H K sich um Zuwendungen von dritter Seite zu bemühen und entsprechende Verbindungen herzustellen. Das gilt auch für Stiftungen, Spenden usw. Dieses System gilt auch für von staatlichen oder staatlich geförderten Einrichtungen zu vergebende Aufträge. Bei Einstimmigkeit aller einzelnen Hochschulen kann das H K mit Aufträgen verknüpfte Zuwendungen zusammen m i t diesen zurückweisen; dem muß dann eine gemeinsame Beratung vorausgehen. Sonstige Inanspruchnahmen des Hochschulsystems, wie Fernstudium. Weiterbildung, Zusammenarbeit m i t Massenmedien, Datenbank u. dgl. werden ebenfalls über das Hochschulkomitee abgewickelt. Es fungiert dabei von einer bestimmten Projektgröße an als Anlauf stelle und hat weiter mitzuwirken, wenn es sich u m besonders umfangreiche Inanspruchnahmen handelt, insbesondere wenn sie über die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Hochschule hinausgehen oder sie i n der Wahrnehmung der regelmäßigen Aufgaben zu beeinträchtigen geeignet sind; das H K kann dann eine Arbeitsteilung vornehmen. Schließlich ließe sich das H K als Clearingstelle für Zulassungen, zur Umverteilung von Bewerbern usw. einsetzen. Zuletzt kommt auch eine 112 Es ließe sich an Größenordnungen von vielleicht 100 000,— D M denken, Gutachten u n d sonstige kleinere Inanspruchnahmen sollten i m Bereich der Einzelhochschule bleiben.
142 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
M i t w i r k u n g bei der Gestaltung von Studiengängen, Prüfungsordnungen und didaktischen Instrumenten i n Betracht, wobei es dann über einen Ausschuß ohne oder bei höchstens beratender M i t w i r k u n g von staatlicher Seite tätig werden könnte. e) Besetzung des Hochschulkomitees Aufgabenkatalog und Arbeitsweise des H K zeigen, daß es möglichst genau i m Mittelpunkt des Beziehungsdreiecks von Staat, Hochschule und Gesellschaft stehen sollte. Für die Besetzung ergibt sich daher das Erfordernis, diese drei i n einem abgewogenen Verhältnis zur Wirkung zu bringen. Dabei ist freilich zu beachten, daß der Zweck des Hochschulwesens festliegt und es also nicht darum gehen kann, eine A r t von gesellschaftlicher Repräsentanz herzustellen 113 ; es handelt sich vielmehr um die Aufgabe, „die legitimen gesellschaftlichen und staatlichen Ansprüche an die Wissenschaft i n Forschung und Lehre zu verm i t t e l n " 1 1 4 . Es sollte daher davon ausgegangen werden, daß das Hochschulwesen jedenfalls stärker repräsentiert sein muß als die Seite der gesellschaftlichen Interessenten. Andererseits muß insbesondere wegen der Hauptaufgabe der Finanzierung der Staat ebenso stark repräsentiert sein wie die Hochschulen, so daß er m i t den wie auch immer gearteten Vertretern des „öffentlichen Interesses" jene majorisieren könnte; das gilt natürlich auch umgekehrt, was gerade i m Hinblick auf die Finanzierungs- und Planungsaufgaben nicht anginge. Leider dürfte mit Becker-Kluge davon auszugehen sein, daß sich Lösungen wie beim englischen University Grants Committee bei uns nicht durchführen lassen 115 ; das U.G.C, ist dort beim Schatzamt bestellt, die M i t glieder pflegen persönliche Kontakte (informal relationship) zu den Universitäten und der Rektorenkonferenz einerseits und zu den Beamten des Schatzamtes andererseits, ohne daß sie den beiden Seiten unmittelbar angehören und ohne daß eine formalisierte oder gar proportionale Vertretung bestünde. Die Stellung des U.G.C, ist aufgrund besonderer historischer Gegebenheiten so übergeordnet und unabhängig qua persona, daß es die Finanzplanung und die schwerpunktmäßige Verteilung der Staatsmittel ohne Bindung an eine besondere Finanzkontrolle i n seiner Hand vereinigen kann, ohne auch nur eine eigene Verwaltung zu besitzen 116 . Demgegenüber ist für unsere Verhältnisse keine andere Möglichkeit i n Sicht, als die Beteiligungsquoten an dem Hochschulkomitee möglichst optimal zu bestimmen. 113 Mestmäcker, Verfaßte Freiheit i n einer neuen Universität, i n : Gerhard Schulz, Was w i r d aus der Universität?, S. 101 ff. (107 ff.). 114 Ders. ebd. S. 109. us Vgl. Becker - Kluge, S. 113 f. ne Ebd. S. 114.
Β . Zur Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
143
Die Lösung könnte darin liegen, daß die Stimmberechtigung der M i t glieder des H K nach den zu bewältigenden Aufgaben differenziert wird. Geht man davon aus, daß Fragen der Finanzierung, der Planung und der Ausgabenkontrolle allein von Seiten der Hochschulen und des Landes entschieden werden sollen, so entfällt der schwierigste Punkt. Nunmehr läßt sich eine zahlenmäßig gleichstarke Vertretung von A n gehörigen der Hochschulen, Vertretern des Landes und den „Interessenten" denken. M i t dem Erfordernis qualifizierter Mehrheiten für bestimmte Gegenstände könnte eine weitere Differenzierung erzielt werden, so daß unbillige Ergebnisse vermieden werden könnten 1 1 7 . Die Vertreter des Landes sind sinnvollerweise aus den Reihen der Ministerialbürokratie zu bestimmen. Die einzelnen Hochschulen wären durch ihre Leitung, den Präsidenten, oder einen von ihr zu bestellenden Vertreter zu beteiligen. Schwieriger ist die Frage, woher die Vertreter der gesellschaftlichen Ansprüche zu bestellen sind. Hier könnte es sinnvoll sein, nicht auf irgendwelche, manchmal nur vage einzuordnende „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" zurückzugreifen, sondern i m Interesse einer Transparenz durchaus eindeutige Interessenvertreter zu berufen. Das würde eine gewisse Repräsentation gesellschaftlicher Gruppierungen und Machtpositionen bedeuten: Vertreter von Industrie und Gewerkschaften, des Schulwesens, der Massenmedien, vielleicht aus Kunst und Literatur. Diese Vertreter wären von den entsprechenden Organisationen zu benennen, zu berufen und klar als Interessenvertreter zu apostrophieren. I m übrigen wäre angesichts der vielen Aufgaben die Möglichkeit zur Ausschußbildung zu institutionalisieren und ein gewisser Apparat einzurichten. f) Problematische
Punkte
Aus der Beschreibung von Aufgaben und Arbeitsweise dieses Gremiums mit ihren Auswirkungen auf die Selbstverwaltung der einzelnen Hochschulen eines Landes ergeben sich die möglichen Vorteile, aber auch die möglichen Schwierigkeiten m i t einem solchen Hochschulkomitee. Das größte Mißtrauen dürfte wohl die Konzentration von Entscheidungsbefugnissen und Informationsmöglichkeiten des H K erwecken; dies könnte zusammen eine erhebliche Machtballung darstellen. Vor allem die Hochschulen könnten ihre Selbstverwaltung gefährdet sehen, während sich das H K vom Staat aus als ein mächtiges Kartell 117 Damit würde sich etwa folgendes Zahlenbeispiel ergeben: Bei 8 Landeshochschulen wären 8 Vertreter des Staates u n d 8 der Gesellschaft zu bestellen, also insgesamt 24; die Zahlen ließen sich auch m i t 2 multiplizieren; auch könnte daran gedacht werden, n u r die von Hochschulwesen u n d Staat zu verdoppeln, die d r i t t e Gruppe bewußt i n der Minderzahl zu lassen.
144 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
der Hochschulen ausnehmen könnte. Ganz so groß ist das Problem aber nicht. Die Hochschulen sind i n diesem Modell immerhin gleichgewichtig mit dem Staat vertreten und sind i n den finanziellen und Planungsentscheidungen nur i h m gleichstark konfrontiert. Das dürfte eindeutig eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand bedeuten. Freilich müssen sich die Hochschulen i m H K „zusammenraufen"; aber das ist ja gewollt, und benachteiligt ist insofern keine. Das Problem der Machtballung ist auch deshalb entschärft, weil das H K keinerlei auf sich selbst bezogene Interessen hat; es kann mehr Geld nur für die Hochschulen fordern und genauere Orientierung an Rahmenplanungen nur für das Land. Diese Entscheidungen müssen kooperativ getroffen werden. Dafür hat die einzelne Hochschule mit erheblichen Verbesserungen zu rechnen: Vereinfachte und liberalisierte Haushaltsführung, wirtschaftliche Vertretung gegenüber dem Staat, Einführung ihrer Planungsabsichten in die übergeordnete Planung und Entlastung von einer Reihe von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben bezüglich Studienplatzvermittlung, Zusammenwirken m i t anderen Hochschulen u. a. Der Staat w i r d von Einzelfragen der Finanzierung und Rechnungsprüfung entlastet, ohne die Kompetenz für die Hauptlinien und die Kontrolle zu verlieren. Problematisch ist aber besonders die Frage, ob das H K bei dieser Besetzung erfolgreich arbeiten kann oder ob es nur Entscheidungen auf der Grundlage des „kleinsten gemeinsamen Nenners" fällen würde. Dazu ist aber festzuhalten, daß die Kooperation an irgendeiner Stelle geleistet werden muß, w i l l man nicht die Entscheidungsbefugnis ganz beim Staat belassen. Dann aber ist es besser, sie zu institutionalisieren, als sie von Fall zu Fall auf der Ebene der einzelnen Hochschule unter noch größeren Reibungsverlusten geschehen zu lassen. Die Konflikte werden auf diese Weise öffentlicher, was zur Einigung und zur Ermittlung sinnvoller Lösungen zwingt. Es müßte allerdings darauf hingearbeitet werden, daß das H K zunächst von der Besetzung und langfristig von seinem Selbstverständnis her eine so eigenständige und herausgehobene Position einnimmt, daß die Phase eines Gegeneinander zweier Lager bald überwunden wird. Das Gremium soll ein neues Instrument der Verwaltung für zwei Bereiche öffentlicher Aufgaben darstellen, die traditionell stark verschieden gesehen werden, weil das Verwaltungsrecht keine adäquaten Formen anzubieten vermag; es sollen also nicht zwei herkömmliche Verwaltungsbereiche zusammengestückt, sondern es soll ein dritter, neuer geschaffen werden. I n diesem Zusammenhang muß auch die rechtliche Zuordnung des Hochschulkomitees sehr sorgfältig erwogen werden. Eine Zuordnung zum Finanzministerium entsprechend der des University Grants Committee zum englischen Schatzamt erscheint trotz der Parität der Hochschulangehö-
Β . Z u r Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
145
rigen nicht günstig, weil dadurch die Denk- und Anschauungsweisen der Finanzbürokratie zu unmittelbar eingehen und ein neuer Charakter m i t neuem Selbstverständnis des H K nur langsam sich bilden dürfte. Dagegen könnte das H K an der Regierung des Landes insgesamt angebunden und personell auch mit solchen staatlichen Mitgliedern besetzt werden, die nicht unmittelbar aus der Finanzbürokratie kommen. Nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Persönlichkeiten, die ein solches Gremium vereinen würde, insbesondere zu Anfang seines Bestehens, ob und wie sich ein neuer, eigenständiger Status herausbilden würde. 2. Wirksamkeit auf Bundesebene
Die Frage, ob angesichts der Bundeskompetenz für die Grundzüge des Hochschulwesens i m Interesse einer Wahrnehmung der Autonomie des Hochschulsystems auch eine Betätigung der Hochschulen auf dieser Ebene wünschenswert oder sogar notwendig ist, muß gesondert behandelt werden. Zu den Aufgaben des H K , das für die Größenordnung des Landes gedacht ist, gehört das an sich nicht. Andererseits muß dieses Gremium i n irgendeiner Form angeschlossen sein, wenn eine zentrale Repräsentanz der Hochschulen auf Bundesebene erforderlich ist. Die W R K hat eine solche zentrale Repräsentanz für die Wahrnehmung einer Reihe von Aufgaben für notwendig erklärt 1 1 8 . Dabei sind die Funktionen einer solchen Bundeshochschulkonferenz 119 allerdings bezüglich der verschiedenen Aufgaben abgestuft von einer „Wahrnehmung" über „Beteiligung", „Zusammenwirken" und „Hinarbeiten" bis zur „Förderung durch Empfehlungen" 1 2 0 . Für die hier interessierende Frage nach einer Einrichtung von entscheidungsbefugten Institutionen durch den Gesetzgeber auf Bundesebene kommt i n erster Linie die „Wahrnehmung" und die „Beteiligung" i n Betracht. Gegen eine solche Einrichtung sind bereits Bedenken geltend gemacht worden. Es ist die Errichtung eines „Hochschulstaats i m Staate" befürchtet worden, von dem die erforderliche und allein zeitgemäße Kooperation mit dem Staat nicht zu erwarten sei, der vielmehr „zum Schlagabtausch" m i t der Bundesrepublik bereitstehe 121 . Freilich reizen insbesondere die Tendenzen des Rahmengesetzentwurfs zu der For118 v g l . die Absichtserklärung m i t dem Aufgabenkatalog i n D U Z 1970 Nr. 22, S. 14. Weiter geht bekanntlich Schelsky, Abschied . . . , S. 196, m i t seinem Konzept von der „großorganisatorischen politischen Vertretung der A u t o nomie". H 0 Der ReferentenE zum Hochschulrahmengesetz ließ sie zu. 120 Vgl. den Katalog i n D U Z 1970 Nr. 22, S. 14. 121 So der T i t e l des Aufsatzes v o n Bächler, D U Z 1970 Nr. 15/16, S. 8 ff.; vgl. auch S. 9. 10 Zeh
146 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
derung nach einer Vertretung für die Hochschulen. Aber die Gefahren einer derartigen Großorganisation — und nur um eine solche kann es sich angesichts des von der W R K vorgesehenen Aufgabenkatalogs handeln — sind nicht gering zu schätzen. Nicht nur die Möglichkeit einer Gegnerschaft zum Staat — bei der dieser den Sieg davontragen muß — ist hier gegeben, sondern auch die einer teilweisen Denaturierung des wissenschaftlichen Selbstverständnisses i n der politischen Auseinandersetzung, auf die oben schon hingewiesen wurde 1 2 2 . „Bei aller Anerkennung der Eigengesetzlichkeit der kulturellen Sphäre bleibt diese gleichwohl eine Provinz des Staates und seinem Einfluß zugänglich. Dies hat um die Wohlfahrt bemühtes Staatsdenken seit jeher erkannt 1 2 3 ." Ein solcher Satz behält auch bei aller Differenzierung des Begriffs „ k u l t u rell" i m Zusammenhang m i t der Wissenschaft seine grundsätzliche Gültigkeit. Angesichts dessen muß der Gedanke einer zentralen Repräsentanz mit Rechtssetzungsbefugnissen als Körperschaft des öffentlichen Rechts als fragwürdig gelten. Andererseits kann eine Kooperationseinrichtung der Hochschulen auch auf Bundesebene sehr nützlich und angesichts der Bundesbefugnisse insbesondere i n der Hochschulplanung (Hochschulbauförderungsgesetz) sogar geboten sein. Deshalb w i r d das hier vorgelegte Konzept dahin erweitert, daß die Hochschulkomitees der Länder je einen Vertreter, etwa den Vorsitzenden oder Stellvertreter, in ein Bundeshochschulkomitee (BHK) entsenden, das durch ein A b kommen zwischen Bund und Ländern errichtet werden könnte; verfassungsrechtliche Bedenken dürften angesichts der Bundeskompetenz und des dementsprechenden Arbeitsbereichs dieses B H K zurückgestellt werden können 1 2 4 . Das B H K hat die Aufgabe, bei bundesweiten Planungen der Bundesregierung mitzuwirken und so einmal die Interessen des Hochschulsystems, aber auch die der Bundesländer zu vertreten. Damit stünde dem Bund nicht eine politische Repräsentation der Hochschulen allein gegenüber, sondern eine Einrichtung, deren EntsenderOrgane ihrerseits schon auf Kooperation angelegt sind. Der „Schlagabtausch" zwischen Staat und Hochschulstaat würde nicht stattfinden. 122
Vgl. oben i m Zweiten Teil, Β . I I . Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 15. 124 Vgl. zu diesen Problemen z.B. Lohmar, Wissenschaftsförderung und Politik-Beratung, S. 91 ff.; vgl. auch die Einschätzung seiner Möglichkeiten, die der B u n d i n der Allgemeinen Begründung zum H R G - E n t w u r f , S. 17, darstellt. Nachdem Neubau u n d Ausbau der Hochschulen ohnehin Gemeinschaftsaufgabe nach A r t . 91 a Abs. 1 Nr. 1 GG sind (also Länderaufgabe, bei der der B u n d i n der Planung m i t w i r k t u n d die Hälfte der Finanzierung übernimmt), u n d nachdem freiwillige (allerdings einstimmige) A b k o m m e n nach A r t . 91 b G G f ü r weitere Bereiche möglich sind, wäre ein B H K verfassungskonform. 123
Β . Z u r Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems
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Dem B H K werden Mitwirkungsbefugnisse bei den Planungsentscheidungen des Bundeswissenschaftsministers, eventuell nur einstimmig zu führende Vetorechte eingeräumt. Damit ist es i n der Lage, den Planungen der Länder Eingang i n die überregionale Planung zu verschaffen, die Position des Hochschulsystems insbesondere bei den die Hochschularbeit unmittelbar betreffenden Planungen (Zugangsvoraussetzungen, Studienreform) zur Geltung zu bringen und beide an internationale Kommunikation vor allem i m europäischen Raum anzuschließen. Zugleich könnte sich daraus eine Rückwirkung auf die Hochschulkomitees auf Landesebene i m Sinne einer Solidarität der verschiedenen M i t glieder und eines Bewußtseins von der besonderen Natur ihres Gremiums m i t seiner Unlösbarkeit von Hochschule und Staat zugleich ergeben, das bei deren Arbeit wieder nützlich sein würde. 3. Weitere Teile des Modells
Einige weitere Bereiche müssen noch auf diesen Vorschlag bezogen und i n bestimmter Weise geregelt werden, u m die Autonomie des Hochschulsystems zu sichern und dieses zugleich zu einer effektiven Selbstverwaltung zu befähigen. Einmal ist der Staat gegenüber den einzelnen Hochschulen auf reine Rechtsaufsicht beschränkt. Die „Wahrnehmung seiner Verantwortung" 1 2 5 w i r d bezüglich der Verwaltung der Einzelhochschule vom Hochschulkomitee übernommen; soweit ein Bedürfnis für Fachaufsicht unabweisbar ist, liegt sie bei diesem. Ferner soll das Management der einzelnen Hochschule professionalisiert, also von eigens ausgebildeten Fachleuten wahrgenommen werden. Dazu ist die „Einführung einer auf die besonderen Bedürfnisse der Kulturverwaltung — auch an der Hochschule selbst — zugeschnittenen Sonderausbildung" 126 erforderlich. Einer solchen Sonderausbildung sollten aber nicht nur eigens angestellte Verwaltungsbeamte der Hochschulen, sondern nach Möglichkeit auch die aus den Hochschulen kommenden Mitglieder des Hochschulkomitees sich unterzogen haben; auch das würde die Arbeitsfähigkeit des H K erhöhen. I m Zusammenhang m i t der Professionalisierung des Hochschulmanagements muß eine beamtenrechtliche Differenzierung vorgenommen werden. Während die wissenschaftlichen Angehörigen der Hochschulen weiterhin als Beamte dem Land als Dienstherrn unterstehen, allerdings m i t einer besonderen, richterähnlichen Unabhängigkeit (die gerade auch bezüglich der Versetzbarkeit angesichts von Gesamthochschulbereichen eine bisher nicht vorhandene Erheblichkeit bekommen könnte), sollten die Verwaltungs125 v g l . § 8 Abs. 2 H R G - E n t w u r f . !26 So Oppermann, Hochschulfinanzierung, S. 9. 10·
148 3. Teil: Finanzverfassungsreform für ein autonomes Hochschulsystem
beamten dem Hochschulkomitee oder der einzelnen Hochschule selbst als Dienstherrn zugeordnet werden. Das hat seinen Grund darin, daß es bei wachsenden Spezialfähigkeiten und -kenntnissen der Verwaltungsexperten für die mit Wissenschaftlern besetzten Kollegialgremien der Hochschule zunehmend schwieriger wird, die Verwaltung zu kontrollieren und zu durchschauen. Die Hochschulautonomie fordert aber, daß die Wissenschaft i m Hochschulsystem nicht zum Sklaven des infolge der Ausbildungsaufgaben immer größer und unübersehbarer anschwellenden Verwaltungsapparates wird. Deshalb ist der Hochschulspitze mit ihrer Dienstherreneigenschaft über die Verwaltungsfachleute eine etwas günstigere Position zur Aufrechterhaltung der Kommunikation m i t der Verwaltung gegeben, um hier eine Verselbständigung zu verhindern. Schließlich wäre noch an eine weitere Abschichtung des Finanzierungsbereichs Hochschulsystem von den anderen Sektoren staatlicher Finanzierung zu denken. Die Länder könnten einen besonderen Wissenschaftshaushalt neben dem Rest des bisherigen Kulturhaushalts führen. Vom wachsenden Umfang und von der Bedeutung her, die dieses Finanzierungsgebiet einnimmt, wäre das gerechtfertigt. Dazu wäre nicht erforderlich, daß die Länder nunmehr ein zusätzliches Wissenschaftsministerium einrichten; der Wissenschaftshaushalt könnte durchaus organisatorisch weiterhin zum Kultusministerium ressortieren. Es käme vielmehr darauf an, daß die Hochschulfinanzierung auf der Seite der Länder ebenfalls nach eigenartigen, teilweise geänderten Grundsätzen und nach Möglichkeit mit einem vereinfachten Verfahren geführt würde. Dadurch könnte der Wissenschaftshaushalt i m Stadium der Bewilligung durch die Parlamente politisch besonders akzentuiert werden, und außerdem würde die M i t w i r k u n g des Hochschulkomitees bei der Aufstellung des Haushaltsplans erleichtert. Auch auf Seiten des Staates könnte das Erleichterungen bringen, wohingegen ein außerordentlicher zusätzlicher Aufwand durch ein solches Verfahren nicht zu befürchten wäre angesichts des Umstandes, daß auch heute die Hochschulhaushalte bzw. die betreffenden Einzelpläne des Kultushaushalts von besonderen Hochschulabteilungen oder ähnlichen Einrichtungen bearbeitet werden. Das Modell könnte noch durch zusätzliche „flankierende" Maßnahmen vervollkommnet werden. So liegen etwa i n einer genaueren Umschreibung der Aufgaben der Hochschulspitze, i n der Aufgabenverteilung zwischen Fachbereichen und Kollegialorganen oder i n der Regelung des Berufungsverfahrens noch manche Einzelmaterien, die für den Fall einer Realisierung eines solchen Konzepts eingepaßt und i n den Feinheiten treffend organisiert werden müßten. Hier steht aber bewußt das Finanzierungssystem mit den wichtigsten, unabdingbaren Voraussetzungen eines autonomen Hochschulsystems im Mittelpunkt der Be-
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trachtung, so daß auf die genauere Ausformung der Einzelheiten i m Modell verzichtet werden soll. I I I . Zusammenfassung und Schluß Damit sind die Vorschläge zur Finanzierung eines autonomen Hochschulsystems unterbreitet. Sie stellen zwar keine fertige Vorlage dar. die sogleich i n die Realität gesetzgeberischer Regelungen umgesetzt werden könnte. Sie können aber vielleicht zeigen, daß ein Regelungskonzept für eine autonome Hochschulfinanzverfassung gesucht und gefunden werden muß, wenn das Hochschulsystem zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung der Wissenschaft befähigt werden soll. Die hier angebotenen Vorschläge sind dazu grundsätzlich geeignet. Sie ermöglichen einmal eine sachgerechtere und damit i m Sinne wissenschaftlicher Aufgabenstellungen effektivere Wirtschaftsverwaltung i m Hochschulwesen durch eine einfachere und wirtschaftlichkeitsfördernde Handhabung des Haushaltsrechts seitens der Hochschulen und durch erhöhte Planungsfähigkeit und Beweglichkeit beim Mitteleinsatz sowie durch eine liberalisierte und sachkundige Rechnungskontrolle. Zum anderen gewähren sie die Unabhängigkeit und selbständige Handlungsfähigkeit, die das Hochschulsystem zur Ausfüllung seiner Autonomie benötigt, und führen diese Autonomie über eine erweiterte Selbstverwaltung durch die Beschränkung des staatlichen Zugriffs auf die Rechtsaufsicht und durch eine stärkere Planungsbeteiligung des Hochschulwesens mit herbei. Und schließlich verhelfen sie den Hochschulen aus einer unfruchtbaren Abwehrhaltung gegen den Staat ebenso wie aus seiner Kuratel heraus zu einer kooperativen Arbeitsteilung m i t seinem Behördenapparat; gewissermaßen durch „Dezentralisation mittels Konzentration" treten sie Staat und Gesellschaft als Partner gegenüber und an die Seite. Die Vorschläge und ihre Grundlegung und Herleitung i n dieser Arbeit zeigen, daß eine Reform der Verwaltung und der Verfassung des Hochschulwesens nur zusammen m i t einer Reform der Hochschulfinanzverfassung gelingen kann. Das macht die unlösbare Verflechtung dieser Bereiche i n das Netz der Beziehungen zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Staat. Dieses Netz der Beziehungen verbindet aber zugleich alle Beteiligten i n der Notwendigkeit, gemeinsam an der Fortentwicklung des Hochschulwesens weiterzudenken und weiterzuarbeiten. Die Freiheit der Wissenschaft ist eine Garantie, aber auch eine Verpflichtung unserer Verfassung für die Gesellschaft, für den Staat und für die Hochschulen selbst, die Wissenschaft i n einer freien Verfassung zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung kommen zu lassen.
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